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German Pages 375 Year 2002
JÖRG B E C K M A N N
Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
Beiträge zum Beamtenrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Detlef Merten und Prof. Dr. Helmut Lecheler
Band 9
Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn §§ 78 BBG, 46 BRRG
Von Jörg Beckmann
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Beckmann, Jörg: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn : §§ 78 BBG, 46 BRRG / von Jörg Beckmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Beiträge zum Beamtenrecht ; Bd. 9) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10691-1
Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0940-676X ISBN 3-428-10691-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Meinen Eltern
Vorwort Der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten oder, anders gewendet, die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn für die schuldhafte Verletzung der ihm obliegenden Pflichten, war bisher erst zweimal Gegenstand einer rechtswissenschaftlichen Monographie. Beide Abhandlungen, die eine von Georg Hösch aus dem Jahre 1913 zur Regelung des Art. 13 des Bayerischen Beamtengesetzes von 1908, die andere von Gerhard Hauser aus dem Jahre 1940 zu § 23 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937, nahmen die jeweils grundlegenden Rechtsänderungen ihrer Zeit zum Anlaß, sich dieser praktisch besonders relevanten Thematik von wissenschaftlicher Seite her zu nähern und die bis dahin wesentlichen Entwicklungslinien aufzuzeigen. Es überrascht nicht wenig, daß, in der mittlerweile beinahe fünfzigjährigen Geschichte des heute in § 78 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) sowie den inhaltsgleichen Vorschriften der Landesbeamtengesetze umfassend geregelten Anspruchs, Entsprechendes nicht noch einmal geschehen ist. Angesichts der lange gehegten Reformpläne des Gesetzgebers auf diesem Gebiet, die sich vor allem auf die Beseitigung der seit 1957 bestehenden Differenzierung zwischen hoheitlichem und fiskalischem Handeln des Beamten bezogen, hätte jedenfalls Bedarf an neueren Untersuchungen bestanden. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die in diesem „klassischen" Bereich des Beamtenrechts entstandene Lücke zu schließen. Der Bundesgesetzgeber hat zuletzt durch das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften die Innenhaftung des Beamten reformiert. Nach der Neufassung des § 78 BBG sowie des § 46 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) trifft den Beamten eine schadensrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber seinem Dienstherrn nunmehr nur noch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Vernachlässigung seiner Dienstpflichten. Damit sind die in der Vergangenheit divergierenden Haftungsmaßstäbe bei hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln vereinheitlicht worden. Eine Haftung des Beamten für gewöhnliche Fahrlässigkeit entfällt. Die früheren zentralen Fragen der materiellrechtlichen Seite des Schadensersatzanspruchs, nämlich die schwierige Abgrenzung von Fiskalund Hoheitsbereich sowie die umstrittene Heranziehung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die „gefahr- bzw. schadensgeneigte Arbeit' 4 scheinen sich damit endgültig erledigt zu haben.
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Vorwort
Gleichwohl harren zahlreiche Probleme nach wie vor der wissenschaftlichen Aufarbeitung, wie zum Beispiel die umstrittene Auslegung des Begriffs des „Dienstherrn" im Sinne der §§78 BBG, 46 BRRG und des korrelierenden Anwendungsbereiches der Drittschadensliquidation oder der partiell offene Einfluß der Fürsorgepflicht des Dienstherrn auf die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer schadensstiftender Beamter. Andere Probleme begegnen dem Rechtsanwender heute lediglich in neuem Gewände. So etwa hat die vom Bundesarbeitsgericht dem privaten Arbeitnehmer eingeräumte Rechtsstellung bei der grob fahrlässigen Verursachung besonders hoher Sach- bzw. Vermögensschäden die gesetzliche Rechtsposition des Beamten längst erneut überrundet. Wiederum stellt sich daher die Frage, auf welcher dogmatischen Grundlage der Beamte in entsprechenden Fällen in den Genuß einer der arbeitsrechtlichen Regelung vergleichbaren Haftungsbegrenzung gelangen kann. Die vorliegende Bearbeitung setzt sich zum Ziel, die bisherige Rechtsentwicklung des Instituts des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs möglichst vollständig aufzuzeigen, die verbleibenden Sachfragen zu erörtern und Lösungen zu unterbreiten. Zwar leisten die Kommentare der Beamtengesetze des Bundes und der Länder auf diesem Gebiet zum Teil bereits Beachtliches. Gleichwohl bietet sich ihnen - naturgemäß - kaum ausreichend Platz für eine zufriedenstellende wissenschaftliche Auseinandersetzung. Auch ist schon jetzt zu erkennen, daß seit der Befreiung des Beamten von der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit für einfache Fahrlässigkeit die Zahl der von den Gerichten zu entscheidenen Fälle drastisch zurückgegangen ist. Die Klärung der verbleibenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung dürfte somit in Zunkunft erheblich länger auf sich warten lassen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Umso wichtiger erscheint die Aufarbeitung der Thematik durch eine Monographie. Berlin, im August 2001
Jörg Beckmann
Inhaltsübersicht Einführung: Die Folgen der Dienstpflichtverletzung des Beamten I. Die haftungsrechtlichen Folgen der Dienstpflichtverletzung des Beamten II. Abgrenzung der beamtenrechtlichen Innenhaftung vom Disziplinarrecht III. Zusammenfassung
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1. Kapitel Die historischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn A. Die Entwicklung der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn bis zum 1. Januar 1993 I. Die Verantwortlichkeit der „Staatsdiener" nach den II 10 §§ 88 bis 91 und 127 bis 145 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 II. Die Rechtslage in den anderen deutschen Territorialstaaten, insbesondere in Bayern und Sachsen III. Die Regelung der Haftung der Beamten auf Reichsebene und die Fortgeltung der Partikularrechte im Deutschen Reich nach 1871 und in der Weimarer Republik IV. Neuregelung der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit im Innenverhältnis durch § 23 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 V. Reformen und Reformbestrebungen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland bis zum 1. Januar 1993 VI. Zusammenfassung/Ergebnisse B. Die I. II. III.
verfassungsrechtlichen Determinanten der Haftung des Beamten Verfassungsrechtliche Vorgaben durch Art. 34 Sätze 2 und 3 GG Beamtenrechtliche Innenhaftung und Art. 33 Abs. 5 GG Zusammenfassung
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64 73 78 91 94 94 95 98
2. Kapitel Voraussetzungen und Rechtsfolgen des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs A. Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach den §§78 BBG, 46 BRRG I. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich II. Die rechtswidrige Verletzung der dem Beamten obliegenden Pflichten III. Das Verschulden des Beamten
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Inhaltsübersicht
IV. Der Schaden des Dienstherrn V. Das Bestehen von Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang VI. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs B. Die Rechtsfolgen des Bestehens des Schadensersatzanspruchs I. Grundsätzliche Verpflichtung des Dienstherrn zur Geltendmachung des Anspruchs II. Haftungsfreistellung durch Richtlinien und Verwaltungsvorschriften.... III. Gesetzlicher Forderungsübergang auf den Beamten (§§ 78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG)
139 173 181 197 197 199 201
3. Kapitel Fallgruppen mit besonderer tatbestandlicher Haftungsbeschränkung A. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs bei Fremdschäden im Straßenverkehr nach § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG I. Grundgedanken und Entstehung der heutigen Regelung II. Systematik der heutigen Haftungsregelung bei Verkehrsunfällen III. Das Verhältnis des Rückgriffs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG zum Amtshaftungsrückgriff IV. Die Erstreckung des Haftungsprivilegs aus § 2 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz PflVG auf Landesbeamte V. Zusammenfassung B. Das Haftungsprivileg der Beamten im Besteuerungsverfahren nach § 32 AO (1977) I. Tatbestandliche Voraussetzungen der Privilegierung II. Fehlende Rechtfertigung der Norm im System der heutigen Beamtenhaftung III. Zusammenfassung/Ergebnis
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4. Kapitel Einschränkungen der Schadensersatzpflicht des Beamten A. Die Haftungsbeschränkung bei existenzbedrohender Schadenshöhe I. Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Haftungsbeschränkung bei betrieblich veranlaßter Tätigkeit II. Einwand der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn III. Vorübergehendes oder endgültiges Absehen von der Durchsetzung nach Maßgabe des Haushaltsrechts IV. Ergebnis
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Inhaltsübersicht
Β. Die Haftungsbeschränkung wegen Mitverschuldens des Dienstherrn in Abgrenzung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter I. Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter bei gemeinsamer Schadens Verursachung (§§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG) II. Der Einwand mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn analog § 254 BGB III. Ergebnis
259
260 271 277
5. Kapitel Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs in der Praxis A. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs I. Die Geltendmachung durch Leistungsklage II. Die Geltendmachung der Schadensersatzforderung durch Verwaltungsakt III. Die Aufrechnung gegenüber den Ansprüchen des Beamten aus dem Beamtenverhältnis B. Die I. II. III.
278 278 278 284 306
Verteilung der Beweislast zwischen Dienstherrn und Beamten 312 Die Beweislastverteilung im Verwaltungsprozeß 312 Die Beweislastverteilung im Rückgriffsprozeß vor dem Zivilgericht .. . 326 Zusammenfassung/Ergebnis 326
C. Die Beteiligung der Personalvertretungen an der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs I. Das Mitbestimmungsrecht auf Bundesebene gemäß §§76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9, Satz 2, 69 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BPersVG II. Die Beteiligung der Personal Vertretungen auf Landesebene III. Der Erlaß vorläufiger Regelungen IV. Zusammenfassung
328 338 342 343
Schlußbetrachtung
345
Literaturverzeichnis
347
Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
358
Personen- und Sachwortverzeichnis
368
327
Inhaltsverzeichnis Einführung: Die Folgen der Dienstpflichtverletzung des Beamten I. Die haftungsrechtlichen Folgen der Dienstpflichtverletzung des Beamten 1. Die Grundzüge der Haftung im Außenverhältnis a) Die Haftung bei Schädigung eines außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten aa) Die Haftung bei nichthoheitlichem Handeln des Beamten.... bb) Die Haftung im hoheitlichem Pflichtenkreis des Beamten.... b) Die Haftung im Außenverhältnis bei Schädigung eines Mitbeamten 2. Die Haftung des Beamten im Verhältnis zum Dienstherrn a) Rechtsgrundlage und beamtenrechtliches Haftungsprivileg b) Vereinheitlichte Haftung bei unmittelbarer und mittelbarer Schädigung des Dienstherrn aa) Der Schadensersatzanspruch bei unmittelbarer Schädigung... bb) Der Schadensersatzanspruch bei mittelbarer Schädigung c) Grundsätzlich abschließende Regelung der Innenhaftung II. Abgrenzung der beamtenrechtlichen Innenhaftung vom Disziplinarrecht III. Zusammenfassung
33 34 34 34 35 35 36 36 36 38 39 39 40 41 45
L Kapitel Die historischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn A. Die Entwicklung der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn bis zum 1. Januar 1993 I. Die Verantwortlichkeit der „Staatsdiener" nach den II 10 §§ 88 bis 91 und 127 bis 145 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 1. Erste Kodifikation einer Ersatzpflicht der „Staatsdiener" (II 10 §§ 88 ff. PrALR) 2. Rechtsnatur des Schadensersatzanspruchs nach preußischem Recht. . 3. Beamtenhaftung als Vollmachtsüberschreitung 4. Verantwortlichkeitsmaßstab und Billigkeitsentscheidung 5. Subsidiarität des Schadensersatzanspruchs (II 10 § 91 PrALR) 6. Heranziehung der allgemeinen Prinzipien über die Schadensersatzverbindlichkeit bei unerlaubten Handlungen a) Art und Umfang des zu ersetzenden Schadens (I 6 §§ 10 ff. PrALR)
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b) Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn (I 6 §§ 18 ff. PrALR) c) Haftung mehrerer Beamter (I 6 §§ 29 ff. sowie II 10 §§ 127 ff. PrALR) 7. Zweifel an der Deliktsnatur des Anspruchs im Innenverhältnis; Deklaration vom 31. März 1838 zu I 6 § 54 PrALR (Verjährung)... II. Die Rechtslage in den anderen deutschen Territorialstaaten, insbesondere in Bayern und Sachsen 1. Die Verantwortlichkeit der bayerischen Beamten gegenüber ihrem Dienstherrn a) Beamtenhaftung nach den Grundsätzen des partikularen und gemeinen Rechts bis 1908 b) Art. 13 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 16. August 1908 . 2. Innenhaftung der „Staatsdiener" im Königreich Sachsen a) Verantwortlichkeit gegenüber dem Landesheim vor Inkrafttreten der Sächsischen Verfassung von 1831 b) Beschränkung der Haftung des Beamten bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn auf grobe Fahrlässigkeit durch § 1507 des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches von 1865 III. Die Regelung der Haftung der Beamten auf Reichsebene und die Fortgeltung der Partikularrechte im Deutschen Reich nach 1871 und in der Weimarer Republik 1. Die Verantwortlichkeit der Reichsbeamten nach den §§ 13, 19 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 2. Die Trennung von Außen- und Innenhaftung des Beamten durch § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 1. Januar 1900 3. Auswirkungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten 4. Entstehung der Beamtenhaftung für mittelbare Schädigung des Dienstherrn in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit durch Einführung einer allgemeinen Reichs- und Staatshaftung a) Haftung des Staates in Grundbuchangelegenheiten und Rückgriffsprivileg der preußischen Grundbuchbeamten b) Das Preußische Gesetz vom 1. Oktober 1909 sowie das Reichsgesetz vom 10. Mai 1910 5. Verfassungsrechtliche Perpetuierung der Amtshaftung sowie des Rückgriffsvorbehaltes durch Art. 131 Abs. 1 WRV 6. §§ 87 bis 89 des Entwurfs eines Deutschen Beamtengesetzes von 1928 IV. Neuregelung der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit im Innenverhältnis durch § 23 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 1. Haftung bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn 2. Haftung bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn und Haftungsprivileg bei hoheitlicher Tätigkeit 3. Haushaltsrechtliche Bindung des Dienstherrn und Pflicht zur Geltendmachung des Anspruchs
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4. Die Verjährung des Anspruchs gemäß der Durchführungsverordnungen vom 29. Juni 1937 und 13. Oktober 1938 5. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges durch die §§ 142, 182 DBG. V. Reformen und Reformbestrebungen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland bis zum 1. Januar 1993 1. Wiedereinführung des Berufsbeamtentums und Fortgeltung des § 23 DBG als Übergangsrecht 2. § 78 des Bundesbeamtengesetzes von 1953 und § 94 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein von 1956 3. Vereinheitlichung der Haftungsmaßstäbe bei Schädigung des Dienstherrn in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch § 46 des Beamtenrechtsrahmengesetzes von 1957 4. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften vom Januar 1967 5. Das Scheitern des Staatshaftungsgesetzes und der damit verbundenen Reformierung der beamtenrechtlichen Innenhaftung a) Entwürfe einer Reform des öffentlichen Dienstrechts sowie einer unmittelbaren Unrechtshaftung des Staates in den Jahren 1970 bis 1978 b) Nichtigerklärung des Staatshaftungsgesetzes von 1981 durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1982 c) Die besondere Rechtslage in den Ländern Berlin, NordrheinWestfalen nach Nichtigerklärung des Staatshaftungsgesetzes 6. Das vorläufige Ende der Rechtsentwicklung durch das Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 VI. Zusammenfassung/Ergebnisse B. Die I. II. III.
verfassungsrechtlichen Determinanten der Haftung des Beamten Verfassungsrechtliche Vorgaben durch Art. 34 Sätze 2 und 3 GG Beamtenrechtliche Innenhaftung und Art. 33 Abs. 5 GG Zusammenfassung
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2. Kapitel Voraussetzungen und Rechtsfolgen des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs A. Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach den §§78 BBG, 46 BRRG I. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich 1. Der persönliche Anwendungsbereich des Anspruchs a) Erfordernis eines wirksamen aktiven Beamtenverhältnisses im Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzung b) Ausnahmen aa) Analoge Anwendung auf Ruhestands- und sonstige frühere Beamte bb) Innenhaftung im vermeintlichen Beamten Verhältnis
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(1) Ältere Auffassungen in der Rechtslehre (2) Schadensersatzanspruch sui generis nach Brückner (3) Analoge Anwendung der §§78 BBG, 46 BRRG nach heute herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum . . (4) Stellungnahme und Ergebnis 2. Der zeitliche Anwendungsbereich a) Rückwirkende Erstreckung der Neufassung auf alle am 1. Januar 1993 noch nicht bestandskräftig abgewickelten Verfahren nach Auffassung der Rechtsprechung b) Notwendigkeit einer hinreichenden Begründung c) Stellungnahme 3. Zusammenfassung II. Die rechtswidrige Verletzung der dem Beamten obliegenden Pflichten . 1. Die objektive Pflichtverletzung a) Fortfall der begrifflichen Unterscheidung von Amts- und Dienstpflichten durch das Neunte Dienstrechtsreformgesetz b) Der dem Beamten obliegende Pflichtenkreis im Innenverhältnis . . aa) Die Pflicht des Beamten zu rechtmäßigem Handeln bb) Die Pflicht zur wahrheitsgetreuen Angabe persönlicher, familiärer und sonstiger Verhältnisse gegenüber dem Dienstherrn . cc) Die Pflicht zur Wahrung der finanziellen Belange des Dienstherrn c) Haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten für außerdienstliches Fehl verhalten 2. Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung a) Rechtfertigungsgrund der erfolglosen Remonstration b) Rechtfertigungsgründe des Straf- und Zivilrechts 3. Zusammenfassung III. Das Verschulden des Beamten 1. Bezugspunkt des qualifizierten Verschuldens a) Auffassung von Deutsch und Benitz b) Standpunkt der herrschenden Meinung im Beamtenrecht c) Stellungnahme 2. Die Schuldformen des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit a) Vorsätzliche Dienstpflichtverletzungen b) Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit in Abgrenzung zur einfachen Fahrlässigkeit aa) Die einfache Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB bb) Die grobe Fahrlässigkeit (1) Schwierigkeiten einer allgemeinen Definition (2) Gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit als zentrales Element der Verwirklichung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.... (3) Genaue Feststellung der Dienstpflichtverletzung 3. Die Präjudizität disziplinarischer Entscheidungen für das Urteil im Haftungsprozeß
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IV. Der Schaden des Dienstherrn 1. Art und Umfang des zu ersetzenden Schadens a) Schadensberechnung nach der Differenzhypothese b) Schadensbegründung unter „normativen" Gesichtspunkten aa) Ersatzfähigkeit von Nutzungsschäden im Beamtenhaftungsrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (1) Beschädigung von Dienstfahrzeugen (2) Zweckfremder Einsatz von Dienstkräften (3) Nutzungsentziehung von Arbeitsgerät bb) Kritik der Rechtsprechung durch Wahlers cc) Stellungnahme c) Begrenzung der Ersatzpflicht und Schutzzweck der Norm aa) Berücksichtigung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens (1) Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Nichtweiterleitung von für gemeinnützige Einrichtungen bestimmten Geldern (2) Kritik bb) Grundsatz der Vorteilsausgleichung d) Das Zinsbegehren des Dienstherrn aa) Die Geltendmachung von Prozeßzinsen bei Verfolgung des Anspruchs im Klagewege bb) Das Verzugszinsverlangen des Dienstherrn 2. Die Bestimmung des ersatzberechtigten Dienstherrn a) Grundsatz der Ersatzberechtigung der Anstellungskörperschaft... b) Problematik der Schadensverlagerung innerhalb der öffentlichen Hand aa) Die Durchbrechung des Grundsatzes des Gläubigerinteresses durch die Rechtsfigur der Schadensliquidation im Drittinteresse bb) Anwendung der Drittschadensliquidation im Beamtenhaftungsrecht cc) Entbehrlichkeit der Zuordnung zu einer der hergebrachten zivilrechtlichen Fallgestaltungen dd) Zusammenfassung c) Fallgruppen des Auseinanderfallens von Anstellungskörperschaft und ersatzberechtigtem Dienstherrn aa) Abordnung, Innehabung mehrerer Ämter und Beamte mit Doppelstellung bb) Weitere Fallgruppen; Erfordernis eines Dienst- und Treueverhältnisses zwischen Beamtem und ersatzberechtigter Körperschaft (1) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (2) Auffassung der Verwaltungsgerichte (3) Meinungsspektrum im Schrifttum (4) Stellungnahme - Anerkennung eines Begriffs des „Dienstherrn im haftungsrechtlichen Sinne" cc) Ergebnis 2 Beckmann
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V.
Das Bestehen von Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang 1. Der Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn 2. Beschränkungen der Schadensersatzpflicht über die Adäquanz und die Lehre vom Pflichtwidrigkeitszusammenhang a) Heranziehung der zivilrechtlichen Adäquanztheorie aa) Verzichtbarkeit der Adäquanzlehre bei der Innenhaftung nach Auffassung von Teilen der Literatur bb) Gegenposition b) Haftungsbegrenzung über den Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . c) Sonderfall der Ersatzfähigkeit von Kreditzinsen 3. Zusammenfassung VI. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs 1. Die relative Verjährungsfrist der §§ 78 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs, Satz 2 BBG, 46 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs, Satz 2 BRRG a) Die relative Verjährungsfrist bei Eigenschäden des Dienstherrn.. . aa) Die Kenntnis des Dienstherrn vom Schadenssachverhalt bb) Die Zurechnung der Kenntniserlangung durch die Organe des Dienstherrn (1) Kenntnis des Dienstvorgesetzten als für die Geltendmachung zuständiges Organ (2) Kenntnis der für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Ersatzanspruchs zuständigen Stellen (3) Kenntnis des für die Einberufung eines Kollegialorgans zuständigen Amtswalters (4) Kenntnis des Amts- bzw. Fachvorgesetzten (a) Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesverwaltungsgerichts zur Kenntnis des nächsten Vorgesetzten im Bereich der Bundeswehr (b) Gegenposition von Meyer (c) Stellungnahme b) Die relative Verjährungsfrist bei Fremdschäden aa) Anerkennung oder rechtskräftige Feststellung des Anspruchs . bb) Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen (1) Wegfall des Erfordernisses (2) Gegenansicht von Lemhöfer (3) Stellungnahme - Eindeutigkeit von Wortlaut und Gesetzgebungsverfahren 2. Die absolute Verjährungsfrist (§§ 78 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs BBG, 46 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs BRRG) 3. Die Rechts Wirkung der Verjährung a) Keine Berücksichtigung der Verjährung von Amts wegen b) Hinweispflicht des Dienstherrn auf erkannte Verjährung 4. Unterbrechung und Hemmung der Verjährungsfristen a) Fallgruppen der Verjährungsunterbrechung b) Hemmung der Verjährungsfrist
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c) Keine Hemmung oder Unterbrechung bei Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens oder bei Wechsel der zuständigen Stelle.... 195 5. Verjährung des titulierten Anspruchs 196 6. Zusammenfassung/Ergebnisse 196 B. Die Rechtsfolgen des Bestehens des Schadensersatzanspruchs I. Grundsätzliche Verpflichtung des Dienstherrn zur Geltendmachung des Anspruchs 1. Pflicht der Verwaltung zu wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsführung sowie zur rechtzeitigen und vollständigen Erhebung von Einnahmen 2. Pflicht zur vorbeugenden und erzieherischen Einwirkung auf die Beamtenschaft II. Haftungsfreistellung durch Richtlinien und Verwaltungsvorschriften.... 1. Anspruch auf Haftungsbegrenzung nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung 2. Haftungsfreistellung im voraus bei besonders schadensträchtigen Tätigkeiten III. Gesetzlicher Forderungsübergang auf den Beamten (§§ 78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG)
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3. Kapitel Fallgruppen mit besonderer tatbestandlicher Haftungsbeschränkung A. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs bei Fremdschäden im Straßenverkehr nach § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG I. Grundgedanken und Entstehung der heutigen Regelung 1. Befreiung der öffentlichen Hand von der Versicherungspflicht und Bemühungen um einen ausreichenden Verkehrsopferschutz 2. Schutz der Behördenfahrer vor Ungleichbehandlung II. Systematik der heutigen Haftungsregelung bei Verkehrsunfällen 1. Inanspruchnahme des Beamten für Eigenschäden des Dienstherrn.. . 2. Der Regreß der öffentlichen Hand bei Fremdschäden a) Rechtslage bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung b) Rückgriffsanspruch bei Stellung des Dienstherrn als Eigenversicherer; Regreßprivileg des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG aa) Überschreitung der Mindesthaftsummen bb) Regreßanspruch bei entsprechender Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer . (1) Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles (2) Die Leistungsfreiheit nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (a) Obliegenheitsverletzungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 2 b) AKB i.V.m. § 6 Absätze 1 und 2 VVG
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(b) Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 AKB III. Das Verhältnis des Rückgriffs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG zum Amtshaftungsrückgriff 1. Früher herrschende Meinung - Urteil des OLG Celle vom 10. Februar 1959 2. Gegenstimmen und Beendigung des Streits durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. September 1985 3. Meinungsdiskussion und Stellungnahme a) Überprüfung der herrschenden Meinung anhand von Wortlaut und Gesetzesmotiven b) Herleitung des Ergebnisses aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn IV. Die Erstreckung des Haftungsprivilegs aus § 2 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz PflVG auf Landesbeamte V. Zusammenfassung B. Das Haftungsprivileg der Beamten im Besteuerungsverfahren nach § 32 AO (1977) I. Tatbestandliche Voraussetzungen der Privilegierung 1. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich des § 32 AO (1977).. . 2. Pflichtverletzung und Beeinträchtigung des Steueraufkommens a) Verletzung von Amts- oder Dienstpflichten b) Beeinträchtigung des Steueraufkommens 3. Bedrohung der Dienstpflichtverletzung mit Strafe 4. Kausalität und Zurechnungszusammenhang - Schutzzweck der Norm II. Fehlende Rechtfertigung der Norm im System der heutigen Beamtenhaftung 1. Herleitung des Haftungsprivilegs aus § 23 RAO und rechtspolitische Zweifel an der Rechtfertigung der Norm im Gesetzgebungsverfahren 2. Fehlende sachliche Rechtfertigung der Norm III. Zusammenfassung/Ergebnis
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4. Kapitel Einschränkungen der Schadensersatzpflicht des Beamten A. Die Haftungsbeschränkung bei existenzbedrohender Schadenshöhe I. Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Haftungsbeschränkung bei betrieblich veranlaßter Tätigkeit 1. Die heutige Rechtsstellung des privaten Arbeitnehmers a) Aufgabe des Kriteriums der „gefahr- bzw. schadensgeneigten" Arbeit b) Gleichzeitige Erweiterung der Rechtsprechung zur Haftungsbeschränkung bei grober Fahrlässigkeit c) Dogmatische Herleitung der Haftungsbeschränkung aa) Fürsorgepflicht und Betriebsrisiko
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bb) Verfassungsrechtliche Abstützung der Haftungsbeschränkung durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Juni 1992 238 2. Übertragung der haftungserleichternden Grundsätze des Arbeitsrechts in das Beamtenrecht 239 a) Entwicklung bis zum Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften am 1. Januar 1993 239 aa) Meinungsstand bei fiskalischem Handeln des Beamten 239 bb) Streitstand bei hoheitlichem Handeln des Beamten 240 (1) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 240 (2) Gegenstimmen im beamtenrechtlichen Schrifttum 241 b) Problemstellung aus heutiger Sicht nach Angleichung der Verschuldensmaßstäbe für hoheitliches und nichthoheitliches Handeln 242 3. Zwischenergebnis 243 II. Einwand der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn 244 1. Rekurs auf die Fürsorgegeneralklausel (§§ 79 BBG, 48 BRRG) 244 a) Verwaltungspraxis und praxisnahes Schrifttum 244 b) Grundsätzliche Kritik 245 2. Haftungsbeschränkung aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Dienstherrn zu Treue- und Fürsorge 247 a) Übertragung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach Summer/Zängl 247 b) Stellungnahme 248 aa) Mangelnde Anerkennung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur verfassungsrechtlichen Herleitung der Haftungsbeschränkung 248 bb) Fehlende Übertragungsmöglichkeit in das Beamtenrecht 249 3. Zwischenergebnis 250 III. Vorübergehendes oder endgültiges Absehen von der Durchsetzung nach Maßgabe des Haushaltsrechts 250 1. Einwand der existenzvernichtenden Inanspruchnahme - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 1993 250 2. Bewertung 251 a) Möglichkeiten der Anspruchsbeschränkung nach Maßgabe des Haushaltsrechts in Form von Stundung, Niederschlagung und Erlaß 252 b) Anspruch des Beamten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung .. . 254 c) Anspruch auf Stundung oder Erlaß der Forderung 254 aa) Normstruktur der §§ 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BHO/LHO 255 bb) Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zum sogenannten „einheitlichen Ermessen" - Beschluß vom 19. Oktober 1971 256 cc) Übertragung der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats auf das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder 257 dd) Zwischenergebnis 258 IV. Ergebnis 259
nsverzeichnis
22
Β. Die Haftungsbeschränkung wegen Mitverschuldens des Dienstherrn in Abgrenzung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter 259 I.
Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter bei gemeinsamer Schadensverursachung (§§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG) 260 1. Die Voraussetzungen der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter gegenüber ihrem Dienstherrn 261 a) Gesamtschuld zwischen mehreren grob fahrlässig bzw. vorsätzlich handelnden Beamten 261 b) Gesamtschuld zwischen mehreren Beamten, von denen zumindest einer nur leicht fahrlässig gehandelt hat („gestörte Gesamtschuld") 262 2. Rechtsfolge der Anordnung der Gesamtschuld im Beamtenrecht . . . . 264 a) Abschließende Regelung durch §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG nach älterer Auffassung 265 b) Verändertes Verständnis von der Gesamtschuld im Beamtenrecht nach heute herrschender Meinung 265 aa) Zuordnung des Ausfallrisikos zu Lasten der verantwortlichen Beamten 267 bb) Gegenposition in der Literatur c) Meinungsdiskussion und Stellungnahme
268 268
aa) Gefährdung der Ratio des Haftungsprivilegs durch die gesetzliche Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung. 268 bb) Beachtung der Grenzen des Wortlauts 3. Zusammenfassung II.
270 271
Der Einwand mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn analog § 254 BGB 271 1. Der Begriff des Mitverschuldens
271
2. Anwendbarkeit des Mitverschuldensgedankens bei der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn 272 a) Haftungsminderung wegen Organisationsverschuldens des Dienstherrn 273 b) Mitverschulden anderer Beamter bei der Schadensentstehung . . . . 274 aa) Grundsatz der Nichtberücksichtigung des Mitverschuldens .. . 274 bb) Ausnahmerechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.... 274 3. Verhältnis von gesamtschuldnerischer Haftung zum Mitverschulden des Dienstherrn bei Handeln mehrerer Beamter nach hiesigem Rechtsverständnis 276 a) Überflüssigkeit der Abgrenzung im Regelfall
276
b) Bedürfnis für eine sachgerechte Abgrenzung nur in seltenen Fällen 276 III. Ergebnis 277
Inhaltsverzeichnis
23
5. Kapitel Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs in der Praxis A. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs I. Die Geltendmachung durch Leistungsklage 1. Klage vor den Zivilgerichten nach Art. 34 Satz 3 GG, § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO beim Amtshaftungsregreß 2. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs in allen anderen Fällen (§§ 172 BBG, 126 BRRG) 3. Die Problematik der „Rechts wegkonkurrenz" a) Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts b) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs c) Gegenüberstellung der Ansichten und Stellungnahme II. Die Geltendmachung der Schadensersatzforderung durch Verwaltungsakt 1. Grundzüge der rechtshistorischen Entwicklung a) Die Rechtslage in Preußen und im Deutschen Reich aa) Grundsatz der klageweisen Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs in Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bb) Die Ausbildung des sogenannten Defektenverfahrens seit 1844 (1) Die preußische „Verordnung über die Festsetzung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen vorkommenden Defekte vom 24. Januar 1844" (2) Übernahme des Defekten verfahren s in das Reichsbeamtengesetz von 1873 b) Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in den anderen deutschen Staaten am Beispiel von Sachsen und Bayern aa) Die Rechtslage im Königreich Sachsen bb) Das Ersatzzuweisungsverfahren des bayerischen Rechts (1) Die Anfänge des Ersatzzuweisungsverfahrens (2) Die allgemeine Vollstreckungsbefugnis nach den Art. 179 bis 181 BayBG (1908) c) Das „Gesetz über das Verfahren für die Erstattung von Fehlbeständen an öffentlichem Vermögen vom 18. April 1937" 2. Die aktuelle Rechtslage a) Erlaß eines Erstattungsbeschlusses b) Befugnis zum Erlaß eines Leistungsbescheides außerhalb des Erstattungsverfahrens aa) Theorie der generellen Ermächtigung zum Erlaß von Leistungsbescheiden im Über- und Unterordnungsverhältnis . . . . bb) Gegenpositionen im beamtenrechtlichen Schrifttum cc) Meinungsdiskussion und Stellungnahme 3. Einschränkungen der Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn a) Sperrwirkung der Rechtswegzuweisung aus Art. 34 Satz 3 GG.. .
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b) Keine Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn „im Sinne der Funktionstheorie" 4. Verhältnis von Leistungsbescheid und Leistungsklage 5. Inhaltliche Anforderungen an den Leistungsbescheid 6. Zusammenfassung III. Die Aufrechnung gegenüber den Ansprüchen des Beamten aus dem Beamtenverhältnis 1. Grundsätzliche Statthaftigkeit der Aufrechnung 2. Einschränkungen der Aufrechnung unter Fürsorgegesichtspunkten.. . a) Unstreitige Forderungen und Bagatellbeträge b) Hohe Schadensersatzforderungen und Streitfälle 3. Aufrechnung mit rechtswegfremder Gegenforderung aus Amtshaftungsrückgriff 4. Grundsätzliche Beschränkung der Aufrechnung auf den pfändbaren Teil der Bezüge B. Die Verteilung der Beweislast zwischen Dienstherrn und Beamten I. Die Beweislastverteilung im Verwaltungsprozeß 1. Verteilung der materiellen Beweislast nach dem Normgünstigkeitsprinzip 2. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftung von Kassenbeamten a) Beweislastumkehr nach dem Rechtsgedanken des § 282 B G B . . . . b) Einschränkungen aa) Erleichterte Anforderungen an den „Entlastungsbeweis" im Rahmen des § 282 BGB zur Sicherung des Zwecks des Haftungsprivilegs bb) Erleichterte „Entlastungsmöglichkeit" bei nicht alleiniger und dauernder Beherrschung des Verantwortungsbereichs cc) „Beweiserleichterung" bei besonderer Schadensträchtigkeit der Arbeit 3. Rezeption der Rechtsprechung in der Literatur a) Unklarheit über die Anwendung der Beweislastumkehr nach dem Rechtsgedanken des § 282 BGB außerhalb der Haftung für Kassenfehlbestände b) Dogmatische Kritik der Rechtsprechung von Nierhaus 4. Würdigung a) Grundsätzliche Beweislastverteilung und Beweislastumkehr b) Anforderungen an das Beweismaß II. Die Beweislastverteilung im Rückgriffsprozeß vor dem Zivilgericht .. . III. Zusammenfassung/Ergebnis C. Die Beteiligung der Personalvertretungen an der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs I. Das Mitbestimmungsrecht auf Bundesebene gemäß §§76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9, Satz 2, 69 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BPersVG 1. Voraussetzungen der Mitbestimmung durch die Personalvertretung . . a) Antragserfordernis
302 303 304 305 306 306 308 308 309 310 311 312 312 314 315 315 316
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b) Bedeutung des Vorrangs gesetzlicher Regelung aa) Ansicht des überwiegenden personalvertretungsrechtlichen Schrifttums und der Rechtsprechung bb) Auffassung von Walldorf cc) Stellungnahme c) Bestehen eines Ersatzanspruchs d) Geltendmachung durch den Dienstherrn beabsichtigt 2. Umfang des Mitbestimmungsrechts a) Die Prüfung der Anspruchs Voraussetzungen aa) Ablehnende Ansichten bb) Volle Mitbeurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen nach Auffassung des Sechsten Senats des Bundesverwaltungsgerichts sowie des herrschenden Schrifttums cc) Differenzierende Auffassung von Schnellenbach dd) Meinungsdiskussion und Stellungnahme b) Die Prüfung der Durchsetzung des Anspruchs II. Die Beteiligung der Personalvertretungen auf Landesebene 1. Bundesländer mit uneingeschränktem Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen (Berlin, Hamburg) 2. Bundesländer mit eingschränktem Mitbestimmungsrecht nach dem Vorbild des Bundespersonalvertretungsgesetzes (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen) 3. Bundesländer mit Allzuständigkeitsregelungen der Personalvertretungen (Bremen, Schleswig-Holstein) 4. Mitwirkungsrecht der Personal Vertretungen (Hessen) 5. Herstellung des Benehmens zwischen Dienstherrn und Personalvertretung (Niedersachsen) 6. Keine Beteiligung der Personalvertretungen an der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs (Sachsen-Anhalt) III. Der Erlaß vorläufiger Regelungen IV. Zusammenfassung
330 330 331 331 332 333 334 334 334
335 336 336 338 338 339
340 341 341 342 342 342 343
Schlußbetrachtung
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Literaturverzeichnis
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Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
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Personen- und Sachwortverzeichnis
368
Abkürzungsverzeichnis a. Α. a. a. Ο. Abi. Abs. Abschn. a. E. AK AKB allg. ALR Alt. Anm. AO AöR AP ArbG ArchPF Art. AT Az. BAfögG BAG BAGE BAT BaWü Bay BayBG BayVBl. BBesG Bbg BBG Bd. BDO BeamtVG Begr. Beschl.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Abschnitt am Ende Alternativkommentar Allgemeine Bedingungen für die Kraftverkehrsversicherung allgemein Allgemeines Landrecht Alternative Anmerkung Abgabenordnung Archiv für öffentliches Recht Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Archiv für Post- und Fernmeldewesen Artikel Allgemeiner Teil Aktenzeichen Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht amtliche Sammlung des BAG Bundesangestelltentarifvertrag Baden-Württemberg Bayern Bayerisches Beamtengesetz Bayerische Verwaltungsblätter Beamtenbesoldungsgesetz Brandenburg Bundesbeamtengesetz Band Bundesdisziplinarordnung Beamtenversorgungsgesetz Begründung Beschluß
28
BFH BFHE BG BGB BGBl. BGH BGHZ BHO BK Bin BMF BMI BPerVG BR Brem BRRG BSG BSGE BStBl. BT BVerfG BVerwG BVerwGE DBB DBG DGB DGO d.G.z. DizR DJT DO DÖD DÖV DRiG Drs. DVB1. DVO EAO E-BBG E-BBRG E-BPerVG EGBGB EGGVG
Abkürzungsverzeichnis
Bundesfinanzhof amtliche Sammlung des BFH Beamtengesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof amtliche Sammlung des BGH für Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bonner Kommentar Berlin Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium des Innern Β undespersonal Vertretungsgesetz Bundesrat Bremen Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht amtliche Sammlung des Bundessozialgerichts Bundessteuerblatt Bundestag Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht amtliche Sammlung des BVerwG Deutscher Beamtenbund Deutsches Beamtengesetz Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Gemeindeordnung des Gesetzes zur (zum) Disziplinarrecht Deutscher Juristentag Disziplinarordnung Der öffentliche Dienst Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Drucksache Deutsches Verwaltungblatt Durchführungsverordnung Entwurf einer AO Entwurf eines BBG Entwurf eines BRRG Enwurf eines BPersVG Einführungsgesetz zum BGB Einführungsgesetz zum GVG
Abkürzungsverzeichnis
EGStGB Einl. Erk. Erl. ErstG ES f. f.d.K. ff. Fn. FVG GemS Gesetzesrev. GG GKÖD GS GVB1. GVG Hbg Hess HGrG Hs i.d.F. insb. i.S.d. i.S.v. i.V.m. JuS JW JZ KE KfzPflVV LAG LBG LDO LHO Ls MB1. MDR Mot. MTL MünchKomm MV
Einführungsgesetz zum StGB Einleitung Erkenntnis Erläuterung Erstattungsgesetz Entscheidungssammlung folgende (eine Seite) für das Königreich folgende Seiten Fußnote Finanzverwaltungsgesetz Gemeinsamer Senat Gesetzesrevision Grundgesetz Gesamtkommentar für den öffentlichen Dienst Großer Senat Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Hamburg Hessen Haushaltsgrundsätzegesetz Halbsatz in der Fassung insbesondere im Sinne des (der) im Sinne von in Verbindung mit Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kommissionsentwurf Kraftfahrzeugpflichtversicherungsverordnung Landesarbeitsgericht Landesbeamtengesetz Landesdisziplinarordnung Landeshaushaltsordnung Leitsatz Ministerialblatt Monatsschrift des Rechts Motive Manteltarifvertrag Münchener Kommentar Mecklenburg-Vorpommern
30
NBG Nds NdsVBl. NJW NKAG Nr. NSchG NVwZ NW NWVB1. NZA NZS NZV OBG ObLG OLG OVG PersV PflVG PrALR PrAusfG PrOTr RAnz. RAO RBG RdA RE RefE RegE RG RGBl. RGZ Rh.-Pf. RHO RiA Rn. RObHG RP RR RT S. Sa SächsBG
Abkürzungsverzeichnis
Niedersächsisches Beamtengesetz Niedersachsen Niedersächsisches Verwaltungsblatt Neue Juristische Wochenschrift Niedersächsiches Kommunalabgabengesetz Nummer Niedersächsisches Schulgesetz Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Verwaltungsblatt Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Oberste Gerichtshöfe des Bundes Oberstes Landesgericht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Personalvertretung Pflichtversicherungsgesetz Preußisches Allgemeines Landrecht Preußisches Ausführungsgesetz Preußisches Obertribunal Reichsanzeiger Reichsabgabenordnung Reichsbeamtengesetz Recht der Arbeit Reformentwurf Referentenentwurf Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt amtliche Sammlung des Reichsgerichts für Zivilsachen Rheinland-Pfalz Reichshaushaltsordnung Recht im Amt Randnote Reichsoberhandelsgericht Rheinland-Pfalz Rechtsprechungsreport Reichstag Seite Sachsen Sächsisches Beamtengesetz
Abkürzungsverzeichnis
SchlH SchR SG SGB StAnz StGB StHG StPO str. Strieth. st. Rspr. StVG Thür Tit. TVAng Urt. v. VB1. VB1BW VersR VG VGH vgl. VO Vorbem. Vorl. VV VVG VwGO VwVfG WDO WRV z.B. ZBR ZDG ZPO ZTR
Schleswig-Holstein Schuldrecht Soldatengesetz Sozialgesetzbuch Staatsanzeiger Strafgesetzbuch Staatshaftungsgesetz Strafprozeßordnung streitig Striethorst ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz Thüringen Titel Tarifvertrag der Angestellten Urteil von Verwaltungsblatt Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Versicherungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Vorbemerkung vorläufig(e) Verwaltungsvorschriften Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wehrdienstordnung Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zivildienstgesetz Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Tarifrecht
Einführung: Die Folgen der Dienstpflichtverletzung des Beamten Nach den §§ 56 Abs. 1 BBG, 38 Abs. 1 BRRG trägt der Beamte für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung. Dieser Grundsatz, welcher die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht aus Art. 20 Abs. 3 GG auf die Ebene des einzelnen Amtswalters überträgt 1, wird durch die Bestimmungen der §§ 77 f. BBG, 45 f. BRRG konkretisiert 2 . Sie regeln die dienstrechtlichen Konsequenzen, die den Beamten bei Nicht- oder Schlechterfüllung der ihm obliegenden Pflichten treffen können, in Gestalt des Disziplinar- und Haftungsrechts. Hinzu tritt die Sanktionierung der Pflichtverletzung durch das Strafrecht 3 . Straf-, Disziplinar- und Haftungsrecht dienen daher unmittelbar der Rechtmäßigkeit dienstlichen Handelns, mittelbar zugleich der Gesetzesbindung der Exekutive im Vorfeld staatlichen Agierens 4 . Eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung hat für den Beamten häufig mehrere der dargestellten Konsequenzen5. Verursacht etwa ein Kassenbeamter grob fahrlässig die Überzahlung von Bezügen, so macht er sich schadensersatzpflichtig und muß möglicherweise mit einer Disziplinarmaßnahme rechnen. Unterschlägt oder veruntreut er Gelder aus der ihm anvertrauten Kasse, droht ihm zusätzlich eine strafrechtliche Verurteilung. Die nachfolgende Untersuchung befaßt sich ausschließlich mit den haftungsrechtlichen Folgen der Dienstpflichtverletzung. Auf die weiteren Konsequenzen der Nichterfüllung der dem Beamten obliegenden Pflichten und ihr Verhältnis zueinander soll nur einleitend und insoweit eingegangen werden, als dies für die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn von Bedeutung ist.
1 2 3 4 5
Depenheuer, S. 404. Battis , § 56 BBG Rn. 3. Battis , § 56 BBG Rn. 3 sowie § 77 BBG Rn. 2. Simianer, S. 48 (Fn. 107). Battis , § 77 BBG Rn. 2.
3 Beckmann
34
Einführung
I. Die haftungsrechtlichen Folgen der Dienstpflichtverletzung des Beamten Unter haftungsrechtlichen Folgen der Dienstpflichtverletzung versteht man die unter Umständen begründete Verpflichtung des Beamten, Schadensersatz leisten zu müssen6. In dieser Hinsicht ist zunächst zu fragen, ob die Pflichtverletzung des Beamten einen Dritten geschädigt hat, sei es ein außerhalb der Verwaltung stehender Bürger, sei es ein weiterer Beamter, oder ob der Schaden unmittelbar und ausschließlich im Vermögen des Dienstherrn eingetreten ist. Im ersten Fall spricht man von einem Fremdschaden, letzterenfalls von einem Eigenschaden des Dienstherrn 7. Bei der Verursachung eines Fremdschadens entstehen grundsätzlich zwei voneinander zu trennende Rechtsbeziehungen: Einerseits das Verhältnis des geschädigten Dritten zu dem schadenstiftenden Beamten oder dessen Dienstherrn, das sogenannte Außenverhältnis (1.), andererseits das Verhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten, das sogenannte Innenverhältnis 8 (2.). Beide Rechtskreise sind eng miteinander verknüpft, weil eine Verantwortlichkeit des Dienstherrn im Außenverhältnis dessen Ansprüche im Innenverhältnis maßgeblich beeinflußt 9 . 1. Die Grundzüge der Haftung im Außen Verhältnis a) Die Haftung bei Schädigung eines außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten Im Außenverhältnis zum geschädigten Bürger ist eine Eigenhaftung des Beamten heute selten. Inwieweit in diesem Fall der Dienstherr anstelle des Beamten haftet, ist eine Frage des bürgerlichen Rechts bzw. des allgemeinen Staatshaftungsrechts 10, auf die hier nur am Rande eingegangen werden kann. Es ist zu differenzieren zwischen der Haftung bei einer nichthoheitlichen Betätigung des Beamten (aa) sowie der Haftung für Pflichtverletzungen in Ausübung eines dem Beamten anvertrauten öffentlichen Amtes (bb).
6 Zum Teil wird von „vermögensrechtlichen Folgen" (z.B. Scheerbarth/Höffken, § 18 III (S. 480)) bzw. „vermögensrechtlicher Haftung" (z.B. Wolff/Bachof/Stober, § 115 II Rn. 17) gesprochen. 7 Zur Terminologie statt aller: Hilg, § 31 I (S. 364). 8 Hildebrandt/Demmler/Bachmann, § 84 NW LBG Anm. B) 1.1; Weißhaar, S. 173. 9 Scheerbarth/Höffken, § 18 III (S. 480). 10 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 6.
Einführung
35
aa) Die Haftung bei nichthoheitlichem Handeln des Beamten Verletzt der Beamte auf dem Gebiete privatrechtlicher Betätigung vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB persönlich dem Dritten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Häufig wird die Pflichtverletzung des Beamten im nichthoheitlichen Bereich jedoch nach den Regeln des bürgerlichen Rechts dem Dienstherrn zuzurechnen sein. Man spricht insoweit von Fiskalhaftung 11 . So haftet der Dienstherr gemäß § 823 ff. BGB i.V.m. §§ 31, 89 BGB, wenn der Beamte als Organ oder verfassungsmäßiger Vertreter eine widerrechtliche und schuldhafte unerlaubte Handlung begangen hat oder wenn der Beamte in Ausführung einer Verrichtung, zu der er bestellt wurde, dem Dritten rechtswidrig Schaden zugefügt hat und sich der Dienstherr nicht exkulpieren kann (§ 831 BGB). Ferner trifft die Verantwortlichkeit den Dienstherrn, wenn die Verletzung eines Vertrages in Rede steht, dessen Partei er ist, und der Beamte als sein satzungsmäßig berufener Vertreter (§§31, 89 BGB) oder als sein Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) anzusehen war. Ein hiernach gegebener Anspruch des Dritten gegen den Dienstherrn schließt, wenn dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, aufgrund des Verweisungsprivilegs des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dessen eigene Verantwortlichkeit aus 12 . bb) Die Haftung im hoheitlichem Pflichtenkreis des Beamten Verletzt der Beamte in Ausübung eines öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft nach Art. 34 Satz 1 GG die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Rechtstechnisch nimmt Art. 34 Satz 1 GG mit dem Wort „Verantwortlichkeit" Bezug auf § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB und leitet die sich daraus ergebene Eigenhaftung des Beamten auf den Staat über. Bei Art. 34 Satz 1 GG handelt es sich folglich um eine befreiende Schuldübernahme kraft Gesetzes13. Diese Konstruktion wird allgemein als Amtshaftung bezeichnet 14 . Passiv legitimiert ist grundsätzlich derjenige Rechtsträger, der dem Beamten das öffentliche Amt anvertraut hat (Anvertrauenstheorie) 15 . Regelmäßig ist dies die Anstellungskörper11
Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 2 b). Battis, § 78 BBG Rn. 5. 13 Ossenbühl, 2. Teil II. (S. 10). 14 Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 5; Ossenbühl, 2. Teil II. (S. 10); Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 2 b). 15 BGH, Urt. v. 21.04.1983, BGHZ 87, 202 (204); BGH, Urt. v. 15.01.1987, NJW 1987, 2737 (2737 f.). 12
3·
Einführung
36
schaft 16 . Besonderheiten gelten lediglich in einigen wenigen Fällen von Beamten mit Doppelstatus, Amtsträgern ohne Anstellungskörperschaft und bei rechtswidrigen Weisungen übergeordneter Behörden. Hier haftet der Rechtsträger, der den Beamten mit der konkreten Aufgabe betraut bzw. die rechtswidrige Weisung erteilt hat (Funktionstheorie) 17 . b) Die Haftung im Außenverhältnis
bei Schädigung eines Mitbeamten
Schädigt der Beamte einen Kollegen, so erwachsen diesem beamtenrechtliche Dienstunfallansprüche nach den §§30 ff. BeamtVG oder Ansprüche auf beamtenrechtlichen Schadensersatz in der Regel ebenfalls nur gegen den Dienstherrn. So liegt der Fall, wenn ein Polizeibeamter vorschriftswidrig seine Dienstwaffe reinigt, wodurch sich ein Schuß löst und seinen Kollegen verletzt oder wenn ein Vorgesetzter rechtswidrig die Beförderung eines ihm unterstellten Beamten verhindert 18 . Nur ausnahmsweise, wenn der Beamte den Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verursacht hat, können auch Ansprüche gegen den schädigenden Beamten, zum Beispiel auf Gewährung eines angemessenen Schmerzensgeldes, gegeben sein (§ 46 Abs. 2 BeamtVG). 2. Die Haftung des Beamten im Verhältnis zum Dienstherrn a) Rechtsgrundlage und beamtenrechtliches Haftungsprivileg Die Haftung des Beamten im Innenverhältnis gegenüber seinem Dienstherrn, der sich diese Arbeit widmet, folgt nicht aus § 839 BGB, sondern ist in § 78 BBG sowie in den inhaltsgleichen Vorschriften der Landesbeamtengesetze19 nach dem Vorbild des § 46 BRRG geregelt 20 . Auch im Innen Verhältnis war bis Ende des Jahres 1992 noch zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln des Beamten zu differenzieren, wobei im nichthoheitlichen Tätigkeitsbereich ein strengerer Haftungsmaßstab anzulegen war 2 1 . Durch die Neufassung der §§ 78 BBG, 46 BRRG zum 1. Januar 1993 gemäß Art. 1 Nr. 2 sowie Art. 2 Nr. 2 des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 22 ist die Haftung 16
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 7 (Fn. 1). Ossenbühl 2. Teil VI. (S. 112). 18 Simianer, S. 34. 19 § 96 BaWü, Art. 85 Bay, § 41 LBG Bin, § 44 Bbg, § 77 Brem, § 82 Hbg, § 91 Hess, 86 MV, § 86 Nds, § 84 NW, § 86 RP, § 93 Sa, § 97 Sachs, § 78 LSA, § 94 LBG SchlH, § 82 Thür. 20 Im folgenden wird daher nur auf § 46 BRRG Bezug genommen. 21 Dazu unten im 1. Kapitel Α. V. 17
Einführung
jedoch vereinheitlicht worden. Die §§78 BBG, 46 BRRG haben seither folgenden Wortlaut: (1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ansprüche nach Absatz 1 verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Hat der Dienstherr einem Dritten Geldersatz geleistet, so tritt an die Stelle des Zeitpunktes, in dem der Dienstherr von dem Schaden Kenntnis erlangt hat, der Zeitpunkt, in dem der Ersatzanspruch des Dritten diesem gegenüber vom Dienstherrn anerkannt oder dem Dienstherrn gegenüber rechtskräftig festgestellt wird. (3) Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch auf den Beamten über. Der in den §§ 78 BBG, 46 BRRG geregelte Schadensersatzanspruch des Dienstherrn ist Teil des Beamtenverhältnisses und als solcher ein Anspruch des öffentlichen Rechts 23 . Voraussetzung der Haftung des Beamten im Innenverhältnis zu seinem Dienstherrn ist seit dem 1. Januar 1993 stets eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung. Diese bevorzugte Rechtsposition des Beamten, der damit von jeglicher Verantwortung für einfache Fahrlässigkeit freigestellt ist, wird als beamtenrechtliches „Haftungsprivileg" bezeichnet 24 . Hauptzweck des Haftungsprivilegs der §§78 BBG, 46 BRRG ist es, die Entschlußkraft und Verantwortungsfreude der Beamtenschaft zu stärken. Denn der Beamte soll in seiner Entscheidungsfähigkeit nicht dadurch gehemmt werden, daß er sich von Erwägungen über seine etwaige Haftung beeinflussen läßt 2 5 . Der Gesetzgeber hat mit der Haftungsbeschränkung des Beamten folglich in erster Linie der Forderung nach einer schnellen und leistungsfähigen modernen Verwaltung entsprochen. Darüber hinaus soll die Haftungsbeschränkung aber auch dem Beamten selbst zugute kommen 2 6 . In einer Arbeitswelt, die immer höhere Anforde22
BGBl. I S. 1030. Heute unstreitig: Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 4; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 2 a). 24 Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 145; Scheerbarth/Höffken, § 18 III (S. 481). 25 BT-Drs. 12/544 (S. 10); Battis, § 78 BBG Rn. 2; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/ Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 1. 26 Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG Rn. 349, bezogen auf den Amtshaftungsregreß i.S.v. Art. 34 Satz 2 GG; für die Innenhaftung insgesamt kann heute nichts anderes gelten. 23
38
Einführung
rungen an die Leistung des einzelnen stellt, erschiene es unbillig, die dem Beamten auferlegte volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen mit der Androhung zu verbinden, ihn für jedes noch so geringe Versehen haften zu lassen. Dies gilt umso mehr, als der Beamte häufig Entscheidungen in einer Größenordnung zu treffen hat, die seine eigene finanzielle Leistungsfähigkeit weit übersteigen. Die Beschränkung der Haftung ist damit zugleich Ausdruck sozialer Rücksichtnahme und verwirklicht die dem Dienstherrn gegenüber dem Beamten obliegende Verpflichtung zur Fürsorge (vgl. §§79 BBG, 48 BRRG) 2 7 . Privilegiert wird der Beamte aber nur gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, deren Verträge dem privaten Arbeitsrecht unterfallen 28 . Dagegen findet das Haftungsprivileg auch auf Richter (§§ 46, 71 DRiG) 2 9 , Soldaten (§ 24 SG), Zivildienstleistende (§ 34 ZDG) sowie auf Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst (§ 14 BAT, § 11 a) MTB I I ) 3 0 Anwendung, sei es, daß diese Gesetze identische Bestimmungen enthalten, sei es, daß sie auf die §§78 BBG, 46 BRRG Bezug nehmen. Auf dem Gebiet der haftungssrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber dem Dienstgeber im Innenverhältnis existiert damit heute praktisch ein einheitliches öffentliches Dienstrecht 31 . Rechtsprechung und Literatur aus diesen Bereichen können daher für die hier vorzunehmende Untersuchung unter Beachtung etwaiger Besonderheiten entsprechend herangezogen werden. b) Vereinheitlichte Haftung bei unmittelbarer mittelbarer Schädigung des Dienstherrn
und
Die Haftung im Innenverhältnis nach den §§78 BBG, 46 BRRG ist heute auch insoweit eine einheitliche, als es für die Ersatzpflicht des Beamten regelmäßig ohne Belang ist, auf welchem Wege die Schädigung des Dienstherrn eingetreten ist 3 2 . Ersatzfähig sind sowohl Schäden aufgrund 27
Bryde, in: v. Münch, Art. 34 GG Rn. 37; indirekt anerkannt durch BVerwG, Beschl. v. 18.02.1981, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26, 1 (2): „unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht abschließende Regelung"; anderer Ansicht: OVG Berlin, Beschl. v. 29.09.1988, ZBR 1988, 380 (380) (ohne Begründung). 28 Zu den dort stattdessen geltenden Grundsätzen über den innerbetrieblichen Schadensausgleich siehe unten 4. Kapitel Α. I. 29 Bei ihnen ist zusätzlich das sogenannte Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 BGB zu beachten; vgl. Ossenbühl, 2. Teil IV. (S. 101 ff.) und unten 3. Kapitel B. II. 2. 30 In den übrigen Tarifbereichen existieren meist entsprechende Regelungen, z.B. § IIa) MTL II, § 9a) BMT-G II, § IIa) TVAng und § 4 h) TVArb der Deutschen Bundespost. 31 Hofmann, S. 100. 32 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 3.
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einer unmittelbaren Vermögensbeschädigung des Dienstherrn, als auch solche, die auf dessen mittelbarer Schädigung beruhen. Da die damit angesprochene Differenzierung materiellrechtlich aber zumindest für den Beginn der Verjährungsfrist nach §§78 Abs. 2 BBG, 46 Abs. 2 BRRG noch eine gewisse Rolle spielt und auch im übrigen, nicht zuletzt für die Wahl des Rechtswegs von entscheidender Bedeutung ist, erscheint es unverzichtbar, auf die mit der Dichotomie von unmittelbarer und mittelbarer Schädigung in sachlicher und terminologischer Hinsicht verbundenen Besonderheiten kurz einzugehen. Die Bezeichnung „unmittelbare und mittelbare Schädigung" ist dabei der häufig gewählten Bezeichnung als „unmittelbarer und mittelbarer Schaden" vorzuziehen 33 . Letzteres Begriffspaar kennzeichnet im allgemeinen bereits den eigentlichen Verletzungserfolg (unmittelbarer Schaden) in Abgrenzung von einem eventuellen Folgeschaden, zum Beispiel den Kosten eines vom Geschädigten infolge des schädigenden Ereignisses aufgenommenen Kredits (mittelbarer Schaden) 34 . aa) Der Schadensersatzanspruch bei unmittelbarer Schädigung In den Fällen einer unmittelbaren Schädigung des Dienstherrn entsteht schadensrechtlich ausschließlich eine Zweierbeziehung zwischen dem schadenstiftenden Beamten und dem ersatzberechtigten Dienstherrn 35 . Eine Unterscheidung zwischen Außen- und Innenverhältnis entfällt. Der Dienstherr erleidet unvermittelt einen Eigenschaden an seinem Eigentum oder sonst an seinem Vermögen. Ein Beamter verletzt beispielsweise das Eigentum des Dienstherrn, wenn er durch unvorsichtiges Rückwärtsfahren das Eingangstor des Verwaltungsgebäudes beschädigt oder wenn er ihm anvertraute Arbeitsmaterialien verliert. Er verletzt unmittelbar das Vermögen seines Dienstherrn, wenn er es unterläßt, Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen, die infolgedessen verjähren. Verlangt der Dienstherr daraufhin Ersatz der ihm entstandenen Nachteile, spricht man ganz allgemein von einer „Inanspruchnahme" des Beamten auf Schadensersatz 36. bb) Der Schadensersatzanspruch bei mittelbarer Schädigung Schädigt der Beamte dagegen zunächst unmittelbar einen Dritten durch Verursachung eines Fremdschadens, für welchen der Dienstherr im Außenverhältnis aufkommen muß, so ist der Dienstherr gleichsam mittelbar ge33 34 35 36
Wie hier: Scheerbarth/Höffken, Vgl. Fikentscher, Rn. 455. Simianer, S. 34. Schnupp, S. 71.
§ 18 III (S. 482).
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schädigt. Ein ersatzfähiger Vermögensschaden liegt hier nicht nur dann vor, wenn der Dienstherr auf Klage des Dritten hin zur Zahlung verurteilt wird, sondern auch, wenn er in Kenntnis seiner Rechtspflicht „freiwillig" an den Dritten zahlt oder mit diesem einen Vergleich abschließt 37 . Die Heranziehung des Beamten zum Ersatz der durch die mittelbare Schädigung verursachten Aufwendungen des Dienstherrn wird als „Rückgriff 4 oder „Regreß" bezeichnet 38 . Hierbei sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden: Hat der Dienstherr dem geschädigten Dritten aufgrund seiner Verpflichtung aus Art. 34 Satz 1 GG Schadensersatz geleistet, also bei Schädigung des Dritten in Ausübung eines öffentlichen Amtes, handelt es sich beim anschließenden Rückgriff gegen den Beamten um einen sogenannten „Amtshaftungsregreß". In allen anderen Fällen mittelbarer Schädigung des Dienstherrn liegt im Innenverhältnis ein einfacher „Regreß" vor 3 9 . Diese Terminologie entspricht dem praktischen Bedürfnis nach Klarheit der Rechtssprache zur Vermeidung von Mißverständnissen. Es muß jedoch betont werden, daß vor allem in der Praxis die Bezeichnung „Regreß" nicht immer im dargestellten Sinne benutzt wird. Vor allem im Behördensprachgebrauch wird als „Innenregreß" oder „Rückgriff häufig das gesamte Gebiet der Verantwortlichkeit des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn gekennzeichnet, das Wort „Regreß" folglich anstelle von „Haftung" gebraucht 40 c) Grundsätzlich
abschließende Regelung der Innenhaftung
Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist die Schadensersatzpflicht des Beamten im Innenverhältnis durch die öffentlich-rechtlichen Sondervorschriften der §§ 78 BBG, 46 BRRG abschließend und erschöpfend geregelt 41 . Abweichende Vereinbarungen zwischen Dienstherrn und Beamten sind daher ebenso ausgeschlossen42 wie die Anwendung der Haftungsbestimmungen des bürgerlichen Rechts auf vertraglicher oder deliktischer Grundlage 43 . Nicht etwa haftet also ein Beamter beim Vollzug von EU-Fördermit37
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43. Schnupp, S. 71. 39 Simianer, S. 35; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 2b). 40 So z.B. bei Hildebrandt/Demmler/Bachmann, § 84 LBG NW Anm. 1.2.2.2; Walldorf, S. 445 ff.; anders, wie hier: z.B. Petersen, S. 163 (Fn. 2). 41 BVerwG, Urt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 22, 12 (13); BGH, Urt. v. 07.05.1973, Β GHZ 60, 371 (376); Battis, § 78 BBG Rn. 3; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 14; Strunk, Rn. 171; Wagner, Rn. 231. 42 VGH Kassel, Urt. v. 18.01.1966, ZBR 1966, 194 Ls für Vereinbarungen zu Lasten des Beamten; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 4. 38
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teln als Geschäftsführer (§§ 675, 276 BGB) schon für leichteste Fehler 44 , während ein Lehrer, welcher die Schlüssel für die Schulturnhalle verwahrt, bei Verlust lediglich für die Außerachtlassung der eigenüblichen Sorgfalt (§§ 688, 690 BGB) einzutreten hätte 45 . Vielmehr gilt für alle Beamten ein einheitlicher und unabdingbarer Haftungsmaßstab. Die §§78 BBG, 46 BRRG verbürgen damit ein wesentliches Stück Gleichheit und Gerechtigkeit im Recht des öffentlichen Dienstes. Nur zwei gesetzliche Regelungen, die den Umfang der Haftung des Beamten gegenüber dem Dienstherrn weitergehend einschränken, gehen den §§ 78 BBG, 46 BRRG heute noch vor 4 6 . Es sind dies die Beschränkung der Haftung für beamtete Fahrer von Dienstkraftfahrzeugen nach § 2 Abs. 2 Satz 4 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (PflVG) sowie die Haftungsbeschränkung für Beamte im Besteuerungsverfahren nach § 32 der Abgabenordnung (AO 1977). Auf sie wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein 47 . Nicht durch die Regelung der beamtenrechtlichen Schadensersatzpflicht verdrängt wird dagegen ein öffentlich-rechtlicher Kondiktionsanspruch des Dienstherrn, weil es sich insoweit nicht um eine Schadensersatzschuld des Beamten handelt. So kann der Beamte z.B. zur Rückzahlung überzahlter Bezüge auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verpflichtet sein, wenn er dem Dienst unerlaubt ferngeblieben ist und durch eine darüber hinausgehende vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung die Fortzahlung seiner Bezüge bewirkt hat. Liegen die Voraussetzungen beider Rechtsinstitute vor, so besteht folglich Anspruchskonkurrenz 48 .
II. Abgrenzung der beamtenrechtlichen Innenhaftung vom Disziplinarrecht Ebenso wie die Vorschriften über die Innenhaftung ist auch das Disziplinarrecht ein Teil der Materie des Beamtenrechts 49 . Seine Existenz ist Folge des engen rechtlichen Bandes zwischen Dienstherrn und Beamten in Gestalt der beiderseitigen Verpflichtung zur Treue sowie der grundsätzlich fehlenden Entlassungs- bzw. Kündigungsmöglichkeit des Beamten 50 . Anknüp43 44 45 46 47 48 49 50
Battis , § 78 BBG Rn. 3. Köpfer, S. 449 ff. Kaster, S. 121. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 5. Dazu unten 3. Kapitel. BVerwG, Urt. v. 21.10.1999, ZBR 2000, 240 (241 f.). Monhemius, Rn. 561. Woljf/Bachof/Stober, § 115 II Rn. 3.
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fungspunkt des materiellen Disziplinarrechts ist der Begriff des Dienstvergehens. Ein solches begeht nach §§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG, 45 Abs. 1 Satz 1 BRRG bzw. dem entsprechenden Landesrecht, wer als Beamter im Dienst schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig 51 , seine Pflichten verletzt. Das Disziplinarrecht ist kein Sonderstrafrecht, sondern erfüllt primär eine Ordnungsfunktion mit dem Ziel, die Sauberkeit und Leistungsfähigkeit des Beamtentums zu garantieren und sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu wahren 52 . In diesem Sinne wirkt es vor allem erzieherisch 53 . Die Erziehungsfunktion des Disziplinarrechts hat einen spezial- und einen generalpräventiven Aspekt: Spezialpräventiv soll der einzelne Beamte durch die Disziplinarmaßnahme erzogen werden, künftig pflichtgemäß zu handeln. Generalpräventiv wendet sich das Disziplinarrecht an die gesamte Beamtenschaft 54 . Abschreckend wirkt insoweit bereits die Gewißheit, das Fehlverhalten werde ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen 55 . Letztlich hat das Disziplinarrecht auch eine Schutzfunktion zugunsten des Beamten: Es gewährleistet, daß das Beamtenverhältnis nur bei Nachweis eines schweren Dienstvergehens und nur in einem förmlichen Verfahren beendet werden kann 5 6 . Die Vorschriften über die Schadensersatzschuld erfüllen im privaten 57 wie im öffentlichen Recht 5 8 in erster Linie eine Ausgleichsfunktion. Der Geschädigte soll vollen Ersatz der ihm entstandenen Einbußen erhalten, nach Möglichkeit durch Ersatz in Natur, anderenfalls durch eine wirtschaftlich gleichwertige Entschädigung in Geld 5 9 . Daneben kommt den Bestimmungen über die Schadensersatzpflicht, soweit sie ein Verschulden voraussetzen, auch eine gewisse Präventionsfunktion zu 6 0 . Die Zivilrechtslehre sieht hierin ein „erwünschtes Nebenprodukt" des Schadensersatzrechts, das den Bestand der Ersatzverbindlichkeit im allgemeinen aber nicht beeinflußt 6 1 . Die Schadensabnahme sei das hauptsächliche Ziel der Unrechtshaftung, die Prävention nur ihr nachgeordneter Zweck 6 2 . 51
Wolff/Bachof/Stober, § 115 II Rn. 10. Claussen/Janzen, Einl. A, Rn. 2; Wagner, Rn. 224. 53 Wiese, 2. Teil 3. Abschn. (S. 135). 54 Weiß, in: Fürst (GKÖD II J 033) Rn. 12, 15. 55 Teilweise streitig; wie hier: Weiß, in: Fürst (GKÖD II J 033) Rn. 17; anderer Ansicht: Wiese, 2. Teil 3. Abschn. (S. 135); Wattler, S. 353 (nur Individualprävention). 56 Wagner, Rn. 225. 57 Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 4; Lange, S. 9. 58 BVerwG, Urt. v. 28.06.1967, BVerwGE 27, 245 (249) zu § 24 SG; Weiß/Niedermaier/Sumer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 2 a). 59 Lange, S. 9. 60 Für das Zivilrecht: Lange, S. 10; für den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 4 b). 52
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Hinsichtlich der Haftungsverpflichtung des Beamten im Innenverhältnis scheint sich dieses Verhältnis mitunter umzukehren. So wird für die auf grobe Fahrlässigkeit beschränkte Haftung im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, es trete der Zweck der Schadenskompensation hier gänzlich hinter den der Schadens Verhütung zurück 63 . Der Schädiger werde nur noch dort belastet, wo dies zum Zwecke der Prävention sinnvoll und notwendig erscheine. Die Minderung der Haftung auf grobes Fehlverhalten lasse einen „Wechsel des vorherrschenden Charakterzuges der Rechtsfolge vom Ausgleich zur Sanktion" 64 erkennen. Speziell bei der Schadensverantwortlichkeit des Beamten zeige sich dies auch darin, daß die vom Schädiger eingezogenen Beträge in den öffentlichen Haushalten nicht mehr als einen Erinnerungsposten ausmachten65. Auch die Rechtsprechung geht bisweilen von einer besonderen Präventions- und Erziehungsfunktion des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs im Innenverhältnis aus 66 . Auf diesen Zweck der Schadensersatzpflicht hat das Bundesverwaltungsgericht zum Beispiel rekurriert, um die Verpflichtung des Dienstherrn zur Durchsetzung seines Anspruchs 67 oder um dessen Befugnis zum Erlaß eines Leistungsbescheides zu begründen 68 . Offen ist, wie sich die besondere Betonung der Präventions- und Erziehungsfunktion des beamtenrechtlichen Ersatzanspruchs zum Disziplinarrecht verhält. Eine Vorschrift, welche das Verhältnis des Disziplinarrechts zur Schadensersatzpflicht des Beamten regelt, gibt es de lege lata nicht. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht betont, der Hinweis darauf, daß die Inanspruchnahme auf Schadensersatz auch den Charakter einer Sanktion wegen Vernachlässigung der dienstlichen Pflichten in sich berge, sei „nicht etwa disziplinarrechtlich zu verstehen" 69 . Doch ist im beamtenrechtlichen Schrifttum wiederholt die Auffassung geäußert worden, aus disziplinarrechtlicher Sicht bedürfe es zusätzlich der Schadensersatzpflicht, um die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt in der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen 7 0 . Auch die Verwaltungspraxis rückt die Handhabung des Ersatzanspru61
Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 4; Lange, S. 10. Deutsch, JZ 1971, S. 246. 63 Röhl, S. 522. 64 So Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 155, der diese Auffassung aber selbst nicht billigt. 65 Röhl, S. 522. 66 Zuletzt BVerwG, Urt. v. 19.06.1997, NJW 1997, 3455 (3456); dazu unten 2. Kapitel Α. IV. 67 BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 § 78 Nr. 19, 48 (51). 68 BVerwG, Urt. v. 28.06.1967, BVerwGE 27, 245 (249); BVerwG, Urt. v. 28.06. 1967, BVerwGE 27, 250 (253). 69 BVerwG, Urt. v. 28.06.1967, BVerwGE 27, 245 (249); ausdrücklich abgelehnt wird eine Pflichtenmahnungsfunktion des Schadensersatzanspruchs von BVerwG, Urt. v. 07.12.1984, BVerwGE 70, 296 (301) zu § 24 SG. 62
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ches im Innenverhältnis nicht selten in die Nähe einer Disziplinarmaßnahme und begreift den Anspruch des Dienstherrn als Mittel der Personalpolitik 7 1 . Tatsächlich läßt sich kaum in Abrede stellen, daß von der Schadensersatzverpflichtung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn in der Praxis eine eigene Präventionswirkung ausgehen kann, die derjenigen des Disziplinarrechts nicht unähnlich ist. Dies gilt umso mehr, als einzelne Disziplinarmaßnahmen auch heute noch ausschließlich auf das Vermögen des Beamten zielen, wie etwa die Geldbuße oder die Kürzung der Bezüge. Auch die Form der Heranziehung zum Schadensersatz durch Leistungsbescheid, wie sie von der Rechtsprechung für zulässig gehalten wird 7 2 , mag den Eindruck erwecken, als solle der Beamte durch die Heranziehung zum Schadensersatz diszipliniert werden. Indes ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch des Dienstherrn keinesfalls notwendig, um disziplinarisch auf den Beamten einzuwirken 73 . Beide Rechtsinstitute stehen vielmehr selbständig nebeneinander 74. Dies ergibt sich bereits aus folgender Überlegung: Der dem Disziplinarrecht zugrundeliegende Tatbestand eines Dienstvergehens im Sinne der §§77 Abs. 1 BBG, 45 BRRG setzt voraus, daß der Beamte schuldhaft „die ihm obliegenden Pflichten verletzt". Mit gleichen Worten umschreiben die §§78 BBG, 46 BRRG den Tatbestand der Schadensersatzpflicht des Beamten. Letzterer ist jedoch insoweit enger, als nicht jedes schuldhafte, sondern nur ein grob fahrlässiges bzw. vorsätzliches Handeln, die Haftung des Beamten auszulösen vermag. Wie Simianer hervorhebt, gilt daher im Beamtenrecht regelmäßig der Satz: „Keine Haftung auf Schadensersatz ohne Dienstvergehen" 75 . Neben der Inanspruchnahme auf Schadensersatz ist deshalb immer auch eine Disziplinarmaßnahme zu erwägen. Während früher neben der Haftung des Beamten für leichte Fahrlässigkeit von der Möglichkeit einer Disziplinarmaßnahme in aller Regel kein Gebrauch gemacht wurde 76 , wird heute neben der Heranziehung zum Schadensersatz vielfach zumindest ein Verweis oder eine Geldbuße in Betracht kommen. Der Dienstherr kann daher präventiven sowie erzieherischen Gesichtspunkten in aller Regel bei der zu treffenden disziplinarischen Entscheidung Raum geben. Entscheidet er sich 70
Lemhöfer, S. 206; Simianer, S. 48. Walldorf, S. 447. 72 Dazu im 5. Kapitel A. II. 73 Staab, S. 164 f. 74 Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 329; Art. 85 BayBG Anm. 33. 75 Simianer, S. 38. 76 Lemhöfer, S. 206. 71
Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl
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gegen eine Disziplinarmaßnahme, so kann er das Verhalten des Beamten zumindest ausdrücklich mißbilligen (vgl. § 6 Abs. 2 BDO). Zudem sind die §§78 BBG, 46 BRRG nur bedingt zur Pflichtenmahnung des Beamten geeignet 77 . Denn der Beamte schuldet auch nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften die volle Sorgfalt, die sein Amt erfordert, nicht nur die Vermeidung grober Fahrlässigkeit. Lediglich seine Schadensersatzpflicht ist auf besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstöße beschränkt worden. Eine Pflichtenmahnung durch die Steuerung seiner Haftung erschiene daher unvollkommen. Hinzu tritt, daß sich der Beamte gegen das Risiko einer Inanspruchnahme auf Schadensersatz nahezu lückenlos versichern kann 7 8 . In diesem Fall entfaltet die Androhung einer Ersatzpflicht aber von vornherein keine Präventionswirkung. Schließlich steht die Geltendmachung eines bestehenden Schadensersatzanspruchs, anders als der Erlaß einer Disziplinarmaßnahme, nach herrschender Meinung nicht im Ermessen des Dienstherrn, sondern ergeht als gebundene Entscheidung 79 . Der Dienstherr darf auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen somit von sich aus weder verzichten noch darf er die Haftung mit personalpolitischen Erwägungen begründen oder überhöhen. Der Gesetzgeber hat den von Teilen der Literatur erhobenen Forderungen nach einer Flexibilisierung des Schadensersatztatbestandes durch Einräumung eines Ermessensspielraums des Dienstherrn auf der Rechtsfolgenseite 80 nicht entsprochen und den Schadensersatzanspruch damit deutlich vom Disziplinarrecht abgegrenzt. Allein letzteres stellt aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes und seines Kanons an abgestuften Maßnahmen und formellen Sicherheiten das geeignete Mittel dar, Pflichtverletzungen des Beamten angemessen zu sanktionieren 81 . Die nachfolgende Untersuchung soll deshalb auch einen Beitrag dazu leisten, den Schadensersatzanspruch des Beamten von disziplinarischen und personalpolitischen Einflüssen abzugrenzen und dessen rechtliche Bindungen aufzuzeigen.
