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German Pages 218 Year 2002
ANDRÉ POHLMANN
Die Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 268
Die Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten Ein Beitrag zur culpa in contrahendo und zur positiven Forderungsverletzung unter Berücksichtigung der Schuldrechtsreform
Von André Pohlmann
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pohlmann, André: Die Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten : ein Beitrag zur culpa in contrahendo und zur positiven ForderungsVerletzung unter Berücksichtigung der Schuldrechtsreform / André Pohlmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 268) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10656-3
Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10656-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ
Meinen Eltern und meiner Frau
Vorwort Die vorliegende Untersuchung beinhaltet die aktualisierte Fassung einer Dissertation, welche im Sommersemester 2001 von der Juristischen Fakultät der Universität Trier unter dem Titel „Die Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten. Ein Beitrag zur culpa in contrahendo und zur positiven Forderungsverletzung unter Berücksichtigung der Reformvorschläge der Schuldrechtskommission'4 angenommen wurde. Erst nach Fertigstellung der Dissertation stellte sich heraus, daß das Schuldrechtsreformprojekt nun tatsächlich in ein Gesetz münden sollte. Ich habe daher die seit dem 01. Januar 2002 bestehende neue Rechtslage berücksichtigt, soweit das Thema dieser Arbeit durch die Schuldrechtsmodernisierung berührt wurde. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Horst Ehmann für die intensive und herzliche Betreuung und die wertvollen Anregungen bedanken. Viele seiner Gedanken sind in diese Arbeit eingegangen. Besonderer Dank gebührt ferner Herrn Prof. Dr. Peter Reiff für die zügige und äußerst sorgfältige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Ulrike Walter und Herrn Heinz-Dieter Linke für das Korrekturlesen der Arbeit. Schließlich danke ich meiner Frau, die mir während der gesamten Zeit tapfer zur Seite gestanden hat. Ohne ihre Geduld und Unterstützung wäre diese Arbeit nicht fertiggestellt worden. Alicante, im Januar 2002
André Pohlmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung
19 Erster Teil Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
§1
§2
Aufklärungspflichten als Schutzpflichten
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I. Leistungspflichten und Schutzpflichten 1. Pflichten und Ansprüche 2. Erwerbsansprüche und Schutzansprüche a) Erwerbsansprüche b) Schutzansprüche aa) Gesetzliche und vertragliche Schutzansprüche bb) Unentwickelte und entwickelte Schutzansprüche cc) Schutzbereiche der Schutzansprüche 3. Die „Störung" des Pflichttatbestandes 4. Die „Pflichtverletzung" als neuer Haftungstatbestand II. Die Aufklärungspflicht 1. Der Aufklärungsanspruch als Informationsschutzanspruch 2. Verletzung der Aufklärungspflicht durch Handeln oder Unterlassen 3. Die These vom informationellen Vorsatzdogma des BGB 4. Die Schutzbereiche der Aufklärungspflicht 5. Terminologie und gesetzliche Beispiele des BGB
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Die Rechtsnatur vor ver traglicher Aufklärungspflichten I. Vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten 1. Der Vertrag als Rechtsgrundlage a) Hauptvertrag als Haftungsgrund b) Vorvertrag als Haftungsgrund c) Einseitiges Rechtsgeschäft als Haftungsgrund 2. Das Bürgerliche Gesetzbuch a) § 122 BGB aa) Entstehungsgeschichte bb) Heutige Interpretation b) § 179 BGB aa) Entstehungsgeschichte bb) Heutige Interpretation c) § 3071 BGB a. F. aa) Entstehungsgeschichte bb) Interpretation des § 307 BGB a. F.
36 37 37 37 39 39 40 41 41 43 44 44 46 49 49 50
10
nsverzeichnis d) §§5231, 5241, 600 BGB e) § 663 BGB f) Fazit 3. Der Vertrauensgedanke als Rechtsgrund der Haftung a) Kritik an der Vertrauenshaftung aa) Das berechtigte Vertrauen bb) Die Gefahr von Zirkelschlüssen cc) Das Vertrauen als haftungsirrelevante „Konstante des Gemeinschaftslebens" dd) Wird das Verhandlungsverhältnis von Vertrauen geprägt? b) Die Bedeutung des Vertrauens 4. Versuch einer eigenen Annäherung an die Problematik a) Das Verhandlungsverhältnis als Vertrag? b) Erweiterung des Deliktsrechts de lege ferenda? aa) Die deliktsrechtliche Generalklausel bb) Erweiterung vermögensbezogener Verkehrspflichten cc) Die deliktische Gehilfenhaftung gemäß §831 BGB (1) Entstehungsgeschichte (2) Die Aushebelung des § 831 BGB durch die Rechtsprechung ... c) Die Vertragsverhandlung als gesetzliches Schuldverhältnis aa) Das Verhandlungsverhältnis als Forum der Vertragsfreiheit bb) Deliktsrechtlicher Schutz der Vertragsfreiheit? cc) Begrenzung auf vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten .... II. Auf das Integritätsinteresse gerichtete Aufklärungspflichten 1. Das Bürgerliche Gesetzbuch a) Entstehungsgeschichte des § 694 BGB b) Heutige Interpretation 2. Vertrauen und sozialer Kontakt 3. Die Einbindung vorvertraglicher Integritätsschutzpflichten in das Deliktsrecht
§3
Die Rechtsnatur vertraglicher Aufklärungspflichten I. Der Vertrag als Geltungsgrund 1. Die „Entdeckung" der positiven Forderungsverletzung 2. § 276 BGB als Anspruchsgrundlage? 3. Die positive ForderungsVerletzung als gewohnheitsrechtlich anerkanntes Institut II. Das einheitliche gesetzliche Schutzpflichtverhältnis III. Stellungnahme IV. Versuch einer eigenen Annäherung an die Problematik 1. Die These 2. Aufklärungspflichten des Beauftragten a) § 665 S. 2 BGB b) §666 Alt. 1 BGB 3. Der Begriff der Geschäftsbesorgung a) Das mandatum des römischen Rechts b) Das Mandat in der Gesetzgebungsgeschichte des BGB
52 53 53 54 54 55 56 57 59 60 60 61 61 61 62 64 64 65 66 67 68 68 69 70 70 71 72 75 77 78 78 80 81 82 83 84 84 85 85 86 86 87 88
nsverzeichnis c) Der Geschäftsbesorgungsvertrag im heutigen Recht aa) Einheitlich enge Auslegung des Geschäftsbesorgungsbegriffes .... bb) Die einschränkende Auslegung der Geschäftsbesorgung in § 6751 BGB (1) Selbständige Tätigkeit (2) Wirtschaftlicher Charakter der Tätigkeit (3) Im Interesse eines anderen cc) Die Geschäftsbesorgung als eigenständiger Vertragsstrukturtypus? (1) Martineks Grundformen-Paradigma (2) Stellungnahme d) Geschäftsbesorgung als vertragsübergreifender Schutzpflichtkomplex . 4. Fazit
89 89 91 91 92 93 93 93 94 97 100
§4
Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten I. Aufklärungspflicht versus Erkundigungspflicht II. Kriterien für die Bestimmung des Umfangs von Aufklärungspflichten 1. Die Wesentlichkeit der Information 2. Das Informationsgefälle III. Aufklärungspflichten nach Vertragsschluß IV. Grenzen der Aufklärungspflicht
101 101 103 103 104 105 106
§5
Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten 107 I. Schadensersatz 108 1. Begriffliche Abgrenzung 108 2. Das negative Interesse 111 a) Begrenzung des Schadensersatzes auf den Betrag des Erfüllungsinteresses 111 b) Vertragsauflösung 113 c) Vertragsanpassung 115 aa) Standortbestimmung 116 bb) Durchbrechung des § 249 S. 1 BGB 116 cc) Vertragsanpassung als Verstoß gegen § 249 S. 1 BGB 118 dd) Korrektur des § 249 S. 1 BGB zur Vermeidung unerträglicher Ergebnisse 119 3. Vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung und positives Interesse 120 a) Der „positive Vertrauensschutz" 122 b) Die versicherungsrechtliche Erfüllungshaftung 124 c) Fazit 126 II. Mitverschulden 126
§6
Zwischenergebnis
128 Zweiter Teil
Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten §7
Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfanglicher Leistungshindernisse I. Anfängliche Unmöglichkeit 1. Die alte Rechtslage
130 130 131
12
nsverzeichnis a) Haftungsgrund 131 b) Haftungsumfang 131 2. Die neue Rechtslage seit dem Ol. Januar 2002 132 3. Fazit 133 II. Anfängliches Unvermögen 134 1. Die alte Rechtslage 134 a) Die Garantiehaftung 135 aa) Der Wille des Gesetzgebers 135 bb) Stillschweigende Garantieübernahme 136 cc) Garantiehaftung als notwendige Folge der Vertragsgültigkeit? 136 dd) Die Bedeutung des § 4401 BGB a. F. 137 ee) Rechtspolitische Erwägungen 138 b) Einschränkende Tendenzen in der Literatur 138 c) Stellungnahme 139 aa) Die Garantiehaftung des § 437 BGB a. F. 140 (1) Rechtfertigung der Garantiehaftung 140 (2) Der Rechts- und Forderungskauf im neuen Recht 141 bb) Die Garantiehaftung des §536 a I Alt. I BGB n. F. 142 (1) Anfängliche Rechtsmängel 142 (2) Anfängliche Sachmängel 142 cc) Die Übertragung des Rechtsgedankens des § 437 BGB a. F. auf den Fall des anfänglichen Unvermögens 144 2. Die neue Rechtslage seit dem 01. Januar 2002 146 a) Die Verletzung einer Aufklärungspflicht 147 b) Der Umfang der Haftung 148 c) Stellungnahme 148 III. Fazit 150
§8
Die Aufklärungspflicht hinsichtlich der eigenen Abschlußbereitschaft I. Grundsatz der Vertragsfreiheit II. Formfreie Verträge 1. Der Abbruch der Vertragsverhandlungen als Pflichtverletzung? a) Triftiger Grund b) Umfang der Haftung c) Das Recht zum Abbruch des Vertrags 2. Aufklärungspflichtverletzung 3. Haftung ohne Pflichtverletzung? a) Die vom BGH gezogene Parallele zu § 122 BGB b) Die sog. „reine Vertrauenshaftung" c) Quasi vertragliche Ausgleichshaftung III. Formbedürftige Verträge 1. Grundsätzlicher Vorrang der Formvorschriften 2. Haftung bei besonders schwerwiegender Treupflichtverletzung IV. Haftungsumfang V Fazit
151 151 152 153 153 154 154 155 155 155 157 158 160 160 161 162 163
§9
Die Aufklärungspflicht hinsichtlich eines Formmangels I. Überblick
164 164
nsverzeichnis II. Wirksamkeit des Vertrags trotz Formnichtigkeit III. Schadensersatz infolge Aufklärungspflichtverletzung 1. Konkretisierung der Aufklärungspflicht 2. Rechtsfolge IV Fazit
165 166 166 167 168
§10 Aufklärungspflichten des Verkäufers I. Das Verhältnis des §463 BGB a.F. zur allgemeinen Haftung 1. Die Garantiehaftung des §463 S. 1 BGB a.F. 2. Die Haftung bei Arglist des Verkäufers, § 463 S. 2 BGB a. F. 3. Stellungnahme a) Der Widerspruch zwischen Schutzpflichtverletzung und Haftungsumfang b) Die Inkonsequenz der „herrschenden" Meinung c) § 463 S. 2 BGB a. F. als Fall einer Garantiehaftung 4. Umfang der culpa-Haftung 5. Umfang der Garantiehaftung des §463 BGB a. F. II. Vertragliche Aufklärungspflichten - Der Verkäufer als Geschäftsbesorger ... III. Die neue Rechtslage seit dem 01. Januar 2002 1. Die „Pflichtverletzung" als Ausgangspunkt der Haftung 2. Stellungnahme
169 169 171 171 172 172 173 173 176 177 179 180 180 180
§11 Aufklärungspflichten des Schenkers I. Das Haftungsprivileg des §521 BGB II. Das Verhältnis des § 5241 BGB zu der allgemeinen culpa-Haftung
181 182 183
§ 12 Aufklärungspflichten von Vermieter und Mieter 184 I. Das Verhältnis der Garantiehaftung des § 536 a I Alt. 1 BGB n. F. zur allgemeinen culpa-Haftung 184 1. Streitstand 184 2. Stellungnahme 184 II. Die Anzeigepflicht des Mieters nach § 536 c I BGB n. F. 186 1. Geschäftsbesorgung 186 2. Voraussetzungen und Verletzung der Aufklärungspflicht 186 §13 Aufklärungspflichten des Werkunternehmers I. Das Verhältnis der culpa-Haftung zu den §§633 ff. BGB a. F. 1. Vorvertragliche Aufklärungspflichten 2. Vertragliche Aufklärungspflichten a) Geschäftsbesorgung b) Der Ausdehnungsbereich des § 635 BGB a. F. c) Stellungnahme II. Die neue Rechtslage seit dem 01. Januar 2002 III. Die Anzeigepflicht bei Überschreitung des Kostenanschlags 1. Geschäftsbesorgung 2. Die Voraussetzungen des § 650 II BGB 3. Der Umfang des Schadensersatzes
187 187 187 188 188 189 190 192 192 192 193 194
14
nsverzeichnis
§14 Sonstige im BGB geregelte Aufklärungspflichten I. Anzeigepflichten des Hinterlegers 1. Geschäftsbesorgung 2. Die Verletzung der Aufklärungspflicht 3. Die Benachrichtigung von der vollzogenen Versteigerung II. Die Anzeigepflicht des Verwahrers (§ 692 BGB) 1. Geschäftsbesorgung 2. Die Verletzung der Anzeigepflicht
196 196 196 197 197 198 198 198
§15 Fazit
198
Literaturverzeichnis
201
Sachverzeichnis
216
Abkürzungsverzeichnis A A; aA aaO ABGB Abs. Abt. AcP AE a. F. AG AllgM Alt. AM Anh. Ani. Anm. AP AT Aufl. AuR Ausg. BAG ΒΒ betr. Bd. BGB BGH BGHZ BMJ BR BRAO BT bzw. cic CISG CR D. DB ders.
andere Ansicht am angegebenen Ort Österreich, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch v. Ol.06.1811 Absatz Abteilung Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Amtsgericht allgemeine Meinung Alternative andere Meinung Anhang Anlage Anmerkung Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Allgemeiner Teil Auflage Arbeit und Recht Ausgabe Bundesarbeitsgericht Der Betriebs-Berater betreffend Band Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.08.1896 Bundesgerichtshof Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesminister(ium) der Justiz Bundesrat Bundesrechtsanwaltsordnung v.01.08.1959 Besonderer Teil beziehungsweise culpa in contrahendo Convention on Contracts for the International Sale of Goods v. 11.04.1980 Computer und Recht Digestenstelle Der Betrieb derselbe
16 d. h. dies. Diss. DJT DJZ DnotZ DR DriZ E Einf. Erl. etc. f.; ff. FG Fn. FS gem. GewArch GG GmbHG GoA GRUR GS HaftpflG Herv. HGB hL hM Hrsg. ibid. idF idR InsO ISd iVm JA Jherings Jahrb. JR Jura JuS JW JZ KE KG LG
Abkürzungsverzeichnis das heißt dieselbe(n) Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführung Erläuterung et cetera folgende Festgabe Fußnote Festschrift gemäß Gewerbearchiv Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.05.1949 Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung v. 20.04.1892 Geschäftsführung ohne Auftrag Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Haftpflichtgesetz in der Fassung v. 04.01.1978 Hervorhebung Handelsgesetzbuch v. 10.05.1897 herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber ibidem in der Fassung in der Regel Insolvenzordnung v. 05.10.1994 im Sinne der/des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen Römischen Rechts und Deutschen Privatrechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kommissionsentwurf Kammergericht Landgericht
Abkürzungsverzeichnis LM LuftVG LZ MDR m.E. mit Anm. Mot. MünchKomm m. w. N. n.F. NJW NJW-RR Nr. NVwZ ÖBA OLG OLGE OR PatG Paul. Pomp. preuß. Prot. pVV RabelsZ Rdz. RG RGRK RGWarn RGZ r+s RsprBauZ s. S. SAE SchuldR SeuffArch sog. Sp. StGB 2 Pohlmann
Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring Luftverkehrsgesetz in der Fassung v. 14.01.1981 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens mit Anmerkung Motive zum BGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Österreichisches Bank-Archiv Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Schweizerisches Obligationenrecht v. 30.03.1911 Patentgesetz v. 16.12.1980 Paulus Pomponius preußisch Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Entwurfs des BGB positive Vertragsverletzung Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet v. Ernst Rabel Randzeichen Reichsgericht Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung, des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts amtliche Sammlung der RGRechtsprechung in Zivilsachen Recht und Schaden Schäfer/Finnern/Hochstein, Rechtsprechung zum privaten Baurecht siehe Seite Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Schuldrecht Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten sogenannt Spalte Strafgesetzbuch idF v. 10.03.1987
18 str. StVG u. usw. VAG v. Verf. Verh. VersR vgl. Vor; Vorbem. VVG WM z.B. ZeuP Zf A ZfRV ZGR ZHR ZIP zit. ZMR ZPO ZRP ZStW zugl.
Abkürzungsverzeichnis streitig Straßenverkehrsgesetz v. 19.12.1952 und und so weiter Versicherungsaufsichtsgesetz idF v. 17.12.1992 vom, von, vor Verfasser Verhandlungen Versicherungsrecht vergleiche Vorbemerkung Gesetz über den Versicherungsvertrag v. 30.05.1908 Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozeßordnung idF v. 12.09.1950 Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zugleich
Einleitung Wo immer schneller Neues produziert wird, wächst vor allem das Alte. Hermann Lübbe
Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs vertraten die Ansicht, daß eine generalklauselartige Regelung vorvertraglicher Aufklärungspflichten 1 nicht möglich wäre 2. Sofinden sich nur an einzelnen Stellen des Schuldrechts vorvertragliche 3 und vertragliche 4 Aufklärungspflichten. Nachdem die Rechtsprechung bereits in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Informationspflichten entwickelt hat, ist auch die Scheu des Gesetzgebers vor einer gesetzlichen Fixierung solcher Pflichten gewichen. Ein Grund dafür ist die rasante Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes, durch den der Verbraucher einerseits in den Genuß eines breiteren Produktangebots gekommen ist, andererseits aber infolge der grenzüberschreitenden Transaktionen neuen Gefahren begegnet, denen durch einheitliche Gesetze vorgebeugt werden soll. So sind beispielsweise 1994 zahlreiche Informationspflichten des Versicherers auf der Grundlage von EGRichtlinien in deutsches Recht umgesetzt worden (vgl. §§10, 10a VAG, § 5a VVG) 5 , deren Zweck darin besteht, die durch den europäischen Versicherungsbinnenmarkt eingetretene Unübersichtlichkeit angesichts der Vielfalt angebotener Versicherungsverträge zu kompensieren6. Ein weiteres Beispiel bietet die EG-Richtlinie bezüglich grenzüberschreitender Überweisungen7, die in ihren Art. 3 und 4 Informationspflichten der Banken gegenüber Kunden statuiert8. Auch hier steht das Ziel der „Transparenz" im Vordergrund, um dem Verbraucher die Nutzung verschiedener Dienstleistungen im europäischen Zahlungsverkehr zu erleichtern 9. Schließlich wurden im Rahmen der Modernisierung des Schuldrechts am 01. Januar 2002 1
Zum Begriff der Aufklärungspflicht siehe unten § 1 II. Mot. I, S. 208 = Mugdan I, S. 467. 3 Vgl. § 30711 BGB a. F., § 311 a I I BGB n. F., §§ 5231, 5241, 663, 694 BGB. 4 Vgl. §§37411, 536c II (n.F.), 650II, 665 S.2, 666 Alt. 1, 692 S.2 BGB. 5 Ausführlich Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 211 ff. 6 Daneben spielt der Wegfall innerstaatlicher Produktregulierung eine große Rolle für die Statuierung dieser Informationspflichten, siehe dazu unten § 513 b. 7 Richtlinie 97/5/EG vom 27.01.1997. Zu deren Umsetzung in deutsches Recht siehe Ehmann, EG-Überweisungs-Richtlinie und Umsetzung - Referentenentwurf und Gegenentwurf, 1999. 8 Vgl. §675a-676h BGB. A u s f ü h r l i c h e / m ^ ' , ÖBA 1998, 833, 837ff.; 9 Ausführlich Vortmann, W M 1993, 581, 584; Wand, W M 1994, 8. 2
2*
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Einleitung
die Artikel 10,11 und 18 der E-Commerce-Richtlinie umgesetzt, die neben der Ausdehnung der Möglichkeiten für eine Unterlassungsklage auch vorvertragliche Informationspflichten zum Schutz der Verbraucher vorsehen. Daß trotz dieser zu beobachtenden, legislatorischen Entwicklung Umfang und Reichweite von Aufklärungspflichten sich gesetzlich nicht im einzelnen festlegen lassen, war auch der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts bewußt, deren Gesetzesentwurf 1992 veröffentlicht wurde 10. Dennoch sah die Kommission den „Gipfel der Bildung" erreicht, endlich „eine ,ordentliche4 Anspruchsgrundlage 4'11 für vorvertragliche Schutzpflichten zu schaffen, die bis dato als Produkt richterlicher Rechtsfortbildung existierten 12. Inzwischen ist die culpa in contrahendo in § 311 II BGB n. F. kodifiziert. Im Gegensatz zum Kommissionsentwurf von 1992, der das vorvertragliche Schuldverhältnis lediglich abstrakt regelte, hat der Gesetzgeber nun konkrete Haftungskategorien festgelegt (Aufnahme von Vertragsverhandlungen, Anbahnung eines Vertrags, ähnliche geschäftliche Kontakte). Die Kodifizierung der culpa in contrahendo durch § 311 II BGB n. F. und die gleichzeitige Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die positive Forderungsverletzung in § 241 II BGB n. F. führen zu dem ersten Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung: Auf welcher dogmatischen Basis stehen vorvertragliche und vertragliche Aufklärungspflichten? Sollte sich im Verlauf dieser Untersuchung herausstellen, daß alle oder zumindest ein Teil der Aufklärungspflichten „originäres Deliktsrecht" sind, dann ist § 311 II BGB n. F. im Herzen des allgemeinen Schuldrechts deplaziert 13. Daneben soll die vorliegende Arbeit zur Beantwortung von zwei weiteren Fragen beitragen: In welchem Umfang haftet der Schuldner nach Verletzung einer Aufklärungspflicht? Und warum weicht das BGB in vielen Fällen gerade dann vom Verschuldensprinzip ab, wenn es um die Verletzung einer Aufklärungspflicht geht? Schon an dieser Stelle soll die These gewagt werden, daß Gesetzgeber und Rechtsprechung die an einigen Stellen im BGB auftauchende Garantiehaftung quasi als „Mechanismus44 gegen eine Haftungsbegrenzung auf das negative Interesse eingesetzt haben. Die Beschränkung auf das negative Interesse folgt aus dem Wesen der Aufklärungspflichten und kann nur durch die verschuldensunabhängige Garantiehaftung aus den Angeln gehoben werden. Die innere Rechtfertigung einer solchen Garantiehaftung als Ausnahme von dem Verschuldensgrundsatz ist ein letzter Problemkreis, mit dem sich diese Untersuchung auseinandersetzt. Der Gang der Untersuchung ist durch die gerade beschriebenen Ziele vorgezeichnet: Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Nach einer begrifflichen und terminolo10
Kommissionsbericht, S.32 u. S. 144. Medicus, NJW 1992, 2384, 2387. 12 Bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform wurde auf das Institut der culpa in contrahendo lediglich in § 11 Nr. 7 AGBG ausdrücklich Bezug genommen. Indes legitimierte diese Vorschrift die Haftung nicht, sondern setzte sie vielmehr voraus. 13 Schapp, JZ 2001,583,589. 11
Einleitung
gischen Standortbestimmung (§ 1) liegt der Schwerpunkt des ersten, „allgemeinen" Teils in der Beschäftigung mit den dogmatischen Grundlagen (§ 2 und §3), dem Umfang der Aufklärungspflichten (§ 4) sowie den Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten (§5). Der zweite, „besondere" Teil nimmt einzelne Aufklärungspflichten ins Visier, die bei der Beantwortung der Frage helfen sollen, weshalb in einzelnen Fällen die Haftung wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht durch eine strikte Garantiehaftung ersetzt wird. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt die seit dem Ol. Januar 2002 bestehende neue Rechtslage, soweit die hier gestellten Fragen berührt werden. Viele Neuregelungen der Schuldrechtsmodernisierung sind aus der Sicht des Verfassers zu begrüßen. Allerdings soll auch auf die Schwierigkeiten, die durch das Herausbrechen einzelner Teile aus dem festgefügten System des BGB entstehen, hingewiesen werden.
Erster Teil
Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten § 1 Aufklärungspflichten als Schutzpflichten I. Leistungspflichten und Schutzpflichten Im folgenden werden die prägenden Merkmale und Unterschiede der Leistungsund Schutzpflichten beschrieben. Anschließend soll die Aufklärungspflicht in das System der Schutzpflichten integriert werden. 1. Pflichten und Ansprüche Die grundlegende Trennung zwischen Leistungspflichten und Schutzpflichten ist von Hugo Kreß herausgearbeitet worden 1. Kreß spricht, aus der Sicht des Gläubigers, von Schutzansprüchen, die dem Schutz der Güter dienen, und stellt diese den Erwerbsansprüchen gegenüber, welche auf Bewegung der Güter gerichtet sind2. Schutzansprüche stellen „unentwickelte Ansprüche" dar, da sie ein vom Gläubiger nicht durchsetzbares, der Verletzung der Güter vorbeugendes Verhalten bezwekken3. Dagegen ist der aus der Verletzung einer Schutzpflicht resultierende Schadensersatzanspruch als „entwickelter Schutzanspruch" zu bezeichnen4: Der Schadensersatzanspruch ersetzt den unentwickelten Schutzanspruch und ist auf Ersatz der Verletzung des Güterschutzes gerichtet, bleibt also ein vom Schutzzweck umfaßter Schutzanspruch5. Von „unentwickelten Schutzpflichten" kann nicht gesprochen werden, da sich die Unentwickeltheit gerade auf den nicht durchsetzbaren Anspruch des Gläubigers, nicht auf die (stets gleichbleibende) Pflicht des Schuldners bezieht6.
1 Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S. Iff., 578ff. Ihm folgend Stoll, Leistungsstörungen (1936), S.27ff. und AcP 136 (1932), 257, 287ff., 298 ff. 2 Kreß, aaO, S. 1 ff. 3 Kreß, aaO, S.578. 4 Vgl. die Vorrede von Hermann Weitnauer und Horst Ehmann in Kreß, aaO, S. XXIII Fn. 20. 5 Ehmann, Gesamtschuld (1972), §6 VI. 6 Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter (1999), S.49ff.
§ 1 Aufklärungspflichten als Schutzpflichten
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2. Erwerbsansprüche und Schutzansprüche In dem Willen, Güter zu erwerben und zu schützen, verkörpert sich ein Grundbedürfnis des Menschen. Der Privatrechtsordnung ist es aufgegeben, Güterbewegung und Güterschutz zu gewährleisten7. Als zentrale Instrumente zur Erreichung dieses Ziels dienen dem Schuldrecht die Erwerbsansprüche, zu denen Leistungspflichten korrespondieren, und Schutzansprüche, mit denen Schutzpflichten einhergehen. a) Erwerbsansprüche Der Erwerbsanspruch des Gläubigers und die dazu korrespondierende Leistungspflicht des Schuldners dient der Güterbewegung. Auf dieser Basis lassen sich die Zwecke der Leistungspflicht in zwei große Kategorien unterteilen: Entweder verpflichtet sich der Schuldner zu einer Leistung, um im Gegenzug eine Leistung vom Gläubiger zu erhalten (Austauschzweck). Oder die LeistungsVerpflichtung entspringt ideellen Gründen, das heißt, ohne daß eine Gegenleistung vom Gläubiger versprochen wird (Liberalitätszweck) 8. Leistungspflichten lassen sich entsprechend der Art des Leistungsinhalts aufteilen in Sachleistungen, Dienstleistungen, Geldleistungen und Unterlassungen9. Bei den Sachleistungen sind solche, die der Besitz- und Eigentumsverschaffung dienen (§§433, 516 BGB) von den Leistungen, die nur Besitzverschaffung bzw. Nutzung auf Zeit bezwecken (z. B. §§ 535, 581, 598 BGB), zu trennen. Hinsichtlich der Dienstleistungen ist zu differenzieren zwischen Leistungen mit Erfolgsversprechen (z. B. § 631 BGB) und Leistungen ohne Erfolgsversprechen (z. B. § 611 BGB). Der Vertragstypus ist durch Art der Hauptleistung und Zweck gekennzeichnet. Kein eigener Vertragstypus ist die Geschäftsbesorgung. Vielmehr kann jeder Vertrag geschäftsbesorgungsrechtliche Elemente erhalten 10. „Geschäftsbesorgung" ist kein spezifischer Leistungsinhalt, sondern vielmehr ein Schutzpflichtkomplex, dessen Beachtung jedem Vertragsschuldner obliegen kann 11 . Die den Leistungspflichten des Schuldners entsprechenden Erwerbsansprüche des Gläubigers können ganz oder zum Teil erfüllt werden (§ 362 BGB), ihre Nichterfüllung kann zu Unmöglichkeit (§ 2751 BGB n. F.) oder Verzug (§ 286 BGB n. F.) führen. Leistungspflichten können abgetreten werden (§ 398 BGB). Der Gläubiger kann auf Erfüllung einer Leistungspflicht verzichten oder aber Erfüllung verlangen und seinen Erwerbsanspruch mit den Mitteln des Prozeßrechts durchsetzen12. 7
Kreß, aaO, S. 1 f. Kreß, aaO, S.35. AusführlichEhmann, Gesamtschuld (1972), §6IV2. 9 Vgl. zur Problematik der Unterlassungspflichten ausführlich Kuhlmann, Leistungspflichten und Schutzpflichten (2001), §§9 und 10. 10 Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 12 und 71. 11 Ausführlich unten § 3IV. 12 Kreß, aaO, S. 1 ff. 8
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Vom Austauschzweck beherrschte Leistungspflichten begegnen uns in den gegenseitigen Verträgen (Kauf, Tausch, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag etc.). Auf den Liberalitätszweck gerichtete Leistungspflichten finden sich bei der Schenkung, der Leihe, dem unverzinslichen Darlehen, dem Auftrag sowie bei der Verwahrung. Ist die Leistungspflicht einmal in der Welt, so gesellt sich ein dritter Zweck dem Austausch- oder Liberalitätszweck hinzu: Der Abwicklungszweck13. Letzterer setzt eine bestehende Verpflichtung voraus, derer sich der Schuldner, ζ. B. durch Erfüllung, entledigen will 1 4 . Vor Vertragsschluß hingegen spielt der Abwicklungszweck regelmäßig noch keine Rolle: Der Schuldner verpflichtet sich aus materiellen oder ideellen, nicht aber aus rechtlichen Gründen, d. h. allein um der Abwicklung einer Verpflichtung selbst willen 15 . Der Abwicklung des durch Erwerbsansprüche und Leistungspflichten eingeleiteten Güteraustauschs dienen z.B. das Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) oder der Vergleich (§ 779 BGB) 16 . Oft werden die typischen Zwecke der Leistungspflicht und weitere atypische Zwecke gestaffelt: Beispielsweise ist die Verpflichtung, einen Fensterplatz zu vermieten, nicht auf den bloßen Austausch der Leistungen gerichtet, wenn dieser einem Rosenmontagsumtrunk mit Blick auf den Karnevalszug dient 17 . Ebenso kann hinter den Sicherungszweck der Bürgschaft der Zweck der Abwendung eines Disziplinarverfahrens 18 oder hinter den Liberalitätszweck der Ausstattungszweck (§ 1624 BGB) 19 „angestaffelt" werden. Möglich ist auch die Mischung von typischen Zwecken auf gleicher Stufe: So kann eine Leistungspflicht zugleich zum Zwecke des Austauschs und zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld eingegangen werden 20. b) Schutzansprüche Schutzpflichten bezwecken den Güterschutz. Die den Schutzpflichten entsprechenden Schutzansprüche sind nicht auf Güterbewegung, nicht auf Befriedigung oder Erfüllung gerichtet, sondern auf Abwendung der Verletzung von Gütern, also auf Vorbeugung21. 13
Kreß, aaO, S. 36f. Weitnauer, FS Ernst v.Caemmerer (1978), S.255, 261 oben. 15 Kreß, aaO, S. 35: Die Parteien „erzeugen die rechtlichen Wirkungen (Ansprüche, Verschaffung absoluter Rechte usw.) nicht nur zu dem Zweck, um sie zu erzeugen. Die durch den Vertrag erzeugten Rechtswirkungen haben juristisches Gepräge, der damit verfolgte Zweck ist wirtschaftlicher Art." 16 Kreß, aaO, S. 19f. 17 Weitere Beispiele bei Kreß, aaO, S. 37f. 18 RGZ 118, 358, 360. 19 Weitnauer, FS Emst v.Caemmerer (1978), S.255, 261. 20 Weitere Beispiele bei Kreß, aaO, S. 39. 21 Ausführlich Kuhlmann, aaO, §2112. 14
§ 1 Aufklärungspflichten als Schutzpflichten
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aa) Gesetzliche und vertragliche Schutzansprüche Zu den gesetzlichen Schutzansprüchen gehören primär die Ansprüche des Deliktsrechts (§§ 823 ff. BGB), ferner Schutzansprüche zugunsten des Eigentums (z.B. 985ff., 1004 BGB), anderer dinglicher Rechte (z.B. 1227 BGB) und des Besitzes (§§ 858, 861 ff. 1007 BGB). Auch die §§ 812ff. BGB können Ansprüche zum Schutz des Vermögens gewähren, ebenso die §§ 677 ff. BGB im Bereich der auftraglosen Geschäftsführung. Die gesetzlichen Schutzansprüche sind absolut, sie richten sich gegen jeden, der das geschützte Gut zu verletzen droht oder verletzt. Nicht die Verletzung des absoluten Rechts führt zum Anspruch auf Wiedergutmachung, sondern genauer die Verletzung der hinter dem absoluten Recht stehenden absoluten unentwickelten Schutzpflichten 22. Vertragliche Schutzansprüche sind relativer Natur, sie stehen grundsätzlich nur dem Gläubiger des Schuldverhältnisses gegen den Schuldner zu. In seiner allgemeinsten Form läßt sich der vertragliche Schutzanspruch dahingehend zusammenfassen, daß eine Vertragspartei ihr Verhalten so einzurichten hat, daß die im Rahmen der Vertragsabwicklung berührten Güter und Interessen einschließlich des Vertragsgegenstandes nicht verletzt oder beeinträchtigt werden 23. bb) Unentwickelte und entwickelte Schutzansprüche Erwerbsansprüche sind „entwickelte" Ansprüche, sie geben dem Gläubiger einen klagbaren Anspruch. Schutzansprüche sind in der Regel „unentwickelte" Ansprüche, sie sind ex ante nicht erzwingbar 24. Die unentwickelten Schutzansprüche sind nicht auf Erfüllung i. S. d. § 362 BGB gerichtet, sondern auf Beachtung25. Der Sinn des Anspruchs liegt darin, daß der Schuldner durch die Drohung eines Schadensersatzanspruchs zur Beachtung des Schutzanspruchs angehalten werden soll 26 . Durch ihre Verletzung wandeln sich die unentwickelten Schutzansprüche in „entwickelte" Ansprüche, nämlich in Form eines Anspruchs zum Schadensersatz. Schutzansprüche verleihen dem Gläubiger keine Macht zu ihrer Erzwingung, weil er sein konkretes Recht, von dem anderen ein Verhalten zu fordern, ex ante nicht kennt27. Anders ist die Situation bei den Erwerbsansprüchen: Schließt der Verkäufer 22
Kuhlmann, §2 II 2 a. Kreß, aaO, S. 578 ff. 24 Kreß, aaO, S.5ff., 578ff., 585 ff. 25 Kreß, aaO, S.585f. 20 Kreß, aaO, S.5, 578. 27 Das Erfordernis einer Konkretisierung der Pflicht als Voraussetzung ihrere Erzwingbarkeit betonen ζ. B. Larenz, Schuldrecht I, § 21; Stürner, JZ 1976,384,385. Stürner weist zur Untermauerung seiner These, daß eine Klagbarkeit von Schutzpflichten zum Teil möglich sei, auf die §§ 53512,541,618 BGB n.F. hin, die klagbare Ansprüche auf Erfüllung von Schutzpflich23
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
mit dem Käufer einen Vertrag, so weiß er um sein Recht, den Kaufpreis zu verlangen, ebenso wie der andere sein Recht kennt, die Leistung zu fordern. Von der Verletzung einer Schutzpflicht erfährt der Gläubiger erst ex post; eine Klagbarkeit ex ante scheidet in der Regel aus, da der Gläubiger des bis dato lediglich abstrakten Schutzanspruchs zu jenem Zeitpunkt noch nicht wußte, daß er vom Schuldner die Einhaltung dieser konkreten Schutzpflicht verlangen konnte. Grundsätzlich lassen sich Schutzansprüche ex ante nicht zu greifbaren Forderungen des Gläubigers an das Verhalten des Schuldners konkretisieren. Die Natur der Schutzpflichten steht ihrer Erzwingbarkeit entgegen: Regelmäßig besteht erst in „entwickelter" Form als Schadensersatzpflicht eine derartige Rechtsmacht des Gläubigers. Ein klagbarer Schutzanspruch des Gläubigers kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht 28. Der Schadensersatzanspruch ist ein „entwickelter" Schutzanspruch29. Obwohl der Schadensersatzanspruch wie ein Erwerbsanspruch verlangt, erfüllt und durchgesetzt werden kann, zielt er nicht auf Güterverschiebung ab, sondern richtet sich auf Güterschutz durch Wiedergutmachung des eingetretenen Schadens30. cc) Schutzbereiche der Schutzansprüche Die Schutzzwecke (Schutzbereiche) der Schutzansprüche bzw. Schutzpflichten können verschieden sein: So kann die Schutzpflicht der Vertragserfüllung dienen. Führt die schuldhafte Verletzung dieser Schutzpflicht zur Nichterfüllung der Leistungspflicht, so hat der Schuldner das Erfüllungsinteresse zu ersetzen. Dem Zweck der Vertragserfüllung dient beispielsweise die Pflicht, den Vertragsgegenstand nach Vertragsschluß gut aufzubewahren, um die Erfüllung der Leistungspflicht zu sichern. Zweitens können Schutzpflichten dazu dienen, dem Verhandlungspartner ein umfassendes Bild von dem Vertragsgegenstand, den Vertragsmodalitäten und der Bereitschaft zum Vertragsschluß zu vermitteln. Die Verletzung der Schutzpflicht führt zum Ersatz des im Vertrauen auf den Vertrag entstandenen Schadens. Diesem Zweck dient beispielsweise die Pflicht, dem Verhandlungspartner anfängliche Leistungshindernisse zu offenbaren 31. Schließlich können Schutzpflichten dem Schutz anderer Rechtsgüter des Vertrags- oder Verhandlungspartners dienen. Eine Verletzung dieses Schutzzweckes führt zum Ersatz des Integritätsinteresses des Gläubigers. Dem Zweck des Integriten gewähren. Verallgemeinernde Schlüsse lassen sich aus diesen Ausnahmevorschriften jedoch nicht ziehen, vgl. Kreß, aaO, S.7 Fn. 16. 28 Dazu ausführlich Kuhlmann, aaO, § 3 VI. 29 Kreß, aaO, S. 587 ff. 30 Kreß, aaO, S. 578 ff.; Sutschet, aaO, S.52; Kuhlmann, aaO, §2II2bbb. 31 Siehe dazu unten §7.
§ 1 Aufklärungspflichten als Schutzpflichten
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tätsschutzes dient beispielsweise die Pflicht, bei der Vertragserfüllung durch unsorgfältiges Vorgehen andere Rechtsgüter des Gläubigers nicht zu verletzen. Die verschiedenen schützenswerten Interessen des Gläubigers können sich im Einzelfall auch überschneiden: So kann beispielsweise die Pflicht, Nahrungsmittel fachgerecht aufzubewahren, der Vertragserfüllung und der Vorbeugung vor Gesundheitsschäden (Integritätsschutz) dienen. Ebenso mag der Hinweis des Autoverkäufers auf einen Fehler des Wagens den Zweck haben, daß der Käufer den Wert der Kaufsache einzuschätzen vermag und vor Gefahren, die sich aufgrund des Fehlers für andere Rechtsgüter ergeben könnten, bewahrt wird.
3. Die „Störung" des Pflichttatbestandes Ist die Erfüllung der Leistungspflicht dem Schuldner unmöglich32, so ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, ohne daß der Schuldner den Eintritt dieses schuldrechtlichen Ereignisses durch sein Verhalten bewirkt haben muß. Die Bedeutung der Unmöglichkeit liegt in dem Erlöschen der Primärleistung 33. Schadensersatz wegen Nichterfüllung wird nur unter weiteren Voraussetzungen, zu denen insbesondere die schuldhaft Verletzung einer Schutzpflicht zählt, gewährt (vgl. § 280 ff. BGB n. F.). Unabhängig vom Vorliegen einer Schutzpflichtverletzung ist das Erfüllungsinteresse zu ersetzen, wenn der Schuldner eine Garantieerklärung abgegeben hat (§ 276 I BGB n. F.) oder kraft Gesetzes eine Garantiehaftung besteht (ζ. B. §536al Alt. 1 BGB n.F.). Im Gegensatz zu der Nichterfüllung einer Leistungspflicht ist die schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht ein Schadensersatz auslösender Haftungstatbestand: Der unentwickelte Schutzanspruch des Gläubigers verwandelt sich infolge Verletzung der Schutzpflicht in einen entwickelten Schutzanspruch. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach dem Schutzzweck der Schutzpflicht und dem von der Pflichtverletzung tangierten Gläubigerinteresse.
4. Die „Pflichtverletzung" als neuer Haftungstatbestand Nach § 2801 BGB n. F. kann der Gläubiger den Ersatz des aus einer Pflichtverletzung resultierenden Schadens verlangen, wenn der Schuldner diese Pflichtverletzung nach § 28012 BGB n. F. zu vertreten hat. Der Begriff der Pflichtverletzung umfaßt die Nichterfüllung von Leistungspflichten ebenso wie die Verletzung von 32 Im Falle bloßer Nichterfüllung der Leistungspflicht kann der Gläubiger auf Erfüllung klagen; erst die Unmöglichkeit der Leistungserbringung führt zur Befreiung von der Leistungspflicht gemäß §2751 BGB n.F., vgl. Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), 85, 92; Jakobs, Unmöglichkeit (1969), S.20f., 225 f. 33 Dazu ausführlich Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung, Diss. Trier (2001).
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Schutzpflichten 34. Zweck dieser Regelung ist die Schaffung eines einheitlichen Haftungstatbestandes, der die Fälle der Unmöglichkeit und des Verzugs ebenso betrifft wie die positive ForderungsVerletzung 35. Aufbauend auf der zentralen Anspruchsgrundlage des Schadensersatzes wegen einer Pflichtverletzung wird dann zwischen Unmöglichkeit (§§ 283, 311a BGB n. F.), Leistungsverzögerung (§§ 281, 286 BGB n. F.) und Nebenpflichtverletzung (§ 282 BGB n. F.) unterschieden. Die verschiedenen Arten der Leistungsstörungen (Unmöglichkeit, Verzug, Sachmangel etc.) werden also auch nach der neuen Rechtslage berücksichtigt. Ob der Versuch einer Zusammenfassung verschiedener Tatbestände durch den Begriff „Pflichtverletzung" tatsächlich eine „klare und übersichtliche Schadensersatzregelung" 36 darstellt, erscheint zweifelhaft 37. Der einheitliche Begriff der „Pflichtverletzung" verwischt die grundlegende Trennung zwischen Leistungspflichten und Schutzpflichten, ist sprachlich ungenau und provoziert MißVerständnisse: Eine Pflicht „verletzen" kann der Schuldner nur durch Handeln oder Unterlassen38. Verletzt werden kann also nur eine Schutzpflicht. Beruht die Nichterfüllung einer Leistungspflicht auf einem zufälligen Ereignis, so hat der Schuldner gerade keine Pflicht verletzt 39. Dem Versuch, den Begriff der Pflichtverletzung lediglich in einem intransitiven Sinne zu gebrauchen40, widerspricht der Wortlaut der Regelung, nach der der Schuldner eine Pflicht verletzt haben muß (§28011 BGB n.F.). Nur eine Trennung der Pflichten in Leistungs- und Schutzpflichten, wie sie der vorliegenden Untersuchung zugrundeliegt, gewährleistet die richtige Zuordnung eines geeigneten Haftungstatbestandes zu dem Schadensersatzanspruch des Gläubigers: Die Leistungsstörung allein ist kein haftungsbegründender Tatbestand und 34
Brambring, DNotZ 1992, 691, 695. Vgl. die ausführliche Darstellung zum Begriff der Pflichtverletzung des Kommissionsentwurfes bei Kuhlmann, aaO, § 4. 35 Regierungsentwurf, S.93. 36 Regierungsentwurf, S.93. 37 Schapp, JZ 2001,583,585 ff.; Hans Stoll, JZ 2001,589,593. Vgl. auch die Kritik zu §2801 KE, auf dem die jetzige Regelung aufbaut: Ahrens, ZRP 1995, 417, 419; Ernst, JZ 1994, 801, 805 f.; ders. NJW 1994, 2177, 2180; Rust , Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht (1995), S.62; Schapp, JZ 1993, 637, 640f.; Stürner, Sonderheft DNotZ 1993, 77,105f. 38 Differenzierend Rust (Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht [1995], S.64f.), der in dem Begriff der Pflichtverletzung ein erfolgsbezogenes und ein verhaltensbezogenes Moment sieht. Gehe man von einem erfolgsbezogenen Verständnis des Begriffs der Pflichtverletzung aus, so könne auch die reine Nichterfüllung als Pflichtverletzung iSd §2801 KE (= BGB n.F.) verstanden werden. 39 Schapp, JZ 1993, 637, 638f.; zustimmend Ernst, JZ 1994, 801, 805f.; Flume, ZIP 1994, 1497. 40 So Dieter Rabe (Liber amicorum für Hans-Jürgen Rabe [1995], S. 135, 150): Entscheidend sei lediglich, daß das Schuldverhältnis infolge der zufälligen Leistungsstörung „beschädigt" bzw. „verletzt" worden sei. Jedoch gibt der Autor zu, daß die Subsumtion eines zufälligen Leistungshindernisses unter den Begriff der Pflichtverletzung „sprachlich gesehen als gewaltsam" erscheine (S. 149).
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sollte daher nicht mit dem mißverständlichen Begriff der „Pflichtverletzung" belegt werden 41. Die Nichterfüllung der Leistungspflicht stellt ein schuldrechtliches Ereignis dar, welches erst dann Schadensersatzansprüche des Gläubigers auslöst, wenn dieses Ereignis durch eine Schutzpflichtverletzung schuldhaft verursacht worden ist. Die Neuregelung könnte zu dem Fehlschluß verleiten, daß die „zu vertretende" Leistungsstörung nach Fristsetzung (§ 2811 BGB n. F.) zu einem Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Leistung („Schadensersatz statt der Leistung" in der neuen Terminologie) berechtige. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Nichterfüllung der Leistungspflicht von einer Schutzpflichtverletzung herbeigeführt worden ist. Die Schutzpflichtverletzung muß die Nichterfüllung der Leistungspflicht kausal verursacht haben. Fehlt es dagegen an dieser Kausalität, so scheidet der Ersatz des Nichterfüllungsschadens grundsätzlich aus, obwohl der unbefangene Betrachter diesen irrigen Schluß aus der Kombination „wirksamer Vertrag plus Leistungsstörung plus Verschulden" ziehen könnte42.
II. Die Aufklärungspflicht Die Aufklärungspflicht ist die Pflicht, den anderen über Umstände zu informieren, die diesem bisher nicht bekannt sind. Ein Kennzeichen der Aufklärungspflicht ist, daß dem Verhandlungs- oder Vertragspartner nicht nur der aufklärungspflichtige Umstand verborgen ist, sondern auch seine konkrete Berechtigung, von dem anderen über diesen Umstand aufgeklärt zu werden 43. Erst im Falle eines Schadenseintritts weiß der Berechtigte, daß sein Gegenüber eine Aufklärungspflicht verletzt hat. Wie alle Schutzpflichten ist daher auch die Aufklärungspflicht retrospektiv, da es immer um Informationen geht, an denen der andere sein früheres Verhalten hätte ausrichten können44. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung wäre eine bestimmte Handlung in der Vergangenheit nicht vorgenommen worden. Jetzt bleibt dem Berechtigten nur noch der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Schutzpflicht. Aus der Tatsache, daß die Aufklärungspflicht rückwirkende Bedeutung hat, ergibt sich ein zweites Charakteristikum: Die Aufklärungspflicht wird spontan erfüllt, also ohne vorhergehende Frage oder Aufforderung 45. 41
Schapp, JZ 1993,637, 639. § 311 a II BGB n. F. setzt sich über dieses haftungsrechtliche Dogma hinweg, da diese Vorschrift dem Gläubiger auch dann den Nichterfüllungsschaden gewährt, wenn der Schuldner im Falle eines anfänglichen Leistungshindernisses eine nur zum negativen Interesse führende Schutzpflichtverletzung verursacht hat, vgl. unten §7. 43 Vgl. oben § 112bbb. 44 Hadding, FS Herbert Schimansky (1999), S. 67, 73 f.; Klingler, Aufklärungspflichten (1981), S.21; Roth in MünchKomm, §242 Rdz.210; Werres, Aufklärungspflichten (1985), S.4. Einschränkend Breidenbach, Informationspflichten (1989), S.2 f. 45 Böhme, Aufklärungspflicht (1964), S.9; Breidenbach, aaO, S.2; Klingler, aaO, S.20; Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 210. 42
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
1. Der Aufklärungsanspruch als Informationsschutzanspruch Das Thema dieser Arbeit ist die Verletzung einer bestimmten Gattung von Schutzpflichten des Schuldners, zu denen Schutzansprüche des Gläubigers korrespondieren. Der Anspruch auf Aufklärung ist ein Informationsschutzanspruch, welcher auf Beachtung, nicht Erfüllung, gerichtet ist. Das gemeinsame Ziel aller Informationsansprüche liegt in der Weitergabe von Informationen 46. Bezweckt die Information den Schutz der Güter der anderen Partei, so ist der dieser Pflicht entsprechende Anspruch des Gläubigers auf Information ein Schutzanspruch. Ist die Information dagegen selbst das Gut, um dessen Weitergabe willen der Vertrag (zumindest auch) geschlossen wurde, so ist der zu der Informationspflicht korrespondierende Anspruch ein Erwerbsanspruch. Die Information hat dann nicht die Funktion, die Güter des anderen zu schützen, sondern die Güterlage durch Erwerb des Gutes „Information" zu ändern. Folgende Beispiele sollen die Abgrenzung veranschaulichen: Der Autoverkäufer weist den Interessenten nicht darauf hin, daß die Bremsen defekt sind oder der Wagen einen Unfall hatte. Der Mechaniker entdeckt bei dem Ausbessern einer Roststelle unter dem LKW, daß dessen Hinterachse angebrochen ist. Die Putzfrau entdeckt beim Säubern des Schrankes, daß die Wand hinter dem Schrank feucht und schimmelig ist. In allen drei Beispielen bezweckt die Weiterleitung der Information den Schutz der Güter der anderen Partei. Die vom Schuldner zu beachtende Pflicht ist eine Schutzpflicht, genauer: eine Aufklärungspflicht. Demgegenüber geht es in folgenden Beispielen um Leistungspflichten bzw. Erwerbsansprüche: Ein Unternehmen beauftragt ein Institut mit der Aufgabe, die Durchsetzbarkeit einer neuen Unternehmensmarke auf dem Markt zu überprüfen. Der Mandant bittet seinen Anwalt um die Begutachtung der Erfolgsaussichten einer Klageerhebung. In diesen Fällen zielt die Information nicht auf Güterschutz ab, sondern dient der Weitergabe und des Erwerbs eines Gutes. Der Aufklärungsanspruch ist ein unentwickelter Anspruch. Die Aufklärungspflicht ist grundsätzlich nicht einklagbar 47. Einklagbar ist erst der „entwickelte" Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht. Eine Klage auf Erfüllung der Aufklärungspflicht setzt voraus, daß der Gläubiger sein konkretes Recht, aufgeklärt zu werden, kennt. Dazu müßte der Berechtigte notwendig den aufklärungsbedürftigen Umstand kennen, so daß er spätestens in diesem Moment das Interesse an ordnungsgemäßer Aufklärung verloren hat. Die Zuerkennung eines erzwingbaren Rechts auf Aufklärung wäre also sinnlos48. 46
Zu der Informationspflicht korrespondiert der Informationsanspruch. Dazu ausführlich Ehmann in Erman, § 666 Rdz. 1 ff. 47 Klingler, aaO, S. 20; Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 210; Werres, aaO, S. 4. 48 Reimer Schmidt, Die Obliegenheiten (1953), S. 38; Siber, Rechtszwang (1903), S. 39; Kuhlmann, aaO, § 313.
§ 1 Aufklärungspflichten als Schutzpflichten
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Ausnahmsweise können Informationsschutzansprüche auch selbst einklagbar sein, wenn nach dem Willen der Beteiligten der Gläubiger die Erstattung einer Auskunft verlangen kann 49 . Aufklärungsansprüche gehören zu der Gruppe von Schutzansprüchen, die regelmäßig nicht besonders vereinbart sind. Grundsätzlich können allerdings auch Informationsschutzansprüche durch besondere Vereinbarung begründet werden: Kreß nennt als Beispiel, daß der eine Vertragsteil dem anderen die Erstattung von Gefahranzeigen (für den Fall der Gefährdung der Interessen des Gläubigers) verspricht 50. Auch wenn ein Schutzanspruch einer besonderen Vereinbarung unterliegt, bleibt es bei der Rechtsnatur dieses Anspruchs als Schutzanspruch. Allein entscheidend für die Abgrenzung von Schutzansprüchen und Erwerbsansprüchen ist ihr Zweck. Die Erstattung einer Gefahranzeige ist eine Maßnahme zum Schutz der Güter des Gläubigers. Wird der Schutzanspruch entgeltlich gewährt, so ist an den Schutzzweck ein Austauschzweck angestaffelt 51. Gesetzliches Paradebeispiel einer Aufklärungspflicht ist § 666 Alt. 1 BGB 52 . Die Pflicht des Beauftragten, von sich aus dem Geschäftsherrn die erforderlichen Nachrichten über den Stand des Geschäfts zu geben, beinhaltet eine nicht einklagbare und vom Beauftragten spontan zu beachtende Schutzpflicht in Form einer Aufklärungspflicht 53. Der einer solchen Schutzpflicht zugrundeliegende Schutzanspruch ist ein selbständiger Informationsanspruch, der keinen Hauptanspruch voraussetzt, dessen Durchsetzung er dient54. Der Schutzanspruch ist nicht ohne die Hauptansprüche abtretbar und pfändbar 55. Der Inhalt des Schutzanspruchs aus § 666 Alt. 1 BGB richtet sich nach der Art des Geschäfts 56.
2. Verletzung der Aufklärungspflicht durch Handeln oder Unterlassen Zum Teil wird die Aufklärungspflicht abgegrenzt von der „Wahrheitspflicht", also der Pflicht, positive Falschinformationen zu unterlassen57. Dazu besteht jedoch m. E. keine Veranlassung: Beide Handlungsformen spiegeln eine und dieselbe Aufklärungspflicht wider, die der Pflichtige entweder durch positives Tun oder durch 49
Kreß, aaO, S.580 Fn.5. Kreß, aaO, S.579f. 51 Kreß, aaO, S.579. 52 Zu dessen Bedeutung unten § 3IV. 53 Wittmann in Staudinger, § 666 Rdz. 2. 54 Ehmann in Erman, § 666 Rdz. 7 f. und 35. 55 Ehmann in Erman, § 666 Rdz. 39. 56 Ausführlich Ehmann in Erman, § 666 Rdz. 20 ff. 57 Böhme, aaO, S. 3; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S.4; Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 161 ff.; Klingler, Aufklärungspflichten (1981), S.21; Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 211. 50
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Unterlassen verletzen kann58. Zu beachten ist jedoch, und insofern hat die Forderung nach einer Trennung beider Pflichten einen richtigen Kern, daß an die Bejahung einer Pflicht zur aktiven Aufklärung unter Umständen höhere Anforderungen zu stellen sein können als an die Pflicht, eine Falschaufklärung zu unterlassen. Bei einer unrichtigen Behauptung wird stärker auf den Willen eingewirkt als durch die Unterlassung einer Aufklärung 59. Eine Pflicht zum Unterlassen von Falschinformationen ist daher grundsätzlich zu bejahen60. Nur in Ausnahmefällen besteht ein „Recht zur Lüge": So ist beispielsweise der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, unzulässige Fragen des Arbeitgebers zu beantworten61. Eine irreführende Erklärung kann auch dann rechtswidrig sein, wenn keine Verpflichtung besteht, den anderen von sich aus aufzuklären 62. 3. Die These vom informationellen Vorsatzdogma des BGB Jüngst ist von Grigoleit die These vorgestellt worden, daß das System des BGB eine Haftung wegen fahrlässiger Verletzung einer vorvertraglichen Informationspflicht ausschließe63. Begründet wird diese Ansicht damit, daß die Einzelvorschriften des BGB aus dem Bereich der vorvertraglichen Informationshaftung ausnahmslos an eine arglistige Täuschung als zentrale Haftungsvoraussetzung knüpften: Grigoleit stützt sich dabei zum Beispiel auf das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB, den Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB sowie § 823 II BGB iVm §§ 263, 264a, 265 b StGB 64 . Richtig ist, daß bei allen genannten Vorschriften die Rechtsfolge von der vorsätzlichen Herbeiführung eines Vertragsschlusses abhängt. Auch die von Grigoleit genannten Gewährleistungsvorschriften 65 knüpfen verschiedene Rechtsfolgen wie die Unbeachtlichkeit eines Gewährleistungssauschlusses (§§442, 523 I I 2 BGB n.F. iVm § 444 BGB n. F.) oder Schadensersatz (§§5231, 5241, 600 BGB) an den Tatbestand der Arglist. Ob sich aus diesen Vorschriften jedoch ein Gesamtumkehrschluß folgern läßt, nach dem das BGB jegliche Fahrlässigkeitshaftung für vorvertragliches Informationsverhalten ausschließe66, erscheint eher zweifelhaft 67. Bereits der 58
Vgl. Erman, AcP 139 (1934), 273, 276f. Böhme, aaO, S.3. 60 Ehmann in Erman (9. Aufl), Anh. Zu § 12 Rdz. 353 f.; Roth in MünchKomm, §242 Rdz. 211. 61 So ist die Frage nach einer Schwangerschaft idR unzulässig, BAG NJW 1993,1154,1155; kritisch Ehmann in Erman (9. Aufl.), Anh. zu § 12 Rdz. 357. Weitere Beispiele bei Putzo in Palandt, §611 Rdz. 5 ff. 62 BGH W M 1986, 1947, 1048; NJW-RR 1988,458,459; NJW-RR 1997, 144, 145. 63 Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S. 16ff. 64 Grigoleit, aaO, S. 16ff. 65 Grigoleit, aaO,S.25ff. 66 So Grigoleit, aaO, S.29ff. 67 Kritisch auch Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 99 f. 59
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Ansatzpunkt, nach dem im BGB eine Haftungsregelung für fahrlässige, vorvertragliche Irreführungen fehle, ist m. E. nicht richtig. So umfaßte § 30711 BGB a. F. auch die fahrlässige Irreführung hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit 68. Auch wenn Grigoleit Informationspflichten, die zur Unwirksamkeit des Vertrags führen, nicht berücksichtigen wollte 69 , bleibt er eine Erklärung schuldig, warum dort das informationelle Vorsatzdogma des BGB durchbrochen wird. Ebenso sieht § 694 BGB eine Schadensersatzpflicht des Hinterlegers vor, wenn dieser, vorsätzlich oder fahrlässig, dem Verwahrer eine gefahrdrohende Beschaffenheit der zu hinterlegenden Sache verschweigt. Beide genannten Fälle schließen die Möglichkeit ein, daß der Schuldner aufgrund fahrlässiger Irreführung des Gläubigers einen nicht erwartungsgerechten Vertrag herbeigeführt hat. Zweitens bricht die behauptete Beschränkung des Gesetzgebers auf vorsätzliche vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzungen mit dem Prinzip des § 27611 BGB, nach dem Vorsatz und Fahrlässigkeit grundsätzlich gleichbehandelt werden. Während das von der persönlichen Verantwortung geprägte Strafrecht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterscheidet, dient der Verschuldensgrundsatz im Zivilrecht der Zurechnung eines schadenstiftenden Ereignisses zum Zwecke des Schadensausgleichs. Richtig ist, daß das BGB von dem Verschuldensgrundsatz Ausnahmen zuläßt, indem es entweder eine verschuldensunabhängige Haftung statuiert (ζ. B. § 536 a I Alt. 1 BGB n. F. 70 ) oder nur ein qualifiziertes Verschulden Rechtsfolgen auslösen läßt (z.B. §§ 521,5231,5241,599,600 BGB etc.). Dagegen bleibt der Versuch, die Ausnahme der rechtsfolgenauslösenden Arglist zum Prinzip emporzuheben, in einer bloßen Behauptung stecken, die durch den in § 2761 BGB zum Ausdruck gekommenen Gleichschaltung der Verschuldensformen widerlegt wird. Nach meinem Verständnis sind die von Grigoleit genannten Vorschriften zur Begründung des „informationellen Vorsatzdogmas" allesamt Ausnahmenormen, die keinen Schluß auf ein allgemeines Prinzip zulassen: Bei § 826 BGB steht neben der Deprivilegierung des Täters zum Schutz des Opfers 71 vor allem der Gedanke im Vordergrund, mit Hilfe des Vorsatzelements die deliktische Haftung hinsichtlich primärer Vermögensschäden zu begrenzen72. Die Beschränkung der §§ 5231, 5241, 600 BGB auf Arglist ergibt sich aus dem Liberalitätszweck dieser Verträge 73: Der altruistisch Handelnde soll im Falle bloßer Fahrlässigkeit nicht haften. In §463 S. 2 BGB a. F. kam ähnlich wie im Rahmen des § 1791 BGB eine gesetzliche, „fingierte" Garantiehaftung auf das positive Interesse zum Ausdruck, die Ausnahmen zu dem Verschuldensprinzip des BGB darstellen 74. 68
Vgl. jetzt §31 l a BGB n.F. Grigoleit, aaO, S.4. 70 Vgl. auch §437 BGB a.F. 71 Oechsler in Staudinger, § 826 Rdz. 15. 72 v.Bar, Gutachten II, S. 1681, 1719. 73 Mühl/Teichmann, Vor § 521 Rdz. 1. 74 Nach herrschender Meinung war § 463 S. 2 BGB a. F. ein Fall der culpa in contrahendo, dazu ausführlich unten § 1012. 69
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Richtig ist, daß sich in dem auf Arglist und widerrechtliche Drohung beschränkten § 123 BGB das am Grundsatz der Selbstverantwortung orientierte liberale Verständnis der Schöpfer des BGB widerspiegelt 75. Jedoch spricht die Tatsache, daß der Gesetzgeber einer Weiterentwicklung der culpa in contrahendo offen gegenüberstand, gegen die Vermutung, daß der Beschränkung des § 123 BGB auf Arglist eine exklusive, fahrlässiges Verhalten ausschließende Funktion zukommen sollte76. Zudem prallt der am Modell des § 123 BGB angestellte Umkehrschluß, der Gesetzgeber wollte im vorvertraglichen Bereich Rechtsfolgen nur an eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung knüpfen, an der Tatsache ab, daß die Anfechtung hinsichtlich Struktur und Rechtsfolgen mit der vorvertraglichen culpa-Haftung nicht zu vergleichen ist 77 .
4. Die Schutzbereiche der Aufklärungspflicht Die Schutzbereiche der Aufklärungspflichten können verschieden sein. Maßgebend ist das Gläubigerinteresse, welches durch die ordnungsgemäße Aufklärung geschützt werden soll: Vorvertragliche Aufklärungspflichten sind zumeist darauf gerichtet, dem Verhandlungspartner vertragswesentliche Umstände mitzuteilen. Geschützt werden das Vermögen und die Willensfreiheit der anderen Partei 78. Diese Aufklärungspflichten werden im folgenden „vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten" genannt. Darüber hinaus dienen Aufklärungspflichten dem Schutz des Integritätsinteresses des Vertragspartners. Ob und in welchem Umfang derartige Aufklärungspflichten vor und nach Vertragsschluß bestehen, wird im Rahmen dieser Untersuchung umfassend erörtert 79. Auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Aufklärungspflichten sind sowohl im vorvertraglichen als auch im vertraglichen Bereich von untergeordneter Bedeutung. Ist die Erteilung einer Information ausdrücklich vereinbart oder ergibt sie sich aus dem Vertrag (ζ. B. Mitlieferung einer Bedienungsanleitung), so wird meist ein klagbarer Erwerbsanspruch auf Information vorliegen 80.
75
Grigoleit, aaO, S.34f. Mot. I, S. 195 = Mugdan I, S. 460; Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98. 77 Grundlegend bereits BGH NJW 1962,1196, sowie die grundsätzliche Bestätigung dieser Rechtsprechung in der viel beachteten Entscheidung BGH NJW 1998, 302. Vgl. auch unten § 512 b. 78 Breidenbach, aaO, S. 3. 79 Siehe unten §2II und §3. 80 Zu dem Thema „Aufklärungspflichten und Erfüllungsinteresse" vgl. unten § 513 sowie §1312. 76
§ 1 Aufklärungspflichten als Schutzpflichten
35
5. Terminologie und gesetzliche Beispiele des BGB Gesetz, Rechtsprechung und Literatur variieren den Terminus „Aufklärungspflicht" verschiedentlich, indem sie stattdessen von Hinweispflichten, Mitteilungspflichten, Belehrungspflichten, Warnpflichten, Anzeigepflichten usw. sprechen. Mehr als die Vermeidung eines allzu eintönigen Sprachstils bezwecken diese Umschreibungsversuche jedoch nicht 81 . Insbesondere die Anzeigepflichten sind in meinen Augen keine Sondergruppe von Informationspflichten 82. Auch die Differenzierung, wonach den Aufklärungs- und Beratungspflichten ein „Eingehen auf den Einzelfall und den Bedürfnissen des konkreten Vertragspartners" innewohne, während Informationspflichten Mitteilungen beträfen, die „objektiv und losgelöst vom Einzelfall über den Vertragsgegenstand gegeben werden" 83 könnten, erscheint wenig hilfreich. Wenn also im folgenden der Terminus Aufklärung durch Hinweis, Mitteilung oder Anzeige ersetzt wird, geschieht dies allein aus stilistischen Gründen. An verschiedenen Stellen nennt das Bürgerliche Gesetzbuch vorvertragliche oder vertragliche Aufklärungspflichten: Vor Vertragsschluß hat der Schuldner auf die anfängliche Unmöglichkeit seiner Leistungspflicht hinzuweisen (vgl. § 311 a I I 2 BGB n. F.) 84 . Der Hinterleger hat den Verwahrer vor Vertragsschluß auf die gefahrdrohende Beschaffenheit der zu hinterlegenden Sache aufmerksam zu machen, § 694 BGB 85 . Die in § 663 BGB genannten Personen sind verpflichtet, dem Auftraggeber die Ablehnung eines Auftrags mitzuteilen. Der Schenker haftet, wenn er vor Vertragsschluß die gebotene Aufklärung über einen Mangel des Gegenstandes arglistig unterläßt (§ 523 I, 5241 BGB) 86 . Ebenso hat der Verleiher den Entleiher über einen Mangel der entliehenen Sache aufzuklären, §600 BGB 87 . Nach Vertragsschluß ist der Mieter unter den in § 536c II BGB n. F. genannten Voraussetzungen zur Aufklärung verpflichtet 88. Den Unternehmer trifft eine besondere Anzeigepflicht bei Überschreitung des Kostenanschlags gemäß § 650II BGB 89 . 81 Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S.4f.; Winkler v. Mohrenfels, Informationsleistungspflichten (1986), S. 23. Kritisch auch Kuhlmann, aaO, § 3 V1. 82 Vgl. die vergeblichen Differenzierungsversuche von Böhme, aaO, S.5ff.; Weber in Staudinger ( 12. Aufl.), § 242 Anm. A 829. Die Ansicht von Werres (aaO, S. 5), daß sich die im BGB geregelten Anzeigepflichten alle durch ein bestehendes Vertragsverhältnis auszeichnen, ist m.E. nicht richtig, vgl. § 149 BGB. 83 Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 193. 84 Siehe dazu unten § 71. 85 Unten §211 la. 86 Unten § 2 I 2 d und §11. 87 Unten §2I2e. 88 Unten § 12 II. 89 Unten §1311.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Dem Hinterleger obliegt eine Hinweispflicht nach §§ 374 II, 384 II BGB 90 . Der Verwahrer hat dem Hinterleger eine Änderung der Aufbewahrung nach § 692 BGB mitzuteilen91.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten Das Feld der vorvertraglichen Aufklärungspflichten läßt sich der großen Gruppe von Schutzpflichten zuordnen, deren Verletzung unter dem Stichwort „culpa in contrahendo" ihren Platz gefunden hat 92 . Anstatt in den dogmatischen Grabenkämpfen der Wissenschaft offen Stellung zu beziehen, hat sich die Rechtsprechung rasch auf die neutrale Position zurückgezogen, die culpa in contrahendo sei „allgemein anerkannt" 93 . Nach der seit dem Ol. Januar 2002 geltenden Rechtslage ist die culpa in contrahendo in § 311 II BGB n. F. gesetzlich geregelt. Schon nach den Vorschlägen der Schuldrechtskommission sollte die Haftung aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzung ausdrücklich im allgemeinen Teil des Schuldrechts integriert werden 94. Die Entscheidung des Gesetzgebers, das Institut der culpa in contrahendo im Zentrum des allgemeinen Schuldrechts zu piazieren, entzieht einer Einordnung dieser Haftung unter das Deliktsrecht den Boden95. Sieht man in § 311 II BGB n. F. eine Absage an deliktsrechtliche Einordnungsversuche, so stünde dies im Widerspruch zu vielen Stimmen, die eine Integrierung der culpa in contrahendo (ganz oder teilweise) in das Deliktsrecht fordern 96. Erstaunen muß vor allem die Tatsache hervorrufen, daß die Gutachten zur Reform des Schuldrechts in den achtziger Jahren noch deliktisch orientierte Lösungen der culpa in contrahendo befürworteten 97. Die erneute Kehrtwende bietet daher einen willkommenen Anlaß, die dogmatische Grundlage vorvertraglicher Schutzpflichten nochmals zu überdenken. 90
Unten § 141. Unten § 14 II. 92 Im folgenden werden die Termini „culpa in contrahendo" und „vorvertragliche Schutzpflichtverletzung" synonym verwandt. Auch wenn es richtig ist, daß die culpa in contrahendo im Jheringschen Sinne von der heutigen Lehre stark abweicht, so hat sich der Terminus „culpa in contrahendo" doch eingebürgert, weshalb mir eine terminologische Differenzierung nicht angebracht erscheint, aA Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S.97ff. 93 So bereits 1922 in RGZ 104, 265, 267. 94 Vgl. §§30511, 241IIKE. 95 AA Rolland (NJW 1992,2377,2381), der in der vorgeschlagenen Kodifizierung der culpa in contrahendo lediglich „ein Festschreiben des geltenden Rechts" sieht. 96 V. Bar, Verkehrspflichten (1980), §8; Brüggemeier, Deliktsrecht (1986), S. 283 ff.; Grunewald, JZ 1982, 627, 630ff.; Hopt, AcP 183 (1983), 608, 632ff.; Huber, FS Ernst v.Caemmerer (1978), 539ff.; Mertens in MüchKomm, § 823 Rdz. 10f., 467ff.; Vollmer, JA 1979, 84, 91
88.
97
Vgl. dazu v.Bar, Gutachten II, S. 1681, 1720ff.; Huber, Gutachten I, S.647, 737; Medians, Gutachten I, S.479, 487 ff., 494.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
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Zur Beantwortung der Frage, auf welcher dogmatischen Grundlage vor Vertragsschluß entstandene Schutzpflichten basieren, unterscheidet die Untersuchung vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten von solchen, welche den Schutz der Integrität der Rechtsgüter des anderen Teils bezwecken.
I. Vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten Fall 1 : Alfred (A) tritt mit Boris (B) in Vertragsverhandlungen über den Verkauf eines Gebrauchtwagens. Obwohl hinsichtlich des Kaufpreises noch leichte Differenzen bestehen, sichert A dem Β zu, daß der Wagen „praktisch schon an Β verkauft" sei. Dabei verschweigt A, daß es noch einen weiteren Interessenten (D) gibt, dem er den Wagen unter Umständen verkaufen würde. In großer Vorfreude kauft Β noch am selben Abend einen Dachgepäckträger. Als Β am nächsten Morgen zwecks Vertragsabschluß zu A fährt, erklärt dieser ihm, daß er den Wagen bereits am frühen Morgen an D verkauft habe, der ein wesentlich lukrativeres Angebot unterbreitet hätte. Fall 2: Waldemar (W) schließt mit der Geier-GmbH (G) einen privatschriftlichen Kaufvertrag über ein Hausgrundstück. Auf Frage des W, ob dieser Vertrag nicht noch von einem „Fachmann" überprüft werden müsse, entgegnet einer der Geschäftsführer der G, das sei unter Gentlemen nicht nötig. Nachdem W seine alte Wohnung bereits gekündigt hat, verweigert G unter Berufung auf die Formnichtigkeit (§ 125 S. 1 BGB) Erfüllung des Vertrags.
