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German Pages 118 [120] Year 1969
KOMEDIÄ 15 DER HOFMEISTER UND DIE GOUVERNANTE Ein Lustspiel in 5 Aufzügen
ROM E DIÄ DEUTSCHE LUSTSPIELE V O M BAROCK B I S ZUR G E G E N W A R T Texte und Materialien zur Interpretation Herausgegeben von H E L M U T A R N T Z E N und K A R L P E S T A L O Z Z I
15
1969 W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. / B E R L I N V O R M A L S G. J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G • J . GUTTENTAG V E R L A G S B U C H H A N D L U N G • G E O R G R E I M E R • K A R L J. T R Ü B N E R VEIT & COMP
D E R HOFMEISTER UND DIE GOUVERNANTE Ein Lustspiel in 5 Aufzügen
Text und Materialien zur Interpretation besorgt von M I C H A E L M. M E T Z G E R und G E R A R D F. S C H M I D T
1969 W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. / B E R L I N V O R M A L S G. J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G • J . GUTTENTAG V E R L A G S B U C H H A N D L U N G • GEORG R E I M E R • KARL J. T R Ü B N E R V E I T & COMP.
Archiv-Nr. 3609692 @ 1969 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sche Vcrlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Str. 13. Printed in Germany. Alle Rechte der Übersetzung, des Nachdruckes, der Anfertigung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: Walter de Gruyter Sc Co., Berlin 30
Robert August Schmidt und Ernst Ludwig Metzger in memoriam
Der Hofmeister und die Gouvernante Ein Lustspiel in 5 Aufzügen 1
1 Über dem Titel, auf zwei Zeilen verteilt und durchgestrichen, stand: »Natur und Kunst. (|) Der Hofmeister und die Gouvernante.« Schreiber B, von dem die ganze Seite stammt, versuchte, die ausgestrichenen Wörter der 2. Zeile dadurch wiederherzustellen, daß er sie unterpungierte. E r entschloß sich daraufhin jedoch, sie noch einmal ganz auszuschreiben.
|2
PERSONEN
G R A F MORGENSTERN. D I E GRÄFINN,
seine Gemahlinn. Titular Rath.
V O N SCHUHHEIM, HEINRICH,
sein Sohn
AUGUSTA F R A N K , KIPPER,
Krämer und Bürgermeister. seine Tochter.
FRÄNZCHEN, MORNING YURI,
seine Mündel.
STAR.
ein Neger sein Bedienter.
LISETTE,
Kammerjungfer
JOHANN,
Bedienter
ROSSIGNOL, THOMAS,
l
J
Kammerdiener
Reitknecht
ZACHARIAS,
1
der Gräfinn. 1
l
J
des Grafen.
Bedienter des Herrn von Schuhheim.
Handels- und Handwerksleute, ein Gerichtsbote, Bediente usw. Die Scene ist in einem Landstädtchen, wo der Graf begütert ist.
2
Die ganze Seite in der Schrift von B.
Seite 2 der Handschrift (B)
y.
^ct^fi. L
/
• y: Seite 5 der Handschrift (A)
J
I
H
S
I
J
-yrj
k
JL
-•
I AUFZUG I Szene Zimmer in Kippers Haus. K I P P E R si%t in seinem Lehnstuhle3. — Der verwünschte C h a m p a g n e r steckt mir noch immer im Kopf. Wenn ich im Schloß s o u p i r e , kann ich am folgenden Morgen nie recht zu mir selbst kommen. er gähnt v. Schuhheim kömmt herein SCHUHHEIM.
Guten Morgen, Freund Kipper!
ohne ihn bemerken. Seine Excellenz haben mir einen tüchtigen Rausch angezecht, der Teufel weiß, für wie viel Duzend von seinen 1 Dirnen ich Gesundheit trinken muste. Meiner Seel, ich und seiner Exzellenz haben manche B o u t e i l l e miteinander leicht gemacht.
KIPPER
Was zum Henker schwazt der für Zeug! Der Graf verrückt ihm noch ganz den Kopf!
SCHUHHEIM.
wie oben. Alter Esel, sagten Seine Exzellenz schmeckt dir mein Acht und Vierziger? hol mich der Teufel, sagt ich, das hizt einen 5 von der Scheitel bis zum Hosenknopf. Da lachten seiner Exzellenz, daß ihnen die Augen übergiengen, und liessen mich nicht fort, bis der Hahn krähte. er gähnt.
| KIPPER
Das ist nicht mehr auszuhalten, er tritt vor und schlägt Kipper auf die Schulter. Guten Morgen! Meister Kipperl
SCHUHHEIM.
Ey, guten Morgen, Herr Schuster, — Herr — von Schuhheim wollt ich sagen. Was bringt Sie so früh hieher?
KIPPER.
SCHUHHEIM.
Geschäfte, die ich mit Euch abzumachen habe.
Geschäfte? — kann nicht aufwarten; muß mit seiner Exzellenz spazieren reiten.
KIPPER.
3
Dieser Satz von B hinzugefügt. Durch Durchstreichen des letzten Striches im »m« aus »seinem« verbessert. 5 Aus »einem« verbessert. 4
I Aufzug
12
Gut, so will ich warten, bis ihr nach Haus kommt. Jezt wiegt mir ein paar Pfund Schnupftaback, ich will mich wieder auf einige Zeit damit proviantiren.
SCHUHHEIM.
steht auf. Herr, was denken Sie? ist das mein Geschäft? Gehn Sie zu meinem Ladendiener, der wird dafür sorgen. Taback wiegen! — Wissen Sie, daß ich eben so gut, als Sie jetzt Herr von Schuhheim sind, Herr von Kippersheim oder Kippersfeld werden kann, und daß für mich der Charakter als wirklicher Titularrath um das nämliche Geld zu haben ist, wie für Sie?
| KIPPER
Ihr habt auch Ursache, euch groß zu machen, was seid ihr denn als ein Landkrämer?
SCHUHHEIM.
Handelsmann, Banquier und regierender Bürgermeister. Aber schon gut, für ihre Geschäfte können Sie sich nach einem andern Mann umsehen. Will ab.
KIPPER.
N U , nu, wer wird denn gleich so auffahren! Es war nicht bös gemeint, Nachbar — wir kennen uns ja seit langer Zeit.
SCHUHHEIM.
So dürfen Sie mir nicht wieder kommen, sonst hat die gute Nachbarschaft ein Ende.
KIPPER.
Seid ruhig, alter Knabe, ich will euch ein schön Stück Geld zu verdienen geben, darum kam ich hieher.
| SCHUHHEIM.
KIPPER.
Je nun, um die Nachbarschaft nicht zu brechen. —
Nun so hört. Mein Sohn hat mir geschrieben, daß mein neues Etablissement nun völlig zu Stand gebracht ist. Ein herrliches Lustschloß, und eine ganze Straße neugebauter Häuser — kurz eine ganze Stadt —
SCHUHHEIM.
Schön, da müssen Sie vor allem dafür sorgen, daß sie rechtliche Leute hinein bekommen, denn wie seine Exzellenz zu sagen pflegen, man muß die Perlen nicht den Schweinen vorwerfen.
KIPPER.
Mein Sohn wird heute noch hier eintreffen, und dann wollen wir zusammen hingehn, er hat inzwischen eine kleine Reise gemacht, und —
SCHUHHEIM.
Eine Reise? O das Reisen ist ein herrlich Ding. Seine Exzellenz erzählen mir Wunderdinge von den fremden Ländern wo Sie waren.
KIPPER.
I Szene
13
Laßt jezt die Exzellenz! Mein Sohn ist ein artiger Junge, mit dem ich so mein Plänchen habe. Ihr kennt meine Mündel —
| SCHUHHEIM.
Die hübsche Engelländerinn, die der alte Robinson an Kindsstatt angenommen hat, weil seine Tochter mit einem teutschen Grafen davonlief 6 ?
KIPPER.
Eben die. Ihr wißt, daß der ehrliche Greis aus Engelland 7 in unsre Stadt gezogen ist, und als er starb, seine Nichte Augusta unter meine Vormundschaft gegeben hat. Ich erwarte sie heute noch hier.
SCHUHHEIM.
Das haben Sie mir ja schon vorgestern geschrieben, das Zimmer ist bereit. Seine Exzellenz waren eben bei mir, als ich den Brief erhielt, und da sagten Seiner Exzellenz —
KIPPER.
SCHUHHEIM. I KIPPER.
Zum Henker sag ich mit Eurer Exzellenz 1
Wie? Was? Seiner Exzellenz? zum Henker? — Herrl
Gebt euch nur zufrieden. Ich dacht nicht daran, daß die Exzellenzen das Privilegium haben nicht gehängt zu werden, aber ihr unterbrecht mich auch immer. Mein Sohn also soll mit einem Wort die reiche Augusta heirathen. Ich fürchte nur, weil sie so reich ist, werden eine Menge junger Stuzer mit ellenlangen Titeln Bändern, und Sternen um sie her flattern und sie meinem armen Heinrich vor der Nase wegschnappen 8 . Wie wär's also, wenn man ihr weiß machte, ihr O n c l e habe ein zweites Testament gemacht? He, meint ihr nicht sie wird dann mit beiden Händen nach meinem Heinrich greifen?
SCHUHHEIM.
Ein schön Projekt, meiner Seel, das haben Sie mir abgelernt, denn ich bin ein durchtriebner Vogel, wie mich Seiner Exzellenz —
KIPPER.
SCHUHHEIM. | KIPPER.
Alle Wetter. —
Nun, was soll ich dabei thun?
Ihr sollt meinem Mündel diese Hiobspost überbringen, und für eure Mühe ein hübsches Stück Geld einstecken.
SCHUHHEIM.
6 7 8
Aus »davonliefe« verbessert. Hs Egelland. Hs wegschappen.
14
I Aufzug
Lassen Sie mich nur machen, ich will ihren Ton gewiß herunterstimmen, sie soll so kirre werden, daß sie mich auf den Knien um mein Fürwort bei Ihrem Sohn bitten soll.
KIPPER.
Nun hab ich aber noch etwas auf dem Herzen, meine neue Kolonie, wovon ich euch sagte, mein Adelsbrief, und RathsTitel haben mich viel Geld gekostet, wie wär's wenn Ihr den Grafen überreden könntet, daß er mir das ganze Etablissement abkaufte ? Er ist ein reicher Mann, Ihr seid gut bei ihm angeschrieben. —
SCHUHHEIM.
Gut bei ihm angeschrieben? — Sein bester sein einziger Freund, oder der Teufel soll mich holen. Er kann ohne mich gar nicht leben. | Kurzum die Sache ist so gut als richtig, Sie können sich darauf verlassen. Ich will Sie gleich beim Grafen aufführen. Kommen Sie •— doch halt, ich muß meiner Tochter erst sagen, daß sie Mamsell Augusta empfangen soll, — hier kommt sie wie gerufen. Fränzchen kömmt, und macht eine leichte Verbeugung.
KIPPER.
Was giebts Mamsell, haben sie nichts zu thun ? Ich denke es ist Zeit in die Schule.
KIPPER.
Ja, Papa, ich bin nur nach Haus gegangen, um ein Buch zu holen. Haben Sie nicht den »angenehmen Lehrmeister« gesehn ? / sie stellet sich als suchte sie etwas /
FRÄNZCHEN.
D U mußt gleich ins Wirthshaus hinüber gehn, Kind, und eine Fremde erwarten —
KIPPER.
Wie ? ins Wirthshaus ? das würde sich gut für mich schicken; überdies muß ich in die Schule, / geschwind / nach der Schule gehe ich zur Stickmeisterinn | dann auf die Tanzschule, hernach kömmt der Sprachmeister, und um n Uhr der Kantor. A d i e u Papa. / läuft ab /
FRÄNZCHEN.
Ich darf sie von ihren Lehrstunden nicht abhalten. Lieber soll mir Mamsell Augusta ein paar Stunden warten, als daß mein Fränzchen in ihrer Perfektion aufgehalten wird. Sie plappert schon französisch, daß es eine Lust ist, sie anzuhören. Seine Exzellenz haben ihre einzige Freude daran.
KIPPER.
Zum Henker, was soll das Geschwäze. Führt mich jetzt zum Grafen.
SCHUHHEIM.
Also, — wie gesagt, Seiner Exzellenz leben sehr groß, und auf einem hohen Fuß, wenn ich Sie nicht hinführe, kommen Sie so leicht nicht bei ihm vor. Seine Exzellenz haben mehr als
KIPPER.
II Szene
15
einmal zu mir gesagt: Kipper bring er ein paar von seinen guten Freunden zu mir, ihm zu lieb, will ich sie ansehn, | als wenn sie meines gleichen wären, und über ihre Bauernsitten ein Aug zu drücken«. Bauernsitten I —• he, von wem sprecht ihr, Bauer ihr selbst. Ich bin schon mit Leuten von höherm Rang umgegangen, als euer LandEdelmann ist, und hab überall Ehre davon getragen.
SCHUHHEIM.
N U nu nehmen Sie mir nicht übel, ich vergesse noch zu Zeiten Ihre StandesErhöhung, es ist mir noch immer so als wenn ich Sie Hüte machen sähe. Hahahal
KIPPER.
Unverschämter Grobian I für sich Was muß sich doch ein Mann von meinem Rang gefallen lassen, wenn er die Bürger C a n a i l l e nöthig hatl
SCHUHHEIM.
Werden Sie mir nicht böse, ich kann mich des Lachens nicht erwehren. Hahaha, wenn ich mir vorstelle, wie Sie —
KIPPER.
Kipper, mit unserm Handel ists aus, rein aus. Geht Zornig auf und nieder.
SCHUHHEIM.
Sie werden doch Spaß verstehen, kommen Sie mit mir. Sie werden jezt den ächten alten | Adel in seiner ganzen Grösse sehen, und sich verwundern, auf was für einem' Fuß ich mit seiner Exzellenz stehe. Wenn Sie nicht heut noch auf Du und Du mit ihm sind, so soll mich morgen der Teufel holen. / beide ab /
KIPPER.
II Szene Ein Zimmer im Schloß des Grafen. Der Graf, Rossignol
der ihn ankleidet
Frau10
D U glaubst also, meine halte sich noch immer in der Hauptstadt auf? Die arme Gräfinnl wenn sie wüste, wo ich bin, sie wäre nicht so ruhig, — es ist doch eine gute Frau, ich sollte sie nicht so betrügen.
GRAF.
O u i , mais v o t r e E x c e l l e n c e , das is die Natur, die is die Schuld davon, sie at kekeben ä v o t r e E x c e l l e n c e une Constitution galante amoureuse.
ROSSIGNOL.
9 Hs einen. 10 »meine Gräfin«
A.
I Aufzug
16
Hier ist ein herrlicher Ort, wo ich mich allen Vergnügungen überlassen darf, ohne eine Überraschung | von meiner Frau 11 zu fürchten. — Der Gedanke war doch nicht übel, ihr weiß zu machen, ich wäre nach M o n t p e l l i e r gegangen, um meine Gesundheit zu r e t a b l i r e n . Haha, und war in meinem Leben nicht gesünder als jezt.
GRAF.
Votre Excellence seyn r o b u s t e c o m m e H e r c u l e / bei Seite / t r a v e s t i .
ROSSIGNOL.
Das beste ist, daß meine Frau12 glaubt, ich habe dieses Landgut verkauft; desto ungestörter kann ich mich meinem Vergnügen überlassen. — Sie ist Hebenswürdig, ihr Verstand hat eine gute T o u r n u r e , und an ihrem Aeusserlichen ist nichts auszusezen, — aber ich kann mir nicht helfen, meine Natur verlangt Abwechselung. Die ausgelernten Koquetten der Residenz reizen mich nicht mehr, die ländliche Unschuld ists, was mich jezt entzückt. — Wer klopft unten an der Hausthüre ? seh einmal, und sage, ich bin nicht zu Haus.
GRAF.
sieht %um Fenster hinaus. Ce n'est q u e la p e t i t e aus der Krämerladen — v o t r e E x c e l l e n c e est e l l e à la m a i s o n ?
ROSSIGNOL
Für schöne Madchen bin ich immer zu Haus. Ein wahrer Engel, heißt sie nicht Fanny?
| GRAF.
Ah oui, votre Excellence Fanny Fanny Cherub.
ROSSIGNOL.
GRAF.
Kipper,
Sie kann kaum 16. Jahre haben.
C'est u n e c h a r m a n t e i n n o c e n t e , — e n f i n , c'est un m o r c e a u de C a r d i n a l .
ROSSIGNOL.
Nachdenkend. Cäcilie13 hatte auch noch nicht 16 Jahre, da ich sie überredete, mit mir nach Deutschland zu gehn!
GRAF.
Ne v o u s t r o u b l é s pas l ' e s p r i t , M o n s e i g n e u r ! Sie aben sie reiklik versorgt; daß sie nit davon sufrieden war, e s t - q u e c ' e s t la f a u t e de v o t r e E x c e l l e n c e ?
ROSSIGNOL.
12 »Gräfinn« A. »Gräfin« A. Hs Emilie. Der ursprüngliche Name war Cicilie. Von Schreiber A viermal als »Emilie« verlesen (s. S. 16, 27, 41, 43), von Schreiber B einmal aus »Emilie« (S. 41), zweimal aus »Cicilie« (S. 65) in »Cäcilie« verwandelt, die wohl für B die endgültige Form sein sollte. Er hat es wohl vergessen, die drei übrigbleibenden »Emilien« zu ändern. 11 13
II Szene
17
Geld war das wenigste, was ich ihr geben konnte. Hatte nicht ihr Vater sie enterbt, und mußte sie nicht lange mit ihrem Kind im Elend herum ziehen?
GRAF.
T a n t p i s p o u r v o t r e E x c e l l e n c e at der Vater sie nit enterbt, v o t r e E x c e l l e n c e attenn nit nöthig, su 11 geben so viel Geld dem jungen Sohn.
ROSSIGNOL.
Wahr! Gewiß verwenden wenige Edelleute so viel Geld auf ihre natürlichen Kinder, als mich dieser M o r n i n g - S t a r gekostet hat. Wars nicht großmüthig, ihn zu seiner Reise nach A m e r i c a ganz zu equippiren?
| GRAF.
Si f a i t , v o t r e E x c e l l e n c e , u n e a c t i o n des p l u s g e n e r e u s e s . bei Seite. J e n ' é t a i s pas si f o u , de l u i e n v o y e r l ' a r g e n t ; war gut für mich.
ROSSIGNOL.
GRAF.
Es soll ein schöner Mensch seyn, wie ich höre.
O u i , i l est f a i t à p e i n d r e , l a p a r f a i t e i m a g e de v o t r e E x c e l l e n c e .
ROSSIGNOL.
GRAF.
Aber wild soll er seyn, wie der Teufel.
In der Amerique 15 kann er e x e r c i r e n sein Wildheit, — ah v o i l à la p e t i t e .
ROSSIGNOL.
R o s s i g n o l , wie seh ich aus? aber aufrichtig, ich liebe die Wahrheit.
GRAF.
P o u r d i r e la v é r i t é , v o t r e E x c e l l e n c e sehen aus, wie ein junger Mann von viersig 16 Jahr. Frän^chen
ROSSIGNOL.
| GRAF.
Ah, mein kleiner Engel, will sie küssen
Pfui, Euer Gnaden, Euer Exzellenz wollt ich sagen. Wenn Sie's so machen, so komm ich nicht mehr ins Schloß. Ich wußte nicht, daß Sie in dem Zimmer sind, sonst wäre ich gewiß nicht herein gekommen. Das kann ich Euer Gnaden, Euer Exzellenz wollt ich sagen, gewiß und wahrhaftig versichern.
FRÄNZCHEN.
A h p e t i t e b a d i n e , M a m s e l l F a n n y is komm e x p r é s , su seh v o t r e E x c e l l e n c e .
ROSSIGNOL.
14 15 16
Aus »zu« geändert. »que« in »Amerique« von B hinzugefügt. Aus »vierzig« geändert.
2 KOMEDIA XV
18
I Aufzug Ey, wie kann er so unverschämt lügen?
FRÄNZCHEN.
Gesteh's nur, mein Schäzchen, dies Geständniß macht mich glücklich.
GRAF.
Nun ich kam, weil — aber Sie müssen nicht lachen.
FRÄNZCHEN. GRAF.
Sprich, mein Engel.
Weil der Papa sagt, es wäre so ein kindisches Spiel, und die Zimmer in unserm Haus sind so niedrig, und Sie haben so hohe Zimmer, und — hahaha — / sie %ieht einen Volant aus der Tasche / Ein Bedienter mit einem Brief
FRÄNZCHEN.
nimmt ihn ab. Va t ' e n , stößt den Bedienten hinaus. bricht ihn auf. Von meiner Frau 17 . Da, Rossignol, lese und beantworte den Brief, d a t i e r e ihn aber von M o n t p e l l i e r .
| ROSSIGNOL GRAF
O u i v o t r e E x c e l l e n c e , Sie spiel unterdeß mit Mamsell Fanny ?
ROSSIGNOL.
Wie? können Euer Gnaden, Euer Exzellenz wollt ich sagen, V o l a n t spielen?
FRÄNZCHEN.
für sich. Was muß man nicht thun, um ein Mädchen einzunehmen! laut1* Komm mein Schaz. Sie spielen
GRAF
ROSSIGNOL.
A h b i e n , t r è s b i e n . Geht mit Zeichen der Bewunde-
rung ab. Von der andern Seite kommen Kipper und von Schuhheim, die erstaunt stehen bleiben. Wenn die Frau Gräfinn das wüßte, was würde sie zu Euer Exzellenz sagen, und wenn mich der Papa sähe, — / im Umwenden erblickt sie Kippern, schreit und will fortlaufen /
FRÄNZCHEN.
hält sie auf. Nicht so hastig I Mamsell. So ? ist das der »angenehme Lehrmeister« ?
| KIPPER
SCHUHHEIM,
GRAF. 17 18
(zu Kipper) Der ächte alte Adel in seiner ganzen Grösse 1
Ha, was giebts?
»Gräfinn« A. »laut« von B eingeschoben.
19
III Szene
Ich bitte Euer Exzellenz tausendmal um Verzeihung, ich wollte nur — ich bin — / für sieb / verdammter Streich, ich weiß 19 nicht was ich sagen soll. Frän^chen schleicht fort.
KIPPER.
halb für sich. So gehts, wenn man sich mit solchen Leuten gemein macht, laut. Nun was soll's werden?
GRAF
Ich will Euer Exzellenz ein andermal wieder aufwarten — es ist nur — Euer Exzellenz.
KIPPER.
v.
SCHUHHEIM.
Wenn Euer Exzellenz erlauben, hier ist —
KIPPER. GRAF.
Nun was soll das Stottern, stellt mich ihm vorl
He, R o s s i g n o l l geht zornig ah. Kipper steht beschämt
Ich dank euch für euer Fürwort, nun bin ich mit dem Grafen auf Du und Du, hahahal
SCHUHHEIM.
SO sind die verdammte Kavaliers. Die Nacht schwärmen sie mit uns 20 durch, und am andern Morgen kennen sie uns 21 nicht mehr.
| KIPPER.
SCHUHHEIM. KIPPER.
He, Rossignoll \ Die Stimme des Grafen
nachamend/
Alle Wetterl geht ab
Halt, Seiner Exzellenz können ohne euch nicht leben. folgt ihm lachend nach
SCHUHHEIM.
III S z e n e Saal im Gasthof Augusta, Frän^chen hinter ihr drein Guten Morgen Mamsell, wie befinden Sie sich auf ihrer 22 Reise?
FRÄNZCHEN.
Ziemlich gut, liebe Kleine 1 aber wem hab ich diese gütige Nachfrage zu danken?
AUGUSTA.
19 20 21 22 2*
Aus »wuß« oder »muß« geändert. »uns« (B) über durchgestrichenem »einem« (A). »uns« (B) über durchgestrichenem »ihn« (A). Hs ihre.
20
I Aufzug
Nun, Sie sind doch die reiche Erbinn, Mamsell Augusta Frank, die der Herr von Schuhheim heute aus der Stadt erwartete ?
FRÄNZCHEN.
AUGUSTA.
WO
ist der gute alte Mann?
Der, gut? und brachte mir just den Papa auf den Hals — haha, sie haben mich erwischt. Sagen Sie mir doch einmal, spielen denn die jungen Frauenzimmer in der Stadt auch V o lant 2 3 ?
| FRÄNZCHEN.
Haha, Sie sind ein allerliebstes unschuldiges Mädchen, vermuthlich Fräulein Schuhheim?
AUGUSTA.
Nein, nein, nicht Fräulein 24 , aber vielleicht bald Frau 25 von Schuhheim, denn der junge Heinrich ist mir herzlich gut. Den sollten Sie sehen, Mamsell, das ist ein herrlicher Junge.
FRÄNZCHEN.
Ich kann an seinem guten Geschmak nicht zweifeln, da ich höre, daß er Ihnen sein Herz geschenkt hat.
AUGUSTA.
Ach nun seh ich den Unterschied zwischen den StadtJungfern, und uns einfältigen Landmädchen, Sie sind ein wahres Frauenzimmer, und wir sind nur Dratpuppen; mit aller meiner Ziererei wäre ich in der Stadt nur noch eine Meerkatze.
FRÄNZCHEN.
Kipper. | KIPPER.
Willkommen Mamsell, nickt vertraulich mit dem Kopf
Ich habe nicht die Ehre — Friedrich — Friedrich. K I P P E R . Geben Sie sich keine Mühe Mamsell, Ihr Bedienter ist nicht mehr hier; ich hab ihn abgedankt.
AUGUSTA.
AUGUSTA.
Wie, mein Herrl
Ja Mamsell, und an statt von andern bedient zu werden, müssen Sie jezt selbst lernen, andern zu dienen.
KIPPER.
Mein Herr, was sollen diese Grobheiten bedeuten ? Zum Glück wohnt mein Vormund in der Nähe, ich will zu ihm fahren.
AUGUSTA.
Wenn Sie irgendwohin wollen, so müssen Sie zu Fuß gehen Mamsell.
KIPPER.
23 24 25
Über durchgestrichenem »Ball«. Betonungshalber unterstrichen. Betonungshalber unterstrichen.
III Szene AUGUSTA.
21
HimmelI was ist das?
Mit einem Wort Mamsell, man hat Ihnen von Jugend auf eine große Idee von Ihrem Vermögen beigebracht, man hat Unrecht gethan, denn | es hat sich ein zweites Testament von Ihrem Onkel vorgefunden, worinn er mit seinem Vermögen eine andere Disposition getroffen hat.
KIPPER.
Ich weiß nicht, mein Herr, wer Sie sind, aber wenn Sie mich kennen, so werden Sie wissen, daß ich durch das Testament meines Onkels —
AUGUSTA.
Das lezte 26 Testament giebt den Ausschlag, und wenn er fünfzig früher gemacht hat. Er hat Ihnen nichts ausgeworfen, als ein unbedeutendes Vermächtniß, und eine honette Erziehung. Diese ist nun vollendet, Sie können sich also jezt weiter helfen.
KIPPER.
Ich bin wie vom Donner gerührt. — Dieser Schlag ist zu plözlichl — Können Sie auch beweisen, was Sie gesagt haben 27 ?
AUGUSTA.
Zieht Papiere hervor. Hier ist der schriftliche Beweis. Sie können alles untersuchen und prüfen 28 .
KIPPER.
für sich. Sie dauert mich, daß ich weinen möchte, und doch ist es mir heimlich lieb, daß ich nicht mehr so hoch an Sie hinaufschauen muß.
FRÄNZCHEN.
Grosmuth für Sie und aus Freundschaft für den Herrn von Schuhheim hab ich | mich entschlossen, Sie als G o u v e r n a n t e meiner Tochter ins Haus zu nehmen.
KIPPER. A U S
FRÄNZCHEN.
gehn. AUGUSTA.
B r a v o ! Da brauche ich nicht mehr in die Schule zu
Lassen Sie mir Zeit, mich zu fassen.
Sie sollen es gut bei mir bekommen am Tisch mit uns speißen, wenn wir keine besondere Gäste haben. Uebrigens brauchen Sie über meine Haushaltung und Lebensart kein Bedenken 29 zu tragen — alles im neuesten Geschmack, und auf den größten Ton.
KIPPER.
28 27 28 29
Betonungshalber unterstrichen. Dieser Satz nachträglich von B eingefügt. Von »Kipper« an alles nachträglich von B eingefügt. Aus »Bedencken« verbessert.
I Aufzug
22
ZACHARIAS
Mein Herr läßt Sie bitten, ihm doch den bewußten Schnupftaback abwiegen30 zu lassen. Pack dich fort Schlingel / stößt ihn hinaus / Ja wie ich sage Mamsell. Ich brauche eine G o u v e r n a n t e für meine Tochter. Was meinen Sie dazu?
KIPPER.
Was will ich thun? — ich bin eine arme31 | verlassne Waise. — sie weint.
AUGUSTA.
Betrüben Sie sich nicht, Mamsell, wer weiß was Ihnen noch für ein Glück beschert ist.
KIPPER.
Ach der Verlust meines Reichthums schmerzt mich nicht so sehr wegen mir, als wegen des unglücklichen Geschöpfs, das durch die Enterbung seiner Mutter zum Bettler geworden ist, den ich nun nicht mehr unterstüzen kann. Wo will der arme Verstossene sich nun hinwenden?
AUGUSTA.
KIPPER.
Lassen Sie das jezt, und antworten Sie mir auf meine Frage 1
Ich habe keine andre Wahl. Ich nehme Ihren Vorschlag mit Dank an.
AUGUSTA.
Hast Du also gehört Fränzchen ? Dieses Frauenzimmer ist hinfüro deine einzige Gesellschafterinn und Lehrmeisterinn. Du must — Rossignol
KIPPER.
ROSSIGNOL.
V r a i m e n t oui, v o i l a la charmante inconnue.
Nun, M o n s i e u r R o s s i g n o l , wollen Sie meine Tochter wieder zum Ballspiel abholen?
| KIPPER.
Non M o n s i e u r Son Excellence laß sie bitten, su32 komm vor su gehen su Pferd mit ihr.
ROSSIGNOL.
KIPPER.
Wie, nach der Beschimpfung die er mir erwiesen hat?
N ' y pensés plus, vôtre Excellence at aus z u maken mit ihnen Geschäften von der Geld
ROSSIGNOL.
»abwiegen« (B) über ausgestrichenem »überbringen« (A). Darunter folgt, unterstrichen, »verlassne« als Stichwort für die nächste Seite. 32 Aus »sie« verbessert. 30 31
III Szene
23
Ah so, ich werde gleich aufwarten, Fränzchen, zeige unterdessen der Mamsell die hiesige Gegend.
KIPPER.
ROSSIGNOL.
L a i s s é s m o i f a i r e . Ich will Ihr seigen die ganze
Gegend. Geben Sie sich keine Mühe, Herr Nachtigall, a l l o n s , s ' i l v o u s p l a i t . beide ab. Von der anderen Seite der Keller.
KIPPER.
D E R KELLER.
Nur hier herein.
Da kömmt ein Fremder, ich muß auf meine G o u v e r n a n t e Acht geben, kommen Sie Mamsell 1 mit Augusta ab. Yuri kömmt berein
FRÄNZCHEN.
ruft hinaus. Hans! noch ein paar Träger, um die Sachen Seiner Gnaden herauf zu bringen.
| KELLER,
Der Hausknecht bringt z. kleine Bändeln, und wirft sie auf den Boden. Hier ist der ganze Plunder. Sieht den Mohren. was für 3 3 ein schwarzer Kerll
HAUSKNECHT.
KELLER. YURI.
HUI
Wie heißt seine Herrschaft?
Graf M o r n i n g - s t a r .
KELLER.
Graf! Haha, ein sauberer Graf, geht ab.
Verwünscht sei dies Vagabunden Leben — Ueberall Schimpf und Spott! Der alte Sünder mag die Ausschweifungen verantworten, die mein guter Herr begeht. / er zieht einen Bündel Papiere aus dem Sack / eine hübsche Sammlung! Wenn der alte Graf nicht bezahlt, so ists um unsre Freiheit geschehn. Freilich hätte mein Herr etwas beßer wirthschaften können, aber | der Vater muß doch etwas 84 für ihn thun. Der Hausknecht kömmt zurück
YURI.
nähert sich ihm furchtsam. Seine Herrschaft fragt nach ihm, und macht einen Teufelslärm. Er hat sich da gegen über einquartirt.
HAUSKNECHT
YURI.
Was muß er wohl für das L o g i s geben?