III. Zusammenfassung Der seine Dienstpflichten verletzende Beamte kann strafrechtlich, disziplinarrechtlich und haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Haftungsrechtlich ist zwischen Außen- und Innenhaftung zu unterscheiden. 77
Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 8. Eine Kombination aus Dienst-Haftpflichtversicherung und VermögensschädenHaftpflichtversicherung deckt alle Schäden ab, die nicht vorsätzlich verursacht wurden; dazu Hofmann, S. 104. 79 Siehe unten 2. Kapitel B. 80 So etwa: Lemhöfer, S. 207. 81 Vgl. Benitz, S. 130; Wacke, S. 314 (Fn. 15 a). 78
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Im Innenverhältnis zu seinem Dienstherrn kann der Beamte heute nur noch dann auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Die Haftung des Beamten im Innenverhältnis ist in den §§ 78 BBG, 46 BRRG grundsätzlich einheitlich und abschließend geregelt. Der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn ist ein Anspruch des öffentlichen Rechts, welcher auf Kompensierung eines Vermögensschadens der öffentlichen Hand gerichtet ist. Die Innenhaftung des Beamten hat außerdem eine faktische Präventionswirkung und gehört damit zum Kreis derjenigen Vorschriften, welche die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns zu sichern bestimmt sind. Zur disziplinarischen Einwirkung auf den Beamten im Sinne einer Pflichtenmahnung ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch in seiner heutigen Form allerdings weder notwendig noch geeignet.
1. Kapitel
Die historischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn A. Die Entwicklung der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn bis zum 1. Januar 1993 Die nachfolgende geschichtliche Darstellung der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn beschränkt sich auf diejenigen Entwicklungen, welche für Verständnis und Interpretation der heutigen Rechtslage als grundlegend angesehen werden müssen. Eingegangen werden soll dabei in erster Linie auf die Entwicklung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn als solchem, also auf die materiellrechtliche Seite der Haftung des Beamten im Innenverhältnis, welche bis zuletzt eng verwoben blieb mit der Geschichte der Amts- und Staatshaftung. Den Ausgangspunkt bilden die Rechtslage in Preußen sowie diejenige in Bayern bzw. Sachsen. Die Entwicklung der formellrechtlichen Seite des Anspruchs wird dagegen im Zusammenhang mit der an späterer Stelle zu erörternden Problematik der Durchsetzung des Anspruchs behandelt werden 1 .
I. Die Verantwortlichkeit der „Staatsdiener" nach den I I 10 §§ 88 bis 91 und 127 bis 145 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 Das heutige Berufsbild des Beamten verdankt seine Entstehung der Rechtsentwicklung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Zwar schlossen die Territorialherren schon seit dem Ende des Mittelalters Verträge, um Bedienstete für die Erledigung privater wie öffentlicher Angelegenheiten zu gewinnen, doch fielen erst im Absolutismus des 18. Jahrhunderts den Landesherrn größere Aufgaben zu, die bisher in den Händen der Stände gelegen hatten und die ein zuverlässiges, berufsmäßiges Beamtentum erforderten 2. Dieses Berufsbeamtentum erbrachte seine Leistung nicht mehr ausschließlich für die Person des Herrschers, sondern vor allem für 1 2
Dazu unten 5. Kapitel A. Hauser, S. 10.
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
das Gemeinwesen. Hier lag der Übergang vom Fürstendiener zum Staatsdiener 3 . 1. Erste Kodifikation einer Ersatzpflicht der „Staatsdiener" (II 10 §§ 88 ff. PrALR) Die Orientierung des Beamtenverhältnisses zum Staat, der sich in der Spätphase des aufgeklärten Absolutismus zum Gesetzesstaat weiterentwikkelt hatte, fand ihren vorläufigen Abschluß im Erlaß des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 (PrALR) 4 . Das Preußische Allgemeine Landrecht beinhaltete die erste beamtenrechtliche Kodifikation in Deutschland überhaupt und legte das Fundament für die meisten späteren Landes- und Reichsgesetze5. Die Normen des „zweyten Theils zehnter Titel" (II 10) waren unter die Überschrift „Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staates" gefaßt. Hier befaßten sich die §§ 68 bis 113 mit den „Civilbeamten", also mit all jenen, welche nicht „Militärbeamte" waren (vgl. I I 10 § 68 PrALR). Die I I 10 §§ 88 bis 91 und 127 bis 145 PrALR 6 normierten eine erste, umfassende Ersatzpflicht der „Civilbeamten" in Schadensfällen. Diese Normen blieben in den kommenden über einhundertdreißig Jahren für die Ersatzpflicht der preußischen Beamten gegenüber ihrem Dienstherrn maßgebend. § 88. Wer ein Amt übernimmt, muß auf die pflichtgemäße Führung desselben die genaueste Aufmerksamkeit wenden. § 89. Jedes dabey begangene Versehen, welches bey gehöriger Aufmerksamkeit und nach den Kenntnissen, die bey der Verwaltung des Amts erfordert werden, hätte vermieden werden können und sollen, muß er vertreten. § 90. Vorgesetzte, welche durch vorschriftsmäßige Aufmerksamkeit die Amtsvergehungen ihrer Untergebenen hätten hindern können, sind für den aus Vernachläßigung dessen entstehenden Schaden, sowohl dem Staate, als einzelnen Privatpersonen, welche darunter leiden, verhaftet. § 91. Doch findet in beyden Fällen (§ 89. 90.) die Vertretung nur alsdann statt, wenn kein anderes gesetzmäßiges Mittel, wodurch den nachtheiligen Folgen eines solchen Versehens abgeholfen werden konnte, mehr übrig ist. Das Preußische Allgemeine Landrecht unterschied in den I I 10 §§ 88, 89 nicht zwischen der Außenhaftung eines einfachen Beamten gegenüber einem geschädigten Dritten einerseits und der Innenhaftung desselben gegenüber dem Staate andererseits. Diese Unterscheidung fand sich expressis verbis nur im Hinblick auf vorgesetzte Beamte in I I 10 § 90 PrALR und in 3 4 5 6
Hauser, S. 9; Summer, S. 15 f. Summer, S. 16. Hauser, S. 24. Text der Vorschriften zitiert nach Hattenhauer.
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
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einigen Sondervorschriften über die Schadensersatzpflicht im Zusammenhang mit der Bestellung der Zivilbeamten 7 . Gleichwohl entsprach es der allgemeinen Rechtsauffassung, daß auch der einfache, nichtVorgesetzte Beamte nicht nur einem geschädigten Dritten, sondern auch seinem Dienstherrn gegenüber gemäß den I I 10 §§ 88 ff. PrALR zum Ersatz verpflichtet war 8 . Der Bestimmung des I I 10 § 90 PrALR wurde folglich für den einfachen Beamten kein Gegenschluß entnommen, sondern sie wurde vielmehr als Bestätigung einer allgemeinen Regel aufgefaßt: „und was so für den Fall einer Nachlässigkeit des Vorgesetzten gilt, gilt natürlich (...) für jede sonstige schuldhafte Handlung eines Beamten. 9 " Die haftungsrechtliche Einstandspflicht des Staatsdieners nach den I I 10 §§88 ff. PrALR gegenüber seinem Dienstherrn stand damit unabhängig neben seiner strafrechtlichen und disziplinarischen Verantwortlichkeit. Die heute gängige Verantwortlichkeitstrias - Strafrecht, Disziplinarrecht, Schadenshaftung - geht in ihrer schriftlichen Überlieferung zurück auf das Jahr 1797. Das damals ergangene Ressortreglement für Neuostpreußen, zeigte die drei verschiedenen Sanktionsarten für Pflichtverletzungen des Beamten erstmalig im Zusammenhang auf 1 0 . 2. Rechtsnatur des Schadensersatzanspruchs nach preußischem Recht Trotz der Bezeichnung als „Staatsdiener" betrachtete man das Rechtsverhältnis des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn zu jener Zeit noch durchweg als einen Teil des zivilen Rechts. Das öffentliche Recht hatte noch keinen Entwicklungsstand erreicht, der einer anderen Überzeugung zum Durchbruch hätte verhelfen können. Daher wurde auch die Verantwortlichkeit des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn für die von ihm verursachten Schäden noch uneingeschränkt als zivilrechtliche angesehen11. An dieser Zuordnung der Haftung im Innenverhältnis zum Privatrecht änderte sich aber auch dann nichts, als sich mit zunehmendem Staatsbewußtsein und fortschreitender Emanzipation des öffentlichen Rechts mehr und 7 Vgl. II 10 § 75 PrALR: „Wer wissentlich eine Bedienung einer dazu nicht tauglichen Person anvertraut, muß dem Staate, und den einzelnen Bürgern desselben, für allen durch die Unwissenheit und Untauglichkeit eines solchen Bedienten entstandenen Nachtheil gerecht werden (...).". 8 Cohn, S. 342; Eccius, in: Förster, S. 498 (Fn. 16); Freund, S. 376 (Fn. 61); Koch, § 91 Anm. 4 (S. 110); durch den Gesetzgeber indirekt anerkannt durch die Deklaration vom 18. März 1838 (dazu unten 7.); anders nur: Hofacker, S. 55. 9 Josef S. 310. 10 Nachgewiesen bei: Borgs-Maciejewski, S. 51. 11 Borgs-Maciejewski, S. 51; Eccius, in: Förster, S. 498 ff.; Freund, S. 376; Loening, S. 125 f. 4 Beckmann
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
mehr die Erkenntnis Bahn zu brechen begann, daß das Beamtenverhältnis im Grunde ein staatsrechtliches und mithin öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis sei. Es wurde vielmehr charakteristisch für das 19. Jahrhundert, das Staatsamt als ein gemischtes Rechtsverhältnis, bestehend aus öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Elementen („contractus mixtus") zu begreifen 12 Trotz vieler Streitigkeiten im einzelnen, herrschte jedenfalls Einigkeit, daß, soweit der Anspruch des Dienstherrn wegen Pflichtverletzung des preußischen Beamten in Rede stand, die privatrechtliche Seite des Beamtenverhältnisses angesprochen war. Auch Laband, der das Beamtenverhältnis auf einen öffentlich-rechlichen Vertrag („Staatsdienstvertrag") gegründet sah, gehörte anfangs zu den Vertretern der privatrechtlichen Anschauung des Schadensersatzanspruchs 13. Der Grund für diese Beharrlichkeit bestand vor allem darin, daß die I I 10 §§ 88 ff. PrALR nicht nur die gesetzliche Grundlage für den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn darstellten, sondern auch den Rechtsgrund der Haftung des Beamten gegenüber einem geschädigten Dritten bildeten 14 . Gleicher Auffassung war auch Otto Mayer, dessen Theorie von der Begründung des Staatsdienerverhältnisses durch „Verwaltungsakt auf Unterwerfung" alsbald zur herrschenden Lehre wurde: „Wie kommen wir aber hier (...) zur Anwendung (...) des Civilrechts, da doch ein civilrechtlicher Dienstvertrag nicht vorliegt (...)? Die Anwendbarkeit kann nur beruhen auf einer Auslegung des Anstellungsaktes, auf dessen Willen sich das ganze Rechtsverhältnis gründet. (...) Der öffentlichrechtliche Akt, welcher eine Dienstpflicht begründen will, ist dafür anzusehen, dass er auch dieses Stück des civilrechtlichen Dienstvertrages in dieselbe aufgenommen habe" 1 5 . 3. Beamtenhaftung als Vollmachtsüberschreitung Ebensowenig wie die I I 10 § 88 ff. PrALR zwischen Außen- und Innenhaftung des Beamten unterschieden, differenzierten sie zwischen unmittelbarer und mittelbarer Schädigung des Dienstherrn. Dies wird ohne weiteres verständlich, wenn man sich bewußt macht, daß der Staat im Außenverhältnis gegenüber einem geschädigten Dritten zu jener Zeit nicht selbst verantwortlich war und daher nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden konnte. Der Geschädigte war stattdessen regelmäßig darauf angewiesen, den Beamten als Privatmann zur Verantwortung zu ziehen. Grund12
Borgs-Maciejewski, S. 36 f. Laband, S. 439 f., der diese Ansicht aber unter Einfluß des Bürgerlichen Gesetzbuches aufgab. 14 Vgl. Laband, S. 440. 15 Otto Mayer, AöR Bd. III, S. 77. 13
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läge dieser Auffassung war die Überzeugung des „si exessit, privatus est": Wer als Staatsdiener seine Pflichten vernachlässigte, handelte nicht für den Hoheitsträger, sondern als Privater 16 . Denn der Staat als abstrakte, mit originärer Hoheitsgewalt ausgestattete Gebietskörperschaft war unfehlbar, konnte also nach staatstheoretischer Überzeugung niemals rechtswidrig handeln 1 7 . Juristisch galt der seine Pflichten verletzende Beamte als vollmachtloser Vertreter, da allein ein rechtmäßiges Handeln als von der Vertretungsmacht des Staates gedeckt angesehen wurde. Dabei unterschied man anfänglich nicht zwischen hoheitlichem und fiskalischem Handeln 18 . Das Problem der Verantwortlichkeit des Beamten für die mittelbare Schädigung seines Dienstherrn hat sich damit seinerzeit generell nicht gestellt 19 . Besonders deutlich wird dies an den Ausführungen der Gesetzesrevision zum Allgemeinen Preußischen Landrecht: Ihr zufolge bestand Anlaß zu der Frage, „ob und inwiefern der Staat die Amtsvergehen seiner Beamten vertreten müsse (...). Der Beamte befindet sich zu dem Staate in dem Verhältnisse eines Mandatars. Den Schaden, welchen ein solcher bei der Ausrichtung eines Auftrages einem Dritten zufügt, hat der Mandant in den Regel nicht, sondern nur dann zu vertreten, wenn er einen untüchtigen Mandatar bestellt hat oder der Auftrag in den Gesetzen gemißbilligt ist (A.L.R. I 6 §§ 5053). (...) von dem Staate kann nur verlangt werden, daß er Einrichtungen treffe, welche im Allgemeinen die Beförderung qualifizierter Personen zu öffentlichen Aemtern sicherstellen (...). Ein Amtsversehen, wodurch ein Dritter in Schaden gesetzt wird, ist nur in sofern denkbar, als der Beamte die ihm obliegenden Pflichten außer Acht gelassen hat; eine jede Vernachlässigung oder Übertretung dieser Pflicht ist nothwendig eine Überschreitung der Amtsvollmacht; für Überschreitungen der Vollmacht ist aber der Machtgeber niemals verhaftet. 20 " In der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts wurde jedoch eine Haftung des Staates für die pflichtwidrige Schadensverursachung durch seine Bediensteten bereits lebhaft diskutiert. Was den Bereich der Fiskalverwaltung anbelangt, so begann sich die im Schrifttum erhobene Forderung einer Einstandspflicht des Staates für schuldhaftes Verhalten seiner Beamten nunmehr auch in der Praxis durchzusetzen 21. Damit war gleichzeitig der Grundstein für eine erste Regreßverpflichtung des Beamten gelegt worden. 16
Vgl. die historische Darstellung bei: BVerfG, Urt. v. 19.10.1982, BVerfGE 61, 149 (178 f.). 17 Borgs-Maciejewski, S. 51 f. 18 Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG Rn. 14. 19 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 1. a). 20 Gesetzesrev. Pens. XII, Mot. S. 54, abgedruckt bei von Rönne, §§ 89-91, Anm. II. 1. (S. 42). 21 Rehbein/Reincke, § 90 Anm. 45 (S. 48); Zoepfl, S. 794 f. insb. Fn. 4. 4*
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
4. Verantwortlichkeitsmaßstab und Billigkeitsentscheidung Dem Gesetzeswortlaut der I I 10 §§ 88, 89 PrALR war nicht genau zu entnehmen, für welchen Grad des Verschuldens den Beamten eine Verantwortlichkeit treffen sollte. Das Allgemeine Preußische Landrecht unterschied grundsätzlich - anders als später das Bürgerliche Gesetzbuch - zwischen vier Formen des Verschuldens: Vorsatz, geringes, mäßiges und grobes Versehen 22. Dabei entsprach der Begriff des „Versehens" dem der heutigen Fahrlässigkeit. Während jedoch I I 10 § 88 PrALR von der „genauesten Aufmerksamkeit" sprach, war in I I 10 § 89 PrALR von einem Versehen die Rede, „welches bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können". Die Gesetzesrevision bemerkte daher zu Recht, daß „die (...) Bestimmungen mit einander nicht gehörig im Einklänge zu stehen (scheinen)". Indes behebe sich „diese anscheinende Anomalie (...) durch die Bemerkung von Suarez (...). Hiernach soll der Beamte der Regel nach, für culpa levissima verhaftet sein, daher der Ausdruck: „genaueste Aufmerksamkeit" im § 88, hierbei soll aber einiger Raum für die Billigkeit übrig bleiben, daher die Modifikation und nähere Bestimmung jenes Ausdruckes im § 89." Man mußte allerdings eingestehen, „daß jener Sinn aus der Fassung der §§ nur sehr schwer herauszufinden (war). 2 3 " Aufgrund dieser Ungereimtheiten bei der Bestimmung des Haftungsmaßstabs ging der Erste Senat des Preußischen Obertribunals 24 in einer frühen Entscheidung zunächst davon aus, daß „Beamte (...) wegen des durch die Verabsäumung ihrer Amtspflicht entstandenen Schadens nur aus einem groben oder mäßigen Versehen (haften)", ließ jedoch bereits Zweifel an dieser Gesetzesinterpretation anklingen 25 . Später änderte das Tribunal seine diesbezügliche Rechtsprechung dann im Sinne der herrschenden Literaturaufassung 26 und vertrat fortan in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß auch ein „geringes Versehen" für den Eintritt der Schadensersatzpflicht des Beamten aus I I 10 §§ 88 ff. PrALR genüge 27 . Daß die I I 10 §§ 88 ff. PrALR in der Praxis jedoch wohl nicht in dieser Strenge angewandt worden sind, ergibt sich bereits aus der zitierten Stellungnahme der Gesetzesrevision, die, gestützt auf die Motive zum Allgemeinen Landrecht, von einer Billigkeitsentscheidung der Behörden ausging, 22
Vgl. die allg. Vorschriften des I 6 §§ 10 ff. ALR; Hauser, S. 25. Gesetzesrev. Pens. XII, Mot. S. 53, abgedruckt bei von Rönne §§ 88, 89, 91 Anm. 1 (S. 36). 24 PrOTr., Erk. v. 22.02.1856, Strieth. Bd. 20 Nr. 48, 195 Ls. 25 PrOTr., Erk. v. 22.02.1856, Strieth. Bd. 20 Nr. 48, 195 (196). 26 Eccius, in: Förster, S. 498; Koch, §§ 88 Anm. 2 (S. 109); Rehbein/Reincke, § 88 Anm. 43 (S. 47). 27 PrOTr., Erk. v. 16.03.1868, Strieth. Bd. 70 Nr. 36, 188 Ls. 23
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wenn der Beamte lediglich die „genaueste Aufmerksamkeit" außer Acht gelassen hatte, ihn mit anderen Worten nur der Vorwurf leichter Fahrlässigkeit traf. Ferner sei, ohne der formellen Seite der Beamtenhaftpflicht vorgreifen zu wollen, in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß, jedenfalls im Geltungsbereich der preußischen Defektenverordnung vom 24. Januar 1844, die Möglichkeit der Durchsetzung von Ersatzansprüchen des Dienstherrn durch Verwaltungszwang nur bestand, wenn der Beamte „als untreu überführt" oder sich eines „groben Versehens schuldig gemacht" hatte 28 . Außerhalb des Geltungsbereichs der Defektenverordnung dürfte daher in der Behördenpraxis unterhalb der Schwelle des „groben Versehens" aus Gründen der Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Interessen des Beamten häufig auf eine Inanspruchnahme verzichtet worden sein 29 . 5. Subsidiarität des Schadensersatzanspruchs (II 10 § 91 PrALR) Neben der Eröffnung eines Billigkeitsspielraumes bei leichter Fahrlässigkeit durch I I 10 § 89 PrALR fand sich im Gesetz noch eine weitere Abmilderung der relativ strengen Haftungsfolge in Gestalt der sogenannten Subsidiaritätsklausel des I I 10 § 91 PrALR. Danach trat die Schadensersatzpflicht des Beamten nur hilfsweise ein, also nur dann, wenn der Schaden nicht auf andere Weise zu beseitigen war. Der Dienstherr mußte sich daher, ebenso wie der geschädigte Bürger, in erster Linie an einen möglichen Mitschädiger halten, bevor er den Beamten auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen konnte. Unklar war aber, ob trotz des Wortlauts der Haftungsnormen („Versehen" in § 89 sowie „Vernachlässigung" in § 90 PrALR) die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten auch dann subsidiär sein sollte, wenn diesem eine vorsätzliche Pflichtverletzung zur Last fiel. Hiervon wurde im Schrifttum zunächst einhellig ausgegangen30. Das Reichsgericht hat die Frage aber später mit Hinweis auf den Wortlaut der I I 10 §§ 89, 90 PrALR verneint und seine Ansicht darauf gestüzt, daß die Haftung für eine vorsätzliche Schadensherbeiführung des Staates in den Vorschriften der I I 10 §§88 ff. PrALR gar nicht geregelt, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt werde 31 . Eine Begründung, die freilich wenig überzeugte, ließ sie doch offen, auf welche Bestimmungen sich eine Ersatzpflicht des Beamten in diesem Fall gründen sollte 32 . 28
Dazu unten 5. Kapitel A. II. 1. a) bb). Schulze-Böhler, S. 93. 30 Delius, S. 110; Eccius, in: Förster, S. 499 (Fn. 19). 31 RG, Urt. v. 20.05.1913, RGZ 82, 278 (280); im Schrifttum später auch: Brand, Art. 13 RBG, S. 130; Cohn, S. 349 f. 32 Cohn, S. 349. 29
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
6. Heranziehung der allgemeinen Prinzipien über die Schadensersatzverbindlichkeit bei unerlaubten Handlungen Die Identität des Rechtgrundes der Beamtenhaftung gegenüber dem Staat und gegenüber dem Dritten führte dazu, daß im Innen- wie im Außenverhältnis neben den I I 10 §§88 ff. PrALR die allgemeinen Haftungsgrundsätze über die unerlaubten Handlungen (I 6 §§ 10 ff. PrALR) zur Anwendung gelangten 33 . So etwa konnte für Laband auch die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn nur eine „aussercontraktliche" sein, weil sie denselben Grundsätzen folgte, wie dessen Haftung gegenüber einem geschädigten Dritten: „Dies wird auch anerkannt im Preuß. Allg. Ldr. I I 10 § 90, woselbst die Haftung des Beamten gegen den Staat und die Haftung desselben „gegen einzelne Privatpersonen" ganz gleichgestellt werden." 34 a) Art und Umfang des zu ersetzenden Schadens (I 6 §§10 ff. PrALR) Der Haftungsumfang war danach von der Schwere der dem Beamten zur Last fallenden Verfehlung abhängig. Dieser Abstufung des Umfangs der Ersatzpflicht je nach Art und Grad des Verschuldens lagen moralisierende, respektive pönale Einflüsse zugrunde, die dem heutigen Schadensersatzrecht fremd sind 3 5 . § 10. Wer einen Andern aus Vorsatz oder grobem Versehen beleidigt, muß demselben vollständige Genugthuung leisten (§ 7). § 12. Wer nur aus mäßigem Versehen den Andern durch eine Handlung oder Unterlassung beleidigt, der haftet nur für den daraus entstandnen wirklichen Schaden. § 15. In Fällen, wo auch ein geringes Versehen vertreten werden muß (Tit. III. §§ 22. 23.), haftet der Beschädiger nur für den durch ein solches Versehen entstandnen unmittelbaren Schaden. Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung hatte der Beamte das gesamte Interesse des Geschädigten zu ersetzen. Dieses umfaßte auch den entgangenen Gewinn (I 6 § 10 i.V.m § 7 PrALR) als Form des mittelbaren Schadens. Dagegen war bei mittlerer Fahrlässigkeit der entgangene Gewinn nicht zu ersetzen (I 6 § 12 PrALR), während bei leichter Fahrlässigkeit schließlich nur für den unmittelbaren Schaden Ersatz zu leisten war (I 6 § 15 PrALR).
33
Eccius, in: Förster, S. 498 f. Fn. 18; Hauser, S. 28 f.; Rehbein/Reincke, Anm. 43 (S. 47). 34 Laband, S. 440. 35 Lange, S. 12.
§ 88
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
b) Berücksichtigung
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mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn (I6§§ 18 ff. PrALR)
Ebenso wie hinsichtlich des Haftungsumfangs enhielt das Allgemeine Preußische Landrecht in den I 6 §§ 18 bis 21 auch eine Abstufung „inwiefern die Schuld des Beschädigten den Schädiger vom Ersatz befreye". § 18. Von der Vergütung eines aus Vorsatz oder grobem Versehen zugefügten unmittelbaren Schadens wird der Beleidiger durch die mit eintretende Verschuldung des Beschädigten nicht befreyt. § 19. Hingegen darf der mittelbare Schade und der entgangne Gewinn nicht ersetzt werden, wenn der Beschädigte bey der Abwendung desselben sich selbst ein grobes Versehen hat zu Schulden kommen lassen. § 20. Ein dergleichen eignes grobes Versehen des Beschädigten macht denselben aller Schadloshaltung verlustig, wenn der Schade nur aus einem mäßigen oder geringen Versehen des Beschädigers entstanden ist. § 21. Der Ersatz aus mäßigem oder geringem Versehen entstandnen mittelbaren Schadens und entzogenen Gewinns fällt schon alsdann weg, wenn der Beschädigte den Nachtheil durch Anwendung der gewöhnlichen Aufmerksamkeit vermeiden konnte. Das Preußische Obertribunal hielt diese Vorschriften auch dann für anwendbar, wenn bei einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung eines Beamten ein Verschulden des anderen Teils mitgewirkt hatte 36 . Die I 6 §§ 18 bis 21 PrALR führten eine gesetzliche Abwägung durch, indem sie das Verschulden des Schädigers demjenigen des Geschädigten gegenüberstellten. So haftete der Beamte, wenn er den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hatte, unabhängig von einem Mitverschulden des Dienstherrn stets zumindest auf Ersatz des unmittelbaren Schadens (I 6 §§ 18 f. PrALR). Er haftete hingegen nicht, wenn ihm selbst nur der Vorwurf leichter bzw. mittlerer Fahrlässigkeit gemacht werden konnte, der Behörde aber grobe Fahrlässigkeit zur Last fiel (I 6 § 20 PrALR). c) Haftung mehrerer Beamter (I 6 §§29 ff sowie II 10 §§ 127 ff PrALR) Hinsichtlich der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit mehrerer Beamter war in Preußen danach zu differenzieren, ob diese als Mitglieder sogenannter Beamtenkollegien („Collegiis"; vgl. I I 10 §§ 114 ff. PrALR) zur Verantwortung gezogen werden sollten oder nicht. Außerhalb der Kollegien hafteten mehrere Beamte nach den Grundsätzen der I 6 §§ 29, 31 und 32 PrALR. 36
PrOTr., Erk. v. 30.05.1859, Strieth. Bd. 33 Nr. 59, 272 Ls; zustimmend: Eccius, in: Förster, S. 498 f. (Fn. 18).
5 6 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
§ 29. Haben mehrere zur Zufügung eines Schadens aus Vorsatz oder grobem Versehen mitgewirkt, so haften sie einer für alle, und alle für einen. §31. Haben mehrere bey einer Schadenszufügung nur aus mäßigem oder geringem Versehen mitgewirkt, so haftet jeder nur für sein eignes Versehen. § 32. Doch haften sie einer für alle, und alle für einen, wenn nicht ausgemittelt werden kann, welchen Theil des Schadens ein jeder durch sein besondres Versehen angerichtet habe. Eine gesamtschuldnerische Haftung („einer für alle, und alle für einen") bestand danach nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit sowie dann, wenn sich die jeweiligen Verantwortungsanteile im nachhinein nicht mehr feststellen ließen. Der Begriff der Mitwirkung an der Zufügung des Schadens setzte dabei nicht voraus, daß eine zeitgleich und gemeinschaftlich begangene schadensverursachende Handlung vorlag 3 7 . Demgegenüber war die Verantwortlichkeit der Beamtenkollegien durch die I I 10 §§ 127 bis 145 PrALR besonders diffizil ausgestaltet. Auf diese Regelungen soll hier nicht im einzelnen eingegangen werden, zumal die Bestimmmungen schon damals durch die Zurückdrängung der Kollegialverfassungen in der Justiz- und Staatsverwaltung immer mehr an praktischer Bedeutung verloren 38 . § 127. Geschäfte, welche dem ganzen Collegio obliegen, müssen von allen Mitgliedern desselben vertreten werden. § 128. Inwiefern die Mitlgieder für einen durch Vorsatz oder Versehen entstandenen Schaden als Mitschuldner, oder ein Jeder für seinen AntheiV haften, ist nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu bestimmen (Th. 1, Tit. 6 § 29 sqq.) § 129. Kann in Fällen, wo jedes Mitglied nur für seinen Antheil haftet, von einem oder dem anderen dessen Antheil an der Entschädigung nicht beigetrieben werden, so müssen die übrigen denselben zu gleichen Theilen vertreten. § 130. Der Einwand, daß ein Versehen durch den unrichtigen Vortrag eines Mitgliedes oder durch die von demselben geschehene Abfassung einer dem Schlüsse des Collegii nicht gemäßen Verfügung oder durch andere Pflichtwidrigkeiten oder Fahrlässigkeiten desselben entstanden sei, befreyt das Collegium nicht von der Einlassung auf die Klage. § 131. Findet sich aber bei der Untersuchung, daß dieser Einwand seine Richtigkeit habe, so muß der Kläger dasjenige Mitglied, welches solchergestalt das Versehen unmittelbar begangen hat, vorzüglich sich halten. § 132. Nächst diesem haftet der Vorgesetzte, wenn er durch Anwendung der ihm vermöge seines Amtes obliegenden Aufmerksamkeit (§ 90) das vorgefallene hätte verhüten oder abwenden können.
37 38
Hauser, S. 29. Eccius, in: Förster, S. 502.
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§ 133. Die übrigen Mitglieder haften nur, in Ermangelung beider, und nur insofern, als besondere Gesetze ihnen eine vorzüglich eigene Aufmerksamkeit auf die Handlungen ihrer Collegen bei Geschäften dieser Art, ausdrücklich zur Pflicht gemacht haben. An der Spitze stand der Grundsatz, daß „Geschäfte, welche dem ganzen Collegio obliegen, (...) von allen Mitgliedern desselben vertreten werden (mußten)" (II 10 § 127 PrALR). Infolge eines Redaktionsversehens verwies I I 10 § 128 auf die allgemeinen Vorschriften der I 6 §§ 29 ff. PrALR. Eine teilschuldnerische Haftung der Mitglieder eines Beamtenkollegiums, wie sie von I I 10 § 129 PrALR vorausgesetzt wurde, wäre danach schlechthin ausgeschlossen gewesen, weil sich bei Beamtenkollegien so gut wie nie hätte ermitteln lassen „welchen Theil ein jeder durch sein besonderes Versehen angerichtet" hatte. Erneut war es Aufgabe der Gesetzesrevision den eigentlichen Sinn dieser Bestimmung herauszustellen: „Der § 129 steht deshalb, mit dem § 128 des Titels nicht in Einklang; (...) Die Bestimmung des § 128 wird (...), um der Absicht der Redaktoren zu entsprechen, dahin abzuändern sein: „Die Mitglieder haften, wenn der Schaden durch Vorsatz oder grobes Versehen veranlaßt worden ist, einer für alle und alle für einen, sonst aber nur jeder für seinen Antheil. 3 9 " Für den Fall der Haftung pro rata war durch I I 10 § 129 PrALR wiederum eine Einstandspflicht der zahlungsfähigen Mitglieder für die Anteile der nicht zahlungsfähigen angeordnet worden. Gegenüber einer Inanspruchnahme auf Schadensersatz konnte das Mitglied eines Kollegiums schließlich einwenden, daß das Versehen durch den unrichtigen Vortrag eines anderen verursacht, daß die Verfügung nicht gemäß dem Beschluß des Kollegiums abgefaßt oder daß der Schaden durch andere Pflichtwidrigkeiten entstanden war. Infolgedessen mußte sich der Staat in erster Linie an das Mitglied halten, das den Schaden verschuldet hatte, in zweiter Linie an den Vorgesetzten, wenn dieser den Schaden hätte verhüten können. Die übrigen Mitglieder hafteten aber subsidiär, sofern sie durch besondere Gesetze zur Aufmerksamkeit auf die Handlungen ihrer Kollegen verpflichtet waren (II 10 §§ 131 bis 133 PrALR) 4 0 7. Zweifel an der Deliktsnatur des Anspruchs im Innenverhältnis; Deklaration vom 31. März 1838 zu I 6 § 54 PrALR (Verjährung) Die These von der Natur des Anspruchs im Innenverhältnis als solcher „ex delicto" oder „quasi ex delicto" herrschte jedoch nicht unangefochten. 39
Gesetzesrev. Pens. XII. Mot. S. 78, abgedruckt bei: von Rönne, § 129 Anm. 1 (S. 87). 40 Letztere Bestimmung lief jedoch leer, weil entsprechende Gesetze nicht existierten, vgl. Eccius, in Förster, S. 503.
5 8 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
Vielmehr mehrten sich die Stimmen, die den Anspruch des Staates gegen seinen Beamten bei Vermögensbeschädigungen als „quasivertraglichen" Anspruch ansahen und diesen „analog contractlichen" behandeln wollten 4 1 . Hierzu zählte auch Otto Mayer 42, der sich noch 1917 gegen die ergänzende Heranziehung deliktischer Grundsätze in Preußen vehement zur Wehr setzte: „Wo die aus dem Dienstverhältnisse fließende Ersatzpflicht zivilrechtlich geordnet ist, wie in Preußen, ist sie als vertragliche angesehen, die als solche das Deliktsrecht ausschließt gemäß allgemeinen Grundsätzen. Immerhin wird dieses hier noch leichter herangezogen werden, um bei der schonenden Handhabung der Haftungsansprüche, die auch hier gilt, das Mindestmaß zu liefern. Da man doch einmal auf dem Boden des Zivilrechts steht, greift man statt zu den vertragsrechtlichen, ganz leicht zu den deliktsrechtlichen Bestimmungen, als wären sie ein besonderer, engerer Kreis von jenen. 4 3 " Diese Einschätzung wurde getragen von einer Entscheidung des Gesetzgebers. Denn gemäß Ziffer 2 der Deklaration vom 31. März 1838 44 fand I 6 § 54 PrALR, der für Ansprüche aufgrund Deliktes eine kurze dreijährige Veijährungsfrist vorsah, nur „Anwendung auf Entschädigungsansprüche, welche gegen öffentliche Beamte aus ihrer Amtsführung von dritten Personen, nicht aber auf solche, welche von dem Staat oder demjenigen, in dessen Diensten der Beamte steht, erhoben werden". Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs des Staates gegen den Beamten richtete sich somit nach der ordentlichen Verjährungsfrist für „Contractsklagen" gemäß I 9 § 632 PrALR: „bei der Verjährung durch Nichtgebrauch erlöschen die Rechte des Fiskus (...) nach Ablauf von 44 Jahren" 45 .
II. Die Rechtslage in den anderen deutschen Territorialstaaten, insbesondere in Bayern und Sachsen Eine Haftpflicht des Beamten gegenüber dem Staat gab es im größten Teil Deutschlands. Die Landesbeamtengesetze beschränkten sich aber zumeist auf die Normierung salvatorischer Verantwortlichkeitsklauseln 46 nach dem Vorbild des § 13 des Reichsbeamtengesetzes von 1873, auf die sogleich noch eingegangen werden wird 4 7 . Besondere Bedeutung für die wei41
Dernburg, S. 550. Otto Mayer, AöR Bd. III, S. 75 f. 43 Otto Mayer; Deutsches Verwaltungsrecht, S. 379. 44 GS S. 252. 45 Vgl. Hauser, S. 32 f. 46 Z.B. in Anhalt die §§ 14, 16 des Gesetzes, den Zivilstaatsdienst betreffend vom 22. Dezember 1875; in Braunschweig die §§ 18, 19 des Gesetzes über den Zivilstaatsdienst vom 4. April 1899. 42
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tere Entwicklung der Beamtenhaftung im Innenverhältnis erlangte dagegen die Rechtslage in den Ländern Bayern und Sachsen. 1. Die Verantwortlichkeit der bayerischen Beamten gegenüber ihrem Dienstherrn a) Beamtenhaftung nach den Grundsätzen des partikularen und gemeinen Rechts bis 1908 In Ermangelung einer einheitlich-positivrechtlichen Regelung hinsichtlich der Innenhaftung des Beamten galten in Bayern bis zum Jahre 1908 subsidiär die Rechtsgrundsätze des römischen Rechts in Gestalt des sogenannten gemeinen Rechts fort. Danach stand es in allen Zweigen der Staatsverwaltung außer Frage, daß der Beamte für vorsätzliche und fahrlässige Schädigungen seines Dienstherrn einzustehen hatte 48 . Auch eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter war dem gemeinen Recht bereits bekannt 49 . Allerdings waren durch die territorialen Veränderungen bis zum Jahr 1815 eine Vielzahl von Bestimmungen in Sondervorschriften niedergelegt worden, denen zwar Anwendungsvorrang vor dem gemeinen Recht zukam 5 0 , die aber jeweils nur für bestimmte Landesteile oder Beamtenklassen galten 51 . Daher verblieb die Schadensersatzpflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn unter der Herrschaft des gemeinen Rechts ein „unsicheres Terrain" 5 2 . In den ehemaligen Fürstentümern Ansbach und Bayreuth, die vormals zu Preußen gehört hatten, fanden sogar die Vorschriften der I I 10 §§ 88 bis 91 und 127 bis 145 des Allgemeinen Preußischen Landrechts Anwendung 53 . Dort, wo die Gesetze Lücken offenließen, wurden diese durch die ananloge Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze oder durch Dienstvorschriften ausgefüllt 54 . So lautete beispielsweise § 30 Ziff. 1 Abs. 1 der Allgemeinen Dienstvorschriften für die Angehörigen der Bayerischen Verkehrsanstalten: „Jeder Angehörige der Königlichen Verkehrsanstalten haftet für den richtigen und vollständigen Vollzug des ihm übertragenen Dienstes, sowie für alle durch seine Schuld eingetretenen Unfälle, Verluste, Beschädigungen und sonstigen Nachteile. 55 " 47
Siehe dazu unter III. von Sutner, Art. 13 BayBG Anm. 1 (S. 18); Windscheid, S. 676 f.; Zoepfl, S. 792. 49 Winscheid, S. 678. 50 Aufzählung bei Reindl, Art. 13 BayBG Anm. 1 (S. 77 f.). 51 Reindl, Art. 13 BayBG Anm. 1 (S. 77). 52 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 1. a). 53 Hauser, S. 33. 54 Hösch, S. 16; Reindl, Art. 13 BayBG Anm. 1 (S. 78). 48
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
Schließlich waren die Beamten seit der Jahrhundertwende gemäß Art. 60 Abs. 4 des Bayerischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch 5 6 (Bay AGBGB) auch bereits für die mittelbare Schädigung ihres Dienstherrn verantwortlich, wenn und soweit dieser einem Dritten aufgrund seiner Verpflichtung aus Art. 60 Abs. 1 Bay AGBGB für die von seinem Beamten in Ausübung hoheitlicher Gewalt verübte Amtspflichtverletzung Ersatz geleistet hatte 57 . b) Art. 13 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 16. August 1908 Da sich weder die Hauptlandespragmatik aus dem Jahre 1805 noch das Staatsdieneredikt von 1818 der Materie angenommen hatten 58 , erfolgte eine einheitliche Kodifikation der vermögensrechtlichen Haftung des Beamten gegenüber dem Staat in Bayern erst im Jahre 1908 durch Art. 13 des Beamtengesetzes vom 16. August 5 9 : (1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig seine Amtspflicht, so haftet er dem Staat für den diesem daraus entstehenden Schaden. (2) Die Vorschriften der §§ 827, 830, des § 840 Abs. 1, des § 852 Abs. 2 und des § 853 des Bürgerlichen Gesetzbuches finden entsprechende Anwendung. (3) Der Anspruch des Staates auf Schadensersatz verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem eine zur Geltendmachung des Anspruchs zuständige Behörde von dem Schaden und der Person des ersatzpflichtigen Beamten Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an. Besteht der Schaden darin, daß der Staat wegen einer durch eine Amtspflichtverletzung erfolgten Schädigung eines Dritten diesem Ersatz leisten muß, so beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt, in dem die Ersatzpflicht des Staates dem Beschädigten gegenüber anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist. Art. 13 BayBG (1908), der als erste Vorschrift sowohl die Haftung des Beamten für die unmittelbare als auch für die mittelbare Schädigung seines Dienstherrn regelte 60 , kann als fortschrittlich bezeichnet werden, obwohl eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht Gesetz geworden war. Wie sich aus den Motiven zum Bayerischen Beamtengesetz ergibt, hatte man befürchtet, ein solcher Bruch mit dem bisherigen Recht könnte ein Nachlassen des Verantwortlichkeitsgefühls der Beamtenschaft zur Folge haben und damit den Interessen des Staates und der 55 56 57 58 59 60
Abgedruckt bei Hösch, S. 16. Gesetz vom 9. Juni 1899. Hauser, S. 34; Hösch, S. 16. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, GVB1. S. 581 ff. Hauser, S. 35.
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Allgemeinheit zuwiderlaufen 61 . Der Haftungsmaßstab war somit derselbe wie in Preußen. Im Unterschied zu den Bestimmungen des Allgemeinen Preußischen Landrechts war der Haftungsumfang nach Art. 13 BayBG (1908) jedoch weder nach Verschuldensgraden abgestuft noch war die Verantwortlichkeit des Beamten eine bloß subsidiäre. Die mittlerweile im Außenverhältnis vorhandene Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB war vom bayerischen Gesetzgeber in Art. 13 Abs. 2 BayBG (1908) bewußt nicht mit aufgeführt worden. Man hatte insoweit den Standpunkt vertreten, daß die Subsidiarität im Außenverhältnis dem Beamten ohnehin mittelbar zugute kommen würde, wenn er in Ausübung eines öffentlichen Amtes einen Dritten geschädigt hatte. Ferner ging man davon aus, daß der Beamte in der Praxis auch ohne gesetzlich angeordnete Subsidiarität regelmäßig erst dann in Anspruch genommen werden würde, wenn die Heranziehung eines ersatzpflichtigen Dritten aussichtslos oder mit allzu großen Schwierigkeiten verbunden sei 6 2 . Als gewisses Äquivalent für das Fehlen der Subsidiarität kann es angesehen werden, daß, wie sich ebenfalls aus den Gesetzesmotiven ergibt, durch die von § 839 BGB abweichende Formulierung „der Beamte haftet" anstelle von „der Beamte hat zu ersetzen", den Behörden die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, den verantwortlichen Beamten überhaupt nicht oder nicht in voller Höhe heranzuziehen, wenn dies im Einzelfall aus Gründen der Fürsorge angezeigt erschien 63 . Auch das Bayerische Beamtengesetz von 1908 hatte damit ein „Einfallstor" für die Berücksichtigung von Billigkeitsgesichtspunkten geschaffen, um eine allzu strenge Haftung der Beamten zu vermeiden. In Bayern war es zu dieser Zeit bereits weitgehend anerkannt, daß nicht nur das Beamtenverhältnis als solches, sondern auch der Ersatzanspruch des Dienstherrn dem öffentlichen und nicht dem privaten Recht zugehörte 64 . Gleichwohl hatte man sich bei der Konzeption der Beamtenhaftung im Innenverhältnis von den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die unerlaubten Handlungen leiten lassen und diese teilweise für entsprechend anwendbar erklärt 65 . Hervorzuheben sind die dem § 852 BGB nachgebildete VerjährungsVorschrift des Art. 13 Abs. 3 BayBG (1908) sowie die Verweisung auf die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter gemäß §§ 830, 840 BGB in dessen Absatz 2. Auch im übrigen, insbesondere hinsichtlich des Haftungsumfangs, des gesamtschuldnerischen Innenausgleichs 61
Motive, S. 99 wiedergegeben bei: Reindl, Art. 13 BayBG Anm. 5 (S. 80). von Sutner, Art. 13 BayBG Anm. 1 (S. 19). 63 Motive, S. 99 bei Reindl, Art. 13 BayBG Anm. 9 (S. 83). 64 Hösch, S. 11 f.; Reindl, Art. 13 BayBG Anm. 1 und Fn. 1 (S. 78); für das bayerische Recht auch Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 372 f. 65 von Sutner, Art. 13 BayBG Anm. 1 (S. 19). 62
62
1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
und des Fahrlässigkeitsbegriffs, ging man im Schrifttum von einer hilfsweisen Heranziehung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 249 ff., 276, 426 BGB) aus 66 2. Innenhaftung der „Staatsdiener" im Königreich Sachsen a) Verantwortlichkeit gegenüber dem Landesherrn vor Inkrafttreten der Sächsischen Verfassung von 1831 Einen vollkommen anderen Verlauf nahm die Rechtsentwicklung im Königreich Sachsen. Hier war bereits sehr früh durch das „Reskript, die Klagen gegen kurfürstliche in officio fehlende Diener betreffend, vom 18. Oktober 1796" 6 7 und die „Generale, die Einrichtung eines Depositenwesens bei den Patrimonialgerichten betreffend, vom 20. Juni 1817" 6 8 eine unmittelbare Haftung des Staates für die durch die pflichtwidrigen Handlungen der „Staatsdiener" angerichteten Schäden eingeführt worden. Im Außenverhältnis haftete danach nur der Staat. Eine persönliche Verantwortlichkeit des Beamten gegenüber dem geschädigten Bürger bestand regelmäßig nicht 6 9 . Dagegen war der Beamte dem Landesherrn zum Ersatz aller Schäden verpflichtet, die diesem aus einer schuldhaften Pflichtverletzung erwuchsen. Dieses Recht folgte, soweit es nicht spezialgesetzlich geregelt war, „aus der Machtfülle des Herrschers" 70 . b) Beschränkung der Haftung des Beamten bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn auf grobe Fahrlässigkeit durch § 1507 des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches von 1865 Erst im Gefolge des Erlasses der Sächsischen Verfassung von 1831 begann sich der Grundsatz herauszubilden, daß der Beamte wegen der Verletzung seiner Dienstpflichten zivilrechtlich unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung auch dem Bürger gegenüber haftbar war. Der Geschädigte konnte nunmehr gegen den Staat, den Beamten oder gegen beide zugleich Klage erheben 71 . „ U m den Staatsdienern die Last der Verantwortung zu erleichtern und ihnen die im Interesse der Gesamtheit erforderliche Unbefangenheit und Entschlossenheit zu wahren" 72 , wurde nun in mehreren 66
S. 20. 67
68 69 70 71
Reindl, Art. 13 BayBG (1908) Anm. 8; von Sutner, Art. 13 BayBG (1908), C.A.C. III. Abt. I, S. 23. C.A.C. III. Abt. I, § 15, S. 301 ff. Fessier, S. 121. Fessier, S. 121 f. Fessier, S. 126; Woydera/Summer/Zängl,
§ 97 SächsBG Anm. 1 b).
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
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Einzelvorschriften bestimmt, daß der Beamte nicht jede schuldhafte Dienstpflichtverletzung zu vertreten hatte. Die wichtigste dieser Bestimmungen enthielt das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1865 (BGB f.d.K. Sachsen). § 1507 BGB f.d.K. Sachsen lautete: Von dem Staate oder von Gemeinden angestellte Verwaltungsbeamte haften für den Schaden, welchen sie bei Behandlung der ihnen obliegenden Geschäfte absichtlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursachen, ausgenommen wenn der Beschädigte unterlassen hat, die gesetzlichen Mittel zu gebrauchen, durch welche er die Schadenszufügung hätte abwenden können.73 § 1507 BGB f.d.K. Sachsen betraf nicht allein die Haftung des Beamten gegenüber dem geschädigten Bürger, sondern regelte zugleich die Voraussetzungen, unter denen der Beamte dem Staate gegenüber zum Regreß für dessen mittelbare Schädigung verantwortlich w a r 7 4 Anders als nach preußischem und bayerischem Recht hafteten die sächsischen Beamten daher für Fremdschäden „bei Behandlung der ihnen obliegenden Geschäfte" nur für „Absicht" und grobe Fahrlässigkeit. Das Wort „Absicht" war, wie sich aus der Legaldefinition des § 121 BGB f.d.K. Sachsen ergab, gleichbedeutend mit dem Begriff des Vorsatzes. Die grobe Fahrlässigkeit war, dem heutigen Verständnis bereits ebenfalls entsprechend, in § 122 BGB f.d.K. Sachsen umschrieben als Außerachtlassung der Sorgfalt, „die gewöhnlich auch ein minder ordentlicher und aufmerksamer Mensch beobachtet". Die Haftung des Beamten im Innenverhältnis bei unmittelbarer Schädigung des Staates wurde hingegen nicht der Vorschrift des § 1507 BGB f. d. K. Sachsen entnommen. Insoweit galt vielmehr der Grundsatz fort, daß der Beamte jede schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten vertreten mußte 75 . Auch nach sächsischen Recht hafteten mehrere Beamte als Gesamtschuldner 76. Die Verjährungsfrist betrug allgemein dreißig Jahre (§§ 150, 1016 BGB f.d.K. Sachsen). Die Verantwortlichkeit des Beamten wurde in Sachsen - ebenso wie in Preußen - noch durchweg als privatrechtliche angesehen. Fessier hat sie in seiner Schrift zur „Entwicklung des sächsischen Staatsdienerrechts im 19. Jahrhundert" als Haftung deliktischer Natur bezeichnet: „Denn die Dienstpflicht ist keine Vertragspflicht des Staatsdieners gegen den Staat, sondern eine Rechtspflicht auf deren Erfüllung auch der Untertan ein Recht hat (...). Also auch dem Staate haftet der Staatsdiener aus unerlaubter Handlung. 7 7 " 72
Fessier, S. 123. Text bei Siebenhaar/Pöschmann, S. 355 f. 74 Fessier, S. 125; Hauser, S. 37; anders: Gehre, S. 32 (nur Haftung gegenüber dem Bürger). 75 Fessier, S. 125. 76 § 1020 BGB f.d.K. Sachsen abgedruckt bei: Siebenhaar/Pöschmann,, S. 355 f. 73
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
III. Die Regelung der Haftung der Beamten auf Reichsebene und die Fortgeltung der Partikularrechte im Deutschen Reich nach 1871 und in der Weimarer Republik 1. Die Verantwortlichkeit der Reichsbeamten nach den §§ 13, 19 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 Schon bald nach der Gründung eines Deutschen Reiches im Jahre 1871 wurde ein Gesetz verabschiedet, welches die Rechtsverhältnisse der Beamten des Reiches regelte. Das Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 (RBG) war im wesentlichen dem preußischen Beamtenrecht nachgebildet 78 . Über die materiellen Voraussetzungen der Haftpflicht des Beamten war dem Reichsbeamtengesetz jedoch keine Aussage zu entnehmen, da man beabsichtigte, die daran anknüpfenden Fragen durch den Erlaß eines besonderen Beamtenverantwortlichkeitsgesetzes oder eines Reichszivilgesetzbuches zu regeln 79 . Hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Reichsbeamten bestimmte § 13 RBG daher lediglich, daß „jeder Reichsbeamte (...) für die Gesetzmäßigkeit seiner amtlichen Handlungen verantwortlich" sein sollte. Verantwortlichkeit bedeutete auch hier die strafrechtliche, disziplinarrechtliche und haftungsrechtliche Verantwortlichkeit 80 , wobei letztere bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 die Pflicht zum Schadensersatz sowohl gegenüber dem Dienstherrn als auch gegenüber Dritten umfaßte. Bis zur geplanten Neuregelung der Materie sollten die einschlägigen partikularrechtlichen Normen auf die Haftung der Reichsbeamten angewendet werden. Welche Vorschriften dies waren, bestimmte § 19 Abs. 1 RBG: „ A u f die Rechtsverhältnisse der aktiven und der aus dem Dienste geschiedenen Reichsbeamten, über welche nicht durch Reichsgesetz Bestimmung getroffen ist, finden diejenigen gesetzlichen Vorschriften Anwendung, welche an ihren Wohnorten für die aktiven, beziehungsweise für die aus dem Dienste geschiedenen Staatsbeamten gelten." Folglich richtete sich die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit der Reichsbeamten nach dem Recht ihres Wohnsitzes. Es hafteten also die Reichsbeamten mit Wohnsitz in Preußen gemäß der I I 10 §§88 bis 91, §§127 bis 145 PrALR 8 1 tatbestandlich unbeschränkt, jedoch subsidiär, während etwa in Sachsen wohnhafte Reichsbeamte nach sächsischem Recht, das heißt, primär, aber zum Teil auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt, hafteten. Die damit festgeschriebene, signifikant unterschiedliche Rechtsstellung der Be-
77 78 79 80 81
Fessier, S. 120 f. und S. 125. Borgs-Maciejewski, S. 59. Hauser, S. 42. Brand, § 13 RBG Anm. A. 1. (S. 119). Arndt, § 13 RBG Anm. 3 (S. 53); Brand, § 13 RBG Anm. A. 5. (S. 120).
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amten des Reiches gegenüber ihrem Dienstherrn, die wegen des Scheiterns einer einheitlichen Regelung bis zum Jahre 1937 bestehen bleiben sollte, ist in der Geschichte der Beamtenhaftung ohne Beispiel und war alles andere als befriedigend. 2. Die Trennung von Außen- und Innenhaftung des Beamten durch § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 1. Januar 1900 Mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 wurde nun die Haftung des Beamten gegenüber Dritten in § 839 BGB verselbständigt und von der Innenhaftung gegenüber dem Dienstherrn abgespalten. (1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommmen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) (...) (3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Es war allgemeine Auffassung, daß § 839 BGB die Innenhaftung des Beamten nicht regelte, weil der Staat nicht als „Dritter" im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden konnte 82 . Für die Verantwortlichkeit des Beamten gegenüber dem Staat beließ es Art. 80 des Einführungsgesetzes zum BGB vom 18. Januar 1896 (EGBGB) bei der bestehenden Rechtslage: „Unberührt bleiben, soweit nicht im BGB eine besondere Bestimmung getroffen ist, die landesgesetzlichen Vorschriften über die vermögensrechtlichen Ansprüche und Verbindlichkeiten der Beamten (...)." Dort, wo keine landesrechtlichen Bestimmungen über die Innenhaftung der Beamten existierten, wurden seitdem von der Rechtsprechung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Dienstvertrag aus den §§ 611 ff. BGB analog angewandt 83 . Die Begründung des Reichsgerichts hierfür beweist, wie sehr man in der Rechtsprechung auch noch 1906 der Gleichsetzung von vermögensrechtlichen mit privatrechtlichen Ansprüchen verhaftet war: „Es ist zwar richtig (...), daß das Staatsbeamtenverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur ist (...). Das schließt aber keineswegs aus, daß das Beamtenverhältnis nicht nur für den Beamten, sondern auch für den Staat privatrechtliche Wirkungen hervorbringt (...), welche in Ermangelung 82 83
Arndt, § 13 RGB Anm. 3 (S. 53), Delius, S. 109. RG, Urt. v. 26.06.1906, RGZ 63, 430 (432); Arndt, § 13 RBG Anm. 3 (S. 53).
5 Beckmann
6 6 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
positiver Gesetzesbestimmungen und aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Beamtenverhältnisses sich ergebender Ausnahmen, nach Analogie des Dienstvertrages zu beurteilen sind 8 4 . In seinem Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts merkt Otto Mayer zu dieser Entscheidung an: „Allein wie soll das ein öffentlichrechtliches Verhältnis sein, das zwischen den Beteiligten privatrechtlich wirkt? Das Beamtenverhältnis wird in Wahrheit hier ganz als zivilrechtliches Dienstverhältnis beurteilt, soweit nicht (...) das öffentliche Recht sich gar zu aufdringlich bemerkbar macht. Das ist der Standpunkt des 18. Jahrhunderts 85 ". Unter maßgeblichem Einfluß der Rechtslehre entschied das Reichsgericht dann im Jahre 1916 erstmals, daß der Anspruch des Dienstherrn gegen den Beamten auf Schadensersatz wegen dessen unmittelbarer Schädigung nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur sei: „Das Beamtenverhältnis ist in all seinen Beziehungen, auch soweit sie die vermögensrechtliche Seite betreffen, ein öffentlich-rechtliches Verhältnis" 86 . Im Jahre 1920 fand das Gericht Gelegenheit diesen Standpunkt zu bekräftigten: „Schon der Ausgangspunkt (...), als ob Geld oder überhaupt Vermögenswert an sich (...) etwas Privatrechtliches anzeige und darstelle, ist durchaus rechtsirrig 87 ". 3. Auswirkungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten Wenngleich das Bürgerliche Gesetzbuch die Innenhaftung des Beamten keiner neuen Regelung unterworfen hatte, gab es dennoch Auswirkungen auf den Haftungsanspruch des Dienstherrn. Zum einen hatte der Reichsgesetzgeber die Organhaftung öffentlich-rechtlicher Körperschaften im privatrechtlichen Bereich (§§ 89, 31 BGB) normiert, wodurch die Regreßhaftung des Beamten, vorläufig noch beschränkt auf den Bereich fiskalischer Tätigkeit, an Bedeutung gewann. Der Beamte haftete nun nicht mehr nur für die unmittelbare Schädigung seines Dienstherrn, sondern auch dann, wenn er einen Dritten geschädigt hatte, dem der Dienstherr seinerseits aufgrund der §§ 31, 89 BGB oder gemäß § 278 BGB bzw. § 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet war 8 8 . Zum anderen ging die herrschende Meinung davon aus, daß mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches die allgemeinen Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches an die Stelle der Vorschriften des I 6 § 10 ff. PrALR getreten waren. Somit fand nunmehr die allgemeine 84 85 86 87 88
RG, Urt. v. 26.06.1906, RGZ 63, 430 (432). Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 374 (Fn. 49). RG, Urt. v. 15.12.1916, WarnJB (10. Jahrg.), Erg.Bd., Nr. 53, 73. RG, Urt. v. 30.04.1920, RGZ 99, 41 (45). Brand, § 13 RBG Anm. C) I. 1. (S. 129).
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Verjährungsvorschrift des § 195 BGB auf den Anspruch des Dienstherrn im Innenverhältnis Anwendung 89 , während sich der Haftungsumfang fortan nach den §§ 249 ff. BGB bestimmte 90 . 4. Entstehung der Beamtenhaftung für mittelbare Schädigung des Dienstherrn in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit durch Einführung einer allgemeinen Reichs- und Staatshaftung Obwohl dem Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches die wissenschaftlichen Anschauungen bekannt gewesen waren, deren Vertreter gegen Ende des letzten Jahrhunderts eine zivilrechtliche Verbandshaftung des Staates auch im hoheitlichen Bereich forderten, hatte sich dieser bewußt auf eine Normierung der Organhaftung des Staates im privatrechtlichen Bereich beschränkt und darauf verzichtet, eine allgemeine Staatshaftung einzuführen. Dadurch sollte ein Übergriff in den Kompetenzbereich der Landesgesetzgebung vermieden werden 91 . Nach Art. 77 EGBGB blieb die Regelung der Haftung des Staates und der Kommunalverbände für den von ihren Beamten in Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt verursachten Schaden daher Sache der Landesgesetzgebung. Es begann jedoch nun, nachdem sich die Auffassung, daß eine Haftung des Staates für das Fehlverhalten seiner hoheitlich tätigen Beamten unumgänglich sei, auch in der Staatspraxis durchgesetzt hatte, in den Ländern eine rasch voranschreitende Entwicklung, welche darauf zielte, in Ausfüllung des Vorbehalts aus Art. 77 EGBGB an die Stelle der persönlichen Haftung des einzelnen hoheitlich handelnden Beamten, eine Haftung des Staates treten zu lassen. Diese Staatshaftung war sowohl dem Schutz des geschädigten Bürgers durch Gestellung eines solventen Schuldners als auch der Erhöhung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung sowie dem Schutz des leistungsschwachen Beamten zu dienen bestimmt 92 . Gleichzeitig mußten die betreffenden Staatshaftungsgesetze aber auch eine Rückgriffsmöglichkeit gegen den Beamten vorsehen, da man befürchtete, die Beamten würden es anderenfalls bei der Erledigung ihrer Amtsgeschäfte an der gebotenen Sorgfalt fehlen lassen 93 .
89
Brand, § 13 RBG Anm. C) I. 3. d) (S. 130). RG, Urt. v. 22.02.1918, RGZ 92, 236 (237); Delius, S. 110; anderer Ansicht: Cohn, S. 344 ff. 91 Vgl. BVerfG, Urt. v. 19.10.1982, BVerfGE 61, 149 (178 ff.). 92 Schütz, S. 82. 93 Hauser, S. 47. 90
5*
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
a) Haftung des Staates in Grundbuchangelegenheiten und Rückgriffsprivileg der preußischen Grundbuchbeamten In Liegenschaftssachen war bereits durch § 12 der Reichsgrundbuchordnung vom 24. März 1897 94 , die zusammen mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch am 1. Januar 1900 in Kraft getreten war, die persönliche Haftung des Beamten aus § 839 BGB auf den Staat übergeleitet worden: Verletzt ein Grundbuchbeamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm obliegende Amtspflicht, so trifft den Beteiligten gegenüber die im § 839 BGB bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Das Recht des Staates oder der Körperschaft, von dem Beamten Ersatz zu verlangen, bleibt unberührt. Hierzu erging in Preußen Art. 8 des Preußischen Ausführungsgesetzes zur Grundbuchordnung 95 (PrAusfG) vom 26. September 1899: Verletzt ein Grundbuchbeamter vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegende Amtspflicht, so trifft ihn dem Staate gegenüber die im § 839 BGB bestimmte Verantwortlichkeit. Die im § 852 Abs. 1 BGB vorgesehene dreijährige Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Ersatzpflicht des Staates von diesem dem Verletzten gegenüber anerkannt oder dem Staate gegenüber rechtskräftig festgestellt ist. Damit war für die Haftung der preußischen Grundbuchbeamten bei mittelbarer Schädigung ihres Dienstherrn in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit ein besonderes Haftungsprivileg vorgesehen worden. Während die übrigen preußischen Beamten, jedenfalls pro forma, noch jede Form fahrlässigen Handelns zu vertreten hatten, hafteten die preußischen Grundbuchbeamten lediglich bei grob fahrlässiger Außerachtlassung ihrer Amtspflichten. In der Gesetzesbegründung hieß es, der Grund für die Besserstellung der Grundbuchbeamten sei die Erwägung gewesen, daß im Grundbuchverkehr die Gefahr, daß ein Beamten versehen zu Schädigungen Dritter führe, größer sei als auf anderen Rechtsgebieten. Könne aber der Grundbuchbeamte wegen jeden Versehens in Anspruch genommen werden, so wäre die Folge davon eine übertriebene Ängstlichkeit und die häufige Zurückweisung von Anträgen. Eine allzu straffe Handhabung des staatlichen Rückgriffsrechts würde daher nicht nur dem Beamten selbst, sondern im Ergebnis auch den Rechtssuchenden nachteilig sein 96 . In der Literatur wurde Art. 8 PrAusfG zur GBO später als Norm gewürdigt, mit der eine „bedeutsame Bresche in das Gefüge der Haftungsregelung geschlagen worden war, die beispielhaft für eine weitere Umgestaltung der beamtenrechtlichen Innenhaftung" werden sollte 97 . 94 95 96
RGBl. S. 139. RGBl. S. 307. Wiedergegeben bei: Rothe, S. 2873.
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
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b) Das Preußische Gesetz vom 1. Oktober 1909 sowie das Reichsgesetz vom 10. Mai 1910 In Preußen wurde durch § 1 des „Gesetzes über die Haftung des Staates und anderer Verbände für die Amtspflichtverletzungen von Beamten in Ausübung der öffentlichen Gewalt vom 1. August 1909 9 8 " schließlich eine generelle Amtshaftung begründet. (1) Verletzt ein unmittelbarer Staatsbeamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die in § 839 BGB bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat. (2) Ist die Verantwortlichkeit des Beamten deshalb ausgeschlossen, weil er den Schaden im Zustande der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat, so hat gleichwohl der Staat den Schaden zu ersetzen, wie wenn dem Beamten Fahrlässigkeit zur Last fiele, jedoch nur insoweit, als die Billigkeit die Schadloshaltung erfordert. Ein Jahr später folgte das Reich dem Vorbild Preußens. Das „Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22. Mai 1910"" entsprach inhaltlich dem preußischen Staatshaftungsgesetz. Der den beiden Gesetzen zugrundeliegende Beamtenbegriff wurde von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Das Reichsgericht sah als „Staatsbeamten" im Sinne dieser Vorschriften nicht nur an, wer als solcher angestellt war, sondern vielmehr jede Person, die vom Staate mit der Ausübung von Hoheitsrechten betraut worden w a r 1 0 0 . Der Staat mußte demnach auch für das Fehlverhalten nichtbeamteter Personen aufkommen, sofern diese hoheitlich tätig geworden waren. Es war damit die Rechtsfigur des „Beamten im haftungsrechtlichen Sinne" geboren. Zudem regelten die Vorschriften des § 3 des preußischen Gesetzes sowie des § 2 des Reichsgesetzes die Rückgriffsmöglichkeit des Dienstherrn in identischer Weise: Der Staat (Das Reich) kann von dem Beamten Ersatz des Schadens verlangen, den er (es) durch die in § 1 Abs. 1 bestimmte Verantwortlichkeit erleidet. Der Ersatzanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Ersatzanspruch diesem gegenüber von dem Staat (dem Reiche) anerkannt oder dem Staat (dem Reiche) gegenüber rechtskräftig festgestellt ist. Der Beamte haftete danach zwar auch bei mittelbarer Schädigung seines Dienstherrn in Erfüllung hoheitlicher Pflichten für Vorsatz und jede Form 97
Rothe, S. 2873; Schulze-Böhler, S. 93. GS. S. 691. 99 RGBl. S. 798. 100 RG, Urt. v. 19.11.1907, RGZ 67, 117 (118); RG, Urt. v. 02.07.1926, RGZ 114, 197 (200 f.). 98
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
von Fahrlässigkeit. Doch war der Behörde bei der Inanspruchnahme des Beamten ein Ermessensspielraum eröffnet worden, wie sich aus der Formulierung „kann (...) verlangen" ergibt 1 0 1 . Ebenso wie bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn bestand also auch beim Rückgriff des Dienstherrn wegen mittelbarer Schädigung in Ausübung hoheitlicher Gewalt eine Möglichkeit, von der Innenhaftung nur zurückhaltend Gebrauch zu machen und den Beamten nach Möglichkeit mit Ersatzansprüchen zu verschonen 102 . Entsprechend der noch überwiegenden Rechtsauffassung von der Staatshaftung als privatrechtlicher Geschäftsherrnhaftung, war der Regreßanspruch des Staates als deliktischer Anspruch ausgestaltet worden, für dessen Geltendmachung nach dem Grundsatz des § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) der Zivilrechtsweg gegeben war. Erneut erschließt sich das Dilemma der „Verschleppung zivilrechtlicher Ideen auf das Gebiet des öffentlichen Rechts" durch eine Bemerkung Otto Mayers: „so ist denn hier mitten in das Dienstrechtliche ein vereinzeltes Stück Deliktsrecht hineingestellt, das wir anhangweise dem hier (...) behandelten Stoffe beigeben mögen; es paßt nirgends recht h i n " 1 0 3 . Nur so ist zu erklären, daß, obwohl sich nun allgemein die Erkenntnis durchgesetzt hatte, daß das Beamtenverhältnis in all seinen Beziehungen, auch soweit sie vermögensrechtlicher Art sind, ein öffentlich-rechtliches Verhältnis darstellt, dies nicht in gleichem Maße für den Rückgriffsanspruch des Dienstherrn wegen Amtspflichtverletzung galt 1 0 4 . Das Reichsgericht war noch 1923 im Zweifel: „Der Anspruch aus § 2 des Reichshaftungsgesetzes ist zwar ein bürgerlich-rechtlicher i.S.v. § 13 GVG, gehört aber ebenso wie der gegen das Reich gerichtete Schadensersatzanspruch des § 1 seinem Wesen nach dem öffentlichen Rechte a n 1 0 5 " . Erst das Deutsche Beamtengesetz von 1937 brachte den endgültigen Durchbruch zur öffentlich-rechtlichen Betrachtungsweise auch hinsichtlich des Rückgriffsanspruches bei hoheitlicher Tätigkeit 1 0 6 . 5. Verfassungsrechtliche Perpetuierung der Amtshaftung sowie des Rückgriffsvorbehaltes durch Art. 131 Abs. 1 WRV Auch in der Weimarer Republik, die 1919 nach dem Zusammenbruch der Monarchie und dem Ende des ersten Weltkrieges in Deutschland entstand, blieb es, soweit es die Innenhaftung der Beamten betrifft, bei der bestehenden Rechtslage. Art. 131 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), der die 101 102 103 104 105 106
Delius, S. 75; Hauser, S. 47; Helfritz. S. 67. Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 373 und 379. Otto Mayer, Verwaltungsrecht, S. 382. Borgs-Maciejewski, S. 66. RG, Urt. v. 13.03.1923, JW 1923, 988 (988). Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 1. d).
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Haftung des Staates für die hoheitlich handelnden Beamten, wie sie in Preußen und im Deutschen Reich seit 1909/10 gegolten hatte, nunmehr verfassungsrechtlich perpetuierte, erhielt folgenden Wortlaut: (1) Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden. (2) Die nähere Regelung liegt der zuständigen Gesetzgebung ob. Zwar wäre es aufgrund der neueren rechtswissenschaftlichen und höchstrichterlichen Erkenntnisse über die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Beamtenverhältnisses konsequent gewesen, wenn der Gesetzgeber die Streitigkeiten über die vermögensrechtlichen Fragen aus dem Beamtenverhältnis den Verwaltungsgerichten zur Entscheidung zugewiesen hätte 1 0 7 . Doch war die Verwaltungsgerichtsbarkeit noch im Aufbau begriffen und genoß weit weniger Ansehen und Vertrauen als die Zivilgerichtsbarkeit, zumal eine dem Reichsgericht entsprechende höchste Instanz noch fehlte 1 0 8 . Wohl aus diesen Gründen verwies Art. 131 Abs. 1 Satz 3 WRV - wie schon zuvor das Reichsgesetz vom 10. Mai 1910 - nicht nur hinsichtlich des Amtshaftungsanspruchs, sondern auch im Hinblick auf den Rückgriff auf den ordentlichen Rechtsweg. Da das Reichsgericht Art. 131 Abs. 1 WRV mit Gesetzeskraft für unmittelbar geltendes Recht erklärt hatte 1 0 9 , kam der Bestimmung praktisch vor allem die Bedeutung zu, daß nunmehr auch diejenigen Länder, die bisher noch keine dem preußischen Gesetz von 1909 und dem Reichsgesetz von 1910 entsprechenden Regelungen getroffen hatten, die Bestimmungen dieser Gesetze, wie sie in ihren Grundgedanken in Art. 131 Abs. 1 WRV wiederkehrten, als Reichsrecht für sich gelten lassen mußten 1 1 0 . 6. §§ 87 bis 89 des Entwurfs eines Deutschen Beamtengesetzes von 1928 In der relativ kurzen Zeit des Bestehens der Weimarer Republik kamen die Bestrebungen, ein einheitliches Beamtengesetz zu schaffen, nicht mehr zum Abschluß. Es waren aber bereits Vorarbeiten geleistet worden, auf denen das spätere Recht maßgeblich aufbaute 111 . So wurde am 14. Juni 1928 im Reichstag der Antrag gestellt, dem Gesetzentwurf eines Deutschen 107 108 109 110 111
Borgs-Maciejewski, S. 64. Borgs-Maciejewski, S. 64 f. St. Rspr. RG, Urt. v. 30.09.1921, RGZ 102, 391 (393). Helfritz, S. 70. Vgl. Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 77 BBG Rn. 1.