1. Der Vertrag als Rechtsgrundlage Die ersten Stellungnahmen zur Begründung der culpa in contrahendo nach ihrer „Entdeckung" 9 8 durch Rudolf von Jhering" konzentrierten sich darauf, diese auf eine rechtsgeschäftliche Basis zu stellen.
a) Hauptvertrag
als Haftungsgrund
Jhering selbst erblickte den Rechtsgrund der Haftung in dem später geschlossenen Vertrag 1 0 0 . Dabei hatte Jhering lediglich Verträge i m Auge, die scheinbar zu98 Schon vor Veröffentlichung der Abhandlung Jherings ist eine Haftung nach Vertragsgrundsätzen wegen schuldhafter Herbeiführung eines nichtigen Vertrags unter Berufung auf römische Textstellen Diskussionsgegenstand gewesen, dazu Brock, Vertragsinteresse (1902), S.39ff. 99 Jherings Jahrb. 4 (1861), 1-112. 100 Jherings Jahrb.4 (1861), 1,26ff. Baumert (culpa in contrahendo [1955], S. 18) irrt, wenn er meint, Jhering hätte den Haftungsgrund in einem Verhalten eines der Verhandlungspartner während der Vertragsverhandlungen gesehen. In dem von Baumert angeführten Beispiel zog der Offerent sein Angebot nach Absendung, aber vor Zugang zurück (was nach gemeinem Recht möglich war). Jhering erblickte die culpa in dem Widerruf der Offerte, ohne sich zu vergewissern, ob der Adressat möglicherweise schon mit der Ausführung des Vertrags begonnen
38
1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
standegekommen, sich aber hinterher als nichtig herausstellten. Den frühesten Zeitpunkt eines Verschuldens erblickte Jhering in dem Vertragsangebot, welches zur diligentia in contrahendo verpflichte, so daß eine rechtsgeschäftliche Begründung dieser Haftung problemlos möglich ist. Indes zeigt sie aber auch, wie weit sich der Anwendungsbereich der heutigen culpa in contrahendo von der ursprünglichen Idee Jherings entfernt hat: Die Haftung an die Verletzung einer vorvertraglichen Verhaltenspflicht zu knüpfen, hatte Jhering überhaupt nicht im Sinn 101 . Ähnlich wie Jhering sah auch Leonhard den Haftungsgrund in dem später geschlossenen Vertrag. Leonhard bejahte jedoch im Gegensatz zu Jhering die Haftung nur in den Fällen, in denen die Verhandlungen in einen gültigen Vertragsschluß mündeten102. Leonhard hielt das Entstehen gewisser Pflichten vor Vertragsschluß für möglich, jedoch bestünde eine Einstandspflicht erst im Falle eines gültigen Vertragsschlusses. Der Vertragsschluß bildete seiner Meinung nach ein einheitliches Ganzes: Die Haftung aufgrund vor Vertragsschluß entstandener Pflichten hänge vom späteren Vertragsschluß ab. Obwohl das Reichsgericht der Theorie Leonhards in einigen Entscheidungen folgte 103 , stieß die Konstruktion innerhalb der Literatur rasch auf Kritik. Zu Recht wurde Leonhard vorgeworfen, daß die rückwirkende Entstehung vertraglicher Pflichten ein Paradoxon sei 104 . Die Rückwirkung des Vertrags auf Handlungen während der Vertragsverhandlungen sei weder vom Gesetz vorgesehen noch von den Parteien gewollt. Die Kritik richtete sich ferner gegen die Tatsache, daß die Haftung wegen culpa in contrahendo entfallen soll, wenn es nicht zu einem gültigen Vertrag kommt: Die Pflichtverletzung habe die Nichtigkeit des Vertrags ja oft erst verursacht. Zudem könne sich der arglistige Schädiger der Haftung entziehen, indem er den Vertragsschluß vereitele. In einer späteren Entscheidung hat sich das Reichsgericht von dem Konstrukt Leonhards abgewandt105.
hat (S. 88). An mehreren Stellen betonte Jhering, daß erst durch die Annahme eines Angebots ein Schadensersatzanspruch begründet werden könne: Ohne den äußerlich erfolgten Abschluß des Vertrags sei kein Schadensersatzanspruch möglich (S.43,88 f.), vgl. Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 99 Fn. 18. 101 Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 290f.; Hans Stoll, FS Ernst von Caemmerer (1978), S.435, 439. 102 Leonhard, Verschulden beim Vertragsschluß (1910), S.58ff.; ders., Schuldrecht AT, §§283,284. 103 RG JW 1912, 743 Nr. 5 („Luisinlichtfall"); 95, 58, 60; 97, 325, 327; 103, 47, 50. 104 Levy, JW 1922, 1313; Heinrich Stoll, LZ 1923, Sp. 532, 543; Siber in Planck, Vor §§275-292, Anm.I4b. 105 RGZ 104, 265, 268 („Weinsteinsäurefall"), wo stattdessen zur Haftungsbegründung im Falle eines versteckten Dissenses auf „Billigkeit und Rücksicht auf die Verkehrssitte" abgestellt wurde.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
b) Vorvertrag
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als Haftungsgrund
Siber sah die Vertragsverhandlungen als eigenständiges Vertragsverhältnis an, das auf die Begründung von Erhaltungs- und Anzeigepflichten gerichtet sei 106 . So könne bereits in der Eröffnung eines Ladens ein Angebot zu einem derartigen Vertrag liegen, der bei Betreten des Ladens durch den Kunden nach § 151 BGB zustande käme 107 . Gegen einen vorbereitenden Vertrag als Haftungsgrundlage wurde vielfach eingewandt, daß den Verhandlungspartnern ein Verpflichtungswille unterstellt werde, den sie regelmäßig gar nicht hätten. Die Annahme eines derartigen Vertrags beruhe daher auf einer Fiktion 108 . Diesem Vorwurf entgegnete Siber mit dem Hinweis, daß die Vertragsauslegung nach § 157 BGB nicht einen inneren Willen, sondern ein nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu billigendes Ergebnis (hypothetischer Wille) ermittele 109. Gegen dieses Argument führten die Gegner einer rechtsgeschäftlichen Begründung wiederum an, daß § 157 BGB die Auslegung einer bereits vorhandenen Willenserklärung regele, nicht jedoch, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliege 110.
c) Einseitiges Rechtsgeschäft als Haftungsgrund Nach Auffassung von Heinrich Stoll lag in der Vertragsofferte oder der Aufforderung zum Eintritt in Vertragsverhandlungen ein einseitiges Rechtsgeschäft, durch welches ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien mit verschiedenen Pflichten entstehe111. Stoll sah in dem Schuldverhältnis einen „Organismus", der sich nicht auf die Vertragsform beschränke, sondern bereits mit Eintritt in die Vertragsverhandlungen entstehe und mit Vertragsschluß lediglich seine Erscheinungsform wechsele. 106 In Planck, Vor §§275-292, Anm.I4b (S. 195) und Jherings Jahrb.70 (1921), 223, 258; ebenso Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 225 ff. im Falle der Verletzung von Erhaltungspflichten. 107 Siber in Planck, Vor §§ 275-292, Anm. I 4 b (S. 194). 108 Ballerstedt, AcP 151 (1950/51), 501, 505; Flume , AcP 161 (1962), 52, 63; Haupt, FS Heinrich Siber (1943), S. 1, 29; Herholz, AcP 130 (1929), 257, 279; Heinrich Stoll, LZ 1923, Sp.532, 544. 109 Siber, Jherings Jahrb. 70 (1921), 223, 259; ebenso Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 229 ff. 110 Dölle, ZStW 103 (1943), 67, 70f. Diese Kritik erscheint jedoch unberechtigt, da Siber die Anwendung des § 157 BGB ausdrücklich davon abhängig machen wollte, „daß die Parteien willentlich die Grenze des nur Gesellschaftlichen überschritten haben und bereits in das Gebiet der geschäftlichen Verhandlungen eingetreten sind", in Jherings Jahrb. 70 (1921), 223, 259. Vgl. Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 123 Fn. 189. 111 LZ 1923, Sp. 523, 544 u. 545; RG JW 1927, 1086. Ähnlich Fürst (LZ 1910, Sp. 177, 179 ff.), der eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung aufgrund einseitiger Willenserklärung durch Betreten des Gewerbebetriebs annahm; auf Seiten des Gewerbetreibenden soll die tatsächliche Eröffnung des Ladens genügen.
1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
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Stoll ist entgegenzuhalten, daß sich aus dem Wortlaut des § 305 BGB a. F. 112 eine abschließende gesetzliche Regelung des einseitigen Rechtsgeschäfts ergab 113. Die im BGB vorhandenen Vorschriften hinsichtlich einseitiger Rechtsgeschäfte lassen sich jedoch auf die vorliegende Situation nicht übertragen 114. Zudem muß die Annahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts auch deshalb befremden, da dieses dadurch gekennzeichnet ist, daß die Rechtsfolge kraft einseitiger Erklärung unabhängig von dem Willen des anderen herbeigeführt wird. Stoll betonte, daß das durch einseitiges Rechtsgeschäft entstandene Schuldverhältnis beide Parteien verpflichte 115 . Demnach könnten dem Erklärungsgegner kraft einseitiger Aufforderung zu Vertragsverhandlungen Pflichten aufgezwungen werden, deren Entstehung der Betroffene nicht verhindern könnte. Auch der Versuch, die vorvertragliche Haftung auf der Grundlage eines einseitigen Rechtsgeschäfts zu gründen, vermag nicht zu überzeugen. 2. Das Bürgerliche Gesetzbuch Der These, daß die culpa in contrahendo auf rechtsgeschäftlichen Elementen basiere, wurde zu Recht der Vorwurf gemacht, daß vor Vertragsschluß ein rechtsgeschäftlicher Verpflichtungswille noch gar nicht besteht. Rechtsprechung und Lehre gaben sodann den Versuch einer rechtsgeschäftlichen Erklärung dieser Haftung bald auf und stellten jene Pflichten stattdessen auf den Boden eines „gesetzlichen Schuldverhältnisses", dessen Grundlage in § 242 BGB liegen sollte. Freilich ist die Berufung auf Treu und Glauben in diesem Zusammenhang verfehlt: § 242 BGB dient der Auslegung eines (bestehenden) Rechtsverhältnisses, zur Beantwortung der Frage, ob überhaupt ein solches Rechtsverhältnis besteht, gibt die Vorschrift nichts her 116 . Der Begründung der culpa in contrahendo als gesetzliches oder „vertragsähnliches" Schuldverhältnis warf Siber Bedeutungslosigkeit vor, da die Zahl der nicht vertraglichen Schuldverhältnisse geschlossen sei 117 . Dieser Schluß ließ sich aus § 305 BGB a. F. 118 allerdings nicht ziehen: § 305 BGB a. F. bezog sich nur auf durch Rechtsgeschäft begründete Schuldverhältnisse und Schloß somit gesetzliche Schuldverhältnisse von vornherein aus. Die Vorschrift stellte lediglich klar, daß die Zahl der einseitigen Rechtsgeschäfte gesetzlich geschlossen ist. Aus dem Gesetz ergibt sich somit kein Anhaltspunkt dafür, daß die Zahl der gesetzlichen Schuldverhältnisse geschlossen wäre. 112
Vgl. §3111 BGB n.F. Siber in Planck, Vor §§ 275-292, S. 194; aA Fürst, LZ 1910, Sp. 177. 114 Dolle, ZStW 103 (1943), 67, 71. 1,5 LZ 1923, Sp. 523, 544. 116 So richtig Heinrich Stoll, LZ 1923, Sp. 523, 540. Kritisch auch Evans-von Krbek, AcP 179(1979), 85, 143 Fn.268. 1,7 Siber in Planck, Vor §§ 275-292, S. 194. 118 §3111 BGB n.F. 113
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
41
Im folgenden soll untersucht werden, ob das von der herrschenden Meinung behauptete „gesetzliche Schuldverhältnis" als Entstehungsgrund vorvertraglicher Schutzpflichten aus Vorschriften des BGB abgeleitet werden kann. a) §122 BGB aa) Entstehungsgeschichte Die heutige Regelung der Schadensersatzpflicht des Anfechtenden baut auf der Behauptung Jherings auf, daß beim Kontrahieren „Jeder für die Zuverlässigkeit seiner Willenserklärung einzustehen" habe119. Während Jhering die Fälle des Irrtums als „culpa in contrahendo" ansah, wird heute die inhaltlich den Vorstellungen Jherings entsprechende Norm des § 1221 BGB als verschuldensunabhängige Veranlassungs- oder Garantiehaftung verstanden 120. Ein Blick auf die Vorschrift offenbart, daß der Anfechtende auch dann haftet, wenn ihm keine Fahrlässigkeit zur Last fällt. Als Beispiel mag der Fall dienen, daß der Erklärende zur Übermittlung der Willenserklärung eine ihm als zuverlässig bekannte Person ausgesucht hat und diese dennoch die Willenserklärung falsch übermittelte. Obwohl hier dem Anfechtenden ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden kann, haftet er nach den §§1221, 120 BGB. Jhering dagegen sah in dem gerade dargelegten Beispiel das Verschulden des Erklärenden in der Wahl eines solchen Mitteilungsmittels schlechthin 121. Hier wird deutlich, wie weit Jhering den Kreis der culpa zog 122 : Indem er das Verschulden in der bloßen Verursachung der Nichtigkeit des Vertrags erblickte, knüpfte er tatsächlich nicht an eine Verschuldenshaftung im heutigen Sinne, sondern an eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung an. Zu der Problematik der unrichtigen Übermittlung einer Willenserklärung mittels Telegraphen bemerkte Fuchs, daß allein die Wahl dieses damals üblichen Korrespondenzmittels nicht ein Verschulden des Absenders darstellen könne. Vielmehr sei in diesen Fällen eine stillschweigende Garantieübernahme anzunehmen123. Jhering stimmte Fuchs grundsätzlich zu, sah aber in der Veranlassung der Gefahr durch Wahl eines gegenüber direkter Mitteilung riskanteren Mittels ein Verschulden 124. Daß seine „culpa" in Wirklichkeit eine Garantiehaftung darstellt, indizieren Jherings Äußerungen selbst: Um den Kontrahenden vor Nachlässigkeit der anderen Partei zu schützen, „braucht man ihm nicht zuzumuthen, sich die Abwesenheit der 1,9
Jherings Jahrb.4 (1861), 1, 73. Siehe unten bb. 121 Jherings Jahrb.4 (1861), 1, 85. 122 Vgl. Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 188 f. 123 Fuchs, AcP 43 (1860), 94, 101 Fn. 10. 124 Jhering Jahrb. 4 ( 1861 ), 1,111 : „Er hatte die Wahl zwischen einem absolut sichern und einem erfahrungsmäßig unzuverlässigen Mittel; im eignen Interesse entscheidet er sich für letzteres und gefährdet damit den andern (Kontrahenten - ist dies keine culpa?" 120
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
culpa oder spezieller das Vorhandensein der Erfordernisse des Contracts ausdrücklich garantiren zu lassen, das Gesetz kann und soll ihn dieser Mühe überheben, indem es in das Contrahiren selbst die stillschweigende Uebernahme dieser Garantie verlegt" 125 . Auch Windscheid erkannte, daß die culpa in contrahendo Jherings gar nicht an ein Verschulden anknüpfte 126. Tatsächlich stand die Konstruktion Jherings der von Windscheid sehr nahe, der die Haftung im Falle eines Irrtums 127 auf eine Garantieerklärung des Pflichtigen stützen wollte 128 . Daß in bestimmten Situationen die von Jhering vertretene „Verschuldens"-Haftung nicht paßte, gab er später selbst zu, und die folgende Äußerung entspricht dem heutigen Verständnis der §§ 122,179 BGB: „Die von mir aufgestellte These der culpa in contrahendo wird, indem sie den beschränkten Gedanken des subjektiven Unrechts zu Grunde legt, der Idee der Verhältnisse nicht gerecht, und meine Formulirung wird gewiss durch eine weitere, objectivere ersetzt werden" 129 . Wie aus den Motiven hervorgeht, verstand der Gesetzgeber unter der culpa in contrahendo etwas anderes als Jhering: Nicht in der Verursachung des ungültigen Vertrags allein sollte das Verschulden liegen, sondern in der Fahrlässigkeit des Erklärenden bei Eingehung des Rechtsgeschäfts. Anders als Jhering grenzte der Gesetzgeber die culpa in contrahendo klar von der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung ab 130 . Eine Haftung des Erklärenden sollte nach den §§97111,99 I I Ε 1 nur im Falle einer Fahrlässigkeit bei Eingehen des Rechtsgeschäfts eintreten 131. Interessanterweise näherte sich der Standpunkt des Gesetzgebers in den folgenden Entwürfen der Ansicht Jherings an, so daß der heutige § 1221 BGB mit dessen Auffassung von der Behandlung solcher Fälle vollkommen übereinstimmt. So bestimmten die §§ 971E 2 und 1221E 3 die Schadensersatzpflicht des Erklärenden verschuldensunabhängig, im Falle der Unrichtigkeit der Übermittlung sollte die Ersatzpflicht je125 Jherings Jahrb. 4 ( 1861 ), 1,42. Weiter heißt es in dem Text, S. 43: „Indem der Andere den Contract mit ihm abschließt, garantirt er ihm damit das günstige Resultat dieser seiner Prüfung" hinsichtlich der Richtigkeit seiner Äußerungen. 126 Pandekten II, §315 Fn.7: „Es wird hier Verschuldung genannt, was möglicherweise ganz unverschuldet sein kann". 127 Daß Windscheid eine derartige Haftung anerkennt, ergibt sich aus § 76 Fn. 2 und Fn. 3 seiner Pandekten (Band I). 128 Pandekten II, §307 Fn. 5. 129 v. Jhering, Schuldmoment, S.38 Fn.73. 130 Besonders deutlich kommt dies bei der Haftung des Stellvertreters zum Ausdruck: Hier wird „die Haftung nicht auf eine dem Vertreter zur Last fallende Schuld, sondern... gewissermaßen auf ein stillschweigendes Garantieversprechen" gestützt (Mot. I, S. 244 = Mugdan I, S. 488). Jhering hätte dagegen auch die Haftung des Vertreters, der sich über den Mangel der Vertretungsmacht in einem entschuldbaren Irrtum befunden hat, auf einer culpa aufgebaut; diese sah er in der Unkenntnis schlechthin, ohne Rücksicht darauf, ob der Irrtum „bei dem besten Willen verborgen bleiben durfte", Jherings Jahrb. 4 (1861), 1, 34 f. 131 Mot. I, S. 195 = Mugdan I, S. 460.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
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doch entfallen, sofern sie auf höherer Gewalt beruhte (§§ 97 II E 2, 118 II 2 E 3) 1 3 2 . Diese Beschränkung ist jedoch auf Antrag der Redaktionskommission vom Reichstage beseitigt worden 133 , so daß auch im Falle des § 120 BGB der Anfechtende uneingeschränkt nach § 1221 BGB haftet.
bb) Heutige Interpretation Nach heutigem Verständnis ist die Haftung aus § 1221 BGB kein Fall der culpa in contrahendo 134. Zu einer culpa (nach Vertragsschluß) gelangt man allenfalls dann, wenn man in der Anfechtung selbst eine Pflichtverletzung sähe135. Ohne diese Pflichtverletzung wäre der Vertrag jedoch gültig geblieben, so daß der Anfechtende den durch die Anfechtung kausal enstandenen Nichterfüllungsschaden zu ersetzen hätte. Dagegen spricht jedoch § 122 BGB, der sich auf den Vertrauensschaden des Erklärungsempfängers bezieht. Somit widerspricht die Auffassung, die Anfechtungserklärung sei eine Pflichtverletzung, dem klaren Wortlaut des § 122 BGB 1 3 6 . Vielmehr handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung. Die Haftung aus § 122 BGB beruht auf dem Gedanken, daß der Gläubiger in diesen Fällen schutzbedürftig ist, kann er doch in aller Regel den Mangel der Erklärung nicht erkennen 137. Das Abstellen auf den Blickwinkel des Gläubigers ist etwas anderes als die Begründung der Haftung mit dem Argument, daß der Mangel im Verantwortungsbereich des Erklärenden liege. Es sind nämlich durchaus Fälle denkbar, in denen der Mangel der Erklärung nicht aus der „Sphäre" des Irrenden stammt, dieser den Irrtum also gerade nicht beherrschen konnte138. Ihn auch in diesem Falle haften zu lassen, läßt sich nur durch Abstellen auf die Gläubigerperspektive, d. h. dessen unbedingte Schutzbedürftigkeit in derartigen Situationen, begründen.
132
Siehe Denkschrift, S. 22f. = Mugdan I, S. 834. Prot. I, S. 327 = Mugdan I, S. 752. 134 BGH L M Nr. 1 zu § 122; Dilcher in Staudinger, § 122 Rdz. 4; Flume , Bürgerliches Recht AT II, § 21,7; Hefermehl in Soergel, § 122 Rdz. 1 und 7; Kramer in MünchKomm, § 122 Rdz. 6; Wolf in Larenz, Bürgerliches Recht AT, § 36 Rdz. 127 Fn.96. 135 So Meincke, AcP 179 (1979), 170, 171. Schon v. Tuhr interpretierte die Schadensersatzpflicht als Korrelat zur Anfechtungserklärung (BGB AT II 1, S.594). Dagegen Heinrich Stoll, LZ 1923, Sp. 532, 534 Fn.7. 136 Kramer in MünchKomm, § 122 Rdz. 1; Hefermehl in Soergel, § 122 Rdz. 1. 137 Die Garantiehaftung des § 1221 BGB entsteht kraft Gesetzes. Sofern im Rahmen des § 122 BGB eine vertragliche (stillschweigende) Garantieübernahme des Schuldners für sein gegebenes Wort angenommen wird (so anscheinend Flume, Bürgerliches Recht AT II, § 10, 5 und §21,7), beruht diese auf einer bloßen Fiktion. Möglich ist nämlich durchaus, daß der Mangel der Erklärung vom Anfechtenden gar nicht verschuldet wurde; ihm hier zu unterstellen, daß er auch in diesen Fällen uneingeschränkt haften solle, überdehnt den Parteiwillen unangemessen. 138 Auf den „Sphärengedanken" berufen sich z.B. Canaris , Vertrauenshaftung (1971), S. 479ff., 532ff.; Kramer in MünchKomm, § 122 Rdz. 3. 133
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b) §179 BGB aa) Entstehungsgeschichte Windscheid sah die Haftung des unberechtigten Vertreters im Falle der Genehmigungsverweigerung durch den Vertretenen in einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Garantieübernahme begründet. Eine stillschweigende Garantieerklärung läge in jedem Kontrahieren des nicht berechtigten Stellvertreters ohne Angabe des Mangels der Vertretungsmacht, es sei denn, daß der Vertreter annehmen durfte, das Fehlen der Vertretungsmacht sei dem Gegner bekannt139. Aufgrund dieser Garantie könne der andere Teil Erfüllung des Vertrags verlangen 140. Der von Jhering gebrauchte Begriff der culpa umfaßte jede Verursachung eines nichtigen Vertrags, so daß der Anwendungsbereich der Haftung infolge culpa sich mit der Garantiehaftung Windscheids deckte141. Allerdings gelangte Jhering anders als die Vertreter der Garantiehaftung nur zum Ersatz des negativen Interesses. Hier zeigt sich, daß die Unterscheidung zwischen der Garantiehaftung Windscheids und der „Verschuldenshaftung" Jherings nicht nur eine Konstruktionsfrage ist: Die Nichtigkeit des Vertrags zwang Jhering, sich auf die culpa zu beschränken, die zum Abschluß des nichtigen Vertrags geführt hat 142 . Die Garantiehaftung setzt sich dagegen in diesem Falle über die Nichtigkeit des Vertrags hinweg: Trotz der durch die Verweigerung der Vertretungsmacht eingetretenen Unwirksamkeit des Vertrags könne der Vertragsgegner vom Vertreter Erfüllung bzw. den Nichterfüllungsschaden verlangen, da der Vertreter ihm bei Vertragsschluß das Vorhandensein der Vertretungsmacht garantiert habe143. Die Garantieübernahme des Vertreters gegenüber dem Gegner bleibt wirksam, obwohl der im Namen des Vertretenen geschlossene Vertrag unwirksam ist. Um die Nichtigkeit des Vertrags zu überwinden, sind an die Garantieübernahme des Stellvertreters besondere Anforderungen zu stellen: Mangels ausdrücklicher Garantieerklärung verlangte Windscheid zumindest das bewußte Verschweigen des Mangels der Vertretungsmacht für die Annahme einer stillschweigenden Garantieübernahme 144. Anders dagegen bei der anfänglichen Unmöglichkeit, dem anfänglichen Unvermögen, den Irrtumsfällen, sowie im Falle des Widerrufs eines Antrags: Auch hier gelangte Windscheid zu einer verschuldensunabhängigen Haftung kraft Garantieübernahme 145. Im Gegensatz zur Stellvertreterhaftung sei die Garantie der Richtigkeit der Erklärung in jeder Willenserklärung enthalten, beruhe also nicht auf 139
Pandekten I, §74 Fn.7a. aaO, §74 Fn.8. 141 Jherings Jahrb. 4 (1861), 1,34 und 41. 142 aaO, S. 16f. 143 Windscheid, Pandekten I, §74 (S. 196). 144 aaO, §74 Fn.7a. 145 Irrtum: Pandekten I, §76 Fn.3; anfängliche Unmöglichkeit: Pandekten II, §315; anfängliches Unvermögen: Pandekten II, § 315 Fn. 3; Widerruf des Antrags (Der Widerruf war im gemeinen Recht bis zur Erklärung der Annahme möglich): Pandekten II, § 307 Fn. 5. 140
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einem besonderen Versprechen wie bei dem Stellvertreter 146. Daher konnte das positive Interesse auch nur im Falle der Gültigkeit der Willenserklärung verlangt werden 147 , im Falle der anfänglichen (objektiven) Unmöglichkeit vermochte die in der Willenserklärung enthaltene „Garantie" der Leistungsfähigkeit die Nichtigkeit des Vertrags nicht zu überwinden 148. Laband stimmte der Verschuldenshaftung Jherings zu, grenzte den Begriff der culpa jedoch ein, so daß der Stellvertreter nicht haften solle, wenn er sich über den Mangel seiner Vertretungsmacht in einem entschuldbaren Irrtum befunden habe149. Die Motive folgten in § 125 Ε 1 einer strikten Garantiehaftung im Sinne Windscheids 15°. Der Erste Entwurf entfachte eine lebhafte Diskussion über den Umfang der Haftung des Stellvertreters 151. Der auf der Basis eines Garantieversprechens fußenden Haftung auf den Nichterfüllungsschaden wurde vorgeworfen, daß sie einen besonderen Haftungswillen des Vertreters in vielen Fällen fingiere. Im Gebiet des gemeinen Rechts sei die Auffassung, nach der die Haftung auf das negative Interesse beschränkt werden soll, gleichermaßen stark vertreten 152. Letztendlich entschied sich die Kommission zu einem Kompromiß, wie er auch in der endgültigen Fassung des § 179 BGB zum Ausdruck gekommen ist. Der Gesetzgeber unterschied zwei Situationen: Wisse der Stellvertreter um den Mangel seiner Vertretungsmacht, so handele er entweder dolos oder auf eigene Gefahr, d. h. in der Hoffnung, die Genehmigung des Vertretenen noch zu erlangen. In beiden Fällen solle der Vertreter auf das positive Interesse haften 153. Sofern man die Haftung jedoch nicht in einer besonderen Garantieübernahme begründen will, bedarf es einer ausdrücklichen Festlegung des Schadensersatzanspruchs im Gesetz: Sieht man in dem bewußten Verschweigen der fehlenden Vertretungsmacht nämlich eine Schutzpflichtverletzung, so würde 146
Pandekten II, § 315 Fn. 3, § 307 Fn. 5. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch hat zum Schutz des anderen Teils in bestimmten Situationen dem Erklärenden die „Garantie" der Richtigkeit seiner Willenserklärung unterstellt, siehe §§ 1221, 179 II BGB. 147 So kamen nach dem alten Recht die Vertreter der Garantiehaftung im Falle anfänglichen Unvermögens aufgrund der dem Schuldner untergeschobenen „Garantie" der Leistungsfähigkeit zum Ersatz des positiven Interesses, siehe ausführlich unten § 7 II 1 a. 148 Pandekten II, § 315 (S. 206f.): „Ist die Unmöglichkeit dagegen eine objective, so ist der Vertrag ungültig; der Schuldner ist ebensowenig, wie zur Leistung des Unmöglichen, zur Leistung eines Geldäquivalentes verpflichtet". 149 Laband, ZHR 10 (1866), 183, 235. Dagegen Windscheid, Pandekten I, § 74 Fn. 8. 150 Mot. I, S. 243 f. = Mugdan I, S. 487 f. 151 Prot. I, S. 322ff. = Mugdan I, S. 750f. 152 Prot. I, S. 322 = Mugdan I, S. 750. 153 Gegenüber § 12512 E1 wurde in den nachfolgenden Entwürfen (§ 146IE2, § 175IE3) sowie in der jetzigen Fassung des § 1791 BGB der Wortlaut dahingehend geändert, daß die ursprüngliche Formulierung „Schadensersatz wegen Nichterfüllung" in den jüngeren Fassungen durch das Wort „Schadensersatz" ersetzt wurde. Der Gesetzgeber ging jedoch weiterhin unmißverständlich vom Ersatz des positiven Interesses in diesen Fällen aus, Prot. I, S. 326 = Mugdan I, S.751.
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sich die Haftung auf das negative Interesse beschränken: Hätte der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht offenbart, wäre es zwischen ihm und dem Dritten gar nicht zu einer Einigung gekommen (oder der Dritte hätte das Risiko der fehlenden Vollmacht bewußt auf sich genommen)154. Anders sähe die Rechtslage hingegen aus, wenn der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte. Hier sei im Hinblick auf die „Verkehrsbedürfnisse" und „die Anforderungen der ausgleichenden Gerechtigkeit" der Ersatzanspruch auf das negative Interesse zu beschränken155. bb) Heutige Interpretation Heute wird die in § 179 BGB angeordnete Haftung des Stellvertreters als gesetzliche Vertrauenshaftung angesehen156. Der Vertreter erwecke das Vertrauen, Vertretungsmacht zu haben; daher habe er die Wahrheit seiner Erklärung zu garantieren 157. Grund der Haftung sei das durch seine ausdrückliche oder stillschweigende Bekundung der Vertretungsmacht geweckte Vertrauen in das wirksame Zustandekommen des Geschäfts 158. Die im gemeinen Recht 159 und von der Ersten Kommission 160 vertretene Haftung auf der Grundlage eines ausdrücklichen oder stillschweigenden Garantieversprechens wird dagegen als verfehlt oder wenig realistisch abgetan161. Sicherlich beruht die Haftung auf der Basis eines Garantieversprechens des Vertreters in vielen Fällen auf einer Fiktion 162 ; daß jedoch andererseits die Haftung in dem Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Erklärung des Stellvertreters zu suchen sei, kann meines Erachtens aus zwei Gründen nicht überzeugen: Erstens vermag die Vertrauenshaftung nicht zu erklären, wie das Vertrauen in die Erklärung des Stellvertreters trotz Nichtigkeit des Vertrags den Ersatz des Nichterfüllungsschadens nach sich ziehen kann. Zwar erweckt die Erklärung, Vertretungsmacht zu haben, das Vertrauen des Gegners, daß es zur Erfüllung des Vertrages kommen werde; dieses Vertrauen in die Erfüllung des Vertrags verliert jedoch jegliche Bedeutung, wenn sich das Rechtsgeschäft als nichtig herausstellt. In diesem 154
Daß ein Abstellen auf eine Schutzpflichtverletzung nur den Ersatz des negativen Interesses zur Folge hat, wurde von der Kommission erkannt: Prot. I, S. 326 = Mugdan I, S. 751. 155 Prot. I, S. 326f. = Mugdan I, S. 751. 156 RGZ 106,68,73; 120,126,129; BGH L M Nr. 44 zu § 139; BGH WM 1977,478; BGHZ 32, 250, 254; 39, 45, 51; NJW 1995, 1739; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 113; Canaris , Vertrauenshaftung (1971), S.532ff.; kritisch Prölss, JuS 1986, 169 Fn.2. 157 Schilken in Staudinger, § 179 Rdz. 2. 158 Leptien in Soergel, § 179 Rdz. 1. 159 Vgl. RGZ 34, 145. 160 Mot. I, S. 244 = Mugdan I, S. 488. 161 Flume , Bürgerliches Recht AT II, §47, 3, a; Leptien in Soergel, § 179 Rdz. 1; Prölss, JuS 1986, S. 169 Fn. 2; Schilken in Staudinger, § 179 Rdz. 2. 162 So schon Prot. I, S. 323 = Mugdan I, S. 750.
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Falle wäre lediglich das Vertrauen des Gegners in das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts geschützt, welches durch die Behauptung der Vertretungsmacht geweckt worden ist und seinen Ausdruck in § 179 II BGB in Form des negativen Interesses gefunden hat. Das Vertrauen in die Erfüllung des Vertrags trotz Nichtigkeit dieses Vertrags kann jedoch nur dann in einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung münden, wenn es auf einer besonderen Garantieübernahme des Stellvertreters basiert 163. Zweitens zeichnet sich § 179 BGB dadurch aus, daß es den Umfang des Schadensersatzanspruchs an das Wissen oder Nichtwissen des Stellvertreters um die fehlende Vertretungsmacht anknüpft. Das Vertrauen des Geschäftsgegners ist jedoch immer dasselbe, gleichgültig, ob der Vertreter den Mangel kannte oder nicht. Daher kann eine auf das Vertrauen des Geschäftsgegners abstellende Haftung den Unterschied zwischen der Haftung auf das positive Interesse im Falle des § 1791 BGB und den Ersatz des negativen Interesses bei § 179 II BGB nicht erklären 164. Nur die „Fingierung" einer Garantieübernahme des Stellvertreters vermag seine Haftung auf das Erfüllungsinteresse trotz Nichtigkeit des Vertrags zu erklären. Der Gesetzgeber ließ keinen Zweifel, daß bei dem um den Mangel der Vertretungsmacht wissenden Stellvertreter eine Garantiehaftung anzunehmen sei 165 . Um dem Vorwurf der Unterstellung eines Garantieversprechens zu entgehen und im übrigen klarzustellen, daß eine Haftung auf der Basis einer Schutzpflichtverletzung wegen der zwangsläufigen Beschränkung auf das negative Interesse nicht erwünscht wäre 166 , verankerte der Gesetzgeber die zum Nichterfüllungsschaden führende Garantiehaftung auf gesetzlichem Grund. Die Haftung des § 179 BGB zeigt exemplarisch die Grenzen der culpa-Haftung: Knüpft man die Haftung des § 1791 BGB an eine Schutzpflichtverletzung, so gerät man bei der Begründung des positiven Interesses in arge Bedrängnis. Im Falle des § 179 II BGB würde ein Abstellen auf culpa die Haftung sogar ganz entfallen lassen, wenn dem Vertreter keine Schutzpflichtverletzung vorzuwerfen ist. In beiden Varianten hilft die Garantiehaftung weiter, indem sie bei § 179 II BGB das Verschuldensprinzip und im Rahmen des § 1791 BGB zudem noch das Kausalitätserfordernis des § 249 S. 1 BGB außer Kraft setzt. Beide Haftungsvarianten des § 179 BGB sind Fälle einer Garantiehaftung kraft Gesetzes. Der Grund für die gesetzliche Fixierung der Garantiehaftung des § 1791 163
Zu der Problematik des „positiven" Vertrauensschutzes siehe unten § 513 a. Bezeichnenderweise wird hinsichtlich der Haftungsbegründung nicht zwischen § 1791 und II BGB unterschieden; während § 1791 BGB mit der „besonderen Vertrauenslage" begründet wird, erscheint § 179 II BGB lediglich als bloßes minus gegenüber der strengen Haftung des Abs. 1, siehe Leptien in Soergel, § 179 Rdz. 18; Schilken in Staudinger, § 179 Rdz. 17; Schramm in MünchKomm, § 179 Rdz. 34. 165 Prot. I, S. 323 = Mugdan I, S. 750: „Ein Garantieversprechen könne... in solchen Fällen angenommen werden, in welchen der Vertreter bewußt ohne Vertretungsmacht gehandelt habe". 166 Prot. I, S. 326 = Mugdan I, S. 751. 164
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BGB liegt im besonderen Verhalten des Vertreters. Der um den Mangel der Vertretungsmacht wissende Stellvertreter übernimmt bewußt und gewollt das Risiko eines (aufgrund späterer Genehmigungsverweigerung des Vertretenen, § 1771 BGB) unwirksamen Vertrags. Diese freiwillige Risikoübernahme rechtfertigt eine Haftung desjenigen, der sich als Vertreter geriert, auf das positive Interesse 167. Auch im Rahmen des § 179 II BGB widerspräche eine vertragliche Garantieübernahme in vielen Fällen dem tatsächlichen Willen des Vertreters 168. Ähnlich wie bei §1221 BGB ist hier das Augenmerk auf die Perspektive des Vertragspartners zu richten 169 : Der Vertreter haftet, da der Grund der Unrichtigkeit der Erklärung dem Einfluß des Gegners vollkommen entzogen ist. Das Fehlen der Vertretungsmacht ist für den Vertragspartner nicht wahrnehmbar. Daß der Vertragspartner sich selbst über die behauptete Vertretungsmacht informieren soll, kann von ihm aufgrund des damit verbundenen Aufwands und Zeitverlusts regelmäßig nicht erwartet werden 170. Daher ist sein Vertrauen auf die Richtigkeit der Aussage geschützt, es sei denn, daß er selbst den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte (§ 179 III BGB). Abzulehnen ist die Auffassung, die Haftung aus § 179 II BGB müsse ausgeschaltet werden, wenn „das Fehlen der Vertretungsmacht außerhalb jeder Erkenntnisoder Beurteilungsmöglichkeit des Vertreters lag" 171 . Diese Ansicht widerspricht sowohl dem Wortlaut des § 179 II BGB als auch seinem Wesen als Garantiehaftung: Diese beruht auf dem Gedanken einer uneingeschränkten Einstandspflicht des Vertreters für Mängel, die außerhalb der Sphäre des Gegners liegen 172 . Daß auch der Stellvertreter den Mangel im Einzelfall nicht beeinflussen kann, ist unerheblich. 167
Der Haftungsgrund ist ähnlich wie bei §463 BGB a.F., vgl. unten § 1013c. Prot. I, S. 323 = Mugdan I, S. 750. 169 Ausdrücklich bezieht sich auch der Gesetzgeber auf eine Analogie der Haftung des Anfechtenden, Prot. I, S. 327 = Mugdan I, S. 751. 170 Prölss, JuS 1986, 169; lediglich ausnahmsweise soll eine Erkundigungspflicht des Vertragspartners bestehen, deren Unterlassung zum Haftungsausschluß so gemäß § 179 III BGB führen kann, vgl. dazu RGZ 104, 191, 194; BGH NJW 1989, 894; NJW 1990, 387, 388; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 113 (alle Entscheidungen verneinen allerdings eine Anwendung des §179 III BGB). 171 So Flume , Bürgerliches Recht AT II, §47, 3 c; Leptien in Soergel, § 179 Rdz. 18. 172 Daß der Mangel außerhalb der Sphäre des Gegners lag, ist sicher oft nur die Kehrseite der Tatsache, daß der Mangel der Sphäre des Vertreters „näher dran" ist (auf letzteres beruft sich zur Erklärung der Verschuldensunabhängigkeit Canaris , Vertrauenshaftung [1971], S. 535. Differenzierend Prölss [JuS 1986,169], der in § 179 BGB eine Risikohaftung sieht, die sich aus den Elementen Schutzbedürftigkeit des Dritten und Risikonähe des Vertreters zusammensetze). Die Vertrauenshaftung und die Risikohaftung versagen jedoch, wenn der Mangel weder der Späre des Vertragspartners noch der Sphäre des Stellvertreters entspringt, sondern Folge bloßen Zufalls ist. Gerade in diesen Fällen verfängt das Argument nicht, der Vertreter sei „näher dran" am Risiko. Nur das Abstellen auf die Gegnerperspektive kann die strikte Haftung des Vertreters nach § 179 II BGB erklären, die gerade auch in Situationen „höherer Gewalt" eingreifen soll. 168
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Wer sich für Ausnahmen der strikten Haftung des § 179 II BGB ausspricht, verwandelt die Haftung de facto in eine Verschuldenshaftung 173.
c) §3071 BGB a. F. aa) Entstehungsgeschichte Auch die Diskussion um den Ersatzanspruch im Falle anfänglicher Unmöglichkeit ist von Jhering ins Rollen gebracht worden. Die Auffassung Jherings gewann rasch Anhänger, die sich gegen die damals herrschende Meinung wandten, wonach dem Gläubiger ein Entschädigungsanspruch nur bei Arglist und grober Nachlässigkeit des Versprechenden zustehen sollte 174 . Der Konstruktion Jherings setzte Windscheid eine Garantiehaftung des Schuldners für die Folgen des durch seine Erklärung veranlaßten Vertrauens auf das Zustandekommen des Vertrags entgegen175. Im Ergebnis kamen beide zu einer verschuldensunabhängigen Haftung des Versprechenden, da Jhering selbst dem unwissenden Verkäufer, der einen sich später als nichtig herausstellenden Vertrag verursachte, eine culpa unterstellte 176. Der Erste Entwurf des Gesetzgebers wählte den mittleren Weg zwischen der Auffassung, die einen Ersatzanspruch nur im Falle von dolus oder culpa lata vorsah, und der Gegenmeinung, welche eine Garantiehaftung des Schuldners befürwortete 177. Dabei ging die Haftung des § 34511 Ε 1 von dem allgemeinen Grundsatz aus, wonach Schadensersatz, abgesehen von besonderen Ausnahmefällen, nur im Falle der Verschuldung gestattet werden solle 178 . Der Antrag, die Haftung ähnlich wie im Falle des Irrtums verschuldensunabhängig auszugestalten, wurde mit der Begründung verworfen, daß die dort getroffene Regelung eine besondere Situation betreffe, die sich nicht zur Übertragung auf andere Rechtsverhältnisse eigne: Während der Empfänger einer Willenserklärung außerstande sei, sich Kenntnis vom wirklichen Willen des Erklärenden zu verschaffen, seien beide vertragsschließenden Teile in gleicher Weise imstande, die Existenz des Vertragsgegenstandes zu überprüfen 179. Eine Abweichung vom „Prinzipe des Entwurfes, der eine Haftung 173 Ablehnend ebenso Brox in Erman, § 179 Rdz. 18; Wolf in Larenz, Bürgerliches Recht AT, § 49 Rdz. 25; Schilken in Staudinger, § 179 Rdz. 17; Schramm in MünchKomm, § 179 Rdz. 3 a; Steffen in RGRK, § 179 Rdz. 13. 174 Ausführlich m. w. N. Windscheid, Pandekten II, § 315. 175 Windscheid, Pandekten II, § 315 Fn.7. 176 Jherings Jahrb.4 (1861), 1, 34ff. und besonders S.39: „Wer etwas verspricht, soll sich nicht irren, er irrt sich auf eigne, nicht auf Kosten der Gegenpartei"; siehe dazu die berechtigte Kritik von Windscheid, Pandekten II, § 315 Fn. 7 (S. 209). 177 Dabei ordnete der Gesetzgeber Jhering ausdrücklich in die Reihe der Vertreter einer Haftung aufgrund Garantieübernahme ein, siehe Prot. II, S. 911 = Mugdan II, S. 616. 178 Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98; Prot. II, S. 911 f. = Mugdan II, S. 616. 179 Prot. II, S.9\2 = Mugdan II, S.616.
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für Schaden nur aus einem Verschulden kenne" 180 , sei daher im Falle anfänglicher Unmöglichkeit nicht geboten. bb) Interpretation des § 307 BGB a. F. Die Schadensersatzpflicht aus § 307 BGB a. F. entfiel, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung kannte oder kennen mußte. Die Haftung setzte also eine Pflichtverletzung voraus und kann mit der Garantiehaftung der §§1221, 179II BGB nicht auf eine Stufe gesetzt werden 181. Nach hM wurde die Vorschrift daher zu Recht als Fall der culpa in contrahendo angesehen182. Eine abweichende Ansicht erblickte den Rechtsgrund der Haftung in der vertraglichen Bindung trotz Kenntnis bzw. Kennenmüssens des anfänglichen Leistungshindernisses, welche zu einer gegenüber der Vollwirksamkeit eingeschränkten Wirkung des abgeschlossenen Vertrags geführt habe183. Dagegen spricht zum einen der Wille des Gesetzgebers, der die Haftung aus § 345 E1 ausdrücklich in die Gruppe vorvertraglicher Verschuldenshaftungen einreihte 184. Zudem beruht der Versuch, die Haftung auf die vertragliche Willenserklärung selbst zurückzuführen, auf der Fehlvorstellung, daß dem Gläubiger eigentlich ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse zustehe und nur deshalb das negative Interesse ersetzt werde, weil das Gesetz den zustandegekommenen Vertrag für nichtig erklärt (§ 306 BGB a. F.) 185 . Nach der neuen Rechtslage ist der Vertrag trotz anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung weiterhin gültig (§ 311 a I BGB n. F.): Hat der Schuldner die Nichterfüllung der Leistung zu vertreten, weil er sich trotz Kenntnis bzw. Kennenmüssens des anfänglichen Leistungshindernisses vertraglich gebunden hat? Mitnichten. Auch in diesem Fall hat das abgegebene Leistungsversprechen lediglich das Vertrauen des anderen Teils in den Vertragsschluß verursacht, nicht jedoch die Nichterfüllung der Leistungspflicht 186. Daraus folgt: Auch nach Abschaffung des § 306 BGB a. F. könnte in jedem Fall nur das negative Interesse ersetzt werden, un180
Prot. II, S. 911 = Mugdan II, S. 616. Siber in Planck, § 307 Anm. 2 a. 182 RGZ 95, 58, 60; 110, 53, 55; BGHZ 76, 16, 22; BGH L M §307 BGB Nr. 1; BGH BB 1957, 729; Heinrichs in Palandt, § 307 Rdz. 1; Larenz, Schuldrecht I, § 8 III; Thode in MünchKomm, § 307 Rdz. 4; Wolf in Soergel, § 307 Rdz. 1. 183 Flume , Bürgerliches Recht ATII, § 10,4; Löwisch in Staudinger, § 307 Rdz. 1 ; Hans Stoll, FS Ernst v.Caemmerer (1978), S.435,439. 184 Mot. I, S. 195 = Mugdan I, S. 460; Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98; Prot. II, S.911f. = Mugdan II, S. 616. 185 Hans Stoll, FS Ernst von Caemmerer (1978), S.435,440f. 186 Ohne den zum Schadensersatz verpflichtenden Umstand iSd §249 S. 1 BGB, ohne die Verpflichtungserkärung also, wäre kein Vertrag zustandegekommen. Was bleibt, ist das infolge des Leistungsversprechens enttäuschte Vertrauen des anderen auf den gültigen Vertrag. Das darüberhinausgehende Vertrauen auf die Erfüllung des Vertrags kann dagegen nicht entschädigt werden, da die vertragliche Willenserklärung die Nichterfüllung nicht verursacht hat. 181
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abhängig davon, ob man nun die vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung oder das vertragliche Leistungsversprechen (trotz Kenntnis/Kennenmüssens des anfänglichen Hindernisses) als Ausgangspunkt der Haftung ansieht187. Tritt die Haftung auf das negative Interesse unabhängig von der gesetzlich angeordneten Nichtigkeit des Vertrags ein, so muß die Theorie, nach der der Rechtsgrund der Haftung die gegenüber der Vollwirksamkeit eingeschränkte Wirkung des abgeschlossenen Vertrags ist, in sich zusammenfallen. Der Versuch der Mindermeinung, trotz des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers eine Brücke zwischen den §§ 1221, 179II BGB einerseits und dem §307 BGB a.F. andererseits zu schlagen, scheitert an der grundlegenden strukturellen Verschiedenheit zwischen der in den §§ 1221, 179 II BGB zum Ausdruck gekommenen Garantiehaftung und der Verschuldenshaftung des § 3071 BGB a. F. Obwohl der Gesetzgeber die Verschuldenshaftung des § 307 BGB a. F. klar von der nur im Ausnahmefall eingreifenden verschuldensunabhängigen Haftung des Vertreters bzw. des Anfechtenden abgrenzte 188, zog er nicht die mit dem Abstellen auf eine vorvertragliche Pflichtverletzung verbundenen Konsequenzen: Dazu hätte die Berücksichtigung des Mitverschuldens über § 254 BGB genauso gehört wie eine unbeschränkte Haftung auf das negative Interesse auch jenseits des Betrags des positiven Interesses189. Ein Vorwurf ist den Gesetzesverfassern daraus jedoch kaum zu machen, betraten sie doch bis dato unberührtes Neuland, indem sie das Verschuldensprinzip auch im vorvertraglichen Bereich durchzusetzen versuchten. Die §§ 97, 99 II, 345 E 1 bedeuteten nämlich sowohl gegenüber der Garantiehaftung Windscheids als auch gegenüber der „culpa" in contrahendo Jherings eine Neuentwicklung. Wie bereits ausgeführt, erblickte Jhering in jeder Leistungsverpflichtung, die einen unwirksamen Vertrag verursacht hat, eine culpa; das Verschulden entfiel lediglich, wenn der in Anspruch genommene Schuldner die Verpflichtung nicht freiwillig übernommen, sie ihm vielmehr ohne seinen Willen auferlegt wurde 190 . In der Sache ist dies nichts anderes als eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung, wie sie auch von Windscheid vertreten wurde. Vom Standpunkt einer verschuldensunabhängigen Haftung ergibt sich die zwingende Beschränkung auf den Betrag des positiven Interesses: Ohne Nichtigkeit des Vertrags könnte der Geschädigte das Erfüllungsinteresse verlangen 191, das negative Interesse ist nicht Ergebnis einer 187
Dennoch gewährt § 311 a II BGB n. F. nach Wahl des Gläubigers Ersatz des Nichterfüllungsschadens (Schadensersatz statt der Leistung) trotz einer bloß auf das negative Interesse gerichteten Aufklärungspflichtverletzung. Dogmatisch begründen läßt sich diese Haftung nach den Grundregeln der Haftungsdogmatik nur, wenn man eine Garantiehaftung annähme, vgl. Altmeppen, DB 2001, 1399, ff. Dazu ausführlich unten §7. 188 Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98; Prot. II, S. 911 f. = Mugdan II, S. 616. 189 Larenz, Schuldrecht I, § 8 III. 190 v. Jhering, Schuldmoment, S.46f. 191 Der Schuldner „garantiert" die Richtigkeit seiner Erklärung, der andere Teil ist also so zu stellen, als ob die Erklärung richtig wäre. Von dieser Garantie geht auch Jhering aus, dessen „culpa" der Garantiehaftung lediglich ein anderes Etikett gibt, siehe oben aa. Daher gewähren 4*
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Schutzpflichtverletzung, sondern „das schwächere Surrogat des Rechtes auf Erfüllung" 192 . Die Verfasser des BGB hatten das Prinzip der Verschuldenshaftung nicht zu Ende gedacht, als sie im Falle der anfänglichen Unmöglichkeit trotz Abstellens auf eine vorvertragliche Schutzpflichtverletzung an der Begrenzung des Schadensersatzanspruchs auf den Betrag des positiven Interesses mit der Begründung festhielten, daß dies „der in Theorie und Praxis vertretenen Ansicht" 193 entspräche. Durch die Übertragung „der allgemeinen Grundsätze, wonach Schadensersatzpflicht, abgesehen von besonderen Fällen, nur im Falle einer Verschuldung begründet" ist 194 , auf den vorvertraglichen Bereich wagte sich der Erste Entwurf nämlich aus dem breiten Feld „der in Theorie und Praxis vertretenen Ansicht" heraus.
d) §§ 5231,5241, 600 BGB Die §§ 5231, 5241 BGB regeln die Mängelhaftung des Schenkers, wobei § 523 BGB Rechtsmängel, § 524 BGB Sachmängel betrifft. Beide Vorschriften behandeln in ihrem ersten Absatz eine Haftung aus culpa in contrahendo wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht 195. In beiden Fällen ist das negative Interesse zu ersetzen 196. Dies zeigt schon der Vergleich zum Wortlaut der §§ 523 II 1, 524II2 BGB: Während diese sich ausdrücklich auf den Schadensersatz wegen Nichterfüllung beziehen, beschränken sich die §§ 5231, 5241 BGB auf den „daraus entstandenen Schaden"197. Der Beschenkte kann somit nur den Ersatz von Schäden, die er im Vertrauen auf die Rechtsmangelfreiheit erleidet 198, oder Aufwendungen, die er im Vertrauen auf den Erwerb und die Nutzung eines mangelfreien Gegenstandes gemacht hat 199 , verlangen. Das Gegenstück zu den genannten Vorschriften bildet für die Leihe § 600 BGB, der den §§ 5231, 5241 BGB wörtlich entspricht und auf den gleichen Gründen wie diese beruht 200. Deuten diese Vorschriften darauf hin, daß das BGB eine allgemeine Haftung wegen culpa in contrahendo anerkennt? Meines Erachtens liegt die Bedeutung der gesowohl Windscheid (Pandekten II, § 315 [S. 206]) als auch Jhering (Schuldmoment, S.46) im Falle des nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags führenden anfänglichen Unvermögens den Ersatz des Nichterfüllungsschadens. 192 Röbel, Gesammelte Aufsätze I (1965), S. 147, 175. 193 Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98. 194 Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98. 195 Cremer in Staudinger, § 523 Rdz. 1; Kollhosser in MünchKomm, § 523 Rdz. 2. 196 Mühl/Teichmann in Soergel, § 523 Rdz. 5, § 524 Rdz. 2. 197 Deutlich auch Prot. II, S. 1661 = Mugdan II, S. 750; Prot. II, S. 8461 (hinter S. 1664) = Mugdan II, S.752. 198 BGH NJW 1982,818, 819. 199 Mühl/Teichmann in Soergel, § 524 Rdz. 2. 200 Mot. II, S. 446 = Mugdan II, S. 249.
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nannten Vorschriften in dem Versuch des Gesetzgebers, die Rechtsposition des altruistisch Handelnden zu stärken. In diesem Sinne stehen die Vorschriften in einer Linie mit den §§521, 522, 528, 530, 531, 599, 1301, 2385 II BGB etc. 201 . Zum Zweck der Privilegierung des Schenkers bzw. Verleihers bestimmen die §§ 5231, 5241,600 BGB, daß die Haftung für den „daraus entstandenen Schaden" nur im Falle arglistigen Verhaltens eintritt. Die Vorschriften sind auf die Unentgeltlichkeit der Verträge zugeschnittene Spezialregeln. Ob und in welchem Umfang neben diesen speziellen Normen die allgemeinen Grundsätze der culpa in contrahendo zum Zuge kommen, wird an späterer Stelle erörtert 202; im vorliegenden Zusammenhang genügt die Feststellung, daß die §§ 5231, 5241, 600 BGB nicht auf ein allgemeines Prinzip vorvertraglicher culpa-Haftung schließen lassen. e) §663 BGB Die in § 663 BGB bezeichneten Personen sind verpflichtet, dem Auftraggeber die Ablehnung eines Auftrags mitzuteilen 203 . In der Unterlassung dieser Anzeige liegt eine Schutzpflichtverletzung 204. Daß aus dieser Schutzpflichtverletzung eine Pflicht zum Schadensersatz folgt, war für den Gesetzgeber so selbstverständlich, daß er die Schadensersatzpflicht nicht ausdrücklich in § 663 BGB erwähnte 205. Nach allgemeiner Meinung ist § 663 BGB ein gesetzlich geregelter Fall der culpa in contrahendo 206 . Zu ersetzen ist das negative Interesse ohne Beschränkung auf das positive Interesse207. f) Fazit Die §§1221, 179 BGB sind keine Fälle der culpa in contrahendo, sondern lassen sich nur als Garantiehaftung begreifen. Die Haftung aufgrund vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung in Höhe des negativen Interesses kommt dagegen exemplarisch in den § 30711 BGB a. F., §§ 5231,5241,663 BGB zum Ausdruck 208. Nur in diesen eng umschriebenen Einzelregelungen haben die Verfasser des BGB den Ge201
Weitere Beispiele nennt Kollhosser in MünchKomm, § 516 Rdz. 45. Siehe unten § 11 II. 203 Vgl. §§ 362 HGB, 44 BRAO. 204 Statt aller Ehmann in Erman, § 663 Rdz. 10. 205 Mot. II, S. 530 = Mugdan II, S. 296f. 206 Brox, Schuldrecht II, Rdz. 294; Ehmann in Erman, § 663 Rdz. 13; Esser/Weyers, Schuldrecht BT, § 35 II 1 ; Mühl in Soergel, § 663 Rdz. 1 ; Seiler in MünchKomm, § 663 Rdz. 2; Sprau in Palandt, § 663 Rdz. 1; Wittmann in Staudinger, § 663 Rdz. 10. 207 Ehmann in Erman, § 663 Rdz. 14; Seiler in MünchKomm, § 663 Rdz. 22. AA Wittmann in Staudinger, § 665 Rdz. 10; Steffen in RGRK, § 663 Rdz. 10; Thomas in Palandt, § 663 Rdz. 1. 208 Die Regelung des § 463 BGB a. F. wurde bisher aus der Untersuchung ausgeklammert, da die dort festgelegte Schadensersatzpflicht auf das positive Interesse geht. Siehe dazu ausführlich unten § 101. 202
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
danken einer Haftung aufgrund vorvertraglicher Schutzpflichtverletzung zum Ausdruck gebracht. Zu speziell sind diese Normen, als daß sich allein aus ihnen auf ein allgemeines Prinzip einer vorvertraglichen Haftung schließen ließe. Das gesetzliche Schuldverhältnis der culpa in contrahendo ist heute allgemein anerkannt 209. Indes hat die vorhergehende Untersuchung zu Tage gebracht, daß bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform lediglich einzelne Spezialvorschriften des BGB von der Existenz einer vorvertraglichen Haftung zeugten. Auch nach Inkrafttreten des § 311 II BGB n. F. bleibt die dogmatische Begründung vorvertraglicher Schutzpflichten ungeklärt. 3. Der Vertrauensgedanke als Rechtsgrund der Haftung Mit Recht hat Ballerstedt bemerkt, daß die Festlegung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ohne „innerliche" Begründung „rein positivistisch" sei 210 . Die gesetzliche Haftung aufgrund vorvertraglicher Schutzpflichtverletzung bedarf daher einer besonderen Legitimierung, um die Existenz dieser Haftungsvariante neben vertraglicher und deliktischer Haftung zu rechtfertigen. Die heute vorherrschende Auffassung bedient sich der Enttäuschung eines besonderen Vertrauens, welches in Anspruch genommen und gewährt wurde, um so die Haftung aufgrund Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht zu begründen 211. Dieser Gedanke ist von Ballerstedt entwickelt worden und soll die von ihm selbst geforderte „innerliche" Rechtfertigung der Haftung liefern. Ballerstedt will den Begriff des Rechtsgeschäfts um eine zweite Grundform erweitern: Neben der Verpflichtung aufgrund bindender Willenserklärung tritt die „Verpflichtung durch Gewährung in Anspruch genommenen Vertrauens" 212. Darunter versteht Ballerstedt einen „zweiseitigen Tatbestand: auf der Seite des einen Partners, ein Verhalten, das nach den Grundsätzen der Redlichkeit und nach seiner sozialen Erscheinungsform geeignet ist, Vertrauen zu erwecken und auf der Seite des anderen Partners die Gewährung von Vertrauen in eben dieses Verhalten" 213. a) Kritik an der Vertrauenshaftung Bereits die Grundformel der „Gewährung in Anspruch genommenen Vertrauens" gibt Anlaß zu Zweifeln. Wer soll denn nach dieser Formel Vertrauen in Anspruch 209
Vgl. §311 II BGB n.F. AcP 151 (1950/51), 501 ff. 211 BGH NJW 1964, 2009; Ballerstedt, AcP 151 (1950/51), 501, 506ff.; Brock,, Vertragsinteresse (1902), S. 195; Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 13 ff.; Herholz, AcP 130 (1929), 257, 295; Hildebrandt, Erklärungshaftung, S. 132; Larenz, Schuldrecht I; §9Ia; ders., MDR 1954,515,517; Nirk, FS Philipp Möhring (1965), S.385, 392f.; ders., FS Philipp Möhring (1975), S.71, 75f.; Hans Stoll, FS Ernst von Caemmerer (1978), S.435. 212 AcP 151 (1950/51), 501, 507. Dagegen Flume, AcP 161 (1962), 52,63. 213 aaO, S.507 Fn. 17. 210
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nehmen, wer gewähren? Ballerstedts Konzeption schien anzudeuten, daß der Schädiger Vertrauen in Anspruch nehme, welches der Geschädigte gewähre 214. Andere prüften, ob der Geschädigte das vom Schädiger gewährte Vertrauen in Anspruch nehme215 oder überließen gleich dem Leser die Entscheidung216.
aa) Das berechtigte Vertrauen Soweit der Rechtsgrund der vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflichten durch den Vertrauensgedanken ausgefüllt werden soll, sind die Befürworter dieser Auffassung gezwungen, das Vertrauen auf die Situation der Vertragsverhandlungen einzugrenzen, wenn sie sich nicht auf ein allgemeines, immer vorhandenes „Ur-Vertrauen" zurückziehen wollen. Um dieses Vertrauen auf die Situation der Verhandlungen zu beschränken, ist nach dem berechtigten, nicht nach dem tatsächlich entgegengebrachten Vertrauen zu fragen: Tatsächlich kann ich nämlich in jeder Situation auf alles oder gar nichts vertrauen 217. Es wäre geradezu absurd, darüber Beweis zu führen, ob jemand tatsächlich auf etwas vertraut hat 218 . Zudem bedürfen gerade die Fälle eines Schutzes, in denen der Verhandlungsgegner nicht vertraut hat, etwa weil er an den Eintritt eines bestimmten Schadens nicht im entferntesten gedacht hat 219 . Auch würde die Forderung tatsächlichen Vertrauens demjenigen einen Anspruch vorenthalten, der Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der anderen Person hatte und sich dennoch aufgrund der Erklärung des anderen zu Dispositionen bewegen ließ. Rechtsschutz ist auch und gerade dann zu gewähren, wenn man es mit vertrauensunwürdigen Partnern zu tun hat 220 . Wenn Ballerstedt demgegenüber auf „das tatsächlich gewährte Vertrauen" abstellt, so prüft er nicht, ob der andere tatsächlich vertraut hat, sondern ob das Verhalten des einen Partners den Vertrauenden zu Dispositionen veranlaßt hat. In diesem Sinn ist die „Gewährung von Vertrauen" jedoch nichts anderes als ein Glied der Kausalkette zur Bestimmung des entstandenen Schadens221. 214
Ballerstedt, AcP 151 (1951), 501, 507. Lorenz, FS Karl Larenz (1973), S.575, 618f. 216 So prüft Nirk (FS Philipp Möhring [1965], S.385, 393) zunächst, ob der Schädiger Vertrauen in Anspruch genommen habe; später (FS Philipp Möhring [1975], S.71,76) ist der Geschädigte der das Vertrauen in Anspruch Nehmende, vgl. Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 268 Fn. 20. 217 Vgl. Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S.78ff., 267; Frost, Schutzpflichten, S.93 ff. 218 So auch Stöcker, culpa in contrahendo, S.65f. 219 AA Giesen (NJW 1969,582,583 f.), der als Voraussetzung für die Annahme der Vertrauenshaftung ein tatsächlich vorhandenes Vertrauen, nicht bloß eine allgemeine Erwartung hinsichtlich des eigenen Integritätsschutzes, fordert. 220 Frotz, GS Franz Gschnitzer (1969), S.263, 268 f.; Leenen, Symposion Franz Wieacker (1990), S. 108, 126. 221 Erman, AcP 139 (1934), 273, 312; Frotz, GS Franz Gschnitzer (1969), S. 163,169; Pikker, AcP 183 (1983), 369, 427. 215
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Welches Vertrauen ist aber im Rahmen der Vertragsverhandlungen rechtlich schutzwürdig? Dies läßt sich sicherlich nur von Fall zu Fall entscheiden222. Dennoch ist bereits vorab eine Trennung möglich: Das Vertrauen auf den Vertragsschluß kann im Stadium der Verhandlungen noch nicht berechtigt sein, da die Verhandlungen gerade durch ihre Unverbindlichkeit gekennzeichnet sind. Nur ausnahmsweise darf derjenige auf den Vertragsschluß vertrauen, dem der andere Teil seine Abschlußbereitschaft zugesichert hat 223 . Ebenso ist das Vertrauen auf Erfüllung des Vertrags erst ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses schutzwürdig. Berechtigt kann im Rahmen der Verhandlungen nur das Vertrauen darauf sein, daß der andere Teil im Hinblick auf das Verhandlungsziel redlich vorgeht 224. Dazu gehört die Offenbarung der für den Vertragsschluß wesentlichen Tatsachen durch den Verhandlungsgegner.
bb) Die Gefahr von Zirkelschlüssen Vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten beschränken sich zwangsläufig auf den begrenzten Raum des VerhandlungsVerhältnisses: Nur dort können Pflichten entstehen, deren Verletzung die Enttäuschung des Vertrauens auf den Vertragsschluß zur Folge hat. Der begrenzte Raum dieser Schutzpflichten schränkt auch die Möglichkeiten ihrer dogmatischen Begründung ein: Insbesondere könnten derartige Pflichten nicht mit dem Argument begründet werden, daß allein die tatsächliche Situation der Vertragsverhandlungen zu diesen Schutzpflichten zwänge. Eine derartige Argumentation bewegt sich in Zirkeln, da diese Pflichten ja nur im Rahmen von Vertrags Verhandlungen entstehen können. Zu fragen ist aber nach dem Grund, warum derartige Pflichten bei Vertragsverhandlungen auftreten. Auch soweit dieser Grund durch den Vertrauensgedanken ausgefüllt werden soll, besteht die Gefahr einer petitio principii: Charakteristikum der vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflichten ist, daß sie nur dort vorkommen, wo es zu Vertragsverhandlungen oder zumindest zu einem Verhandlungsangebot gekommen ist. Wer diese Pflichten nun mit einem Vertrauen begründen will, das den Verhandlungen eigen ist, leistet nicht mehr als eine Beschreibung der vorvertraglichen Situation, welche ja auf die Erzielung eines Vertragsabschlusses gerichtet ist. Zur Begründung der vertragsschlußbezogenen Schutzpflichten muß dargelegt werden, warum das Vertrauen auf den Vertragsschluß den Schutz einer Haftung „zwischen" Vertrag und Delikt verdient 225. Konkretisiert man das Vertrauen auf bestimmte Situationen, so ist dieses oftmals bloße Folge der Pflichtverletzung und somit nicht geeignet, als Begründung eines 222
Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S.270. Siehe unten § 8. 224 Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 11; Krückmann, AcP 137 (1933), S.167,183. 225 Picker, AcP 183 (1983), 369,423. 223
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ihm vorgelagerten Verhaltens zu dienen226. Dies ist insbesondere bei positiven Falschaussagen der Fall: Sichert eine Partei im Rahmen der Vertragsverhandlungen den Vertragsabschluß als sicher zu, oder trifft sie zu bestimmten Eigenschaften des Vertragsgegenstandes falsche Aussagen, so ist das Vertrauen der anderen Partei in der Regel Folge der Pflichtverletzung, nicht Ursache. Mithin bleibt nur der Rückzug auf das allgemeine Vertrauen darauf, daß sich der Verhandlungsgegner redlich verhält, womit die Vertreter dieser Auffassung wieder in einem unentrinnbaren Zirkelschluß gefangen sind: Das Vertrauen ist schutzwürdig und berechtigt, weil die Rechtsordnung dieses Vertrauen für schutzwürdig hält; weil die Rechtsordnung dieses Vertrauen schützt, ist das Vertrauen berechtigt 227. cc) Das Vertrauen als haftungsirrelevante „Konstante des Gemeinschaftslebens 4' Soweit die Vertreter des Vertrauensgedankens auf ein allgemeines Vertrauen abstellen, welches bereits vor dem ersten Verhandlungsangebot vorhanden war und in diesem Angebot „wirksam" wird 228 , so ist diesem „Ur-Vertrauen" fehlende Spezifität und Abgrenzbarkeit vorzuhalten 229. Der Vertrauensgesichtspunkt soll ja gerade in Abgrenzung zur vertraglichen und deliktischen Haftung der vorvertraglichen Haftung ihr typisches Gepräge verleihen. Dem widerspricht jedoch einerseits die Tatsache, daß der Vertragspartner in viel stärkerem Maße als der Verhandlungsgegner aufgrund der Verpflichtungserklärung des anderen Anlaß zu berechtigtem Vertrauen hat. Dennoch wird die vertragliche Haftung mit keinem Wort auf „in Anspruch genommenes und gewährtes Vertrauen" gestützt, während in der vorvertraglichen Situation, in der die Berechtigung von Vertrauen viel zweifelhafter ist, der Vertrauensgedanke plötzlich zum haftungsrelevanten Faktor wird 230 . Ebenso mißlingt dem Vertrauensmerkmal die Abgrenzung zur deliktischen Haftung: Auch dort sind Situationen vorstellbar, in denen es trotz berechtigten Vertrauens des Geschädigten auf Unterlassen einer unerlaubten Handlung zu einer Rechtsoder Rechtsgutverletzung des Schädigers gekommen ist. Doch auch im Rahmen der deliktischen Schadensersatzbegründung wird dem Vertrauensgedanken keine Beachtung geschenkt. Die Vertrauenshaftung verwischt ferner jegliche Grenzlinie zwischen rechtlich relevantem und rein gesellschaftlichem Verhalten. Wie aufgezeigt, ist die Berechtigung des Vertrauens auf Erfüllung des Vertrags nach Vertragsschluß aufgrund der 226
Flume , Bürgerliches Recht AT II, § 10, 4 Fn.36a; Frotz, FS Franz Gschnitzer (1969), S. 163, 170; Schmitz, Dritthaftung, S. 107f. 227 v.Bar, ZGR 1983, 476, 500; Leenen, Symposion Franz Wieacker (1990), S. 108, 113; Picker, AcP 183 (1983), 369,421. 228 Ballerstedt, AcP 151 (1950/51), 501, 506. 229 Ebenso Picker, AcP 183 (1983), 369, 420ff. 230 Picker, aaO, S.422f.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
vorhandenen Willenserklärungen am ehesten angebracht. Müßte dann nicht bei fehlendem Rechtsbindungswillen der Parteien quasi subsidiär eine Haftung aufgrund „Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen" eingreifen? Nehmen wir beispielsweise an, daß A den Arbeitskollegen Β zum Abendessen in sein Haus eingeladen hat. Β kauft eine Flasche Wein und fährt zur vereinbarten Zeit zu A. Dieser hatte jedoch in der Zwischenzeit die Einladung an Β vergessen und verbringt den Abend im Theater. Ein Anspruch des Β auf das „Erfüllungsinteresse" könnte problemlos mit dem Hinweis abgewehrt werden, daß A sich mit der Einladung gar nicht rechtlich binden wollte, er vielmehr im rein gesellschaftlichen Bereich tätig wurde. Wie ist jedoch um den Anspruch des Β auf den Ersatz der Fahrtkosten und der Kosten für den Wein bestellt? Β hat schließlich im Vertrauen auf das Abendessen den Wein gekauft und ist im Vertrauen darauf zu A gefahren. Das Argument der Vertreter der Vertrauenshaftung läßt sich vorhersehen: Hier, so würde entgegnet, sei das Vertrauen des Β nicht im vorvertraglichen Bereich entstanden. Wenden wir uns daher Fall 1 zu: A und Β stehen in Vertrags Verhandlungen. Trotz noch zu klärender Vertragsdetails stellt A den Vertrag bereits als sicher hin. Β besucht den A also zum vereinbarten Zeitpunkt zwecks Unterschrift. A hat es sich zwischenzeitlich jedoch anders überlegt. Β verlangt die im Hinblick auf den „sicheren" Vertragsschluß umsonst getätigten Aufwendungen erstattet. Beide beschriebenen Situationen zeichnen sich durch dieselbe Unverbindlichkeit aus: A kann weder aufgrund der Einladung gezwungen werden, dem Β ein Abendessen zuzubereiten, noch kann er aufgrund der Zusicherung gezwungen werden, mit Β einen Vertrag zu schließen. Dennoch würde niemand daran zweifeln, im letzteren Fall aufgrund der Zusicherung des A den Ersatz des negativen Interesses zu gewähren. Doch wie entziehen sich die Befürworter des Vertrauensgedankens einer Haftung, wenn im rein gesellschaftlichen Bereich Vertrauen geweckt und enttäuscht wurde? Hier zu behaupten, daß nur die Offenbarung vertragsschlußwesentlicher Tatsachen eine Vertrauenshaftung auslöse, würde den bereits aufgezeigten Zirkelschluß nochmals bestätigen: Einerseits soll das Vertrauen die Begründung für das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen liefern, zugleich wird dieses Vertrauen aber nur dann als „berechtigt" bejaht, wenn Vertragsverhandlungen vorliegen. Daß das Vertrauen auf die Offenbarung vertragsschlußwesentlicher Tatsachen im Rahmen der Vertragsverhandlungen schützenswert ist, versteht sich von selbst: Es kann ja auch nur in dieser Situation relevant werden. Jenseits dieser bloßen Beschreibung der Situation der Verhandlungen bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet, warum dieses für die Verhandlungen typische Vertrauen eine eigenständige Haftung „zwischen" Vertrag und Delikt rechtfertigt, während das im Vertrags- oder Deliktsrecht oder im gesellschaftlichen Bereich gewährte Vertrauen unbeachtlich sein soll. Zwei Folgerungen können bereits jetzt getroffen werden: Zum einen liegt der Gesichtspunkt des Vertrauens jeder Haftung zugrunde, ist also kein sich auf die vorvertragliche Haftung beschränkendes spezifisches Merkmal. Diese „Vorstellung zwi-
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sehen Hoffnung und Zuversicht" 231 ist vielmehr im Gemeinschaftsleben als Konstante anzusehen und kann daher keine Funktion zur Abgrenzung verschiedener Haftungsformen erfüllen 232 . Zum anderen legt die vollkommene Vernachlässigung des Vertrauensgedankens sowohl bei der vertraglichen als auch bei der deliktischen Haftung den Schluß nahe, daß der Vertrauensgedanke bei der Suche nach der dogmatischen Rechtfertigung der Haftung jeglicher Relevanz entbehrt.
dd) Wird das Verhandlungsverhältnis von Vertrauen geprägt? Das Abstellen auf den Vertrauensgedanken steht gerade im vorvertraglichen Bereich oftmals in Widerspruch zu der dort tatsächlich vorherrschenden Situation. Vor Vertragsschluß stehen sich die Parteien als Gegner gegenüber, beide Teile verfolgen diametral entgegengesetzte Ziele. Jeder der Verhandelnden möchte eine möglichst gute Leistung von dem anderen erlangen, den eigenen Einsatz in Form der Gegenleistung jedoch so gering wie möglich halten. Die typische Situation der Vertragsverhandlungen ist dadurch gekennzeichnet, daß nicht jederzeit „mit offenem Visier" verhandelt wird: „Politik", nicht „Wahrheit", bestimmt die Vertragsverhandlungen 233 . Dieses Klima ist kaum geeignet, um im Rahmen der Verhandlungen möglicherweise entstehende Pflichten auf der Basis „in Anspruch genommenen und gewährten Vertrauens" zu begründen. Vielmehr ist die Situation eher von gegenseitigem, „gesundem" Mißtrauen als von Vertrauen beherrscht 234. Letzteres ist erst dann angebracht, wenn die Parteien von ihrer entgegengesetzten Ausgangsposition aus einen gemeinsamen Nenner gefunden und sich vertraglich geeinigt und gebunden haben: Erst jetzt sind aus Verhandlungsgegnern Vertragspartner geworden. Ist jedoch das Verhältnis der Vertragsverhandlungen in der Regel nicht von Vertrauen geprägt, so kann die vorvertragliche Haftung kaum auf den Vertrauensgedanken gestützt werden. Der Hinweis darauf, daß nur das „berechtigte" Vertrauen, nicht jedoch jegliches Vertrauen geschützt sei, vermag die Kritik an dem Vertrauensgedanken nicht abzuschwächen. Die für die Erforschung des Rechtsgrundes vorvertraglicher Schutzpflichten entscheidende Fragestellung muß meines Erachtens dahingehen, warum das Vertrauen in einer bestimmten Situation in dem Sinne „berechtigt" ist, daß dessen Enttäuschung zu einer neben Vertrag und Delikt eigenständigen Haftung führt.
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Frotz, GS Franz Gschnitzer (1969), S. 163, 169. Frotz, aaO, S. 163, 171 ff.; Picker, AcP 183 (1983), 369, 427. 233 Erman, AcP 139 (1934), 273, 282. 234 Ebenso für den Bereich des Anlegerschutzes Wiedemann! Schmitz, ZGR 1980, 129, 135f.; zustimmend v.Bar, ZGR 1983,476,488f. 232
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
b) Die Bedeutung des Vertrauens Auch wenn der Vertrauensgesichtspunkt als tragende Säule der dogmatischen Begründung vorvertraglicher Aufklärungspflichten kaum Bestand hat, so soll damit nicht gesagt werden, daß dem Vertrauenselement überhaupt keine Bedeutung zukäme. Das BGB erwähnt an einzelnen Stellen das Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung, auf die Vertretungsmacht oder auf die Gültigkeit des Vertrags (§§ 1221, 179 II BGB, § 30711 BGB a. F.) 235 . Der Vertrauensaspekt ist ein wichtiges Kausalglied zwischen Pflichtverletzung und Schaden236. Der Berechtigte muß also im Vertrauen auf richtige und vollständige Aufklärung des anderen zu Schaden gekommen sein 237 . An der Kausalität zwischen Vertrauen und Schaden fehlt es, wenn der Berechtigte bei richtiger Aufklärung in gleicher Weise gehandelt und zu Schaden gekommen wäre 238 . Ebenso mangelt es an der Ursächlichkeit zwischen Vertrauen und Schaden, wenn im Falle des Scheiterns von Vertragsverhandlungen der Berechtigte selbst gar nicht abschlußbereit war 239 .
4. Versuch einer eigenen Annäherung an die Problematik Ich möchte mich der Frage nach dem Rechtsgrund der Haftung wegen Verletzung einer vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflicht in zwei Schritten nähern: Zunächst soll versucht werden, der vorvertraglichen Haftung einen Platz im Vertragsrecht oder im Deliktsrecht zuzuweisen. Erst wenn dieser Versuch ganz oder teilweise mißlingt, ist eine positive Rechtfertigung der vorvertraglichen Haftung notwendig.