33 Von B in ein nunmehr fast unleserliches Wörtchen (»vor« ?) hineingeschrieben. 34 Betonungshalber unterstrichen.
24
I Aufzug
HAUSKNECHT. Ich glaube, Sie haben wöchentlich eine Karolin gefordert. pfeift sehr laut, der Hausknecht fährt35 zurück Erschreckt nicht, es ist nur ein neues Lied, das ich probire.
YURI.
HAUSKNECHT. Sein Herr will seine Sachen in seinem neuen36 Quartier haben. Pfeift. H A U S K N E C H T . Nun was soll das37 ? / für sich / Wenn er nicht geht, so geh ich. Yuri will reden kann vor Aergerniß nicht und geht pfeifend ah.
YURI.
der ihm den Bündel verwundernd nachträgt Das ist der Teufel selbst.
HAUSKNECHT,
Hs führt. Aus »sein neues« geändert (B). 37 Unter dem später hinzugefügten Fragezeichen steht ein ursprüngliches Komma. 35 36
Kurier Zwischenakt. II AUFZUG I Szene Schloßhof G R A F M O R G E N S T E R N kömmt aus dem Schloß Ich muß doch dies Meisterstück der Schöpfung sehn, das mir R o s s i g n o l durchaus als die vierte Grazie in meiner Mythologie aufdringen will. Wenn sie auch nur halb so hübsch, wie Fanny ist, so kann ich mein gutes Glück nicht genug preißen, das mich in dieses MädchenParadies geführt hat. — Aber was kömmt da für ein Mohrengesicht I Vermuthlich aus dem Gefolg des fremden Frauenzimmers. Er hat ein Papier in der Hand und spricht mit sich selbst — Er kömmt auf mich zu. Sollte sie etwa schon in mich verliebt 38 seyn? Yuri YURI.
äbergiebt dem Grafen ein versiegeltes Paquet3i
indem er aufbricht. Nun das muß ich sagen, das ist die schnellste Eroberung, die ich in meinem Leben gemacht habe. Was seh ich? nichts als Rechnungen! He! guter Freund! Was sind das für Zetteln?
| GRAF,
%urükkommend. Sehen Sie sie nur an, es sind weder Bankozetteln, noch Komedienzetteln sondern schlimmer als beide, es sind unbezahlte Gläubiger, die um Geld schreien, ob sie gleich nicht reden können.
YURI
Ihr müßt euch an meinen Zahlmeister wenden, hier neben an wohnt er, sein Name ist Kipper.
GRAF.
Zahlmeister? Sie wollen also bezahlen? Für uns bezahlen? O Sie sind der beste Herr von der Welt. Heisa, so gut ist mirs lange nicht geworden. He, Herr Kipper, er will fortlaufen.
YURI.
38 89
Von B über ein durchgestrichenes »gebrennt« geschrieben. Ein hierauf folgendes »und entfernt sich wieder« ist durchgestrichen.
26
II Aufzug
Halt! laßt mir die Rechnungen noch einmal sehen, er liest. »Was ich dem Herrn Grafen M o r n i n g s t a r an Tüchern, Seidenzeug und so weiter geliefert habe« — Was ich für Herrn Grafen | M o r n i n g s t a r — Wer zum Teufel ist dieser Graf 40 M o r n i n g star ?
GRAF.
YURI. GRAF.
kalt.
Er hat die Ehre 41 Ihr Sohn zu seyn.
Wer sagt das? — es ist falsch grund falsch.
wie oben, ganz wohl. Er hat also keine Ehre davon, Ihr Sohn zu seyn.
YURI.
Schweig, verwegner Schurke 1 — Wie kömmt der lüderliche Bursch hieher? Hab ich ihn nicht mit grosen Kosten nach Amerika geschickt, und ihm befohlen dort zu bleiben.
GRAF.
Davon weiß ich nichts, ich weiß nur, daß er nackt und blos nach Amerika kam, und im vorigen Jahre mit vielen Reichthümern und Sklaven sich nach Europa einschifte. Ein schreklicher Schiffbruch raubte ihm alles bis auf mich — ich rettete ihm damals sein Leben mit Gefahr meines eigenen, und er schenkte mir dafür die Freiheit. Ich wurde nun aus freyem | Willen sein Diener, und werde ihn, so lang mich die Gottheit leben läßt, nicht verlassen. Er hat mich in Virginien vom härtesten Tod befreit, er wischt sich die Thränen vom Aug. In Deutschland wärs 42 uns übel gegangen, wenn uns nicht eine edelmüthige Dame, die ich nicht zu nennen weiß, durch Wohlthaten unterstüzt hätte. Mein Herr wollte aber doch seinem Stand gemäß leben, war also genöthigt, Schulden zu machen, weil er von Ihnen gar nichts erhielt, und nicht einmal erfahren konnte, wo Sie sich aufhielten. Endlich entdeckte man ihm den Ort Ihres Aufenthalts, und nun eilt er, sich Ihnen zu Füssen zu werfen.
YÜRI.
Lauter Lügen, und Ränke! Ich habe ihn mit allem zu seiner Reise nötigen versorgt, und ihm dabei ausdrüklich zu wissen gethan, daß das alles sei, was ich für ihn thun würde. Nun hat der junge Herr vermuthlich sein Geld verthan, ehe er Amerika gesehen hat, und will mich aufs neue plündern. Fort, nicht einen Kreuzer soll er haben. Der Reitknecht des Grafen
GRAF.
40 41 42
»Graf« betonungshalber unterstrichen. »die Ehre« betonungshalber unterstrichen. Hs wars.
27
I Szene
Euer Exzellenz soll ich für den Herrn Kipper den schönen Engelländer satteln? er will es durchaus so haben.
REITKNECHT.
GRAF.
Ja ja, ins Teufelsnamen.
Euer Exzellenz nehmen nicht übel, der Engländer hat Ihnen hundert Karolinen gekostet, Herr Kipper ist ein schlechter Reiter, wenn so ein Pferd verdorben werden soll —
REITKNECHT.
GRAF.
Geh zum Henker mit deiner Brummereyl Reitknecht ab.
Einem Fremden geben Sie ein Pferd zu verderben, das Ihnen hundert Karolinen kostet, und Ihrem eignen Sohn versagen Sie ein paar Gulden, um seinen Schneider und Schuhmacher zu bezahlen.
YURI.
GRAF.
Er ist ein ausschweifender Bursch, der alles durchbringt.
Er ist ausschweifend und lüderlich, das ist wahr, er ist wild wie ein Teufel, aber wer ist Schuld daran ? Hat ihn Jemand über seine Pflichten je belehrt? Haben Sie ihn nicht außer Stand | gesezt, der heiligsten von allen, der Dankbarkeit in seinem Herzen Plaz zu geben? Erinnern Sie sich an seine arme Mutter, an die Liebe, die sie stäts zu Ihnen trug, —
YURI.
GRAF.
O
meine Cäciliel 421
für sichP Er ist gerührt, laut. Gedenken Sie der süssen Stunden, die dem Unglüklichen das Daseyn gaben, und versuchen Sie es dann noch, die Stimme der Natur zu unterdrücken, Verstössen Sie ihn, geben Sie ihn allen Schreknissen preis, die seine Lage begleiten 1 G R A F . Mensch 1 Das hast du nicht aus dir, so spricht kein Neger.
YURI.
Ists Verbrechen für einen Neger, Gefühl zu haben ? Uebrigens gestehe ich, daß ich einem44 edlen Europäer, deren es bei uns wenige giebt, meine Erziehung zu danken habe. Erfahrung und vielfältige Leiden haben das übrige gethan. Doch das gehört nicht hieher, ich bitte Sie jezt nur, Ihren Sohn nicht zu verläugnen.
YURI.
^ieht den Beutel heraus. Hier, das wird genug seyn seine Schulden zu bezahlen. Der Reitknecht.
| GRAF,
42a Hs Emilie. S. Fußnote 13. 43 »für sich« von B eingeschoben.
44
Hs einen.
II Aufzug
28 REITKNECHT.
satteln ?
Euer Exzellenz, was soll ich für ein Pferd für Sie
Welches du willst, es ist mir gleich. Reitknecht ab.
GRAF.
Ich nehme es mit Dank an, aber Sie werden meinem Herrn doch erlauben, Ihnen selbst dafür zu danken?
YURI.
Bursch, du ermüdest meine Geduld. Ich habe dir Geld gegeben, also pack dich, und lasse dich weder allein noch mit deinem Herrn vor mir sehn.
GRAF.
zornig. Wie ? Also abfinden wollen Sie ihn mit Geld, wie einen Bettler? O wie hab ich mich geirrt, da ich glaubte, eine edle Regung habe sich ihres Herzens bemeistert! Hier nehmen Sie Ihr Geld zurücke, wir werden gehn, und nicht mehr zurückkommen, aber wenn Sie wieder von uns hören, dann wird Ihr Gewissen erwachen. Geht ab.
YURI.
Ein ausgelernter Betrüger. Beinahe hätte er mich weichherzig gemacht. Ich kam so heiter aus meinem Zimmer, und nun ist meine Laune auf den ganzen Tag verdorben. Er geht auf das Schloß Von Schuhheim, und Kipper in einer ganz neuen Jagdmiform
] GRAF.
Jezt werden wir ihn in beßerer Laune antreffen, er hat mich durch seinen Kammerdiener um Verzeihung bitten, und aufs höflichste ersuchen lassen mit ihm spazieren zu reiten. Zuvor will ich noch ein wenig mit ihm die Strassen auf und abschlendern, Arm in Arm wie gewöhnlich, und dann wollen wir Ihnen Audienz geben.
KIPPER.
GRAF
ruft hinein.
SCHUHHEIM.
Laßt keinen von beiden hereinkommen I
Das nimmt wieder einen guten Anfang.
Grafen der wieder vorwärts kömmt, dreist. Euer Exzellenz, ich habe noch Kopfweh von unserm gestrigen AbendsRäuschchen, Sie sehen auch noch | ganz schläfrig aus, die frische Luft wird uns beiden wohl bekommen.
KIPPER.
GRAF.
Was giebts, was soll das Geplauder?
KIPPER,
erschrocken.
GRAF.
Nichts nichts, Mann! ich reite heut nicht, geht ab.
Nun, Euer Exzellenz ließen mich ja holen. —
I Szene
29
zornig nachspottend. »Nichts nichts Mann, ich reite heut nicht.« — So soll der Donner und das Wetter meine neue Jagduniform zerschlagen. — Was mich der neue Anzug kostet, wollt ich gern verschmerzen, aber der Spott, den ich im Städtchen davontragen werde, der ist nicht mit Geld zu bezahlen.
KIPPER,
Warum seid ihr auch wie närrisch in der ganzen Stadt herum gelaufen, und habt euch überall auslachen lassen?
SCHUHHEIM.
Nun ist's auch geschworen, daß ich mich in meinem Leben mit keinem Edelmann mehr gemein mache I gebt ab.
KIPPER.
Geh nur, eingebildeter Geck, ich kann mich selbst bei dem Grafen aufführen; bin ich nicht auch ein S t ü c k von einem Edelmann? Morningstar im MorgenNeglige45
| SCHUHHEIM.
Yuri 1 Haben Sie Yuri nicht gesehn, mein Herr? Der verzweifelte Bursch soll mir nur ein paar hundert Karolinen holen, und bleibt schon über eine Stunde. Ich will selbst hereingehn. Läutet mit Ungestümm.
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Vermuthlich ein junger Herr von Stande
Kein Mensch läßt sich hören, das ganze Haus ist eingeschlafen, aber es muß mir wach werden, und wenn Morpheus 46 mit allen seinen Kindern und Kindskindern sein Lager darinn aufgeschlagen hätte. Läutet noch stärker47
MORNINGSTAR.
Es wurde gestern bis in die späte Nacht hinein geschmaußt, und gezecht.
SCHUHHEIM.
Warum hat mich mein Leitstern nicht gestern schon hergeführt! —
MORNINGSTAR.
für sich. Ich will versuchen, ob ich es durch meine Höflichkeit dahin bringen kann, daß er mir ein paar Häuser von meiner neuen Kolonie abkauft. / Er zieht seine Tabacksdose heraus /
| SCHUHHEIM,
45 »im MorgenNegligé« (B) ersetzt ein ursprüngliches (A) »in Pantoffeln«. — Ein überflüssiges zweites »e« am Ende von »Negligé« ist gestrichen. 46 Aus »Morphäus« geändert. 47 Aus »stärcker« verbessert.
II Aufzug
30
Entweder die Glocke muß heraus, oder ich hinein. / er fährt fort mit Ungestümm z" läuten /
MORNINGSTAR.
präsentirt ihm mit kleinstädtischen Manieren die Tabacksdose. Ist Ihnen gefällig gnädiger Herr ?
SCHUHHEIM,
MORNINGSTAR.
Schlafmützen.
wirft mit der Dose das Fenster ein. He, heraus ihr
Der hat den Teufel im Leib. Ich muß sehen, daß ich meine Dose wieder bekomme. / geht von einer anderen Seite ins Schloß I
SCHUHHEIM.
Ein Schuhmacher kömmt mit einem paar Stiefeln unterm Arm Wem gehören diese Stiefeln? Was wollt ihr für diese Stiefeln haben?
MORNINGSTAR.
Sie sind schon bestellt, sie gehören dem Herrn Grafen von Morgenstern da im Schloß.
| SCHUHMACHER48.
MORNINGSTAR. SCHUHMACHER.
Könnt ihr mir auch ein Paar machen, wie diese.
O ja, Euer Gnaden.
Die könnten mir ebenfalls gerecht seyn. / er wirft seine Schuhe49 weg, und %iebt die Stiefeln an /
MORNINGSTAR.
SCHUHMACHER.
Maas nehmen.
Bemühen sich Euer Gnaden nicht, ich kann ja ihr
Warum soll ich euch die Mühe machen, närrischer Kerl, die sind mir ja wie angemessen. / er geht auf und nieder /
MORNINGSTAR.
Um Gotteswillen Euer Gnaden gehen Sie doch nicht in diesen Stiefeln, der Herr Graf wird sie sonst nicht annehmen wollen.
SCHUHMACHER.
Was für ein Widerspruch! Der Herr Graf wird sie nicht nehmen wollen, und der Herr Graf hat sie schon. Von Schuhheim kömmt zurück.
MORNINGSTAR.
48 Auf dieser und der folgenden Seite des Manuskriptes ist von B an den entsprechenden Stellen (siebenmal) ein ursprüngliches »Schuhh.« zu »Schuhm.« verbessert worden. 49 »seine Schuhe« (B) ersetzt »die Pantoffeln« (A).
31
I Szene
E S ist zum Glück nur der Deckel heraus gefallen — aber in meinem Leben habe ich keinen so hizigen Kopf gesehn. / sieht Morningstar10 von der Seite an /
SCHUHHEIM.
Die Stiefeln kann ich jezt nicht mehr verkaufen, Seine gräfliche Gnaden werden sie nicht mehr annehmen.
SCHUHMACHER.
Und meine gräfliche Gnaden werden sie nicht
MORNINGSTAR.
mehr hergeben. SCHUHHEIM.
Ein Graf 1 Da will ich meine zerbrochene Dose wieder
einstecken. der ängstlich um Morningstar drei Dukaten, Euer Gnaden.
SCHUHMACHER
herumgeht. Sie kosten
ganz gut. Schuhheim. Ah 51 , mein Herr, ich bitte Sie tausendmal um Vergebung für meine Unachtsamkeit.
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Gehorsamer Diener, hat nichts zu bedeuten.
SCHUHMACHER.
Wollen mir Euer Gnaden die drei Dukaten geben ?
| MORNINGSTAR. SCHUHMACHER.
Schreibts auf Rechnung.
Es ist ja nur eine Kleinigkeit.
Auf Rechnung sag ich, und bringt den Zettel meinem Vater, oder meinem Bedienten. Marsch, marsch!
MORNINGSTAR.
Schon gut, ich werde mich schon bezahlt zu machen wissen, geht ab.
SCHUHMACHER.
MORNINGSTAR.
Giebts hübsche Mädchen hier?
nach einer Pause52: / Nichts, gar nichts, das nur des Ansehens werth wäre, für sieb, ich muß ihm so sagen, denn wenn er Augusta zu sehen bekäme, so wäre mein armer Heinrich verlohren.
SCHUHHEIM /
Im Wirthshaus habe ich ein herrliches Frauenzimmer gesehn, das, wie man mir sagt, bei ihrem Vormund hier auf Besuch ist.
MORNINGSTAR.
60 »sieht« (B) anstatt »stößt« (A). — »star« nachträglich an »Morning« angefügt (A?). 61 Aus »Ach« geändert. 62 »nach einer Pause« von B eingeschoben.
32
II Aufzug
SCHUHHEIM.
SO?
für sich.
Da haben wirs.
Der Vormund soll ein alter Narr seyn, den man leicht hinters Licht führen kann, wir wollen ihm ein wenig warm machen, kommen Sie.
MORNINGSTAR.
Entschuldigen Sie mich, ich habe jezt Geschäfte, überdas will ich mit dem Vormund nichts zu thun haben, er ist ein Mann, der nicht mit sich spassen läßt.
| SCHUHHEIM.
MORNINGSTAR.
B r a v o , so wirds was zu lachen geben.
für sich. Das ist ein TeufelsKerl, er läßt sich nicht abwendig machen, ich muß ihn auf etwas anders bringen: laut. Wollen Sie nicht eine Promenade mit mir machen, hier in der Nähe ist eine ganz neu angelegte herrliche Stadt, — kommen Sie ich will sie Ihnen zeigen.
SCHUHHEIM,
der nur auf die legten Worte acht gegeben hat. Zeigen53 ? Ich habe sie ja schon gesehen.
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Sie haben sie schon gesehen, nun wie gefällt sie Ihnen?
Ich sage Ihnen, daß ich in meinem Leben nichts schöners gesehen habe.
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Nicht wahr? Ist sie nicht herrlich gebaut?
MORNINGSTAR. | SCHUHHEIM.
Alles noch ganz neu und ungebraucht 54 .
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
Desto beßer.
Und von innen so rein und niedlich wie von außen.
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
Majestätisch und doch reizend zugleich.
Das sieht man ihr an55.
Nun, dies Meisterstück hab ich gemacht.
MORNINGSTAR.
Wie, Sie sind also ihr Vater?
»Zeigen ?« nachträglich von B am Rand eingetragen. Von B aus »unverlezt« geändert. Diese und die vorhergehende Zeile leicht schräg durchstrichen. — Das erste »von« von B eingefügt. 53 64 55
I Szene
33
Gut gesagt, ich bin ihr Vater. Wenn sie Ihnen gefällt, so wollen wir des Handels bald einig werden.
SCHUHHEIM.
MORNINGSTAR.
an mir finden.
SCHUHHEIM.
Recht so alter Kuppler, du wirst deinen Mann
Der Preis ist aber ein wenig hoch.
MORNINGSTAR.
Thut nichts, darinn scheue ich keine Kosten.
für sich. Was für ein Einfaltspinsel 56 1 laut Das Werk hat mir selbst viel Zeit und Mühe gekostet.
SCHUHHEIM,
lachend. Das will ich gerne glauben. Aber | komm jezt, alter Gauner, du hast mich verdammt begierig gemacht, wir wollen keinen Augenblick verlieren.
MORNINGSTAR
für sich. Das Glück hätte ich mir nicht vorgestellt, ich muß machen, daß er gleich in der ersten Hize einschlägt, laut. Also darf ich unsern Handel als richtig ansehn?
SCHUHHEIM
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
fertigen.
Was M o r n i n g s t a r einmal sagt, das hält er auch.
Nun so wollen wir einen schriftlichen Aufsaz darüber
Ey zu was die Umstände, führen Sie mich nur hin, für das übrige steh' ich.
MORNINGSTAR.
für sich. E r kanns gar nicht mehr erwarten, dem will ich den Beutel fegen.
SCHUHHEIM
Nun, voran, Sie sehen, daß ich Eile hab, für sich. Ich glaube der alte Beutelschneider will mich noch ungeduldiger57 machen.
MORNINGSTAR.
| SCHUHHEIM.
Ich komme, wo gehen Sie denn hin?
MORNINGSTAR.
sehen.
Nun, ins Wirthshaus, da werden wir sie wohl
Nein nein im Wirthshaus kann man sie nicht sehen, es steht ein Berg 5 8 dazwischen.
SCHUHHEIM.
56 57 68
Hs Einfalspinsel. Vorher »ungedultiger«. Von B aus »stehen noch Berge« geändert.
3 KOMEDIA X V
34
II Aufzug
SO, also sind noch erst Hindernisse zu übersteigen, warum sagten Sie mir das nicht eher?
MORNINGSTAR.
Ich glaubte, Sie wüßten es schon. Kommen Sie, wir wollen keine Zeit verlieren.
SCHUHHEIM.
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
Dahinaus, übers Feld.
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
sehn.
Ich habe sie ja eben erst hier im Wirthshaus ge-
Hier im Wirthshaus? von was 60 sprechen Sie denn?
| MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
Ist sie denn nicht mehr hier?
Ja, gleich in der Nähe 59 .
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Nun, wohin denn?
Nun, von was 61 sonst als von Ihrer Tochter.
Herr, sind Sie toll geworden, ich habe ja keine Tochter.
Wollen Sie mich zum besten haben? Haben Sie mir nicht eben zuvor auf eben diesem Fleck ihre Tochter angetragen.
MORNINGSTAR.
äusserst aufgebracht. wen®2 sehen Sie mich an?
SCHUHHEIM
Jezt reißt mir die Geduld. Herr, für
Für das, was du bist, für einen alten Kuppler, einen Beutelschneider. Und wenn du mich nicht gleich auf der Stelle hinführst, so will ich dir das Fell durchgerben, daß es eine Art hat. / Er packt ihn hei der Brust /
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM
Feuer.
in größter Angst.
He, holla zu Hülfe, Diebe, Mörder,
Dein Schreyen nüzt dir nichts, im Schloß schläft noch alles. Also marsch.
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Ach, wohin denn?
| MORNINGSTAR. 59 60 61 62
Zu deiner Tochter, und das gleich auf der Stelle.
Von B aus »Sie war gar niemals hier« geändert. A hatte »wem«. A hatte »wem«. Aus »wem« verbessert.
I Szene
35
Ich komme schon, haben Sie nur einen Augenblick Geduld — ach jezt fällt mir das ganze verwünschte Mißverständniß ein. Ich habe von meiner neuen Kolonie gesprochen, und Sie meinten es wäre von dem Frauenzimmer die Rede, das Sie im Wirthshause gesehn haben.
SCHUHHEIM.
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
Ist das Frauenzimmer also nicht ihre Tochter?
Ich sage Ihnen ja, ich habe gar keine Tochter.
Und Sie sprachen von einer neuen Kolonie, die Sie verkaufen wollten. Hahahal das ist exzellent. Nehmen Sie mir nicht übel, wenn ich Sie in der Hize etwas zu starck gedrückt habe, hahahal
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Ich bin wie zerschlagen an allen Knochen.
Kommen Sie mit in mein L o g i s , da wollen wir uns in Burgund und C h a m p a g n e r baden. Aber halt, ich muß erst wissen, wie mein Bedienter seinen Auftrag ausgerichtet hat.
MORNINGSTAR.
/ Er läutet von neuem und noch stärcker als zuvor / | SCHUHHEIM.
Kommen Sie ich will Sie zur andern Thür führen.
MORNINGSTAR
läutet und klopft an der andern Thüre Der Reitknecht kömmt heraus.
Seine Exzellenz lassen Ihnen sagen, Sie sollen keinen so schrecklichen Lärmen anrichten, und keinen Versuch weiter machen, Ihn zu sehen.
REITKNECHT.
MORNINGSTAR. REITKNECHT.
gab.
Hat er meinem Mohren das Geld gegeben?
Ja ich hab gesehen, daß er ihm eine ganze Börse voll
Nun so geht hinauf, und sagt, er möge mir verzeihen, daß ich ihm so viel Unruhe gemacht habe. Reitknecht ab. Im Grund ist er doch ein guter Vater, iezt will ich meine Schulden bezahlen, und dann ein ganz andrer Mensch werden.
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Erlauben Sie, ist der Graf Morgenstern ihr Vater?
MORNINGSTAR.
Ei wer denn sonst?
Ich wüste nicht, daß er einen Sohn habe. Aber er will Sie nicht vorlassen, was für ein unnatürlicher Vater I
| SCHUHHEIM.
3*
36
II Aufzug
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
Und ich bin doch sein ganz natürlicher Sohn.
Wie kömmts aber, daß Sie einen andern Namen führen ?
Weil ich in Engelland gebohren bin, nennen sie mich M o r n i n g - s t a r .
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Ich wollte mein Heinrich hätte so viel Feuer wie Sie.
Haben Sie einen Sohn? ich will ihn lehren, die Börse seines Vaters auszuklopfen.
MORNINGSTAR.
Alle Ihre Lehren werden bei ihm nichts fruchten. Er ist so kalt wie Eis.
SCHUHHEIM.
MORNINGSTAR.
kaufen.
Kommen Sie jezt, ich will mir erst ein Pferd
Meinen Sohn könnte ich nicht einmal dahinbringen, sich einen Esel anzuschaffen.
SCHUHHEIM.
Hernach wollen wir eins zusammen trinken, komm alter Knabe!
| MORNINGSTAR.
Das ist ein vollkommener Edelmann, könnte ich nur meinem Heinrich auch so ein adliches Wesen einflößen I Beide ab.
SCHUHHEIM.
II S z e n e Morningstars
Zimmer
YURI
Hier wird die M e l a n c h o l i e ihren Wohnsiz aufschlagen. Wenn mein Herr nach Hause kömmt, so kann er den schlechten Ausgang meines Auftrags auf meiner Stirne lesen — Aber gütiger Himmel, was seh ich hier! Neue Kleider, Hüte, Pferdgeschirre, und ein ganzer Flaschenkeller voll Wein. Nicht ein Tropfen davon soll getrunken 63 werden, und die übrigen Sachen will ich auch wohl verwahren. / Schließt den Flaschenkeller und legt die Kleider in eine Commode / M O R N I N G S T A R von aussen Hier herein, wenn's beliebt. He Yuri. 63
Ursprünglich »getruncken«.
II Szene YURI.
Allerliebst! bringt noch Gesellschaft mit! Morningstar und v. Schubheim
MORNINGSTAR
traurig.
YURI
37
fröhlich61.
So Yuri, jezt haben wir'sl
Ja wohl haben wir's.
MORNINGSTAR.
Frisch jezt den Wein herl
»Frisch jezt den Wein herl« Wie können Sie so leichtsinnig seyn?
YURI.
Hören Sie, Herr v. Schuhheim, der Bursch ist nicht mit Geld zu bezahlen, aber wenn er seinem Herrn einen 85 Dienst leistet 66 , und so ein paar hundert C a r o l i n e n mit nach Hause bringt, dann wird er gleich verdammt frech.
MORNINGSTAR.
SCHUHHEIM.
Ja ja das ist so 67 die Art der Bedienten
Sind 68 Sie bei Verstand gewesen, wie Sie das Zeug all gekauft haben ?
YURI.
Yuri, du bist ein spaßhafter Bursche. Jezt Wein her, — willst du nicht ? gut ich hab auch einen Schlüßel. / er stößt den Flaschenkeller mit dem Fuß auf, und stellt die Bouteillen auf den Tisch I
| MORNINGSTAR.
Ich bitte Sie um alles in der Welt, schicken Sie den Wein, und das übrige Zeug zurücke.
YURI.
Ich bitte dich 69 um alles in der Welt, schicke dich selbst zur Thüre hinaus.
MORNINGSTAR.
YURI.
Wenn Sie mich doch nur anhören wollten
Kerl, du machst mich ungeduldig, Marsch, oder du bekömmst die Bastonade' 0 .
MORNINGSTAR.
YURI. 64 65 66 67 68 69 70
Soviel Sie wollen, nur anhören müssen Sie mich.
Von B aus »frölich« verbessert. Aus »seinen« verbessert. Von B in ein ursprüngliches »bietet« hineingeschrieben. »so« nachträglich eingeschoben. Ursprünglich »Seyn«. Aus »mich« verbessert. Von B aus »oder es giebt Ohrfeigen« geändert.
II Aufzug
38 MORNINGSTAR.
Teufel! YURI.
Welches Geld?
MORNINGSTAR.
SO,
| YURI.
ab.
Das du von meinem Vater bekommen hast.
wer hat Ihnen denn das gesagt?
MORNINGSTAR. YURI.
Leg das Geld in die C o m m o d e , und geh zum
Der Reitknecht, der es selbst gesehen hat.
Jezt geh ich, aber nicht zum Teufel, sondern zum Reitknecht.
Mein Herr Graf, ich habe unterdessen eine Ankündigung in Betreff einer neuen Kolonie aufgesezt, die ich in die Zeitungen einrücken lassen will.
SCHUHHEIM.
Lassen Sie jezt ihre neue Kolonie, und trinken 71 Sie mit mir alten Wein!
MORNINGSTAR.
Mein Vorhaben ist, ein Bad anzulegen, das berühmter werden soll als Spaa.
SCHUHHEIM.
MORNINGSTAR.
Haben Sie denn ein Gesundheitswasser dort?
Bis jezt noch nicht, aber ich darf nur einen Arzt in mein Spiel ziehen, so entdeckt er mir eins, und schreibt mir eine herrliche Abhandlung darüber.
SCHUHHEIM.
Lieber wollte ich Ihnen rathen, die Geistlichkeit in Ihr Spiel zu ziehen, und ein paar Mirakeln wirken zu lassen, der Zulauf des Volks wäre dann viel grösser.
| MORNINGSTAR.
An dem geringen Volk ist mir nicht so viel gelegen, als an Vornehmen reichen Leuten.
SCHUHHEIM.
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
D a s ist zu alt.
MORNINGSTAR.
Frauenzimmer 72 . SCHUHHEIM.
rung 73 . 71 72 73
Lassen Sie einen Luftballon fliegen. Errichten Sie ein Erziehungsinstitut für junge
Ich habe keine Unterstützung von Seite der Regie-
Aus »trincken« geändert. Von B aus »für die jungen Edelleute« geändert. Der ganze Satz von B. A hatte statt dessen »Es wird leer bleiben«.
II Szene MORNINGSTAR. SCHUHHEIM.
Oder stiften Sie eine grosse Bibliotheck.
Ungeduldig.
MORNINGSTAR.
39
Ach Sie kennen unsern Adel nicht.
Nun so etabliren Sie ein galantes Haus.
Damit' 4 wollt ich Millionen verdienen; aber die Polizei, die Polizei I
SCHUHHEIM.
Wenn das ist, so bleibt Ihnen 75 freilich nichts übrig, als was Sie sagten. Aber kommen Sie jezt, und lassen uns trinken. — He Gläserl Yuri mit dem Reitknecht
| MORNINGSTAR.
Hier ist der Reitknecht, der wird Ihnen erzählen, wie es war. Sprich, Thomas I
YURI.
Gnädiger Herr' 6 , ich habe Ihnen gesagt, daß Ihr Mohr den Geldbeutel —
REITKNECHT.
Ja, ja, ich versteh euch schon, hier ist eine B o u t e i l l e Wein für die gute Neuigkeit.
MORNINGSTAR.
Ich glaube er ist aus lauter Verzweiflung toll geworden. / nimmt dem Reitknecht den Wein
YURI.
Bursch, jezt wird mirs zu arg. Will ihn zur Thüre hinauswerfen Der Schuhmacher nebst andern Handels- und Handwerksleuten kommen herein
MORNINGSTAR.
Gnädiger Herr, Sie haben mich bestellt, um zu holen das Geld für den Engelländer.
D E R PFERDJUD.
Sie werden sich beliebigst erinnern daß ich Ihnen einen neuen Oberrock gebracht habe.
| D E R SCHNEIDER.
D E R SATTLER.
Die Pferdgeschirre sind auch noch nicht bezahlt.
Ihr habt es wohl gut, ihr könnt eure Waare wieder nehmen, aber meine Stiefeln wird mir niemand mehr abkaufen wollen, wenn ich sie auch wieder bekomme.
D E R SCHUHMACHER.
74 75 76
Betonungshalber unterstrichen. Hs Ihn. »Herr« nachträglich eingefügt.
40
II Aufzug
MORNINGSTAR.
YURI.
Yuri, bezahl 77 diese Leute
Womit?
MORNINGSTAR.
mit dem Geld, was dir mein Vater gab.