7 2 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
Beamtengesetzes112 die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. Der 572 Paragraphen umfassende Entwurf sah im Hinblick auf die Schadensersatzhaftung von Staat und Beamten in den §§ 87 bis 8 9 1 1 3 folgende Regelungen vor: § 87: (1) Hat der Beamte in Ausübung der ihm vom Dienstberechtigten übertragenen privatrechtlichen Verrichtungen oder in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm obliegende Amtspflicht verletzt und Schaden angerichtet, so trifft die Ersatzpflicht an Stelle des Beamten den Dienstberechtigten so weit, als der Beamte nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches haften würde. (2) Ist die Ersatzpflicht des Beamten deshalb ausgeschlossen, weil er den Schaden im Zustand der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat, so hat gleichwohl der Dienstberechtigte den Schaden zu ersetzen, wie wenn der Beamte schuldhaft gehandelt hätte, jedoch nur insofern, als die Billigkeit dies erfordert. (3) Dem Beschädigten steht der Rechtweg vor den bürgerlichen Gerichten offen. § 88: (1) Der Dienstberechtigte kann gegen den Beamten Rückgriff nehmen, wenn und soweit der Beamte vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. (2) Das Rückgriffsrecht des Dienstberechtigten reicht nicht weiter, als der Dienstberechtigte Schadensersatz geleistet hat. § 89: (1) Das Rückgriffsrecht des Dienstberechtigten verjährt in einem Jahr von dem Zeitpunkt ab, in dem der Ersatzanspruch des Dritten diesem gegenüber vom Dienstberechtigten anerkannt oder dem Dienstberechtigten gegenüber rechtskräftig festgestellt worden ist. (2) Das Rückgriffsrecht des Dienstberechtigten wird gegen den Beamten im Dienstrechtsstreit verfolgt. Der Entwurf, dem die Zustimmung letztlich versagt geblieben ist, war seiner Zeit zum Teil weit voraus. Bemerkenswert sind vor allem die Beschränkung der Haftung des Beamten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn in Wahrnehmung fiskalischer Aufgaben (§ 88 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1) sowie die sehr kurze Verjährungsfrist von nur einem Jahr (§ 89 Abs. 1). Allerdings fehlte es an einer Regelung über die Verantwortlichkeit des Beamten für eine unmittelbare Schädigung seines Dienstherrn.
1,2 113
RT-Drs. 4/24 (Gesetzesantrag Schuldt, Koch-Weser und Fraktion). Vorschriften zitiert nach Summer.
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
73
IV. Neuregelung der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit im Innenverhältnis durch § 23 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 Eine neue Rechtsgrundlage für die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn wurde erst durch das Deutsche Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 1 1 4 (DBG) geschaffen, das auf Reichs- und Landesbeamte gleichermaßen Anwendung fand 1 1 5 . § 23 DBG: (1) Verletzt ein Beamter schuldhaft seine Amtspflicht, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen; haben mehrere Beamte gemeinschaftlich den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Hat der Dienstherr einem anderen Schadensersatz geleistet, weil ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt seine Amtspflicht verletzt hat, so hat der Beamte dem Dienstherrn den Schaden nur insoweit zu ersetzen, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. (3) Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch auf den Beamten über. (4) Abs. 2 und 3 gelten auch, wenn eine Person, die nicht Beamter im Sinne dieses Gesetzes ist, in Ausübung der ihr anvertrauten öffentlichen Gewalt ihre Amtspflicht verletzt hat. 1. Haftung bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn Hinsichtlich der unmittelbaren Schädigung des Dienstherrn wurden in Preußen und im Reich die I I 10 §§ 88 bis 91, 127 bis 145 PrALR durch § 23 Abs. 1 DBG endgültig abgelöst 116 . Neu war vor allem, daß § 23 Abs. 1 DBG keine dem I I 10 § 91 PrALR entsprechende Subsidiarität der Haftung mehr vorsah. Der Beamte haftete daher seinem Dienstherrn jetzt primär und unmittelbar 117 . Als eine gewisse Kompensation dieser strengen, primären Haftung des Beamten kann § 23 Abs. 3 DBG angesehen werden, wonach eventuelle Ersatzansprüche des Dienstherrn gegen Dritte kraft Gesetzes auf den Beamten übergingen 118 . Neu war ferner auch, daß der Beamte fortan nicht mehr (nur) gegenüber seinem Anstellungsdienstherrn haftete, sondern gegenüber demjenigen, dessen Aufgaben er zur Zeit der 114
RGBl. I. S. 39. Hauser, S. 49. 116 Umstritten war, ob § 23 I DBG auch die Sondervorschriften der §§ 32, 33 RHO und §§ 92, 93 DGO verdrängte; dafür: Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 Anm. 9; dagegen: Hauser, S. 52. 117 Hauser, S. 50 f. 118 Hauser, S. 52. 115
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
Schädigung wahrgenommen hatte. Ob sich der Gesetzgeber diesen Veränderungen der Beamtenhaftung allerdings bewußt war, erscheint in Anbetracht der amtlichen Gesetzesbegründung fraglich. Dort hieß es: „Die in § 23 Abs. 1 DBG vorgeschriebene Haftpflicht des Beamten für die schuldhafte Verletzung seiner Amtspflicht entspricht dem bisherigen Recht. 1 1 9 " 2. Haftung bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn und Haftungsprivileg bei hoheitlicher Tätigkeit Bei der Haftung des Beamten für die mittelbare Schädigung seines Dienstherrn war zu differenzieren: § 23 Abs. 2 DBG beschränkte die Haftung bei einem Rückgriff des Dienstherrn wegen einer Amtspflichtverletzung seines Beamten allgemein auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Eine solche Beschränkung hatte seit 1900 nur für die preußischen und seit dem 1. April 1935 für alle deutschen Grundbuchbeamten bestanden 120 . Die Gesetzesbegründung führte dazu aus, die Regelung habe „sich als notwendig erwiesen. Der Beamte soll in Lagen, die schnellen Entschluß und schnelles Handeln fordern, in seiner Entschlußfähigkeit nicht dadurch gehemmt werden, daß er sich von Erwägungen über seine etwaige Haftung beeinflussen läßt". Es wurde „besonders an die Polizeibeamten erinnert, die häufig sehr schnelle Entschlüsse fassen müssen. 1 2 1 " Die ganz herrschende Literatur sah die Haftungsbeschränkung als begrüßenswerten Fortschritt a n 1 2 2 . Demgegenüber war der Rückgriff wegen einer mittelbaren Schädigung des Dienstherrn im fiskalischen Bereich von der materiellen Sondervorschrift des § 23 Abs. 2 DBG nicht erfaßt. Er richtete sich folglich nach Absatz 1 und war somit nicht auf das Vorliegen grober Fahrlässigkeit beschränkt. Der Sache nach war diese Unterscheidung kaum zu rechtfertigen 123 . 3. Haushaltsrechtliche Bindung des Dienstherrn und Pflicht zur Geltendmachung des Anspruchs Auf der Rechtsfolgenseite des Anspruchs bestand zu dieser Zeit - jedenfalls hinsichtlich der Reichsbeamten - bereits eine Pflicht der Behörden, einen bestehenden Schadensersatzanspruch auch durchzusetzen 124 . Diese 119
Gesetzesbegründung zu Abschnitt III a. E. (RAnz. 1937 Nr. 22) wiedergegeben bei: Seel, S. 16. 120 Übernahme der Länderrechtspflege durch das Reich durch § 2 VO über die Haftung des Reichs für die Justizbeamten vom 3. Mai 1935 (RGBl. I S. 587). 121 Gesetzesbegründung Abschnitt III a.E. bei Seel, S. 16. 122 Hauser, S. 55; Rothe, S. 2874. 123 Schütz, S. 83. 124 Rothe, S. 2874.
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Pflicht beruhte im wesentlichen auf dem in § 26 der Reichshaushaltsordnung ( R H O ) 1 2 5 niedergelegten Gebot einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltungsführung. Eine Ausnahme hiervon war allein in § 54 RHO in Form einer Niederschlagungsregelung enthalten. Die haushaltsrechtlichen Bindungen dürften allerdings häufig unbeachtet geblieben sein. Rothe monierte daher: „Es ist (...) vielfach nicht bekannt, daß es keineswegs im Belieben der Rückgriffsbehörde steht, ob sie gegen den schuldigen Beamten vorgehen oder von dem Rückgriff Abstand nehmen will". Tatsächlich zeigte die beamtenrechtliche Literatur Unsicherheiten. So las man etwa in der Kommentierung des Deutschen Beamtengesetzes bei Brand: „In allen Fällen ist aber der Dienstherr nicht gezwungen, den Rückgriff gegen den Beamten zu nehmen. Er wird z.B. auch bei groben Versehen sonst tüchtiger Beamter (...) von einer Inanspruchnahme des Beamten mitunter absehen. (...) Allerdings steht es nicht immer im Belieben der Rückgriffsbehörde, ob sie gegen den schuldigen Beamten vorgehen oder von dem Rückgriff Abstand nehmen will. Besteht ein Anspruch, so muß er nach den maßgebenden haushaltsrechtl. Vorschriften auch geltend gemacht werden, zum mindesten dann, wenn das Reich unmittelbarer Dienstherr des Beamten i s t . " 1 2 6 Einigkeit bestand aber insoweit, als die Geltendmachung eines nur leicht fahrlässig verursachten Schadens auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 DBG unter Umständen gegen die Schutz- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstoßen konnte, wenn dieser nicht zuvor versucht hatte, den Schaden von einem ebenfalls ersatzpflichtigen Dritten zu erlangen 127 . Für diesen Fall räumte man der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn offenbar den Vorrang vor den haushaltsrechtlichen Bestimmungen ein. 4. Die Verjährung des Anspruchs gemäß der Durchführungsverordnungen vom 29. Juni 1937 und 13. Oktober 1938 Das Deutsche Beamtengesetz sah keine Verjährung des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs vor. Daher war anfänglich seitens des Schrifttums die Vermutung geäußert worden, daß der Anspruch des Dienstherrn künftig nicht mehr verjähren sollte 1 2 8 . Die diesbezügliche Gesetzeslücke wurde aber schon bald durch Erlaß einer ersten Durchführungsverordnung (Durchführungsverordnung vom 29. Juni 1937) 1 2 9 geschlossen, die außerdem auch den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm konkretisierte. 125 126 127 128 129
Gesetz vom 31. Dezember 1922 i.d.F. vom 17.06.1936 (RGBl. II. S. 209). Brand, § 23 DBG, Anm. A. 2. b) (S. 230). Hauser, S. 52; Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 44. Wittland, S. 351. DVO v. 29.06.1937 (RGBl. I. S. 669).
7 6 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
DVO v. 29. Juni 1937: 1. Die Rechtsfolgen von Amtspflichtverletzungen in Ausübung der öffentlichen Gewalt, die den Dienstherrn zum Schadensersatz verpflichten und die vor dem 1. Juli 1937 begangen sind, bestimmen sich nach dem bisherigen Recht. Die oberste Dienstbehörde kann bei solchen Schadensfällen § 23 II anwenden, wenn der Anspruch gegen den Beamten nicht rechtshängig geworden ist und die Forderung auf Ersatz eine Härte für den Beamten bedeuten würde. 2. Ansprüche nach § 23 I verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Ansprüche nach § 23 II verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Ersatzanspruch des Dritten diesem gegenüber von dem Dienstherrn anerkannt oder dem Dienstherrn gegenüber rechtskräftig festgestellt ist. Jedoch erwies sich die Verjährungsregelung der Nummer 2 bei näherer Betrachtung als verfehlt, unterschied sie doch zwischen Ansprüchen nach § 23 Abs. 2 DBG, der nur den Rückgriff bei Handeln des Beamten „in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt" betraf, und solchen nach § 23 Abs. 1 DBG, welcher alle übrigen Fälle erfaßte. Dem Wortlaut zufolge, wären Ansprüche des Dienstherrn wegen dessen mittelbarer Schädigung im nichthoheitlichen Bereich damit an Nummer 2 Satz 1 und nicht an Nummer 2 Satz 2 der Durchführungsverordnung zu messen gewesen, was kaum im Sinne einer sachgerechten Regelung sein konnte. Offenbar war die Fallgruppe der mittelbaren Schädigung des Dienstherrn bei fiskalischer Tätigkeit vollständig aus dem Bewußtsein des Normgebers entrückt. Wittland bemerkte hierzu richtig: „Indessen sprechen dieselben Erwägungen, die für die besondere, in Nummer 2 Satz 2 der Durchführungsverordnung enthaltene Regelung der Verjährung des Rückgriffs wegen einer in Ausübung öffentlicher Gewalt begangenen Amtspflichtverletzung maßgebend waren, auch für die Verjährung des Rückgriffs wegen einer außerhalb der Ausübung öffentlicher Gewalt verübten Amtspflichtverletzung. Es ist deshalb anzunehmen, daß Nr. 2 Satz 2 der Durchführungsverordnung für das gesamte Gebiet der Rückgriffshaftung Geltung h a t . " 1 3 0 Der Verordnungsgeber reagierte auf diese Kritik durch Erlaß einer zweiten Durchführungsverordnung vom 13. Oktober 1938 1 3 1 , die rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Deutschen Beamtengesetzes132 den Fehler beseitigte und die folgenden Wortlaut erhielt:
130 131 132
Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 89. DVO v. 13.10.1938 (RGBl. I. S. 1421). DVO v. 13.10.1938 Abschn. II Abs. 1.
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DVO v. 13. Oktober 1938: 1. Ersatzansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten wegen eines durch schuldhafte Amtspflichtverletzung dem Dienstherrn unmittelbar zugefügten Schadens verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. 2. Ersatzansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten in Fällen, in denen der Dienstherr durch eine schuldhafte Amtspflichtverletzung geschädigten Dritten Schadensersatz zu leisten hat, verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch des Dritten diesem gegenüber von dem Dienstherrn anerkannt oder dem Dienstherrn gegenüber rechtskräftig festgestellt worden ist und der Dienstherr von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. 3. Die Vorschriften der Nrn. 1. u. 2. finden auch auf die vor dem 1. Juli 1937 entstandenen, zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährten Schadensersatzansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten Anwendung. Der Beginn sowie die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung bestimmen sich jedoch für die Zeit vor dem 1. Juli 1937 nach den bisherigen Gesetzen. Ist die Verjährungsfrist nach Nr. 1 oder 2 kürzer als nach den bisherigen Gesetzen, so wird die kürzere Frist vom 1. Juli 1937 an berechnet. Läuft jedoch die in den bisherigen Gesetzen bestimmte längere Frist früher als die nach Nr. 1 oder 2 maßgebende kürzere Frist ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der längeren Frist, frühestens aber mit dem 1. Dezember 1938 vollendet. 4. (entsprach Nr. 1 der DV v. 29.06.1937). 5. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges durch die §§ 142, 182 DBG Die Anerkennung der öffentlichen Rechtsnatur des Anspruchs aus § 23 DBG über alle Fallgruppen hinweg führte zu einer gesetzlichen Abkehr vom Zivilrechtsweg. Durch § 142 Abs. 2 DBG wurde der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für alle Beamten, mit Ausnahme der in der Justizverwaltung beschäftigen, sowohl für Ansprüche aus unmittelbarer als auch - entgegen Art. 131 WRV - aus mittelbarer Schädigung des Dienstherrn eröffnet. § 142 DBG ist allerdings wegen der in § 182 DBG vorgesehenen Bindung an die Errichtung eines Reichsverwaltungsgerichtes nie wirksam geworden 133 . In der Rechtspraxis dieser Zeit blieb es also dabei, daß Streitigkeiten über die Ersatzpflicht des Beamten vor den ordentlichen Gerichten auszutragen waren 1 3 4 .
133 134
Günther, DÖD 1991, S. 161. Kupp, S. 580.
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
V. Reformeil und Reformbestrebungen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland bis zum 1. Januar 1993 1. Wiedereinführung des Berufsbeamtentums und Fortgeltung des § 23 DBG als Übergangsrecht In der frühen Nachkriegszeit stand die Wiedereinführung eines Berufsbeamtentums in Frage. Nach dem Willen der alliierten Mächte sollte ein einheitliches Dienstrecht aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf arbeitsrechtlicher Grundlage eingerichtet werden. Letztlich entschied man sich aber mit Erlaß des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 in den Art. 33 Absätze 2 bis 5, 74a, 75 Nr. 1 GG für ein einheitliches Berufsbeamtentum in Bund, Ländern und Gemeinden 135 . Das Grundgesetz knüpfte in Art. 34 GG zudem an die Vorschrift des Art. 131 WRV an, wodurch es bei der bisherigen Konstruktion einer nur mittelbaren Haftung des Staates durch schuldbefreiende Übernahme der persönlichen Verantwortlichkeit der Beamten aus § 839 BGB blieb. Art. 34 GG: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Die Unterschiede in der Formulierung des Art. 34 GG gegenüber Art. 131 WRV bedeuteten keine Änderung der Rechtslage 136 : Die Fassung des Art. 34 GG sanktionierte vielmehr in Satz 1 die Rechtsprechung des Reichsgerichtes zur weiten Interpretation des Beamtenbegriffs durch die Formulierung „jemand" anstelle von „ein Beamter" sowie in Satz 2 die durch § 23 Abs. 2 DBG erfolgte Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beim Amtshaftungsregreß. Der fehlende Hinweis auf die Gesetzgebungszuständigkeit zur näheren Regelung entsprach der Auslegung des Art. 131 WRV durch das Reichsgericht als unmittelbar geltendes Recht 1 3 7 . Da § 23 des Deutschen Beamtengesetzes zunächst im B u n d 1 3 8 und m den Ländern 1 3 9 weitergalt und auch die Verjährungsregelung per Verordnung übernommen wurde 1 4 0 , war eine Ausfüllung des Rückgriffsvorbehal135
Battis , BBG, Einleitung Rn. 5. Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG Rn. 23. 137 Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG Rn. 23. 138 Bundesfassung des Deutschen Beamtengesetzes vom 30. Juni 1950 (BGBl. S. 279). 139 Z.B. Art. 37 des BayBG 1946. 140 DVO zum Deutschen Beamtengesetz im Bund i.d.F. vom 28. Oktober 1950 (BGBl. S. 733). 136
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tes des Art. 34 Satz 2 GG von Anfang an vorhanden 141 . Geringfügige Abweichungen vom Normtext des § 23 DBG gab es allein in den Ländern Baden und Rheinland-Pfalz. § 23 Bad BG: (l)-(4) übereinstimmend. (5) Im übrigen gilt das Gesetz über das Verfahren über die Erstattung von Fehlbeträgen an öffentlichen Vermögen (Erstattungsgesetz) vom 18. April 1937 (RGBl. I. S. 461) mit Ausnahme des § 8 Abs. 1 Satz 3 und des § 13, sowie mit der Maßgabe weiter, daß an die Stelle des früheren Reichsministers der Finanzen das Ministerium der Finanzen tritt und daß die in § 3 Satz 3 und § 8 Abs. 2 Satz 3 bestimmten Anordnungen im Badischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekanntzugeben sind. § 23 Rh.-Pfl. BG: (l)-(4) übereinstimmend. (5) Für die Verfolgung der sich aus den vorstehenden Absätzen ergebenden Ansprüche steht der ordentliche Rechtsweg offen. 2. § 78 des Bundesbeamtengesetzes von 1953 und § 94 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein von 1956 1953 erfolgte dann der Erlaß eines ersten Bundesbeamtengesetzes. Der Gesetzgeber orientierte sich dabei streng am Vorbild der Beamtenhaftung aus § 23 DBG. Gleichzeitig war man bestrebt, die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gesetzlich festzuschreiben, was durch § 77 Abs. 3 EBBG 1951 geschah. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es dazu, „abweichend vom bisherigen Recht ist wieder eine Verjährung der Schadensersatzansprüche des Dienstherrn vorgesehen" 142 . Es bleibt offen, ob der Gesetzentwurf dabei unrichtig davon ausgegangen ist, es habe nach bisherigem Recht überhaupt keine Verjährung des beamtenrechtlichen Haftungsanspruchs gegeben, oder ob er lediglich ausdrücken wollte, daß eine Verjährungsbestimmung unter der Geltung des § 23 DBG nicht gesetzlich verankert gewesen sei. Angesichts dieser Mängel in der Gesetzesbegründung verwundert es wenig, daß die Vorschrift betreffend die Verjährung in § 77 Abs. 3 E-BBG 1951 nicht die zweite Durchführungsverordnung zu § 23 DBG vom 13. Oktober 1938 zum Vorbild hatte, sondern im wesentlichen der ersten, wegen ihres mißglückten Wortlautes aufgehobenen, Durchführungsverordnung vom 29. Juni 1937 entsprach 143 . Dennoch durchlief die Bestimmung das Gesetzgebungsverfahren unbeanstandet 144 . § 77 E-BBG 1951 wurde somit unverändert als § 78 BBG (1953) Gesetz.
141
Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 1 f). BT-Drs. 1/2846 Begründung zu § 77 (S. 45). 143 Überraschend ist allerdings, daß der Nachsatz „und der Dienstherr von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat", der der 2. DVO vom 13.10.1938 entstammt, mit aufgenommen wurde. 142
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(1) Verletzt ein Beamter schuldhaft seine Amtspflicht, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen; haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Hat der Dienstherr einem Dritten auf Grund der Vorschrift des Artikels 34 Satz 1 Grundgesetz Schadenersatz geleistet, so ist der Rückgriff gegen den Beamten nur insoweit zulässig, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. (3) Die Ansprüche nach Absatz 1 verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Die Ansprüche nach Absatz 2 verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Ersatzanspruch des Dritten diesem gegenüber von dem Dienstherrn anerkannt oder dem Dienstherrn gegegnüber rechtskräftig festgestellt ist und der Dienstherr von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. (4) Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch auf den Beamten über. Da der Bundesgesetzgeber auch bei der Änderung des Absatzes 1 des § 78 BBG im Jahre 1957 die Verjährungsregelung in ihrer damaligen Fassung beließ, fiel in der Folgezeit den Gerichten die Aufgabe zu, die Unzulänglichkeiten der Gesetzesfassung zu korrigieren. Doch erst mit Urteil vom 29. Januar 1976 fand das Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, verbindlich festzustellen, daß, entgegen der Auffassung einiger Oberverwaltungsgerichte145 und vereinzelter Stimmen im Schrifttum 1 4 6 , die Verjährung auch bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn in Ausübung privatrechtlicher Verrichtungen nicht mit Kenntnis des Dienstherrn vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen, sondern erst dann beginnt, wenn der Dienstherr den Anspruch des Dritten diesem gegenüber anerkannt hat oder rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden ist. Das Gericht sah mit Recht keinen sachlichen Grund, der es gebieten könnte, im nichthoheitlichen Bereich den Zeitpunkt des Eintritts des mittelbar dem Dienstherrn zugefügten Schadens anders zu bestimmen als im hoheitlichen Bereich 1 4 7 . Von den in den einzelnen Bundesländern nach und nach entstehenden beamtenrechtlichen Haftungsregelungen wich allein die im Beamtengesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 1. April 1956 1 4 8 getroffene Bestimmung von der Rechtslage im Bund und in den übrigen Bundesländern ab.
144 Vgl. BT-Drs. 1/4246 Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht vom 5. Mai 1953 zu § 77 (S. 26 f.). 145 Z.B. OVG Münster, Urt. v. 10.05.1973, ZBR 1975, 54 (57). 146 Lüth, S. 268. 147 BVerwG, Urt. v. 29.01.1976, Buchholz 232 Nr. 21, 2 (9). 148 GVB1. S. 19.
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
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§ 94 Schl.-Holst. BG (1956): Verletzt ein Beamter schuldhaft seine Amtspflicht, so hat er dem Dienstherrn dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht beschränkt sich auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Die unabhängig von der Rechtsnatur des Handelns erfolgte Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit war richtungsweisend und entsprach bereits, mit Ausnahme der Verwendung des Begriffs der „Amtspflicht", der bundesweit erst durch das Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften eingeführten Regelung des § 46 BRRG von 1992. 3. Vereinheitlichung der Haftungsmaßstäbe bei Schädigung des Dienstherrn in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch § 46 des Beamtenrechtsrahmengesetzes von 1957 In den anderen Bundesländern sowie im Bund blieb es weiterhin bei der grundsätzlichen Beamtenhaftung für jede Fahrlässigkeit mit Ausnahme des Amtshaftungsprivilegs. Ein bedeutsamer weiterer Schritt in Richtung einer gerechteren Beamtenhaftung wurde aber durch das Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts vom 1. Juli 1957 1 4 9 getan. Zwar hatte es in der Begründung des § 43 RegE 1955 zunächst lapidar geheißen: „§ 43 entspricht dem § 78 BBG. Die aus der Amtspflichtverletzung eines Beamten sich ergebenen Haftungsfolgen stehen in engem Zusammenhang mit den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und müssen daher einheitlich geregelt sein" 1 5 0 . Doch wurde anläßlich der Beratungen des neunten Ausschusses für das Beamtenrecht eine weitere Haftungserleichterung für den Beamten eingefügt 151 , die das Gesetzgebungsverfahren ohne nennenswerte Erörterungen passierte. § 46 BRRG (1957) erhielt dadurch folgende Fassung: (1) Verletzt ein Bemter schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Hat der Beamte seine Amtspflicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes verletzt, so hat er dem Dienstherrn den Schaden nur insoweit zu ersetzen, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Haben mehrere Beamte den Schaden gemeinsam verursacht, so haften sie als Gesamtschulder. (2)-(4) (unverändert). Seither war aufgrund der Ergänzung des § 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG bei hoheitlichem Handeln des Beamten also nicht mehr zwischen dem Fall der unmittelbaren und demjenigen der mittelbaren Schädigung des Dienstherrn zu unterscheiden. Hatte der Beamte eine Amtspflicht in Ausübung eines 149 150 151
BGBl. I S. 667. BT-Drs. 2/1549 § 43 (S. 10). Anlage zu BT-Drs. 1549, § 43 (S. 38 f.).
6 Beckmann
8 2 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
ihm anvertrauten öffentlichen Amtes verletzt, so war er dem Dienstherrn insgesamt nur noch insoweit zum Ersatz verpflichtet, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fiel. Diese Ausweitung des beamtenrechtlichen Haftungsprivilegs war nach dem Willen des Gesetzgebers dazu bestimmt, die Entschlußkraft des Beamten bei der Ausübung seiner Amtstätigkeit zu stärken 152 . Gemäß § 1 des Beamtenrechtsrahmengesetzes waren die Länder verpflichtet, innerhalb von drei Jahren die landesgesetzlichen Vorschriften der bundesgesetzlichen Rahmenvorschrift anzupassen. Der Bundesgesetzgeber übernahm die Vorschrift des § 46 BRRG (1957) wortgleich in § 78 BBG neuer Form. Wie sich aber alsbald herausstellte, führte die nunmehr allein zu treffende Unterscheidung zwischen hoheitlichem Handeln des Beamten einerseits sowie fiskalischem bzw. verwaltungsprivatrechtlichem Handeln andererseits zu kaum nachvollziehbaren Ergebnissen 153 . Entgegen der haushaltsrechtlichen Verpflichtung der Verwaltung, alle Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben (vgl. § 34 Abs. 1 BHO/LHO), verzichtete man daher in der Behördenpraxis zunehmend und mit Duldung der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder auf eine Inanspruchnahme, wenn ein Beamter in Ausübung fiskalischer Aufgaben leicht fahrlässig einen Schaden verursacht hatte 1 5 4 . Die Rechtsprechung hat diese Praxis gebilligt und teils auf den aus der Fürsorgepflicht abzuleitenden Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung gleicher Lebenssachverhalte, teils auf eine entsprechende Anwendung der zu dieser Zeit im privaten Arbeitsrecht von der Rechtsprechung entwickelten Prinzipien der Haftungsbeschränkung bei „gefahr- bzw. schadensgeneigter Arbeit" gestützt 155 . 4. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften vom Januar 1967 In eine gänzlich andere Richtung zielte der „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften" vom Januar 1967. § 839 RE (1967): (1) Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes im Bereich hoheitlichen Handelns vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat der Staat oder die sonstige Körperschaft, die das Amt anvertraut hat, dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. (2)-(4) (...) 152 153 154 155
BT-Drs. 2/3363, Begründung zu § 43 (S. 7). Schnupp, S. 67. Hofinann, S. 100. Dazu unten im 4. Kapitel Α. I.
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83
§ 839 a: (1) Für Amtspflichtverletzungen, welche nach anderen Vorschriften eine Ersatzpflicht aus unerlaubter Handlung nicht begründen würden, gelten die folgenden besonderen Bestimmungen: 1. Ist die Amtspflicht nur fahrlässig (...) verletzt worden, so kann der Dritte Schadensersatz nur insoweit verlangen, als er nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) (...) Ausweislich der Begründung sollte mit der Neuregelung der §§ 839 bis § 839 b BGB RE 1967 in erster Linie dem Bedürfnis nach Klarheit der Rechtsquellen entsprochen und der Wortlaut des § 839 BGB mit der tatsächlich bestehenden Rechtslage, das heißt, der schuldbefreienden Haftungsübernahme des Staates durch Art. 34 GG, in Übereinstimmung gebracht werden 1 5 6 . Der Entwurf blieb der bisherigen Rechtslage daher insoweit verhaftet, als die Staatshaftung weiterhin von einer schuldhaften Pflichtverletzung eines Amtsträgers im hoheitlichen Tätigkeitsbereich abhängen sollte. Ein Bedürfnis für eine verschuldensunabhängige Haftung des Staates für rechtswidriges Handeln nach außen, wie es zum Teil in der Literatur bejaht wurde, erkannte der Entwurf nicht a n 1 5 7 . Von besonderem Interesse im hiesigen Zusammenhang sind die durch Art. 6 des Entwurfs vorgesehenen Änderungen der beamtenrechtlichen Innenhaftung. Nach Art. 6 Ziffern 1 und 2 sollten die §§ 46 Abs. 2 BRRG und 78 Abs. 2 BBG wie folgt geändert werden: „Hat der Dienstherr einem Dritten auf Grund der Vorschriften der §§ 839 und 839 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs Schadensersatz geleistet, so ist der Rückgriff gegen den Beamten nur insoweit zulässig, als ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, im Falle grober Fahrlässigkeit des Beamten jedoch nur dann, wenn der Dienstherr nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag." 158 Die Umgestaltung der Eigenhaftung des Beamten bei grober Fahrlässigkeit zu einer bloßen „Ausfallhaftung" für den Fall, daß der Dienstherr „nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen" vermochte, wurde für notwendig gehalten, weil § 839 a BGB RE 1967 die bisher in § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Subsidiaritätsklausel nicht unbeträchtlich einschränkte. Diese schütze jedoch nicht nur den Staat, sondern mittelbar zugleich auch den Beamten, der die Amtspflicht verletzt habe, weil in dem Maße, in dem die Haftung gegenüber dem Dritten zurückgedrängt werde, auch ein Regreß gegen den Beamten nicht stattfinden könne 1 5 9 . Dem Referentenentwurf blieb die Zustimmung aber letztlich insgesamt versagt. 156 157 158 159
*
Begründung RE 1967, S. 113. Begründung RE 1967, S. 121. RE 1967, S. 19. Begründung RE 1967, S. 225.
84
1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
5. Das Scheitern des Staatshaftungsgesetzes und der damit verbundenen Reformierung der beamtenrechtlichen Innenhaftung Gerade jenes Anliegen, welches der Reformentwurf aus dem Jahre 1967 noch verneint hatte, nämlich die Schaffung einer unmittelbaren, vom Verschulden des Amtsträgers unabhängigen Staatshaftung, wurde bald darauf das primäre Ziel zahlreicher gesetzgeberischer und rechtswissenschaftlicher Bemühungen. Der entscheidene Anstoß hierzu ging aus vom 47. Deutschen Juristentag 1968. Dieser empfahl einstimmig eine bundesgesetzliche Regelung der Staatshaftung, falls unerläßlich, auch durch eine Änderung des Grundgesetzes. Dieses Staatshaftungsgesetz sollte die Tatbestände des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, den enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriff sowie den neueren Folgenbeseitigungsanspruch in einem Gesetz vereinen 160 .
a) Entwürfe einer Reform des öffentlichen Dienstrechts sowie einer unmittelbaren Unrechtshaftung des Staates in den Jahren 1970 bis 1978 Daraufhin berief die Bundesregierung im Jahre 1970 zwei unabhängige Kommissionen ins Leben. Die erste, die Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, wurde damit beauftragt, Vorschläge für eine zeitgemäße Weiterentwicklung eines modernen öffentlichen Dienstes zu unterbreiten. Die zweite erhielt die Aufgabe, die Materie des Staatshaftungsrechts in dem genannten Sinne neu zu regeln. Die Arbeit der Kommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts war im März 1973 abgeschlossen. Hinsichtlich der Schadensersatzpflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn sprach man die Empfehlung aus: „die Haftung (...) generell auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken" 161 , da „eine Beschränkung der Haftung (...) einer Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die gefahrgeneigte Tätigkeit auf den gesamten öffentlichen Dienst" vorgezogen werden müsse 162 . Die Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sei „als Ergebnis einer Abwägung zwischen den Anforderungen an das Verhalten der Beamten und deren schutzwürdiger Interessen sachgerecht" 163 . Man argumen160
Verhandlungen des 47. DJT, Bd. II, L 144 f. Bericht der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Rn. 326; bereits mit Beschluß vom 8. November 1972 hatte sich der Deutsche Beamtenbund (DBB) in gleicher Weise geäußert. 162 Bericht, Rn. 334. 163 Bericht, Rn. 335. 161
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
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tierte weiter, es sei willkürlich, an die Zufälligkeit der Zuordnung zu dem einen oder anderen Tätigkeitsbereich, eine unterschiedlich strenge Regreßhaftung zu knüpfen. So sei zum Beispiel nicht einzusehen, weshalb ein Beamter, welcher die Löhne und Gehälter für Angestellte und Arbeiter der öffentlichen Hand errechne, schärfer haften solle als sein Kollege, der die Beamtenbezüge festsetze. Die Risikolage im hoheitlichen Bereich rechtfertige keine Sonderstellung gegenüber sonstiger staatlicher Tätigkeit. Der Zweck des Haftungsprivilegs, Entschlußkraft und Verantwortungsfreude der Bediensteten zu stärken, sei vielmehr für die gesamte staatliche Tätigkeit erforderlich. Vielfach seien auf nichthoheitlichem Gebiet sogar schwierigere Aufgaben mit größerem Risiko und in kürzerer Zeit zu bewältigen als bei hoheitlicher Tätigkeit 1 6 4 . Die Arbeiten der Kommission für das Staatshaftungsrecht kamen im Oktober desselben Jahres zum Abschluß. Ähnlich dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften von 1967 sah auch der Kommissionsbericht die Notwendigkeit, als Korrelat der vorgesehenen primären, verschuldensunabhängigen Haftung des Staates im Außenverhältnis zugleich die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn im Innenverhältnis neu zu regeln. Damit kam es in diesem Punkt zu einer Überschneidung mit der Arbeit der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts. Nicht anders als jene sprach sich auch die Staatshaftungskommission unmißverständlich für eine allgemeine Beschränkung der Beamtenhaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit aus. Die Begründung glich derjenigen der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts. Man berief sich zudem ausdrücklich auf die für sachgerecht gehaltene Regelung des § 94 LBG Schleswig-Holstein 1 6 5 . Der Staat erleide durch die vorgeschlagene Neuregelung nur geringfügige finanzielle Einbußen; denn die Zahl der Regresse und die Höhe der durch den Regreß vereinnahmten Beträge seien nach den der Kommission vorliegenden Unterlagen gering. Die in der Praxis tatsächlich durchgeführten Regresse beschränkten sich zudem bereits auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen, bei denen der Rückgriff auch künftig zulässig sein solle 1 6 6 . Ebenso wie der Reformentwurf aus dem Jahre 1967 enthielt der von der Kommission für das Staatshaftungsrecht entworfene § 28 in Absatz 2 zudem eine Umgestaltung der beamtenrechtlichen Verantwortlichkeit für grobe Fahrlässigkeit in eine „Ausfallhaftung". Darin sah man zum einen eine Regelung zur Wahrung des Besitzstandes der Beamtenschaft, indem
164 165 166
Bericht, Rn. 333. Begründung KE 1973 zu § 28 (S. 140). Begründung (S. 141).
8 6 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
die im Außenverhältnis beseitigte Subsidiaritätsklausel des Amtshaftungsrechts in das Regreßrecht übernommen wurde, zum anderen eine Ausprägung des beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatzes, der es dem Dienstherrn gebiete, seinen Beamten soweit wie möglich zu schonen 167 . § 28 KE 1973: (1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamte den Schaden gemeinsam verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Fällt dem Beamten nur grobe Fahrlässigkeit zur Last, so ist der Ersatzanspruch ausgeschlossen, wenn der Dienstherr auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. (3) Ansprüche nach Absatz 1 verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Hat der Dienstherr auf Grund des Staatshaftungsgesetzes (...) Schadensersatz geleistet oder hat er zur Herstellung Mittel aufgewendet, so tritt an die Stelle des Zeitpunktes, in dem der Dienstherr von dem Schaden Kenntnis erlangt, der Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Schadensersatz oder Herstellung anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wird. (4) Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch auf den Beamten über. Der spätere „Referentenentwurf zur Reform eines Staatshaftungsgesetzes vom September 1976" übernahm den Vorschlag in seinen Grundzügen. Auch er bezeichnete die bisherige Differenzierung zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln als nicht sachgerecht, hielt aber eine über die allgemeine Haftungsbeschränkung hinausgehende Privilegierung der Beamten in Gestalt einer „Ausfallhaftung" für nicht angemessen. Die in § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Beamtenhaftung durch Verweisung auf eine andere Ersatzmöglichkeit bei nur fahrlässiger Amtspflichtverletzung sei auf die Außenhaftung des Beamten gegenüber Dritten zugeschnitten. Ihr Grundgedanke könne nicht auf das haftungsrechtliche Innenverhältnis übertragen werden. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn rechtfertige eine solche Regelung nicht. Die vorgesehene Neufassung stelle bereits eine maßvolle Rückgriffsregelung dar 1 6 8 . Diese Begründung machte sich schließlich auch der Entwurf der Bundesregierung vom September 1978 zu eigen 1 6 9 . In Abweichung von den bisherigen Entwürfen wurde aber durch § 43 Abs. 2 RegE anstelle des bisherigen Verjährungstatbestandes eine besondere Erlöschensregelung vorgesehen.
167 168 169
Begründung (S. 141). Begründung RefE 1976 (S. 170 f.). BT-Drs. 8/2079.
Α. Die Entwicklung bis zum 1. Januar 1993
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§ 43 RegE 1978: (1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ansprüche nach Absatz 1 erlöschen drei Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis zehn Jahre nach der Begehung der Handlung. Hat der Dienstherr einem Dritten Geldersatz geleistet oder hat er zur Folgenbeseitigung Mittel aufgewendet, so tritt an die Stelle des Zeitpunktes, in dem der Dienstherr von dem Schaden Kenntnis erlangt, der Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Geldersatz oder Folgenbeseitigung anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wird. (3) Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch auf den Beamten über. Der Bundesrat beantragte jedoch, die Worte „erlöschen drei Jahre nach dem Zeitpunkt" in § 43 Abs. 2 RegE zu streichen und durch die Worte „verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an" zu ersetzen 170 . Zur Begründung wurde ausgeführt, daß nach unserem Rechtssystem Zeitablauf allein grundsätzlich nicht zum Untergang eines Schadensersatzanspruchs, sondern nur zu einem einredeabhängigen Leistungsverweigerungsrecht führen könne. Ein Abweichen von dieser Systematik hielt man weder für notwendig noch für angezeigt. Auch wollte man nicht ohne Not eine weitere Rückgriffserschwerung für den Staat normieren, da man befürchtete, dies würde der in der Öffentlichkeit geführten Diskussion um die „Beamtenprivilegien" neue Nahrung geben. Letztlich sah man die Gefahr, daß eine Erlöschensregelung auch zu einer verstärkten Belastung der mit der Regreßabwicklung befaßten Stellen führen könne, da in diesem Fall im Gegensatz zum bisherigen Recht keine Möglichkeit bestünde, die Verjährung zu unterbrechen 171 . b) Nichtigerklärung des Staatshaftungsgesetzes von 1981 durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1982 Auf diesen Vorarbeiten basierte schließlich- das vom Bundestag am 26. Juni 1981 verabschiedete Staatshaftungsgesetz 172, welches die unmittelbare Haftung des Staates einführte und gleichzeitig die persönliche Haftung der handelnden Bediensteten gegenüber dem Geschädigten ausschloß ( § § 1 Abs. 3, 17 Abs. 4 StHG). Lediglich die in allen bisherigen Entwürfen beabsichtigte Änderung der Art. 34 und Art. 74 Nr. 1 G G 1 7 3 zur Vereinheitli170 171 172
Empfehlungen der Ausschüsse BR-Drs. 215/1/78, zu § 43 (S. 31). Stellungnahme des Bundesrates BR-Drs. 215/78 Begründung zu § 43 (S. 28). BGBl. I S. 553.
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
chung des Rechtsweges war an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates gescheitert 174 . Im vierten Abschnitt des Staatshaftungsgesetzes (§§ 21 bis 34 StHG) war die Anpassung von Bundes- und Landesrecht an das neue Gesetz geregelt. § 27 StHG enthielt die Neufassung der beamtenrechtlichen Innenhaftung: § 27 StHG: § 46 des Beamtenrechtsrahmengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Januar 1977 (BGBl. I S. 21) und § 78 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Januar 1977 (BGBl. I S. 1, 795, 842), beide zuletzt geändert durch Artikel 1 bzw. Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Mai 1980 (BGBl. I S. 561), erhalten folgende Fassung: „(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ansprüche nach Absatz 1 verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Hat der Dienstherr einem Dritten Geldersatz geleistet oder hat er zur Folgenbeseitigung Mittel aufgewendet, so tritt an die Stelle des Zeitpunktes, in dem der Dienstherr von dem Schaden Kenntnis erlangt, der Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Geldersatz oder Folgenbeseitigung anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wird. (3) Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch auf den Beamten über." Diese Vorschriften hatten nur wenige Monate Bestand. Das Staatshaftungsgesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht 1982 aus kompetenzrechtlichen Gründen als Ganzes für verfassungswidrig erklärt 1 7 5 , obwohl, soweit es die Innenhaftung der Beamten betrifft, eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes in Gestalt der Art. 73 Nr. 8 GG und Art. 75 Nr. 1 GG durchaus vorhanden gewesen wäre. Damit waren aber nicht nur die jahrelangen Bemühungen um eine moderne Staatshaftung gescheitert, sondern auch jene Reformpläne, die eine sachgerechtere Innenhaftung im öffentlichen Dienst bezweckt hatten.
173
BT-Drs. 8/2080. Der Abschlußentwurf sah bereits keine Änderung des Grundgesetzes mehr vor; vgl. BT-Drs. 9/25. 175 BVerfG, Urt. v. 19.10.1982, BVerfGE 61, 149 ff. 174
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c) Die besondere Rechtslage in den Ländern Berlin, Nordrhein-Westfalen nach Nichtigerklärung des Staatshaftungsgesetzes Im Gefolge des Staatshaftungsgesetzes hatten die Bundesländer B e r l i n 1 7 6 und Nordrhein-Westfalen 177 ihre Landesbeamtengesetze als erste entsprechend angepaßt und die Haftung ihrer Beamten allgemein auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Nach Aufhebung des Staatshaftungsgesetzes verzichtete man dort auf eine Rückanpassung der Haftungsvorschriften an das Beamtenrechtsrahmengesetz. Dies führte dazu, daß die Rechtslage in diesen Bundesländern in der Folgezeit von derjenigen, wie sie durch § 46 BRRG vorgesehen war, abwich. Streng genommen waren die Gesetzesfassungen der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen damit - ebenso wie diejenige des Landes Schlweswig-Holstein - als rahmenrechtswidriges Landesrecht gemäß Art. 31 GG nichtig 1 7 8 . Ein Teil der Beamtenrechtslehre rechtfertigte dennoch den Fortbestand dieser Vorschriften: Nach Meinung von Battis etwa war zu berücksichtigen, daß die Länder ein besonders starkes und legitimes Interesse daran hatten, das Recht ihrer Beamten selbst zu ordnen. Unter diesem Aspekt sei § 46 BRRG a.F. nicht als abschließende Regelung zu sehen gewesen, sondern nur als äußere Begrenzung der Beamtenhaftung, die der Sicherung der Rechte des Beamten diente. Die Haftungsregelung des Rahmengesetzes habe somit nur eine Grenze für den Landesgesetzgeber gezogen, von der er nicht zuungunsten des Beamten abweichen durfte. Es habe dem Landesgesetzgeber jedoch freigestanden, seine Position als Dienstherr gegenüber dem Landesbeamten durch eine Ausdehnung der Haftungsbeschränkung zu verschlechtern 179 . Ein anderer Teil des Schrifttums stellte eine prinzipielle Pflicht des Landesgesetzgebers zur Wiederherstellung des alten Rechtszustandes zwar nicht in Abrede, berief sich allerdings darauf, daß das Bundesverfassungsgericht das Staatshaftungsgesetz lediglich aus kompetenzrechtlichen, nicht aber aus materiellrechtlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt hatte. Daher rechtfertigte man die besondere Situation unter dem Gesichtspunkt der Überbrückung einer Übergangszeit im Hinblick auf die in Bund und Ländern weiterhin geplante Änderung der Beamtenhaftung 180 .
176
§ 41 LBG Bin i.d.F.v. 21.12.1981 (GVB1. S. 1566). § 84 LBG NW i.d.F.v. 14.09.1982 (GV NW S. 596). 178 Juncker, S. 178 (Fn. 8); Ule, § 46 BRRG Rn. 15; Wind, in: Wind/Schimana/ Wallerius, S. 167. 179 Battis , RdA 1986, S. 219. 180 Scheerbarth/Höjfken, § 18 III (S. 481). 177
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
6. Das vorläufige Ende der Rechtsentwicklung durch das Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 Doch erst im Jahr 1990 brachte die Bundesregierung erneut einen Vorschlag in den Bundestag ein, der die mißliche Differenzierung zwischen hoheitlichem und fiskalischem Handeln endgültig und für alle Bundesländer einheitlich beseitigen sollte 1 8 1 . Die Begründung machte sich diejenige des § 27 StHG zu eigen. Auch der Vergleich eines Beamten, der die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten der öffentlichen Hand errechne, mit demjenigen, der die Beamtenbezüge festsetze, welcher bereits den beiden Kommissionsentwürfen aus dem Jahr 1973 zur Veranschaulichung der geltenden Rechtslage gedient hatte, war wieder in die Gesetzesbegründung mit eingeflossen 182 . Der Entwurf fiel jedoch der Diskontinuität des Bundestages zum Opfer, so daß es wiederum zwei Jahre dauerte, bis schließlich durch das Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 die Beamtenhaftung in § 78 BBG sowie in § 46 BRRG neu gefaßt und die unterschiedliche Haftungsregelung nach der Qualität des Handelns als hoheitlich oder nicht hoheitlich beseitigt wurde 1 8 3 . In seiner Stellungnahme zu Art. 1 Nr. 2 (§ 78 BBG) und Art. 2 Nr. 2 (§ 46 BRRG) des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 22. März 1991 war vom Bundesrat der Antrag gestellt worden, § 78 BBG um einen Absatz 4 zu ergänzen. Danach sollte der Anspruch nach § 78 Abs. 1 BBG ab Verzug mit zwei vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen sein. Gleichzeitig sollte auch § 46 BRRG um einen Absatz 4 ergänzt werden, wonach der Landesgesetzgeber durch Gesetz zu bestimmen habe, daß der Anspruch nach § 46 Abs. 1 BRRG zu verzinsen sei 1 8 4 . Zur Begründung wurde vorgetragen, daß die augenblickliche Situation, nach der der Beamte den Anspruch bei Verzug nicht zu verzinsen habe, unbefriedigend sei. Diesem Vorschlag ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch die Bundesregierung jedoch eine Absage erteilt worden. Denn das bürgerlich-rechtliche Institut des Verzuges, das auf einer rechtlichen Gleichstellung von Gläubiger und Schuldner basiere, sei nicht ohne weiteres auf das Beamtenverhältnis als ein besonderes Dienst- und Treueverhältnis im Bereich des öffentlichen Rechts anwendbar. Auch sei bereits fraglich, ob im Hinblick 181 Entwurf eines 9. Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 13.06.1990-BT-Drs. 11/7390. 182 BT-Drs. 11/7390 Begründung zu Art. 1 Nr. 2 und Artikel 2 Nr. 2 (S. 12). 183 Die Gesetzesänderung wurde von den Spitzenorganisationen DGB, DBB und CGB ausdrücklich begrüßt; BT-Drs. 12/544 (S. 23). 184 BT-Drs. 12/544 Anlage 2 (S. 24).
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auf die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage auf Seiten des Beamten überhaupt Verzug eintreten könne 1 8 5 . Des weiteren müßten bei einer entsprechenden Haftungsbestimmung auch umgekehrt Schadensersatzansprüche des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn zu verzinsen sein, mit der Folge, daß auch der Beamte gegen seinen Dienstherrn Verzugszinsen geltend machen könne. An einer solchen Regelung fehle es jedoch. Außerdem weiche der Vorschlag des Bundesrates zur Änderung des § 78 E-BBG inhaltlich von dem Vorschlag zur Änderung des § 46 E-BRRG ab. Dies sei jedoch mit dem erklärten Ziel des Gesetzentwurfes, kongruente Regelungen im Bundesbeamtengesetz und im Beamtenrechtsrahmengesetz zu schaffen, nicht in Einklang zu bringen 1 8 6 . Damit war durch das Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften am 1. Januar 1993 1 8 7 nach über zehn Jahren endlich diejenige Rechtslage hergestellt, die bereits durch § 27 des Staatshaftungsgesetzes von 1981 beabsichtigt gewesen w a r 1 8 8 .
VI. Zusammenfassung/Ergebnisse 1. Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Haftung des nichtrichterlichen Beamten gegenüber seinem Dienstherrn nach den Grundsätzen des partikularen und des gemeinen Rechts in Deutschland bereits im 18. und 19. Jahrhundert allgemein anerkannt war und ausschließlich als zivilrechtliche Verantwortlichkeit angesehen wurde. Daraus ergibt sich eine bis heute fortwirkende strukturelle Identität der Haftung des Beamten im Innenverhältnis mit den Haftungstatbeständen des Privatrechts, insbesondere mit denjenigen aus unerlaubter Handlung. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts, nachdem die persönliche Haftung des Beamten nach außen gegenüber dem Bürger durch § 839 BGB verselbständigt worden war, ging die Entwicklung des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs eigene Wege. Mit der Schaffung einer allgemeinen Reichs- und Staatshaftung gewann die Verantwortlichkeit des Beamten für die mittelbare Schädigung des Dienstherrn, die bisher nur bei fiskalischem Handeln bestanden hatte, an Bedeutung. Die Zusammenführung beider Fallgruppen, unmittelbare wie mittelbare Schädigung des Dienstherrn, in einer Norm des öffentlichen Rechts geschah erstmals durch Art. 13 BayBG (1908) und schließlich, reichseinheitlich und für alle Beamten geltend, durch § 23 DBG im Jahre 1937.
185
Offengelassen von BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 232 Nr. 32, 2 (3) und BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 237.0 § 89 BaWü LBG Nr. 2, 1 (2). 186 BT-Drs. 12/544 Anlage 3 (S. 27). 187 BGBl. I S. 1030. 188 Thiele, DÖD 1992, S. 128.
9 2 1 .
Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
Die aktuelle Fassung des Innenhaftungstatbestandes in den §§78 BBG, 46 BRRG ist das Ergebnis einer zu Beginn der siebziger Jahre einsetzenden Rechtsentwicklung, die den Schadensersatzanspruch im Innenverhältnis eng an die beabsichtige Reform der Staatshaftung anband. Die Motive der Entwürfe eines Staatshaftungsgesetzes aus den Jahren 1973 bis 1980 bilden daher, soweit ihnen Aussagen über die beamtenrechtliche Innenhaftung zu entnehmen sind, bei Auslegungsproblemen noch heute eine wichtige Erkenntnisquelle. 2. Außerdem hat sich gezeigt, daß die Schadensersatzpflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn im 19. Jahrhundert nicht übermäßig streng gehandhabt wurde. Wenn der Beamte auch formal in den meisten deutschen Territorialstaaten, mit Ausnahme von Sachsen, für jegliches Verschulden haftbar gemacht werden konnte, so war den Behörden doch zumeist eine Möglichkeit eingeräumt worden, von der strengen Haftungsfolge, sei es durch die Eröffnung eines Billigkeitsspielraumes (so in I I 10 §§88 ff. PrALR 1794 und Art. 13 BayBG 1908), sei es durch die Ausgestaltung des Anspruchs als Ermessensentscheidung (so in § 3 des Preußischen Amtshaftungsgesetzes von 1909 und § 2 des Reichsamtshaftungsgesetzes 1910), im Einzelfall abzusehen. An die Stelle dieser Haftungserleichterung auf der Rechtsfolgenseite trat später die Haftungsbeschränkung auf der Tatbestandsseite durch Ausklammerung der Ersatzpflicht des Beamten für leichte Fahrlässigkeit. Der Weg hierfür wurde frei, als der Staat im Außenverhältnis, durch das Verfassungsrecht (Art. 131 WRV, Art. 34 GG) verbürgt, die persönliche Haftung des Beamten übernahm. Von der Privilegierung erfaßt war folgerichtig zunächst nur die Fallgruppe der (mittelbaren) Schädigung des Dienstherrn in Ausübung öffentlicher Gewalt (vgl. § 23 Abs. 2 DBG und § 46 BRRG 1957). Insoweit hatte sich die Einsicht durchgesetzt, daß eine Befreiung von der Ersatzpflicht für leicht fahrlässige Schäden, die Entschlußkraft und Verantwortungsfreude der Beamten besser zu fördern geeignet war, als eine zu strenge Haftung unter dem Gesichtspunkt der Pflichtenmahnung. Hinzu trat, daß der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn nunmehr als solcher des öffentlichen Rechts angesehen wurde und von daher dem Haushaltsrecht unterfiel, das dessen Geltendmachung im Regelfall zwingend vorschrieb. Der Dienstherr geriet somit nicht selten in die schwierige Lage, einen Anspruch gegen seinen Beamten nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen geltend machen zu müssen, obwohl das Verschulden des Beamten nur gering wog und die Durchsetzung des Anspruchs somit fürsorgewidrig erschien. In der Praxis gewann die Fürsorgepflicht die Oberhand, so daß auch bei privatrechtlicher Aufgabenwahrnehmung des Beamten zunehmend auf eine Inanspruchnahme wegen leicht fahrlässiger Dienstpflichtverletzung verzichtet wurde. Rechtsprechung und Rechtswissensschaft waren bemüht,
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hierfür die dogmatische Grundlage zu liefern. Da eine entsprechende Anwendung der im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze über die Haftungserleichterung bei „gefahr- bzw. schadensgeneigter Arbeit" insoweit unzureichend bzw. systemfremd erschien, wurde schließlich angeregt, die Haftung des Beamten im allgemeinen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. Jedoch scheitelte eine diesbezügliche Gesetzesreform lange Zeit an der unglücklichen Verknüpfung dieses Vorhabens mit der Neuregelung des Staatshaftungsrechts. Erst durch das Neunte Dienstrechtsänderungsgesetz, das am 1. Januar 1993 in Kraft trat, wurde die vermögensrechtliche Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn in allen Fällen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. 3. Der Schadensersatzanspruch des Staates ist heute - anders als nach den Vorschriften des Preußischen Allgemeinen Landrechts (II 10 § 91 PrALR) - nicht mehr subsidiär. Vielmehr haftet der Beamte dem Dienstherrn gemäß der §§ 78 BBG, 46 BRRG primär und unmittelbar. Eine Subsidiarität besteht aber weiterhin im Außenverhälnis gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB bei leichter Fahrlässigkeit, wo sie dem Beamten mittelbar dadurch zugute kommt, daß sie die Haftung der nach Art. 34 Satz 1 GG zur Schuldübernahme verpflichteten Körperschaft begrenzt und damit einen ersatzfähigen Vermögensschaden des Dienstherrn nicht zur Entstehung gelangen läßt. Im Innenverhältnis wurde die Subsidiarität des Anspruchs durch § 23 DBG für alle Beamten endgültig abgeschafft. Bei Schäden, die infolge eines nur leicht fahrlässigen Verhaltens des Beamten entstanden waren, setzte sich der Subsidiaritätsgedanke allerdings insoweit fort, als man den Dienstherrn aufgrund seiner Fürsorgepflicht für gehalten erachtete, den Schaden zunächst von einem Dritten zu fordern, soweit dies erfolgversprechend und zumutbar erschien. Anläßlich der beabsichtigten Einführung einer unmittelbaren, verschuldensunabhängigen Haftung des Staates Anfang der siebziger Jahre, die zu einer nicht unerheblichen Verschärfung der Außenhaftung geführt hätte, hat es Vorschläge gegeben, eine Subsidiarität auch für das Innenverhältnis (wieder) einzuführen und den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn bei grober Fahrlässigkeit des Beamten in eine bloße „Ausfallhaftung" umzugestalten. Diese Vorschläge sind über das Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht hinausgelangt, weil die Haftungsbeschränkung auf vorsätzliche und grob fahrlässig begangene Dienstpflichtverletzungen bereits als ausreichend maßvolle Haftung angesehen worden ist.
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
B. Die verfassungsrechtlichen Determinanten der Haftung des Beamten Von besonderem Interesse - vor allem im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung - sind neben den historischen auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Schadensersatzanspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG. Sieht man von den grundlegenden Prinzipien ab, welche für das Recht des öffentlichen Dienstes im allgemeinen und für das Beamtenrecht im besonderen von Bedeutung sind, so finden sich unmittelbare Vorgaben des Grundgesetzes an die Ausgestaltung der beamtenrechtlichen Innenhaftung heute allein in Art. 34 GG sowie, nach zum Teil vertretener Überzeugung, in Art. 33 Abs. 5 GG.
I. Verfassungsrechtliche Vorgaben durch Art. 34 Sätze 2 und 3 GG 1. Nach Art. 34 Satz 2 GG bleibt der Rückgriff vorbehalten, wenn der Dienstherr einem geschädigten Dritten aufgrund seiner Verpflichtung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG Schadensersatz geleistet hat und dem Beamten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Art. 34 Satz 2 GG beinhaltet daher die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für das sogenannte „Amtshaftungsprivileg". Seinem Wortlaut entsprechend, versteht die herrschende Lehre Art. 34 Satz 2 GG als inhaltliche Vorgabe an das Beamtenrecht, nicht als unmittelbare Anspruchsgrundlage des Dienstherrn („Rückgriffsvorbehalt") 189 . Art. 34 Satz 2 GG bedarf daher der Umsetzung durch den Gesetzgeber, wie sie im Hinblick auf die Haftung des Beamten im dienstrechtlichen Sinne durch die §§78 BBG, 46 BRRG geschehen ist. Vorherrschend ist auch die Auffassung, Art. 34 Satz 2 GG schreibe den Rückgriff nicht zwingend vor, sondern schränke ihn lediglich ein („Rückgriffslimit") 1 9 0 . Dem Gesetzgeber stehe es folglich frei, ob und in welchem Rahmen er von der Möglichkeit des Amtshaftungsrückgriffs Gebrauch machen wolle, solange der Beamte bei einfacher Fahrlässigkeit von der persönlichen Haftung freigestellt bleibe. Dagegen gibt das Verfassungsrecht nach singulärer Ansicht durch Art. 34 Satz 2 GG das Haftungsmaß hinsichtlich der Schuldformen „nach oben und nach unten" verbindlich v o r 1 9 1 . Bei 189 Bryde, in: von Münch, Art. 34 GG Rn. 38; Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG Rn. 348; Ossenbühl, 2. Teil VIII. 1. (S. 119); Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 15. 190 Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG Rn. 348; Ossenbühl, 2. Teil VIII. 1. (S. 118 f.). 191 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 15.
Β. Die verfassungsrechtlichen Determinanten der Haftung des Beamten
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vorsätzlicher oder grob fahrlässiger mittelbarer Schädigung des Dienstherrn in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit müßte der Beamte danach bereits von Verfassungs wegen zur Haftung herangezogen werden. Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen: Verfassungswidrig wäre dann jede gesetzliche oder untergesetzliche Regelung, die den Beamten bei grober Fahrlässigkeit von der Regreßverantwortlichkeit für Schäden in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes freistellt. Betroffen hiervon wären etwa Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften, durch welche der Dienstherr auf den Ersatz grob fahrlässig verursachter Schäden für besonders schadensträchtige Tätigkeiten bestimmter Beamtengruppen verzichtet sowie partiell die Regelung des § 32 AO (1977), wonach Beamte im Besteuerungsverfahren nur haften, wenn die begangene Dienstpflichtverletzung mit Strafe bedroht ist. 2. In prozeßrechtlicher Hinsicht bestimmt Art. 34 Satz 3 GG ferner, daß für den Anspruch des Dritten auf Schadensersatz sowie für den Rückgriff im Sinne des Satzes 2 aus traditionellen Gründen 1 9 2 der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden darf. Ebenso wie Art. 34 Satz 2 GG betrifft auch Art. 34 Satz 3 GG allein die Regreßhaftung des Amtsträgers bei hoheitlicher Funktionswahrnehmung 193 . In allen anderen Fällen der beamtenrechtlichen Innenhaftung sind dagegen gemäß §§ 172 BBG, 126 Abs. 2 BRRG die Verwaltungsgerichte zur Entscheidung berufen 194 .
II. Beamtenrechtliche Innenhaftung und Art. 33 Abs. 5 GG Nicht ohne weiteres ersichtlich ist, ob auch Art. 33 Abs. 5 GG eine verfassungsrechtliche Entscheidung im Hinblick auf die beamtenrechtliche Innenhaftung enthält. Art. 33 Abs. 5 GG verlangt vom Gesetzgeber, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" zu regeln. Angesichts der Bedeutung des Beamtentums für die Wahrnehmung der Staatsfunktionen gehört Art. 33 Abs. 5 GG zu den staatskonstitutiven Verfassungsnormen 195. Nach einer Formulierung des Bundesverfassungsgerichts will Art. 33 Abs. 5 GG „die Institution des Berufsbeamtentums in ihrer Funktionsfähigkeit im Interesse der Allgemeinheit erhalten und gewährleisten, daß der Bedienstete in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann 1 9 6 ". 192 193 194 195 196
Ossenbühl 2. Teil IX. 1. (S. 121 f.). Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 34 GG Rn. 309. Näher dazu und zur Reformbedürftigkeit der Regelung unten 5. Kapitel Α. I. Stern, § 11 III 4 (S. 353). BVerfG, Beschl. v. 04.02.1981, BVerfGE 56, 146 (162).
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1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
Die Wendung „hergebrachte Grundsätze" weist dabei in ungewöhnlicher Form in die Vergangenheit deutscher Geschichte zurück 1 9 7 . Das Bundesverfassungsgericht rechnet zu den hergebrachten Grundsätzen in diesem Sinne denjenigen „Kernbestand von Strukturprinzipien, der allgemein oder doch überwiegend und während eines längeren Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar als verbindlich anerkannt und gewahrt worden i s t " 1 9 8 . Neben dem Nachweis einer zumindest bis in die Zeit des Rechststaates von Weimar zurückreichenden Tradition ist somit für die Annahme eines hergebrachten Grundsatzes im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG erforderlich, daß es sich um grundlegende, prägende Rechtssätze und Rechtsinstitute handelt 1 9 9 , die zudem mit den materiellen Grundaussagen des Grundgesetzes vereinbar sein müssen 200 . Zu den allgemein anerkannten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG zählen etwa die Treuepflicht des Beamten, insbesondere dessen Treue zur Verfassung 201 oder das Alimentationsprinzip 202 . Es fragt sich, ob auch das beamtenrechtliche Amtshaftungsprivileg über Art. 33 Abs. 5 GG in den Rang eines vom Gesetzgeber zu berücksichtigenden bzw. zu beachtenden Grundsatzes erhoben wird. Dies scheint zunächst allenfalls von theoretischem Interesse zu sein, da das Amtshaftungsprivileg bereits durch Art. 34 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gewährleistet ist. Die Frage ist jedoch auch von gewisser praktischer Bedeutung, da Art. 33 Abs. 5 GG - anders als Art. 34 GG - nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein grundrechtsgleiches subjektives Recht des einzelnen verbürgt, dessen Verletzung von dem Beamten im Wege der Verfassungsbeschwerde gerügt werden könnte 2 0 3 . Die beamtenrechtliche Literatur sieht das Amtshaftungsprivileg des Beamten heute überwiegend auch durch Art. 33 Abs. 5 GG als gewährleistet a n 2 0 4 . Der Grund hierfür besteht offenkundig darin, daß das Privileg des Art. 34 Satz 2 GG insoweit nicht nur als Regelung zur Steigerung der Verwaltungseffizienz, sondern vorrangig als besondere Ausprägung des beam-
197
Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 42. BVerfG, Urt. v. 02.12.1958, BVerfGE 8, 332 (343). 199 Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 33 GG Rn. 53; Scheerbarth/ Höffken, § 5 II 1 (S. 87 f.). 200 Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 42 f. 201 BVerfG, Beschl. v. 22.05.1975, BVerfGE 39, 334; Hilg, § 5 II 4 (S. 56). 202 BVerfG, Beschl. v. 30.03.1977, BVerfGE 44, 249. 203 St. Rspr. seit BVerfG, Beschl. v. 24.01.1961, BVerfGE 12, 81 (87); Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 33 GG Rn. 82; ablehnend: Kunig, in: von Münch, Art. 33 GG Rn. 55. 204 Battis, RdA 1986, S. 216 f.; Fürst, S. 293; Hilg, § 5 II 4 (S. 56); Scheerbarth/Höffken, § 5 II (S. 91); Strunk, Rn. 76. 198
Β. Die verfassungsrechtlichen Determinanten der Haftung des Beamten
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tenrechtlichen Fürsorgegrundsatzes begriffen w i r d 2 0 5 , der seinerseits nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als „hergebrachter Grundsatz" im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG anerkannt i s t 2 0 6 . Das Schrifttum stützt seine diesbezügliche Überzeugung vor allem auf die bereits länger zurückliegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1976. Die den Beschluß tragende Senatsmehrheit ist seinerzeit davon ausgegangen, daß „zwar der in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene „hergebrachte Grundsatz (z.B. angemessene Alimentierung, Treuepflicht, Fürsorgepflicht des Dienstherrn usw.) als „hergebracht" nachgewiesen werden muß, daß aber die durch Auslegung gewonnenen Konkretisierungen des Inhalts jenes hergebrachten Grundsatzes keineswegs als hergebracht erwiesen werden müssen. Im Gegenteil: Gerade die Auslegung eines hergebrachten Grundsatzes gestattet es, den Grundsatz in gewissem Umfang elastisch zu halten und veränderten Verhältnissen in beschränktem Umfang anzupassen" 207 . Diese Auffassung ist seitens des Schrifttums zu Recht kritisiert worden 2 0 8 . Wäre sie richtig, so würde jeder Rechtssatz des einfachen Beamtenrechts, der die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten konkretisiert, unabhängig davon, ob er jemals Bestandteil des früheren Beamtenrechts gewesen ist, zu den „hergebrachten Grundsätzen" des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 zählen. Die Rechtssätze der einfach-gesetzlichen Fürsorgepflicht und der durch Art. 33 Abs. 5 GG auf die verfassungsrechtliche Ebene gehobene „hergebrachte Grundsatz" der Fürsorgepflicht wären also rang- und inhaltsgleich 209 . Im Ergebnis führte dies zu einer Überdehnung des Art. 33 Abs. 5 GG, die selbst Detailregelungen des aktuellen Beamtenrechts in den Rang von Verfassungsnormen erheben würde. Vielmehr wird man bei der Prüfung der „Hergebrachtheit" danach zu fragen haben, ob der anzuwendene Rechtssatz selbst zu denjenigen Grundsätzen gehört, welche der Gesetzgeber durch Art. 33 Abs. 5 GG in das nach Inkrafttreten des Grundgesetzes neu geschaffene Beamtenrecht hat übernehmen wollen 2 1 0 . Insofern fehlt es dem beamtenrechtlichen Haftungsprivileg jedoch bereits am Nachweis hinreichender Rechtstradition. Das Bundesverfassungsgericht geht zur Feststellung einer solchen Tradition 205
Ausdrücklich: Bryde, in: von Münch, Art. 34 GG Rn. 42. BVerfG, Urt. v. 02.12.1958, BVerfGE 8, 332 (356 f.); BVerfG, Beschl. v. 15.12.1976, BVerfGE 43, 154. 207 BVerfG, Beschl. v. 15.12 1976, BVerfGE 43, 154 (168). 208 Z.B. Becker, S. 266. 209 Dissentierendes Votum der Richter Wand und Niebier, BVerfG, Beschl. v. 15.12.1976, BVerfGE 43, 177 (188). 210 So auch das BVerfG, Beschl. v. 23.06.1981, BVerfGE 58, 68 im Hinblick auf das heutige System der Beihilfegewährung, ohne allerdings seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufzugeben. 206
7 Beckmann
1. Kap.: Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn
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teils bis in das Jahr 1871 2 1 1 , teils sogar bis I 8 6 0 2 1 2 zurück. Zu dieser Zeit bestand eine dem heutigen Amtshaftungsprivileg entsprechende Haftungsbeschränkung jedoch allein in Sachsen, später dann in Preußen nur für Grundbuchbeamte 213 . Ein allgemeines gesetzliches Haftungsprivileg des Beamten für mittelbare Schädigung seines Dienstherrn in Ausübung hoheitlicher Befugnisse besteht erst seit Inkrafttreten des Deutschen Beamtengesetzes von 1937. Weder das preußische Amtshaftungsgesetz von 1909 noch das entsprechende Reichsgesetz von 1910 kannten eine generelle Rückgriffsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ebensowenig kann davon gesprochen werden, eine solche Privilegierung sei unter Geltung des Art. 131 WRV „als verbindlich anerkannt und gewahrt" worden. Vielmehr wurde der Fürsorge zu dieser Zeit meist auf andere Weise, etwa durch entsprechende Ausübung eines Ermessens, Rechnung getragen 214 . Als „hergebrachter Grundsatz" im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG könnte daher allenfalls die Berücksichtigung der Fürsorge bei der Heranziehung des Beamten als solche anerkannt werden, nicht jedoch die relativ junge tatbestandliche Haftungsprivilegierung. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob das Haftungprivileg als derart prägender Bestandteil des Beamtenrechts angesehen werden muß, daß der Gesetzgeber hiervon nicht abweichen könnte, ohne das Bild des Beamtentums in seiner überkommenen Gestalt elementar zu verändern 215 . Diese Überlegungen mögen auch den Großteil der Kommentatoren des Art. 33 Abs. 5 GG dazu bewogen haben, das Haftungsprivileg des Beamten nicht mit in die Kataloge „hergebrachter Grundsätze" des Berufsbeamtentums aufzuneh-
III. Zusammenfassung Im Ergebnis ist festzuhalten, daß das Verfassungrecht heute nur in Art. 34 GG Vorgaben an den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch enthält. Art. 34 Satz 2 GG gewährleistet das sogenannte „Amtshaftungsprivileg", also die Beschränkung des Rückgriffs bei Verursachung von Fremdschäden in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, durch Statuierung eines Regreß211
BVerfG, Beschl. v. 14.06.1960, BVerfGE 11, 203 (210). BVerfG, Beschl. v. 24.01.1961, BVerfGE 12, 81 (89). 2,3 Oben A. II. 2. b) und III. 4. a). 214 Oben A. III. 4. b). 215 Zweifelnd: Kopp, in: Steiner, III. A, Rn. 20 und Stern, § 11 III 4 (S. 354). 2,6 Nicht mit aufgeführt ist das Amtshaftungsprivileg etwa bei Isensee, in: Benda/Maihofer/Vogel, § 32, Rn. 65 ff.; Kunig, in: von Münch, Art. 33 GG Rn. 63; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 33 GG Rn. 62 ff; Schuppen, in: AK, Art. 33 GG Rn. 77. 212
Β. Die verfassungsrechtlichen Determinanten der Haftung des Beamten
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Vorbehaltes und eines Regreßlimits. Art. 34 Satz 3 GG verweist den Dienstherrn für den Amtshaftungsrückgriff ferner auf den ordentlichen Rechtsweg. Dagegen stellt das „Amtshaftungsprivileg" keinen „hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums" im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG dar. Der Beamte hat daher kein grundrechtsgleiches Recht auf Haftungsfreistellung bei einfacher Fahrlässigkeit. Der Gesetzgeber wäre zudem durch Art. 33 Abs. 5 GG nicht gehindert - eine entsprechende Änderung des Art. 34 GG vorausgesetzt - die volle Verschuldenshaftung der Beamten (wieder) einzuführen, sofern er der Fürsorgepflicht des Dienstherrn auf anderem Wege, etwa durch Einräumung eines entsprechenden Ermessensspielraumes auf der Rechtsfolgenseite der §§78 BBG, 46 BRRG, zur Geltung verhilft, wenn sich zum Beispiel herausstellen würde, daß die generelle Beschränkung der Innenhaftung der Beamten der Wahrung der erforderlichen Sorgfalt im öffentlichen Dienst abträglich sein sollte.