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Vgl. auch § 311 II und III BGB n. F. Erman, AcP 139 (1934), 273, 312; Frotz, GS Franz Gschnitzer (1969), S. 163, 169; vgl. auch Baumert, culpa in contrahendo (1955), S. 28 f. 237 Vgl. RGZ 131, 343, 358f.; Canaris , Vertrauenshaftung, S.514ff. 238 BGH W M 1960, 1384, 1386. 239 OLG München, NJW 1968, 651; aA BGH WM 1974, 508, 509f. Einen speziellen Fall der culpa in contrahendo beinhaltete § 611 a BGB a. F., sofern die Schutzpflichtverletzung des Arbeitgebers (diskriminierende Auswahl des Arbeitnehmers) bereits vor Abschluß des Arbeitsvertrags entstanden ist (Herrmann, ZfA 1996,19, 30). Bewirbt sich ein Arbeitnehmer auf eine geschlechtsspezifische Annonce nur deshalb, um in den Genuß eines Schadensersatzanspruchs auf der Grundlage des § 611 a II BGB zu gelangen, so mag darin ein rechtsmißbräuchliches Verhalten gesehen werden (AG Köln ZIP 1997,804 ff.); überzeugender scheint mir indes die Begründung, daß der Bewerber gar nicht darauf vertraute, eingestellt zu werden. Das Vertrauen als wichtiges Zwischenglied zwischen Schutzpflichtverletzung und Schaden ist nicht vorhanden, so daß ein Anspruch aus culpa in contrahendo entfallen muß (vgl. Ehmann/Emmert, SAB 1997, 253, 256). Die Diskussion ist durch die Neufassung des §611 a II-IV BGB (Fassung v. 29.06.1998) allerdings obsolet geworden: Ein Verschulden wird von der neuen Regelung in Abs. 2 nicht mehr gefordert. 236
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
a) Das Verhandlungsverhältnis
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als Vertrag?
Argumente gegen die anfangs bisweilen vertretene Ansicht, die culpa in contrahendo sei als einseitiges Rechtsgeschäft oder Vorvertrag zu verstehen, sind bereits vorgetragen worden, so daß es an dieser Stelle nur einer kurzen Zusammenfassung bedarf 240. Kennzeichen der vorvertraglichen Situation ist gerade der fehlende Rechtsbindungswillen der Parteien. Dieser fehlende Rechtsbindungswillen kommt in dem Recht der Verhandlungsgegner zum Ausdruck, jederzeit und ohne Angabe irgendwelcher Gründe die Verhandlungen abzubrechen241. Die Annahme, die Einhaltung vorvertraglicher Schutzpflichten werde im Rahmen der Verhandlungen stillschweigend vereinbart, muß sich daher zu Recht den Vorwurf einer Fiktion gefallen lassen, die dem tatsächlichen Willen der Parteien nicht nur nicht entspricht, sondern ihm in vielen Fällen sogar entgegensteht242. b) Erweiterung
des Deliktsrechts de lege ferenda?
Um einen umfassenden Integritätsschutz deliktisch zu gewährleisten, sind zwei Alternativen denkbar: Zu erwägen wäre zum einen de lege ferenda die Änderung des § 8231 BGB in eine deliktische Generalklausel nach dem Vorbild ausländischer Rechte243. Alternativ wäre eine Erweiterung vermögensbezogener Verkehrspflichten unter Beibehaltung des heutigen § 8231 BGB vorstellbar. aa) Die deliktsrechtliche Generalklausel Der Erste Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch sah eine allgemeine deliktische Generalbestimmung vor 244 . Demgegenüber befürwortete die Zweite Kommission245 eine an bestimmten Rechtspositionen orientierte deliktische Haftung, wie sie heute in § 823 I BGB zum Ausdruck gekommen ist. Die Abwendung von einer deliktischen Generalklausel sollte nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser vor allem 240
Siehe oben §211. Flume , Bürgerliches Recht AT II, § 33,8. Lediglich in dem Fall, daß eine Partei zuvor ein besonderes Vertrauen in den Vertragsschluß geweckt hat, bezahlt sie das Recht des Vertragsabbruchs mit dem Ersatz des negativen Interesses, siehe unten § 8. 242 Allerdings wird man von diesem Grundsatz Ausnahmen zulassen müssen. Wird jemand beispielsweise im Rahmen der Vertragsverhandlungen damit beauftragt, bestimmte Gegenstände zwecks Besichtigung vorzulegen (vgl. RGZ 78, 239, „Linoleum-Fall") oder einen Wagen zum Zwecke der Probefahrt zur Verfügung zu stellen, so spricht m.E. nichts dagegen, den Beauftragten den vertraglichen Schutzpflichtkomplex des Auftragsrecht aufzuerlegen. Zu weit wiederum der v. Scheurl (Jherings Jahrb. 2 [1858], 248, 274), der generell in jedem Vertragsangebot die Einleitung eines auftragsrechtlichen Vertragsverhältnisses sah. 243 Art. 41 OR; Art. 1382, 1383 Code civil. 244 § 704 Ε 1 ; siehe dazu Mot. II, 724ff. = Mugdan II, S. 404ff. 245 Prot. II, S. 2709ff. = Mugdan II, S. 1072ff. 241
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
bezwecken, „dem Richter zu seiner Entscheidung schon im Gesetze einen gewissen objektiven Maßstab an die Hand zu geben" 246 . Im Vordergrund der Überlegungen stand also der Aspekt der Rechtssicherheit. Daneben sprechen aber noch weitere Gründe für die m. E. sinnvolle Begrenzung der deliktischen Haftung. Das Ideal absoluter Integrität steht in einem Spannungsverhältnis zu dem Postulat der Handlungsfreiheit. Je weiter der status quo einer Person geschützt wird, desto enger wird der Freiheits- und Betätigungsraum der anderen 247: Zum Schutz des status quo müßten nämlich immer neue Verhaltenspflichten aufgestellt werden, welche wiederum den Handlungsfreiraum des Adressaten dieser Pflichten einschränken würden. Selbst im Falle rechtswidriger Verhaltensweisen kann das Prinzip uneingeschränkten Bestandsschutzes nicht bedingungslos durchgesetzt werden 248. Es kommt vielmehr darauf an, einen sinnvollen Kompromiß zwischen Handlungsfreiheit einerseits und Bestandsschutz andererseits zufinden. Ein Beispiel für einen vernünftigen Ausgleich beider Grundsätze bildet das Verschuldensprinzip. Mit der Beschränkung auf einen Katalog bestimmter Rechte und Rechtsgüter in § 8231 BGB hat der Gesetzgeber einen weiteren Freiraum zur Sicherung der Handlungsfreiheit geschaffen: Die generelle Nichtbeachtung des allgemeinen Vermögensschadens bezweckt gerade die Verhinderung unangemessener Betonung des Integritätsschutzes zu Lasten der individuellen Freiheit. Mittels des Enumerationsprinzips ist somit ein vernünftiger und berechenbarer Kompromiß zwischen Bestandsschutz und Handlungsfreiheit erreicht, den eine Generalklausel ins Wanken brächte. bb) Erweiterung vermögensbezogener Verkehrspflichten Der „klassische" Deliktsschutz ist aus dem Gedanken einer Garantenstellung Dritter um eine Variante ergänzt worden: Es handelt sich um die von der Rechtsprechung entwickelten Verkehrspflichten, welche heute gewohnheitsrechtlich anerkannt sind. Die grundsätzliche Notwendigkeit einer richterrechtlichen Lückenausfüllung, für die im Bereich des Deliktsrechts das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb gelungene Beispiele darstellen, soll an dieser Stelle nicht in Zweifel gezogen werden. Vorsicht ist m. E. jedoch geboten, wenn diese wichtige Funktion der Rechtsprechung als „Lückenfüller" nicht nur im Ausnahmefall eingreifen soll, sondern quasi zur Regel erhoben wird. Die Gefahr einer Ersetzung des Gesetzgebers durch die Rechtsprechung scheint besonders dann gegeben, wenn „vermögensbezogene Verkehrspflichten" unter die Schutzgesetze des § 823 II BGB subsumiert werden: Wie dargelegt, sollte die Beschränkung auf bestimmte Rechtspositionen nach dem Wtllen der Gesetzesverfasser gerade dem Ziel dienen, der Rechtsprechung einen fest umrissenen Leitfaden an die Hand zu geben. Dieses Ziel der Berechenbarkeit wird durch die richterrechtliche 246 247 248
Prot. II, S. 2718 = Mugdan II, S. 1075. FraenkeU Tatbestand und Zurechnung bei § 823 Abs. 1 BGB (1979), S. 20ff. Picker, AcP 183 (1983), 369,471.
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Entwicklung immer neuer Verkehrspflichten vereitelt. Wer derartige Pflichten als „Phänomen des gesetzesvertretenden Richterrechts" befürwortet 249 oder gar die dem legislatorischen Zweck des § 823 BGB zuwiderlaufende Entwicklung „von der Selbstbindung zur Sozialbindung geschäftlichen Verhaltens" 250 lobpreist, räumt der Rechtsprechung eine Machtstellung ein, die der Gesetzgeber gerade verhindern wollte 251 . In der rechtsgeschäftlichen Haftung auf der Grundlage der Selbstbindung und Eigenverantwortlichkeit liegt das Gegengewicht zur deliktischen, „hoheitlichen" Haftung aufgrund Gesetzes. Eine übermäßige Ausweitung der Verkehrspflichten brächte das Gleichgewicht zwischen diesen beiden konträren Polen ins Wanken. Nach meinem Dafürhalten stünde bei einer Lösung sämtlicher Risiken sozialen Kontakts zugunsten einer umfassenden deliktischen Haftung letztendlich die Freiheit selbst auf dem Prüfstein. Der Bürger ist mehr als ein bloßes Rädchen im Getriebe einer Rechtsordnung, welche ihm sämtliche Pflichten auferlegt. Vielmehr muß dem Bürger auch ein Freiheitsraum gewährt werden, innerhalb dessen er seine Rechte und Pflichten (im Rahmen der durch Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB „bestimmten" Grenzen) selbstverantwortlich bestimmen kann. Nach traditionellem Verständnis ist der Vertrag das Mittel, welches die Ausübung dieser „Freiheit zur selbstgewählten Bindung" auf Konsensbasis gewährt. Die rechtsgeschäftliche Haftung ist als konsequente Fortführung selbstgewählter Bindung zu verstehen, und zwar in krassem Gegensatz zur „gesetzlichen" Haftung. In dieser Dichotomie zwischen Selbstbindung kraft Vertrags und Fremdbindung kraft Gesetzes kommt es über die Betonung der Gegensätzlichkeit beider Konzepte entscheidend darauf an, einen versöhnlichen Ausgleich zwischen beiden Haftungsmechanismen zu finden. Indem der Gesetzgeber die Deliktshaftung aus § 8231 BGB an einen enumerativen Haftungskatalog absolut geschützter Rechtspositionen knüpfte, eröffnete er der vertraglichen Haftung zugleich einen eigenen Freiraum zur selbstverantwortlichen, nicht gesetzlich aufgebürdeten Festlegung von Leistungs- und Schutzpflichten 252. 249 Mertens, AcP 178 (1978), 227 ff., 229; ders., VersR 1980, 397ff. Siehe auch Bäh, System zivilrechtlicher Haftung, S. 63. 250 Brüggemeier, AcP 182 (1982), 385, 425. 251 Siehe Prot. II, S. 2718 = Mugdan II, S. 1075. 252 Picker (AcP 183 [1983], 369) verfängt sich m.E. in einen Widerspruch, wenn er einerseits den strengen Gegensatz zwischen vertraglicher Selbst- und gesetzlicher Fremdbindung betont („es gibt... im Hinblick auf die Begründung rechtlicher Plichten kein Zwischending zwischen Freiheit und Zwang", S.410), folgerichtig auch die übermäßige Ausuferung deliktischer Verkehrspflichten durch die Rechtsprechung kritisiert und dahingehenden Unterstützungsversuchen der Literatur ein „autonomieentleertes Haftungsverständnis" vorwirft (S. 502 ff.), andererseits jedoch die Unterscheidung zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung in einem dialektischen Umwandlungsprozeß aufzuheben versucht: Picker stellt das vertragliche Leistungsversprechen in Gegensatz zu allen Schadenshaftungen, also deliktischen wie vertraglichen (S. 394 ff., 505 ff.). Gerade weil das Leistungsversprechen auf dem eigenverantwortlichen Willen der Vertragspartner beruht, ist die bei schuldhafter Verletzung eintretende Haftung m. E. die konsequente Fortführung dieses Willens: Der Schuldner haftet, weil er das „positive Interesse" versprochen hat; nur von der Primärleistungspflicht, nicht jedoch von der Sekundärleistungspflicht wird er befreit, wenn er das positive Erfüllungsinteresse des Gläubi-
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Die Verletzung vertraglicher Schutzpflichten umfaßt auch die Berücksichtigung allgemeiner Vermögensschäden, während das Deliktsrecht an eng umgrenzte Tatbestände gebunden ist. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Aussage v. Bars, der die von ihm befürwortete deliktische Auskunftshaftung damit rechtfertigt, daß derartige Schutzpflichten gesetzlicher, nicht rechtsgeschäftlicher Natur seien und es daher um genuines Deliktsrecht gehe253. Unabhängig von der Frage, auf welcher Grundlage die vorvertraglichen und vertraglichen Schutzpflichten ruhen, zeigt die Äußerung v. Bars die bis zur völligen Aufweichung vertraglicher und deliktischer Haftung führenden Konsequenzen, zu denen der „große Wurf 4 eines vertragsunabhängigen, gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses geführt hat 254 . cc) Die deliktische Gehilfenhaftung gemäß § 831 BGB Die Haftung für den Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB greift nur bei eigenem Verschulden des Geschäftsherrn ein. Kann dieser beweisen, daß ihm weder bei der Auswahl noch bei der Überwachung oder Beaufsichtigung ein Verschulden trifft (Exkulpationsbeweis), so muß der Geschädigte auf die Klage gegen den Gehilfen verwiesen werden. Dieser dem Geschäftsherrn von § 831 BGB zur Verfügung gestellte Entlastungsbeweis ist heftig kritisiert worden und führte bereits zu mehreren Reform Vorschlägen255. Eine Änderung des § 831 BGB zählte v.Bar daher „zu den zentralen Aufgaben, die eine Überarbeitung des Deliktsrechts zu leisten hat" 256 . (1) Entstehungsgeschichte Die Annahme der Pandektisten, die verschuldensabhängige Ausgestaltung der Haftung des Geschäftsherrn für seine Gehilfen ginge auf römischrechtliche Wurzeln zurück, darf als verfehlt bezeichnet werden 257. Der zentrale Tatbestand einer Geschäftsherrenhaftung im deliktischen Bereich war nach römischem Recht die sog. gers schuldhaft nicht erfüllt hat. Die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung basiert meiner Meinung nach auf dem Leistungsversprechen des Schuldners und nicht auf einer gesetzlichen Wertung (so aber Picker S. 395). Insofern scheint sich der Versuch Pickers, vertragliche Sekundärhaftung und deliktische Primärhaftung allein unter dem Gesichtspunkt des Idealprinzips „neminem laedere" zu verknüpfen (S. 460ff.), auf dünnem Eis zu bewegen. Kritisch auch Bälz, System zivilrechtlicher Haftung, S. 18 Fn. 62. 253 v.Bar, Gutachten II, S. 1681, 1761, 1771 f. 254 Zu Recht kritisch Schimikowski, JA 1986, 345, 355. Ausführlich zu der These des einheitlichen, gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses unten § 3 III und IV. 255 Siehe die entsprechenden Vorschriften der Referentenentwürfe von 1958 und 1967, zitiert bei Stein in MünchKomm, § 831 Rdz. 69; s. ferner den Gesetzesvorschlag von v.Bar, Gutachten II, S. 1681, 1762. 256 Gutachten II, S. 1681, 1776. Zustimmend Grunsky, AcP 182 (1982), 453, 456; Huber, Gutachten I (Leistungsstörungen), S.647, 739; Medicus, Gutachten I, S.479, 491; Schlechtriem., Gutachten II, S. 1591, 1616f. 257 Seiler, JZ 1967, 525, 526.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
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Noxalhaftung, nach der der pater familias für Delikte von Hauskindern und Sklaven aufkam, ohne daß das Verschulden des Familienoberhauptes eine Rolle spielte258. Demgegenüber wollten die Vertreter des gemeinen Rechts das Verschuldensprinzip auch im Rahmen der deliktischen Gehilfenhaftung einsetzen259. Auf dem Juristentag von 1884 wurde die deliktische Haftung des Geschäftsherrn lebhaft diskutiert: Für die Anhänger der Verschuldenshaftung sprach die an den Eckpfeilern culpa und casus ausgerichtete Dogmatik. Wenn, so beispielsweise das Argument von Enneccerus 260, der Arbeitgeber für das Verschulden des Arbeiters strikt hafte, so liege darin eine Haftung für casus. Konsequenterweise müsse diese casus-Haftung sich aber dann auf jeden, also nicht nur auf den vom Arbeiter zu vertretenden Schaden erstrecken, was zu einer uferlosen Haftung führen würde. Trotz dieser begriffsjuristischen Bedenken sprach sich der Juristentag zwei Jahre später dafür aus, den Arbeitgeber außerhalb obligatorischer Verhältnisse verschuldensunabhängig für den vom Arbeiter verschuldeten Schaden haften zu lassen, sofern der Schaden in Ausführung der dem Arbeiter übertragenen Verrichtung begangen worden ist 261 . Daß sich der Gesetzgeber des BGB dennoch für eine am Verschulden des Geschäftsherrn ausgerichtete Haftung entschied, lag zum einen an den „dogmatischen" Bedenken der Pandektisten, zum anderen erachtete man eine verschuldensunabhängige Gehilfenhaftung als Hemmschuh wirtschaftlichen Aufschwungs 262. (2) Die Aushebelung des § 831 BGB durch die Rechtsprechung Daß der Anwendungsbereich der vorvertraglichen und vertraglichen culpa-Haftung oft unklar und verschwommen bleibt, hängt mit den hartnäckigen Bemühungen der Rechtsprechung zusammen, die Bestimmung des § 831 BGB zu umgehen 263 . Bis heute sind daher die Stimmen nicht verstummt, die de lege ferenda eine strikte deliktische Haftung des Geschäftsherrn fordern 264. Tatsächlich hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 831 BGB bereits in erheblichem Maße eingeengt: So ist in vielen Fällen die Haftung des Geschäftsherrn für Organisationsverschulden nicht auf § 831 BGB, sondern unmittelbar auf § 823 BGB gestützt worden. Daneben ist die Möglichkeit des dezentralisierten Entlastungsbeweises weitgehend eingeschränkt worden 265. Schließlich ist § 831 BGB dadurch ausgehebelt wor258
Honseil in Kunkel, Römisches Recht, § 137. Vgl. Windscheid, Pandekten II, §401 Fn.4 und 5, §410. 260 In: Verhandlungen des 17. DJT, Band II, S. lOOf. 261 Verhandlungen des 18. DJT, Band II, S.67ff., 105f. 262 Prot. II, S. 2785 = Mugdan II, S. 1094. 263 So erstmals in RGZ 78, 239 („Linoleum-Fall"); v. Bar, Gutachten II, S. 1681, 1716; v. Caemmerer, ZfRV 1973,241,250; Larenz, FS Kurt Ballerstedt (1975), S. 397,403; Medicus, Gutachten I, S.491; Schlechtriem, Gutachten II, S. 1591, 1616; Schwark, AcP 179 (1979), 57, 64; Seiler, JZ 1967, 525 f. 264 So zuletzt Zeuner in Soergel ( 12. Aufl. 1998), § 831 Rdz. 2; anders Stein in MünchKomm (3.Aufl. 1997,§831 Rdz.8), der eine Reformierung des§831 BGB nicht für notwendig hält. 265 Vgl. Stein in MünchKomm, §831 Rdz. 3 u. 66 f. 259
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
den, daß die Rechtsprechung bei betrieblich veranlaßter schadenstiftender Tätigkeit dem geschädigten Dritten gestattet, den arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des Verrichtungsgehilfen zu pfänden und sich daraus zu befriedigen 266. c) Die Vertragsverhandlung
als gesetzliches Schuldverhältnis
Im Vergleich zu § 831 BGB sind die dogmatischen Einordnungschwierigkeiten vorvertraglicher Schutzpflichten weitaus größer. Umso mehr paßt angesichts der unzähligen Konstruktionsversuche der culpa in contrahendo der von Otto Mayer anläßlich einer Diskussion über den Umfang der Gehilfenhaftung geäußerte Satz, „wenn die Sache da ist, findet... sich die Construction immer" 267 . In der Tat, „die Sache ist da", die culpa in contrahendo ist nach den Worten ihres „Erfinders" Ausdruck des „gesunden Rechtsgefühls" 268, um „die praktische Trostlosigkeit" 269 der Verweigerung einer Schadensersatzpflicht gegen den culposen Teil in solchen Fällen zu überwinden. Und weiter unten heißt es: Wie auch immer die Schadensersatzpflicht „theoretisch zu construiren (sei), so viel stand mir fest: sie selbst ist gar nicht zu entbehren ..." 270 . Auch die Verfasser des BGB sahen das „allgemein anerkannte unabweisbare Verkehrsbedürfnis" als den ausschlaggebenden Gesichtspunkt für die Übernahme der culpa in contrahendo in das Bürgerliche Gesetzbuch an 271 . Seit dem Ol. Januar 2002 ist die culpa in contrahendo gesetzlich verankert (§ 311 II BGB n. F.). Der Grund ihrer Existenz ist jedoch trotz der ausdrücklichen Kodifizierung weiterhin ungeklärt. Der soeben vorgenommene negative Abgrenzungsversuch hat eine wichtige Vorentscheidung zu Tage gefördert: Der ganz überwiegende Teil vorvertraglicher Aufklärungspflichten läßt sich weder vertraglich noch deliktisch erfassen. Die das allgemeine Vermögen tangierenden Schutzpflichten erfordern einen haftungsbegründenden Tatbestand, der über Nachlässigkeit (negligence) hinausgeht. Pflichten, die kraft vertraglicher Selbstbindung entstehen, stehen untrennbar mit dem Recht eines anderen im Zusammenhang: Des einen Recht ist des anderen Pflicht. Andererseits können Pflichten jedoch auch als Kehrseite eines Rechts gesehen werden: Die Existenz eines Rechts zwingt denjenigen, der dieses Recht für sich in Anspruch nimmt, zur Einhaltung der in diesem Recht wurzelnden Pflichten. So korrespondiert das Recht auf Güterschutz mit der Pflicht, die Integrität anderer zu wahren (§ 823 BGB). 266
BAG AP §611 Nr. 37; BGH W M 1991, 599, 602. in: Verhandlungen des 17. DJT Band II, S. 127. Die Wahrheit entwickelt sich am Paradoxon (Hegel). 268 Jhering, Jherings Jahrb.4 (1861), 1, 2. 269 ibid., S. 4. 270 ibid., S. 7. Ebenso Leonhard, Schuldrecht AT, § 283 (S. 547): „Der stärkste, ja eigentlich entscheidende Grund unserer Lehre ist, daß sie praktisch unentbehrlich ist". 271 Mot. II, S. 178 = Mugdan II, S. 98. 267
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Das Recht, aus altruistischen Motiven im Rechts- und Interessenkreis eines anderen tätig zu werden, korrespondiert mit der Pflicht, diese Geschäftsführung sorgfältig und im Einklang mit dem Willen und den Interessen des anderen vorzunehmen (§677 BGB). Grundbaustein sowohl des Deliktsrechts als auch der berechtigten, auftraglosen Geschäftsführung ist ein Recht; die aus diesem Recht entspringenden Pflichten schützen dieses Recht und erfahren ihre Rechtfertigung aus der Existenz dieses Rechts. Ließe sich auch für die Vertrags Verhandlungen ein Recht finden, so könnten die zum Schutz dieses Rechts bestimmten Schutzpflichten ihre Legitimationsgrundlage aus diesem Recht schöpfen. aa) Das Verhandlungsverhältnis als Forum der Vertragsfreiheit Die Besonderheit der Vertragsverhandlungen liegt darin, daß sich in ihnen die Vertragsfreiheit verkörpert. Unter Vertragsfreiheit wird im allgemeinen die Freiheit des einzelnen verstanden, seine privaten Lebensverhältnisse durch Verträge zu gestalten272. Die Vertragsfreiheit umfaßt die Freiheit, ob und mit wem ich einen Vertrag abschließe (Abschlußfreiheit) sowie die Freiheit, den Vertrag in einer bestimmten Weise auszugestalten (Gestaltungsfreiheit). Die Vertragsfreiheit ist verfassungsrechtlich gewährleistet (Art. 21 GG). Nur in Ausnahmefällen setzt das Gesetz der Vertragsfreiheit Grenzen: So ist die Abschlußfreiheit in einzelnen Fällen durch Abschlußverbote (z.B. §§ 22ff. JugendarbeitsschutzG) und Abschlußgebote (z.B. §§22 PersonenbeförderungsG, § 6 EnergiewirtschG) eingeschränkt. Die Gestaltungsfreiheit wird durch zwingende gesetzliche Vorschriften beschnitten (§§ 134, 138, 276III, 444 BGB n.F. etc.) 273 . Die Vertragsverhandlungen bieten das exklusive Forum, auf dem die Vertragsfreiheit ihren Ausdruck findet. Die Verhandlungen dienen den Verhandlungsgegnern dazu, herauszufinden, ob sie überhaupt, und wenn ja, ob sie mit dieser bestimmten Person einen Vertrag schließen wollen. In den Verhandlungen werden die Einzelheiten des Vertrags besprochen und die gegensätzlichen Positionen der Parteien auf eine gemeinsame Grundlage gebracht. Die Gewährleistung und der Schutz der Vertragsfreiheit ist die Voraussetzung für einen Vertragsschluß. Nicht das Vertrauen des Berechtigten, sondern das Verhalten des Pflichtigen muß den Ausgangspunkt der Haftung bestimmen274. Schutzpflichten, die dem Schutz der Vertragsfreiheit dienen, legitimieren sich aus der Inanspruchnahme dieses Rechts. In diesen Bereich fallen alle Aufklärungspflichten, die dazu bestimmt sind, dem Verhandlungsgegner Umstände mitzuteilen, die für diesen vertragswesentlich sind. Der Verhandlungsgegner soll durch die ihm mitgeteilten Informationen in der Lage 272 273 274
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Zu Begriff und Herkunft der Vertragsfreiheit s. Raiser , JZ 1958,1 ff. Ausführlich z.B. Fikentscher, Schuldrecht, Rdz.82ff. Coing , W M 1980, 206, 211.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
sein zu entscheiden, ob er einen Vertrag zu den ihm angebotenen Konditionen schließen möchte. Werden ihm dagegen vertragswesentliche Umstände verschwiegen, so führt dies nicht nur zu Vermögenseinbußen aufgrund entgangener Geschäfte und bereits getätigter Aufwendungen; darüber hinaus wird das Recht der Vertragsfreiheit, zu dessen Schutz die Aufklärungspflichten bestimmt sind, verletzt. „Freiheit" beinhaltet die Möglichkeit einer Wahl zwischen mindestens zwei Alternativen. Eine „freie" Wahl wird nicht nur infolge Zwangs, sondern auch infolge unzulässiger Beeinflussung durch Verfälschung der Entscheidungsgrundlage der Wahl verhindert. Hätte der Getäuschte ohne die Aufklärungspflichtverletzung eine andere Entscheidung getroffen, das heißt hätte er den Vertrag überhaupt nicht oder zu anderen Konditionen abgeschlossen, so ist in diesen Fällen durch die Verletzung der Aufklärungspflicht auch die Vertragsfreiheit beeinträchtigt worden. bb) Deliktsrechtlicher Schutz der Vertragsfreiheit? Kann die Vertragsfreiheit nicht durch das Deliktsrecht geschützt werden? Ähnlich wie der auftraglose Geschäftsführer tritt auch der Verhandelnde durch sein Verhandlungsangebot aus dem negativen Integritätsschutz heraus, indem er den Rechtskreis eines anderen berührt und zu diesem ein relatives und, aufgrund dieser Relativität, „vertragsähnliches" Verhältnis aufbaut 275. Das Recht der Vertragsfreiheit läßt sich nur im Zusammenspiel mit einem Gegenüber ausüben, in diesem Sinne ist es ein „relatives" Recht. Der gegenüber jedermann wirkende, absolute Integritätsschutz des Deliktsrechts paßt auf die gegenüber einer bestimmten Person wirkende Rechtsgütertangierung des Verhandelnden und auftraglosen Geschäftsführer nicht. cc) Begrenzung auf vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten Ist der Schutz der Vertragsfreiheit das spezifische Merkmal des gesetzlichen Verhandlungsverhältnisses, so führt dies zwangsläufig zu einer Eingrenzung der aus diesem Schuldverhältnis entspringenden Pflichten: Nach meinem Dafürhalten haben Schutzpflichten des Verhandlungsverhältnisses nur insoweit eine Existenzberechtigung, als sie dem Schutz der Vertragsfreiheit dienen. Diese Bedingung ist für 275 Trotz einiger Parallelen zwischen der Vertragsverhandlung und der auftraglosen Geschäftsführung (in beiden Fällen handelt es sich um gesetzliche, „vertragsähnliche" Schuldverhältnisse, die ausschließlich aus Schutzpflichten, nicht aus Leistungspflichten bestehen, vgl. dazu für die GoA Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S.4 und S. 332) unterscheiden sich beide Schuldverhältnisse in einem wichtigen Punkt: Der auftraglose Geschäftsführer handelt idealiter aus altruistischen Beweggründen heraus, während der Verhandlungsgegner (zumindest im Falle eines gegenseitigen Vertrags) primär seine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt. Zwar dürfen bei auftraglosen Geschäftsführungen bis zu einem gewissen Maße auch Eigeninteressen eine Rolle spielen (BGH NJW 1978, 2030, 2031; NJW 1982, 875, 876); im Rahmen von Vertragsverhandlungen werden altruistische Motive jedoch fast gänzlich von Eigeninteressen überlagert, vgl. die für die Grenzen der GoA sehr aufschlußreiche Entscheidung OLG Nürnberg, NJW-RR 1987,405.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
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die auf das negative Interesse gerichteten Aufklärungspflichten ausnahmslos gegeben. So oblag in Fall 1 dem A die Pflicht, den Vertragsschluß nicht als sicher hinzustellen, wenn er sich insgeheim die Möglichkeit eines anderweitigen Vertragsschlusses offenhalten wollte. Diese Schutzpflichtverletzung hat die Vertragsfreiheit des Β insofern beeinträchtigt, als daß er sich aufgrund der Zusicherung des A für diesen Vertrag entschied, dessen Abschluß tatsächlich noch gar nicht feststand. Diese Entscheidung „für" den Vertrag, der den Β zu umsonst aufgewendeten Dispositionen veranlaßte, hätte Β ohne die Aufklärungspflichtverletzung nicht getroffen. Richtig ist, daß der Schaden dadurch entstanden ist, daß Β auf den Vertragsschluß vertraut hat. Dieses Vertrauen ist aber bloße Folge der Aufklärungspflichtverletzung, ein Glied in der schadensverursachenden Kausalkette276, nicht jedoch der Rechtsgrund der Haftung. Auch in Fall 2 dient die Aufklärungspflicht der G dem Schutz der Vertragsfreiheit: Die Unterlassung der gebotenen Aufklärung führte zu der vorschnellen Entscheidung für einen Vertrag, der wegen des fehlenden Formerfordernisses noch gar nicht wirksam war. Die innerliche Rechtfertigung der auf das negative Interesse gerichteten Aufklärungspflichten liegt in dem Recht der Vertragsfreiheit, von dem der Verhandelnde Gebrauch macht und aus dem Pflichten zum Schutz dieses Rechts erwachsen 277.
II. Auf das Integritätsinteresse gerichtete Aufklärungspflichten Fall 3: Frau König (K) rutscht beim Betreten des Ladens von Viktor (V) auf dem feuchten Boden aus und bricht sich dabei den Arm. Der Sturz kam zustande, weil der sonst immer sehr zuverlässige Angestellte des V vergessen hatte, nach dem Putzen des Bodens ein Hinweisschild aufzustellen. Fall 4: Herr Adam (A) interessiert sich für den Wagen der Frau Bohl (B). Im Rahmen der Vertragsverhandlungen kommt es zu einer Probefahrt. Dabei weist Β den A nicht daraufhin, 276
Genau in diesem Sinne wird das Vertrauen auch vom BGB verwendet: Es ist der Schaden zu ersetzen, den der andere dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit der Erklärung/des Vertrags vertraut hat (vgl. §§ 1221, 179II, 30711 [a.F.] BGB). Leider hat schon bald nach Inkrafttreten des BGB diese Formulierung auf den falschen Gedanken geführt, daß dem Vertrauen jenseits seiner berechtigten Funktion als notwendiges Bindeglied zwischen Pflichtverletzung und Schaden eine weitergehende, haftungsbegründende Bedeutung zukommen könnte, siehe Brock, Vertragsinteresse (1902), S. 195. 277 In eine ähnliche Richtung scheinen auf den ersten Blick auch die Argumente von Frotz (GS Franz Gschnitzer [1969], S. 163,172ff.) zu gehen, der vorvertragliche Schutzpflichten als Korrelat privatautonomer Gestaltungsmöglichkeit ansieht. Allerdings erwachsen die vorvertraglichen Schutzpflichten m. E. nicht aus einer „sozialen Verantwortung" heraus, sondern ergeben sich aus der schlichten Inanspruchnahme der Privatautonomie durch den Verhandelnden; der Kreis der Schutzpflichten reicht nur soweit, wie diese dem Zweck der Privatautonomie dienen. Dies ist gerade bei Integritätsschutzpflichten nicht der Fall, die Frotz kraft „Sozialbindung der Privatautonomie" mit einbeziehen möchte (S. 174).
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten daß die Bremsen nicht mehr einwandfrei funktionieren. Infolgedessen verursacht A einen Unfall, bei dem er verletzt wird.
Die Besonderheit der oben behandelten vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflichten liegt darin, daß sie nur im Rahmen eines Verhandlungsverhältnisses entstehen können. Demgegenüber ist der Integritätsschutz, wie Fall 3 zeigt, nicht an ein Verhandlungsverhältnis gebunden. Nach § 311 II Nr. 2 BGB n. F. entsteht ein Schuldverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB n. F. auch durch Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut. Basieren vorvertragliche Integritätsschutzpflichten auch auf dem Institut der culpa in contrahendo? Mit den Besonderheiten der Vertragsverhandlungen scheinen die auf das Integritätsinteresse gerichteten Schutzpflichten auf den ersten Blick nichts zu tun haben. Bevor jedoch ein abschließendes Urteil gefällt wird, sollen Gesetz und Literatur unter dem Gesichtspunkt untersucht werden, ob vorvertraglichen Integritätsschutzpflichten außerhalb des Deliktsrechts ein Platz zustehen könnte.
1. Das Bürgerliche Gesetzbuch Eine vorvertragliche, das Integritätsinteresse berührende Schutzpflicht hat das BGB nur an einer Stelle erwähnt. Dabei geht es um die Schadensersatzpflicht des Hinterlegers aus § 694 BGB. a) Entstehungsgeschichte des § 694 BGB Die Diskussion der Gesetzesverfasser bei der Beratung des § 694 BGB (§ 622 E1, § 634 E 2) drehte sich im wesentlichen um die Frage, ob die Haftung des Hinterlegers verschuldensabhängig oder in Form einer Garantiehaftung ausgestattet werden sollte 278 . Daß sich die Verschuldenshaftung schließlich durchsetzte, beruht auf zwei Gründen: Erstens sei die Annahme eines Garantieversprechens bloße Fiktion 279 . Zweitens lasse sich die Garantiehaftung zumindest bei der unentgeltlichen Verwahrung nicht begründen: Da es ja schon an einer Leistungspflicht des Hinterlegers fehle, komme ein Garantieversprechen erst recht nicht in Betracht 280. So entschied sich der Gesetzgeber für eine Haftung aus culpa in contrahendo. Nach dem Willen der Gesetzesverfasser sollte die Regelung ferner bei den übrigen Vertragsverhältnissen zur analogen Anwendung gelangen281. 278 279 280
Mot. II, S. 581 f. = Mugdan II, S.325; Prot. II, S.2381 = Mugdan II, S.973. Prot. II, S. 2381 = Mugdan II, S. 973. Mot. II, S. 582 = Mugdan II, S. 325; Lobe in Planck, § 694 Anm. 1 ; v. Tuhr, DJZ 1901,471,
472. 281
Prot. II, S. 2382 = Mugdan II, S. 973.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
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b) Heutige Interpretation Zu Recht sieht die herrschende Meinung in § 694 BGB einen gesetzlich geregelten Fall der culpa in contrahendo 282. Zweck der Vorschrift ist der Ausgleich von Schäden, die durch die Beschaffenheit der hinterlegten Sache beim Verwahrer entstehen 283 . Der Hinterleger ist verpflichtet, den Verwahrer hinsichtlich der gefahrdrohenden Beschaffenheit der Sache (explosive Stoffe, ansteckend kranke Tiere etc.) aufzuklären. Erman differenziert zwischen der auf das Integritätsinteresse des Verwahrers gerichteten Schutzpflicht und einer das Vertrauensinteresse tangierenden Aufklärungspflicht; nur die Integritätsschutzpflicht sei von § 694 BGB umfaßt, während die Verletzung der Aufklärungspflicht eine Haftung nach den allgemeinen Grundsätzen der cic nach sich ziehe284. Indes ist m. E. eine derartige Unterscheidung nur dann von Bedeutung, wenn der Integritätsschaden vor der vertraglichen Einigung eintritt (dazu unten). Ereignet sich der Integritätsschaden dagegen nach Vertragsschluß, wie im Falle des § 694 BGB, so wird dieser Schaden von der vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflicht umfaßt. Der durch die Beschaffenheit der Sache entstandene Schaden ist insoweit ein bloß mittelbarer Schaden, als daß „dazwischen" ein Vertragsschluß zwischen Hinterleger und Verwahrer liegt. § 694 BGB statuiert eine Aufklärungspflicht, die darauf gerichtet ist, dem Verhandlungsgegner alle für ihn vertragswesentlichen Umstände mitzuteilen, wozu auch die Beschaffenheit der zu hinterlegenden Sache zählt. In der Regel ist anzunehmen, daß der Verwahrer, hätte er bei Vertragsschluß von der Beschaffenheit der Sache gewußt, den Vertrag nicht eingegangen wäre: So, wenn das einzulagernde Getreide von Käfern befallen war 285 oder der in Pflege gegebene Kater Verhaltensauffälligkeiten zeigt, indem er auf die Einrichtungsgegenstände des Tierhüters uriniert 286 . Möglich ist auch, daß der Vertrag zu anderen Konditionen zustande gekommen wäre (ζ. B. unter Vereinbarung einer Vergütung, vgl. § 689 BGB) oder daß der Verwahrer die Sache gesondert gelagert hätte, um Schäden zu vermeiden. Klärt der Hinterleger vor Vertragsschluß den Verwahrer auf, so geht das Risiko eines Schadens zu Lasten des Verwahrers, wenn dieser sich zum Vertragsschluß bereit erklärt. Entscheidend ist, daß ohne die Schutzpflichtverletzung der Vertrag so entweder gar nicht zustande gekommen wäre oder nur unter bewußter Risikoübernahme des Verwahrers für die gefährliche Sache. In jedem Fall ist der Vertragsschluß das Zwischenglied zwischen Schutzpflichtverletzung und Schaden. Der Integritätsschaden wird von § 694 BGB nur geschützt, soweit er von dem im Vertrauen auf den Vertrag entstandenen Schaden umfaßt wird. 282 RGZ 107,357,362; Krohn in RGRK, § 694 Rdz. 1 ; Lobe in Planck, § 694 Anm. 1 ; v. Tuhr, DJZ 1901,471,472. 283 Eine Ersatzpflicht entfällt allerdings, wenn die Schäden nicht vom Schutzzweck der Schutzpflicht gedeckt sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn Schmierstoffe eingelagert werden, die bei einem Brand das Löschwasser verunreinigen, und der Verwahrer für den verseuchten Boden zur Verantwortung gezogen wird, siehe LG München I BB 1991, 1667, 1668. 284 Erman, AcP 139 (1934), 273, 323 f. 285 Hüffer in MünchKomm, § 694 Rdz. 3. 286 AG Berlin-Schöneberg, NJW-RR 1986, 113.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
§ 694 BGB unterscheidet sich von den in diesem Abschnitt zur Diskussion stehenden Fällen insofern, als daß der vor und nur anläßlich des Vertragsschlusses entstandene Integritätsschaden von § 694 BGB nicht geschützt wird. Gerade dann greift § 694 BGB nämlich nicht, wenn ζ. B. die Arbeiter des Hinterlegers beim Abladen der zu hinterlegenden Sache die Laderampe des Verwahrers beschädigen287. Zur Beantwortung der Frage nach der Rechtsgrundlage der in dem letzten Beispiel genannten Schutzpflichten kann § 694 BGB daher nicht weiterhelfen. Jedoch ist die Vorschrift des § 694 BGB ein gutes Beispiel dafür, daß die nach Vertragsschluß entstandene Integritätsverletzung des Vertragspartners vom Schutz einer vertragsschlußbezogenen Aufklärugspflicht umfaßt sein kann. Auch die Offenbarung von Gefahren, die sich aus dem Vertragsgegenstand ergeben können, sind vertragswesentliche Umstände. Die schuldhaft unterlassene Offenbarung stellt die Verletzung einer Schutzpflicht des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen dar. So erfüllt die Aufklärungspflicht der Β in Fall 4, den A auf einen Fehler der Bremsen hinzuweisen, zwei Funktionen: A soll einmal vor einer Verletzung seiner Rechtsgüter bewahrt werden (Integritätsschutz). Zudem stellt der Mangel einen vertragswesentlichen Umstand dar, die Aufklärung schützt A also auch vor einem ungünstigen Vertrag. In ihrer integritätsschützenden Funktion wird die Aufklärungspflicht in dem Moment verletzt, als A so mit der Sache in Berührung kommt, daß die Möglichkeit einer Verletzung seiner Integrität besteht. In ihrer vertragsschlußbezogenen Funktion wird die Aufklärungspflicht jedoch erst zu dem Zeitpunkt verletzt, da A eine Entscheidung für den (ungünstigen) Vertrag trifft, also unmittelbar vor dem Vertragsschluß selbst. Ereignet sich der Unfall also nach Vertragsschluß, so ist dieser als Folgeschaden des eigentlichen Schadens, nämlich des ungünstigen Vertrags, von der vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflicht umfaßt, welche auf der Grundlage des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen ruht. Ereignet sich der Unfall dagegen im Rahmen der Vertragsverhandlungen (Fall 4), so ist die Aufklärungspflicht ausschließlich in ihrer integritätsschützenden Funktion betroffen. Insoweit stellt sich die Frage nach ihrer dogmatischen Grundlage.
2. Vertrauen und sozialer Kontakt Prinzipiell treffen die bereits genannten Einwände gegen die Vertrauenshaftung auch im Rahmen der Integritätsschutzpflichten zu 288 . Der Vertrauensgedanke ist nicht geeignet, die auf das Integritätsinteresse gerichteten Schutzpflichten von den ihnen verwandten Verkehrspflichten des Deliktsrechts sauber zu trennen: Ein allgemeines Vertrauen auf den Schutz der Integrität ist ohne weiteres auch in deliktischen Situationen gerechtfertigt. Auch der sich einer Kreuzung nähernde Autofahrer ver287 288
Hüffer in MünchKomm, § 694 Rdz. 3. Siehe oben §213 a.
§ 2 Die Rechtsnatur vorvertraglicher Aufklärungspflichten
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traut darauf, daß der von links kommende Verkehrsteilnehmer das Vorfahrtsrecht des anderen beachtet. Der Kunde eines Warenhauses vertraut auf den verkehrssicheren Zustand des Gebäudes, nicht auf ein bestimmtes Verhalten des (potentiellen) Verhandlungspartners 289. Gerade in bezug auf Integritätsschutzpflichten ist eine konkrete Vertrauenserwartung nicht vorhanden, abgesehen von einer vollständig unspezifischen latenten Vorstellung eigener Schadlosigkeit290. Eine Abgrenzung zwischen den Integritätschutzpflichten und den deliktischen Verkehrspflichten vermag der Vertrauensgesichtspunkt allein zumindest nicht zu liefern 291 . Es hat daher nicht an Versuchen gemangelt, dem „Ur-Vertrauen" auf den Schutz der eigenen Integrität durch Hinzufügung weiterer Merkmale eine andere, haftungsbegründende Qualität zu geben. So ist dem erwähnten Vergleich mit dem Vertrauen des Verkehrsteilnehmers entgegnet worden, daß ein Vertrauen erst dann zu einer besonderen Haftung berechtige, wenn sich eine Person in den Herrschaftbereich eines anderen begebe. In diesem Sinne hat beispielsweise Dölle versucht, neben dem Vertrauen einen zweiten Gesichtspunkt zur Haftungsbegründung zur Geltung zu bringen 292 . Dölle hält nur das Vertrauen für haftungsbegründend, welches zumindest der eine Beteiligte dem anderen entgegengebracht habe, indem er seine Rechtsgüter bewußt dem Einfluß des anderen ausgesetzt habe293. Auch die Vertreter der „Haftung aufgrund sozialen Kontakts" sehen den Grund der Haftung in dem Vertrauensverhältnis der Beteiligten, jedoch wird dieses Vertrauen dahingehend qualifiziert, daß nur das Vertrauen auf den Schutz der bewußt eingebrachten Rechtsgüter in die Rechtssphäre eines anderen haftungsbegründend sei. Versteht man unter der Rechtssphäre einen dem einzelnen zugeordneten Herrschaftsbereich 294, so ließe sich das Vertrauen des Verkehrsteilnehmers, welches quasi auf „neutralem Boden" gewährt wurde, von dem Vertrauen des Kunden etwa, der einen Laden betritt, trennen. Allerdings müßte dann begründet werden, warum das Vertrauen innerhalb des Herrschaftsbereiches eines anderen der Haftung eine andere Qualität geben soll. Durch das Betreten eines fremden Herrschaftsbereiches hat doch lediglich die Intensität des Kontakts zugenommen, und damit verbunden eine höhere Einwirkungs- und Schädigungsmöglichkeit des anderen 295. Problematisch ist bereits, wo auf der stufenlosen Skala sozialer Kontakte die Grenzlinie zur Haftungsbegründung überschritten wird 296 . Doch selbst die Annahme eines als Folge 289
Larenz, FS Kurt Ballerstedt (1975), S.397, 399. Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S.255. 291 Ebenso Picker, AcP 183 (1983), 369,421 f.; ders., JZ 1987, 1041, 1045 f.; Larenz, MDR 1954, 515, 517f. 292 ZStW 103 (1943), 67-102. 293 in ZStW 103 (1943), 67,74. Ebenso Esserl Schmidt, Schuldrecht 11, §5112, §611, § 1013; dies., Schuldrecht 12, §291; Haupt, FS Heinrich Siber (1943), S. 1, 9ff.; Hans Stoll, FS Fritz v.Hippel (1967), S.517, 525ff. 294 Dölle, ZStW 103 (1943), 67, 77; Baumert, culpa in contrahendo (1955), S.26. 295 Picker, JZ 1987, 1041, 1045. 296 Picker, aaO, 1045. 290
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des intensiveren Kontaktes schutzbedürftigeren Vertrauens erschöpft sich in einer bloßen Behauptung. Ebensogut ließe sich vertreten, daß das Vertrauen des Autofahrers auf verkehrsgerechtes Verhalten des ihm an der Kreuzung begegnenden anderen Verkehrsteilnehmer berechtigter sei als das Vertrauen dessen, der seine Rechtsgüter in den Herrschaftsbereich eines anderen einbringt: Die Gefahr einer Integritätsschutzverletzung infolge Unfalls ist bei zwei sich an einer Kreuzung begegnenden Autofahrern viel naheliegender und konkreter als beispielsweise bei demjenigen, der ein Kaufhaus betritt. Und handelt nicht der in den Herrschaftsbereich eines anderen Eintretende auf eigenes Risiko? Dem könnte entgegnet werden, daß der Kunde ja nur auf „Einladung" des Warenhausinhabers das Kaufhaus betreten habe, und daß derjenige, der eingeladen wird, auf den Schutz seiner Integrität vertrauen dürfe und daher nicht auf eigenes Risiko handele. Freilich gilt die mit der Öffnung des Warenhauses verbundene invitatio des Inhabers nicht gegenüber jedermann. Aus dem Kreis der „genehmen Kunden" 297 könnten bereits diejenigen fallen, die ohne jegliche Kaufabsicht das Warenhaus nur dazu benutzen, um sich aufzuwärmen oder die Toilette zu benutzen298. Und wie sind die Fälle zu behandeln, in denen jemand das Kaufhaus in der Absicht betritt, einen Ladendiebstahl zu begehen299? Hier liegt die Vermutung nahe, daß die ohne Kaufabsicht betretenden Personen auf eigenes Risiko den Laden betreten und keine Berechtigung zu einem Vertrauen auf Schutz ihrer Rechtsgüter in Anspruch nehmen dürfen. Die Begrenzung auf „die Anbahnung geschäftlichen Kontakts" 300 führt zu ähnlichen Abgrenzungsschwierigkeiten 301. Ist die Möglichkeit eines Geschäftsabschlusses entscheidend302, bis zu welcher Entfernung haftet dann der Verkäufer eines Obststandes gegenüber „vertragswilligen" Kunden für auf dem Boden liegende Bananenschalen303? Der Versuch, den eigenen Herrschaftsbereich einer Haftung aus culpa in contrahendo zugänglich zu machen, muß mangels Begründung dieser Abgrenzung willkürlich erscheinen. Der bloße Hinweis auf das in diesen Situationen entgegengebrachte Vertrauen erschöpft sich in einer petitio principii: Das Vertrauen soll dann einerseits die Begründung der Haftung infolge sozialen Kontakts liefern, wird jedoch andererseits nur dann bejaht, wenn ein derartiger sozialer Kontakt vorliegt 304 . Schuldig bleiben die Vertreter dieser Auffassung eine jenseits bloßer Beschreibung 297
Weimar, MDR 1967,460. Vgl. Larenz, MDR 1954, 515, 518. 299 Dazu Gaisbauer, GewArch 1977, 254, 256; Hohloch, JuS 1977, 302, 303; Strätz, JR 1976,458. 300 Larenz, MDR 1954, 515, 518. 301 Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 248 ff. 302 Larenz, MDR 1954, 515, 518. 303 In einem ähnlichen Fall (Explosion des Spirituskochers eines Popcorn-Verkäufers) gründete der BGH die Haftung zu Recht auf die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (BGH L M Nr. 10 zu § 823); kritisch Nirk, FS Philipp Möhring (1965), S. 385,405. 304 Picker, AcP 183 (1983), 369,418. 298
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liegende Begründung, warum dieses besondere Vertrauen desjenigen, der eine fremde Herrschaftssphäre betritt, eine die deliktische Haftung aussschaltende Qualität haben soll. Der Lehre vom sozialen Kontakt ist ferner vorzuhalten, daß sie die Grenze zwischen rechtlich relevanten und rein gesellschaftlichen Beziehungen verwischt 305. Konsequenterweise müßte die auf Vertrauen infolge sozialen Kontakts gegründete Lehre gerade im gesellschaftlichen Bereich eingreifen, ist dort ein Vertrauen auf Schutz der eingebrachten Rechtsgüter (man denke an die Einladung unter Freunden) besonders angebracht 306.
3. Die Einbindung vorvertraglicher Integritätsschutzpflichten in das Deliktsrecht Die auf das Integritätsinteresse gerichteten Schutzpflichten stellen im Falle ihrer Verletzung eine schadensstiftende Handlung dar, die sich durch nichts von der unerlaubten Handlung des Deliktsrechts unterscheidet 307. Der bloße Umstand, daß die Fälle, welche heute unter culpa in contrahendo subsumiert werden, eine größere Nähe zu den Rechtsgütern und damit eine Erhöhung der Verletzungsgefahr hervorrufen können, rechtfertigt keine Einbeziehung der auf Rechtsgüterschutz bezogenen Pflichten in eine qualitativ verschiedene Haftung 308 . Alle Versuche, die beiden Haftungsvarianten durch „besondere Einwirkungsmöglichkeit infolge sozialen Kontakts" 309 oder „geschäftlichen Kontakt" 310 zu trennen, setzen eine willkürlich gewählte Zäsur. Auch soweit die so umrissene Sonderverbindung mit dem Vertrauensgesichtspunkt verknüpft wird, führt dieser Aspekt über eine beschreibende Darstellung des Kontakts nicht hinaus: Eine Begründung der Haftung aus Sonderverbindung wegen des besonderen Vertrauens der Parteien erschöpft sich in dem bereits aufgezeigten Zirkelschluß, da der haftungsbegründende Charakter des Vertrauens seinerseits nur bei Bestehen einer derartigen Sonderverbindung bejaht wird 311 . Die auf das Integritätsinteresse gerichteten Schutzpflichten lassen sich mangels spezifischen Haftungsgrundes nicht in das Recht der Sonderverbindung einbetten. Von ihrer Struktur her passen diese Pflichten viel eher ins Deliktsrecht. Vergleichen wir beispielsweise die Pflicht des V in Fall 3, auf den Zustand des rutschigen 305
Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S.252. Baumert (culpa in contrahendo [1955], S.27) will dagegen auch in diesen Fällen die Haftung bejahen. 307 v.Caemmerer, FS Juristentag (1960), S.49, 56ff.; Nirk, RabelsZ 18 (1953), 310, 350ff., 352. 308 Picker, AcP 183 (1983), 369,417. 309 Dölle, ZStW 103, 74f., 79f. 310 Larenz, MDR 1954, 515, 518. 311 Siehe oben 2. 306
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Bodens hinzuweisen, mit der Pflicht desselben, im Winter vor dem Laden zu streuen. In beiden Fällen ist der Tatbestand des § 8231 BGB bei Verletzung dieser Pflichten erfüllt: Der Eigentümer hat die Verkehrspflicht verletzt, den für den Verkehr eröffneten Grund und Boden in gefahrlosem Zustand zu halten 312 . Dazu gehört die Pflicht, bei Glatteis zu streuen, ebenso wie die Pflicht, den Fußboden sauber zu halten, so daß Schäden anderer verhindert werden 313. Rutscht nun jemand auf dem Boden im Laden oder vor dem Laden aus und bricht sich dabei den Arm, ist ein Rechtsgut iSd § 8231 BGB verletzt worden. Die Verkehrspflicht zeichnet sich gegenüber der Schutzpflicht aus Sonderverbindung dadurch aus, daß sie eine gegenüber jedermann bestehende, allgemeine Rechtspflicht ist 314 . Daß die Hin weispflicht auf den rutschigen Boden nur gegenüber Personen verletzt werden kann, die sich in dem Laden aufhalten, schränkt die Zahl der potentiellen Geschädigten lediglich zeitlich und räumlich ein; eine räumliche Einschränkung der möglichen Geschädigten ist ebenfalls bei der Streupflicht aus dem Umstand heraus gegeben, daß nur die an dem Laden vorbeigehenden Passanten der durch die Pflichtverletzung entstandenen Gefahr ausgesetzt sind. Weder die Absichten der den Laden Betretenden noch die Intensität des „sozialen Kontakts" lassen einen Schluß darauf zu, daß die Hinweispflicht im Laden gegenüber der Streupflicht vor dem Laden anders zu behandeln wäre: Die Motive und Absichten sind bei den Personen im Laden ebenso verschiedenartig wie bei den Personen vor dem Laden: Im Laden mögen sich neben Kunden Menschen befinden, die das Geschäft als Treffpunkt nutzen, als Durchgang zum angrenzenden Parkhaus, als Platz zum Aufwärmen oder Tatort eines Diebstahls. Vor dem Laden treffen wir auf vorbeieilende Passanten, vor den Sonderangeboten stehengebliebene Neugierige oder Kaufinteressenten, Personen, die sich vor dem Geschäft mit anderen treffen wollen, sich unterhalten, sich zum Schutz vor einem plötzlich einsetzenden Gewitter unterstellen, auf den Bus warten etc. Die Beziehung zwischen Ladeninhaber und Geschädigtem kann vor dem Laden intensiver sein als im Laden, und auch die vor dem Geschäft Stehenden bringen ihre Rechtsgüter bewußt in den Herrschaftsbereich des Ladeneigentümers ein, ohne notwendigerweise das Geschäft betreten zu müssen. Ein „sozialer Kontakt" kann also auch der Streupflicht zugrundeliegen, und selbst dem „asozialen" kontaktsuchenden Dieb wird man den Schutz der Hinweispflicht auf die Gefahr durch den feuchten Boden nicht verwehren: Weder der tatsächliche Kontakt noch innere Absichten vermögen die Personen im Laden von den Personen vor dem Laden klar zu trennen. Die Unterscheidung zwischen der auf das Integritätsinteresse gerichteten Hinweispflicht aus culpa in contrahendo im Laden und der Streupflicht als deliktische Verkehrspflicht vor dem Laden ist nicht nachvollziehbar. 312 3,3 314
Mertens in MünchKomm, § 823 Rdz. 211 f., 221 ff. BGH VersR 1984, 1190; NJW 1994, 2617. Larenz, MDR 1954, 515, 516; Thiele, JZ 1967, 649, 651 f.
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Was bleibt, sind willkürlich gezogene Beschränkungen auf den rechtsgeschäftlichen Kontakt oder das Verhandlungsverhältnis, die einen vernünftigen Grund schuldig bleiben, warum die so begrenzte Sonderverbindung zu einer Sonderhaftung wegen Verletzung einer Integritätschutzpflicht führen soll. Meines Erachtens ist allein die rechtsgeschäftliche Willenserklärung in der Lage, die auf das Integritätsinteresse gerichteten Schutzpflichten trotz ihrer strukturellen Ähnlichkeit zu den deliktischen Verkehrspflichten aus dem Deliktsrecht herauszulösen und in eine vertragliche Haftung zu integrieren 315. Aus der bloßen Erklärung der Verhandlungsbereitschaft kann die Pflicht zum Rechtsgüterschutz jedoch nicht abgeleitet werden. Auch die tatsächliche Beziehung der Parteien bedeutet lediglich eine mögliche Intensivierung der Verletzungsgefahr, die eine qualitative Änderung der Haftung nicht zu begründen vermag. Sowohl die Hinweispflicht auf den rutschigen Boden als auch die Streupflicht sind objektgebundene Pflichten, deren potentielle Gläubigerzahl sich zeitlich und räumlich nach den Begebenheiten des Objekts richtet. Daß trotz dieser strukturellen Gleichheit der Pflichten eine künstliche Trennung mit Scheinargumenten des „sozialen oder geschäftlichen Kontakts" vorgenommen wird, liegt daran, daß man den § 831 BGB in jenen Fällen durch § 278 BGB ersetzen möchte. Nach meinem Dafürhalten ist eine konsequente Ausgrenzung der vorvertraglichen Integritätsschutzpflichten aus dem Recht der Sonderbeziehungen und deren Integrierung in das Deliktsrecht schon de lege lata gangbar, da die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 831 BGB in den letzten Jahren erheblich verkleinert hat, so daß man de facto von einer unbedingten Haftung des Geschäftsherrn für Verschulden seiner Hilfspersonen sprechen kann 316 . Für eine als rechtsgeschäftlich oder rechtsgeschäftsähnlich verstandene culpa in contrahendo (vgl. die Überschrift zu § 311 BGB n. F.) im Sinne des § 311 II Nr. 2 BGB n. F. bleibt nach der hier vertretenen Auffassung kein Raum: Integritätsschutzpflichten sind m. E. dogmatisch gesehen originäres Deliktsrecht. Vertragsschlußbezogene Schutzpflichten hingegen entstehen erst im Rahmen von Vertragsverhandlungen (§ 311 II Nr. 1 BGB n. F.) und nicht bereits bei der Anbahnung eines Vertrags.
§ 3 Die Rechtsnatur vertraglicher Aufklärungspflichten Fall 5: Frau Rabe (R) entdeckt beim Aufräumen des Arbeitszimmers von Professor Ehrlich (E) hinter dem Regal einen großen Feuchtigkeitsfleck. Sie unterläßt es, ihn darauf hinzuweisen. Zwei Monate später sind einige Bücher in dem Regal, darunter alle Bände von Planck's Kommentar, aufgrund der Feuchtigkeitsentwicklung verschimmelt. Fall 6: Der HNO-Arzt Doktor Becker (B) bemerkt bei der Behandlung einer Halsentzündung seiner Patientin Hilflos (H), daß einer ihrer Backenzähne von starker Karies befallen 315 316
Siehe unten §3. Siehe obenI4bcc.
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ist. Β weist Η nicht darauf hin. Drei Monate später muß der Zahn, der bei rechtzeitiger Behandlung noch hätte gerettet werden können, gezogen werden. Fall 7: Zehn Jahre wurde Herbert (H), Eigentümer eines Hüttenwerks, von Wilhelm (W) mit einem von diesem hergestellten Rostschutzmittel beliefert. Nun stellt W erstmals ein brennbares Rostschutzmittel her, ohne den Η auf die Feuergefährlichkeit hinzuweisen. Das Rostschutzmittel entzündet sich und verletzt H.
Nach Vertragsschluß entstandene Schutzpflichten können auf das Erfüllungsinteresse oder das Integritätsinteresse gerichtet sein, je nach dem speziellen Schutzzweck (Schutzbereich) der Pflicht 317 . Die auf das Erfüllungsinteresse gerichteteten Schutzpflichten zielen darauf ab, dem Gläubiger den „vertragszweckentsprechenden" Genuß der Hauptleistung zukommen zu lassen. Diese Schutzpflichten dienen also der Erbringung und Erhaltung der Hauptleistung318. Die Rolle der auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Aufklärungspflichten ist als eher unbedeutend einzuschätzen319. Ganz anders sieht die Situation bei den auf das Integritätsinteresse gerichteten Aufklärungspflichten aus: Wie die oben genannten Beispiele verdeutlichen, führt die Verletzung dieser Schutzpflichten zur Verletzung „vertragsfremder" Rechtsgüter. Die Begründung der vertraglichen Integritätsschutzpflichten ist problematisch, da der eingetretene Schaden auf den ersten Blick nur anläßlich, ansonsten aber unabhängig von der vertraglich vereinbarten Leistungspflicht entstanden zu sein scheint.
I. Der Vertrag als Geltungsgrund 1. Die „Entdeckung" der positiven ForderungsVerletzung Die Haftung wegen Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht wird heute allgemein als positive Vertrags- oder Forderungsverletzung bezeichnet. Der Begriff der „positiven Vertragsverletzung" geht auf Staub zurück, der annahm, damit eine Gruppe von Pflichtverletzungen „entdeckt" zu haben, für die das Bürgerliche Gesetzbuch eine Regelung nicht vorgesehen habe320. Dem ist insoweit zuzustimmen, als daß eine generelle Regelung dieser Schutzpflichten im Gesetz nicht zum Aus317
Siehe oben §112. Canaris , JZ 1965,475, All, bezeichnet die auf das positive Interesse gerichteten Schutzpflichten als „Nebenleistungspflichten". Die von ihm vorgenommene Trennung zwischen Leistungs- und Nebenleistungspflichten einerseits und den (auf das Integritätsinteresse gerichteten) Schutzpflichten andererseits bildet die Voraussetzung für die von Canaris vertretene These eines „vom Vertrag losgelösten einheitlichen Schutzpflichtverhältnisses". Wie sich zeigen wird, ist die von Canaris bevorzugte Differenzierung der Schutzpflichten nicht sehr hilfreich. Für die hier befürwortete Einbeziehung dieser Pflichten unter die große Gruppe der Schutzpflichten spricht dagegen die (von Canaris auf S.477 selbst eingestandene) Tatsache, daß „Nebenleistungspflichten" zugleich Integritätsschutzpflichten sein können. 319 Siehe unten §513. 320 Die positiven Vertragsverletzungen (1904), S.6f. 318
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druck gekommen war. 321 Keineswegs läßt jedoch die bis zum Ol. Januar 2002 fehlende ausdrückliche Bestimmung im BGB den Schluß zu, daß der damalige Gesetzgeber eine allgemeine vertragliche culpa-Haftung nicht anerkannte 322. Tatsächlich war die culpa-Haftung im gemeinen Recht bereits eine Selbstverständlichkeit 323. Auch die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches gingen von einer umfassenden Verschuldenshaftung aus: § 2241 des Ersten Entwurfs sah eine Verschuldenshaftung wegen nicht vollständiger Leistung vor, der Gesetzgeber wollte eine Ersatzpflicht also nicht auf die Fälle zu vertretender Unmöglichkeit oder Verzugs beschränken324. Auch an anderen Stellen betonten die Gesetzesverfasser, daß der Entwurf auf dem „allgemeinen Prinzip" einer Schadensersatzpflicht aufgrund verschuldeter (Schutz-)Pflichtverletzung basiere 325. Dieses Prinzip schien den Schöpfern des BGB eine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein, weshalb sie die Generalklausel des § 2241E 1 schließlich nicht Gesetz werden ließen326. Sofort nach Inkrafttreten des BGB knüpfte das Reichsgericht an die Rechtsprechungstradition des 19. Jahrhunderts an. Die Anspruchsgrundlage der allgemeinen culpa-Haftung erblickte das Gericht in §276 BGB 3 2 7 . Schon die Grundansicht Staubs, daß die Kategorie der „positiven Vertragsverletzung" neben Unmöglichkeit und Verzug eine dritte, eigenständige Gruppe darstelle, beruhte auf einem Irrtum. Unmöglichkeit und Verzug sind Regelungen der Nichterfüllung einer Leistungspflicht. Ein Schadensersatzanspruch des Gläubigers entwikkelt sich aus dieser Nichterfüllung nur, wenn der Schuldner die Nichterfüllung zu vertreten hat, d. h. wenn die Nichterfüllung der Leistungspflicht kausal auf der Verletzung einer Schutzpflicht basiert. Das Prinzip der Verschuldenshaftung gilt also auch in den Fällen einer Schadensersatzpflicht aufgrund Unmöglichkeit und Verzug. Dieser Tatsache widerspricht die Hervorhebung einer selbständigen dritten Gruppe „positiver Vertragsverletzungen" neben Verzug und Unmöglichkeit 328 . Der Begriff der „positiven Vertragsverletzung" ist aber auch dann verfehlt, wenn man ihn als bloßes Auffangbecken für alle Schutzpflichten ansieht, die nicht zu Unmöglichkeit oder Verzug führen: Das Abstellen auf die Verletzung des „Vertrags" als Haftungsvoraussetzung verdeckt die grundlegende Frage, welche Schutzpflicht 321
Vgl. nun §2801 BGB n.F. Emmerich in MünchKomm, Vor §275 Rdz. 97; Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 282; ders., AcP 158 (1959/60), 273 ff., Siber in Planck, Vor §§275-292, S. 183; Wiedemann in Soergel, Vor §275 Rdz. 360. 323 Heck, Schuldrecht, §40, 1; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 360. Zur Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts ausführlich Freudling, AcP 198 (1998), 599, 601 ff. 324 Jakobs, Unmöglichkeit (1969), S. 17ff.; Himmelschein, AcP 135 (1932), 255,269; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 366; aA Freudling (AcP 198 [1998], 599,606 f.), nach deren Auffassung die Anspruchsgrundlage der culpa-Haftung in § 240 E1 zu erblicken sei, während § 224IE 1 lediglich den Haftungsmaßstab bestimmt hätte. 325 Mot. I, S. 179 = Mugdan I, S. 98; Prot. I, S. 911 = Mugdan I, S. 616. 326 Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht (1985), S. 16 ff. 327 So erstmals im Jahre 1902: RGZ 52, 18, 19. 328 Siber in Planck, Vor §§ 275-292, S. 184f. 322
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verletzt worden ist 329 . Dieses „unentbehrliche logische Zwischenglied" 330 ist insbesondere für die Feststellung des Umfangs des Schadensersatzes wichtig: Welches Interesse von der „Vertragsverletzung" umfaßt wird, hängt vom Zweck der verletzten Schutzpflicht ab 331 . Schließlich kann eine Pflicht nicht nur durch „positive" Zuwiderhandlung, sondern auch „negativ", d. h. durch Unterlassen, verletzt werden 332. Treffend bemerkte Siber, daß an der Verletzung einer Erkundigungs- oder Anzeigepflicht „etwas Positives" nicht zu entdecken sei 333 . Festzuhalten ist also, daß sich hinter dem Sammelnamen der positiven Vertragsverletzung ein im Bürgerlichen Gesetzbuch nur im Falle der Unmöglichkeit und des Verzugs ausdrücklich erwähntes, in allen anderen Fällen stillschweigend anerkanntes Prinzip verbirgt, wonach eine Schadensersatzpflicht auf der schuldhaften Verletzung einer Schutzpflicht basiert. 2. § 276 BGB als Anspruchsgrundlage? Nach Inkrafttreten des BGB sah die Rechtsprechung in § 276 BGB die generelle Anspruchsgrundlage für die Verletzung einer nach Vertragsschluß entstandenen Schutzpflicht 334. Obwohl § 224 E1 als Haftungsnorm gedacht war, kam dies in dem §2761 BGB nicht zum Ausdruck. Sicherlich ist §27611 BGB niemals eine „Definition der zivilrechtlichen Schuld" 335 gewesen. Aber auch als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs eignete sich § 2761 1 BGB nicht, da die Verpflichtung zum Schadensersatz in dieser Norm überhaupt nicht ausgesprochen wurde. Der Sinn der §§ 276 ff. BGB erschöpft sich damals wie heute vielmehr darin, daß diese Normen den Verantwortungsbereich des Schuldners abstecken: Der Schuldner hat eigenes Verschulden in Form von Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 27611 BGB) sowie fremdes Verschulden des Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) zu verantworten. Eine darüberhinausgehende Auskunft hinsichtlich der Folgen der Pflichtverletzung hat § 2761 1 BGB nicht erteilt 336 . Somit eignete sich § 276 BGB nicht als Anspruchsgrundlage eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht 337 . 329
Siber in Planck, aaO, S. 184. Siber in Planck, aaO, S. 184; Kreß, aaO, § 23. 331 Siehe unten §5. 332 Esserl Schmidt, Schuldrecht 12, §291111; Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S.590; Leonhard, Schuldrecht AT, §280 (S.538); Schünemann, JuS 1987, 1, 4. 333 In Planck, Vor §§275-292, S. 188. 334 RGZ 52,18,19; 53,200,209 f.; 66,289,291; 80,27,28; 106,22,25 f.; zustimmend Crome, System II1,S.65. 335 So aber Staub, aaO, S.7f. Dagegen zu Recht Himmelschein, AcP 135 (1932), 255,266f. 336 Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S.591 Fn.2. 337 Heck, Schuldrecht, §40, 1; Heinrichs in Palandt, §276 Rdz. 105; Schünemann, JuS 1987, 1,4. 330
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3. Die positive ForderungsVerletzung als gewohnheitsrechtlich anerkanntes Institut Die herrschende Auffassung stützte das Institut des positiven Vertrags- oder Forderungsverletzung 338 auf eine Rechtsananlogie zu den §§ 280, 286, 325, 326 BGB a. F. 339 . Auffällig ist, daß in der Regel eine Begründung, warum auf diese Schutzpflichten Vertragsrecht Anwendung finden soll, nicht gegeben wird. Stattdessen begnügte man sich - ähnlich wie bei der culpa in contrahendo - schon rasch mit der bequemen Ausrede, die positive Vertragsverletzung sei „gewohnheitsrechtlich anerkannt" 340 , eine Hinterfragung des Rechtsgrundes habe daher allenfalls „dogmengeschichtliche Bedeutung"341. Meist flüchten sich die Vertreter einer vertraglichen Einordnung der Schutzpflichten in nichtssagende Umschreibungen: „Zur Erfüllung einer Vertrags Verbindlichkeit gehört alles, was aus dem Vertrage vom Vertragsschuldner verlangt werden kann", lautet beipielsweise ein Zitat des Reichsgerichts 342 , auf das sich der BGH auch in einer Entscheidung berufen hat 343 ; andere führen an, daß die sorgfältige Ausführung der Leistung zum unmittelbaren Inhalt der durch Vertragsschluß übernommenen Schuld gehöre 344 oder daß mit dem Schuldvertrag die weiteren Verhaltenspflichten eine „Verdichtung" erführen 345. Vereinzelt wird betont, daß die vertraglichen Schutzpflichten nicht rechtsgeschäftlich begründet werden könnten, sondern ihre Verletzung lediglich eine (gesetzlich begründete) Haftung gemäß dem Vertragsrecht auslöse346. Im allgemeinen wird zu der Frage, ob die vertraglichen Schutzpflichten dem Rechtsgeschäftswillen entspringen oder ein Produkt „rechtsfortbildender Entwicklung" 347 sind, nicht Stellung bezogen. Die seit dem 01. Januar 2002 feststehende Kodifizierung einer allgemeinen Culpa-Haftung in § 241 II BGB n. F. iVm § 2801 BGB n. F. hilft bei der Frage nach der dogmatischen Grundlage vertraglicher Schutzpflichten nicht weiter. § 241 II BGB n. F. stellt lediglich fest, daß vertragliche Schutzpflichten im Rahmen eines Schuldverhältnisses existieren können. Ungeklärt bleibt weiterhin, warum, wann und in welchem Umfang vertragliche Schutzpflichten entstehen. 338 Der Terminus „Forderungsverletzung" wurde schon früh eingeführt (vgl. Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, § 551) und sollte dem Umstand Rechnung tragen, daß auch im außervertraglichen Bereich Schutzpflichten verletzt werden können. 339 BGHZ 11, 80, 83; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, §22; Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 400; Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 105 ; Larenz, Schuldrecht I, § 241 a; Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, § 55 II, Medicus, Schuldrecht I, Rdz. 412; Wertheimerl Eschbach, JuS 1997, 605-611; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 360. 340 So bereits Heck, Schuldrecht, §40, 3. Vgl. im übrigen die in voriger Fn. Genannten. 341 So Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 105. 342 RGZ 160,310,314. 343 BGHZ 11, 80, 83. 344 Wolf, AcP 153 (1954), 97, 112f.; Wicher, AcP 158 (1959/69), 297f. 345 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §2IV 4 c. 346 So Larenz, Schuldrecht I, § 241; ähnlich Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 127. 347 Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 127.
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II. Das einheitliche gesetzliche Schutzpflichtverhältnis Die jahrzehntelang unangefochtene Auffassung, daß die vertragliche Willenserklärung eine Zäsur zwischen dem vorvertraglichen, gesetzlichen Schuldverhältnis einerseits und dem vertraglichen Schuldverhältnis andererseits bilde, ist durch die von Canaris aufgestellte These des einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses ins Wanken geraten 348. Canaris baut seine Theorie auf der von Kreß 349 herausgearbeiteten Unterscheidung zwischen Erwerbs- und Schutzansprüchen (denen Leistungs- und Schutzpflichten entsprechen) auf. Canaris trennt die Leistungs- und Nebenleistungspflichten von den auf den Schutz vertragsfremder Güter gerichteten Schutzpflichten 350. Beide Pflichtenkomplexe seien dadurch getrennt, daß die Leistungs- und Nebenleistungspflichten „ihren Inhalt durch den Parteiwillen und den Vertragszweck erhalten, während die Schutzpflichten davon völlig unabhängig sind und inhaltlich nur durch die tatsächlichen Beziehungen der Parteien zueinander bestimmt sind" 351 . Rechtsgrund der Leistungs- und Nebenleistungspflichten sei somit der Vertrag, während die Schutzpflichten unabhängig von dem Bestehen eines Vertrags auf der Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen basierten 352. Demnach wären alle Schutzpflichten gleich zu behandeln, unabhängig davon, ob sie vor oder nach Vertragsschluß entstanden sind. Gleichgültig wäre auch, ob der Vertrag wirksam, von Anfang an unwirksam oder später rückgängig gemacht wird. Gegen die Theorie des einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses wurde eingewandt, daß auch die nähere Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses von den dispositiven Normen des BGB mitbestimmt werde 353. Daher sei die Teilung zwischen vertraglichen Leistungspflichten und gesetzlichen Schutzpflichten verfehlt. Weiterhin sei es widersprüchlich, einerseits auf ein gesetzliches Schuldverhältnis zu pochen, andererseits jedoch vertragliche Haftungsbeschränkungen (vgl. §§ 524, 599, 690, 708 BGB) anzuwenden. Schließlich würde das Weiterbestehen (gesetzlicher) Schutzpflichten trotz Vertragsunwirksamkeit zu untragbaren Ergebnissen in den Fällen führen, in denen eine Entstehung der Schutzpflichten gerade verhindert werden soll. So dienten die §§ 106 ff. BGB nicht nur der Abwehr von Leistungspflichten, sondern darüber hinaus auch der Verhinderung von über das Deliktsrecht hinausgehenden Schutzpflichten 354. 348
JZ 1965, 475 ff. Ihm folgend Esserl Schmidt, Schuldrecht 12, § 29; Gerhardt, JuS 1970, 597; ders., JZ 1970, 535; Hoffmann, AcP 167 (1967), 394, 399f.; Ulrich Müller, NJW 1969, 2169, 2172ff.; Müller-Graff,; JZ 1976, 153, 155 f.; Thiele, JZ 1967, 649. 349 Allgemeines Schuldrecht, S. Iff., 578ff.; ebenso Heinrich Stoll, Leistungsstörungen (1936), S.26ff.; ders., AcP 136 (1932), 257, 287ff., 298 ff. 350 JZ 1965, 475, 477. 351 aaO, 478 Fn. 34. 352 So Canaris , aaO, S.477 im Anschluß an Heinrich Stoll, Leistungsstörungen (1936), S.26. 353 Larenz, Schuldrecht I, §91; zustimmend Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 231 f. 354 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdz. 203.