EY
YURI. Ich wollte Ihnen ja immer sagen, daß er mir das Geld wieder genommen 78 hat, aber Sie hörten mich nicht an. MORNINGSTAR.
Das wär der Teufel! Yuri, was ist zu machen?
ich habe einen herrlichen Einfall. Wenn ich meine neue Kolonie —
SCHUHHEIM,
MORNINGSTAR.
Der Henker hole Sie sammt Ihrer neuen Kolonie.
der unterdessen den Handelsleuten die Waaren aus der Commode gegeben hat. So jezt geht, meine Leute. Ihr habt eure Waaren wieder, was wollt ihr mehr?
| YURI,
Was thust du Yuri? — Wenn nicht jeder von euch auf der Stelle wieder alles hinlegt, was er genommen hat, so kömmt mir nicht einer lebendig aus dem Zimmer.
MORNINGSTAR.
YURI. Geht liebe Leute, was mein Herr einmal sagt, das führt er auch aus. D I E HANDELSLEUTE.
schaffen wissen.
REITKNECHT.
Da ist nicht gut seyn.
MORNINGSTAR. SCHUHHEIM
Wir werden uns schon Gerechtigkeit zu ver-
Geht zum Teufel! jagt alle hinaus
folgt nach.
Ein wahres Muster für meinen Heinrich! III S z e n e GemähldeSaal im Schloß
Graf Morgenstern, | GRAF,
Rossignol
lächelnd. Also durchaus eine Grazie, ein Engel?
U n e b e a u t é C e l e s t e et p a u v r e , arm wie ein Maus. V o t r e E x c e l l e n c e ab par c o n s é q u e n t niks zu riskir.
ROSSIGNOL.
Ursprünglich »bezahlt«. Statt »das Geld wieder genommen« (B) hatte A »nicht einen Heller gegeben«. 77
78
41
III Szene
Sie wird kommen d a n s l ' i n s t a n t , vor su 79 seh die schön t a b l e a u x . Ik ab instruirt M a d e m o i s e l l e F a n n y , sie soll ihr sagen, v o t r e E x c e l l e n c e seyn der Aushofmeister. Fanny, Augusta FANNY.
Kommen Sie nur hier herein Mamsell Augusta 1
R o s s i g n o l hat einen guten Geschmack, sie ist ein reizendes Geschöpf laut Gehorsamer Diener, meine Damen.
GRAF.
Mein Herr, / sie verneigt sich /
AUGUSTA.
Machen Sie nicht so viel Komplimente mit dem alten Mann. Es ist nur der Haushofmeister.
FANNY.
GRAF
für sich.
Alten Mannl
Sind das lauter Ideale, oder wirkliche P o r t r a i t s ?
AUGUSTA.
sind die Portraits von den Damen, denen der Herr Graf von Zeit zu Zeit sein Herz geschenkt hat.
| GRAF. ES
Und von welchen sich der Herr Graf schmeichelt, daß sie ihm mit ihren Herzen ein Gegengeschenk gemacht haben? Graf verbeugt sich
AUGUSTA.
Nun, warum bücken Sie sich denn, alter Herr! die Mamsell hat ja nicht von Ihnen gesprochen?
FANNY.
AUGUSTA.
Der Graf soll sehr eitel seyn, wie ich gehört habe.
Ein erzeingebildeter Geck, und so grau wie ein Dachs, nicht wahr, Herr Haushofmeister? für sich. Jezt darf ich ihm doch einmal meine Meinung recht ins Gesicht sagen.
FANNY.
nachdem sie lang vor einem Gemähide tiefsinnig Was für ein sanfter | Ausdruck in dieser Miene!
AUGUSTA
gestanden.
Ihr Verlust hat dem Herrn Grafen eine Wunde geschlagen, die immer noch blutet. Dies treue Gemähide ihrer herrlichen Reize ist der einzige Balsam der seinen Schmerz lindern, aber nicht heilen kann. Es ist Cäcilie 80 Robinson.
GRAF.
in grosser Bewegung. Meine C o u s i n e l Also bin ich in dem Hause ihres niederträchtigen Verführers!
AUGUSTA
79 80
Aus »zu« geändert. Von B neben eine gestrichene »Emilie« (A) geschrieben.
II Aufzug
42
GRAF. Was ist Ihnen, Schönes Kindl Nichts, es ist mit nur ein wenig übel, es wird gleich Vorübergehn, kommen Sie Fanny — Halt da geht mir ein Licht auf •—• Sicher ist das er selbst.
AUGUSTA.
GRAF. Bleib göttliches Mädchen. Lassen Sie mich Herr Graf. Es schikt sich nicht für ein so junges elternloses Mädchen, | einem 81 Mann Lehren zu geben, der den hohen Plaz auf den ihn das Schicksal gestellt hat 82 , zur Unterdrückung und Verführung der hülflosen Unschuld 83 mißbraucht. — Ich darf nicht alles sagen, was ich denke, aber bittre Vorwürfe werden einst ihr Herz treffen, wenn es zur Versöhnung zu spät seyn wird. geht ab
AUGUSTA.
FANNY.
Da verstehe ich kein Wort von dem allen. will ab.
ROSSIGNOL,
hält sie. R e s t é s , p e t i t e
Coquine!
Nein, nein, ich muß auf meine G o u v e r n a n t e 8 4 Acht geben. läuft fort
FANNY.
So muß mich denn heute alles an meine Jugendfehler erinnern. Ihre Vorwürfe | haben mich erschüttert •— aber es gehe wie es wolle, ich muß diese liebenswürdige 85 Sittenrednerinn besizen. R o s s i g n o l ! lasse Kippern sogleich zu mir kommen. ins Kabinet ab
GRAF.
ROSSIGNOL.
Fort bien votre Excellence!
ab.
MORNINGSTAR
Da wäre ich nun, aber was weiter? — Soll ich ihn rufen, oder warten, bis er selbst kömmt? — Und wenn er kömmt, ich kenne ihn ja nicht. — Es ist traurig, seinen eignen Vater nicht zu kennen, nicht zu wissen was man ihm sagen soll! — Ich will ihm sagen, daß ich 81
Ein hierauf folgendes »bejahrten« ist gestrichen. Der darauf folgende Zwischensatz »um durch Tugend desto heller zu glänzen,« ist ausgestrichen. 83 B ersetzt mit seiner »hülflosen Unschuld« ein ursprüngliches »auf einer niedrigem Stufe stehenden«. 84 »v« aus ursprünglichem »b« verbessert. 85 »liebens« nachträglich angefügt. 82
III Szene
43
ein guter Junge bin, daß ich ihn ehre, daß ich seine Stüze, sein Trost seyn will, und wenn er mich fortjagt, will ich doch bleiben, und ihn so lange bitten, bis er mich da behält. — Er kömmt! — nein es war der Wind; warum zittre ich, ich habe doch kein Unrecht 86 | begangen. — Welcher Unsinn, weil vor meiner Geburt ein paar Ceremonien und Gebetformeln ausgelassen worden sind, darf ich meinen Vater nicht Vater nennen, seinen Namen, seine Güter nicht erben. Diese paar Worte hätten mich vielleicht zum Stolz meiner Aeltern, zum Liebling der Unterthanen, zum Vater der Armen gemacht, und ohne sie bin ich ein armer Verstoßner 87 , von Jedermann verachtet und geflohen, ohne Rang, ohne Stand, ohne Freund I — Ha, dies ist das Bildniß meiner Mutter. Komm theures Bildniß, du sollst keinen Glossen und Spöttereyen mehr ausgesezt seyn, komm zu mir, ich will dich ehren, wie eine Gottheit / er nimmt das Gemähide herunter / Yuri, he Yuri herauf da zu mir. er kniet an das Gemähide hin, und bene^t es mit seinen Thränen. Graf Morgenstern aus dem Kabinet Was ist das für ein Lärm hier? / sieht Morningstar mit dem Bildniß, und erstaunt / Wer sind Sie, was machen Sie hier ?
GRAF.
MORNINGSTAR.
Herr, dies war meine Mutter, verbirgt seine Thränen
äusserst gerührt und abgewandt. Cäcilie 88 ! geht schnell ab
GRAF,
Mein Sohnl Kind meiner
Ha, war das mein Vater — dies ist das erstemal, daß er mich sieht, und er verläßt mich, ohne nur mit mir zu sprechen, kein tröstliches Wort kein freundliches Lächeln — Nun bin ich ein Bettler I Ein Meer von Schrecknißen wälzt sich über mich — Yuri Y U R I freudig. Nun haben Sie ihren Vater gesehen? MORNINGSTAR.
Ach Yuri, ich war noch nie so niedergeschlagen | wie jezt. Komm trag dies P o r t r a i t in meine Wohnung.
MORNINGSTAR.
YURI.
Wie?
Trag dies P o r t r a i t in meine Wohnung, geht** ab. Yuri trägt das Portrait fort.
MORNINGSTAR.
86 87 88
Von B aus »nichts Unrechts« geändert. Ursprünglich »Verstoßener«. 89 »geht« von B eingefügt. Hs Emilie.
III A U F Z U G I S z e n e Strasse kömmt aus Kippers Haus Und wenn er sich auf den Kopf stellt, so werde ich doch nimmer zu geben, daß mein Freund M o r n i n g s t a r wegen einer lumpichten Schuld ins Gefängniß kommen soll 90 . Ich will ihn in mein Haus als Hofmeister nehmen, damit er 91 mir meinen Heinrich nach der großen Welt bilde 82 . Was gab' ich nicht drum, wenn ich diesen Bursch lebhafter machen könnte. Hätt' er Feuer, so wäre er ein vollkommner junger Mensch, aber sein stilles Betragen | macht, daß man nicht den hundertsten Theil der Geschicklichkeiten bei ihm vermuthet, die er wirklich besizt. Ich wüste nicht, was ihm abgienge. Sprache, Musik, zeichnen, Tanzen, Fechten, Reiten, alles ist ihm eigen, er ist ein Magazin der Gelehrsamkeit, und eine Musterkarte der Tugenden, aber es fehlt ihm eine Eigenschaft, die heut zu Tage mehr gilt als Gelehrsamkeit und Tugend: — die Dreistigkeit, und so wird er nie sein Glück in der grosen Welt machen. Zacharias VON S C H U H H E I M
Freuen Sie sich, gnädiger Herr, der Herr Heinrich kömmt, der junge Herrl
ZACHARIAS.
SCHUHHEIM.
Pferden. ZACHARIAS.
Wo? ich sehe ja kein Whisky, keinen Wagen mit 4. Hier hier Gnädiger Herr!
Alle Wetter, da schlendert er zu Fuß einher I Heinrich in einem einfachen Frack, schlecht aber reinlich gekleidet.
| SCHUHHEIM.
SCHUHHEIM. Was zum Henker 93 ist das für ein verfluchter Aufzug ? HEINRICH 90
küßt ihm die Hand.
Wie befinden Sie sich, bester Vater.
Aus »solle« geändert. Der Satz von »Ich will« bis »damit er«, von B hinzugefügt, ersetzt »Der muß« (A). 92 Aus »bilden« geändert. 93 Aus »Hencker« geändert. 91
I Szene
45
In der übelsten Laune! Höre Heinrich, ich spare keine Ausgaben, um dich heraus zu puzen wie einen Prinzen, schicke dir das Geld zentnerweise, damit du's nur ja allen jungen Menschen zuvor thun sollst, und nun, da ich glaube dich wenigstens in einer modernen Reise C h a i s e mit einem Postzug von vier raschen Engelländern, oder in einem Whisky das bis an die Wolken 94 stößt über Kinder, Gänse, und alte Weiber | hinrollen zu sehen, hinkst du wie ein lahmer 95 Handwerksbursche zum Thor herein, mit Staub über und über bedeckt, als wenn du in einem Mehlkasten englisch getanzt hättest. — Komm, du wirst hungrig seyn. Zacharias 1 geh' ins Wirthshaus, und bestell eine gute Mahlzeit für mich, und Heinrich, und für den muntern M o r n i n g s t a r , wenn du ihn finden kannst.
SCHUHHEIM.
Ich bin wirklich etwas hungrig, lieber Vater! / er %ieht ein Stück kalten Braten heraus und isst /
HEINRICH.
SCHUHHEIM.
Wie? schämst du dich nicht auf der Straße zu essen?
Warum sollt ich mich schämen ich habe es ja in der lezten Schenke, wo ich zu Nacht aß, bezahlt.
HEINRICH.
In einer Schenke zu Nacht gegessen 1 Und wo haben euer Gnaden ihr Mittagsmahl eingebracht?
SCHUHHEIM.
Auf einem Stein an der Straße. / Schuhheim giebt seinen Aerger erkennen / Es war schön Wetter lieber Vater, und da wollte ich der freien Luft geniessen, weil ich eben ein paar harte Eyer und Brod bei mir hatte
| HEINRICH.
Ich will doch nicht hoffen, daß dich Jemand von unsern Bekannten gesehen hat?
SCHUHHEIM.
Niemand als der Baron Elsen und die zwei Fräulein von Hahnenkamm. Sie bemerkten mich anfangs nicht, ich machte ihnen aber ein Kompliment.
HEINRICH.
Der Teufel hol die 96 übel angebrachte Höflichkeit! Du bringst deinem Stand viel Ehre. Was werden die nun davon denken, daß sie den edlen von Schuhheim auf offner Landstrasse sein Mittagmahl einbringen sahen. Schade daß kein Kapuziner-
SCHUHHEIM.
94 95 96
Aus »Wolcken« geändert. Hs Lahmer. »hol die« aus »hat diese« geändert.
46
III Aufzug
kloster in der | Nähe war, sonst hätte man vielleicht die Ehre haben können, den Ritter des H. Rom. Reichs die Kapuziner Suppe verzehren zu sehen. — Wo haben denn Euer Hochwohlgeborn ihren Abend 97 Trunk eingebracht? Sie scherzen bester Vater, ich habe frisches Quellenwasser getrunken, so oft ich durstig war.
HEINRICH.
SCHUHHEIM.
Harte Eyer, Brod und Wasser, eine noble Aufführung.
Ich ass mich satt, ohne viele ausgesuchte Speißen zu genießen, und löschte meinen Durst, ohne mir mit Wirthshaus Wein Kopfweh zu machen. Uebrigens machte mich das Gehen heitrer und aufgeräumter, als das geschwindeste Fahren, und so oft ich wieder an ein Posthaus kam, dachte ich: wieder ein | paar Thaler gewonnen, die ich nüzlicher verwenden kann.
HEINRICH.
SCHUHHEIM.
Nachts mustest du doch in ein Gasthauß gehn?
Freilich wohl, aber da ich abends nur Thee trinke und Morgens nichts zu mir nehme, kam es mir 98 doch nicht hoch zu stehen".
HEINRICH.
Was für herrliche Rechnung muß das gegeben haben. »Was Seine Gnaden Herr von Schuhheim bei mir verzehrt haben«. 2. Tassen Thee 2. Groschen, Nachtgeld 3. Groschen, Summa 5 Groschen.
SCHUHHEIM.
Verzeihen Sie mein Vater, ich gab mich nirgends für einen Edelmann aus, sondern ließ mich immer100 wie zu vor Herr Schuster nennen.
HEINRICH.
Ists möglich? Hab ich darum so viel Geld für den Von 1 0 1 Titel gegeben, um diese Undankbarkeit von dir zu erleben ? Ich wende alles an, dich empor zu bringen, und du willst dich durchaus lieber im Staube wälzen. Ich sterbe noch vor Aerger.
| SCHUHHEIM.
Wir wollen von etwas anderm sprechen, bester Vater! denn hierüber werden wir einander schwerlich bekehren.
HEINRICH.
»Abend« von B hinzugefügt. Aus »mich« geändert. 99 »zu stehen« von B angefügt. 100 y o r »i mm er« ein ausgestrichenes »wie«. 101 »Von« ist unterstrichen. 97
98
I Szene
47
Ich gebe doch noch nicht alle Hofnung auf. Ich werde dich mit einem jungen Menschen bekannt machen, der alles besizt, was man heut zu Tage von einem Edelmann fordert. Nach diesem mußt du dich bilden, dann kannst du dich auch mit Ehren 102 vor meiner Mündel sehen lassen. Sie ist heute aus der Hauptstadt hier angekommen, und ich habe meine besondren | Ursachen, dich bei ihr in Achtung zu sezen. Wenn sie dich so sehen sollte, würde sie eine schöne Idee von dir bekommen. / Er nimmt das Schnupftuch und puyj ihm damit den Staub ab / Wie du aussiehst 1 Ists denn gar nicht möglich ein wenig Ehrgeiz in dich zu bringen? wahrlich du hast alle Scham verlohren!
SCHUHHEIM.
Ich thue nichts, dessen ich mich zu schämen brauche, mein Vater, und wenn Sie anders denken, so kennen Sie mich nicht.
HEINRICH.
für sich. Hier kömmt Auguste, ich will die jungen Leute ganz sich selbst überlassen, und einmal sehen, Was 103 der Zufall für meine Absichten thun kannl laut. Ich muß doch wissen, was sie mit meinem lieben M o r n i n g s t a r angefangen haben. geht ab. Fanny, hernach von der andern Seite Augusta
SCHUHHEIM
W O wird sie seyn? wenn sie nach Hause | gelaufen ist, und hat's dann Papa erzählt, so krieg ich's tüchtig.
FANNY.
HEINRICH.
Fanny, wie gehts dir liebes Mädchen?
lieber Heinrich, seit wann bist du hier ? — Es freut mich innigst, daß ich dich wieder sehe.
FANNY. O
Du bist noch hübscher geworden, seitdem ich dich nicht gesehen habe.
HEINRICH.
Aufrichtig zu sagen, du nicht, du siehst so verbrennt und bestäubt aus.
FANNY.
HEINRICH. FANNY.
Ich will den Staub abschütteln.
Geh, und kleide dich uml
Das ist nicht nöthig, ich habe meine Bürste bei mir. Zieht sich zurück und kehrt den Staub ab
HEINRICH.
102 103
Das »n« später angefügt. Aus »das« (?) verbessert.
48
III Aufzug
erblickt Augusten. O, liebe G o u v e r n a n t e , ich hab Sie überall gesucht. Aber Sie sehn ja so böse aus.
FANNY
Sie hätten mich nicht zum Grafen führen | sollen, da Sie wissen, was er für einen häßlichen Charakter hat.
AUGUSTA
E y , wer hat Ihnen das gesagt ? E r ist der höflichste artigste Mann von der Welt. E r macht sich nichts daraus mit mir und meines gleichen die kindischsten Spiele zu spielen.
FANNY.
O Fanny, wenn Männer von höherm Stand sich 2u uns herablassen, so geschieht's nicht um uns zu erhöhen, sondern uns aufs tiefste zu erniedrigen.
AUGUSTA.
Kommen Sie jezt, ich will Ihnen meinen Heinrich vorstellen, aber Sie müssen ihm bei Leibe nicht sagen, daß ich mit dem Grafen V o l a n t gespielt habe. / Heinrich1"1 / Heinrich, hier ist Mamsell Augusta.
FANNY.
E S ist mir sehr angenehm, den Sohn meines Vormunds kennen zu lernen.
AUGUSTA.
Die Beschreibung, die man mir von Ihnen | gemacht hat, erreicht bei weitem nicht die schöne Wirklichkeit, die ich zu sehn das Glück habe.
HEINRICH.
Nun da hören Sie's Augusta I Hab ich Ihnen nicht gesagt es ist ein galanter Mensch ? Komm Heinrich, führe uns ein wenig in der Stadt herum.
FANNY.
HEINRICH.
anbieten?
Mit vielem Vergnügen. Darf ich Ihnen meinen Arm nimmt Augusta und Fanny unter den Arm. MORNINGSTAR
E y , das geht nicht an. Ihren Diensten. AUGUSTA.
begegnet Ihnen
Augusten. Schöne Dame, mein Arm ist zu
Mein Herr, ich habe nicht die Ehre —
Ich auch nicht, aber das thut nichts. Das Leben ist so kurz, daß es Thorheit ist mit Komplimenten das Kostbarste 105 zu verderben. Wenn Ihnen meine Physionomie nur halb so edel
MORNINGSTAR.
104 »zu Heinrich« nachträglich von B angefügt; ein gleich darauf folgendes »Fanny« (als sprechende Person) ausgestrichen. 105 Aus »die Kostbarkeit« geändert.
I Szene
49
scheint, wie mir die Ihrige, so werden Sie meine | Begleitung annehmen. Sie sprechen mit so vieler Zuversicht, daß ich's nicht wage, Ihnen eine abschlägige Antwort zu geben.
AUGUSTA.
Ihr Zutrauen zu mir, wird Sie nicht gereuen, wenn Sie mich näher kennen lernen. Aber Sie waren im Spazierengehn begriffen. Hier heraus glaube ich wollten Sie gehn. / Sie gehen bei einem Obstladen vorbei, der Obsthändler kömmt heraus /
MORNINGSTAR.
Zu Heinrich. Tractiren Sie Ihre Damen meine Herren.
OBSTHÄNDLER
Die Damen haben jezt keinen Appetit. — Wollen wir
HEINRICH.
gehn?
Schon so frühe Pfirschen, darf ich Ihnen damit aufwarten? Nimmt einen Teller und bietet ihnen an. Augusta verweigert, Fanny nimmt zwei /
MORNINGSTAR.
OBSTHÄNDLER.
Das Stück kostet einen KonventionsThaler.
| MORNINGSTAR. HEINRICH.
Aepfel an.
Hier, \ giebt ihm Geld /
Ist Ihnen ein Apfel anständig ? — Fanny 1 bietet Ihnen
nimmt ihm die Aepfel aus der Hand und wirft sie weg I Herr, denken Sie daß Sie nicht die Eva, sondern ein paar Engel vor sich haben!
MORNINGSTAR. /
HEINRICH,
zornig.
MORNINGSTAR.
Herr, was soll das heißen? Das werd ich Ihnen sagen, wenn wir allein sind.
Eine Frau mit einem Kind kömmt hervor. Liebe gnädige Herrn und Frauen 1 Mein Mann ist krank, und liegt wegen Schulden im Gefängniß.
FRAU.
MORNINGSTAR.
nichts mehr.
HEINRICH,
Wärst du eher gekommen, gute Frau, jezt hab ich
heimlich zu ihr. Wegen Schulden ? Wie viel ist er schuldig ?
Die herrschaftlichen Abgaben von zwei Jahren her, und wir können nichts dafür, er war sonst immer fleißig, nur die lezte Zeit, da er krank geworden. —
| FRAU.
4 KOMEDIA XV
III Aufzug
50
laut. Geht, geht, das sind Lügen, und Ränke — geht, ich kann euch nicht helfen, ihr wißt, daß das Betteln verboten ist. / giebt ihr heimlich Geld und will sie forttreiben /
HEINRICH
FRAU.
Gold.
Gnädiger Herr, Sie werden sich vergriffen haben, das ist
Geht, sag ich, und laßt mich ungeschoren. Heimlich indem er sie forttreibt. Erquikt euch und euer Kind damit, für das übrige will ich schon sorgen.
HEINRICH.
AUGUSTA.
W a s ist das ?
Ey, so macht er's immer. An sich selbst spart er, was er nur kann, und ernährt und kleidet die Armen in der ganzen Nachbarschaft.
FANNY.
Was für eine elende Figur mache | ich mit meiner Verschwendung gegen diesen grosmüthigen Mann! — Mein Herr ich bitte Sie um Verzeihung für meine vorige Beleidigung, ich hielt Sie für einen Knicker, jezt sehe ich aber ein, daß Sie das Geld weit beßer anzuwenden wissen als ich. Ich bitte um die Ehre Ihrer Freundschaft.
MORNINGSTAR.
Sie legen meinen Handlungen einen zu hohen Werth bey, mein Herr 106 1
HEINRICH.
Nun anstatt einander Complimenten zu machen, könnten wir wohl weiter gehen. Kommen Sie, ich will Ihnen den hiesigen Tanzsaal zeigen.
FANNY.
Tanzsaal? Haben Sie schon amerikanisch tanzen sehn, meine Damen? — Auf ein Wort, mein lieber Freund! / Zieht ihn heraus /
MORNINGSTAR.
Ich will doch nicht hoffen, daß er meinen Heinrich heraus gefordert hat, sonst würde es ihm übel gehn. Heinrich ficht wie ein Meister, und sticht ihn aufs erstemal todt. / Man hört auf einer Violine ein amerikanisches Lied / — | Ach das ist Heinrich, ich kenn seine lieben Fingerchen. Aber Sie sind ja so in Gedanken 107 ?
FANNY.
Ich beschäftige mich immer mit der überraschenden Aehnlichkeit seiner Gesichtszüge mit dem Portrait, das wir heute Morgens gesehen haben.
AUGUSTA.
106 107
Danach ursprünglich ein Fragezeichen. Aus »Gedancken« geändert.
I Szene
51
Wie? Heinrich sollte der 108 gleichen? Nicht von weitem, er sieht recht männlich aus, gar nichts weibisches hat er an sich.
FANNY.
AUGUSTA. FANNY.
Sie verstehen mich nicht, ich spreche von dem andern.
Das ist ja der Sohn von eben dem Frauenzimmer.
Ihr Sohnl also mein unglücklicher Vetter I — Nun begreife ich den Zug meines Herzens, das mich so ungestümm zu ihm hinreißt. — Yuri
AUGUSTA.
mag er wohl seyn. — Gewiß hat er ] sich an irgend einen einsamen Ort begeben, um sein Unglück zu bejammern.
YURI. W O
Morningstar
kömmt zurück.
Meine Damen, unser Freund ist ein herrlicher Violinist. Wenn es Ihnen gefällig ist, so wollen wir heraufgehen.
MORNINGSTAR.
Verzeihen Sie mein Herr, wir müssen nach Hause gehn, kommen Sie Fanny.
AUGUSTA.
O Mamsell Augusta, kommen Sie mit, ich mögte gar zu gern Amerikanisch tanzen sehn.
FANNY.
MORNINGSTAR
Mutter?
wird Yuri gewahr.
Wo hast du das Portrait meiner
Bei Ihrem Vater. Man ließ mich nicht damit zum Schloß heraus.
YURI.
Geh gleich zurück, und bring's in meine Wohnung, oder ich haue dich zu hundert tausend Stücken I Kommen Sie meine Damen. / Schlingt nun jede in Arm und lauft mit ihnen109 fort.
MORNINGSTAR.
steht erstaunt. Schade daß die Europäer nicht eine lachende und eine weinende Seite in ihren Gesichtern haben. Es kann keine leichtsinnigere Geschöpfe geben als sie, in einem und demselben Augenblicke sind sie im Stande, zu lachen und zu weinen. Doch 110 ich muß mich in meinen Herrn schicken, denn der niedrige richtet
| YURI
108 109 110 4*
Betonungshalber unterstrichen, »mit ihnen« von B eingefügt. »Doch« von B eingeschoben.
52
III Aufzug
sich nach dem hohen, und das kleine Rad am Wagen macht dem grossen den Weg 111 , ab II S z e n e Zimmer in Kippers Gräfinn112
Morgenstern.
Hause Lisette
Wie froh bin ich, daß ich wieder auf ein paar Minuten aus meinem beweglichen Gefängniß befreiet bin.
GRÄFINN.
LISETTE.
Die Gegend hier herum scheint recht angenehm zu seyn. |
Sie ist es auch. Ich wünschte, mein Gemahl hätte seine hiesigen Besizungen nicht verkauft. In diesem Schloß verlebte ich meine glüklichsten zufriedensten Stunden. Könnte ich wieder da leben, ich wollte gerne alle Vergnügungen der Residenz aufopfern.
GRÄFINN.
LISETTE.
Vielleicht auch die Annehmlichkeiten des Reisens?
Die Annehmlichkeiten dieser Reise sind wahrlich nicht entzükend. Alles ermüdet in die Länge, und denke dir den großen Weg, den wir noch zu machen haben, bis wir M o n t p e l l i e r erreichen. — Doch all dieses achte ich gering, wenn ich meinem kranken Gemahl dadurch Erleichterung verschaffen kann. Hier hoffe ich Briefe von ihm anzutreffen, Kipper versah immer die Stelle seines B a n q u i e r und C o r r e s p o n d e n t e n . Er bleibt so lange, ich will ihn rufen lassen.
GRÄFINN.
|
Johann Eine Neuigkeit gnädige Frau, wissen Sie schon, daß der Herr Graf hier ist?
JOHANN.
GRÄFINN.
kommen ?
Er träumt, Johann, wie sollte mein Gemahl hieher
Eben wie ich zum Hause herein gieng, begegnete mir unsre alte Martha, die hier etwas holte.
JOHANN.
l u Vorher stand (A): » . . .hohen, und das ist die Ursache, warum das kleine Rad am Wagen dem großen den Weg macht.« 112 Hs Grafinn.
53
II Szene
Unbegreiflich I — Nach Deutschland zurück gekehrt, — darunter muß ein Geheimniß verborgen seyn.
GRÄFINN.
KIPPER
von außen. Nun was giebts ?
eben so. Ik kann nit sprecken113 des a f f a i r e s de son E x c e l l e n c e auf öffentlicher Straß. E n t r é s s e u l e m e n t .
ROSSIGNOL
GRÄFINN. LISETTE.
Ist das nicht R o s s i g n o l ? Ja wohl ist ers, gnädige Gräfinn.
E r kömmt hier herein. Wir wollen in den Saal hinüber gehen. — Ich weiß mich | kaum zu fassen. Geht nebst Lisetten und Jobann ab. Rossignol und Kipper
GRÄFINN.
KIPPER.
Ich will von seinem Grafen gar nichts mehr hören!
Ma f o i , c ' e s t c o m i q u e ça. Was sind Sie sans s o n E x c e l l e n c e ? A l l o n s s o i è s S â g e v o i l a ein neuer P a q u e t von Briefschaft an M a d a m e .
ROSSIGNOL.
V o i l a eine neue Spizbuberei, die Briefe von M o n t p e l l i e r aus zu datiren?
KIPPER.
S o n E x c e l l e n c e besahlen Ihnen die als wenn die Brief kämen aus der Mond.
ROSSIGNOL.
KIPPER.
Je nun, wer
A
sagt, muß auch
B
Porto,
sagen.
/ Nimmt die Briefe und will gehen / A t t e n d é s. Ich habnok einen C o m m i s s i o n de la p a r t de s o n E x c e l l e n c e . M o n s i e u r M o r - M o n - M o r n i n s t — D i a n t r e , ik kann nit bealten dieser verflukte Namen — en f i n | Sein junger Sohn — le fils n a t u r e l maks à s o n E x c e l l e n c e kewisse Verdrießlichkeiten. Sie sein B o r g e m e s t r e , man muß fortschaffen den jungen Errn, v o u s m ' e n t e n d é s ! s o n E x c e l l e n c e besahlen dafür alle Keriks-Kosten. Es muß aber sein gleik, gleik, dans le m o m e n t .
ROSSIGNOL.
KIPPER.
Gut, gut, da wollen wir schon Rath schaffen.
ROSSIGNOL.
113
Ich kann mik darauf verlassen?
Aus »sprechen« geändert.
ab
54 KIPPER.
III Aufzug Ja ja Windflügel.
Gräfinn, und Lisette kommen wieder heraus und bleiben im Hintergrund stehen. ohne sie zu bemerken ließt die Aufschrift a M a d a m e , M a d a m e la Comtesse de M o r g e n s t e r n née Baronne de Rosen. Jezt muß ich also das Postzeichen von M o n t p e l l i e r darauf drüken. er sucht. Wo habe ich denn meinen Stempel? — er legt die Briefe hin, und geht ins Cabinet
KIPPER
tritt hervor und öffnet einen Brief. Welche Treulosigkeit1141 er läßt mir durch seinen Kammerdiener schreiben, um mich zu überreden, er sey noch zu schwach, indeß er sich hier den Vergnügungen115 überläßt, und um dies desto heimlicher118 thun zu können, mir glauben macht, er habe seine hiesige Besizungen verkauft. Beispiellose Betrügerey. Unmöglich kann er der Erfinder dieses schändlichen Lügengewebs seyn. R o s s i g n o l ist es, der seinen Leidenschaften schmeichelt, um sich dadurch Reichthum und Unabhängigkeit zu verschaffen. — Durch Toben ist hier nichts aus zu richten, ich muß suchen, mir noch nähere Ueberzeugung zu verschaffen. Johann wird doch nicht geplaudert haben ?
| GRÄFINN
E S weiß noch niemand von Ihrer Gnaden Ankunft als die alte Martha.
LISETTE.