2. Kapitel
Voraussetzungen und Rechtsfolgen des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs A. Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG Fällt ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich der §§78 BBG, 46 BRRG (I.), so macht sich der Beamte ersatzpflichtig, wenn er seine Pflichten verletzt hat (II.), ihn insoweit der Vorwurf zumindest grober Fahrlässigkeit trifft (III.), dem Dienstherrn ein Schaden erwachsen ist (IV.) und zwischen Schaden und Pflichtverletzung der erforderliche Kausalzusammenhang besteht (V.). Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 2 der §§78 BBG, 46 BRRG vor, so kann der Beamte seiner Inanspruchnahme die Einrede der Verjährung entgegenhalten (VI.) Da sich der Schadensersatzanspruch im Innenverhältnis aus zivilrechtlichen Zusammenhängen entwickelt hat und auch funktional den privatrechtlichen Schadensersatztatbeständen entspricht, folgt der Anspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG, obwohl öffentlich-rechtlicher Natur, auf der Voraussetzungsseite überwiegend zivilrechtlichen Prinzipien. Damit grenzt sich der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn vom Dienstvergehenstatbestand ab, welcher weitgehend an das Strafrecht angelehnt und damit im Grundsatz öffentlich-rechtlich, im übrigen eigenständig strukturiert ist 1 . I. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich 1. Der persönliche Anwendungsbereich des Anspruchs a) Erfordernis eines wirksamen aktiven Beamtenverhältnisses im Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzung Die §§78 BBG, 46 BRRG nennen als Haftungssubjekt den Beamten und nehmen damit Bezug auf den Beamten im dienst- bzw. statusrechtlichen Sinne, also auf jenen Personenkreis, der zum Zeitpunkt der Schadensverursachung in einem wirksamen aktiven Bundes- oder Landesbeamtenverhält1
Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl,
Art. 85 BayBG Anm. 3.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
101
nis im Sinne der §§ 2 BBG, 2 BRRG gestanden hat 2 . Die Art des Beamtenverhältnisses spielt für die Anwendbarkeit der §§ 78 BBG, 46 BRRG keine Rolle 3 . Der Schadensersatzpflicht unterliegen gleichermaßen alle Beamten auf Lebenszeit, auf Probe, auf Widerruf, auf Zeit sowie die Ehrenbeamten, unabhängig von ihrer Verwendung und Beschäftigungsdauer 4. b) Ausnahmen Ausnahmen vom Erfordernis eines wirksamen aktiven Beamtenverhältnisses im Zeitpunkt der Schadensverursachung bestehen für die Haftung früherer Beamter (aa) sowie für diejenigen Beschäftigten, deren Ernennung fehlerhaft gewesen ist (bb). aa) Analoge Anwendung auf Ruhestandsund sonstige frühere Beamte Es bedarf an dieser Stelle keiner besonderen Hervorhebung, daß es auf die Rechtsgrundlage der Haftung des Beamten ohne Einfluß bleibt, wenn das Beamtenverhältnis endet, nachdem der Beamte die ihm obliegende Pflicht zur Schadloshaltung seines Dienstherrn verletzt hat, gleichgültig, ob der Schaden erst nach diesem Zeitpunkt entsteht oder schon früher entstanden ist, aber vom Dienstherrn erst danach geltend gemacht wird. Denn die Haftung des Beamten gelangt - wie sich aus dem Wortlaut der §§78 BBG, 46 BRRG ergibt - jedenfalls dem Grunde nach, nicht erst dann zur Entstehung, wenn der Dienstherr den Schaden entdeckt oder den Anspruch erstmalig geltend macht, sondern bereits dann, wenn der Beamte die Dienstpflichtverletzung begangen und damit die entscheidende Ursache für den Schaden gesetzt hat 5 . Die Beendigung des öffentlichen Dienstverhältnisses, sei es durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand, sei es durch Entlassung oder Verlust der Beamtenrechte, berührt den einmal entstandenen Anspruch des Dienstherrn folglich nicht 6 . Eine andere Frage ist es, ob ein Beamter auch noch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses eine Haftung nach den §§78 BBG, 46 BRRG gegenüber seinem früheren Dienstherrn begründen kann oder ob in diesem Fall 2
Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 15. BGH, Urt. v. 25.06.1956, ZBR 1956, 327 (328); Maiwald, in: Schütz, § 84 NW LBG Rn. 29; Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 6 a). 4 VGH Kassel, Urt. v. 18.01.1966, ZBR 1966, 194 Ls. 5 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 16b). 6 BVerwG, Urt. v. 28.06.1967, BVerwGE 27, 250 (252) zu § 24 SG; VGH Mannheim, Urt. v. 05.03.1982, DÖD 1983, 62 (63); Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 21. 3
102
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
auf allgemeine Haftungsgrundsätze, also insbesondere auf die §§ 823 ff. BGB, zurückgegriffen werden muß. Endet das Beamtenverhältnis, wie im Regelfall üblich, durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand, so bleibt das sogenannte beamtenrechtliche Grundverhältnis unberührt. Zwar erlischt insoweit das aktive Beamtenverhältnis, bestimmte Pflichten wirken jedoch unverändert fort 7 . Dazu gehört die Treuepflicht des Beamten ebenso wie die Fürsorgepflicht des Dienstherrn 8 . Nach allgemeiner Auffassung des Schrifttums entspricht es daher der Natur des fortwirkenden Beamtenverhältnisses, die beamtenrechlichen Haftungsgrundsätze auch auf das Ruhestandsverhältnis anzuwenden9. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für den Fall der Überzahlung von Dienstbezügen durch schuldhaft falsche Angaben eines Ruhestandsbeamten bestätigt, dabei jedoch mit der Art der verletzten Pflicht argumentiert: Rechtsgrund für den Schadensersatzanspruch sei die Verletzung einer Pflicht, welche als Ausfluß des Dienstverhältnisses dem Ruhestandsbeamten in gleicher Weise obliege wie dem aktiven Beamten. Somit bestehe zwischen aktivem und früherem Beamten kein rechtlich relevanter Unterschied 10 . Dem ist beizupflichten. Verletzt ein ehemaliger Beamter Pflichten, die ihm gerade kraft seines früheren Beamtenstatus obliegen, so haftet er für deren Verletzung (nur) nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen. Unter diesem Gesichtspunkt wird man keine Bedenken tragen müssen, die §§78 BBG, 46 BRRG sinngemäß auch auf entlassene oder aus dem Dienst entfernte Beamte anzuwenden, sofern diese schuldhaft eine Pflicht verletzen, welche den Bestand des Beamtenverhältnisses überdauert hat. Solche Pflichten nennt das Gesetz zum Beispiel in § 61 Abs. 1 BBG (Pflicht zur Amtsverschwiegenheit) und in § 61 Abs. 3 BBG (Pflicht zur Herausgabe dienstbezogener Aufzeichnungen). Indes ist eine direkte Anwendung der §§78 BBG, 46 BRRG auf Pflichtverletzungen ehemaliger Beamter, wie sie offenbar vom Bundesverwaltungsgericht und einem Großteil der Literatur befürwortet wird, nicht möglich, wie sich aus einem Vergleich mit dem Wortlaut der Dienstvergehenstatbestände der §§77 BBG, 45 BRRG ergibt. Letztere normieren in den Absätzen 2 einen eigenen Dienstvergehenstatbestand für Ruhestandsbeamte bzw. frühere Beamte mit Versorgungsbezügen. Daraus folgt, daß Ruhestands- und sonstige frühere Beamte nicht ohne weiteres unter den Beam7
Battis, § 6 BBG Rn. 18; Thiele, DÖD 1996, S. 49 ff. Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 115. 9 Kümmel, § 86 NBG Rn. 7; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 16a); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 15; so schon für das frühere Recht: Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 92. 10 BVerwG, Urt. v. 17.12.1963, Buchholz 232 §78 BBG Nr. 4, 11 (16); BVerwG, Urt. v. 14.07.1971, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 17, 38 (40). 8
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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tenbegriff der §§ 78 BBG, 46 BRRG subsumiert werden können. Die insofern bestehende Diskrepanz wird man jedoch im Wege der analogen Anwendung der Schadensersatznormen auf die Pflichtverletzungen früherer Beamter beheben können 11 . Schließlich bleibt zu beachten, daß der Kreis der haftungsbegründenden Pflichtverletzungen von Ruhestandsbeamten, entgegen einer in der Kommentarliteratur häufig verwendeten Formulierung 12 , nicht auf solche Pflichten beschränkt ist, deren Mißachtung nach den §§ 77 Abs. 2 BBG, 45 Abs. 2 BRRG gleichzeitig als Dienstvergehen gilt 1 3 . Der Gesetzgeber erkennt disziplinarischen Handlungsbedarf bei Ruhestandsbeamten wegen des rudimentären Treueverhältnisses nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen. Auf die Schadensersatzpflicht der Ruhestandsbeamten ist dies nicht übertragbar. Auch soweit ein Ruhestandsbeamter folglich spezifisch beamtenrechtliche Pflichten verletzt, deren Vernachlässigung kein Dienstvergehen darstellt, wie beispielsweise Erklärungs- oder Mitteilungspflichten in bezug auf die Versorgungsbezüge, ist seine Haftung ausschließlich und abschließend in analoger Anwendung der §§ 78 BBG, 46 BRRG zu bestimmen. Für Ruhestandsbeamte gilt daher die eingangs aufgestellte Grundregel: „Keine Haftung auf Schadensersatz ohne Dienstvergehen 14 " nicht bzw. nicht uneingeschränkt. bb) Innenhaftung im vermeintlichen Beamtenverhältnis Ähnliche Probleme wie bei der Haftung früherer Beamter bestehen, wenn die Ernennung des Betroffenen zum Beamten gemäß §§11 BBG, 8 BRRG nichtig war oder es bereits an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirksame Ernennung gefehlt hat (sogenannte Nichternennung) 15 . Dem steht es gleich, wenn eine zunächst wirksame Ernennung später durch den Dienstherrn nach den §§ 12 BBG, 9 BRRG mit Wirkung ex tunc 1 6 zurückgenommen wurde.
11 Im Ergebnis ebenso: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 6 b), 36 a). 12 Z.B. bei Battis , § 78 BBG Rn. 3; Müller/Beck/Entenmann, § 96 LBG BW Rn. 4; Ule, § 46 BRRG Rn. 1. 13 So zu Recht: Thiele, DÖD 1996, S. 51 f. 14 Oben Einführung II. 15 Vgl. Battis, § 6 BBG Rn. 15 f. 16 Art. 15 III 1 BayBG; § 16 I BremBG; § 16 I HessBG; 19 IV 1 NBG; § 14 I NWLBG; § 16 II RhPfLBG; § 18 I 2 SaarlBG; § 16 II SchlHLBG; im übrigen folgt die Wirkung ex tunc aus allgemeinen Grundsätzen; vgl. Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 98.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Ist der Betroffene in diesen Fällen bis zum Ausspruch des Verbots der weiteren Führung der Dienstgeschäfte bzw. bis zur Rücknahme seiner Ernennung gleichwohl tätig geworden, weil die fehlerhafte Ernennung zunächst unentdeckt geblieben war, und hat er hierbei einen Schaden verursacht, so ist fraglich, nach welchen Vorschriften sich seine Haftung bestimmt. Dem Gesetz ist eine unmittelbare Antwort hierauf nicht zu entnehmen. Während § 14 Satz 1 BBG für das Außen Verhältnis zum Bürger insoweit abschließend bestimmt, daß Amtshandlungen des Betroffenen in gleicher Weise gültig sind, als wenn sie ein Beamter ausgeführt hätte, enthält § 14 Satz 2 BBG für das Innenverhältnis zum Dienstherrn nur eine unvollständige Regelung der Rechtslage. Danach entscheidet der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen, ob dem Betroffenen die gezahlten Dienstbezüge zu belassen sind. Im übrigen ist das Innenverhältnis zwischen Dienstherrn und Betroffenem gesetzlich nicht geregelt 17 . (1) Ältere Auffassungen
in der Rechtslehre
Nach einer älteren Auffassung in der Rechtslehre 18 , die heute nur noch selten - und zumeist auf den Fall der Nichternennung beschränkt - vertreten wird 1 9 , tritt ein Bewerber, der von vornherein nicht Beamter geworden ist, nicht in die Rechte und Pflichten eines Beamten ein. Folglich sei er dem Dienstherrn gegenüber auch nicht nach den beamtenrechtlichen, sondern allein nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen des bürgerlichen Rechts, insbesondere nach den Vorschriften über die unerlaubten Handlungen aus §§ 823 ff. BGB, zum Schadensersatz verpflichtet. (2) Schadensersatzanspruch
sui generis nach Brückner
Dagegen wendet sich Brückner 20, der in den Bestimmungen der §§ 823 Absätze 1 und 2, 826 BGB keine taugliche Anspruchsgrundlage erkennt, weil jene Vorschriften ein Gleichordnungs- und nicht ein auf Über- und Unterordnung beruhendes Verhältnis von Schädiger und Verletztem voraussetzten. Andererseits könnten auch die beamtenrechtlichen Vorschriften der §§78 BBG, 46 BRRG nicht herangezogen werden, weil bei bedingungsloser Durchführung des Nichtigkeitsgedankens der „de-facto-Beamte" gerade nicht Beamter gewesen sei. Brückner postuliert daher für diesen Fall einen 17
Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 104. Bochalli, § 14 BBG Anm. 2; Fischbach, § 14 BBG II. 2. (S. 237); Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 34 DBG Rn. 11. 19 Battis, § 6 BBG Rn. 16; Wiese, 2. Teil, 2. Abschn. IV. 2 (S. 85 f.); Wolff/ Bachof/Stober, § 111, Rn. 17. 20 Brückner, S. 68 f. 18
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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ungeschriebenen Schadensersatzanspruch sui generis. Ein solcher Anspruch lasse sich nach Meinung Brückners bereits aus dem allgemeinen Rechtsgedanken ableiten, wonach jede Pflichtverletzung, durch die dem Pflichtengläubiger ein Schaden entstanden sei, einen gegen den Pflichtigen gerichteten Ersatzanspruch begründen könne 21 . (3) Analoge Anwendung der §§ 78 BBG, 46 BRRG nach heute herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum Die heute herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht indes davon aus, daß schon die tatsächliche, auf Dauer angelegte Leistung und Entgegennahme beamtenrechtlicher Dienste und entsprechender Bezüge, die Beteiligten zu einem sachgerechten und sorgfältigen Vorgehen verpflichte. Daher seien auf die Fälle der fehlerhaften Beamtenernennung jedenfalls im Kern - die beamtenrechtlichen Vorschriften anzuwenden 22 . Überwiegend wird dabei im Hinblick auf die Innenhaftung eine rechtsanaloge 2 3 Anwendung der §§78 BBG, 46 BRRG befürwortet, wobei die Begründungen hierfür auseinandergehen: Im Schrifttum wird die analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Haftungsnormen zumeist auf die Rechtsnatur des vermeintlichen Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis eigener Art gestützt 24 , welches in Parallele zur arbeitsrechtlichen Rechtsfigur des „faktischen Arbeitsverhältnisses" zum Teil auch als „faktisches Beamtenverhältnis" bezeichnet wird 2 5 . Auf dieses Rechtsverhältnis sui generis sei das Beamtenrecht analog anwendbar, sofern das Fehlen der wirksamen Ernennung einer Analogie nicht zwingend entgegenstehe, wie zum Beispiel hinsichtlich etwaiger disziplinarischer Sanktionen 26 . Zum gleichen Ergebnis gelangt Lemhöfer, der die entsprechende Anwendbarkeit der beamtenrechtlichen Haftungsnormen jedoch in erster Linie aus dem Rechtsgedanken des § 14 BBG entnehmen will, wonach die Tätigkeit des vermeintlichen Beamten nach dem Willen des Gesetzgebers gerade im Rahmen der beamtenrechtlichen und nicht im Rahmen der allgemeinen Regelungen abgewickelt werden soll 2 7 . 21
Brückner, S. 69. BVerwG, Urt. v. 22.02.1996, Buchholz 237.6 § 86 NBG Nr. 4, 3 (6); Hilg, § 14 VI 2 (S. 155); Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 104; Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 14 BBG Rn. 12; Scheerbarth/Höffken,% 12 V. (S. 318). 23 Für eine direkte Anwendung dagegen: Fromme, S. 170; Schröcker, S. 668. 24 Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 104; Monhemius, Rn. 215; Scheerbarth/Höffken, § 12 V. (S. 318); Wagner, Rn. 109. 25 Hilg, § 14 VI 2 (S. 155); Summer, in: Fürst (GKÖD I K), § 14 BBG Rn. 10; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 18 BayBG Anm. 4; kritisch zu dieser Terminologie: Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 14 BBG Rn. 12 f. 26 Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 104. 22
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Das Bundesverwaltungsgericht begegnet der Annahme eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses eigener Art eher mit Zurückhaltung 28 . Dennoch hat auch der Zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts in einer Entscheidung vom 22. Februar 1996 anerkannt, daß sich aus der Tätigkeit eines Betroffenen, der nach dem Willen beider Seiten in das Beamtenverhältnis berufen werden sollte und dessen Beamtenverhältnis beiderseits für bestehend gehalten wurde, Pflichten in bezug auf das Wohl der Allgemeinheit und die Belange des Dienstherrn ergeben könnten, so daß es die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Billigkeit geböten, dem nicht wirksam Berufenen im Gegenzug die beamtenrechtliche Haftungsbeschränkung zuzugestehen29. Dabei hat es der Senat ausdrücklich offengeassen, ob anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn der vermeintliche Beamte die Fehlerhaftigkeit seiner Ernennung gekannt oder sogar vorsätzlich durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt hätte und deshalb mit einer Rücknahme rechnen mußte 30 . (4) Stellungnahme und Ergebnis Obwohl zwischen Dienstherrn und Betroffenem bei fehlerhafter Ernennung kein Beamtenverhältnis zustande kommt, läßt sich das Bestehen tatsächlicher Rechtsbeziehungen der Beteiligten zueinander kaum leugnen, wenn und soweit es bereits zu einem gegenseitigen Leistungsaustausch gekommen ist. Dieses tatsächliche Rechtsverhältnis kann ebensowenig ungeregelt sein wie die Erbringung gegenseitiger Leistungen im privaten Arbeitsrecht auf nichtiger Vertragsgrundlage. Davon scheint im Ansatz auch das Bundesverwaltungsgericht auszugehen, da die These des Gerichts, den Nichternannten träfen im Grunde dieselben Pflichten wie einen Beamten, anders kaum zu erklären wäre. Welche Vorschriften es sind, die diesem Rechtsverhältnis ihr Gepräge verleihen, ist streitig 31 . Dabei erweist sich allein die Einordnung als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art als sachgerecht, wie gerade die vorliegende Streitfrage zeigt. Denn ohne die Konstruktion eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses sui generis, auf welches die beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, lassen sich die Fälle der Innenhaftung des vermeintlichen Beamten nicht sinnvoll abwickeln 32 . 27 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 16; zustimmend: Maiwald, in: Schütz, § 84 NW LBG Rn. 30. 28 Vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1982, DÖV 1983, 898 (899). 29 BVerwG, Urt. v. 22.02.1996, Buchholz 237.6 § 86 NBG Nr. 4, 3 (6) - das Urteil betrifft einen Fall der Nichternennung, da keine Ernennungsurkunde übergeben worden war. 30 BVerwG, Urt. v. 22.02.1996, Buchholz 237.6 § 86 NBG Nr. 4, 3 (6). 31 Zu den möglichen Einordnungen vgl. nur Fromme, S. 169.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Obliegen nämlich dem nicht bzw. nicht wirksam Ernannten im Kern dieselben Pflichten wie einem Beamten, so ist die Heranziehung der allgemeinen Haftungsgrundsätze des Arbeits- bzw. Deliktsrechts nicht gerechtfertigt. Auch eine unmittelbare Anwendung der §§78 BBG, 46 BRRG muß angesichts des im Beamtenrecht vorherrschenden Grundsatzes der Formstrenge von vornherein am Tatbestandsmerkmal der Beamteneigenschaft im dienstrechtlichen Sinne scheitern. Ebensowenig überzeugend ist die Postulation eines ungeschriebenen Schadensersatzanspruchs, da sie gerade die entscheidende Frage nach dem anzulegenden Haftungsmaßstab unbeantwortet läßt. Denkbar wäre zwar, auch auf den ungeschriebenen Schadensersatzanspruch das Haftungsprivileg der §§78 BBG, 46 BRRG entsprechend anzuwenden. Dann erschiene aber die analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Haftungsnormen logisch vorrangig vor der Annahme eines ungeschriebenen Schadensersatzanspruchs. Ferner ist es auch nicht möglich, allein aus § 14 BBG auf die entsprechende Anwendbarkeit der beamtenrechtlichen Regeln schließen zu wollen. Eine derart weitreichende Bedeutung kann der Bestimmung nicht entnommen werden, ohne die Grenzen zulässiger juristischer Auslegung zu überschreiten. Schließlich bliebe nur der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Rückgriff auf die übergeordneten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Billigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber selbst in Frage gestellt, ob diese Grundsätze auch dann eine entsprechende Anwendbarkeit der §§78 BBG, 46 BRRG gebieten würden, wenn der vermeintliche Beamte durch sein eigenes Verhalten, etwa durch Erschleichung der Beamtenstellung mit Mitteln der Täuschung, die Fehlerhaftigkeit der Ernennung verschuldet hat. Nach Wortwahl („zugestehen") und Begründung („Vertrauensschutz"), die maßgeblich auf die Redlichkeit des Mitarbeiters abstellen, müßte das Gericht in diesem Fall eine Haftung nach den §§78 BBG, 46 BRRG ablehnen. Dagegen spricht jedoch, daß auch dem unredlichen vermeintlichen Beamten für die Zeit seines tatsächlichen Tätigwerdens die gleichen Pflichten obliegen wie einem wirklichen Beamten. Die Tatsache der rechtswidrigen Erlangung des Amtes entbindet ihn nicht von der Pflicht zur sorgfältigen und sachgerechten Erbringung seiner Dienstleistung, so daß sich auch seine Haftung nur nach beamtenrechtlichen und nicht nach arbeits- oder zivilrechtlichen Grundsätzen bestimmen kann 3 3 . Das Haftungsprivileg der §§ 78 BBG, 46 BRRG ist nicht „Belohnung" für redliches Verhalten, seine Nichtanwendung nicht „Sanktion" für die Erschleichung der Beamtenstellung. Seine Anwendbarkeit ist vielmehr auch insoweit, nicht anders als bei Ruhestands- bzw. früheren Beamten, die konsequente Folge des Bestehens spezifischer Beamtenpflichten in der Person des Schadens32 33
Wie hier: Summer, in: Fürst (GKÖD I K), § 14 BBG Rn. 10. Im Ergebnis ebenso: LAG Hamm, Urt. v. 10.12.1992, ZTR 1993, 254 Ls.
108
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
verursachers. Das mit der Erlangung des Amtes unter Umständen verbundene Unrecht zu ahnden (etwa als Bestechung oder Anstellungsbetrug), ist allein Aufgabe des Strafrechts. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß die §§78 BBG, 46 BRRG auf das vermeintliche Beamtenverhältnis entsprechend anwendbar sind. Dies ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung aus der Rechtsnatur des vermeintlichen Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis eigener Art. Einer Heranziehung der übergeordneten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Billigkeit bedarf es nicht. Daraus folgt zugleich, daß die §§78 BBG, 46 BRRG auch dann einschlägig sind, wenn der Beamte die Fehlerhaftigkeit seiner Ernennung kennt oder sogar selbst verschuldet hat. 2. Der zeitliche Anwendungsbereich Die aktuelle Fassung der §§78 BBG, 46 BRRG in Form des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften ist am 1. Januar 1993 in Kraft getreten. Seither ist die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn auch bei nichthoheitlicher Tätigkeit auf die Fälle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit beschränkt. Der zeitliche Anwendungsbereich dieser Neuregelung erstreckt sich unzweifelhaft auf alle Schadensfälle, bei denen der Schuldvorwurf gegen den Beamten an ein Geschehen anknüpft, das sich nach dem 1. Januar 1993 ereignet hat. Da Übergangsregelungen weitgehend fehlen, stellt sich jedoch die Frage, welches Recht anzuwenden ist, wenn entweder die schadensverursachende Handlung vor dem 1. Januar 1993 lag, der Schaden aber erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten ist, oder wenn bei Inkrafttreten der neuen Regelung ein Schadenssachverhalt noch nicht vollständig abgewickelt war. a) Rückwirkende Erstreckung der Neufassung auf alle am 1. Januar 1993 noch nicht bestandskräftig abgewickelten Verfahren nach Auffassung der Rechtsprechung Grundsätzlich beurteilt sich ein Schadensersatzanspruch nach der Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entstehung 34 . Dies ist bei den §§78 BBG, 46 BRRG regelmäßig der Zeitpunkt des Zuwiderhandelns des Beamten gegen die ihm obliegenden Pflichten, spätestens jedoch der Zeitpunkt der der Pflichtverletzung nachfolgenden Schadensentstehung. Insoweit läge es zunächst nahe, für die Beurteilung der Haftungsfrage auf den Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzung abzustellen. Denn der spätere Schadenseintritt voll34
BVerwG, Urt. v. 22.02.1996, Buchholz 237.6 § 86 NBG Nr. 4, 3 (6).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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endet sich ohne weiteres Zutun des Beamten, so daß das einzig beurteilungsfähige Verhalten vor Änderung der Rechtslage abgeschlossen war 3 5 . Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. In der bereits erwähnten Entscheidung vom Februar 1996 hat das Gericht vielmehr konstatiert, daß die Neuregelung als geltendes günstigeres Recht auch auf alle zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens noch nicht abgewickelten Schadensfälle anzwenden sei 3 6 . Diese Entscheidung kam nicht überraschend und war von einigen Autoren bereits vorausgesehen worden 37 , da das Bundesverwaltungsgericht insoweit auf seine im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich der Neufassung der beamtenrechtlichen Haftungsregelung aus dem Jahre 1957 in ständiger Rechtsprechung vertretene Ansicht zurückgreifen konnte, wonach die „Rechtswohltat der Haftungsbeschränkung" auch denjenigen Beamten zugute kommen sollte, „bei denen das durch das schadensverursachende Ereignis begründete Abwicklungsverhältnis (Dauerzustand) noch nicht (...) abgeschlossen war" 3 8 . Das Bundesverwaltungsgericht sah sich daher auch nicht veranlaßt, seinen diesbezüglichen Standpunkt anläßlich der zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Gesetzesfassung erneut zu begründen, sondern hat es bei einem kurzen Hinweis auf seine damalige Rechtsprechung bewenden lassen.
b) Notwendigkeit
einer hinreichenden Begründung
Indes ist die rückwirkende Erstreckung der Gesetzesänderungen im Bereich der Schadensersatzforderungen des Dienstherrn gegen den Beamten keine Selbstverständlichkeit, wie der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts glauben machen könnte, da Verwaltungsrechtssätzen regelmäßig keine rückwirkende Kraft zukommt 3 9 . Auch für Dauerrechtsverhältnisse gilt nichts Abweichendes. Bei ihnen besteht lediglich insoweit eine Besonderheit, als Gesetzesänderungen auf Dauerrechtsverhältnisse mit Wirkung für die Zunkunft („pro futuro") Anwendung finden können. Für das Beamtenverhältnis würde dies aber lediglich bedeuten, daß eine nachträgliche, das heißt, nach Ernennung des Bewerbers zum Beamten, gesetzliche Änderung der Haftungsnormen auch auf dieses Beamtenverhältnis Anwendung fände, jedoch nicht rückwirkend, sondern erst beginnend mit dem Zeitpunkt des 35
Möx, S. 108. BVerwG, Urt. v. 22.02.1996, Buchholz 237.6 § 86 NLBG Nr. 4, 3 (6); so auch BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (388) für § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG. 37 Hofmann, S. 103; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, §78 BBG Rn.2; Möx, S.108. 38 BVerwG, Urt. v. 23.10.1969, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 12, 1 (4). 39 Ossenbühl, in: Erichsen, § 8, Rn. 6. 36
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Inkrafttretens der geänderten Norm. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich ein Gesetz selbst rückwirkende Wirkung beilegt. Von den Änderungsgesetzen des Bundes und der Länder ordnen aber allein diejenigen der Länder Rheinland-Pfalz 40 und Baden-Württemberg 41 eine rückwirkende Anwendung der Gesetzesneufassung und der damit verbundenen Haftungsprivilegierung auf bei Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren an. Im Bund sowie in den übrigen Bundesländern fehlen entsprechende Regelungen. Bedenkt man, daß mit der rückwirkenden Erstreckung der Haftungsnormen durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein, wenn auch nur geringer, Einnahmeausfall der öffentlichen Hand verbunden ist, wird man im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewaltenteilung an eine hinreichende Begründung dieser Rückwirkung einige Anforderungen stellen müssen. Dogmatischer Ausgangspunkt ist insoweit die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rückforderungsnorm des § 87 Abs. 2 B B G 4 2 . Der Bundesgerichtshof hatte seinerzeit die Rückwirkung des § 87 Abs. 2 BBG auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesbeamtengesetzes zum 1. September 1953 noch nicht befriedigten Ansprüche des Dienstherrn aus Überzahlungen zuviel geleisteter Dienst- und Versorgungsbezüge damit begründet, daß § 87 Abs. 2 BBG seinem Wortlaut nach gerade nicht an den Akt der Zahlung, sondern an den Dauerzustand (die „Rückforderung") anknüpfe, welcher zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten nach einer Überzahlung bestehe und das Rückforderungsbegehren auslöse. Folglich handele es sich nicht um eine rückwirkende Erstreckung der Vorschrift, sondern um die Unterstellung eines zwar schon früher begründeten, aber noch nicht abgewickelten Einzelrechtsverhältnisses aus einem fortdauernden Grundverhältnis, nämlich dem Beamtenverhältnis, unter das neue Recht. Das sei auch unter dem Gesichtspunkt der gleichen Behandlung aller Beamten gerechtfertigt. Denn bei dem Streben des Gesetzes, das Beamtenrecht zu ändern, komme dem Umstand, wann eine Überzahlung erfolgt sei, keine entscheidende Bedeutung zu 4 3 . Diese Judikatur des Bundesgerichtshofs ist später vom Bundesverwaltungsgericht übernommen 44 und hinsichtlich der Neufassungen des Schadensersatzanspruchs aus §§78 BBG, 46 BRRG im Jahre 1957 in ständiger Rechtsprechung für entsprechend anwendbar erklärt worden 45 . 40
Gesetz vom 21.12.1993 (GVB1. S. 647). Gesetz vom 07.02.1994. 42 BGH, Urt. v. 13.01.1958, ZBR 1958, 143 (143); BGH, Urt. v. 20.10.1958, ZBR 1959, 18 (18). 43 BGH, Urt. v. 13.01.1958, ZBR 1958, 143 (143). 44 BVerwG, Urt. v. 24.04.1959, ZBR 1959, 224 (225); BVerwG, Urt. v. 08.09. 1960, DÖV 1960, 952 (952); BVerwG, Urt. v. 07.12.1960, ZBR 1961, 277 (278). 41
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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c) Stellungnahme Es ist bedauerlich, daß Bundes- und Landesgesetzgeber nicht sämtlich dem Vorbild der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gefolgt sind und eine rückwirkende Erstreckung der Neuregelungen durch Übergangsvorschriften angeordnet haben. Ebenso bedauerlich ist es, daß das Bundesverwaltungsgericht die Gelegenheit ungenutzt gelassen hat, anläßlich der jüngsten Gesetzesänderung seine Rechtsauffassung zur Rückwirkung der §§78 BBG, 46 BRRG auf noch nicht abgewickelte Schadensfälle dogmatisch zu festigen. Die Kommentarliteratur, die der früheren Rechtsauffassung des Bundesveraltungsgerichts im Hinblick auf die Gesetzesreform aus dem Jahre 1957 nur äußerst zögerlich gefolgt war, hatte sich dieses Mal dem Bundesverwaltungsgericht bereits im voraus untergeordnet. Die Heranziehung der bereits länger zurückliegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 87 Abs. 2 BBG vermag die Ansicht des Gerichts jedoch damals wie heute nicht zu begründen. Anders als § 87 Abs. 2 BBG knüpft der Wortlaut der §§78 BBG, 46 BRRG gerade nicht an einen „Dauerzustand" an, der aus der Überzahlung bzw. Schadensverursachung resultiert, sondern an den einmaligen Akt der Dienstpflichtverletzung. Zudem enthalten die § 78 BBG, 46 BRRG eine eigenständige Regelung hinsichtlich der Verjährung des Schadensersatzanspruchs. Wortlaut und Systematik des Gesetzes sprechen folglich eher für ein in das Beamtenverhältnis eingebettetes Einzelschuldverhältnis und damit gegen die Erstreckung auf noch nicht abgewickelte Schadensfälle. Auch mit Hilfe der historischen Auslegung ergibt sich nichts Anderes. Im Hinblick auf die Rechtsänderung durch § 23 DBG stellte Nr. 1 Satz 1 der Durchführungsverordnung vom 29. Juni 1937 sogar ausdrücklich klar, daß sich die „Rechtsfolgen von Amtspflichtverletzungen in Ausübung der öffentlichen Gewalt, die den Dienstherrn zum Schadensersatz verpflichten und die vor dem 1. Juli 1937 begangen sind, (...) nach dem bisherigen Recht" bestimmen sollten 46 . Auch die Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge für den Beamten, auf welche das Bundesverwaltungsgericht mit dem Hinweis auf die „Rechtswohltat" der Haftungsbeschränkung bzw. das „neue günstigere Recht" offensichtlich abstellt, trägt die rückwirkende Erstreckung der Vorschriften nicht 4 7 . Wenngleich der mit der Rückwirkung 45 BVerwG, Urt. v. 20.09.1962, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 2, 5 (10 f.); BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (22); BVerwG, Urt. v. 25.01.1968, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 8, 51 (54); so schon zuvor: Henschel, S. 211. 46 So auch Nr. 4 der DVO v. 13.10.1938; siehe oben 1. Kapitel Α. IV. 4. 47 Ausdrücklich auf die Fürsorgepflicht stellt ab: BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (388) (zur rückwirkenden Erstreckung des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG).
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
der §§ 78 BBG, 46 BRRG verbundene Einnahmeausfall der öffentlichen Haushalte wegen der Vorwegnahme der Haftungsbeschränkung bei nichthoheitlichem Handeln durch die Praxis nur gering ist, bedeutet die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Grunde den Verzicht auf bestehende Ansprüche zu Lasten des Steuerzahlers und zugunsten derjenigen Versicherungsunternehmen, bei denen einzelne Beamte eine Dienst- bzw. Vermögenshaftpflichtversicherung zur Deckung der von ihnen verursachten Sach- und Vermögensschäden abgeschlossen haben. Wünschenswert wäre daher eine Regelung des Gesetzgebers nach dem Vorbild der Nr. 1 Satz 2 der Durchführungsverordnung zu § 23 DBG vom 29. Juni 1937 gewesen, wonach der Dienstherr von einer Inanspruchnahme nach altem Recht absehen konnte, wenn die Durchsetzung der Forderung gegen den Beamten für diesen eine Härte bedeutete 48 . Diese Regelung hätte es ermöglicht, bei bestehendem Haftpflichtversicherungsschutz des Beamten einen entsprechenden Härtefall zu verneinen und weiterhin auf einer Inanspruchnahme zu bestehen 49 . Das Fehlen einer solchen Regelung kann jedoch nicht durch die Rechtsprechung ersetzt werden. Die Anordnung eines rückwirkenden, wenn auch nur geringfügigen, Verzichts auf Einnahmen der Staatskasse muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Im Ergebnis erweist sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur rückwirkenden Erstreckung der Gesetzesneufassung daher als unrichtig. Haftungsfälle, bei denen das schädigende Ereignis vor Inkrafttreten der Gesetzesneufassung liegt, beurteilen sich weiterhin nach dem bisherigen Recht 5 0 3. Zusammenfassung a) Der persönliche Anwendungsbereich der beamtenrechtlichen Haftungsnormen bestimmt sich nach der Art der vom Schädiger verletzten Pflicht. Dabei führt die Verletzung spezifisch beamtenrechtlicher Pflichten stets zur Anwendbarkeit der §§ 78 BBG, 46 BRRG. Solche Pflichten obliegen in erster Linie dem aktiven Beamten im dienstrechtlichen Sinne. Wenn und soweit auch einem in den Ruhestand versetzten oder sonstigen früheren Beamten noch spezifisch beamtenrechtliche Pflichten treffen, löst deren Verletzung ebenfalls (nur) die beamtenrechtliche Haftung aus. Gleiches gilt, wenn die Ernennung zum Beamten - gleich aus welchem Grunde - fehlgeschlagen oder zurückgenommen ist. Die §§78 BBG, 46 BRRG sind insoweit entsprechend anwendbar, unabhängig davon, daß die schuldhafte 48
Siehe oben 1. Kapitel Α. IV. 4. Vgl. VGH München, Urt. v. 13.03.1991, ZBR 1992, 189; Simianer, S. 46. 50 Wie hier: VGH München, Urt. v. 28.02.1996, DÖD 1997, 205 (206) (ohne Begründung). 49
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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Pflichtverletzung in diesen Fällen kein Dienstvergehen darstellt oder - mangels Beamteneigenschaft - nicht als solches geahndet werden kann. b) In den zeitlichen Anwendungsbereich der Haftungsnormen fallen alle Dienstpflichtverletzungen, die sich nach Inkraftreten des § 78 BBG am 1. Januar 1993 bzw. nach Umsetzung des § 46 BRRG durch die Änderungsgesetze der einzelnen Bundesländer ereignet haben. Nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz findet die jüngste Gesetzesänderung außerdem auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgewickelten Schadenssachverhalte Anwendung. Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts gilt dies jedoch nicht auch im Bund und in den Bundesländern, in denen entsprechende Übergangsregelungen fehlen. Die Entscheidung über die Rückwirkung des Schadensersatzanspruchs bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten und kann von der Judikative nicht ersetzt werden.
II. Die rechtswidrige Verletzung der dem Beamten obliegenden Pflichten 1. Die objektive Pflichtverletzung Zweites Tatbestandsmerkmal des Schadensersatzanspruchs nach den §§78 BBG, 46 BRRG ist die objektive Verletzung einer dem Beamten obliegenden Pflicht. Die Kommentarliteratur begnügt sich hier häufig mit einem Hinweis auf das gleichlautende Merkmal des Dienstvergehenstatbestandes in §§ 77 BBG, 45 BRRG 5 1 . Allerdings findet bei der Prüfung der Voraussetzungen des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs - anders als bei der Ermittlung eines Dienstvergehens im Sinne des Disziplinarrechts - keine Würdigung des Gesamtverhaltens des Beamten statt. Mehrere pflichtwidrige Handlungen oder Unterlassungen des Beamten bilden zwar ein einheitliches Dienstvergehen und werden daher gemeinsam disziplinarisch geahndet 52 , sind aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensersatzverantwortlichkeit jeweils gesondert festzustellen und einzeln daraufhin zu überprüfen, ob sie für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden sind oder nicht.
51
Z.B. Battis , § 78 BBG Rn. 6; Woydera/Summer/Zängl,
7 a). 52
Battis , § 77 BBG Rn. 9.
8 Beckmann
§ 97 SächsBG Anm.
114
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
a) Fortfall der begrifflichen Unterscheidung von Amts- und Dienstpflichten durch das Neunte Dienstrechtsreformgesetz Während der heutige Wortlaut der Haftungsnormen nur noch allgemein von den dem Beamten „obliegenden Pflichten" spricht, nahm § 23 DBG in den Absätzen 1 und 2 noch ausschließlich auf dessen „Amtspflicht" Bezug. Auch die bis zum 31. Dezember 1992 geltende Gesetzesfassung der §§ 78 BBG, 46 BRRG enthielt in Absatz 1 Satz 2 noch die Bezeichnung „Amtspflicht". Amtspflichten sind diejenigen Pflichten des Beamten, die ihm kraft Verleihung eines öffentlichen Amtes obliegen, mit welchem die Führung bestimmter Amtsgeschäfte verbunden ist 5 3 . Nicht zu den Amtspflichten rechnen die Pflichten aus innerdienstlichen Weisungen, Ordnungs- und Aufsichtsvorschriften, deren Befolgung nach ihrem Sinn keine Verpflichtung nach außen sein soll 5 4 . Der frühere Begriff der „Amtspflichtverletzung" in § 23 DBG und später in §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG war daher zwar mißverständlich, wurde aber bereits einhellig dahin verstanden, daß er auch die Verletzung reiner Innenpflichten einschloß 55 , so daß der durch das Neunte Dienstrechtsreformgesetz überarbeitete Wortlaut insoweit keine Rechtsänderung bewirkt hat. Der aktuelle Wortlaut der §§78 BBG, 46 BRRG gibt keinen Anlaß mehr daran zu zweifeln, daß zur Begründung der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn jedwede ihm obliegende Pflichtverletzung (Dienstpflichtverletzung) genügt, auch wenn es sich bei der verletzten Pflicht nicht um eine Amtspflicht im eigentlichen Sinne handelt. Haftungsbegründend wirkt also jedes willensgesteuerte Verhalten des Beamten, das objektiv gegen den Inhalt einer ihm aufgrund des Beamtenverhältnisses obliegenden allgemeinen oder besonderen Pflicht verstößt 56 . Dies folgt ferner daraus, daß sich die Haftungsnormen des Innenverhältnisses auf alle Arten von Beamten beziehen, also auch auf solche ohne Amt, wie etwa den Beamten im juristischen Vorbereitungsdienst 57. Die Haftung muß folglich auch diejenigen Pflichten erfassen, die bereits mit der Verleihung des Beamtenstatus verbunden sind 5 8 . Anknüpfungspunkt für den Vorwurf der 53
Simianer, S. 39. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.04.1956, NJW 1956, 1113 (1113); Fischbach, § 78 BBG Β I (S. 627). 55 BVerwG, Urt. v. 17.12.1963, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 4, 11 (16); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 17; Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 17. 56 BVerwG, Urt. v. 03.02.1972, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18, 43 (44 f.); Lernhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 17; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 17 f. 57 Schütz, S. 83 f. 58 Hilg, § 31 II 2 (S. 366). 54
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Dienstpflichtverletzung kann dabei sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen
b) Der dem Beamten obliegende Pflichtenkreis im Innenverhältnis Bei der Dienstpflichtverletzung des Beamten muß es sich nicht um einen Tatbestand handeln, welcher ihn auch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die unerlaubten Handlungen zum Schadensersatz verpflichten würde 60 . Die besonderen, amtsbezogenen Beamtenpflichten ergeben sich vielmehr aus zahlreichen Rechtsquellen wie Spezialgesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften 61 . Daneben regeln die Beamtengesetze von Bund und Ländern in den §§52 ff. BBG, 35 ff. BRRG den Kreis der einem jeden Beamten obliegenden allgemeinen Pflichten generell und abstrakt. Die einzelnen Pflichten sind überwiegend generalklauselartig formuliert 62 und schreiben dem Beamten ein bestimmtes äußeres Verhalten als für ihn verbindlich vor 6 3 . So hat der Beamte seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen (§§ 52 Abs. 1 BBG, 35 Abs. 1 BRRG)), bei politischer Betätigung Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren (§§ 53 BBG, 35 Abs. 2 BRRG), sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten (§§ 54 BBG, 36 BRRG), seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen und deren Anordnungen auszuführen (§§ 55 BBG, 37 BRRG), über dienstliche Geheimnisse Verschwiegenheit zu bewahren (§§ 61 BBG, 39 Abs. 1 BRRG) und so fort. Als grundlegende Prinzipien dienen diese Pflichten vor allem der Auslegung und Konkretisierung spezieller Verhaltensanforderungen im Einzelfall 64 , wie sie von Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeitet worden sind. Alle Dienstpflichten des Beamten bestehen zunächst dem Dienstherrn gegenüber 65 . Sie können ihm jedoch auch dem Bürger gegenüber obliegen, mit anderen Worten drittgerichtet sein. Für die Auslösung der vermögensrechtlichen Haftung des Beamten im Innenverhältnis zum Dienstherrn ist das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung notwendige, aber auch hinrei59 Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 23; Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 7 a, b). 60 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 17; Müller/Beck/ Entenmann, § 96 LBG BW Rn. 3. 61 Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 7 c). 62 Wagner, Rn. 195. 63 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 18. 64 Wagner, Rn. 195. 65 Simianer, S. 39.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
chende Bedingung. Auf eine eventuelle Drittgerichtetheit der Pflicht kommt es für die Bejahung einer objektiven Pflichtverletzung ebensowenig an, wie auf die Rechtsnatur der ausgeübten Tätigkeit als hoheitliche bzw. (verwaltungs-) privatrechtliche 66 . Die Drittgerichtetheit einer Amtspflicht erlangt freilich dort Bedeutung, wo es die dem Anspruch im Innenverhältnis vorgelagerte Frage zu beantworten gilt, ob dem Dienstherrn überhaupt ein Schaden entstanden ist, weil er nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG für das Fehlverhalten seines Beamten einstehen muß. Auf dieses, dem Amtshaftungsrecht zugehörende Problem, ist im hiesigen Zusammenhang jedoch nicht näher einzugehen. Ebenso wie die Pflichten des Beamten selbst, entziehen sich auch die mannigfaltigen Möglichkeiten von Dienstpflichtverletzungen einer abschließenden Aufzählung 67 . Ihre kasuistische Auflistung muß der Kommentarliteratur vorbehalten bleiben. An dieser Stelle beispielhaft zu nennen, weil für die vermögensrechtliche Haftung des Beamten von besonderer Bedeutung, sind die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln (aa), die Pflicht, sich gegenüber dem Dienstherrn stets wahrheitsgemäß zu erklären (bb) sowie insbesondere die Verpflichtung, die finanziellen Interessen des Dienstherrn zu wahren (cc). aa) Die Pflicht des Beamten zu rechtmäßigem Handeln Primäre Pflicht des Beamten ist es, bei seiner konkreten Tätigkeit die geltenden Rechtsvorschriften zu beachten (vgl. §§ 56 Abs. 1 BBG, 38 Abs. 1 BRRG). Der Beamte soll nach innen wie nach außen rechtmäßig handeln. Dabei hat er nicht nur die Verfassung, die Gesetze und Verwaltungsvorschriften, sondern auch die für ihn verbindlichen Weisungen (Richtlinien, Erlasse, Geschäftsordnungen etc.) zu beachten 68 . Ein ihm eingeräumtes Ermessen hat er fehlerfrei und konsequent zu betätigen 69 . Verhält sich der Beamte nicht wie vorgesehen, so ist die Dienstpflicht objektiv verletzt, ohne daß es hierfür auf den Eintritt eines schädlichen Erfolges ankommt 7 0 . Dienstpflichtwidrig in diesem Sinne handelt ein Beamter beispielsweise, wenn er einer rechtmäßigen Versetzungs- oder Abordnungsverfügung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, wenn er als Fahrer eines Dienstkraftfahrzeugs die allgemeinen Verkehrsregeln nicht beachtet oder wenn er Verfügungen entgegen haushaltsrechtlicher Vorgaben vornimmt 7 1 . 66
Battis, § 78 BBG Rn. 6; Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 24. Möx, S. 106; Simianer, S. 38. 68 Möx, S. 106; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 18. 69 Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 26; Simianer, S. 38. 70 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 18. 71 Vgl. die Aufzählungen bei: Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 18 ff. 67
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Von dem Beamten wird also Erhebliches verlangt. Die Kenntnis aller Gesetze ist praktisch kaum möglich, eine Kenntnis des gesamten Rechts, einschließlich aller Verordnungen, Satzungen, des primären und sekundären Rechts der Europäischen Union sowie der gesamten hierzu ergangenen Rechtsprechung, nahezu ausgeschlossen72. Die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten endet jedoch dort, wo die Grenze zum Unmöglichen überschritten würde. Eine Rechtskenntnis, die der Beamte nicht besaß und bei aller Anstrengung auch nicht hätte erlangen können, wird von ihm nicht geschuldet („Impossibilium nulla est obligatio") 7 3 . Der Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten handelt auch derjenige Beamte zuwider, der unerlaubt dem Dienst fernbleibt 74 . Für diesen besonderen Fall regelt § 9 Satz 1 BBesG ausdrücklich, daß der Beamte kraft Gesetzes seinen Anspruch auf Bezüge verliert, wenn ihm insoweit ein Vorwurf gemacht werden kann. Gleichzeitig bestimmen § 73 Abs. 2 BBG sowie die entsprechenden Paragraphen der Landesbeamtengesetze, daß durch den Verlust der Bezüge eine hinzutretende disziplinarrechtliche Verfolgung des Beamten nicht ausgeschlossen wird. Es wäre aber verfehlt, hieraus im Umkehrschluß folgern zu wollen, daß, da durch § 73 Abs. 2 BBG nur die disziplinarische Ahndung, nicht aber auch ein Schadensersatzanspruch vorbehalten ist, ein Anspruch nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG neben dem Fortfall der Dienstbezüge nicht besteht 75 . Zwar stellt das schuldhafte, ungenehmigte Fernbleiben vom Arbeitsplatz ein Dienstvergehen dar, jedoch ist der Verlust der Bezüge keine Disziplinarmaßnahme im eigentlichen Sinne 76 . Gleichwohl trägt der Fortfall des Anspruchs auf Bezüge nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts „disziplinären Charakter" 77 , so daß es insoweit einer Klarstellung des Gesetzgebers bedurfte. Dieser Gedanke läßt sich auf einen aus dem Fernbleiben des Beamten resultierenden Schadensersatzanspruch nicht übertragen. Ein Ersatzanspruch gemäß §§78 BBG, 46 BRRG wegen eines eingetretenen Vermögensschadens ist daher bei ungenehmigter Abwesenheit vom Dienst neben dem Fortfall der Bezüge ohne weiteres möglich 7 8 . Kann etwa der Dienstherr den Ausfall der Arbeitskraft trotz aller Bemühungen nicht bzw. nicht rechtzeitig abdecken und kommt es somit durch die verspätete 72
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 56 BBG Rn. 3. Köpfer, S.450; anderer Ansicht offenbar: Lemhöfer, § 56 BBG Rn. 3 (der das Verschuldenserfordernis für ein ausreichendes Korrektiv hält). 74 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 18. 75 So aber: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 34 für Art. 81 Abs. 2 BayBG. 76 Battis, § 73 BBG Rn. 7. 77 BVerwG, Beschl. v. 16.03.1984, BVerwGE 76, 142. 78 Im Ergebnis wie hier: Battis, § 73 BBG Rn. 8. 73
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Sachbehandlung zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Schädigung, kann er von dem Beamten Schadensersatz verlangen, wenn dieser vorsätzlich oder zumindest infolge grob fahrlässigen Verschuldens dem Dienst ferngeblieben ist. bb) Die Pflicht zur wahrheitsgetreuen Angabe persönlicher, familiärer und sonstiger Verhältnisse gegenüber dem Dienstherrn Ferner ergibt sich die allgemeine Pflicht eines jedes Beamten, dienstliche Erklärungen wahrheitsgemäß und vollständig abzugeben 79 . Der Beamte hat die von ihm verlangten Angaben über seine persönlichen, familiären und sonstigen Verhältnisse in jeder Hinsicht zutreffend zu machen 80 . Die Wahrheitspflicht verletzt ein Beamter etwa dann, wenn er in einer Reise- oder Umzugskostenrechnung oder in einer Erklärung über Kinderzuschläge objektiv unrichtige Angaben macht 81 . Dagegen ist die Überprüfung erhaltener Zahlungen auf ihre Richtigkeit hin keine Dienstpflicht, sondern eine im eigenen Interesse des Beamten bestehende Obliegenheit, deren Verletzung im Fall der Rückforderung durch den Dienstherrn dem Beamten den Einwand des Wegfalls der Bereicherung nimmt 8 2 . Ein Schadensersatzanspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG besteht in diesem Fall folglich nur, wenn weitere Umstände hinzutreten, die von dem Beamten zu vertreten sind. cc) Die Pflicht zur Wahrung der finanziellen Belange des Dienstherrn Schließlich hat jeder Beamte die finanziellen Interessen seines Dienstherrn zu wahren 83 . Hierzu zählt die Verpflichtung, die Belange des Dienstherrn zu fördern und möglichem Schaden aktiv vorzubeugen 84 . Die Rechtsprechung erkennt ferner die Pflicht an, Einrichtungsgegenstände und Verwaltungsmittel pfleglich zu behandeln 85 . Dem entspricht nach allgemeiner Auffassung des beamtenrechtlichen Schrifttums negativ die Pflicht, alle den Dienstherrn unmittelbar oder mittelbar schädigenden Handlungen zu unterlassen 86 . Diese Pflicht finde ihren Niederschlag häufig in gesetzlichen Spe79
BVerwG, Urt. v. 20.08.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 23, 20 (23). Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 20 a). 81 Schütz, S. 89. 82 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 20 a). 83 Müller/Beck/Entenmann, § 96 LBG BW Rn. 7. 84 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 19. 85 BVerwG, Urt. v. 13.06.1985, ZBR 1985, 337; OVG Münster, Urt. 10.08.1994, NVwZ-RR 1995, 409 (410). 80
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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zialvorschriften, so daß ihre Verletzung nicht selten auch eine Mißachtung der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln darstelle 87 . Mitunter wird eine Verletzung dieser allgemeinen Schadensabwendungsbzw. Schadensvermeidungspflicht davon abhängig gemacht, daß dem Beamten ein Sorgfaltsverstoß zur Last fällt. So hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in einer Entscheidung aus dem Jahre 1974 die Ansicht vertreten, die allgemeine Dienstpflicht, den Dienstherrn vor Schaden zu bewahren, werde nicht schon dann objektiv verletzt, wenn der Beamte durch sein Handeln einen Schaden verursacht habe. Denn nicht jede Handlung des Beamten, die unvorhersehbar einen Schaden zur Folge habe, könne als Dienstpflichtverletzung beurteilt werden. Vielmehr handele der Beamte nur pflichtwidrig, wenn er die nach dem Haftungsmaßstab erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen habe. Der Senat verkenne nicht, daß nach dieser Auslegung Merkmale, die Elemente der Fahrlässigkeit und damit des Verschuldens sein, zur Inhaltsbestimmung der Dienstpflichtverletzung selbst herangezogen würden. Aus der Systematik des Beamtenrechts wäre es aber nicht zu verstehen, wenn man die Handlungsweise eines Beamten, der nicht nur alle einschlägigen Vorschriften und Einzelweisungen befolgt, sondern auch sonst die erforderliche Sorgfalt beachtet habe, nur deswegen als pflichtwidrig abstempeln wollte, weil sie unvorhergesehen zu einem Schaden geführt habe 88 . Dieser Ansatz ist von der herrschenden Meinung im Schrifttum zu Recht nicht aufgegriffen worden 89 . Gerechtfertigte, entschuldigte oder nur leicht fahrlässig verursachte Pflichtverletzungen gelangen über das Stadium der Prüfung der Ersatzpflicht nicht hinaus und bleiben daher für den Beamten ohne haftungsrechtliche Konsequenzen, so daß von einer „Abstempelung" seines Verhaltens als dienstpflichtwidrig in der Praxis nicht gesprochen werden kann. Auch objektiv unvorhersehbare Schadensfolgen scheiden bereits als inadäquat aus dem haftungsbegründenden Tatbestand aus. Einer Inzidenterpriifung des Verschuldens innerhalb des Tatbestandsmerkmals der Dienstpflichtverletzung, wie sie der Verwaltungsgerichtshof vornimmt, bedarf es somit nicht. Dennoch wird man der Postulation einer erfolgsbezogenen Dienstpflicht des Beamten, Schädigungen auf Seiten seines Dienstherrn zu vermeiden, mit Vorsicht begegnen müssen. Denn das Tatbestandsmerkmal der Verlet86
Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 23; Crisoli, § 91 HBG Anm. 5; Kaster, S. 121; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 20; Möx, S. 106; Müller/Beck/Entenmann, § 96 LBG BW Rn. 7; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 312. 87 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 20. 88 VGH Mannheim, Urt. v. 04.04.1973, ZBR 1974, 337 (339). 89 Allein Müller/Beck/Entenmann, § 96 LBG BW Rn. 7 sind derselben Ansicht.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
zung der dem Beamten obliegenden Pflichten wird durch die Anerkennung einer derart umfassenden Dienstpflicht weitgehend seiner Funktion beraubt; adäquate Schadensverursachung und Dienstpflichtverletzung werden gleichgesetzt. Die dem Beamten zurechenbare Schädigung des Dienstherrn geschieht danach stets unter Verletzung der ihm obliegenden Pflichten. Die §§ 78 BBG, 46 BRRG werden zu universalen Schutzvorschriften gegen Schädigungen des öffentlichen Vermögens durch den Beamten. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Fallprüfung: Trifft den Beamten nämlich die erfolgsbezogene Pflicht zur Schadensvermeidung, so ist in dessen alleinigem Verantwortungsbereich grundsätzlich ein Rückschluß vom Eintritt des Schadens auf die dem Beamten zur Last gelegte Pflichtverletzung möglich 9 0 . Ist etwa im Bereich einer dem Beamten allein anvertrauten Kasse ein Fehlbestand entstanden und läßt sich die Ursache hierfür nicht mehr aufklären, so steht gleichwohl sein dienstpflichtwidriges Verhalten fest, weil der Beamte gerade für das Ausbleiben des schädlichen Erfolges verantwortlich ist 9 1 . Auswirkungen der Anerkennung einer Dienstpflicht des Beamten, keinen Schaden zu verursachen, ergeben sich darüber hinaus bei der Haftungsbegrenzung mit Hilfe der Lehre vom Schutzzweck der Norm. Denn hält man den Beamten aufgrund der §§ 78 BBG, 46 BRRG generell für verpflichtet, den Dienstherrn unmittelbar wie mittelbar schädigende Handlungen zu unterlassen, so ist eine Normzwecküberschreitung von vornherein ausgeschlossen. Aus diesen Gründen wird man auf die allgemeine Dienst- bzw. Sorgfaltspflicht des Beamten in Form der Pflicht zur Schadensvermeidung nur dort zurückgreifen, wo dies unerläßlich erscheint, weil das Fehlverhalten des Beamten nicht bereits als Verstoß gegen eine spezielle Verhaltensanweisung und damit gleichzeitig als Verstoß gegen dessen Pflicht zu rechtmäßigem Handeln geahndet werden kann. Angesichts der hohen Regelungsdichte im öffentlichen Dienstrecht dürfte ein Rückgriff auf die allgemeine Pflicht zur Wahrung der finanziellen Belange des Dienstherrn nur ausnahmsweise nötig sein. c) Haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten für außerdienstliches Fehlverhalten Nach einer in der der Literatur verbreiteten Auffassung können die dem Beamten obliegenden Pflichten, auf die die §§78 BBG, 46 BRRG Bezug nehmen, nur solche sein, die dessen Verhalten innerhalb des Dienstes betreffen. Außerdienstliche Pflichtverstöße oder solche „bei Gelegenheit" des 90 91
Vgl. Heinrichs, in: Palandt, § 282 BGB Rn. 12. Vgl. z.B. VGH München, Urt. v. 22.02.1982, Schütz ES/B II 2 Nr. 5, 22 (22).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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Dienstes begründen danach auch dann keine Ersatzpflicht nach den §§78 BBG, 46 BRRG, wenn der Dienstherr tatsächlich geschädigt worden ist 9 2 . Erforderlich sei ein enger, innerer Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und dienstlicher Tätigkeit des Beamten 93 . Insofern stützt man sich vor allem darauf, daß nach dem Wortlaut der Haftungsnormen der Schadensersatzanspruch nur demjenigen Dienstherrn zustehe, „dessen Aufgaben der Beamte wahrgenommen" habe. Bei außerdienstlichen Handlungen nehme der Beamte aber gerade keine Aufgaben wahr 9 4 . Weiterhin wird argumentiert, daß es bei außerdienstlichen Handlungen an einem Rechtsgrund für die Haftungsprivilegierung, nämlich der Stärkung der Verantwortungsfreude und Entschlußkraft im dienstlichen Interesse, fehle 95 . Folgte man dem, so unterfiele die außerdienstliche Pflichtverletzung des Beamten in haftungsrechtlicher Hinsicht allein den strengeren bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen. Der Beamte wäre somit in diesem Bereich auch für eine leicht fahrlässige Schädigung des Dienstherrnvermögens ersatzpflichtig 96 . Andere Autoren verlangen demgegenüber einen nur losen Zusammenhang von Pflichtverletzung und Amtsausübung. Die Handlung müsse dem Amt im konkret-funktionalen Sinn wenigstens zusammenhangweise zugerechnet werden können 97 . Grundsätzlich genüge jeder innere oder äußere, auch nur rein zeitliche Zusammenhang der schädigenden Handlung oder Unterlassung mit einer dem Beamten obliegenden Aufgaben Wahrnehmung 98. Richtigerweise wird man differenzieren müssen: Geht es um die Verantwortlichkeit des Beamten für einen von ihm verursachten Fremdschaden, so muß in der Regel ein enger innerer Zusammenhang von Amt und Schädigungshandlung bestehen. Sowohl § 839 BGB i. V. m. Art 34 GG bei hoheitlichem Handeln als auch § 831 BGB bei nichthoheitlichem Handeln setzen eine Schädigung „in Ausübung" des dem Beamten anvertrauten Amtes bzw. der dem Beamten übertragenen Verrichtung voraus. Ein Handeln außerhalb oder nur „bei Gelegenheit" des Dienstes löst die Verantwortlichkeit des Dienstherrn für den Beamten im Außenverhältnis nicht aus, so daß mangels Schaden auf Seiten des Dienstherrn ein Regreß gegen den Beamten ausgeschlossen ist. 92
Battis, 1. Auflage, § 78 BBG Anm. 2 a); Bonk, in Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 26; Kümmel, § 86 NBG Rn. 16; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K) § 78 BBG Rn. 20; Ule, § 46 BRRG Rn. 2. 93 Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 26; Kümmel, § 86 NBG Rn. 16; Maiwald, in: Schütz, § 84 NW LBG Rn. 40. 94 Mühl, in Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 20. 95 Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 26. 96 Ausdrücklich: Kümmel, § 86 NBG Rn. 16. 97 Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG, Anm. 6e). 98 Schütz, S. 89; schon früher: Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 33.
122
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Bei einem Eigenschaden des Dienstherrn ist der zu fordernde Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Amtsausübung hingegen weniger eng. Auch ein außerdienstliches Verhalten bzw. ein Handeln „bei Gelegenheit" des Dienstes begründet die Anwendbarkeit der §§ 78 BBG, 46 BRRG. Der erforderliche lose Zusammenhang mit der Beamtenstellung des Schädigers ergibt sich in diesem Fall aus dessen allgemeiner Pflicht, den Dienstherrn nicht zu schädigen, welche nicht auf innerdienstliche Tätigkeiten beschränkt i s t " . Insoweit ist es unerheblich, ob ein Beamter den Schaden während seines Dienstes verursacht hat oder nicht. Der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn richtet sich also auch dann nach den §§78 BBG, 46 BRRG, wenn der Beamte dienstunfähig, beurlaubt oder sogar vorläufig des Dienstes enthoben ist, sofern das öffentliche Dienst- und Treueverhältnis selbst noch Bestand hat 1 0 0 . Die abweichende Literaturansicht kann sich nicht darauf stützen, der Wortlaut verlange, daß der Beamte im Zusammenhang mit der Dienstpflichtverletzung Aufgaben seines Dienstherrn wahrgenommen habe. Die Gesetzeswendung „dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" ist kein Merkmal des haftungsbegründenden Tatbestandes, sondern dem Bestreben des Gesetzgebers nach Klärung der Frage zuzuschreiben, welcher Dienstherr im Einzelfall schadensersatzberechtigt sein s o l l 1 0 1 . Eine Einengung des Begriffs der „dem Beamten obliegenden Pflichten" findet insoweit nicht statt 1 0 2 . Auch wenn und soweit der Beamte direkt keine Aufgaben wahrnimmt, greift die spezifisch beamtenrechtliche Haftung e i n 1 0 3 . Die umfassende Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit läßt nur den Schluß zu, daß der Beamte für sämtliche Schädigungen seines Dienstherrn allein nach den §§78 BBG, 46 BRRG verantwortlich sein soll. Zwar ist insoweit der Einwand berechtigt, der Zweck des Haftungsprivilegs, die Verwaltungseffizienz zu steigern, laufe bei außerdienstlichen Schädigungen des Dienstherrn oder solchen „bei Gelegenheit" des Dienstes leer. Die Anwendung des beamtenrechtlichen Haftungsprivilegs ist aber zugleich eine Folge der Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge für den Beamten, so daß es diesem generell untersagt ist, den Beamten für leicht fahrlässiges Fehlverhalten zum Schadensersatz heranzuziehen. 99
Vgl. hierzu: Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DGB Rn. 18: „Jedem Beamten liegt die Pflicht ob, (...) Sachen und alles sonstige Eigentum des Dienstherrn, mit dem (er) innerhalb und außerhalb des Dienstes in Berührung kommt, schonend und pfleglich zu behandeln." 100 Wovon j m übrigen auch die herrschende Meinung ausgeht: Kümmel, § 86 NBG Rn. 7; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 16; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 15. 101 Angedeutet von BVerwG, Urt. v. 17.12.1963, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 4,
11 (16). 102 103
OVG Münster, Urt. v. 10.08.1994, NVwZ-RR 1995, 409 (410). Ähnlich: Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Im außerdienstlichen Bereich ist die Anwendbarkeit der §§ 78 BBG, 46 BRRG zudem nicht auf Dienstvergehen beschränkt. Denn bei außerdienstlicher Tätigkeit liegt nach der vom Bundesgesetzesgeber im Jahre 1967 nachträglich eingefügten Regelung in §§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG, 45 Abs. 1 Satz 2 B R R G 1 0 4 ein Dienstvergehen nur vor, wenn das Verhalten des Beamten nach den Umständen des Einzelfalls geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Wollte man die Schadensersatzpflicht des Beamten gemäß der §§78 BBG, 46 BRRG bei außerdienstlichem Verhalten von der gleichzeitigen Begehung eines Dienstvergehens abhängig machen, so ergäbe sich der widerspruchsvolle Zustand, daß der Beamte für besonders schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen nach den beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften und damit privilegiert haftete, während seine Ersatzpflicht bei leichteren außerdienstlichen Pflichtverstößen nach den strengeren bürgerlich-rechtlichen Haftungsgrundsätzen zu bestimmen wäre. Die Schadensersatzpflicht des Beamten richtet sich daher auch im außerdienstlichen Bereich ausschließlich nach den §§78 BBG, 46 BRRG. 2. Die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung Der Wortlaut der §§78 BBG, 46 BRRG enthält keinen Hinweis auf das allgemeine Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit. Ist die Übertretung einer im Innenverhältnis für den Beamten zu beachtenden Vorschrift ausnahmsweise aufgrund eines Rechtfertigungsgrundes kein Unrecht, so liegt daher konstruktiv bereits keine Dienstpflichtverletzung v o r 1 0 5 . Denn dem Beamten obliegt die Beachtung der gesamten Rechtsordnung als Dienstpflicht. Entscheidet er sich aufgrund der Kenntnis einer Rechtfertigungslage für die Überschreitung seiner Befugnisse, so hat er auf dem Boden geltenden Rechts und somit dienstpflichtgemäß gehandelt 106 . Der Gesetzgeber setzt es als selbstverständlich voraus, daß jede Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten auch rechtswidrig ist. Im Rahmen der §§78 BBG, 46 BRRG indiziert die objektive Pflichtverletzung des Beamten somit die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens 107 . Nur in Ausnahmefällen
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Art. II § 2 Nr. 2 d.G.z. Neuordnung des Bundesdiziplinarrechts vom 20.07. 1967 (BGBl. I S. 725). 105 Kümmel §86 NBG Rn. 11; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 21; Leusser/Gerner/Kruis, Art. 85 BayBG Erl. 4 (S. 247). 106 Dies ist im Ergebnis unstreitig; umstritten, jedoch praktisch irrelevant, ist lediglich, ob die Widerrechtlichkeit des Verhaltens gesondert zu prüfen ist oder im Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung aufgeht; vgl. Hilg, § 31 II 2 (S. 366); Wind, in: Wind/Schimana/Wallerius, S. 163. 107 Kümmel § 86 NBG Rn. 11.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
wird ein Vorgehen des Beamten, welches seinen Pflichten zuwiderläuft, durch das Eingreifen allgemeiner Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt sein. Dabei können Rechtmäßigkeit im Innen- und Rechtmäßigkeit im Außenverhältnis divergieren. Für die persönliche Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ist allein die interne Rechtmäßigkeit einer von ihm vorgenommenen Handlung von Bedeutung 108 . a) Rechtfertigungsgrund
der erfolglosen
Remonstration
Zu einer Divergenz der Rechtmäßigkeit im Innen- und im Außenverhältnis kommt es vor allem bei für den Beamten verbindlichen Weisungen seines Vorgesetzten, die ihm ein rechtswidriges Handeln nach außen abverlangen. Nach §§ 56 Abs. 2 BBG, 38 Abs. 2 BRRG ist der Beamte bei Vornahme einer rechtswidrigen Handlung gegenüber Dritten von der eigenen Verantwortung im Innenverhältnis befreit, wenn er zuvor gegen die Anordnung bei seinem unmittelbaren und bei seinem nächsthöheren Vorgesetzten remonstriert hat und die Handlung für ihn erkennbar weder strafbewehrt bzw. ordnungswidrig war noch gegen die Menschenwürde verstieß. Die §§ 56 Abs. 2 BBG, 38 Abs. 2 BRRG grenzen damit den eigenen Verantwortungsbereich des Beamten gegenüber dem Bereich seiner Weisungsgebundenheit a b 1 0 9 . Unter den genannten Voraussetzungen kann der Beamte für einen durch die Maßnahme verursachten Vermögensschaden eines Dritten also nicht im Wege des Rückgriffs zur Rechenschaft gezogen werden 1 1 0 . b) Rechtfertigungsgründe
des Straf- und Zivilrechts
Daneben sind im Rahmen der Haftung nach §§78 BBG, 46 BRRG auch die straf- und zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe, insbesondere diejenigen der Notwehr- und Nothilfe sowie der Wahrnehmung berechtigter Interessen zu beachten 111 . 3. Zusammenfassung Der Beamte verletzt die ihm obliegenden Pflichten, wenn er, ohne gerechtfertigt zu sein, durch ein willensgesteuertes Verhalten die ihm kraft seines Amtes oder kraft seines Beamtenstatus als solchem obliegenden Pflichten außer acht läßt. Vorrangig zu prüfen ist die Verletzung von Verhal108 109 110 111
Scheerbarth/Höffken, § 18 III (S. 480). VGH Mannheim, Urt. v. 04.04.1973, ZBR 1974, 337 (340). Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 56 BBG Rn. 9. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG, Anm. 8 b).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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tensgeboten, die dem Beamten aufgrund Gesetzes, Verwaltungsvorschrift oder Einzelweisung obliegen. Subsidiär kann auf die Verletzung der allgemeinen Pflicht, den Dienstherrn unmittelbar oder mittelbar schädigende Handlungen zu unterlassen, zurückgegriffen werden. Nicht erforderlich ist, daß der Beamte mit der schädigenden Handlung Aufgaben des Dienstherrn wahrgenommen hat, noch daß der Beamte überhaupt in Ausübung seines Amtes tätig geworden ist. Die Gesetzeswendung „Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" ist kein Merkmal des haftungsbegründenden Tatbestandes, sondern dient der Bestimmung der Aktivlegitimation des Dienstherrn. Auch für eine außerdienstliche Schädigung des Dienstherrn ist der Beamte nach richtiger Auffassung (nur) nach den §§78 BBG, 46 BRRG verantwortlich.
III. Das Verschulden des Beamten Die Haftung des Beamten setzt dessen Verschulden voraus. Das Verschulden betrifft den an den Beamten gerichteten persönlichen Vorwurf, fehlerhaft gehandelt zu haben 1 1 2 . Grundformen des Verschuldens sind Vorsatz und Fahrlässigkeit. Innerhalb der Fahrlässigkeit ist zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit zu unterscheiden. Ist der Beamte im Zeitpunkt der Schadensverursachung schuldfähig, wovon mangels entgegenstehender Hinweise ausgegangen werden m u ß 1 1 3 , so haftet er nach der heutigen Gesetzeslage seinem Dienstherrn nur noch dann, wenn er zumindest grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Hier, bei der nicht immer einfachen Abgrenzung der groben gegenüber der nichtgroben Fahrlässigkeit, liegt heute einer der Schwerpunkte der Rechtsprechung zum Schadensersatzanspruch im Beamtenverhältnis 114 . 1. Bezugspunkt des qualifizierten Verschuldens Die Formulierung der beamtenrechtlichen Haftungsnormen stellt zunächst klar, daß Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auf die begangene Dienstpflichtverletzung zu beziehen sind 1 1 5 . Umstritten ist, ob der Vorwurf des qualifizierten Verschuldens darüber hinaus auch den konkret eingetretenen Schaden umfassen muß.