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III. Stellungnahme Auf den ersten Blick besticht der Versuch, die komplexen Gebilde der culpa in contrahendo und der positiven Forderungsverletzung in ein einheitliches gesetzliches Schutzpflichtverhältnis zu integrieren. Insbesondere ließen sich Schutzpflichten auch dann mühelos bejahen, wenn der Vertrag nichtig ist oder angefochten wurde. Bedenklich ist jedoch bereits das Fundament, auf dem die Theorie des einheitlichen Schutzpflichtverhältnisses ruhen soll. Schon für den vorvertraglichen Bereich wurde festgestellt, daß die Rechtfertigung jener Pflichten durch den Vertrauensgedanken tatsächlich nicht mehr bietet als eine vage Beschreibung eines jede Haftungssituation beherrschenden Sozialverhältnisses355. Umsomehr muß der Umstand überraschen, daß diese „allgemeine und irrationale Formel" 356 des in Anspruch genommenen und gewährten Vertrauens zwei Situationen zusammenhalten soll, die einen vollkommen unterschiedlichen Charakter haben: Wird das Verhältnis der Vertragsverhandlungen durch die Entschlußfreiheit der Parteien bestimmt, so liegt andererseits das bedeutende Moment des Vertrags gerade in seiner rechtsgeschäftlichen Bindung 357 . Das Verhandlungsverhältnis beschränkt sich auf die Einhaltung von Schutzpflichten, Kern des Vertrags hingegen ist die Leistungspflicht 358. Zweck der Vertragsverhandlungen ist die Entscheidung über das „Ob und Wie" einer rechtsgeschäftlichen Bindung, Zweck des verpflichtenden Vertrags ist die Güterbewegung. Schon an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß die Situation der Vertragsverhandlungen eher zu einem „gesunden" Mißtrauen veranlaßt, die Begründung der Haftung auf dem Vertrauensgedanken ruft daher eher Irritation als Einverständnis hervor 359. Ganz anders dagegen nach Vertragsschluß: Hier haben sich die von entgegengesetzten Positionen kommenden Parteien auf eine gemeinsame Basis geeinigt. Aus Verhandlungsgegnern sind Vertragspartner geworden. Freilich wird die vertragliche Leistungspflicht nicht mit dem Vertrauensgedanken gerechtfertigt, sie basiert vielmehr auf der bindenden Willenserklärung selbst. Die Schutzpflichten wurzeln in der konkreten vertraglichen Vereinbarung und sind mit dieser untrennbar verknüpft 360 : Die Vermietung eines Autos veranlaßt beide Parteien zu ganz anderen Schutzpflichten als die Vermietung eines Buches, obwohl die Leistungspflicht in beiden Fällen dieselbe ist 361 . Wer die vertraglichen Schutzpflichten mit dem Vertrauensgedanken rechtfertigen will, zieht sich entweder auf einen unklaren und verschwommenen Begriff des allgemeinen Vertrauens zurück, der immer und überall gegeben ist, oder schielt zur Begründung des konkreten Vertrauens auf den Inhalt
355 356 357 358 359 360 361
6*
Siehe oben §213 add. Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), 85, 87. Erman, AcP 139 (1934), 273, 274f. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §2IV 4 a. Siehe oben §213 add. Evans-von Krbek,, AcP 179 (1979), 85, 149. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §2IV 4 c.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
der Leistungspflicht, d. h. auf die konkrete vertragliche Vereinbarung, womit sich die von den Befürwortern des einheitlichen Schutzpflichtverhältnisses verfochtene Trennung zwischen vertraglichem und gesetzlichem Schuldverhältnis auflöst. Schutzpflichten, deren Verletzung die „Schlecht-" oder Nichterfüllung der Leistungspflicht bewirkt, sind eindeutig vertraglicher Natur 362 . Daß dem Schuldner einer Gattungsschuld beispielsweise die Schutzpflicht obliegt, die Ware vor Übergabe auf Mängel zu untersuchen, ergibt sich in der Regel aus der vertraglichen Vereinbarung, nicht aus einer gesetzlichen Norm. Die Vertreter des einheitlichen Schutzpflichtverhältnisses wären gezwungen, vertragliche, der Vertragserfüllung unmittelbar dienende Schutzpflichten von anderen, (scheinbar) nur „anläßlich" der Vertragserfüllung auftauchenden Schutzpflichten künstlich zu trennen 363. Leistungs- und Schutzpflichten beeinflussen sich gegenseitig: Die Verletzung einer Schutzpflicht kann zur Lösung des Leistungsverhältnisses führen 364. Ob sich eine Haftungsfreizeichnung auch auf Schutzpflichten bezieht, kann nur die Auslegung des Vertrags ergeben 365. Dagegen müßten die Befürworter eines einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses Schutzpflichten von der Freizeichnung ausnehmen366. Die zahlreichen Verknüpfungen zwischen Leistungspflicht und Schutzpflichten sprechen gegen eine Trennung von vertraglichem und gesetzlichem Schuldverhältnis 367 . Bemerkenswert ist, daß jenseits der am einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis geübten Kritik eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Rechtsgrund der positiven Forderungsverletzung unterbleibt.
IV. Versuch einer eigenen Annäherung an die Problematik 1. Die These Ein Großteil der Schutzpflichten, deren Wurzeln heute vergeblich im „Vertrauen" oder „gesteigerten Kontakt" gesucht werden, entspringt tatsächlich der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung und ist daher vertraglicher Natur. Irrtümlicherweise ist ein Aspekt der vertraglichen Vereinbarung und der damit verwobene Schutzpflichtenkomplex von den Schöpfern des BGB einzig und allein dem Auftrags- und „Geschäftsbesorgungsrecht" zugeordnet worden. Die vertragliche Natur 362
Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 106; Huber, AcP 177 (1977), 281, 297. Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 106. 364 BGHZ 11, 80, 84; Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 106; Larenz, Schuldrecht I, § 91. 365 Larenz, Schuldrecht I, § 91; Löwisch in Staudinger, Vor § 275 Rdz. 26. 366 So konsequenterweise Esserl Schmidt, Schuldrecht I, § 291112 c. 367 Larenz, Schuldrecht I, § 91; Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 127; Wiedemann in Soergel, Vor §275 Rdz. 363. 363
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der nach Vertragsschluß entstandenen Schutzpflichten wurde nach Inkrafttreten des BGB von keiner Seite bezweifelt 368; jedoch ist die Frage, warum diese Schutzpflichten dem Vertrag entspringen, durch die von Staub in Gang gesetzte Diskussion um den Standort dieser Pflichten im BGB verdeckt worden. „Geschäftsbesorgung" in dem hier verstandenen Sinne bezeichnet keinen eigenständigen Vertragstypus, sondern die Umschreibung eines im umfassenden Sinne zu verstehenden Leistungsinhalts, der jeden Vertrag berühren und dementsprechende, auf diesen Leistungsinhalt abgestimmte Schutzpflichten auslösen kann 369 . Die §§ 665 S. 2, 666 Alt. 1 BGB sind Beispiele vertraglicher Aufklärungspflichten, die auch jenseits des sogenannten Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrechts auf andere Verträge anwendbar sein können. Erkennt man die vertragsübergreifende Natur der auftragsrechtlichen Schutzpflichten, schließt sich die von Staub behauptete „riesengroße Lücke" des BGB bezüglich dieser Pflichten von selbst.
2. Aufklärungspflichten des Beauftragten An zwei Stellen im BGB haben sich Aufklärungspflichten des Beauftragten manifestiert: Nach § 665 S. 2 BGB hat der Beauftragte, wenn er von einer Weisung des Auftraggebers abweicht, diesem die Abweichung anzuzeigen und dessen Entscheidung abzuwarten, es sei denn, daß mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. § 666 BGB statuiert eine umfassende Informationspflicht des Beauftragten vor, während und nach Ausführung des Auftrags. a) §665 S. 2 BGB Die dem Beauftragten eingeräumte Abweisungsbefugnis trägt dem Umstand Rechnung, daß bei Ausführung des Auftrags vorher nicht bedachte Komplikationen oder sonstige Änderungen der Sachlage eintreten können, mit denen die Vertragspartner bei Vertragsschluß nicht gerechnet hatten. In derartigen Situationen wird dem Beauftragten ein Ermessensspielraum zugestanden, der jedoch an eine Benachrichtigungs- und Wartepflicht geknüpft ist 370 . Heck hat in diesem Zusammenhang 368 RGZ 52, 18, 19f.; 53, 201 f.; Brecht, Jherings Jahrb. 53 (1908), 213, 224f.; Crome , System II 1, S. 65; Dernburg, DJZ 1903, 1 ff. 369 Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 12. 370 Diese Pflichten sind vom Beauftragten auch dann zu beachten, wenn dieser auf das Einverständnis des Auftraggebers mit der Abweichung vertrauen durfte, RGZ 105, 53; 114, 377. Einschränkend Steffen (in RGRK, § 665 Rdz. 15) und Wittmann (in Staudinger, § 665, Rdz. 14), die einen Schadensersatzanspruch nur dann annehmen, wenn der Auftraggeber bei Erfüllung der Anzeigepflicht eine andere Weisung erteilt hätte oder sich auf die weisungsgemäße Ausführung des Auftrags eingestellt habe. Dem ist aus Gründen der Kausalität zwischen Schutzpflichtverletzung und Schaden zuzustimmen. Hätte der Auftraggeber bei ordnungsgemäßer
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zutreffend von der Pflicht des „denkenden, nicht blinden Gehorsams" gesprochen 371 . Eine Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn die Weisung des Auftraggebers nicht befolgbar ist, so daß der Beauftragte zu einer Abweichung von der erteilten Weisung gezwungen ist 372 . b) §666 Alt. 1 BGB Die in § 666 BGB statuierten Informationspflichten lassen sich in eine Benachrichtigungspflicht, eine Pflicht zur Auskunftserteilung sowie eine Rechenschaftspflicht einteilen. Die beiden letzteren bestehen nur auf Verlangen des Auftraggebers; dieser hat einen klagbaren Erfüllungsanspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung373. Die Benachrichtigungspflicht in § 666 Alt. 1 BGB ergänzt die Vorschrift des § 665 S. 2 BGB. Beiden läßt sich der Grundsatz entnehmen, daß der Beauftragte den Auftraggeber über den Eintritt neuer Ereignisse unaufgefordert zu informieren hat, damit diesem die Möglichkeit vorbehalten bleibt, selbst eine Entscheidung zu treffen 374 . Beide Pflichten entspringen der auftragsrechtlichen Treupflicht und gehören zum typischen Inhalt des Auftrags. Eben weil diese Aufklärungspflichten das Wesen des Auftragsverhältnisses selbst berühren, dient ihre gesetzliche Fixierung allenfalls der Klarstellung 375. Der Rechtsgrund der §§ 665 S. 2, 666 Alt. 1 BGB wurzelt daher in der vertraglichen Vereinbarung selbst.
3. Der Begriff der Geschäftsbesorgung Das Augenmerk soll nun auf den Anwendungsbereich und die Reichweite der auftragsrechtlichen Aufklärungspflichten gelenkt werden. Über die Verweisungsvorschrift des § 6751 BGB sind die §§665 S. 2,666 Alt. 1 BGB auch auf Dienst- und Werkverträge anwendbar, die eine „Geschäftsbesorgung zum Gegenstande" haben. Spiegelt sich in der Geschäftsbesorgung ein eigenständiger Vertragstypus wider 376 ? Oder ist „das Besorgen eines Geschäfts" lediglich die Umschreibung eines Leistungs· und Pflichteninhalts, der auf jeden Vertrag anwendbar ist 377 ? Aufklärung eine Weisung entsprechend der Abweichung erteilt, so wird er die Ausführung hinterher nicht zurückweisen dürfen (aA RGZ 106, 26, 31). 371 Schuldrecht, §119,5. 372 RG WarnR 1930 Nr. 34. 373 Ehmann in Erman, § 666 Rdz. 54 ff.; Wittmann in Staudinger, § 666 Rdz. 2. 374 lsay, Geschäftsführung nach dem BGB (1900), S. 127. 375 Mot. II, S. 537 = Mugdan II, S. 300. 376 So Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 18 ff. 377 Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 12; Isele, Die Geschäftsbesorgung (1935), S. 149; ders. AuR 1964, 161, 167; Laband, AcP 74 (1889), 299, 324.
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a) Das mandatum des römischen Rechts Wesentliches Merkmal des Auftrags war nach älterem römischen Recht die Unentgeltlichkeit: mandatum nisi gratuitum nullum 378 . Weiter heißt es in der Stelle: nam originem ex officio atque amicitia trahit 379 . Ebenso wie die societas beruhte das Mandat auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis 380. Zahlreiche sozialethische Pflichten und Dienste (officia, beneficia) prägten die Freundschaftsbeziehungen der Römer. Daneben etablierte das Rechtsinstitut des mandatum juristische Verpflichtungen, was zu einer teilweisen Verrechtlichung der Freundschaftsverhältnisse führte 381 . Die Gründe für die Unentgeltlichkeit des Auftrags waren nicht rechtlicher Natur, sondern basierten auf Eigenheiten der damaligen gesellschaftlichen Konventionen. Zum einen herrschte damals die Vorstellung, daß unter Mitgliedern höherer Stände die Übernahme von Aufträgen selbstverständlicher Freundschaftsdienst war. Die Forderung eines Entgelts hätte gegen diese Konvention verstoßen. Allenfalls zeigte sich der Auftraggeber durch Entrichtung einer Ehrengabe (honorarium) erkenntlich 382 . So ließ sich der Mann höherer Stände seine Leistung nicht mit materiellen, sondern ideellen Werten bezahlen: Ansehen, Ruhm, Macht und Ehre 383 . Der andere Grund für die Unentgeltlichkeit des mandatum hing mit der römischen Einstellung gegenüber geistiger Tätigkeit zusammen. Anders als körperliche Arbeit war geistige Tätigkeit in der Regel nicht sinnlich wahrnehmbar, kostete nach Auffassung der alten Römer weder Mühe noch Schweiß und verdiente daher keinen Lohn. Vielmehr wurde die geistige Kraft als Allgemeingut angesehen, jeder, der sie besaß, sollte sie seinen Mitbürgern und dem Staat unentgeltlich zur Verfügung stellen 384 . Erst die griechischen Lehrmeister, die nach Rom pilgerten und dort die Einheimischen in allen Zweigen der Kunst und Wissenschaft lehrten, erkämpften sich den Anspruch auf einen Lohn für ihre Dienste, so daß langsam ein Bewußtseinswandel in der römischen Gesellschaft eintrat. So wurden in der Kaiserzeit Abmachungen über Honorare im Wege der extraordinaria cognitio klagbar 385. Scharf zu trennen von den unentgeltlichen Dienstleistungen der höheren Stände waren die niederen Dienstleistungen (operae illiberales): Letztere wurden in der Regel von Sklaven oder Tagelöhnern erbracht. Sklavenarbeit war bei den Römern weit verbreitet 386. Vergegenwärtigt man sich, daß die Dienstleistung durch Sklaven als 378 379 380 381 382 383 384 385 386
L . l § 4 D mand. 17, 1. ibid. Sohm, Institutionen, §71IV; v.Savigny, System II, §74 B. Nörr, Mandatum und Verwandtes (1993), S. 13, 14. Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, S.316, 322. v. Jhering, Der Zweck im Recht I, S. 109. v. Jhering, Der Zweck im Recht I, S. 105 f. Sohm, Institutionen, §71 II. Siehe Friedländer, Sittengeschichte Roms III, S. 142ff.
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Miete (locatio conducilo rei) aufgefaßt wurde, erkennt man die untergeordnete Rolle des eigentlichen Dienstvertrags (locatio conducilo operarum) 387. b) Das Mandat in der Gesetzgebungsgeschichte des BGB Die dominierende Rolle des Mandats und die unbedeutende Stellung des Dienstvertrags wurden aufgrund des sozialen und wirtschaftlichen Wandels in ihr Gegenteil verkehrt 388. Die Sklaverei verlor an Bedeutung, die partielle Verrechtlichung der Freundschaft durch das mandatum wurde durch Mechanismen sozialer Kontrolle ersetzt. Folgerichtig wollte die Erste Kommission nach dem Vorbild anderer Kodifikationen389 die Unentgeltlichkeit des Auftrags nicht mehr als bestimmendes Merkmal anerkennen. Obwohl die Erste Kommission noch von der Ansicht befangen war, Auftrag und Dienstvertrag bedürften einer Abgrenzung, maß sie diesem Problem keine Bedeutung bei 390 . Vielmehr stellten die Gesetzesverfasser klar, daß „eine und dieselbe Handlung... bald Gegenstand eines Mandats Vertrages, bald eines Dienstvertrages sein" könne 391 . Jedenfalls sei der Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Mandats, so die Erste Kommission, „den Anschauungen und dem Verkehre der Gegenwart" fremd und daher als Abgrenzungsmerkmal zur Dienstleistung abzulehnen 392 . Dennoch gelang es der Zweiten Kommission, das infolge des eingetretenen Wandels unwesentlich gewordene Element der Unentgeltlichkeit des römischen mandatum auch im BGB aufrechtzuerhalten. Die Zweite Kommission glaubte, durch das Merkmal der Unentgeltlichkeit zu einer scharfen Trennung des Mandats vom Dienst- und Werkvertrag zu gelangen393. Weil jedoch einzelne Vorschriften des Auftragsrechts auch bei den (entgeltlichen) Dienst- und Werkverträgen Anwendung finden sollten, schuf die Zweite Kommission eine Verweisungsvorschrift (§ 603 a E2 = §6751 BGB) 394 . Bereits die Erste Kommission gestand ein, daß sich Unterschiede zwischen Mandat und Dienstvertrag nicht festmachen ließen395. Die dahinter schimmernde Erkenntnis, daß die Schutzpflichten des Auftragsrechts vertragsübergreifenden Charakter haben, wurde durch die unglückliche Neufassung der Auftragsregeln und die Einbindung des „entgeltlichen Auftrags" in das enge Gefüge eines „Geschäftsbesorgungsvertrags im Sinne des § 6751 BGB" verschüttet. Statt dessen entflammte sich 387 388 389 390 391 392 393 394 395
Honseil in Kunkel, Römisches Recht, § 1201. Dniestr zànski, Die Aufträge zugunsten Dritter (1904), S.288. § 1004 AGBG; Art. 1986 Code Civil; Art. 394 III OR (vormals Art. 392 II OR). Mot. II, S. 526 = Mugdan II, S. 294. Mot. II, S. 527 = Mugdan II, S. 295. ibid. Prot. II, S. 2288 = Mugdan II, S. 942f. Prot. II, S. 2336 = Mugdan II, S. 958. Vgl. Mot. II, S. 527 = Mugdan II, S. 295.
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an dem Geschäftsbesorgungsbegriff eine lebhafte Diskussion um dessen sinnvolle Abgrenzung, die schließlich in der Behauptung gipfelte, der Geschäftsbesorgungsvertrag sei ein gegenüber Werkvertrag und Dienstvertrag vollkommen eigenständiger Rechtsstrukturtypus, bei dem der Austauschzweck von einer „Asymmetrie der Interessenunterordnung" überlagert werde 396. c) Der Geschäftsbesorgungsvertrag
im heutigen Recht
Bereits während der Beratungen zum § 603 a E 2 (= § 6751 BGB) wurde die Frage aufgeworfen, wie denn der in diesen Vorschriften erwähnte Begriff der Geschäftsbesorgung zu verstehen sei 397 . Tatsächlich deutet der Wortlaut des heutigen § 6751 BGB darauf hin, daß es neben geschäftsbesorgungsvertraglichen Dienst- und Werkverträgen auch solche geben müßte, die keine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hätten. Da heute allgemein angenommen wird, daß die Geschäftsbesorgung der §§ 662, 677 ff. BGB im weitesten Sinne als „jede Tätigkeit für einen anderen" zu verstehen sei 398 , müßte der Geschäftbesorgungsbegriff in § 6751 BGB enger ausgelegt werden als im Rahmen der § 662 und §§ 677ff. 399 . aa) Einheitlich enge Auslegung des Geschäftsbesorgungsbegriffes Indes würde eine streng am Wortlaut des Gesetzes orientierte Interpretation bei unvoreingenommener Betrachtung des Gesetzestextes den Begriff der Geschäftbesorgung einheitlich eng auslegen: Die unter demselben Titel stehenden § 662 BGB und § 6751 BGB lassen vermuten, daß hier wie dort unter „Geschäftsbesorgung" dasselbe zu verstehen sei. Zudem scheint der Wortlaut des § 6751 BGB, wie bereits erwähnt, darauf hinzudeuten, daß es auch Dienst- und Werkverträge geben müsse, die nicht auf eine Geschäftsbesorgung gerichtet sind. Folglich wäre unter Berücksichtigung von Wortlaut und Systematik des Gesetzes der Begriff „Geschäftsbesorgung" bei § 6751 BGB ebenso wie in den §§ 662, 677ff. BGB gleichermaßen eng auszulegen400. 396
Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 42. Dagegen Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 92. Prot. II, S. 2336 = Mugdan II, S. 958. 398 Brox, Schuldrecht BT, Rdz. 291; Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, § 16013; Fikentscher, Schuldrecht, Rdz.916; Isele, Geschäftsbesorgung (1935), S.92; Larenz, Schuldrecht II 1, § 56 I; Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 12; Mühl in Soergel, § 662 Rdz. 10; Seiler in MünchKomm, § 662 Rdz. 15 f.; Siber, Schuldrecht, § 6611 ; Sprau in Palandt, §662 Rdz. 5. 399 Brox, aaO, Rdz. 308; Lehmann in Enneccerus, aaO, § 1641; Fikentscher, aaO, Rdz. 924; Vollkommer in Jauernig, § 675 Rdz. 4; Larenz, aaO, § 56 V; Leonhard, Schuldrecht, § 132; Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 17; Medicus, Schuldrecht II, Rdz. 433; Siber, Schuldrecht, § 631; Sprau in Palandt, § 675 Rdz. 2-4. 400 Bernau, Jherings Jahrb.44 (1902), 225,233ff.; Crome, System 112, §25311 Fn.55; Denecke in RGRK (10. Aufl.), Vor § 662 Anm. 2; Isay, Die Geschäftsbesorgung nach dem BGB (1900), S.46 Fn.5; Lenel, AcP 129 (1928), 8ff.; Oertmann, Vor §6622a b. 397
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Vieles deutet darauf hin, daß auch das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof dieser Meinung gefolgt sind 401 : Die heute von der hM zur Eingrenzung der entgeltlichen Geschäftsbesorgung verwendeten Merkmale tauchten zum ersten Mal in einer Entscheidung des Reichsgerichts 402 auf. Dort sollte die Umschreibung jedoch ausdrücklich die §§ 662, 675 und 677 ff. BGB umfassen. Später zitierte der BGH 4 0 3 eine von Denecke im RGRK herausgearbeitete Formulierung, nach der „Geschäftsbesorgung" umschrieben wird als ein Tätigsein „im Interesse eines anderen innerhalb einer fremden wirtschaftlichen Interessenspäre... im Gegensatz zu Diensten, die nur an, aber nicht für einen anderen geleistet werden oder die keine selbständige Betätigung des Willens oder der Überlegung erfordern" 404. Weiter heißt es in dieser Entscheidung: „Diese Geschäftsbesorgung kann unentgeltlich erfolgen (Auftrag), sie kann aber auch im Rahmen eines Rechtsverhältnisses vorgenommen werden, durch das für den Besorger... ein Entgelt ausbedungen wird" 4 0 5 . In einer späteren Entscheidung406, die sich ebenfalls mit der Auslegung des Geschäftsbesorgungsbegriffs iSd § 6751 BGB zu befassen hatte, verwies der BGH ausdrücklich auf DB 1959, 168 sowie auf eine Reichsgerichtsentscheidung407, in der es um eine Geschäftsführung ohne Auftrag ging. Nun mag man einwenden, daß die Rechtsprechung wohl kaum für jeden Auftrag und auftraglose Geschäftsführung eine „selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art im Interesse des Geschäftsherrn" verlange. Indes lassen sich diese Merkmale so auslegen, daß jede Tätigkeit darunter fallen kann 408 . Mit der umfassenden, auf die §§ 662, 675, 677 ff. BGB anwendbaren Umschreibung der Geschäftsbesorgung als „selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art im Interesse des Geschäftsherrn" versuchte die Rechtsprechung (vergeblich), Geschäftsbesorgungsverträge von anderen Dienst- und Werkverträgen zu trennen. Keineswegs sollte die Umschreibung des Reichsgerichts dazu dienen, zwei verschiedene Geschäftsbesorgungsbegriffe zu trennen 409. Der ausschließlich an Wortlaut und Systematik des Gesetzes orientierte begriffsjuristische Standpunkt blendet den Zweck der auftragsrechtlichen Vorschriften voll401
Anders das BAG: NJW 1962,411, 414. RGZ 109, 299, 301. 403 DB 1959, 168. 404 Denecke in RGRK (10. Aufl.), Vor § 662 Anm. 2, § 675 Anm. 1. 405 BGH DB 1959, 168. 406 BGHZ 45,223, 228 f. 407 RGZ 97, 61, 65 f. 408 Selbst das Herumreißen eines Lenkrads (s. BGH NJW 1963, 390, 391) könnte, je nach Auslegung, als „selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art im Interesse des Geschäftsherrn" aufgefaßt werden: Das Herumreißen ist eine selbständige Tätigkeit, da es auf einer eigenständigen Entscheidung des Handelnden beruht; es geschieht im Interesse des Geschäftsherrn und hat wirtschaftlichen Charakter, weil durch das Herumreißen des Lenkrads ein Schaden vermieden wird. 409 Vgl. Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 15. 402
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kommen aus und ist daher zu Recht auf allgemeine Ablehnung gestoßen. Es ergibt keinen Sinn, die §§ 665 und 666 BGB bei Aufträgen auszuklammern, die aus einem eng verstandenen Geschäftsbesorgungsbegriff herausfallen 410. bb) Die einschränkende Auslegung der Geschäftsbesorgung in § 6751 BGB Ein Großteil der Literatur beschränkte die erstmals vom Reichsgericht 411 ins Spiel gebrachte „Geschäftsbesorgungsformel" auf § 675 I BGB. Die entgeltliche Geschäftsbesorgung sei demnach eine „selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art, für die der Geschäftsherr ursprünglich selbst zu sorgen hatte, die ihm aber vom Geschäftsbesorger abgenommen wurde" 412 . Im folgenden soll untersucht werden, ob diese eingrenzende Umschreibung tatsächlich imstande ist, den Geschäftsbesorgungsvertrag von anderen Dienst- und Werkverträgen zu trennen. (1) Selbständige Tätigkeit Die Selbständigkeit der Tätigkeit als Voraussetzung einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung ist nach herrschender Meinung zu bejahen, wenn dem Geschäftsbesorger gegenüber dem Geschäftsherrn ein eigenverantwortlicher Ermessens- und Gestaltungsspielraum verbleibt 413 . Nicht dazu zählen sollen Hilfsleistungen von Hausmädchen, Gesellen, Arbeitern etc. 414 . Richtig ist, daß bestimmte Rechtsfolgen des Auftragsrechts mit steigender Verantwortlichkeit des Geschäftsbesorgers eine zunehmende Rolle spielen415: So hat der Anwalt in größerem Umfang Informationspflichten zu beachten als der in einem Betrieb beschäftigte Arbeiter. Gleichwohl können auch bei letzterem auftragsspezifische Pflichten entstehen, etwa, wenn der Arbeiter bei unvorhergesehenen Zwischenfällen von Weisungen seines Arbeitgebers abweichen muß. Selbständigkeit ist ein relativer Begriff, der weniger von der Beschaffenheit der Tätigkeit als von den konkreten Beziehungen der Beteiligten abhängt. Eine und dieselbe Tätigkeit kann in mehr oder minder ausgeprägter Form selbständiger Natur sein, je nachdem, ob sie von einem in den Betrieb eingegliederten Arbeiter, einem freiberuflichen Handwerker oder einem unbeauftragten Nachbarn ausgeführt wird 416 . Ein „gewisser Spiel410 Ebenso Kreß, Besonderes Schuldrecht, S.215; Lehmann in Enneccerus, § 16013; aA ist dagegen Isay, aaO, S.46, der (konsequent) die nicht auf eine Geschäftsbesorgung gerichteten unentgeltlichen Dienste als vom Gesetz mit Absicht nicht geregelte Verhältnisse betrachtet. 411 RGZ 109, 299, 301. 412 Siehe oben die unter c Genannten. 413 Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A25. 414 Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 924; Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, § 1641; Sprau in Palandt, § 675 Rdz. 3. 415 Isele, Geschäftsbesorgung (1935), S. 103, 105. 4,6 Isele, aaO, S. 104f.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
räum" in Überlegen und Wollen ist bei jeder Tätigkeit vorstellbar, so daß das Merkmal der Selbständigkeit zur Eingrenzung des Geschäftsbesorgungsvertrages nicht geeignet ist 417 . (2) Wirtschaftlicher
Charakter der Tätigkeit
Weiterhin sollen Tätigkeiten nicht wirtschaftlicher Art nicht unter den Geschäftsbesorgungsbegriff fallen 418 . Wirtschaftlichen Charakter habe eine Tätigkeit, wenn diese sich auf das Vermögen des Geschäftsherrn beziehe419. Daran fehle es bei der Tätigkeit eines Arztes, Erziehers oder Vorlesers, da in jenen Fällen nur die Gesundheit oder das Fortbildungsinteresse, nicht jedoch das Vermögen des Geschäftsherrn tangiert sei 420 . Aus demselben Grunde sollen auch die Tätigkeiten eines Bildhauers oder Malers, eines Fahr- oder Sprachlehrers, Zahnarztes, Forschers, Architekten etc. 421 keine Geschäftsbesorgungen darstellen 422. Nach meinem Dafürhalten ist diese Abgrenzung verfehlt 423. Fordert man zur Bejahung des wirtschaftlichen Charakters einen wirtschaftlichen Wert der geleisteten Tätigkeit, so wäre diese Voraussetzung bei allen entgeltlichen Verträgen ohne weiteres zu bejahen. Auch wenn man darüber hinaus verlangt, daß die Tätigkeit wirtschaftliche Auswirkungen für den Geschäftsherrn haben soll, so gilt dies für viele Tätigkeiten, denen die Qualifizierung als Geschäftsbesorgung versagt wird: Ist der Patient dank ärztlicher Behandlung genesen und wieder arbeitsfähig, so hatte die Tätigkeit des Arztes ohne Zweifel Bedeutung für das Vermögen des Patienten424. Verhilft der absolvierte Sprachkurs dem Bewerber zu einer Arbeit, lassen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen ebensowenig leugnen. Manche verlangen zur Bejahung des Merkmals der Wirtschaftlichkeit einen unmittelbaren Vermögensbezug425 oder das Abnehmen einer wirtschaftlichen Sorge 426 . So eingegrenzt ließe sich jedoch der wirtschaftliche Charakter auch bei typischen Geschäftsbesorgungen wie der Verteidigung eines Mandanten vor Gericht 417
Isele, aaO, S. 103 f. Ebenso Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 85 ff.; Nipperdey in Staudinger (11. Aufl.), § 675 Rdz. 11. 418 So die hM, siehe oben. 419 Brox, Schuldrecht BT, Rdz. 308; Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 924; Sprau in Palandt, §675 Rdz. 3. 420 Larenz, Schuldrecht II 1, § 56 V. 421 Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 924. 422 Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 30. 423 Ebenso Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 87. 424 Davon abgesehen, zählt die Gesundheit nicht zum (kostbarsten) Vermögen? Unverständlich daher die Entscheidung des OLG Stuttgarts (NJW 1958, 2118, 2119), das einer ärztlichen Behandlung mangels wirtschaftlichen Einschlags der Tätigkeit den Geschäftsbesorgungscharakter absprach. 425 Vgl. MusielaK Gutachten II, S. 1209, 1224ff. 426 Denecke in Staudinger (10. Aufl.), Vor § 662 Anm. 2.
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oder der Reisevermittlung in Zweifel ziehen. Hier zeigt sich die Unschärfe eines Kriteriums, das zur Abgrenzung der Geschäftsbesorgung von anderen Verträgen ebenso ungeeignet ist wie das Merkmal der Selbständigkeit. (3) Im Interesse eines anderen Manche Autoren vermuten den Unterschied zwischen Geschäftsbesorgungen und anderen Dienst- und Werkverträgen nicht in der Natur der Dienste, sondern in der Beziehung der Leistung zum Leistungsempfänger. Charakteristikum der Geschäftsbesorgung sei das Handeln für einen anderen, nicht dagegen der bloße Dienst an einen anderen 427. Dieses Kriterium der objektiven Fremdnützigkeit hat die Rechtsprechung umschrieben als Aufgabenbereich, für den der Geschäftsherr ursprünglich selber zu sorgen habe, der ihm aber durch den Geschäftsbesorger abgenommen wurde 428 . Auch dieses Merkmal vermag eine Eingrenzung der Geschäftsbesorgung nicht zu liefern. Warum ist die Tätigkeit eines Rechtsanwalts fremdnützig, die ärztliche Untersuchung oder der Unterricht eines Sprachlehrers aber nicht? Richtig ist, daß die Fremdnützigkeit jede vertragliche Arbeitsleistung umfassen kann und sich als einschränkendes Kriterium eines Geschäftsbesorgungsvertrags nicht eignet429. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, daß die Kriterien der von einem Großteil der Literatur gebrauchten „Geschäftsbesorgungsformer' willkürlich gewählt sind und nach freiem Gutdünken so modelliert werden können, daß sich für praktisch jeden Vertrag sowohl außerhalb als auch innerhalb dieser Formel ein Platz finden läßt. Angesichts dieses Befundes sollte darüber nachgedacht werden, den Geschäftsbesorgungsbegriff in den §§ 662, 675, 677 ff. BGB einheitlich weit auszulegen. Bevor jedoch dazu abschließend Stellung genommen wird, soll auf die Thesen von Martinek näher eingegangen werden: Seiner Auffassung nach ist die entgeltliche Geschäftsbesorgung nicht nur ein von anderen Dienst- und Werkverträgen abzugrenzender Vertrag, sondern darüber hinaus ein eigener Vertragsstrukturtypus. cc) Die Geschäftsbesorgung als eigenständiger Vertragsstrukturtypus? (1) Mar tine ks Grundformen-Paradigma Manch einem dient das vehemente Pochen auf einen eigenständigen Geschäftsbesorgungsbegriff einem tieferen Grund unter der Oberfläche bloß begrifflicher Abgrenzung. So sieht Martinek das tragende Element der Geschäftsbesorgung darin, 427 Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 924; Lobe in Planck, Vor § 662 Anm. II; Vollkommer in Jauernig, § 675 Rdz. 7. Für subjektive Fremdnützigkeit als Abgrenzungsmerkmal spricht sich Martinek in Staudinger, § 675 Rdz A 36 aus, dazu ausführlich unten cc. 428 RGZ 97, 61, 65 f.; 109, 299, 301; BGHZ 45, 223, 229. 429 Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 84, 88; Hachenburg, Dienstvertrag und Werkvertrag (1898), S. 15f.; Kreß, Besonderes Schuldrecht, S.214 Fn. 1; ders., LZ 1933, Sp.267.
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daß die Tätigkeit subjektiv „auf die Förderung und Wahrung des Geschäftsherrninteresses ausgerichtet" sei 430 . Mit Hilfe dieses subjektiven Einschlags will Martinek den Geschäftsbesorgungsvertrag als eigenständigen, von anderen Austauschverträgen abzugrenzenden Rechtsstrukturtyp verstanden wissen, dessen prägendes Merkmal dieser soeben beschriebene Interessenwahrnehmungscharakter sei. Der Geschäftsbesorgungsvertrag stelle einen Subordinationsvertrag dar, der sich durch die „Interessenwahrnehmung für einen anderen" von anderen Austausch- oder Koordinationsverträgen abhebe, da letztere ausschließlich von Eigeninteresse bestimmt seien431. Werde der Geschäftbesorgungsbegriff dagegen weit ausgelegt, so könne der Rechtstrukturtyp des Subordinationsvertrags dogmatisch nicht hinreichend bewältigt werden 432. Martinek teilt Vertragsverhältnisse in drei Kategorien ein: Zunächst die Austausch- oder Koordinationsverträge, die unter dem Motto „do ut des" stehen. An zweiter Stelle nennt er die Koalitions- oder Konföderationsverträge, die durch das Prinzip der Interessengleichrichtung gekennzeichnet seien. Typisches Beispiel dieser Gruppe soll die Gesellschaft sein. Schließlich die Subordinationsverträge, die durch eine Unterordnung der Interessen der einen Partei unter die der anderen geprägt seien (Interessenwahrung). Zur letzten Kategorie zählt Martinek Auftrag, Geschäftsbesorgung und Treuhand 433. (2) Stellungnahme Das Vertragssystem, das Martinek in Anlehnung an Vorarbeiten von Beyerle 434 und Würdinger 435 präsentiert, erscheint bei genauerem Hinsehen unstimmig und lückenhaft. Das Unterfangen, die einzelnen Verträge unter die drei Vertragstypen einzuordnen, läßt sich nicht ohne Inkaufnahme von Widersprüchen und Ungereimtheiten durchführen: So soll die Gesellschaft nach Martineks Modell als Prototypus der Koalitionsverträge herhalten. Tatsächlich ist die Gesellschaft kein eigenständiger Rechtsstrukturtyp, sondern ein Austauschvertrag, dessen Besonderheit darin liegt, daß an den primären Austauschzweck ein weiterer Zweck - der Gesellschaftszweck - gestaffelt ist 436 . Martinek weist in diesem Zusammenhang auf Jhering hin. Wenn dieser davon spricht, daß beim Tausch „der Wille das eigene Interesse auf Kosten des fremden (Egoismus), in der Schenkung das fremde auf Kosten des eig430 431 432 433 434 435 436
Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 36. Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A18. Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A19. Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 41. Beyerle, Die Treuhand, S. 16ff., S.46. Würdinger, Gesellschaften I, S.9ff. Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S.38.
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nen (Selbstverleugnung), in der Sozietät das eigene im fremden [will]" 4 3 7 , so bringt Jhering damit zwar zu Recht die Sonderstellung der Sozietät zum Ausdruck; im übrigen betont er jedoch an anderer Stelle, daß auch die Gesellschaft der Dichotomie von entgeltlichen und unentgeltlichen Verträgen nicht entgehen kann 438 : Denn, so Jhering, „daß auch der Grundsatz der Entgeltlichkeit bei ihr Platz greift, liegt auf der Hand" 439 . Jhering teilt die entgeltlichen (egoistischen) Austauschverträge lediglich nochmals in Tausch und Sozietät, den beiden „Grundformen des Verkehrs" auf: Beim Tausch, so Jhering, sei der Zweck der einen Partei ein anderer als der Zweck der anderen Partei, bei der Sozietät sei der Zweck beider auf dasselbe Ziel gerichtet 440. Auch die Subordinationsverträge haben jenseits der am Zweck orientierten Zweiteilung der Verträge (Austausch oder Liberalität) keinen Platz: Die Annahme Martineks, daß bei der entgeltlichen Geschäftsbesorgung aufgrund asymetrischer Interessenkonstellation das „Synallagma hinke" 441 , setzt stillschweigend voraus, der Vergütungsanspruch sei lediglich ein wirtschaftliches Motiv oder ein angestaffelter atypischer Zweck, der hinter dem eigentlichen Vertragszweck (der Wahrung und Förderung fremder Interessen) stünde. Die tatsächlichen Gegebenheiten sprechen dagegen: In der Regel ist wohl kaum anzunehmen, das Interesse des Arztes oder Rechtsanwalts an seinem Honorar sei gegenüber der Interessenwahrung des Patienten/Mandanten zweitrangig und daher unterzuordnen. Ebensowenig ordnet der Handwerker sein Vergütungsinteresse der Wahrung und Förderung des Interesses des Bestellers unter. Es kann wohl kaum ernsthaft davon ausgegangen werden, der Handwerker schließe den Vertrag primär um der Wahrung der Interessen des Bestellers wegen, während der Wille, sich das erstellte Werk vergüten zu lassen, zweitrangig sei, quasi „hinterherhinke", um im Bilde Martineks zu bleiben. Selbst wenn wir unterstellen, daß es auf den subjektiven Zweck der Parteien nicht ankomme, vielmehr ausreichend sei, daß objektiv der Zweck des Geschäftsbesorgungsvertrags von der Wahrnehmung fremder Interessen beherrscht sei, während im Austauschvertrag gegenläufige Interessen gegeneinanderstießen, verfängt sich Martineks Modell in unauflösbaren Widersprüchen. Dies wird besonders deutlich bei dem Versuch, den Auftrag unter die Kategorie der Subordinationsverträge zu fassen. Wie bereits erläutert, zeichnet sich dieser Vertragstypus nach Martineks Auffasssung durch eine Unterordnung der Interessen einer Partei unter die Interessen des Ver437
v. Jhering, Der Zweck im Recht I, S. 214. Dazu v. Jhering, aaO, S. lOOf. 439 v. Jhering, aaO, S. 125. 440 ν Jhering, aaO, S. 125. Während Jhering Sozietät und Tausch als einander ausschließende Gegensätze auffaßte, gelang es Kreß (Allgemeines Schuldrecht, S.38 u. S.42 Fn. 19), die Sozietät trotz ihrer Besonderheit unter die Gruppe der vom Austauschzweck beherrschten Verträge zu integrieren: Ebenso wie beim Tauschvertrag gehen die Gesellschafter gegenseitige Verpflichtungen zum Zwecke des Austausches ein; daneben tritt der atypische, dem Austauschzweck angestaffelte Gesellschaftszweck (§705 BGB). 441 Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 42. 438
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tragspartners aus. Doch welches Interesse ordnet der Beauftragte den Interessen des Auftraggebers unter? Der Beauftragte bekommt für die Ausführung des Auftrags keine Gegenleistung, handelt also aus rein ideellen Motiven (Anerkennung, Freundschaft etc.), welche, selbst wenn man ihre rechtliche Relevanz in diesem Zusammenhang einmal unterstellt, allenfalls gegen das materielle Interesse des Auftraggebers ausgetauscht, nicht jedoch untergeordnet würden: Der Beauftragte wird gerade um dieser ideellen Motive willen tätig, von Unterordnung kann keine Rede sein. Neben dem Interesse an dem Vertrag käme allenfalls noch das Interesse des Beauftragten, keinen Vertrag zu schließen, in Betracht. Der Beauftragte würde dann also sein Eigeninteresse, seine Zeit und Kraft nach Belieben zu nutzen anstatt den Auftrag auszuführen, dem Interesse des Auftraggebers an der Ausführung des Auftrags unterordnen. Bei näherem Überlegen endet jedoch auch dieser Gedankengang in einer Sackgasse: Der Zweck eines Vertrags läßt sich nicht mit Gründen, die gerade gegen diesen Vertrag sprechen, ausfüllen. Die Frage nach dem Zweck kann sich nur nach dem Interesse an dem Vertrag richten. Damit steckt Martineks Konzept in einem Dilemma: Der Auftrag als Prototyp der Subordinationsverträge verweigert sich einer Einordnung in die für ihn eigens erdachte Kategorie. Lückenhaft ist Martineks Konstrukt deshalb, weil die Schenkung, das unverzinsliche Darlehen und die Leihe in Martineks „Grundformen-Paradigma" keinen Platz haben. Der Ansatzpunkt ist derselbe wie beim Auftrag: Auch hier fehlt es an einem eigenen Interesse, das untergeordnet werden könnte. Auch das Interesse des Schenkers oder des Entleihers an dem Vertrag ist ausschließlich ideeller Natur. Es geht hier lediglich um Motive, die jeden beliebigen Inhalt haben können442. Daher kommen diese Motive auch nicht als austauschbares Interesse in Betracht 443. Schließlich handelt es sich bei den unentgeltlichen Verträgen auch nicht um Koalitionsverträge, da ausschließlich das fremde, nicht fremdes und eigenes Interesse gefördert wird. Jenseits ideeller Motive hat der Schenker kein Eigeninteresse, weil er keine Gegenleistung fordert. Angesichts der Tatsache, daß sich ein Großteil der im BGB genannten Verpflichtungsgeschäfte nicht in Martineks System integrieren läßt, kann von einem „geschlossenen Entwurf" 444 kaum die Rede sein. Daß die Wahrnehmung fremder Interessen ein zentrales Element der Geschäftsbesorgung ist, soll gar nicht geleugnet werden. Jedoch scheint Martinek einem Irrtum zu unterliegen, wenn er dieses Merkmal für einen Vertragszweck: hält. Subjektiv gesehen ist der Wille, fremde Interessen wahrzunehmen, lediglich ein Motiv, das rein ideellen Charakter hat und auf alle Ver442 Ich verschenke einen Gegenstand, weil ich den Beschenkten beeindrucken oder erfreuen will oder weil ich später selbst beschenkt werden will etc. Gerade die beliebige Übertragbarkeit dieser Motive auf andere Verträge (ich verkaufe einen Gegenstand, um den Käufer zu erfreuen oder in der Hoffnung, daß der Käufer mir selbst einmal etwas verkauft etc.) zeigt, daß sie sich zur Abgrenzung verschiedener Vertragstypen nicht eignen. 443 Zur Abgrenzung von Zweck und Motiv siehe Ehmann, Gesamtschuld (1972), §6111. 444 Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A 37.
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Die Rechtsnatur vertraglicher Aufklärungspflichten
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träge übertragbar ist 445 . Objektiv gesehen besagt die Tatsache, daß der Schuldner die Interessen des Vertragspartners wahrnimmt, lediglich etwas über den Charakter der von ihm geschuldeten Leistung aus. Wer den Geschäftsbesorgungsvertrag als eigenen Vertrag ansieht, kann die Eigenständigkeit dieses Vertrags nur anhand der Art der Leistung, nicht anhand des Zwecks begründen 446. d) Geschäftsbesorgung als vertragsübergreifender
Schutzpflichtkomplex
Trotz des Wortlauts des § 6751 BGB, der eine Abgrenzung der Geschäftsbesorgung zu unselbständigen Dienstverträgen zu fordern scheint, muß eine an welchem Merkmal auch immer anknüpfende Eingrenzung fruchtlos bleiben 447 . Die oben skizzierten Merkmale haben etwas Willkürliches an sich, da nicht klar ist, warum gerade diese Kriterien den Geschäftsbesorgungsvertrag des § 6751 BGB eingrenzen sollen 448 . Meines Erachtens ist daher der Auffassung der Vorzug zu geben, die den Geschäftsbesorgungsbegriff im weitest möglichen Sinne als „Tätigkeit im fremden Interesse" auffaßt. Geschäftsbesorgung hat demnach bei § 6751 BGB keine andere Bedeutung als im Rahmen des (unentgeltlichen) Auftrags und der auftraglosen Geschäftsführung 449. Trotz dieser weiten Auslegung beinhaltet § 6751 BGB mehr als eine „sinnlose Tautologie"450. Vielmehr bringt die Regelung zum Ausdruck, daß bestimmte Pflichten über den Bereich des unentgeltlichen Mandats hinaus auch bei entgeltlichen Dienst- und Werkverträgen zur Anwendung gelangen können. Nach meinem Dafürhalten sind die Pflichten des Auftragsrechts, die über die Regelung des § 6751 BGB den Dienst- und Werkverträgen zu Gute kommen sollen, auf alle Verträge, seien sie entgeltlicher oder unentgeltlicher Natur, übertragbar. Der Schreiner, der einen Schrank zimmert, der Verkäufer, der dem Käufer die Sache bringt, der Verwahrer, der eine ihm hinterlegte Sache aufbewahrt, der Vermieter, der dem Mieter den Gebrauch der Wohnung überläßt, sie alle werden für den Vertragspartner tätig, besorgen für diesen ein Geschäft 451. Das Kaufrecht ist ein gutes Bei445 Auch der Verkäufer, der Vermieter, der Darlehensgeber etc. kann im Einzelfall von dem Motiv geleitet werden, zur Wahrung der Interessen des Vertragspartners den Vertrag zu schließen. 446 Siehe Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S.71: Was den Geschäftsbesorgungsvertrag von anderen Dienst- oder Werkverträgen trennt, ist nicht der Zweck, sondern die Art der Leistung. 447 Hachenburg, Dienstvertrag und Werkvertrag (1898), S. 14f.: „Versuche für das B.G.B, in seiner heutigen Fassung einen brauchbaren Gegensatz zwischen Dienstleistung und Geschäftsbesorgung zu finden, werden vergeblich sein". Ebenso Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 13; Isele, Geschäftsbesorgung (1935), S.94; Seiler in MünchKomm, §662 Rdz. 13, 25. Isele, aaO, S.94. 449 Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 18 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht BT, § 351; Hachenburg, aaO, S. 14ff.; Isele, aaO, S.95; Nipperdey in Staudinger (11. Aufl. 1958), Vor §662 Rdz. 1 ; Seiler in MünchKomm, § 675 Rdz. 2 ff. 450 So der Vorwurf von Larenz, Schuldrecht II (12. Aufl., § 56 V [S. 342]; vorsichtiger aber in der 13. Aufl.). In dieselbe Kerbe schlägt auch Martinek in Staudinger, § 675 Rdz. A17. 451 Weitere Beispiele bei Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 19.
7 Pohlmann
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spiel dafür, daß die Pflichten des Auftragsrechts weit über den Bereich der Dienstund Werkverträge hinausragen: So war § 450 BGB a. F. 452 lex specialis zu § 670 BGB, im übrigen hat der Verkäufer die Pflichten und Rechte eines Beauftragten (§§ 665,666,669 BGB) 453 . Ebenso ist §447 II BGB lex specialis zu § 665 BGB: Der Verkäufer besorgt ein Geschäft für den Käufer, indem er die Kaufsache versendet; weicht er ohne dringenden Grund von einer Versendungsanweisung des Käufers ab, so ist er für den daraus entstandenen Schaden verantwortlich. Geht der Verkäufer von einem dringenden Grund aus, der seiner Meinung nach eine Abweichung von der Weisung des Käufers gebietet, ist § 665 S. 2 BGB anzuwenden454. Im Rahmen des Versendungskaufs ist bereits seit langem anerkannt, daß die Versendung eine Geschäftsbesorgung des Verkäufers im Interesse des Käufers ist 455 . Die Vorschriften des Auftragsrechts sind daher ergänzend heranzuziehen456. Ebenso wie § 447 II BGB als lex specialis zu § 665 BGB zu sehen ist, spiegelt sich in der Kostenerstattungspflicht des Käufers für Abnahme und Versendung der Sache (§ 4481 BGB) die Norm des § 670 BGB wider 457 . Geschäftsbesorgung in dem hier verstandenen Sinne ist nichts anderes als ein Teilaspekt der vertraglichen Vereinbarung, aus der bestimmte, und zwar personenbezogene, Schutzpflichten erwachsen, die in den §§ 665 ff. BGB exemplarisch genannt werden. Der Inhalt der Schutzpflichten richtet sich nach der vertraglichen Vereinbarung. Kern dieser Vereinbarung ist eine bestimmte Leistungsart 458. Je nach Art der Leistung erwachsen aus dem Schuldverhältnis bestimmte, zu dieser Leistung korre452 § 450 BGB ist infolge der Schuldrechtsmodemisierung ersatzlos gestrichen worden (zur Begründung siehe Regierungsentwurf, S.203). Die Vorschrift statuierte eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß der Verkäufer die Kosten getätigter Verwendungen für die Kaufsache zu tragen hat, da er vertraglich zur Erhaltung und Bewahrung der Sache verpflichtet ist. Dies sei jedoch, wie bereits der Gesetzgeber des BGB anmerkte (Mot.II, S. 325 = Mugdan II, S. 181 ), in dem Falle unbillig, wenn die Gefahr vor Übergabe der Sache bereits auf den Käufer übergegangen ist. Hier wollten die Gesetzesverfasser ausnahmsweise einen Verwendungsersatzanspruch des Verkäufers gesetzlich festlegen, um gegenläufigen Interpretationen von Wissenschaft und Praxis zuvorzukommen (Mot. II, S. 325 = Mugdan II, S. 181). Nach neuem Recht wird der Ersatzanspruch des Verkäufers in diesen Fällen wohl entfallen: Ein Aufwendungsersatzanspruch aus den §§ 677,683 S. 1,670 BGB greift ins Leere, da der Verkäufer die Verwendungen ja nicht ohne Auftrag, sondern aufgrund einer ihm vertraglich obliegenden Aufbewahrungspflicht getätigt hat (dazu ausführlich mit weiteren Gründen siehe Prot. II, S. 1732ff. = Mugdan II, S. 772). Nur wenn man den hier vertretenen Standpunkt teilt und die Leistung des Verkäufers als Geschäftsbesorgung begreift, würde man über § 670 BGB analog zu dem Ersatzanspruch des Verkäufers kommen. 453 Knoke in Planck, § 450, Anm. 1 (S. 683). 454 Huber in Soergel, § 447 Rdz. 54; Köhler in Staudinger, § 447 Rdz. 40. 455 RGZ 88, 37, 38; 103, 129, 130; RG JW 1917, 215, 216; Mezger in RGRK, §447 Rdz. 6. 456 Huber in Soergel, § 447 Rdz. 39. 457 Vgl. Huber in Soergel, § 447 Rdz. 50. 458 Sachleistung, Dienstleistung, Geldleistung oder Unterlassung, vgl. oben § 112.
§ 3 Die Rechtsnatur vertraglicher Aufklärungspflichten
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spondierende, leistungsartbezogene Schutzpflichten: So hat der Verkäufer die Kaufsache gut aufzubewahren, der Unternehmer hat das Werk sorgfältig (vgl. § 633 I BGB n. F.) herzustellen, der Vermieter die Mietsache in einem für den vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten (§ 53512 BGB n. F.) etc. Die Leistung, die der Schuldner aufgrund der vertraglichen Vereinbarung erbringen soll, erfolgt für den Gläubiger. Verträge sind relative Schuldverhältnisse. Indem der Schuldner seiner Leistungspflicht nachkommt, besorgt er ein Geschäft für den Vertragspartner, d. h. er wird für ihn in dessen Interessenkreis tätig. Diesem Teilaspekt der Vereinbarung entsprechen die oben genannten personenbezogenen Schutzpflichten. Auch der Umfang dieser Schutzpflichten richtet sich nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen 459. Ein auf langjährige Zusammenarbeit gerichtetes Vertragsverhältnis verlangt ein intensiveres Tätigwerden für den Vertragspartner als Geschäfte des täglichen Lebens. Ein Werkunternehmer wird in der Regel in größerem Umfang für den Besteller tätig als der Verkäufer für den Käufer. Die Vereinbarung einer Bringschuld wiederum verlangt ein intensiveres Tätigwerden des Schuldners für den Gläubiger als die Vereinbarung einer Holschuld. Die aus der vertraglichen Vereinbarung folgenden personenbezogenen Schutzpflichten sind an vielen Stellen erwähnt 460, zum Teil wird auf sie verwiesen 461. Einen herausragenden Stellenwert nehmen dabei die Aufklärungspflichten ein. So hat der Schuldner dem Gläubiger die erforderlichen Nachrichten zu geben (§ 666 Alt. 1 BGB): Die Putzfrau hat die bei ihrer Tätigkeit zu Tage tretenden Mängel zu offenbaren (Fall 5), der Arzt hat dem Patienten während der Behandlung entdeckte Krankheiten zu offenbaren, auch wenn sie nicht in sein Fachgebiet fallen (Fall 6). Der Verwahrer hat, will er die mit dem Hinterleger vereinbarte Art der Aufbewahrung ändern, diesen vor Änderung der Hinterlegung zu informieren (§ 692 BGB). Der Verkäufer hat den Käufer im Falle eines Versendungskaufes über den dringenden Grund der Abweichung von der erteilten Anweisung aufzuklären (§ 447 II BGB, § 665 S. 2 BGB). Im Rahmen einer langjährigen Geschäftsverbindung hat der Verkäufer den Käufer auf Änderungen der Produktbeschaffenheit aufmerksam zu machen (Fall 7). Die im Gesetz festgeschriebenen Schutzpflichten zeigen nur die Spitze des Eisbergs: Darunter verbirgt sich die große Masse der positiven Forderungsverletzun459 Die Rechtsfolgen der §§663 ff. BGB finden also nicht automatisch „kraft Gesetzes" Anwendung. Ist ζ. B. eine Bringschuld vereinbart, so trägt der Verkäufer idR die Transportkosten (diese werden häufig bereits im Kaufpreis enthalten sein). Erst kraft besonderer Parteivereinbarung gilt § 670 BGB: In diesem Fall hat der Käufer die Kosten für den Transport zu erstatten. 460 §§665, 666, 667, 447 II, 652 II, 1626ff., 1793 ff., 1896ff. BGB; 84ff., 93 ff., 383 ff., 407 ff. HGB; §§ 115 II, 116 InsO. Siehe auch Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 55. 461 z.B. §27111, 713, 2218 BGB.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
gen, zu denen insbesondere die Pflichten zählen, die Rechtsgüter des Vertragspartners bei der Tätigkeit für ihn nicht zu verletzen 462 . Die Erkenntnis, daß jede Vertragserfüllung in mehr oder minder ausgeprägtem Umfang eine Geschäftsbesorgung ist, enthüllt einen Charakterzug der vertraglichen Vereinbarung, der verdeutlicht, daß eine allein an Leistungsart und Zweck orientierte Definition des Schuldverhältnisses zu eng ist.
4. Fazit „Die Lehre vom Mandat enthält fast durchweg Rechtssätze, die in den allgemeinen Theil des Obligationenrechts gehören; denn sie kehren bei fast allen anderen Schuldverhältnissen wieder, sofern sie nicht durch die spezifischen Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Obligationsarten Modifikationen erleiden" 463 . „Geschäftsbesorgung" in dem hier verstandenen Sinne ist ein schlichtes „Tätigwerden für einen anderen". Tatsächlich liegt bei Zugrundelegung dieses weiten Geschäftsbesorgungsbegriffs in jeder Leistungspflicht das Besorgen eines Geschäfts. Verträge sind relative Schuldverhältnisse. Der Schuldner verspricht nicht nur eine Leistung, sondern eine Leistung für den Gläubiger, ganz gleich, ob der Zweck dieser Leistung von Austausch oder Liberalität beherrscht ist. Die Schutzpflichten des Auftragsrechts sind daher auf andere Verträge anwendbar 4 6 4 . Gegenüber § 241 I I B G B n. F. sind die §§ 665 ff. B G B leges speciales 465 . Windscheid wies zu Recht darauf hin, daß „ i n dem Versprechen, etwas für einen Anderen besorgen zu wollen, stillschweigend das Versprechen der Sorgfalt liegt 462 Stößt beispielsweise der Verkäufer bei Ablieferung der geschuldeten Sache eine Vase im Haus des Käufers um, so hat er zwar seine Leistungspflicht erfüllt: Der Verkäufer hat dem Käufer Eigentum und Besitz an der Sache verschafft (§43311 BGB). Die Erfüllung der Leistungspflicht geschah für den Käufer in dessen Interesse, der Verkäufer ist also als Geschäftsbesorger tätig geworden. Diesem Aspekt der Leistungspflicht entspringt die Schutzpflicht, die Rechtsgüter des Vertragspartners nicht zu beschädigen. 463 Laband, AcP 74 ( 1889), 299, 324. Ebenso Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 12 und 71 ; Isele, Geschäftsbesorgung (1935), S. 149; ders., AuR 1964,161,167; Nipperdey in Staudinger (11. Aufl.), §675 Rdz. 16 f. 464 Vgl bereits Hedemann, Schuldrecht, § 55IV. 465 Vgl. Ehmann in Erman, Vor § 662 Rdz. 70. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Aufsatz von Gärtner (JZ 1986, 314, 317): Ebenso wie der Verkäufer zunehmend die Rolle eines Warenmittlers übernehme, habe sich auch die Tätigkeit des Herstellers gewandelt. Nicht mehr Produktion, sondern Organisation stehe bei der Warenherstellung im Vordergund, so daß der Warenpreis des Herstellers tatsächlich ein Geschäftsbesorgungsentgelt darstelle. Ebenso leitet Gärtner die mit der Veränderung der Wirtschaftsstruktur von der industriellen Warenproduktion zur Dienstleistung einhergehenden neuen Schutzpflichten (ζ. B. vermehrte Darlegungs- und Rechenschaftspflichten des Herstellers) aus dem Geschäftsbesorgungsrecht ab (S.317 Fn. 16 und S.319).
§ 4 Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten
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(worauf das deutsche Wort hinweist: besorgen)" 466. Wie in § 224 E1 des Entwurfs von 1888 noch unmißverständlich zum Ausdruck kam, sollte diese Sorgfalt auf die Erfüllung jeder Pflicht verwandt werden 467. Die bis heute ungelösten Einordnungsprobleme der nach Vertragsschluß entstandenen Schutzpflichten beruhen m. E. auf einem grundsätzlichen Fehler in der Systematik des BGB, der durch die Einfügung des § 6751 BGB noch verschärft wurde. Die Erkenntnis, daß die auftragsrechtlichen Schutzpflichten vertragsübergreifende Bedeutung haben und systematisch in das allgemeine Schuldrecht gehören, konnte sich wegen der engen Auslegung des Geschäftsbesorgungsbegriffes nicht durchsetzen. Hierdurch leistete die „herrschende Meinung" der Fehleinschätzung Vorschub, nur Beauftragte und „Geschäftsbesorger" wären für den Vertragspartner tätig, während bei allen anderen Verträgen diejenigen Schutzplichten, welche aus der Tätigkeit/wr einen anderen erwachsen, einer eigenen „Konstruktion" bedürften. Die Erste Kommission versuchte vergeblich, den Geschäftsbesorgungsvertrag von begrifflichen Eingrenzungen fernzuhalten. Ihre Anregung, anhand des Einzelfalles zu entscheiden, „welche der in Ansehung der verschiedenen Vertragsverhältnisse geltenden, voneinander abweichenden Vorschriften dem Willen der Vertragsschließenden entspricht" 468, stieß kaum auf Gehör.
§ 4 Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten Bisher beschäftigte sich die Untersuchung vorrangig mit der Frage, ob bzw. auf welcher Grundlage Aufklärungspflichten vor oder nach Vertragsschluß entstehen. Dieser Abschnitt geht auf Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten ein. Dabei wird die bereits in den §§2 und 3 dieser Untersuchung vorgenommene Trennung zwischen vor Vertragsschluß entstandenen Aufklärungspflichten einerseits (dazu I und II) und vertraglichen Aufklärungspflichten andererseits (unter III) beibehalten.
I. Aufklärungspflicht versus Erkundigungspflicht Die Vertragsverhandlungen kennzeichnen sich durch das Bemühen der Verhandlungsparteien, sich von ihren entgegengesetzten Standpunkten aus einander anzunähern und einen Kompromiß (Vertrag) zu finden, der beiden Teilen gerecht wird. Die Interessen der beiden Parteien sind zu diesem Zeitpunkt zumindest im Rahmen eines Austauschvertrags gegensätzlicher Art. Beide Teile wollen ein gutes Geschäft tätigen, das heißt möglichst viel bekommen und dabei die eigene Gegenleistung so gering wie möglich halten. Angesichts dieses „rauhen" Klimas müßte es 466 467 468
Pandekten II, §410, 1 Fn.4 (S.531). Lauf sìSchwenger, NJW 1970, 1817, 1821. Mot. II, S. 527 = Mugdan II, S. 295.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
eigentlich um das Schicksal vorvertraglicher Aufklärungspflichten schlecht bestellt sein. Der Realität der Verhandlungssituation entspräche doch viel eher die Forderung, jede Partei solle selbst dafür sorgen, alle für sie vertragswesentlichen Umstände in Erfahrung zu bringen. Warum sollte der Verhandlungsgegner von sich aus einen für ihn nachteiligen Umstand mitteilen und so seine Verhandlungsposition verschlechtern? Ebenso besteht für den anderen Teil im Zweifelsfalle die Möglichkeit, sich die Abwesenheit eines bestimmten Mangels oder das Vorhandensein einer Eigenschaft zusichern zu lassen. Auf der Grundlage einer derartigen Garantieerklärung könnte der Nichterfüllungsschaden verlangt werden, falls der Vertragsgegenstand die zugesicherte Eigenschaft nicht besitzt. Wäre es nicht angebracht, zumindest im Rahmen von Austauschverträgen auf Aufklärungspflichten des Gegners zu verzichten und die Partei, welche die Gelegenheit einer dem anderen abverlangten Zusicherung verpaßt, das Risiko eines wirtschaftlich ungünstigen Geschäfts tragen zu lassen? Zu Recht verneint die Rechtsprechung bei gegenseitigen Verträgen „wegen der widerstreitenden Interessen'4 der Vertragsparteien eine uneingeschränkte Aufklärungspflicht 469. Wer eine Buchreihe in Form einer „Luxusausgabe" kauft, hat sich zu erkundigen, ob das Werk nicht auch in einer billigeren Ausgabe im Handel erhältlich ist 470 . Ebenso hat der Käufer eines Tresors sich zu informieren, bis zu welcher Höhe dort aufbewahrte Wertgegenstände versicherungsfähig sind 471 ; andererseits muß der sachkundige Verkäufer den Käufer dann aufklären, wenn er erkennt, daß der Wert des vom Käufer zur Aufbewahrung beabsichtigten Gegenstandes das Versicherungsvolumen überschreitet (regelmäßig ist die Versicherungshöhe bereits im Werbeprospekt angegeben). Trotz Auferlegung noch so umfangreicher Aufklärungspflichten hat jede Partei ein bestimmtes Vertragsrisiko zu tragen 472. Im vorvertraglichen Bereich ist daher der Erkundigungspflicht des einen Teils ein ebenso großes Gewicht beizumessen wie der Aufklärungspflicht des anderen Teils. Eigeninitiative in Form von Erkundigung einerseits und das Vertrauen auf Aufklärung des Verhandlungsgegners andererseits stecken den Rahmen für Inhalt und Grenzen der Aufklärungspflicht ab.
469 RGZ 111, 233, 234f.; BGH W M 1977, 394, 396; NJW 1983, 2493, 2494; NJW 1984, 2289, 2290; NJW-RR 1997, 144, 145. 470 BGH W M 1977, 394, 396. 471 BGH NJW 1984, 2289, 2290. Weitere Beispiele bei Huber in Soergel, Anh. I §433 Rdz. 73. 472 Emmerich in MünchKomm, Vor § 275 Rdz. 79.
§4 Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten
103
II. Kriterien für die Bestimmung des Umfangs von Aufklärungspflichten Allgemeine Aussagen über den Umfang von Aufklärungspflichten lassen sich kaum treffen. Vielmehr hängt die Reichweite dieser Schutzpflichten ganz von den Umständen des Einzelfalles und von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ab 473 . Ausgangspunkt ist die von der Rechtsprechung aufgestellte „Goldene Regel", nach der eine Aufklärungspflicht hinsichtlich sämtlicher Umstände besteht, die für den Vertragsschluß der anderen Partei erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann 474 .
1. Die Wesentlichkeit der Information Die aufklärungspflichtbegründenden Umstände müssen für den Vertragspartner von wesentlicher Bedeutung sein 475 . Derart gravierend sind vor allem Tatsachen, die gegen die Wirksamkeit oder Durchführbarkeit des Vertrags sprechen. Dazu zählt die Formbedürftigkeit eines Geschäfts 476 ebenso wie das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung477. Einer Hinweispflicht bedürfen auch Umstände, die geeignet sind, den Vertragszweck zu vereiteln 478: So hat der Grundstücksverkäufer den Käufer auf einen Zwangsversteigerungsvermerk hinzuweisen479. Der Arzt hat den Patienten auf eine mögliche Weigerung des privaten Krankenversicherers hinzuweisen, die Kosten für einen Krankenhausaufenthalt zu übernehmen 480. Auch Gefahren für die Vertragsdurchführung, die bereits bei Vertragsschluß erkennbar sind, sind wesentliche Informationen, die dem Verhandlungspartner nicht vorenthalten werden dürfen. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer über ein vorzeitiges Ende des Arbeitsvertrags wegen des bevorstehenden Zusammenbruchs des Unternehmens zu informieren 481. 473 RGZ 62, 149, 150f.; 103,47, 50; 111, 233, 234f.; 120, 249, 252; BGHZ 47, 207, 210f.; 71, 386, 396; 72, 92, 101; 96, 302, 311; BB 1991, 933, 934. 474 RGZ 95, 58, 60; 97, 325, 327; 103, 47, 50; 114, 155, 159; NJW 1971, 1795, 1799 mit Anm. Giesen, 1795, 1797; BGH W M 1972, 854, 855; W M 1977, 638, DB 1978, 979. 475 Ähnlich Klingler (Aufklärungspflichten [1980], S. 22), der die mitteilungsbedürftigen Umstände durch das Merkmal der „Erheblichkeit" eingrenzen will. 476 BGH W M 1965, 674; NJW 1965, 812, 814. 477 BGHZ 18, 248, 252; 23, 222,227; NJW 1979, 2243; NVwZ 1982,145; W M 1990,479. 478 RGZ 97, 325, 327; DB 1978,979. 479 BGH DB 1978, 979. 480 BGH NJW 1983, 2630. 481 BAG AP § 276 Nr. 10. Weitere Beispiele bei Emmerich in MünchKomm, Vor § 275 Rdz. 92 f.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Eine Aufklärungspflicht kann auch dann gegeben sein, wenn der angestrebte Vertrag für eine Partei erkennbar sinnlos ist: So ist ein türkischer Versicherungsnehmer beim Abschluß einer Kraftfahrzeugversicherung daraufhinzuweisen, daß deren örtlicher Schutzbereich sich nicht auf den asiatischen Teil der Türkei erstreckt, sofern die Vermutung naheliegt, daß der Versicherungsnehmer die Türkei bereisen wird 482 . Zu gravierenden mitteilungsbedürftigen Umständen zählen auch wesentliche Nachteile einer Sache: So hat der Verkäufer eines Hauses den Käufer auf eine ständig gestörte Nachtruhe 483 ebenso hinzuweisen wie auf feuchte Kellerräume 484 oder erneute Feuchtigkeit indizierende Fassaden Wölbungen485.
2. Das Informationsgefälle Ziel der Aufklärungspflicht ist der Ausgleich eines Informationsgefälles 486. Je höher das Informationsgefälle ist, umso eher läßt sich eine Pflicht zur Aufklärung bejahen. Aus der Perspektive des Informationspflichtigen ist zunächst einmal erforderlich, daß er die Information überhaupt hat. Besitzt der Pflichtige die fragliche Information nicht und ist sie für ihn auch nicht ohne weiteres über ihm zugängliche Informationsquellen erschließbar, wird eine über die Aufklärungspflicht hinausgehende Nachforschungs- und Untersuchungspflicht nur in engen Grenzen bejaht 487 . Aus der Perspektive des Informationsberechtigten ist eine Aufklärungspflicht umso eher anzunehmen, je geringer seine eigenen Informationsmöglichkeiten sind 488 . So ist eine Hinweispflicht zu bejahen, wenn der betreffende Umstand der Sphäre der Gegenseite angehört, so daß die Einziehung eigener Erkundigungen nicht oder nur unter Schwierigkeiten möglich ist 489 . Das Unvermögen des Berechtigten, eigene Informationen einzuholen, kann auf verschiedenen Gründen beruhen: Zu berücksichtigen sind hier persönliche Umstände wie erkennbare Unerfahrenheit 490, 482 OLG Stuttgart, Schaden-Praxis 1993, 188. Anders OLG Köln (r+s 1990,400): Der Versicherungsnehmer habe auf den Wunsch eines umfassenden Versicherungsschutzes selbst hinzuweisen. Einschränkend auch OLG Karlsruhe (Schaden-Praxis 1993, 187): Lese der Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen nicht vor Abschluß des Vertrags, so sei ihm dies als hälftiges Mitverschulden anzulasten. Vgl. auch Reiff, r + s 1998, 89, 92. 483 BGH NJW 1991, 1673, 1675. 484 NJW-RR 1992, 333. 485 BGH NJW 1993, 1703, 1704. 486 BGHZ 70, 337, 342; W M 1986, 6, 7. 487 Emmerich, Leistungsstörungen, §5 III 2 a; ders. in MünchKomm, Vor §275 Rdz. 82. 488 Vgl. BGH W M 1981,876. 489 VGL BGH WM 1981, 876; W M 1986, 1047, 1048. 490 BGHZ 80, 80, 84f.; NJW 1966, 1451; NJW 1974, 849, 851; NJW 1992, 300, 302; OLG Frankfurt BB 1980, 124, 125.
§ 4 Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten
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persönliche Behinderungen 491 oder Rechts- bzw. Sprachunkenntnis 492. Die Anforderungen an die Offenbarung bestimmter Umstände nehmen zu, je weniger von dem Berechtigten diesbezügliche Kenntnisse erwartet werden können: Dies ist vor allem bei neuartigen Technologien der Fall (ζ. B. EDV-Systeme493 etc.). Auch die besondere Kompliziertheit der Vertragsmaterie, beispielsweise im Rahmen von Versicherungen 494 oder Kreditverträgen 495, ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, daß sich der Pflichtige Erkundigungen über den Sachverstand des anderen einholt; vielmehr reicht es aus, daß sich das Informationsbedürfnis des anderen dem Pflichtigen als einem verständigen Partner aufdrängen mußte496. Die Aufklärungspflicht der einen Partei ist mit der Erkundigungspflicht der anderen Partei in Beziehung zu setzen. Ist der Käufer selbst Fachmann, so können von ihm Kenntnisse bestimmter Umstände eher erwartet werden als von einem Laien. Die eigene Sachkunde des Gegenübers kann die Pflicht zur Aufklärung also mindern oder ganz entfallen lassen497.
III. Aufklärungspflichten nach Vertragsschluß Die soeben festgestellten Kriterien für den Umfang von Aufklärungspflichten gelten auch nach Vertragsschluß. Dennoch unterscheidet sich die Situation nach Vertragschluß von der vorvertraglichen Lage: Die von gegensätzlichen Positionen gestarteten Parteien haben sich zu einer Einigung durchgerungen und sind nun durch das Band des Vertrags miteinander verbunden. Dienten die Vertragverhandlungen der Durchsetzung eigener Interessen, so ist die Durchführung des Vertrags von einem Handeln für den anderen bestimmt. Die vorvertraglichen Aufklärungspflichten des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Verhandlungen waren darauf beschränkt, dem anderen für den Vertragsschluß wesentliche Informationen zukommen zu lassen. Nach Vertragsschluß verlieren vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten an Bedeutung. Stattdessen haben die Vertragspartner nun auf Umstände hinzuweisen, die eine Gefahr für die Rechtsgüter des anderen Teils darstellen oder für den Schutz der Vermögensinteressen des Vertragspartners von Bedeutung sind. Derartige auf das Integritätsinteresse gerichtete Aufklärungspflichten gewinnen umso mehr an Bedeutung, je größer die Vertrauensprägung des Rechtsverhältnisses und je intensiver der Kontakt zwischen den Vertragspartnern ist 498 . Ein Geschäft des 491
RG JW 1934, 571. OLG Stuttgart NJW 1982, 2608, 2609. 493 OLG Stuttgart CR 1989, 598 m. Anm. Breidenbach. 494 BGH NJW 1964,244,245; VersR 1989,472,473; OLG Hamm VersR 1992,49,50; OLG Celle VersR 1995, 333. Siehe auch Reiff, r + s 1998, 89, 92 495 BGH ZIP 1989, 558,559. 496 BGH NJW 1971, 1795, 1799. 497 BGHZ 71, 386, 399; LG Düsseldorf, NJW 1976, 298, 299. 498 Hopt, Kapitalanlegerschutz (1975), S 425 ff. 492
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
täglichen Lebens zieht gewiß weniger Aufklärungspflichten nach sich als ein rechtsanwaltliches Mandat oder eine ärztliche Behandlung. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen499 und ständigen Geschäftsbeziehungen 500 können eine Vielzahl von Aufklärungspflichten entstehen. Die Wesentlichkeit der Information als Kriterium für die Bestimmung des Umfangs von Aufklärungspflichten ist bereits betont worden. Vor Vertragsschluß sind in erster Linie Umstände als wesentlich anzusehen, die den Vertrag ganz oder teilweise vereiteln. Nach Vertragsschluß ist eine Information umso wesentlicher, je mehr sie das Vermögen des Vertragspartners tangiert. Exemplarisch soll dies anhand der Bankgeschäfte dargestellt werden: Dort sind die Vermögensinteressen des Kunden bei Kapitalanlagen in weitaus größerem Maße betroffen als bei Kreditgeschäften (wenn der Kunde also Geld von der Bank bekommt). Parallel zu den Vermögensinteressen verläuft der Umfang der Aufklärungspflichten: So braucht die Bank über die Wirtschaftlichkeit eines Kreditgeschäfts regelmäßig nicht aufzuklären 501; etwas anderes gilt nur dann, wenn die Belastungen für den Kreditnehmer unerträglich sind 502 . Ganz anders ist die Situation bei Kapitalanlagen503: Dort sind die Banken von sich aus zur anleger- und objektgerechten Beratung des Kunden verpflichtet 504. Dabei hat die Bank die persönlichen Verhältnisse des Anlegers, seine Risikobereitschaft und seine Anlageziele zu berücksichtigen 505. Die Risiken des Anlageobjekts sind gegenüber dem Kunden vollständig aufzudecken, wobei die Bank sich zunächst einmal selbst über die Eigenschaften und Risiken des Objekts zu informieren hat 506 . Auch über eventuell bestehende Konflikte zwischen dem Eigeninteresse der Bank und dem Anlegerinteresse des Kunden ist Aufklärung zu leisten507. Keinesfalls darf ein solcher Konflikt zugunsten des Eigeninteresses gelöst werden 508.