Gut, mein Entschluß ist gefaßt. Sie muß uns heimlich ins Schloß führen und — ich höre Kipper kommen, gut, daß er uns noch nicht gesehen hat; komm wir wollen in den Gasthof gehen. Beide ab
| GRÄFINN.
Der Schuhmacher, der Schneider, der Sattler und Pferdjud kommen herein D E R PFERDEJUD.
faktion117.
Der gnädige Herr muß uns geben ekltante Atlas-
Hätt' ich nur das Geld für meine Stiefeln, ich verlange sonst nichts.
SCHUHMACHER.
Von B aus »Welche Niederträchtigkeit,« geändert. Von B aus »allen Ausschweiffungen« geändert. Hs heimlich. Wie Wachtmeister Dogberry in »Viel Lärm um Nichts«, so verwendet hier der ungebildete Pferdjud gesuchte Wörter in falscher Form, aber richtiger Bedeutung (»eklatante Satisfaktion«), 114 115 116 117
II Szene SCHNEIDER.
SO
55
denk ich auch, aber ich fürchte da wird's fehlen.
Je nu, so nehmen wir unsre Sachen wieder zurück.
SATTLER.
. . , u s ihr nit allesamt Narren seid. Der gnädige Herr muß uns bezahlen unsre Sachen, und noch ein schön Stück Geld obendrein für den Schrecken.
PFERDEJUD.
Da mußt du am meisten bekommen, Mauschel denn du hast die größte Furcht gehabt.
| SATTLER.
Und nach ihm der Meister Schneider, denn die Schneiderzunft und die Juden sind die ersten, wanns auf C o u r a g e ankommt.
SCHUHMACHER.
SCHNEIDER.
Meister Schuster, ich verbitt mir die Stichelreden.
Still der Herr Burgermeister kommt.
SATTLER.
Kipper mit einer großen Perücke auf dem Kopf und einem Buch unter dem Arm. indem er sieb an den Tisch se%t. Seid ihr die Leute, die gegen den sogenannten Grafen M o r n i n g s t a r klagen?
KIPPER
A L L E VIER
zugleich.
Ja Herr Burgermeister.
Kipper schellt KIPPER.
WO
Der Gerichtsdiener kömmt herein habt ihr den Delinquenten?
GERICHTSDIENER. | KIPPER.
Hab ich euch nicht gesagt, ihr sollt ihn holen?
GERICHTSDIENER. KIPPER.
Ich hab' ihn nicht, gestrenger Herr.
Er ist mir nicht gegangen 119 .
Ihr seid ein alter Esel.
Ja, das hat er auch gesagt, und hat mir eine Empfehlung an den gestrengen Herrn aufgegeben.
GERICHTSDIENER.
KIPPER.
haben. 118 119
Sonst nichts? — mit dem Dummkopf muß man Geduld
Hier steht »Als«, mit dem »1« senkrecht durchstrichen. Das »ge« nachträglich vorgesetzt.
III Aufzug
56
Er hat just getanzt, und wie ich halt gar nicht fortgegangen bin, so hat er ein paar Zeilen auf ein Papier geschrieben. Gebt ihm einen Zettel
GERICHTSDIENER.
Ich schick euch um einen Delinquenten, und ihr bringt mir ein Stück Papier. / Ließt j »Graf M o r n i n g s t a r hat die Ehre, sich dem Herrn Burgermeister zu empfehlen, und wird von seiner gütigen Einladung Gebrauch machen, sobald er seinen Amerikanischen Tanz geendigt haben wird.« Amerikanischen Tanz, will mich der Mann zum Besten haben?
KIPPER.
Nein nein, sie tanzen darauf los daß es eine Art hat, die Mamsell Fankert ist auch dabei.
[ GERICHTSDIENER.
Esel, Fanny wollt ihr sagen. — Die soll's kriegen, sobald sie nur nach Hause kömmt, und die saubre G o u v e r n a n t e auch— Gewiß habt ihr Dummerian euch bestechen lassen.
KIPPER.
Bestechen? nein, so hat er mir nicht kommen dürfen, — er hat sich gar nicht getraut mich nur anzurühren.
GERICHTSDIENER.
KIPPER.
Tölpel, ich meine, ob er euch was geschenkt hat?
Ja sol — nichts als einen kleinen Thaler, den ihm der andre junge Herr vorgestreckt hat.
GERICHTSDIENER.
Und ihr habt ihn genommen ? — Wißt ihr daß die Kassation darauf steht? —
KIPPER.
GERICHTSDIENER.
Ich hab' sie nicht darauf stehen sehen.
Esel wenn ihr noch einmal Geld annehmt, so werdet 120 ihr kassirt.
KIPPER.
Ehe ich mich kastriren 121 lasse, will ich den Bettel lieber gar nicht haben. Legt den Thaler auf den Tisch
| GERICHTSDIENER.
Das vermehrt noch sein D e l i c t u m . schreibt: Den Gerichtsdiener mit Geld bestochen, schreibt auf
KIPPER.
Morningstar Nun ist der Tanz geendigt. Was steht zu ihren Diensten, mein Herrl
MORNINGSTAR.
120 121
Hs werdert. Von B über ein aus »kastriren« geändertes »kaßiren« geschrieben.
57
II Szene KIPPER
verlegen.
In der That, — ich habe Sie nicht erwartet — ich
MORNINGSTAR.
Diener, will fort
Nun, so bin ich unrecht gegangen, gehorsamer
He holla, warten Sie noch ein wenig. — Ist das der Mann, Ihr Leute, der euch eure Waaren gestohlen hat?
KIPPER.
Nein, so war's nicht Herr Burgermeister, wir haben sie selbst hingebracht.
SATTLER.
KIPPER.
Nun über was beschwert ihr euch denn?
] SATTLER.
Er hat uns nicht bezahlen wollen.
PFERDJUD.
Jo, und hat uns geschmissen zum Zimmer heraus.
KIPPER.
Gut. Gerichtsdiener halt ihn fest!
MORNINGSTAR
anzurühren.
se^t sich in Gegenverfassung.
Ich rathe keinem mich
Herr von Schuhheim
Ha, was soll das heißen? Kein Mensch soll ihm nur ein Haar krümmen. Ich stehe für ihn.
SCHUHHEIM.
KIPPER
für sich.
Verdammter Streich!
für sich. Seitdem ich den alten Geck wacker durchgeschüttelt122 habe, ist er mir so ergeben, daß er sich für mich todtschlagen ließe.
MORNINGSTAR
Wissen Sie auch Herr von Schuhheim, was Sie thun, für wen Sie sich annehmen?
KIPPER.
Und wenn er Euch samt Eurer 123 Grosmutter | zu einem R a g o u t zusammen gehauen hätte, so war' ich Bürge für ihn — Er hat mit meinem Heinrich Bekanntschaft gemacht, hat ihn aufgemuntert, Lebensart gelehrt — Freund M o r n i n g s t a r , ich laße Sie nicht sizen. — ich hab ein dankbares Herz.
SCHUHHEIM.
Das ist gegen alle Formalität 1 — er hat diese Leute hier unter der Drohung sie umzubringen, zum Haus herausgeworfen, er hat den Gerichtsdiener bestochen, das hohe Burgermeister Amt beleidigt —
KIPPER.
122 123
Aus »durchgeprügelt« geändert. Hs Euer.
58
III Aufzug
Gut gut, ich bin Bürge für 2 0 0 0 Dukaten, hier ist mein Namen, fertigt das Instrument aus. / er schreibt seinen Namen auf ein Papier / Geht meine Leute, ihr werdet alle befriedigt werden. Die Handels- und Handwerksleute ab
SCHUHHEIM.
Diese 2 0 0 0 Dukaten sind zum Fenster hinausgeworfen. Der Herr Windlips wird durchgehen, A d i e u schöne Dukaten.
KIPPER.
Herr, reizen Sie mich nicht zum Zorn, ich möchte sonst vergessen, daß Sie Burgermeister sind.
| MORNINGSTAR.
Wie ? Drohen wollen Sie mir noch, mir dem amtierenden Burgermeister. Und was sind Sie denn anders als ein Vagabund ? ein unselig Mittelding zwischen Edelmann und Bürger, dergleichen wir dem Herrn Grafen Morgenstern mehr als ein halbduzend zu verdancken haben ? Oder meinen Sie, weil Ihre Mutter viel Schönheit und wenig Tugend gehabt. —
KIPPER.
außer sich. Wie, Niederträchtiger, die Asche meiner unglücklichen Mutter wagst du zu besudeln? Fort mit dir, Scheusall Will ihn angreifen
MORNINGSTAR
Um Gotteswillen lieber Freund, seyen Sie ruhig, bedenken Sie in welche Verdrießlichkeiten Sie sich und mich stürzen können — Schonen Sie wenigstens seine Würde I Wenn sein Jahr aus ist dann —
SCHUHHEIM.
Sie haben Recht, Freund, ich will seiner Würde das Leben schenken. —Aber die Perücke gehört nicht zu seiner Würde. / reißt ihm die Perücke vom Kopf, und schlägt sie einigemal ihm vor der Nase auf den Tisch nieder, daß ihm der Puder in die Augen fliegt, lauft dann fort, indem er sie in größter Wuth zerreißt /
[MORNINGSTAR.
reibt den Puder aus den Augen, und lauft ihm nach / Meine Perücke, meine Perücke.
KIPPER
SCHUHHEIM
im Abgehen / Ein wahres Muster für meinen Heinriehl
IIII AUFZUG I Szene Zimmer im Schloß. Rossignol
führt Yuri herein
A l t e lä Coquin. Spizbubl q u e l l e f r i p o n n e r i e su stehl die T a b l e a u x von der G a l l e r i e ?
ROSSIGNOL.
YURI.
Was ich gethan habe ist auf Befehl meines Herrn geschehen.
Wer ist dein Err? — et b i e n , — wilt du nit sprek verflukter Dieb.
| ROSSIGNOL.
Hör' er Freund, er mag mich für einen Dieb ansehen oder nicht, das gilt mir gleich, die Wahrheit wird schon noch an den Tag kommen.
YURI.
O u i , d i e Wahrheit wird komm an der Tag, und vor sie su bring an der Tag, je m ' e n vais c h e r c h e r la garde. Vertreib dich die Zeit, so gut du wirst können.
ROSSIGNOL.
Geht ab und verschließt die Thüre Hier ist kein Ausweg, die Fenster sind vergittert — Ich will einmal in das Seitenkabinet gehn, vielleicht sind da keine Gitter vor. Geht ins Kabinet.
YURI.
Durch eine heimliche Thüre kömmt die Gräfinn herein Das ist R o s s i g n o l s Zimmer. Hieher also führt die heimlich Treppe von dem Schlafzimmer meines Gemahls! Hätte ich doch schon Gewissheit! Ich will nicht eher öffentlich auftreten, als bis | ich hinlängliche Beweise habe. Er ist ausgeritten wie Martha sagte, und zwar in der übelsten Laune, wie sie hinzusezte. Die gewöhnlichen Folgen einer unregelmässigen Lebensart, — aber wer kömmt da?
GRÄFINN.
Yuri kömmt aus dem Kabinet zurücke
IUI Aufzug
60
Freilich keine Gitter vor, aber der Sprung ist mir zu gefährlich. Ich muß also Geduld haben. Se%f sich an den Tisch. Eine Menge Briefe und Billets! Dieses kann erst ganz kurz geschrieben seyn. er liest. »Der Anblick meines Sohnes hat mich außerordentlich angegriffen, ich will nicht eher zurückekommen als124 bis er wieder fort ist. Gib125 ihm also dies Geld sogleich, und seze ihm dabei zur Bedingniß, daß er heute noch abreisen soll.« — Vermuthlich hat der Spitzbube das Geld für sich behalten. »Suche inzwischen die schöne Augusta in deine Gewalt zu bekommen, | und bringe sie sodann auf die kleine Insel« — Ha, hier ist Verrätherey.
YURI.
für sich. Welch ein Glück, daß ich eben recht gekommen bin um das arme Schlachtopfer zu retten.
GRÄFINN
Diesen Brief will ich aufbewahren, und wenn sie mich wegen dem alten Portrait hängen wollen, so ziehe ich ihn aus der Tasche, und mache ihre Schurkereien offenbar. Das arme Frauenzimmer, wenn ich ihm nur helfen könnte. Sollte die Thüre denn gar nicht zu erbrechen seyn? will auf die Thüre gehn, und erblickt die Gräfinn. O Sie Unglückskind, hat man Sie auch eingesperrt?
YURI.
für sich. Er hält mich für das Frauenzimmer, das sie ins Garn ziehen wollen, ich will von seinem Irrthum Gebrauch machen, laut. Seyd Ihr ein Abgeordneter des Grafen?
GRÄFINN
Ich ? Nein mein Kind, für so schlecht müssen Sie mich nicht halten.
| YURI.
GRÄFINN.
Ich glaube euch, Eure Miene verspricht Ehrlichkeit.
Sie hält auch Wort, und der Teufel selbst kann sie nicht daran verhindern.
YÜRI.
GRÄFINN.
Wer seyd ihr denn guter Mann?
Ich bin der Diener des jungen Grafen von M o r n i n g s t a r , eines Sohns von dem Herrn, dem das Schloß gehört.
YURI.
GRÄFINN. YURI. 124 125
Wo ist euer Herr?
Er irrt umher, ohne Vermögen, ohne Freunde, ohne Alles.
»als« später eingefügt. Aus »gebe« geändert.
II Szene
61
Schrecklich — Treulos gegen mich, und grausam gegen die Früchte seiner Ausschweifungen I
GRÄFINN.
Mamsell Augusta, Sie kennen meinen Herrn nicht, wenn Sie so sprechen, er hat das beste Gemüth —
YURI.
Und trägt seine Leiden mit Geduld?
| GRÄFINN. YURI.
Mit einer unbegreiflichen Gleichgültigkeit.
Armer Junge! — Er soll in mir seine Mutter finden, da ihn sein Vater so unnatürlich verläugnet. — Was ist das, ich höre Jemand kommen.
GRAF.
nimmt einen Stuhl, und ruft. Der erste, der mir kommt, ist ein Kind des Tods. Gräfinn geht zur heimlichen Thür hinaus. Morningstar stößt die Thür auf.
YURI.
Eher will ich sterben, als meinen treuen Diener das Opfer seines Gehorsams und seiner Zuneigung zu mir werden zu lassen. Komm Yuri. Geschwinde. — Nun was machst du denn für Gesichter, was soll das Winken bedeuten, komm sag ich.
MORNINGSTAR.
YURI.
ES
ist noch Jemand hier eingesperrt.
Komm, es ist keine Zeit zu verlieren, die Wache ist vor der Thüre.
MORNINGSTAR.
| YURI.
Aber gnädiger Herr —
MORNINGSTAR126. Marsch. Marsch dann, mit Gewalt schleppt ihn fort. II Szene Strasse von Schuhheim, und Heinrich SCHUHHEIM HEINRICH,
frölich. kalt™
Nun Heinrich? Wir haben getanzt lieber Vater 1
nachspottend. »Wir haben getanzt« — als ob er gesagt hätte, wir sind gestorben. — Kannst du nicht sagen ?: Wir haben
SCHUHHEIM
126 127
Von B nachträglich eingefügt. Von B nachträglich eingefügt.
III! Aufzug
62
getanzt | schnellt mit den Fingern und hüpft | Nun hast du dich recht herum getummelt ? Ich war noch ein wenig müde vom Gehen, und dann sind auch meine Schuhe etwas zu dik.
HEINRICH.
Das sind Eselshufe, nicht Schuhe, sie haben über einen halben Zoll!
SCHUHHEIM.
Sie haben gerade einen Zoll. Sieht unruhig herum für sich. Wenn ich nur abkommen könnte, um den armen Schuldner aus dem Gefängniß zu befreien.
| HEINRICH.
SCHUHHEIM. HEINRICH.
bezahlen.
DU
hast selbst die Musik dazu gemacht?
Ja lieber Vater, so brauchten wir keinen Musikanten zu
Donner und Wetter, und ich wollte gern das ganze Orchester128 kaufen, um dich mit Augusten einen Walzer tanzen zu sehen. Aber was machst du denn für ein JammersGesicht ?
SCHUHHEIM.
Ich dachte eben, lieber Vater, wie grausam es sei, einen ohne sein Verschulden arm gewordenen Mann wegen einiger Gulden Steuern Rückstand ins Gefängniß zu werfen. Die Freiheit ist so süß, und doch hält man es für gering, einen dieses kostbaren Guts zu berauben.
HEINRICH.
Schweig mit diesen Narrenspossen. Hier kömmt A u g u s t a l — Presentire dich, so gut du kannst!
| SCHUHHEIM.
Augusta und Fanny Sicher hat ihm der Mann etwas unangenehmes gesagt, weil er gleich darauf fortgieng.
AUGUSTA.
O nein, es war der Amtsbote meines Vaters, ein seelguter Mensch, der Niemanden was zu leide thut.
FANNY.
Heinrich leise. Du siehst aus, wie ein Kohlenbauer, ich möchte vor Aerger zerplazen. Zu Augusten leise. Nun Augustchen, wie gefallen Sie sich in Ihrem neuen Stande? Die Grille Ihres Onkels hat Sie wirklich in einen bedauernswürdigen Zustand versezt.
S C H U H H E I M ZU
128
Von B aus »die ganze Hofkapelle« geändert.
II Szene
63
Ich kann mich hierüber wohl beruhigen 129 und mein jeziger Vermögenszustand | ist mir angenehmer, als ein auf die Trümmer fremden 130 Unglücks gebauter Reichthum.
AUGUSTA.
für sich. Sie sind ganz für einander gemacht I laut. Mein Sohn schäzt sich glücklich Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben — / stößt Heinrich / nun so sprich doch auch. — / laut / E r ist voller Freude mit Ihnen sprechen zu können. / Leise zu Heinrich. I Willst du sprechen ?
SCHUHHEIM
Ich muß auf der Hut sein er will sie in einander verliebt machen.
FANNY.
HEINRICH.
In der That, ich bin voll Freude.
voll Zorn Heinrich. So wirst du dich herrlich r e c o m m e n d i r e n , du Tölpel! — Du stehst da als wenn du nicht drei zählen könntest.
SCHUHHEIM
Ich bin noch etwas müde von meiner Reise. Bedenken Sie daß ich heute schon 8. Stunden weit gegangen bin.
HEINRICH.
[ AUGUSTA.
Wie, zu F u ß ?
in äußerster Verlegenheit. E r hat das Unglück gehabt seinen Wagen zu zerbrechen, er wollte sich dadurch nicht aufhalten lassen wollte mich überraschen 131 .
SCHUHHEIM
E y , alter Herr, lügen Sie nicht so. E r geht ja immer zu Fuß um das Postgeld zu erspahren.
FANNY.
Sie sind glücklich, einen Sohn zu haben, der in so jungen Jahren schon so viel Sparsamkeit besizt.
AUGUSTA.
Sparsamkeit, da kennen Sie ihn nicht, er ist der größte Verschwender, den man sich denken kann.
SCHUHHEIM.
FANNY.
Nein, alter Herr, das ist nicht wahr, ich kenne ihn beßer.
Da sehn Sie einmal Seine Manschetten | da kostet die Elle 3. Ducaten, komm ziehe die Manschetten heraus / knöpft ihm den Rockermel auf da er keine Manschetten sieht, geräth er in Zorn.
SCHUHHEIM.
129 Der Satz bis hierher ist von B über A's »Ich bin lieber ein Gegenstand des Mitleidens als des Neids« geschrieben; A's Satz ist ausgestrichen. 130 Von B, anstatt »unverdienten«. 131 Hs uberraschen.
64
III! Aufzug
O du Halunke 132 , ich glaube er hat sich gar in einen Salz 133 Sack gestekt. Wo ist der feine Batist hingekommen, den ich dir schickte ? Er war zu fein, um ihn an ein Hemd zu sezen, ich habe ihn der Frau unsers Amtsmanns zum Kinderzeug geschenkt.
HEINRICH.
Ja, Gustchen, das ist eine hübsche Frau, die Frau Oberamtmännin. Er ist ein Kenner das kann ich Ihnen sagen. / Leise zu Heinrich / Du sollst dich schämen, so ein Schmuzhammel zu seyn.
SCHUHHEIM.
die sich zfischen ihm und Heinrich gedreht hatte. Es ist nicht wahr, er ist ein recht saubrer ordentlicher Junge, nicht wahr Heinrich ?
FANNY,
Belieben Sie still zu schweigen, Mamsell Naseweis. / Zu Augusten / Wir wollen Ihren Verlust von ihm geheim halten, er ist so stolz, — sehn Sie einmal wie er seinen Kopf trägt. / zu Heinrich / Mach Heinrich, daß du sie erwischest, mit ihrem Geld kannst du rechte Wohlthaten ausüben, so wie sie da steht, ist Sie zweimal 134 hundert tausend Gulden werth.
| SCHUHHEIM.
Mein, wie können Sie so lügen! Sie ist ja nur meine G o u v e r n a n t e , und so arm wie eine Maus — hat mir eben erst ein paar Gulden abgeborgt.
FANNY.
Marsch nach Haus, du kleiner Teufel, / zu Augusten / Sie wissen, was Sie für ein Vermögen besizen.
SCHUHHEIM.
Mein Herr, ich will mich weder dem Mitleiden noch dem Spott Preis geben.
AUGUSTA.
SCHUHHEIM. | FANNY.
Heinrich, ich sage dir, sie ist sehr reich.
Glaubs nicht Heinrich.
Wenn du nicht still bist, du geschäftiges Puppchen, so werden wir anders reden. / zu Augusten / Mein Heinrich hat eine liberale Denckungsart, ein bis zur Verschwendung freigebiges Gemüth.
SCHUHHEIM.
132 y o n g . e r s e t2t ein darunterstehendes und halb ausgekratztes »Schlampamp«. 133 »Salz« von B über der Zeile eingefügt. — Ein vor »Sack« stehendes ausgestrichenes »Köhler« (A) deckt ein ursprüngliches, nur mit Mühe zu entzifferndes »Caffee« (A). 134 Von B eingefügt.
II Szene Mamsell, mein Vater scherzt nur.
HEINRICH. FANNY.
65
Ja ja, er will Jedermann zum besten haben
Das ist zum toll werden. Hüpf nach Hause, du kleine Heuschrecke.
SCHUHHEIM.
Zweifeln Sie nicht daran, Mamsell, daß ich Sparsamkeit für eine der ersten Tugenden halte.
HEINRICH.
Der Teufel hol euch alle zwei. Du Heinrich mit deiner Sparsamkeit und deinen Eselshufen trabe auf meine neue Colonie135. Und Sie schnatterndes Gänschen, flieg Sie ins Kindszimmer heim, sonst spreche ich | mit dem Papa, daß er ihr 138 die Ruthe giebt.
SCHUHHEIM.
Mamsell, ich bin ihr gehorsamer Diener, geht ab.
HEINRICH.
Wie, mir die Ruthe ? wenn Sie mir das noch einmal sagen, so kraze ich ihnen die Augen aus. Ich gehe, weil mirs gefällig ist. Ihre Dienerin Herr von Schuhheim / Macht eine spöttische Verbeugung und geht ab. /
FANNY.
Hättest du dein Knikschen nur eine Viertelstunde eher gemacht, du Meerkazel
SCHUHHEIM.
sieht hinaus. Der leichtsinnige M o r n i n g s t a r . laut. Sagen Sie mir einmal Herr Vormund, ist Cäciliens137 Sohn der Erbe meines Onkels?
AUGUSTA
sieht auch hinaus. Cäciliens138 Sohn? Ach der lustige M o r n i n g s t a r — ja der ists
SCHUHHEIM
Warum reißt man ihn aber nicht aus seiner verdrießlichen Lage? Sie kann nicht anders als mit seinem Verderben enden.
AUGUSTA.
für sich. Hahal Die ist in ihn verliebt 139 . — richtig, er hat mit ihr getanzt, und jezt ihre Erkundigungen — laut. Interessiren Sie sich so sehr für ihn?
| SCHUHHEIM
AUGUSTA. 135 138 137 138 138 140 141
Nur wegen meiner Cousine 1 4 0 Cäcilie141
Aus »auf meiner neuen Colonie« geändert. Von B eingefügt. Aus »Ciciliens« geändert. Hs Ciciliens. Von B aus »gebrennt« geändert. Von B aus »Nichte« geändert. Aus »Cicilie« verbessert.
5 KOMEDIA XV
66
IUI Aufzug
Sie haben auch recht, an nichts weiters zu denken. Sein Herz ist schon verschenkt, er hat mirs heute bei einem Glas Wein erzählt.
SCHUHHEIM.
AUGUSTA
Herz.
in Bewegung.
O ich mache gar keinen Anspruch auf sein
für sich. Sie kann es nicht bergen, laut Kommen Sie Augusta, aufrichtig gesprochen, ich will sie nicht eher verlassen, als bis ich sie mit meinem Heinrich gepaart sehe. Nimmt sie unter den Arm und geht ab Morningstar
SCHUHHEIM
geht an ihm vorbei. ab mit Augusta
SCHUHHEIM
Diener Freund M o r n i n g s t a r !
Verwünschter Graukopf, führt mir da mein Liebchen gerade vor der Nase weg. Seine Bürgschaft befreit mich zwar vom Gefängniß, aber das Paradies soll er mir darum nicht rauben. Yuri
| MORNINGSTAR.
MORNINGSTAR.
und —
YURI.
Wie? soll ich also in mein Gefängniß zurükegehn?
MORNINGSTAR. YURI.
Geschwinde Yuri lauf meiner Augusta nach,
Warum in dein Gefängniß?
Weil Mamsell Augusta dort ist.
MORNINGSTAR.
Augusta? bist du toll?
Ich habe ja lange mit ihr gesprochen, Sie ist auch eingesperrt. Ich winkte Ihnen oft genug zu, Sie merkten aber nicht darauf.
YURI.
D U weißt nicht was du sagst, hier unten geht sie mit dem Herrn v. Schuhheim spazieren. | Wart einmal / er schreibt mit Bleiweis einige Worte auf ein Papier /
MORNINGSTAR.
Da komme mir einmal einer draus, vor ein paar Minuten eingesperrt, und jezt lauft sie wieder herum. Das mag mir auch eine rechte seyn.
YURI.
Da, Yuri, bring ihr dies Briefchen, — ich muß sie haben, sie ist ein herrliches Mädchen. Lauf geschwinde, und geb 142 ihrs!
MORNINGSTAR.
142
Vorher »gebs«.
II Szene YURI.
67
Was soll ich ihr geben?
Jezt frag nicht lang —• eile dich, daß du sie noch antrifst, und stecke ihr dies Briefchen zu.
MORNINGSTAR.
Das ist meine Sache nicht, Frauenzimmern Briefchen zu zu stecken. Wollen Sie mich zum Kuppler brauchen? — daraus wird nichts.
YURI.
MORNINGSTAR YURI.
zornig.
So marschiere zurück in dein Gefängniß
Das werd ich wohl bleiben lassen.
Wie, du willst mir allen Gehorsam auf künden? — Gut, ich will dich deiner Pflicht entlassen, du kannst dich nun um einen andern Dienst umsehn.
| MORNINGSTAR.
mit unterdrücktem Schmerz- Nun meinetwegen. Ich habe Ihnen so lang 113 treu und redlich gedient. Was ich Ihnen mit gutem Gewissen thun144 konnte hab ich gethan, aber Mädchen zu verkuppeln, das leidet mein Gewissen nicht. Leben Sie wohl mein Herr I Gebt ab
YURI
Verdammt! jezt hab ich ihn verlohren. Ich hatte keine Idee von Seiner amerikanischen Ehrlichkeit. — Dieser Wilde hat mehr Gefühl von Recht und Unrecht, als ich — aber er hatte auch einen Vater I —
MORNINGSTAR.
Johann kömmt hervor und betrachtet Morningstar MORNINGSTAR.
betrachten ?
von oben bis unten
Warum mag mich dieser Bursch so | aufmerksam
Aller Beschreibung nach, muß ers seyn — schwarze Augen, schwarzen Backenbart, ja er ists, nun wohlan I
JOHANN.
Geht ab D U bist kein Bedienter, guter Freund, wenn du gleich Livree trägst. Du bist ein Gerichtsdiener, ich kenne schon die Pfiffe145 der Polizei, daß ich dir ja nicht zu nahe komme!
MORNINGSTAR.
/ Geht schnell auf die entgegengesezteM 143 144 145 146
5»
Seite ab /
Ein darauf folgendes »und« ist ausgestrichen. »thun« (B) neben ein gestrichenes »verschaffen« (A) geschrieben. Aus »Pfeife« geändert. Vorher »entgegengesezten«.
68
III! Aufzug III Szene
Eine Allee nicht weit vom Schlosse Rossignol kömmt mit Thomas %um Schloss heraus R O S S I G N O L . Verstehen Du? Du mußt borgen die L i v r é e von der alte Err, von der Vormund. Ich hab es wohl verstanden. Wenn ich die Livree habe, so soll ich sie anziehen und die | Mamsell Augusta zum Spazierenfahren einladen, und hernach auf die Insel führen. — Das ist eine verdammt heikliche Geschichte, wenns aufkommt, so geht's hernach an mir aus. —
THOMAS.
ROSSIGNOL.
Son E x c e l l e n c e besahlen dich gut dafür
Wenn nur noch einer bei mir wäre, dann hätt* ich gleich mehr C o u r a g e .
THOMAS.
Geh nur, und mak Anstalt / Thomas ab / II a R a i s o n , il n o u s f a u t e n c o r e un h o m m e f i e r , d e s e s p e r é .
ROSSIGNOL.
Yuri kömmt niedergeschlagen die Allee herauf Da werd ich wahrscheinlich die Nacht zu bringen, denn Geld hab ich nicht, um ein Nachtlager zu bezahlen
YURI.
V o i l a mon h o m m e . laut bist gelassen aus der P r i s o n .
ROSSIGNOL.
A h , C o q u i n — du
Da bin ich wieder, meinetwegen kann er | mich einsperren. Das Leben ist mir ohnedem verhaßt, seitdem ich meinen Herrn verlohren habe.
YURI.
Ik glaub, du ast nit viel Geld, und seh dich an für ein o n n é t e n Spizbub.
ROSSIGNOL.
YURI.
Beweis er mirs, wenn er kann.
ROSSIGNOL.
V o i l a das Beweis, zeigt ihm Geld.
So, weil er Geld hat, hält er sich für berechtigt mich einen Spizbuben zu nennen.
YURI.
ROSSIGNOL.
T e n é s , jezund bist du, der mich kann nennen so — giebt ihm Geld
Ich dank ihm Freund, er ist ehrlicher, als ich geglaubt habe. Jezt will ich meinen Herrn suchen, so viel Geld hat er lange nicht gesehen. Will gehn
YURI.
69
III Szene
A t t e n d è s , du must thun ein S e r v i c e für mich. Geh dorthin zu Thomas, er dich wird informiren, was du ast zu thun. Und wenn | die Sach r e u s s i r t , du sollst aben noch mehr?
ROSSIGNOL.
Nun hab ich Gold, und ein gutes Gewissen. Zwei Herren, die selten Brüderschaft miteinander machen. Gebt ab
YURI.
Graf
Morgenstern
Was hat das Mohrengesicht immer hier zu thun ? — Ist denn sein Herr noch hier?
GRAF.
ROSSIGNOL. GRAF.
Sein Err, er at mir nit kesagt, wer sein Err ist.
Ey der lüderliche M o r n i n g s t a r . Ist er noch nicht fortl
für sieb. Que d i r a i je ? / laut / O u i , v o t r e Exc e l l e n c e , il est p a r t i , er hat zurukgelassen sein D o m e s t i q u e .
ROSSIGNOL
Ich will nicht hoffen, daß du dem147 etwas von meinem Plan entdeckt hast ?
GRAF.
O q u e n o n , M o n s i e u r , für sich. B ê t e , q u e je s u i s , de m ' a d d r e s s e r à ce m a u d i t n e g r e l
| ROSSIGNOL.
R o s s i g n o l , ich habe148 dem Ding weiter nachgedacht. Die Livree des Vormunds allein wird nicht hinreichend seyn, wie wär's, wenn wir seine C h a i s e auch bekommen könnten? — Geh zu ihm hin mach ihm meine Empfehlung, und sag' er würde mich sehr verbinden, wenn er mir seine C h a i s e auf heute Abend leihen wollte. Sobald wir sie einmal im Wagen haben, so ist leicht ein Vorwand gefunden sie bis an die Insel zu bringen. Ich geh' jezt voraus dahin. Mach deine Sache gut! Geht ab
GRAF.