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Heinrichs, in: Palandt, § 276 BGB Rn. 5; Simianer, S. 40. Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 9b). 114 Mühl t in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 33. 115 Kümmel, § 86 NBG Rn. 21; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22. 113
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
a) Auffassung
von Deutsch und Benitz
Im Schrifttum ist vereinzelt die Ansicht vertreten worden, daß sich das qualifizierte Verschulden bei den §§78 BBG, 46 BRRG auch auf den Eintritt des Schadens erstrecken müsse 116 . Deutsch und ihm folgend Benitz haben für diese Auffassung im wesentlichen drei Argumente angeführt: Zum ersten decke das Entgelt, das der Beamte erhalte, das Risiko hoher Schäden nicht ab. Wenn der Dienstherr aber seine Beamten mit Tätigkeiten beauftrage, die Schäden von großer Höhe mit sich bringen könnten, so müsse er sie auch von dem Risiko entlasten, Schäden, die auch bei Anwendung gehöriger Sorgfalt unvorhersehbar und unvermeidbar seien, tragen zu müssen 117 . Zum zweiten erfordere der Zweck des beamtenrechtlichen Haftungsprivilegs, die Entschlußkraft des Beamten zu stärken, den Schaden samt Umfang in den Verschuldensbezug aufzunehmen. Müßte der Dienstleistende nämlich damit rechnen, auch für solche Schäden einstehen zu müssen, deren Umfang er selbst bei Aufwendung der von ihm geforderten Sorgfalt nicht erkennen konnte, so würde er, um jegliches Schadensrisiko gering zu halten, mit äußerster Bedächtigkeit vorgehen. Dies aber würde den Zweck des Haftungsprivilegs vereiteln 118 . Zum dritten ermögliche man dem Dienstherrn bei Nichteinbeziehung des Schadens in das Verschulden, die Haftung durch die Schaffung strengerer Dienstpflichten oder Weisungen, zusätzlich zu verschärfen. Die grobfahrlässige Verletzung der Dienstpflicht oder Weisung würde dann zum vollen Ersatz des entstandenen Schadens verpflichten, was schlechterdings nicht hinnehmbar sei 1 1 9 . b) Standpunkt der herrschenden Meinung im Beamtenrecht Trotz der gewichtigen Argumente dieser Auffassung hat sie im Beamtenrecht bisher keine Beachtung gefunden. Rechtsprechung 120 und Literatur 1 2 1 stehen insoweit einhellig auf dem Standpunkt, daß das von den §§78 BBG, 46 BRRG vorausgesetzte Verschulden lediglich auf die Verletzung der Dienstpflicht zu beziehen sei. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit müssen demnach weder den konkret eingetretenen Schaden noch den zwischen 116 Benitz, S. 96 ff.; Deutsch, NJW 1966, S. 705 ff.; Hanau, in: MünchKomm, § 276 BGB Rn. 47. 117 Benitz, S. 127 f.; Deutsch, NJW 1966, S. 709 f. 118 Benitz, S. 129; Deutsch, NJW 1966, S. 710. 119 Deutsch, NJW 1966, S. 710. 120 BVerwG, Urt. v. 27.06.1984, BVerwGE 69, 334 (336) zu § 24 SG; BayObLG, Urt. v. 19.03.1984, BayVBl. 1984, 374 (375). 121 Kümmel, § 86 NBG Rn. 21; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 30; Simianer, S. 40; so schon Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 25.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Dienstplichtverletzung und Schaden bestehenden Kausalzusammenhang umfassen 122 . Der aus der Pflichtverletzung resultierende Schaden sei dem Beamten objektiv zuzurechnen 123 . Für die vermögensrechtliche Innenhaftung des Beamten sei es daher regelmäßig - nicht anders als bei der Amtshaftung im Außenverhältnis - bedeutungslos, ob der Beamte auch den eingetretenen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe. Insofern sei es nicht einmal erforderlich, daß der Beamte die Möglichkeit der Herbeiführung des schädlichen Erfolges überhaupt bedacht habe 1 2 4 . c) Stellungnahme Nach dem Wortlaut der §§78 Abs. 1 Satz 1 BBG, 46 Abs. 1 Satz 1 BRRG hat der Beamte dem Dienstherrn Schadensersatz zu leisten, wenn er „vorsätzlich oder grob fahrlässig, die ihm obliegenden Pflichten" verletzt. Der Wörtaut bezieht das qualifizierte Verschulden demnach ausschließlich auf die Dienstpflichtverletzung, nicht auch auf den Schaden. Damit ist allerdings, was vielfach übersehen wird, für die Frage, ob sich das qualifizierte Verschulden zusätzlich auf den verursachten Schaden beziehen muß, noch kein Argument gewonnen. Denkbar wäre es nämlich, ein solches Ergebnis aus einer teleologischen Auslegung der Haftungsnormen herzuleiten, wie dies von Deutsch und Benitz versucht worden ist. Die von ihnen vorgebrachten Argumente vermögen indessen letztlich doch nicht zu überzeugen. Sinn und Zweck der Ausrichtung des qualifizierten Verschuldens auf die Dienstpflichtverletzung ist es, den Beamten so eng wie möglich an seine Dienstpflichten zu binden. Dem Beamten soll es erspart bleiben, jede seiner Handlungen auf ihre Schadensträchtigkeit hin zu prüfen. Vielmehr soll er darauf vertrauen können, für einen eventuell verursachten Schaden nicht aufkommen zu müssen, wenn er die für ihn maßgebenden Dienstvorschriften bzw. Weisungen befolgt hat, solange diese ihm nicht ein strafbares oder gegen die Menschenwürde anderer verstoßendes Verhalten abverlangen. Damit ist der Hauptzweck des Haftungsprivilegs, die Verantwortungsfreude und Leistungsbereitschaft der Beamtenschaft zu steigern, sichergestellt. Einer zusätzlichen Einbeziehung des Schadens in das Erfordernis des qualifizierten Verschuldens bedarf es hierzu nicht. Auch aus einem möglichen Mißverhältnis von Entlohnung und Schadenshöhe läßt sich nichts Anderes ableiten. Für den Fall eines besonders hohen Schadens bietet das Haushaltsrecht, wie noch zu zeigen sein w i r d 1 2 5 , die geeigneten 122 Bay ObLG, Urt. v. 19.03.1984, BayVBl. 1984, 374 (375); VGH München, Urt. v. 28.02.1996, DÖD 1997, 205 (206). 123 BGH, Urt. v. 22.05.1980, DÖD 1980, 212 (213). 124 Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 30; Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 35.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Mittel, die Schadensersatzforderung gegen den Beamten zu stunden oder ganz oder teilweise zu erlassen. Schließlich geht auch der Hinweis fehl, der Dienstherr habe es auf diese Weise in der Hand, die Haftung des Beamten durch Erlaß umfassender Dienstpflichten zur Abwehr abstrakter Gefahren beliebig zu verschärfen. Eine absichtliche Verschärfung der Haftungssituation durch den Erlaß allgemein gehaltener Dienstpflichten hätte keinen Sinn und dürfte in der Praxis kaum vorkommen. Die Vermögensinteressen des Dienstherrn sind durch die Dienstpflichten des Beamten bereits umfassend geschützt, ohne daß dies in der Vergangenheit zu einer erkennbar unbilligen Belastung der Beamtenschaft mit Schadensersatzforderungen geführt hätte. Im Ergebnis ist daher der herrschenden Meinung beizupflichten, die den Bezugspunkt des Verschuldens allein in der Verletzung der Dienstpflichten erkennt. 2. Die Schuldformen des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit a) Vorsätzliche
Dienstpflichtverletzungen
Vorsätzlich handelt der Beamte, der bewußt und gewollt gegen seine Dienstpflichten verstößt oder eine Dienstpflichtverletzung zumindest billigend in Kauf n i m m t 1 2 6 . Wegen des vorverlegten Bezugspunktes des Verschuldens ist dem Beamten vergleichsweise häufig der Vorwurf vorsätzlichen Handelns zu machen. So handelt ein Polizist schon dann vorsätzlich im Sinne der §§78 BBG, 46 BRRG, wenn er seine Dienstwaffe vorschriftswidrig handhabt. Nicht erforderlich ist, daß er die Möglichkeit eines sich lösenden Schusses oder sogar die Verletzungs- bzw. Tötungsgefahr einer derartigen Pflichtverletzung in sein Bewußtsein aufgenommen hat. Entsprechendes gilt für den die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr übertretenden beamteten Kraftfahrer, der die Möglichkeit eines Unfalles in der konkreten Situation nicht bedacht hat. Auf der anderen Seite gehört zum Inhalt des Vorsatzes im Beamtenrecht auch das Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit des eigenen Handelns 127 . Dies entspricht der herrschenden Zivilrechtslehre, der sogenannten Vorsatztheorie128. Ist sich der Beamte demnach nicht bewußt, pflichtwidrig zu handeln, entfällt der Vorwurf des Vorsatzes, selbst wenn der Mangel an Pflichtbewußtsein seinerseits vorwerfbar ist. Irrt sich der Beamte somit über die 125
Unten 4. Kapitel A. III. Kümmel, § 86 NBG Rn. 21; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 23. 127 Battis, § 78 BBG Rn. 6; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 23; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 32; Schnupp, S. 71. 128 Fikentscher, Rn. 506. 126
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Rechtmäßigkeit seiner Handlungsweise, steht dies der Annahme von Vorsatz zwingend entgegen. b) Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit in Abgrenzung zur einfachen Fahrlässigkeit aa) Die einfache Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB Nach der zivilrechtlichen Legaldefinition des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Unter „Verkehr" in diesem Sinne ist der Rechtsverkehr, also das Sichbewegen in der menschlichen Gesellschaft zu verstehen 129 . Der Beamte handelt fahrlässig, wenn er die Verletzung der Dienstpflicht hätte erkennen und durch entsprechende Maßnahmen vermeiden können 1 3 0 . Was erkennbar und was vermeidbar ist, bestimmt sich nach dem zugrundezulegenden Sorgfaltsmaßstab. Als solchen nennt § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB das „ i m Verkehr Erforderliche". Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anforderungen im Einzelfall zu konkretisieren Aufgabe des Dienstherrn bzw. des Richters i s t 1 3 1 . Rechtsprechung und Schrifttum legen im Zivilrecht bei der Bestimmung der einfachen Fahrlässigkeit einen objektiven Sorgfaltsmaßstab als Mindestschutz zugrunde 132 . Die Anwendung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes bedeutet allerdings nicht, daß auf die Vorwerfbarkeit des Verhaltens verzichtet werden könnte. Ein vorwerfbares Verhalten ist nach dem objektiven Sorgfaltsmaßstab aber schon dann anzunehmen, wenn der Teilnehmer am Rechtsverkehr nicht diejenige Sorgfalt beachtet, die von einem durchschnittlichen, besonnenen und gewissenhaften Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises erwartet werden kann 1 3 3 . Solange die Ersatzpflicht des Beamten noch nicht allgemein auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt war, wurde auch hier von einem objektivierten Sorgfaltsmaßstab ausgegangen 134 . Anders als in dem an das straf gerichtliche Verfahren angelehnten Disziplinarverfahren, bei dem es auf die subjek129
Riedmaier, VersR 1981, S. 14. Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 33. 131 Wolf in: Soergel, § 276 BGB Rn. 74. 132 Medicus § 29 III 2b) (S. 143). 133 Hanau, in: MünchKomm, § 276 BGB Rn. 78; Heinrichs, in: Palandt, § 276 BGB Rn. 16; Wolf, in: Soergel, § 276 BGB Rn. 79. 134 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 24; Leusser/ Gerner/Kruis, Art. 85 BayBG Erl. 5; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 34; Riedmaier, DÖV 1989, S. 391. 130
9 Beckmann
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
tive Vorwerfbarkeit des Verhaltens ankommt 1 3 5 , stellten die Verwaltungsund Zivilgerichte in Schadensersatzprozessen gegen den Beamten daher auf eine berufstypisierte Sorgfalt analog § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a b 1 3 6 . Der damit verbundene Ausschluß der Berücksichtigung individueller, in der Person des Schädigers begründeter Faktoren mußte jedoch - in Anbetracht der Fürsorgepflicht des Dienstherrn - als unbefriedigend empfunden werden 1 3 7 . bb) Die grobe Fahrlässigkeit (1) Schwierigkeiten
einer allgemeinen Definition
Zwischen Vorsatz und der für den Beamten in haftungsrechtlicher Hinsicht folgenlos bleibenden einfachen Fahrlässigkeit steht die grobe Fahrlässigkeit. Weder das Bürgerliche Gesetzbuch noch die Beamtengesetze von Bund und Ländern haben diesen Begriff definiert. Das Reichsgericht machte das Vorliegen grober Fahrlässigkeit davon abhängig, daß die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde, daß also einfachste und naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder Maßnahmen nicht ergriffen wurden, die jedem hätten einleuchten müssen 138 . Der Bundesgerichtshof 139 und das Bundesverwaltungsgericht 140 haben sich dieser Begriffsbestimmung im wesentlichen angeschlossen. Auch der moderne Gesetzgeber ist dieser Definition gefolgt und und hat in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die grobe Fahrlässigkeit als „Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße" umschrieben. Die grobe Fahrlässigkeit ist folglich eine graduelle Steigerung der einfachen Fahrlässigkeit 141 . Gerade in dieser Tatsache liegt aber die Schwierigkeit geborgen, abstrakt und für alle denkbaren Lebenssachverhalte zu umschreiben, wann die Grenze der einfachen Fahrlässigkeit überschritten und diejenige der groben Fahrlässigkeit erreicht ist. Pauschalierende Aussagen, basierend auf den Kriterien „häufig - selten", „hohe Anforderungen - niedrige Anforderungen" führen nicht weiter. So konstatiert etwa Möx, es lasse sich schon an der Definition der groben Fahrlässigkeit ablesen, daß „an das 135
Mühl, in Fürst (GKÖD I K), § 77 BBG Rn. 18. BVerwG, Urt. v. 27.06.1984, BVerwGE 69, 334 (340). 137 Deutlich: VGH Mannheim, Urt. v. 04.04.1973, ZBR 1974, 337 (341). 138 RG, Urt. v. 26.05.1933, RGZ 141, 129 (131); RG, Urt. v. 21.03.1940, RGZ 163, 104 (106); RG, Urt. v. 04.02.1941, RGZ 166, 98 (101). 139 BGH, Urt. v. 11.05.1953, BGHZ 10, 14 (16). 140 BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (22); BVerwG, Urt. v. 03.02.1972, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18, 43 (45 f.). 141 Hanau, in: MünchKomm, § 277 BGB Rn. 2. 136
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Vorliegen grober Fahrlässigkeit verhältnismäßig hohe Anforderungen gestellt" würden 1 4 2 . Demgegenüber liest man in der Kommentierung von Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, die Definition dürfe „nicht mißverstanden werden als Beschränkung der Haftung auf völlig aus dem Rahmen der Lebensverhältnisse fallende Fehler" 1 4 3 . Der Bundesgerichtshof hat sich daher zu Recht der Einsicht gebeugt, daß „nicht einheitlich für alle Fälle festgestellt werden kann, was grobe Fahrlässigkeit ist, sondern nur von Fall zu F a l l " 1 4 4 . Auch in der beamtenrechtlichen Literatur wird betont, daß es sich bei der Frage nach dem Vorliegen grober Fahrlässigkeit um eine einzelfallbezogene Wertung handele, die sich generalisierenden Ausführungen entziehe 145 . Nicht möglich ist es insbesondere, aus der Verpflichtung des Beamten zu voller Hingabe an seinen Beruf (§§ 54 BBG, 36 BRRG) auf ein besonders hohes Sorgfaltsniveau im Beamtenrecht schließen zu wollen, wie dies von Keller getan wird. Nach Keller soll das Außerachtlassen von amtsspezifischen Kenntnissen in aller Regel bereits den qualifizierten Schuldvorwurf rechtfertigen 146 . Die Außerachtlassung amtsspezifischer Anforderungen begründet zunächst aber nur den FahrlässigkeitsVorwurf als solchen. Der Vorwurf, der Beamte habe sich über Bedenken hinweggesetzt, die sich jedem in seiner Lage Befindlichen hätten aufdrängen müssen, bedarf in jedem Fall einer besonderen Darlegung und Bewertung 147 . Die Schwierigkeit des Dienstherrn, in Schadensfällen über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit zu entscheiden, wird verstärkt durch die Tatsache, daß er nur in begrenztem Umfang auf eine höchstrichterliche Judikatur zu diesem Problemkreis zurückgreifen kann. Denn die Rechtsprechung hat in diesem Bereich einen revisionsrechtlich nicht nachprüfbaren Entscheidungsspielraum des Tatrichters anerkannt, der infolge seiner Sachnähe allein in der Lage sei, bei der Abwägung den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden 1 4 8 . Das Vorliegen grober Fahrlässigkeit wird mithin als tatsächliche Frage angesehen, die lediglich im Rahmen des § 137 Abs. 2 VwGO revisibel ist. Nur dann, wenn der Tatrichter wesentliche Umstände nicht berücksichtigt oder gegen Erfahrungs- oder Denkgesetze verstoßen hat, kann das Revisionsgericht die Entscheidung beanstanden 149 . Fälle, in 142
Möx, S. 107. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 9e). 144 BGH, Urt. v. 11.05.1953, BGHZ 10, 14 (17). 145 Kaster, S. 122; Riedmaier, VersR 1981, S. 17. 146 Keller, S. 207. 147 OVG Koblenz, Urt. v. 21.08.1991, RiA 1993, 48 (49). 148 BGH, Urt. v. 22.05.1980, DÖD 1980, 212 (213). 149 BVerwG, Urt. v. 17.07.1963, Buchholz 237.7 § 84 LBG NW Nr. 1, 1 (2 f.); BVerwG, Urt. v. 03.02.1972, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18, 43 (45). 143
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
denen das Bundesverwaltungsgericht oder der Bundesgerichtshof Entscheidungen der Berufungsgerichte über die Haftung des Beamten unter diesem Gesichtspunkt korrigiert haben, sind allerdings, gemessen an der praktischen Bedeutung des Problems, verhältnismäßig selten. (2) Gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit der Verwirklichung der Fürsorgepflicht
als zentrales Element des Dienstherrn
Zurückgehend auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1953 1 5 0 gehen Rechtsprechung und die überwiegende Literatur heute rechtsübergreifend davon aus, daß das Verdikt grober Fahrlässigkeit nur dann zu rechtfertigen ist, wenn den Betroffenen neben dem objektiv schweren Verschulden auch in subjektiver Hinsicht ein schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten anzulasten ist. In diesem Sinne grob fahrlässig handelt, wer sich subjektiv über Gebote oder Einsichten hinwegsetzt, die sich ihm in der konkreten Situation hätten aufdrängen müssen 151 . Ein sich objektiv als schwerer Verstoß darstellendes Verhalten rechtfertigt nicht ohne weiteres den Rückschluß auf ein schweres personales Versagen 152 . Auch im Beamtenrecht wird die grobe Fahrlässigkeit allgemein in diesem Sinne verstanden 1 5 3 . Der Annahme grober Fahrlässigkeit des Beamten entgegenstehen können somit zum Beispiel eine schwere seelische Belastung 154 oder eine erhebliche arbeitsmäßige Überlastung 155 . Den Vorwurf begründen können dagegen ein Verhalten aus Eigensucht, Rücksichtslosigkeit oder verantwortungslosem Leichtsinn 1 5 6 . Andererseits setzt der subjektive Schuldvorwurf nicht notwendigerweise voraus, daß dem Betreffenden die Gefahr gegenwärtig gewesen ist. Die Schwere des Vorwurfs kann gerade darin begründet sein, daß sich der Handelnde infolge Unaufmerksamkeit der offensichtlichen Gefährlichkeit seines Tuns überhaupt nicht bewußt geworden i s t 1 5 7 . Für die grobe Fahrlässigkeit im allgemeinen und für diejenige der §§78 BBG, 46 BRRG im besonderen wird das Erfordernis eines verstärkten subjektiv-individuellen Schuldvorwurfs teilweise normzweckbezogen damit be150
BGH, Urt. v. 11.05.1953, Β GHZ 10, 14 (17). VGH München, Urt. v. 13.03.1991, ZBR 1992, 189 (190). 152 Schnupp, S. 72. 153 BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (23); VGH München, Urt. v. 13.03.1991, ZBR 1992, 189 (190); Maiwald, in: Schütz, § 84 NW LBG Rn. 45 f.; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 35; Riedmaier, DÖV 1989, S. 391. 154 Hanau, in: MünchKomm, § 277 BGB Rn. 11. 155 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 25; Möx, S. 107. 156 Simianer, S. 41. 157 Maiwald, in: Schütz, § 84 LBG NW Rn. 46; Möx, S. 107. 151
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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gründet, daß mit ihr vorwiegend eine Sanktions- und Präventionsfunktion verfolgt werde. Diese Prävention würde ihr Ziel verfehlen, wollte man keine gesteigerte Vorwerfbarkeit in subjektiver Hinsicht verlangen 158 . Doch auch wenn man mit der hier vertretenen Ansicht die Funktion der General- und Individualprävention weitestgehend dem Disziplinarrecht zuordnet, gelangt man nicht zu einer Ausrichtung der groben Fahrlässigkeit an rein objektiven Gesichtspunkten. Denn die Berücksichtigung subjektiver, in der Person des handelnden Beamten liegender Umstände stellt sich vor allem als ein Gebot der Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge für den Beamten dar. Durch die Beschränkung der Haftung des Beamten auf unentschuldbare Verstöße gegen die ihm obliegenden Pflichten hat der Gesetzgeber das an den Dienstherrn gerichtete Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange des Beamten abschließend dem haftungsbegründenden Tatbestand der §§ 78 BBG, 46 BRRG zugeordnet. Die Bejahung oder Verneinung der groben Fahrlässigkeit wird somit zum zentralen Gerechtigkeitsproblem bei der Handhabung der beamtenrechtlichen Innenhaftung 159 . Alleiniges Maß der insoweit zu treffenden Wertung bleibt jedoch der individuelle, auf die Pflichtverletzung bezogene Schuldvorwurf. Das Tatbestandsmerkmal der groben Fahrlässigkeit eröffnet dem Dienstherrn nicht die Möglichkeit eines Absehens von der Inanspruchnahme aus Sympathie oder Kulanz. Aus der grundsätzlichen Trennung von Disziplinar- und Haftungsrecht folgt zudem, daß die grobe Fahrlässigkeit nicht mit Hilfe disziplinarischer Erwägungen begründet oder abgelehnt werden kann 1 6 0 . Wirkungen, die von der Entscheidung auf andere Beamte ausgehen, haben daher ebenso außer Betracht zu bleiben, wie eine mögliche Wiederholungsgefahr desselben Beamten. (3) Genaue Feststellung der Dienstpflichtverletzung Der Nachweis grober Fahrlässigkeit erfordert stets eine sorgfältige Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere die genaue Benennung des die Dienstpflichtverletzung ausmachenden Verhaltens 161 . Je ausführlicher das schadenstiftende Ereignis mit all seinen Begleitumständen herausgearbeitet ist, desto transparenter werden auch die subjektiven, in der Person des handelnden Beamten liegenden Besonderheiten 162 .
158 159 160 161 162
Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 426. Köpfer, S. 450 und Simianer, S. 41. Keller, S. 208. Müller/Beck/Entenmann, § 96 LBG BW Rn. 6; Schnupp, S. 72. Keller, S. 207.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Da der Beamte häufig zugleich gegen mehrere Verhaltensgebote verstößt, wird sich in vielen Fällen zumindest eine dieser Pflichtverletzungen als eindeutig grob fahrlässig herausstellen, wie ein Beispiel verdeutlicht: In einem einer neueren Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zugrundeliegenden Sachverhalt hat das klagende Land Schadensersatz von einem Beamten begehrt, der drei Stunden nach Beendigung seiner Dienstschicht auf dem Heimweg einen Eigenschaden des Dienstherrn mit dem von ihm unbefugt benutzten Dienstkraftfahrzeug verursacht hatte. Das Oberverwaltungsgericht stellte zunächst fest, es könne schon angenommen werden, daß der Beklagte nicht ohne Erlaubnis und ohne Eintragung ins Fahrtenbuch einen Dienstwagen zur Heimfahrt benutzen durfte und mit seinem entgegengesetzten Handeln Dienstpflichten verletzt habe, die in Verwaltungsvorschriften oder Einzelweisungen enthalten sein. Jedenfalls habe der Beamte zumindest seine allgemeine Schadensverhinderungspflicht, in Gestalt der Pflicht zur pflegerischen und sorgfältigen Behandlung des Eigentums des Dienstherrn, verletzt, so daß die Herbeiführung des Unfallschadens insgesamt durch Verletzung der dem Beklagten obliegenden dienstlichen Pflichten erfolgt sei. Im folgenden untersuchte das Gericht nun, ob der Beamte in der konkreten Fahr- bzw. Unfallsituation grob fahrlässig gehandelt hatte. Da dieser vorgab, sich an dem Tage nicht wohl gefühlt zu haben, sich im übrigen jedoch auf eine Gedächtnislücke berief, waren Feststellungen hierzu nicht mit hinreichender Sicherheit möglich. Somit traf das Gericht seine Entscheidung zu Lasten des Beamten nach den schwierigen und umstrittenen Grundsätzen über die materielle Beweislast 1 6 3 . Einer Heranziehung dieser Grundsätze hätte es jedoch nicht bedurft, wenn das Gericht seinen ersten dogmatischen Ansatz konsequent weiterverfolgt hätte, da eine vorsätzliche, jedenfalls aber eine grob fahrlässige Verletzung der dem Beamten obliegenden Pflichten insoweit schon in der vorschriftswidrigen Ingebrauchnahme des Fahrzeugs bestand. Das Gericht hätte demnach bei sorgfältiger Subsumtion im Anschluß an die Benennung der konkret verletzten Dienstanweisung nur noch feststellen müssen, daß der Unfall eine adäquate und zurechenbare Folge der pflichtwidrigen Benutzung des Fahrzeugs gewesen ist. Untersuchungen zum Verschulden in der Unfallsituation wären dann überflüssig gewesen. Durch das Abstellen auf die allgemeine Schadens Verhinderungspflicht war dem Gericht der Blick auf den im Beamtenrecht vorverlagerten Bezugspunkt des Verschuldens allerdings verstellt.
163 OVG Münster, Urt. v. 10.08.1994, NWVB1. 1995, 253 (253 f.); dazu unten 5. Kapitel Β. I.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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3. Die Präjudizität disziplinarischer Entscheidungen für das Urteil im Haftungsprozeß Hinsichtlich der Feststellung des haftungsrelevanten Verschuldens bzw. Verschuldensgrades bleibt zu fragen, welche Konsequenzen sich für das mit dem Schadensersatzbegehren des Dienstherrn befaßte Gericht ergeben, wenn der Beamte wegen des in Rede stehenden schadenstiftenden Verhaltens entweder bereits disziplinarisch verurteilt oder aber - umgekehrt - im Disziplinarverfahren vom Vorwurf eines Dienstvergehens freigesprochen worden ist. Diese Frage betrifft die Bindungswirkung staatlicher Entscheidungen und gehört damit zu einem schwierigen Problemfeld. Während es im Verhältnis von Beamtenhaftung und Strafrecht an jedweder gesetzlicher Regelung fehlt 1 6 4 , ist das Verhältnis von Beamtenhaftung und Disziplinarrecht, um der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen im Interesse der Rechtssicherheit zu begegnen, durch § 130 Abs. 2 BDO partiell geregelt 165 . Danach sind die aufgrund der Bundesdisziplinarordnung ergehenden Entscheidungen der Dienstvorgesetzten und Disziplinargerichte für die Beurteilung der vor einem Gericht geltend gemachten Rechte aus dem Beamtenverhältnis bindend. Die Landesdisziplinarordnungen enthalten größtenteils entsprechende Regelungen 166 , welche ebenso wie § 130 Abs. 2 BDO im einzelnen der Auslegung bedürftig und vor allem im Hinblick auf die Frage nach dem Umfang der angeordneten Bindung umstritten sind. Einigkeit über den Umfang der durch § 130 Abs. 2 BDO angeordneten Bindung besteht heute lediglich dahingehend, daß Entscheidungen des Dienstvorgesetzten und der Disziplinargerichte insoweit Drittbindungswirkung entfalten, als es den Entscheidungstenor sowie die darin zum Ausdruck kommende disziplinarrechtliche Würdigung des Sachverhaltes angeht 167 . Enthält die disziplinarrechtliche Entscheidung daher eine Aussage über ein Dienstvergehen, was zumeist der Fall sein wird, so steht aufgrund des § 130 Abs. 2 BDO bei Streitigkeiten über Rechte aus dem Beamtenverhältnis auch für andere Gerichte verbindlich fest, ob der Beamte ein 164 Daher ist das Verwaltungsgericht an vorausgehende strafgerichtliche Feststellungen grundsätzlich nicht gebunden. Es kann sich die Tatsachenfeststellungen allerdings zu eigen machen, solange nicht Umstände vorliegen, die eine Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 5 StPO rechtfertigen würden; vgl. OVG Münster, Urt. v. 10.02.2000, NWVB1. 2000, 343 (344). 165 Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 BDO Rn. 21. 166 § 128 Abs. 2 LDO BW; § 40 LDO Bin; § 121 Abs. 2 BremDO; § 115 HmbDO; § 130 HDO; § 134 Abs. 3 NDO; § 132 DO NW; § 125 DOG Rh.-Pf.; § 124 SaarDO; § 102 Abs. 2 LDO Schl.-H. 167 BVerwG, Urt. v. 21.10.1999, ZBR 2000, 240 (241); Lange, in: Behnke, § 130 BDO Rn. 10; Schmiemann, in: Schütz, DiszR, § 130 BDO Rn. 5; Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 BDO Rn. 32.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Dienstvergehen begangen hat oder nicht 1 6 8 . Dem Tatbestandsmerkmal „Rechte aus dem Beamtenverhältnis" kommt dabei eine sachlich abgrenzende Funktion gegenüber solchen Rechtsstreitigkeiten zu, die keinen Bezug zum Beamtenrecht aufweisen 169 . Der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen seinen Beamten ist ein solcher Anspruch aus dem Beamtenverhältnis 170 . Die diesen betreffenden Streitigkeiten werden daher von der Bindungswirkung erfaßt, unabhängig davon, ob für sie der Verwaltungsrechtsweg oder gemäß Art. 34 Satz 3 GG der Zivilrechtsweg vorgeschrieben i s t 1 7 1 . Folglich hat das Gericht, das zur Entscheidung über den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn berufen ist, bei bereits erfolgter Disziplinierung des Beamten davon auszugehen, daß dieser ein Dienstvergehen begangen, also schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat 1 7 2 . Ist der Beamte hingegen disziplinarisch vom Vorwurf eines Dienstvergehens freigesprochen worden, kommt eine Haftung gemäß §§78 BBG, 46 BRRG nicht mehr in Betracht 173 . Bindungswirkung entfalten nur die „auf Grund" der Disziplinarordnung ergangenen Teile der Entscheidung. Die in derselben Entscheidung getroffenen Aussagen über Fragen außerhalb des Disziplinarrechts können keine Bindungswirkung erzeugen. Sollte somit neben der Disziplinarmaßnahme zugleich die Verpflichtung des Beamten zum Schadensersatz ausgesprochen worden sein, handelt es sich insoweit um eine außerhalb des Disziplinarrechts stehende Erwägung, die für das mit dem Schadensersatzanspruch befaßte Gericht unverbindlich i s t 1 7 4 . Umstritten ist, ob eine über den Tenor und die disziplinarrechtliche Würdigung des Sachverhaltes hinausgehende rechtliche und tatsächliche Bindungswirkung disziplinarischer Entscheidungen besteht: Nach einer vereinzelt vom Oberverwaltungsgericht Münster 1 7 5 unter Berufung auf die Ansicht von Lange1' 16 vertretenen Auffassung erstreckt sich 168 BVerwG, Beschl. v. 28.05.1984, ZBR 1984, 307 (307); BVerwG, Urt. v. 27.6.1984, BVerwGE 69, 334 (338 f.) entschieden für § 138 Abs. 2 WDO. 169 Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 BDO Rn. 42. 170 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 4. 171 Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 BDO Rn. 42; anderer Ansicht: Janzen, in: Claussen/Janzen, § 130 BDO Rn. 4 mit verfehltem Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 11.03.1970, Buchholz 232 §78 BBG Nr. 13 (der insoweit Reichweite der Bindungswirkung mit Bindungsumfang verwechselt). 172 BVerwG, Urt. v. 27.6.1984, BVerwGE 69, 334 (338 f.). 173 BVerwG, Urt. v. 27.6.1984, BVerwGE 69, 334 (338 f.). 174 Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 BDO Rn. 30. 175 OVG Münster, Urt. v. 18.08.1970, RiA 1970, 17 Ls entschieden für § 117 Abs. 2 WDO a.F. 176 Lange, in: Behnke, § 130 BDO Rn. 10; ebenso: Dau, § 138 WDO Rn. 7.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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die Bindungswirkung disziplinarischer Entscheidungen auch auf die getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Anderenfalls könne sich nämlich der widerspruchsvolle Zustand ergeben, daß ein Gericht einen Beamten als rechtswirksam disziplinarisch bestraft ansehen müsse, obwohl es nach dem Ergebnis seiner Beweisaufnahme festgestellt habe, daß er die ihm vorgeworfene Tat gar nicht begangen habe und somit zu Unrecht diszipliniert worden sei. Zu einer solchen Beweisaufnahme könne es veranlaßt werden, wenn der Beamte eine abweichende Tatsachenschilderung gebe und diese sich nicht als ohne weiteres unrichtig erweise. Eine Beweisaufnahme hätte also von vornherein keinen Sinn, weil sie das Ergebnis nicht beeinflussen könne. Diese Erwägung zeige, daß sich die tatsächlichen Feststellungen von der auch nach der abweichenden Meinung bindenden rechtlichen Würdigung nicht trennen ließen, ohne die vom Gesetzgeber angestrebte Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen 177 . Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Frage nach der Bindungswirkung tatsächlicher Feststellungen im Zusammenhang mit der Schadensersatzhaftung des Beamten zunächst ausdrücklich offengelassen und lediglich angedeutet, es neige der Auffassung zu, daß den Entscheidungen der Dienstvorgesetzten und Disziplinargerichte eine über die bloße Tatbestandswirkung hinausgehende Bindungswirkung nicht zukomme 1 7 8 . Später hat das Gericht Gelegenheit gefunden, seinen diesbezüglichen Standpunkt für die sachlich mit § 130 Abs. 2 BDO übereinstimmende Norm des § 138 Abs. 2 Wehrdienstordnung (WDO) zu begründen 179 . Hätte der Gesetzgeber den Entscheidungen der Disziplinargerichte über die reine Tatbestandswirkung hinaus auch Feststellungswirkung zukommen lassen wollen, so wäre dies nach Meinung des Gerichts in § 138 Abs. 2 WDO besonders zum Ausdruck gekommen. So sei in den §§ 30, 77 WDO (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BDO) die Bindung des Disziplinarvorgesetzten und der Wehrdienstgerichte an die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren ausdrücklich vorgeschrieben. Der unterschiedliche Wortlaut dieser in demselben Gesetz geregelten Möglichkeiten der Bindungswirkung ergebe zwingend, daß eine über die materielle Rechtskraft der Entscheidung hinausreichende Bindung der anderen Gerichte nicht beabsichtigt •180
gewesen sei . Nach diesen Grundsätzen, denen das herrschende Schrifttum im Hinblick auf § 130 Abs. 2 BDO gefolgt i s t 1 8 1 , nehmen die in den Gründen der disziplinarrechtlichen Entscheidung enthaltenen tatsächlichen und wertenden 177
OVG Münster, Urt. v. 18.08.1970, RiA 1970, 17 (17). BVerwG, Urt. v. 11.03.1970, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 13, 13 (16 f.). 179 BVerwG, Urt. v. 27.6.1984, BVerwGE 69, 334. 180 BVerwG, Urt. v. 27.6.1984, BVerwGE 69, 334 (338); Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 BDO Rn. 35. 178
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Feststellungen zur Art des Verschuldens bzw. zum Grad der Fahrlässigkeit nicht an der Bindungswirkung teil. Zwar sei auch bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme das Maß der Schuld zu berücksichtigen. Aus dem materiellen Disziplinarrecht ergebe sich aber, daß die Ahndung einer Pflichtverletzung als Dienstvergehen nach § 77 BBG nur irgendein schuldhaftes Verhalten des Beamten voraussetze. Aus der Zusammenschau mit § 78 BBG folge sodann, daß die Beurteilung der Pflichtverletzung als vorsätzlich oder grob fahrlässig dem Bereich der Haftung - nicht dem der Verfolgung als Dienstvergehen - zuzuordnen sei und damit im Schadensersatzprozeß stattfinde 182 . Dem wird man zustimmen müssen. Dies ergibt sich nicht nur aus einem systematischen Vergleich des § 130 Abs. 2 BDO mit § 18 Abs. 1 BDO, sondern auch mit § 32 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. BDO. Danach ist eine Verschärfung der Disziplinarmaßnahme nach Art und Höhe oder die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens nur zulässig, wenn nach deren Erlaß „wegen desselben Sachverhalts ein rechtskräftiges Urteil auf Grund von tatsächlichen Feststellungen ergeht, die von den der Disziplinarverfügung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen abweichen". Hieraus folgt im Umkehrschluß, daß der Gesetzgeber eine Bindungswirkung anderer Spartengerichte an die tatsächlichen Feststellungen der Disziplinarorgane nicht gewollt hat. Weichen diese in ihren diesbezüglichen Ausführungen von der ursprünglichen Disziplinarentscheidung ab, soll vielmehr der höhere Dienstvorgesetzte seinerseits die Möglichkeit der Korrektur der Disziplinarmaßnahme (zuungunsten des Beamten) erhalten. § 32 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. BDO verlöre weitgehend seinen Sinn, würde man eine Bindungswirkung disziplinarischer Entscheidungen auch in tatsächlicher Hinsicht befürworten. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß das Verwaltungs- oder Zivilgericht im Schadensersatzprozeß durch die Einschätzung der Disziplinarorgane, es sei fahrlässig, aber nicht grob fahrlässig gehandelt worden, nicht gehindert ist, seinerseits eine grob fahrlässige oder sogar vorsätzliche Dienstpflichtverletzung anzunehmen und einen entsprechenden Anspruch des Dienstherrn zu bejahen 183 . Ein Freispruch im Disziplinarverfahren mangels Dienstvergehens steht demgegenüber nach § 130 Abs. 2 BDO einer Verurteilung zum Schadensersatz auf der Grundlage der §§78 BBG, 46 BRRG entgegen. 181
Janzen, in: Claussen/Janzen, § 130 BDO Rn. 5; Köhler, in: Köhler/Ratz, § 130 BDO Rn. 5; Schmiemann, in: Schütz, DiszR, § 132 DO NW, Rn. 5; Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 Rn. 35. 182 BVerwG, Urt. v. 27.6.1984, BVerwGE 69, 334 (339); Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22. 183 Weiß, in: Fürst (GKÖD II K), § 130 BDO Rn. 34.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Mehr oder weniger unbefriedigend ist die Rechtslage, wenn sich bei einem bereits disziplinarisch zur Verantwortung gezogenen Beamten im Schadensersatzprozeß herausstellen sollte, daß gegen den Beamten nach Überzeugung des Gerichts kein Schuldvorwurf zu erheben ist. Das Gericht wird die Ersatzpflicht des Beamten dann nur mit der Begründung ablehnen können, daß der Beamte „jedenfalls" nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Um einer solchen Divergenz der Entscheidungen und einem „Zwang" zur Anpassung der Urteilsbegründungen vorzubeugen, ist an die Disziplinarorgane zu appellieren, von der ihnen durch § 17 Abs. 2 BDO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen und in Schadensfällen das Disziplinarverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Ersatzanspruch des Dienstherrn auszusetzen.
IV. Der Schaden des Dienstherrn Die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung der dem Beamten obliegenden Pflichten löst nur dann einen Anspruch auf der Grundlage der §§78 BBG, 46 BRRG aus, wenn sie einen Schaden zur Folge gehabt hat (1.) und der Dienstherr legitimiert ist, diesen Schaden geltend zu machen (2). 1. Art und Umfang des zu ersetzenden Schadens a) Schadensberechnung nach der Differenzhypothese Der Begriff des Schadens in den §§78 BBG, 46 BRRG entspricht demjenigen des Zivilrechts, wie er sich aus den §§ 249 ff. BGB ergibt 1 8 4 . Hier wie dort gilt der Grundsatz der Naturalrestitution, wonach der Beamte denjenigen Zustand wiederherzustellen hat, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre 1 8 5 . Bei der Rückgriffshaftung des Beamten ist eine Wiederherstellung in Natur jedoch ausgeschlossen, wenn und soweit auch im Außenverhältnis, etwa im Rahmen der Amtshaftung, keine Naturalrestitution, sondern nur Geldersatz in Betracht k o m m t 1 8 6 . Ebenfalls nicht verlangt werden kann, daß der Beamte den Dienstherrn von seiner Verpflichtung gegenüber dem geschädigten Dritten freistellt 187 . Denn die schuldbefreiende Übernahme der Haftung im Außenverhältnis durch den Dienstherrn bezweckt auch die Aufrechterhaltung 184
BVerwG, Urt. v. 11.03.1999, DÖV 1999, 645 (645) zu § 24 SG; Battis, § 78 BBG Rn. 10; Kümmel, § 86 NBG Rn. 19; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43; Möx, S. 106. 185 Hildebrandt/Demmler/Bachmann, § 84 LBG NW Anm. 2. 4; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 44. 186 Dazu Rüfner, in: Erichsen, § 48, Rn. 41.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
eines geordneten Dienstbetriebes, indem der Beamte aus Rechtsstreitigkeiten mit dem einzelnen Bürger herausgehalten w i r d 1 8 8 . Dem liefe es zuwider, wenn der Dienstherr über den Umweg des Rückgriffs den Beamten auf Freistellung gegenüber dem Bürger in Anspruch nehmen könnte. Da auch im übrigen die Schädigung von vornherein in einer Vermögensminderung des Dienstherrn oder in der Verletzung von Personen oder Sachen bestehen wird, ist der Anspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG in der Praxis allein auf Ersatz des zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlichen Geldbetrages gerichtet (§§ 249 Satz 2, 251 B G B ) 1 8 9 . Ebenso wie im Zivilrecht ist die Höhe des eingetretenen Schadens in der Regel nach der sogenannten Differenzmethode zu ermitteln 1 9 0 . Schaden des Dienstherrn ist danach die Differenz zwischen der Vermögenslage, die tatsächlich besteht, und derjenigen, die ohne das schadenstiftende Verhalten des Beamten bestehen würde 1 9 1 . Unproblematisch ist die Bejahung eines Schadens des Dienstherrn nach der Differenzhypothese vor allem im Falle eines Eigenschadens, beispielsweise dann, wenn der Beamte Sachen im Eigentum des Dienstherrn beschädigt bzw. verliert, zu Unrecht finanzielle Leistungen an sich oder Dritte bewirkt oder pflichtwidrig bestehende Ansprüche der öffentlichen Hand nicht geltend macht. Schwieriger liegen die Verhältnisse häufig bei einer mittelbaren Schädigung des Dienstherrnvermögens. Einen Rückgriffsanspruch gegen den Beamten wird man insoweit nur anerkennen können, als für den Dienstherrn eine Rechtspflicht zum Ersatz des dem Dritten entstandenen Schadens bestanden hat 1 9 2 . Zwar fehlt es in dem Fall, daß sich der Dienstherr ohne Rechtspflicht, jedoch in vertretbarer Einschätzung der Rechtslage entschließt, die Forderung des Dritten zu begleichen oder mit diesem einen Vergleich abzuschließen, weder an einem Vermögensminus im Sinne der Differenztheorie noch am erforderlichen adäquaten Ursachenzusammenhang zwischen Dienstpflichtverletzung und Vermögensminderung 193 . Allerdings wäre es mit der Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge für seinen Be187
Früher streitig; grundsätzlich für einen Befreiungsanspruch z.B. Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 87; dagegen z.B. Rothe, S. 2873. 188 Simianer, S. 36. 189 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 44. 190 St. Rspr. BGH, Beschl. v. 09.07.1986, NJW 1987, 50 (51); für das Beamtenrecht statt aller: Wahlers, S. 275. 191 BVerwG, Urt. v. 19.06.1997, NJW 1997, 3455 (3455); Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 10a). 192 OVG Lüneburg, Urt. v. 27.02.1990, ZBR 1990, 123 (123); Schütz, S. 90; für das frühere Recht: Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 47.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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amten nicht in Einklang zu bringen, wenn er den Beamten auch dann in Regreß nehmen könnte, wenn eine Ersatzpflicht im Außenverhältnis gar nicht bestand 194 . Denn die Schutz- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten nötigt dazu, bei der Ersatzleistung an den geschädigten Dritten auf den rückgriffspflichtigen Beamten gebührend Rücksicht zu nehmen und dafür Sorge zu tragen, daß die Ersatzleistungen so beschränkt werden, wie es mit der Ersatzpflicht im Außenverhältnis vereinbar i s t 1 9 5 . Der Beamte kann seiner Inanspruchnahme daher entgegenhalten, der Dienstherr habe ohne rechtlich hierzu verpflichtet gewesen zu sein an den Dritten geleistet bzw. die Verurteilung des Dienstherrn zur Zahlung habe der wirklichen Rechtslage nicht entsprochen. W i l l der Dienstherr dem Beamten diesen Einwand nehmen, so muß er im Rechtsstreit mit dem geschädigten Dritten dem Beamten gemäß § 72 ZPO den Streit verkünden. Der später auf Regreß in Anspruch genommene Beamte kann dann aufgrund der sogenannten Interventionswirkung nach § 74 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 68 ZPO mit der Behauptung, der Vorprozeß sei falsch entschieden oder der Dienstherr habe den Rechtsstreit unzweckmäßig geführt, nicht mehr durchdringen 1 9 6 . Das mit dem Rückgriffsanspruch befaßte Gericht des Nachfolgeprozesses hat die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung des Erstprozesses von Amts wegen zu berücksichtigen 197 . Zu dem von dem Beamten bei mittelbarer Schädigung seines Dienstherrn zu ersetzenden Schaden gehören auch die Kosten des Rechtsstreits zwischen dem Dienstherrn und dem geschädigten Dritten. Zwar sind diese Kosten im Grunde genommen kein Fremdschaden, sondern ein Eigenschaden des Dienstherrn, weil dieser der Geltendmachung der Ansprüche des Dritten entgegengetreten ist. Sie sind jedoch durch den Beamten als „herausgefordert" anzusehen und stehen mit der Regreßforderung gegen den Beamten in einem derart engen Zusammenhang, daß sie deren rechtliches Schicksal - auch hinsichtlich des Rechtsweges - teilen 1 9 8 . b) Schadensbegründung unter „normativen" Gesichtspunkten Ebenso wie im Zivilrecht ist der Begriff des Schadens in den §§78 BBG, 46 BRRG kein rein wirtschaftlicher, sondern muß in bestimmten Fällen im Wege der tatrichterlichen Wertung korrigiert werden 1 9 9 . Es ist das 193
BVerwG, Urt. 13.01.1987, Buchholz 237.1 Art. 85 Bay LBG Nr. 1, 1 (2); Lemhöfer,, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43, 45. 194 In dieser Weise kritisch auch: Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 324. 195 Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DGB Rn. 85. 196 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 31. 197 BGH, Urt. v. 26.09.1985, BGHZ 96, 50 (54). 198 BayOblG, Urt. v. 19.03.1984, BayVBl. 1984, 374 (374).
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Verdienst der privatrechtlichen Lehre vom „normativen Schaden", den Einfluß allgemeiner Rechtsgrundsätze und normativer Weitungen auf die Differenzrechnung aufgezeigt zu haben 2 0 0 . In seiner ursprünglichen Bedeutung erfaßte der Begriff des „normativen Schadens" vor allem diejenigen Fälle, in denen nach der Differenzmethode an sich keine Vermögenseinbuße vorlag, die gesetzliche Wertung aber vom Vorhandensein eines Schadens ausging. Später ist die Rechtsfigur von der Zivilrechtsprechung auch auf andere Fälle ausgedehnt worden, in denen es als unbillig empfunden wurde, eine Ersatzpflicht des Schädigers nur deshalb zu verneinen, weil sich nach der Differenzmethode keine Vermögenseinbuße ergab 2 0 1 . Hierzu wird - wie der Bundesgerichtshof anschaulich formuliert hat - „der Boden rein rechnerischer Überlegungen zugunsten einer wertenden Betrachtung verlassen, die vom Richter entscheidend unter dem Gesichtspunkt der Erzielung eines gerechten Ergebnisses angestellt werden s o l l " 2 0 2 . In diesem Sinne ist die Differenzmethode „normativ" eingebunden 203 . Im Mittelpunkt der Problematik des „normativen Schadensbegriffs" steht die Frage nach der Ersatzfähigkeit von Nutzungsausfällen und entgangenen dinglichen Gebrauchsvorteilen. Bei der Bejahung entsprechender Vermögensschäden, insbesondere beim Nutzungsausfall von privaten Kraftfahrzeugen, wurde von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung bald auf die Verkehrsanschauung 204 bald darauf abgestellt, daß der ungestörte Genuß der beschädigten Sache durch besondere Aufwendungen erkauft und von ihrem Inhaber typischerweise gegen eine übliche oder jedenfalls objektiv errechenbare Vergütung zeitweilig gewinnbringend verwendet werden könne („Kommerzialisierungsgedanke") 205 . Gegenübergestellt wurde der Gebrauch von Sachen, die die Verkehrsauffassung als „Luxus", „Liebhaberei" oder als bloßes „Mittel zur Freizeitgestaltung" ansehe und ihrem Gebrauch deshalb keinen selbständigen wirtschaftlichen Wert beimesse 206 . Darüber hinaus haben die Zivilgerichte keine Bedenken getragen, eine abstrakte Nutzungsentschädigung auch bei gewerblich oder behördlich genutzten Kraftfahrzeugen anzuerkennen, falls sich deren Gebrauchsentbehrung nicht bereits in einer Minderung des Gewerbeertrages oder in entsprechenden Mehrkosten der Behörde niedergeschlagen hat 2 0 7 . Die nicht immer geradlinig verlaufende Rechtsfort199 Sog. „dualistischer" Schadensbegriff; vgl. Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 14. 200 Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 13. 201 Vgl. BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, Buchholz 238.4 § 24 SG Nr. 5, 1 (2). 202 BGH, Urt. v. 27.04.1965, BGHZ 43, 378 (381); so auch BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, Buchholz 238.4 § 24 SG Nr. 5, 1 (2). 203 BGH, Beschl. v. 09.07.1986, NJW 1987, 50 (51). 204 BGH, Urt. v. 15.04.1966, BGHZ 45, 212 (215). 205 BGH, Urt. v. 12.02.1975, BGHZ 63, 393 (398). 206 BGH, Beschl. v. 09.07.1986, NJW 1987, 50 (51).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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bildung 2 0 8 durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ihren vorläufigen Abschluß in der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 9. Juli 1986 gefunden: Danach kommt Schadensersatz für einen vorübergehenden Nutzungsausfall „einer vom Eigentümer eigenwirtschaftlich genutzten Sache" nur bei „Wirtschaftsgütern von zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung angewiesen ist" in Betracht, wenn der Geschädigte die Sache „ohne das schädigende Ereignis auch wirklich gebraucht hätte", er also zu ihrer Nutzung „willens und fähig" gewesen wäre 2 0 9 . aa) Ersatzfähigkeit von Nutzungsschäden im Beamtenhaftungsrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Auch das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Bestimmung des Schadens der öffentlichen Hand durch Pflichtverletzungen von Beamten und Soldaten bisweilen eine wertende Betrachtung zugrunde gelegt, sich aber zu einer möglichen Übertragung der von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum Ersatz „normativer Schäden" entwickelten Voraussetzungen verhalten geäußert. Im Laufe der Zeit haben sich einige Fallgruppen mit besonderer Relevanz für das öffentliche Dienstrecht herausgebildet. (1) Beschädigung von Dienstfahrzeugen Nicht anders als im Privatrecht steht auch im Beamtenhaftungsrecht die Beschädigung von Kraftfahrzeugen im Vordergrund. Schädigt der Beamte ein Dienstkraftfahrzeug, so kann der Dienstherr zunächst unter dem Gesichtspunkt der „normativen Schadensbegründung" Ersatz der sogenannten Vorhaltekosten für ein Reservefahrzeug beanspruchen, wenn er den Verlust durch den Einsatz einer im Hinblick auf Ausfälle dieser Art vorhandenen Betriebsreserve aufgefangen h a t 2 1 0 . Dazu ist es nicht erforderlich, daß besagte Betriebsreserve ausschließlich im Hinblick auf eigenverursachte Schädigungen gehalten w i r d 2 1 1 . Entscheidend ist allein, daß der Dienstherr den Bestand von Reservefahrzeugen geringer halten könnte, wenn er nicht mit Unfällen seines Personals zu rechnen hätte 2 1 2 . 207 BGH, Urt. v. 26.03.1985, NJW 1985, 2471 (2471); ablehnend: Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 24 (weil nach der Rechtsprechung des Großen Senats die erwerbswirtschaftliche Nutzung nicht mit umfaßt sei). 208 So Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 9. 209 BGH, Beschl. v. 09.07.1986, NJW 1987, 50 (52). 210 VGH Kassel, Urt. v. 07.11.1967, ZBR 1968, 219 (221); VGH München, Urt. v. 13.03.1991, ZBR 1992, 189 (191). 211 Vgl. BGH, Urt. v. 10.01.1978, BGHZ 70, 199 (201).
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Konnte der Dienstherr dagegen den Verlust nicht durch derartige zusätzliche Anstrengungen abmildern, so soll nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Februar 1972 ein Schaden im Rechtssinne auch in dem durch die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs entstandenen Nutzungsausfall der Behörde bestehen, weil der Beamte in den Grenzen der §§78 BBG, 46 BRRG grundsätzlich in demselben Umfange zum Schadensersatz verpflichtet sei wie ein privater Schädiger 213 . Der Beamte hat hiernach als Schadensersatz für den Nutzungsausfall eines Dienstkraftfahrzeugs einen Betrag zu leisten, welcher in etwa einem Drittel der (fiktiven) Mietwagenkosten entspricht 214 . (2) Zweckfremder
Einsatz von Dienstkräften
Von besonderer Bedeutung ist ferner die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur vorschriftswidrigen Inanspruchnahme von Dienstkräften zu außerdienstlichen Zwecken. Nicht selten hatte sich das Gericht mit Sachverhalten zu befassen, in denen höhere Beamte die ihnen unterstellten Mitarbeiter zu privaten Reparatur-, Bau- und ähnlichen Arbeiten am eigenen Haus bzw. Kraftfahrzeug oder zu Hilfeleistungen im öffentlichen Bereich herangezogen haben. Keinen Schaden im Sinne des § 24 SG hat das Bundesverwaltungsgericht in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1978 darin erblickt, daß vorgesetzte Offiziere die Arbeitskraft ihnen untergebener Soldaten für kommunale bzw. jugendpflegerische Zwecke in Anspruch genommen hatten. Es begründete dies damit, daß für einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt des „normativen Schadensbegriffs" kein Raum sei, weil die Verfügungsmöglichkeit über die eingesetzten Soldaten nur geringfügig eingeschränkt gewesen sei und sie jederzeit für den Verteidigungszweck der Bundeswehr zur Verfügung gestanden hätten 2 1 5 . Daher bestand nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch kein Anlaß zur abschließenden Beantwortung der Frage, ob und inwieweit bei der Übernahme der Theorie des „normativen Schadens" in das Recht des öffentlichen Dienstes eine „Kommerzialisierung" zu fordern sei und ob bejahendenfalls hinsichtlich der Soldaten und des Verwaltungspersonals der Bundeswehr eine solche angenommen werden könne 2 1 6 .
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VGH Kassel, Urt. v. 07.11.1967, ZBR 1968, 219 (221). BVerwG, Urt. v. 03.02.1972, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18, 43 (47 f.); zustimmend: VGH München, Urt. v. 13.03.1991 ZBR 1992, 189 (191). 214 Z.B. BGH, Urt. v. 18.05.1971, BGHZ 56, 214 (215 ff.). 215 BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, ZBR 1979, 246 (247); BVerwG, Urt. v. 12.10. 1978, Buchholz 238.4 § 24 SG Nr. 5. 216 BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, ZBR 1979, 246 (247). 213
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht einen ersatzfähigen Vermögensschaden des Dienstherrn in denjenigen Fällen neueren Datums angenommen, in denen vorgesetzte Beamte unerlaubt die Arbeitskraft ihnen unterstellter Beschäftigter für private Zwecke mißbraucht hatten und die Dienstkräfte der Verfügungsmöglicheit des Dienstherrn hierdurch vollständig entzogen waren 2 1 7 . Zwar begründet die bloße Entziehung der Arbeitskraft nach Auffassung des Bundesgerichtshofs noch keinen Vermögensschaden, weil Arbeitskraft und Erwerbsfähigkeit haftungsrechtlich in erster Linie mit den Rechtsgütern der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit verbunden seien 2 1 8 . Dessen ungeachtet sah das Bundesverwaltungsgericht den ausschlaggebenden Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines Vermögensschadens auf Seiten des Dienstherrn darin, daß der Dienstherr an die seiner Verfügungsmacht entzogenen Beschäftigten für die tatsächlich nicht geleisteten Dienste weiterhin Bezüge gezahlt hatte. Eine Freistellung der Beschäftigten von ihrer dienstlichen Tätigkeit für private Belange könne aber rechtmäßig nur unter Fortfall der Bezüge erfolgen. Es sei ein allgemein anerkannter Grundsatz des Verwaltungsrechts, insbesondere des Haushaltsrechts, daß öffentliches Personal und Sachmittel nur zur Erfüllung der eigenen öffentlichen Aufgaben und in dem dafür notwendigen Umfange eingesetzt werden dürften 2 1 9 . Hierzu verwies das Bundesverwaltungsgericht auch auf die Vorschriften des Nebentätigkeitsrechts (vgl. § 65 Abs. 5 Satz 1 BBG i.V.m. mit der Bundesnebentätigkeitsverordnung bzw. das inhaltsgleiche Nebentätigkeitsrecht der Länder), wonach bei der Ausübung von Nebentätigkeiten Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn nur mit dessen Genehmigung und gegen Entrichtung eines angemessenen Entgelts in Anspruch genommen werden dürfen. Damit habe der Gesetzgeber selbst zum Ausdruck gebracht, daß er der Arbeitskraft von Beschäftigten, die für andere Zwecke in Anspruch genommen werden, einen abgeltungsfähigen wirtschaftlichen Wert beimesse. Dann wäre es aber widersprüchlich, bei rechtmäßiger Inanspruchnahme der Arbeitskraft ein Entgelt zu fordern, bei rechtswidriger Inanspruchnahme jedoch einen Schaden zu verneinen 220 . Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht die konkrete Höhe des Schadens nach den auf die entzogene Arbeitszeit anteilig entfallenden Personalkosten des Dienstherrn bestimmt 2 2 1 .
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BVerwG, Urt. v. 12.03.1987, ZBR 1987, 344; BVerwG, Urt. v. 07.05.1990, ZBR 1991, 249. 218 BGH, Urt. v. 05.05.1970, BGHZ 54, 45 (53). 219 BVerwG, Urt. v. 07.05.1990, ZBR 1991, 249 (249). 220 BVerwG, Urt. v. 07.05.1990, ZBR 1991, 249 (249); so schon BVerwG, Urt. v. 12.03.1987, ZBR 1987, 344 (344). 221 BVerwG, Urt. v. 12.03.1987, ZBR 1987, 344 (344). 10 Beckmann
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
(3) Nutzungsentziehung von Arbeitsgerät Parallel hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht den vorschriftswidrigen Einsatz technischen Geräts für gemeinnützige Zwecke nicht als Schaden angesehen, wenn und soweit die Entziehung nur vorübergehender Natur und die Verfügungsmöglichkeit des Dienstherrn über das Gerät daher erhalten geblieben w a r 2 2 2 . Aus diesem Grund hat es das Gericht etwa abgelehnt, die unbefugte Ingebrauchnahme eines Kraftbootes der Marine als Schaden im Sinne von § 24 SG anzuerkennen. Zudem wäre nach Meinung des Gerichts auch bei einer - weiterhin offengelassenen - Übernahme des „normativen Schadensbegriffes" des Zivilrechts in das öffentliche Dienstrecht insofern kein Schaden anzunehmen, weil die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit eines militärischen Zwecken dienenden Kraftbootes für den Dienstherrn keinen wirtschaftlichen Nachteil bilde 2 2 3 . Als Schaden hat das Gericht in diesen Fällen lediglich die nach der Differenztheorie zu ermittelnden Betriebs- und Materialerhaltungskosten 224 sowie den merkantilen Minderwert anerkannt 225 . bb) Kritik der Rechtsprechung durch Wahlers Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ersatz von Nutzungsschäden stammt von Wahlers. Danach liege der innere Widerspruch in der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts zum „normativen Schaden" bei Nutzungsausfällen, und hier insbesondere bei der Entziehung von Arbeitskräften, auf der Hand 2 2 6 . So seien die älteren Urteile des Gerichts zur rechtswidrigen Bereitstellung von Dienstkräften offenbar ausschließlich vom Ergebnis her bestimmt worden, da es dem Gericht unbillig erschienen sei, die Verantwortlichen unbeschränkt für einen Einsatz von Soldaten und Gerät haftbar zu machen, dessen Nutzen nicht ihnen persönlich, sondern der Allgemeinheit oder doch billigenswerten öffentlichen Zwecken zugute gekommen sei. Daß der wirtschaftliche Wert hierbei nicht dem pflichtwidrig handelnden Vorgesetzen selbst zugeflossen sei, sondern von diesem unter Verstoß gegen dienstrechtliche Bestimmungen einem nicht anspruchsberechtigten Dritten zugewendet wurde, könne aber haftungsrechtlich keinen Unterschied machen. Für beide Fallgruppen gelte, daß die Arbeitskraft der nachgeordneten Mitarbeiter dem Dienstherrn wider-
222
BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, ZBR 1979, 246 (247). BVerwG, Urt. v. 27.06.1984, BVerwGE 69, 331 (334) unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 15.11.1983, NJW 1984, 724 - „Motorsportbootfall". 224 BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, ZBR 1979, 246 (248). 225 BVerwG, Urt. v. 27.06.1984, BVerwGE 69, 331 (333). 226 Wahlers, S. 277. 223
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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rechtlich entzogen worden sei und der Dienstherr Bezüge gezahlt habe, obwohl er nicht die ihm zustehenden Dienste erhalten habe. Unabhängig von der Frage, ob die Mitarbeiter jederzeit verfügbar und abrufbar waren, bleibe die Feststellung, daß sie während ihres Einsatzes für ihre eigentlichen Dienstaufgaben nicht zur Verfügung standen und ihnen Dienstbezüge für Tätigkeiten und Arbeiten gewährt worden sein, die nicht zu ihren eigentlichen Aufgaben gehörten. Auch das Abstellen auf die Dauer der pflichtwidrigen Inanspruchnahme will Wahlers nicht gelten lassen. Art, Umfang und Dauer des Amtsmißbrauchs seien nur für die straf- bzw. disziplinarrechtliche Würdigung des Sachverhalts von Bedeutung, nicht jedoch für die Entscheidung, ob ein Schaden entstanden sei oder nicht 2 2 7 . Ähnlich argumentiert Wahlers in bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur unerlaubten Inanspruchnahme von behördlichen Fahrzeugen und Arbeitsgerät. Auch insoweit sei die aus dem Nebentätigkeitsrecht abgeleitete Überlegung ausschlaggebend, daß dem Gebrauch von Einrichtungen und Material des Dienstherrn grundsätzlich ein wirtschaftlicher Wert beizumessen sei. So vermag nach Wahlers die Beschränkung der Ersatzpflicht durch das Bundesverwaltungsgericht im sogenannten „Kraftbootfall" nicht zu überzeugen: Bei einem pflichtgemäßen Verhalten des ersatzpflichtigen Offiziers hätte der geforderte Kostenersatz als Nutzungsentgelt entrichtet werden müssen. Sei das Nutzungsentgelt dem Dienstherrn aber rechtswidrig vorenthalten worden, so sei diesem in entsprechender Höhe ein Schaden entstanden 228 . Verfehlt ist nach Wahlers in diesem Zusammenhang insbesondere der Hinweis des Gerichts auf die nur scheinbar vergleichbare Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Gebrauchsentziehung eines Motorsportbootes. Ein Kraftboot der Bundesmarine diene nicht der Freizeitgestaltung, sondern sei nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Vorschriften aus Gründen militärischer Notwendigkeit beschafft worden. Vielmehr hätte es nahegelegen, bei der Frage des „normativen Schadens" die Rechtsprechung in Bezug zu nehmen, die sich mit der Beschädigung von Behördenkraftfahrzeugen auseinandersetzt 229. cc) Stellungnahme Das Bundesverwaltungsgericht hat die Übertragung der im Zivilrecht entwickelten, im Schrifttum überaus umstrittenen Voraussetzungen für den Ersatz von Nutzungsausfällen zu Recht nicht in allen Einzelheiten übernommen, sondern im Hinblick auf die Haftung der Beamten und Soldaten gegenüber ihrem Dienstherrn eigene Akzente gesetzt, indem es die „normati227 228 229
Wahlers, S. 279. Wahlers, S. 279. Wählers, S. 280.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
ven" Weitungen dem öffentlichen Dienstrecht selbst, insbesondere der Entscheidung des Gesetzgebers über die Entrichtung eines Entgelts für die genehmigte Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material bei Ausübung einer Nebentätigkeit, entnommen hat. Der „Kommerzialisierungsgedanke" taugt hier ebensowenig wie ein Abstellen auf die „zentrale Bedeutung des Wirtschaftsguts" im Sinne der sich allein auf die eigenwirtschaftliche Sachnutzung beziehenden Rechtsprechung des Großen Senats für Zivilsachen. Die Verwaltung ist regelmäßig auf alle von ihr angeschafften Sachmittel in gleichem Maße angewiesen wie auf die Arbeitskraft aller bei ihr Beschäftigten. Auch die Möglichkeit zur „marktüblichen Vermietung" oder „zeitweilig gewinnbringenden Verwendung" von Sachmitteln ist insoweit kein sachgerechtes Kriterium zur Eingrenzung der Ersatzpflicht. Anderenfalls müßte man eine Ersatzfähigkeit von Nutzungsschäden vor allem bei der Beschädigung oder Entwendung von solchen Fahrzeugen ablehnen, die spezifisch für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ausgerüstet und daher nicht am freien Markt vermietbar sind, wie zum Beispiel Löschfahrzeuge der Feuerwehr oder Reinigungsfahrzeuge der Städte und Gemeinden. Eine solche Eingrenzung erschiene jedoch willkürlich und nicht sachgerecht, da es weder aus der Sicht des schadenstiftenden Beamten noch aus der Sicht der geschädigten Verwaltung einen Unterschied machen kann, ob etwa ein polizeilicher Streifenwagen oder ein ziviles Einsatzfahrzeug beschädigt wurde. Schließlich hält die öffentliche Hand im allgemeinen keine Güter vor, welche als „Luxus" oder „Liebhaberei" angesehen werden könnten. Der Beamte hat daher dem Dienstherrn für den pflichtwidrigen Entzug von Einrichtungen, Material und Personal oder für deren Beschädigung bzw. Verletzung stets einen - nach den von der Rechtsprechung vorgegebenen Maßstäben zu bemessenen - Nutzungsersatz zu leisten, wenn der Ausfall für den Dienstherrn in irgendeiner Weise „fühlbar" geworden ist. Dafür wird man nicht in jedem Fall einen meßbar erhöhten Verwaltungsaufwand, etwa infolge einer notwendig gewordenen Umorganisation, zu verlangen haben 2 3 0 . Abzulehnen ist eine Ersatzpflicht aber dann, wenn eine Nutzung für den Zeitraum der Entziehung oder Reparatur als ausgeschlossen angesehen werden muß, zum Beispiel bei einem Lastkraftwagen an einem dienstfreien Wochenende oder bei einem Streufahrzeug während der Sommermonate. Im Fall der Entziehung von Behördeneigentum oder Arbeitskräften kann es dabei, wie Wahlers richtig hervorhebt, keinen Unterschied machen, zu welchem Zweck diese erfolgt ist. Die nach dem „normativen Schadensbegriff 4 zu treffenden Wertungen zur Erzielung eines gerechten Ergebnisses 230 Darauf stellt maßgeblich ab: VGH München, Urt. v. 13.03.1991, ZBR 1992, 189 (191 f.).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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erlauben nicht die Berücksichtigung solcher Umstände, die dem Bereich der Motivation des Schädigers zuzuordnen sind und daher allein der disziplinarrechtlichen Bewertung des Verhaltens unterliegen. Der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur zweckwidrigen Verwendung von Bundeswehrsoldaten für kommunale und jugendpflegerische Zwecke wird man sich daher nicht anschließen können. c) Begrenzung der Ersatzpflicht
und Schutzzweck der Norm
aa) Berücksichtigung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens Zu den besonderen Problemlagen der allgemeinen Schadenslehre gehört im Beamtenhaftungsrecht - ebenso wie im Zivilrecht - die Berücksichtigung sogenannter Reserverursachen, also die Frage, ob sich der Schädiger zu seiner Entlastung darauf berufen kann, der von ihm verursachte Schaden wäre aufgrund eines anderen Ereignisses ohnehin eingetreten. Trotz der häufig verwendeten Bezeichnung als „hypothetische" oder „überholende Kausalität 2 3 1 " handelt es sich hierbei rechtssystematisch um ein Problem der Schadenszurechnung 232. Die wohl wichtigste Fallgruppe bildet insoweit der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens, also die Behauptung des Schädigers, der Schaden wäre auch dann eingetreten, wenn er sich rechtmäßig verhalten hätte . Nachdem das Reichsgericht diesen Einwand in ständiger Rechtsprechung nicht zugelassen hatte, hält der Bundesgerichtshof die Berufung des Schuldners auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten grundsätzlich für beachtlich, wenn sich nicht ausnahmsweise aus dem Schutzzweck der verletzten Norm ein anderes ergibt 2 3 5 . (1) Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Nichtweiterleitung von für gemeinnützige Einrichtungen bestimmten Geldern Die Berücksichtigung der Berufung auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten bildete auch das Kernproblem eines jüngst vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Falles: Ein Staatsanwalt hatte in mehreren Fällen die ihm von Beschuldigten zur Überweisung an gemeinnützige Organisationen im Sinne des § 153 a Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StPO übergebenen Schecks bzw. Gelder pflichtwidrig nicht 231
OVG Münster, Urt. v. 26.04.1996, NWVB1. 1997, 98 (99). Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 96. 233 Vgl. Fikentscher, Rn. 561. 234 RG, Urt. v. 30.09.1921, RGZ 102, 391 (392 f.); RG, Urt. v. 08.03.1940, RGZ 163, 129 (138). 235 BGH, Urt. v. 24.10.1985, BGHZ 96, 157 (173). 232
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
weitergeleitet, sondern sie zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendet, aber gleichwohl die Einstellung der Verfahren verfügt. Wegen dieser Handlungsweise war er rechtskräftig wegen veruntreuender Unterschlagung in Tateinheit mit Verwahrungsbruch verurteilt worden. Im Verwaltungsprozeß wurde um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Schadensersatzpflicht des Staatsanwalts gegenüber seinem Dienstherrn auf der Grundlage der beamtenrechtlichen Haftungsnorm gestritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat den beklagten Staatsanwalt mit Urteil vom 19. Juni 1996 zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von 7000,D M an das klagende Land nebst 4 v. H. Zinsen seit Rechtshängigkeit verurteilt. Hierzu hob das Gericht zunächst den dem Staatsanwalt zur Last fallenden besonders gravierenden Verstoß gegen das Gebot, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die der Beruf des Staatsanwaltes erfordert, sowie gegen dessen allgemeine Pflicht, den Dienstherrn unmittelbar oder mittelbar schädigende Handlungen zu unterlassen, hervor. Nach dem obligatorischen Hinweis auf die Schadensermittlung nach der Differenzmethode stellte das Gericht weiterhin fest, daß das klagende Land durch die Aushändigung der Schecks bzw. Gelder seitens der Beschuldigten an den beklagten Staatsanwalt gemäß § 929 BGB Eigentümer der Zahlungsmittel geworden sei, die dieser insoweit als Besitzdiener gemäß § 855 BGB entgegengenommen und sich sodann widerrechtlich zugeeignet habe 2 3 6 Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts könne sich der Beklagte zur Verneinung seiner Schadensersatzpflicht nicht darauf berufen, daß die Beträge für gemeinnützige Organisationen bestimmt gewesen seien und daher ohnehin aus dem Vermögen des Dienstherrn abgeflossen wären. Würden nämlich Gelder entgegen gesetzlicher Bestimmungen eingesetzt, so führe dies dazu, daß „sie dem Dienstherrn für den bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen (sein), mit anderen Worten, daß ihm ein Fehlbestand und mithin ein Schaden entstanden" sei. Eine andere Betrachtungsweise liefe dem Schutzzweck der Norm zuwider, der nicht nur darin bestehe, einen Vermögensverlust des Dienstherrn zu vermeiden, sondern auch darin, den Beamten zu einer pflichtgemäßen Verwendung dienstlicher Gelder zu beΎλΊ stimmen
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(2) Kritik Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist aus sich heraus nicht verständlich 238 . Unklar ist bereits, weshalb die Entziehung von Geldern für deren bestimmungsgemäßen Gebrauch „mit anderen Worten (...) 236 BVerwG, Urt. v. 19.06.1997, NJW 1997, 3455 (3455). 237 BVerwG, Urt. v. 19.06.1997, NJW 1997, 3455 (3455 f.). 238 Kritisch auch: Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 329 (Fn. 96).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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ein(en) Fehlbestand und mithin ein(en) Schaden" darstellt. Die vorschriftswidrige Verwendung der Zahlungsmittel begründet zunächst nur eine Pflichtverletzung im Sinne der §§78 BBG, 46 BRRG, nicht aber zugleich einen Schaden des Dienstherrn. Ebenso bleibt im dunkeln, weshalb das Gericht den (Neben-) Zweck der beamtenrechtlichen Haftungsnorm, den Beamten zur pflichtgemäßen Verwendung der Gelder zu bestimmen, bemüht, um das von ihm vertretene Ergebnis zu stützen. Dies erhellt sich erst bei Hinzuziehung der Entscheidung des Berufungsgerichts: Insoweit hatte nämlich das Oberverwaltungsgericht Münster 2 3 9 die Einlassung des Staatsanwaltes, die Gelder seien von Anfang an für gemeinnützige Zwecke bestimmt gewesen, als Fall des Einwandes rechtmäßigen Alternativverhaltens bewert e t 2 4 0 Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Revisionsentscheidung diese Zuordnung offenbar bewußt vermieden, setzt sie doch voraus, daß dem Dienstherrn auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Staatsanwaltes ein Schaden im Sinne der §§ 78 BBG, 46 BRRG i.V.m. § 249 BGB entstanden wäre. Davon wird man jedoch nicht sprechen können; denn die von vornherein beabsichtigte Weiterleitung der Gelder, die nur vorübergehend in das Vermögen des Landes gelangen sollten, wäre für den Dienstherrn wohl kaum als Schaden im Sinne einer unfreiwilligen Einbuße an Vermögenswerten zu bewerten. Ginge man dennoch von einem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens aus, so wäre dieser nach der Judikatur des Bundesgerichtshofs grundsätzlich beachtlich gewesen, wenn sich nicht aus dem Schutzzweck der beamtenrechtlichen Haftungsnorm etwas anderes ergäbe. Sowohl das Oberverwaltungsgericht Münster als auch das Bundesverwaltungsgericht haben in diesem Zusammenhang nicht auf den Ausgleichszweck der Beamtenhaftung, sondern auf die in den §§ 78 BBG, 46 BRRG „mitenthaltene 241 " Präventionsfunktion des Haftungstatbestandes rekurriert. Die beamtenrechtliche Haftungsnorm solle den Dienstherrn vor Schäden bewahren, die durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Dienstpflichtverletzungen eines Beamten entstünden. Der Verletzungserfolg solle dabei im Interesse einer nicht korrupten, ordentlich funktionierenden Verwaltung nicht nur vorübergehend, sondern überhaupt verhindert werden 2 4 2 . Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, die den Normzweck der §§78 BBG, 46 BRRG auch und vor allem in der Pflichtenmahnung erkennt, müßte man den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens im Beamtenrecht - entgegen der privatrechtlichen Grundregel - generell für aus239 240 241 242
OVG OVG OVG OVG
Münster, Münster, Münster, Münster,
Urt. Urt. Urt. Urt.
v. v. v. v.