IV. Grenzen der Aufklärungspflicht Eine Grenze zwischen „gebotenem Reden und erlaubtem Schweigen"509 ist das Persönlichkeitsrecht des einzelnen. Daher kann eine Offenbarung intimer Daten nur im Ausnahmefall erwartet werden 510. Besondere Bedeutung gewinnt die Abwägung 499
BGH NJW 1980, 44. RGZ 143, 219, 223. 501 BGH ZIP 1989, 558, 559. 502 OLG Karlsruhe WM 1995, 747. 503 Ausführlich Hopt, Kapitalanlegerschutz (1975), S. 413 ff. 504 Grundlegend BGHZ 123,126 („Bond-Anleihe"). Vgl. auch OLG Düsseldorf W M 1996, 1082, 1085; OLG Braunschweig W M 1998, 375; OLG Nürnberg W M 1998, 378. 505 BGHZ 123, 126, 129. 506 BGHZ 123, 126, 129. 507 Hopt, FS Joachim Gernhuber (1993), S. 179, 182. 508 Hopt, aaO, S. 181 f. 509 Werres, Aufklärungspflichten (1985), S.2. 500
510
Teichmann in Soergel, § 242 Rdz. 144.
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
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zwischen dem Recht auf Aufdeckung und dem Recht auf Geheimhaltung bestimmter Umstände im Arbeitsrecht. Von sich aus braucht der Arbeitnehmer persönliche, negative Umstände grundsätzlich nicht zu offenbaren; wird er hingegen vom Arbeitgeber gefragt, so hat der Arbeitnehmer die Wahrheit zu sagen, es sei denn, die Frage ist rechtlich unzulässig511. Das Gegenstück zum privaten Persönlichkeitsrecht bildet im geschäftlichen Bereich das Betriebs- und Berufsgeheimnis. Auch hier kann der Interessenkonflikt zwischen Aufklärung und Geheimhaltung durch Abwägung der betroffenen Güter gelöst werden 512. Die Erkundigungspflicht des Berechtigten als Gegenpol der Aufklärungspflicht ist bereits genannt worden. So tritt die Aufklärungspflicht insbesondere dort zurück, wo sich jeder ohne weiteres selbst informieren kann. Dies betrifft allgemeine Marktverhältnisse 513 ebenso wie geschäftstypische Risiken (eines Kredits, einer Bürgschaft etc.) 514 oder Spekulationsgeschäfte 515. Aber auch hier sind wieder zwei Einschränkungen zu machen: Eine Aufklärungspflicht besteht auch in diesen Fällen, wenn ein besonderes Schutzbedürfnis des anderen besteht (z.B. Unerfahrenheit, besonderes Risiko) 516 . Zweitens besteht eine Aufklärungspflicht dann, wenn der Gläubiger einen Irrtum der anderen Partei veranlaßt hat 517 . Dazu zählt auch, daß der Pflichtige von sich aus (unvollständige oder unzutreffende) Angaben über das Geschäftsrisiko gemacht hat 518 .
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten Die Aufklärungspflicht ist im Gegensatz zur Auskunftspflicht nicht einklagbar 519. Ihre Verletzung macht jedoch unter den Voraussetzungen der allgemeinen culpaHaftung (vgl. §§241 II, 311 II, 2801 BGB n.F.) schadensersatzpflichtig. Unproblematisch und deshalb in diesem Abschnitt nicht weiter erörternswert ist der aufgrund Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht zu ersetzende Scha511
Siehe dazu Hofmann, ZfA 1975,1 ff.; ZöllnerILoritz, Arbeitsrecht, § 1115. Kritisch Ehmann in Erman, Anh. zu § 12 Rdz. 357. 512 BGH ZIP 1991, 90. 513 RGZ 111,233, 234 f. 514 BGH ZIP 1991, 90. 515 LG Darmstadt W M 1984, 332; LG Freiburg WM 1991, 279. 516 BGH NJW 1982, 2815 (Ergänzung zu BGHZ 80, 80). 517 BGH W M 1984, 1394, 1986, 11; ZIP 1987, 764. 518 Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 244. 519 Siehe oben § 1 II 1.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
den: Dieser richtet sich in aller Regel 520 nach der von der Aufklärungspflicht verursachten IntegritätsVerletzung des Vertragspartners 521. Die allgemein bekannte Formulierung, der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo führe grundsätzlich zum Ersatz des negativen oder Vertrauensinteresses522, ist immer wieder kritisiert worden 523. Der Vorwurf, die Formel sei ungenau, da vorvertragliche Schutzpflichten auch den mit dem negativen Interesse nicht identischen Integritätsschaden berühren könnten524, geht allerdings nach dem hier zugrundegelegten Verständnis von der Reichweite des gesetzlichen Schuldverhältnisses der culpa in contrahendo ins Leere: Soweit die vorvertragliche Aufklärungspflicht vor Vertragsschluß zu einer Integritätsverletzung führt, ist das gesetzliche Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen nicht betroffen. Diese Fälle sind dogmatisch gesehen dem Deliktsrecht zuzuordnen 525. Ist die Integritäts Verletzung nach Vertragsschluß auf eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung zurückzuführen, so wird dieser „Folgeschaden des Vertrags" vom negativen Interesse umfaßt 526 . Den Schwerpunkt dieses Abschnitts bildet die Frage, ob und in welchem Umfang trotz vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung das positive Interesse gewährt werden kann.
I. Schadensersatz 1. Begriffliche Abgrenzung Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die von Friedrich Mommsen 521 entwikkelte Formel, wie sie in § 249 S. 1 BGB zum Ausdruck gekommen ist: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Demnach ist die Vermögens- und Güterlage des Geschädigten unter hypothetischer Ausschaltung der Schutzpflichtverletzung mit dem tatsächlichen, durch die Schutzpflichtverletzung geschaffenen Schadensereignis zu vergleichen. Dabei unterschied Mommsen „das Interesse, welches der Gläubiger an der Erfüllung des Contracts hatte" von dem „Interesse, welches der Gläubiger daran 520 Ausnahmsweise kann die Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht auch zum Ersatz des positiven Interesses führen, siehe unten § 1312 a. 521 Vgl. die Fälle oben §3. 522 Statt vieler Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 100. 523 Zuletzt Lorenz, NJW 1999, 1001. 524 So Lorenz, NJW 1999, 1001. 525 Vgl. aber § 311 II Nr. 2 BGB n. F. Dazu ausführlich oben § 2 II (Fall 4). 526 Siehe oben §2 II la. 527 Zur Lehre vom Interesse (1855), S.3, 11.
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
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hatte, über die wahre Beschaffenheit der Leistung nicht getäuscht zu sein" 528 . Jhering übernahm den Gedanken Mommsens, indem er zwischen dem Interesse an der Erfüllung des Vertrags und dem Interesse am Nichtabschluß des Vertrags differenzierte. Diese beiden Interessenvarianten bezeichnete Jhering als das positive und das negative Vertragsinteresse 529. Gegenüber der Auffassung von Mommsen und Jhering, die das negative Interesse an die Ungültigkeit des Vertrags knüpften, ist nach heute allgemeiner Meinung der auf das negative Interesse gerichtete Ersatzanspruch auch dann gegeben, wenn es noch gar nicht zu einer vertraglichen Einigung gekommen ist (ζ. B. Abbruch von Vertragsverhandlungen) oder ein gültiger, aber unerwünschter Vertrag zustandegekommen ist. Heute wird das negative Interesse allgemein umschrieben als das Interesse daran, sich auf einen bestimmten Vertrag nicht eingelassen zu haben530, oder das Interesse an der Herstellung der Vermögenslage, die sich bei Vermeidung der in den Vertrag gesetzten Erwartungen ergeben hätte 531 . Der Gläubiger sei so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte 532 . Negatives Interesse und Vertrauensinteresse werden dabei meist synonym gebraucht 533. Zu beachten ist, daß der Aufwendungsersatzanspruch des § 284 BGB n. F. sich nicht mit dem negativen Interesse deckt. Vielmehr beschränkt sich der Ersatz auf „frustierte Aufwendungen". Ist dem Gläubiger im Vertrauen auf das Rechtsgeschäft ein anderes lukrativeres Geschäft entgangen, so erhält er diesen Vertrauensschaden nach § 284 BGB n. F. nicht ersetzt 534. Das positive oder Erfüllungsinteresse wird gemeinhin als das Interesse an der Wirksamkeit und Erfüllung eines Vertrags 535, das Interesse am Ersatz der „mit dem - wirksamen, unwirksamen oder lediglich intendierten - Vertrag verbundenen Erwartungen" 536 umschrieben. Der Gläubiger sei in diesem Fall so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte537. § 281 BGB n. F. wählt den Terminus „Schadensersatz statt der Leistung", womit das positive Interesse gemeint ist.
528 In: Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluß auf obligatorische Rechtsverhältnisse (1853), S. 107 (zit. bei Evans-von Krbek, AcP 179 [1979], 85,129). Ähnlich Savigny, System III, § 138 Fn.d (S.294). 529 Jherings Jahrb.4 (1861), 1, 16. 530 Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses (1977), S. 15. 531 Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S. 189 m. w.N. 532 Heinrichs in Palandt, Vor § 249 Rdz. 17. 533 Kritisch Grigoleit, aaO, S. 189 f., der das Vertrauensinteresse in Anlehnung an Canaris in positiven und negativen Vertrauensschutz unterteilen will, dazu ausführlich unten 3 a . 534 Canaris , JZ 2001, 499, 507, 517. 535 Rengier, aaO, S. 15. 536 Grigoleit, aaO, S. 189. 537 Heinrichs in Palandt, Vor § 249 Rdz. 16.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Bisweilen wird in der Literatur eine Trennung zwischen positivem und negativem Interesse generell in Frage gestellt538. Indes ist eine Differenzierung unvermeidlich: Erstens läßt sich der Umfang des Interesses nicht in jedem Fall durch „schlichte Subsumtion von § 249 S. 1 BGB" 5 3 9 ermitteln. In vielen Fällen knüpft das BGB nicht an eine Schutzpflichtverletzung als möglichen Ausgangspunkt einer Schadensberechnung an (vgl. z.B. §§ 1221,179II BGB), teilweise mangelt es am Kausalzusammenhang zwischen „Schutzpflichtverletzung" und dem vom Gesetz geforderten Schadensersatz (vgl. § 463 S. 2 BGB a. F., § 311 a II BGB n. F.). In den genannten Beispielen hilft § 249 S. 1 BGB zur Klärung, was das Gesetz unter Vertrauensschaden und Nichterfüllungsschaden versteht, nicht weiter. Zweitens gibt es Schutzpflichtverletzungen, die sowohl den Ersatz des negativen als auch des positiven Interesses verursachen könnten: So führt die Verletzung einer vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflicht grundsätzlich dazu, daß bei ordnungsgemäßer Aufklärung der tatsächlich geschlossene Vertrag nicht zustande gekommen wäre. Zu ersetzen ist demnach regelmäßig das Interesse an dem Nichtabschluß dieses Vertrags. Möglich ist jedoch auch, daß ohne die Aufklärungspflichtverletzung ein anderer, den Erwartungen des Gläubigers entsprechender Vertrag geschlossen und erfüllt worden wäre 540 . Vorausgesetzt, der Abschluß dieses Vertrags stünde zweifelsfrei fest 541 , wäre dem Gläubiger das positive Interesse an der Erfüllung dieses erwartungsgerechten Vertrags zu ersetzen. Ausgeschlossen ist jedoch, daß zum negativen Interesse zählende Schadensposten im Rahmen des positiven Interesses geltend gemacht werden oder umgekehrt 542. Nur die strikte Trennung dieser beiden Schadensarten gewährleistet, daß es nicht zu einer gegen den Grundsatz des § 249 S. 1 BGB verstoßenden Vermengung zweier verschiedener Kausalreihen kommt 543 , die durch eine Schutzpflichtverletzung ausgelöst worden sind. Zusammenfassend gilt folgendes: Das negative Interesse ist das Interesse am Nichtabschluß des tatsächlich geschlossenen Vertrags. Der Ersatz dieses Interesses bedingt regelmäßig eine Schutzpflichtverletzung, ohne die dieser Vertrag nicht geschlossen worden wäre, jedoch statuiert das BGB in besonderen Fällen Ausnahmen (vgl. §§1221, 179II BGB). 538
Vgl. ζ. B. die Kritik von Lorenz, NJW 1999, 1001. Lorenz, NJW 1999, 1001. 540 Siehe unten 3 (Fall 9). 541 Dazu unten 3. 542 Vgl. Zimmer, NJW 1997, 2345, 2351. 543 Nur die Einsicht, daß in diesen Fällen die Schutzpflichtverletzung zwei verschiedene Kausalreihen auslöst, verhindert die Subsumtion des Interesses an dem erwartungsgerechten Vertrag (positives Interesse) unter das Interesse am NichtZustandekommen des geschlossenen Vertrags (negatives Interesse): Der Nichtabschluß des erwarteten Vertrags ist nicht kausale Folge des tatsächlich geschlossenen Vertrags und gehört deshalb auch nicht zum negativen Interesse. Anders liegt der Fall bei entgangenen Verträgen mit Dritten: Deren Nichtabschluß zählt als Schadensposten zum negativen Interesse, da er auf der (vermeintlichen) vertraglichen Bindung mit dem Schuldner beruht. 539
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
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Das positive Interesse ist das Interesse des Gläubigers an der Erfüllung eines erwartungsgerechten Vertrags durch den Schuldner. Das positive Interesse ist zu ersetzen, wenn ohne die Schutzpflichtverletzung des Schuldners der tatsächlich zustandegekommene Vertrag erfüllt worden wäre (Beispiel: Zwischen Vertragsschluß und Übergabe zerstört der Verkäufer fahrlässig den Vertragsgegenstand) oder erwiesenermaßen ein anderer, den Erwartungen des Gläubigers entsprechender Vertrag zustande gekommen und erfüllt worden wäre (Beispiel: Siehe unten Fall 9). Schließlich gewährt das BGB ausnahmsweise in einigen Fällen auch ohne Vorliegen einer Schutzpflichtverletzung (§ 536 a I Alt. 1 BGB n.F.) bzw. ohne Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen „Schutzpflichtverletzung' 4 und Schaden (§ 463 S. 2 BGB a. F., § 311 a II BGB n. F.) das positive Interesse.
2. Das negative Interesse Wäre es bei ordnungsgemäßer Aufklärung des Schuldners gar nicht zum Vertragsschluß gekommen, so kann der Gläubiger das negative Interesse verlangen 544. Während die Pflicht zum Ersatz des positiven Interesses als sekundäre Leistungspflicht zum Erfüllungsinteresse im Gewand eines Schadensersatzanspruchs verhilft, ist das negative Interesse stets Gegenstand einer primären Schadensersatzpflicht 545. Der Vertrauensschaden besteht in erster Linie aus Aufwendungen, die der Geschädigte im Hinblick auf den Vertrag getätigt hat 546 . a) Begrenzung des Schadensersatzes auf den Betrag des Erfüllungsinteresses Die Diskussion um die Begrenzung der Haftung auf den Betrag des positiven Interesses nach dem Modell der §§122, 179, 307 (a.F.) BGB läuft zugespitzt auf die Frage hinaus, ob derjenige, welcher auf die Erfüllung eines Vertrags vertraut hat, hinterher bessergestellt werden darf als er im Falle der Erfüllung stünde. Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß der zum Schadensersatz berechtigte Teil nicht mehr fordern darf als er erwartet hat 547 . Dabei wird jedoch übersehen, daß die (berechtigte) Erwartung des Verhandlungsgegners hinsichtlich des Vertrags und seiner Erfüllung erst durch die Pflichtverletzung hervorgerufen wird. Hätte der Pflichtige den anderen Teil unmittelbar vor Vertragsschluß aufgeklärt, so wäre dieser Vertrag und damit verbunden ein Vertrauen auf Erfüllung gar nicht erst zustandegekommen. 544
RGZ 103,47, 51; 132, 76, 79; BGH VersR 1962, 562; NJW 1981, 2050, 2051. Pieper, JuS 1962, 409, 410. 546 Löwisch in Staudinger, Vor § 275 Rdz. 74. 547 Gottwald, JuS 1982, 877, 884; Larenz, FS Kurt Ballerstedt (1975), S.397, 419; Hans Stoll, FS Ernst von Caemmerer (1978), S.435, 451; ders., FS Werner Flume I (1978), S.741, 757. 545
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Tatsächlich ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Schadensersatz, welcher aus der Verletzung einer auf das negative Interesse gerichteten Schutzpflicht folgt, auf den Betrag des Erfüllungsinteresses begrenzt werden sollte 548 . Daß die §§ 1221, 179 II BGB die Haftung der Höhe nach auf den Betrag des positiven Interesses begrenzen, ergibt sich aus dem Ausnahmecharakter dieser Normen: In den §§1221, 179 II BGB wird eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung an die Stelle der grundsätzlich geltenden Verschuldenshaftung gesetzt.549 Diese strikte Haftung würde normalerweise zum Ersatz des Nichterfüllungsschadens führen, der Schadensersatz wird nur deshalb auf das negative Interesse begrenzt, weil das Gesetz die Nichtigkeit der vertraglichen Einigung vorsieht (§ 142, 177 BGB). Die Haftung auf das negative Interesse ist also in diesen Ausnahmefällen nicht Folge einer Schutzplichtverletzung, sondern, wie Rabel zutreffend formulierte, „das schwächere Surrogat des Rechts auf Erfüllung" 550 . § 307 1 1 BGB a. F. beruhte dagegen auf der Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht 551. Indem der Gesetzgeber hier an die Verletzung einer Aufklärungspflicht anknüpfte, wich er von den Vorstellungen des gemeinen Rechts ab, deren Vertreter die Haftung entweder auf eine Garantieerklärung gründeten oder einen Ersatzanspruch nur im Falle der Arglist bzw. grober Nachlässigkeit des Versprechenden gewährten 552. Die Gesetzesverfasser stellten dagegen erstmals 553 auf ein vorvertragliches Verschulden ab, vermochten jedoch die Konsequenzen dieser Entscheidung nocht nicht vollends zu durchschauen. Vielmehr überließen sie die Weiterentwicklung der culpa in contrahendo ausdrücklich der Wissenschaft 554. Die Beschränkung des Schadensersatzes in § 30711 BGB wurde überwiegend als verfehlt angesehen555. Zwingend ist die Begrenzung allerdings in den Fällen der §§1221, 179 II BGB, da der dort gewährte Schadensersatz nicht aus der Verletzung einer Schutzpflicht, sondern aus dem uneingeschränkten Einstehen für die abgegebene Willenserklärung folgt.
548
Ebenso RGZ 151, 357, 359f.; BGHZ 57, 191, 193; 69, 53, 56; NJW 1988, 2234, 2236; BAG DB 1974, 2060, 2061 f.; Emmerich in MünchKomm, Vor. § 275 Rdz. 194; Erman, AcP 139 (1934), 273, 331 f; Vollkommer in Jauernig, § 276 Rdz. 87; Wiedemann in Soergel, Vor §275 Rdz. 181, 188, 198. 549 siehe oben § 212 a und b. 550 Gesammelte Aufsätze I (1965), S. 147, 175. 551 Siehe dazu oben §2I2c. 552 Windscheid, § 315 Fn. 7 (S. 208 f.) m. w. N. 553 Daß auch Jhering in seiner „culpa in contrahendo" tatsächlich eine Garantiehaftung und keine Verschuldenshaftung sah, ist bereits erörtert worden, siehe ausführlich oben § 212. 554 Motive I, S. 195 = Mugdan I, S. 460; Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98. 555 So schon Erman, AcP 139, 331.
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
113
b) Vertragsauflösung Ist infolge der Aufklärungspflichtverletzung für den anderen ein wirtschaftlich nachteiliger Vertrag zustande gekommen, so kann dieser ein Interesse daran haben, von den eingegangenen Vertragspflichten befreit zu werden. Dem Verlangen nach Vertragsauflösung könnte die Regelung des § 1231 BGB entgegenstehen, wenn diese Vorschrift eine abschließende Funktion hätte. Die Rechtsprechung hat sich für eine gleichberechtigte Anwendung der culpa in contrahendo neben der Irrtumsanfechtung im Falle eines zur Vertragsauflösung führenden Schadensersatzanspruchs ausgesprochen556. Dafür spricht zum einen die unterschiedliche Konstruktion und Wirkungsweise beider Institute 557 . Die culpa in contrahendo ist ein Ersatzanspruch, der im Falle einer Vertragsauflösung auf Abgabe einer vertragsauflösenden Willenserklärung des Täuschenden gerichtet ist. Das Anfechtungsrecht dagegen ist ein Gestaltungsrecht, das der Getäuschte zur rückwirkenden Aufhebung seiner Willenserklärung (§ 1421 BGB) bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 119ff., 123 BGB nutzen kann 558 . In einer neueren Entscheidung hat der BGH seine Position bestätigt559. Dabei hat er auch im Hinblick auf eine deutlichere Abgrenzung zu den Anfechtungsregeln klargestellt, daß eine Vertragsauflösung auf der Grundlage der culpa in contrahendo nur unter der Voraussetzung bejaht werden könne, daß ein Vermögensschaden entstanden sei. Ein Vermögensschaden könne jedoch, so der BGH, bereits dann vorliegen, wenn bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung der Betroffene in seinen Vermögensdispositionen beeinträchtigt sei oder dadurch einen Vermögensschaden erleide, daß die Leistung für seine Zwecke nicht brauchbar sei (subjektbezogener Schadensbegriff) 560. Die Klarstellung des BGH bestätigt m. E. eine Selbstverständlichkeit: Die culpa in contrahendo ist ein Schadensersatzanspruch, seine Geltendmachung hängt daher von einem durch die Schutzpflichtverletzung kausal verursachten Vermögensschaden ab. Bei der Schadensermittlung kommt der BGH dem Getäuschten sehr entgegen: Ein Schaden liegt nur dann nicht vor, wenn bei objektiver Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung aufgrund wertender Betrachtung eine die Unko556 BGH NJW 1962, 1196, 1198f.; NJW 1968, 986, 987; NJW 1969, 1625, 1626; NJW 1979, 1983; NJW 1981, 976; W M 1982, 960f.; NJW 1984, 2814, 2815; NJW-RR 1988, 744, 745; NJW-RR 1997,144,145; NJW 1998,302. Zustimmend Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 74; Hildebrandt, Erklärungshaftung (1931), S.250; Köhler, BGB AT, § 14 Rdz.65; Larenz, FS Kurt Ballerstedt (1975), S.397, 410f.; Nipperdey in Enneccerus, Bürgerliches Recht AT, § 1761; Nirk, FS Philipp Möhring (1965), S.385, 405ff.; ders., FS Philipp Möhring (1975), S.71, 85; Schubert AcP 168 (1968), 470, 504 ff. 557 Ausführlich Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S.87ff. 558 Grigoleit, aaO, S.87f. 559 BGH NJW 1998, 302. 560 BGH NJW 1998, 302, 304.
8 Pohlmann
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
sten ausgleichende Wertsteigerung des (unerwünschten) Vertragsgegenstandes vorliegt, wofür der Pflichtige darlegungs- und beweispflichtig ist 561 . Eines Rückgriffs auf den Vertragsschluß als (immateriellen) Schaden, wie ihn ein Teil der Literatur zur Bejahung eines Schadensersatzanspruchs aus culpa in contrahendo genügen läßt 562 , bedarf es m. E. nicht. Nicht zu überzeugen vermag das von den Gegnern einer gleichberechtigten Anwendung der culpa in contrahendo vorgebrachte Argument, die Wertung des Gesetzes, die Vertragsauflösung auf Fälle vorsätzlichen Verhaltens des Erklärungsgegners zu beschränken (§ 1231 BGB), stünde im Einklang mit der deliktischen Regelung, die einen Schadensersatzanspruch ebenfalls an Vorsatz knüpft (§§ 826, 823 I I BGB iVm § 263 StGB) 563 . Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber hinsichtlich der Haftung des arglistig Täuschenden auf das Recht der unerlaubten Handlung verwiesen hat 564 ; die Bedeutung und Reichweite der culpa in contrahendo, zu deren Tatbeständen auch die fahrlässige Täuschung zählt, hat der Gesetzgeber dagegen noch nicht erkannt, diesbezügliche Fragen vielmehr ausdrücklich der Wissenschaft überlassen 565 . Mit § 123 BGB regelte der Gesetzgeber Sachverhalte, die im gemeinen Recht zu einer actio doli berechtigten: Die Willenserklärungen blieben im Falle des Betrugs gültig, der Getäuschte erhielt jedoch einen Anspruch aufgrund einer Einrede (exceptio doli) gegen das Erfüllungsbegehren des Täuschenden566. Zu der fahrlässigen Täuschung hat der Gesetzgeber dagegen nicht Stellung bezogen, § 123 BGB und der Verweis auf das Deliktsrecht galten ausschließlich der vorsätzlichen Täuschung. Inzwischen ist die Entwicklung jedoch fortgeschritten, das gesetzliche Schuldverhältnis der culpa in contrahendo mit besonderen Pflichten der Verhandlungsgegner anerkannt und in § 311 II BGB n. F. gesetzlich fixiert. Das Hauptargument der Gegner einer parallelen Anwendung beider Ansprüche liegt in der Befürchtung, daß ein auf Vertragsauflösung gerichteter Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo die Anfechtungsregeln vollkommen untergraben könnte 567 . Dagegen spricht jedoch, daß die Anfechtung des § 1231 BGB aufgrund ihrer dinglichen Wirkung über den Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo hinausgeht568: Damit ist zum einen gemeint, daß die Anfechtung im Falle arglistiger Täuschung auch zur Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts führt, während sich der Schadensersatzanspruch auf Verlangen der Rückübereignung beschränken muß 569 . Zweitens genießt der Getäuschte nach Anfechtung des Erfüllungsgeschäfts 561 562 563 564 565 566 567 568 569
BGH NJW 1998, 302, 305. So zuletzt Fleischer, AcP (200) 2000, 91, 111 ff. mit weiteren Nachweisen. Medicus, JuS 1965, 209, 212f. Motive I, S. 207 = Mugdan I, S. 467. Motive I, S. 195 = Mugdan I, S. 460. Motive I, S. 205 = Mugdan I, S. 466. So zB Canaris , ZGR 1982, 395, 416ff.; Medicus, Schuldrecht I, Rdz.450. RGZ 79, 194, 197; 84, 131, 134; BGH NJW 1962, 1196, 1198f. RGZ 69, 13, 16; 70, 55, 57 f.; BGHZ 58, 257, 258.
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
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im Insolvenzverfahren des Täuschenden größeren Schutz als bei der schadensrechtlichen Rückabwicklung570. Auch eröffnet die Anfechtbarkeit des Erfüllungsgeschäfts die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zur Verhinderung der Zwangsvollstreckung in den geleisteten Gegenstand571. Schließlich verhindert § 142 II BGB den gutgläubigen Erwerb, wenn der Anfechtungsgegner vor der Anfechtung an einen Dritten weiterverfügt hatte: Hier wird der Dritte, der die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts kannte oder kennen mußte, nach erfolgreicher Anfechtung so behandelt, als hätte er die Nichtigkeit des Geschäfts gekannt oder kennen müssen572. Es kann im Einzelfall einen erheblichen Unterschied ausmachen, ob ein Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe der Sache gegen den wegen § 142 I I BGB bösgläubigen Dritterwerber durchgreift oder der Getäuschte sich auf Ansprüche gegenüber dem Täuschenden beschränken muß 573 . Als letztes Argument für einen gleichberechtigten auf Vertragsauflösung gerichteten Schadensersatzanspruch stehen praktische Erwägungen: Da der Nachweis der Arglist in vielen Fällen nicht gelingt, ist eine Schadensersatzklage aus culpa in contrahendo mit weniger prozessualen Schwierigkeiten verbunden als die Anfechtung nach § 123 BGB 5 7 4 . Eine Grenze sollte gegenüber dem grundsätzlich richtigen Nebeneinander von Anfechtung und culpa in contrahendo jedoch gezogen werden: Wenn die arglistige Täuschung nur in der Frist des § 124 BGB angefochten werden kann, muß dies im Falle bloßer Fahrlässigkeit erst recht gelten. Daher ist es mE angebracht, den zeitlichen Rahmen des § 124 BGB auch auf die Fälle der vorvertraglichen culpa-Haftung zu erstrecken 575. c) Vertragsanpassung Fall 8: Verena (V) verkauft am 01.04.1998 Konrad (K) ihre Kneipe „Zur Gemütlichkeit". Einige Monate später stellt Κ fest, daß die dem Verkaufspreis zugrundegelegten Umsatzzahlen nicht richtig sind. Das Lokal war auf der Grundlage eines angenommenen Wertes von 100.000,-€ für 80.000,-€ verkauft worden, der tatsächliche Wert beträgt jedoch nur 70.000,-€. In der Zwischenzeit hatte Κ das Lokal vollkommen umgebaut; der neuen Einrichtung entsprechend heißt die Kneipe nun „Blaues Blut".
570
Dazu Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S. 104. BGH NJW 1994, 128, 129. 572 Dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rdz. 8. 57 3 AA Grigoleit (aaO, S. 105, S. 126), der betont, daß die Vorteile der Anfechtbarkeit des Erfüllungsgeschäfts sich nur bei identifizierbaren Gegenständen auswirken, woran es in den Fällen der Geldleistung mangele. 574 BGH NJW 1962, 1196, 1198; Nirk, FS Philipp Möhring (1975), S.71, 85. 575 Ebenso OLG Hamm NJW-RR 1995, 205, 206; Henrich, AcP 162 (1962), 88, 104; Larenz, Schuldrecht I, §912; Medicus, Schuldrecht I, Rdz. 109; Reinicke, JA 1982, l,4ff.; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 199. 571
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
aa) Standortbestimmung Die Vertragsanpassung als Inhalt des Schadensersatzanspruchs gehört in die Kategorie des negativen Interesses576. Nicht das Interesse des Geschädigten an der erwartungsgemäßen 577 Vertragserfüllung, sondern sein Interesse am Nichtabschluß des tatsächlich geschlossenen Vertrags wird mit Hilfe der Vertragsanpassung befriedigt. Andererseits spielt das positive Interesse insoweit eine Rolle, als daß im Rahmen der Vertragsanpassung die hypothetischen Erwartungen an den Vertrag zum Ausgangspunkt der Minderungsberechnung genommen werden, zumindest wenn man die Minderung am Modell des § 441 III BGB n. F. 578 orientiert 579. Kann der Geschädigte nachweisen, daß ohne die Schutzpflichtverletzung dieser Vertrag nicht abgeschlossen wurde, sondern ein anderer, günstigerer Vertrag, so ist ihm diese Vertragsanpassung im Rahmen des negativen Interesses zu gewähren. bb) Durchbrechung des § 249 S. 1 BGB Im Rahmen der Vertragsanpassung als Inhalt des Schadensersatzes sind zwei Situationen zu unterscheiden: Gelingt dem Geschädigten der Nachweis, daß der Vertrag bei gehöriger Aufklärung zu günstigeren Konditionen zustande gekommen wäre, so ist nach dem Grundsatz des § 249 S. 1 BGB der Vertrag dementsprechend anzupassen. Voraussetzung einer solchen Vertragsanpassung ist, daß entweder das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung gestört ist oder der Geschädigte aufgrund des Verhaltens des Schädigers Mehraufwendungen machen muß 580 . Problematisch sind dagegen die Fälle, in denen dieser Nachweis einer Vertragsanpassung nicht gelingt. Der Grundsatz der Naturalrestitution und das darin enthaltene Prinzip der hypothetischen Kausalität zwingen an sich zur Rückgängigmachung des Vertrags 581. Dennoch hat der BGH unter Umgehung dieses Grundsatzes die Möglichkeit einer Vertragsanpassung insbesondere beim Unternehmenskauf verfochten, wenn sich das Unternehmen nachher als „fehlerhaft" herausstellte bzw. Zusicherungen des Verkäufers nicht erfüllt wurden 582 . Dabei betonte das Gericht, daß es „nicht auf den - hypothetischen und ohnehin kaum zu führenden - Nachweis an [kommt], ob 576
Ebenso Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S. 197f.; Zimmer, NJW 1997, 2345,2351 Fn.62. 577 Der Gläubigers erhält nicht den erwarteten Wert der Leistung des Schuldners, sondern eine Minderung seiner eigenen Leistung. 578 §4721 BGB a.F. 579 Siehe unten dd. 580 BGH JZ 1999, 93,94. 581 Zimmer, NJW 1997, 2345, 2350. 582 BGHZ NJW 1977, 1536, 1538; BGH NJW-RR 1989, 306, 307.
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
117
auch der andere Teil sich damals mit einem Vertragsschluß unter diesen Bedingungen einverstanden erklärt hätte" 583 . Die rechtliche Behandlung von Unternehmenskäufen ist in der Tat problematisch: Zunächst ließen sich Unternehmen nach altem Recht kaum unter den Sachbegriff des § 459 I BGB a. F. einordnen 584. Zu einem Unternehmen gehören nicht nur Sachen, sondern auch Rechte und unkörperliche Geschäftswerte 585. Unklar bleibt weiterhin, wann ein Mangel im Sinne des § 434 BGB n. F. vorliegen soll: Dazu reicht es wohl kaum aus, daß ein LKW des Maschinenparks defekt ist 586 . Zweitens ist die Rücktrittsmöglichkeit des § 437 Nr. 2 BGB n. F. im Rahmen von Unternehmenskäufen oft unangemessen oder gar aus ökonomischen Gründen unmöglich. Unangemessen ist der Rücktritt, wenn falsche Angaben über Umsätze oder Erträge des Unternehmens587 lediglich auf einem Fehler in der Berechnungsgrundlage beruhen 588. Schwerwiegender sind ökonomische Hindernisse: Das Unternehmen ist ein „lebendiger sozialer Organismus in ständiger Veränderung" 589. So ist es möglich, daß das Unternehmen vom Erwerber innerhalb kürzester Zeit derart umgestaltet wird, bevor dieser den Fehler entdeckt, so daß es mit dem ursprünglichen Gegenstand der Veräußerung kaum noch Gemeinsamkeiten aufweist. Schließlich führte auch die vor der Modernisierung des Schuldrechts noch geltende kurze Verjährung des § 477 BGB a. F. beim Unternehmenskauf unter Umständen zu besonderen Härten 590 : Gerade wenn es um falsche Bilanzen oder Ertragsangaben geht, werden diese häufig erst bei Erstellung der nächsten Bilanz oder zu einem noch späteren Zeitpunkt aufgedeckt 591. Zur Ausschaltung der §§459 ff. BGB a. F. wurde der Fehler- bzw. Eigenschaftsbegriff von der Rechtsprechung so eingeengt, daß der Verkauf eines Unternehmens in den meisten Fällen nicht mehr unter die §§ 459 ff. BGB a. F. subsumiert werden konnte. So folgte der BGH einem Urteil des Reichsgerichts 592, nach dem die Ertragsfähigkeit keinen Fehler im Sinne des § 4591 BGB a. F. darstellen sollte 593 . Ferner seien, so die Auffassung des BGH, Ertrags- oder Umsatzangaben nur dann zusiche583
BGH NJW 1977, 1536; 1989, 1793, 1794; BGH NJW 1994, 663. Nach neuem Recht fallen Unternehmen unter die „sonstigen Gegenstände" des § 453 I BGB n. F., der auf die Vorschriften des Sachkaufs verweist. 585 Canaris , ZGR 1982, 395, 398. 586 Canaris , ZGR 1982, 395, 399. 587 Siehe BGH NJW 1970,653,655; W M 1974,51; NJW 1977,1536,1538; NJW-RR 1988, 744, 745. 588 Huber, ZGR 1972, 395, 416f. 589 Canaris , ZGR 1982, 395, 399. 590 Kritisch bereits Heck, Schuldrecht, §91, 11. 591 Canaris , ZGR 1982, 395, 401. 592 RGZ 67, 86, 87. 593 BGH NJW 1970, 653, 655; NJW 1977, 1536, 1537; NJW-RR 1989, 306, 307. 584
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
rungsfähige Eigenschaften (§§45911,463 S. 1 BGB a.F.) des Unternehmens, wenn sich die Angaben auf einen Zeitraum von mehreren Jahren bezögen594. Bei näherer Betrachtung der Rechtsprechung zum Unternehmenskauf wird schnell klar, daß die Bemühung im Vordergrund stand, eine Anwendung des Sachmängelrechts zu umgehen: Erstens war die vom BGH vertretene Ansicht, daß falsche Ertragsangaben zwar keine Fehler im Sinne des § 4591 BGB a. F. seien, wohl aber zusicherungsfähige Eigenschaften nach § 459 II BGB a. F., mit dem heute fast einhellig vertretenen subjektiven Fehlerbegriff (vgl. § 43411 BGB n. F.) nicht in Einklang zu bringen 595 . Zweitens war die Beschränkung nicht nachvollziehbar, Ertrags· und Umsatzangaben zur Bejahung der Eigenschaftsqualität im Sinne des § 459 II BGB a. F. an einen bestimmten Zeitraum zu binden. Die künstliche Einengung des Eigenschaftsbegriffs war das Ergebnis einer Zwangslage, in die sich der BGH durch den von ihm postulierten grundsätzlichen Vorrang der §§459 ff. BGB a. F. gegenüber der culpa in contrahendo im Falle fahrlässiger Aufklärungspflichtverletzung selbst hineingebracht hatte596. cc) Vertragsanpassung als Verstoß gegen § 249 S. 1 BGB Der Verzicht auf den nach § 249 S. 1 BGB erforderlichen hypothetischen Kausalverlauf resultiert aus der Schwierigkeit, dem Ersatzpflichtigen nachzuweisen, daß er sich mit einem Vertragsschluß zu für ihn ungünstigeren Bedingungen einverstanden erklärt hätte 597 . Jedoch ist eine Aufgabe des Kausalitätserfordernisses mit § 249 S. 1 BGB nicht in Einklang zu bringen 598. Teilweise zieht sich die Literatur auf das Argument zurück, ein derartiger Anspruch sei als Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung anzuerkennen, daher verfange die Kritik an der Unvereinbarkeit des Anspruchs mit der lex lata nicht 599 . Angesichts der kärglichen Argumente des BGH zugunsten einer Umgehung des § 249 S. 1 BGB ist dessen Position jedoch mit gutem Recht anfechtbar 600. Grundsätzlich sollte daher folgendes gelten: Die Behauptung, ohne die Aufklärungspflichtverletzung wäre ein Vertrag zu günstigeren Konditionen für den Käufer zustandegekommen, unterstellt eine in der Regel rein spekulative Einigung der Verhandlungspartner zu den günstigeren Bedingungen. Ein derartiger Anspruch ist mit 594
Grundlegend bereits RG, JW 1935, 1558, 1559. Siehe auch BGH NJW 1970, 653, 655; NJW 1977, 1536, 1537; NJW-RR 1989, 306; W M 1990, 1344. 595 Immenga, AcP 171 (1971), 1,15 ff.; Mössle, BB 1983, 2146, 2151; Willemsen, AcP 182 (1982), 515, 542; Zimmer, NJW 1997, 2345, 2347. 596 RGZ 135, 339, 346f.; 161, 330, 337; BGH NJW 1973, 1234; BGH NJW-RR 1988, 10, 11; BGH NJW 1991, 1223; dazu ausführlich unten § 101. 597 Lorenz, NJW 1999, 1001, 1002. 598 Tiedtke (JZ 1989, 569, 570) fordert daher eine Korrektur dieser Vorschrift. 599 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 81114c; Gottwald, JuS 1982, 877, 884. 600 Medicus, FS Hermann Lange (1992), S.539, 556ff.
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
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§ 249 S. 1 BGB unvereinbar 601. Die Anordnung einer Vertragsanpassung untergräbt zudem die Parteiautonomie 602. Ein über den status quo hinausgehender Schutz besteht daher in diesem Falle nur dann, wenn zweifelsfrei feststeht, daß ohne die Schutzpflichtverletzung ein Vertrag zu einem günstigeren Preis zustande gekommen wäre 603 . In allen anderen Fällen kann nur folgendes mit Sicherheit festgestellt werden: Ohne die vorvertragliche Schutzpflichtverletzung wäre dieser Vertrag nicht zustandegekommen. Der Pflichtige hat daher die im Vertrauen auf den Vertragsschluß nutzlos getätigten Aufwendungen zu ersetzen. dd) Korrektur des § 249 S. 1 BGB zur Vermeidung unerträglicher Ergebnisse In manchen Fällen stößt eine Aufhebung des Vertrags unter Rückforderung des Kaufpreises und getätigter Aufwendungen, auch wenn diese nach §249 S. 1 BGB die einzige Möglichkeit ist, auf ökonomische Hindernisse. Gerade die Rückgabe eines Unternehmens kann dem Käufer unmöglich geworden sein, wenn er dieses beispielsweise bereits in seinem Betrieb eingegliedert hat 604 . So wäre im Fall 8 weder Κ noch V mit einer Rückgabe der Kneipe gedient. Hier ist eine „Randberichtigung" 605 des § 249 S. 1 BGB unumgänglich. Wichtig ist jedoch, daß der Kernbereich des § 249 S. 1 BGB unangetastet bleibt. Wäre ohne die Schutzpflichtverletzung ein Vertrag nicht zustande gekommen, so ist der status quo ante herzustellen. Der Geschädigte darf also mit Vertrag nicht schlechter stehen als ohne Vertragsschluß, er darf aber auch nicht besser stehen. Diesem Prinzip wird entsprochen, wenn dem Geschädigten, der sich für ein Festhalten an dem Vertrag entscheidet, die Differenz zwischen dem gezahlten Preis und dem tatsächlichen Wert des Unternehmens als Schadensposten zugestanden wird 606 . In diesem Falle könnte der Käufer das negative Interesse liquidieren 607 . In Fall 8 war das Lokal bei Vertragsschluß 70.000,-€ wert, Κ hat jedoch 80.000,-€ gezahlt, so daß ihm 10.000,-€ Schadensersatz zustehen. Nach Zahlung des Differenzbetrags hat der Käufer genau soviel, wie er besäße, wenn er nie etwas von dem Unternehmenskauf gehört hätte. Demgegenüber wird der Kern des § 249 S. 1 BGB in unzulässiger Weise aufgeweicht, wenn der Erwerber auch dann Schadensersatz beanspruchen könnte, wenn der Wert des Unternehmes dem Preis entspricht oder diesen gar übersteigt. Hätte Κ in Fall 8 für das Lokal 70.000,-€ gezahlt, welches ohne den verschwiegenen Umstand 100.000,-€ wert ist, so könnte man den Standpunkt vertreten, daß Κ bei einem 601
Basedow, NJW 1982, 1030; Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 102; ders., JZ 1990, 1077,
1079. 602
Canaris , ZGR 1982, 395, 421. BGH JZ 1999, 93; Tiedtke, W M 1993, 1228, 1232. 604 Siehe Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 81114c; Tiedtke, JZ 1989, 569, 570. 605 Tiedtke, JZ 1989, 569, 572. 606 Dafür der XI. ZS des BGH in WM 1988, 1685, 1688; Medicus, FS Hermann Lange (1992), S.539, 558; Tiedtke, JZ 1989, 569, 571 f. 607 Medicus, FS Hermann Lange (1992), S.539, 555, 558; Tiedtke, JZ 1989, 569, 571. 603
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tatsächlichen Wert von 80.000,-€ nur noch 56.000,-€ zahlen muß: Um die am hypothetischen Wert orientierte Gewinnspanne könnte der Käufer seinen Kaufpreis nach dem Modell des § 441 BGB n. F. mindern 608 . Der Käufer würde hier durch den Schadensersatzanspruch wirtschaftlich besser gestellt, als er stünde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, obwohl er nach § 249 S. 1 BGB nur so gestellt werden darf, als wäre der Vertrag nicht zustande gekommen. Nach dieser Schadensersatzvariante erhält der Käufer „unter der Tarnkappe des Vertrauensschadens 4'609 das Erfüllungsinteresse. Nach dem zuerst genannten Vorschlag hätte Κ in der letzten Variante von Fall 8 keinen Anspruch auf Schadensersatz, da der tatsächliche Wert der verkauften Sache (80.000,- €) höher ist als der vereinbarte Kaufpreis (70.000,-€). Lediglich zur Vermeidung eines im Einzelfall nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unerträglichen Ergebnisses ist eine Berichtigung des §249 S. 1 BGB dahingehend geboten, daß dem Käufer die Möglichkeit eines kleinen Schadensersatzanspruchs unter Beibehaltung der Verkäuferleistung eingeräumt wird. Ein derartiger Schadensersatzspruch scheidet jedoch aus, wenn der objektive Wert der Leistung dem vom Käufer gezahlten Preis entspricht und der Käufer nur um einen zusätzlichen Vorteil gebracht wird.
3. Vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung und positives Interesse Fall 9: Herr Schmidt (S) möchte seinen Sommerurlaub in der Türkei verbringen. Zu diesem Zweck verabredet er sich mit dem Versicherungsagenten Tranig (T), um eine Auslandsbanken· und Reiseversicherung abzuschließen. Herr Tranig empfiehlt für die Türkei die „EuroPolice". Als schließlich der Schadensfall eintritt, verweigert die Versicherung die Zahlung, da der Urlaubsort des S in der Türkei nicht von der Versicherungspolice umfaßt ist.
Das Wesen der Aufklärungspflicht, welches sich meist in der Weitergabe einer bestimmten Information erschöpft, steht einer Verursachung der Nichterfüllung der Leistungspflicht des tatsächlich geschlossenen Vertrags regelmäßig entgegen610. 608 Explizit hat sich der BGH noch nicht auf § 472 BGB a. F. als Grundlage der Schadensberechnung berufen. Einige Entscheidungen verfolgen jedoch zumindets diesen Ansatz, vgl. BGH NJW 1981, 2050, 2051; NJW-RR 1988, 10, 11; WM 91, 695, 698; NJW 1993, 1323, 1325. Ebenso Prölss, ZIP 1981, 337, 346. Kritisch, aber iE zustimmend Basedow, NJW 1982, 1030,1031 ; Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 102; Hiddemann, ZGR 1982,435,448 f.; Larenz, Schuldrecht I, §913. 609 Basedow, NJW 1982, 1030. 610 Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn eine Auskunft Vertragsinhalt ist. Wird die Auskunft nicht erteilt, liegt Nichterfüllung einer Leistungspflicht vor. Die zu dieser Nichterfüllung führende Schutzpflichtverletzung kann unterschiedlicher Art sein: Der Auskunftspflichtige mag die notwendige Sorgfalt bei der Informationsbeschaffung unterlassen haben, die Information vergessen oder verschludert (Akten, Bedienungsanleitung) haben etc. Die Verursachung einer fehlenden oder fehlerhaften Auskunft durch Verletzung einer Aufklärungspflicht erscheint mir dagegen nicht möglich zu sein. Lediglich wenn der Informationspflichtige bereits
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
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Schwerpunkt der auf den Nichterfüllungsschaden gerichteten Schutzpflichten bilden die zahlreichen vertraglichen Sicherungs- und Sorgfaltspflichten zum Schutz der Leistungserfüllung 611. Möglich ist jedoch, daß ohne die Aufklärungspflichtverletzung ein anderer, den Erwartungen des Gläubigers entsprechender Vertrag geschlossen und erfüllt worden wäre (Fall 9). Das Interesse an der Erfüllung eines anderen, für den Gläubiger günstigeren Vertrags ist zweifellos dann zu berücksichtigen, wenn die Aufklärungspflichtverletzung einen Vertragsschluß mit einem Dritten zu günstigeren Bedingungen verhindert hat 612 . In diesem Fall ist der Gewinnverlust Teil des vom Schuldner zu ersetzenden negativen Interesses 613. Demgegenüber kann sich der Gläubiger grundsätzlich nicht darauf berufen, daß er mit dem Schuldner ohne dessen Aufklärungspflichtverletzung einen günstigeren Vertrag geschlossen hätte 614 . Hier greifen dieselben Argumente durch wie im Rahmen der Vertragsanpassung: Weist der Geschädigte nicht nach, daß ohne die Pflichtverletzung ein anderer, günstigerer Vertrag zustande gekommen wäre, so muß sich der Schadensersatz auf das negative Interesse beschränken615. Anderenfalls liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Privatautonomie vor, wonach es in der Hand beider Parteien liegt, sich für oder gegen einen Vertrag zu entscheiden. Diese Entscheidung darf auch nicht mittelbar durch Anordnung des Nichterfüllungsschadens umgangen werden 616. Eine Schutzpflicht des Inhalts, daß ein vom Gläubiger gewünschter Vertrag nicht verweigert werden dürfte, existiert nicht. Der Schuldner hat vielmehr jederzeit das Recht, während der Verhandlungen den Vertragsschluß abzulehnen. Der Gläubiger darf daher nicht so gestellt werden, als habe eine Pflicht zum Vertragsschluß bestanden617. bei Vertragsschluß nicht in der Lage war, die Information zu verschaffen, hat er eine Aufklärungspflicht verletzt, die jedoch nur zum Ersatz des negativen Interesses führt. Vgl. zur Unterscheidung zwischen Aufklärungs- und Auskunftspflichten oben § 1 II 1. 611 Ausnahmsweise kann auch eine Aufklärungspflicht auf das positive Interesse gerichtet sein, siehe unten § 13 II 1 a (Werkvertrag). 612 BGH NJW 1988, 2234,2236; JZ 1999, 93, 94; Battes in Erman, § 276 Rdz. 124; Emmerich in MüchKomm, Vor § 275 Rdz. 202; Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 101. Dieser Schaden wird von § 284 BGB n. F. nicht abgedeckt. 613 Hans Stoll, JZ 1999, 95, 96. 614 Löwisch in Staudinger, Vor § 275 Rdz. 75. 615 Deutlich zuletzt BGH JZ 1999, 93; zustimmend Lorenz, NJW 1999, 1001, 1002; Hans Stoll, JZ 1999, 95. 616 Etwas anderes könnte nur für den Ausnahmefall gelten, wenn die Beklagten der Behauptung des Klägers, bei pflichtgerechter Aufklärung wäre ein Vertrag zu den gewünschten Bedingungen zustande gekommen, nicht entgegentreten, vgl. BGHZ 40, 22, 27 f. Denkbar sind auch Ausnahmekonstellationen, in denen die Verweigerung des Erfüllungsinteresses Treu und Glauben widerspräche, weil z.B. ohne Zweifel davon auszugehen ist, daß die andere Partei ihr Einverständnis erklärt hätte oder die Klausel, über die hätte aufgeklärt werden sollen, nachträglich gestrichen worden ist. 617 Ebenso Hans Stoll, JZ 1999, 95, 96.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Bevor die Ausnahmen dieses Grundsatzes am Beispiel der Versicherungsverträge erläutert werden (dazu unter b), soll zunächst zu dem Versuch Stellung genommen werden, den Schadensersatzumfang an der Vertrauensrichtung des Gläubigers auszurichten (dazu a). a) Der „positive Vertrauensschutz" Es hat nicht an Versuchen gemangelt, den Grundsatz zu durchbrechen, nach dem eine vorvertragliche Schutzpflichtverletzung nur zum Ersatz des negativen Interesse führt 618 . Teilweise wird dabei auf eine Unterscheidung von Canaris aufgebaut, der von einer „zweispurigen" Vertrauenshaftung ausging619: Im Rahmen des „negativen" Vertrauensschutzes soll der Vertrauende so gestellt werden, als hätte er nicht auf den Vertrag vertraut. Der „positive" Vertrauensschutz stellt den Berechtigten dagegen so, wie es der von ihm angenommenen Situation entsprochen hätte620. Während die Aufklärungspflichtverletzung im Rahmen des „negativen" Vertrauensschutzes hinweggedacht wird, soll beim „positiven" Vertrauensschutz die vorgespiegelte Information als zutreffend unterstellt werden. Der Versuch, den Umfang des Schadensersatzes am Vertrauensschutz auszurichten, ist insofern hilfreich, als in ihm das Dilemma zwischen der auf das negative Interesse gerichteten Aufklärungspflichtverletzung und dem oft darüber hinausgehenden Vertrauen des Gläubigers auf Vertragserfüllung offenkundig wird. Im übrigen scheint mir das Abstellen auf die Vertrauensrichtung des Gläubigers zur Auslotung des Schadensersatzumfanges nicht geeignet zu sein: Zunächst ist unklar, anhand welcher Kriterien das auf das negative Interesse gerichtete Vertrauen des Geschädigten von dem auf das positive Interesse gerichteten Vertrauen abgegrenzt werden soll. Sicherlich löst eine ausdrückliche Zusicherung des Schuldners ein gesteigertes Vertrauen des Gläubigers aus; doch ist gerade der Fall der Zusicherung nicht unter die Gruppe der culpa in contrahendo einzuordnen, sondern gehört vielmehr in die Kategorie der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung. Wer dagegen auf eine Schutzpflichtverletzung des Schuldners zur Begründung eines auf das positive Interesse ausgerichteten Vertrauensschutzes abstellt, verkennt, daß vorsätzliches oder gar arglistiges Verschweigen gegenüber einer fahrlässigen Täuschung kein gesteigertes Vertrauen des Geschädigten hervorruft 621. Das Vertrauen des Gläubigers ist 618
BGHZ 108, 200, 207 f.; BGH NJW 1993, 520, 521; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 508, 510; OLG Koblenz, W M 1993, 1241, 1243. 619 Canaris , Vertrauenshaftung (1971), S.5. Ihm folgend OLG Koblenz, W M 1993, 1241, 1243; Crezelius, ZIP 1984, 791, 793; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S. 190; Georg Müller, Informationspflichten (1994), S. 204; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 63 f. 620 Canaris , aaO, S. 5 f.; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 64. 621 Auch die „Berechtigungs- und Verständnisprüfung" v. Cr aushaar s hilft nicht weiter: Nach dieser Theorie soll dem Vertrauenden in bestimmten Fällen Verständnis für die Nichterfüllung seines Vertrauens zugemutet werden, so daß sich der Schadensersatzanspruch dann auf
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vielmehr immer in gleicher Weise auf vollständige und fehlerfreie Erfüllung gerichtet, der arglistig handelnde Verkäufer kann dieses Vertrauen nicht steigern 622. Auch der Hinweis auf die §§463, 635 BGB a. F., § 536 a BGB n. F. geht ins Leere 623 : Diese Vorschriften gewähren das positive Interesse aus ganz unterschiedlichen Gründen: §§463 BGB a. F., 536 al Alt. 1 BGB n. F. sind Beispiele einer Garantiehaftung. In den §§ 536al Alt. 2 und 3 BGB n. F., 635 BGB a. F. korrespondiert der „positive" Vertrauensschutz des Gläubigers mit einer auf das positive Interesse gerichteten Schutzpflichtverletzung. Lediglich §463 S.2 BGB a.F. hätte nach damals geltendem Recht als Waffe für das Argument ins Feld geführt werden können, daß trotz einer auf das negative Interesse gerichteten Aufklärungspflichtverletzung der „positive" Vertrauensschutz gewährt wird 624 . Jedoch genoß § 463 S. 2 BGB a. F. im BGB eine Sonderstellung. Auch muß man sich fragen, ob §463 S.2 BGB a.F. tatsächlich ein Fall der culpa in contrahendo war 625 . Verfehlt erscheint mir der Hinweis auf die §§ 5231, 5241 BGB zur Untermauerung der These, daß trotz vorvertraglicher Schutzpflichtverletzung das positive Interesse gewährt werden könne 626 . Wie bereits der Vergleich zu den §§ 523 II, 524II BGB zeigt, gewähren die §§ 5231,5241 BGB nicht den Nichterfüllungsschaden, sondern beschränken sich auf das negative Interesse 627. Aus der „Vertrauensrichtung" des Getäuschten läßt sich der Umfang des Schadensersatzes nicht herleiten 628. Das Vertrauen des Geschädigten auf Vertragserfüllung mag noch so berechtigt sein; hat die Schutzpflichtverletzung die Nichterfüllung nicht verursacht, so ist trotz eines weitergehenden Vertrauens des Gläubigers grundsätzlich nur das negative Interesse zu gewähren. Lediglich die Garantiehaftung vermag das Vertrauen auf die Erfüllung gegenüber einer auf das negative Interesse gerichteten Schutzpflichtverletzung durchzusetzen, da die strikte Haftung den Grundsatz der Kausalität (§ 249 S. 1 BGB) und den Verschuldensgrundsatz (§ 2761 BGB) durchbricht. das negative Interesse beschränkt. Bei vorsätzlicher Vertrauensstörung sei dagegen kein Verständnis des Vertrauenden für die Nichterfüllung seines Vertrauens zu erwarten, so daß das Erfüllungsinteresse zu ersetzen sei (v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung [1969], S. 38 ff.; ders., JuS 1971,127,129ff.). V. Craushaar ist entgegenzuhalten, daß er mit dieser Differenzierung tatsächlich gar nicht auf die Vertrauensperspektive abstellt, da die Erwartung des Vertrauenden immer dieselbe ist, unabhängig davon, ob die Vertrauensstörung vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wurde. Tatsächlich verbirgt sich unter dem Deckmantel des Vertrauensschutzes die Anknüpfung an die Handlungsperspektive. Vgl. die Kritik von Canaris, aaO, S. 6 Fn. 12. 622 Canaris selbst betont, daß sich aus dem Vertrauensgedanken selbst nicht entnehmen läßt, wann welcher Vertrauensschutz zum Zuge kommt (in: Vertrauenshaftung [1971], 5 f.). 623 Darauf beruft sich Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 64. 624 So Müller, S. 203 f. 625 Siehe dazu ausführlich unten § 1013 c. 626 Müller, aaO, S. 204. 627 Siehe oben§2I2d. 628 So aber OLG Koblenz, W M 1993, 1241, 1243; Müller, aaO, S.204f.
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
b) Die versicherungsrechtliche
Erfüllungshaftung
Die Bemühungen, trotz vorvertraglicher Schutzpflichtverletzung dem Erfüllungsinteresse des Gläubigers zur Geltung zu verhelfen, haben vor allem bei Versicherungsverträgen Bedeutung erlangt 629. Die Aufklärungspflichtverletzung könnte in diesen Fällen die Nichterfüllung des Vertrags verursacht haben. So wäre in Fall 9 bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Vertrag wahrscheinlich mit der von S gewünschten Deckung geschlossen und erfüllt worden 630. Kann zweifelsfrei davon ausgegangen werden, daß beide Parteien mit einem geänderten Vertragsinhalt einverstanden gewesen wären, ist der Nichterfüllungsschaden zu ersetzen 631. Zu Recht weist Reiff darauf hin, daß in einer Zeit, in der nahezu jedes Risiko versicherbar ist, im Bereich der Versicherungsverträge die Grenzen zwischen positivem und negativem Interesse verwischen 632. Regelmäßig kann der Versicherungsnehmer daher den Nichterfüllungsschaden verlangen. Eine Haftungserstreckung auf das positive Interesse gewährt außerdem eine verschuldensunabhängige Erfüllungshaftung, welche von der Rechtsprechung für Versicherungsverträge entwickelt worden ist 633 . Voraussetzung der gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung ist, daß der Versicherungsagent falsche Angaben bezüglich des Vertragsinhaltes gemacht bzw. erkennbare Fehlvorstellungen des Versicherungsnehmers nicht korrigiert hat. Der Versicherer hat für mangelnde Aufklärung des Versicherungsagenten hinsichtlich eines vertragswesentlichen Punktes einzu629 Mit Einführung des Versicherungsbinnenmarktes im Jahre 1994 sind aufsichtsbehördliche Kontrollkompetenzen hinsichtlich Inhalt und Angemessenheit der Allgemeinen Versicherungsbedingungen entfallen. Damit fällt auch die behördliche Kompetenz weg, den Versicherern Hinweispflichten zum Schutz der Verbraucher aufzuerlegen. Angesichts dieser Beschränkung staatlicher Kontrolle werden Aufklärungspflichten zugunsten der Versicherungsnehmer zukünftig eine noch größere Rolle spielen. Den gestiegenen Informationsbedarf sollen gesetzlich statuierte Aufklärungspflichten kompensieren (vgl. §§10,10 a VAG, § 5 a W G ) . Ausführlich dazu Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 192ff., 211 ff.). 630 Ist der eingetretene Schaden jedoch ausnahmsweise nicht versicherungsfähig, scheitert es wieder an der Kausalität zwischen Schutzpflichtverletzung und Schaden: Auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte eine Versicherung dieses Inhalts nicht abgeschlossen werden können. In einem so gelagerten Fall kann nur das gewohnheitsrechtliche Institut der verschuldensunabhängigen „Erfüllungshaftung" das positive Interesse sichern, vgl. RGZ 86,128,134, zustimmend Hohloch, VersR 1980, 107, 116. 631 So lag der Fall etwa in BGHZ 40,22,27 f.; Dort waren die Beklagten der Behauptung des Klägers, bei pflichtgemäßer Aufklärung wäre ein Vertrag mit erweitertem Versicherungsschutz zustande gekommen, nicht entgegentreten. 632 Reiff, r+s 1998, 89, 92. 633 RGZ 147, 186, 188; BGHZ2, 87, 92; 40, 22, 26f., 108, 200, 205 f.; VersR 1964, 36, 37; VersR 1978, 457, 458; VersR 1986, 329, 330; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1525; VersR 1998,236. Ausführlich Hohloch, VersR 1980,107; Messerschmidt, Hinweispflichten des Versicherers (1986), S. 308 ff; Reiff, r+s 1998, 89, 91 ff.
§ 5 Die Rechtsfolgen der Verletzung von Aufklärungspflichten
125
stehen, ohne daß es auf ein Verschulden des Agenten oder des Versicherers ankommt 634 . Diese gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung wird sowohl nach Voraussetzungen als auch Rechtsfolgen von der culpa in contrahendo unterschieden 635: Weder Verschulden des Pflichtigen noch Mitverschulden des Berechtigten (§ 254 BGB) gelangen bei ihr zur Anwendung 636. Vielmehr entfällt die Haftung nach dem Vorbild der §§ 1221, 179 BGB vollends, wenn den Versicherungsnehmer erhebliches eigenes Verschulden trifft 637 . Der Erfüllungsanspruch geht dahin, daß der Versicherungsvertrag nach Maßgabe der falschen Angaben des Versicherungsagenten umgestaltet wird. Der Versicherungsnehmer erhält dann im Schadensfall einen ausgleichenden Ersatz für die aufgrund der Schutzpflichtverletzung ausgefallene Deckung638. Die versicherungsrechtliche Erfüllungshaftung verhilft dem Versicherungsnehmer zu dem von ihm „wirklich" gewollten Vertragsinhalt. Nach meinem Dafürhalten läßt sich die in der Erfüllungshaftung zu Tage tretende Abweichung von dem im BGB zugrundegelegten Verschuldensprinzip unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers rechtfertigen: Die Ware „Versicherung" ist für den Versicherungsnehmer nicht wahrnehmbar. Die Qualität und die Eigenschaften des „Rechtsproduktes" Versicherung lassen sich durch Inspektion oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen nicht nachprüfen 639. Der Versicherungsnehmer ist daher in besonderem Maße auf die Richtigkeit der Erklärungen des Versicherungsagenten angewiesen640. Zu bedenken ist auch, daß Versicherungsverträge oft überaus kompliziert und schwer verständlich sind. Die Bestimmung der richtigen Versicherungssumme beispielsweise ist für den Laien oft unmöglich und stellt selbst Experten mitunter vor Probleme 641. Ein letzter Gesichtspunkt sind die zum Teil erheblichen Nachteile eines nicht bedarfsgerechten Vertrags. Man denke ζ. B. an eine ungenügende Haftpflichtversicherung, die ohne weiteres den finanziellen Ruin herbeiführen kann. Aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses des Versicherungsnehmers erscheint es m. E. gerechtfertigt, den Versicherer verschuldensunabhängig für Erklärungen seines Versicherungsagenten einstehen zu lassen. 634
BGHZ 40, 22, 24, 26; 108, 200, 206. Richtig Schimikowski, JA 1986,345, 350f. Ungenau Gottwald (JuS 1982, 877,880), der in der Erklärungshaftung lediglich einen Unterfall der culpa in contrahendo erblicken will. 636 BGHZ 40, 22, 26. 637 BGHZ 40, 22, 26. 638 Battes in Erman, § 276 Rdz. 120; Hohloch, VersR 1980, 107, 116. 639 Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 208. 640 Hohloch, VersR 1980, 107, 112. 641 Kieninger, aaO, 201 f. 635
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
Daß neben der versicherungsrechtlichen Erfüllungshaftung auch die Grundsätze der culpa-Haftung anwendbar sind, wurde von der Rechtsprechung zu Recht klargestellt642. Eine praktische Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen beiden Instituten jedoch kaum, da auch die Haftung aus culpa in contrahendo in der Regel zum Ersatz des positiven Interesses führt 643 .
c) Fazit Das Verschuldensprinzip des Bürgerlichen Gesetzbuches ist nicht nur im Rahmen der Haftungsbegründung, sondern auch bei der Frage nach dem Haftungsumfang zu berücksichtigen: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der haftungsbegründende Umstand (die Schutzpflichtverletzung) nicht eingetreten wäre, §249S.l BGB. Vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichtverletzungen führen nur ausnahmsweise zum Ersatz des positiven Interesses: Dieses ist zum einen dann zu gewähren, wenn „im Einzelfall feststeht, daß die Vertragspartner ohne das schuldhafte Verhalten statt des abgeschlossenen Vertrags einen anderen, für den Geschädigten günstigeren Vertrag abgeschlossen hätten" 644 . Davon ist allerdings bei Versicherungsverträgen in aller Regel auszugehen, da Versicherungen heutzutage fast jedes Risiko abdecken. Gelingt dem Getäuschten ein solcher Nachweis nicht 645 , so kann nur eine „Korrektur" des § 249 S. 1 BGB den Ersatz des Nichterfüllungsschadens herbeiführen.
II. Mitverschulden Nach den §§ 122 II, 179 III BGB ist der Ersatzanspruch ausgeschlossen, wenn der andere Teil den zum Schadensersatz verpflichtenden Umstand kannte oder kennen mußte. Der strikte Haftungsausschluß im Falle eines Mitverschulden des Geschädigten ist die Kehrseite der strikten Haftung des Anfechtenden bzw. Stellvertreters (§§ 1221, 179 I I BGB). Die verschuldensunabhängige Haftung ergibt sich aus der besonderen Schutzbedürftigkeit des anderen Teils, von dem in diesen Situationen die Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung in der Regel nicht erkannt werden kann 646 . 642
BGHZ 40, 22, 27; 108, 200, 206f.; OLG Hamm NJW-RR 1986, 391, 392; OLG Oldenburg VersR 1998, 220, 221. 643 Reiff; r+s 1998, 89, 92. 644 So in zu begrüßender Deutlichkeit BGH JZ 1999, 93; zustimmend Lorenz, NJW 1999, 1001 f.; Hans Stoll, JZ 1999, 95 ff. 645 Zu dem Beweisproblem ausführlich Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung (1997), S. 201 ff. 646 Siehe oben § 212 a und b.
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Im Rahmen der Haftung aufgrund Verletzung einer Aufklärungspflicht ist ein Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB zu berücksichtigen 647. Im Falle des Abbruchs von Vertragsverhandlungen können überhöhte Aufwendungen nicht ersetzt werden, da der Geschädigte insoweit wegen des nocht nicht geschlossenen Vertrags auf eigenes Risiko handelt648. Im Rahmen der Prospekthaftung soll Mitverschulden der Anleger vorliegen, wenn Warnungen Dritter oder des Beraters mißachtet werden 649. Zu Recht weist Gottwald darauf hin, daß vorrangig zu prüfen sei, ob das Mitverschulden des Geschädigten nicht bereits die angebliche Pflichtverletzung des anderen Teils entfallen lasse650. Dieser Punkt verdient nach meinem Dafürhalten insbesondere bei der Prüfung der Verletzung einer Aufklärungspflicht Beachtung. Wie bereits erörtert, stellt die Erkundigungspflicht des Gläubigers das Pendant zur Aufklärungspflicht des Schuldners dar 651 . So muß der Gläubiger sich hinsichtlich bestimmter Umstände, deren Vorliegen ihm bei Abschluß des Vertrags von Bedeutung sind, selbst informieren. Bei Fehlen eines derartigen Hinweises kann auf der Schuldnerseite eine Aufklärungspflicht erst gar nicht entstehen652.
647 648 649 650 651 652
BGH NJW 1972, 822, 824; W M 1974, 687; OLG Hamm, ZIP 1982, 1061. BGH MDR 1974, 918; kritisch Mr*, FS Möhring (1975), S.71, 94f. Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 342 m. w. N. Gottwald, JuS 1982, 877, 884. Siehe oben §41. Siehe unten § 111 („Kartoffelpülpefall").
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1. Teil: Die Aufklärungspflicht im System der Schutzpflichten
§ 6 Zwischenergebnis Aufklärungspflichten ruhen auf drei Säulen: Vertrag, Delikt und dem gesetzlichen Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen. Das gesetzliche Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen beherbergt nur einen Teil der Schutzpflichten: Die vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflichten. Die Beschränkung hängt damit zusammen, daß sich das Schuldverhältnis der Verhandlungen nur dann dogmatisch begründen läßt, wenn man es auf seinen Zweck reduziert. Die Verhandlungen stellen das exklusive Forum der Vertragsfreiheit dar, nur diejenigen Schutzpflichten werden von dem Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen erfaßt, die unmittelbar dem Schutz der Vertragsfreiheit dienen (§21). Demgegenüber stellen die auf das Integritätsinteresse gerichteten, vorvertraglichen Aufklärungspflichten originäres Deliktsrecht dar. Dem Schuldverhältnis der Verhandlungen können diese Schutzpflichten nicht zugeordnet werden, da sie nicht den Schutz der Vertragsfreiheit bezwecken (§211). Die vertraglichen Aufklärungspflichten entspringen der vertraglichen Vereinbarung. Indem der Schuldner seiner Leistungspflicht nachkommt, besorgt er für den Vertragspartner ein Geschäft. „Geschäftsbesorgung" ist kein eigenständiger Vertragstypus, sondern ein Aspekt der Leistungspflicht, in dem ein vertragsübergreifender Schutzpflichtenkomplex (§§ 663 ff. BGB) zum Ausdruck kommt. Die §§ 665 S. 2, 666 Alt. 1 BGB sind als vertragsübergreifende Prototypen vertraglicher Aufklärungspflichten leges speciales zu § 241 II BGB n. F. (£ 3). Die Verletzung von Aufklärungspflichten führt regelmäßig nicht zum Ersatz des positiven Interesses. Dies liegt daran, daß es in aller Regel an der Kausalität zwischen Aufklärungspflichtverletzung und Schaden mangelt. Selbst wenn ohne die Aufklärungspflichtverletzung ein anderer Vertrag zustande gekommen und erfüllt worden wäre, hat der Geschädigte dies nachzuweisen. Wer auf dieses Erfordernis verzichtet, untergräbt die Privatautonomie (§5). Bereits im ersten Teil der Untersuchung sind wir auf Vorschriften des BGB gestoßen, die das Verschuldensprinzip durchbrechen: Gemäß § 1221 BGB haftet der Anfechtende ohne Rücksicht auf Verschulden (§2I2ä). Dasselbe gilt für den Vertreter nach § 179 II BGB. Unter den Voraussetzungen des § 1791 BGB hat der Vertreter das positive Interesse zu ersetzen; sähe man in der unterlassenen Offenbarung fehlender Vertretungsmacht eine Aufklärungspflichtverletzung, so gelänge man lediglich zum Ersatz des negativen Interesses (§212b). Die strikte Haftung des Versicherers ist ein Beispiel für eine kraft Gewohnheitsrechts von der Rechtsprechung ins Spiel gebrachte Erfüllungshaftung, die den Vertragsinhalt zugunsten des Versicherungsnehmers modifiziert (§513b). Daß der Gesetzgeber die Garantiehaftung ganz bewußt zur Ausschaltung des § 249 S. 1 BGB „fingierte", ergibt sich aus den Protokollen: So wurde im Rahmen des § 1791 BGB die ausdrückliche gesetzliche Festlegung des positiven Interesses
§ 6 Zwischenergebnis
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damit begründet, daß die Verletzung einer Schutzpflicht in jenen Fällen nur den Ersatz des negativen Interesses nach sich ziehen würde 653 . Ein Schwerpunkt des zweiten Teils der vorliegenden Arbeit besteht darin, andere Abweichungen vom Grundsatz der culpa-Haftung zu untersuchen (z.B. § 536aI Alt. 1 BGB n. F., die Haftung nach der alten Rechtslage654 im Falle anfänglichen Unvermögens). Dabei wird sich zeigen, daß auch in diesen Fällen bei konsequenter Anwendung des § 249 S. 1 BGB das Abstellen auf eine Aufklärungspflichtverletzung nur zum Ersatz des negativen Interesses führt.
653 Prot. I, S. 326 = Mugdan I, S. 751. Daß die Garantiehaftung einen besonderen Haftungswillen fingiere, erkannte der Gesetzgeber sehr wohl (vgl. die ausführliche Diskussion in Prot.I, S. 322ff. = Mugdan I, S.750f.: jedenfalls könne ein „Garantieversprechen... in solchen Fällen angenommen werden, in welchen der Vertreter bewußt ohne Vertretungsmacht gehandelt habe" [Prot. I, S. 323 = Mugdan I, S. 750]). 654 Nach neuem Recht haftet der anfänglich unvermögende Schuldner verschuldensabhängig, vgl. §31 l a II BGB n.F.
9 Pohlmann
Zweiter Teil
Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten Im nun folgenden zweiten Teil werden einzelne Aufklärungspflichten untersucht. Zunächst stehen vertragsschlußbezogene Aufklärungspflichten im Mittelpunkt, die an keinen besonderen Vertrag geknüpft sind: Die Pflicht, anfängliche Leistungshindernisse zu offenbaren (§ 7), auf eine nicht oder nicht mehr vorhandene Abschlußbereitschaft hinzuweisen (§ 8) sowie das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Form eines Vertrags mitzuteilen (§ 9). Ausgehend von den im BGB geregelten Aufklärungspflicht betrachten wir anschließend vertragspezifische Aufklärungspflichten des Verkäufers (§ 10), des Schenkers (§ 77), des Mieters und Vermieters (§ 12), des Unternehmers (§ 13) sowie des Hinterlegers und Verwahrers (§14). Neben einer Analyse einzelner Aufklärungspflichten ist vor allem die Frage von Interesse, an welchen weiteren Stellen das BGB vom Verschuldensprinzip abweicht und worin die Ursachen für die Außerkraftsetzung dieses Grundsatzes liegen könnten. Im Bereich der vertraglichen Aufklärungspflichten soll danach gefragt werden, ob diese Aufklärungspflichten als Konkretisierungen der auftragsrechtlichen Aufklärungspflichten der §§ 665 S. 2, 666 Alt. 1 BGB angesehen werden können.
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfanglicher Leistungshindernisse I. Anfängliche Unmöglichkeit Fall 10: Karin (K) belagert Gustaf (G) schon seit Monaten, er möge ihr doch eine Grafik verkaufen, die sie damals auf dem Speicher seines Hauses sah. Als sich die beiden zufällig über den Weg laufen und Κ wieder mit der Bitte des Verkaufs an ihn tritt, läßt G sich darauf ein, die Grafik für 100,-€ zu verkaufen. Dabei fällt dem G ein, daß seine Frau eine Woche zuvor davon sprach, den „ganzen Krempel" auf dem Speicher demnächst zum Sperrmüll zu bringen. Dennoch hält G es nicht für nötig, die Κ darauf hinzuweisen. Als G nach Hause kommt, erfährt er von seiner tatkräftigen Gattin, daß diese den Speicher bereits zwei Tage zuvor leergeräumt hatte, die Grafik also längst auf dem Müll ist. Κ hatte in der Zwischenzeit bereits einen Rahmen für die Grafik zum Preis von 120,-€ gekauft.