Peste I — il f a u t a b s o l u t e m e n t , q u e j ' e x é c u t e la c h o s e m o i même, ab.119
ROSSIGNOL.
Yuri, und Thomas in Schuhheims
Livrée
Jezt weiß ich alles was ich zu wissen brauche du hast die Livree von dem Bedienten von Herrn von Schuhheim zu leihen genommen, und willst zu | Mamsell Augusta gehn, und sie in seinem Namen einladen — und weil du nicht Herz genug im Leibe hast, so soll ich dir dazu helfen. Für sich Warte ich will dir helfen !
YURI.
147 148 149
»dem« betonungshalber unterstrichen. »ich habe« zweimal geschrieben, einmal ausgestrichen. Von » R O S S I G N O L « bis hierher ist alles nachträglich eingeschoben.
70
IUI Aufzug
THOMAS.
Da kömmt ein Frauenzimmer, ists die vielleicht?
Ja, sie ists, ich bin mit ihr eingesperrt gewesen, und kenne sie recht gut.
YURI.
Nun so wollen wir hier ein wenig warten. — / Sie trieben sich zurücke / Die Gräfinn, Johann.
THOMAS.
Ich bin in der quälendsten Unruhe, könnt ich doch nur das Frauenzimmer finden, das sie ins Garn ziehen wollen, um sie zu warnen, und einen sprechenden Beweis gegen ihn zu haben. Wenn ich ihn nicht überweisen kann, so wird er sich gewiß herauswinden. Aber was werde ich dabei gewinnen? Vorwürfe zerreissen gemeiniglich das Band der Freundschaft. — Doch jezt | muß ich vor allem auf den armen Jungen denken.
GRÄFINN.
Armen Jungen, gewiß meint sie mich, weil sie mich eingesperrt gefunden hat.
YURI.
Johann, bringe ihm das, aber ohne ihm zu sagen, woher es kömmt. Giebt ihm ein Papier
GRÄFINN.
Johann geht ab. YURI.
Tritt hervor.
Hier bin ich selbst Mamsell.
Ah, sein Bedienterl Y U R I . Ihre Güte gegen mich hat mich in meinem Entschluß bestärkt, Sie zu erretten.
GRÄFINN.
Jür sich. Vielleicht kann ich jezt etwas näheres von dem jungen Frauenzimmer erfahren.
GRÄFIN
Zu Thomas. Geh jezt, und halte die Pferde bereit, ich will den Auftrag an sie selbst bestellen.
YURI.
Du hast ja die rechte L i v r é e nicht. Mit dir geht sie gewiß nicht.
THOMAS.
Nun Mamsell Augusta, ich gratuliere Ihnen zur Befreiung aus Ihrem Gefängniß.
YURI.
| GRÄFINN
für sich. Er hält mich noch immer für dieses Mädchen.
Mamsell, Ihr Herr Vormund, der Herr v. Schuhheim läßt Sie einladen, zu ihm auf seine neue Kolonie zu kommen seine Pferde sind schon bereit.
THOMAS.
III Szene
71
Ich will ihr ein paar Worte ins Ohr flüstern, dann wird sie gleich zusagen. Leise zur Cräfinn Mamsell, um Gotteswillen, gehn Sie nicht, das ist ein Spizbube, der Sie gern wieder in die Mausfalle brächte.
YURI.
Thomas. Ihr irrt euch ich bin nicht das Frauenzimmer, das ihr sucht.
GRÄFINN.
Recht so, geben Sie sich nicht zu erkennen. Thomas Ich habe mich betrogen, Thomas, das ist Mamsell Augusta nicht.
YURI.
THOMAS.
Wie, willst du mir was aufbinden?
Geh nur deiner Wege. Zur Gräfinn. Er will Sie zum Grafen bringen, gehn Sie beileibe150 nicht.
YURI.
für sich. Ha, da fällt mir was ein, ich will mich für das Mädchen ausgeben, so rette ich das Geschöpf vom Verderben, und überrasche den Nichtswürdigen mitten unter seinen treulosen Machinationen. Laut. Ich habe mich zuvor nicht zu erkennen geben wollen — Ihr habt Pferde bereit, sagt ihr ? gut, ich will die Einladung meines Vormunds annehmen.
| GRÄFINN.
YURI.
staunt und p f e i f t vor Aerger
THOMAS. GRÄFINN.
Also sind Sie Mamsell 151 Augusta? Jaja, die bin ich, kommt.
Noch ein Wort Mamsell. Ihre152 wohlthätige Gesinnung gegen mich weiß ich zu schäzen. Weil Sie sich aber dem alten Wohllüstling selbst in die Hände spielen wollen, so veracht ich Sie und Ihren Beistand.
YURI.
für sich. Was für einen schändlichen Begriff von mir hab ich diesem rechtschaffenen Manne beigebracht! Laut. Mein Freund, es wird noch ein Zeitpunkt kommen, wo ich meinen Charakter rechtfertigen werde.
GRÄFINN
Geht mit Thomas ab Nicht eine taube Nuß geb' ich für deinen Charakter, du lockre Dirne 153 ! — An der hab ich mich betrogen, was wird erst mein Herr dazu sagen? — Ha, da kommt er.
| YURI.
150 151 152 153
Hs beleihe. Hs Mamsel. Hs Ihr. Statt »lockre Dirne« (B) hatte A »Schandbalg«.
IUI Aufzug
72
Morningstar Richtig, es ist ein Gerichtsdiener, er laufft mir immer auf dem Fuß nach — Ha Yuri, stell dich vor mir hin. Ich hab einmal gehört, so lang der Gerichtsdiener einen nicht anrührt, so lang ist man noch nicht gefangen.
MORNINGSTAR.
sehn Sie denn einen Gerichtsdiener? Das ist der Bediente von der Mamsell Augusta, der mir Geld von seiner Herrschaft bringt. Johann
YURI. W O
JOHANN
keuchend.
MORNINGSTAR.
Ich laufe Ihnen schon lange nach, mein Herr. Kommt mir nicht zu nahe, sonst —
zieht Papiere hervor. wie baar Geld154.
JOHANN,
Hier, es ist eine Note, die so gut ist
Ich kenne die Noten in und auswendig — Aber wenn ich nur eine einzige bezahle, so will ich mich hängen lassen155. Wißt ihr was 156 ? Guter Freund, bringt die Zettel meinem Vater.
¡MORNINGSTAR.
Ich hab' den strengsten Auftrag, die Note niemanden als Ihnen selbst zu geben.
JOHANN.
Bietet sie ihm an. MORNINGSTAR.
hinter Yuri
Er möchte mich gern anrühren.
Versteckt sich
Warum tanzen Sie denn um mich herum, wie eine Fledermaus.
YURI.
Ich möchte wissen, ob's eine Gefangennehmung ist, wenn ich ihn157 anrühre?
MORNINGSTAR.
154 Der von B angefügte Relativsatz ersetzt ein von A stammendes und jetzt durchgestrichenes »von vierhundert Dukaten«. Danach folgte, nun gleichfalls ausgestrichen: »YURI. Und wenn's zehntausend sind, so will ich sie nicht. | MORNINGSTAR. Schweig Tölpel. Was hast du darein zu schwäzen? JOHANN. E S ist eine gute Note, mein Herr, will sie ihm geben.« 155 Hiernach folgt, ausgestrichen: »YURI. Gnädiger Herr, mischen Sie sich nicht in Sachen, die Sie nichts angehen. MORNINGSTAR. Halts Maul sage ich.« 156 Die drei Wörter von B. 157 »ich ihn« unterstrichen.
III Szene
73
YURI. Ich kann Sie nicht länger im Irrthum lassen gnädiger Herr. Die Mamsell Augusta, die 158 | leichtfertige Hexe — 1 5 9 MORNINGSTAR. Wie, Schurke, so beschimpfst du meine göttliche Augusta? / will ihm eine Ohrfeige geben /160 Johann nähert sich wieder161 MORNINGSTAR 162 . YURI.
Der verfluchte Gerichtsdienerl — Lauft Johann hinter ihm drein /
hinter beiden her laufend.
fort.
So hören Sie doch 163 .
Aus »der« geändert. Die zwei letzten, von B angefügten Wörter ersetzen ein von A stammendes »Schandbalg«. 180 »will« und »geben« (B) ersetzt A's »giebt«. 161 Von B eingefügt. 162 Von B. 163 Die ganze Zeile, ab »hinter«, ist von B und ersetzt den folgenden, ausgestrichenen Abschnitt (A): »halt sieh den Backen. Was bin ich doch für ein Narr mit meiner Aufrichtigkeit. Und wenn ich mir den Kopf abschlagen Hesse, so könnte ich doch nicht verhindern, daß die Mannsen dem Weibsvolck nachlaufen. Geht ab.«. 158
159
V. AUFZUG Schuhheims neue Kolonie. Im Hintergrund ein See, worauf man eine Insel sieht. Heinrich, Zacharias Hast du dich aber nicht geirrt?
HEINRICH.
Nein, Herr Heinrich gewiß nicht. Es war der Graf; und wenn er sich noch so sehr verstekt hätte, so hätte ich ihn doch gekannt.
ZACHARIAS.
Und du glaubst, auf Fanny sollen seine Anschläge gerichtet seyn ?
| HEINRICH.
Daß er was im Schild führt, ist gewiß, sonst hätte er sich nicht so weggewendet, daß wir ihn nicht kennen sollen; und daß er der Mamsell Fanny schon lang nachlauft, das weiß ja die ganze Stadt.
ZACHARIAS.
Gut! passe ihm ein wenig auf, und melde mirs, sobald du nur das geringste Verdächtige bemerkst.
HEINRICH.
Sehr wohl, gnädiger Herr.
ZACHARIAS.
Schon wieder ?
HEINRICH.
Nun dann, Herr Heinrich 164 .
ZACHARIAS.
Geht ab.
Von der andern Seite kömmt Herr v. Schuhheim HEINRICH
geht auf ihn zu. Willkommen lieber Vater.
Geh' mir aus dem Auge, ausgearteter Sohn! Ich muß mich ärgern, so oft ich dich sehe. Du hast gar keinen Blutstropfen von mir. Zacharias. — Zacharias, wo ist der Bursche ? | ich möchte gern das Spielhaus sehen.
SCHUHHEIM.
HEINRICH. SCHUHHEIM. 164
Das Spielhaus, lieber Vater? Ja, wenn ich nicht irre, so höre ich würfeln.
»Herr Heinrich« betonungshalber unterstrichen.
I Szene HEINRICH. SCHUHHEIM.
ES
75
sind die Weber, die arbeiten.
Weberl
Ja, lieber Vater, ich dachte es sei weit beßer zwei arbeitsamen Familien Brod zu schaffen, als eine Menge Müßiggänger in ihrem Nichtsthun 165 zu unterstüzen und zum Betrug auf zu muntern.
HEINRICH.
Wie? Du hast dich unterstanden, mein Spielhaus in einen Weberstuhl zu verwandeln?
SCHUHHEIM.
Sie haben in der kurzen Zeit schon sehr viel gearbeitet. Hier ist das erste Band, das sie gewoben haben. Binden Sie es des M o t t o ' s wegen an Ihren Hut!
HEINRICH.
liest. »Zur Unterstüzung des Handels, und zum Wohl des Vaterlands.« — Alles ganz gut, aber warum muß eben mein Spielhaus dazu dienen? — Was ist das für ein Rauch da unten?
SCHUHHEIM
| HEINRICH.
Das ist eine Schmidte, die ich bauen ließ.
SCHUHHEIM.
Eine Schmidte, hier auf dem Badplaz?
Ja lieber Vater. Die Bauern brauchen ja ihre Werkzeuge zum ackern.
HEINRICH.
SCHUHHEIM.
gesezt ? HEINRICH.
Bauern hast du also auch in meine neue Häuser Gewiß, lieber Vater.
O du niederträchtiger Bursche, ich werde dich noch enterben, wenn du so ein R o t ü r i e r bleiben willst. Meine ganze Spekulation ist zertrümmert, was werden die Leute sagen, die meine pompöse Ankündigung von Bädern, Spielhäusern, Lesebibliotheken, Concerten, und Bällen gelesen haben, wenn sie nun hieher kommen, und nichts finden als Strumpfstricker, Schmidte, und Bauern? Heute noch jage ich alle zum Teufel.
SCHUHHEIM.
Ich bitte Sie, lieber Vater, die armen Leute nicht zu beunruhigen. Sie waren zuvor | auf jener Insel dort, die dem Grafen gehört, und starben fast vor Hunger wegen den vielen Abgaben, und Mangel an Erwerb. — Bedenken Sie, daß Industrie unterstüzt und belohnt werden mußl
HEINRICH.
105
Aus »Nichtthun« verbessert.
76
V Aufzug
Meiner Treu, du taugst zu nichts als zu einem Bauern, oder Weber.
SCHUHHEIM.
Ich kenne keine schäzbarem Stände als diese zwei. Der eine giebt uns Brod, der andre Kleidung.
HEINRICH.
Mit dieser Denkungsart wirst du deinem eignen Bedienten zum Spott werden.
SCHUHHEIM.
Zacharias ZACHARIAS.
Herr Heinrich, Herr Heinrich.
SCHUHHEIM.
Schlingel kannst du ihm nicht den Titel geben, der ihm
gebührt ?
Er will es ja durchaus nicht leiden. Hier junger Herr, ist ihr Geldbeutel, ich hab' ihn auf dem Wege da oben gefunden.
ZACHARIAS.
| HEINRICH.
Ich danke dir, guter Zacharias.
SCHUHHEIM.
Heinrichs Geldbeutel? Wie viel war wohl darinn?
Mehr, als ich sagen kann, — ich kannte aber gleich, daß es des jungen Herrn sein Beutel war, und da macht' ich ihn gar nicht auf.
ZACHARIAS.
SCHUHHEIM.
So, wenn's aber meine Börse gewesen wäre?
Wenn ich rein von der Leber weg sprechen soll, gnädiger Herr: ich glaube, wenns Ihr Beutel gewesen wäre, Sie hätten ihn nicht mehr gesehn. Gold ist ein verführerisch Ding, und von Ihnen bekömmt man nie eines heraus, aber der junge Herr ist so wohlthätig, ich hätte ja fürchten müssen, die Armen zu bestehlen, wenn ich ihm was genommen hätte, denn was er hat gehört den Armen. Überdas dacht' ich bei mir, der muß ein schlechter Mann seyn, der das selber nimmt 166 , was ihm ein edles Herz so gerne schenkt 167 .
ZACHARIAS.
Zacharias, du hast mir meinen Beutel nicht | gut verwahrt, sieh, was für Löcher du hinein gerissen hast. Ich will wetten, der deinige sieht zehnmal beßer aus.
HEINRICH.
Ja, ich habe so ein schlechtes ledernes Beutelchen, wo nicht viel hinein geht. Zieht es heraus
ZACHARIAS.
166 167
Betonungshalber unterstrichen. Betonungshalber unterstrichen.
I Szene
77
nimmt es ihm. Ganz und unverlezt, ist das nicht unverschämt, mir meine Sachen so zu verderben? Dal nimm meinen zerrissenen Beutel, ich will den deinigen behalten. Wirft ihm seine Börse
HEINRICH
ZACHARIAS.
Aber das Gold das darinne ist —
Behalt es nur, du bist ein ehrlicher Mann, und Ehrlichkeit muß in Gold eingefaßt werden.
HEINRICH.
I Treibt Zacharias fort, sagungen macht I
der in der Betäubung tausend stumme
Dank-
Heinrich du bist ein großmüthiger Bursche, diese Handlung söhnt mich wieder ganz mit dir aus. Das war nobel sehr nobel. Aber nimm dich in Acht, daß du's nicht zu oft so machst, | sonst möchte unser Reichthum Flügel bekommen.
SCHUHHEIM.
Der Segen der Armen ist die sicherste Schuzwehr des Reichthums. — Aber ist das nicht des Grafen Kammerdiener?
HEINRICH.
Zacharias Gnädiger Herr, der Herr Graf von Morgenstern läßt sich Euer Gnaden empfehlen, und Sie höflichst ersuchen, ihm Ihre C h a i s e zu leihen, weil an der seinigen etwas zerbrochen ist, und er eine Visite zu machen hat.
ZACHARIAS.
Erwünschte Gelegenheit, mir den Grafen verbindlich zu machen I Ich lasse mich Seiner Exzellenz unterthänigst gehorsamst empfehlen, und alles was ich besize, steht Seiner Exzellenz zu Diensten. Zacharias will abgehn.
SCHUHHEIM.
H E I N R I C H für
Wort.
sich. Da hinter steckt eine Schurkerey — Zacharias ein
Da kömmt Augusta, und mein verzweifelter Heinrich giebt wieder nicht Acht. Heinrich, Heinrich. — [ auf die Art wird er sie nie bekommen. Augusta
SCHUHHEIM.
Nun Mamsell, sind Sie noch müde von unserm Spaziergang hier heraus? — Heinrich, — der Wetterjunge! — Heinrich, mach der Mamsell dein Complimentl
SCHUHHEIM.
78
V Aufzug
HEINRICH.
Zacharias!
Ja liebet Vater, Mamsell, es freuet mich unendlich •— Geht im Gespräch mit Zacharias ab
Nun du Blizjunge, du wirst doch nicht fortlaufen? Heinrich, Heinrich, lauft ihm nach.
SCHUHHEIM.
Dieser Heinrich ist eine unansehnliche Schale, die den kostbarsten Kern enthält, aber für mich ist er nicht. Muntres, genialisches Betragen dient eher dazu, mein zur Schwermuth geneigtes Gemüth aufzuheitern. — Aber bin ich noch in der Lage, selbst wählen zu dürfen? Fanny
AUGUSTA.
Liebe G o u v e r n a n t e , ich habe Ihnen einen Besuch abstatten wollen, ich bin nur heraus | gekommen, weil Sie hier sind. Haben Sie Heinrich nicht gesehn?
FANNY.
Sie wollten also nur mich besuchen? und: »haben Sie Heinrich nicht gesehn« Fanny, Fanny I
AUGUSTA.
Ich habe beim Papa gemacht, daß er mich selbst hinausgeführt hat, aber es hat mir eine grosmüthige Lüge gekostet: ich sagte ihm, der Herr von Schuhheim hätte etwas von der äußersten Wichtigkeit 168 mit ihm zu sprechen169.
FANNY.
Morningstar Jezt erwischt er mich so leicht nicht. — Ha meine liebenwürdige Augusta. Wie kommen Sie an dieses Wasser ? Hat der alte Neptun eine seiner Nymphen aus seinem Pallast gesendet, um die Sterblichen in den See zu locken, die durch diese göttliche Wasser Schönheit ganz betäubt werden?
MORNINGSTAR.
AUGUSTA.
Ey, wie hochtrabend galant I
Nun I jezt werd ich wohl auch eine Galanterie bekommen. Wie befinden Sie sich mein Herr? verneigt sich
FANNY.
Guten Abend, mein kleines Spizmäuschen! wie wär's, wenn Sie dort am Ufer ein paar Muscheln suchten?
| MORNINGSTAR.
Die drei letzten Wörter betonungshalber unterstrichen. Hier folgen, in sehr kleiner Schrift, drei nicht von A stammende, durchstrichene und von den Herausgebern nicht zu entziffernde Wörtchen, die jedoch anscheinend nichts mit dem gesprochenen Text zu tun hatten. 168 169
I Szene
79
Heinrich hätte mich noch zu was schönerm als zur Wassernymphe gemacht. Spitzmäuschen, ei seht doch. Sie geht ans Ufer, und stiehlt sich dann weg
FANNY.
Schöne Augusta. Sie sehen einen Unglüklichen vor sich — für sich. Soll ich wagen, ihr meine Liebe zu erklären ? — nein. Laut. Leben Sie wohl!
MORNINGSTAR.
Wollen Sie gehn?
AUGUSTA.
Ich muß. Ueberall verfolgt, von meinem Vater verläugnet, was bleibt mir übrig ? Hier ist meines Bleibens nicht. Ich will in den Krieg gehn, vielleicht entreißt mich bald eine wohlthätige Kugel meinem traurigen Los.
MORNINGSTAR.
Ihre Lage, ist nicht so traurig, als Sie glauben. Ihre Mutter —
AUGUSTA.
Wie, Augusta, kannten Sie meine Mutter, Sie ist jezt wie ich hoffe, ein Engel, und Sie | sind mein Himmel. Kniet vor sie hin fohann mit der Banknote in der Hand
MORNINGSTAR.
JOHANN.
Endlich hab' ich Sie.
springt auf. Der Teufel soll mich holen, wenn du mich hast. Lauft fort.
MORNINGSTAR
Der Teufel soll mich holen, wenn ich dich nicht doch noch kriege. Lauft ihm nach
JOHANN.
Unglücklicher Jüngling! Seine Gläubiger verfolgen ihn bis zur Verzweiflung —• aber warum bin ich so besorgt für ihn? Diese Bekümmerniß ziemt nur der Gebieterin seines Herzens. — Soll ich aber darum alle Gefühle der Menschlichkeit verläugnen ?
AUGUSTA.
Fanny O Mamsell Augusta, ich habe den Kutscher von Herrn von Schuhheim gebeten, uns ein wenig spazieren zu fahren. Da können wir die schöne Gegend recht sehen.
FANNY.
Ich bins zufrieden, für sich. So kann ich doch sehen 170 , was er für einen Weg genommen hat.
| AUGUSTA.
170
Von B geändert aus »Von der Chaise aus kann ich beßer sehen.«
80
V Aufzug
für sich. Sie braucht nicht zu wissen, daß mich der Franzos zum Fahren eingeladen hat.
FANNY,
AUGUSTA.
Weiß der Herr von Schuhheim etwas davon?
Das ist wahr, das hätt ich bald vergessen. Ich will schon eine Ausflucht finden. Sezen Sie sich nur in die C h a i s e , ich komme gleich nach. Beide ab
FANNY.
II S z e n e Zimmer in Scbuhheims Wohnhaus Kipper K I P P E R Ich habe mich so geeilt, daß mir der Schweis auf der Stirn steht. Was mag wohl so pressantes ausgekommen seynl Fanny Haben Sie den Hut von meiner G o u v e r n a n t e nicht gesehn Papa?
FANNY
| KIPPER.
Nein, wo ist sie denn? Du bist ja erschreklich eilig.
Ich suche nur ihren Hut, sie ist unten vor dem Haus, für sich. Ha, da kömmt der Herr von Schuhheim. laut. Siehe Sie einmal Papa, was das für eine herrliche Aussicht ist, ich glaube man sieht über 20 Stunden weit.
FANNY.
Das wohl nicht, aber wirklich ist die Aussicht nicht übel. Geht ans Fenster
KIPPER.
Wenn ich die zwei Alten nicht beisammen halten kann, so laufen sie uns nach und verderben den ganzen Spaß.
FANNY.
Herr von Schuhheim SCHUHHEIM.
Nun wo ist der Papa?
Hier ist er, Herr von Schuhheim, aber sein Kopf ist so voll von dem wichtigen Geschäft, weswegen er zu ihnen herauskam 171 ,
FANNY.
SCHUHHEIM172.
Wichtigen Geschäft.
171 Hiernach folgte, von A geschrieben und nun gestrichen »Sie müssen ihn nicht stören.« 172 Von »SCHUHHEIM« bis »herausgelaufen ist« von B am unteren Rand nachgetragen.
II Szene
81
Ja es muß sehr wichtig seyn, weil er in größter Eile herausgelaufen ist. für sich. Hahaha, jezt wird jeder so voller Erwartung auf die Neuigkeit seyn, die ihm der andere erzählen soll, und | das wird sie so fest zusammenhalten, als wenn sie eine Parthie Schach spielten! Hahaha, Lauft ab
FANNY.
SCHUHHEIM.
He, Kipper, wie gehts?
sich umwendend. Ach, Herr von Schuhheim. Nun, ich bin im Galopp herausgelaufen.
KIPPER
Das sehe ich. Freilich wegen eines so wichtigen Geschäfts giebt man sich wohl Mühe 173 .
SCHUHHEIM.
indem er sieb se%t. Allerdings 174 ; ich hab alles im Stich gelassen, und bin so geschwinde gelaufen, daß mir die Tropfen herunter liefen.
KIPPER
SCHUHHEIM. KIPPER.
Also! ?
Wohlan I
Aber so plözlich, ich bin erschrocken, da mir meine Leute sagten, Ihr wolltet den Augenblick mit mir sprechen. Betrifft es mich denn so sehr?
SCHUHHEIM.
KIPPER.
Das müssen Sie am besten wissen.
SCHUHHEIM. [ KIPPER.
Hat es Sie etwa schon wieder gereut?
SCHUHHEIM. KIPPER.
Wie zum Teufel soll denn ichs wissen?
Was soll mich gereut haben? Nun heraus damit!
Ich warte schon lang darauf.
für sieb. Ich glaube der alte Bursch fürchtet belauscht zu werden, laut. Kommt, ich will die Thür verschliessen
SCHUHHEIM
O ! Wenn es ein so grosses Geheimnis ist, so will ich diese Thüre auch zu machen.
KIPPER.
Beide stehn auf, und gehn yji entgegengesehen
Thüren
173 Diese zwei Sätze (B) ersetzen »Das Geschäft muß sehr dringend seyn« (A). — Vor »wichtigen« steht ein ausgestrichenes »dringe«. 174 Anstatt »Allerdings« (B) hatte A: »Ja wohl muß es dringend seyn, denn«.
6 KOMEDIA x v
82
V Aufzug
SCHUHHEIM. KIPPER
Jezt kann uns kein Mensch Stohren. Sezt sich
se%t sich auch
SCHUHHEIM.
nieder.
Nun?
Nun ? Sie stecken beide die Köpfe zusammen und horchen
Was zum Teufel gaffen Sie mich so an ? Warum wollen Sie nicht heraus mit der Sprache?
KIPPER.
Warum macht ihr euern Hals so lang [ wie eine Gans ? Was soll das lange Zaudern bedeuten?
SCHUHHEIM.
Sie haben mich holen lassen, um mit mir von Ihren Geschäften zu sprechen. Also heraus damit auf daß ich zu den meinigen kommen kann 175 .
KIPPER.
Ich euch holen lassen? Ihr seyd ja besonders zu mir heraus gelaufen, um mir etwas Nothwendiges Zu sagen. — Also macht's kurz, ich habe nicht Zeit, euch einen Narren abzugeben. sieht auf
SCHUHHEIM.
steht auch auf. Herr, Ihre Grobheit in Ihrem eigenen Hause ist noch ärgerlicher als der unzeitige Spaß, daß Sie mich umsonst und um nichts da heraussprengen.
KIPPER
Grobheit in meinem eignen Hause? Ihr Bürger Pack 1 7 6 ! Das ist eben euer Glück, daß Ihr in meinem Hause seyd, sonst wollte ich euch schon längst zum Fenster heraus geworfen haben.
SCHUHHEIM.
Was, mich ? zum Fenster hinaus ? Das ist wahrhaftig zum Lachen.
KIPPER.
Lacht nur, ihr Pöbelhafter Mensch. — ich bin nicht schuldig Eure Impertinenzen länger zu dulden. Zacharias 1 laßt die C h a i s e vorfahren.
| SCHUHHEIM.
Ich brauche Ihre C h a i s e nicht 177 . Ich kann selbst noch fort kommen. Nimmt seinen Hut und Stock.
KIPPER.
Fanny weinend. O Heinrich, Heinrich, meine G o u v e r n a n t e ist mit meinem Heinrich durchgegangen. Der falsche treulose Junge
FANNY,
Von B, anstatt »könne«. Von B, anstatt » C a n a i l l e « . 177 »brauche« von B über ein ausgestrichenes, unleserliches Wort gesetzt; »nicht« von B eingefügt. 175
176
III Szene
83
hat sich in einen Kutscher verkleidet, und hat meine G o u v e r n a n t e weggefahren, indess 1 ' 8 ich ihren Hut und Handschuhe holte. SCHUHHEIM. Klatscht in die Hände. B r a v o , B r a v o das hat er gut gemacht, das war n o b l e ! noch immer weinend. Und des Grafen sein Franzose der saß hinten drauf — O es war alles darauf abgesehn, mich zu betrügen.
FANNY
SCHUHHEIM. FANNY.
Was, der Franzose war auch dabei?
Ja, gewiß heirathen sie einander, weint
] SCHUHHEIM.
stärker.
Wie? Augusta und der Franzose?
Ach nein, Heinrich. Wenn ich nur wüßte wo, so gieng ich in die Kirche, und thäte Einspruch.
FANNY.
KIPPER. FANNY.
WO
sind sie hingefahren?
Auf dem Weg nach der Insel zu.
Da ist keine Zeit zu verliehren. Wir müssen sehen, was das giebt. Alle ab
SCHUHHEIM.
III S z e n e Die Insel Morningstar
trocknet seine Stiefeln ab
Der verdammte Gerichtsdienerl Mußt' ich da durchs Wasser waten bis an die Knie; Wenn ich nur auf der andern Seite ans Land kommen könnte, aber ich habe nicht einmal Geld genug, um einen Nachen 179 zu miethen. Johann mit der Banknote in der Hand
MORNINGSTAR.
Da hat ihn der Teufel schon wieder. — Bursche jezt bleibt mir nichts anders übrig | als meine Kräfte an dir zu versuchen. So geradezu laß ich mich nicht gefangen nehmen. Bist du stärker als ich, so muß ich mirs gefallen lassen. Bist du aber schwächer, so troll dich fort, sonst werf ich dich in den See.
MORNINGSTAR.
kommt keuchend hervor. Nun da haben Sie's. — wirft ihm die Banknote hin. so ist doch meine C o m m i s s i o n einmal ausgerichtet. Lauft fort
JOHANN
178 179 6*
Von B aus »indessen« geändert. Aus »eine Nacht« verbessert.
84
V Aufzug
hebt die Banknote auf. Eine Note von vierhundert Dukaten 180 ! Was bin ich doch für ein Narr gewesen, vor dem guten Burschen so zu laufen, und ihn durch dick und dünn zu treiben. — Vierhundert Dukaten, jezt will ich auch ein ganz andres Leben führen; wenn ich nur meinen Yuri hätte 1 — Diese Insel ist jezt mein Reich, da bin ich König, nun will ich mir auch eine Königin suchen. Geht ab
MORNINGSTAR
Rossignol
und ein Schiffer
Wenn dein C a m e r a d e at gebracht die | D a m e hierher, laß kein Menschen komm in die Insel. / Schiffer ab j Q u e l b o n h e u r de l ' a v o i r t r o u v é m o i m ê m e . — La v o i c i . — J e v e u x me r e t i r e r u n peu. Zieht sich %urücke.
ROSSIGNOL.
August a AuGUSTA. Hier ist's so einsam, so schauerlich. Ich fange an zu fürchten, daß ich einen unvorsichtigen Streich begangen habe. Ich will wieder zurücke fahren. Will fort Rossignol
A h ma c h e r e , Sie müssen warten auf s o n E x -
ROSSIGNOL.
cellence A U G U S T A.
schneidet ihr den Weg ab
Wie? ist der Graf hier? Himmel was hab' ich gethan?
Ik war ihr L a q u a i , mon a n g e ick 181 bin gesess hinten auf der C h a i s e ganz still.
ROSSIGNOL.
AUGUSTA
ängstlich.
Lassen Sie mich, ich muß fort.
P a r d o n n è s m o i , ich kann sie nit lass gehn, | bis s o n E x c e l l e n c e wird komm.
ROSSIGNOL.
Lassen Sie mich doch — Ach Gott — ich sterbe vor Angst. Zu HülfeI Ist Niemand da?
AUGUSTA.
Morningstar MORNINGSTAR.
Schurkel / reißt ihn weg /
D i a b l e / lauft fort. einen Fall ins Wasser /
ROSSIGNOL.
180 181
Morningstar
verfolgt ihn, man hört
Nach dem Ausrufezeichen steht ein Anführungszeichen. Aus »ich« geändert.
III Szene AUGUSTA.
85
Himmel, was ist das?
zurück. Ich hab' ihm nur ein wenig zu trinken gegeben, Er wird Ihnen nichts mehr thun, aber wie sind Sie daher gekommen ?
MORNINGSTAR
Ach ich bitte Sie um alles in der Welt, führen Sie mich nach Hause, ich bin so erschrocken.
AUGUSTA.
Zittern Sie nicht, wir werden gleich am Lande seyn. führt sie ab Graf Morgenstern
MORNINGSTAR.