24.04.1996, 24.04.1996, 24.04.1996, 24.04.1996,
NWVB1. NWVB1. NWVB1. NWVB1.
1997, 98. 1997, 98 (99). 1997, 98 (100). 1997, 98 (100).
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
geschlossen halten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Wiederum liegen der Rechtsprechung Erwägungen zugrunde, die ausschließlich die Disziplinierung des Beamten betreffen. Der Staatsanwalt ist aber im konkreten Fall bereits strafrechtlich verurteilt und disziplinarisch aus dem Dienst entfernt worden (vgl. §§ 48 Nr. 1 BBG, 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG). Damit ist dem Ziel, die Sauberkeit und Ordentlichkeit des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten und dessen Ansehen in der Öffentlichkeit wiederherzustellen, ausreichend Rechnung getragen. Auch unter individual- und generalpräventiven Gesichtspunkten ist kein Platz für eine weitere Disziplinierung. Daraus folgt, daß der Einwand rechtmäßigen Aiternati ν Verhaltens in diesem Fall grundsätzlich beachtlich gewesen wäre und zur Verneinung der Schadensersatzpflicht des Staatsanwaltes hätte führen müssen. Dies bedeutet freilich nicht, daß der Staatsanwalt das zu Unrecht Erlangte behalten dürfte. Richtige Anspruchsart ist aber nicht der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch, sondern der öffentlich-rechtliche Kondiktionsanspruch 243 . Denn während der Schadensersatzanspruch aus §§ 78 BBG, 46 BRRG den Ausgleich eines dem Staat entstandenen Vermögensschadens bezweckt, bildet der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch das geeignete Instrument, dem zu Unrecht Bereicherten, die rechtsgrundlos erlangten Vorteile wieder zu nehmen 244 . bb) Grundsatz der Vorteilsausgleichung Nach Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht soll der Geschädigte den erlittenen Schaden ersetzt erhalten, nicht aber besser gestellt werden, als er ohne das Schadensereignis stehen würde. Der Geschädigte ist daher im allgemeinen verpflichtet, Vorteile, die ihm im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis zugeflossen sind, in seine Schadensberechnung mit einzubeziehen (sogenannter Vorteilsausgleich) 245 . Dieser Grundsatz des allgemeinen Schadensersatzrechts gilt auch für die Ersatzpflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn 246 . Hat somit die Verletzung von Dienstpflichten durch den Beamten neben dem Schaden auch Vorteile für den 243
Dies wurde vom OVG Münster in Erwägung gezogen, jedoch im Ergebnis offengelassen. 244 Für dessen Anwendbarkeit neben dem Anspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG auch: Wählers, S. 281; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 21.10.1999, ZBR 2000, 240 (241 f.). 245 Vgl. Fikentscher, Rn. 562; Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 119 ff. 246 VGH Mannheim, Urt. v. 12.06.1979, DÖD 1980, 62; Battis, § 78 BBG Rn. 10; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 45 e); Simianer, S. 45.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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Dienstherrn herbeigeführt, so mindern diese regelmäßig den Ersatzanspruch, lassen ihn möglicherweise sogar entfallen 247 . Der Gesetzgeber hat durch die Regelung der §§78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG, die selbst Ausdruck des Prinzips der Vörteilsausgleichung ist, die prinzipielle Anerkennung dieses Grundsatzes für die Innenhaftung des Beamten sanktioniert. Außerhalb des Anwendungsbereichs der §§78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG folgt die Vörteilsausgleichung den allgemeinen Regeln. Voraussetzung der Anrechnung eines Vorteils auf die Schadensersatzpflicht des Beamten ist daher, daß dasselbe Ereignis, welches den Schaden des Dienstherrn herbeigeführt hat, daneben zugleich adäquat kausal einen Vermögenswerten Vorteil verursacht hat. Ferner darf die Anrechnung des Vorteils den Beamten nicht unbillig entlasten und den Dienstherrn nicht unzumutbar belasten 248 . Wann dies der Fall ist, wird von der Rechtsprechung wiederum anhand des Schutzzwecks der verletzten Norm ermittelt 2 4 9 : Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verbietet etwa der Schutzzweck einer verhängten Geldstrafe oder einer Auflage gemäß § 153 a StPO ihre schadensmindernde Berücksichtigung zugunsten des Beamten, auch wenn das Geld der Staatskasse zugeflossen i s t 2 5 0 . Für eine im Wege des Disziplinarverfahrens verhängte Geldbuße oder Gehaltskürzung soll insoweit nichts anderes gelten 2 5 1 . Letzteres kann als Beleg für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung angesehen werden, wonach Disziplinar- und Haftungsrecht grundsätzlich selbständig und unabhängig nebeneinander stehen und disziplinarische Erwägungen bei der Bestimmung der Schadensersatzpflicht außer Betracht zu bleiben haben. Denn anderenfalls wäre wohl, wegen der partiellen Gleichgerichtetheit beider Institute und der sich überschneidenden Schutzzwecke, eine bereits verhängte, auf das Vermögen zielende Disziplinarmaßnahme zumindest zum Teil schadensmindernd anzurechnen. d) Das Zinsbegehren des Dienstherrn Wird eine Geldschuld nicht sofort bei Fälligkeit vom Schuldner beglichen, tritt zum Anspruch des Gläubigers auf Tilgung der Hauptschuld regelmäßig ein Anspruch auf eine entsprechende Verzinsung hinzu. Zinsansprü247
Simianer, S. 45. Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 120. 249 Vgl. BGH, Urt. v. 16.05.1980, BGHZ 77, 151 (153). 250 BVerwG, Urt. v. 30.10.1987, Buchholz 232 § 78 Nr. 35, 4 (4). 251 BGH, Urt. v. 11.07.1963, NJW 1963, 2168 (2170); Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 45 e); Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 33. 248
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
che kommen vor allem als Prozeß- (§ 291 BGB) oder als Verzugszinsen (§ 288 BGB) in Betracht. aa) Die Geltendmachung von Prozeßzinsen bei Verfolgung des Anspruchs im Klagewege Nach einhelliger Auffassung sind die im bürgerlichen Recht historisch begründeten und dort weiterentwickelten Grundsätze über die Zubilligung von Prozeßzinsen grundsätzlich auch im öffentlichen Recht entsprechend § 291 BGB anwendbar, soweit der Gesetzgeber den Zinsanspruch nicht anderweitig geregelt hat. Dies gilt auch für den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten 252 . Voraussetzung ist allerdings, daß die Geldforderung rechtshängig geworden ist, daß der Dienstherr also auf die Leistung geklagt hat (§ 90 Abs. 1 VwGO, § 261 ZPO). Ausgeschlossen ist die Forderung von Prozeßzinsen daher, wenn der Dienstherr die Ersatzpflicht mittels Leistungsbescheides geltend gemacht hat 2 5 3 . Aufgrund der Verschiedenheit der zugrundeliegenden Tatbestände fehlt es insoweit an den Voraussetzungen einer Analogie. Die vom Siebten Senat des Bundesverwaltungsgerichts 254 vereinzelt vertretene gegenteilige Ansicht, wonach ein Leistungsbescheid einem Mahnbescheid gleichstehe, der nach § 696 Abs. 3 ZPO mit seiner Zustellung die Streitsache rechtshängig werden lasse und daher einen Anspruch auf Gewährung von Prozeßzinsen auslöse, hat dieser inzwischen selbst aufgegeben 2 5 5 . Ein derartiger Vergleich von öffentlich-rechtlichem Leistungsbescheid und dem im gerichtlichen Verfahren ergehenden Mahnbescheid scheidet angesichts der unterschiedlichen Rechtslage aus 2 5 6 . Die den Leistungsbescheid erlassene Behörde befindet sich im anschließenden Verwaltungsstreitverfahren nicht in der Rolle der Klägerin, sondern in der Rolle der Beklagten. Nach zutreffender Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts wäre es deshalb systemwidrig, die Regelung über die Gewährung von Prozeßzinsen aus dem bürgerlichen Recht auf eine öffentlich-rechtliche Klage zu übertragen, die als Anfechtungsklage eine Abwehrklage gegen ein Verlangen der öffentlichen Hand darstellt 257 . 252 BVerwG, Urt. v. 24.07.1987, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 32, 2 (3); BVerwG, Urt. v. 24.07.1987, Buchholz 237.0 § 89 BaWü LBG Nr. 2, 1 (3); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 47; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 44 a.E. 253 BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 237.0 § 89 BaWü LBG Nr. 2, 1 (3); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 44. 254 BVerwG, Urt. v. 17.03.1977, Buchholz 451.55 Nr. 48. 255 Angegeben von BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 237.0 § 89 BW LBG Nr. 2, 1 (4). 256 BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 237.0 § 89 BaWü LBG, Nr. 2, 1 (4).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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Hat der Dienstherr auf Leistung geklagt, so hat der Beamte den Betrag von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an mit fünf Prozentpunkten über dem Basissatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) zu verzinsen. (§ 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 1 B G B ) 2 5 8 . bb) Das Verzugszinsverlangen des Dienstherrn Die Forderung von Prozeßzinsen ist im bürgerlichen Recht von nur untergeordneter Bedeutung, weil der Schuldner mit Zustellung der Klage oder des Mahnbescheids grundsätzlich auch in Verzug gerät und demgemäß bereits zur Entrichtung von Verzugszinsen (§§ 284, 286, 288 Abs. 1 BGB) in gleicher Höhe verpflichtet i s t 2 5 9 . Der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens ist dabei wirtschaftlich der interessantere, weil § 288 Abs. 2 BGB dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, auch eine höhere Zinsforderung geltend zu machen. Anders als in bezug auf die Gewährung von Prozeßzinsen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch hinsichtlich des Verzugszinsanspruchs im öffentlichen Recht seit jeher das Erfordernis einer spezifischen Rechtsgrundlage betont und einen allgemeinen Grundsatz über die Gewährung von Verzugsschäden und -zinsen in entsprechender Anwendung der §§ 284, 286, 288 BGB im öffentlichen Recht nicht anerkannt 260 . Soweit das Gericht dennoch Verzugszinsansprüche auch ohne spezifische Ermächtigungsgrundlage in entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften bejaht hat, handelte es sich hierbei zumeist um öffentlich-rechtliche Verträge mit besonderer privatrechtlicher Prägung 261 . Die Frage, ob der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gemäß §§78 BBG, 46 BRRG diesen zur Forderung von Verzugszinsen berechtigt, wurde von den mit diesem Problemkreis befaßten Senaten des Bundesverwaltungsgerichts zunächst uneinheitlich beantwortet 262 . Die diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten waren jedoch Ende der achtziger Jahre beigelegt. 257
BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 32, 2 (3). Dies gilt gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB für alle Schadensersatzansprüche, die nach dem 1. Mai 2000 fällig werden; für alle übrigen Schadensersatzforderungen beträgt der Zinssatz weiterhin 4 v.H.; vgl. BVerwG, Urt. v. 19.06. 1997, NJW 1997, 3455 (3456). 259 Heinrichs, in: Palandt, § 291 BGB Rn. 1. 260 BVerwG, Urt. v. 14.02.1962, BVerwGE 14, 1 (3); BVerwG, Urt. v. 25.10. 1962, BVerwGE 15, 78 (81); vgl. auch BGH, Urt. v. 10.01.1981, NJW 1982, 1277 (1277). 261 BVerwG, Urt. v. 10.08.1978, Buchholz 238.4 § 31 SG Nr. 12; BVerwG, Urt. v. 07.05.1981, Buchholz 232 § 86 BBG Nr. 32. 258
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Seither geht das Gericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß ein Verzugszinsanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten nicht besteht und zwar auch dann nicht, wenn auf Leistung geklagt wurde 2 6 3 . Die Folgen der Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen richteten sich nach dem im Einzelfall einschlägigen Spezialrecht. Dieses sehe für den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen einen Beamten wegen schuldhafter Pflichtverletzung gerade keine Verzugshaftung, insbesondere auch keine Verzugszinsen entsprechend § 288 BGB v o r 2 6 4 . Das beamtenrechtliche Schrifttum ist der Rechtsprechung gefolgt 2 6 5 . Diese Auffassung entspricht darüber hinaus dem erklärten Willen des Reformgesetzgebers, welcher anläßlich der Schaffung eines Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften eine Verzugszinsregelung, wie sie vom Bundesrat vorgeschlagen worden war, ausdrücklich als nicht sachgerecht abgelehnt und sich hierbei vor allem auf die fehlende rechtliche Gleichstellung von Gläubiger und Schuldner sowie auf die mangelnde Haftungssymmetrie zu den Schadensersatzansprüchen des Beamten gegen seinen Dienstherrn wegen Verletzung der Fürsorgepflicht berufen hat 2 6 6 . Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß de lege lata ein Verzugszinsanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten nicht besteht. Einem solchen Anspruch stehen heute, neben einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vor allem die Motive der aktuellen Gesetzesfassung entgegen. 2. Die Bestimmung des ersatzberechtigten Dienstherrn Stehen Art und Umfang des zu ersetzenden Schadens fest, bleibt zu fragen, ob die geschädigte Körperschaft auch einen Anspruch gegen den Beamten geltend machen kann. Dies ist nicht ohne weiteres der Fall. Vielmehr beschränkt das Gesetz die Ersatzberechtigung auf den „Dienstherrn, dessen Aufgaben (der Beamte) wahrgenommen hat". 262 V g L hierzu die Angaben des Zweiten Senats im Urteil v. 12.03.1987, Buchholz 237.0 § 96 BaWü LBG Nr. 2, 1 (6); dagegen war die Verzugszinspflicht des Beamten noch unter Geltung des § 23 DBG allgemein anerkannt, vgl. Fischbach, § 23 DBG, S. 363; Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 40. 263 BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 237.0 § 89 BaWü LBG Nr. 2, 1 (2); BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 32, 2 (3); OVG Münster, Urt. v. 26.04.1996, NWVB1. 1997, 98 (100). 264 BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 32, 2 (3); OVG Münster, Urt. v. 10.02.2000, NWVB1. 2000, 343 (346) (das auch zur Unanwendbarkeit des § 849 BGB im Rahmen der Beamtenhaftung Stellung nimmt). 265 Maiwald, in: Schütz, § 84 NW LBG Rn. 66; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/ Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 47; Simianer, S. 45. 266 BT-Drs. 12/544 Anlage 3 (S. 27); siehe oben 1. Kapitel Α. V.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
a) Grundsatz der Ersatzberechtigung Anstellungskörperschaft
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der
Die §§ 78 BBG, 46 BRRG stellen folglich, anders als § 839 BGB i. V.m. Art. 34 Satz 1 GG für den Bereich der Amtshaftung, nicht auf denjenigen Verwaltungsträger ab, in dessen Dienst der Beamte steht, sondern darauf, für welchen Dienstherrn er im Einzelfall tätig geworden ist. Der Haftung im Innenverhältnis liegt damit die sogenannte „Funktionstheorie" zugrunde 2 6 7 . Gleichwohl entspricht die Bestimmung des hiernach ersatzberechtigten weitgehend derjenigen des bei hoheitlichem Handeln nach außen ersatzpflichtigen Dienstherrn. Denn in aller Regel wird der Beamte im Zeitpunkt der Schadensverursachung für seinen Anstellungsdienstherrn tätig gewesen sein, so daß dieser auch anspruchsberechtigt i s t 2 6 8 . Der dienstliche Umgang des Beamten mit Finanzmitteln, welche rechtlich nicht seinem Anstellungsdienstherrn zugeordnet sind, rechtfertigt dabei nicht automatisch den Schluß, der Beamte habe Aufgaben eines „fremden" Dienstherrn wahrgenommen. Die entscheidende Frage geht vielmehr dahin, ob der Beamte persönlich mit der Aufgabenwahrnehmung für einen anderen als seinen Anstellungsdienstherrn betraut wurde oder ob er zwar mit Geldern, Einrichtungen und Sachmitteln eines anderen Dienstherrn arbeitet, dabei aber weiterhin für seinen Anstellungsdienstherrn tätig wird. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn eine Behörde, obgleich sie zuständig ist, die Unterstützung anderer Behörden in Anspruch nimmt, weil sie nicht selbst über die notwendigen Dienstkräfte verfügt. Gemäß Art. 35 Abs. 1 GG, 4 Abs. 1 VwVfG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitige Rechts- und Amtshilfe. Zur Amtshilfe berufen ist aber nicht der Beamte selbst, sondern dessen Anstellungskörperschaft. Leistet diese einer anderen Körperschaft Amtshilfe, nimmt der einzelne Beamte folglich weiterhin Aufgaben seines Anstellungsdienstherrn w a r 2 6 9 . Entsprechend verhält es sich bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Bundesländer im Bundesauftrag nach Art. 85 GG. Zwar erstreckt sich gemäß Art. 85 Abs. 4 Satz 1 GG die Aufsicht des Bundes nicht nur auf die Gesetz-, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit der Ausführung. Die Organisations- und damit die Personalhoheit bleibt aber regelmäßig alleinige Sache der Bundesländer (Art. 85 Abs. 1 GG). Ein mit dem Vollzug von Bundesgesetzen befaßter Landesbeamter erfüllt daher auch bei den 267 Insoweit unstreitig: BVerwG, Urt. v. 24.06.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6, 29 (35); VGH Mannheim, Urt. v. 08.05.1984, ZBR 1985, 115 (115 f.); Achterberg, DVB1. 1970, S. 131; Fischbach, § 78 BBG Β II (S. 627). 268 Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 50; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/ Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 37. 269 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 38.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Bundesauftragsangelegenheiten stets Aufgaben des Landes als seiner Anstellungskörperschaft 270 . Gleiches gilt, wenn und soweit nach dem jeweiligen Kommunalrecht die Kreise und Gemeinden Aufgaben im staatlichen Auftrag zu erfüllen haben. Der in der Auftragsverwaltung des Landes tätige Gemeindebeamte nimmt Aufgaben der Gemeinde und nicht des Landes wahr; denn auch hier ist die Ausführung von Landesgesetzen im Rahmen der Auftragsverwaltung der Anstellungskörperschaft und nicht dem einzelnen Beamten übertragen 271 . b) Problematik der Schadensverlagerung innerhalb der öffentlichen Hand Grundsätzlich ist also der Anstellungsdienstherr aktivlegitimiert, weil und soweit der Beamte dessen Aufgaben wahrgenommen hat. Natürlich kann dies nur gelten, solange der Anstellungsdienstherr auch gleichzeitig der Geschädigte ist. Vielfach wird es aber gerade in den Fällen der Amtshilfe oder der Auftragsverwaltung so sein, daß der Schaden den „fremden" Dienstherrn trifft, da dessen finanzielle Mittel zur Erfüllung der Aufgaben eingesetzt worden sind. Eine sachgerechte Lösung besteht insofern in der Heranziehung der Rechtsfigur der Schadensliquidation im Drittinteresse (dazu sogleich). Allerdings kann es auch außerhalb von Amtshilfe oder Auftrags Verwaltung zu einem Auseinanderfallen von Anstellungsdienstherrn und geschädigter Körperschaft kommen. In diesen Fällen bedarf es der Anwendung der Grundsätze über die Drittschadensliquidation nicht (dazu später unter c)). aa) Die Durchbrechung des Grundsatzes des Gläubigerinteresses durch die Rechtsfigur der Schadensliquidation im Drittinteresse Im privaten wie im öffentlichen Schadensersatzrecht gilt der Grundsatz, daß Schadensersatz nur beanspruchen kann, wer einen Schaden selbst erlitten hat (sogenanntes Gläubigerinteresse) 272 . Allerdings lassen Rechtsprechung und Lehre im Privatrecht für bestimmte Fallgruppen, in denen der Schaden aus der Sicht des Schädigers „zufällig", also ohne dessen Zutun, bei einem Dritten eintritt, eine Durchbrechung dieses Grundsatzes zu. Es ist heute überwiegend anerkannt, daß der Schädiger nicht unbillig entlastet 270
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 38; Scheerbarth/ Höjfken, § 18 III (S. 484). 271 BVerwG, Beschl. v. 08.12.1994, Buchholz 232 § 86 Nds LBG Nr. 3, 1 (2); OVG Lüneburg, Urt. v. 22.03.1994, NdsVBl. 1994, 37 (37 f.); anderer Ansicht noch: Achterberg, DVB1. 1970, S. 132 (der Beamte nehme Aufgaben des Landes wahr - ohne Begründung). 272 VGH Mannheim, Urt. v. 04.04.1973, ZBR 1974, 337 (338).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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werden darf. Daher soll der eigentliche Anspruchsinhaber den Schaden des Dritten für diesen liquidieren können („Drittschadensliquidation"). Die Anwendung der Schadensliquidation im Drittinteresse wird dabei auf wenige Fallgruppen, die ihrerseits jedoch recht heterogen sind, beschränkt, um einen schrankenlosen Einbruch in das „Dogma des Gläubigerinteresses" zu vermeiden 273 . Andererseits betonen jene, die der Anwendbarkeit der Drittschadensliquidation nicht gänzlich ablehnend gegenüberstehen, daß bei vergleichbarer Interessenlage eine Drittschadensliquidation auch in weiteren Fällen in Betracht kommen könne 2 7 4 . bb) Anwendung der Drittschadensliquidation im Beamtenhaftungsrecht Auch im Beamtenrecht wird die prinzipielle Anwendbarkeit der Rechtsfigur der Drittschadensliquidation auf den Anspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG heute nicht mehr in Frage gestellt, wenn und soweit der Schaden bei einem anderen Verwaltungsträger eintritt, als bei demjenigen, dessen Aufgaben der Beamte wahrgenommen hat 2 7 5 . Nachdem die Verwaltungsgerichte der Länder schon seit längerem die Möglichkeit einer Drittschadensliquidation akzeptieren 276 , hat auch das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 8. Dezember 1994 die grundsätzliche Geltung des Instituts der Drittschadensliquidation im Beamtenhaftungsrecht anerkannt: Verletzt danach ein Gemeindebeamter bei der Wahrnehmung einer Auftragsangelegenheit des Landes vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so kann die Gemeinde den Beamten für den dem Land entstandenen Schaden in Anspruch nehmen. Den erlangten Betrag hat die Gemeinde dem Land, als dem eigentlich Geschädigten, zur Verfügung zu stellen 277 . Ausgangspunkt dieser Erkenntnis ist es, daß die finanzielle Verantwortlichkeit des Beamten für eine von ihm begangene grob fahrlässige oder sogar vorsätzliche Dienstpflichtverletzung nicht allein deshalb entfallen kann, weil die Folgen im Rahmen des gegliederten Staats- und Verwaltungsaufbaus einen anderen Dienstherrn treffen als denjenigen, dessen Aufgaben er wahrgenommen h a t 2 7 8 . Denn der Beamte ist nicht nur dem Wohle 273
Medicus, SchR AT, S. 273. Grunsky, in: MünchKomm, Vor § 249 BGB Rn. 117. 275 Battis , § 78 BBG Rn. 10; Kümmel, § 86 NBG Rn. 13; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 41; Scheerbarth/Höffken, § 18 III (S. 484); Simianer, S. 37; Wolff/Bachof/Stober, §115 III Rn. 19; Woydera/Summer/Zängl, §97 SächsBG Anm. 13 b). 276 VGH Mannheim, Urt. v. 04.04.1973, ZBR 1974, 337 (337 ff.); OVG Koblenz, Urt. v. 18.05.1988, ZBR 1988, 394 (394 f.); OVG Lüneburg, Urt. v. 22.03. 1994, NdsVBl. 1994, 37 (38). 277 BVerwG, Beschl. v. 08.12.1994, Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 3. 274
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
seines Dienstherrn, sondern dem Wohle des ganzen Volkes der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet 279 . Die öffentlichen Mittel werden hierbei als insgesamt zusammenhängende, durch verschiedene Regelungen des gegenseitigen Ausgleichs verbundene, Finanzmasse betrachtet, so daß insofern keine Bedenken bestehen, in der dienstrechtlichen Treuepflicht des Beamten die Pflicht eingeschlossen zu sehen, mit allen öffentlichen Mitteln, wem auch immer sie rechtlich zugeordnet sein mögen, sparsam und sorgfältig umzugehen 280 . Die Befugnis des Dienstherrn, den einer anderen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung verursachten Schaden als Drittschaden geltend zu machen, findet dort ihre Grenze, wo dem geschädigten Verwaltungsträger ein eigener Rechtsanspruch auf Zahlung gegen den Beamten oder dessen Dienstherrn zusteht 281 . Ein solcher Anspruch folgt regelmäßig nicht aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG: Zwar kann nach der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Überzeugung Dritter i.S.v. § 839 BGB auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein. Allerdings beschränkt das Gericht den Anwendungsbereich der Amtshaftung insoweit auf Fallgestaltungen, in denen der für die haftpflichtige Behörde tätig gewordene Beamte der anderen Körperschaft bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübergetreten ist, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch i s t 2 8 2 . Im allgemeinen sind die unter den verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts bestehenden Rechtsbeziehungen jedoch solche, die eine ordentliche Verwaltung gewährleisten sollen, so daß der Dienstherr des Beamten und die „fremde" Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben zusammenwirken. Ein Amtshaftungsanspruch der durch das Verhalten des Beamten zu Schaden gekommenen Körperschaft besteht somit in den hier interessierenden Fallgestaltungen nicht 2 8 3 . Auf der anderen Seite wird im Bereich der Auftragsverwaltung zwischen Bund und Ländern in Zukunft häufig auch ohne eine Heranziehung der zivilrechtlichen Rechtsfigur der Drittschadensliquidation auszukommen sein. Denn nach Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG haften der Bund und die Länder im 278
BVerwG, Beschl. v. 08.12.1994, Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 3, 1 (2). Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 46 a). 280 Achterberg, DVB1. 1970, S. 131; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 46 a). 281 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.12.1994, Buchholz 237.6 § 86 Nds LBG, 1 (2); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 41. 282 BGH, Urt. v. 16.05.1983, BGHZ 87, 253 (255); BGH, Urt. v. 12.12.1991, BGHZ 116, 312 (316). 283 Vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 46. 279
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Verhältnis zueinander für die Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Verwaltung. Hierzu haben der Elfte und der Vierte Senat des Bundesverwaltungsgerichts jeweils entschieden, daß Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG - auch im Hinblick auf den Vorbehalt eines Ausführungsgesetzes aus Satz 2 - unmittelbar geltendes Recht ist und daher, jedenfalls bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die vorsätzlich begangen worden sind, einen unmittelbaren Haftungsanspruch zwischen Bund und Ländern begründet 284 . Dieser Anspruch geht über die bloße Drittschadensliquidation hinaus. Er ist nicht auf das im Regreßwege vom Beamten Erlangte beschränkt, sondern von einem eventuellen Regreß und dessen erfolgreicher Realisierung unabhängig. In diesem Fall entsteht dem Anstellungsdienstherrn des Beamten somit ein eigener Schaden 285 , für den er bei dem Beamten Rückgriff nehmen kann. Da sich auch der für die beamtenrechtliche Haftung zuständige Zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts dieser Rechtsauffassung angeschlossen hat 2 8 6 , wird für eine Drittschadensliquidation im Bereich der Auftragsverwaltung fortan nur noch ein eingeschränkter Anwendungsbreich verbleiben. cc) Entbehrlichkeit der Zuordnung zu einer der hergebrachten zivilrechtlichen Fallgestaltungen Rechtsprechung und Schrifttum haben sich in der Vergangenheit bemüht, die Drittschadensliquidation im Beamtenrecht einer der hergebrachten zivilrechtlichen Fallgruppen zuzuordnen. Nach überwiegender in der Literatur vertretener Ansicht kommt ein Vergleich mit dem bürgerlich-rechtlichen Handeln auf fremde Rechnung als mittelbarer Stellvertreter den Besonderheiten der beamtenrechtlichen Drittschadensliquidation am nächsten 287 . Demgegenüber nennen der Verwaltungsgerichtshof Mannheim 2 8 8 sowie das Oberverwaltungsgericht Koblenz 2 8 9 die Drittschadensliquidation bei Treuhandverhältnissen als Vorbild des Rechtsinstituts im Beamtenhaftungsrecht. Ob Literatur und Rechtsprechung damit auf dieselbe privatrechtliche Fallgruppe Bezug nehmen, ist zweifelhaft. Bisweilen wird die Drittschadensliquidation bei Treuhandverhältnissen zwar derjenigen bei mittelbarer Stellvertretung zugerechnet 290 . Die herrschende Zivilrechtslehre erkennt in den 284
BVerwG, Urt. v. 18.05.1994, BVerwGE 96, 45 (50 ff.); BVerwG, Urt. v. 16.01.1997, BVerwGE 104, 29 (32 ff.). 285 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 46. 286 BVerwG, Urt. v. 02.02.1995, ZBR 1995, 242. 287 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 46 a); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 41. 288 VGH Mannheim, Urt. v. 04.04.1973, ZBR 1974, 337 (338). 289 OVG Koblenz, Urt. v. 18.05.1988, ZBR 1988, 394 (395). 11 Beckmann
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Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Treuhandverhältnissen aber einen selbständigen, von der mittelbaren Stellvertretung zu unterscheidenen Anwendungsfall der Drittschadensliquidation291. Eine Herleitung der beamtenrechtlichen Drittschadensliquidation aus einer Parallele zu den privatrechtlichen Treuhandverhältnissen, wie sie die Verwaltungsgerichtsbarkeit annimmt, bietet sich jedoch nicht an, weil das zivilrechtliche Schrifttum gerade dieser Fallgruppe teilweise die Anerkennung versagt; der Treuhänder habe aufgrund der weitgehenden Verdinglichung seiner Rechtsposition zumeist einen eigenen Anspruch, weshalb es einer Drittschadensliquidation nicht bedürfe 292 . Demgegenüber ist das Liquidationsrecht des mittelbaren Stellvertreters heute gewohnheitsrechtlich anerkannt 293 und somit eher eine geeignete Ausgangsbasis für eine Übertragung in das Beamtenhaftungsrecht. Trotzdem erfaßt die Parallele zur mittelbaren Stellvertretung nicht alle hier in Frage stehenden Fallgestaltungen. Erwägenswert erscheint daher ein differenzierender Lösungsansatz, wie er von Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl vertreten wird: Danach entsprechen der Auftragsverwaltung die Fälle des Vertragsschlusses im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung, während der Amtshilfe die Fälle der Obhut für eine von der anderen Partei zur Verfügung gestellte, aber einem Dritten gehörige Sache vergleichbar sind 2 9 4 . Allerdings wird sich auch hierdurch keine vollkommene Kongruenz von zivilrechtlicher und beamtenrechtlicher Drittschadensliquidation erreichen lassen. So besteht ein nicht unwesentlicher Unterschied vor allem darin, daß der Schädiger bei der mittelbaren Stellvertretung des bürgerlichen Rechts ebenso wie in den Fällen der Obhut für fremde Sachen grundsätzlich nicht erkennt und auch nicht erkennen kann, daß der von ihm verursachte Schaden bei einem Dritten eintritt 2 9 5 . Dagegen weiß der Beamte regelmäßig, daß die finanziellen Mittel oder Materialien, die er bei der Amtsausübung verwendet, nicht seinem Anstellungsdienstherrn, sondern einer anderen Körperschaft zugeordnet sind. Der beamtenrechtlichen Drittschadensliquidation wohnen damit auch Elemente inne, wie sie im Privatrecht unter dem Stichwort der „vereinbarten Drittschadensliquidation" diskutiert werden 2 9 6 .
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Z.B. Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 115. Grunsky, in: MünchKomm, Vor § 249 BGB Rn. 122; Lange, S. 466. 292 Esser/Schmidt, § 34 IV, S. 564. 293 So ausdrücklich: Lange, S. 464. 294 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 13 b); auf die Fallgestaltung der Obhut für fremde Sachen rekurriert auch: Kaster; S. 124. 295 Daher die Bezeichnung „verdeckte Stellvertretung"; für die Obhutsfälle: Lange, S. 473 f. 291
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Schließlich dürfte jedoch die allgemeine Anerkennung der Anwendbarkeit der Drittschadensliquidation im Beamtenrecht die Literatur von der unbefriedigenden Aufgabe einer Zuordnung zu einer der hergebrachten zivilrechtlichen Fallgestaltungen entbunden haben. Denn die Drittschadensliquidation hat im Beamtenrecht spätestens durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1994 2 9 7 eine besondere Ausprägung gefunden, die sich den privatrechtlichen Fallgruppen nicht unterordnet, sondern eigenständig an deren Seite t r i t t 2 9 8 . dd) Zusammenfassung Schädigt der Beamte eine andere Körperschaft als diejenige, deren Aufgaben er wahrgenommen hat, und hat diese keinen eigenen Anspruch gegen den Beamten oder dessen Dienstherrn, so ist prinzipiell eine Anwendung der im Zivilrecht entwickelten Grundsätze über die Schadensliquidation im Drittinteresse auf den Anspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG möglich. In das Beamtenhaftungsrecht zu übertragen sind dabei nicht einzelne Fallgruppen, sondern die Institution der Drittschadensliquidation als solche unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses und des Aufbaus der öffentlichen Verwaltung. Trotz der Loslösung von der zivilrechtlichen Kasuistik bedarf die Drittschadensliquidation auch im öffentlichen Recht der Beschränkung auf im voraus feststehende Fallgestaltungen, um deren uferlose Ausdehnung zu verhindern. Allgemein anerkannt und daher als gesichert anzusehen ist die Anwendung der Drittschadensliquidation bisher in den Fällen der einer anderen Behörde geleisteten Amtshilfe sowie der Auftragsverwaltung; bei letzterer allerdings nur, soweit nicht Art. 104 a Abs. 5 GG der geschädigten Körperschaft einen eigenen Anspruch einräumt. c) Fallgruppen des Auseinanderfallens und ersatzberechtigtem
von Anstellungskörperschaft Dienstherrn
Ihren eigentlichen Anwendungsbereich hat die Wendung „Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" in den Fällen, in denen der Beamte überhaupt nicht für seinen Anstellungsdienstherrn, sondern von Beginn an für eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft tätig geworden ist. Hier ist der Anspruch nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich dem Anstellungsdienstherrn entzogen und der „Funktionskörperschaft" des Beamten zugewiesen. 296
Vgl. RG, Urt. v. 18.12.1942, RGZ 170, 246 ff.; BGH, Urt. v. 15.01.1974, NJW 1974, 502 (502); Grunsky, in: MünchKomm, Vor § 249 BGB Rn. 123. 297 BVerwG, Beschl. v. 08.12.1994, Buchholz 237.6 § 86 Nds LBG Nr. 3. 298 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 46 a). 11*
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
aa) Abordnung, Innehabung mehrerer Ämter und Beamte mit Doppelstellung Hat der Beamte beispielsweise zugleich mehrere Ämter im Bereich verschiedener Dienstherrn inne, so ist nach unstreitiger Rechtsauffassung nur der Dienstherr schadensersatzberechtigt, dessen Aufgaben der Beamte im Zeitpunkt der zum Ersatz verpflichtenden Handlung wahrgenommen hat 2 9 9 . Entsprechendes gilt für den seltenen Ausnahmefall, daß ein Beamter, der nur ein Amt bekleidet, im Dienste zweier Anstellungsdienstherrn steht 3 0 0 . Lehrbuchbeispiel hierfür ist der Oberfinanzpräsident, der nach § 9 Abs. 2 Satz 1 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) sowohl Bundes- als auch Landesbeamter i s t 3 0 1 . Ähnlich verhält es sich bei einer Abordnung des Beamten. Unter Abordnung versteht man die vorübergehende Übertragung eines neuen Amtes im konkret-funktionellen Sinn 3 0 2 . Wird etwa ein Beamter eines Bundeslandes, einer Gemeinde oder einer sonstigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, die nicht der Bundesaufsicht untersteht, zur Beschäftigung in den Bundesdienst abgeordnet, so finden gemäß § 27 Abs. 4 BBG für die Dauer der Abordnung die Vorschriften des 3. Abschnitts des Bundesbeamtengesetzes über die rechtliche Stellung des Beamten entsprechende Anwendung; zur Zahlung der Dienstbezüge ist auch der Dienstherr verpflichtet, zu dem der Beamte abgeordnet ist. Im Gegensatz zu einer Versetzung nach §§26 BBG, 18 BRRG behält der Beamte folglich weiterhin sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne bei der abgebenden Dienststelle. Der Beamte hat somit für die Dauer der Abordnung zwei Dienstherrn 303 . Nach dem den §§78 BBG, 46 BRRG zugrundeliegenden „Funktionsgedanken" haftet der abgeordnete Beamte dem Beschäftigungsdienstheim und nicht dem Anstellungsdienstherrn für Schäden aus Pflichtverletzungen, die er bei der Tätigkeit für ihn begeht 304 .
299 Kümmel, § 86 NBG Rn. 12; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 37; Simianer, S. 37. 300 Scheerbarth/HöjfJcen, § 18 III (S. 484); Simianer, S. 37. 301 Vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 37. 302 Battis, § 27 BBG Rn. 3. 303 Wagner, Rn. 160. 304 Rechtsgrundlage für den Anspruch gegen einen in den Bundesdienst abgeordneten Landesbeamten ist § 27 Abs. 4 Hs 1 BBG i.V.m. § 78 BBG; vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 310.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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bb) Weitere Fallgruppen; Erfordernis eines Dienst- und Treueverhältnisses zwischen Beamtem und ersatzberechtigter Körperschaft Kontrovers wird jedoch die Frage diskutiert, ob die Formulierung „Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" auch über die genannten Fallgestaltungen hinaus Bedeutung erlangt. Denn während bei der Abordnung, der Unterstellung unter die Dienstgewalt zweier Dienstherrn sowie bei der Aufgabenwahrnehmung für mehrere Dienstherrn regelmäßig auch zwei Dienst- und Treuebeziehungen im Sinne von § § 2 Abs. 1 BBG, 2 Abs. 1 BRRG entstehen, kann es geschehen, daß ein Beamter Aufgaben einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung wahrnimmt, zu der er nicht in einer für das Beamtenverhältnis kennzeichnenden Treuebeziehung steht. Hier entsteht das Problem, ob es für die Aktivlegitimation im Sinne der beamtenrechtlichen Schadensersatzvorschriften ausreichend sein soll, daß der Beamte Aufgaben einer generell mit Dienstherrnfähigkeit ausgestatteten Körperschaft (vgl. § 121 BRRG) wahrgenommen hat, oder ob darüber hinaus zu fordern ist, daß der schadensverursachende Beamte auch der Beschäftigungskörperschaft gegenüber in einem dem Beamtenverhältnis vergleichbaren Dienst- und Treueverhältnis steht. Die Uneinigkeit der Rechtsprechung in diesem Punkt hat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtssicherheit im Bereich der beamtenrechtlichen Innenhaftung zur Folge. (1) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1956 hierzu die Ansicht vertreten, daß ein Bürgermeister, der kraft seines Hauptamtes zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrates der örtlichen öffentlichen Sparkasse ist, dieser gegenüber für Schäden hafte, die er durch die Verletzung der ihm als deren Vorsitzenden obliegenden Sorgfaltspflichten herbeiführe. Nach Meinung des Bundesgerichtshofs komme es für die Annahme der Dienstherrneigenschaft im Sinne der beamtenrechtlichen Haftungsnormen nicht auf das Bestehen unmittelbarer beamtenrechtlicher Beziehungen an. Die beamtenrechtlichen Haftungsbestimmungen stellten nämlich nicht entscheidend auf die allgemeinen beamtenrechtlichen Beziehungen zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn ab, sondern sähen die haftungsbegründende Rechtsbeziehung allein darin, daß der Beamte Aufgaben eines bestimmten Dienstherrn wahrgenommen und dieser dadurch einen Schaden erlitten habe. Mithin könne als „Dienstherr" im Sinne der Haftungsvorschriften auch ein anderer als der Anstellungsdienstherr in Betracht kommen 3 0 5 . Seine diesbezügliche Rechtsauffassung hat der Bundesgerichts-
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
hof im Jahre 1973 erneut bestätigt und bei der Feststellung der Dienstherrneigenschaft eines kommunalen Schulträgers gegenüber einer Lehrkraft auf die Feststellung eines beamtenrechtlichen Pflichten- und Treueverhältnisses verzichtet 306 . (2) Auffassung der Verwaltungsgerichte Das Bundesverwaltungsgericht und die ihm nachgeordneten Gerichte stehen dagegen einer Erstreckung der Aktivlegitimation auf solche öffentliche-rechtliche Dienstherrn, zu denen der Beamte in keinerlei Pflichten- und Treueverhältnis steht, grundsätzlich ablehnend gegenüber: Nachdem der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Problematik zunächst uneingeschränkt offengelassen hatte 3 0 7 , vertrat der Zweite Senat mit Urteil vom 25. Januar 1968 die Auffassung, der Gesetzgeber habe mit der Wendung „Dienstherr, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" den Kreis der anspruchsberechtigten Dienstherrn über denjenigen der Anstellungsdienstherrn hinaus zumindest auch auf sonstige öffentlich-rechtliche Dienstherrn erweitern wollen, deren Aufgaben ein Beamter kraft seines Hauptamtes wahrzunehmen habe. Ob über die rein dienstlichen Beziehungen hinaus noch ein besonderes, dem Beamtenverhältnis vergleichbares Pflichten- und Treueverhältnis zu fordern sei, zu welcher Auffassung der Sechste Senat zu neigen scheine, bedürfe jedoch keiner abschließenden Klärung, weil eine solche Rechtsbeziehung im zu entscheidenden Fall jedenfalls bestanden habe 3 0 8 . Deutlicher hat sich später der Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Kontext der Schadensersatzhaftung von Lehrern gegenüber dem kommunalen Schulträger geäußert. Nach Auffassung des Gerichtshofs spreche manches dafür, für eine Dienstherreneigenschaft im Sinne der „Funktionstheorie" ein dem Beamtenverhältnis vergleichbares Pflichten- und Treueverhältnis zu fordern, wie es beispielsweise bei der Abordnung eigens in § 17 BRRG verankert sei. Denn der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten wegen schuldhafter Pflichtverletzung sei in das Beamtenverhältnis oder zumindest in vergleichbare Beziehungen eingebettet und erwachse daraus. Die Entscheidung über die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs habe im Gesamtzusammenhang der durch das Beamtenverhältnis geschaffenen Rechte und Pflichten ein erhebliches Gewicht, liege doch der Heranziehung zum Schadensersatz die Feststellung eines Dienstvergehens zugrunde. Jene Entscheidung dürfe aber nicht von dem Beamtenverhältnis
305 306 307 308
BGH, Urt. v. 25.06.1956, ZBR 1956 (327) 328. BGH, Urt. v. 07.05.1973, ZBR 1973 283 (284). BVerwG, Urt. v. 24.06.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6, 29 (35). BVerwG, Urt. v. 25.01.1968, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 8, 51 (55 f.).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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oder den im Prinzip daran angelehnten vergleichbaren Rechtsbeziehungen zwischen demjenigen Verwaltungsträger, der sie treffe, und dem Beamten gelöst werden 3 0 9 . Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim beschäftigte sich wiederum der Zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts in der anschließenden Revisionsentscheidung vom 13. Juni 1985 3 1 0 . Dem Gericht bot sich hier Gelegenheit, die Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs näher zu erörtern und möglicherweise eine Klärung der Streitfrage durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes herbeizuführen 311 . Nichts von dem geschah. Der Zweite Senat hielt die Frage vielmehr erneut für nicht entscheidungserheblich, weil es in dem zu begutachtenden Fall bereits an der erforderlichen Aufgabenwahrnehmung des Lehrers für den kommunalen Schulträger gefehlt habe 3 1 2 . Obgleich sich eine Gelegenheit zur abschließenden Entscheidung des Problems seither nicht noch einmal ergeben hat, hat auch der Zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem grundlegenden Beschluß zur Drittschadensliquidation im Beamtenhaftungsrecht vom 8. Dezember 1994 seine diesbezügliche Rechtsposition „obiter dictum" deutlich erkennen lassen und, Bezug nehmend auf seine Rechtsprechung zur fehlenden Forderungsberechtigung von Beschäftigungsstellen von Zivildienstleistenden gemäß § 34 ZDG, ausgeführt: „durch die Anspruchskonzentration auf den Dienstherrn, dessen Aufgaben der Beamte wahrgenommen habe, werde sichergestellt, daß der Beamte wegen Verletzung seiner Dienstpflichten nur diesem gegenüber (hafte), zu dem er in einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis (...) (stehe) (§ 2 Abs. 1 BRRG)". Für das Beamtenverhältnis könne insoweit nichts anderes gelten 3 1 3 . (3) Meinungsspektrum
im Schrifttum
Die Literatur folgt, soweit sie zu dem Problem überhaupt Stellung nimmt, mehrheitlich dem von den Verwaltungsgerichten eingeschlagenen Weg314 Allein Burmeister verwehrt sich neuerdings gegen die restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrge309 310 311 312 3,3 314
VGH Mannheim, Urt. v. 08.05.1984, ZBR 1985, 115 (116). BVerwG, Urt. v. 13.06.1985, ZBR 1985, 337 (338). So Wörz, S. 239. BVerwG, Urt. v. 13.06.1985, ZBR 1985, 337 (338). BVerwG, Beschl. v. 08.12.1994, Buchholz 237.6 § 86 Nds LBG Nr. 3, 1 (2). Kaster, S. 122 ff.; Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 13b).
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
nommen hat" durch die Judikatur der Verwaltungsgerichte. Der Wortlaut der Haftungsnormen gebe für das einschränkende Erfordernis eines dem Verhältnis zwischen Anstellungsdienstherrn und Beamten vergleichbaren Pflichten- und Treueverhältnisses auf Seiten der „Funktionskörperschaft" nichts her. Vielmehr weise die Formulierung auf das Gegenteil hin: Denn bei einer allein auf den Anstellungsdienstherrn bezogenen Ausrichtung der Norm hätte es nahegelegen, auf den Relativsatz „dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" zu verzichten und stattdessen von „seinem Dienstherrn" zu sprechen 315 . (4) Stellungnahme - Anerkennung eines Begriffs des „Dienstherrn im haftungsrechtlichen Sinne" Die Kontroverse um die erforderliche Qualität der Rechtsbeziehungen zwischen dem Beamten und dem ersatzberechtigten Dienstherrn bleibt weiterhin unentschieden. Auch der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1994 hat die seit langem streitige Auslegung des Dienstherrnbegriffs im Sinne der Haftungsnormen nicht geklärt. Mag das Problem in der Praxis auch stets in den Hintergrund getreten und nach Auffassung der erkennenden Spruchkörper nicht entscheidungserheblich gewesen sein, ist es doch von derartigem Gewicht, daß es in dieser Kürze nicht hätte abgetan werden können. Zudem bildete die Auslegung des Dienstherrnbegriffs im Sinne der §§78 BBG, 46 BRRG nicht den eigentlichen Gegenstand dieser Entscheidung. Denn der mit Auftragsangelegenheiten befaßte Gemeindebeamte hatte unstreitig Aufgaben seines eigenen Dienstherrn wahrgenommen. Fehl geht in diesem Zusammenhang auch der Hinweis des Zweiten Senats auf das Urteil vom 13. Oktober 1994 zur fehlenden Ersatzberechtigung einer Beschäftigungsstelle im Sinne von § 4 ZDG gegenüber einem Zivildienstleistenden. Zwar hat das Gericht in dieser Entscheidung allein den Bund als Anstellungskörperschaft für legitimiert gehalten, den Ersatzanspruch geltend zu machen 316 . Allerdings war das Urteil noch auf der Grundlage des § 34 ZDG in der Fassung des Gesetzes vom 31. Juli 1986 3 1 7 ergangen. Danach hatte der Ersatzanspruch noch ausschließlich „dem Bund" zugestanden, so daß das Gericht (nur) über eine analoge Anwendung der Norm befinden mußte 3 1 8 . Nunmehr, nach der Angleichung des § 34 315
Burmeister, S. 484 f. BVerwG, Urt. v. 13.10.1994, Buchholz 448.11 § 34 ZDG Nr. 1. 317 BGBl. I S. 1205. 3,8 Die analoge Anwendung des § 34 ZDG auf Beschäftigungsdienststellen eines Zivildienstleistenden ist bejaht worden von OVG Münster, Urt. v. 04.03.1986, DVB1. 1986, 1165 (1165 f.). 3,6
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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ZDG an den Wortlaut der beamten- und soldatenrechtlichen Haftungsnormen durch Art. 6 Nr. 1 des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 3 1 9 , hat auch der Zivildienstleistende „dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat", den Schaden zu ersetzen. Zwar hat das Gericht hierzu beiläufig bemerkt, daß die Neufassung des § 34 ZDG an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern vermag 3 2 0 . Gerade dies steht jedoch in Streit: Denn durch die Anpassung an den Wortlaut der §§ 78 BBG, 46 BRRG taucht auch im Hinblick auf § 34 ZDG die Frage nach der richtigen Auslegung des Dienstherrnbegriffs auf. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1994 enthält inswoweit keine zufriedenstellende Antwort. Die Auslegung des Dienstherrnbegriffs im Sinne der Haftungsnormen des öffentlichen Dienstrechts ist somit weiterhin offen. Es ist daher anzunehmen, daß sich die Verwaltungsgerichte in Zukunft noch einmal mit dem Verständnis des den §§78 BBG, 46 BRRG zugrundeliegenden Dienstherrnbegriffs beschäftigen werden. Ein solcher Sachverhalt, in dem der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" Entscheidungserheblichkeit zukommen könnte, ist in der Rechtsprechung bereits mehrfach für den besonderen Fall der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit eines beamteten Schulleiters gegenüber dem kommunalen Schulträger angesprochen worden 3 2 1 . Zuletzt hat Burmeister 322 am Beispiel des niedersächsischen Schulrechts aufgezeigt, daß dem Schulleiter als Landesbeamten in einigen Bundesländern ein eigener schulträgerbezogener Aufgabenkreis zugewiesen i s t 3 2 3 , so daß sich bei einer Pflichtverletzung desselben, die zu einer Schädigung des Schuleigentums führt, unausweichlich die Frage stellt, ob der kommunale Schulträger als „Funktionskörperschaft" ein eigenes Forderungsrecht besitzt, obschon es zwischen Schulleiter und Schulträger an einem umfassenden Pflichten- und Treueverhältnis im Sinne der §§ 2 BBG, 2 BRRG fehlt. Es ist zu hoffen, daß die Verwaltungsgerichte in einem solchen Fall ihre Position noch einmal einer gründlichen Überprüfung unterziehen. Denn die juristische Auslegungsmethode stützt deren augenblickliche Interpretation des Tatbestandsmerkmals „Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat" nicht: Historisch gesehen, geht die Formulierung zurück auf § 23 DGB. Dabei wurde die Gesetzesfassung von Anfang an weit ausgelegt. So 319
BGBl. I S. 1030. BVerwG, Urt. v. 13.10.1994, Buchholz 448.11 § 34 ZDG Nr. 1; zweifelnd: Simianer, S. 37 Fn. 30. 321 VGH Mannheim, Urt. v. 08.05.1984, ZBR 1985, 115 (116); OVG Lüneburg, Urt. v. 14.01.1986, ZBR 1987, 21 (22). 322 Burmeister, S. 483 f. 323 In Niedersachsen z.B. durch § 111 Abs. 2 Satz 1 NSchG. 320
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
führt etwa Wittland in der Kommentierung bei Nadler/Wittland/Ruppert hierzu aus: „Schließlich kann auch ein Dienstherr, der zum schuldigen Beamten weder im Verhältnis eines unmittelbaren noch in dem eines mittelbaren Dienstherrn steht, schadensersatzberechtigt sein, z.B. wenn der Beamte eines Landes zugleich Aufgaben einer Körperschaft wahrzunehmen hat oder umgekehrt 3 2 4 ". Noch deutlicher ist die Stellungnahme bei Brand: „Es kommt also nicht darauf an, wer den Beamten angestellt und besoldet hat (...). Der Dienstherr im Sinne des § 23 Abs. 1 ist also ein anderer als der Dienstherr im Sinne des Art. 131 WRV und der Haftpflichtgesetze 325 ". Entsprechend äußert sich Fischbach zu § 78 BBG in der Fassung des Gesetzes vom 1. September 1957: „Für den Begriff des Dienstherrn im Sinne der haftungsrechtlichen Vorschriften kommt es nicht entscheidend auf die allgemeine beamtenrechtliche Beziehung zwischen Beamten und Dienstherrn an ( . . . ) . 3 2 6 " Diese Sichtweise wird von der systematischen Gesetzesauslegung gestützt. Burmeister hat hierzu bereits auf § 2 Abs. 1 BRRG sowie die entsprechenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze hingewiesen, die im Unterschied zu den §§78 BBG, 46 BRRG nicht vom „Dienstherrn, dessen Aufgaben (der Beamte) wahrgenommen hat", sondern von „seinem Dienstherrn" sprechen. Hätte der Gesetzgeber weitestgehend die Anstellungskörperschaft für forderungsberechtigt erklären wollen, so bliebe der fragliche Relativsatz ohne erkennbaren Sinn. Aufschlußreich ist auch ein Vergleich mit der Bestimmung des Art. 34 Satz 1 GG, wonach die Verantwortlichkeit im Rahmen der Amtshaftung grundsätzlich „den Staat oder die Körperschaft (trifft), in deren Dienst (der Beamte) steht". Hier gilt nach herrschender Meinung grundsätzlich eine modifizierte „Anstellungstheorie" in Form der sogenannten „Amtsübertragungs- bzw. Anvertrauenstheorie". Passivlegitimiert ist danach, wer „dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat ( , . . ) 3 2 7 " · Wenn nun die Verwaltungsgerichte im Rahmen der beamtenrechtlichen Innenhaftung nach §§ 78 BBG, 46 BRRG vom Grundsatz her allein den Anstellungsdienstherrn für aktivlegitimiert halten und hiervon nur dann eine Ausnahme zulassen wollen, wenn der Beamte zu dem „Funktionsdienstherrn" ebenfalls in einem besonderen Pflichten- und Treueverhältnis steht, so nivellieren sie den Unterschied der beiden Gesetzesfassungen, indem sie für die Bestimmung der Aktivlegitimation bei der Innenhaftung im wesentlichen zu gleichen Ergebnissen gelangen, wie bei der Bestimmung der Passivlegitimation im Außenverhältnis. 324 325 326 327
a) bb).
Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 34. Brand, § 23 DBG (S. 222). Fischbach, § 78 BBG Β II (S. 627). BGH, Urt. v. 21.04.1983, BGHZ 87, 202 (204), siehe oben Einführung, I. 1.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Ein solches Ergebnis dürfte aber auch dem Sinn und Zweck der unterschiedlichen Gesetzeswendungen kaum gerecht werden. Denn der Grund für die Ablehnung der reinen „Funktionstheorie" im Rahmen der Amtshaftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG besteht darin, daß dem geschädigten Bürger, der regelmäßig keinen Einblick in die Verwaltungsinterna erlangen kann, das Risiko abgenommen werden soll, mit einer von ihm erhobenen Klage die passivlegitimierte Körperschaft zu verfehlen und somit den Haftungsprozeß zu verlieren. Daher wird für den Regelfall an den nach außen erkennbaren Akt der Anstellung bzw. an die Übertragung des Amtes angeknüpft. Auf die Verantwortlichkeit des Beamten nach innen läßt sich diese Überlegung jedoch nicht übertragen. Der Gesetzgeber ist hier offensichtlich nicht nur davon ausgegangen, daß der Dienstherr im Sinne der „Funktionstheorie" stets der Geschädigte ist (was sich im übrigen, mit Ausnahme der oben genannten, eng umgrenzten Anwendungsfälle der Drittschadensliquidation, als richtig erwiesen hat), sondern auch davon, daß die geschädigte Verwaltung im Unterschied zum Bürger von vornherein weiß oder doch komplikationslos ermitteln kann, mit wessen Aufgaben der pflichtwidrig handelnde Beamte betraut war. Die §§78 BBG, 46 BRRG gehen damit von einem eigenen Begriff des „Dienstherrn im haftungsrechtlichen Sinne" aus, der nicht notwendigerweise mit dem Dienstherrn im Sinne der §§ 2 BBG, 2 BRRG identisch ist. Letztlich spricht für die hier vertretene Auffassung noch ein weiteres Argument: Bleibt man insoweit beim Beispiel eines Schulleiters, welchem etwa nach baden-württembergischem oder niedersächsischem Schulrecht ein eigener Aufgabenkreis gegenüber dem kommunalen Schulträger zugewiesen ist, so bestünde die einzig erwägenswerte Alternative zur Anerkennung einer eigenen Forderungsberechtigung des Schulträgers gegenüber dem Schulleiter in einer Ausweitung des Anwendungsbereiches der Drittschadensliquidation 328 . Es müßte daher das Land als Anstellungsdienstherr des Schulleiters den Schaden des kommunalen Schulträgers liquidieren und das Erlangte diesem sodann zur Verfügung stellen. Einer solchen Ausdehnung der Drittschadensliquidation im Wege richterlicher Rechtsfortbildung stehen jedoch ernstzunehmende Bedenken entgegen. Zum einen wäre eine Erstrekkung der Drittschadensliquidation auf eine unbestimmte Vielzahl von Fallgestaltungen wohl kaum mehr vertretbar, zumal der Wortlaut der §§78 BBG, 46 BRRG eine andere Lösung erlaubt, wenn nicht sogar nahelegt. Zum anderen scheidet eine Schadensliquidation im Drittinteresse hier von vornherein aus. Die Drittschadensliquidation setzt nämlich voraus, daß der nach dem Gesetz Ersatzberechtigte keinen Schaden und der Dritte zwar einen Schaden, aber keinen Anspruch hat. Unter dieser Prämisse wird „der Schaden zur Anspruchsgrundlage gezogen" 329 . Im hiesigen Beispiel fehlt es 328 Davon geht auch Burmeister,
S. 486 aus.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
jedoch nicht nur an einem Schaden des Landes als Anstellungsdienstherrn des Schulleiters, sondern auch an den weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Denn das Land ist nach dem Gesetz gerade nicht der Ersatzberechtigte, wenn und soweit feststeht, daß der Schulleiter Aufgaben im Pflichtenkreis des kommunalen Schulträgers wahrgenommen hat. Das Recht, den einer anderen Körperschaft entstandenen Schaden zu liquidieren, kann nur demjenigen Verwaltungsträger zustehen, dessen Aufgaben der Beamte tatsächlich wahrgenommen hat. So liegt es hier aber nicht. Eine Erstreckung der Rechtsprechung zur Drittschadensliquidation auf diesen Fall wäre demnach eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem. Der Grund dafür, warum die Verwaltungsgerichte dessen ungeachtet dazu tendieren, ein dem Anstellungsverhältnis gleichkommendes Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn im Sinne der „Funktionstheorie" zu fordern, ist allein darin zu erkennen, daß nur dem Anstellungsdienstherrn des Beamten das Recht zugebilligt werden kann, den Schadensersatzanspruch mittels Leistungsbescheides durchzusetzten. Dieser verwaltungsverfahrensrechtliche Aspekt ist indes von der materiellrechtlichen Rechtslage strikt zu trennen 330 . Mit der Anerkennung der Forderungsberechtigung des „Dienstherrn im haftungsrechtlichen Sinne" ist nämlich nicht zugleich auch die Entscheidung darüber getroffen, wie dieser seinen Anspruch geltend machen kann. Richtigerweise wird man die „Funktionskörperschaft", worauf an späterer Stelle noch näher zurückzukommen sein w i r d 3 3 1 , stets auf den Klageweg verweisen müssen. Der Beamte ist dann vor willkürlicher Inanspruchnahme durch den „fremden" Dienstherrn hinreichend geschützt. Ebenso unbegründet ist der Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim auf die mit dem Schadensersatzanspruch eng verbundene Beurteilung des Verhaltens als Dienstvergehen. Über das Vorliegen eines Dienstvergehens und dessen disziplinarische Konsequenzen hat auch weiterhin der Dienstvorgesetzte des Beamten zu entscheiden. Durch ein Schadensersatzbegehren des „Dienstherrn im haftungsrechtlichen Sinn" wird die Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstvergehens nicht vorweggenommen. cc) Ergebnis Den §§78 BBG, 46 BRRG liegt ein eigener Dienstherrnbegriff zugrunde, der nicht in allen Fällen identisch ist mit dem Dienstherrn des Beamten im Sinne der § § 2 Abs. 1 BBG, 2 Abs. 1 BRRG. Dienstherr im 329 330 331
Formulierung bei Lange, S. 479 und Medicus, Rn. 839. Vgl. Burmeister, S. 485. Siehe unten 5. Kapitel A. II. 2. und 3. b).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
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Sinne der haftungsrechtlichen Bestimmungen ist, wessen Aufgaben der Beamte wahrgenommen hat. Hat der Beamte Aufgaben einer bestimmten Körperschaft wahrgenommen, so ist der Beamte ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn diese generell das Recht hat, Beamte zu haben, also Dienstherrnfähigkeit im Sinne von § 121 BRRG besitzt. Entgegen der Auffassung der Verwaltungsgerichte und der wohl überwiegenden Auffassung des Schrifttums ist hierfür nicht Bedingung, daß der Beamte auch dem geschädigten Verwaltungsträger gegenüber in einem öffentlichrechtlichen Pflichten- und Treueverhältnis oder in einem vergleichbaren Rechtsverhältnis gestanden hat. Denn das Gesetz stellt, wie auch der Bundesgerichtshof festgestellt hat, gerade nicht entscheidend auf die allgemeinen beamtenrechtlichen Beziehungen zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn im Sinne der §§ 2 BBG, 2 BRRG ab, sondern erkennt die haftungsbegründende Rechtsbeziehung allein darin, daß der Beamte Aufgaben eines bestimmten Dienstherrn wahrgenommen und dieser dadurch einen Schaden erlitten hat. Eine den Wortlaut einschränkende Interpretation der Vorschriften findet im Gesetz keine Stütze. Die Beschränkung der Ersatzberechtigung auf solche Körperschaften, zu denen der Beamte in einer besonderen Treuebeziehung steht, müßte außerdem zu einer unangemessenen und teilweise gesetzeswidrigen Ausweitung der Drittschadensliquidation über die bisher anerkannten Fallgruppen hinaus führen, ohne daß hierfür ein sachlicher Grund erkennbar wäre. Die Frage, ob der Beamte dem Dienstherrn im Sinne der §§78 BBG, 46 BRRG gegenüber in einem besonderen Pflichten- und Treueverhältnis gestanden hat, gewinnt folglich allein für die formellrechtliche Seite der Haftung Bedeutung, also für die Frage, ob der Beamte mittels Leistungsbescheides zur Haftung herangezogen werden kann oder nicht. V. Das Bestehen von Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang Ein Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten besteht nur, wenn der Schaden gerade infolge der von dem Beamten begangenen Dienstpflichtverletzung entstanden ist. Voraussetzung ist daher ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Fehlverhalten des Beamten. Dies ist die sogenannte „haftungsausfüllende" Kausaliät 332 . Das Erfordernis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Dienstpflichtverletzung und Schaden ergibt sich sowohl aus der Gesetzesformulierung, wonach der Beamte nur „den daraus entstehenden" Schaden zu ersetzen hat, als auch aus allgemeinen schadensrechtlichen Grundsät-
332
Woydera/Summer/Zängl,
§ 97 SächsBG Anm. 12 c).
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
1. Der Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn Ausgangspunkt jeder Erkenntnis über die Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen Erfolg bildet die allgemeine Bedingungsformel, die die Ursächlichkeit im naturwissenschaftlichen, rein logischen Sinne beschreibt 334 . Danach ist ein positives Tun für den eingetretenen Erfolg dann kausal, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der konkrete Erfolg entfiele. Ein Unterlassen ist für den eingetretenen Schaden ursächlich, wenn ein pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des schädigenden Erfolges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte 3 3 5 . Die bloße Möglichkeit allein reicht insoweit nicht aus. Andererseits wird man, da ein hypothetisches Verhalten in Rede steht, keine Sicherheit im Sinne absoluter Gewißheit verlangen können 3 3 6 . Nach der allgemeinen Bedingungsformel sind alle zum Erfolg führenden Ursachen gleichwertig (daher die Bezeichnung Äquivalenzformel oder condicio-sine-qua-non-Formel). Die Bedingungsformel liefert somit die Mindestanforderungen, die an die ursächliche Verbindung zwischen Dienstpflichtverletzung des Beamten und konkretem Schadenseintritt zu stellen sind 3 3 7 . 2. Beschränkungen der Schadensersatzpflicht über die Adäquanz und die Lehre vom Pflichtwidrigkeitszusammenhang a) Heranziehung der zivilrechtlichen
Adäquanztheorie
Die nahezu uferlose Weite der Bedingungsformel macht jedoch eine Begrenzung anhand anderer Kriterien erforderlich. Zur Ausscheidung gänzlich unwahrscheinlicher Kausalverläufe hat sich im Zivilrecht vor allem die Adäquanztheorie herausgebildet 338 . Sie wird von Rechtsprechung und Schrifttum auch bei der Bestimmung der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn herangezogen 339 und auf die innere Verwandtschaft der 333
Vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 54 ff. Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 57. 335 RG, Urt. v. 05.02.1935, RGZ 147, 129 (130 ff.); BGH, Urt. v. 25.09.1952, BGHZ 7, 198 (203 f.); BGH, Urt. v. 30.01.1961, BGHZ 34, 206 (215). 336 Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 322 Fn. 77. 337 Nach BVerwG, Urt. v. 11.03.1999, DÖV 1999, 645 (646 f.) enthält § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB im Hinblick auf die Frage der Kausalität einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Dienstrecht Anwendung findet; ablehnend: Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 50. 338 Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 58. 339 BVerwG, Urt. v. 25.01.1968, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 8, 51 (57); BVerwG, Urt. v. 13.01.1987, Buchholz 237.1 Art. 85 BayLBG Nr. 1, 1 (1); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 44; Mühl, in: Fürst (GKÖD I 334
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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§§ 78 BBG, 46 BRRG mit den zivilrechtlichen Haftungsnormen gestützt 340 . Öffentlich-rechtliche Kausalitätslehren, wie etwa die Theorie von der unmittelbaren Verursachung aus dem allgemeinen Ordnungsrecht oder die Theorie von der wesentlichen Ursache aus dem Sozialrecht scheiden für den Anspruch nach §§78 BBG, 46 BRRG somit aus. Es sind zwei Formeln gebräuchlich, welche die Adäquanz beschreiben, ohne dabei einen sachlichen Unterschied zu begründen: Nach der ersten soll Adäquanz vorliegen, „wenn eine Tatsache nach allgemeiner Lebenserfahrung zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetrenen Art geeignet gewesen i s t 3 4 1 " . Nach der zweiten Formulierung setzt Adäquanz voraus, „daß die objektive Möglichkeit des Erfolgseintritts durch die Handlung zumindest erhöht worden i s t 3 4 2 " . Das Urteil über die Adäquanz beruht demnach auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen, mit deren Hilfe bestimmte, fern liegende Ursachen als irrelevant ausgeschieden werden 3 4 3 . aa) Verzichtbarkeit der Adäquanzlehre bei der Innenhaftung nach Auffassung von Teilen der Literatur Ein nicht unerheblicher Teil des zivilrechtlichen Schrifttums tritt heute dafür ein, die Adäquanztheorie aufzugeben und bei der Zurechnung eines Schadens allein auf den Schutzzweck der Norm abzustellen 344 . Für die den §§ 78 BBG, 46 BRRG entsprechende Haftungsnorm des § 24 SG hat sich insbesondere Deutsch gegen die Anwendung der Adäquanztheorie ausgesprochen 345 . Ausgangspunkt dieser Auffassung ist die von ihm aufgestellte These, § 24 SG verfolge den Zweck, ohne Rücksicht auf die konkrete Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens bereits die abstrakte Gefährdung von Rechtsgütern zu verhindern, die sich aus der Verletzung einer soldatenrechtlichen Dienstpflicht ergeben könne. Dem § 24 SG entsprächen im Zivilrecht die Tatbestände der §§ 823 Abs. 2, 839 B G B 3 4 6 . Bei ihnen beziehe sich das Verschulden lediglich auf die Verletzung des Schutzgesetzes oder K), § 78 BBG Rn. 48; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 12 a). 340 Leusser/Gerner/Kruis, Art. 85 BayBG Anm. 3d); Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 12 a). 341 Battis, § 78 BBG Rn. 10; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängel, Art. 85 BayBG Anm. 12a). 342 VGH Kassel, Urt. v. 16.11.1965, JZ 1966, 576 (576); Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 44. 343 Deutsch, JZ 1966, S. 557. 344 Z.B. Esser/Schmidt, §33 II (S. 216 ff.); Grunsky, in: MünchKomm, Vor § 249 BGB Rn. 42. 345 Deutsch, JZ 1966, S. 556 ff. 346 Deutsch, JZ 1966, S. 556.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
der Amtspflicht 3 4 7 . Hinsichtlich des konkret eingetretenen Schadens müsse den Ersatzpflichtigen kein Verschulden treffen. Der Normgeber selbst habe hier ein Verhalten als abstrakt gefährlich erkannt und untersagt. Daß der Ersatzpflichtige den Schaden nicht habe vorhersehen können, hindere seine Haftung daher nicht, wenn er schuldhaft gegen das Schutzgesetz oder die Amtspflicht verstoße. Die Adäquanzformel aber übernehme das Vörhersehbarkeitsmerkmal des Schadenseintritts mit abgeschwächtem Inhalt 3 4 8 . Dadurch werde die auf das Rechtsgut gerichtete Voraussehbarkeit „durch die Hintertür" wieder eingeführt. Eine Beschränkung der Haftung dürfe somit nicht aufgrund der fehlenden Adäquanz erfolgen. Wer dem Schutzgesetz bzw. der Amts- oder Dienstpflicht zuwiderhandele, hafte für alle aus der Übertretung resultierenden Schäden, auch für die unvorhersehbaren oder inadäquaten, soweit sie von dem Verbot verhindert werden sollten. Denn bei Tatbeständen abstrakter Gefährdung ersetze der Pflichtwidrigkeitszusammenhang das Kriterium der Adäquanz 349 . bb) Gegenposition Diese Auffassung ist vom Bundesverwaltungsgericht 350 sowie vom Oberverwaltungsgericht Koblenz 3 5 1 mit Recht als unzutreffend abgelehnt worden. Die Schadensersatznormen des öffentlichen Dienstes begründen keine abstrakte Gefährdungshaftung. Zwar kann eine haftungsbegründende Dienstpflichtverletzung im Sinne der §§78 BBG, 46 BRRG aus der Verletzung einer Rechtsnorm oder einer allgemeinen Anordnung resultieren, durch die einer abstrakten Gefahrenlage begegnet werden soll. Dies ist jedoch nicht zwingend. Die §§78 BBG, 46 BRRG sind vielmehr auch dann anwendbar, wenn die schadensstiftende Dienstpflichtverletzung in der Nichtbeachtung einer auf die konkrete Situation bezogenen Anordnung bzw. Weisung besteht 352 . Des weiteren schließt es die Tatsache, daß sich das Verschulden bei ihnen nicht auf den Schaden, sondern allein auf die Pflichtverletzung bezieht, nicht aus, zu verlangen, daß die Dienstpflichtverletzung im allgemeinen geeignet gewesen sein muß, einen Schaden der eingetretenen Art zu verhindern. Die Behauptung, Adäquanz sei „verdünnte Voraussehbarkeit 353 ", die Forderung nach adäquater Kausaliät führe daher 347
Was Deutsch allerdings selbst ablehnt; siehe oben III. Deutsch, JZ 1966, S. 558; so auch: Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 61. 349 Deutsch, JZ 1966, S. 558 f. 350 BVerwG, Urt. v. 07.12.1984, BVerwGE 70, 296 (300) zu § 24 SG. 351 OVG Koblenz, Urt. v. 28.07.1967, JZ 1968, 429 f. 352 BVerwG, Urt. v. 07.12.1984, BVerwGE 70, 296 (300); OVG Koblenz, Urt. v. 28.07.1967, JZ 1968, 429 (429). 348
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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praktisch „durch die Hintertür" wieder die Vorhersehbarkeit des Schadens ein, erweist sich bei genauerer Prüfung als unrichtig. Denn die Adäquanzthorie betrifft nicht die subjektive Vorhersehbarkeit eines möglichen Schadens für den Beamten, sondern die ex post zu ermittelnde objektive Voraussehbarkeit des Schadens vom Standpunkt eines optimalen Beobachters 354 . Die heute herrschende Auffassung verlangt daher zu Recht auch bei den Tatbeständen des § 823 Abs. 2 3 5 5 und des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 G G 3 5 6 das Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen Schutzgesetz- bzw. Amtspflichtverletzung und Schaden. Hinzu kommt letztlich, daß der von Deutsch zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse anstelle der Adäquanztheorie herangezogene Pflichtwidrigkeitszusammenhang bei der Innenhaftung von Beamten und Soldaten, wie noch zu zeigen sein wird, nur beschränkt anwendbar und daher zur Haftungsbegrenzung allenfalls bedingt tauglich ist. Eine Begrenzung des Kausalzusammenhangs anhand der Adäquanzformel ist damit unverzichtbar. b) Haftungsbegrenzung
über den Pflichtwidrigkeitszusammenhang
Ungeklärt ist, ob ergänzend zur Adäquanzformel im Rahmen der Haftung des Beamten nach §§78 BBG, 46 BRRG eine Begrenzung der Schadensersatzpflicht mit Hilfe der privatrechtlichen Rechtsfigur des sogenannten Pflicht- bzw. Rechtswidrigkeitszusammenhangs stattfindet 357 . Danach bedarf die auf eine bloße Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ausgerichtete Adäquanztheorie insoweit der Ergänzung, als zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem Schaden ein spezifischer Zusammenhang bestehen muß. Dieser Rechts- bzw. Pflichtwidrigkeitszusammenhang soll wiederum nur dann gegeben sein, wenn sich der Schaden innerhalb des Schutzzwecks der verletzten Norm verwirklicht h a t 3 5 8 , wenn also die vom Schädiger verletzte Vorschrift oder Verhaltenspflicht gerade den eingetretenen Verletzungserfolg hat verhindern wollen 3 5 9 . Bisher hat sich ein Bedürfnis für eine Haftungsbegrenzung aufgrund der Lehre vom Schutzzweck der Norm im Beamtenhaftungsrecht in der Praxis 353 354 355 356
Deutsch, JZ 1966, S. 558. Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 60. BGH, Urt. v. 14.10.1971, NJW 1972, 36. Maurer, § 25, Rn. 26; vgl. auch BGH, Urt. v. 07.01.1988, NJW 1988, 1262
(1263). 357 Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 12 a); Ausdrücklich abgelehnt wird die Anwendbarkeit von: Bonk, in Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 43. 358 St. Rspr. BGH, Urt. v. 22.04.1958, BGHZ 27, 137 (142); BGH, Urt. v. 03.12.1991, BGHZ 116, 209 (212). 359 Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 62. 1
Beckmann
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
nicht gezeigt 360 . Das Bundesverwaltungsgericht konnte deshalb die prinzipielle Übertragbarkeit des Instituts offenlassen, hat aber gegen eine Anwendung Bedenken geäußert, weil durch die §§ 78 BBG, 46 BRRG die Vermögensinteressen des Dienstherrn umfassend geschützt würden, eine Schutzzwecküberschreitung bei kausalen Vermögensschäden daher kaum denkbar sei 3 6 1 . Diese Vorbehalte des Bundesverwaltungsgerichts gegen eine Übernahme der Lehre vom Pflichtwidrigkeitszusammenhang sind berechtigt. Im Zusammenhang mit dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens stellt das Gericht heute hinsichtlich des Schutzzwecks des beamtenrechtlichen Haftungstatbestandes vor allem auf die mit diesem verbundene Präventionsbzw. Pflichtenmahnungsfunktion a b 3 6 2 . Geht man hiervon aus, so wird man eine Begrenzung des relevanten Kausalverlaufs mit Hilfe der Normzwecklehre von vornherein ablehnen müssen. Denn verfolgen die §§78 BBG, 46 BRRG auch und vor allem den Zweck, den Beamten zu pflichtgemäßem Handeln zu bestimmen, so verwirklicht sich jede Übertretung beamtenrechtlicher Pflichten innerhalb des Normzwecks. Folgt man dem nicht und erkennt man den Zweck der Innenhaftung im öffentlichen Dienstrecht allein im Schadensausgleich, so wird man bei einer Schadenzurechnung nach Normzwecküberlegungen wegen des umfassenden Schutzes des Dienstherrn durch die §§78 BBG, 46 BRRG differenzieren müssen: Die umfassende Verantwortlichkeit des Beamten für die Vermögensinteressen des Dienstherrn im Innenverhältnis wird, wie bereits dargestellt worden ist, durch die Konstruktion einer allgemeinen Dienstpflicht, den Dienstherrn vor Schäden zu bewahren, erreicht. Der Schutzzweck dieser Pflicht kann nicht näher eingegrenzt werden. Steht also ein Fehlverhalten des Beamten in Rede, das nicht besonders geregelt ist, sondern welches ausschließlich die allgemeine Schadensabwendungspflicht tangiert, kommt eine Haftungsbegrenzung über den Normzweckgedanken nicht in Betracht. In diesem Fall stellt die Adäquanztheorie das einzig kausalitätsbeschränkende Korrektiv dar. Die allgemeine Schadensabwendungs- bzw. vorbeugungspflicht ist jedoch nach der hier vertretenen Auffassung nur einschlägig, wenn und soweit der Beamte nicht eine speziellere Dienstpflicht, welche sich aus Gesetz, Verwaltungsvorschrift, Einzelweisung etc. ergeben kann, verletzt hat 3 6 3 . In diesem Fall wird man die Frage nach der Haftung 360
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 44. BVerwG, Urt. v. 07.12.1984, BVerwGE 70, 296 (300 f.) zu § 24 SG mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 22.04.1958, BGHZ 27, 137 (142) zur Amtshaftung. 362 Siehe oben IV. 1. c) aa) (1). 363 Oben II. 1. b) cc). 361
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
1
des Beamten im Innenverhältnis mit Hilfe des Schutzzwecks der von ihm übertretenen Vorschrift bestimmen können. Denn die spezielle Dienstpflicht ist einer teleologischen Zweckbestimmung regelmäßig zugänglich. Ein Beispiel: Verletzt ein Beamter, die in einem Fahrbefehl getroffene Anordnung, das Fahrzeug selbst zu führen, so bestimmt sich seine Haftung im Schadensfall nach dem Schutzzweck des Fahrbefehls. Bezweckte dieser lediglich, dem Beamten mehr Fahrpraxis zu verschaffen, liegt ein Schaden, der dadurch entstanden ist, daß anstelle des Beamten ein anderer, gleich geeigneter Fahrer das Fahrzeug geführt und einen Unfall verursacht hat, außerhalb des Normzwecks 364 . Eine Schadensersatzpflicht des Beamten besteht nicht. Verliert dagegen ein Beamter, die ihm amtlich anvertrauten Schlüssel zu Schließanlagen eines öffentlichen Gebäudes, verletzt er, soweit nichts anderes bekannt ist, keine spezielle, sondern die allgemeine Schadens Verhinderungspflicht 365 . In Ermangelung der Möglichkeit, den Normzweck dieser Pflicht näher einzugrenzen, haftet der Beamte für jeden Schaden, der adäquat ursächlich auf dem Verlust der Schlüssel beruht. c) Sonderfall
der Ersatzfähigkeit
von Kreditzinsen
Kausalitäts- und Normzwecküberlegungen stehen auch inmitten, soweit es die Ersatzpflicht des Beamten für entgangene Anlagezinsen oder angefallene Kreditzinsen betrifft. In Zeiten öffentlicher Finanzknappheit ist vor allem letzterer Fall, also die Ersatzfähigkeit von Kosten eines vom Dienstherrn aufgenommenen Kredites, von besonderem praktischen Interesse. Folgt man der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht, so sollen Zinsaufwendungen für Kredite zur Deckung der Bundes- bzw. Landeshaushalte nicht erst bei Schuldnerverzug nach §§ 286, 288 Abs. 2 BGB, sondern bereits im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 BGB geschuldet sein 3 6 6 . Die Instanzgerichte haben zunächst dazu tendiert, dem geltend gemachten Anspruch des Dienstherrn gegen den Beamten auf Ersatz von Kreditzinsen stattzugeben 367 . Die Verwaltungsgerichtshöfe der Länder Bayern und Baden-Württemberg haben hierzu dargelegt, daß neben dem unmittelbaren Schaden, der am verletzten Rechtsgut selbst eintrete, auch jeder mittelbare Schaden von dem Beamten zu ersetzen sei. Dazu zähle auch ein Kredit364
Deutsch, JZ 1966, S. 558 f. im Fall des Urteils des VGH Kassel vom 16.11.1965. 365 Kaster, S. 121. 366 BGH, Urt. v. 06.11.1973, BGHZ 61, 346 (347); BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 32, 2 (2). 367 VGH München, Urt. v. 22.12.1982, Schütz ES/B II 2 Nr. 5, 22 (25); VGH Mannheim, Urt. v. 29.04.1982, Schütz ES/B II 2 Nr. 3, 10 (11). *
1
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
schaden der öffentlichen Hand. Der Nachweis, daß gerade wegen der strittigen Forderung ein Kredit aufgenommen oder nicht zurückgezahlt worden sei, sei dabei nicht zu fordern. Zwar möge ein solcher Vorgang bei Bund und Ländern möglicherweise ebensowenig stattfinden wie bei einem Großunternehmen, das mit Fremdgeld arbeite und über bedeutende Kassenbestände verfüge. Dies ändere aber nichts daran, daß - im ganzen gesehen die aufgenommenen Kredite ohne die schädigende Handlung des Beamten geringer gewesen wären 3 6 8 . Einen wesentlich strengeren Maßstab legt dagegen das Bundesverwaltungsgericht an: Wenngleich die konkrete Höhe von Zinsaufwendungen bei Großschuldnern wie Bund und Ländern regelmäßig keines gesonderten Nachweises bedürfe, so sei doch der Nachweis, daß zwischen den Aufwendungen des Bundes für Kreditzinsen und der zum Schaden führenden Dienstpflichtverletzung des jeweiligen Beamten überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, unverzichtbar. Eine solche Beweisführung gelinge indes nicht. Die Schadensverursachung einzelner Bediensteter habe weder Einfluß auf die Kreditaufnahme während des laufenden Haushaltsjahres noch auf die Aufstellung des Haushaltsplans des Folgejahres 369 . Damit fehle es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verletzung der Dienstpflicht und dem Zinsaufwand des Bundes für die Aufnahme von Krediten zur Sicherung seiner Zahlungsverpflichtungen 370 . Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des auf die Verkehrsanschauung abstellenden „normativen Schadensbegriffs" 371 . Im beamtenrechtlichen Schrifttum wird eine Ersatzpflicht zum Teil bejaht 3 7 2 , zum Teil unter Zuhilfenahme einer am Pflichtwidrigkeitszusammenhang ausgerichteten Argumentation verneint: Die beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften bezweckten nicht den Schutz des Dienstherrn vor Aufwendungen, die mit dessen Kreditaufnahme im Zusammenhang stünden 373 . Letzteres erscheint richtig: Es bedeutete einen nicht hinnehmbaren Widerspruch, wollte man dem Dienstherrn trotz Verneinung eines Verzugsscha368 VGH München, Urt. v. 22.12.1982, Schütz ES/B II 2 Nr. 5, 22 (25); VGH Mannheim, Urt. v. 29.04.1982, Schütz ES/B II 2 Nr. 3, 10 (11). 369 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988, Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 13, 6 (9). 370 So bereits zuvor BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 32, 2 (2); BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, Buchholz 237.0 § 89 BaWü LBG Nr. 3, 5 (5 f.); zustimmend: Czybulka, S. 125; grundsätzlich auch Schön, S. 965 (der jedoch einen Kausalzusammenhang mit der unter Umständen erforderlichen Kassenverstärkung nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 BHO/LHO bejaht). 371 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988, Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 13, 6 (9). 372 Hildebrandt/Demmler/Bachmann, § 84 LBG NRW Anm. 2. 4; Lemhöfer, Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 47 spricht von einem „an sich ersatzfähigem Schaden". 373 Simianer, S. 45.