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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1. Die alte Rechtslage a) Haftungsgrund Der Haftungsgrund des § 3071 BGB a. F. ist bereits erörtert worden 1 und wird daher an dieser Stelle nur kurz zusammengefaßt: Die Vorschrift war ein gesetzlich geregelter Fall einer culpa in contrahendo. Die Gegenansicht erblickte den Rechtsgrund der Haftung in der gegenüber der Vollwirksamkeit eingeschränkten Wirkung des abgeschlossenen Vertrags 2. Dagegen spricht neben dem Willen des Gesetzgebers3 die Tatsache, daß an sich auch dann nur das negative Interesse zu ersetzen ist, wenn der Vertrag, wie im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung geschehen (vgl. 311 a I BGB n. F.), wirksam bliebe: Die Schutzpflichtverletzung, unabhängig davon, ob man diese in der unterlassenen Aufklärung vor Vertragsschluß oder in der Willenserklärung selbst sieht, hat die Nichterfüllung des Vertrags nicht verursacht. Daß man jedoch im Falle des § 3071 BGB a. F. auf eine Schutzpflicht als Ausgangspunkt der Haftung abstellen mußte, zeigt die grundlegende, strukturelle Verschiedenheit dieser Vorschrift im Vergleich zu den §§ 1221, 179 II BGB 4 . b) Haftungsumfang § 3071 BGB a. F. ordnete den Ersatz des negativen Interesses (Vertrauensschaden) an. Der Schadensersatzanspruch wurde auf den Betrag des positiven Interesses als dessen Obergrenze beschränkt. Ist die Grafik beispielsweise 1000,-€ wert, so kann Κ in Fall 10 den Betrag von 120,-€ verlangen. Entspricht jedoch der tatsächliche Wert der Grafik dem ausgehandelten Preis, bekommt Κ lediglich 100,-€ ersetzt, obwohl ihre Aufwendungen im Vertrauen auf den mit G geschlossenen Vertrag 120,-€ betragen. Zugunsten einer Begrenzung des Schadensersatzanspruchs wurde geltend gemacht, daß die Erfüllung des Vertrags ja letztes Ziel des Gläubigers gewesen sei, er folglich nicht besser dastehen dürfe, als wenn erfüllt worden wäre 5. Jedoch darf der Nichterfüllungsschaden dann nicht die betragsmäßige Obergrenze bilden, wenn die Pflichtverletzung des Schuldners die Willenserklärung des Gläubigers schuldhaft herbeigeführt hat. In diesem Fall hätte der Geschädigte den Vertrag ohne die Pflichtverletzung gar nicht geschlossen, der Verweis des schuldigen Teils, daß der andere nicht besser gestellt werden dürfe als im Falle der Vertragserfüllung, läuft ins Leere. Hätte der schuldige Teil den anderen auf das anfängliche Leistungshindernis aufmerksam gemacht, wäre es erst gar nicht zu einem Vertragsschluß gekommen. Die 1 2 3 4 5
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Vgl. oben §2I2cbb. Löwisch in Staudinger, § 307 Rdz. 1 m. w. N. Mot. II, S. 179 = Mugdan II, S. 98; Prot. II, S. 911 f. = Mugdan II, S. 616. Ausführlich oben §212cbb. Anders jedoch bei den §§ 1221, 179II BGB, siehe oben § 2I2a und b.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Willenserklärung des Geschädigten ist schuldhaft herbeigeführt worden. Die gesetzliche Begrenzung des Schadensersatzumfanges auf den Betrag des positiven Interesses war verfehlt 6. Statt des Bildes hat Κ nun einen Rahmen, den sie nicht verwenden kann. Der Ersatz dieser nutzlosen Aufwendung ist ihr in vollem Umfang zu erstatten. Auf das volle Erfüllungsinteresse haftet der Schuldner im Falle anfänglicher Unmöglichkeit, wenn er ein Garantieversprechen abgegeben hat7; in diesem liegt ein selbständiger Vertrag neben dem nach § 306 BGB ungültigen Vertrag. Sofern der Schuldner sein Garantieversprechen nicht ausdrücklich gegeben hat, ist dessen Existenz gegebenenfalls mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) festzustellen 8. Jedoch ist Vorsicht geboten: Allein die Tatsache, daß die Ursache der objektiven Unmöglichkeit im Risikobereich des Schuldners liegt, spricht noch nicht für eine konkludente Garantieübernahme; ansonsten bestünde die Gefahr, die vertragliche Garantiehaftung zu einer Vertrauens- oder Risikohaftung auszuweiten9.
2. Die neue Rechtslage seit dem 01. Januar 2002 Die §§ 306-308 BGB a.F. sind ersatzlos gestrichen worden 10. Der Vertrag ist wirksam, § 311 a I BGB n. F. An die Stelle des § 307 BGB a. F. tritt die Schadensersatzregelung des § 311 a II BGB. Ob auf das in § 307 BGB a. F. zum Ausdruck gekommene römischrechtliche Prinzip impossibilium nulla obligatio est11 zu Recht verzichtet worden ist, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden 12. § 311 a II BGB n. F. gewährt im Falle anfänglicher Unmöglichkeit nach Wahl des Gläubigers einen Anspruch auf „Schadensersatz statt der Leistung" (positives Interesse) oder einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 284 BGB n. F.), wenn der Schuldner das Leistungshindernis kannte oder fahrlässigerweise nicht kannte. Der Ersatz des Nichterfüllungsschadens wurde ausdrücklich festgelegt, weil, so der Regie6
Heinrichs in Palandt, § 307 Rdz. 5; Larenz, Schuldrecht I, § 8 III; Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, 43 III; Thode in MünchKomm, § 307 Rdz. 1 ; aA Löwisch in Staudinger, § 307 Rdz. 13; Wolf in Soergel, § 307 Rdz. 6. 7 BGH, NJW 1985, 1025, 1026; Heinrichs in Palandt, § 306 Rdz. 1; Löwisch in Staudingen § 306 Rdz. 3; Siber in Planck, § 306 Anm. 2 a; Wolf in Soergel, § 306 Rdz. 24. 8 Siber in Planck, § 306 Anm. 2 a. 9 Dahin tendiert Wolf in Soergel, § 306 Rdz. 24. 10 Abschlußbericht, S. 145. 11 Celsus D. 50.17, 185. 12 Siehe Ehmann!Kley, JuS 1998, 481, 491; ausführlich Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung, Diss. Trier (2001).
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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rungsentwurf richtig, „sich aus der Verletzung einer vorvertraglichen Informationspflicht nach den allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts nun einmal grundsätzlich nur ein Anspruch auf das negative Interesse ergibt" 13 . Denn im Falle anfänglicher Unmöglichkeit liegt zwar die Nichterfüllung der Leistungspflicht vor; diese „Pflichtverletzung" im Sinne des §2801 BGB n.F. hat der Schuldner jedoch nicht nach § 28012 BGB n. F. zu vertreten. Dem Schuldner ist allenfalls vorzuwerfen, daß er die andere Partei vor Vertragsschluß nicht aufgeklärt bzw. die eigene Leistungsfähigkeit nicht ausreichend geprüft hat. So wäre in Fall 10 dem G der Vorwurf zu machen, daß er Κ nicht auf die Möglichkeit einer etwaigen Vernichtung der Grafik hingewiesen hat. Hätte er diesen Umstand offenbart, so hätte Κ entweder das Risiko des Nichtvorhandenseins der Grafik auf sich genommen oder es wäre gar nicht erst zum Vertragsschluß gekommen. Dagegen hätte die gebotene Aufklärung die anfängliche Unmöglichkeit der Leistungserbringung nicht verhindern können14. Die vorvertragliche Schutzpflichtverletzung hat mit der Nichterfüllung der Leistungspflicht selbst nichts zu tun; zu ersetzen wäre lediglich das negative Interesse15. 3. Fazit Zu Recht bemerkt Altmeppen, daß die Ausführungen des Regierungsentwurfes oberflächlich und unzureichend sind 16 . Der Regierungsentwurf versteht § 311a II BGB n.F. als Verschuldenshaftung 17. Da die Aufklärungspflichtverletzung das Leistungshindernis jedoch nicht verursacht hat, so muß es „aus zwingenden Gründen der Schadensdogmatik" bei dem Ersatz des negativen Interesses bleiben18. Dogmatisch begründen ließe sich das positive Interesse nur mit Hilfe einer gesetzlichen Garantiehaftung, wie sie bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung für den Fall anfänglichen Unvermögens von der herrschenden Meinung vertreten wurde. Auch § 311 a II BGB n. F. könnte als gesetzliche Garantiehaftung gedeutet werden, die dann nicht eingreift, wenn der Schuldner das Leistungshindernis weder kannte noch hätte kennen müssen. Eine Garantiehaftung nach dem Vorbild des anfänglichen Unvermögens scheidet jedoch m. E. im Falle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit aus, da dort eine grundsätzlich andere Situation vorliegt 19. 13
Regierungsentwurf, S. 165. Richtig bereits Siber in Planck, § 307 Anm. 2 a. 15 Unrichtig ist mE die Auffassung von v. Wallenberg (ZRP 1994, 306, 309), der Ersatz des Erfüllungsinteresses sei „konsequente Folge" der im Kommissionsentwurf vorgesehenen Wirksamkeit des Vertrags. Der Ersatz des Erfüllungsinteresses (oder in der Terminologie des neuen Rechts: der „Schadensersatz statt der Leistung", § 283 BGB n. F.) läßt sich nicht auf eine zu vertretende „Pflichtverletzung" im Sinne des § 2801 BGB n. F. zurückführen. 16 Altmeppen, DB 2001, 1399, 1400. 17 Regierungsentwurf, S 165: „Sowohl der Anspruch auf Schadensersatz als auch der Anspruch auf Aufwendungsersatz sind verschuldensabhängig". 18 Altmeppen, DB 2001, 1399, 1400. 19 Dazu ausführlich unten II 1 ccc. 14
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Zu begrüßen ist der Wegfall der Begrenzung des Schadensersatzes auf das positive Interesse20. Κ kann also in Fall 10 zu Recht nach §§ 311 a II, 284 BGB n. F. als Aufwendungseratz 120,-€ von G verlangen. Auch § 30712 BGB a. F., der eine Schadensersatzpflicht der einen Partei ganz entfallen ließ, wenn die andere Partei die Unmöglichkeit kannte oder kennen mußte, ist zu Recht gestrichen worden 21. Die Begrenzung des Schadensersatzes auf den Nichterfüllungsschaden und das Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 30712 BGB a. F. waren Relikte aus einer Zeit, da die „culpa" in contrahendo tatsächlich noch eine verschuldensunabhängige Haftung war 22 . I I . Anfangliches Unvermögen Die Problematik der Haftung des Schuldners im Falle anfänglichen Unvermögens, welche Oertmann „zu den dunkelsten und zweifelsvollsten in der Dogmatik unseres geltenden Privatrechts" 23 rechnete, ist von den Gesetzesverfassern des BGB nicht geregelt worden. So verwundert es nicht, daß bereits kurz nach Inkrafttreten des BGB eine lebhafte Diskussion entbrannt ist, ob an der im gemeinen Recht vertretenen Garantiehaftung des anfänglich unvermögenden Schuldners festgehalten oder vielmehr die Haftung dem allgemeinen Verschuldensprinzip des BGB unterstellt werden sollte. 1. Die alte Rechtslage Nach der alten Rechtslage unterschied sich die Haftung des anfänglich unvermögenden Schuldners in zwei Punkten von der Haftung im Falle anfänglicher (objektiver) Unmöglichkeit: Erstens war der auf eine subjektiv unmögliche Leistung gerichtete Vertrag wirksam 24, während im Falle anfänglicher Unmöglichkeit der Vertrag nichtig war, § 306 BGB a. F. Zweitens war der anfänglich unvermögende Schuldner verpflichtet, den Nichterfüllungsschaden zu ersetzen, der Anspruch aus § 3071 BGB a. F. bei Vorliegen anfänglicher Unmöglichkeit beschränkte sich dagegen auf den Vertrauensschaden. 20
Siehe oben I I b . Die Auffassung, daß bereits nach altem Recht das Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 30712 BGB a.F. durch § 254 BGB ersetzt werden könnte (Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 327; Larenz, Schuldrecht I, § 8 III) ist dagegen als contra legem zu verwerfen, vgl. Löwisch in MünchKomm, §307 Rdz. 10. 22 Siehe oben §212. 23 Oertmann, AcP 140 (1935), 129. 24 BGHZ 47, 266, 269; Battes in Erman, § 306 Rdz. 21; Emmerich in MünchKomm, Vor § 275 Rdz. 12; Gudian, NJW 1971,1239,1240; Heinrichs in Palandt, § 306 Rdz. 9; Löwisch in Staudinger, § 306 Rdz. 6; Oertmann, AcP 140 (1935), 129,138; Titze, Unmöglichkeit der Leistung, S. 249; Wolf in Soergel, § 306 Rdz. 25. 21
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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Wie sich im Verlaufe der Untersuchung herauskristallisieren wird, kommt gerade dem letztgenannten Aspekt eine Schlüsselrolle bei der Frage zu, warum bis zum Inkrafttreten des § 311 a II BGB n. F. an der Garantiehaftung des anfänglich unvermögenden Schuldners festgehalten wurde. Es wird sich zeigen, daß die Garantiehaftung auch dazu diente, um zum Ersatz des Nichterfüllungsschadens zu gelangen und die Haftung auf den (bloßen) Vertrauensschaden abzuwenden, auf den sich die Befürworter einer Verschuldenshaftung im Falle anfänglichen Unvermögens unter Beachtung des § 249 S. 1 BGB zwangsläufig beschränken müßten. a) Die Garantiehaftung Beruhte das Nichtleistenkönnen des Schuldners auf einer von Anfang an vorhandenen subjektiven Unmöglichkeit der Leistungserbringung, so sollte er nach herrschender Auffassung ohne Rücksicht auf Verschulden schadensersatzpflichtig sein25. Diese sog. Garantiehaftung wurde mit den unterschiedlichsten Argumenten begründet, welche im folgenden einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden sollen. aa) Der Wille des Gesetzgebers Die Gesetzesverfasser gingen davon aus, daß der Schuldner für jede Form des Unvermögens einzustehen habe26. In den Fällen des nachträglichen Unvermögens zur Leistung einer bestimmten Sache setzte sich dann bei der Beratung über § 237 II E 1, dem Vorläufer des § 275 BGB a. F., die mildere Verschuldenshaftung durch 27. Hinsichtlich des anfänglichen Unvermögens beabsichtigte der Gesetzgeber jedoch offenbar, den Schuldner im Falle anfänglichen Unvermögens generell, das heißt ohne Rücksicht auf Verschulden, haften zu lassen28. Daß die Gesetzesverfasser der Garantiehaftung folgten, verwundert nicht, da die Befürwortung einer strikten Haftung im gemeinen Recht weit verbreitet war 29 . Die Befürworter einer Verschuldenshaftung im Falle anfänglichen Unvermögens gestanden zwar ein, daß der Wille des Gesetzgebers bei der Suche nach der richtigen 25 RGZ 69, 355, 357; BGHZ 11, 16, 22; BAG BB 1965, 948f.; BAG DB 1974, 1617; Ballerstedt, FS Hans Carl Nipperdey (1955), S. 261,270 f.; Heinrichs in Palandt, § 306 Rdz. 9; Huber, Leistungsstörungen I (1999), §2211; Köhler in Staudinger, §440 Rdz. 26; Koller, Risikozurechnung, S. 265 ff.; Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, §29112; Vollkommer in Jauernig, § 306 Rdz. 10; Wölfin Soergel, § 306 Rdz. 26. 26 Mot. II, S. 45 f. = Mugdan II, S. 25. 27 Prot. II, S. 631 f. = Mugdan II, S. 529; die Erste Kommission wollte dagegen sowohl das anfängliche als auch das nach Vertragsschluß eingetretene Unvermögen der Garantiehaftung unterstellen, s. Mot. II, S. 45 = Mugdan II, S. 25. 28 Mot. II, S. 45 f. = Mugdan II, S. 25. 29 Cohnfeldt, Lehre vom Interesse, S.224f.; v. Jhering, Schuldmoment, S.46; Windscheid, Pandekten II, §315.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Lösung zu berücksichtigen sei; da jedoch die Auffassung des historischen Gesetzgebers im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommen sei, werde die Schlagkraft des Arguments, eine Garantiehaftung sei von dem Willen der Gesetzesverfasser gedeckt, entscheidend gemindert 30. bb) Stillschweigende Garantieübernahme Nach Auffassung der Rechtsprechung übernahm der Schuldner mit der Verpflichtung zur Leistung zugleich auch die Haftung für seine Leistungsfähigkeit 31. Gegen dieses Argument wurde eingewandt, daß die Annahme, der Schuldner garantiere mit seiner Einwilligung in den seine Leistungsfähigkeit begründenden Vertrag den Nichteintritt aller erdenklichen Leistungshindernisse, eine bloße Fiktion darstelle. Dementsprechend scharf wurde denn auch die Annahme einer stillschweigenden Garantieerklärung von den Gegnern der verschuldensunabhängigen Haftung kritisiert: Eine derartige Unterstellung sei „eine durch nichts erwiesene petitio principii" 32 , welche „nicht nur willkürlich (sei), sondern auch vielfach mit den tatsächlichen Verhältnissen im Widerspruch" stehe33, ja sogar „Vergewaltigung des Partei willens" 34 wurde der Annahme einer stillschweigenden Garantieübernahme entgegengehalten. Selbst Befürworter der Garantiehaftung leugneten die Annahme einer Fiktion nicht 35 . cc) Garantiehaftung als notwendige Folge der Vertragsgültigkeit? Zum Teil wollten die Verfechter der Garantiehaftung die Gültigkeit des Vertrags als Argument zugunsten der strikten Haftung nutzbar machen36. So sei ein gültiger Vertrag, der keinen Anspruch auf Erfüllung und das Erfüllungsinteresse gebe, inhaltslos und gleiche dem „Lichtenbergischen Messer ohne Heft und Klinge" 37 . Der Konstruktion einer stillschweigenden Garantieübernahme bedürfe es nicht, vielmehr sei das Versprechen des Schuldners selbst ausreichend - „bei seinem Versprechen wird er gehalten"38. Aus dem typischen Sinn des Leistungsversprechens folge, „daß der Schuldner für sein im Vertragsschluß gegebenes Wort einzustehen hat" 39 . 30
Gudian, NJW 1971, 1239, 1240. RGZ 69, 355, 357; BGH WM 1972, 656f. 32 Gudian, NJW 1971, 1239, 1240. 33 Siber in Planck, § 306 Anm. 3 b b. 34 Titze, Unmöglichkeit der Leistung, S.249. 35 Ballerstedt, FS Hans Carl Nipperdey (1955), S.261,270; Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, §29112 (S. 134); Oertmann, AcP 140 (1935), 129, 147. 36 Leonhard, Schuldrecht, § 143 (S.314). 37 Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, § 29 II 2 (S. 133). 38 Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S. 114 Fn.56. 39 Ballerstedt, FS Hans Carl Nipperdey (1955), S.261, 270f. 31
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindeisse
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Nach der Gegenauffassung vermochte auch diese Argumentation nicht zu erklären, weshalb nicht unter gewissen Voraussetzungen das Unvermögen eine den Schuldner befreiende Wirkung herbeiführen sollte. Gegen die Behauptung, daß der Vertrag andernfalls sinnlos sei, spräche erstens, daß sich die Gültigkeit des Vertrags aus der Wahrung der nur so immerhin bestehenden Möglichkeit der Erfüllung durch einen Dritten nach § 267 BGB rechtfertigen ließe40. Zum anderen könne auf eine Parallele zu den bedingten Verträgen hingewiesen werden: Genau wie dort das Schuldverhältnis nur für den Fall des Eintritts der Bedingung Rechte und Pflichten erzeuge (§ 1581 BGB), so könne ebenso hier ein Schuldverhältnis seinen Sinn haben, welches den Schuldner von Anfang an von seiner Leistungspflicht befreie und nur dann zum Tragen komme, wenn das Unvermögen behoben werde 41.
dd) Die Bedeutung des §4401 BGB a.F. In Betracht gezogen wurde auch die Regelung des § 4401 BGB a. F. als positiv gesetzliche Anordnung für die Haftung des Sachverkäufers im Falle anfänglichen Unvermögens. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, § 4401 BGB a. F. sei in den fraglichen Fällen des anfänglichen Unvermögens eine Rechtsfolgenverweisung allein auf § 325 BGB a. F. 42 . Der Sinn dieser Vorschrift liege darin, die Rechtsfolgen des § 325 BGB a. F. bei nachträglicher, zu vertretender Unmöglichkeit im Falle des anfänglichen Unvermögens zur Rechtsverschaffung für entsprechend anwendbar zu erklären. Interpretiere man die Vorschrift dagegen als Rechtsgrundverweisung, so wäre sie sinnlos und überflüssig: Für das anfängliche Unvermögen als praktisch wichtigsten Fall ginge die Verweisung ins Leere und würde im übrigen nur etwas besagen, was sich schon von selbst verstünde43. Die Gegenauffassung sah in § 4401 BGB a. F. eine Rechtsgrundverweisung; demnach hätte diese Norm lediglich klarstellende Bedeutung44. Das anfängliche Unvermögen sei in der Regel behebbar, weshalb eine Anwendung des § 325 BGB a. F. den Erfüllungsanspruch des Gläubigers voreilig vereiteln würde, dem Schuldner die Chance der Nachfrist vorenthalten würde. Sachgerecht wäre für den Regelfall des behebbaren Unvermögens die Verweisung auf § 326 BGB a. F. Die seltenen Ausnahmefälle unbehebbaren Unvermögens sollten durch die Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung im Einzelfall und dementsprechender Anpassung des § 326 BGB a. F. gelöst werden. 40 41 42 43 44
Demmer, Die Haftung des Schuldners, S. 103. Gudian, NJW 1971, 1239, 1240. Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 330; Lüderitz! Mittenzwei, JuS 1970, 182, 184. Medicus, Bürgerliches Recht, Rdz. 282; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, S.88f. Huber in Soergel, § 440 Rdz. 2.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Indes brachte die Diskussion um den verborgenen Sinn des § 4401 BGB a. F. eine Lösung zur Frage der Haftung des anfänglich unvermögenden Schuldners nicht weiter. Befürworter des §4401 BGB a.F. als Rechtsgrundverweisung sprachen sich teilweise für 45 , teilweise gegen46 eine strikte Haftung des Schuldners aus. Auch die Rechtsprechung gründete in kaufrechtlichen Entscheidungen ihre Ansicht der Garantiehaftung des Verkäufers nicht auf die speziellen Regelungen der §§439, 440 BGB a. F., sondern bezog sich ausschließlich auf allgemeine Grundsätze47. ee) Rechtspolitische Erwägungen Als letzte Waffe wurden von den Verfechtern einer uneingeschränkten Haftung Erwägungen der Verkehrssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Billigkeit ins Feld geführt. So sei das Vertrauen des Gläubigers dahingehend schutzwürdig, daß vertretbare Leistungen ihm auch wirklich erbracht würden und der Schuldner sich nicht auf persönliche Leistungshindernisse zu seiner Befreiung berufen dürfe 48. Die Verkehrssicherheit gebiete es, daß eine generell erbringbare Leistung auch und gerade von dem Versprechenden erbracht werde. Der Gläubiger müsse darauf vertrauen können, daß eine an sich mögliche Leistung bewirkt werde 49. Dagegen wurde eingewandt, daß ein Bedürfnis nach Verkehrssicherheit auch bei nachträglichen Störungen wirksam werde, ohne daß Gründe gegeben wären, diesem Faktor nach Vertragsschluß weniger Gewicht beizumessen. In beiden Fällen sei der Gläubiger in seinem Vertrauen enttäuscht worden 50. Zudem dürften die Gesichtpunkte der Billigkeit und Verkehrssicherheit nach der Gegenauffassung nicht einseitig zugunsten des Gläubigers nutzbar gemacht werden: Ebenso ließe sich der Standpunkt vertreten, daß eine generelle Einstandspflicht des Schuldners ohne Rücksicht auf Verschulden die Sicherheit des Rechtsverkehrs nicht minder gefährden würde 51. b) Einschränkende Tendenzen in der Literatur Es hat nicht an Versuchen gemangelt, die Garantiehaftung des Schuldners durch objektive Kriterien zu begrenzen. So wollte Larenz eine Haftung verneinen, wenn der Grund des Unvermögens außerhalb des „eigenen Geschäftskreises" des Schuld45
Huber in Soergel, § 440 Rdz. 26. Evans v. Krbek, AcP 177 (1977), 35,43. 47 RGZ 69,355,357; ganz deutlich BGHZ 11,16,22: „Es bedarf daher zu ihrer Begründung nicht einer entsprechenden Anwendung des § 325 BGB, der eine gesetzliche Regelung für nachträgliche Unmöglichkeit oder nachträgliches Unvermögen vorsieht". 48 Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 330; Huber, Leistungsstörungen I (1999), §2211 (S.536); Lehmann in Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, §29112 (S. 133). 49 Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S. 113 f. 50 Koller, Risikozurechnung, S.269. 51 Hohmeister, Die Einordnung anfänglichen Unvermögens, S. 106. 46
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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ners liege52. Das Vermögen des Verkäufers, dem Käufer das Eigentum an der verkauften Sache oder das verkaufte Recht zu verschaffen, gehörte nach Auffassung von Larenz jedoch stets zur Zulänglichkeit des eigenen Geschäftskreises 53. Eine ähnliche Risikoverteilung nahm auch Beuthien vor, der eine strikte Einstandspflicht nur für solche Leistungshindernisse befürwortet, die der Risikosphäre des Schuldners zuzurechnen sind. Für alle in seinen Gefahrenbereich fallenden anfänglichen, persönlichen Leistungshindernisse treffe den Schuldner eine Einstandspflicht unter dem Aspekt der Risikozurechnung 54. Brox wog unter Berücksichtigung des Vertrauensgesichtspunktes die jeweiligen Interessen von Gläubiger und Schuldner ab: In der Regel müsse sich der Gläubiger darauf verlassen können, daß der Schuldner eine an sich erbringbare Leistung tatsächlich auch erbringen könne. Etwas anderes gelte dann, wenn das anfängliche Unvermögen des Schuldners auf einem Umstand beruhe, der außerhalb des Machtbereichs des Schuldners liege55. c) Stellungnahme Nach meinem Dafürhalten ist eine Differenzierung zwischen dem sich aus dem konkreten Vertrag im Einzelfall ergebenden Garantieversprechen des Schuldners einerseits (vgl. § 276 1 1 BGB n. F.) und der Garantiehaftung kraft Gesetzes zum Schutz des Gläubigers andererseits notwendig56. Die Garantiehaftung im erstgenannten Sinne basiert auf der richtigen Erwägung, daß der Schuldner, der etwas zusichert, sich daran halten lassen muß und insofern unabhängig von seinem Verschulden auf den Nichterfüllungsschaden haftet. Eine Garantiehaftung kraft ausdücklicher Garantieerklärung durchbricht zwei Prinzipien des Bürgerlichen Rechts: Zum einen haftet der Schuldner in Abweichung von § 2761 BGB verschuldensunabhängig57. Zum anderen richtet sich der Umfang des Ersatzanspruchs nicht nach dem durch die Schutzpflichtverletzung verursachten 52
So Larenz (Schuldrecht I, § 8 II), der dieses Kriterium aus der Formel Oertmanns zur Abgrenzung objektiver und subjektiver Unmöglichkeit ableiten will. Demnach beruhe die objektive Unmöglichkeit in der Regel auf Umständen, die nicht im Geschäftskreis des Schuldners ihren Ursprung haben, während das anfängliche Unvermögen immer seinen Grund in Umständen habe, die in den Geschäftskreis des Schuldners fallen (Oertmann, AcP 140 [1935], 129, 148 f.). 53 Larenz, aaO, §811. 54 Beuthien, Zweckerreichung, S. 132ff., 136f. 55 Brox, Schuldrecht AT, Rdz. 244. 56 Siehe bereits Titze, Unmöglichkeit der Leistung, S.248. 57 v. Wallenberg (ZRP 1994, 306, 307) ist der Auffassung, hinter der Garantiehaftung stehe der Gedanke, daß der Schuldner eine auf das positive Interesse gerichtete Pflichtverletzung begehe, wenn er die Leistungsfähigkeit nicht besitze. Der Zweck der Garantiehaftung liegt jedoch gerade in einem unbedingten Einstehen ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Schaden (§ 249 S. 1 BGB), vielmehr wird unabhängig von der Verletzung einer Schutzpflicht das positive Interesse gewährt 58. Garantiert der Schuldner ausdrücklich seine Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, so greift die strikte Garantiehaftung ein. Dagegen beruht ein dem Schuldner unterstelltes stillschweigendes Garantieversprechen auf einer Fiktion: Der Schuldner verspricht eine Leistung, er verspricht aber nicht, auch dann zu haften, wenn der zur Leistungsunfähigkeit führende Umstand auf bloßem Zufall beruht und von ihm in keiner Weise beeinflußbar gewesen ist. Derartige Umstände sind durchaus denkbar, erinnert sei nur an die Situation, daß sich nach dem Verkauf einer Sache der wahre Eigentümer meldet und Herausgabe von dem Käufer fordert. Hier ist es möglich, daß der Verkäufer weder wußte noch hätte wissen müssen, daß die von ihm verkaufte Sache zuvor dem Eigentümer gestohlen wurde. In dieser Situation dem Verkäufer zu unterstellen, er hätte seine Leistungsfähigkeit garantiert, würde seinem wirklichen Willen nicht gerecht werden. Möglich bleibt aber noch die zweite Alternative, die strikte Haftung nicht an den Willen des Schuldners zu knüpfen, sondern deren Existenz aufgrund einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Gläubigers zu rechtfertigen. Das BGB hat eine verschuldensunabhängige Haftung in den § 437 BGB a. F., § 536 a BGB n. F. fixiert. Im folgenden sollen zwei Fragen beantwortet werden: Weshalb wich der historische Gesetzgeber in diesen Fällen vom Prinzip der Verschuldenshaftung ab? Und lassen sich die dort geregelten Situationen auf den Fall anfänglichen Unvermögens übertragen? aa) Die Garantiehaftung des § 437 BGB a. F. Der Verkäufer hat im Falle eines Forderungs- oder Rechtskaufs (§ 437 BGB a. F.) von Gesetzes wegen ohne Rücksicht auf Verschulden zu haften. Diese Vorschrift stellt eine gesetzlich angeordnete Garantiehaftung des Schuldners dar 59. Im gemeinen Recht wurde vielfach die Auffassung vertreten, daß der Vertrag über eine nicht existierende Forderung ebenso wie über eine nicht existierende Sache nichtig sei60. Dieser Ansicht widersetzte sich die Zweite Kommission, indem sie in § 379 E 2 (= § 437 BGB a. F.) die Haftung des Verkäufers für den Verkauf eines nicht bestehenden Rechts oder einer nicht bestehenden Forderung ausdrücklich klarstellte 61. ( 1 ) Rechtfertigung
der Garantiehaftung
Zum Teil wurde die Garantiehaftung des § 437 BGB a. F. mit dem Argument begründet, das Risiko eines Irrtums sei typischerweise für den Verkäufer „beherrsch58 59 60 61
Siehe oben § 2 I 2 b (§ 179 BGB). Knoke in Planck, § 437 Anm. 1 a. Windscheid, Pandekten II, § 315 Fn. 4 m. w. N. Prot. II, S. 1343 = Mugdan II, S. 575.
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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bar, da allein er sich über den Bestand des Rechts informieren könne" 62 . Doch vermögen m. E. derartige Risikozurechnungen keine überzeugende Abgrenzung zwischen dem Prinzip der Verschuldenshaftung und der ausnahmsweise eingreifenden Garantiehaftung zu liefern. Die Verschuldenshaftung beruht selbst auf Grundsätzen der Risikozurechnung und müßte daher genügen, ohne daß es einer Garantiehaftung bedürfte. Ist das Risiko für den Schuldner beherrschbar, tritt eine Haftung auch nach der Verschuldenshaftung ein. Das Argument der „typischen Beherrschbarkeit" läuft ins Leere, wenn ausnahmsweise der zum Ersatz führende Umstand außerhalb der Beherrschbarkeit des Schuldners liegt. Warum der Schuldner auch hier haften soll, können Kriterien der Risikozurechnung nicht erklären. Der Grund für die strikte Haftung muß auch hier wieder 63 beim Gläubiger gesucht werden. So wurde nach herrschender Auffassung der Zweck des § 437 BGB a. F. darin gesehen, daß das Gesetz den Käufer eines Rechts für schutzbedürftiger hält als den Sachkäufer, da Rechte im Gegensatz zu Sachen unsichtbar seien und dem Käufer daher nichts anderes übrig bleibe, als den Angaben des Verkäufers zu vertrauen 64 . Gerade in den Fällen des Rechtskaufs bestehe für den Käufer ein großes Informationsdefizit 65. Diese Argumente sind meiner Ansicht nach überzeugend. Der Käufer verdient beim Rechtskauf besonderen Schutz. Er muß den Angaben des Verkäufers vertrauen. Es dürfte ihm in der Regel nicht zuzumuten sein, selbst eigene Nachforschungen über die Richtigkeit der Erklärungen des Verkäufers anzustellen.
(2) Der Rechts- und Forderungskauf
im neuen Recht
Die Vorschrift des § 437 BGB a. F. wurde ersatzlos gestrichen. Über die Verweisungsnorm des § 4531 BGB n. F. sind im Falle des Rechtskaufs die Regelungen des Sachkaufs (§§433ff. BGB n.F.) entsprechend anwendbar. Zur Begründung wurde angegeben, daß kein Grund bestünde, die Rechtsfolgen im Falle des Rechtskaufes abweichend von den Normen, die sonst im Kaufrecht gelten, zu regeln 66. Ein Nebeneinander von Verschuldenshaftung und Garantiehaftung ist dagegen nach meinem Dafürhalten auch in Zukunft nicht vermeidbar. Die von § 437 BGB a. F. erfaßte Situation zeichnet sich durch die besondere Schutzbedürftigkeit des Gläubigers aus, der regelmäßig keine Möglichkeit zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben des Verkäufers hat. Aus diesem Grunde erscheint mir eine Abschaffung der verschul62
Koller, Risikozurechnung, S. 104ff. Vgl. die Parallelen bei § 1221 BGB (dazu oben §2I2a), § 179II (dazu oben §2I2b) sowie im Rahmen der versicherungsrechtlichen Erfüllungshaftung (oben § 513 b). 64 Köhler in Staudinger, § 437 Rdz. 4; Larenz, Schuldrecht II 1, § 451; Medicus, Schuldrecht BT, Rdz. 150; Putzo in Palandt, § 437 Rdz. 2. 65 Larenz, Schuldrecht II 1, § 451 Fn. 4. 66 Regierungsentwurf, S.202. 63
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
densunabhängigen Garantiehaftung, wie sie §437 BGB a.F. vorsah, nicht richtig zu sein.67 bb) Die Garantiehaftung des § 536 a I Alt. I BGB n. F. (1) Anfängliche Rechtsmängel Nach den §§ 536, 536 a I Alt. I BGB n. F. haftet der Vermieter ohne Rücksicht auf Verschulden wegen eines anfänglichen Rechtsmangels auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung 68. Auch hier liegt also eine gesetzliche Garantiehaftung vor 69 . Meines Erachtens ergibt sich die Schutzbedürftigkeit des Gläubigers auch hier allein aus der Tatsache, daß Rechtsmängel in der Regel von dem Mieter nicht zu erkennen sind, da diese Mängel der Sache selbst nicht innewohnen. Der Mieter muß auf Rechtsmängelfreiheit der Mietsache vertrauen, die Auferlegung einer weitergehenden Überprüfungspflicht kann nicht verlangt werden. (2) Anfängliche Sachmängel Auch bei anfänglichen Sachmängeln der Mietsache soll der Vermieter verschuldensunabhängig haften, §§ 536, 536 a I Alt. I BGB n. F. Anders als im Falle eines Rechtsmangels ist eine Nachprüfung durch den Mieter hinsichtlich eventueller Sachmängel nicht von vornherein sinnlos. Dem Mieter wird zuzumuten sein, selbst vor Abschluß des Mietvertrags zu überprüfen, ob erhebliche (§ 53613 BGB n. F.) tauglichkeitsmindernde Mängel bestehen. Die Möglichkeit des Mieters, die Tauglichkeit der Mietsache zu überprüfen, steht einer an der Schutzbedürftigkeit des Mieters orientierten Garantiehaftung entgegen. Unerheblich ist, ob der Mieter von der Überprüfungsmöglichkeit Gebrauch macht und zu welchen Ergebnissen sie führt; allein die Tatsache, daß eine derartige Möglichkeit der Überprüfung besteht, unterscheidet den Fall des Sachmangels von dem des Rechtsmangels. Letzterer wohnt dem Gegenstand selbst nicht inne, eine Überprüfungsmöglichkeit besteht nicht. Aus diesem Grunde greift das Argument, im Falle eines Rechtsmangels sei eine strikte Haftung zu bejahen, da der Mieter insoweit den Angaben des Vermieters vertrauen müsse und er mangels eigener Überprüfungsmöglichkeit schutzbedürftig sei, im Falle eines Sachmangels nicht. 67 In Einzelfällen ließe sich eine verschuldensunabhängige Haftung über § 2761 BGB n. F. begründen, der eine Ausschaltung der culpa-Haftung vorsieht, wenn sich dies „aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses " ergibt. 68 Bereits das römische Recht ging von einer strikten Haftung des Vermieters für anfängliche Mängel aus, vgl. Paul. D. 19, 2, 19,1; Pomp. D.19, 1, 6, 4. 69 Mot. II, S. 377 = Mugdan II, S. 209; BGHZ 63, 333, 335.
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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Hat der Vermieter ein ausdrückliches oder stillschweigendes Garantieversprechen abgegeben (vgl. § 2761 BGB n. F.), ist eine verschuldensunabhängige Haftung weiterhin zu befürworten: Grund der Garantiehaftung ist dann das Versprechen des Schuldners, nicht die besondere Schutzbedürftigkeit des Gläubigers 70. Soweit es um Fälle der Sachmängelhaftung geht, ist die Garantiehaftung des Vermieters meines Erachtens zu Recht von Teilen der Rechtswissenschaft kritisiert worden. Schon Siber hielt die Vorschrift des § 538 BGB a. F. für „auch durch die herkömmliche Abneigung gegen großstädtische Wohnungsvermieter schwerlich gerechtfertigt, zumal nicht bei Fahrnismiete" 71. Ein Blick in die Entstehungsgeschichte des § 538 BGB a. F. zeigt, daß sich der Gesetzgeber des BGB schon bei § 506 E1 zugunsten der Garantiehaftung entschieden hatte. Der Antrag der Regierung Hamburgs, dem § 506 E1 den Absatz hinzuzufügen, nach dem die Schadensersatzpflicht dann entfällt, wenn der bei Abschluß des Vertrags vorhandene Mangel trotz aller Sorgfalt nicht zu entdecken war, hätte die Regelung in eine Verschuldenshaftung umgemünzt72. Dieser Vorschlag wurde jedoch unter anderem mit dem Argument verworfen, daß es „vom sozialpolitischen Standpunkte aus bedenklich sei", die Haftung auf Kosten des Mieters abzuschwächen73. Ist § 536 aI BGB n. F. tatsächlich als „erste wichtige Form sozialen Mietrechts" zu qualifizieren 74? Könnten derartige sozialpolitische Erwägungen die strikte Haftung des Vermieters auch im Falle eines Sachmangels rechtfertigen? Die Einordnung des §536aI BGB n.F. als Bestimmung sozialen Mietrechts läßt sich meiner Meinung nach kaum aufrechterhalten. Denn Vorschriften sozialen Mietrechts zeichnen sich gerade dadurch aus, daß sie nicht zum Nachteil des Mieters abbedungen werden können. Die Garantiehaftung des § 536 a I BGB n. F. ist jedoch auch bei der Wohnraummiete abdingbar 75; eine dem § 536 d BGB entsprechende Regelung fehlt hier. Da § 536 a I BGB n. F. als dispositive Norm auch bei der Wohnraummiete abdingbar ist, schlägt eine Charakterisierung dieser Bestimmung als Vorschrift sozialen Mietrechts fehl. Auch ein Abstellen auf sozialpolitische Gesichtspunkte kann im Falle eines anfänglichen Sachmangels eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters 70 Zwar wurde nach der Auffassung des Gesetzgebers auch die strikte Haftung des Vermieters auf ein „Garantieversprechen" gestützt (Mot. II, S. 577 = Mugdan II, S. 210). Hinter der bereits als Fiktion enttarnten Fassade des Garantieversprechens ist als wahrer Grund für die strikte Haftung die Schutzbedürftigkeit des Mieters erkennbar (Prot. II, S. 8468 = Mugdan II, S. 813). 71 Siber, Schuldrecht, S.283. 72 Prot. II, S. 8467 (Zusatz hiner S. 1863) = Mugdan II, S. 813. 73 Prot. II, S. 8468 = Mugdan II, S. 814. 74 So Trenk-Hinterberger, JuS 1975, 501 f.; ähnlich Rebe/Rebell, JA 1978, 544, 549; Schlechtriem, Vertragsanordnung und außervertragliche Haftung, S.337. 75 BGH NJW-RR 1991, 74; Emmerich in Staudinger, §538 Rdz. 60; Krampe, Garantiehaftung des Vermieters, S.39.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
nach meinem Dafürhalten nicht begründen. Die Position des Mieters ist nach Inkrafttreten des BGB durch verschiedene mietschutzrechtliche Bestimmungen erheblich gestärkt worden 76. Im Falle eines Sachmangels bedarf es daher einer Garantiehaftung des Vermieters de lege ferenda nicht mehr. Dagegen sollte meines Erachtens im Falle eines Rechtsmangels aufgrund der dort abweichenden Situation der Schutzbedürftigkeit des Gläubigers durch eine strikte Haftung des Schuldners Rechnung getragen werden.
cc) Die Übertragung des Rechtsgedankens des § 437 BGB a. F. auf den Fall des anfänglichen Unvermögens Fall 11: Achim (A) veräußert ein Gemälde an Bernd (B). Drei Wochen später meldet sich der wahre Eigentümer des Gemäldes und fordert dessen Herausgabe von Β. A konnte nicht wissen, daß dem E das Gemälde zwei Monate zuvor gestohlen worden war. Β verlangt von A den Nichterfüllungsschaden.
Es ist festgestellt worden, daß die Regelungen des § 437 BGB a. F. und § 536 a BGB n. F., letztere jedenfalls im Falle eines Rechtsmangels, durchaus sinnvoll sind bzw. waren. Der Zweck des § 437 BGB a. F. erschloß sich aus dem Wesen des Verkaufsgegenstandes: Forderungen und Rechte sind im Vergleich zu Sachen „unsichtbar'4, ihr rechtlicher Bestand kann vom Käufer nicht überprüft werden. Die bis zum Inkrafttreten des § 311 a II BGB n. F. geführte Diskussion um die strikte Haftung im Falle anfänglichen Unvermögens wird meines Erachtens von den Gegnern der Garantiehaftung dadurch verzerrt, daß sie sich zur Begründung der Verschuldenshaftung auf Beispiele stützen, in denen der Schuldner erst kurz vor Vertragsschluß unvermögend wird 77 . Diese Beispiele mögen von gewissem didaktischen Wert sein, da an ihnen der Unterschied zwischen anfänglichem und nachträglichem Unvermögen auf einfache Weise erklärt werden kann; in der Praxis spielen die „Lehrbuchfälle" jedoch keine Rolle. Weitaus wichtiger ist die Problematik, daß der Schuldner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht in der Lage ist, dem Gläubiger das Eigentum an der Sache zu verschaffen (Fall 77 ) 7 8 . Diese Fallgruppe unterscheidet sich von den Lehrbuchfällen in zwei Punkten: Erstens ist der Schuldner 76 Siehe dazu Brox, Schuldrecht BT, Rdz. 155; Fikentscher, Schuldrecht, Rdz. 800ff.; Huber, Gutachten I (Leistungsstörungen), S.647, 772. 77 So z.B. Braun, JA 1983, 571, 576; Evans-von Krbek,, AcP 177 (1977), 35, 36; Gudian, NJW 1971, 1239; Siber, Schuldrecht, §431111, S. 190f.; Titze, Unmöglichkeit der Leistung, S.251. 78 Die der Rechtsprechung zur Entscheidung gegebenen Fälle beinhalten grundsätzlich die Problematik, daß der Schuldner eines Kaufvertrags seiner Pflicht zur Eigentumsverschaffung nicht bzw. nicht frei von Rechten Dritter nachzukommen vermag: RGZ 69, 355, 357; 80, 247, 250; BGHZ 8, 222, 231; 11, 16, 22; WM 1956, 539, 541; W M 1957, 670, 671; W M 1964, 234; W M 1972, 656f.; NJW 1983, 275; NJW 1988, 2878; NJW 1990, 1106; NJW 1995, 1737; NJW 1997, 938, 939. Vgl. die ausführliche Übersicht von Huber, Leistungsstörungen I (1999), §231.
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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nicht erst kurz vor Vertragsschluß unvermögend geworden, vielmehr war er zu keinem Zeitpunkt in der Lage, dem Gläubiger das Eigentum zu verschaffen. Das Argument der Vertreter der Verschuldenshaftung, es sei willkürlich, den anfänglich unvermögenden Schuldner strikt haften zu lassen, da der Eintritt des Unvermögens vor oder nach Vertragsschluß vom Zufall abhänge, verfängt hier nicht. Zweitens, und hier liegt meines Erachtens das entscheidende Argument zugunsten der Garantiehaftung, ist der Käufer nicht in der Lage zu überprüfen, ob der Verkäufer tatsächlich Eigentümer der von ihm angebotenen Sache ist. Das Eigentum ist ebenso unsichtbar wie eine Forderung bzw. ein Recht nach § 437 BGB a. F. Der Gläubiger muß darauf vertrauen, daß die andere Partei Eigentümer ist, der Vertragsgegenstand selbst gibt keine Auskunft über die Eigentümerschaft, mag der Käufer ihn noch so gründlich untersuchen79. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit des Gläubigers ist meiner Meinung nach eine verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners gerechtfertigt. Für anfechtbar halte ich jedoch das von Seiten der Befürworter der Garantiehaftung hervorgebrachte Argument, die größere Beherrschungsmöglichkeit des Schuldners gebiete eine strikte Haftung 80. Zwar ist ein genereller Beherrschbarkeits- und Informationsvorsprung des Schuldners hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse nicht zu leugnen; liegt aber im Einzelfall ein Informationsvorsprung des Schuldners nicht vor (man denke an den Verkäufer, der sich fälschlicherweise für den Eigentümer einer zu verkaufenden Sache hält, ohne daß ihm aus dieser Nichtkenntnis ein Vorwurf gemacht werden könnte), so zwänge diese Sicht im Umkehrschluß doch gerade zu einer Freistellung des Schuldners. Warum auch in diesen Fällen der Schuldner haften soll, vermag eine an der Zurechnung typischen Risikos orientierte Lehre nicht zu erklären 81. Nur eine streng an der Gläubigerperspektive ausgerichtete Theorie bietet m. E. eine überzeugende Begründung für die bis zum Inkrafttreten des § 311 a II BGB n. F. geltende Garantiehaftung im Falle anfänglichen Unvermögens: Auch wenn de facto der Schuldner keinen Beherrschbarkeits- oder Informationsvorsprung besitzt, haftet er, weil der Gläubiger, dem keine Möglichkeit bleibt, als sich auf die Angaben des Schuldners zu verlassen, im besonderen Maße schutzbedürftig ist. Obwohl der Einsatz einer gesetzlichen Garantiehaftung in bestimmten Situationen zum Schutze des Gläubigers sinnvoll erscheint, muß betont werden, daß eine strikte Haftung des Schuldners das im BGB festgelegte Verschuldensprinzip durchbricht und daher nur in Ausnahmefällen zur Anwendung gelangen darf. Nun wollte ein beträchtlicher Teil der Befürworter der Garantiehaftung im Falle anfänglichen Unvermögens diese anhand objektiver Kriterien wieder einschränken. Ist es angesichts dieser Einschränkungsversuche nicht sinnvoller, die Garantiehaftung gleich durch die Verschuldenshaftung zu ersetzen und somit dem Vorwurf der Durchbre79
Ebenso Grunewald, Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf (1980), S.27ff.; Koller, JuS 1984, 106, 108. 80 So Koller, Risikozurechnung, S. 269ff. 81 Siehe dazu oben 1 caa. 10 Pohlmann
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
chung eines fest verankerten Prinzips zu entgehen? Existiert abgesehen von dem Argument der Schutzbedürftigkeit des Gläubigers noch ein weiterer Beweggrund für das beharrliche Festhalten an der Garantiehaftung? Wie im folgenden Teilabschnitt gezeigt werden soll, dient die Bevorzugung der Garantiehaftung und ihrer Einschränkung durch objektive Kriterien auch dazu, das Ergebnis einer Haftung auf den bloßen Vertrauensschaden zu vermeiden, auf den sich die Vertreter einer Verschuldenshaftung unter Beachtung des in § 249 S. 1 BGB zum Ausdruck gekommenen Kausalitätsprinzip zwangsläufig beschränken müßten.
2. Die neue Rechtslage seit dem Ol. Januar 2002 Fall 12: Martin (M) verkauft seinem Freund Lothar (L) ganz spontan am Nachmittag in einem Straßencafö ein goldenes Feuerzeug (Wert: 400,-€) zu einem Preis von 250,-€. Daß M das Feuerzeug gar nicht dabei hat, ist dem L egal, da er das Feuerzeug kennt und bereits bei früheren Gelegenheiten Interesse an diesem bekundet hatte. Zwei Stunden zuvor wurde das Feuerzeug jedoch als einer von vielen Gegenständen bei einem Einbruchsdiebstahl aus dem Haus des A gestohlen. Die von M installierte Alarmanlage wurde von den Dieben ausgeschaltet. L verlangt von M den Ersatz des Nichterfüllungsschadens.
§ 311 a II BGB n. F. sieht im Falle anfänglichen Unvermögens eine verschuldensabhängige Haftung vor. Das Garantieprinzip, so der Regierungsentwurf, führe zu Gesichtspunkten, die unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht zu überzeugen vermögen, während sich das Verschuldensprinzip sowohl durch „höhere rechtsethische Überzeugungskraft als auch durch größere Flexibilität auszeichne"82. Der Gedanke einer verschuldensabhängigen Haftung des anfänglich unvermögenden Schuldners wurde bereits kurz nach Inkrafttreten des BGB ins Spiel gebracht 83 und hat seitdem viele Anhänger gewonnen84. Die Befürworter der Verschuldenshaftung verweisen zum einen darauf, daß eine strikte Haftung des Schuldners im Widerspruch zu dem im BGB verkörperten Verschuldensprinzip stünde. Dieses Argument ist jedoch bereits entkräftet worden: Das BGB hat an verschiedenen Stellen ausdrücklich eine Abweichung von dem Verschuldensprinzip festgelegt. Zweck der Garantiehaftung ist die Berücksichtigung einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Gläubigers in bestimmten Situationen. 82
Regierungsentwurf, S. 165. So bereits Fitze, Unmöglichkeit der Leistung (1900), S. 247ff., 252. 84 Böhmer, JZ 1953, 392; Braun, JA 1983,571, 576; Demmer, Die Haftung des Schuldners, S. 133 ff.; Emmerich in MünchKomm, Vor §275 Rdz. 17; Esserl Schmidt, Schuldrecht 11, §221112; Evans v.Krbek, AcP 177 (1977), 35ff.; Gudian, NJW 1971, 1239ff.; Heck,, Schuldrecht, § 47, 2; Nassauer, Sphärentheorien, S. 208 ff.; Ostler in Staudinger (11. Auflage 1955), §440 Rdz.6; Siber, Schuldrecht, §431111; Titze, Unmöglichkeit (1900), 247ff., 252. Mit Einschränkungen Eichenhof er, JuS 1989, III, 782 f. 83
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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Auch der Fall des anfänglichen Unvermögens ließe sich im Regelfall aus dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes heraus unter die Garantiehaftung einordnen. Zum anderen argumentieren die Vertreter der Verschuldenshaftung, daß nach der Garantiehaftung der oft zufällige Zeitpunkt des Eintritts des Unvermögens zum entscheidenden Faktor über Haftung oder Freistellung des Schuldners würde. Bei Abstellen auf Verschuldensaspekte verlören dagegen die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen anfänglichen und nachträglichen Unvermögen durch die Haftungsgleichstellung ihre Bedeutung. Vielmehr würden alle Formen der Nichterbringlichkeit der Leistung nach übereinstimmenden Grundsätzen behandelt85. In der Tat mutet es seltsam an, daß in Fall 12 M den Nichterfüllungsschaden zu ersetzen hat, sofern man der Garantiehaftung folgt; falls das Feuerzeug jedoch kurz nach Vertragsschluß gestohlen wurde, ginge ein Schadensersatzanspruch mangels Vertretenmüssen der nachträglichen Unmöglichkeit ins Leere. Auch liegt in diesem Falle keine Situation vor, die für eine besondere Schutzbedürftigkeit des Gläubigers spräche: Auch wenn dem Gläubiger zugestanden wird, daß er sich über die Eigentumslage nicht informieren kann, so ist die Möglichkeit, sich über das Vorhandensein des Gegenstands zu versichern, für den Gläubiger sehr wohl gegeben. Kauft der Gläubiger dennoch „die Katze im Sack", scheint dies eher gegen seine Schutzbedürftigkeit zu sprechen. Auch wenn betont werden muß, daß der vorangestellte Beispielsfall nicht die in der Praxis vorrangigen Fälle anfänglichen Unvermögens widerspiegelt, dürfen sich die Vertreter der Garantiehaftung auch in diesem Fall einer Lösung nicht schlichtweg verweigern. Zunächst jedoch soll die von den Befürwortern der Verschuldenshaftung ins Feld geführte These überprüft werden, nach der ein Abstellen auf Verschuldensmomente zur Haftungsgleichstellung zwischen anfänglichen und nachträglichen Unvermögen führen würde.
a) Die Verletzung einer Aufklärungspflicht Fall 13: Thomas (T) verkauft dem Karl (K) eine chinesische Vase zu einem Preis von 5000,-€ (Wert: 7000,-€). Obwohl Τ den begründeten Verdacht hegt, daß die Vase dem seinerzeitigen Eigentümer gestohlen worden ist, teilt er seine Befürchtungen dem Κ nicht mit. Wochen später meldet sich der wahre Eigentümer und verlangt Herausgabe der Vase. Κ verlangt von Τ den Nichterfüllungsschaden in Höhe von 2000,-€.
Der Schadensersatzanspruch ergibt sich nach der neuen Rechtslage aus § 311 a II BGB n. F. Wie im Falle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit86 ist dem Schuldner 85 86
1*
Evans-von Krbek., AcP 177 (1977), 35, 50. Siehe oben I I b .
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
die Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht vorzuwerfen. Vom Schuldner ist zu verlangen, daß er sich vor Vertragsschluß bezüglich seiner eigenen Leistungsfähigkeit vergewissert und etwaige Zweifel dem Gläubiger gegenüber anzeigt. In Fall 13 hätte von Τ verlangt werden können, daß er Κ gegenüber seine Zweifel hinsichtlich des Eigentums an der Vase offenbart. b) Der Umfang der Haftung § 311 a II BGB n. F. sieht (nach Wahl des Gläubigers) auch den Ersatz des positiven Interesses (Schadensersatz statt der Leistung) vor. Jedoch hat die Aufklärungspflichtverletzung, wie oben bereits festgestellt wurde 87, das Leistungshindernis gar nicht verursacht. Nach § 249 S. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne die Schutzpflichtverletzung des Vertragspartners stünde. Hätte der Schuldner etwaige Zweifel am Leistungsvermögen offenbart, so wäre entweder gar kein Vertrag zustande gekommen, mit der Folge, daß die Verletzung der Aufklärungspflicht lediglich zum Ersatz des negativen Interesses führt 88 . Oder der Gläubiger hätte trotz des Hinweises den Vertrag geschlossen, weshalb er dann im Falle anfänglichen Unvermögens des Schuldners das volle Risiko tragen würde. Die zutreffende Äußerung Sibers, daß bei fahrlässiger Unkenntnis des Unvermögens nicht das positive Interesse geschuldet werden könne, da „die Nichtanzeige für das Entgehen der subjektiv unmöglichen Leistung nicht ursächlich" sei 89 , entspricht also dem in § 249 S. 1 BGB statuierten Prinzip, wonach nur der aus der Pflichtverletzung kausal verursachte Schaden zu ersetzen ist 90 . c) Stellungnahme Nach meinem Dafürhalten hat sich der Regierungsentwurf nur unzureichend mit dem Haftungsumfang im Falle anfänglichen Unvermögens auseinandergesetzt91. Sieht man § 311 a II BGB n. F. als einen Fall der culpa-Haftung, so läßt sich der Ersatz des Erfüllungsinteresses nicht rechtfertigen. Der Gesetzgeber hätte dann Rechtsfolgen angeordnet, die dogmatisch nicht haltbar sind. § 311 a I I BGB n. F. wäre bei diesem Verständnis ein Fremdkörper im BGB, ebenso wie es § 463 S. 2 BGB a. F. im alten Recht war, der trotz einer auf das negative Interesse gerichteten (arglistigen) Aufklärungspflichtverletzung zum Ersatz des positiven Interesses führte. Lediglich wenn man § 311 a I I BGB n. F. als gesetzliche Garantiehaftung begreift 87
Siehe oben I I b , 2. Siehe Abschlußbericht, S. 146. 89 Siber in Planck, § 306 Anm. 3 a. 90 Huber (Leistungsstörungen I [1999], § 22 II Fn. 34) weist zutreffend darauf hin, daß die Anhänger des Verschuldensprinzips das Problem der Haftungsbeschränkung auf das negative Interesse „im allgemeinen mit Stillschweigen" übergehen. 91 Kritisch auch Altmeppen, DB 2001, 1399, 1401 f. 88
§ 7 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse
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(die ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner das Leistungshindernis weder kannte noch kennen mußte), ließe sich der Ersatz des Nichterfüllungsschadens rechtfertigen. In dem Fall ist jedoch unklar, weshalb der Gläubiger wahlweise den Aufwendungsersatzanspruch aus § 284 BGB n. F. geltend machen kann. Richtig bemerkt Altmeppen, daß der Gläubiger gar keinen Vertrauensschaden hat, wenn er das Erfüllungsinteresse bekommt92. Treffend wies Kreß darauf hin, daß der Gläubiger im Falle anfänglichen Unvermögens auf die Bewirkung des Leistung vertrauen können muß93. Im anfänglichen Unvermögen des Schuldners offenbart sich folgendes Dilemma: Regelmäßig hat der Schuldner nur eine Schutzpflichtverletzung zu verantworten, ohne die überhaupt kein Vertrag zustande gekommen wäre, so daß - als logische Konsequenz des § 249 S. 1 BGB - lediglich das Vertrauensinteresse zu ersetzen ist. Tatsächlich entspricht der Ersatz des negativen Interesses jedoch weder dem vom Gläubiger erlittenen Schaden noch seinem entgegengebrachten und aufgrund des wirksamen Vertrags berechtigten Vertrauen. Das berechtigte Vertrauen des Gläubigers auf Vertragserfüllung vermag sich auch dann durchzusetzen, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft, er also nicht einmal eine auf das negative Interesse gerichtete Schutzpflicht verletzt hat (Fälle 11 und 12), weil der Gläubiger im Regelfall auf die Leistungsfähigkeit der anderen Partei vertrauen muß, er keine Möglichkeit der Überprüfung der Angaben des Schuldners hat. Wie bereits erwähnt, zeichnet sich der Normalfall des anfänglichen Unvermögens dadurch aus, daß der Schuldner nicht in der Lage ist, dem Gläubiger das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Da ein Recht, wie beispielsweise das Eigentum, sinnlich nicht wahrnehmbar ist, der Sache selbst also nicht innewohnt, ist eine Untersuchung des Gegenstandes insoweit sinnlos. Die Situation ist mit der alten Rechtslage im Falle des Forderungs- und Rechtskaufes (§437 BGB a.F.) zu vergleichen, dessen Zweck sich auf das anfängliche Unvermögen übertragen läßt. Der Gläubiger ist aufgrund der Tatsache, daß er die wahre Eigentumslage nicht überprüfen kann, besonders schutzbedürftig. Aufgrund dieser besonderen Sachlage erscheint es gerechtfertigt, den Schuldner ohne Rücksicht auf Verschulden haften zu lassen. Ausnahmefölle, in denen der Gläubiger die Leistungsfähigkeit überprüfen könnte und daher nicht schutzbedürftig ist, können nach dem Vorbild der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit nach § 242 BGB gelöst werden 94. Obwohl der Gesetzgeber in § 311 a II BGB n. F. eine culpa-Haftung statuieren wollte, ließe sich diese Norm gleichwohl als Garantiehaftung begreifen, die dann unzumutbar ist (Rechtsgedanke des § 242 BGB), wenn der Schuldner das Leistungshindernis nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hatte. 92 93 94
Altmeppen, DB 2001, 1399, 1403. Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S. 113 f. BGH W M 1972, 656.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
I I I . Fazit Die unterschiedlichen Formen der Unmöglichkeit sind keine Sternschnuppen des juristischen Begriffshimmels, sondern beruhen auf dem Versuch, verschiedene Lebenssituationen rechtlich zu erfassen. Der tatsächliche Sachverhalt weicht im Regelfall des anfänglichen Unvermögens erheblich von der Situation der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit ab 95 . Im ersten Fall ist dem Gläubiger eine Nachprüfung der Richtigkeit der Angaben des Schuldners schlichtweg unmöglich. Er muß dem Schuldner vertrauen, und dieses bedingungslose Vertrauen hat eine bedingungslose, verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners zur Folge. Der anfänglichen Unmöglichkeit liegt dagegen eine abweichende Sachgesetzlichkeit zugrunde: Hier ist der Gläubiger sehr wohl in der Lage, sich über die Existenz des Gegenstands zu vergewissern. Eines besonderen Schutzes bedarf er daher nicht, so daß die Verschuldenshaftung gerechtfertigt ist. Diese beiden unterschiedlichen Konstellationen lassen sich auch im Rahmen des § 437 BGB a. F. veranschaulichen: Existiert beispielsweise eine verkaufte Forderung bei Vertragsschluß nicht, haftete der Verkäufer nach § 437 BGB a. F. verschuldensunabhängig. Der Käufer ist schutzbedürftig, da er die Existenz der (nicht verkörperten) Forderung nicht überprüfen kann und sich daher auf die Angaben des Verkäufers verlassen muß. Kann das verkaufte Recht jedoch überhaupt nicht existieren 96, so vermag der Käufer dies durchaus festzustellen. Der Käufer ist hier nicht schutzbedürftig, statt § 437 BGB a. F. kamen die §§ 306 ff. BGB a. F. zur Anwendung. Daß die Kategorien der anfänglichen Unmöglichkeit und des anfänglichen Unvermögens regelmäßig auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen, berücksichtigt die neue Rechtslage nicht 97 . Unklar bleibt auch, wie sich der Schadensersatzanspruch des Gläubigers auf das positive Interesse im Falle anfänglicher Leistungshindernisse dogmatisch begründen läßt. Als Verschuldenshaftung verstößt § 311 a I I BGB n.F. gegen das in § 249 S. 1 BGB zum Ausdruck gekommene Prinzip, wonach nur der kausal durch die Schutzpflichtverletzung verursachte Schaden ersetzt werden kann. Wollte man dagegen § 311 a I I BGB n. F. (entgegen der Absicht des Gesetzgebers) als gesetzliche Garantiehaftung begreifen, so bliebe man eine Erklärung für das Abweichen vom Verschuldensgrundsatz (§ 2761 BGB) bei allen anfänglichen Leistungshindernissen schuldig.
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Andere Auffassung v. Wallenberg (ZRP 1994, 306, 309) die die Gleichbehandlung von anfänglicher objektiver und subjektiver Unmöglichkeit durch den damaligen Kommissionsentwurf von 1992 für gelungen hielt. 96 Man denke ζ. B. an ein Patent für eine wissenschaftliche Theorie, § 1 II Nr. 1 PatG. 97 Allerdings kann hier § 2761 BGB n. F. die alten Unterschiede wiederherstellen. So haftet der Schuldner strenger oder milder, wenn sich dies „aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses" ergibt. Dazu Zimmer, NJW 2002,1, 3.
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§ 8 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich der eigenen Abschlußbereitschaft Daß die Parteien auch dann Schutzpflichten zu beachten haben, wenn es nicht zu einer vertraglichen Einigung kommt, ist im BGB an zwei Stellen zum Ausdruck gekommen: Ist jemand zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt oder hat er sich dazu öffentlich erboten, so hat er die Nichtannahme des Auftrags dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen, § 663 BGB. Ebenso obliegt dem Offerenten im Falle verspäteten Zugangs der Annahmeerklärung unter den in § 149 BGB genannten Voraussetzungen eine Anzeigepflicht. Obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, hat sich auch im Rahmen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen die Annahme von Schutzpflichten der Verhandlungsgegner durchgesetzt98. Bisher war das Augenmerk darauf gerichtet, die Grenzen der culpa-Haftung aufzuzeigen und die Funktion der Garantiehaftung als Mittel zur Behebung dieser Schwächen herauszustellen. Schwerpunkt des vorliegenden Abschnitts ist die Frage nach den Mindestanforderungen zur Bejahung einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung. I . Grundsatz der Vertragsfreiheit Es liegt in der Natur der Vertragsverhandlungen, daß sie jederzeit ohne besondere Begründung beendet werden können. Die vorvertragliche Situation ist durch Unverbindlichkeit gekennzeichnet99. Ob die Verhandlungen in eine bindende Einigung münden, ist noch ungewiß. Zur Vertragsfreiheit gehört auch das Recht jedes Verhandlungspartners, von dem anvisierten Vertrag Abstand zu nehmen. Wer schon während der Verhandlungen im Vertrauen auf den Vertragsschluß Aufwendungen tätigt, handelt daher grundsätzlich auf eigene Gefahr 100. Vorvertragliche Schutzpflichten, die unabhängig von einer späteren vertraglichen Bindung bestehen und im Falle ihrer Verletzung eine Schadensersatzpflicht auslösen, stehen zu der „negativen Vertragsfreiheit" des Pflichtigen in einem Spannungsverhältnis: Das Recht, vom Vertrag Abstand zu nehmen, wird auch dann eingeschränkt, wenn mit ihm zwar keine Verpflichtung zum Vertragsschluß, wohl aber zum Ersatz des negativen Interesses einhergeht 101. Richtig ist, daß dem Prinzip der 98
Siehe bereits RGZ 132, 26, 28; 143, 219, 222. Flume , Bürgerliches Recht AT II, § 33, 8. Anders bei Kontrahierungszwang; dazu Hackl, Vertragsfreiheit (1980), S.22ff. 100 BGH W M 1962,936; BGH NJW 1967,2199; BGH W M 1969,919; BGH NJW 1975,43; BGH ZIP 1989, 514, 515; Emmerich in MünchKomm, Vor §275 Rdz. 160; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 136. 101 Küpper, Das Scheitern von Vertragsverhandlungen (1988), S. 141; aA Weber (AcP 192 [1992], 390, 424), der trotz Auferlegung von Schadensersatzansprüchen die Abschlußfreiheit grundsätzlich für gewahrt hält. 99
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Vertragsfreiheit, welches der Idee von der freien Selbstbestimmung des Individuums entstammt102, im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhunderts Grenzen gesetzt werden mußten; dies gilt insbesondere für das Arbeits- und Mietrecht sowie für die standartisierten Massenverträge, die aufgrund ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Einflußnahme weitgehend entzogen sind 103 . Nichtsdestotrotz ist das Prinzip der Vertragsfreiheit nach wie vor eine der tragenden Säulen des Zivilrechts. Im vorvertraglichen Spannungsverhältnis zwischen eigener Interessenverfolgung und Verpflichtung zu gegenseitiger Rücksichtnahme gebührt der Vertragsfreiheit zumindest solange der Vorzug, wie die Parteien über das Stadium der Verhandlungen noch nicht hinausgekommen sind. Durchgesetzt hat sich folgende Ansicht: Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist zunächst, daß die berechtigte Partei den Vertragsschluß als sicher annehmen durfte. Werden in dem dadurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrags vor dessen Abschluß gemacht, so können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen zu erstatten sein, wenn der das Vertrauen auf den sicheren Vertrag Weckende später den Vertragsschluß ohne triftigen Grund ablehnt104.
I I . Formfreie Verträge Die Rechtsprechung zur Schadensersatzhaftung aus culpa in contrahendo im Falle des Scheiterns der Verhandlungen ist undurchsichtig 105. Insbesondere bleibt die für den Schadensersatzumfang wichtige Frage unbeantwortet, welche Pflichtverletzung haftungsbegründend sein soll. Mal stellt der BGH ausdrücklich auf den Abbruch der Vertragsverhandlungen ab 106 , mal scheint die haftungsbegründende Pflichtverletzung in der schuldhaften Erweckung des Vertrauens auf den Vertragsschluß zu liegen 107 , mal bevorzugt das Gericht eine Kombination aus besonderer Vertrauenserweckung und anschließendem Abbruch der Verhandlungen, wobei die Haftungsbegründung mal mehr auf dem pflichtwidrig geweckten Vertrauen, mal mehr auf dem Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund ruht 108 . 102
Dazu ausführlich Raiser, JZ 1958,1 ff. Zur Entwicklung vom strikten, auf dem Prinzip der Willensautonomie fußenden individualisierten Verständnis von der Vertragsfreiheit zu einer allmählichen Gegensteuerung durch Schutz vor allzu überlegenen Partnern siehe ausführlich Hackl, Vertragsfreiheit (1980), S. 13 ff. 104 BGHZ 76 343,349; BGH W M 1969,595,597; BGH WM 1975,923,925; BGH JZ 1997, 468. 105 Siehe ausführlich Küpper, Das Scheitern von Vertragsverhandlungen (1988), S.59ff. 106 BGH BB 1969, 464; BGH WM 1974, 1223; BGH NJW 1985, 1778, 1780f.; BGH ZIP 1989,514,517. 107 Vgl. z.B. BGH W M 1955, 728; WM 1962, 347; WM 1962, 936. 108 Ausführliche Übersicht bei Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 131. 103
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Im folgenden soll versucht werden, den Pflichtverstoß im Falle des Scheiterns der Vertrags Verhandlungen näher einzugrenzen.
1. Der Abbruch der Vertrags Verhandlungen als Pflichtverletzung? Auf den ersten Blick scheint der „Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund" als haftungsbegründende Schutzpflichtverletzung zu bestechen: Durch den grundlosen Abbruch enttäuscht der Verhandlungspartner das Vertrauen in den Vertragsschluß. Das Abstellen auf den pflichtwidrigen Abbruch der Verhandlungen hätte den Vorteil, daß unerheblich wäre, ob der Verhandlungspartner seine Abschlußbereitschaft bereits zu Beginn der Verhandlungen vorgetäuscht hat, erst im Laufe der Verhandlungen von der zunächst vorhandenen Vertragsbereitschaft innerlich abgerückt ist, ohne diesen Sinneswandel zu offenbaren, oder gar bis zum Abbruch noch an die vertragliche Einigung glaubte. Entscheidend wäre einzig und allein, daß der Pflichtige Teil in dem anderen besonderes Vertrauen in den Vertragsschluß hervorgerufen und anschließend die Verhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen hat. Wie die folgende Untersuchung jedoch zeigen wird, vermag der „Abbruch ohne triftigen Grund" als haftungsauslösende Schutzpflichtverletzung nicht zu überzeugen. a) Triftiger
Grund
Schwierigkeiten bereitet schon die Frage, wann ein Verhandlungspartner die Verhandlungen „ohne triftigen Grund" oder „zur Unzeit" abgebrochen hat. Teilweise wird dazu ein Grund gefordert, der auch eine obligatorische Bindung aufzuheben imstande wäre, so beispielsweise im Falle eines nicht nach den §§ 275 ff. BGB zu vertretenden Leistungshindernisses109. Die Orientierung des Abbruchs der Verhandlungen an den Entlastungsgründen des Schuldrechts ist jedoch meines Erachtens schon deshalb fraglich, weil es gerade im vorvertraglichen Bereich an einer obligatorischen Bindung mangelt. Daher kann die Haftung im Falle einer culpa in contrahendo nicht am Maßstab obligatorischer Bindungen angelegt werden. Die Rechtsprechung läßt eine klare Linie vermissen: So soll einerseits die bloße Möglichkeit eines anderweitigen Abschlusses einen triftigen Grund darstellen 110, nicht jedoch die Streichung einer in Aussicht gestellten Stelle111. Welcher Grund „triftig" ist und welcher nicht, bleibt ungelöst. Dem Versuch, die Pflichtverletzung auf dieser Grundlage zu entwickeln, fehlt begrifflicher Inhalt und Schärfe 112. 109 110 111
Hans Stoll, FS Ernst von Caemmerer (1978), S.435, 449. BGH W M 1974, 508, 510; dagegen Weber, AcP 192 (1992), 390, 424 Fn. 159. BAG NJW 1963, 1843.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
b) Umfang der Haftung Sieht man in dem „Abbruch ohne triftigen Grund" die haftungsbegründende Pflichtverletzung des schuldigen Teils, so wäre dem Geschädigten das positive Interesse zu ersetzen 113. Nach § 249 S. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Kann der Getäuschte nachweisen, daß ein Vertrag ohne den Abbruch Zustandekommen wäre, so hätte der Täuschende den Nichterfüllungsschaden zu ersetzen, obwohl ein vertraglicher Anspruch des Geschädigten auf Erfüllung nie bestand114. c) Das Recht zum Abbruch des Vertrags Daß der Ersatz des positiven Interesses trotz fehlenden Vertrags zwingende Folge der in dem pflichtwidrigen Abbruch begründeten Pflichtverletzung wäre, indiziert bereits die Ungeeignetheit dieser Pflichtverletzung. Ihre endgültige Disqualifizierung ergibt sich aus einer weiteren Überlegung: Der Abbruch der Vertrags Verhandlung ist tatsächlich gar keine Pflichtverletzung, sondern grundsätzlich ein den Verhandlungspartnern jederzeit zustehendes Recht 115 . Es entspricht gerade dem Wesen der Verhandlungen, daß sie jederzeit abgebrochen werden können, ohne daß dieser Abbruch einer Begründung bedürfte 116. Eine Bindung des Verhandlungspartners ist im Zweifel nicht anzunehmen, solange sich die Parteien nicht über alle wesentlichen Punkte geeinigt haben, § 1541 BGB. Aus dem Vertragsprinzip des BGB ergibt sich als zwingende Folge, daß ohne rechtsgeschäftliche Selbstbindung durch bindendes Vertragsangebot nach § 145 BGB oder Vorvertrag ein Abbruch der Verhandlungen, aus welchem Grund auch immer, nicht pflichtwidrig sein kann 117 . Die Haftung ließe sich höchstens dann an dem Gesichtpunkt des „grundlosen Verhandlungsabbruchs" ausrichten, wenn sie verschuldensunabhängig konstruiert werden könnte 118 . 112 So auch Nirk, FS Möhrig (1975), S.71, 83. Ein Beispiel, zu welchen sprachlichen Verrenkungen der Versuch einer Umschreibung „triftiger Gründe" führt, bietet die „Definition" von Küpper, aaO, S. 243. 113 So richtig Kaiser, JZ 1997,448,453. 114 Die Argumentation Küppers (aaO, S. 268 ff.) scheint sich im Kreis zu drehen: War der Vertragsschluß bloße Formsache, so soll der Pflichtverstoß des pflichtwidrigen Vertragsabbruchs zum Ersatz des positiven Interesses führen. Dieses Interesse will Küpper jedoch unter „Beschränkung des Schutzzwecks" auf Ersatz der durch die Vertragsablehnung nutzlos gewordenen Dispositionen eingrenzen (S.269f.). Gerade diese Dispositionen sind jedoch von der Schutzpflichtverletzung (Abbruch der Vertragsverhandlungen) gar nicht verursacht worden (vgl. dazu Küpper, S. 269). 115 Flume, Bürgerliches Recht ATII, § 15III4cdd; Grunewald, JZ 1984, 708, 711. 116 Flume , Bürgerliches Recht ATII, §33, 8. 117 Kaiser, JZ 1997, 448, 449; Larenz, FS Kurt Ballerstedt (1975), S.397, 416; Medicus, Gutachten I, S.479,498. 118 Dazu unten 3.