Wenn R o s s i g n o l das Mädchen bringt | so weiß ich nicht, wo ich sie hinführen soll. Die Hütten sind beinahe vermodert, man hat alles verfallen lassen. — Verdammt, wer kömmt denn da ?
GRAF.
Herr von Schuhheim, Kipper, Heinrich in Kutschers Zacharias
Livree,
Warum hast du denn diese List gebraucht? Augusta war dir ja ohne das bestimmt
SCHUHHEIM.
Um das Geheimniß zu enträthseln, niederträchtige Absichten von andern waren es die mich zu einer Verkleidung bewogen. Herr GrafI Mein Name ist Heinrich Schuster. Ich bin kein fahrender Ritter von Profession, aber ich schwöre Ihnen, daß ich von nun an die weibliche Unschuld gegen Ihre schändlichen Nachstellungen vertheidigen will. Geht ab
HEINRICH.
B r a v o , Heinrich, das war noble, sehr noble. — Herr Graf, wir sprechen uns noch. Geht ab.
| SCHUHHEIM.
KIPPER.
Herr Graf, wir sprechen uns auch noch. Geht ab.
Unverschämte Burschen, ihr sollt mir nicht mehr über die Schwelle treten — Ha da kömmt Augusta. Ich kann jezt nichts anders thun als mich selbst zu ihrem Ritter aufwerfen. So wird sie mir vielleicht aus Dankbarkeit ihre Liebe schenken.
GRAF.
Die Gräfin verschleiert, und Thomas GRÄFIN
mit verstellter
Stimme.
Wo ist mein Vormund?
Schurke, wo führst du dies Frauenzimmer hin? Meine Dame, Sie können sich auf meinen Schuz verlassen. Die Ehre verbindet mich Sie gegen allen Beleidigungen | zu schüzen.
GRAF.
86
V Aufzug
läßt den Schleyer fallen. Ganz gewiß, denn jeder ehrliche Mann muß seine Frau beschüzen.
GRÄFINN.
GRAF.
Die 1 8 2 Gräfinn! — VerfluchtI
Die gnädige Frau 1 — nun hab' ich's gut gemacht, ich will laufen, so weit mich meine Beine tragen. Geht ab
THOMAS.
Ich sehe mein Herr, Sie sind bestürzt. Wär es doch Reue, die diese Bestürzung bei Ihnen hervorbringt. Aber so edler Gefühle sind Sie nicht fähig. Der Schmerz über das fehlgeschlagene Projekt, und über die Demüthigung, die Sie erlitten haben, ist's, was Sie unruhig macht. Ihre Beleidigungen gegen mich sind noch gering, aber Ihre Ränke und Intriguen, die Sie Galanterien heissen, | die sinds, die Ihrem 1 8 3 Rang zur größten Unehre gereichen 184 .
GRÄFINN.
Mein Schaz 185 , ich muß gestehen, ich bin überrascht und wünschte — ich sage — ich schäze mich unglüklich, daß Sie mich hier — das heißt — wenn Sie vielleicht argwöhnen —
GRAF.
Sie irren sich, Herr Graf, ich argwöhne nicht, ich bin meiner Sache gewiß — Ich will aber 1 8 6 alles Geschehene vergessen, wenn Sie meine Bedingungen eingehen 1 8 7 , von welchen die allererste ist, daß Sie sich des unglücklichen Jünglings dem Ihre Ausschweiffung das Daseyn gegeben hat, als Vater annehmen. Wollen Sie es nicht, so will ich seine Mutter 1 8 8 seyn und ihn mit mütterlicher Sorgfalt und Zärtlichkeit behandeln.
GRÄFINN.
Morningstar Ha, da tritt ein lebendiger Zeuge gegen mich auf. Mein lieber Vater, ich danke Ihnen für das grosmüthige Geschenk 1 8 9 , das Sie mir überschickt haben, und —
GRAF.
| MORNINGSTAR.
Von B aus »Meine« geändert. Aus »Ihren« verbessert. 184 Statt »zur größten . . . « (B) stand vorher: »und hohen Stand schänden« (A). 185 Anstatt »Mein Schaz« (B) hatte A » M a d a m e « . 186 Statt »will aber« (B) vorher »habe«. 187 »wenn Sie meine« (B) statt »aber nicht ohne«; »eingehen« von B hinzugefügt. 188 Aus »Retterin« geändert, ohne jedoch das nun überflüssige »in« am Ende des Wortes zu streichen. 189 Aus »Geschenck« geändert. 182
183
87
III Szene Johann
Gnädige Frau. Ihr Auftrag ist erfüllt ich habe ihm die Banknote — aber da ist er ja selbst, also hab' ich nichts mehr zu sagen. Geht ab
JOHANN.
Wie, gnädige Frau, Ihnen hab ich diese Grosmuth zu verdanken?
MORNINGSTAR.
Ist's möglich, Sie können so edelmüthig seyn den zu unterstüzen, den tausend andre Weiber verachten und hassen würden ? Dieser Zug beschämt mich in der That. Können Sie mir verzeihen ?
GRAF.
Ich habe mehr Mitleid als Zorn gegen Sie. Der französische Kammerdiener wars, der Sie ganz leitete, und der die größte Schuld an allen | Ihren Vergehungen hat.
GRÄFIN.
Herr von Schuhheim, Augusta und Fanny SCHUHHEIM
Heinrich.
MORNINGSTAR.
auf YURI
Kipper,
Heinrich,
Yuri. Von der andern
Seite
Da Junge, nimm deine Augusta.
Ich danke 190 Ihnen Herr von Schuhheim.
Geht
Augusten für sich.
Ah, die gefällt mir beßer.
Nun Heinrich, steckt 191 der Teufel in dir? kannst du dich nicht rühren? Willst du dir dein Weib vor der Nase wegnehmen lassen?
SCHUHHEIM.
Ich habe schon eines in Bereitschaft, lieber Vater, wenn Sie dazu einwilligen.
HEINRICH.
KIPPER.
Ich willige ein, und wir alle willigen ein.
FANNY.
Sie willigen ein Papa? O mein Heinrich!
Wie, was, die kleine Heuschrecke da will schon heirathen? Das geht nicht an. —
SCHUHHEIM.
heimlich ihm. Wenn Sie nicht ja sagen wollen, so entdecke ich Ihre ganze Spizbüberey. %u Augusten Mamsell Augusta, Sie sind ungezweifelte Erbin von dem grosen Vermögen Ihres
[ KIPPER
190 191
Aus »dancke« geändert. Hs stickt.
V Aufzug
88
Onkels, und was ich Ihnen heute Morgens sagte, geschah nur, um Sie auf die Probe zu stellen192. Ich nehme die Erbschaft an, aber nur um sie dem rechtmässigen Erben hier zuzustellen.
AUGUSTA.
Nein, Augusta, eh ichs annehme, will ich lieber mit meinem Yuri wieder auf die Wanderschaft ausziehen. Wo bist du ehrlicher Kerl? Yuri tritt vor.
MORNINGSTAR.
Seyd ihr noch böse auf mich? Ihr habt es nun 193 mit meinem Gemahl aus zu machen.
GRÄFIN.
Ich bitte tausendmal um Verzeihung gnädige Frau Gräfinn 194 aber ich muste meine Meinung |195 rund heraussagen.
YURI.
GRAF
lächelnd.
Hier, kühlt euem Zorn damit ab. gibt ihm Geld.
Das nehm ich an. / Zu Morning Star / Gnädiger Herr, wenn Sie fort wollen, so bin ich Ihr Mann durch dick und dünn, Feuer und Rauch; aber warum sollten Sie nicht hier bleiben? so gut wirds uns nirgends mehr!
YURI.
MORNINGSTAR.
Ach, du weißt nicht alles.
Ich will Ihnen einen Vergleich vorschlagen. Da es zweifelhaft ist, wem von beiden das Vermögen zukommen soll, so ist es am besten, Sie theilen es miteinander. Was sagen Sie dazu Morningstar ?
GRÄFINN.
Daß Ihnen ein Engel meine Gedanken zugeflüstert hat, gnädige Frau — Nun Augusta, Sie schweigen?
MORNINGSTAR.
Ich werde niemal zugeben, daß Sie des Goldes wegen Ihrem Mädchen untreu werden sollten.
AUGUSTA.
MORNINGSTAR.
Meinem Mädchen? — was ist das?
verlegen. Was ich Ihnen sagte, Augustchen, war bloß Neckerey — es ist kein wahr Wort daran, gebt euch in Gottes Namen die Hände.
SCHUHHEIM
192 Hierauf folgte ursprünglich, nun ausgestrichen: ist also die wahre Augusta.« 193 Ein hierauf folgendes »nicht« ist gestrichen. 194 »Gräfinn« von B eingefügt. 195 Von hier ab alles von B.
» Y U R I für
sich. Das
III Szene
89
küßt Augusten die Hand. Wenn ich dann 196 | Zum Glück bestimmt bin, so ist hier mein Muster / auf Augusten geigend / Nach ihr will ich mich bilden, um meines Glücks ganz würdig zu werden.
MORNINGSTAR
Recht so! ich habe noch immer gehört, daß sich der Hofmeister 197 nach der Gouvernante 198 richten muß.
SCHUHHEIM.
Der Vorhang fällt. 196 19 ' 198
Ein folgendes »zum« ist gestrichen. Betonungshalber unterstrichen. Betonungshalber unterstrichen.
MATERIALIEN ZUM VERSTÄNDNIS DES T E X T E S Editionsbericht Der Hofmeister und die Gouvernante liegt nur in einer handschriftlichen Fassung vor. Das Manuskript stammt aus dem Büchernachlaß des 1886 im Rheingau geborenen und im Jahre 1945 verstorbenen Studienrates R O B E R T A U G U S T S C H M I D T . Es befand sich entweder seit langem im Besitz seiner Familie oder wurde von ihm während seiner Studienjahre erworben. Wo, wann und unter welchen Umständen das geschah, läßt sich nicht mehr feststellen, da das Manuskript mit dem Restbestand der kleinen Privatbibliothek, die schon vor Beginn des zweiten Weltkrieges bei Freunden in Deutschland verlagert war, erst wieder im Jahre 1959 in den Besitz der Familie zurückkehrte. Mit dem Erscheinen der vorliegenden Ausgabe wird das handgeschriebene Bändchen der Bibliothek der Staatsuniversität von New York in Binghamton, N. Y . übergeben werden, wo es dann einem weiteren Publikum zur Einsicht und Benutzung zugänglich sein wird. Das Stück weist weder Verfassernamen noch Entstehungsort oder Abfassungsjahr auf. Es ist offenbar niemals gedruckt worden; jedenfalls ist kein Lustspiel unter diesem oder dem durchgestrichenen und daher wohl ursprünglichen Titel Natur und Kunst bei G O E D E K E 1 , K A Y S E R 2 oder H E I N S I U S 3 zu finden. Wenn auch der Name des Verfassers einstweilen ein Rätsel bleiben muß, so lassen sich doch aus der Beschaffenheit des Manuskriptes und gewissen 1 Karl Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen. 2., ganz neu bearb. Aufl. 13 Bde. Dresden 1884—1953. Mehrere englische und besonders französische Lustspiele der Zeit haben Titel, die eine Verwandtschaft mit unserem Stück zu versprechen scheinen, so z. B. A. Nivelle de la Chaussée, »La Gouvernante« (1747) usw. (s. dazu Allardyce Nicoll, A History of English Drama 1660—1900. 3. Ausgabe. 4 Bde. Cambridge (England) 1961; und Clarence D. Brenner, A Bibliographical List o£ Plays in the French Language 1700—1789. Berkeley 1947.) Alle solche Stücke, die uns zugänglich waren, wiesen aber, abgesehen vom Titel, keine weitere Ähnlichkeit des Stoffes auf. 2 Christian Gottlob Kayser, Vollständiges Bücher-Lexikon. Leipzig 1834, Bde. 1 u. 2. 3 Wilhelm Heinsius, Allgemeines Bücher-Lexikon. 4 Bde. Leipzig 1812.
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Hinweisen im T e x t Schlüsse ziehen, die eine verhältnismäßig genaue B e s t i m m u n g der Entstehungszeit u n d - g e g e n d erlauben. D i e 158 Seiten des Manuskriptes sind zusammengenäht u n d in einem bläulich-grünen E i n b a n d aus leichter Pappe als Quartheft gebunden. J e d e Seite ist etwa 2 1 , 1 x 15,5 c m g r o ß . D a s Papier ist feingeripptes Bütten mit Wasserzeichen u n d N a m e n der holländischen F i r m a D . Sc C. BLAUW, jedoch ohne D a t u m . N a c h CHURCHILL 4 w u r d e Papier dieses Herstellers w ä h r e n d des 18. J a h r h u n derts in alle L ä n d e r E u r o p a s ausgeführt. D i e Seiten sind nicht numeriert. A u f der neunten Seite u n d auf jeder achten Seite danach sind in der oberen linken E c k e Signaturzahlen v o n 2 bis 20 eingetragen. E s handelt sich hier also u m zwanzig Folioblätter, die, zur Quartgröße zweimal gefaltet, bereits v o r dem E i n b i n d e n beschrieben u n d mit Signaturzahlen versehen wurden. A u f den Manuskriptseiten 24, 80 u n d 1 3 6 , also unmittelbar v o r den Signaturzahlen 4 , 1 1 u n d 1 8 , befinden sich Stichwörter, die das erste W o r t auf dem nächsten Folioblatt v o r w e g n e h m e n . Z w a n z i g Folioblätter sollten 80 Quartblätter b z w . 1 6 0 Quartseiten ergeben. D e r letzte, mit der Signaturzahl 20 beginnende B o g e n , u m f a ß t nur drei Blätter. D a s ursprünglich dritte Blatt dieses B o g e n s fehlt. E s muß nach dem E i n b i n d e n herausgetrennt w o r d e n sein, denn das zweite Blatt ist lose. D a s erste u n d vierte Blatt des ersten B o g e n s sind ebenfalls lose. V o n B e d e u t u n g ist auch, daß das erste Blatt in seinem Wasserzeichen dadurch abweicht, daß das volle Z e i c h e n mitten auf dem Blatt erscheint, w ä h r e n d jedem anderen Blatt durch das Falten nur ein Teil des BLAUw'schen Wappens oder Firmennamens bleibt. D i e Wasserzeichenlinien i m ersten Blatt liegen vertikal, w ä h r e n d die aller anderen horizontal sind. D i e A b stände zwischen den Wasserzeichenlinien dieses Blattes sind kleiner als die aller anderen Blätter. A u c h ist das Papier dieses Blattes etwas bläulich, während die Farbe der anderen Blätter ins Gelbliche schlägt. Dieser U m s t a n d läßt vermuten, daß das ursprünglich erste Quartblatt durch ein anderes ersetzt w u r d e . A n der Niederschrift des Textes sind zwei H ä n d e beteiligt, deren Verteilung in engem Z u s a m m e n h a n g mit der sich aufdrängenden F r a g e nach den losen b z w . fehlenden Blättern Zu stehen scheint. D e r weitaus größte Teil des Lustspiels (Manuskriptseiten 3 — 1 5 6 ) ist in einer leicht leserlichen deutschen K u r s i v h a n d s c h r i f t geschrieben, die w i r als A bezeichnen wollen. Sie fällt auf durch ihren leichten D u k t u s , die ausgesprochene Rechtsneigung der Schrift, 4 Wfilliam] A l g e r n o n ] Churchill, Watermarks in Paper in Holland, England, France etc. in the X V I I and X V I I I Centuries and Their Interconnections. Amsterdam 1955. S. C C L V I I .
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die regelmäßige Proportion der Ober- und Unterlängen und die gleichmäßigen Abstände zwischen den Zeilen. Es wird auch ein gleichmäßiger Rand an allen vier Seiten des Blattes bewahrt. Dieser Schreiber A wählt gerne lateinische Großbuchstaben und verziert sie besonders, indem er sie nach oben verlängert und manchmal mit einer zusätzlichen Kurve (besonders beim großen »S«) versieht. Mit lateinischen Buchstaben werden ebenfalls Fremdwörter wie z. B. C h a m p a g n e r , B o u t e i l l e usw. geschrieben. Die andere Schrift, B, erscheint nur auf der Titelseite und in dem Personenregister, beide auf dem losen ersten Blatt, und auf den letzten zwei Seiten des Manuskriptes, die das Lustspiel abschließen und die, beim Einbinden noch unbeschrieben, dem nun fehlenden, früheren 79. Blatt folgten. Die häufigen Änderungen im Text stammen fast alle von dieser Hand. Schreiber B gebraucht auch die deutsche Schrift, allerdings ohne die kalligraphischen Züge, die bei A auftreten. Daß es sich hier um zwei verschiedene Schreiber handelt, geht aus der Schrift, dem schwereren Duktus und der konsequent durchgeführten senkrechteren Buchstabenführung des BSchreibers hervor. Es ist sehr wahrscheinlich, daß unser Manuskript nur die Kopie einer Vorlage darstellt, die Schreiber A für sich selbst oder im Auftrage eines anderen anfertigte, denn die einzigen Änderungen, die von A herrühren, sind Verbesserungen von Kopierfehlern. An einer Stelle, nämlich auf den Manuskriptseiten 40—42 in der ersten Szene des zweiten Aufzuges, muß B neunmal eindeutige Kopierfehler verbessern. In der Szene treten Schuhheim (Schuhh.) und ein Schuhmacher (Schuhm.) mit Morningstar auf. A schreibt aber durchweg die Personenanweisung Schuhh., obwohl offensichtlich der Schuhmacher spricht. Daher ist es unwahrscheinlich, daß A der Verfasser unseres Stückes ist, denn dieser hätte wohl schwerlich, auch beim Abschreiben, durchweg einen solchen Fehler gemacht. Außerdem hätte der Autor nicht dieselbe Person viermal Emilie genannt (S. 16,27,41,43) und dreimal Cicilie (S. 65). A muß von einer Vorlage abgeschrieben und die ersten vier Male ein dort nicht sehr leserliches Cicilie als Emilie aufgefaßt haben. Schreiber B verbesserte diese Namen aber auch nicht auf konsequente Weise. Ebensowenig ist anzunehmen, daß Schreiber B der Verfasser war. Verbesserungen wie die gerade erwähnten ergeben sich von selbst; die Entdeckung eines Schreibfehlers bedarf nur eines scharfen Auges. Alle übrigen Veränderungen und Zusätze sind nicht der Art, wie sie ein Verfasser nach der letzten Reinschrift seines Stückes vornehmen würde. Die Eingriffe von B bestehen wohl zum Teil aus Nachträgen aus dem Original, d. h. der Vorlage des A-Schreibers, wo dieser dies oder jenes übergangen hatte. Sonst scheinen sie
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lediglich dem Zweck zu dienen, der persönlichen Sprechweise B's zu folgen oder seinem manchmal etwas prüden Geschmack Genüge zu tun. Recht auffallend ist die schon erwähnte Entfernung und Ersetzung des ersten Blattes des ersten Bogens und das Fehlen des ursprünglich dritten Blattes des letzten Bogens. Da die Schrift des jetzigen ersten Blattes des ersten Bogens und des letzten Blattes des letzten Bogens die des B-Schreibers ist, fällt es schwer, sich dem Verdacht zu verschließen, daß Schreiber B den Text der entfernten Blätter auf ein neues erstes Blatt und das ursprünglich leer gebliebene Blatt des letzten Bogens abschrieb, dabei jedoch den vermutlich auf dem ersten und vielleicht mit einer Schlußbemerkung auch auf dem letzten Blatt erscheinenden Namen des Verfassers ausließ. Wenn er dieses tat, so geschah es möglicherweise in der Absicht, das Stück zu gegebener Zeit als sein eigenes Werk auszugeben. Innerhalb der von den Herausgebern vorgeschriebenen Richtlinien stellt der gedruckte Text des Stückes eine diplomatische Wiedergabe der Handschrift dar, abgesehen davon, daß die im Manuskript häufig gekürzten Personennamen im Druck ausgeschrieben werden. In Antiqua geschriebene Wörter sind gesperrt gedruckt. Alles, was im Druck in Versalien oder Kapitälchen erscheint, ist in der Handschrift unterstrichen (außer im Personenverzeichnis) und normal in Groß- und Kleinbuchstaben geschrieben. Die ebenfalls normal geschriebenen und unterstrichenen Regieanweisungen gibt der Text kursiv wieder. Der gedruckte Text schließt alle Ergänzungen, Verbesserungen und Änderungen des Schreibers B ein. Auf sämtliche Eingriffe dieses Schreibers, die seltenen Selbstverbesserungen von A und auf die im Dialog betonungshalber unterstrichenen Stellen wird durch Fußnoten verwiesen. Der Beginn einer Manuskriptseite ist im gedruckten Text durch einen senkrechten Strich gekennzeichnet. *
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Wir möchten an dieser Stelle folgende Bibliotheken und Archive nennen, denen wir besonderen Dank für Auskünfte und Beschaffung benötigter Editionen schulden: Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin; Lockwood Memorial Library, State University of New York at Buffalo; die Handschriftenabteilung des SchillerNationalmuseums, Marbach; Goethe- und Schiller-Archiv (Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen Deutschen Literatur in Weimar); Theatersammlung der Nationalbibliothek Wien.
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Materialien Zur
Entstehungsgeschichte
Der Hofmeister und die Gouvernante unterscheidet sich v o n vielen deutschen Lustspielen glücklicherweise dadurch, daß dem Text gewisse Hinweise zu entnehmen sind, die Schlüsse über die Zeit seiner Entstehung und die Heimat des Verfassers zulassen. D a ß das Stück erst nach 1783 entstanden sein kann, ergibt sich aus einem solchen Hinweis: in der zweiten Szene des zweiten Aufzuges rät Morningstar Schuhheim, einen Luftballon fliegen zu lassen, wohl um das Interesse an seiner neuen Kolonie zu erhöhen. Das ist alt, erwidert Schuhheim. Es handelt sich hier um den Luftballon, den die Brüder MONTGOLFIER. 1783 zum ersten Male erfolgreich aufsteigen ließen, ein Ereignis, das außerordentliche Sensation machte, und eine Leistung, deren sofortige Nachahmung sich das übrige Europa nicht nehmen ließ. Das Komische an Schuhheims Antwort soll wohl sein, daß er die Montgolfiere schon als »zu alt« empfindet. Das Jahr 1783 darf also als post-quem-Bestimmung in Betracht gezogen werden. Die Frage nach dem ante quem ist etwas problematischer, läßt sich aber mit einiger Bestimmtheit beantworten. Auf S. 45—-46, in der ersten Szene des dritten Aufzuges, äußert sich v. Schuhheim spöttisch über die einfachen, für ihn nicht »standesgemäßen« Sitten seines Sohnes Heinrich, der eben v o n einer Fußreise zurückkommt und beschreibt, wie er auf einem Stein an der Straße sein Mittagessen, ein paar harte Eyer und Brod, verzehrte. Schade, sagt der Vater, daß kein Kapuxinerkloster in der Nähe war, sonst hätte man vielleicht die Ehre haben können, den Ritter des H. Rom. Reichs die Kapuziner Suppe vermehren %u sehen. Wenn Heinrich ein Ritter des Heiligen Römischen Reiches ist, so heißt dies, daß v. Schuhheims neuerstandenes Adelspatent kaiserlicher Herkunft ist. D a weder direkt noch indirekt die Echtheit oder Gültigkeit seiner Standeserhöhung v o n irgendeiner Person bezweifelt wird, muß die Spielzeit des Stückes vor der A u f lösung des Reiches durch NAPOLEON im Jahre 1806 liegen, als Kaufleute sich gegen eine Zahlung adeln lassen konnten, wie es schon seit langem üblich gewesen war. 5 Wenn auch damit der späteste Termin abgesteckt wäre, so geht man wohl nicht fehl, den Zeitpunkt der Entstehung des Stückes auf wenige Jahre nach dem Aufstieg der ersten Montgolfiere anzusetzen; zu einer späteren Zeit dürfte ein Luftballon als erwähnenswerte Neuigkeit wirklich schon veraltet gewesen sein. Anspielungen im Dialog ermöglichen es, wenn auch nur ungefähr, die Gegend zu erkennen, in der das Stück spielen soll und vielleicht 5 W[alter] H[orace] Bruford, Germany in the Eighteenth Century. Cambridge (England) 1959, S. 61.
Zur Entstehungsgeschichte
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auch entstanden ist. Besonders aufschlußreich sind die verschiedenen Münzsorten, die Erwähnung finden, so z. B. Karolinen (S. 24, 27, 29), Konventionsthaler (S. 49), Thaler (S. 46, 56), Gulden (S. 27, 62, 64) und Dukaten (S. 31, 58, 69, 84), abgesehen von Kleinmünzen wie Groschen und Kreuzern. Nach der 5. Ausgabe von J O H A N N C H R I S T I A N N E L K E N B R E C H E R S »Taschenbuch eines Banquiers und Kaufmanns« (Berlin 1781) waren diese Münzen gleichzeitig nur in der Kurpfalz und in Württemberg gangbare Lokalwerte. Demnach könnte der Südwesten Deutschlands als Herkunftslandschaft des Stücks gelten. Sprachliche Indizien bekräftigen eine solche Vermutung. Im allgemeinen ist die Sprache in unserem Stück der der »sächsischen« Lustspieltradition, aus der L E S S I N G hervorging, sehr ähnlich. Die Sprache fast aller Personen trägt also die Züge des »Gemeindeutschen« des städtischen Bürgertums, fast ohne mundartlichen Wortschatz. Der deutschfranzösierende Rossignol stellt selbstverständlich einen Sonderfall dar. Die wenigen Formen allerdings, die dieser Norm nicht entsprechen, lassen sich durchaus auf das Oberdeutsche zurückführen. Auf S. 1 1 sagt Kipper: .. . das hi^t einen von der Scheitel bis %um Hosenknopf, gebraucht »Scheitel« also als feminines Substantiv. Der Genuswandel von feminin zu maskulin ging vom Niederdeutschen aus, von Norden nach Süden, und hatte zu der Zeit die Heimat des Verfassers offenbar noch nicht erreicht, ein Umstand, der diese Heimat wiederum ziemlich weit im Süden suchen läßt.6 Ähnlich verhält es sich mit dem Wort »Keller« (S. 23) statt »Kellner«, welches A D E L U N G 7 als ein »vornehmlich im Oberdeutschen übliches Wort« verzeichnet. Das Adjektiv »heiklich« (S. 68), bei A D E L U N G »häkelig«, ist auch »nur im Oberdeutschen üblich« 8 . Daß Morningstar von einem »Nachen« (S. 83) spricht, scheint auch auf die süddeutsche Herkunft zu deuten.9 Schließlich spricht der Personennamen »Kipper« für die süddeutsche Herkunft. Obwohl der Name selbstverständlich auch von den »Kippern und Wippern« (Geldbeschneidern, Münzfälschern) hergeleitet werden könnte, bietet sich doch auch eine andere Auslegung des Namens vielleicht eher im Sinne des Lustspiels an, nämlich daß der Name von »Kippe« kommt, einer Form, die K L U G E folgendermaßen definiert: »Kippe f. 'Gemeinschaft' in Wendungen wie Kippe(s) machen, halten, führen '(bei Handel oder Spiel) gemein6 Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 19. Aufl. bearb. v. Walther Mitzka. Berlin 1963. S. 641. ' Johann Christoph Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 2. Aufl. 5 Bde. Leipzig 1793ff., Bd. 2, Sp. 1545. 8 9 ebd. Bd. 2, Sp. 905 t. Kluge, a. a. O., S. 498.
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same Sache machen': aus jidd. kübbo 'Kammer, Zelt' rotwelsch, von da mundartl. (im Südwesten)«. 10 Im Stück macht ja der recht volkstümliche Kipper gemeinsame Sache mit v. Schuhheim und auch mit dem Grafen. Vielleicht war diese Bedeutung aus dem oberdeutschen Dialekt dem Verfasser geläufig. Alle Indizien, die überhaupt einen Schluß auf die Herkunft des Stückes zulassen, deuten also darauf hin, daß es zwischen 178} und 1806 von einem Verfasser südwestdeutscher Herkunft geschrieben worden ist, der aber der Sprache der deutschen literarischen Welt mächtig war und dessen Stil und Wortschatz wenig charakteristisch Landschaftliches aufweisen. Die verhältnismäßig hohe Zahl der französischen oder französierenden Wörter, besonders solcher, die durch ihre Schreibweise als Fremdwörter hervorgehoben werden, spricht auch für die Zugehörigkeit des Verfassers zu den gebildeten Ständen. Es besteht durchaus die Neigung, solche Wörter ihren deutschen Synonymen vorzuziehen, so z. B. »Bouteille« (S. 1 1 ) , »Etablissement« (S. 12), »Mamsell« (S. 14), »retabliren«, »eine gute Tournure«, »Koquetten« (S. 16), »Roturier« (S. 75) unter anderen. An einigen Stellen wird auch die französische Orthographie eines deutschen Wortes gewählt, wie »Banquier« (S. 12) und »Oncle« (S. 13), allerdings neben »Onkel« (S. 21). Gattungsgeschichtliche Einordnung In der Vielfalt seiner Motive, Themen und Darstellungsweisen ist das Lustspiel Der Hofmeister und die Gouvernante gleichsam ein Sammelplatz für die Spielarten des deutschen Lustspiels im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. 11 Obwohl es in erster Linie als geradezu karikaturenhaft geschickt angelegtes Intrigenlustspiel zu bezeichnen ist, weist es an wesentlichen Stellen Züge sowohl des Sittenstückes englischer Art auf als auch der »comédie larmoyante« und des sozial normativen Charakterlustspiels, das, in Deutschland seit den Entlehnungen aus dem Französischen des Kreises um G O T T S C H E D bekannt, durch G E L L E R T und vor allem L E S S I N G seine höchste Entwicklung erlebt hat. Um diesem Lustspiel und dem Vorhaben seines Verfassers gerecht zu werden, muß man sich der Berührung mit den verschiedenen Aspekten der damaligen europäischen Gattung »Lustspiel« bewußt werden. Wohl kaum eine Komödie der Zeit vertritt die eine oder die andere Teilgattung »rein«. Allerdings scheint in unserem Stück ein harmonisches Zusammenspiel der 10
ebd. S. 569. S. dazu besonders Karl Holl, Geschichte des deutschen Lustspiels. Leipzig 1923. S. 117—211. 11
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meisten dieser Formelemente angestrebt worden zu sein. Trotz des oft hektisch gedrängten Verlaufes der Handlung wird der charakterlichen Motivierung, der sozialen Kritik und dem Rührenden Raum geschaffen. Wenn dieser Versuch auch letztlich mißlingt und das Stück im Possenhaften ausläuft, so ist es dennoch bemerkenswert, wie die vielfältigen Form- und Inhaltsmöglichkeiten des Lustspiels abgetastet werden. KARL HOLL beschreibt die Thematik des deutschen Lustspieles in der vermutlichen Entstehungszeit unseres Stückes, also etwa 1785 bis 1805, folgendermaßen: »Adelstand und Bürgerstand werden gegeneinander ausgespielt, reiches Laster wird der armen Tugend gegenübergestellt, Naturunschuld in versüßlichtem Rousseauismus von Kulturverderbtheit abgehoben im beliebten Gegensatz von Stadt und Land. Der Unterschied der klassischen Periode vom Sturm und Drang zeigt sich an diesen Mitläufern vor allem darin, daß gegenüber dem Gefühlsüberschwang, worauf wir die Vorliebe für Verführungsmotive zurückführten, wieder ein moralischer Rationalismus, der Aufkläricht, die Vorherrschaft gewinnt«.12 Diese Charakterisierung gilt vor allem den Lust- und Schauspielen FRIEDRICH L U D W I G SCHRÖDERS (1744—1816), AUGUST W I L H E L M IFFLANDS (1759—1814) und AUGUST VON KOTZEBUES (1761—1819). Sie trifft aber an wesentlichen Punkten, wie aus der Analyse der Handlung und Personen hervorgehen dürfte, den Hofmeister und die Gouvernante. Allerdings läßt das Lustspiel keine restlos befriedigende Zuordnung des Verfassers zu den »Mitläufern der Klassiker« (so H O L L ) ZU. Obwohl Anklänge an Themen KOTZEBUES ZU finden sind, ist ihre Ausarbeitung, ihre formale Prägung solcherart, daß hier keineswegs von einer bewußten Nachahmung dieses beim Theaterpublikum erfolgreichsten Dramatikers seiner Zeit die Rede sein kann. Vielmehr scheint hier ein Versuch vorzuliegen, der didaktischen Schwere und Sentimentalität des seit GEMMINGEN (»Der deutsche Hausvater«, 1785) beliebten Familiengemäldes zu entkommen und die von der Zeit bevorzugten Themen, die besonders von den jüngeren Personen vertreten werden, mit der leichteren, bewegteren Form des älteren Lustspiels zu verbinden. Wie sehr es dem Verfasser an einem dynamischen und abwechslungsreichen Tempo in seinem Lustspiel gelegen haben mag, geht aus dem eigenartigen Aufbau dieses Stückes hervor. Es ist in fünf Aufzüge aufgeteilt, die je drei Szenen haben, außer dem dritten, der aus zwei Szenen besteht. Das Stück enthält also vierzehn Szenen. Jeder Szene entspricht ein tatsächlicher Wechsel des Spielortes. Innerhalb dieser Szenen treten Personen auf und gehen ab, 12
a. a. O., S. 200.