in:
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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densanspruches im Sinne der §§ 286, 288 BGB für den praktisch wichtigsten Anwendungsfall des § 288 Abs. 2 B G B 3 7 4 einen Anspruch auf Ersatz für dessen Zinsaufwand auf der Basis der Differenztheorie zusprechen. Anders als ein Gläubiger im Privatrecht bedarf der Dienstherr auch keines derartigen Druckmittels, um den säumigen Schuldner zur Leistung anzuhalten. Denn der Verwaltung steht in Gestalt der von der Rechtsprechung akzeptierten Möglichkeit des Leistungsbescheides375 grundsätzlich ein ausreichendes Mittel zur Verfügung, ihre gegen den Beamten gerichtete Forderung durchzusetzen. 3. Zusammenfassung Zur Vermeidung einer uferlosen Ersatzpflicht des Beamten ist für die Tatbestände der beamtenrechtlichen Innenhaftung - wie auch sonst im allgemeinen Schadensersatzrecht, soweit es um Verschuldens- und nicht um Gefährdungshaftung geht - für den haftungsausfüllenden Tatbestand das Bestehen adäquater Kausalität zu verlangen. Eine Beschränkung der Ersatzpflicht unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs ist demgegenüber nur sehr eingeschränkt möglich. Sie setzt voraus, daß die verletzte Pflicht einer teleologischen Auslegung zugänglich ist, was jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn hinsichtlich der Pflichtverletzung auf die allgemeine, erfolgsbezogene Pflicht des Beamten abgestellt wird, den Dienstherrn schädigende Handlungen zu unterlassen. Nicht adäquat verursacht und zudem vom Schutzzweck der §§78 BBG, 46 BRRG nicht umfaßt sind geltend gemachte Ansprüche des Dienstherrn wegen angefallener Zinsen für die staatliche Kreditaufnahme. Insoweit besteht folglich keine Ersatzpflicht des Beamten. V I . Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs Die Verjährung des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs war bis zum Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften am 1. Januar 1993 in Absatz 3 des § 78 BBG a.F. enthalten. Durch den Fortfall des Absatzes 2 a.F. rückte die Verjährungsregelung zu § 78 Abs. 2 BBG n.F. (§ 46 Abs. 2 BRRG n.F.) auf. Die überarbeitete Verjährungsregelung der §§ 78 Abs. 2 BBG, 46 Abs. 2 BRRG enthält eine kurze, von der Kenntniserlangung des Dienstherrn abhängige, Verjährungsfrist von drei Jahren (sogenannte relative Verjährung) sowie eine von 374 375
Vgl. OVG Münster, Urt. v. 06.03.1986, RiA 1986, 187 (188). Unten 5. Kapitel Α. II.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
dessen Kenntnis unabhängige Frist von zehn Jahren (absolute Verjährung). Weiterhin unterscheidet der Wortlaut der Vorschrift zwischen der unmittelbaren (Satz 1) und der mittelbaren Schädigung des Dienstherrn (Satz 2). Während bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn die relative Verjährungsfrist mit dessen Kenntnis vom Schaden und der Person des ersatzpflichtigen Beamten zu laufen beginnt, ist es für den Beginn der Verjährungsfrist bei mittelbarer Schädigung maßgebend, wann der Dienstherr den Anspruch des Dritten anerkennt oder wann der Anspruch rechtskräftig festgestellt wird. Diese Regelung entspricht dem Wesen der Rückgriffshaftung 3 7 6 . Denn der Schaden entsteht in der Person des Dienstherrn mit hinreichender Sicherheit erst durch Anerkenntnis oder durch rechtskräftige Feststellung. Vor diesem Zeitpunkt liegt ein Schaden lediglich in der Person des Dritten vor. Die durch ein Abstellen auf einen früheren Zeitpunkt als den der Anerkenntnis oder der rechtskräftigen Feststellung entstehende Rechtsunsicherheit über die Ersatzpflicht des Beamten könnte den Dienstherrn, um einer Verjährung des Anspruchs vorzubeugen, zu einer frühzeitigen Feststellungsklage gegen den Beamten nötigen, die unter dem Aspekt der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht bedenklich erschiene 377 . 1. Die relative Verjährungsfrist der §§ 78 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs, Satz 2 BBG, 46 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs, Satz 2 BRRG a) Die relative
Verjährungsfrist
bei Eigenschäden des Dienstherrn
Zweck der relativen Verjährung des Schadensersatzanspruchs ist die möglichst rasche Herbeiführung von Rechtsfrieden durch angemessene Verteilung des durch Zeitablauf entstehenden Prozeßrisikos. Das Gesetz trägt den berechtigten Interessen des Dienstherrn dadurch Rechnung, daß es den Beginn der Verjährungfrist von dessen Kenntnis abhängig macht, während die Kürze der Frist auf der Erwägung beruht, daß eine baldige Klärung der Ersatzpflicht im Interesse einer sachgerechten Verteidigung des Beamten geboten i s t 3 7 8 . aa) Die Kenntnis des Dienstherrn vom Schadenssachverhalt Die Drei-Jahres-Frist der §§78 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs BBG, 46 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs BRRG beginnt zu laufen, wenn der Dienstherr sowohl über den Schadenseintritt als auch über die Person seines möglichen Schuldners 376
Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 56. BVerwG, Urt. v. 29.01.1976, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 21, 2 (10). 378 VGH Mannheim, Urt. v. 05.03.1982, DÖD 1983, 62 (63 f.); OVG Koblenz, Urt. v. 18.09.1985, NVwZ 1986, 146 (146 f.). 377
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG,
BRRG
1
unterrichtet i s t 3 7 9 . Trotz des insoweit wenig geglückten Wortlauts, der - im Singular - auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellt, können Kenntniserlangung vom Schadensfall und Bekanntwerden der Person des Schadensstifters durchaus in einigem zeitlichen Abstand aufeinanderfolgen. Die Gesetzesformulierung „von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat" ist daher zu lesen als: „sobald der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat". Wegen der Parallelität der §§ 78 BBG, 46 BRRG zur Verjährung deliktischer Ansprüche des Privatrechts gemäß § 852 BGB ziehen Rechtsprechung 3 8 0 und Literatur 3 8 1 zur Auslegung die im Zivilrecht entwickelten Grundsätze über die Kenntniserlangung durch den Privatrechtsgläubiger entsprechend heran, sofern nicht Besonderheiten des öffentlichen Dienstrechts entgegenstehen. Demgemäß kommt es für den Fristbeginn nicht darauf an, ob der Dienstherr von dem Schaden und dem Schädiger hätte Kenntnis haben können oder haben müssen, sondern nur, ob er diese Kenntnis auch tatsächlich besaß. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Dienstherr, der sich in zumutbarer Weise von den erheblichen Tatsachen Kenntnis verschaffen kann, dies in rechtsmißbräuchlicher Weise unterläßt 382 . Die erforderliche Kenntnis des Dienstherrn ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen einen bestimmten Beamten mit einiger Aussicht auf Erfolg Klage erheben kann 3 8 3 . Dafür ist es nicht notwendig, daß er den Schaden der Höhe nach bereits genau beziffern kann, sondern nur, daß ihm der Hergang der Schädigung in seinen Grundzügen bekannt ist, da zur Wahrung seiner Ansprüche grundsätzlich die Erhebung einer Feststellungsklage genügt 3 8 4 , welche die Verjährung entsprechend § 209 BGB unterbricht und bei Erfolg das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach bestätigt.
379
Battis , § 78 BBG Rn. 11. BVerwG, Urt. v. 09.03.1989, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 38, 6 (8); VGH Mannheim, Urt. v. 05.03.1982, DÖD 1983, 62 (63); OVG Münster, Urt. v. 16.08.1993, NVwZ-RR 1994, 225 (225). 381 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 53; Meyer, S. 62; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 53; Simianer, S. 45. 382 BGH, Urt. v. 10.04.1990, VersR 1991, 1032 (1032); Möx, S. 109; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 23 b). 383 OVG Koblenz, Urt. v. 29.01.1999, DÖD 1999, 162 (162 f.). 384 BVerwG, Urt. v. 09.03.1989, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 38, 6 (8); Meyer, S. 63; Simianer, S. 45. 380
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
bb) Die Zurechnung der Kenntniserlangung durch die Organe des Dienstherrn Der Dienstherr als juristische Person des öffentlichen Rechts und damit als bloßes rechtliches Denkgebilde kann selbst keine Kenntnis erlangen. Spricht das Gesetz dennoch von der Kenntnis des Dienstherrn, so ist die Kenntnis eines Organs des Dienstherrn, also einer natürlichen Person, gemeint, deren Wissen sich der Dienstherr zurechnen lassen muß. ( 1 ) Kenntnis des Dienstvorgesetzten als für die Geltendmachung zuständiges Organ Danach ist die Kenntnis des Dienstherrn fraglos zu bejahen, wenn das für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches zuständige Organ hinreichende Kenntnis vom Schadenssachverhalt erlangt hat 3 8 5 . Da diese Aufgabe als Entscheidung in persönlichen Angelegenheiten des Beamten im Sinne von § § 3 Abs. 2 Satz 1 BBG in der Regel dem Dienstvorgesetzten obliegt 3 8 6 , wurde früher grundsätzlich allein dessen Kenntnis für ausreichend erachtet, um den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen 387 . (2) Kenntnis der für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Ersatzanspruchs zuständigen Stellen Der Kenntnis des für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs zuständigen Organs entsprach bei größeren Behörden regelmäßig die Kenntnis der nach der internen Geschäftsverteilung für die Einziehung von Schadensersatzansprüchen zuständigen Stelle. Dies mußte insbesondere dort zu unbilligen Ergebnissen führen, wo letztere nur für die technische Abwicklung der Innenhaftung zuständig war. Ende der achtziger Jahre hat daher der Zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, daß der Kenntnis des Dienstvorgesetzten die Kenntnis der fachaufsichtsführenden Stelle gleichgestellt werden müsse 388 . Der Beamte brauche drei Jahre nachdem die fachaufsichtsführende Stelle seiner vorgesetzten Dienstbehörde Kenntnis erlangt habe, nicht mehr mit Rückgriffsansprüchen zu rechnen. Denn die Fachaufsicht sei für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshan385 BVerwG, Urt. v. 09.03.1989, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 38, 2 (9); Kümmel, § 86 NBG Rn. 41; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 53 a); Meyer, S. 63. 386 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 57. 387 VGH Mannheim, Urt. v. 05.03.1983, DÖD 1983, 62 (64); OVG Koblenz, Urt. v. 18.09.1985, NVwZ 1986, 146 (147); Battis, 1. Auflage, § 78 BBG Anm. 6. a). 388 BVerwG, Urt. v. 09.03.1989, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 38, 2 (9).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
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delns und damit gleichsam zur Vorbereitung und Veranlassung der Geltendmachung von Ansprüchen im Innenverhältnis zuständig 389 . Es sei rechtlich nicht vertretbar, allein auf die Kenntnis derjenigen Behördenbediensteten abzustellen, die den Anspruch durchsetzen. Andernfalls käme es allein darauf an, in welchem Zeitpunkt eine entsprechende Schadensmeldung von der Fachaufsichtsbehörde an die Schadensersatzstelle weitergeleitet werde. Dem hat sich der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts wenig später angeschlossen390. (3) Kenntnis des für die Einberufung eines Kollegialorgans zuständigen Amtswalters Die erkennbare Tendenz, Verzögerungen im behördeninternen Bereich nicht der Risikosphäre des Beamten, sondern derjenigen des Dienstherrn zuzuordnen, zeigt sich erneut in einer Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverwaltungsgerichts 391 : Der Beklagte in diesem Verfahren war Bürgermeister und Gemeindedirektor. Zuständiges Organ für dessen Heranziehung auf der Grundlage der §§ 86, 195 NBG war der Rat der klagenden Gemeinde. Das Gericht hielt die Klageforderung für teilweise verjährt, obwohl Kenntnisnahme und Beschlußfassung des Rates noch keine drei Jahre zurücklagen. Es begründete dies damit, daß es insoweit nicht auf die Kenntnis des Kollegialorgans in seiner Gesamtheit ankommen könne, sondern es ausreiche, daß derjenige einzelne Amtsträger Kenntnis vom Schadensereignis sowie von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt habe, der zuständig und verantwortlich sei, durch Einberufung des Kollegialorgans und Herbeiführung seiner Beschlußfassung, die Durchsetzung des Schadensersatzanspruches einzuleiten. Im konkreten Fall war dies der stellvertretende Bürgermeister. Es sei rechtlich nicht vertretbar, allein auf die Kenntnis des zuständigen Kollegialorganes in seiner Gesamtheit im Rahmen einer ordnungsgemäß geladenen Sitzung abzustellen. Denn diese Kenntnisnahme könne sich aus vielerlei Gründen verzögern, obwohl der zuständige und verantwortliche Amtsträger bereits alle Maßnahmen zur Einberufung des Kollegialorgans und Herbeiführung seiner Beschlußfassung zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruches getroffen habe oder habe treffen können 3 9 2 .
389 390 391 392
BVerwG, BVerwG, BVerwG, BVerwG,
Urt. Urt. Urt. Urt.
v. v. v. v.
09.03.1989, 15.08.1989, 22.02.1996, 22.02.1996,
Buchholz Buchholz Buchholz Buchholz
232 § 78 BBG Nr. 38, 2 (9 f.). 236.1 § 24 SG Nr. 14, 10 (13). 237.6 § 86 Nds LBG Nr. 4. 237.6 § 86 Nds LBG Nr. 4, 3 (7).
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
(4) Kenntnis des Amts- bzw. Fachvorgesetzten Umstritten ist, ob auch die Kenntnis des unmittelbaren Vorgesetzten des Beamten, des sogenannten Amts- oder Fachvorgesetzten, den Lauf der Verjährungsfrist auslöst. (a) Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesverwaltungsgerichts zur Kenntnis des nächsten Vorgesetzten im Bereich der Bundeswehr Der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts 393 hat dies zumindest für den Bereich der soldatenrechtlichen Haftung auf der Grundlage des § 24 SG verneint 3 9 4 . Dem nächsten Vorgesetzten des schadenverursachenden Soldaten stehe keine eigene rechtliche Entscheidungsbefugnis zu. Er sei nicht einmal zur Bewertung des ihm zur Kenntnis gelangten Sachverhalts berufen und zudem meist rechtsunkundig. Insgesamt hätten die nächsten Vorgesetzten damit nicht das Maß an Sachzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, das es rechtfertigen würde, ihre Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen dem Dienstheim zuzurechnen. Dies habe auch der Bundesgerichtshof für den Fall der Kenntnis eines Kompaniechefs der Bundeswehr entschieden 395 . (b) Gegenposition von Meyer Meyer 396 ist dieser Auffassung im Hinblick auf die Innenhaftung der Beamten entgegengetreten. Auf eine eigene rechtliche Entscheidungsbefugnis des Fachvorgesetzten könne es nicht ankommen. Ausschlaggebend sei vielmehr, daß der Dienstherr sich des nächsten Vorgesetzten gerade bei Schadensfällen durch Untergebene bediene, indem er diesem die Pflicht auferlege, die notwendigen Ermittlungen zu treffen. Daß der nächste Vorgesetzte häufig rechtsunkundig sei, sei irrelevant, da es nicht um eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts, sondern allein um die Kenntnis aller relevanten Tatsachen gehe. Die Drei-Jahres-Frist belasse dem Dienstherrn einen hinreichend langen Zeitraum, eine eingehende Prüfung durch entsprechend 393 BVerwG, Urt. v. 15.08.1989, Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 14; nunmehr auch der Zweite Senat: BVerwG, Urt. v. 11.03.1999, DÖV 1999, 645 (647). 394 Im Schrifttum ist Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 66 der gleichen Ansicht. 395 BVerwG, Urt. v. 15.08.1989, Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 14, 9 (12 f.) unter Berufung auf BGH, Urt. v. 19.03.1985, VersR 1985, 735 (735 f.). 396 Meyer, S. 63; zustimmend: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 23 b).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
qualifizierte Beamte sicherzustellen. Zudem erfahre der allgemeine Grundgedanke aller Verjährungsregelungen, eine sachgerechte Verteidigung des Ersatzpflichtigen zu ermöglichen, im Bereich der Beamtenhaftung aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn eine besondere Verstärkung, die es gebiete, daß der Dienstherr bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen den Beamten nicht übermäßig lange mit der Ungewißheit über eine mögliche Ersatzverpflichtung belaste. Denn dies führe zu einer noch stärkeren Störung des Dienstverhältnisses, als sie das Schadensersatzbegehren ohnehin schon zur Folge habe. Schließlich sei es auch mit dem Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar, den Beginn der Verjährungsfrist davon abhängig machen zu wollen, wann der unmittelbare Vorgesetzte den Vorgang innerbehördlich an die zuständige Stelle weiterleite 397 . (c) Stellungnahme Im Ergebnis wird man sich der Auffassung Meyers anschließen müssen. Der Beamte hat, wie auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Verjährung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn deutlich gemacht hat, ein schützenswertes Interesse daran, drei Jahre nach Bekanntwerden des Schadensfalls und seiner Verantwortlichkeit, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Zwar genügt es insoweit nicht, daß irgendein Bediensteter Kenntnis vom Schadenssachverhalt erlangt hat. Sehr wohl ausreichend ist jedoch die Kenntnis des Amts- bzw. Fachvorgesetzten. Denn dieser ist regelmäßig verpflichtet, den Sachverhalt sowie die Person des Ersatzpflichtigen zu ermitteln und die Ermittlungsergebnisse weiterzuleiten. Verletzt er diese Pflicht, wird er unter Umständen selbst ersatzpflicht i g 3 9 8 . Erlangt der unmittelbare Vorgesetzte folglich Kenntnis von den für den Beginn der Verjährungsfrist relevanten Umständen, so ist das Vertrauen des Beamten darauf, der Vorgesetzte werde die Mitteilung an die zuständigen Stellen nicht grundlos verzögern, nicht weniger schutzwürdig als in dem vom Zweiten Senat des Bundesverwaltungsgerichts entschiedenen Fall der Kenntniserlangung durch den zur Einberufung des Gemeinderates zuständigen stellvertretenden Bürgermeister. Zu Unrecht beruft sich der Sechste Senat auf die angeblich entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es einem Kompaniechef der Bundeswehr an der nötigen Sachzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit fehlen soll, die es rechtfertigen würden, seine Kenntnis vom
397 398
hin.
Meyer, S. 64. Darauf weisen Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl,
Art. 85 BayBG Anm. 23 b)
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen dem Dienstherrn zuzurechnen. Zwar sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Verjährung nach § 852 BGB strenge Anforderungen an die Annahme eines sogenannten „Wissensvertreters" im Sinne von § 166 BGB zu stellen 399 . Der Gerichtshof hat die nach § 166 BGB erforderliche Eigenständigkeit und Kompetenz eines Kompaniechefs der Bundeswehr in seiner Entscheidung vom 19. März 1985 aber nur insoweit abgelehnt, als dessen Ermittlungspflicht gegenüber einem außerhalb der Bundeswehr stehenden Dritten in Rede stand. In diesem Fall erfüllten die Schadensberichte des Vorgesetzten nach Meinung des Gerichts nur die Funktion einfachster Kontrollmitteilungen. Nicht entschieden hat der Bundesgerichtshof, was zu gelten hat, wenn sich die Ermittlungen gegen einen Soldaten der Bundeswehr richten400. Im innerbehördlichen Bereich wird man die Sachzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des nächsten Vorgesetzten aber nicht in Zweifel ziehen können. Die erforderliche Zuständigkeit ergibt sich hier aus dessen Pflicht zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung sowie zur etwaigen Entgegennahme von Selbstanzeigen des Schadensstifters, während sich die nötige Verantwortlichkeit aus dessen persönlicher haftungsrechtlicher und disziplinarrechtlicher Einstandspflicht ableiten läßt. b) Die relative
Verjährungsfrist
bei Fremdschäden
aa) Anerkennung oder rechtskräftige Feststellung des Anspruchs Hat der Dienstherr einem Dritten Schadensersatz geleistet, so tritt nach §§78 Abs. 2 Satz 2 BBG, 46 Abs. 2 Satz 2 BRRG an die Stelle des Zeitpunktes, in dem der Dienstherr von dem Schaden Kenntnis erlangt, der Zeitpunkt, in dem der Ersatzanspruch des Dritten diesem gegenüber vom Dienstherrn anerkannt oder dem Dienstherrn gegenüber rechtskräftig festgestellt worden ist. Die Anerkennung des Anspruchs durch den Dienstherrn kann gerichtlich oder außergerichtlich erfolgen 401 , die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs wird in der Regel in der Verurteilung des Dienstherrn zur Zahlung liegen 4 0 2 . bb) Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen Fraglich ist, ob neben der Anerkennung des Anspruchs bzw. dessen rechtskräftiger Feststellung zusätzlich die Kenntnis des Dienstherrn von der 399 BGH, Urt. v. 19.03.1985, VersR 1985, 735 (735); BGH, Urt. v. 22.04.1986, DÖD 1986, 220 (221). 400 BGH, Urt. v. 19.03.1985, VersR 1985, 735 (736). 401 Battis, § 78 BBG Rn. 12. 402 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 53 c).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§78 BBG, 46 BRRG
189
Person des ersatzpflichtigen Beamten erforderlich ist. Sah die bis zum 31. Dezember 1992 geltende Gesetzesfassung in §§ 78 Abs. 3 Satz 2 a.E. BBG, 46 Abs. 3 Satz 2 a.E. BRRG noch ausdrücklich vor, daß die Verjährungsfrist bei Ansprüchen wegen mittelbarer Schädigung des Dienstherrn nicht zu laufen beginnt bevor „der Dienstherr von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat", enthält die durch das Neunte Gesetz zur Änderung der dienstrechtlichen Vorschriften veränderte Fassung der Verjährungsbestimmung diesen Zusatz nicht mehr. (1) Wegfall
des Erfordernisses
Der geänderte Wortlaut des Gesetzes hat die beamtenrechtliche Literatur vielfach zu der Annahme veranlaßt, die Neufassung sei von der Voraussetzung, daß der Dienstherr auch Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen haben müsse, entlastet worden 4 0 3 . Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl begrüßen den Fortfall dieses Erfordernisses sogar als gerechten Fortschritt, habe doch die vorherige Gesetzesbestimmung noch auf der Rechtslage nach dem Deutschen Beamtengesetz von 1937 beruht und eine ungerechtfertigte Privilegierung der Interessen des nicht pflichtgemäß ermittelnden Dienstherrn bedeutet 404 . (2) Gegenansicht von Lemhöfer Nach Lemhöfer ist die Sonderregelung der §§ 78 Abs. 2 Satz 2 BBG, 46 Abs. 2 Satz 2 BRRG heute dahin eingeschränkt und präzisiert, daß lediglich an die Stelle der Kenntnis des Dienstherrn vom Schaden die Anerkennung des Ersatzanspruchs des Dritten oder die rechtskräftige Feststellung dieses Anspruchs trete. Die Kenntnis des Dienstherrn von der Person des Ersatzpflichtigen sei weiterhin erforderlich, werde aber bei Anerkennung oder Feststellung der Ersatzpflicht des Dienstherrn gegenüber dem Dritten im allgemeinen ohne weiteres gegeben sein 4 0 5 . (3) Stellungnahme - Eindeutigkeit und Gesetzgebungsverfahren
von Wortlaut
Nach der übereinstimmenden Auffassung von Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof stellen die Vorschriften über die Verjährung eine for-
403 404 405
Battis , § 78 BBG Rn. 2; Hofmann, S. 102. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 23 c). Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 53 c).
190
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
male, im Interesse der Rechtssicherheit bestehende Regelung dar, deren Auslegung sich stets eng an den Gesetzeswortlaut anlehnen muß 4 0 6 . Lemhöfer weist daher zu Recht darauf hin, daß nach dem Wortlaut der Neufassung der Verjährungsbestimmung die Anerkennung oder die gerichtliche Feststellung des Anspruchs lediglich an die Stelle der Kenntnis des Dienstherrn vom Schaden tritt. Mit der Formulierung „an die Stelle" verweist §§ 78 Abs. 2 Satz 2 BBG, 46 Abs. 2 Satz 2 BRRG hinsichtlich der Verjährungsfrist bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn zurück auf §§78 Abs. 2 Satz 1 BBG, 46 Abs. 2 Satz 1 BRRG. Für den Beginn der Verjährungsfrist nach Satz 1 ist aber sowohl die Kenntnis des Dienstherrn vom Schaden als auch diejenige von der Person des Ersatzpflichtigen erforderlich. Die Auffassung, auf die Kenntnis des Ersatzpflichtigen könne bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn fortan verzichtet werden, ist folglich mit dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht zu vereinbaren, wenngleich zuzugeben ist, daß sich der Sinn des Gesetzes erst bei genauer Lektüre erschließt. Hätte der Gesetzgeber der zwölften Legislaturperiode durch das Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften die bestehende Rechtslage im Bereich der Verjährung zu ändern beabsichtigt, wäre eine Klarstellung in den Gesetzesmotiven nötig gewesen. Hinweise auf einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers sind jedoch nicht erkennbar. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Verjährungsfrist auch bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn nur dann zu laufen beginnt, wenn der Dienstherr von der Person des ersatzpflichtigen Beamten Kenntnis erlangt hat. Es wird Aufgabe der Gerichte sein, die Streitfrage in dem genannten Sinne einer Klärung zuzuführen. 2. Die absolute Verjährungsfrist (§§ 78 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs BBG, 46 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs BRRG) Ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Dienstherrn verjähren dessen Schadensersatzansprüche gegen den Beamten sowohl wegen entstandener Eigenschäden als auch wegen entstandener Fremdschäden 407 in zehn Jahren von der Begehung der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung an (§§ 78 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs BBG, 46 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs BRRG). Die gegenüber § 852 BGB deutlich kürzere Frist trägt der besonders engen Bindung zwi-
406
BVerwG, Urt. v. 13.05.1993, ZBR 1993, 335 (336); BGH, Urt. v. 06.11.1969, BGHZ 53, 43 (47). 407 So schon BVerwG, Urt. v. 13.05.1993, ZBR 1993, 335 (335) (entschieden für Fremdschäden im nichthoheitlichen Bereich nach Landesrecht vor Anpassung an die Neufassung des § 46 BRRG).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
191
sehen Dienstherrn und Beamten Rechnung, indem sie Rechtsfrieden bereits nach zehn anstatt nach dreißig Jahren einkehren läßt. Die absolute Verjährung tritt auch dann ein, wenn der Schaden und damit der Ersatzanspruch des Dienstherrn noch gar nicht entstanden i s t 4 0 8 . Nach Ablauf von zehn Jahren kann der Beamte somit darauf vertrauen, von seinem Dienstherrn nicht mehr mit Schadenssachverhalten konfrontiert zu werden, deren Aufklärung erhebliche Schwierigkeiten bereiten und den Beamten möglicherweise in Beweisnot führen würde 4 0 9 . 3. Die Rechtswirkung der Verjährung a) Keine Berücksichtigung
der Verjährung
von Amts wegen
War bisher die Frage zu beantworten, wann die Verjährungsfrist der §§78 Abs. 2 BBG, 46 Abs. 2 BRRG zu laufen beginnt, ist nun zu klären, welche rechtliche Wirkung der Ablauf der Frist auf den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn hat. Nach allgemeiner beamtenrechtlicher Auffassung gewährt der Eintritt der Verjährung dem Beamten lediglich ein einredeabhängiges Leistungsverweigerungsrecht. Es sei Sache des Beamten, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen. Eine Berücksichtigung durch den Dienstherrn von Amts wegen finde nicht statt. Daher sei die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs trotz vom Diensthern erkannter Verjährung im Grundsatz zuläsSig 4 1 0 Diese Überzeugung ist jedoch keineswegs selbstverständlich, da zu berücksichtigen ist, daß der Anspruch des Dienstherrn nach heutiger Anschauung unbestritten dem öffentlichen Recht angehört. Zwar gibt es im öffentlichen Recht wegen der Vielzahl unterschiedlicher Bestimmungen keinen allgemeinen Grundsatz dergestalt, daß Forderungen der öffentlichen Hand mit Ablauf der Verjährungsfrist erlöschen 411 . Im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Forderungen des Staates gegen den Bürger wird aber vereinzelt sowohl im Schrifttum 4 1 2 als auch in der Rechtsprechung 413 mit Hinweis auf den 408
BVerwG, Urt. v. 13.05.1993, ZBR 1993, 335 (336); BGH, Urt. v. 27.05.1986, BGHZ 98, 77 (82) für § 852 BGB. 409 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 53 b). 410 Hilg, § 31 II 2 (S. 370); Kümmel, § 86 NBG Rn. 40; Leusser/Gerner/Kruis, Art. 85 BayBG Anm. 6e); für das frühere Recht: Wittland, in: Nadler/Wittland/ Ruppert, § 23 DBG Rn. 43; offengelassen von VGH Mannheim, Urt. v. 05.03.1982, DÖD 1983, 62 (65). 411 Dörr, S. 16. 412 Haenicke, S. 348 f.; Woljf/Bachof/Stober, Band I, § 39 II e 2d. 413 BSG, Urt. v. 17.12.1964, BSGE 22, 173 (177 f.).
192
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Meinung vertreten, der Eintritt der Verjährung sei im behördlichen Verfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Angesichts der besonderen Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn gegenüber dem Beamten muß gefragt werden, ob dies nicht erst recht in bezug auf die beamtenrechtliche Schadensersatzverbindlichkeit zu gelten hat. Gesteht man mit der herrschenden Rechtsprechung dem Dienstherrn nämlich das Recht zu, seinen Anspruch mittels Leistungsbescheides einzufordern, so besteht die Gefahr, daß der Bescheid trotz eingetretener Verjährung in Bestandskraft erwächst und der Dienstherr daraus die Vollstreckung betreibt. Ein solches Ergebnis schiene mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nur schwerlich vereinbar zu sein 4 1 4 . Andererseits ist der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten historisch im bürgerlichen Recht gewachsen und hat sich nur allmählich zu einem öffentlich-rechtlichen Anspruch fortentwickelt. Schon aus diesem Grunde liegt es nahe, auch hinsichtlich der Verjährung auf privatrechtliche Grundsätze zurückzugreifen 415 . Darüber hinaus wird nur das Verständnis vom Einredecharakter der Verjährung des Anspruchs aus §§78 BBG, 46 BRRG dem Willen des Gesetzgebers gerecht: So sah der von der Bundesregierung dem Bundesrat am 26. Mai 1978 vorgelegte Entwurf zur Neuregelung der beamtenrechtlichen Innenhaftung anläßlich des beabsichtigten Erlasses eines Staatshaftungsgesetzes in § 43 Abs. 2 zwar einen besonderen Erlöschenstatbestand für den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten vor. Dieser Entwurf fand in den nachfolgenden Gesetzesberatungen jedoch keinen Konsens 416 . In Anbetracht der seinerzeit in den Ausschüssen vorgebrachten 417 und vom Bundesrat aufrechterhalten e n 4 1 8 Einwände gegen eine Erlöschens Wirkung im Rahmen der §§78 BBG, 46 BRRG verbietet es sich, allein im Wege einer auf die Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn gestützten Auslegung, ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Erlöschen des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs herbeiführen zu wollen. Hätte der Gesetzgeber des Neunten Dienstrechtsreformgesetzes eine entsprechende Neuregelung beabsichtigt, wäre dies, etwa nach dem Vorbild des Abgabenrechts 419 , in unmißverständlicher Form geschehen.
414
Zweifelnd auch: Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 66 und Kümmel, § 86 NBG Rn. 40. 415 Henschel, S. 210 f. 416 Zum Ganzen oben 1. Kapitel Α. V. 5. a). 417 Empfehlungen der Ausschüsse BR-Drs. 215/1/78, zu § 43 (S. 31). 418 Stellungnahme des Bundesrates BR-Drs. 215/78, Begründung zu § 43 (S. 28). 4,9 § 232 AO: Durch die Verjährung erlöschen der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängigen Zinsen.
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
b) Hinweispflicht
193
des Dienstherrn auf erkannte Verjährung
Bewirkt die Fürsorgepflicht des Dienstherrn somit nicht das Erlöschen des Anspruchs nach Ablauf der Verjährungsfrist, bleibt zu erwägen, ob die Fürsorgepflicht den Dienstherrn zumindest verpflichtet, den Beamten auf die eingetretene Verjährung des Anspruchs hinzuweisen. Die Annahme einer solchen Verpflichtung wird der besonderen Interessenlage bei der Haftung des Beamten durchaus gerecht: Die Frist von drei Jahren räumt dem Dienstherrn eine ausreichende Zeitspanne ein, den Anspruch zu prüfen und geltend zu machen. Verzögert sich diese Geltendmachung aus Gründen, die der Beamte nicht zu vertreten hat, ist es nicht unbillig, aus Fürsorgegesichtspunkten zu verlangen, daß der Dienstherr auf die eingetretene Verjährung aufmerksam macht. Für den Beamten verbleibt ein gewisses, aber hinzunehmendes, Restrisiko, daß ein an ihn gerichteter Leistungsbescheid trotz eingetretener Verjährung bestandskräftig wird, wenn der Dienstherr schuldlos davon ausgegangen ist, der Anspruch sei noch nicht verjährt. Diese Auslegung läßt sich ohne weiteres mit der gesetzlichen Regelung vereinbaren, da es nicht zu einem Erlöschen des Anspruchs kommt. Vielmehr bleibt es dem Beamten überlassen, ob er sich auf die Verjährung berufen will oder nicht. Unterbleibt ein entsprechender Hinweis ohne Verschulden des Dienstherrn oder erbringt der Beamte die Leistung in Kenntnis der Verjährung, so kann das Geleistete nach dem Grundsatz des § 222 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zurückgefordert werden. 4. Unterbrechung und Hemmung der Verjährungsfristen Die §§78 BBG, 46 BRRG enthalten keine ausdrückliche Regelung über Hemmung und Unterbrechung des Fristenlaufs. Insoweit sind die Vorschriften der §§ 202 ff. BGB entsprechend anzuwenden 420 . a) Fallgruppen der Verjährungsunterbrechung Die Unterbrechung der Verjährungsfrist bewirkt gemäß § 217 BGB, daß die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht mehr in Betracht kommt. Nach Beendigung der Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist erneut zu laufen. aa) Folgt man der Auffassung der Rechtsprechung, die die Heranziehung des Beamten mittels Leistungsbescheides für rechtmäßig hält, so wird die laufende Verjährungsfrist durch Zustellung des Leistungsbescheides unter420 Battis , § 78 BBG Rn. 11; Kümmel, § 86 NBG Rn. 43; Lemhöfer, Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 54 f. 13 Beckmann
in: Plog/
194
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
brochen. Diese frühere Streitfrage ist heute durch § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gesetzlich entschieden. Gleiches gilt bei Erlaß eines Erstattungsbeschlusses durch den Dienstherrn 421 . bb) Entsprechend § 209 Abs. 1 BGB wird die Verjährung auch dann unterbrochen, wenn der Dienstherr auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs Klage erhebt 422 . In diesem Fall dauert die Unterbrechung fort, bis der Prozeß rechtskräftig entschieden oder anderweit erledigt ist (§211 Abs. 1 BGB). cc) Schließlich wird die Verjährung entsprechend § 208 BGB unterbrochen, wenn der Beamte dem Dienstherrn gegenüber den Ersatzanspruch anerkennt. Das Anerkenntnis kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent, zum Beispiel durch Bitte um Stundung oder Ratenzahlung, erfolgen 423 . b) Hemmung der Verjährungsfrist Im Gegensatz zur Verjährungsunterbrechung bewirkt die Hemmung des Anspruchs nach § 205 BGB lediglich, daß der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird. aa) Die Verjährung ist entsprechend § 202 Abs. 1 BGB gehemmt, solange der Dienstherr die Leistung gestundet hat oder der Beamte aus einem anderen Grunde vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Eine Stundung ist vor allem in der Vereinbarung einer Ratenzahlung zu sehen. In diesem Fall wird jedoch häufig bereits ein Anerkenntnis des Beamten vorliegen, welches die Verjährung unterbricht 424 . bb) Umstritten ist, ob § 852 Asatz 2 B G B 4 2 5 , wonach während schwebender Verhandlungen zwischen Ersatzpflichtigem und Ersatzberechtigtem über den Schadensersatz die Verjährung gehemmt ist, auch im Beamtenrecht entsprechend herangezogen werden muß 4 2 6 . (1) Nach Auffassung von Lemhöfer kann § 852 Abs. 2 BGB nicht auf das Beamtenrecht übertragen werden. Das Beamtenrecht stelle dem Dienstherrn hoheitliche Handlungsformen zur Verfügung, wie insbesondere die Möglichkeit des Erlasses eines Leistungsbescheides. Eine - auch nur teilweise - Übertragung des § 852 Abs. 2 BGB auf das Beamtenrecht bedürfe folglich einer besonderen gesetzlichen Entscheidung, die auch in der Neu421 422 423 424 425 426
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 55. Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 64. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 55. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 54. Nachträglich eingefügt durch Gesetz vom 16. August 1977 (BGBl. S. 1577). Offengelassen von BVerwG, Beschl. v. 25.10.1979, ZBR 1980, 161 (162).
Α. Die Voraussetzungen nach den §§ 78 BBG, 46 BRRG
195
fassung der §§78 BBG, 46 BRRG nicht erfolgt sei 4 2 7 . Für diese Ansicht streite, daß auch der Bundesgerichtshof in § 852 Abs. 2 BGB de lege lata keinen allgemeinen verjährungsrechtlichen Grundsatz erkenne 428 . (2) Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl halten dem entgegen, § 852 Abs. 2 BGB sei eine spezielle Ausgestaltung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Gerade im Verhältnis des Dienstherrn zum Beamten müsse dieser Gesichtspunkt aber besonderes Gewicht haben. Daher sei die Vorschrift des § 852 Abs. 2 BGB auch im Rahmen der beamtenrechtlichen Verjährung zu beachten. Es bestehe kein vernünftiger Grund anzunehmen, der Gesetzgeber habe den Dienstherrn zwingen wollen, alsbald endgültige Verhältnisse zu schaffen 429 . (3) Eine entsprechende Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB ist indes nicht möglich. Auch die Herleitung aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben vermag hieran nichts zu ändern. Die Vorschrift ist vor allem Ausfluß des zivilrechtlichen Grundsatzes der Privatautonomie, der es in das Belieben des Gläubigers stellt, seine Forderungen ganz, teilweise oder gar nicht durchzusetzen. Der Dienstherr hat jedoch kein Ermessen bei der Durchsetzung eines begründeten Anspruchs, sondern ist zur Geltendmachung haushaltsrechtlich verpflichtet 430 . Seine Ermittlungen im Schadensfall - einschließlich der Anhörung des Beamten - können daher nicht mit den Verhandlungen zweier Zivilrechtssubjekte über eine möglicherweise bestehende Schadensersatzpflicht gleichgesetzt werden. c) Keine Hemmung oder Unterbrechung bei Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens oder bei Wechsel der zuständigen Stelle aa) Die Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz bzw. den Personalvertretungsgesetzen der Länder hemmt oder unterbricht nicht den Eintritt der Verjährung 431 . Weder wird die von dem Beamten zu erbringende Leistung durch das Mitbestimmungsverfahren gestundet noch stehen dem Verpflichteten insoweit irgendwelche Leistungsverweigerungsrechte zu. In der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens ist auch kein mit dem Beamten vereinbartes Stillhalteabkommen 427
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 54; zustimmend: Maiwald, in: Schütz, § 84 NW LBG Rn. 70. 428 BGH, Urt. v. 28.10.1993, BGHZ 123, 394. 429 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 23 f.); gleicher Ansicht im Hinblick auf die ähnliche Vorschrift des § 13 Abs. 3 StGH: Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 63. 430 Dazu sogleich B. 431 BVerwG, Beschl.v. 25.10. 1979, ZBR 1980, 161 (162); Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 54. 13'
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
(pactum de non petendo) zu sehen, da der Beamte am Mitbestimmungsverfahren selbst nicht beteiligt i s t 4 3 2 . bb) Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim bei einem Wechsel der für die Geltendmachung des Schadens zuständigen Stelle, gleichgültig, ob die neu zuständige Stelle Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat oder nicht. Dies folge aus einer entsprechenden Anwendung der Abtretungsregeln. Nach § 404 BGB könne der Schuldner dem neuen Gläubiger nämlich diejenigen Einwendungen und Einreden entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Dies müsse wegen der ähnlichen Interessenlage im Beamtenhaftungsrecht erst recht gelten, wenn ein Gläubigerwechsel gar nicht stattfinde, sondern nur ein Wechsel der zur Geltendmachung der Schadensersatzforderung zuständigen Stelle eintrete 433 . Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hat allgemeine Zustimmung gefunden 434 . 5. Verjährung des titulierten Anspruchs Ist der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn durch Urteil rechtskräftig festgestellt, so verjährt er entsprechend § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB in dreißig Jahren. Dieselbe Frist gilt nach § 53 Abs. 2 VwVfG i.V. m. § 218 BGB, wenn ein entsprechender Leistungsbescheid oder Erstattungsbeschluß unanfechtbar geworden ist. 6. Zusammenfassung/Ergebnisse Die Regelung der Verjährung des Anspruchs in §§ 78 Abs. 2 BBG, 46 Abs. 2 BRRG unterscheidet heute sachgerecht zwischen der unmittelbaren bzw. mittelbaren Schädigung des Dienstherrn einerseits sowie zwischen der relativen bzw. absoluten Verjährung andererseits. Bei der auf der Kenntniserlangung des Dienstherrn beruhenden relativen Verjährungsfrist ist auf die Kenntnis der maßgeblichen Organe des Dienstherrn abzustellen, wobei nach richtiger Ansicht die Kenntniserlangung durch den Amtsvorgesetzten des Beamten genügt. Bei einer mittelbaren Schädigung des Dienstherrn beginnt die relative Verjährungsfrist nicht zu laufen, bevor der Dienstherr nicht auch über die Person des ersatzpflichtigen Beamten unterrichtet ist.
432
BVerwG, Beschl.v. 25.10.1979, ZBR 1980, 161 (162). VGH Mannheim, Urt. v. 05.03.1982, DÖD 1983, 62 (65). 434 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 53 a); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 54. 433
Β. Die Rechtsfolgen
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Die in den §§78 Abs. 2 BBG, 46 Abs. 2 BRRG getroffene Regelung ist eine echte Verjährungsbestimmung, die kein Erlöschen des Anspruchs herbeiführt. Beabsichtigt der Dienstherr, den Anspruch trotz erkannter Verjährung durchzusetzen und steht dem eine eventuelle Selbstbindung nicht entgegen, so trifft ihn aus der Fürsorge für seinen Beamten heraus zumindest die Pflicht, diesen auf die Möglichkeit einer einredeweisen Geltendmachung der Verjährung hinzuweisen. Auf die Unterbrechung und Hemmung des Fristenlaufs finden die §§ 202 ff. BGB, nicht aber § 852 Abs. 2 BGB entsprechende Anwendung.
B. Die Rechtsfolgen des Bestehens des Schadensersatzanspruchs Liegen die genannten Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Beamten auf Schadensersatz vor, so stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe der Dienstherr diesen Anspruch durchsetzen muß. Dem Wortlaut der §§78 BBG, 46 BRRG ist lediglich zu entnehmen, daß der Beamte verpflichtet ist, den von ihm herbeigeführten Schaden zu erstatten. Dies setzt jedoch voraus, daß die Haftungsverpflichtung durch eine Willensbetätigung seitens seines Dienstherrn ihm gegenüber konkretisiert worden ist. Nicht im Beamtenrecht, sondern in den korrespondierenden Vorschriften des Rechts der öffentlichen Haushalte ist bestimmt, welchen Bindungen der Dienstherr insoweit unterliegt (I). Die danach regelmäßig bestehende Rechtspflicht zur sofortigen und vollständigen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs entfällt im allgemeinen nur dann, wenn in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften oder Schadensersatzrichtlinien etwas anderes bestimmt ist (II).
I. Grundsätzliche Verpflichtung des Dienstherrn zur Geltendmachung des Anspruchs Obwohl der Schadensersatzanspruch im beamtenrechtlichen Innenverhältnis seiner Struktur nach privatrechtlichen Grundsätzen folgt, trifft der Dienstherr als Anspruchsgläubiger auf der Rechtsfolgenseite keine freie Entscheidung, sondern unterliegt - anders als ein privater Arbeitgeber, dessen Schadensersatzansprüche der Privatautonomie unterfallen - strikten haushaltsrechtlichen Bindungen.
198
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
1. Pflicht der Verwaltung zu wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsführung sowie zur rechtzeitigen und vollständigen Erhebung von Einnahmen Nach § 6 Abs. 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) 4 3 5 sowie den inhaltsgleichen § § 7 Abs. 1 Satz 1 der Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder ( B H O / L H O ) 4 3 6 sind die öffentlichen Verwaltungen an die Grundsätze einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung gebunden. In Konkretisierung dieses grundlegenden Prinzips bestimmen die §§19 HGrG, 34 Abs. 1 BHO/LHO, daß alle Einnahmen des Staates rechtzeitig und vollständig erhoben werden müssen. Dies betrifft Forderungen aller Art, gleich auf welchem Rechtsgrund sie beruhen, weil jeder realisierbare Anspruch den Kreditbedarf von Bund und Ländern mindert und so zu einer wirtschaftlicheren Haushaltsführung beiträgt 437 . Zu den Einnahmen in diesem Sinne zählen auch die Ansprüche des Dienstherrn gegen seinen Beamten wegen schuldhafter Übertretung von Dienstpflichten, unabhängig davon, daß sie im Haushaltsplan nicht vorgesehen sind 4 3 8 . Die Rechtsprechung hat daher stets betont, daß die Verwaltung regelmäßig verpflichtet ist, den Beamten auf Ersatz des von ihm verursachten Schadens in Anspruch zu nehmen 4 3 9 . Von dem durch § 34 Abs. 1 BHO/LHO statuierten Gebot der schnellen, vollständigen und unbürokratischen Einnahmenerhebung darf die Verwaltung nur abweichen, wenn das Gesetz eine dahingehende Ausnahme ausdrücklich vorsieht 440 . § 34 Abs. 1 BHO/LHO umfaßt dabei die Verpflichtung, bestehende Ansprüche gegebenenfalls klageweise durchzusetzen. Nur soweit ein belegbares, nicht unerhebliches Prozeßrisiko mit der Klage verbunden ist, kann im Einzelfall der Grundsatz des § 7 Abs. 1 Satz 1 BHO/LHO den Entschluß rechtfertigen, von der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs abzusehen 4 4 1 . Über die Einhaltung dieser Grundsätze wachen die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (§§ 88 ff. BHO/LHO). Ein gegen den Grundsatz des § 34 Abs. 1 BHO/LHO verstoßender Beamter ist dem Dienstherrn seinerseits nach Maßgabe der §§ 78 BBG, 46 BRRG zum Schadensersatz verpflichtet 442 .
435
Vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273). Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284). 437 Dommach, in: Heuer, § 34 BHO Rn. 2; Piduck, § 34 BHO Erl. 2. 438 OVG Berlin, Beschl. v. 29.09.1988, ZBR 1989, 380 (380). 439 BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 19, 48 (51); OVG Münster Urt. v. 13.10.1976, ZBR 1977, 157 (157); BGH, Urt. v. 11.07.1963, NJW 1963, 2168 (2170). 440 Dommach, in: Heuer, § 34 BHO Rn. 2; Piduch, § 34 BHO Erl. 2. 441 Dommach, in: Heuer, § 34 BHO Rn. 2. 436
Β. Die Rechtsfolgen
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2. Pflicht zur vorbeugenden und erzieherischen Einwirkung auf die Beamtenschaft Ferner leiten Rechtsprechung 443 und Schrifttum 4 4 4 die Rechtspflicht des Dienstherrn zur Durchsetzung bestehender Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis unterstützend aus einem „Gebot zur vorbeugenden und gegebenenfalls erzieherischen Einwirkung auf die Beamtenschaft" her. In dieser hilfsweise gegebenen Begründung spiegelt sich abermals die Auffassung wider, der Schadensersatzanspruch verfolge neben seiner Vermögensausgleichsfunktion auch den Zweck der präventiven sowie repressiven Pflichtenmahnung. Indes trägt der Hinweis auf diesen Nebenzweck der beamtenrechtlichen Innenhaftung die in Rede stehende Rechtsfolge nicht 4 4 5 . Das Schadensersatzrecht eröffnet dem Dienstherrn nämlich nicht die Möglichkeit zur Berücksichtigung vorbeugender oder erzieherischer Gesichtspunkte. So könnte der Dienstherr etwa im umgekehrten Fall, daß also eine Sanktionierung der Dienstpflichtverletzung nicht notwendig erschiene oder der Verantwortungsfreude innerhalb der Behörde möglicherweise sogar zuwiderliefe, mit Rücksicht auf die zwingenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen der §§ 7, 34 BHO/LHO nicht auf die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs verzichten. Vielmehr wäre diesem Umstand im Rahmen der disziplinarischen Ahndung der Dienstpflichtverletzung Rechnung zu tragen, weil im Disziplinarrecht, anders als im Schadensersatzrecht, das Opportunitätsprinzip gilt. Ein Abstellen auf die erzieherische Einwirkung auf die Beamtenschaft ist daher neben der allein tragenden haushaltsrechtlichen Begründung nicht nur überflüssig, sondern auch irreführend.
II. Haftungsfreistellung durch Richtlinien und Verwaltungsvorschriften 1. Anspruch auf Haftungsbegrenzung nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Sofern dem Dienstherrn durch Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt ist, von der Geltendmachung einer Schadensersatzforderung Abstand zu nehmen, handelt es sich dabei nicht, wie zum 442
Dommach, in: Heuer, § 34 BHO Rn. 2; vgl. z.B. Runderlaß des niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 06.12.1984 - 12-00-40 (1), (Nds. MB1. Nr. 2/ 1985, S. 21). 443 BVerwG Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 19, 48 (51). 444 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 57; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 40. 445 Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 333 (Fn. 104).
200
2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
Teil vertreten w i r d 4 4 6 , um eine generalisierte Ermessensausübung zur Konkretisierung der dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht. Denn der Dienstherr trifft auf der Rechtsfolgenseite der Norm generell keine fürsorgebestimmte Ermessensentscheidung. Vielmehr sind die entsprechenden Vorschriften des Bundes und der Länder als bloßer Hinweis auf die bestehenden haushaltsrechtlichen Möglichkeiten zu verstehen, wonach der Anspruch im Einzelfall gestundet oder erlassen werden kann, wenn ein sogenannter Härtefall vorliegt. Auf Bundesebene verweist etwa das „Gemeinsame Rundschreiben der Minister der Finanzen und des Innern vom 6. November 1995 über die Schadenshaftung der bei den Bundesbehörden beschäftigten Kraftfahrer und der Beschäftigten, die zumindest zeitweilig mit der Führung eines Kraftwagens beauftragt sind, im Verhältnis zu ihrem Dienstherrn 447 " bei einer dem Beamten nicht zumutbaren Schadenshöhe auf die Möglichkeit zu prüfen, inwieweit der Anspruch gemäß § 59 Nr. 3 BHO erlassen werden kann 4 4 8 . In den Ländern bestehen, sowohl für den Kraftfahrtbereich 449 als auch im übrigen 4 5 0 , ähnliche Vorschriften. Solange solche Richtlinien existieren und angewandt werden, verleihen sie dem einzelnen Beamten nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch darauf, daß in seinem Fall nicht ohne sachlichen Grund von der bestehenden Stundungs- oder Erlaßpraxis abgewichen w i r d 4 5 1 . 2. Haftungsfreistellung im voraus bei besonders schadensträchtigen Tätigkeiten Problematischer ist es dagegen, wenn der Staat durch Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien bestimmte Beamte, welche mit der Wahrnehmung besonders riskanter Aufgaben betraut sind, im voraus von jeder Fahrlässigkeitshaftung freistellt. Beispielhaft zu nennen, ist die „Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung zum Verzicht auf Regreßansprüche und Zusicherung zur Kostenerstattung bei nicht vorsätzlichen Amtspflichtverletzungen vom 10. Mai 1993" 4 5 2 , wonach die Staatsministerien des Innern, der Justiz, der Finanzen, der Wirtschaft und der Arbeit von 446
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 50. BMF - ZA 6 - Ρ 1070 - 6/95, BMI - D I 1 - 210 178/24 - (GMB1. 1995, S. 961). 448 Nr. 5. 4. 449 Etwa die bayerische Kraftfahrthaftungsbekanntmachung vom 18.09.1995 (StAnz. Nr. 40, FMB1. S. 396). 450 Z.B. die Schadensersatz-Hinweise des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 12.05.1987 - Az. 1-3251/79 - (GABI. 1987, 474). 451 BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 Nr. 19, 48 (52); Hofmann, S. 102; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 50. 452 Sächs. Abi. v. 27.05.1993 Nr. 22, S. 698. 447
Β. Die Rechtsfolgen
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der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegen Beamte absehen können, wenn diese mit der Durchführung bestimmter, abschließend aufgeführter Gesetze betraut sind. Das Schrifttum bezweifelt zum Teil die Rechtmäßigkeit derartiger Bestimmungen und fordert für eine Freistellung von der Haftung pro futuro eine besondere gesetzliche Ermächtigung 453 . Eine solche ist jedoch vorhanden. Denn nach § 40 Abs. 1 BHO/LHO ist der Erlaß von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die zu Einnahmeminderungen im laufenden Haushaltsjahr oder in künftigen Haushaltsjahren führen können, grundsätzlich möglich. Es steht sodann nichts im Wege, die dem Beamten anvertraute schwierige Aufgabe als antizipierte sachliche Härte anzusehen, die einen Erlaß nach § 59 Nr. 3 BHO/LHO rechtfertigt 454 . Allerdings bedarf die Haftungsfreistellung nach § 40 Abs. 1 BHO/LHO wegen des mit ihr verbundenen Einnahmeausfalls stets der Einwilligung des Finanzministeriums.
III. Gesetzlicher Forderungsübergang auf den Beamten (§§ 78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG) Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz des von ihm verursachten Schadens und hat der Dienstherr seinerseits einen Anspruch gegen einen Dritten, so geht dieser nach den §§78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG auf den Beamten über. Der Beamte wird Inhaber des Anspruchs, ohne daß es einer Abtretung bedarf und kann die Forderung gegen den Dritten im eigenen Namen geltend machen 4 5 5 . Auf diese cessio legis finden analog § 412 BGB die §§ 399 bis 404 und 406 bis 410 BGB entsprechende Anwendung 4 5 6 . Sie ist Ausdruck des Grundsatzes der Vörteilsausgleichung 457 und stellte ursprünglich einen Ausgleich für die durch § 23 DBG im Jahre 1937 reichseinheitlich eingeführte primäre Haftung des Beamten dar 4 5 8 . Hauptanwendungsfall ist ein bestehendes Gesamtschuldverhältnis zwischen dem Beamten und einem aus demselben Ereignis zum Ersatz verpflichteten Dritten 4 5 9 . Dritter im Sinne des Absatz 3 kann jedoch nur ein außerhalb der Verwaltung stehender Dritter sein, zum Beispiel eine Versi453
Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Fn. 260; Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 19d). 454 Vgl. insoweit auch die Hinweise des Finanzministers des Landes Baden-Württemberg zu § 36 BAT, wiedergeben bei: Simianer, S. 47. 455 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 67. 456 Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 58. 457 Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 67. 458 Siehe oben 1. Kapitel Α. IV. 1. 459 Kümmel, § 86 NBG Rn. 47.
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2. Kap.: Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch
cherung. Nicht unter die Vorschrift zu subsumieren sind andere Beamte und Angehörige des öffentlichen Dienstes, weil insoweit der Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern nach §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG, 426 BGB ggf. i. V.m. § 14 BAT den §§ 78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG als lex specialis vorgeht 4 6 0 . Vereinzelt wird der Regelung durch die Literatur eine eigenständige Bedeutung abgesprochen, weil der Dienstherr aus Fürsorgegründen den Beamten nur in dem Ausmaß in Anspruch nehmen könne, in dem er letztlich den Schaden auch im Innenverhältnis zu mehreren anderen Schadensverursachern zu tragen habe 4 6 1 . Dies trifft jedoch nicht zu. Denn die Haftung des Beamten im Innenverhältnis gegenüber dem Dienstherrn ist heute nicht mehr subsidiär. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt, hat der Gesetzgeber eine Umgestaltung der vermögensrechtlichen Verantwortlichkeit des Beamten in eine reine „Ausfallhaftung", wie sie in § 28 Abs. 2 des Kommissionsentwurfes eines Staatshaftungsgesetzes enthalten war, bei gleichzeitiger Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit, als unangemessen abgelehnt 462 . Diese Entscheidung darf nicht im Wege des Rekurses auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn unterlaufen werden. Anders als bei der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer schadensverursachender Beamter im Sinne der §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG, bei welcher nach der hier vertretenen, im einzelnen noch darzulegenden 463 , Auffassung der Dienstherr unter Fürsorgegesichtspunkten verpflichtet ist, im Rahmen des Möglichen die Verantwortlichkeits- und Verschuldensanteile bei der Inanspruchnahme zu berücksichtigen, haftet der Beamte im Verhältnis zu einem außerhalb der Verwaltung stehenden Mitschädiger grundsätzlich auf Ersatz des gesamten Schadens. Durch die heute allgemein bestehende Beschränkung auf vorsätzliches bzw. grob fahrlässiges Fehlverhalten ist die Innenhaftung bereits ausreichend abgemildert 464 , der Beamte gegenüber einem Zweitschädiger regelmäßig „privilegiert". Der Dienstherr ist daher aus Rechtsgründen nicht gehindert, den Beamten auf den Anspruchsübergang nach §§ 78 Abs. 3 BBG, 46 Abs. 3 BRRG zu verweisen 4 6 5 . Die Grenze zur fürsorgewidrigen Inanspruchnahme des Beamten wird man freilich dort ziehen müssen, wo sich der Dienstherr zuvor wissentlich seines Anspruchs gegen den Dritten begeben hat, indem er zum 460
Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 68. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 24. 462 Begründung des Referentenentwurfs 1976, S. 170 f. zu § 28 KE 1973; dazu unten 1. Kapitel Α. V. 5. a) und A. VI. 3. 463 Siehe dazu unten 4. Kapitel Β. I. 2. c). 464 RefE 1976, S. 170 f. 465 Anderer Ansicht: Scheerbarth/Höffken, § 18 III (S. 485 f.) (sofern der Beamte nicht vorsätzlich gehandelt habe - ohne Begründung). 461
Β. Die Rechtsfolgen
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Beispiel die Forderung gegen den Dritten hat verjähren lassen oder auf deren Durchsetzung verbindlich verzichtet hat, so daß die Verweisung des Beamten auf den Anspruchsübergang für diesen von vornherein wertlos
466 BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 19, 48 ff. bei einfacher Fahrlässigkeit.
3. Kapitel
Fallgruppen mit besonderer tatbestandlicher Haftungsbeschränkung Im folgenden sollen diejenigen Bestimmungen dargestellt werden, welche die Schadensersatzpflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn tatbestandlich modifizieren bzw. einschränken. Dabei geht es nur um solche Normen, die die Schadensersatzverbindlichkeit im Innenverhältnis unmittelbar beeinflussen. Außer Betracht bleiben dagegen Vorschriften, welche sich, wie etwa § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, auf die Haftung des Dienstherrn im Außenverhältnis beziehen und daher für die Innenhaftung des Beamten nur indirekt Bedeutung erlangen. Der Grundsatz der Haftung des Beamten für vorsätzliche und grob fahrlässige Dienstpflichtverletzungen gemäß §§78 BBG, 46 BRRG wird heute nur noch in zwei Fällen 1 durchbrochen: Dies betrifft zum ersten die Haftung des beamteten Kraftfahrers für die mittelbare Schädigung seines Dienstherrn im Straßenverkehr (A), zum zweiten die Ersatzpflicht des im Besteuerungsverfahren tätigen Beamten für Steuerausfälle des Fiskus (B).
A. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs bei Fremdschäden im Straßenverkehr nach § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG Im Bereich der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn für Schäden durch Dienstkraftfahrzeuge im Straßenverkehr werden die allgemeinen Vorschriften der §§ 78 BBG, 46 BRRG teilweise durch die Sonderregelungen des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (PflVG) 2 verdrängt. Wegen des versicherungsrechtlichen Bezuges ist die Haftungssystematik bei Schäden im Straßenverkehr verhältnismäßig kompliziert. Es soll daher zunächst ein kurzer Überblick über die Grundgedan-
1
Nicht hierher gehört auch § 839 Abs. 2 BGB, der sich trotz seines Wortlauts („Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache") unstreitig nur auf Richter bezieht; vgl. Thomas, in: Palandt, § 839 BGB Rn. 67; Maiwald, in: Schütz, § 84 NW LBG Rn. 39. 2 Vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213).
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
205
ken der Regelung und deren Entstehung gegeben werden, bevor auf die mit ihr verbundenen Auslegungsprobleme näher eingegangen wird.
I. Grundgedanken und Entstehung der heutigen Regelung 1. Befreiung der öffentlichen Hand von der Versicherungspflicht und Bemühungen um einen ausreichenden Verkehrsopferschutz Unfälle im Straßenverkehr ziehen oft erhebliche Schadensersatzforderungen nach sich, welche die persönliche Leistungsfähigkeit des Schädigers nicht selten übersteigen. Im Jahre 1939 wurde daher das Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter 3 erlassen mit dem Ziel, den Opfern von Verkehrsunfällen einen solventen Schulder zu garantieren. Zu diesem Zweck verpflichtete der Gesetzgeber durch § 1 PflVG jeden Halter eines Kraftfahrzeugs mit Standort im Inland, zur Dekkung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personen-, Sachund sonstigen Vermögensschäden eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Von der Versicherungspflicht ausgenommen wurden gemäß § 2 Abs. 1 PflVG bestimmte Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie der Bund (Nr. 1), die Länder (Nr. 2) sowie die Gemeinden mit mehr als einhunderttausend Einwohnern (Nr. 3). Offenbar sah man diese als ausreichend finanzkräftig an, um den durch einen Verkehrsunfall Geschädigten selbst Ersatz zu leisten. Allerdings hatte man die Vorschrift über die Befreiung von der Versicherungspflicht in das Gesetz aufgenommen, ohne die sich daraus ergebenden Konsequenzen hinreichend zu übersehen 4. Zwar war bei Schäden durch Fahrer in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit ein hinreichender Verkehrsopferschutz gewährleistet, da die öffentlich-rechtlichen Körperschaften insoweit aufgrund ihrer Verpflichtung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV bzw. Art. 34 GG Schadensersatzleistungen erbringen mußten. Ein Problem ergab sich jedoch alsbald bei Schädigungen anläßlich sogenannter Fiskalfahrten. Denn im Hinblick auf diejenigen Schadensforderungen, welche die Haftungshöchstgrenzen des Straßenverkehrsgesetzes überstiegen, war die öffentliche Hand oft nur gemäß § 831 BGB verantwortlich mit der Möglichkeit, sich hinsichtlich ihres Fahrers zu exkulpieren. Wenn der Gesetzgeber des Pflichtversicherungsgesetzes aber der Auffassung gewesen sein sollte, die betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften würden in diesen Fällen gleichwohl für ihre oft vermögenslosen Fahrer einstehen und auf eine Exkulpation verzichten, so mußte er sich durch die tatsächliche Entwicklung enttäuscht sehen. Schon bald häuften 3 4
Vom 7. November 1939 (RGBl. I S. 2223). Fleischmann, S. 360.