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2. Aufklärungspflichtverletzung Richtigerweise verletzt im Rahmen des Scheiterns der Vertragsverhandlungen derjenige eine Pflicht, der das Vertrauen des anderen in den Vertragsschluß pflichtwidrig weckt 119 . Der spätere Abbruch der Vertragsverhandlungen ist eine zur Bejahung des Schadensersatzanspruches notwendige Folge der Pflichtverletzung, nicht aber selbst Pflichtverletzung. Die Motive für den Verhandlungsabbruch sind daher bedeutungslos. Die pflichtwidrige Vertrauenserweckung ist nichts anderes als die Verletzung einer Aufklärungspflicht 120: Der Verhandlungspartner verheimlicht seinen fehlenden Abschlußwillen oder informiert den anderen hinsichtlich seiner inneren Einstellung falsch. Pflichtwidrig verhält sich ferner, wer zunächst abschlußbereit war, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich davon abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren 121 . In dieser Situation hat er insbesondere die Pflicht, den anderen durch die Offenbarung seiner geänderten Einstellung vor unnötigen Aufwendungen, die jener im Vertrauen auf den Vertragsschluß machen will, zu bewahren 122. 3. Haftung ohne Pflichtverletzung? Fall 14: Guido (G) tritt zum Zweck eines Verkaufs seines Alfa Romeo mit Roberto (R) in Vertragsverhandlungen. Obwohl hinsichtlich des Kaufpreises noch geringe Differenzen zwischen den Parteien bestehen, stellt G den Vertragsschluß gegenüber dem R als sicher hin. Wenig später erhält G jedoch ein Angebot von Marcella (M), die einen wesentlich höheren Preis bietet. G teilt daraufhin R sofort mit, daß er nicht mehr abschlußbereit sei. R hatte jedoch im Vertrauen auf den Vertragsschluß bereits ein Alfa Romeo-Sportlenkrad für genau dieses Automodell gekauft.
Stellt der Verhandlungspartner zunächst gutgläubig seine Abschlußbereitschaft als sicher hin, so haftet er nicht, wenn er die Änderung seiner Meinung sofort offenbart. So entfiele die Haftung in Fall 14, da der Verkäufer die zunächst tatsächlich vorhandene, aber aufgrund des besseren Angebots erloschene Bereitschaft zum Abschluß eines Vertrags mit dem ersten Kaufinteressenten diesem sofort mitteilte. Bekäme der erste Interessent die im Vertrauen auf den Kauf bereits getätigten Aufwendungen ersetzt? a) Die vom BGH gezogene Parallele zu § 122 BGB Zwei Entscheidungen des BGH scheinen die Möglichkeit zu eröffnen, auch ohne Pflichtverletzung zu einer Haftung des Verhandlungspartners zu gelangen. So be119
Grunewald, JZ 1984,708,709; Kaiser, JZ 1997,448,449; Medicus, Gutachten I, S.479, 494ff.; Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1097 ff. 120 So z.B. ausdrücklich BGH JZ 1997,468, 469. 121 BGH JZ 1997,468. Ausführlich Weber, AcP 192 (1992), 390, 393 ff. 122 Küpper, Das Scheitern von Vertragsverhandlungen (1988), S. 191 f.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
tont der BGH in einer Entscheidung, daß sich in jenem Fall zwar keine Pflichtverletzung finden ließe: „Dem Berufungsgericht ist auch zuzustimmen, daß sich mit dem Verhandlungsabbruch vom Herbst 1960 als solchem ein zum Schadensersatz verpflichtender schuldhafter Verstoß der Beklagten gegen ,Sorgfaltspflichten', die bei Vertragsverhandlungen entstehen können, nicht begründen läßt." 123
Weiter heißt es in der Entscheidung: „Ein Verhandlungspartner kann sich aber, wenn er sich mit der Gegenseite über das abzuschließende Vertragswerk ganz oder im wesentlichen einig geworden ist, unter Umständen auch dann schadensersatzpflichtig machen, wenn er sich hierbei rechtlich nicht gebunden, bei den Verhandlungen aber tatsächlich so verhalten hat, daß der andere Teil berechtigterweise auf das Zustandekommen des Vertrages mit dem ausgehandelten Inhalt vertrauen durfte und vertraut hat. Lehnt er den Vertragsschluß am Ende dennoch ohne triftigen Grund ab und enttäuscht er damit das erweckte Vertrauen des anderen, so ist die Sach- und Rechtslage dem Falle ähnlich, in dem ein Vertrag zwar wirksam zustande gekommen ist, der eine Teil aber nachträglich seine Erklärungen wegen Irrtums anficht. Hier wie da ist es sachgerecht, daß der in seinem Vertrauen auf die (entstandene oder erwartete) vertragliche Bindung enttäuschte Teil von dem anderen die wirtschaftlichen Nachteile ersetzt verlangen kann, die er infolge dieses Vertrauens auf sich genommen hat (vgl. § 122 BGB)" 1 2 4 .
In einer fünf Jahre später ergangenen Entscheidung hielt der V. Zivilsenat des BGH eine ausdrückliche Abgrenzung zum Urteil des II. Zivilsenats für erforderlich. Das Gericht stellte klar, daß zumindest im Bereich der formbedürftigen Verträge eine Haftung ohne Pflichtverletzung nicht in Betracht komme. Ob die vom II. Zivilsenat gezogene Parallele zur Irrtumsanfechtung weiterhin für formfreie Verträge gelte, „mag offenbleiben" 125. Die Garantiehaftung des § 1221 BGB kann für die Fallgruppe des Scheiterns von Vertragsverhandlungen kaum nutzbar gemacht werden 126. Die vom BGH gezogene Parallele zur Irrtumsanfechtung übersieht den entscheidenden Unterschied zur Situation der Vertragsverhandlungen: Dort basiert die Haftung des Anfechtenden auf einer vertraglichen Einigung der Parteien, der aufgrund Gesetzes die Wirksamkeit entsagt wurde (§§ 1421, 1771 BGB). Der die Verhandlungen abbrechende Partner hat jedoch noch überhaupt keinen Rechtsgeschäftswillen geäußert. Vielmehr steht ihm in dieser Situation grundsätzlich das Recht zu, jederzeit von den Verhandlungen Abstand zu nehmen. Gerade weil es hier an bindenden Willenserklärungen fehlt, ist der vorvertragliche Vertrauenstatbestand trotz Zusicherung des Vertragsschlusses nicht mit der Situation des § 122 BGB zu vergleichen 127. 123 124 125 126 127
BGH 6.2.1969 - II ZR86/67 in BB 1969, 464. ibid. BGH 18.10.1974-V ZR17/73 in WM 1974, 1223. Ebenso Küpper, aaO, S. 205 ff. So aber Larenz, aaO, S.417.
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Die vom II. Zivilsenat gezogene Parallele zur Irrtumsanfechtung gemäß § 122 BGB 1 2 8 ist daher nach meinem Dafürhalten in dieser weiten Form kaum vertretbar. b) Die sog. „ reine Vertrauenshaftung
"
Die von Larenz vertretene verschuldensunabhängige Vertrauenshaftung im Falle eines Verhandlungsabbruchs schlägt in dieselbe Kerbe wie die umstrittene Entscheidung des II. Zivilsenats. Nach Ansicht von Larenz existieren Fälle „reiner Vertrauenshaftung", zu deren Begründung kein Verschulden erforderlich sei 129 . Vielmehr genüge zur Haftungsbegründung neben der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes ein besonderer Zurechnungsgrund des Haftenden. Einen solchen Zurechnungsgrund will Larenz bereits dann bejahen, wenn der Pflichtige sich der Hervorrufung besonderen Vertrauens auf den Vertragsschluß durch sein Verhalten bewußt war. An dem von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestand muß sich der Pflichtige dann insoweit halten lassen, als er zwar immer noch berechtigterweise den Vertragsschluß ablehnen dürfe, dann jedoch das negative Interesse zu leisten habe130. Diese sogenannte „verobjektivierte Vertrauenshaftung" stützt sich also auf bloßes objektives Verhalten. Der Wille des Pflichtigen wäre somit unerheblich. Die „reine Vertrauenshaftung" führt meines Erachtens zu einer nicht gerechtfertigten Erweiterung der Haftung in den Fällen, denen es an einer Schutzpflichtverletzung ganz fehlt. Larenz verkennt den Ausnahmecharakter der in den §§ 1221,179 II BGB zum Vorschein kommenden verschuldensunabhängigen Haftung, wenn er deren Rechtsgedanken auf die Fälle des Verhandlungsabbruchs übertragen will. Einen ähnlichen Ansatz wie Larenz verfolgt Hans Stoll, der in den Fällen des Scheiterns der Vertragsverhandlungen eine „Haftung kraft Vertrauensbindung" sieht 131 . Seiner Meinung nach entsteht das gesetzliche Schuldverhältnis nicht schon mit Beginn der Verhandlungen, sondern erst mit der Schaffung eines besonderen Vertrauenstatbestandes des Pflichtigen. Das haftungsbegründende Moment sieht Stoll in der Enttäuschung des Vertrauens durch pflichtwidrigen Verhandlungsabbruch 132 . Im Ergebnis soll der Pflichtige Teil auf das negative Interesse bis zur Grenze des Erfüllungsinteresses haften 133. Stoll stützt seine vorvertragliche Vertrauenshaftung auf die Figur des einseitigen Leistungsversprechens unter Rückgriff auf die angloamerikanische Lehre vom promissory estoppel134. Der Schuldner hafte für das „gegebene Wort" auf das negative 128
Siehe oben. Larenz, FS Kurt Ballerstedt (1975), S.397,415-419; ders., Schuldrecht I, §91; ihm folgend Roth in MünchKomm, § 242 Rdz. 126. 130 Larenz, aaO, S.418f. 131 Hans Stoll, FS Emst von Caemmerer (1978), S.435, 445-452. 132 Stoll, aaO, S.449. 133 Stoll, aaO, S.435,451; ebenso Larenz, aaO, S.419. 134 FS Werner Flume I (1978), S. 741,754ff.; zustimmend Hohloch, NJW 1979,2369,2372. 129
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Interesse als „schwächeres Surrogat" des Erfüllungsanspruchs. Das einseitige, nicht ausgehandelte Leistungsversprechen als Haftungsgrundlage baut auf der Theorie Heinrich Stolls auf. Beide Haftungstheorien waren jedoch dem Vorwurf ausgesetzt, die Regelung des § 305 BGB a. F. 135 zu mißachten136. Das Abstellen auf das Leistungsversprechen beschränkt die Gruppe des Verhandlungsabbruchs zwangsläufig auf Fälle, in denen die Abschlußreife bereits erreicht ist. Der wichtige Bereich vorvertraglicher Aufklärungspflichten wird überhaupt nicht berücksichtigt. Stoll bestimmt den Umfang der Haftung nicht aufgrund kausal verursachter Pflichtverletzung, sondern als Folge des Vertrauens in den Vertragsschluß. Zu Recht wurde Stoll vorgeworfen, die Haftung zu einseitig an der Sicht des Vertrauenden auszurichten 137 . Schleierhaft bleibt auch die Abgrenzung der haftungsauslösenden bindenden Erklärung der Abschlußbereitschaft von der bindenden Offerte 138. c) Quasivertragliche
Ausgleichshaftung
Erwähnenswert ist schließlich noch der Versuch Webers, der von einer Zweigleisigkeit der Haftungstatbestände in den Fällen des Verhandlungsabbruchs ausgeht139: Neben die Haftung wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht trete eine verschuldensunabhängige Vertrauenshaftung, die durch die Enttäuschung begründeter Abschlußerwartungen ausgelöst werde. Rechtsgrund dieses qualifizierten Vertrauenstatbestandes sei die Ausstrahlungswirkung, die der „besondere Erfüllungsschutz des Vertragsrechts" auf den vorvertraglichen Bereich ausübe140. Weber begreift den Vertrag unter Verweis auf die Leonhardsche Zielvertragstheorie 141 als fortschreitenden Prozeß vom unverbindlichen Verhandlungsbeginn bis zum bindenden Vertragsschluß; dementsprechend werde der Spielraum zum „Ausstieg" aus den Verhandlungen enger, je weiter die Verhandlungen fortgeschritten seien142. Richtig ist, daß beispielsweise Aufklärungspflichten zunehmen, je weiter sich die Parteien der vertraglichen Bindung nähern 143. Diese Erkenntnis betrifft jedoch nur das Ausmaß der Sorgfaltspflichten und nicht den Rechtsgrund der Haftung. Ein „point of no return" könnte allenfalls dann erreicht sein, wenn das mit Heranrücken des Vertrags immer enger werdende Netz der Sorgfaltspflichten sich kurz vor Vertragsschluß derart verdichtet hat, daß in einer solchen Situation ein Verhandlungsabbruch treuwidrig wäre. 135
§3111 BGB n.F. Siehe oben § 211 c; femer die Kritik von Küpper, aaO, S. 212ff.; Medicus, Gutachten I, S.479, 498; Weber, AcP 192 (1992), 390, 406f. 137 Küpper, aaO, S. 212ff. 138 Medicus, Gutachten I, S.479,498. 139 AcP 192 (1992), 390-435. 140 aaO, S.423. 141 Leonhard, Verschulden beim Vertragsschlusse (1910), S.58. 142 Weber, AcP 192 (1992), 390, 422 f. 143 So auch Weber, aaO, S. 396f. 136
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Nach meinem Verständnis bildet die vertragliche Willenserklärung eine entscheidende Zäsur zwischen Abschlußfreiheit einerseits und Erfüllungspflicht andererseits144. Eine „am sukzessiven Bindungscharakter objektiver Übereinstimmung" orientierte vorvertragliche Haftung unterschätzt die Bedeutung des individuellen Versprechens der Vertragsparteien als entscheidenden Wendepunkt zwischen dem Recht zur Abstandnahme von der geplanten Selbstbindung und der Pflicht zur Erfüllung 145 . Bei einer solchen Sichtweise verwischen auch die Grenzen zwischen der Pflicht zum Ersatz des Erfüllungsinteresses (das zwangsläufig eine vertragliche Bindung voraussetzt) und der Beschränkung auf das negative Interesse. Aufgrund der „quasivertraglichen Bindung infolge Abschlußreife" könne ausnahmsweise das Erfüllungsinteresse verlangt werden, so Weber, wenn ein besonders auffälliges Mißverhältnis zwischen Abbruchmotiv und besonders qualifiziertem Vertrauenstatbestand bestünde146. Zutreffend analysiert Weber die Unzulänglichkeiten der Haftungsbegründungen in Fällen fehlender Schutzpflichtverletzung. Der Verhandlungsabbruch als haftungsbegründendes Moment läßt sich weder mit rechtsgeschäftlichen Ansätzen noch mit einseitigen Leistungsversprechen, reiner Vertrauenshaftung oder mit Hilfe des dogmatischen „Begründungs-Jokers" des „venire"-Prinzips überzeugend erklären 147 . Das Fazit kann daher nur lauten: Fehlt es an einer Schutzpflichtverletzung, scheidet grundsätzlich auch eine Haftung des „Aussteigers" aus. Der Verhandlungsabbruch ist nach meinem Verständnis ein Recht, das auch bei Vorliegen sogenannter „Abschlußreife" in Anspruch genommen werden kann. Der bloße Abbruch der Vertragsverhandlungen trotz weitgehender Einigung geht unter der Voraussetzung, daß der Abbrechende keine Aufklärungspflicht verletzt hat, zu Lasten desjenigen, der sich in „blindem" Vertrauen zu vergeblichen Dispositionen veranlaßt fühlte 148 .
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Ebenso Flume , Bürgerliches Recht AT II, § 33, 8. Bezeichnend ist denn auch die geringe Bedeutung, die Weber den vertraglichen Willenserklärungen beimißt: Der Vertrag als Prozeß stelle „das Willkürregime der Kontrahenden von Beginn an unter den Primat der objektiv erzielten Übereinkunft... - und das nicht aufgrund individueller Versprechen, sondern infolge institutioneller Vorstellungen vom Vertrag als Prozeß" (S.422). Und weiter unten: Vertragswirkungen beruhen nicht auf dem Willen der Parteien, so Weber, sondern unterlägen dem besonderen „institutionelle[n] Erfüllungsschutz des Vertragsrechts" (S.423). 146 Weber, AcP 192 (1992), 390,429f. 147 Weber, aaO, S. 402ff. 148 Siehe bereits v. Fuhr, BGB AT II 1, S.490. 145
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
I I I . Formbedürftige Verträge Scheitern Verhandlungen über Verträge, die einer gesetzlichen Form bedürfen, so könnte der mit dem Formerfordernis bezweckte Übereilungsschutz zu einer Milderung oder gar zu einem Ausfall der Haftung des Pflichtigen Teils führen.
1. Grundsätzlicher Vorrang der Form Vorschriften Größtenteils wird die Haftung im Falle formbedürftiger Verträge mit der Begründung abgelehnt, daß die Formvorschriften einem Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages entgegenstünden149. Dem mit den Formvorschriften bezweckten Übereilungsschutz widerspräche eine Haftung des Verhandlungspartners wegen culpa in contrahendo. Bis zum Vollzug der Form dürften die Verhandelnden daher nicht auf das Zustandekommen des Vertrags vertrauen. Auch die Rechtsprechung des BGH hat sich inzwischen diesem Standpunkt angenähert. Wollte das Gericht zunächst den Ersatzanspruch allein wegen eines Formmangels nicht ausschließen150, so deutet eine kürzlich veröffentliche Entscheidung eine Kehrtwende an: Demnach sei ein Schadensersatzanspruch bei formbedürftigen Verträgen nur dann zu bejahen, wenn das Verhalten des Abbrechenden einen schweren Verstoß gegen die Verpflichtung zu redlichem Verhalten bei den Vertragsverhandlungen bedeute151. Dem grundsätzlichen Vorrang der Formvorschriften gegenüber einer Haftung aus vorvertraglicher Pflichtverletzung ist zuzustimmen. Zwar umfaßt ein derartiger Schadensersatzanspruch sowieso nur das negative Interesse, so daß der Übereilungsschutz nur insoweit und nicht hinsichtlich eines weitergehenden auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Anspruches untergraben würde. Dennoch bedeutet auch der Ersatz des negativen Interesses einen indirekten Zwang zum Vertragsschluß, dem der Schutz der Formvorschriften vor übereilter Bindung widerspräche 152. 149
v.Bar, JuS 1982, 637, 639; Fikentscher, Schuldrecht, Rdz.72; Gottwald, JuS 1982, 877, 879f.; Medicus, Gutachten I, S.479,498f. 150 BGH NJW 1970, 1840, 1841. 151 BGH JZ 1997, 468 (Leitsatz). 152 So ausdrücklich BGH JZ 1997,468. Dagegen will Kaiser (JZ 1997,448,450) eine Schadensersatzhaftung auch bei formbedürftigen Verträgen mit der Begründung bejahen, daß sich die Pflichtwidrigkeit des Abbrechenden vorrangig auf das Vertrauen in sein gegebenes Wort beziehe, und nur mittelbar auf das Vertrauen in den Erfolg, d. h. den Vertragsschluß. Nur das Vertrauen in den Vertragsschluß sei vom Schutz der Formvorschriften umfaßt, daher könne sich der im Vertrauen auf das Wort des Verhandlungspartners Getäuschte auf einen Schadensersatzanspruch berufen. Mir scheint diese Trennung überspitzt: Stellt jemand seine Abschlußbereitschaft als sicher hin, so ist seine Aussage der Anlaß, auf den Vertragsschluß selbst zu vertrauen. Beides ist untrennbar miteinander verzahnt: Das Vertrauen auf das Wort des anderen umschließt notwendigerweise das Vertrauen auf den Abschluß des'Vertrages.
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2. Haftung bei besonders schwerwiegender Treupflichtverletzung Nach Auffassung des BGH kommt ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Ausschluß der Haftung durch die Formvorschriften mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren sei 153 . Eine derartige Situation liege bei einem besonders schwerwiegenden Treueverstoß des Pflichtigen Teils vor. Dieser sei in der Regel bei vorsätzlicher Treupflichtverletzung gegeben. Demnach ergäbe sich eine Haftung des Abbrechenden, wenn dieser eine tatsächlich nicht vorhandene Abschlußbereitschaft vorspiegelt oder zunächst bona fides seine Abschlußbereitschaft zugesichert hat, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren 154. Im letzteren Falle bestünde also eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Partner hinsichtlich einer geäußerten, tatsächlich aber nicht oder nicht mehr vorhandenen Abschlußbereitschaft. Die vom BGH vertretene Haftungsbeschränkung des Pflichtigen Teils auf Fälle schwerwiegenden Treueverstoßes ist meines Erachtens sinnvoll 155 . Die Situation ist mit dem Fall zu vergleichen, daß ein Verhandlungspartner den anderen über die Formbedürftigkeit täuscht und sich anschließend auf Formnichtigkeit berufen will. Auch hier verwehrt der BGH dem Täuschenden die Durchsetzung seines Begehrens, wenn die Berufung auf die Formvorschrift bei Anwendung des Maßstabs aus § 242 BGB die Existenz des Getäuschten gefährdet 156 oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treupflichtverletzung bedeutet157. Auch wenn es im Falle des Scheiterns der Verhandlungen nicht um die Täuschung über das Formerfordernissondern über die Abschlußbereitschaft geht, so macht dies in der Sache dennoch keinen Unterschied 158: Stellt der Täuschende den Vertragsschluß als sicher hin, so gibt er damit zu verstehen, daß er sich den Vertragsschluß reiflich überlegt habe und von seiner Seite keine Zweifel mehr am Abschluß des Geschäfts bestünden. Er macht also deutlich, daß er eines Übereilungsschutzes nicht mehr bedürfe, daß die notarielle Beurkundung „reine Formsache" sei und nur aus untergeordneten Gründen nicht sofort erfolgen könne 159 . Täuscht der in Anspruch Genom153
BGH JZ 1997,468; Medicus, Gutachten I, S.479,499. BGH JZ 1997, 468. 155 Anders Kaiser (JZ 1997,448,451), nach deren Auffassung der Schadensersatzanspruch bei formbedürftigen Verträgen ohnehin an gegenüber formlosen Verträgen gesteigerte Voraussetzungen gebunden sei, weshalb es einer zusätzlichen Verschärfung nicht bedürfe. Daß der BGH bei formlosen Verträgen den Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund als haftungsbegründenden Faktor genügen läßt, muß m. E. bezweifelt werden: Das Gericht umschiffte das Problem der Pflichtverletzung, indem es die aus früheren Entscheidungen geläufige Formel wiederholte, ohne den genauen Inhalt der Pflichtwidrigkeit näher zu bestimmen. 156 BGHZ 12, 286; 23, 249, 254f. 157 BGHZ 29, 6, 10f.; 48, 396, 397ff.; 85, 315, 318f. 158 Anders Kaiser, JZ 1997, 448, 451. 159 Besonders deutlich wird dies in dem Sachverhalt, der dem Urteil des BGH in JZ 1997, 468 zugrunde lag: Hier sollte die Beurkundung auf Wunsch des Beklagten (angeblich) nur deshalb verzögert werden, weil dieser Steuernachteile befürchtete. 154
11 Pohlmann
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
mene in besonders pflichtwidriger Weise durch Hinstellung einer als sicher geltenden Abschlußbereitschaft vor, daß er eines Übereilungsschutzes nicht bedürfe, so darf er sich später nicht auf die Unbeachtlichkeit der Zusicherung der Abschlußbereitschaft berufen mit der Begründung, der andere habe wegen der Formvorschrift sowieso nicht auf das Zustandekommen des Vertrages vertrauen dürfen: In diesem Fall hat der Täuschende sein Recht auf die Berufung des von der Formvorschrift umfaßten Übereilungsschutzes durch sein besonders treuwidriges und paradoxes Verhalten verwirkt. Im Falle des Scheiterns der Vertragsverhandlungen blockieren die Formvorschriften die Haftung des hinsichtlich seiner Abschlußbereitschaft Täuschenden, die jedoch wieder auflebt, wenn eine Berufung des Täuschenden auf die Formvorschrift nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist.
IV. Haftungsumfang Eine Anknüpfung an die Aufklärungspflicht hinsichtlich der Abschlußbereitschaft führt zum Ersatz des negativen Interesses: Hätte der Pflichtige den Verhandlungspartner über seine nicht oder nicht mehr vorhandene Abschlußbereitschaft informiert, so hätte dieser beispielsweise bestimmte Aufwendungen nicht getätigt oder einen günstigeren Vertrag geschlossen, der ihm aufgrund des Vertrauens auf das nun gescheiterte Geschäft entgangen ist. Bei den formbedürftigen Verträgen könnte die aufgezeigte Parallele zu den Fällen der Täuschung über die Formbedürftigkeit dazu verführen, unter Berufung auf § 242 BGB in Ausnahmefällen den Ersatz des positiven Interesses zu befürworten 160. In den Fällen der Berufung auf Formnichtigkeit des Vertrages liegt eine vertragliche Einigung vor, deren Wirksamkeit an der gesetzlich vorgeschriebenen Form scheitert. Sind die Verhandlungen jedoch bereits im vertraglichen Vorfeld gescheitert, ohne daß es zu einer Einigung in Form eines Vorvertrages gekommen ist, so muß ein auf das Erfüllungsinteresse gerichteter Schadensersatzanspruch zwangsläufig ins Leere laufen. Folglich kann auch im Rahmen formbedürftiger Verträge nur das negative Interesse ersetzt werden 161. 160
Siehe unten §9II. Neuerdings versucht Eisenhardt (FS Hans G. Leser [1998], S. 144ff.), in analoger Anwendung des § 1791 BGB zu einem Schadensersatzanspruch in Höhe des Nichterfüllungsschadens zu gelangen, wenn der die Verhandlungen Abbrechende vorsätzlich oder grob fahrlässig Vertrauen in den Vertragsschluß erregt hat. Der Analogieversuch scheitert indes zum einen an der Tatsache, daß § 1791 BGB keine culpa-Haftung darstellt. Zweitens ist im Fall des § 1791 BGB die Phase unverbindlicher Verhandlungen bereits in eine vertragliche Einigung gemündet. Die Fälle des Verhandlungsabbruchs zeichnen sich dagegen dadurch aus, daß die Grenzlinie zwischen Unverbindlichkeit und Selbstbindung kraft vertraglicher Willenserklärung nie überschritten wurde. Der Ersatz des Nichterfüllungsschadens setzt zwangsläufig eine vertragliche Einigung voraus (mag diese auch unwirksam oder nicht erwartungsgerecht sein). Erst auf dieser Basis läßt sich die Behauptung überhaupt aufstellen, daß ohne die Schutzpflichtverlet161
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Anders als in den §§ 1221,179II BGB ist der Ersatz des Vertrauensschadens nicht auf den Betrag des Nichterfüllungsschadens begrenzt 162. Die Begrenzung des Schadensersatzanspruchs zu Gunsten des Pflichtigen beruht auf dem Gedanken, daß der Geschädigte, der ja bereits eine auf Erfüllung des Vertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben hatte, durch den Ersatzanspruch nicht bessergestellt werden soll als wenn tatsächlich erfüllt worden wäre 163 . Im Falle des Abbruchs von Vertragsverhandlungen fehlt es jedoch gerade an einer vertraglichen Einigung als Grundlage für die Berechnung des Erfüllungsinteresses. Sind die konkreten Leistungen noch gar nicht klar, so kann der Schadensersatz auch nicht auf die Erfüllungsleistung beschränkt werden. Lediglich die nutzlos getätigten Aufwendungen stehen eindeutig fest; diese sind in vollem Umfang zu erstzen 164. V . Fazit Stellt ein Verhandlungspartner den Vertragsschluß als sicher dar, ohne zu offenbaren, daß eine solche Abschlußbereitschaft tatsächlich nicht besteht, so ist die darin liegende Aufklärungspflichtverletzung die Grundlage eines auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruchs. Dieser Situation ist der Fall gleichzustellen, daß der Pflichtige zunächst vertragsschlußbereit war, im Verlaufe der Vertragsverhandlungen aber seine Meinung änderte, ohne den anderen darüber zu informieren. Der Abbruch der Vertragsverhandlungen ist keine Pflichtverletzung, sondern das für die erfolgreiche Geltendmachung des Schadensersatzanspruches zusätzlich notwendige Ereignis. Im Falle formbefürftiger Verträge ist ein Schadensersatzanspruch nur ausnahmsweise gegeben, wenn die Aufklärungspflichtverletzung einen besonders schwerwiegenden Treueverstoß darstellt, aufgrunddessen eine Berufung auf die Formvorschrift nicht mit § 242 BGB zu vereinbaren wäre. Die Untersuchung der Fallgruppe des Verhandlungsabbruchs hat die Grenzen der strikten Haftung aufgezeigt: Grundvoraussetzung für die Bejahung einer verschuldensunabhängigen Haftung ist das Vorliegen einer vertraglichen Einigung, mag diese auch unwirksam (geworden) sein (§§ 1221,179 BGB) oder den Erwartungen des zung dieser Vertrag erfüllt bzw. ein anderer, günstigerer (was vom Geschädigten nachzuweisen wäre, vgl. BGH JZ 1999,93) Vertrag zustandegekommen und erfüllt worden wäre, der Pflichtige somit das positive Interesse zu ersetzen hat. 162 BAG, DB 1974,2060,2061 f.; Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 188; aA Kaiser, JZ 1997, 448, 453; Löwisch in Staudinger, Vor §275 Rdz. 76. Differenzierend Weher, keine Beschränkung auf das positive Interesse bei Aufklärungsverschulden, wohl aber im Rahmen der von ihm vertretenen „quasivertraglichen Ausgleichshaftung für enttäuschtes Abschlußvertrauen", vgl. AcP 192 (1992), 390, 428ff., 435. 163 Siehe im einzelnen oben § 512 a. 164 Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 188. 11*
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Gläubigers nicht entsprechen (§ 536 a I Alt. 1 BGB n. F.). Sind die Parteien jedoch nie bis zu dem Stadium „bindender" Willenserklärungen vorgerückt, muß die Annahme einer Garantiehaftung zwangsläufig scheitern. Diese zeichnet sich durch einen ausdrücklichen, stillschweigenden oder gesetzlich fingierten, jedenfalls gesteigerten Haftungswillen aus und kann nicht durchgreifen, wenn überhaupt kein Haftungswille vorhanden ist.
§ 9 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich eines Formmangels In den Fällen des Scheiterns der Vertragsverhandlungen ist eine rechtsgeschäftliche Einigung zwischen den Beteiligten nicht zustandegekommen. Anders sieht die Rechtslage aus, wenn ein Vertragsschluß scheinbar vorliegt, der sich jedoch später wegen eines Formmangels als unwirksam herausstellt, § 125 S. 1 BGB. In dieser Situation vertraut der Vertragspartner nicht auf einen zukünftigen, sondern auf einen scheinbar wirksamen Vertrag. I. Überblick Die Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen eines scheinbar wirksamen, aufgrund Formmangels jedoch nichtigen Vertrags ist undurchsichtig und läßt sich nur mit Mühe in ein Schema fassen. Insgesamt lassen sich die Rechtsfolgen einer Aufklärungspflichtverletzung in zwei Gruppen einteilen: Unbeachtlichkeit des Formmangels mit der Folge der Vertragswirksamkeit oder Nichtigkeit des Vertrages verbunden mit einem Schadensersatzanspruch des Getäuschten. Die Berufung auf ein Formerfordernis ist in drei Fällen unbeachtlich: Erstens wird die Berufung auf die Formnichtigkeit dem Täuschenden gemäß § 242 BGB verwehrt, wenn deren Auswirkungen zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis für den getäuschten Vertragspartner führen 165. Dies gilt insbesondere im Falle einer Existenzgefährdung des Getäuschten166. Zweitens ist die Berufung auf Formnichtigkeit unbeachtlich, wenn dem Täuschenden ein grob treu- bzw. pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann 167 . So soll sich derjenige, der dem anderen Teil das Formerfordernis arglistig verschwiegen hat, nicht hinterher auf den Formmangel berufen dürfen 168. Schließlich genügt selbst eine fahrlässige Aufklärungspflichtverletzung über das Formerfordernis, um die Anerkennung des Vertrags auszulösen, wenn der fahrlässig 165
BGH NJW 1965, 812, 813. BGHZ 12, 286; 23, 249. 167 BGHZ 92, 164, 171 ff. 168 BGHZ 16, 334, 337f.; 29, 6, 10f.; 35, 272, 278f.; 48, 396, 397ff.; 85, 315, 318f.; BGH W M 1961, 1172. 166
§
Die Aufklärungspflicht hinsichtlich e i n e r n e
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Täuschende dem anderen aufgrund eines besonderen Betreuungsverhältnisses zu gesteigerter Sorgfalt verpflichtet war 169 . Bei Fehlen eines besonderen Fürsorgeoder Betreuungsverhältnisses besteht dagegen nur ein Anspruch auf Schadensersatz. Ist das Ergebnis der Nichtanerkennung dagegen nur hart, aber nicht „schlechthin untragbar", so muß dieser sich mit der Nichtigkeit des Vertrags abfinden, kann jedoch unter den Voraussetzungen der culpa in contrahendo von dem anderen Schadensersatz verlangen 170. I I . Wirksamkeit des Vertrags trotz Formnichtigkeit Verschweigt eine Partei ein Formerfordernis arglistig oder spiegelt sie dessen Unbeachtlichkeit vor, so hat sie den Vertrag trotz Nichteinhaltung der Form zu erfüllen. Das arglistige Verhalten stellt einen besonders schwerwiegenden Treueverstoß dar, der die Berufung auf § 125 S. 1 BGB vereitelt und den Täuschenden zur Vertragserfüllung zwingt. Die Situation ist mit der Garantiehaftung des § 1791 BGB vergleichbar, auch wenn dort bloßes Wissen vom Mangel der Vertretungsmacht genügt171. Der Sache nach läßt sich die Anerkennung der Wirksamkeit eines Vertrags trotz Formnichtigkeit als eine von der Rechtsprechung entwickelte „Erfüllungs-" oder Garantiehaftung einordnen. Daneben orientiert sich die Rechtsprechung an den Auswirkungen des Vertrags beim Getäuschten. In diesen Fällen steht die Schutzbedürftigkeit des Gläubigers im Vordergrund. Dieser Gedanke ist zwar auch schon im Rahmen der Garantiehaftung aufgetaucht (vgl. z. B. §§ 1221, 179 II BGB). Dennoch kann der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes hier wegen der Nichtigkeit des Vertrags gemäß § 125 S. 1 BGB nicht zur gewünschten Erfüllung verhelfen. Anderenfalls müßte dem Vertragspartner auch im Falle der §§1221, 179 II BGB das positive Interesse gewährt werden. Der Vergleich zu § 1791 BGB zeigt, daß erst ein besonderes Verhalten des Pflichtigen trotz Unwirksamkeit des Vertrags zum Ersatz des positiven Interesses führen kann 172 . Führt die Formnichtigkeit des Vertrags für den Geschädigten zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis, so kann diese Härte im Einzelfall nach § 242 BGB gemildert werden 173. Im übrigen bleibt es bei der Regel, daß nur der durch Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht kausal verursachte Schaden ersetzt werden kann.
169 170 171 172 173
BGH DNotZ 1972, 526 f. BGH NJW 1975,43f.; BGH WM 1965, 1115, 1116f.; W M 1979,458,460ff. Treffender noch ist der Vergleich zu § 463 S. 2 BGB a. F., siehe unten § 1013 c. Siehe oben§2I2b. BGH NJW 1965,812,813.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
I I I . Schadensersatz infolge Aufklärungspflichtverletzung Liegen die geschilderten Voraussetzungen einer richterrechtlichen Garantiehaftung bei arglistigem Verhalten bzw. eine über § 242 BGB zu berücksichtigende Ausnahmesituation nicht vor, so bleibt es bei der Vertragsnichtigkeit gemäß § 125 S. 1 BGB. Der Getäuchte kann jedoch Schadensersatz verlangen, wenn die andere Partei eine Schutzpflicht verletzt hat. Im Rahmen der Fallgruppe des Abbruchs der Vertragsverhandlungen ist festgestellt worden, daß bei formbedürftigen Verträgen ein Schadensersatzanspruch wegen des Schutzzweckes der Formvorschriften entfällt, es sei denn, daß dieser Zweck bei einer Beurteilung nach Treu und Glauben gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Geschädigten zurückzutreten hat 174 . Im Rahmen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen dient die Formvorschrift beiden Parteien, d. h. der hinsichtlich der Abschlußbereitschaft Aufklärungspflichtige kann sich daher darauf berufen, daß der andere sich aufgrund der Formvorschrift nicht auf den Vertragsabschluß hätte verlassen dürfen. Bezieht sich die Aufklärungspflicht dagegen auf das Formerfordernis selbst, kann ein Schadensersatzanspruch nicht unter Berufung auf den Übereilungsschutz der Formvorschriften abgewehrt werden: Das Vorliegen einer Aufklärungspflicht hinsichtlich der einzuhaltenden Form beinhaltet die Unterstellung, daß der Pflichtige vom Formerfordernis wisse bzw. hätte wissen müssen. Da gerade hinsichtlich der Formvorschrift ein Aufklärungsbedürfnis besteht, darf sich der Aufklärungspflichtige nicht darauf berufen, die andere Partei hätte sich aufgrund der Formvorschrift nicht auf die Wirksamkeit des Vertrags verlassen dürfen. Daher dient die Formvorschrift, was die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs anbelangt, hier ausschließlich dem Aufklärungsberechtigten, nicht jedoch dem Aufklärungspflichtigen. Die Form Vorschrift verhilft dem Aufklärungspflichtigen zur Lösung von der formunwirksam getroffenen Vereinbarung, jedoch nur unter Inkaufnahme einer Schadensersatzpflicht. Der Schadensersatzanspruch ist daher im Falle der Täuschung über ein Formerfordernis anders als bei Täuschung über die Abschlußbereitschaft hinsichtlich eines formbedürftigen Vertrags nicht von der grundsätzlichen Sperrwirkung der Formvorschriften betroffen. 1. Konkretisierung der Aufklärungspflicht Unter welchen Voraussetzungen besteht überhaupt eine Aufklärungspflicht hinsichtlich eines Formerfordernisses? Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß jede Vertragspartei sich über das Bestehen etwaiger Formerfordernisse selbst zu infor174
Siehe oben § 8 I U I .
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Die Aufklärungspflicht hinsichtlich
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mieren hat 175 . Etwas anderes gilt, wenn zwischen den Parteien ein Betreuungs- oder Fürsorgeverhältnis besteht. Dieses kann sich aus Gesetz ergeben oder aus Vertrag, etwa wenn ein Verhandlungspartner die Sorge für den Vertragsschluß übernommen hat. So hat beispielsweise ein Bauträgerunternehmen Aufklärungspflichten hinsichtlich der Formbedürftigkeit zu erfüllen, wenn es rechtsunkundigen Käufern von ihm selbst entworfene Verträge zur Unterzeichnung gibt 176 . Offenbarungspflichten können sich schließlich aus vorangegangenem Tun ergeben, wenn etwa durch eine schuldlos falsche Auskunft der Eindruck geweckt worden ist, Formerfordernisse seien nicht zu beachten177. 2. Rechtsfolge Grundsätzlich führt die Verletzung einer Aufklärungspflicht wieder lediglich zum Ersatz des negativen Interesses178. So sind dem Berechtigten beispielsweise die im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags entstandenen Aufwendungen zu ersetzen. Gegen den Ersatz des positiven Interesses spricht, daß es zur Bejahung eines Ersatzanspruches auf den Nichterfüllungsschaden bereits an einem wirksamen Vertragschluß fehlt 179 . Zweitens widerspräche die Unterstellung, bei ordnungsgemäßer Aufklärung wäre ein anderer, formrichtiger Vertrag zwischen den Parteien zustandegekommen, dem Grundsatz der Privatautonomie 180. Sicher kann in der Regel nur festgestellt werden, daß ohne die Aufklärungspflichtverletzung dieser (unwirksame) Vertrag nicht zustande gekommen wäre. Schließlich dient die Aufklärungspflicht hinsichtlich der Formbedürftigkeit dazu, den Käufer auf die Ungültigkeit des Vertrags aufmerksam zu machen und ihm den Schutzzweck der Formvorschrift zukommen zu lassen. So bezweckt § 311 b I BGB n.F. 181 bekanntlich die Vorbeugung von Streitigkeiten (Beweisfunktion), Warnung vor dem übereilten Abschluß wichtiger Rechtsgeschäfte (Warnfunktion) sowie fachkundige Beratung durch einen Notar (Beratungsfunktion) 182. Hätte der Verkäufer den Käufer pflichtgemäß über das Formerfordernis aufgeklärt, so wäre dessen Zweck ja gerade erst ins Spiel gebracht worden. Vielleicht wäre dem Käufer die Wichtigkeit des beabsichtigten Rechtsgeschäfts erst jetzt klar geworden, und er hätte daher vom Kauf Abstand genommen. Oder er hätte die Auswirkungen des Ge175 176 177 178 179
Medicus, Gutachten I, S.479, 513f.; siehe oben §41, IV. BGH NJW 1972, 1189. Medicus, Gutachten I, S.479, 514. Siehe oben §5. Flume , Bürgeriches Recht AT, § 15III4cdd; Larenz, FS Kurt Ballerstedt (1975), S.397,
405. 180 181 182
Ausführlich oben § 513. §313 BGB a.F. Statt aller Wolf m Larenz, Bürgerliches Recht AT, §27 Rdz.4ff.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
schäfts erst bei der juristischen Beratung durch den Notar in vollem Maße wahrgenommen und sich aufgrunddessen gegen einen Kauf entschieden. Die generelle Bejahung des Nichterfüllungsschadens stünde daher im Widerspruch zu dem Zweck der Aufklärungspflicht, vor dem angestrebten Vertragsschluß zu warnen 183. Ausnahmsweise soll nach der Rechtsprechung das Erfüllungsinteresse ersetzt werden, wenn bei pflichtgemäßem Verhalten der Vertrag formwirksam zustandegekommen wäre 184 . Dem ist nur dann beizupflichten, wenn der Geschädigte nachweisen kann, daß bei ordnungsgemäßer Aufklärung ein anderer, nämlich formwirksamer Vertrag zustande gekommen wäre 185 . In allen anderen Fällen beschränkt sich der Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse.
I V . Fazit Die Rechtsprechung beruft sich auf § 242 BGB, wenn sie im Ausnahmefall trotz Formnichtigkeit den Vertrag als wirksam gelten lassen will. Nach meinem Dafürhalten läßt sich die Pflicht des grob treu widrig handelnden Vertragspartners, trotz Formnichtigkeit den Vertrag zu erfüllen, in die Gruppe der Garantiehaftung einreihen. Gelingt dem Geschädigten der Nachweis nicht, daß bei ordnungsgemäßer Aufklärung ein formgerechter Vertrag geschlossen worden wäre, so verbleibt als Ausweg die von der Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit einer „Erfüllungshaftung" trotz Formnichtigkeit. Diese im Ausnahmefall eingreifende Haftung ist an die qualifizierte Voraussetzung eines besonders treuwidrigen Verhaltens des Schuldners geknüpft. Wie sich im nächsten Abschnitt zeigen wird, konnte auch der Gedanke des arglistigen, besonders treuwidrigen Verhaltens als Rechtfertigung der Garantiehaftung auf ein Vorbild im BGB zurückgreifen. Meines Erachtens stellte die bis zur Schuldrechtsmodernisierung geltende Haftung des arglistigen Verkäufers gemäß § 463 S. 2 BGB a. F. nicht, wie nach herrschender Meinung angenommen, einen Fall der culpa in contrahendo dar. Vielmehr ist in dieser Norm eine gesetzliche, „fingierte" Garantiehaftung zu sehen, deren Zweck darin lag, § 249 S. 1 BGB zu umgehen186.
183
Die Beschränkung auf das negative Interesse unter Berufung auf den Zweck der Formvorschriften fordern auch Flume , Bürgerliches Recht AT II, § 15 III4cdd; Larenz, Schuldrecht I, §913. 184 BGHZ 116, 251, 259; BGH NJW 1965, 812, 813f.; NJW 1969, 1167, 1169; BGH L M §313 BGB Nr. 24; BGH W M 1966, 89, 91. 185 Vgl. BGH JZ 1999, 93. 186 Siehe unten § 1013 c.
§ 1 Aufklärungspflichten
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§ 10 Aufklärungspflichten des Verkäufers Einer vorschnellen Bejahung von Aufklärungspflichten beim Kauf stehen die gegenläufigen Interessen der Vertragsparteien entgegen: Der Käufer darf daher nicht erwarten, über alle ungünstigen Eigenschaften des Kaufgegenstandes oder gar über alle die Preisbildung beeinflussenden Umstände aufgeklärt zu werden 187. Keine Aufklärungspflicht besteht hinsichtlich solcher Umstände, über die sich der Käufer ohne weiteres selbst informieren bzw. nach denen er den Verkäufer jederzeit fragen kann 188 . Stellt der Käufer jedoch konkrete Fragen hinsichtlich Vertrags wesentlicher Umstände, so ist der Verkäufer, wenn er Auskunft gibt, zur Wahrheit verpflichtet 189. I. Das Verhältnis des § 463 BGB a. F. zur allgemeinen Haftung Bezog sich die Aufklärungspflicht nach der alten Rechtslage nicht auf Eigenschaften einer Kaufsache, so griff die allgemeine Haftung aus culpa in contrahendo ohne weiteres ein: Dazu gehörte beispielsweise die Pflicht zur Aufklärung über die Erforderlichkeit einer Genehmigung, über die Zulässigkeit einer geplanten Werbemaßnahme190 oder über die nach den UnfallverhütungsVorschriften unzureichende Größe eines Geschäftslokals trotz der Möglichkeit einer behördlichen Ausnahmegenehmigung191. Vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform wurde teilweise die Auffassung vertreten, daß im Falle fahrlässiger Aufklärungspflichtverletzung von Eigenschaften der Kaufsache eine Haftung aus culpa in contrahendo durch die §§459 ff. BGB a. F. als leges speciales verdrängt würde 192 . Zur Begründung wurde einerseits darauf verwiesen, daß § 463 S. 2 BGB a. F. den Sonderfall einer (gesetzlich geregelten) culpa in contrahendo darstelle, der die Haftung ausdrücklich auf Arglist beschränke. Insofern stelle das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht eine abschließende Sonderregelung dar, weshalb im Wege des Umkehrschlusses die Haftung aus culpa in contrahendo ausgeschlossen sei 193 . 187 RGZ 111, 233, 234f.; BGH WM 1977, 394, 396; WM 1983, 1006, 1008; NJW 1984, 2289, 2290. 188 BGH W M 1987,319, 320. 189 Huber in Soergel, Anh. I § 433 Rdz. 76, 81. 190 BGH NJW 1973, 1688, 1689. 191 BGH NJW 1985, 1769, 1771. 192 RGZ 135, 339, 346; 161,193,195 f.; JW 1934, 2906; BGHZ 88, 130; BGH MDR 1956, 216; BGH L M §4591 Nr. 5; BGH NJW 1962, 1196, 1199; NJW 1973, 1234; NJW-RR 1988, 10, 11; NJW 1991, 1223, NJW 1992, 2564ff.; Brox/Elsing, JuS 1976, 1, 6; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 8 III 4 a; Heinrichs in Palandt, § 276 Rdz. 68; Huber in Soergel, Vor § 459 Rdz. 213; Medicus, JuS 1965, 209, 216f.; Hans Stoll, FS Ernst v.Caemmerer (1978), S.435, 455. 193 RG SeuffArch 78 Nr. 7 (S. 15); RG JW 1934, 2906, RG JW 1935, 1687; RG DR 1940, 795.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Weiterhin wurde angeführt, daß die §§459 ff. BGB a.F. eine in sich ausgewogene Abwägung der Interessen von Käufer und Verkäufer böten 194 . Durch den verschuldensunabhängigen Eintritt von Wandlung und Minderung werde einerseits dem Käufer entgegengekommen. Andererseits werde der Schadensersatzanspruch des Käufers nur im Falle der Arglist oder Zusicherung gemäß §§463, 480II BGB a.F. ausgelöst, was wiederum dem Verkäufer zugute komme. Dieses in sich geschlossene System werde durch die Annahme einer generellen Verschuldenshaftung aus den Angeln gehoben195. Schließlich beriefen sich die Anhänger einer AusschlußWirkung der §§459 ff. BGB a. F. auf den historischen Gesetzgeber196, der eine konkurrierende Haftung für Fahrlässigkeit nicht gewollt habe197. Die Gegenauffassung befürwortete eine Anwendung der culpa in contrahendo neben der Sachmängelhaftung des Kaufrechts 198. Der Umkehrschluß, der zur Begründung der abschließenden Sonderstellung des Gewährleistungsrechts dienen soll, stehe auf sandigem Boden. Die Besonderheit des §463 S.2 BGB a.F. liege nämlich darin, daß dieser den Ersatz des Erfüllungsinteresses gestatte. Demgegenüber richteten sich Ansprüche wegen fahrlässiger Aufklärungspflichtverletzung auf den Ersatz des negativen Interesses. Aus der Tatsache, daß § 463 BGB a. F. den Umfang des Schadensersatzanspruchs verschärfe, lasse sich kein Umkehrschluß ableiten, nach dem eine weitergehende Verschuldenshaftung auf das negative Interesse ausgeschlossen sei. Als Umkehrschluß eigne sich § 463 BGB a. F. nur insoweit, als diese Norm einen auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Schadensersatzanspruch außerhalb des Gewährleistungsrechts ausschließe199. Im übrigen lasse sich aus §463 BGB a. F. ebenso ein genau entgegengesetzter Umkehrschluß ableiten, daß der Verkäufer außerhalb von Zusicherung und Arglist gerade nicht auf das Erfüllungsinteresse, sondern nach allgemeinen Regeln „nur" das negative Interesse zu ersetzen habe200. Eine vermittelnde Ansicht versuchte, den Anwendungsbereich der § § 459 ff. BGB a. F. nach Schadenskreisen abzugrenzen. So sollte trotz Annahme einer Ausschlußwirkung der Gewährleistungsregeln eine Haftung aus culpa in contrahendo dann 194
BGHZ 60,319, 322. Honseil, JR 1976, 361, 362. 196 Mot. II, S. 229 = Mugdan II, S. 126.. 197 Honseil in Staudinger, Vor § 459 Rdz. 57. 198 OLG Hamburg MDR 1973, 496; OLG Karlsruhe, BB 1975, 1316; Diederichsen, BB 1965, 401; Emmerich in MünchKomm, Vor §275 Rdz. 118; ders. §5III2caa; Esser-Weyers, Schuldrecht BT, §6113; Flume , Eigenschaftsirrtum, S.55; ders., AcP 193 (1993), 89, 113f.; Heck, Schuldrecht, §89, 4; Kohlhepp, Sachmängelhaftung (1989), S. 179ff.; Leenen, §477 BGB: Verjährung oder Risikoverlagerung? (1997), S.34f.; Liebs, AcP 174 (1974), S.26,27f.; Oertmann LZ 1914, Sp.513, 519; Pick, JuS 1981, 413, 416; Schaumburg, MDR 1975, 105, 107; Walter, Gewährleistungsrecht (1990), 228 ff., 230; Weidenbaum, LZ 1933, Sp.370. 199 Diederichsen, BB 1965,401 ff.; Medicus, JuS 1998,289,292; Schubert, AcP 168 (1968), 470, 508 Fn. 121; Siber in Planck, Vor §§ 275-292 , S. 191; Weidenbaum, LZ 1933, Sp. 370. 200 Oertmann, LZ 1914, Sp.513, 519. 195
§ 1 Aufklärungspflichten des erkuers
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zum Tragen kommen, wenn es um Mangelfolgeschäden ging 201 . Die Anhänger dieser Auffassung verwiesen zur Untermauerung ihrer These auf die Rechtslage nach Vertragsschluß: Auch dort hafte der Verkäufer für den Mangelfolgeschaden nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung; es sei nicht einzusehen, weshalb eine Aufklärungspflichtverletzung in contrahendo zu einem anderen Ergebnis führen solle 202 . Zu ersetzen sei jedoch in beiden Fällen nur der Mangelfolgeschaden; hinsichtlich des Mangelschadens, so beispielsweise Larenz, gelte § 463 BGB a. F. ausschließlich203. 1. Die Garantiehaftung des § 463 S. 1 BGB a. F. Nach § 463 S. 1 BGB a. F. haftete der Verkäufer ohne Rücksicht auf Verschulden auf den Nichterfüllungsschaden, wenn der Kaufsache eine von ihm zugesicherte Eigenschaft fehlte. Hier kommt der Gedanke der Garantiehaftung zum Vorschein, nach der ein Schuldner, der etwas zusichert, uneingeschränkt für diese Zusicherung einzustehen hat 204 . Die Frage eines Auschlusses der culpa in contrahendo durch § 463 S. 1 BGB a. F. stellte sich nicht, da Garantie- und Verschuldenshaftung hinsichtlich Struktur und Zweck grundverschieden sind.
2. Die Haftung bei Arglist des Verkäufers, § 463 S. 2 BGB a. F. Weniger klar war das Verhältnis zwischen § 463 S. 2 BGB a. F. und culpa in contrahendo. In dem arglistigen Verschweigen eines Fehlers bei Vertragsschluß könnte eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung liegen, was zu der Annahme geführt hat, daß bei bloß fahrlässiger Aufklärungspflichtverletzung eben nicht gehaftet werde. Eigenartig ist jedoch, daß §463 S.2 BGB a.F. den Nichterfüllungsschaden ersetzte. Treffend bemerkte Krückmann, daß der Verkäufer auf mehr Schaden hafte, als er verursacht habe 205 : Hätte der Verkäufer den Käufer ordnungsgemäß aufgeklärt, so hätte dieser den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen. Zu ersetzen wäre also das negative Interesse. Die „Schlechtleistung" infolge des Mangels hat die Aufklärungspflichtverletzung jedoch gar nicht verursacht; auch bei hinreichender Aufklärung des Käufers wäre die Sache weiterhin fehlerhaft geblieben.
201
Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §8III4a; Larenz, Schuldrecht II 1, §41 Ile; Reinicke/ Tiedtke, Kaufrecht, Rdz. 707; Thiele, JZ 1967, 649, 656f. 202 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rdz. 701; Thiele, JZ 1967, 649, 656. 203 Larenz, Schuldrecht II 1, § 41 He. 204 Mot. II, S. 228 = Mugdan II, S. 126; Diederichsen, AcP 165 (1965), 150,159; Honseil in Staudinger, § 463 Rdz. 2; Knoke in Planck, § 463 Anm. 1; Larenz, Schuldrecht II 1, § 41 I I c; Lehmann in Enneccerus, § 108 I I 1 b; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rdz. 450. 205 Krückmann, Jherings Jahrb. 55 (1909), 1, 139.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
3. Stellungnahme a) Der Widerspruch zwischen Schutzpflichtverletzung und Haftungsumfang Wie läßt sich nun der seltsame Umstand erklären, daß §463 S. 2 BGB a. F. trotz vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung den Ersatz des positiven Interesses gewährte? Eine Erklärung für den Ersatz des positiven Interesses wäre, daß der Gesetzgeber den Arglistigen für sein verwerfliches Handeln bestrafen wollte 206 . Dafür spricht auch die Ausage in den Motiven, den Arglistigen „mit empfindlichen Nachteilen zu bedrohen' 4207. Indes vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen: Die These vom strafrechtlichen Charakter des § 463 S. 2 BGB a. F. stellte den Versuch einer Rechtfertigung dieser Norm dar, eine dogmatische Begründung für den Ersatz des positiven Interesses bei bloß vorvertraglicher Schutzpflichtverletzung lieferte sie nicht. Da „punitive damages'4 dem deutschen Zivilrecht fremd sind, genügt m. E. die bloße Berufung auf die Strafsanktion des § 463 S. 2 BGB a. F. nicht. Die „rechtspädagogischen"208 Gründe des Gesetzgebers machen jedoch eins deutlich: Diese Vorschrift war eine Ausnahmeerscheinung im System des BGB. Allgemeine Schlüsse auf eine weitergehende Verschuldenshaftung ließen sich aus § 463 S. 2 BGB a. F. wohl kaum ziehen. Daß § 463 BGB a. F. eine die allgemeine Verschuldenshaftung aus culpa in contrahendo auschließende Sonderregelung darstellte, läßt sich nicht nachweisen, auch wenn man alle Register schulmäßiger Gesetzesauslegung zieht 209 . Richtig ist, daß der Gesetzgeber des BGB das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo in seiner Bedeutung und Reichweite noch nicht erkannt hatte. Vielmehr überließ er eine Weiterentwicklung der vorvertraglichen Haftung der Wissenschaft 210. Ein Ausschluß der culpa in contrahendo durch §463 BGB a. F. ist vom Gesetzgeber nie bezweckt worden 211.
206 Krückmann, Jherings Jahrb. 55 (1909), 1, 138f.; ders., Jherings Jahrb. 59 (1911), 233, 321; Medicus, FS Eduard Kern (1968), S.313, 318; Siber in Planck, Vor §§275-292, S. 197; Vollmer, JA 1979, 84f. Dagegen Flume, Eigenschaftsirrtum, S.54; Hildebrandt, Erklärungshaftung, S.285. 207 Mot. II, S. 229 = Mugdan II, S. 126. 208 Wolff, Jherings Jahrb. 56 (1910), 1, 58. 209 Ausführlich Schaumburg, MDR 1975, 105, 108. 2,0 Mot. II, S. 179 = Mugdan, II, S. 98. 211 Emmerich, FS Günther Jahr (1993), S.267, 274.
§ 10 Aufklärungspflichten des Verkäufers
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b) Die Inkonsequenz der „herrschenden" Meinung Der auf den ausschließenden Charakter des § 463 BGB a. F. abstellenden Auffassung ist der Vorwurf zu machen, daß sie ihren Standpunkt nicht konsequent durchhält: Um im Einzelfall doch zu einer Haftung des fahrlässig handelnden Verkäufers zu gelangen, wurden verschiedene „Notlösungen" ersonnen, die zu weiteren Unsicherheiten bei Anwendung der §§459 ff. BGB a. F. geführt haben. So wurde zum einen der Eigenschaftsbegriff unnötig eingeengt: Beispielsweise seien Ertrag und Umsatz eines Unternehmens keine Beschaffenheitsmerkmale i. S. d. § 4591 BGB a.F., wodurch eine Haftung aus culpa in contrahendo möglich werde 212. Zweitens ließ die Rechtsprechung eine Haftung aus culpa in contrahendo durch Annahme eines vorvertraglichen Beratungsverhältnisses zu, das als eigene Haftungsgrundlage neben die Sachmängelhaftung des Verkäufers trat 213 . Eine ähnliche Strategie sah die Konstruktion eines stillschweigend geschlossenen selbständigen Beratungsvertrags vor, so daß der Verkäufer in diesen Fällen wegen Verletzung einer vertraglichen Auskunftspflicht zum Schadensersatz verpflichtet wurde 214 . c) § 463 S. 2 BGB a. F. als Fall einer Garantiehaftung Die Haftung aus § 463 BGB a. F. genoß keinen Vorrang vor der allgemeinen culpa-Haftung. Tatsächlich betraf § 463 BGB a. F. zwei Sonderfälle, die mit dem Prinzip der Haftung aufgrund schuldhafter Schutzpflichtverletzung nichts zu tun hatten; ein Konkurrenzverhältnis zu der allgemeinen culpa-Haftung war daher gar nicht möglich 215 . Von der herrschenden Meinung wurde § 463 S. 2 BGB a. F. als Fall der culpa in contrahendo eingeordnet 216. In diesem Fall könnte sich die Vorschrift zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, eine verfehlte Regelung zu sein 217 : Wie bereits erwähnt, läßt sich der Ersatz des Nichterfüllungsschadens bei Abstellen auf eine Aufklärungspflichtverletzung nicht begründen. Sieht man die Verletzung einer Schutzpflicht als den Ausgangspunkt der Haftung an, so stellte die Rechtfertigung des 212
BGH W M 1982, 696; NJW-RR 1989, 306, 307; ausführlich oben §5I2c. BGHZ 47, 312; 88, 130, 133; NJW 1981, 1035; BB 1984, 2148. 2.4 BGH MDR 1958,422; BB 1963,535; BB 1971,62; W M 1982,849,850; LG München I, MDR 1981, 670; siehe auch die Kritik von Emmerich, FS Günther Jahr (1993), S.267, 271. 2.5 Das Prinzip der allgemeinen culpa-Haftung kam bereits in §224 E1 zum Ausdruck. Sofort nach Inkrafttreten des BGB ist der Nachfolger dieser Regelung, § 276 BGB, von dem Reichsgericht mit Selbstverständlichkeit als Anspruchsgrundlage für den Ersatz des durch die schuldhafte Schutzpflichtverletzung entstandenen Schadens eingesetzt worden, siehe dazu oben §312. 216 RGZ 95, 60; v.Blume, Jherings Jahrb. 55 (1909), 209, 222f.; Larenz, Schuldrecht II 1, §41 Ile; Süß, Gewährleistung für Sachmängel (1931), S.87. 217 Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, S.43; Süss, aaO, S. 61 ff., 87ff. m. w. N. 213
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
§ 463 S. 2 BGB a. F. die Wissenschaft in der Tat vor „nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten" 218. Meines Erachtens läßt sich die Diskrepanz zwischen der auf das negative Interesse gerichteten Schutzpflichtverletzung und dem in § 463 S. 2 BGB a. F. angeordneten Ersatz des Nichterfüllungsschadens nur lösen, wenn man die Vorstellung akzeptiert, daß diese Norm ebenso wie § 463 S. 1 BGB a. F. einen Fall der Garantiehaftung darstellte 219. Die Ansicht, § 463 S. 2 BGB a. F. sei ein gesetzlich geregelter Fall der culpa in contrahendo gewesen, vermag den Ersatz des positiven Interesses trotz vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nicht plausibel zu erklären. Gerade diese Schwäche ist ein starkes Argument für die Theorie der Garantiehaftung 220: Der Ersatz des Nichterfüllungsschadens ist logische Folge der Garantie. Auch der Wortlaut des § 463 S. 2 BGB a. F. („Das Gleiche gilt") deutet auf eine einheitliche Behandlung beider Varianten nicht nur hinsichtlich des Haftungsumfangs, sondern auch hinsichtlich der Haftungsart hin. Der Gesetzgeber des BGB hatte sich nicht dazu geäußert, ob er in §463 S. 2 BGB a. F. ebenso wie in Satz 1 dieser Regelung eine Garantiehaftung sah. Jedenfalls hat der Gesetzesverfasser § 385 Ε 1 = § 463 BGB a. F. an keiner Stelle mit dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo in Zusammenhang gebracht 221. Interessant ist jedoch ein Vergleich mit § 1791 BGB: Dort folgten die Gesetzesverfasser der von Windscheid befürworteten strengen Garantiehaftung des Stellvertreters, welcher um den Mangel seiner Vertretungsmacht weiß 222 . Obwohl im Verlaufe der Diskussion um die Haftung des Stellvertreters auch der Einwand gebracht wurde, daß die Annahme einer generellen Garantiehaftung des Stellvertreters eine Fiktion beinhalte, so war man sich doch einig, daß „ein Garantieversprechen... in solchen Fällen angenommen werden [könne], in welchen der Vertreter bewußt ohne Vertretungsmacht gehandelt habe" 223 . Es ist also nicht ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber auch im Falle des § 463 S. 2 BGB a. F. ähnlich wie im Rahmen des § 1791 BGB von einer Garantiehaftung des Verkäufers ausging, der dem Erwerber einen Mangel „wissentlich verschweige" 224. Die Garantiehaftung würde so den dogmatischen Boden bilden für die Absicht des Gesetzgebers, den Arglistigen „mit empflindlichen Nachteilen" zu bestrafen. 218
v.Blume, Jherings Jahrb. 55 (1909), 209, 218. Grundlegend Wolff, Jherings Jahrb. 56 (1910), 1, 43. Ferner Diederichsen, AcP 165 (1965), 150, 161; Larenz, Schuldrecht II (1956), §37IIc; Mezger in RGRK (12. Aufl.), §463 Rdz. 1 ; Ostler in Staudinger (11. Aufl.), § 463 Rdz. 22. 220 Mezger in RGRK, §463 Rdz. 1; Wolff, Jherings Jahrb.56 (1910), 1, 43. 221 Dazu Bohrer, Dispositionsgarant (1980), S. 104 Fn.49. 222 Siehe oben§2I2baa. 223 Prot. I, S. 323 = Mugdan I, S. 750. 224 § 385 E1. Die Arglist als Tatbestandsmerkmal tauchte erst im Zweiten Entwurf auf, §400 219
E 2.
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Das Hauptargument gegen eine solche Garantiehaftung liegt im Vorwurf der Fiktion 225 . Dieser Einwand könnte jedoch ebenso leicht im Rahmen des § 463 S. 1 BGB a. F. erhoben werden, obwohl dort die Annahme der Garantiehaftung einhellige Meinung war: Die bloße Tatsache, daß der Verkäufer eine Eigenschaft zusichert, heißt noch nicht, daß er auch dann haften will, wenn diese Eigenschaft ohne sein Wissen nicht vorhanden ist 226 . Die Garantie des Vorhandenseins der Eigenschaft ist mit der Garantie unbedingter Haftung nicht ohne weiteres gleichzusetzen227. In der Gesetzgebungsgeschichte des BGB wurde zu Recht zwischen Zusicherung einer Eigenschaft und dem eigentlichen Garantieversprechen differenziert: Nicht jede Eigenschaftszusicherung, so ist in der Begründung eines von der Mehrheit der Zweiten Kommission abgelehnten Antrags zu lesen, schließe für den Fall des Fehlens der zugesicherten Eigenschaft das unbedingte und vollständige Einstehen des Verkäufers ein 228 . So betrachtet kann jede im BGB genannte Garantiehaftung auf einer bloßen Fiktion beruhen. Der Zweck der „fingierten" Garantiehaftung liegt darin, einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Vertrauen des Gläubigers auf Erfüllung des Vertrags einerseits und einer mit dieser Erwartungshaltung des Gläubigers nicht kongruierenden Schutzpflichtverletzung des Schuldners andererseits herzustellen. Bezogen auf Eigenschaften einer Kaufsache heißt das: Der Käufer vertraut darauf, daß die Sache frei von Mängeln ist; die Berechtigung dieses Vertrauens ergibt sich aus der Wirksamkeit des Kaufvertrags. Ist die Schutzpflichtverletzung des Verkäufers auf das positive Interesse gerichtet (ζ. B. schuldhafte Beschädigung der Kaufsache nach Vertragsschluß), so wird dem Vertrauen des Käufers auf Erfüllung durch seinen Schadensersatzanspruch in Höhe des Erfüllungsinteresses Genüge getan. Ist die Schutzpflichtverletzung des Verkäufers jedoch lediglich auf das negative Interesse gerichtet (ζ. B. Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich eines Mangels), so klafft zwischen dem Vertrauen des Käufers auf Erfüllung und dem aufgrund der Schutzpflichtverletzung zu ersetzenden negativen Interesse eine Lücke. Sinn und Zweck der Garantiehaftung des § 463 BGB a. F. war es m. E., diese Lücke in bestimmten Fällen zu schließen: Abweichend vom Verschuldensprinzip durfte der Käufer das positive Interesse verlangen, wenn in dem Verhalten des Verkäufers eine bewußte Risikoübernahme lag. Eine derartige Risikoübernahme ist einmal zu bejahen, wenn der Verkäufer eine Eigenschaft zusichert (§463 S. 1 BGB a.F.). Der Verkäufer nimmt dem Käufer dann das Risiko des Nichtvorhandenseins dieser Eigenschaft vollständig ab, also auch im Falle fehlenden Verschuldens haftet der Verkäufer auf das positive Interesse.
225 Wolff (Jherings Jahrb. 56 [1910], 1, 63, 66) spricht daher bewußt von einer „fingierten" Garantie. 226 Canaris, ZGR 1982, 395, 413. 227 v.Blume, Jherings Jahrb. 55 (1909), 218, 221; Schollmeyer, Jherings Jahrb. 49, 93, 98. 228 Prot. II, S. 1379f. = Mugdan II, S. 669.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Ebenso liegt eine bewußte Risikoübernahme in dem arglistigen Verschweigen oder Vorspiegeln von Mängeln (§ 463 S. 2 BGB a. F.). Der Brückenschlag zwischen dem Zusichernden und dem Arglistigen liegt in dem Wissen um eine Alternative. In beiden Fällen weiß der Verkäufer, daß er auch anders handeln könnte, also die Zusicherung verweigern oder den erkannten Fehler aufdecken könnte. Der arglistige Verkäufer ist sich wie der um die fehlende Vertretungsmacht wissende Vertreter (§1791 BGB) einer Wahlmöglichkeit bewußt; im Falle bloßer Fahrlässigkeit fehlt dieses aktuelle Wissen um eine Alternative. Entscheiden sie sich, den Mangel oder das Fehlen der Vertretungsmacht zu verschweigen, so übernehmen sie damit bewußt und freiwillig das vollständige Risiko. Sie haften also nicht wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht auf das negative Interesse, sondern stehen wegen der bewußten Übernahme des Risikos nach den Grundsätzen der Garantiehaftung für den Nichterfüllungsschaden ein. Ebenso wie der Zusichernde wird auch der bewußt Verschweigende oder Vertuschende bei seinem Wort gehalten. Alle haben sich für einen Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen bewußt und gewollt entschieden; für diesen Vertrag einzustehen, kann von ihnen verlangt werden. 4. Umfang der culpa-Haftung Eine Abgrenzung nach Schadensarten, wie sie von einem Teil der Literatur vorgeschlagen wurde 229 , war nicht geeignet, die Gewährleistungsvorschriften von der culpa-Haftung zu trennen, sei sie vertraglicher oder vorvertraglicher Natur. In der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts wurde die Schlechterfüllung des Verkäufers mit der damals allgemein anerkannten und umfassenden culpa-Haftung gelöst; die Frage nach dem Ersatz von Mangelfolgeschäden fand lediglich unter dem Gesichtspunkt der Kausalität Beachtung230. Mommsen wandte sich Mitte des 19. Jahrhunderts entschieden gegen eine Einteilung in mittelbare und unmittelbare Schäden231. So kam auch für den Gesetzgeber des BGB eine Teilung in Mangel- und Mangelfolgeschäden nicht in Frage. Selbst der Antrag, im Gesetz die Gleichbehandlung unmittelbarer und mittelbarer Schäden zum Ausdruck zu bringen, wurde mit der Bemerkung abgelehnt, daß „der Begriff von unmittelbaren und mittelbaren Schaden nicht genügend aufgeklärt" sei und „in der Praxis zu gefährlichen Untersuchungen232 führen" 233 würde. Wie die Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts ging auch der Gesetzgeber von einer allgemeinen culpa-Haftung aus, brachte dies jedoch nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck 234 . So entwickelte sich das 229
Siehe oben I. Ausführlich zu der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts siehe Freudling, AcP 198 (1998), 599, 601 ff. 231 Zur Lehre vom Interesse (1855), S.296f. 232 Gemeint ist wohl, worauf Medicus (Unmittelbarer und mittelbarer Schaden [1977], S.9 Fn. 7) treffend hinweist, „Unterscheidungen". 233 Motive II, S. 18 = Mugdan II, S. 10. 234 Siehe oben §311. 230
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Mißverständnis einer Gesetzeslücke, die Staub mit Hilfe der „positiven Vertragsverletzungen " schließen wollte. Die seit der verhängnisvollen „Bongossiholz-Entscheidung" des Reichsgerichts 235 befürwortete Trennung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden resultiert letztendlich auch aus der Fehl Vorstellung, daß dem BGB eine umfassende culpa-Haftung des schlechterfüllenden Verkäufers unbekannt sei. Tatsächlich brach die Beschränkung der culpa-Haftung des fahrlässigen Verkäufers auf Mangelfolgeschäden mit einer im 19. Jahrhundert bereits fest verankerten Tradition einer umfassenden culpa-Haftung 236. Bis heute entbehrt die mit der „Bongossiholz"-Entscheidung eingeführte Beschränkung der vertraglichen culpa-Haftung auf Mangelfolgeschäden einer überzeugenden Begründung 237. Die Entscheidung hatte zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit beigetragen, die vor allem durch die Schwierigkeit bedingt war, Mangel- und Mangelfolgeschäden voneinander abzugrenzen 238. Ausgangspunkt bei der Frage nach der Haftung ist die schuldhafte Schutzpflichtverletzung des Schuldners: Die Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht führt regelmäßig zum Ersatz des negativen Interesses. Ohne die Schutzpflichtverletzung hätte der Käufer, wenn er von dem Verkäufer hinreichend aufgeklärt worden wäre, den Vertrag entweder gar nicht oder jedenfalls nicht zu den vereinbarten Konditionen geschlossen. Denkbar ist jedoch auch, daß die Schutzpflichtverletzung zum Ersatz des positiven oder Äquivalenzinteresses führt: Hat der Verkäufer die Sache nach Vertragsschluß beschädigt, so führt diese auf das Äqivalenzinteresse gerichtete Schutzpflichtverletzung zur Nichterfüllung der Leistungspflicht und damit zum Ersatz des positiven Interesses239. Begrenzt wird die Schutzpflicht durch den Schutzzweck. Nur solche Schäden sind zu ersetzen, die durch die Erfüllung der Schutzpflicht gerade vermieden werden sollten. 5. Umfang der Garantiehaftung des § 463 BGB a. F. Möglich war jedoch auch, daß der Anwendungsbereich des §463 BGB a.F. in das Feld der culpa-Haftung hineinragte: Auch die Haftung aus §463 BGB a. F. war nicht auf den Mangelschaden beschränkt, sondern konnte ebenso den Ersatz der sog. Mangelfolgeschäden einschließen. Richtiges Eingrenzungsmerkmal ist der Schutzzweck der Zusicherung bzw. des arglistigen Verhaltens 240. Sichert der Verkäufer eine Eigenschaft zu, so ist zu fragen, inwieweit sich die Zusicherung auch auf die Wahrnehmung des Käuferinteresses an der Erhaltung seiner Rechtsgüter erstreckt. 235 236 237 238 239 240
RG DR 1941,637, 638. Freudling, AcP 198 (1998), 599, 610. Huber in Soergel, Vor § 459 Rdz. 56. Medicus, JuS 1998, 289, 291. Rust, Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht (1997), S. 184f., 189. Dazu grundlegend Diederichsen, AcP 165 (1965), 150, 160ff. m. w.N.