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ohne daß darum formal weiter unterteilt wird. So unscheinbar dieser Umstand auch sein mag, so gibt er doch dem Stück eine eigentümliche Stellung in Bezug auf die bestehenden Bräuche in der Gliederung des deutschen Lustspiels im 18. Jahrhundert. Bekanntlich sollte sich nach G O T T S C H E D S »Theaterreform« der Spielort eines Stückes überhaupt nicht ändern. Weiter sollte das Lustspiel, wo es nicht in einem Aufzug zu spielen war, in drei oder fünf Aufzüge eingeteilt werden, die wiederum in Auftritte zerfielen, deren Ansätze jeweils nach dem Auftritt oder Abgang einer Person bestimmt wurden. Diesen Stand der Dinge finden wir z. B. bei G E L L E R T und L E S S I N G und ihren Zeitgenossen. Findet, wie in »Minna von Barnhelm«, ein Wechsel des Ortes oder Raumes statt, dann geschieht das von einem Aufzug zum anderen, niemals von Auftritt zu Auftritt. Erst im Sturm und Drang-Drama unter dem anhaltenden Einfluß S H A K E S P E A R E S finden wir eine neuartige Gliederung des Aufzugs, der jetzt häufig »Akt« genannt wird, in »Szenen«, die einen Wechsel des Ortes bedeuten, also gleichsam in »Bilder«. Die Dramen von L E N Z , K L I N G E R und dem jungen G O E T H E weisen eine solche Gliederung auf. So enthalten die fünf Akte des »Hofmeisters« (1774) von L E N Z insgesamt 3 5 als solche bezeichnete und numerierte Szenen, die 32 Bildwechsel bedeuten; in seinen »Soldaten« (1776) sind es sogar 35 Szenen mit 34 Bildern. In seinem Schauspiel »Sturm und Drang« (1776) geht K L I N G E R einen mittleren Weg zwischen der älteren und neueren Form, indem er zwar die fünf »Akte« in 38 »Szenen« nach Auftritt der Personen aufgliedert, den Spielort aber neunmal wechselt. In seinen frühesten Dramen, so z. B. in den »Mitschuldigen« (1769), folgt G O E T H E der Aufklärungstradition mit einer Gliederung in Aufzüge und Auftritte, zu der er später, angefangen mit »Iphigenie auf Tauris« (1787), zurückkehrt. Die Dramen, die in der Zwischenzeit entstanden, also der »Urfaust« (1773), »Götz von Berlichingen« (1773), »Clavigo« (1774), »Stella« (1776) und schließlich »Egmont«, dessen Ursprünge auf das Jahr 1775 zurückgingen, der aber erst 1788 vollendet wurde, sind alle in Akte aufgeteilt, in denen die Szenen durch bloße Ortsangaben angezeigt werden. So finden im »Götz« 56 Szenenwechsel statt. Gegen Ende des Jahrhunderts ist ein allgemeines Straffen des dramatischen Aufbaus unter den aktivsten Dramatikern zu beobachten. S C H R Ö D E R und I F F L A N D arbeiten nun wieder, ganz im Sinne L E S S I N G S , mit Aufzügen und Auftritten, und wenn K O T Z E B U E seine Dramen nach Akten und Szenen aufteilt, so sind dies nur andere Bezeichnungen für dieselben Begriffe und werden dementsprechend angewendet. Die Dramatiker des Sturm und Drang nahmen also eine größere Freiheit des Bildwechsels im Drama wahr. Ihre »Szenen«
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aber entsprachen dem älteren »Auftritt« noch insofern, als in jeder Szene nur eine begrenzte Zahl von Personen auftrat. So blieb die Szene bzw. der Auftritt immer noch die wesentliche dramatische Einheit, deren Geschlossenheit im Sturm und Drang sogar noch betont wurde vermöge der räumlichen Trennung von dem Spielort der anderen Szenen, die der Szeneneinschnitt nun bedeutete. Dadurch wurde, trotz der scheinbar revolutionären Neuerung, die zur dramatischen Entwicklung notwendige dialogische Konzentration gewährleistet. Gerade in dieser Hinsicht aber nimmt Der Hofmeister und die Gouvernante eine Sonderstellung ein, denn die vierzehn »Szenen« stellen nicht mehr solche Einheiten dar. Vielmehr sind sie bloße Teilaufzüge, die rein äußerlich durch den Bilderwechsel voneinander geschieden sind. Das Stück entbehrt der formalen Straffung, des noch im Sturm und Drang relativ übersichtlichen Aufbaus, der aus mehr oder minder logisch zu Ende geführten Dialogelementen entstand. Die »Szenen« zerfallen innerlich in Dialogfragmente, die willkürlich, je nach den Bedürfnissen der Handlung, unterbrochen werden. In seiner Behandlung der einzelnen Szenen erlaubt sich der Verfasser also mehr Freiheit der Form als sich sogar die Dramatiker der Geniezeit gestatteten. Darin folgte er wohl bewußt den englischen Formkonventionen für das Drama, bei welchen die Szene als bloße Bestimmung eines Ortes galt, auf dem eine größere Zahl von Personen rasch abwechselnd neben- oder miteinander erscheinen und reden konnten. Die französische Tradition hingegen, die in dieser Hinsicht immer noch maßgebend für die deutsche Bühne war, verlangte, daß nicht mehr als zwei oder drei Personen auf einmal erscheinen durften und der Dialog von Paar zu Paar und Auftritt zu Auftritt stafettenmäßig weitergereicht werden sollte. Die englische Auffassung entspricht dem handlungsund personenreicheren englischen Drama, das einen gedrängteren Verlauf benötigt, um die Querverbindungen der verschiedenen Handlungsstränge im rechten Augenblick zur Geltung kommen zu lassen. Daher stammt auch das raschere und abwechslungsreichere Tempo besonders des englischen Lustspiels dem französischen und deutschen gegenüber, da Personen einen Augenblick lang erscheinen können, eine Meldung machen und dann wieder abgehen. Der Begriff der Szene als Ort läßt dies eher zu als der des Auftritts als dialogische Einheit, der hemmend auf solche spontanen Unterbrechungen wirkt. Der Hofmeister und die Gouvernante übertrifft sogar zeitgenössische englische Stücke, die einen ähnlichen Szenenaufbau haben (z. B. G O L D S M I T H S »She Stoops to Conquer« (1773) oder S H E R I D A N S »The Rivals« (1775)), an Geschwindigkeit des Tempos. Wollte man das Stück streng in herkömmliche Auftritte teilen, so würden sich 1 1 9 ergeben. Wenn man von den kürzesten dieser 7»
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Auftritte absieht, so sind es immer noch etwa go. Es ist überhaupt eine Erhöhung der Zahl der Auftritte im Lustspiel während des 18. Jahrhunderts festzustellen, die der größeren Zahl der Personen und der wachsenden Verwicklung der Handlungen entspricht. So kommt G E L L E R T in der »Betschwester« (1745) mit 25 Auftritten (in drei Aufzügen) aus; L E S S I N G bedarf 1763 in den fünf Akten der »Minna von Barnhelm« 56 Auftritte, S C H R Ö D E R 1786 im Vierakter »Das Portrait der Mutter« 60, I F F L A N D 1790 im »Herbsttag« 79 Auftritte in fünf Aufzügen. Die Durchschnittszahl der Auftritte, in die ein Aufzug eines mehr oder minder typischen Lustspiels aufgeteilt wurde, hat sich also in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verdoppelt. Diese rein äußerliche statistische Aufstellung soll lediglich bildhaft machen, inwiefern die Form von Hofmeister und Gouvernante den zeit- und formbedingten Verlagerungen in der inneren Ökonomie des Lustspiels entspricht und die Neigung zur bewegteren Handlung rein quantitativ ins Hyperbolische treibt. Wie sehr dies der Fall ist, geht aus einem Vergleich mit den Stücken von G O L D S M I T H und S H E R I D A N hervor: nach dieser gleichen Rechnung hätte »She Stoops to Conquer« 60 »Auftritte«, »The Rivals« 55, beide in fünf Akten. Wie besonders im Zusammenhang mit der Charakterisierung Morningstars zu sehen ist, läßt die rasche Folge der Auftritte dem anhaltenden, analytischen charakteristischen Dialog, wie er uns bei L E S S I N G begegnet, wenig Raum. Selten sind zwei Personen genügend lange ununterbrochen auf der Bühne, um mehr als je zwei oder drei Reden auszutauschen, besonders wenn diese Seelenzustände betreffen. Dialogen, die Äußerlichkeiten der Handlung behandeln, wird oft ein weiterer Raum bereitet. A m sichersten scheint sich der Verfasser im Ausarbeiten von komischen oder satirischen Dialogen gefühlt zu haben, denn diese, wie auf S. 31—35, 37—38, 45—47, 54—56 und 80—82, läßt er am längsten ununterbrochen weitergehen. E s wird deutlich eine harmonische Verbindung zeitaktueller Themen mit einer spannenden, pathetischen Handlung und heiterem, humorvollem Dialog angestrebt. In seiner Anlehnung an die strukturell offenere Form des Lustspiels, die das englische Modell und die Geniedramen boten, sah der Verfasser wohl die beste Möglichkeit, die Personen sich bunt und beweglich in der Handlung entfalten zu lassen. Aber gerade diese Ungebundenheit in der Form, diese übermäßige Betonung des Szenischen und des Derb-Komischen, lassen den in seinen Ansätzen unverkennbaren tieferen Zweck dieses Lustspiels verfehlt erscheinen. Die Sprache in Hofmeister und Gouvernante entspricht durchaus dem Stil, der im deutschen Lustspiel seit L E S S I N G bevorzugt wurde. Ein natürlicher Umgangston beherrscht das Stück: fast alle Personen
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sprechen das »Hochdeutsch« der gebildeten Stände. Abgesehen von den wenigen im Editionsbericht erwähnten Ausnahmen kommen spezifisch mundartliche Formen kaum vor. Die Personen vom Land sprechen nicht sonderlich gröber als die aus der Stadt; die Aristokraten drücken sich nicht feiner aus als die Bürger. Dennoch heben sich die verschiedenen Personen sprachlich voneinander ab, wenn auch nicht durchgehend konsequent, durch stehende Redensarten oder Sprachmanierismen. So prahlt Kipper ständig mit seinen guten Beziehungen zu seiner Ex^ellen^, v. Schuhheim poltert und flucht, wie es sich für einen alten Herrn im Lustspiel der Zeit gehört. Frän^cben lacht viel und ist wiederholt unsicher vor dem Grafen: Euer Gnaden, Euer Exzellenz wollt ich sagen . . . (S. 17—18). Die Sprache Augustas, Morningstars, Heinrichs und Yuris entbehrt meistens solcher Färbung, aber in der Wahl des jeweiligen Wortschatzes, in der Konzentration der Anliegen der Person, die dialogisch zum Ausdruck kommen, ist der Charakter jedes Einzelnen wenigstens in den Ansätzen individualisiert und präzisiert. Nur drei Personen stehen nicht auf demselben sprachlichen Niveau wie die anderen, und aus den Eigentümlichkeiten ihrer Redeweisen weiß der Verfasser bewährte komische Effekte zu erhaschen. Das sehen wir im Falle des schwerfälligen Gerichtsdieners (III, 2), der Fanny Mamsell Fankert nennt, bestechen mit erstechen verwechselt und die Kastration fürchtet, wenn die Kassation gemeint ist, und auch im Falle des Pferdjuden, Mauschel genannt, dessen falsche Wortstellung — ... um zu holen das Geld für den Engelländer (S. 39); Der gnädige Herr muß uns befahlen unsre Sachen (S. 55) — wohl den jiddischen Satzbau nachahmen soll. Das markanteste Beispiel für den Gebrauch stilistischer Komik ist natürlich in der Person Rossignols zu finden. Seine Redeweise ist offensichtlich der des Riccaut de la Marliniere in LESSINGS »Minna von Barnhelm« nachgebildet. Bei beiden sehen wir den Versuch, im Schriftbild die Schwierigkeiten des Franzosen mit den fremden deutschen Lauten und der andersartigen Wortstellung wiederzugeben. So sagt Rossignol: Oui, mais votre Excellence, das is die Natur, die is die Schuld davon, sie at kekeben ä votre Excellence une Constitution galante amoureuse (S. 15) oder Sie aben sie reiklik versorgt; daß sie nit davon sufrieden war, est-que c'est la faute de votre Excellence? (S. 16). Man vergleiche damit den Riccaut: »Nein, man kenn sik hier nit auf den Verdienst. Einen Mann, wie mik, s u r e f o r m i r l Einen Mann, der sik nok dasu in diesem Dienst hat r o u i n i r — Ik haben dabey sugesetzt, mehr als swansik tausend L i v r e s . Was hab ik nun?« (IV, 2). Riccauts ist zweifellos die besser durchdachte und durchgearbeitete Imitation eines deutschsprechenden Franzosen. Beide Gestalten aber haben gemeinsam, daß sie verschiedene Mitlaute nicht aussprechen können,
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sowie auch nicht die Konsonantenverbindung ts = z im Anlaut. Auch die Flexion der Substantive im Deutschen ist beiden ein Geheimnis. Weitere sprachliche Reminiszenzen aus dem LESSING'schen Drama kommen aus »Emilia Galotti«. So sagt Schuhheim zu Kipper: Seid ruhig, alter Knabe (S. 12), so wie Odoardo Galotti sich in der 4. Szene des fünften Aktes ermahnt: »Man kömmt. Ruhig, alter Knabe, ruhig 1« Der Graf scheint in gewissen Einzelheiten dem Prinzen von Guastalla nachgezeichnet zu sein. Wie dieser im ersten Auftritt des ersten Aufzugs von »Emilia Galotti«, läßt der Graf einen wichtigen Brief ungelesen (I, 2), weil er mit seiner »Liebe« so beschäftigt ist. Auch die Gemütsschwankungen des Grafen sind denen des Prinzen ähnlich, und er gibt ihnen auf ähnliche Weise Ausdruck. So findet Marinelli den von Liebe zerrissenen Prinzen, der seinen Entschluß geändert hat: »Ich bekam Lust, auszufahren. Der Morgen war so schön. Aber nun ist er ja wohl verstrichen; und die Lust ist mir vergangen.« (I, 6) Unter dem Einfluß seines vereitelten Stelldicheins mit Fanny, seiner Begierde nach A.ugusta und der Erscheinung Yuris drückt sich der Graf ähnlich aus und schickt Kipper, der mit ihm spazierenreiten will, weg: Ich kam so heiter aus meinem Zimmer, und nun ist meine Laune auf den ganzen Tag verdorben (S. 28). Solche Entlehnungen wirkungsvoller Elemente aus LESS I N G S Dramen mögen auch für die Bewußtheit sprechen, mit der der Verfasser der dramatischen Literatur seiner Zeit gegenüberstand. Der Anteil der Diener an der Handlung in Hofmeister und Gouvernante deutet an, wie sehr der Verfasser sein Stück bewußt in der großen Tradition von P L A U T U S , M O L I E R E und L E S S I N G gestaltet hat. Wie bei diesen sind die Diener, Rossignol, Zacharias und Yuri, Ergänzungs- oder Kontrastgestalten zu ihren Dienstherren und sind jeweils ihre eifrigsten Kommentatoren. Das gilt in besonderem Maße für Yuri, der nicht nur Tellheims Just an Treue gleichkommt, sondern auch einen kritischen »edlen Wilden« abgibt. Nicht erst seit R O U S S E A U war das Motiv des den »zivilisierten« Europäern menschlich und ethisch überlegenen Naturkindes beliebt. Das Motiv zeigte sich recht früh in der Literatur der Aufklärung, und zwar ist es wohl aufs engste verbunden mit R I C H A R D S T E E L E S Erzählung von »Inkle und Yariko«, die 1 7 1 1 im »Spectator« erschien. In dieser Erzählung wird eine junge Indianerin, Yariko, vom englischen Kaufmann Inkle, dessen Leben sie gerettet und dem sie ihre Liebe geschenkt hat, als Sklavin verkauft 13 . Dieser Stoff wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts vielfach in England, Frankreich und Deutsch13
S. dazu Elisabeth Frenzel, Stoffe der Weltliteratur. Stuttgart 1962.
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land dramatisiert und rief zahlreiche Nachahmungen und Variationen über das gleiche Thema hervor, so z. B. die vielen Dramen über Indianer (oder auch Inder) in England usw. Wie Yuri dem Grafen seine Geschichte erzählt, scheint er dieser Tradition entsprungen zu sein: . . . ich weiß nur, daß er [Morningstar] nackt und blos nach Amerika kam, und im vorigen Jahre mit vielen Reichthümern und Sklaven sich nach Europa einschifte. Ein schreklicher Schiffbruch rauhte ihm alles bis auf mich — ich rettete ihm damals sein Leben mit Gefahr meines eigenen, und er schenkte mir dafür die Freiheit. Ich wurde nun aus freyem Willen sein Diener, und werde ihn, so lang mich die Gottheit leben läßt, nicht verlassen. Er hat mich in Virginien vom härtesten Tod befreit, (er wischt sich die Thränen vom Aug.) (S. 26). Die Seelenbildung, die Yuri deistisch an eine »Gottheit« glauben läßt, erklärt er charakteristischerweise mit einer kulturkritischen Spitze: Isis Verbrechen für einen Neger, Gefühl haben ? Übrigens gestehe ich, daß ich einem edlen Europäer, deren es bei uns wenige giebt, meine Erziehung zu danken habe. Erfahrung und vielfältige Leiden haben das übrige gethan (S. 27). Yuri ist Morningstar dankbar und treu. Als Morningstar ihn wegjagt, weil er sich weigert, Augusta einen »kupplerischen« Brief zu überbringen, kehrt Yuri zum Schloß zurück: Da bin ich wieder, meinetwegen kann er [ Rossignol] mich einsperren. Das Leben ist mir ohnedem verhaßt, seitdem ich meinen Herrn verlohren habe (S. 68). E r ist befremdet über den Leichtsinn und die Wankelmütigkeit, die er um sich sieht. Als er Morningstar, den er in Verzweiflung zurückgelassen hat, mit Frän^chen und Augusta lustig spazierend wiederfindet, äußert sich Yuri sarkastisch: Schade, daß die Europäer nicht eine lachende und eine weinende Seite in ihren Gesichtern haben. Es kann keine leichtsinnigere Geschöpfe geben als sie, in einem und demselben Augenblicke sind sie im Stande, lachen und %u weinen (S. 51). Der Graf, der Liebesintrigen sowohl mit Frän^chen als auch Augusta einfädeln will, weil seine Natur Abwechslung verlangt, und der seinen Sohn aus Scham verleugnen will, ist in Wirklichkeit das Opfer seines bösen Dieners. Ich habe mehr Mitleid als Zorn gegen Sie, sagt die Gräfin ihrem Mann in der letzten Szene, der französische Kammerdiener wars, der Sie ganz leitete, und der die größte Schuld an allen Ihren Vergehungen hat (S. 87). Rossignol ist tatsächlich der Erzintrigant des Stückes. E r hatte das Geld für sich selbst behalten, das der Graf seinem Sohn für seine Reise nach Amerika zukommen lassen wollte. Durch seine Schmeichelei und willige Beihilfe in den Intrigen des Grafen will er ihn zur eigenen Bereicherung unter seinem Einfluß halten. Obwohl seine Charakterisierung sehr viel mit den traditionellen gaunerhaften Dienergestalten gemeinsam hat, fehlen Rossignol deren rettende Eigenschaften des Humors und der Treue dem Herrn gegenüber fast völlig. Wenn es in diesem Lust-
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spiel einen echten Bösewicht gibt, dann ist es Rossignol. Die Tatsache, daß er ein französischer Kammerdiener ist, wie ausdrücklich von der Gräfin hervorgehoben wird und wie hinreichend durch seine radebrechende Redeweise klar wird, läßt eine stärkere nationale Tendenz erkennen. Franzosen wurden oft als Gauner in Lustspielen des früheren 18. Jahrhunderts dargestellt, aber nur selten wurde wie hier ausdrücklich auf ihre Nationalität hingewiesen; man begnügte sich damit, diese durch die Sprache und andere Anspielungen anzudeuten. Das Motto, das die Weber in Schuhheims Kolonie in ihr erstes Band einweben, zeigt wiederum an, daß es sich hier nicht mehr um die kosmopolitische Gedankenwelt des früheren Lustspiels handelt: Zur Unterstü^ung des Handels, und %um Wohl des Vaterlands (S. 75). Sowohl die Hervorhebung des französischen Kammerdieners als Verführer dem schwachen deutschen Grafen gegenüber, als auch Heinrichs Versuch, die soziale Lage der Armen zu verbessern, um den Reichtum zu schützen (s. unten S. 112), lassen uns vermuten, daß das Stück sehr wahrscheinlich in den ersten Jahren nach Ausbruch der Französischen Revolution entstanden ist, vielleicht zur Zeit des ersten Koalitionskriegs, also im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Z u r A n a l y s e des S t ü c k s Zufall, Verwirrung und Täuschung treiben die Handlung voran. Im ersten Aufzug, der weitgehend der Exposition dient, werden die Fäden der Einzelschicksale zusammengeknüpft, deren Träger einander an einem Tag in dieser streng die Einheit der Zeit bewahrenden »Aktion« begegnen werden. Die S^ene ist in einem Landstädtchen, wo der Graf [Morgenstern] begütert ist (S. 10). Die damals noch übliche Einheit des Ortes wird dadurch hinreichend eingehalten, daß der Wechsel der Szenen auf Lokalitäten beschränkt wird, die sich recht nahe beieinander befinden. Wie aus dem Gespräch zwischen v. Schuhheim und Kipper (I, 1) hervorgeht, hat vor mehr als zwanzig Jahren ein deutscher Graf die Tochter des Engländers Robinson aus ihrer Heimat entführt. Dieser hat seine Tochter enterbt, seine Nichte adoptiert und ist zufällig in dieses Städtchen nach Deutschland gezogen. Dort, Robinson wie auch Schuhheim unbewußt, steht das Schloß des Entführers. Robinson ist nun vor einiger Zeit dort gestorben. Bei Beginn des Dramas wird Augusta, seine Universalerbin, erwartet, die sich einige Zeit in einer größeren Stadt aufgehalten hat und jetzt ihr Erbe antreten soll. Zur gleichen Zeit wird v. Schubheims Sohn Heinrich zurückerwartet, dessen Heirat mit Augusta ihres Reichtums wegen von seinem Vater begehrt wird. In der nächsten Szene erfahren wir, daß Graf Morgenstern, der
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Augustas Kusine entführt hatte, sich auf seinen Gütern aufhält, um sich ungestört seinen Vergnügungen zu überlassen. Die ausgelernten Koquetten der Residenz reizen ihn nicht mehr, die ländliche Unschuld ists, die ihn jetzt entzückt (S. 16). Seine galanten Bemühungen gelten zunächst besonders Kippers Tochter Frän^chen (Fanny), die er durch die Ränke seines bösen Dieners Rossignol betören möchte. Frän^chen kommt, um in den hohen Zimmern des Schlosses besser »Volant« spielen zu können. Die Flucht vor den Zärtlichkeiten des Grafen wird ihr nur durch die zufällige Ankunft ihres Vaters und Schuhheims ermöglicht. Die Zufälle häufen sich vollends durch die Ankunft Morningstars. Er ist der uneheliche Sohn des Grafen und hat seinen treuen Diener Yuri bei sich (I, 3; II, 1). Auch die Gräfin trifft ein, die sich auf der Durchreise nach Montpellier zu ihrem angeblich leidenden Manne befindet (III, 2). Dazu kehrt Heinrich (III, 1) gerade von der Einrichtung von Schuhheims neuer Kolonie zurück. Die vom Verfasser eingeflochtenen Spiele des Zufalls erzeugen viele der Verwechslungen und Verwirrungen, die der Handlung etwas von ihrer Spannung und dem Stück den größten Teil seiner Komik verleihen. Daß der Reitknecht gerade anwesend ist, als der Graf Yuri Geld für seinen Herrn gibt (II, 1), aber nicht, als Yuri es jenem empört wiedergibt, motiviert das ganze Mißverständnis, wodurch Morningstar von den Handelsleuten angeklagt wird und schließlich vor Kippers Gericht erscheinen muß. Als Yuri von Rossignol im Schloß eingesperrt wird (IV, 1), findet er den Brief, in dem der Graf seinem Diener befiehlt, Augusta zu entführen. Gerade in diesem Augenblick tritt die Gräfin herein, die Yuri für Augusta hält, womit die falsche Entführung im vierten Aufzug motiviert wird, die zu der Versöhnung des Grafen mit der Gräfin auf der Insel (V, 3) führt. Eine der wenigen, rein komischen Stellen wird auf ähnliche Weise eingeführt: da Morningstar gerade nicht hinhört, als v. Schuhheim anfängt, von seiner Kolonie zu sprechen (II, 1), kommt es zu einem für das europäische Lustspiel typischen Mißverständnis, weil Morningstar glaubt, es sei von Augusta die Rede, die er überdies für Schuhheims Tochter hält. Der derb-komische Dialog, der sich aus diesem zufällig entstandenen Irrtum entwickelt, nimmt einen unverhältnismäßig breiten Raum innerhalb des sprachlich sonst recht gedrungenen Stückes ein, bis es endlich zu einer Klärung kommt. Die Intrigen und Täuschungen aber, die dem Charakter der einzelnen Personen entspringen, sind noch wichtiger für die Handlung als die scheinbar willkürlichen Ereignisse und Verirrungen. Der Verlauf der neben- und durcheinandergehenden gegenseitigen Täuschungen nimmt den größten Teil der Handlung in Anspruch
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und verleiht dieser ihre eigenartige, freilich oft ungleichmäßige Bewegtheit. Die wesentlichen dramatischen Verwicklungen entstehen aus Intrigen selbstischer Art oder aus Irreführungen, die ein guter, lösender Zweck motiviert. Die polemische Absicht des Verfassers, der auf der Seite der Jugend steht, zeigt sich darin, daß die eigentlichen Intriganten die sozial höher gestellten »Alten« sind. Von Schuhheim verbindet den Standesstolz, den er offensichtlich mit seinem Adelspatent gerade erworben hat, mit der ränkesüchtigen Geschäftstüchtigkeit des traditionellen Lustspielvormundes. Ähnlich wie Chrysander in L E S S I N G S »Der junge Gelehrte« läßt hier Schuhheim Augusta denken, sie sei durch ein späteres Testament ihres Oheims enterbt worden, um sie durch Furcht vor der Armut zu einer Heirat mit Heinrich zu bewegen und dadurch seiner Familie ihr Erbe zu sichern. Später (IV, 2), um Augustas wachsende Zuneigung für Morningstar zu dämpfen, macht Schuhheim ihr weis, dieser hätte ihm erzählt, sein Herz sei schon verschenkt, was Augustas Zögern Morningstar gegenüber bis zum Ende des Stückes verursacht. Schuhheims Handlanger ist der Landkrämer Kipper, der aber auch bürgerlich-stolzer Handelsmann, Banquier und regierender Bürgermeister ist. Kipper ist stets eilfertig bereit, dem Grafen zu helfen, die Gräfin zu betrügen. Er frankiert zum Beispiel die Briefe des Grafen, als kämen sie aus Montpellier. Sowie Morningstar seinem Vater lästig wird, hat Kipper keine Bedenken, einen zweifelhaften Gebrauch von seiner Richterwürde zu machen, um ihn aus der Stadt zu weisen. Die Täuschungen, die von den Personen betrieben werden, die nicht zu der Gruppe der eigentlichen Intriganten gehören, stellen auch wichtige Elemente der Handlung dar. Die Gräfin z. B. hält ihre Ankunft geheim, um ihren Mann zu ertappen, und läßt sich wissentlich von Yuri mit Augusta verwechseln und nach der Insel entführen, um dort verschleiert den Grafen als Ehebrecher zu entlarven. Fränz~ chen bereitet sich geschäftig auf ihren Schultag vor (I, 1), geht aber zum Schloß des Grafen (I, 2). Damit sie zur Kolonie und zu Heinrich kommt, läßt Frän^chen ihren Vater glauben, Schuhheim wolle dringend mit ihm sprechen. Um Zeit zu gewinnen, spielt sie Schuhheim einen ähnlichen Streich. Auch der redliche Heinrich verbirgt seine Wohltätigkeit hinter einer vorgetäuschten Rauhheit, wie mit der Bauernfrau (III, 1) und Zacharias (V, 1). Szenen wie die zwei letztgenannten dienen zur Zeichnung von Heinrichs Persönlichkeit und sind retardierende Momente, in denen die Handlung zugunsten der Charakterschilderung stillzustehen scheint. Während die älteren Personen und ihre Diener (Schuhheim, Kipper, der Graf, die Gräfin, Rossignol) sich durch ihre Intrigen und andere Handlungen charaktermäßig definieren, läßt sich eine ganz andere Art der Charakterisierung bei der jüngeren Gruppe (Morning-
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star, Augusta, Heinrich, Yuri) beobachten. Sie werden weit eher durch ihre Reden als durch ihre Handlungen definiert. Jeder von ihnen geht von einer ethischen Grundhaltung aus oder, im Falle Morningstars, von einer Art psychologischer Problematik. Während diese jüngeren Personen häufig in die Intrigen der älteren verstrickt werden, haben sie selbst keinen aktiven Anteil daran. Die entgegengesetzten Arten der Charakterisierung der älteren und jüngeren Personen sind strukturelle Merkmale für eine Freude an Gegensätzen, die diesem Lustspiel innewohnt. Zu den herkömmlichen Charakter-, Alters- und Geschlechtsgegensätzen kommen in viel stärkerem Maße als im früheren Lustspiel solche Gegensatzpaare wie Adel-Bürgertum, Landesadel-Briefadel und sogar zivilisiert-wild und schwarz-weiß zum Vorschein. Diese Abgrenzungen werden besonders von den älteren Personen ernst genommen und bewahrt, wenn auch die Gegensätze und die Vorurteile, die sie auslösen, die jüngeren Personen betreffen. Das moralische Bewußtsein der bürgerlichen Komödie, die den Menschen in seiner psychologischen Beziehung zur Gesellschaft im Mittelpunkt hatte, wird aber hier durch ein praktisches soziales Bewußtsein ergänzt, dessen Träger vor allem die jüngere Generation ist. Diese Generation macht es sich zur Aufgabe, die der älteren Generation selbstverständlichen Gegensätze soweit wie möglich aufzuheben. Obwohl sie ursprünglich so verschieden sind wie ihre Eltern, befinden sich am Schluß des Stückes die jüngeren Personen auf einer sozialen und ethischen Ebene vereinigt. Morningstar und Augusta, der Hofmeister und die Gouvernante, die dem Stück seinen Titel geben, erhalten bezeichnenderweise ihre »Berufe« durch die Torheit oder die Intrigen ihrer Mitspieler. Schuhheim erwählt Morningstar zum Hofmeister für Heinrich, damit dieser lernt, wie er sich »standesgemäß« wild und verschwenderisch aufzuführen hat. Augusta wird von Kipper als Frän%chens Gouvernante angestellt, weil er ihr großzügig nach der »Enterbung« die Gelegenheit geben will, sich ihr Brot zu verdienen. Beide sind weniger handelnde Personen als Gegenstände der Machinationen anderer, die sie durch ihre Individualität und ihre verschiedenartigen Tugenden vereiteln. Um mit dem anderen möglichen Titel des Stückes zu sprechen, setzen sie, wie auch die übrigen jüngeren Personen, ihre Natur der Kunst der zynisch intrigierenden Alten entgegen. Daß Hofmeister und Gouvernante schließlich zu einander finden, dient freilich nur als glücklicher Abschluß dieses Stückes, das aus dem Ineinanderwirken gleichwertiger Handlungsstränge lebt. Von einer psychologischen Behandlung der Liebesproblematik im Zusammenhang mit irgendeinem der drei Paare, die am Ende vereint sind, kann nicht die Rede sein. Dennoch macht der Ver-
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fasser den Versuch, besonders die jüngeren Personen charakterlich zu definieren und von einander und den blasierten, oft törichten »Alten« zu differenzieren. Trotz der Knappheit der charakteristischen Reden, welche Züge zum Ausdruck bringen sollen, die ein geschickterer Dramatiker über ganze Szenen dialogisch darstellen würde, wird das anschaulich, was der Verfasser mit seinen jüngeren Personen beabsichtigt. Sie vertreten das natürliche Gefühl und eine höhere sittliche Ordnung. Sie verleihen dem Stück seinen sozialnormativen Ton und somit den Anschluß an die deutsche Lustspieltradition des Aufklärungszeitalters. Die Gestalt der Augusta ist durchaus konventionell aufgefaßt. In ihrer häufig aphoristischen Redeweise, die nur selten ihr Gefühl preisgibt, erinnert sie an die etwas steifen, dennoch geistig gewandten, weiblichen Personen aus L E S S I N G S frühen Lustspielen, wie z. B. Juliane im »Freygeist«. E s fehlt ihr die glückliche Verbindung von Witz und Gefühl einer Minna von Barnhelm. Es wirkt in ihr aber ein hoher Grad von Selbstbeherrschung und ein unbeirrbarer Sinn für die Tugend. Durch diese Eigenschaften weist Augusta die mannigfaltigen Versuche, sie zu überlisten, mit Ruhe und fast unbewußt ab, um schließlich dem Z u g ihres Herzens zu folgen. Bevor Augusta, die hübsche Engelländerin, im Städtchen ankommt, ist Kipper Schuhheim gegenüber voller Zuversicht, daß er sie bald zu einer Heirat mit Heinrich werde bewegen können: Lassen Sie mich nur machen, ich will ihren Ton gewiß herunterstimmen, sie soll so kirre werden, daß sie mich auf den Knien um mein Fürwort hei Ihrem Sohn bitten soll (S. 14). Allerdings ist Augusta zunächst von dieser Nachricht wie vom Donner gerührt, aber die Bestürzung weicht bald einer ethischen Überlegenheit, welche Schuhheims Pläne zunichte machen wird: Ach der Verlust meines Reichthums schmerzt mich nicht so sehr wegen mir, als wegen des unglücklichen Geschöpfs, das durch die Enterbung seiner Mutter zum Bettler geworden ist, den ich nun nicht mehr Unterstufen kann. Wo will der arme Verstossene sich nun hinwenden ? (S. 22). Als sich Schuhheim nachher spöttisch erkundigt, wie sie sich in ihrem neuen Stand als Gouvernante gefiele, zeigt Augusta die Züge, die sie, wie der Graf sagt, zur schönen Sittenrednerinn machen: Ich kann mich hierüber wohl beruhigen, und mein jeziger Vermögenszustand ist mir angenehmer, als ein auf die Trümmer fremden Unglücks gebauter Reichthum (S. 63). Solche Sentenzen deuten an, daß Augusta ihre Umwelt kritisch betrachtet. Ihre sittliche Redlichkeit und Offenheit bewahrheiten ihren »sprechenden Namen« Augusta Frank. Im Gegensatz zu Frän%chen, die sie liebe Kleine nennt, ist Augusta erwachsen, gebildet und selbstbewußt. Frän%chen kann sie nur anstaunen: Ach nun seh ich den Unterschied ^wischen den Stadtfungfern, und uns einfältigen Landmädchen,
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Sie sind ein wahres Frauenzimmer und wir sind nur Dratpuppen; ?nit aller meiner Ziererei wäre ich in der Stadt nur noch eine Meerkatze (S. 20). In ihrer Empörung über die Zudringlichkeit des Grafen erteilt Augusta dem Mädchen einen scharfen Verweis: O Fanny, wenn Männer von höherm Stand sich zu uns herablassen, so geschieht's nicht um ms zu erhöhen, sondern uns aufs tiefste zu erniedrigen (S. 48). Der Verfasser strebt sichtlich eine Erklärung dafür an, daß Augusta sich zum tugendhaften Heinrich, der ihr unter den männlichen Personen am meisten entspricht, nicht hingezogen fühlt. Anstatt der L o g i k der Liebe freies Spiel zu lassen und ungleiche Partner zueinander zu gesellen, wie es in vielen Lustspielen, z. B. dem »Freygeist«, ohne weiteres üblich war, läßt der Verfasser Augusta eine forcierte und kaum motivierte Erklärung abgeben, die gleichzeitig ihren sittlichen Spürsinn rettet und der Absicht der Handlung Genüge tut: Dieser Heinrich ist eine unansehnliche Schale, die den kostbarsten Kern enthält, aber für mich ist er nicht. Muntres, genialisches Betragen dient eher dazu, mein zur Schwermuth geneigtes Gemüth aufzuheitern (S. 78). Fast bis zum Ende des Stückes erklärt Augusta die Anziehungskraft, die Morningstar, der Besitzer dieses genialischen, munteren Betragens, auf sie ausübt, durch ihre entfernte Verwandtschaft mit ihm. Als sie erfährt, daß Morningstar der Sohn ihrer Kusine Cäcilie Robinson ist, sagt Augusta: Ihr Sohn! also mein unglücklicher Vetter! — Nun begreife ich den Zug meines Herzens, das mich so ungestümm zu ihm hinreißt (S. 51). Über diese Andeutungen ihrer N e i g u n g geht Augusta allerdings nicht hinaus. Als schließlich am Ende des Stückes alle Mißverständnisse zwischen ihnen geklärt sind und Morningstar das Vermögen mit Augusta in der Ehe teilen soll, sagt er: Wenn ich dann Zum Glück bestimmt bin, so ist hier mein Muster... Nach ihr will ich mich bilden, um meines Glückes ganz würdig zu werden (S. 89). Somit wird die bürgerliche Augusta, die neben Liebreiz und Reichtum Tugend, Sittsamkeit, Empfindsamkeit und Vernunft besitzt, dem adligen Morningstar als Muster zugesellt, um ihn zu bilden, um das Feuer und den Mut, die Qualitäten, die mit seinem Stand identifiziert werden, zu läutern. Morningstars Worte scheinen auf eine solche didaktische Auslegung des Schlusses zu deuten, die auch das einseitig Exemplarische an Augustas Charakterisierung erklären würde. Dementsprechend zeichnet sich auch Morningstar durch ein paar wesentliche Z ü g e aus. Er ist schön ... wild wie der Teufel (S. 17). Seine Wildheit, wie die mehrerer Lustspielgestalten des Sturm und Drang und der nachklassischen Zeit, hat zwei Aspekte. Einerseits ist Morningstar ausschweifend und lüderlich (S. 27), andererseits aber feurig, stolz und edler Empfindungen fähig.
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Morningstar ist die einzige Person, für deren Eigentümlichkeit eine psychologische Erklärung geboten wird. Nach Ubereinstimmung der verschiedensten Charaktere stammt die Wildheit seines Wesens von der Tatsache her, daß sein Vater, der Graf, ihn verstoßen hat. Am ehesten erinnert Morningstar durch den Witz und das Pathos, die er im Zusammenhang mit dieser Frage entwickelt, an die unehelichen Söhne des SHAKESPEARESchen D r a m a s ; man denke z. B . an
Edmund in »King Lear« oder Philip Faulconbridge in »King John«. Einen schwachen Scherz in diesem Sinne erlaubt sich Morningstar,
als Schuhheim sagt: Ich wußte nicht, daß er [der Graf] einen Sohn habe. Aber er will Sie nicht vorlassen, was für ein unnatürlicher Vater! Darauf
antwortet Morningstar mit erbitterter Trockenheit: Und ich bin doch seingan^ natürlicher Sohn (S. 35—36). Eines solchen »Understatements« ist er aber nur selten fähig. Als er sich endlich im Schloß befindet, gibt Morningstar dem ganzen Schmerz seiner elenden Lage Ausdruck.
Es ist traurig, seinen eignen Vater nicht zu kennen, nicht zu wissen was man ihm sagen soll! -— Ich will ihm sagen, daß ich ein guter Junge bin, daß ich ihn ehre, daß ich seine Stü^e, sein Trost seyn will, und wenn er mich fortjagt, will ich doch bleiben, und ihn so lange bitten, bis er mich da behält... Welcher Unsinn, weil vor meiner Geburt ein paar Ceremonien und Gebetformeln ausgelassen worden sind, darf ich meinen Vater nicht Vater nennen, seinen Namen, seine Güter nicht erben. Diese paar Worte hätten mich vielleicht zum Stol^ meiner Aeltern, zum Liebling der Unterthanen, zum Vater der Armen gemacht, und ohne sie bin ich ein armer Verstoßner, von Jedermann verachtet und geflohen, ohne Rang, ohne Stand, ohne Freund! (S. 42—43). Seine moralische Schwäche führt Morningstar auch auf dieses Schicksal zurück. Als Yuri sich weigert, Augusta einen Brief zu überbringen, weil ihn das zum »Kuppler« machen würde, sagt Morningstar: Ich
hatte keine Idee von Seiner amerikanischen Ehrlichkeit. — Dieser Wilde hat mehr Gefühl von Recht und Unrecht, als ich — aber er hatte auch einen
Vater! (S. 67). Auch Yuri wirft dem Grafen vor, durch die Nichtanerkennung seines Sohnes an diesem schuldig geworden zu sein:
Er ist ausschweifend und lüderlich, das ist wahr, er ist wild wie ein Teufel, aber wer ist Schuld daran ? Hat ihn Jemand über seine Pflichten je belehrt ? Haben Sie ihn nicht außer Stand gese^t, der heiligsten von allen, der Dankbarkeit in seinem Herfen Plaz zugeben} (S. 27). Die volle Schmach von Morningstars Lage in den Augen der Gesellschaft wird aus den brutalen Worten Kippers klar: Und was sind Sie denn anders als ein Vagabund? ein unselig Mittelding zwischen Edelmann und Bürger, dergleichen wir dem Herrn Grafen Morgenstern mehr als ein halbduzend zu verdancken haben? (S. 58). Morningstars Situation als unehelicher Sohn, die Entfremdung von seinem Vater und der Gesellschaft, ist in Ansätzen ein Element des Tragischen in diesem Lustspiel. Auf jeden Fall ist es ein Motiv,
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das, durch die Häufigkeit und Intensität, mit der es erscheint und besprochen wird, dem Stück ein stärkeres psychologisches und soziales Schwergewicht hätte geben können. Morningstar wird auch von der Verzweiflung angefallen. In der ersten Szene des fünften Aufzuges will er sich plötzlich von Augusta verabschieden und erinnert an eine Gestalt wie Teilheim, wenn er sagt: Ueberall verfolgt, von meinem Vater verläugnet, was bleibt mir übrig ? Hier ist meines Bleibens nicht. leb will in den Krieg gehn, vielleicht entreißt mich bald eine wohlthätige Kugel meinem traurigen Los (S. 79). Aber ehe dieser Gedankengang weiter entwickelt werden kann, wird Morningstar durch die Ankunft Johanns mit der Banknote wieder weggejagt. Solche Unterbrechungen jedes ernsthaften Dialoges durch die Handlung lassen häufig das Pathos der Lage im unmittelbaren Kontext überspannt und sogar wie unfreiwillige Komik wirken. Das leichte Gerüst dieser Handlung hält das Gewicht einer solchen Problematik nicht aus. Somit wird das potentiell tragische Motiv von Morningstars Illegitimität herabgestimmt zu einem bloß rührenden Moment. Zu solchem Zweck bestimmte Motive des zu Unrecht oder durch Verkennung ausgestoßenen Sohnes sind schon bei P L A U T U S zu finden und blieben weiterhin beliebt, um eine Lustspielhandlung zur Verwicklung zu führen, die schließlich mit einer rührenden Versöhnung von Vater und Sohn enden sollte. Der Verfasser will offensichtlich die pathetischen Aspekte des Konflikts zwischen dem Grafen und seinem Sohne hervorheben. Daß der Sohn aber auch unehelich ist, findet sich wesentlich seltener als dramatisches Motiv; es tritt hier und da im englischen Drama des 18. Jahrhunderts (R. C U M B E R L A N D , »The Natural Son«) auf, wie auch im französischen rührenden Lustspiel ( D I D E R O T , »Le fils naturel«) und später bei K O T Z E B U E (»Das Kind der Liebe«). In unserem Stück scheint das Motiv hauptsächlich als pathetische Steigerung der konventionellen Vater-Sohn-Problematik angewendet zu sein. Der Gestalt des Morningstar fehlt die innere Konsequenz. Seine Stimmungen, das Wanken zwischen Heiterkeit und Melancholie folgen einander zu rasch, als daß sich eine glaubwürdige psychologische Darstellung abzeichnen ließe, auch gemessen an den dynamischeren Begriffen der Charakterisierung, die seit dem Sturm und Drang geläufig waren. Die Ungeschicktheit des Verfassers, seine Unfähigkeit, einen anhaltenden ernsthaften Dialog zu entwickeln, ja, seine offensichtliche Flucht davor in Handlungstrivialitäten lassen eine mögliche sozialkritische Nebenabsicht fehlschlagen, wenn auch oft die Darstellung von Morningstars Schicksal eine allgemeinere Anklage zu erheben scheint. Philanthropisch-didaktische Züge treten wesentlich deutlicher und gelungener hervor in der Gestalt Heinrichs, Schuhheims Sohn,
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dem Morningstar häufig als Folie dient. Ist Morningstar wild und verschwenderisch, so ist Heinrich bescheiden und sparsam. Gibt Morningstar sein Geld für Wein, Kleider und Pferde aus, so spendet Heinrich seines den Armen. Morningstar und Heinrich sind allerdings nicht gegensätzlich, sondern komplementär gedacht, denn Heinrich geht auch manche positive Eigenschaft ab, besonders in den Augen seines Vaters: Ich will ihn [Morningstar] in mein Haus als Hofmeister nehmen, damit er mir meinen Heinrich nach der großen Welt bilde. Was gäV ich nicht drum, wenn ich diesen Bursch lebhafter machen könnte. Hütt' er Feuer, so wäre er ein vollkommner junger Mensch, aber sein stilles Betragen macht, daß man nicht den hundertsten Theil der Geschicklichkeiten bei ihm vermuthet, die er wirklich besi^t. Ich wüste nicht, was ihm abgienge. Sprache, Musik, zeichnen, Tanten, Fechten, Reiten, alles ist ihm eigen, er ist ein Magazin der Gelehrsamkeit, und eine Musterkarte der Tugenden, aber es fehlt ihm eine Eigenschaft, die heut zu Tage mehr gilt als Gelehrsamkeit und Tugend: — die Dreistigkeit, und so wird er nie sein Glück in der grosen Welt machen (S. 44). Augustas Äußerung über Heinrich (S. 78) deutet auch auf Heinrichs mangelnde Lebhaftigkeit. Weit mehr als Morningstar oder Augusta steht Heinrich in einem sozialen Gegensatz zu seinem Vater und dessen adligen Prätentionen. Nicht nur weigert er sich, sich von Schuhheim zu nennen. Er zieht seinen bürgerlichen Namen Heinrich Schuster vor. Er vereitelt auch die landesherrlich-kommerziellen Pläne seines Vaters, eine Kolonie als Badeort und Spielplatz für die Reichen einzurichten. Er siedelt dort Weber, Handwerker und Bauern an. Ja, lieber Vater, sagt er, ich dachte es sei weit beßer %wei arbeitsamen Familien Brod zu schaffen, als eine Menge Müßiggänger in ihrem Nichtsthun zu Unterstufen und %um Betrug auf muntern (S. 75). Diese Bemühungen sollen die praktische Wohltätigkeit des Bürgers, der aus aufgeklärtem Selbstinteresse handelt, von der Fahrlässigkeit und Willkür des Adels abheben. Die Weber und Bauern nämlich waren zuvor auf jener Insel dort, [auf der V, 3 spielt], die dem Grafen gehört, und starben fast vor Hunger wegen den vielen Abgaben, und Mangel an Erwerb (S. 75). Auf der Insel selbst muß der Graf nachher zugeben: Wenn Rossignol das Mädchen bringt so weiß ich nicht, wo ich sie hinführen soll. Die Hütten sind beinahe vermodert, man hat alles verfallen lassen (S. 85). Heinrichs »Programm« ist allerdings konservativ und revolutionsverhütend. Der Segen der Armen ist die sicherste Schuzyehr des Reichthums (S. 77), antwortet er, als sein Vater ihn vor zu großer Freigebigkeit warnt. Ganz im Sinne vom Sturm und Drang liegt Heinrich viel an Freiheit und Gerechtigkeit. Er grübelt über den Bauern nach, der wegen Nichtzahlens seiner Abgaben im Gefängnis sitzt: Ich dachte eben, lieber Vater, wie grausam es sei, einen ohne sein Verschulden arm gewordenen Mann wegen einiger Gulden Steuern Rückstand ins Gefäng-
Zur Analyse des Stücks
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niß zu werfen. Die Freiheit ist so süß, und doch hält man es für gering, einen dieses kostbaren Guts zu berauben (S. 62). Schließlich beweist Heinrich sogar, daß er das von seinem Vater so begehrte »Feuer« besitzt, indem er, im Glauben Fanny zu retten, Augusta »entführen« hilft. Noch deutlicher als Augusta und Morningstar hebt sich Heinrich von dem Zynismus und den Prätentionen der älteren Personen ab. Nach dem Spielraum zu beurteilen, der seiner spröden und oft tendenziösen Tugend und Wohltätigkeit im Rahmen des Stückes geschaffen wird, stellt Heinrich gewissermaßen das Ideal des Verfassers dar, in dem konservativ-reformatorische Ziele mit einem praktischen Nationalbewußtsein verbunden werden. Heinrich arbeitet Zur Unterstützung des Handels und zum Wohl des Vaterlands (S. 75). Während Heinrich durch philanthropisches Handeln sozialen Mißständen Abhilfe schaffen will, und Morningstar und Augusta durch Mut und edles Gefühl ihre menschliche Würde gegen die Ränke ihrer Mitspieler behaupten, vertritt Yuri mit seiner »amerikanischen Ehrlichkeit« den ethischen Bereich auf strenge Weise und mit absoluten Maßstäben. Als der Graf für Kipper ein teures Pferd satteln läßt, macht ihm Yuri die bittersten Vorwürfe: Einem Fremden geben Sie ein Pferd zu verderben, das Ihnen hundert Karolinen kostet, und Ihrem eignen Sohn versagen Sie ein paar Gulden, um seinen Schneider und Schuhmacher z» bezahlen (S. 27). E r ermahnt den Grafen zur Tugend, indem er ihn an die Stimme der Natur erinnert. Als ihn der Graf aber mit Geld abfinden will, weist es Yuri zornig zurück: 0 wie hab ich mich geirrt, da ich glaubte, eine edle Regung habe sich ihres Herzens bemeistert! (S. 28). Nicht minder streng verfährt er mit der Gräfin, als er glaubt, daß sie Augusta ist und sich willentlich von den Handlangern des Grafen entführen lassen will: Noch ein Wort Mamsell. Ihre wohlthätige Gesinnung gegen mich weiß ich zu schäzen. Weil Sie sich aber dem alten Wohllüstling selbst in die Hände spielen wollen, so veracht ich Sie und Ihren Beistand (S. 71). Nachdem sie abgeführt worden ist, sagt Yuri: Nicht eine taube Nuß geb' ich für deinen Charakter, du lockre Dirne! — An der hab ich mich betrogen... (S. 71). Yuri ist nicht nur selbst ein Prüfer der ethischen Gesinnungen, sondern seine Gestalt ist gleichsam ein Prüfstein für den Charakter des jeweils ihm Begegnenden. Die Reaktionen der verschiedenen Personen sind vorsichtig abgestuft. Dritten gegenüber nennt Morningstar Yuri: meinen Mohren (S. 35), wohl noch eine neutrale Beschreibung. Der Hausknecht des Wirtshauses ruft aber: Hui was für ein schwarzer Kerl! (S. 23), und später, als Yuri vor Wut pfeifend abgeht: Das ist der Teufel selbst! (S. 24). Als er ihn zum erstenmal erblickt, fragt sich der Graf-. Aber was kommt da für ein Mohrengesicht! (S. 25). Gerührt sagt er später: Mensch! Das hast du nicht aus dir, so spricht kein Neger (S. 27). Rossignol nennt ihn ce maudit negre (S. 69). 8 KOMEDIA XV
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Materialien
Nur die Gräfin erwähnt nicht seine Hautfarbe, sondern sagt bei ihrer ersten Begegnung mit ihm lediglich: Eure Miene verspricht Ehrlichkeit (S. 60) und nennt ihn später einen rechtschaffenen Mann (S. 71). Daß Yuris Wesen, wie auch das seines Herrn, nur von den Personen richtig erfaßt wird, die im Stück auf der Seite der Tugend stehen, stellt einen Sieg seiner Natur über die künstlichen Vorurteile der Gesellschaft dar, gegen welche, unter dem Einfluß R O U S S E A U S , schon das Sturm und Drang-Drama Anklage erhoben hatte. L i t e r a t u r (in A u s w a h l ) F. (Hg.): Das deutsche Drama. In Verbindung mit Julius Bab, Albert Ludwig, Friedrich Michael, Max J. Wolff und Rudolf Wolkan hg. von Robert F. Arnold. München 1925. (Das Kapitel Ludwigs über Iffland und Kotzebue, Gemmingen und Großmann bietet eine wertvolle allgemeine Orientierung für die Entstehungszeit unseres Stückes und ihre bühnenliterarischen Strömungen.) B R O M B A C H E R , K U N O : Der deutsche Bürger im Literaturspiegel von Lessing bis Sternheim. München 1920. (Auch an weniger bekannten Autoren stellt Brombacher die Motive dar — Standesvorurteile, Titelsucht, Gegensatz zwischen Stadt und Land usw. —, die im bürgerlichen Drama und im Lustspiel des ausgehenden 18. Jahrhunderts vorwiegen.)
ARNOLD,
ROBERT
Germany in the Eighteenth Century: The Social Background of the Literary Revival. Cambridge (England) 1959. (Darstellung der wesentlichen gesellschaftlichen Stände Deutschlands im 18. Jahrhundert und ihrer politischen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen.) H I N C K , W A L T E R : Das deutsche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts und die italienische Komödie. Stuttgart 1965. (Umfassende Darlegung der thematischen und strukturellen Zusammenhänge zwischen der italienischen »commedia dell'arte« und dem deutschen Lustspiel mit besonderer Berücksichtigung der plautinischen Einflüsse, die durch dieses Medium auf die deutsche Komödie gewirkt haben, wie auch in Hofmeister und Gouvernante ersichtlich ist.) H O L L , K A R L : Geschichte des deutschen Lustspiels. Leipzig 1923. (Enthält im Teilkapitel »Mitläufer« eine brauchbare, wenn auch allzu abschätzige Darstellung der Lustspiele Schröders, Ifflands und Kotzebues.) K I N D E R M A N N , H E I N Z : Theatergeschichte Europas. Bd. IV u. V. Von der Aufklärung zur Romantik (1. u. 2. Teil). Salzburg 1962. (Unter anderem eine Wertung der bürgerlichen Dramen des späten 18. Jahrhunderts vom theatralischen und schauspielerischen Standpunkt aus, die das ständige Bedürfnis nach zwar literarisch fragwürdigen, aber bühnenwirksamen Stücken zu verstehen hilft.) PIKULIK, LOTHAR: »Bürgerliches Trauerspiel« und Empfindsamkeit. ( = Literatur und Leben. N. F. Bd. 9) Köln, Graz 1966. (Die thematischen und motivischen Ursprünge des bürgerlichen Trauerspiels werden hier auf die sächsische Komödie zurückgeführt und auf das BRUFORD, W[ALTER] H[ORACE] :
Worterklärungen
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geistige Klima der Empfindsamkeit, das sie nährte. Zum Teil leben diese selben Motive noch in unserem Stück fort, deren Entfaltung im früheren deutschen Lustspiel von Pikulik dargestellt wird.) SCHAER, WOLFGANG: Die Gesellschaft im deutschen bürgerlichen Drama des 18. Jahrhunderts: Grundlagen und Bedrohung im Spiegel der dramatischen Literatur. ( = Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur. Bd. 7) Bonn 1963. (Nachdem er eine typologische »Verschmelzung« des rührend-weinerlichen Lustspiels und des bürgerlichen Trauerspiels, wie auch die daraus hervorgehende Gattung des »Gemäldes«, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts feststellt, untersucht Schaer anhand von mehr als 350 Stücken, meistens »zweit- und dritträngige Gebrauchsliteratur für die damaligen Bühnen«, die »im bürgerlichen Drama dargestellte Wirklichkeit«. Diese Untersuchung erfolgt unter den Gesichtspunkten der ethischen und gewerblichen Grundlagen bürgerlichen Lebens, Gefährdung der Familie durch soziales Streben und inner- und extrafamiliärer »Störfaktoren«. Das Buch enthält eine reichhaltige Bibliographie der Texte in Gesamt- und Einzelausgaben.) STAMMLER, WOLFGANG: »Der Hofmeister« von Jakob Michael Reinhold Lenz. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts. (Diss.) Halle 1909. (Enthält eine sorgfältige Beschreibung der Figur des Hofmeisters im deutschen Drama vor Lenz.) STEINMETZ, HORST: D i e K o m ö d i e der A u f k l ä r u n g . Stuttgart 1966. ( G e -
schichte der Lustspielgattung in Deutschland vom späten 17. Jahrhundert bis zu Lessings »Minna von Barnhelm«.) STEPHAN, GUSTAV: Hofmeister und Gouvernante. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte. N . F. Bd. I, 1891. (Beschreibt aus historischen Quellen die Rolle des Hauslehrers im Deutschland des 18. Jahrhunderts und erklärt den sozialen Aspekt dieses Motivs in unserem Stück.) WICKE, GÜNTER: Die Struktur des deutschen Lustspiels der Aufklärung: Versuch einer Typologie. ( = Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. Bd. 26) Bonn 1968 2 . (Um die kritisch bisher ungenügend erfaßte Vielfalt der Lustspieltypen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts darzulegen, stellt Wicke eine »Morphologie« des Lustspiels von Gottsched bis Lessing auf, indem er eingehend die Voraussetzungen und Formen der typologischen Möglichkeiten untersucht. Wicke unterscheidet zwischen dem »satirischen« und dem »empfindsamen« Lustspiel, dem Lustspiel als »Spiel« und als »Drama«. Die Untersuchung gipfelt im Ineinanderwirken und Ausgleich dieser Tendenzen in Lessings »Minna von Barnhelm«.)
Worterklärungen aufführen: einführen, bei jm. bekannt machen. Banko^ettel: Banküberweisung an einen Gläubiger. Im Zusammenhang mit der Erwähnung des Wortes (S. 25) muß es sich wohl um eine durch die Post erhaltene Nachricht handeln, daß eine solche Überweisung von Seiten des Grafen als Schuldners stattgefunden hat. 8»
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Materialien
Genaueres zu einem »Banco-Zettul« siehe bei Joh. Heinrich Zedier, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 3 (1733), Sp. 3 1 4 und Bd. 61 (1749), Sp. 1806. Bedingniß: gleichbedeutend mit Bedingung. V o n Campe nur als sächliches Hauptwort verzeichnet (und als solches im Oberdeutschen gebraucht); von Grimm als sächlich und (wie im »Hofmeister« verwendet) weiblich vermerkt. Bei Adelung unerwähnt, jedoch u. a. auch von Wieland, Goethe und Tieck benutzt. Bleiweiß: Bleistift. Dazu Adelung: » . . . auch das Wasserbley oder Reißbley, wird von einigen Bleyweiß, und schwarzes Bleyweiß genannt. Daher der Bleyweißschneider, der dasselbe zu Bleistiften zubereitet.« Bündel: als männliches Hauptwort nach Adelung und Campe im Oberdeutschen gängig. Chaise: halboffener Wagen, zweirädrige Halbkutsche. gebrennt: schwaches Partizip von »brennen«, als Adjektiv gebraucht: in Liebe entzündet, entbrannt; verliebt. genialisch: eigenen, schöpferischen Geist bekundend. gerecht: was gemäß, passend ist oder paßt, wie z. B. Stiefel. großmütig (»eine grosmüthige Lüge«): übermütig, frech. Seltener Gebrauch dieses Wortes in negativem, tadelndem Sinn. Nicht in dieser Bedeutung von Adelung oder Campe vermerkt. Karolin (Carolin) m.: allgemeiner Name verschiedener Münzsorten, die von Fürsten namens Karl, Carl geschlagen wurden. In Deutschland sind es Goldmünzen, die z. B . vom bairischen Kurfürsten, aber auch anderen Landesherren geschlagen wurden und im Reiche etwa 1 1 — 1 2 Gulden wert waren. Komedien^ettel: kann sowohl Theater-»Programm« wie auch Theaterbillett bedeuten. D a es in dem gegebenen Zusammenhang (S. 25) etwas Negatives meint, ist vielleicht an vom Theater zugeschickte Billetts zu denken, die früher oder später zu bezahlen sind. Konventionstaler: seit 1750 von verschiedenen Reichsständen geprägte Münze. Keller: Kellner. Nach Adelung ist die Form vornehmlich im Oberdeutschen üblich. Meerkatze: Scheltwort für ein äffisches oder hämisches Weib (Grimm). Im »Hofmeister« für eine leichtfertige, übermütige, freche oder auch äffische Person gebraucht. In diesem Sinn weder bei Adelung noch Campe verzeichnet. mein! : »ein Ausruf, welcher eine mit Verwunderung verbundene Frage begleitet«. (Campe) Pfirsche: Pfirsich. rechtlich: rechtschaffen, ehrlich, anständig, ehrenwert. Roturier (frz.): ein Bürgerlicher Schmidte: Schmiede. (heraus) sprengen: springen machen, schnell laufen machen. überweisen: mittels eines Beweises zum Geständnis bringen. unge^ineifelt: unbezweifelt. verzweifelt: vertrackt, verflixt. Volant: Federball.
Worterklärungen
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Whisky: kabriolettartiges Fuhrwerk mit hohem Gestell, leichter zweirädriger Einspänner. Windflügel: leichtsinniger, leichtfertiger Mensch. Windlips: windiger Mensch, Windbeutel. Zwischenakt: Pause zwischen den Akten eines Dramas. Eventuell konnte während dieser Pause eine musikalische Einlage dargebracht werden.
INHALTSVERZEICHNIS Text Seite
Der Hofmeister und die Gouvernante
7
M a t e r i a l i e n zum V e r s t ä n d n i s des T e x t e s Editionsbericht
90
Zur Entstehungsgeschichte
94
Gattungsgeschichtliche Einordnung
96
Zur Analyse des Stücks
104
Literatur (in Auswahl)
114
Worterklärungen
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Siebs Deutsche Aussprache Reine und gemäßigte Hochlautung mit Aussprachewörterbuch Herausgegeben von H E L M U T DE BOOR, HUGO M O S E R u n d C H R I S T I A N W I N K L E R
19., umgearbeitete Auflage Groß-Oktav. IX, 494 Seiten. 1969. Ganzleinen DM 3 2 —
Inhalt: Vorwort — Einführung — Zum Begriff der Hochlautung — Allgemeines zur Aussprache in der Hochlautung (Grundbegriffe, Einleitung der Laute, Phonetische Schreibung, Das Phonemsystem der deutschen Hochlautung (G.
UNGE-
HEUER), Zur Aussprache von Wörtern fremder Herkunft) — Die Laute im Einzelnen — Die Wortbetonung — Zur Klanggestalt des Satzes — Die Anwendung der Hochlautung (Abweichungen von der gemäßigten Hochlautung: Alltagslautung, Landschaftliche Besonderheiten: Norddeutschland, Mitteldeutschland — Mittel- und Süddeutschland — Süddeutschland, Österreich, Schweiz — Sonstige landschaftliche Eigentümlichkeiten, Bühnenaussprache, Kunstgesang, Hörfunk, Bildfunk und Film, Öffentliche Rede, Fernmeldewesen, Unterricht) — Literaturhinweise — Wörterverzeichnis:
Vorbemerkungen,
Abkürzungen.
Walter de Gruyter & Co • Berlin