12 Pohlmann
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Anders formuliert, die weitergehenden Schäden müssen von Sinn und Zweck der Zusicherung erfaßt worden sein 241 . Sichert der Verkäufer von Deckenplatten nebst Klebstoff dem Käufer die Klebefähigkeit des Klebstoffs zur Befestigung von Platten zu, so fällt der Schaden, der dadurch entsteht, daß die Platten von der Decke fallen, in den Schutzbereich der Zusicherung 242. Garantiert der Verkäufer die Druckfestigkeit von Ziegeln, so hat er den Schaden zu ersetzen, der dem Käufer dadurch entstanden ist, daß er das mit fehlerhaften Ziegeln errichtete Gebäude abreißen und neu errichten mußte243. Auch die Anwaltskosten des Käufers, welche dieser zur Beilegung eines Rechtsstreits mit seinem Abnehmer aufwenden mußte, werden in den Schutzbereich der Zusicherung bezüglich der Unfallfreiheit eines tatsächlich unfallgeschädigten Wagens miteinbezogen244. Garantiert der Verkäufer, daß die in einem neuartigen Verfahren erneuerten Autoreifen noch einmal die gleiche Reifenleistung erbringen wie neue Reifen, so haftet er, wenn die Reifen während der Fahrt platzen und dadurch der Wagen des Kunden beschädigt wird 245 : Meines Erachtens zielt die Zusicherung nicht nur auf die gegenüber Neuwagen gleiche Wirtschaftlichkeit ab, sondern umfaßt zudem die Garantie, daß die erneuerten Reifen die gleiche Sicherheit bieten wie Neureifen. Andererseits, erleidet der Käufer eines Gebrauchtwagens einen Unfall, dann liegen Zusicherungen allgemeiner Art, die mit dem Unfall selbst in keinem Zusammenhang stehen (Fahrleistung, Zahl der Vorbesitzer etc.), nicht im Schutzbereich dieser Zusicherungen 246. Auch im Falle arglistigen Verhaltens des Verkäufers (§ 463 S. 2 BGB a. F.) war der Schutzzweck das richtige Kriterium zur Begrenzung von Schäden. Verschwieg der Verkäufer beispielsweise einen Fehler des zum Verkauf stehenden Wagens, so hatte er für die aus einem späteren Unfall entstandenen Körperverletzungen nur dann einzustehen, wenn die in dem Verschweigen liegende Risikoübernahme auch den Zweck hatte, den Käufer vor den eingetretenen Schäden zu schützen247. Dies war nicht der Fall, wenn das arglistige Verschweigen oder Vorspiegeln sich auf Fehler bezog, die mit dem Unfall in keinem Zusammenhang standen. 241
BGH NJW 1993, 2103, 2104; Huber in Soergel, §463 Rdz. 62. BGHZ 50, 200, 204 ff. 243 BGH VersR 1966, 241. 244 BGH W M 1982, 130. 245 Ebenso Huber in Soergel, § 463 Rdz. 63. AA OLG Karlsruhe DB 1965, 1208; Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses (1977), S.63. 246 Huber in Soergel, § 463 Rdz. 63. 247 Diederichsen (AcP 165 [1965], 150, 161 f.) will all solche Schäden miteinbeziehen, die durch die Erfüllung der Schutzpflicht gerade vermieden werden sollten. Dies ist dann richtig, wenn man in §463 S.2 BGB a.F. einen Fall der Haftung aufgrund Schutzpflichtverletzung (culpa in contrahendo) erblicken will. Geht man jedoch - wie ζ. B. Diederichsen selbst - davon aus, daß in §463 S.2 BGB a.F. eine Garantiehaftung steckte, ist die Schutzpflichtverletzung m.E. nicht der richtige Anknüpfungspunkt. Der arglistig Handelnde übernimmt ebenso wie der Zusichernde das Risiko für das Vorhandensein des verschwiegenen/vorgespiegelten/zugesicherten Umstandes; nur soweit der entstandene Schaden vom Zweck dieser bewußten Risikoübernahme gedeckt ist, hat der Verkäufer dafür einzustehen. 242
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I I . Vertragliche Aufklärungspflichten Der Verkäufer als Geschäftsbesorger Das Gros der Aufklärungspflichten trifft den Verkäufer bereits vor Vertragsschluß. Der Käufer ist daran interessiert, Rechts- oder Sachmängel des Kaufgegenstands oder sonstige Umstände, die für den Vertragsschluß wichtig sind, zu erfahren, bevor er sich überhaupt auf einen Vertragsschluß mit dem Verkäufer einläßt. Nach Vertragsschluß verlagert sich der Zweck der Aufklärungspflichten auf Hinweise, die Schäden an der Sache selbst oder an anderen Rechtsgütern des Käufers vermeiden sollen 248 . Daß auch der Verkäufer für den Käufer ein Geschäft besorgt, deutet bereits § 447 II BGB an 249 . Der Umfang der Geschäftsbesorgung richtet sich auch im Rahmen des Kaufvertrags nach den Vereinbarungen der Parteien. Schuldet der Verkäufer den Transport der Kaufsache zum Wohnort des Käufers, so wird er intensiver im Interessenkreis des Käufers tätig als im Falle einer Holschuld. Doch auch die Bereitstellung und Aufbewahrung des Gegenstandes bis zur Abholung durch den Käufer ist ein Geschäft, das der Verkäufer für den Käufer besorgt und dementsprechende Rechte und Pflichten nach sich ziehen kann. Der Verkäufer kann verpflichtet sein, die sich aus der Ausführung des Geschäfts ergebenden und für den Käufer erforderlichen Nachrichten diesem mitzuteilen (§ 666 Alt. 1 BGB). So hat beispielsweise der Verkäufer, der im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung den Käufer mit Ware beliefert, diesen auf Änderungen der Produktbeschaffenheit hinzuweisen (vgl. Fall 7) 250 . Ferner besteht eine Hinweispflicht hinsichtlich der Schäden, die beim Umgang mit dem verkauften Produkt an den Rechtsgütern des Käufers entstehen können: So hat der Verkäufer den Käufer auf besondere Eigenschaften des Produkts wie ζ. B. die Feuchtigkeitsempfindlichkeit eines Klebers 251 oder die Brennbarkeit eines Rostschutzmittels252 aufmerksam zu machen253. Bemerkt der Verkäufer von Chemikalien, daß der Käufer mit der Anwendung der Chemikalien für ein bestimmtes Verfahren nicht vertraut ist, so gehört auch die sachgerechte Verwendungsweise der verkauften Chemikalien zu den erforderlichen Nachrichten iSd § 666 Alt. 1 BGB, die der Verkäufer dem Käufer mitzuteilen hat 254 . Schließlich ist der Verkäufer verpflichtet, den Käufer über drohende oder bereits eingetretene Leistungshindernisse zu informieren. Auf die nach Vertragsschluß ein248
Huber in Soergel, Anh. I § 433 Rdz. 86. Dazu oben §3IV3d. 250 BGHZ 107, 331, 336; BGH NJW 1996, 1537. Kritisch Tiedtke, NJW 1990, 14 ff. 251 BGHZ 88, 130, 135. 252 BGH NJW 1959, 1676 (vgl. Fall 7). 253 Ist dieser Umstand für den Käufer vertragswesentlich, so besteht die Informationspflicht des Verkäufers bereits vor Vertragsschluß, so daß dann die Grundsätze der culpa in contrahendo eingreifen. 254 Vgl. BGH WM 1982, 849, 851. Weitere Beispiele bei Köhler in Staudinger, §433 Rdz. 144. 249
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
getretene Unmöglichkeit der Leistungspflicht aus § 43311 BGB hat der Verkäufer auch dann hinzuweisen, wenn ihn kein Verschulden trifft 255 . Auch diese Schutzpflicht läßt sich (als Überbleibsel der nach § 2751 BGB n. F. erloschenen Leistungspflicht) aus § 666 Alt. 1 BGB ableiten. Zweck der Aufklärungspflicht ist es hier, unnötige Aufwendungen des Käufers im Hinblick auf den Kaufgegenstand zu verhindern und ihm die Möglichkeit zu geben, sich frühzeitig auf die veränderten Umstände einzustellen256. Beinhaltet der Vertrag etwa eine force majeure-Klausel, so hat der Verkäufer den Käufer nach Prüfung der Sachlage unverzüglich zu informieren, ob er von der Regelung Gebrauch machen will 2 5 7 .
I I I . Die neue Rechtslage seit dem 01. Januar 2002 1. Die „Pflichtverletzung" als Ausgangspunkt der Haftung Das Gewährleistungsrecht ist ganz in das allgemeine Leistungsstörungsrecht integriert worden. Ausgangspunkt der Haftung ist die „Pflichtverletzung" iSd § 2801 BGB n. F. Eine dem § 463 BGB a. F. entsprechende Vorschrift findet sich im neuen Recht nicht wieder. Die Schadensersatzansprüche ergeben sich aus § 437 Nr. 3 BGB n. F. iVm §§ 280 ff. BGB n. F. 2. Stellungnahme § 2801 BGB n. F. trennt nicht zwischen Schutz- und Leistungspflichten. Nach den Vorstellungen des Regierungsentwurfes soll die Pflichtverletzung im Falle eines Mangels darin liegen, daß der Verkäufer dem Käufer die Sache nicht gemäß § 434 BGB n. F. fehlerfrei verschafft hat 258 . Die Pflichtverletzung iSd § 2801 BGB n. F. wäre also die „Verletzung" der Leistungspflicht. Hat der Verkäufer die mangelhafte Erfüllung der Leistungspflicht nach § 28012 BGB n. F. aber überhaupt zu vertreten? Dies wäre dann zu bejahen, wenn der Verkäufer die Sache beispielsweise zwischen Vertragsschluß und Übergabe beschädigt. Anders ist die Situation jedoch, wenn der Mangel bereits bei Vertragsschluß vorhanden ist. In diesem Falle wäre dem Verkäufer allenfalls der Vorwurf zu machen, daß er von dem Mangel der Kaufsache wußte bzw. hätte wissen müssen. Die Verletzung dieser Aufklärungspflicht führt jedoch lediglich zum Ersatz des negativen oder Vertrauensschadens 259. Das positive Interesse kann der Käufer auf der Grundlage dieser Schutzpflichtverletzung nicht verlangen, da die unterlassene Aufklärung den Mangel nicht verursacht hat; 255 256 257 258 259
Vgl. OLG Hamburg SeuffArch 56, S. 392. Wiedemann in Soergel, Vor § 275 Rdz. 468. RGZ 88, 143, 144; 91, 108, 109. Regierungsentwurf, S.224. Ebenso Flume , AcP 193 (1993), 89, 103 ff.; Rust , aaO, S.203.
§ 1 Aufklärungspflichten
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auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte der Verkäufer dem Käufer die Sache nicht frei von Fehlern verschaffen können. Die zu vertretende Pflichtverletzung iSd § 2801 BGB n. F. liegt also im Falle eines bei Vertragsschluß bereits vorhandenen Mangels nicht in der „Schlechtleistung" selbst. Dem Verkäufer ist lediglich eine Aufklärungspflichtverletzung vorzuwerfen, den Sachmangel selbst hat er nicht zu vertreten. Sein Verschulden liegt vielmehr darin, daß er dem Käufer einen Vertrags wesentlichen Umstand (den Sachmangel) bei Vertragsschluß nicht offenbart hat. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung wäre der Vertrag nicht (oder zu anderen Konditionen) zustande gekommen. Der Ersatz des negativen Interesses wäre unter Zugrundelegung des § 249 S. 1 BGB konsequente Folge dieser Schutzpflichtverletzung. Auch hier stellt sich wieder die Frage, wie sich der in den §§ 437 Nr. 3, 311 a II BGB n. F. vorgesehene Ersatz des positiven Interesses rechtfertigen läßt, wenn die Schutzpflichtverletzung lediglich einen Vertrauensschaden herbeigeführt hat, nicht jedoch die Schlechtleistung. Das alte Recht differenzierte zwischen fahrlässiger und arglistiger Aufklärungspflichtverletzung und löste auf diese Weise den Interessenkonflikt zwischen Käufer und Verkäufer: Der Widerspruch zwischen dem Schuldner, dessen Schutzpflichtverletzung nur zum Ersatz des negativen Interesses führt, und dem Gläubiger, der auf der Grundlage des wirksam geschlossenen Vertrags auf mangelfreie Erfüllung der Leistungspflicht vertraut, wurde bei fahrlässiger Pflichtverletzung zu Gunsten des Schuldners gelöst. Der Arglistige hingegen übernahm ähnlich wie der Zusichernde das Risiko der Nichterfüllung, wenn er trotz Wissens um den Mangel einen Vertrag Schloß. § 463 S. 2 BGB a. F. bestimmte, daß sich der Verkäufer in diesem Fall an seiner von ihm eingegangenen Verpflichtung zur fehlerfreien Leistung festhalten lassen und dem Käufer das Erfüllungsinteresse ersetzen mußte. Die Neuregelung der §§ 437 Nr. 3, 311 a II BGB n. F. verstößt gegen das in § 249 S. 1 BGB festgelegte Kausalitätsprinzip, da nach den neuen Vorschriften auch dann „Schadensersatz statt der Leistung" gewährt werden soll, wenn die (fahrlässig oder arglistig herbeigeführte) Schutzpflichtverletzung tatsächlich nur einen Vertrauensschaden verursacht hat.
§ 11 Aufklärungspflichten des Schenkers Wie bereits erwähnt, stellen die §§ 5231, 5241 BGB Fälle einer auf das negative Interesse gerichteten Haftung aus culpa in contrahendo dar 260 . Im folgenden soll das Augenmerk auf das Verhältnis zwischen diesen Spezialregeln zu der allgemeinen culpa-Haftung gerichtet werden. Dazu zählt auch die Frage, inwieweit der Anwen260
Siehe oben§2I2d.
182
2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
dungsbereich des § 521 BGB in die allgemeine Haftung wegen Schutzpflichtverletzung einbezogen werden darf.
I. Das Haftungsprivileg des § 521 BGB Der Gesetzgeber beschränkte § 521 BGB ausschließlich auf den Schaden, der durch das Ausbleiben des Schenkungsgegenstandes infolge Unmöglichkeit und Verzug entstand261. Freilich ist der Anwendungsbereich damit noch nicht geklärt, da das Institut der culpa in contrahendo erst nach Inkrafttreten des BGB in vollem Umfang entwickelt wurde. Zum Teil wird dafür plädiert, den Verschuldensmaßstab des § 521 BGB auf Fälle der Haftung wegen culpa in contrahendo generell zu übertragen 262. Zu Recht wird dieser Ansicht entgegengehalten, daß dadurch der Schenker über Gebühr privilegiert würde: Es ist nicht einzusehen, den Schenker hinsichtlich sämtlicher Schäden zu schützen, die er grobfahrlässig anläßlich der Schenkung verursacht 263. Die Gegenauffassung, die sich auf den Willen des Gesetzgebers beruft, will generell § 276 BGB anwenden264. Meines Erachtens sollte nach Art der Schutzpflicht differenziert werden: Steht diese im Zusammenhang mit dem Schenkungsgegenstand, sollte § 521 BGB zur Anwendung gelangen. Erfolgte die Schutzpflichtverletzung dagegen lediglich anläßlich der Schenkung, ist nach meinem Dafürhalten § 276 BGB der richtige Haftungsmaßstab265. Die Aufklärungspflicht des Schuldners ist immer im Spannungsverhältnis zu der Erkundigungspflicht des Gläubigers zu sehen. Handelt der Schuldner altruistisch, also ohne eine Gegenleistung zu fordern, so kann ihm nicht der gleiche Sorgfaltsmaßstab abverlangt werden wie im Falle eines gegenseitigen Vertrags. Dem Gläubiger ist im Gegenzug zuzumuten, selbst die Initiative zu ergreifen, um etwas über den ihm unentgeltlich überlassenen Gegenstand zu erfahren. Für Schutzpflichten, die zu dem Schenkungsgegenstand selbst keinen unmittelbaren Bezug haben, gilt § 276 BGB. Beispiel: Bei der Übergabe des Geschenks betritt der Schenker die Wohnung des Beschenkten mit verschmutzten Schuhen und verunreinigt den wertvollen Perserteppich des Beschenkten.
261
Mot. II, S. 296 = Mugdan II, S. 164. Lehmann in Enneccerus, §§ 43 II 2, 121IV 2; Mezger in RGRK, § 521 Rdz. 2. 263 Kollhosser in MünchKomm, §521 Rdz. 7. 264 Kollhosser in MünchKomm, §521 Rdz. 9; Larenz, Schuldrecht II 1, §47IIa; Vollkommer in Jauernig, §521 Rdz. 1. 265 Ebenso BGH JZ 1985, 383; Mühl/Teichmann in Soergel, Vor § 521 Rdz. 7; Putzo in Palandt, § 521 Rdz. 4; Seiler in Erman, § 521 Rdz. 3. 262
§ 1 Aufklärungspflichten des
eners
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Zu Recht bemerkt Hans Stoll in seiner Anmerkung zum „Kartoffelpülpefall", der schenkende Beklagte hätte sich darauf verlassen dürfen, daß der beschenkte Kläger selbst überprüft, ob und in welchem Maße die Pülpe zur Rinderfütterung geeignet war 266 .
I I . Das Verhältnis des § 5241 BGB zu der allgemeinen culpa-Haftung Kernpunkt der Diskussion ist die Frage, ob die sog. Mangelfolgeschäden ausschließlich von § 5241 BGB erfaßt werden 267. Die Gegenansicht wendet die allgemeine culpa-Haftung an, wobei teilweise der Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB 2 6 8 , teilweise die Privilegierung des § 521 BGB greifen soll 269 . Meines Erachtens sollte auch hier wieder die Schutzpflichtverletzung als Ausgangspunkt gewählt werden 270: Steht diese in keinem Zusammenhang zu dem Schenkungsgegenstand, gilt § 276 BGB. Besteht dagegen eine direkte Verbindung der Schutzpflichtverletzung zu dem Schenkungsobjekt (Beispiel: Von dem Geschenk selbst geht eine Gefahr für den Beschenkten aus, über die dieser aufgeklärt werden müßte), greift grundsätzlich §521 BGB ein: Bloße Fahrlässigkeit geht zu Lasten des Beschenkten, der sich selbst hätte informieren können. Auch „Mangelfolgeschäden" werden von der allgemeinen culpa-Haftung nach dem Maßstab des §521 BGB erfaßt. Der Anwendungsbereich des § 524 BGB beschränkt sich auf den Mangel des Schenkungsgegenstands271. Die (gegenüber §521 BGB noch weiterreichende) Privilegierung des Schenkers sollte sich nach Auffassung des Gesetzgebers nur auf den konkreten Schenkungsgegenstand beziehen272.
266
Anm. zu BGH JZ 1985, 383, auf S. 386. Dafür BGH JZ 1985,383; Gerhardt, JuS 1970,597,600; Mezger in RGRK, § 524 Rdz. 2; Putzo in Palandt, § 524 Rdz. 6; Seiler in Erman, § 524 Rdz. 2. 268 Kollhosser in MünchKomm, § 521 Rdz. 12. 269 Cremer in Staudinger, § 524 Rdz. 2; Raape, AcP 147 (1941), 217, 251 f.; Schlechtriem, Gutachten II, S. 1591, 1618ff. 270 Im Ergebnis ähnlich Mühl/Teichmann in Soergel, Vor § 521 Rdz. 7. 271 AA Schlechtriem, Vertragsordnung (1972), S.334 Fn.204. Sein Verweis auf den Gesetzgeber schlägt jedoch nicht durch, siehe folgende Fn. 272 Vgl. Prot. II, S. 2128 = Mugdan II, S. 895 zur Haftung des Verleihers. 267
184
2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
§ 12 Aufklärungspflichten von Vermieter und Mieter I. Das Verhältnis der Garantiehaftung des § 536 a I Alt. 1 BGB n. F. zur allgemeinen culpa-Haftung 1. Streitstand Die Garantiehaftung des § 536 a I Alt. 1 BGB n. F. gibt dem Mieter einen Schadensersatzanspruch auf den Nichterfüllungsschaden. Teilweise wird auch hier eine Trennung nach Schadenskreisen gefordert 273: Von der Garantiehaftung soll nur das eigentliche Erfüllungsinteresse umfaßt sein; eine darüber hinausgehende Haftung für sog. Mangelfolgeschäden soll dagegen nur im Falle eines Verschuldens oder einer ausdrücklichen Zusicherung des Vermieters eintreten. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß die Garantiehaftung des Vermieters verfehlt sei und zur Erreichung einer interessengerechteren Risikoverteilung zumindest bei Folgeschäden ein Verschulden des Vermieters notwendig sei 274 . Die herrschende Meinung gewährt den Schadensersatzanspruch des Mieters nach § 536 a I Alt. 1 BGB n.F. auch für erlittene Mangelfolgeschäden 275. Eine vermittelnde Auffassung versucht zu differenzieren: Grundsätzlich umfasse die Garantiehaftung des Vermieters auch Mangelfolgeschäden; etwas anderes gelte nur dann, wenn der Schaden außerhalb der Einwirkungs- und Risikosphäre des Vermieters läge 276 .
2. Stellungnahme Die Rechtsprechung tat gut daran, bei der Vermieterhaftung nicht zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden zu unterscheiden. Die Differenzierung nach Schadensarten ist praktisch kaum möglich und würde ähnliche Unsicherheiten hervorrufen wie im Rahmen des §463 BGB a.F. 277 . Abwegig erscheint mir auch das Abstellen auf die „Risikosphäre" 278. Das Gesetz hat sich in § 536 a I Alt. I BGB n. F. für die unbedingte Haftung entschieden; Zweck der Garantiehaftung ist ein Einstehen des Schuldners auch und gerade dann, wenn 273
Lehmann in Enneccerus, § 128 III 2; Pieper, JuS 1962, 459, 463; Roquette , Mietrecht, S. 269f.; Todt, Sachmängel (1968), S. 163ff.; ders. BB 1971, 680, 682; Voelskow in MünchKomm, §538 Rdz.7; Weimar, Sachmängelhaftung, S.20f.; ders., MDR 1960,555,556. 274 Voelskow in MünchKomm, §538 Rdz.7. 275 RGZ 77, 99; 81, 200, 203; 169, 84, 92; BGHZ 49, 350; 92, 177, 180; NJW 1962, 908; NJW 1963, 1449, 1450; NJW 1971, 424, 425f.; NJW-RR 1991, 970; BroxiElsing, JuS 1976, 1, 6; Emmerich in Staudinger, §538 Rdz. 35 f.; Hassold, JuS 1975, 550, 551; Heintzmann in Soergel, § 538 Rdz. 13; Thiele, JZ 1967, 649, 655. 276 Diederichsen, AcP 165 (1965), 150, 167f.; Larenz, Schuldrecht II 1, §481113. 277 Emmerich in Staudinger, § 538 Rdz. 36. 278 Kritisch auch Schach, JZ 1986, 305, 313.
§ 12 Aufklärungspflichten von Vermieter und Mieter
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das Hindernis außerhalb seines Einflußbereichs liegt. Für die Schaffung einer dritten Haftungsebene neben der Verschuldens- und Garantiehaftung liegt m. E. kein Anlaß vor. Im Kern erscheint mir jedoch die Kritik, die an § 536 a I Alt. I BGB n. F. geübt wird, zumindest hinsichtlich der strikten Haftung für Sachmängel gerechtfertigt. Im Vergleich zum Käufer ist die Gegenleistung des Mieters geringer, um die Sache zu erlangen; ebenso kann er sich leichter und ohne Verluste von der Sache durch fristlose Kündigung trennen als der Käufer. Wenn die Garantiehaftung damit begründet wird, daß sich die Sache vor Vertragssschluß in der Regel im Geschäfts- und Herrschaftsbereich des Vermieters befinde 279, müßte dann der Werkunternehmer nach Vertragsschluß nicht erst recht verschuldensunabhängig haften? Schließlich hat der Unternehmer infolge der Herstellung weitaus größere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Sache als der Vermieter 280. Auch die „sozialpolitischen Erwägungen" greifen ins Leere, wie die unproblematische und in der Praxis den Regelfall bildende Abbedingung der Garantiehaftung beweist281. De lege ferenda befürworte ich eine Beseitigung des Garantiehaftung des § 536 aI Alt. I BGB n. F. in bezug auf anfängliche Sachmängel 282. An deren Stelle genügt m. E. die allgemeine Haftung des Vermieters wegen schuldhafter Verletzung einer Schutzpflicht. Unabhängig davon, ob ein Mangel- oder Mangelfolgeschaden vorliegt, hätte der Vermieter dann im Falle eines Verschuldens zu haften, soweit der Schaden vom Schutzzweck der verletzten Schutzpflicht gedeckt ist. Hinsichtlich eines anfänglichen Rechtsmangels sollte es nach meinem Dafürhalten bei der geltenden Garantiehaftung des Vermieters bleiben (§ 536 a I Alt. 1 BGB n. F.): Rechte sind „unsichtbar", der Mieter kann beim besten Willen nicht erkennen, ob bei Vertragsschluß das Recht eines Dritten an der Mietsache bestand (wichtiger Anwendungsfall: Doppelvermietung 283). Der Mieter ist hier in besonderer Weise schutzbedürftig, weshalb eine gesetzliche Garantiehaftung, auch wenn sie eine Durchbrechung des Verschuldensprinzips bedeutet, gerechtfertigt ist. Zur Rechtfertigung der Garantiehaftung des Vermieters könnten also ähnliche Argumente ins Feld geführt werden, wie sie bereits zur Begründung des § 437 BGB a. F. und der im alten Recht überwiegend vertretenen Garantiehaftung des anfänglich unvermögenden Schuldners geltend gemacht wurden 284 .
279 So Brox/Elsing, JuS 1976,1,3; Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), 85,122 Fn. 178; Hassold, NJW 1974, 1743, 1744. 280 So zu Recht Voelskow in MünchKomm, § 538 Rdz. 5. 281 BGH NJW-RR 1991, 74. Siehe dazu oben §7111 ebb. 282 Siehe oben § 7 II 1 c bb. 283 Voelskow in MünchKomm, §541 Rdz. 5. 284 Dazu oben § 7111c.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
I I . Die Anzeigepflicht des Mieters nach § 536 c I BGB n. F. 1. Geschäftsbesorgung Neben der Verpflichtung des Mieters zur Entrichtung des Mietzines (§ 535 I I BGB n. F.) trifft ihn eine im Interesse des Vermieters liegende Obhutspflicht hinsichtlich der Mietsache285. Diese Pflicht ergibt sich indirekt aus dem BGB, da der Mieter mit einer fristlosen Kündigung rechnen muß, wenn er die Sache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt gefährdet (§ 543 II Nr. 2 BGB n. F.). Zweck dieser Obhutspflicht ist es, den Vermieter vor Schäden an seiner Sache zu bewahren. Der Vermieter hat selbst keine Möglichkeit zur Obhut über die Sache während der Mietzeit 286 ; insbesondere bei der Vermietung von Wohnraum ist er auf eine sorgfältige Behandlung der Räume durch den Mieter angewiesen, da ihm ein Besichtigungsrecht nur in engen Grenzen und nach vorheriger Terminabsprache zusteht287. Die Anzeigepflicht des § 536 c I BGB n. F. ist Ausfluß der allgemeinen Obhutspflicht des Mieters 288 . Indem der Mieter seiner Obhutspflicht hinsichtlich der Mietsache nachkommt, wird er für den Vermieter in dessen Interesse tätig, d.h. er besorgt ein Geschäft für ihn. § 536c I BGB n. F. ist eine Konkretisierung der Schutzpflicht des §666 Alt. 1 BGB. 2. Voraussetzungen und Verletzung der Aufklärungspflicht Im Falle eines Mangels, einer nicht vorhergesehenen Gefahr für die Mietsache oder Rechtsanmaßung Dritter ist der Mieter zur Benachrichtigung verpflichtet. § 536 c I BGB n. F. begründet jedoch keine Nachforschungs- oder Prüfungspflicht 289. Die Anzeigepflicht umfaßt nicht nur die vermieteten Räume, sondern alle Anlagen, an denen dem Mieter ein Mitbenutzungsrecht zusteht (Treppen, Flure etc.) 290 . Der Zustand eines „Mangels" iSd § 536 c I BGB n. F. geht über den Mangelbegriff des § 536 BGB n. F. hinaus291. Von der Anzeigepflicht umfaßt ist auch das Drohen einer Gefahr 292 oder der Fortbestand des schlechten Zustands trotz Reparaturversuchs des 285 Mot. II, S. 400f. = Mugdan II, S. 223; BGHZ 68, 281, 285; Knoke in Planck, § 535 Anm. 6c; Voelskow in MünchKomm, §§535, 536 Rdz. 98ff. 286 Voelskow in MünchKomm, § 545 Rdz. 1. 287 Emmerich in Staudinger, §§535,536 Rdz. 187 ff.; die Anzeigepflicht nach § 545 BGB besteht freilich auch dann, wenn dem Vermieter ausnahmsweise ein Besichtigungsrecht eingeräumt worden ist, RGZ 59, 161, 162; Jendrek in Erman, § 545 Rdz. 1. 288 BGHZ 68, 281, 284f. 289 BGH W M 1976, 537; BGHZ 68, 281, 285; Knoke in Planck, § 545 Anm. 1; Voelskow in MünchKomm, §545 Rdz. 5. 290 RGZ 59, 161, 162; 75, 118; Heintzmann in Soergel, § 545 Rdz. 1; Voelskow in MünchKomm, §545 Rdz. 5. 291 BGHZ 68, 281,283. 292 Heintzmann in Soergel, § 545 Rdz. 2.
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Vermieters 293. Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Vermieter den Mangel ohnehin schon kennt 294 oder der Mangel für den Vermieter offensichtlich ist 295 . Nach § 536 c II BGB n. F. hat der Mieter im Falle einer schuldhaften Aufklärungspflichtverletzung den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Schadensersatzpflicht umfaßt jedoch nicht die Kosten für die Beseitigung des Mangels, da den Vermieter insoweit eine Erhaltungspflicht (§ 53512 BGB n. F.) trifft. Vielmehr sind die zusätzlichen Kosten zu ersetzen, die dem Vermieter infolge weiterer Verschlimmerung des Mangels aufgrund unterlassener Aufklärung entstanden sind 296 . Neben der Pflicht zum Schadensersatz verliert der Mieter wegen unterlassener Anzeige die Rechte aus §§ 536, 536a I Alt. 2, 543 III 1 BGB n. F., sofern der Vermieter bei ordnungsgemäßer Anzeige den vertragsgemäßen Zustand hätte herrichten können297. Die Garantiehaftung des Vermieters aus § 536 a I Alt. 1 BGB n. F. besteht dagegen trotz Aufklärungspflichtverletzung des Mieters weiter, da insoweit der Vermieter auch bei erfolgter Anzeige keine Abhilfe hätte schaffen können298. Auch deliktische Ansprüche des Mieters bestehen weiterhin, wobei dessen Aufklärungspflichtverletzung jedoch als Mitverschulden gewertet werden kann 299 .
§ 13 Aufklärungspflichten des Werkunternehmers I. Das Verhältnis der culpa-Haftung zu den §§ 633 ff. BGB a. F. Aufgrund seiner fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt der Werkunternehmer gegenüber dem Besteller grundsätzlich einen Vorsprung an Information und Sachkunde. Daher treffen ihn sowohl vor Vertragsschluß als auch während der Ausführung des Vertrags zahlreiche Beratungs- und Aufklärungspflichten. 1. Vorvertragliche Aufklärungspflichten Der Werkunternehmer muß den Besteller über die Gestaltung des Werkes beraten, damit dieses den Zwecken und Bedürfnissen des Bestellers tatsächlich entspricht 300 . Im Zweifelsfalle hat er sich beim Besteller zu informieren, wozu das 293
OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 1232; ZMR 1991, 24. Mot. II, S.401 = Mugdan II, S.223; RGZ 103,372,374; BGHZ 68,281,284; OLG Hamburg; NJW-RR 1991, 1296, 1297. 295 OLG Karlsruhe ZMR 1988, 52. 296 Emmerich in Staudinger, § 545 Rdz. 29. 297 Dazu ausführlich Riesenhuber, ZMR 1994, 393. 298 Emmerich in Staudinger, § 545 Rdz. 31. 299 OLG Stuttgart, MDR 1973, 588f. Nr.55. 300 Glanzmann in RGRK, § 631 Rdz. 33. 294
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Werk dienen soll 301 . Stammt die Konzeption des Werkes vom Unternehmer, so hat er das Werk und seine Eigenschaften dem Besteller zu erläutern 302. Der Werkunternehmer darf zu erwartende Schwierigkeiten bei der Bedienung des Werks, Störungsanfälligkeiten oder die Verwendung unerprobter Stoffe oder Arbeitsweisen nicht verschweigen303. Ob die Haftung aus culpa in contrahendo uneingeschränkt neben § 635 BGB a. F. galt, war angesichts der Tatsache, daß der Anwendungsbereich beider Haftungsgrundlagen sich nur in seltenen Fällen überschneiden wird, eher von untergeordneter Bedeutung. Bezog sich die Aufklärungspflicht nicht auf Eigenschaften des zu liefernden Werkes, sondern auf andere Rechtsgüter des Bestellers, so war eine Haftung aus culpa in contrahendo ohne weiteres möglich 304 . In diese Kategorie gehörten auch Aufklärungspflichtverletzungen über Eigenschaften eines Werkes, die zwar für den Besteller nachteilig sind, sich jedoch nicht unter den Mangelbegriff einordnen ließen305. Möglich war jedoch auch, daß die Aufklärungspflichtverletzung gerade zur Mangelhaftigkeit des Werks geführt hat. Legt beispielsweise der Besteller dem Werkunternehmer einen eigenen Entwurf vor, so ist der Unternehmer verpflichtet, den Entwurf zu prüfen und etwaige Bedenken dem Besteller mitzuteilen. Ist das Werk hinterher aufgrund unterlassener Prüfungs- oder Aufklärungspflicht minderwertig, so liegt ein Mangel vor, den der Unternehmer zu vertreten hat (§ 635 BGB a. F.) 306 . Ob daneben die Grundsätze der culpa in contrahendo griffen, war irrelevant, da die Verjährungsfrist des § 638 BGB a. F. jedenfalls auch dort gelten mußte, sollte das Gewährleistungsrecht nicht ausgehöhlt werden 307.
2. Vertragliche Aufklärungspflichten a) Geschäftsbesorgung Auch nach Vertragsschluß geht die Verwirklichung des Werks mit zahlreichen Beratungs- und Aufklärungspflichten einher 308. In der Regel werden sich diese 301
BGH, BauR 1970, 57. Peters in Staudinger, § 635 Rdz. 61. 303 BGH, RsprBauZ3.00, 182; VersR 1971, 958. 304 Peters in Staudinger, § 635 Rdz. 60. 305 Glanzmann in RGRK, §635 Rdz. 25; Nirk, FS Möhring (1965), S.400, 415; Peters in Staudinger, § 635 Rdz. 64. 306 BGH RsprBauZ2.4.4,278; L M §631 Nr.27; Glanzmann in RGRK, §633 Rdz.6; Peters in Staudinger, § 633 Rdz. 25. 307 BGH, NJW 1969, 1710; Glanzmann in RGRK, §635 Rdz. 24; Littbarski, JZ 1978, 3,9; Peters in Staudinger, § 635 Rdz. 63. 308 BGH, NJW 1970,421; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 1236. 302
§ 13 Aufklärungspflichten des Werkunternehmers
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Schutzpflichten nicht auf einen Mangel beziehen, sondern dazu dienen, den Besteller vor anderen Schäden zu bewahren. Eine derartige Schutzpflichtverletzung ist beispielsweise gegeben, wenn ein Architekt den Bauherrn über die Wirtschaftlichkeit einer Baumethode unrichtig berät und so dem Bauherrn Schäden zufügt 309 . Aufklärungspflichten können auch im Zusammenhang mit Werkmängeln stehen: So muß der Werkunternehmer beispielsweise den Besteller informieren, wenn er erkennt oder aufgrund seines Fachwissens erkennen müßte, daß Pläne, Weisungen oder Wünsche des Bestellers zu Mängeln an dem Werk führen können 310 . Von großer Bedeutung ist auch die Pflicht, den Besteller auf Bedenken gegen die Güte der von ihm gelieferten Stoffe oder Bauteile hinzuweisen (vgl. §4 Nr. 3 VOB) 311 . Alle genannten Schutzpflichten entspringen aus der Tatsache, daß der Unternehmer für den Besteller als dessen Geschäftsbesorger tätig wird (§§ 6751, 631 BGB): Die „Plicht zum Mitdenken" 312 (§ 665 BGB) und die umfassende Informationspflicht des § 666 BGB klingen in allen oben genannten Beispielen wider. b) Der Ausdehnungsbereich des § 635 BGB a. F. Auch hier stellte sich die Frage, inwieweit neben § 635 BGB a. F. Platz für die allgemeine culpa-Haftung wegen Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht bestand. Wieder war zu trennen: Stand die Schutzpflichtverletzung nicht im Zusammenhang mit einem Werkmangel, sondern ausschließlich mit anderen Rechtsgütern des Bestellers (Gesundheit, Eigentum etc.), so kam die allgemeine culpa-Haftung uneingeschränkt zum Zuge 313 . Umstritten war dagegen der Fall, daß der durch die Schutzpflichtverletzung verursachte Mangel weitere Schäden nach sich zog. Zu der Frage, wie die allgemeine culpa-Haftung (sog. positive Vertrags- oder Forderungsverletzung) von der Regelung des § 635 BGB a. F. abzugrenzen war, wurde ein ganzer Reigen verschiedener Auffassungen geboten. Dabei ist zu beachten, daß die Diskussion um den Ausdehnungsbereich des § 635 BGB a. F. mit Blick auf das Ergebnis geführt wurde: Durch die Einengung des Anwendungsbereichs von § 635 BGB a. F. sollte die als zu kurz empfundene Verjährungsfrist des §638 BGB a.F. umgangen werden 314. Zur Erreichung dieses rechtspolitischen Zieles wurden die verschiedensten Abgrenzungstheorien entwickelt: Die extremsten Ansichten gingen dahin, entweder den Anwen309
Soergel in MünchKomm, § 635 Rdz. 22. BGH, NJW 1956, 787; NJW 1960, 1813; VersR 1971, 958; Peters in Staudinger, §635 Rdz. 6. 311 Peters in Staudinger, § 633 Rdz. 104 ff. 312 Seiler in MünchKomm, § 665 Rdz. 2. 313 Glanzmann in RGRK, § 635 Rdz.2& ff. \LaufsiSchwenger, NJW 1970,1817,1821 \Peters in Staudinger, § 635 Rdz. 46. 314 Vgl. BGHZ 58, 85. 310
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
dungsbereich der positiven Forderungsverletzung ganz auszublenden315 oder, so das andere Extrem, bei allen sonstigen Schäden jenseits des eigentlichen Mangelschadens die allgemeine culpa-Haftung zum Zuge kommen zu lassen316. Zwischen diesen beiden Eckpfeilern bewegten sich vermittelnde Auffassungen, die § 635 BGB a. F. auf Schäden innerhalb des nach dem Vertrage vorausgesetzten Funktionsbereiches begrenzen wollten 317 oder als Schäden iSd § 635 BGB a. F. nur solche ansahen, die einen Bezug zum vertraglichen Synallagma aufwiesen 318. Durchgesetzt hatte sich eine Differenzierung nach Art der Schäden: Danach waren die §§ 635,638 BGB a. F. dem sog. Mangelschaden und den unmittelbaren Mangelfolgeschäden zugewiesen319, während auf sog. entferntere Mangelfolgeschäden die Anspruchsgrundlage der positiven Forderungsverletzung mit ihrer langen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. Anwendung fand 320 . c) Stellungnahme § 635 BGB a. F. war der gesetzlich geregelte Fall einer vertraglichen Schutzpflicht, die darauf gerichtet war, die „obliegende Leistung vollständig zu bewirken" 321 , das Werk also sorgfältig herzustellen 322. Diese Schutzpflicht war auf das positive Interesse gerichtet, ihre Verletzung führte zur Nichterfüllung der Leistungspflicht. Sowohl Wortlaut als auch Systematik deuteten darauf hin, daß § 635 BGB a. F. alle sich aus der Schutzpflichtverletzung ergebenden Schäden abdeckte 323 . Weder der Wille des Gesetzgebers noch das geltende Recht wiesen auf das Bestehen einer Regelungslücke hin. Der Einwand, daß § 635 BGB a. F. an die Voraussetzungen des § 634 BGB a. F. anknüpfte und daher der Schaden auf den reinen Mangelschaden zu begrenzen sei 324 , überzeugt nicht. Zwar scheint der Wortlaut des § 635 BGB a. F. nahezulegen, daß Schadensersatz „statt" Wandlung oder Minderung nicht über den Ersatz des Mangelschadens hinausgehen dürfe; indes zeigt ein Blick in die Entstehungsgeschichte des BGB, daß zumindest die Erste Kommission den Schadensersatzanspruch offensichtlich nicht alternativ, sondern zusätzlich gewähren wollte 325 . 315
Medicus, FS Eduard Kern (1968), S.313, 331; Michalski, NJW 1988, 793. Diederichsen, AcP 165 (1965), 150, 164; Larenz, Schuldrecht II 1, §53 IIb. 317 Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses (1977), S.41 ff. 318 Peters, NJW 1978, 665, 667ff. 319 Vgl. BGHZ 35, 130; 58, 85, 89; 87, 239, 244. 320 Siehe dazu ausführlich Peters in Staudinger, § 635 Rdz. 55 ff. 321 § 224 E1; siehe Mot. II, S. 26 = Mugdan II, S. 14. 322 Vgl. §6331 BGB n.F. 323 Teichmann in Soergel, § 635 Rdz. 6. 324 Larenz, Schuldrecht II 1, § 53 IIb. 325 § 569 III E1 : „Gründet der Mangel sich in einem vom Uebernehmer zu vertretenden Umstände, so hat der Besteller außerdem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung" (Herv. v. Verf.). Vgl. Mugdan II, LXXXIX. 316
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Demgegenüber erwies sich die Trennung nach Schadensarten als weder plausibel noch praktikabel 326. Die Rechtsprechung hatte bei ihren Abgrenzungsversuchen eine unüberschaubare Kasuistik entstehen lassen. Folgendes Beispiel mag verdeutlichen, von welchen Unsicherheiten die Zuordnung der Folgebeeinträchtigungen geprägt war: So hatte sich die Rechtsprechung bei der Abgrenzung der Schadensarten von der Erwägung leiten lassen, zu welchem Zweck das Werk dienen sollte. Ein unmittelbarer Folgeschaden, der zur Anwendung des § 635 BGB a. F. führte, lag demnach beispielsweise vor, wenn als Folge der Mängel eines Kühlhauses Fleisch verdirbt 327 , wenn infolge unsachgemäßen Verschließens von Füllflaschen Flüssigkeit ausläuft 328, wenn aufgrund unsorgfältiger Verpackung bei einer Sendung Feuchtigkeitsschäden eintreten 329, wenn die unsachgemäße Montage eines Doppelachsaggregats an dem Fahrgestell eines Sattelschleppers zu Rissen an den Längsträgern führt 330 oder ein fehlerhaft vorgenommener Ölwechsel zu einem Motorschaden führt 331 . Die genannten Entscheidungen stehen insofern auf einer Linie, als daß jedes Mal der eigentliche Zweck des Werkes als Folge des eingetretenen Schadens vereitelt worden ist. Unstimmig wird das Bild jedoch angesichts folgender Schadensfälle, bei denen ein unmittelbarer Schaden verneint wurde: Ein fehlerhaftes Absperrventil führt zu einem Abwasserrückstau 332, aufgrund eines fehlerhaften Tankanzeigers muß eine Notlandung durchgeführt werden 333 oder ein undichtes Flachdach löst Schäden an einer Kassettendecke aus 334 . Auch in den letztgenannten Fällen ist der Schaden eingetreten, den das Werk gerade verhindern sollte. Eine klare Linie kann hier beim besten Willen nicht gefunden werden 335. Dieser Bewertung entsprechen Äußerungen des BGH, wonach nicht eine „allgemeingültige Festlegung nach abstrakten Kriterien" entscheidend sei, vielmehr komme es auf die „Eigenart des jeweiligen Sachverhaltes" 336 zur Erlangung einer „falladäquaten Lösung" an 337 . Auf diese Weise 326
Vollkommen AcP 183 (1983), 525, 556ff.; siehe auch die Beschlüsse des 55. DJT, NJW 1984, 2671,2677 (Nr. 23). 327 RGZ 71, 173; kritisch Glanzmann in RGRK, § 635 Rdz. 51. 328 OLG Köln, DB 1974, 185. 329 OLG Köln, VersR 1977, 139. 330 BGHZ 55, 392. 331 BGHZ 98, 45, 47. 332 OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 917. 333 BGH, NJW 1993, 923. 334 OLG Hamm, NJW-RR 1990, 981. 335 Auch die zur Rechtfertigung der beiden Fallgruppen vorgenommene Differenzierung zwischen „Beeinträchtigung der Gebrauchsfunktion" einerseits und „Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion" andererseits führt nicht weiter. Diese Trennung erscheint willkürlich und verschwommen: Wenn es aufgrund eines undichten Daches zu Feuchtigkeitsschäden kommt (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1990, 981), ist dann seine Gebrauchsfunktion oder seine Sicherungsfunktion betroffen? Kritisch auch Teichmann in Soergel, § 635 Rdz. 19. 336 BGHZ 67, 1,5. 337 BGH BauR 1982, 489, 490.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
vermied die Rechtsprechung in einzelnen Fällen eine Anwendung der im Werkvertragsrecht drohenden kurzen Verjährungsfrist des § 638 BGB a. F. 338 .
IL Die neue Rechtslage seit dem Ol. Januar 2002 § 634 Nr. 4 BGB n. F. enthält eine umfassende Schadensersatzregelung des Bestellers. Eine Abgrenzung zwischen Mangelschäden, unmittelbaren und entfernteren Mangelfolgeschäden erübrigt sich 339 . Nach meinem Dafürhalten ist die neue Rechtslage zu begrüßen. Insbesondere wird die Rechtsunsicherheit, welche durch die von der Rechtsprechung favorisierte Abgrenzung nach Schadensarten entstanden ist, eingedämmt. Angesichts der Tatsache, daß die praktisch nicht durchführbare Differenzierung nach Schadensaiten mit Blick auf die allgemein als zu kurz angesehene Verjährung des § 638 BGB a. F. konstruiert wurde, ließ sich die bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vorhandene Rechtssituation wohl zu Recht als „Notbehelf" bezeichnen340.
III. Die Anzeigepflicht bei Überschreitung des Kostenanschlags Fall 15: Friedas (F) ganzer Stolz ist eine goldene Taschenuhr, die sie vor Jahren von ihrem Großvater geerbt hat. Als sie eines Tages feststellt, daß die Uhr nicht mehr läuft, geht sie mit dem guten Stück zum Uhrmacher (U). Dieser unterbreitet F einen unverbindlichen Kostenanschlag in Höhe von 100,-€. Obwohl F weiß, daß der Wert der Uhr nur 150,—€ beträgt, beauftragt sie U mit der Reparatur. Am nächsten Tag beginnt U mit der Reparatur; nach einer halben Stunde stellt er fest, daß die Zacke eines Zahnrädchen gebrochen ist, das er vom Hersteller in Genf bestellen müßte. U rechnet mit einer Kostenüberschreitung von 100,-€ gegenüber dem ursprünglich der F unterbreiteten Kostenanschlag. U unterläßt es, F auf die zu erwartende Kostenüberschreitung aufmerksam zu machen und präsentiert ihr nach Erledigung des Reparaturauftrags eine Rechnung von 200,-€.
1. Geschäftsbesorgung Werkleistungen zeichnen sich dadurch aus, daß sich die Kosten ihrer Erstellung oftmals nicht sicher benennen lassen. Abgesehen von dem Fall der Festpreisvereinbarung trägt der Besteller das Kostenrisiko: Im Zweifel schuldet er die übliche Vergütung, § 632 II BGB 3 4 1 . Daher ist der Werkunternehmer grundsätzlich verpflichtet, den Besteller hinsichtlich der Kosten auf dem aktuellen Stand zu halten und wäh338 339 340 341
Ehlen/Blatt, FS Hermann Korbion (1986), S.69, 70. Abschlußbericht, S.262. So das Fazit von Teichmann in Soergel, § 635 Rdz. 14. Peters in Staudinger, § 650 Rdz. 1 ; Teichmann in Soergel, § 650 Rdz. 2.
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rend der Erstellung des Werks die Kosten ständig zu kontrollieren. Zu Recht weist Peters darauf hin, daß die Pflichten zur Kostenkontrolle und zur Information über die ermittelten Kosten auch ohne das Bestehen eines Kostenanschlags bestehen können; so obliegt dem Werkunternehmer eine Informationspflicht hinsichtlich der Kosten, wenn der Besteller erkennbar falsche Vorstellungen von diesen hat 342 . Auch hier tritt wieder der allgemeine Rechtsgedanke der §§ 665, 666 BGB zum Vorschein: Indem der Unternehmer die Herstellung des Werkes an der von ihm geschätzten, unverbindlichen (aber dem Vertrage zugrundegelegten) Kostenrichtlinie orientiert, wird er für den Besteller in dessen Interessenkreis tätig. Die Geschäftsbesorgung bezieht sich auf eine kostenverantwortliche Herstellung des Werkes, da regelmäßig nur der Werkunternehmer die Kosten kontrollieren und überblicken kann. Erklärt sich der Besteller nach Erhalt des (im Zweifel nicht zu vergütenden - § 632 III BGB n. F.) Kostenanschlags mit der Herstellung des Werkes einverstanden, so liegt darin zugleich eine Weisung iSd § 665 BGB, die Kosten in dem vom Unternehmer geschätzten Rahmen zu halten. Drohen die Kosten den vorgegebenen Rahmen zu sprengen, so hat der Unternehmer dies dem Besteller anzuzeigen, bevor er mit der Herstellung des Werkes fortfährt. Dieser in § 665 S. 2 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke wird von § 650 II BGB als lex specialis konkretisiert. Ist eine wesenliche Kostenabweichung mitzuteilen, so hat der Werkunternehmer die Entschließung des Bestellers abzuwarten, sofern mit dem Zuwarten keine besondere Gefahr verbunden ist, § 665 S. 2 BGB 3 4 3 .
2. Die Voraussetzungen des § 650 I I BGB Drei Schutzpflichten sind voneinander zu trennen: Der Unternehmer hat einen richtigen Kostenanschlag zu erstellen; unterläßt er dies, macht er sich nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo schadensersatzpflichtig 344. Der Unternehmer hat sich im Rahmen des Kostenanschlags zu halten. Überschreitet er schuldhaft den Kostenanschlag, etwa, weil er das Werk zu aufwendig hergestellt hat, so kann der Besteller eine entsprechende Reduzierung seines Vergütungsanspruchs verlangen 345 . Die dritte vom Unternehmer zu beachtende Schutzpflicht endlich berührt den Fall des § 650II BGB: Ist zu erwarten, daß das Werk nicht ohne wesentliche Abweichung vom ursprünglichen Kostenanschlag ausführbar ist, hat der Unternehmer dem Besteller dies anzuzeigen. Zweck der Anzeigepflicht ist es, dem Besteller die Möglichkeit zu geben, sich von dem Vertrag zu lösen, ohne im Gegenzug die volle Vergütung zahlen zu müssen (§ 649 S. 2 BGB). Kommt der Unternehmer daher seiner Anzeigepflicht nach, kann der Besteller gemäß § 650 I BGB kündigen und braucht nur die bereits geleisteten Arbeiten zu vergüten (§ 6451 BGB). 342 343 344 345
Peters Peters Köhler, Peters
13 Pohlmann
in Staudinger, § 650 Rdz. 3 u. 8. in Staudinger, § 650 Rdz. 10. NJW 1983, 1634 Fn. 12; Soergel in MünchKomm, § 650 Rdz. 14. in Staudinger, § 650 Rdz. 15.
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
Für § 650 BGB ist kein Raum, wenn der Unternehmer eine Garantie für die Einhaltung des Kostenanschlags übernommen hat 346 . Kostenanschlag iSd § 650 BGB kann also nur eine zwar dem Vertrag zugrundeliegende, aber nicht bindende Kosteneinschätzung des Unternehmers sein 347 . Wann eine derartige Kostenüberschreitung „wesentlich" ist, wird unterschiedlich beurteilt: Der Gesetzgeber hat sich wohl an einer Kostenüberschreitung von zehn Prozent orientiert 348, heute reicht die Spannbreite von 10 bis 20 Prozent, in Ausnahmefällen bis 25 Prozent 349. Vereinzelt ist selbst eine Überschreitung von 25 Prozent als noch innerhalb der Toleranzgrenze angesehen worden 350 , letztlich wiegen die Umstände des Einzelfalles schwerer als starre Prozentangaben351.
3. Der Umfang des Schadensersatzes Hat der Unternehmer eine wesentliche Überschreitung des Kostenanschlags nicht unverzüglich angezeigt, so erwächst dem Besteller aus dieser Schutzpflichtverletzung ein Schadensersatzanspruch 352. Der Besteller ist also so zu stellen, wie er stünde, wenn die Anzeige rechtzeitig erfolgt wäre, § 249 S. 1 BGB 3 5 3 . In diesem Fall hätte der Besteller die Wahl gehabt, entweder a) trotz Überschreitung des Kostenanschlags den Unternehmer das Werk zu den höheren Kosten vollenden zu lassen oder b) nach § 6501 BGB zu kündigen 354 . Die erste Alternative ist unproblematisch: Hätte der Besteller, was vom Unternehmer zu beweisen wäre 355 , trotz der gestiegenen Kosten nicht gekündigt, so steht ihm konsequenterweise mangels Schaden auch kein Ersatzanspruch zu 356 . Problematisch ist hingegen die zweite Alternative. Hätte der Besteller zu dem Zeitpunkt gekündigt, als für den Unternehmer eine wesentliche Überschreitung des zugrundegelegten Kostenanschlags erkennbar war, so hätte sich der Vergütungsanspruch des Unternehmers bis zu diesem fiktiven Kündigungszeitpunkt nach dem Maßstab des § 645 BGB gerichtet. Der Schaden bestünde folglich in der Differenz zwischen dem bis dahin tatsächlich verdienten Werklohn und der 346
Soergel in MünchKomm, § 650 Rdz. 2. Teichmann in Soergel, § 650 Rdz. 7. 348 Mot. II, S. 503 = Mugdan II, S. 281. 349 Sprau in Palandt, § 650 Rdz. 2. Ausführlich Köhler, NJW 1983, S. 1633 f. 350 BGH VersR 1957, 298. 351 Glanzmann in RGRK, §650 Rdz. 11; Köhler, NJW 1983, 1633. 352 OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, 209, 210; Köhler, NJW 1983, 1633, 1634; Seiler in Erman, §650 Rdz. 8. 353 Glanzmann in RGRK, § 650 Rdz. 18; Seiler in Erman, § 650 Rdz. 8. 354 Dagegen betrifft die Alternative, den Besteller so zu stellen, als hätte dieser den Auftrag gar nicht erteilt (Peters in Staudinger, § 650 Rdz. 12), eine andere Schutzpflichtverletzung, nämlich die unrichtige Erstellung des Kostenanschlags. 355 Glanzmann in RGRK, § 650 Rdz. 8; Locher, Das private Baurecht, Rdz. 57; Soergel in MünchKomm, §650 Rdz. 13. 356 Soergel in MünchKomm, § 650 Rdz. 13; Teichmann in Soergel, § 650 Rdz. 20. 347
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vom Besteller nach § 645 BGB zu entrichtenden Teil Vergütung 357. Diese Teilvergütung wird sich regelmäßig mit der Endsumme des Kostenanschlags decken, da der Unternehmer spätestens zu diesem Zeitpunkt weiß, ob noch wesentliche weitere Kosten zu erwarten sind und ihn somit die Hinweispflicht des § 650 I I BGB trifft 358 . Von der so ermittelten Differenz wäre aber konsequenterweise der Wert abzuziehen, der dem Besteller durch die Leistung des Unternehmers zugeflossen ist 359 . Indes kann dieses Ergebnis nicht befriedigen: Rechnet man nach den Regeln des Vorteilsausgleichs den Mehrwert des Werkes an, so würde der Unternehmer durchweg die volle Vergütung (gegebenenfalls unter Abziehung einer Gewinnmarge) erlangen, da der dem Besteller zufließende Mehrwert in der Regel mit der für die Bauleistung „üblichen" Vergütung gleichzusetzen ist 360 . Im Ergebnis hätte die Pflichtverletzung für den Unternehmer weder rechtliche noch wirtschaftliche Konsequenzen361. Der Zweck des § 650 II BGB, den Besteller vor nicht kalkulierten wirtschaftlichen Belastungen zu schützen, liefe bei dieser Berechnung weitgehend ins Leere 362 . Als Lösungsalternative wird vorgeschlagen, den Unternehmer an seinen Kostenanschlag363, eventuell unter Einbeziehung einer zulässigen Toleranzgrenze 364, festhalten zu lassen. Dagegen wird eingewandt, daß § 650 II BGB bei dieser Sichtweise einen Erfüllungsanspruch auf Einhaltung des Kostenanschlags gäbe365. Köhler schlägt vor, dem Auftraggeber ein Wahlrecht einzuräumen: Dieser solle die nach dem fiktiven Kündigungszeitpunkt vom Unternehmer erbrachten Werkleistungen entweder wieder zur Verfügung stellen oder sie behalten und entsprechend ihrem Wert vergüten 366. Jedoch scheint dieser Vorschlag wenig praktikabel zu sein: Ist eine Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung iSd § § 946 ff. eingetreten, wird eine Rückgabe der erbrachten Werkleistung kaum in Frage kommen 367 . Aber auch 357 Schlechtriem in Jauernig, § 650 Anm. 4; Seiler in Erman, § 650 Rdz. 8; Sprau in Palandt, §650 Rdz. 3. 358 Pahlmann, DRiZ 1978,367. Zur Beweislast für eine solche fiktive Kündigung siehe Köhler, NJW 1983, 1633, 1634; Peters in Staudinger, §650 Rdz. 14. 359 LG Köln, NJW-RR 1990, 1498; Glanzmann in RGRK, § 650 Rdz. 5; Soergel in MünchKomm (2. Aufl), §650 Rdz. 13 (anders aber in der 3. Aufl.). 360 LG Köln, NJW-RR 1990, 1498. 361 Soergel in MüchKomm (3. Aufl.), §650 Rdz. 13; Werner, FS Hermann Korbion (1986), S.473, 478; Werner!Pastor, Der Bauprozeß, Rdz. 1311. 362 Kleine-Möller!Merl!Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, § 14 Rdz. 68; Soergel in MünchKomm, § 650 Rdz. 13; Teichmann in Soergel, § 650 Rdz. 23; Werner, FS Hermann Korbion (1986), S.473, 478. 363 Pahlmann, DRiZ 1978, 367. 364 Soergel in MünchKomm (3. Aufl.), § 650 Rdz. 13; Werner, FS Hermann Korbion (1986), S.473, 478. 365 Teichmann in Soergel, § 650 Rdz. 21. 366 Köhler, NJW 1983, 1633, 1635. Ebenso Teichmann in Soergel, §650 Rdz. 24. 367 Werner, FS Hermann Korbion (1986), S.473, 478.
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in anderen Fällen wird es sich regelmäßig nicht lohnen, die nach der fiktiven Kündigung erbrachten Werkleistung wieder dem Unternehmer zur Verfügung zu stellen. Meines Erachtens bietet sich zur Lösung des Problems folgender Kompromiß an, der sowohl den Interessen der Parteien als auch dem Zweck des § 650 BGB gerecht wird: Der Besteller zahlt als Mindestvergütung den im Kostenanschlag genannten Preis zuzüglich einer zulässigen Überschreitung. Darüber hinaus hat der Besteller einen Wertausgleich nach den Grundsätzen der aufgedrängten Bereicherung zu vergüten, also den subjektiven Nutzen 368 . In Fall 15 hätte F somit 150,-€ zu bezahlen, weil der objektive Wert der Reparatur durch den subjektiven Nutzen (Wert der Uhr) begrenzt wird 369 . Doch auch wenn, wie im Regelfall, subjektiver Nutzen und objektiver Verkehrswert zusammenfallen, ist der Verkehrswert regelmäßig deutlich niedriger als der übliche Werklohn 370.
§ 14 Sonstige im BGB geregelte Aufklärungspflichten I. Anzeigepflichten des Hinterlegers Unter den Voraussetzungen des § 372 BGB hat der Schuldner das Recht, sich durch Hinterlegung von der Schuld zu befreien; in bestimmten Fällen ist der Schuldner auf Verlangen des Gläubigers zur Hinterlegung verpflichtet (§§ 43212, 107712, 1281 S. 2, 2039 S. 2, 2114 S. 2 BGB) 371 . 1. Geschäftsbesorgung Indes handelt der Schuldner, dem nach § 372 BGB ein Recht zur Hinterlegung zusteht, nicht nur im eigenen Interesse; durch die Hinterlegung erwirbt der Gläubiger an Stelle seiner Forderung gegen den Schuldner das Forderungsrecht gegen die Hinterlegungsstelle. Der Schuldner besorgt für den Gläubiger ein Geschäft, da diesem durch die Hinterlegung der Gegenstand zur Verfügung gestellt wird 372 . Aus diesem Grunde trifft den Schuldner die Anzeigepflicht nach § 374 I I BGB. 368 Köhler, NJW 1983, 1633, 1635; Medicus, Schuldrecht II, Rdz. 378; Teichmann in Soergel, §650 Rdz. 24. Werner (FS Hermann Korbion [1986], S.473, 478f.) weist daraufhin, daß der Besteller die Leistung aufgrund des Werkvertrags erhalten habe, er also nicht ungerechtfertigt bereichert sei, weswegen die §§ 812ff. BGB nicht zur Anwendung gelangen könnten. Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist jedoch die fiktive Kündigung; ab diesem Zeitpunkt hätte die Berechtigung des Unternehmers zur Leistung geendet (Teichmann in Soergel, § 650 Rdz. 24). 369 Vgl. Köhler, NJW 1983, 1633, 1635. 370 Darin liegt der Unterschied zur Mehrwertanrechnung nach den Regeln des Vorteilsausgleichs, siehe Teichmann in Soergel, § 650 Rdz. 24. 371 Siehe Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S.480. 372 Vgl. Mot. II, S. 98 = Mugdan II, S. 54; Kreß, aaO, S. 483.
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2. Die Verletzung der Aufklärungspflicht Kommt er seiner Pflicht, die Hinterlegung unverzüglich anzuzeigen, nicht nach, so macht der Schuldner sich schadensersatzpflichtig 373. Der Schaden des Schuldners kann in der verspäteten Empfangnahme der zur Hinterlegung gegebenen Sache oder in der mangelnden Durchsetzbarkeit seines Herausgabeanspruchs gegenüber der Hinterlegungsstelle bestehen374. Auch im Falle bloß verspäteter Mitteilung macht der Schuldner sich schadensersatzpflichtig 375. Die Verpflichtung zur Anzeige fällt weg, wenn diese „untunlich" ist (§ 374 II 2 BGB): Dies ist dann der Fall, wenn die Anzeige wegen einer zu großen Zahl möglicher Berechtigter einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde 376 . Ebenfalls ist der Schuldner von seiner Anzeigepflicht entbunden, wenn eine öffentliche Zustellung nach § 132 II BGB notwendig wäre 377 . Für die Verjährung ist die Anzeigepflicht in doppelter Hinsicht von Bedeutung: Zum einen kann die Anzeige als Anerkenntnis des Gläubigeranspruchs (§ 2121 Nr. 1 BGB n. F.) gewertet werden und so die Verjährung unterbrechen 378; darüber hinaus setzt sie die dreißigjährige Frist des § 382 BGB in Gang. 3. Die Benachrichtigung von der vollzogenen Versteigerung Im Falle des § 3831 BGB ist der Schuldner berechtigt, die bewegliche Sache zu versteigern und dann deren Erlös zu hinterlegen 379. Voraussetzung für den Selbsthilfeverkauf ist die Androhung der Versteigerung gegenüber dem Gläubiger 380, sofern nicht die Ausnahmen der §§ 3841 Hs. 2 oder III BGB vorliegen. Ferner hat der Schuldner dem Gläubiger gemäß § 384 II BGB unverzüglich die vollzogene Versteigerung mitzuteilen; auch hier setzt im Falle der Unterlassung eine Verpflichtung zum Schadensersatz ein. Die Benachrichtigungspflicht erstreckt sich auch auf die Höhe des erzielten Erlöses 381. Wie im Falle des § 374 I I BGB besteht die Benachrichtigungspflicht nicht, wenn sie untunlich ist (§ 384 III BGB). 373
BGH W M 1960, 112. Olzen in Staudinger, § 374 Rdz. 9. 375 Olzen in Staudinger, § 374 Rdz. 9. 376 Gernhuber, Die Erfüllung, § 15117. 377 Weber in RGRK, § 374 Rdz. 3; Westermann in Erman, § 374 Rdz. 2; Zeiss in Soergel, §374 Rdz. 2. 378 Olzen in Staudinger, § 374 Rdz. 12; Zeiss in Soergel, § 374 Rdz. 2. 379 Liegt ein Handelskauf vor, so hat der Verkäufer den Käufer vor einer öffentlichen Versteigerung zu benachrichtigen; dassselbe gilt, sobald der Selbsthilfeverkauf vollzogen wurde (§ 373 V HGB). Siehe im einzelnen Baumbach/Duden/Hopt, HGB, § 373 Rdz. 15. 380 Da die Rechtsfolgen der Androhung ohne Rücksicht auf den Willen des Schuldners eintreten, liegt eine geschäftsähnliche Handlung vor: Gernhuber, Die Erfüllung, § 15 III4b; Heinrichs in MünchKomm, § 384 Rdz. 1; Olzen in Staudinger, § 384 Rdz. 2; Siber in Planck, § 384 Anm. 1. AA (einseitiges Rechtsgeschäft): Weber in RGRK, § 384 Rdz. 1; Westermann in Erman, §384 Rdz.l. 381 Olzen in Staudinger, § 384 Rdz. 5. 374
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II. Die Anzeigepflicht des Verwahrers (§ 692 BGB) 1. Geschäftsbesorgung Durch die Aufbewahrung einer beweglichen Sache des Hinterlegers wird der Verwahrer für diesen in dessen Tätigkeits- und Interessenkreis tätig. Die Geschäftsbesorgung der Verwahrung kann unentgeltlich oder entgeltlich (§ 689 BGB) vorgenommen werden. § 692 BGB ist das Pendant zu § 665 BGB, ebenso wie § 693 BGB auf demselben Rechtsgedanken beruht wie der auftragsrechtliche Ersatzanspruch des § 670 BGB 3 8 2 . 2. Die Verletzung der Anzeigepflicht Im Regelfall wird die Art der Aufbewahrung von den Parteien nicht vereinbart; der Verwahrer bestimmt die Aufbewahrungsart dann nach seinem freien Ermessen 383 . § 692 BGB gilt nur für den Ausnahmefall, daß eine Vereinbarung über die Art der Aufbewahrung getroffen wurde 384 . In diesem Fall darf der Aufbewahrer die Aufbewahrungsart nur ändern, wenn er dem Hinterleger zuvor seine Absicht angezeigt und dessen Entschließung abgewartet hat, es sei denn, daß ein Abwarten mit Gefahr verbunden ist. Liegt keine Gefahr für die hinterlegte Sache vor, so erfolgt die Änderung der Aufbewahrungsart unbefugt, wenn der Aufbewahrer seiner Pflicht zur Anzeige nicht nachkommt. Der Verwahrer haftet dann für den Schaden, der aus der Veränderung der Aufbewahrung folgt, es sei denn, daß der Schaden auch ohne Änderung der Aufbewahrungsart eingetreten wäre 385 .
§ 15 Fazit I. Den Aufklärungspflichten gebührt eine Sonderstellung im System der Schutzpflichten. Auf dem dogmatischen Nährboden des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen gedeihen ausschließlich (vertragsschlußbezogene) Aufklärungspflichten (§21). Alle anderen „vorvertraglichen" Schutzpflichten gehören 382
Hüffer in MünchKomm, § 692 Rdz. 1, § 693 Rdz. 1. Hüffer in MünchKomm, § 692 Rdz. 2; Krohn in RGRK, § 692 Rdz. 1; Mühl in Soergel, § 692 Rdz. 1; Reuter in Staudinger, § 692 Rdz. 2; Seiler in Erman, § 692 Rdz. 1. 384 Hüffer in MünchKomm, § 692 Rdz. 4; Reuter in Staudinger, § 692 Rdz. 4. 385 Nach Seiler (in Erman, § 692 Rdz. 3) haftet der Aufbewahrer für jeden adäquat verursachten Schaden. Weitergehend die hM (Hüffer in MünchKomm, § 692 Rdz. 6; Krohn in RGRK, § 692 Rdz. 1 ; Mühl in Soergel, § 692 Rdz. 2; Reuter in Staudinger, § 692 Rdz. 6): Haftung auch für zufällige Schäden nach § 287 S. 2 analog. 383
§ 15 Fazit
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dogmatisch gesehen in das Deliktsrecht, ihre „zufällige" Verletzung im Rahmen von Vertragsverhandlungen oder bei der Anbahnung eines Vertrags rechtfertigt m. E. keine Einordung unter das gesetzliche Schuldverhältnis der culpa in contrahendo (§211). II. Bei den vertraglichen Schutzpflichten spielen Aufklärungspflichten, deren Verletzung zum Ersatz des positiven Interesses führt, praktisch keine Rolle. Insoweit dominieren andere Schutzpflichten wie Sicherungs- oder Sorgfaltspflichten. Eine große Bedeutung haben dagegen vertragliche Aufklärungspflichten, deren Verletzung den Gläubiger an anderen Rechtsgütern schädigt und so den Ersatz des Integritätsinteresses nach sich zieht (§ 3). Vertragliche Aufklärungspflichten entspringen der vertraglichen Vereinbarung. Indem der Schuldner die vertraglich verprochene Leistung erfüllt, wird er für den Vertragspartner als Geschäftsbesorger tätig. Der Begriff der Geschäftsbesorgung wird also im weitestmöglichen Sinne als „Handeln für den anderen" begriffen und ist nicht auf bestimmte Verträge oder Vertragstypen beschränkt (§3IV4d). Dementsprechend sind auch die §§663 ff. BGB vertragsübergreifend anwendbar. Prototypen vertragsübergreifender Aufklärungspflichten sind die §§ 665 S. 2, 666 Alt. 1 BGB. So tritt in den Anzeigepflichten des Unternehmers bei Überschreiten des Kostenanschlags gemäß § 650 II BGB und des Verwahrers bei Änderung der Aufbewahrung nach § 692 BGB die Schutzpflicht des § 665 S. 2 BGB zum Vorschein (§ 13 II I und § 14 II 1). Ebenso konkretisiert sich in der Aufklärungspflicht des Mieters (§ 536cII BGB n. F.) und des Hinterlegers (§§ 374II, 384 I I BGB) die vertragsübergreifende Aufklärungspflicht des § 666 Alt. 1 BGB (§12111 und §1411). III. Die Verletzung von Aufklärungspflichten führt zum Ersatz des negativen oder Integritätsinteresses, grundsätzlich jedoch nicht zum Ersatz des positiven Interesses (§51). Die Verletzung vertragsschlußbezogener Aufklärungspflichten zieht nur dann den Ersatz des positiven Interesses nach sich, wenn dem Geschädigten der Nachweis gelingt, daß bei gebotener Aufklärung ein anderer, günstigerer Vertrag mit dem Verpflichteten zustande gekommen und erfüllt worden wäre (§512c und 3 b). Der dem § 249 S. 1 BGB entspringende Grundsatz der hypothetischen Kausalität darf nur in Ausnahmefällen gebrochen werden, wenn Treu und Glauben (§ 242 BGB) dies gebieten. IV. Die gesetzliche oder richterrichtlich verankerte Garantiehaftung durchbricht den Verschuldensgrundsatz und begegnet so dem Dilemma, daß die Verletzung einer vertragsschlußbezogenen Aufklärungspflicht nur zum Ersatz des negativen Interesses führt, der Gläubiger jedoch aufgrund der vertraglichen Einigung die Erfüllung dieses Vertrags erwartet. Statt einer auf das negative Interesse gerichteten Verschuldenshaftung gilt in bestimmten Fällen eine strikte, zum Ersatz des positiven Interesses führende Garantiehaftung. Eine gesetzliche (d. h. nicht vertraglich ausdrücklich vereinbarte) Garantiehaftung kann zum einen unter dem Aspekt des besonderen Schuldnerverhaltens begründet werden. So läßt sich § 1791 BGB als gesetzliche, „fingierte" Garantiehaftung des Vertreters begreifen, der das Risiko für
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2. Teil: Fallgruppen besonderer Aufklärungspflichten
die fehlende Vertretungsmacht bewußt und freiwillig übernimmt und so die strikte Haftung letztlich rechtfertigt. Einem ähnlichen Gedanken lag m. E. die Haftung des arglistigen Verkäufers nach § 463 S. 2 BGB a. F. zugrunde (§ 1013 c). Von diesen Fällen abgesehen erfordert die besondere Schutzbedürftigkeit des Geschädigten mancherorts ein Abweichen vom Verschuldensprinzip, so in den Fällen der §§1221, 179II, 536al Alt. 1 (n.F.) und 437 (a.F.) BGB. Auch die strikte Haftung des anfänglich unvermögenden Schuldners ließ sich nach altem Recht unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes rechtfertigen (£ 7II2bbb). Alle genannten Fälle vereint die Idee, daß es dem Gläubiger in diesen Situationen nicht möglich ist, an Ort und Stelle die Wahrheit der vom Schuldner angestellten Behauptung herauszufinden: Ein Irrtum des Anfechtenden läßt sich nicht erkennen (§212 a), ebensowenig das Vorliegen der Vertretungsmacht (§212b), der Bestand eines Rechts oder das Vorliegen eines Rechtsmangels (§7Ii). V. Das am 01. Januar 2002 in Kraft getretene neue Schuldrecht hat viele Änderungen eingefühlt, die aus meiner Sicht zu begrüßen sind. Allerdings haben sich die Verfasser(innen) m. E. mit den Konsequenzen einer ausschließlich am Begriff der Pflichtverletzung orientierten Haftung nicht genügend auseinandergesetzt. Problematisch ist insbesondere der neue Haftungstatbestand des § 311 a II BGB n. F. im Falle anfänglicher Leistungshindernisse. Als culpa-Haftung verstößt der Ersatz des positiven Interesses gegen das in § 249 S. 1 BGB zum Ausdruck gekommene Kausalitätsprinzip, da die Aufklärungspflichtverletzung des Schuldners in diesen Fällen lediglich einen Vertrauensschaden verursacht hat, nicht jedoch das anfängliche Leistungshindernis. Die Garantiehaftung des alten Rechts (§437 BGB a. F., § 463 S. 2 BGB a. F., die Haftung im Falle anfänglichen Unvermögens) war als Gegenstück zur culpa-Haftung nicht deshalb von so großer Bedeutung, weil sie den § 2761 BGB ausschaltete, sondern weil sie den §249 S. 1 BGB „korrigierte": Trotz Vorliegens einer (lediglich) auf das negative Interesse gerichteten Aufklärungspflichtverletzung gewährte die Garantiehaftung in diesen Fällen das Erfüllungsinteresse.
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averzeichnis Abbruch von Vertragsverhandlungen - formbedürftige Verträge
160,166
- formfreie Verträge 152
Culpa in contrahendo 20, 36ff., 169ff., 181 f., 187 Deliktische Haftung
- Haftungsumfang
162
- Pflichtverletzung
153, 155, 161
- Triftiger Grund 153
- deliktische Generalklausel 61 f. - Gehilfenhaftung 64 ff. - und Aufklärungspflichten
Abwicklungszweck 24 Ansprüche - entwickelte und unentwickelte 22ff., 30 - und Pflichten 22 ff.
36, 75 ff.
E-Commerce-Richtlinie 20 Einheitliches gesetzliches Schutzpflichtverhältnis 82 ff. Erkundigungspflicht 101 f., 107 Erwerbsanspruch 23 f.
Arglist 32,34, 169 ff. Aufklärungsanspruch 30 f. Aufklärungspflicht
Forderungskauf
- Grenzen 106 f.
Formmangel 164
- Inhalt 101 ff. - integritätsbezogene 69 ff. - des Mieters 186 f.
- Kauf 169 ff.
- Schadensersatz 166 ff.
- Rechtskauf
- des Schenkers 181 ff. - als Schutzpflicht 22 ff., 30 - Terminologie 35
142,184
Geschäftsbesorgung 85 ff.
- Auslegung 89 ff.
169 ff.
107 ff., 147 ff., 155 ff. 184 f.
- Vertragliche 35,77,105,179,186,188, 196,198 - Vertragsschlußbezogene 37 ff., 68 - Vorvertragliche 35, 36ff., 120, 169, 181,187 - des Werkuntemehmers
- des Vermieters
- und Aufklärungspflichten
- Umfang 101 ff., 148
- des Vermieters
140, 144
- und Stellvertretung 44 ff., 176
- Schutzbereiche 34
-Verletzung
Garantiehaftung - und anfängliches Unvermögen 134 ff. - des Anfechtenden 41
- Rechtsnatur 36 ff.
- des Verkäufers
140ff., 149
187 ff.
Austauschzweck 23,24, 94f.
- Begriff 86 ff. - Geschichte 87 ff. - Schutzpflichtkomplex
23, 97 ff.
- Vertragsstrukturtypus
93 ff.
- Werkvertrag
188 f.
Hinterlegung 70ff., 196 Informationelles Vorsatzdogma 3 2 ff. Informationsgefälle
104 f.
Sachverzeichnis Informationsschutzanspruch
30 f.
Kausalitätsprinzip 118, 126, 129, 135, 146, 181,200 Kostenanschlag 192 ff. Lehre vom sozialen Kontakt 72 ff. Leistungspflicht 22ff., 82ff. Liberalitätszweck 23, 24, 33, 94f. Mangel- und Mangelfolgeschäden 176 ff., 184,190 Mitverschulden 125, 127 Negatives Interesse 109,111 ff., 124,131, 167, 170 Pflichtverletzung - als Haftungstatbestand 27 ff. positive ForderungsVerletzung 78 ff., 81, 84 positives Interesse 108ff., 120ff., 170 positiver Vertrauensschutz 122 f. Rechts- und Forderungskauf
140ff., 149
Schuldrechtskommission 20, 36
217
Schuldrechtsreform 27 ff., 36, 50, 66, 70, 81,109,114,132 ff., 141,146 ff., 180ff., 192, 200 Schutzanspruch - Gesetzliche und vertragliche 25 - Schutzbereiche 26 f. - unentwickelte und entwickelte 25 f. Schutzpflicht 22ff., 81 ff., 97 ff. Unmöglichkeit - anfängliches Unvermögen 134ff., 150 - anfängliche objektive Unmöglichkeit 49 ff., 130 ff., 150 Unternehmenskauf 116 ff. versicherungsrechtliche Erfüllungshaftung 124 Vertragsanpassung 115 ff. Vertragsauflösung 113 ff. Vertragsfreiheit 67, 151 f. Vertragsverhandlungen - Abbruch 15Iff. - und Aufklärungspflichten 68,155 - als gesetzliches Schuldverhältnis 66 ff., 81 - und Vertragsfreiheit 67 Vertrauenshaftung 46, 54ff., 157 f.