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3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
sich die Fälle, in denen Verkehrsopfer und Hinterbliebene keinen ausreichenden Ersatz ihrer Schäden erlangen konnten 5 . Dieser wenig befriedigende Rechtszustand fand Ausdruck in dem Runderlaß des Reichsfinanzministers vom 9. April 19426, in dem dieser die zuständigen Stellen darum „bat", den durch einen Unfall Geschädigten das Risiko der Illiquidität des Fahrers abzunehmen und für den Kraftfahrer in gleicher Weise einzutreten, wie es im Falle einer Versicherung geschehen würde; eine Bitte, die später auch der Bundesfinanzminister per Erlaß vom 11. März 1952 wiederholte 7 . Ein derartiger Erlaß vermochte die vorhandene Rechtsschutzlücke jedoch nicht zu schließen, da er den Geschädigten weder einen Rechtsanspruch verlieh noch im Bereich der Länderverwaltungen galt 8 . 1954 kritisierte der Verkehrsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins daher die bestehende Rechtslage9. Der Bundesgesetzgeber reagierte durch Artikel 8 Nr. l a ) des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Verkehrsrechts und Verkehrshaftpflichtrechts vom 16. Juli 1957 10 und bestimmte in § 2 Abs. 2 PflVG, daß eine Körperschaft, welche nach § 2 Abs. 1 PflVG von der Versicherungspflicht befreit und auch tatsächlich nicht haftpflichtversichert ist, bei Schäden der in § 1 PflVG bezeichneten Art für den Fahrer innerhalb bestimmter Mindestversicherungssummen in gleicher Weise und in gleichem Umfange einzutreten hat wie ein Versicherer bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung. 2. Schutz der Behördenfahrer vor Ungleichbehandlung Die Befreiung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften von der Versicherungspflicht durch das Pflichtversicherungsgesetz von 1939 brachte aber nicht nur Nachteile im Hinblick auf den Verkehrsopferschutz mit sich, sondern führte auch zu einer Schlechterstellung der im öffentlichen Dienst angestellten Fahrer gegenüber denjenigen, deren Arbeitgeber haftpflichtversichert waren. Denn leistete der haftpflichtversicherungsbefreite Dienstherr für den entstandenen Schaden einem Dritten Ersatz, so konnte er bei dem Beamten zunächst nach § 23 DBG und später nach §§78 BBG, 46 BRRG Rückgriff nehmen, während andere Fahrer von ihrer Haftpflichtversicherung nach den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes über die Pflichtversicherung grundsätzlich selbst bei grob fahrlässiger Unfallverursachung nicht in Anspruch genommen werden konnten. Diese Konsequenz 5
Chomse, S. 515. Reichshaushalts- und Besoldungsblatt 1942 Nr. 3988 (S. 86). 7 II A-H 4220-6/52. 8 BT-Drs. 2/2700 (S. 5). 9 Entschließung vom 19. Juni 1954, Anwaltsblatt 1954, S. 154. 10 BGBl. I S. 710. 6
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
207
der Versicherungsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, die der Erlaß des Reichsfinanzministers von 1942 noch als selbstverständlich vorausgesetzt hatte, wurde unter Geltung des Grundgesetzes zunehmend als nicht mehr sachgerecht empfunden. Der Deutsche Anwaltsverein hat sie in seiner Entschließung vom 19. Juni 1954 als „auf die Dauer untragbar" bezeichnet. Dieser Auffassung war auch das Arbeitsgericht Berlin, das im Urteil vom 7. November 1955 11 die Ansicht vertrat, der Rückgriff des öffentlichen Arbeitgebers gegen seinen Bediensteten, der als berechtigter Fahrer einen Verkehrsunfall verschuldet habe, sei regelmäßig ausgeschlossen. Denn die Freistellung des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers von der allgemeinen Versicherungspflicht führe zu einer erweiterten Fürsorgepflicht im Innenverhältnis, so daß der Arbeitgeber aus der mit der Freistellung verbundenen Begünstigung in Form der Einsparung von Versicherungsprämien nicht auch noch den weiteren Vorteil ziehen dürfe, wirtschaftlich nachteilige Folgen ganz oder zum Teil auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Im Schrifttum wurde daraufhin angeregt, eine entsprechende Regelung in das Pflichtversicherungsgesetz aufzunehmen 12 . Der Gesetzgeber ergänzte daher die Bestimmung des § 2 Abs. 2 PflVG durch Gesetz vom 16. Juli 1957 um einen Satz 3, wonach der Dienstherr, wenn er als Fahrzeughalter auf Grund seiner Rechtsstellung als Eigenversicherer Leistungen erbrachte, Ersatz der von ihm aufgewendeten Beträge nur dann verlangen konnte, wenn auch bei Bestehen einer Versicherung der Versicherer gegenüber dem Fahrer leistungsfrei gewesen wäre. Im übrigen wurde der Rückgriff ausgeschlossen (§ 2 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz PflVG 1957). In der Gesetzesbegründung hieß es, für eine Schlechterstellung des Behördenkraftfahres gegenüber dem sonstigen angestellten Kraftfahrer sei ein innerer Grund nicht ersichtlich. Eine solche Schlechterstellung widerspreche nicht nur dem Grundsatz der Gleichbehandlung gleicher Tatbestände, sondern auch den Grundgedanken des Pflichtversicherungsgesetzes, das durch seinen § 1 für den Kraftfahrzeughalter grundsätzlich die Pflicht begründe, nicht nur für sich, sondern auch für den berechtigten Fahrer eine Versicherung abzuschließen und die Prämie hierfür aufzubringen 13 . Der Gesetzgeber der vierten Legislaturperiode übernahm diese Regelung schließlich in das neue Pflichtversicherungsgesetz von 1965 als dessen § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG, wo sie bis heute Bestand hat.
11 12 13
ArbG Berlin, Urt. v. 07.11.1955, VersR 1956, 248. Fleischmann, S. 360. BT-Drs. 2/2700 (S. 5).
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3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
II. Systematik der heutigen Haftungsregelung bei Verkehrsunfällen Hat sich ein Verkehrsunfall mit einen Dienstkraftfahrzeug ereignet, so ist zunächst zu unterscheiden, ob ein Eigenschaden der öffentlichen Hand vorliegt oder ob Rückgriff wegen eines Fremdschadens genommen werden soll. Dabei schließen sich beide Schadensarten nicht gegenseitig aus, sondern werden häufig kumulativ vorliegen. 1. Inanspruchnahme des Beamten für Eigenschäden des Dienstherrn Für Eigenschäden der öffentlichen Hand, wie etwa der Beschädigung des behördeneigenen Dienstfahrzeuges sowie der darin beförderten Sachen, gelten keine Besonderheiten. Schadensersatzansprüche wegen Eigenschäden des Dienstherrn fallen nicht unter die besonderen Regelungen des Pflichtversicherungsgesetzes, weil sie auch bei bestehender Haftpflichtversicherung nicht durch diese gedeckt sind 1 4 . Ein Beamter kann mithin für entstandene Eigenschäden des Dienstherrrn unter den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 78 BBG, 46 BRRG in Anspruch genommen werden 15 . 2. Der Regreß der öffentlichen Hand bei Fremdschäden Beim Regreß wegen entstandener Schäden Dritter ist weiter danach zu differenzieren, ob der Dienstherr des Beamten haftpflichtversichert ist oder nicht. a) Rechtslage bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung Ist der Dienstherr nicht nach § 2 Abs. 1 PflVG haftpflichtversicherungsbefreit, also vor allem die Gemeinden mit weniger als einhunderttausend Einwohnern, oder schließt er freiwillig eine Haftpflichtversicherung ab, so begleicht grundsätzlich die Versicherung im Rahmen der Versicherungssumme die Ersatzansprüche Dritter gegen den Dienstherrn als Halter sowie gegen den Fahrer als mitversicherte Person nach Maßgabe des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), der Kraftfahrzeugpflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV) 1 6 sowie der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftver14 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 42; Riedmaier, RiA 1977, S. 49. 15 BVerwG, Beschl. v. 11.02.1971, Buchholz 232 §78 BBG Nr. 14, 21 (21); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 47; Simianer, S. 38. 16 Vom 29.07.1994 (BGBl. I S. 1837).
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
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kehrsversicherung ( A K B ) 1 7 . Dies gilt nicht nur für die Ansprüche aus den §§ 7 ff. StVG und 823 ff. BGB, sondern auch für solche aus § 839 BGB i. V.m. Art. 34 G G 1 8 . In diesem Fall kommt ein Regreßanspruch gegen den beamteten Kraftfahrzeugführer also von vornherein nicht in Betracht, weil dem Dienstherrn durch den Verkehrsunfall kein Schaden entsteht 19 . b) Rückgriffsanspruch bei Stellung des Dienstherrn als Eigenversicherer; Regreßprivileg des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG Ist der Dienstherr jedoch von der Versicherungspflicht befreit und auch nicht freiwillig haftpflichtversichert, so hat er bei Schäden der in § 1 PflVG bezeichneten Art im Außenverhältnis, begrenzt auf den Umfang bestimmter, durch Rechtsverordnung festgelegter Mindestversicherungssummen, einzutreten wie ein Versicherer bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 PflVG). Durch diese Gesetzeskonstruktion werden die Verkehrsopfer rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise geschützt, wie sie es bei Bestehen eines Versicherungsvertrages sein würden. Gleichzeitig werden die öffentlichen Haushalte finanziell entlastet, da die Schadensregulierungskosten erheblich geringer sind, als es der Prämienaufwand für den Abschluß von Versicherungsverträgen sein würde 20 . Diese Rechtsposition des Dienstherrn als „Quasi-PflichtVersicherer" 21 (Eigenversicherer) soll dem Beamten aber nicht zum Nachteil gereichen 22 . Er soll im Ergebnis vielmehr so gestellt werden, als ob sein Dienstherr der allgemeinen Versicherungspflicht unterläge 23 . Daher ist der Rückgriff gegen den Beamten nur ausnahmsweise zulässig; im übrigen ist er gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz PflVG ausgeschlossen. Der Beamte hat damit die rechtliche Stellung eines „Quasi-Versicherten" 24 .
17
In der Fassung der Empfehlung des VdS vom 19.04.1996 (Rdschr. Κ 22/96). Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 41. 19 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 41. 20 Birk, S. 236; Riedmaier, RiA 1977, S. 46. 21 BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (849); Birk, S. 235; Riedmaier, RiA 1977, S. 46. 22 BVerwG, Urt. v. 18.02.1981, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26, 1 (2); BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (387); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 42. 23 BVerwG, Urt. v. 18.02.1981, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26, 1 (2); BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (850). 24 BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (850) (nicht die eines „Quasi-Versicherungsnehmers"); anders noch: Chomse, S. 516. 18
14 Beckmann
210
3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
aa) Überschreitung der Mindesthaftsummen Zulässig ist der Regreß gegen den Beamten in erster Linie bei besonders hohen Schäden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 PflVG beschränkt sich die Verpflichtung des Eigenversicherers zur Leistung von Schadensersatz gegenüber Dritten nämlich auf den Betrag bestimmter Mindestversicherungssummen. Der Beamte kann als Fahrer eines Dienstwagens daher unter den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 78 BBG, 46 BRRG grundsätzlich für den Teil des vom Dienstherrn geleisteten Schadensersatzes in Anspruch genommen werden, der diese Summen übersteigt 25 . Die Höhe der Mindestversicherungssummen ist gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 PflVG durch Rechtsverordnung in der Anlage zum Pflichtversicherungsgesetz 26 geregelt. Sie beträgt zur Zeit eine Million D M für Personenschäden, 400 000 D M für Sachschäden, 40 000 D M für reine Vermögensschäden (Nr. 1 Satz 1 der Anlage zu § 4 Abs. 2 PflVG) und für den Fall der Tötung oder Verletzung mehrerer Personen eineinhalb Millionen D M (Nr. 1 Satz 2). bb) Regreßanspruch bei entsprechender Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer Bleibt der Schaden innerhalb der genannten Grenzen, so kann der Dienstherr gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG in sinngemäßer Anwendung des § 3 Nrn. 9 bis 11 PflVG „Regreß der von ihm aufgewendeten Beträge nur verlangen, wenn auch bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung der Versicherer gegenüber dem Fahrer oder der sonstigen mitversicherten Person leistungsfrei gewesen wäre". Die auf ein Rückgriffsermessen hindeutende Formulierung „kann (...) verlangen" wird durch die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur gebundenen Entscheidung 27 . Den Dienstherrn trifft daher regelmäßig auch die Pflicht, den Beamten in Regreß zu nehmen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Bei der im Rahmen des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG zu treffenden Feststellung, ob die Leistungspflicht eines privaten Haftpflichtversicherers dem Fahrer gegenüber entfallen wäre, nehmen Rechtsprechung und Lehre einen vollständigen Vergleich mit der Rechtsstellung eines privaten Fahrers vor, einschließlich einer Prüfung anhand der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung 28 . Mit Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgeset25
BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (850); Birk, S. 237; Simianer, S. 38. Zweite Verordnung zur Änderung der Mindesthöhe der Versicherungssummen in der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter v. 22.4.1981 (BGBl. I S. 394). 27 Vgl. oben 2. Kapitel Β. I. 28 BVerwG, Urt. v. 07.12.1984, BVerwGE 70, 296 (302) zu § 24 SG; Birk, S. 237. 26
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
211
zes/EWG zum Versicherungsaufsichtsgesetz am 29. Juli 1994 29 ist allerdings die präventive Kontrolle der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen weggefallen. Dies hat zur Folge, daß für die von der Versicherungspflicht befreiten Gebietskörperschaften künftig fraglich ist, inwieweit ihnen ein Rückgriff auf den Fahrer möglich ist. Vorbehaltlich einer weiteren einheitlichen Anwendung der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung, kommt eine Leistungsfreiheit des Eigenversicherers vor allem in folgenden Fällen in Betracht: (1) Vorsätzliche
Herbeiführung
des Versicherungsfalles
Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Versicherten tritt vor allem unter den Voraussetzungen des § 152 V V G ein. Nach dieser Vorschrift, die für den Bereich der Pflichtversicherung den allgemeinen Verschuldensmaßstab des § 61 V V G modifiziert 30 , haftet der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer „den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist", vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat. „Tatsache" im Sinne des § 152 V V G ist dabei nach überwiegender Auffassung nicht die eigentliche Schadensursache, also zum Beispiel die bewußte Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, sondern die Schadenszufügung selbst 31 . Danach muß der Vorsatz des Schädigers nicht nur das eigene pflichtwidrige Verhalten einschließen, sondern sich zugleich auch auf die Möglichkeit einer Schadenszufügung erstrecken. Für den Beamten, dem die allgemeinen Verkehrspflichten als Dienstpflichten obliegen, bedeutet dies, daß er nicht schon bei vorsätzlicher Pflichtverletzung, sondern erst dann den „Quasi-Versicherungsschutz" verliert, wenn er auch die Möglichkeit einer Fremdschädigung billigend in Kauf genommen hat. (2) Die Leistungsfreiheit nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Weitere Fälle der Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Fahrer enthalten die §§ 2 b) und 7 AKB. Während sich § 2 b) A K B mit den Obliegenheitsverletzungen vor Eintritt des Versicherungsfalles befaßt, sind in § 7 A K B bestimmte Obliegenheitsverletzungen nach dessen Eintritt geregelt.
29 30 31
14*
BGBl. I S. 1630. Voit, in: Prölss/Martin, § 152 VVG Rn. 1; von Hippel, S. 129. Simianer, S. 40; Voit , in: Prölss/Martin, § 152 VVG Rn. 1.
212
3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
(a) Obliegenheitsverletzungen vor Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 2 b) A K B i.V.m. § 6 Absätze 1 und 2 V V G Die wichtigsten Fälle der Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalles sind die zweckwidrige Verwendung des Fahrzeugs (§ 2 b) Nr. 1 a) AKB), der Gebrauch desselben durch einen unberechtigten Fahrer (§ 2 b) Nr. l b ) AKB) sowie das Fehlen der vorgeschriebenen Fahrerlaubnis (§ 2 b) Nr. l c ) AKB). Diese Bestimmungen sind Sonderfälle der Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. V V G 3 2 . Auf sie findet daher die allgemeine Vorschrift des § 6 Absätze 1 und 2 V V G Anwendung. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 V V G wird der Versicherer nicht von der Leistung frei, wenn die Obliegenheitsverletzung als unverschuldet anzusehen ist. Der Verschuldensbegriff des § 6 V V G entspricht dem des Bürgerlichen Gesetzbuches und umfaßt daher auch die einfache Fahrlässigkeit 33 . Bei der entsprechenden Anwendung des § 2 b) A K B auf die Leistungsfreiheit des Eigenversicherers gegenüber dem Beamten ist jedoch zu berücksichtigen, daß ein nur leicht fahrlässiger Verstoß gegen die genannten Obliegenheiten einen Regreßanspruch des Dienstherrn nicht begründen kann. Zwar würde insofern ein privater Haftpflichtversicherer von der Leistung frei, jedoch kollidiert der Haftungsmaßstab des § 6 Abs. 1 V V G in diesem Fall mit demjenigen der §§78 BBG, 46 BRRG. Einen Rückgriff unterhalb der Schwelle grober Fahrlässigkeit kann die entsprechende Anwendung des Versicherungsrechts aber nicht begründen. Denn insoweit verbietet die Fürsorgepflicht dem von der Versicherungspflicht des § 1 PflVG befreiten Dienstherrn aus der zugunsten des Beamten bestehenden Regelung des § 2 Abs. Satz 4 PflVG, eine Haftung schon für eine einfach fahrlässige Obliegenheitsverletzung herzuleiten. Im übrigen ist die Leistungsfreiheit gemäß § 2b) Nr. 2 A K B i.V.m. § 5 Abs. 3 KfzPflVV auf einen Betrag von 10.000 D M je betroffener Person beschränkt. Die bisher in Abschnitt I I Nr. 3 der Geschäftsplanmäßigen Erklärungen für die Kraftfahrtversicherung vorgesehene Beschränkung auf einen Betrag von 5.000 D M ist überholt 34 .
32 BGH, Urt. v. 14.02.1951, VersR 1951, 99; Knappmann, in: Prölls/Martin, § 2b AKB Rn. 2. 33 Stiefel/Hofmann, § 2b AKB Rn. 5. 34 Vgl. Gemeinsames Rundschreiben des BMF und des BMI v. 06.11.1995 (GMB1. 1995, S. 961) II. 4. 4.1.2.2; zur Anwendung der Geschäftsplanmäßigen Erklärungen beim Regreß gegen den Beamten noch: BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (389).
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
213
(b) Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 A K B Nach Eintritt eines Versicherungsfalles obliegt es dem Beamten als „Quasi-Versichertem" nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 A K B , den Versicherungsfall innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen und alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AKB). Schließlich ist es dem Beamten auch nicht erlaubt, den Schaden eigenmächtig ganz oder zum Teil anzuerkennen (§ 7 Abs. 2 Nr.l Satz 1 AKB). Verletzt er eine dieser Obliegenheiten, so regelt § 7 Abs. 5 A K B die sich daran anknüpfenden Rechtsfolgen: Bei leichter Fahrlässigkeit seitens des Versicherten bleibt der Versicherer danach zur vollen Leistung verpflichtet, während Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit den Versicherer regelmäßig in Höhe von 5000 D M von der Verpflichtung zur Leistung befreit (§ 7 Abs. 5 Nr. 1 und 2 Satz 1 AKB, § 6 Abs. 1 KfzPflVV). Bei grober Fahrlässigkeit entfällt die Leistungsfreiheit, wenn die Obliegenheitsverletzung weder die Feststellung des Versicherungsfalles noch die Feststellung oder den Umfang der Leistung beeinflußt hat (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VVG, § 6 Abs. 2 KfzPflVV). Bei vorsätzlich begangener Verletzung der Aufklärungs- und Schadensminderungspflicht (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3, Abs. 5 AKB) erweitert sich dessen Leistungsfreiheit auf einen Betrag von 10.000 DM, sofern die Obliegenheitsverletzung besonders schwerwiegend ist (§ 7 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 AKB, § 6 Abs. 3 KfzPflVV). Eine unbeschränkte Leistungsfreiheit des Versicherers tritt nach § 7 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 A K B nur ein, wenn eine Obliegenheitsverletzung in der Absicht begangen wird, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die entsprechende Heranziehung dieser Bestimmungen auf den Rückgriffsanspruch des Dienstherrn ist ohne weiteres möglich, da der Versicherte bei Obliegenheitsverletzungen nach dem Versicherungsfall - ebenso wie der Beamte - nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat.
III. Das Verhältnis des Rückgriffs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG zum Amtshaftungsrückgriff Verursacht ein Beamter mit einem Dienstfahrzeug schuldhaft einen Verkehrsunfall und stand die Fahrt in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang mit dessen hoheitlicher Aufgabenerfüllung, so kann der Geschädigte, wenn der Dienstherr des Beamten gemäß § 2 Abs. 1 PflVG haftpflichtversicherungsbefreit ist, nicht nur nach § 2 Abs. 2 Satz 1 PflVG, sondern auch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen den Dienstherrn vorgehen. Denn die Haftung des Eigenversicherers und die Haftung aus Amtspflichtverletzung stehen selbständig nebeneinander 35. Während der nach § 2
214
3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
Abs. 2 PflVG in Anspruch genommene Dienstherr aber nur in den aufgezählten Ausnahmefällen bei dem Beamten Regreß nehmen kann, stünde dem aufgrund der Amtspflichtverletzung in Anspruch genommenen Dienstherrn ein Rückgriffsanspruch im Grunde bereits bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit seitens seines Beamten zu. Ob, und wenn ja, auf welche Weise das Haftungsprivileg des § 2 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz PflVG auch auf den Amtshaftungsrückgriff anzuwenden ist, wurde lange Zeit kontrovers diskutiert. 1. Früher herrschende Meinung Urteil des OLG Celle vom 10. Februar 1959 Nach einer früher vor allem in der versicherungsrechtlichen Literatur verbreiteten Ansicht 3 6 , der sich mit Urteil vom 10. Februar 195 9 3 7 auch das Oberlandesgericht Celle angeschlossen hatte, kann von einer Beschränkung des beamtenrechtlichen Rückgriffsanspruches gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz PflVG nur dann ausgegangen werden, wenn der Dienstherr von dem Geschädigten „gleich einem Haftpflichtversicherer" in Anspruch genommen wird. Daran fehle es, wenn der Geschädigte Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG begehre. Denn in diesem Fall trete die Anstellungskörperschaft nicht für eine fremde Verbindlichkeit ein, wie es für die Stellung eines Haftpflichtversicherers charakteristisch sei, sondern sie erfülle eine eigene Schuld. Diese Überzeugung stützt sich im wesentlichen auf die Gesetzesmaterialien zur Neuregelung des § 2 Abs. 2 PflVG vom 16. Juli 195 7 3 8 , insbesondere auf den Bericht des 16. Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 8. Oktober 1956. Dort heißt es: „Wird bei einer Fahrt ein Unfall verursacht, ohne daß die Voraussetzungen der Ausübung öffentlicher Gewalt (§ 839 BGB, Art. 34 GG) vorliegen 39 (...), so bleibt hier der Geschädigte hinsichtlich seiner über die Haftungshöchstbeträge des Straßenverkehrsgesetzes hinausgehenden Ansprüche (insbesondere auch eines Schmerzensgeldanspruches) auf den Zugriff gegen den Fahrer angewiesen, wenn der Fahrzeughalter den Entlastungsbeweis aus § 831 BGB führt. Da der Fahrer regelmäßig vermögenslos und ohne größeres Einkommen ist, bleibt der Ersatzanspruch des Geschädigten hier insoweit ungedeckt. Dieses Ergebnis widerspricht dem Gedanken der Verkehrsgemeinschaft. 40" 35
BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (849). Gieseke, S. 442 (Fn. 6); Möring, S. 210; Weimar, MDR 1958, S. 897; im Beamtenrecht bisher: Cecior, in: Schütz, § 84 LBG NW Rn. 26 (Stand: 1993); Schütz, S. 89. 37 OLG Celle, Urt. v. 10.02.1959, NJW 1959, 1133. 38 BGBl. I S. 710. 39 Hervorhebung des Verfassers. 40 BT-Drs. 2/2700 (S. 5). 36
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
215
Das Oberlandesgericht Celle entnahm dem Ausschußbericht, daß die Neufassung des § 2 Abs. 2 PflVG ausschließlich bezweckte, den Schutz der Verkehrsopfer bei fiskalischen Fahrten demjenigen bei Fahrten von Kraftfahrzeugen privater Halter anzupassen, um ihnen Deckungsschutz auch dann zu gewähren, wenn sich der Dienstherr gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB hinsichtlich Auswahl und Überwachung seines Kraftfahrers exkulpieren konnte. In diesem Fall sei der Dienstherr vor der Gesetzesänderung bei Fiskalfahrten nur als Halter im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG verantwortlich gewesen. Anders verhielt es sich bei einem privaten Kraftfahrzeugführer, dessen Haftpflichtversicherung auch für die gegen den Fahrer selbst gerichteten Ansprüche, insbesondere auf Schmerzensgeld (§ 847 BGB), einzustehen hatte. Diese Rechtsungleichheit habe durch die Neuregelung des Pflichtversicherungsgesetzes beseitigt werden sollen 41 . Hiernach käme das Haftungsprivileg des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG nur demjenigen Beamten zugute, der sich auf einer Fiskalfahrt befand, als er den Unfall verursachte. Für Fahrten in Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben bliebe es insoweit bei der allgemeinen Regreßverantwortlichkeit des Beamten für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, es sei denn, es bestünden entgegenstehende Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften. 2. Gegenstimmen und Beendigung des Streits durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. September 1985 Die Nichtanwendung des Haftungsprivilegs aus § 2 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz PflVG auf den Amtshaftungsrückgriff wird von der neueren Literatur und Rechtsprechung 42 einmütig abgelehnt. Birk und später Stahl haben darauf hingewiesen, daß eine Vorschrift mit Hilfe der Gesetzesmaterialen nur dann restriktiv ausgelegt werden dürfe, wenn der Wille des Gesetzgebers im Gesetz selbst zum Ausdruck gekommen sei 4 3 . Der Entstehungsgeschichte einer Norm komme nur insofern Gewicht zu, als sie die Richtigkeit einer Auslegung bestätige oder noch bestehende Zweifel behebe, die nicht durch Wortlaut und Sinn eines Gesetzes ausgeräumt werden könnten 4 4 . § 2 Abs. 2 PflVG unterscheide aber weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Inhalt zwischen hoheitlichen und fiskalischen Fahrten 45 . Während sich Birk allerdings für eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 2 PflVG auf Hoheitsfahrten ausspricht 46 , wendet Stahl die Vorschrift 41
OLG Celle, Urt. v. 10.02.1959, NJW 1959, 1133 (1134). BVerwG, Beschl. v. 11.02.1971, Buchholz 232 §78 BBG Nr. 14, 21 (21); BVerwG Urt. v. 18.02.1981, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26, 1 (1 f.). 43 Birk, S. 238; Stahl, S. 46. 44 Birk, S. 238. 45 Stahl, S. 46. 42
216
3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
direkt auf den Amtshaftungsrückgriff an, weil insoweit der teleologischen Auslegung der Vorschrift der Vorrang gegenüber der analogen Anwendung gebühre. Unter Inanspruchnahme des beamteten Fahres im Sinne von § 2 Abs. 2 PflVG sei daher eine Inanspruchnahme jeder Art zu verstehen, einschließlich des Amtshaftungsrückgriffs 47 . Riedmaier hat dem zusgestimmt und ergänzend konstatiert, daß die Anwendung des § 2 Abs. 2 PflVG auf Hoheitsfahrten auch durch den Grundsatz der Gleichbehandlung gleicher Lebenssachverhalte gefordert werde 48 . Der Bundesgerichtshof hat schließlich mit Urteil vom 26. September 1985 die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt. Die Haftung des Eigenversicherers stehe zwar grundsätzlich selbständig neben der Haftung aus Amtspflichtverletzung. Diese im Außenverhältnis bestehende Anspruchskonkurrenz führe aber nicht dazu, daß auch im Innenverhältnis der beamtenrechtliche Regreßanspruch von dem versicherungsrechtlichen Anspruch unbeeinflußt bleibe. Die Meinung, der Dienstherr erfülle eine eigene Schuld, wenn er für einen von seinem Bediensteten in Ausübung öffentlicher Gewalt verursachten Schaden Ersatz leiste, treffe nicht zu. Art. 34 GG begründe keine unmittelbare Staatshaftung, sondern leite die persönliche Haftung des Beamten lediglich auf den Staat über. Zudem vermochte der Bundesgerichtshof keinen inneren Grund dafür zu erkennen, warum ein Beamter, der in Ausübung eines öffentlichen Amtes einen Verkehrsunfall herbeigeführt habe, seinem Dienstherrn weitergehend haften sollte, als jeder andere Kraftfahrzeugführer seinem Haftpflichtversicherer. Ebenso fehle eine Rechtfertigung dafür, daß er in unterschiedlichem Maße herangezogen werden könne, je nachdem, ob seine Fahrt in Ausübung eines öffentlichen Amtes oder zu fiskalischen Zwecken erfolgte 49 . Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Vorschrift sprächen gegen die Übertragung des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG auf den Rückgriff nach Art. 34 Satz 2 GG i.V.m. §§ 78 BBG, 46 BRRG. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 PflVG stelle allein auf den umfassenden Begriff des Fahrers ab. Zwar habe die Gesetzesänderung aus dem Jahre 1957 „in erster Linie" die Beseitigung der nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung bezweckt, je nachdem, ob der Schaden durch ein privates Kraftfahrzeug verursacht worden sei, oder von einem Fahrzeug der öffentlichen Hand, bei dem die Voraussetzungen der Amtshaftung nicht vorlagen. Indessen sei es gleichrangiges Ziel des Gesetzes gewesen, Ungleichbehandlungen des Rückgriffs gegen den Kraftfahrer zu beseitigen 50 . 46 47 48 49 50
Birk, S. 239. Stahl, S. 46 insbesondere Fn. 13. Riedmaier, RiA 1977, S. 49 und 71. BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (849). BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (849 f.); so zuvor schon Stahl, S. 46 f.
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
217
3. Meinungsdiskussion und Stellungnahme a) Überprüfung der herrschenden Meinung anhand von Wortlaut und Gesetzesmotiven Die heutige Kommentarliteratur nimmt zu dieser Kontroverse nicht mehr Stellung. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. September 1985 ist für die Praxis der Streit im Sinne der letztgenannten Auffassung entschieden. Allein die Regelmäßigkeit, mit der die dargestellte Streitfrage in den Jahren 1957 bis 1986 Gegenstand rechtswissenschaftlicher Auseinandersetzungen gewesen ist, zeigt, daß sich hinter ihr ein ernsthaftes dogmatisches Problem verbirgt. Ausgangspunkt der juristischen Auslegung bildet der Wortlaut. Nach Ansicht von Stahl steht der Wortlaut des § 2 Abs. 2 PflVG der direkten Anwendung auf Hoheitsfahrten nicht entgegen. Auch nach Meinung des Bundesgerichtshofs läßt der Wortlaut eine direkte Anwendung des § 2 Abs. 2 PflVG auf Fahrten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit zu. Dem ist nicht so. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG gilt die Rückgriffsbeschränkung nur, wenn der Fahrzeughalter „Verpflichtungen nach Satz 1" erfüllt. Nach Satz 1 hat die haftpflichtversicherungsbefreite Körperschaft „für den Fahrer (...) einzutreten wie ein Versicherer bei Bestehen einer (...) Haftpflichtversicherung". Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG umfaßt daher ausschließlich den Rückgriff des Dienstherrn wegen von ihm in seiner Eigenschaft als Eigenversicherer erbrachter Leistungen, nicht auch solcher aufgrund seiner Verpflichtung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Nur erstere können als „Verpflichtungen nach Satz 1" angesehen werden. Damit ist der von Stahl beschrittene Weg der (teleologischen) Auslegung nicht gangbar, weil jede Form der Auslegung denknotwendig voraussetzt, daß der Wortlaut mehrere Auslegungen zuläßt. Gerade dies ist im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG aber nicht der Fall. Somit bleibt nur der Weg der entsprechenden Anwendung 51 , wie er von Birk eingeschlagen wird: Demzufolge setze die Analogie einen gleichen Normzweck und eine gleiche Interessenlage voraus. Beides sei hier gegeben. Dabei brauche, so Birk, die Entstehungsgeschichte nicht eigens bemüht zu werden 52 . Daran ist richtig, daß bei Hoheits- und Fiskalfahrten eine vergleichbare Interessenlage besteht, die eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG auf den Rückgriff gegen den Beamten aus Amtshaftung rechtfertigen würde. Birk verkennt allerdings die zweite Voraussetzung einer Analogie in Gestalt einer planwidrigen bzw. unbewußten Regelungs51
Vom OLG Celle, Urt. v. 10.02.1959, NJW 1959, 1133 (1134) ausdrücklich offengelassen. 52 Birk, S. 239.
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3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
lücke. Ob eine solche besteht oder nicht, ist anhand der Gesetzesmaterialien zu prüfen. Soweit es die Motive des Gesetzes vom 16. Juli 1957 betrifft, gelangen das Oberlandesgericht Celle und der Bundesgerichtshof zu unterschiedlichen Ergebnissen. Tatsächlich scheint der Ausschußbericht vom 8. Oktober 1956 auf der einen Seite von einem gesetzgeberischen Handlungsbedarf nur bei Fiskalfahrten ausgegangen zu sein. Auf der anderen Seite beklagt der Bericht aber auch die Schlechterstellung der im öffentlichen Dienst beschäftigten Kraftfahrer gegenüber den privat beschäftigten, ohne dabei zwischen Hoheits- und Fiskalfahrten zu unterscheiden. Der Bericht läßt daher keinen eindeutigen Schluß zu, steht aber andererseits der Annahme einer unbewußten Regelungslücke auch nicht entgegen. Auskunft über den Willen des Gesetzesgebers erteilt jedoch nicht nur der bisher allein in die Diskussion eingebrachte Ausschußbericht von 1956, sondern auch der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes vom 16. Mai 1964 53 . Es überrascht nicht wenig, in der Begründung dieses Entwurfs eine eindeutige Stellungnahme zu der hier streitigen Frage zu finden. Die entscheidende Textpassage lautet: „Der Rückgriff gegen ihre Bediensteten wird den befreiten Fahrzeughaltern auch künftig nur in den Fällen gestattet, in denen ein Haftpflichtversicherer diesen Personen Haftpflichtversicherungsschutz verweigern könnte. Da auch die Neufassung der Vorschrift daran anknüpft, oh in gleicher Lage ein Haftpflichtversicherer für diese Person eintrittspflichtig wäre oder nicht, bleibt die Regelung der Rückgriffsfrage für die Fälle, in denen der Fahrzeughalter der öffentlichen Hand nicht für seine Fahrer usw. eintritt, sondern materiellrechtlich selbst und allein haftpflichtig ist (vgl. § 839 BGB, Art. 34 GG), auch künftig den hierfür zuständigen Stellen überlassen, (vgl. für den Bereich der Bundesverwaltung den gemeinsamen Erlaß des BMF und des BMI vom 7. November 1958 - II A/2 - A 0247- 32/58, II A/2 22128 - 2409 V 58, Gemeinsames Ministerialblatt 1958, S. 499)54." Der Gesetzgeber des Pflichtversicherungsgesetzes von 1965 ging also unzweideutig davon aus, daß der Rückgriff bei Hoheitsfahrten nicht von § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG erfaßt wird und überließ dessen Behandlung ausdrücklich der Verwaltungspraxis. Wenngleich diese Gesetzesmotive ein im Wege der Auslegung gefundenes Ergebnis wohl nicht erschüttern könnten, stehen sie doch zwingend der Annahme einer analogiebegründenden, dem Gesetzgeber nicht bewußten Regelungslücke entgegen. Der Gesetzgeber des Jahres 1965 war sich der besonderen Rechtslage bei Hoheitsfahrten sehr wohl bewußt. Daraus folgt, daß § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG auf den Amtshaftungsrückgriff des Dienstherrn weder direkt noch entsprechend angewandt werden kann. 53 54
BT-Drs. 4/2252 (S. 14). Hervorhebung des Verfassers.
Α. Grundsätzlicher Ausschluß des Rückgriffs
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b) Herleitung des Ergebnisses aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn Damit ist jedoch nicht gesagt, daß der aus Amtshaftung in Anspruch genommene Dienstherr bei grober Fahrlässigkeit seines Beamten ohne weiteres Rückgriff nehmen könnte. Zum einen besteht heute ein lückenloser Schutz der beamteten Kraftfahrer durch Verwaltungsrichtlinien. Zum anderen ist auch insoweit die Fürsorgepflicht des Dienstherrn das ausschlaggebende Moment: Denn wie der Bundesgerichtshof zu Recht ausgeführt hat, verbietet es die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn, aus der Freistellung von der eigenen Versicherungspflicht den weiteren Vorteil zu ziehen und die wirtschaftlichen Nachteile aus der Stellung als Quasiversicherer auf den Beamten abzuwälzen. Dies gilt gleichermaßen bei fiskalischen wie bei hoheitlichen Fahrten. Das von der herrschenden Meinung gefundene Ergebnis wird damit nicht in Zweifel gezogen, sondern nur auf eine andere dogmatische Grundlage gestellt: Der grundsätzliche Ausschluß des Rückgriffs gegen den Beamten bei Hoheitsfahrten ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung nicht aus einer direkten oder analogen Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG, sondern aus einer unmittelbaren Heranziehung des Fürsorgegedankens. Diese Überzeugung entspricht anscheinend auch dem Willen des Gesetzgebers. Zwar sollte der Rückgriff nach der amtlichen Begründung des Pflichtversicherungsgesetzes von 1965 „den hierfür zuständigen Stellen überlassen" bleiben, doch wurden zugleich diejenigen Verwaltungsrichtlinien zitiert, die schon damals der Gleichbehandlung von Hoheits- und Fiskalfahrten Rechnung trugen. Es erscheint daher die Annahme gerechtfertigt, auch der Gesetzgeber habe die rechtliche Grundlage der Haftungsfreistellung bei Hoheitsfahrten nicht in § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG, sondern unmittelbar in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gesehen.
IV. Die Erstreckung des Haftungsprivilegs aus § 2 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz PflVG auf Landesbeamte Rechtsprechung und Schrifttum stimmen im Ergebnis schließlich darin überein, daß § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG nicht nur den Rückgriff nach § 78 BBG gegen Bundesbeamte, sondern auch den Rückgriff des jeweiligen Dienstherrn gegen Landesbeamte nach den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften ausschließt. Uneins ist man indessen über die Begründung. Der Bundesgerichtshof vertritt insoweit die Ansicht, die bundesrechtliche Norm des § 2 Abs. 2 PflVG vermöge die landesrechtlichen Regreßnormen nicht zu verdrängen 55 . Der Schutz, den das Pflichtversicherungsgesetz auch dem Beamten bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges angedeihen lassen wolle, schlage sich jedoch in einer entsprechenden Fürsorgepflicht nieder,
3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
220
die es dem Dienstherrn gebiete, einen Rückgriff wegen eines Fremdschadens nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG vorzuneh56
men . Dem wird seitens des Schrifttums teilweise entgegengehalten, daß es zur Begründung der Geltung des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG im Länderbereich einer auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gestützten Argumentation nicht bedürfe 57 . § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG sei gegenüber der landesrechtlichen Regreßnorm vielmehr als lex specialis anzusehen58. Tatsächlich hat der Bundesgesetzgeber zwar die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das privatrechtliche Versicherungswesen aus Art. 74 Nr. 11 GG. § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG greift aber anläßlich einer versicherungsrechtlichen Problematik in das Recht der Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst stehenden Personen ein und bildet somit eine Norm des materiellen Beamtenrechts. Insoweit steht dem Bund allein im Hinblick auf seine eigenen Beamten eine (ausschließliche) Regelungskompetenz zu (Art. 73 Nr. 8 GG). Hinsichtlich der Landesbeamten hat der Bundesgesetzgeber nach Art. 75 Nr. 1 GG nur die Möglichkeit der Schaffung von Rahmenregelungen, welche grundsätzlich ausfüllungsbedürftig und ausfüllungsfähig sein müssen 59 . Der Bundesgerichtshof scheint daher der Auffassung zuzuneigen, daß eine dem § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG entsprechende Regelung mit bindender Wirkung für die Länder von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gedeckt ist und begründet dessen Verbindlichkeit für die Länder folglich mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht. Jedoch ist der Vorrang des Pflichtversicherungsgesetzes für den Fall der Eigenversicherung gegenüber den beamtenrechtlichen Rückgriffsvorschriften die konsequente Folge des Prinzips der Eigenversicherung und daher allein tragend 60 . Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich insoweit aus einer ungeschriebenen Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs, da es sich bei dem Ausschluß des Rückgriffs um ein zwingendes, aus dem Gedanken der Gleichbehandlung gleicher Lebenssachverhalte herzuleitendes Gebot der Fürsorge des Dienstherrn handelt, so daß die hier in Rede stehende Materie „verständiger Weise nicht geregelt werden könnte, ohne zugleich eine dem Bund nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mit55
BGH, Urt. v. 26.09.1985, NJW 1986, 848 (850); BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV, 1994, 387 (388). 56 BGH, Urt. v. 28. 10.1994, DÖV 1994, 387 (388). 57 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 42; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 18 a). 58 Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 28; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 42. 59 BVerfG, Urt. v. 01.12.1954, BVerfGE 4, 115 (129). 60 So zu Recht: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 18 a).
Β. Das Haftungsprivileg der Beamten im Βesteuerungsverfahren
221
zuregeln" 61 . § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG verdrängt somit bei Fahrten von Landesbeamten die landesrechtliche Regreßnorm als das speziellere Gesetz.
V. Zusammenfassung In dem Bereich, in dem der Dienstherr des Beamten als sogenannter öffentlich-rechtlicher Eigenversicherer im Sinne von § 2 PflVG fungiert, folgt aus dem auf der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht beruhenden Gedanken der Gleichbehandlung gleicher Lebenssachverhalte, daß der Dienstherr den Beamten nur insoweit in Regreß nehmen darf, als die Schadenshöhe die Mindestversicherungssummen übersteigt oder auch ein privater Haftpflichtversicherer von der Leistung gegenüber dem versicherten Fahrer frei würde. Dies ist gemäß § 152 V V G regelmäßig nur bei einer vorsätzlichen Schadensverursachung der Fall, ferner in den Fällen der §§ 2b) und 7 AKB. Für beamtete Bundeskraftfahrer ist dieses praktisch bedeutsame Haftungsprivileg ausdrücklich normiert in § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG, soweit es sich um Fiskalfahrten handelt. § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG verdrängt in seinem Geltungsbereich sowohl § 78 BBG als auch die landesrechtlichen Schadensersatznormen als das speziellere Gesetz. Auf Fahrten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit findet § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG weder direkt noch analog Anwendung. Allerdings ist auch in diesen Fällen der Regreß gegen den Beamten nicht in weiterem Umfange eröffnet. Rechtsgrundlage des Rückgriffsausschlusses ist hier jedoch allein die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, die es dem Dienstherrn, welcher als Eigenversicherer bereits den Vorteil der Ersparnis von Versicherungsbeiträgen genießt, verbietet, sich an seinem Kraftfahrer ganz oder teilweise schadlos zu halten. In der Praxis gilt daher ein dem § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG entsprechendes Privileg für den gesamten Bereich der Rückgriffshaftung gegen beamtete Kraftfahrer.
B. Das Haftungsprivileg der Beamten im Besteuerungsverfahren nach § 32 AO (1977) Eine weitere tatbestandliche Haftungsprivilegierung ergibt sich aus § 32 AO (1977). Wird danach „infolge einer Amts- oder Dienstpflichtverletzung eines Amtsträgers 1. eine Steuer oder eine steuerliche Nebenleistung nicht, zu niedrig oder zu spät festgesetzt, erhoben oder beigetrieben oder 2. eine Steuererstattung oder Steuervergütung zu Unrecht gewährt oder 61
Vgl. BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.06.1954, BVerfGE 3, 407 (421).
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3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
3. eine Besteuerungsgrundlage oder eine Steuerbeteiligung nicht, zu niedrig oder zu spät festgesetzt, so kann er nur in Anspruch genommen werden, wenn die Amts- oder Dienstpflichtverletzung mit einer Strafe bedroht ist."
I. Tatbestandliche Voraussetzungen der Privilegierung 1. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich des § 32 AO (1977) § 32 AO (1977) schützt den „Amtsträger" im Besteuerungsverfahren und damit nach § 7 Nr. 1, 1. Alt. AO (1977) auch und vor allem den Beamten im dienst- bzw. statusrechtlichen Sinne. In den persönlichen Schutzbereich fallen sowohl Beamte der Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder als auch Gemeindebeamte, sofern diese im Besteuerungsverfahren tätig sind 6 2 . § 32 AO (1977) ist keine selbständige Haftungsgrundlage 63 . Ebenso wie Art. 34 Satz 2 GG schreibt § 32 AO (1977) die Haftung des Amtsträgers nicht selbst vor, sondern schränkt die auf anderer Rechtsgrundlage bestehende Haftung ein. Die Vorschrift ist daher zwar lex specialis gegenüber den §§78 BBG, 46 BRRG 6 4 , diese werden jedoch nicht vollständig aus ihrem Anwendungsbereich verdrängt, sondern lediglich modifiziert: Kommt es infolge einer Pflichtverletzung eines Beamten zu einem der in § 32 AO (1977) Nrn. 1 bis 3 aufgeführten Schäden, so scheidet eine Haftung gegenüber dem Dienstherrn aus, sofern die Pflichtverletzung keine mit Strafe bedrohte Handlung darstellt. Im übrigen haften auch Finanzbeamte nach den allgemeinen Regeln der §§ 78 BBG, 46 BRRG. Anders als § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG gilt § 32 AO (1977) für den Gesamtbereich der Verantwortlichkeit des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn. Von § 32 AO (1977) erfaßt werden sowohl die Ersatzansprüche des Dienstherrn wegen unmittelbar erlittener Schäden als auch der Rückgriff wegen mittelbarer Schädigung des Dienstherrn aufgrund erbrachter Schadensersatzleistungen an einen Steuerpflichtigen 65 . Darüber hinaus gilt § 32 AO (1977) nach seinem Wortlaut zwar nur für die Festsetzung, Erhebung und Beitreibung von Steuern im Sinne des § 3 Abs. 1 AO (1977). Auf Pflichtverlet62
BGH, Urt. v. 26.04.1979, MDR 1980, 127 (127) zu § 23 RAO. Battis, § 78 BBG Rn. 3; Kühn/Hofmann, § 32 AO Rn. 3; Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 1. 64 Battis , § 78 BBG Rn. 3; Kosin, S. 106; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/ Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 5; Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 4; Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 1. 65 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 5; Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 1. 63
Β. Das Haftungsprivileg der Beamten im
esteuerungsverfahren
223
zungen, die Verwaltung von Gebühren und Beiträgen betreffend, ist § 32 AO (1977) aber ebenfalls anwendbar, soweit die einzelnen Landesgesetze, vorrangig die AO-Ausführungs- und Kommunalabgabengesetze, entsprechende Bestimmungen enthalten 66 . 2. Pflichtverletzung und Beeinträchtigung des Steueraufkommens a) Verletzung
von Amts- oder Dienstpflichten
§ 32 AO (1977) setzt voraus, daß der Beamte seine „Amts- oder Dienstpflichten" verletzt hat. Diese Formulierung ist mit der heutigen Fassung der §§ 78 BBG, 46 BRRG nicht abgestimmt, meint aber ebenfalls jedes Tun oder Unterlassen des Beamten, das objektiv gegen den Inhalt einer ihm aufgrund des Beamtenverhältnisses obliegenden allgemeinen oder speziellen Pflicht verstößt 67 . Wie die Wendung „Amts- oder Dienstpflichten" zudem klarstellt, kommt es auch im Rahmen des § 32 AO (1977) nicht darauf an, daß die Tätigkeit in Ausübung des dem Beamten anvertrauten öffentlichen Amtes erfolgte. Die Haftungsbeschränkung greift vielmehr auch dann ein, wenn ein nichthoheitlich tätiger Finanzbeamter die seine Ersatzpflicht begründende Ursache gesetzt hat 6 8 . b) Beeinträchtigung des Steueraufkommens Des weiteren muß das Steueraufkommen durch die Pflichtverletzung in einer der in § 32 Nrn. 1 bis 3 AO (1977) genannten Modalitäten beeinträchtigt worden sein. Bei den Tatbeständen der Nrn. 1 bis 3 handelt es sich um die gängigsten Beeinträchtigungen von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO (1977)) 69 . Das Gesetz ist jedoch insofern unvollständig, als der Steuerhaftungsanspruch nicht mit aufgeführt ist. Tipke/Kruse wenden § 32 AO (1977) daher auf den Haftungsanspruch analog an, weil kein Grund ersichtlich sei, der es rechtfertigen könnte, hinsichtlich der Haftungsansprüche § 32 AO (1977) nicht eingreifen zu lassen 70 . Diese Ansicht ist bedenkenfrei: Ein steuerrechtliches Analogie verbot zu Lasten des Steuergläubigers gibt es nicht 7 1 . Das strafrechtliche Analogie verbot ist ebenfalls nicht einschlägig, da § 32 AO (1977) zwar an die strafrechtliche Verant-
66 67 68 69 70 71
Koch, in: Koch/Scholtz, § 32 AO, Rn. 2/2; z.B.: § 11 Abs. 1 Nr. ld) NKAG. Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 13. Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 2. Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 7. Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 2. Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 8.
224
3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
wortlichkeit des Beamten anknüpft, jedoch selbst keine strafrechtliche, sondern eine haftungsrechtliche Norm darstellt. „Zu spät" erfolgt ist eine Steuerfestsetzung im Sinne von § 32 Nr. 1 AO (1977), wenn sie keine Steuerzahlung mehr nach sich ziehen kann. Dies ist der Fall, wenn die Steuer erst nach Eintritt der FestsetzungsVerjährung festgesetzt worden ist und der Steuerbescheid daher vom Finanzgericht aufgehoben wird oder wenn sie später als gewöhnlich erfolgte und der Steuerpflichtige mittlerweile zahlungsunfähig geworden ist 7 2 . „Zu niedrig" ist eine Festsetzung, Erhebung oder Beitreibung, wenn sich bei ordnungsgemäßer und fehlerfreier Verfahrensdurchführung ein höherer Betrag ergeben hätte, wobei in Zweifelsfragen eine dem Steuerpflichtigen günstige Gesetzesinterpretation zugrundezulegen ist 7 3 . 3. Bedrohung der Dienstpflichtverletzung mit Strafe Die Kernaussage des § 32 AO (1977) besteht in der Forderung, die dem Beamten zur Last fallende Pflichtverletzung müsse „mit einer Strafe bedroht" sein. Strafe im Sinne des § 32 AO (1977) ist nur eine Kriminalstrafe, nicht dagegen ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit oder eine Disziplinarmaßnahme 74 . Der Zweck der Haftungsbeschränkung würde verfehlt, wenn bereits eine Disziplinarmaßnahme die Inanspruchnahme des Amtsträgers ermöglichte, weil der Dienstherr es sonst in der Hand hätte, durch Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, die Voraussetzungen des § 32 AO (1977) selbst herbeizuführen 75 . Aus Gründen der Rechtsklarheit sah der Regierungsentwurf zur Abgabenordnung daher die Formulierung vor: „die Amts- oder Dienstpflichtverletzung als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedroht ist." 7 6 Dieser Wortlaut ist im Gesetzgebungsverfahren lediglich vereinfacht worden; Anhaltspunkte dafür, daß auch der materielle Gehalt der Vorschrift verändert werden sollte, bestehen nicht 7 7 . Als mögliche Straftaten in Betracht kommen unter anderem Täterschaft und Beteiligung an einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO (1977)), Steuerhehlerei (§ 374 AO (1977)), Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB), Urkundenfälschung bzw. -Unterdrückung (§§ 267, 274 StGB), Unterschlagung (§ 246 StGB), Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit (§§ 331, 332 StGB), Ab-
72
Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 9. Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 10. 74 Pfaff, S. 241; Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 14; Kühn/Hofmann, § 32 AO Rn. 3. 75 Koch, in: Koch/Scholtz, § 32 AO Rn. 3; Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 2. 76 BT-Drs. 6/1982 zu § 35 EAO 1974. 77 Koch, in: Koch/Scholtz, § 32 AO Rn. 3. 73
Β. Das Haftungsprivileg der Beamten im Βesteuerungsverfahren
225
gabenüberhebung und Leistungskürzung (§ 353 StGB) sowie Rechtsbeugung (§ 336 StGB) 7 8 . Die in § 32 AO (1977) angeordnete Haftungsbeschränkung entfällt bereits, wenn die Dienstpflichtverletzung mit Strafe „bedroht" ist. Nicht erforderlich ist, daß der Rückgriffsforderung des Dienstherrn eine gerichtliche Verurteilung des Beamten vorausgegangen ist 7 9 . Hellwig vertritt hierzu die Auffassung, daß schon die Erfüllung des objektiven Tatbestandes einer Strafnorm genüge, um die Haftung des Beamten auf Schadensersatz auszulösen. Er begründet dies damit, daß § 32 AO (1977) auf die abstrakte Bedrohung der Handlung mit Strafe abstelle, nicht darauf, daß sich der Amtsträger tatsächlich strafbar gemacht habe. Nicht erforderlich sei daher, daß der Amtsträger angeklagt und verurteilt werden könne. Durch die Anknüpfung an die Strafbewehrtheit sollte der Schweregrad der Pflichtverletzung umrissen werden. Dieser werde aber nur durch den objektiven Tatbestand beeinflußt. Daher könne es für die Haftungsfrage nicht auf Elemente wie Schuldunfähigkeit des Amtsträgers oder Eintritt der Strafverfolgungsverjährung ankommen 80 . Diese Ansicht ist abzulehnen. Die bloße Erfüllung des objektiven Tatbestandes eines Strafgesetzes reicht nicht aus, den Beamten im Besteuerungsverfahren der Haftung gegenüber seinem Dienstherrn auszusetzen. Erforderlich ist vielmehr, daß der Beamte alle materiellen Strafbarkeitsmerkmale verwirklicht hat, regelmäßig also vorsätzlich gehandelt haben muß 8 1 . Denn „mit Strafe bedroht" ist grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln (§15 StGB ggf. i.V.m. § 369 Abs. 2 AO). Würde man auf die vorsätzliche Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verzichten, verlöre § 32 AO (1977) seine Bedeutung. Der Beamte in der Finanzverwaltung würde dann nach der Grundregel der §§78 BBG, 46 BRRG bereits haften, wenn er grob fahrlässig gehandelt und dabei mehr oder weniger zufällig den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt hat. Darüber hinaus ist auch zu fordern, daß der Beamte rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat 8 2 . Rechtmäßiges Handeln ist ebenfalls nicht „mit einer Strafe bedroht". Ist der Beamte gerechtfertigt, fehlt es zudem bereits an einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung. Handelt der Beamte zwar vorsätzlich und rechtswidrig, aber schuldlos - etwa aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums 78
Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 3. Pfaff, S. 241; Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 15; Tipke/Kruse, § 32 AO Rn. 2; anderer Ansicht noch: Kühn, § 23 Anm. 3 (für § 23 RAO). 80 Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 16. 81 BGH, Urt. v. 26.04.1979, MDR 1980, 127 (127); Kosin, S. 106. 82 OVG Münster, Urt. v. 17.02.1984, NVwZ 1985, 208 (209): „tatbestandsmäßig und rechtswidrig". 79
15 Beckmann
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3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
nach § 17 Satz 1 StGB - so erreicht ihn die Appellfunktion der Strafnorm nicht. Es widerspräche der Ratio des § 32 AO (1977), den Beamten in diesem Fall für einen von ihm verursachten Schaden haften zu lassen. Denn Zweck der Haftungsbeschränkung ist es, den Beamten nur dann mit dem „Damoklesschwert drohender Haftungsansprüche" 83 zu belasten, wenn er bewußt die Schwelle zur Straftat überschreitet. Dies wird aber regelmäßig nur bei vorsätzlicher, rechtswidriger und schuldhafter Begehung der Fall sein. Eventuelle rechtspolitische Zweifel am Sinn der Haftungsprivilegierung des § 32 AO (1977), wie sie der Auffassung Hellwigs offenbar zugrundeliegen, sind vom Gesetzgeber und nicht vom Rechtsanwender zu beseitigen. Hellwig ist allerdings insoweit zuzustimmen, als das Fehlen einer prozessualen Voraussetzung, wie etwa der weiteren Verfolgbarkeit (§§ 78 ff. StGB) der Tat wegen eingetretener Verjährung, die Durchsetzung des Haftungsanspruchs nicht zu hindern vermag. Das Bestehen eines Prozeßhindernisses ändert nichts an der abstrakten Strafdrohung. Der Schadensersatzanspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG unterliegt ausschließlich seiner eigenen Verj ährung sregelung. 4. Kausalität und Zurechnungszusammenhang Schutzzweck der Norm Schließlich muß die Nicht-, Niedrig- oder Spätfestsetzung der Steuer bzw. die zu Unrecht erfolgte Steuererstattung oder -Vergütung „infolge" der Pflichtverletzung des Beamten eingetreten sein. Damit ist keine Besonderheit des Haftungsprivilegs aus § 32 AO (1977) angesprochen, sondern das allgemeine Erfordernis adäquater Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden umschrieben 84 . Eine andere Betrachtungsweise hat indessen das Oberverwaltungsgericht Münster in einer Entscheidung aus dem Jahre 1984 zugrundegelegt: Das Gericht hatte zu prüfen, ob eine Steuerhauptsekretärin für einen von ihr verursachten Schaden in Höhe von knapp 22.000 D M haftbar gemacht werden konnte. Dieser Schaden war entstanden, weil die Beamtin eine größere Anzahl dienstlicher Unterlagen mit nach Hause genommen, dort unbearbeitet gelassen und erst nach einem Jahr wieder zurück in das Finanzamt gebracht hatte, wodurch Steuerforderungen des Fiskus in der genannten Höhe verjährt waren. Der Vorsteher des Finanzamts erließ daraufhin einen Leistungsbescheid auf der Grundlage der allgemeinen Haftungsnorm des Landesbeamtengesetzes, durch welchen er die Steuerhauptsekretärin zum 83 84
Kühn/Hofmann, § 32 AO Rn. 1. Hellwig, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 32 AO Rn. 11.
Β. Das Haftungsprivileg der Beamten im Βesteuerungsverfahren
227
Schadensersatz aufforderte. Das Oberverwaltungsgericht Münster als Berufungsgericht hat der gegen den Leistungsbescheid gerichteten Klage der Steuerhauptsekretärin stattgegeben. Dabei ließ das Gericht die Frage offen, ob die Klägerin durch die unerlaubte Entfernung der Akten aus dem Finanzamt überhaupt eine Straftat, etwa in Gestalt eines Verwahrungsbruches oder einer Urkundenunterdrückung, begangen hatte oder nicht, weil es nach Meinung des Gerichts selbst bei Bejahung einer Straftat an der von § 32 AO (1977) geforderten und durch den Begriff „infolge" umschriebenen adäquaten Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schädigung des Fiskus gefehlt habe. Der geltend gemachte Schaden sei nämlich gerade keine adäquate Folge einer mit Strafe bedrohten Amts- oder Dienstpflichtverletzung der Klägerin gewesen. Vielmehr wäre der Steuerausfall, so die Begründung des Gerichts, auch dann entstanden, wenn die Klägerin die fraglichen Steuerbescheide in ihrem Schreibtisch aufbewahrt hätte, „was unzweifelhaft weder (als) Urkundenunterdrückung im Sinne des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB noch (als) Verwahrungsbruch im Sinne des § 133 Absätze 1 und 3 StGB" zu qualifizieren gewesen wäre 85 . Das Oberverwaltungsgericht hat hier jedoch den Begriff der adäquaten Kausalität verkannt. Denn die Entfernung der Steuerakten aus den Räumlichkeiten des Finanzamts und die damit verbundene Nichtbearbeitung der Steuerfälle waren vom Standpunkt eines optimalen Betrachters nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus geeignet, die Verjährung der Steueransprüche des Fiskus herbeizuführen. Die damit bestehende adäquate, durch das Wort „infolge" umschriebene, Kausalität zwischen Dienstpflichtverletzung und Schaden wurde nicht dadurch wieder beseitigt, daß die Steuerausfälle auf anderem Wege ebenfalls eingetreten wären. Das Oberverwaltungsgericht hätte folglich prüfen müssen, ob die von der Steuerhauptsekretärin konkret begangene Dienstpflichtverletzung (Mitnahme der Steuerakten nach Hause für unbestimmte Zeit) „mit einer Strafe bedroht" war. Stattdessen hat das Gericht insoweit einen hypothetischen Kausalverlauf berücksichtigt und an die Stelle der tatsächlichen Verbringung der Steuerakten aus dem Amtsgewahrsam, die als vorsätzliche Dienstpflichtverletzung (wahrscheinlich) mit Strafe bedroht war, die bloße Nichtbearbeitung der Steuerfälle gesetzt, die zwar ebenfalls eine vorsätzliche Dienstpflichtverletzung darstellen, jedoch keinen Straftatbestand erfüllen würde. Die Berücksichtigung dieses gedachten Schadensverlaufes, die dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens gleichkommt (man könnte von einem „straflosen Alternativverhalten" sprechen), hätte aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einer am Schutzzweck des § 32 AO (1977) ausgerichteten Argumentation bedurft 8 6 . Bei Bejahung einer Strafttat hätte sich das Gericht folglich die Frage stellen müssen, ob es mit dem Schutzzweck des § 32 AO (1977) ver85
15*
OVG Münster, Urt. v. 17.02.1984, NVwZ 1985, 208 f.
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3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
einbar gewesen wäre, die Steuerhauptsekretärin für eine Dienstpflichtverletzung haften zu lassen, die zwar als Verwahrungsbruch oder Urkundenunterdrückung mit Strafe bedroht war, die jedoch von ihr möglicherweise nur begangen wurde, um einer - realen oder als real empfundenen - Arbeitsüberlastung zu entgehen. Diese Frage wäre wohl ebenfalls zu bejahen gewesen. Denn nach dem Normzweck des § 32 AO (1977) soll derjenige Beamte für einen Schaden einstehen müssen, der unter Aufbringung nicht unerheblicher krimineller Energie eine Schädigung des Fiskus zumindest billigend in Kauf nimmt. Für eine Beschränkung der Haftung auf Straftaten, welche in der Absicht begangen wurden, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen oder zumindest auf Straftatbestände mit Schädigungsabsicht, ist dem Wortlaut des § 32 AO (1977) nichts zu entnehmen. Eine solche restriktive Auslegung der Norm würde überdies zu einer unangemessenen Ausweitung des ohnehin weitreichenden Haftungsprivilegs aus § 32 AO (1977) führen. Im Ergebnis hätte die Steuerhauptsekretärin den von ihr adäquat verursachten Schaden daher ersetzen müssen, es sei denn, daß ihr Handeln in strafrechtlicher Hinsicht als schuldlos zu qualifizieren gewesen wäre. Dem Sachverhalt waren Anhaltspunkte hierfür jedoch nicht zu entnehmen.
II. Fehlende Rechtfertigung der Norm im System der heutigen Beamtenhaftung Es hat sich gezeigt, daß die im Besteuerungsverfahren tätigen Beamten aufgrund der Vorschrift des § 32 AO (1977) eine erheblich über die §§78 BBG, 46 BRRG hinausreichende Privilegierung genießen. Allein die Tatsache, daß die Rechtsprechung in der Vergangenheit nur äußerst selten Gelegenheit erhalten hat, über eine Inanspruchnahme von Finanzbeamten auf Schadensersatz zu urteilen, zeigt, daß § 32 AO (1977) in der Praxis faktisch einen Ausschluß der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der in der Finanzverwaltung beschäftigten Beamten zur Folge hat. Dies wirft zwangsläufig die Frage auf, ob eine solche Besserstellung in Anbetracht der heute vereinheitlichten Haftung aller Beamten noch als zeitgemäß angesehen werden kann. Folgt man den Ausführungen des steuerrechtlichen Schrifttums, so ist § 32 AO (1977) in besonderem Maße dem Wohle einer funktionstüchtigen Finanzverwaltung zu dienen bestimmt. Denn gerade in den Massenverfahren der Finanzverwaltung seien häufig Entscheidungen von großer wirtschaftlicher Bedeutung zu treffen. Die Möglichkeit einer persönlichen Inanspruchnahme müsse eine erhebliche Minderung der Entscheidungsbereitschaft der Bediensteten befürchten lassen 87 . Der mit der Bear86 St. Rspr. BGH, Urt. v. 24.10.1985, BGHZ 96, 157 (173); vgl. oben 2. Kapitel Α. IV. 1. c) aa).
Β. Das Haftungsprivileg der Beamten im
esteuerungsverfahren
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beitung von Steuerfällen befaßte Beamte soll in seiner Tätigkeit nicht durch die Furcht vor drohenden Regreßansprüchen seines Dienstherrn beeinträchtigt, sondern in seiner Entscheidungs- und Verantwortungsfreude gestärkt werden 88 . Ob der so beschriebene Zweck des § 32 AO (1977) allerdings eine von den allgemeinen Vorschriften abweichende Regelung rechtspolitisch zu rechtfertigen vermag, erscheint zweifelhaft. Diese Zweifel werden durch einen Blick auf die Gesetzesgenese noch verstärkt: 1. Herleitung des Haftungsprivilegs aus § 23 RAO und rechtspolitische Zweifel an der Rechtfertigung der Norm im Gesetzgebungsverfahren Vorläufer des heutigen Haftungsprivilegs aus § 32 AO (1977) war § 23 der Reichsabgabenordnung (RAO). Letzterer war durch Notverordnung vom 1. Dezember 1930 89 zunächst als § 10 a) RAO in Anlehnung an das Spruchrichterprivileg aus § 839 Abs. 2 BGB in das Gesetz eingefügt worden. § 23 RAO: Wird infolge einer Amts- oder Dienstpflichtverletzung eines im Dienst des Reichs, eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder einer Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts stehenden Amtsträgers (§ 22 Abs. 3 Sätze 1 und 2) oder Angestellten eine Steuer zu niedrig oder zu spät festgesetzt, erhoben oder beigetrieben oder eine Steuerbeteiligung oder ein Steuermeßbetrag zu niedrig oder zu spät festgesetzt, so kann eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, für deren Rechnung die Steuer erhoben wird oder die an dem Aufkommen der Steuer beteiligt ist, wegen der Amts- oder Dienstpflichtverletzung Schadensersatz nur dann verlangen, wenn die Amts- oder Dienstpflichtverletzung mit einer im Weg des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn die Körperschaft vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels oder durch Anrufung der Aufsichtsbehörde abzuwenden. Anlaß der eiligen Schaffung der Vorschrift war eine Klageandrohung einer Landesregierung gegen das Reich wegen fehlerhafter Verwaltung der Gewerbesteuer 90. Derartigen Forderungen wollte man - auch mit Wirkung für die Zukunft - vorbeugen. § 23 RAO bezweckte daher ursprünglich den Schutz einer steuerverwaltenden gegenüber der steuerberechtigten Körperschaft. Da höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 23 RAO kaum existierte, sind Bedeutung und Auslegung der Norm im übrigen bis zuletzt umstritten geblieben: Unbeantwortet blieb vor allem die Frage, ob und inwieweit auch 87 88 89 90
Pfaff, S. 241. Kühn/Hofmann, RGBl. I S. 517. Kosin, S. 106.
§ 32 AO Anm. 1; Tipke/Kruse,
§ 32 AO Rn. 1.
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3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
der einzelne Amtsträger durch § 23 RAO vor einer Inanspruchnahme auf Schadensersatz geschützt wurde. Die beamtenrechtliche Literatur vertrat teilweise die Auffassung, daß selbst dann, wenn § 23 RAO ursprünglich auch eine dienstrechtliche Regelung zum Inhalt gehabt haben sollte, diese jedenfalls mit Inkrafttreten des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 gegenstandslos geworden sei, weil § 23 DGB die Haftung aller Beamten ein und demselben Maßstab habe unterwerfen wollen. Man maß der Vorschrift daher nur insoweit Bedeutung bei, als sie die Ersatzpflicht des Dienstherrn nach außen beschränkte und damit mittelbar zugleich die Rückgriffshaftung gegen den verantwortlichen Beamten ausschloß91. Die herrschende Steuerrechtslehre bejahte indes unter Hinweis auf den weiten Wortlaut der Vorschrift eine Haftungsbeschränkung des Beamten im Besteuerungsverfahren auch bei unmittelbarer Schädigung seiner Anstellungskörperschaft. § 23 RAO sei lex specialis gegenüber den allgemeinen beamtenrechtlichen Haftungsnormen der § 23 DBG bzw. §§ 78 BBG, 46 BRRG 9 2 . Allein in letzterem, umstrittenen Sinne, als haftungsbeschränkende Norm des öffentlichen Dienstrechts, wurde aber in den siebziger Jahren im Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung der Abgabenordnung die Nachfolgevorschrift des § 23 RAO konzipiert. Sie sollte nunmehr ausschließlich die Haftung des Amtsträgers im Besteuerungsverfahren gegenüber der ersatzberechtigten Körperschaft beschränken. Wie die Regierungsbegründung zu § 35 des Entwurfs einer Abgabenordnung von 1974 (EAO 1974) insoweit ausführte, sei es „Zweck der Bestimmung, angesichts der Schwere des Eingriffs in Steuerangelegenheiten, das Verhältnis zwischen Finanzverwaltung und Bürgern dadurch zu verbessern, daß die Bediensteten der Finanzverwaltung frei von engherzigen, profiskalischen Zwängen" handelten 93 . Die weitgehende Freistellung der Finanzbeamten von drohenden Haftungsansprüchen des Steuergläubigers sei vor allem der Verbesserung des „Steuerklimas" dienlich, wozu bereits § 23 RAO entscheidend beigetragen habe. Unter diesem Umständen bestehe jedenfalls kein Anlaß, zum Nachteil der Bediensteten der Finanzverwaltungen und letztlich auch der Steuerzahler ändernd in diesen Zustand einzugreifen 94 . Diese Auffassung wurde vom Ausschuß für Innere Angelegenheiten sowie vom Rechtsausschuß in Frage gestellt. Sie legten dem Bundesrat mit Empfehlung vom 8. Februar 1971 nahe, zu beantragen, § 35 EAO (1974) 91
Fischbach, § 23 DBG A. I. (S. 355); Kühn, § 23 RAO Anm. 4; das Reichsgericht hat eine Sonderstellung der Steuerbeamten nicht anerkannt: vgl. die Urteile vom 05.02.1937, JW 1937, 1548 und vom 04.02.1938, RGZ 157, 197. 92 Kosin, S. 105 ff.; Mattern/Meßmer, § 23 RAO Rn. 203; Stieler, S. 83 f.; Tipke/Kruse, § 23 RAO Rn. 1. 93 BT-Drs. 6/1982 Begr. zu § 35 EAO 1974 (S. 110). 94 BT-Drs. 6/1982 Begr. zu § 35 EAO 1974 (S. 110).
Β. Das Haftungsprivileg der Beamten im Βesteuerungsverfahren
231
ersatzlos zu streichen, da sich die Tätigkeit der Steuerbehörden rechtlich und in der Erscheinungsweise nicht so gravierend von derjenigen anderer Behörden unterscheide, daß sie eine besondere Haftungsprivilegierung rechtfertigen könne. Auch bei allen übrigen Eingriffsverwaltungen werde das „Klima" zwischen Betroffenen und Behörde regelmäßig eine gewisse Rolle spielen. Im übrigen wollte man den Ergebnissen, der seinerzeit beim Bundesminister des Innern eingerichteten Kommissionen für die Reform des öffentlichen Dienstrechts sowie für die Reform des Staatshaftungsrechts 95 nicht durch eine einseitige gesetzliche Regelung für bestimmte Beamtengruppen vorgreifen 96 . Aus demselben Grunde brachte auch das Land Baden-Württemberg am 18. Februar 1971 den Antrag ein, zu prüfen, ob die Sonderstellung der Steuerbeamten nach § 35 EAO 1974 in dieser Form von der Aufgabenstellung her gerechtfertigt sei und ob bei Annahme des § 35 EAO 1974 nicht eine entsprechende Regelung zumindest auch für diejenigen Verwaltungsbereiche geboten sei, bei denen, wie zum Beispiel der Polizei und den sonstigen Eingriffsverwaltungen, ebenso schwerwiegende und rasch zu treffende Maßnahmen ergriffen werden müßten 97 . Der Bundesrat hat dem im Ergebnis jedoch nicht entsprochen, sondern darauf hingewiesen, daß die Bediensteten der Finanzverwaltung seit langem stark überlastet seien und unter großem zeitlichen Druck eine Vielzahl von Entscheidungen von großer finanzieller Tragweite treffen müßten. Im übrigen würde gerade eine Streichung der Vorschrift den seit Jahrzehnten praktizierten Gesetzeszweck beseitigen. Nicht die Beibehaltung, sondern gerade eine Streichung der Vorschrift würde deshalb einer Reform des öffentlichen Dienstrechts vorgreifen 98 . § 35 EAO (1974) wurde daher mit nur unwesentlichen Änderungen als § 32 AO (1977) Gesetz. 2. Fehlende sachliche Rechtfertigung der Norm Der Gesetzgeber hat § 32 AO (1977) in den folgenden Jahren in unveränderter Form belassen, obschon der Regierungsentwurf zu § 35 EAO (1974) eine erneute Überprüfung der Vorschrift im Rahmen einer umfassenden Reform des öffentlichen Dienstrechts nicht hatte ausschließen wollen 9 9 . Eine solche Überprüfung der Norm wäre aber dringend notwendig gewesen, da es § 32 AO (1977) heute an einer sachlichen Rechtfertigung fehlt: Der Gesetzgeber der zwölften Legislaturperiode hat mit den §§78 BBG, 46 BRRG i.d.F. vom 11. Juni 1992 endgültig eine umfassende Regelung zur 95 96 97 98 99
Dazu oben 1. Kapitel Α. V. 5. a). BR-Drs. 23/1/71 (S. 7). BR-Drs. 23/2/71. Emfehlung des Ausschusses für Finanzen: BR-Drs. 23/1/71 (S. 8). BT-Drs. 6/1982 Begr. zu § 35 EAO 1974 (S. 110).
232
3. Kap.: Besondere tatbestandliche Haftungsbeschränkung
Innenhaftung aller Beamten getroffen, deren Kernstück die allgemeine Haftungsbeschränkung auf vorsätzliche und grob fahrlässige Dienstpflichtverletzungen ist. Die herausragende Privilegierung der Beamten im Besteuerungsverfahren stellt damit heute einen zu Unrecht bestehenden Fremdkörper im System der beamtenrechtlichen Innenhaftung dar. Eventuellen Besonderheiten im Tätigkeitsbereich der Steuerverwaltung kann ohne weiteres im Rahmen der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der groben Fahrlässigkeit Rechnung getragen werden. Eine darüber hinausgehende Haftungsbeschränkung ist nicht erforderlich. Sie erinnert an längst überwunden geglaubte Begründungsansätze zur Besserstellung einzelner Beamtengruppen, wie etwa zugunsten der preußischen Grundbuchbeamten gegen Ende des letzten Jahrhunderts 100 . Auch die Verwandtschaft des § 32 AO (1977) mit dem sogenannten Spruchrichterprivileg aus § 839 Abs. 2 BGB vermag die Sonderstellung der Finanzbeamten nicht zu begründen. Gleichgültig, ob man den Sinn und Zweck des § 839 Abs. 2 BGB mit einem Teil der Literatur im Schutz der Unabhängigkeit des Richters 101 oder mit der Gegenauffassung vorwiegend im Schutz der Rechtskraft richterlicher Urteile („Richterspruchprivileg") 102 erblickt, so kann jedenfalls § 32 AO (1977) Entsprechendes nicht für sich in Anspruch nehmen.
III. Zusammenfassung/Ergebnis § 32 AO (1977) schränkt die aufgrund der §§78 BBG, 46 BRRG an sich bestehende Haftung des Beamten als lex specialis weitreichend und über alle Fallgruppen hinweg ein, wenn dieser als Amtsträger im Sinne der Abgabenordnung einen der in § 32 AO (1977) Nrn. 1 bis 3 genannten Schäden herbeiführt. Der Beamte in der Finanzverwaltung haftet danach nur auf Ersatz des von ihm verursachten Schadens, wenn die ihm insoweit zur Last fallende Dienstpflichtmißachtung gleichzeitig rechtswidrig und schuldhaft ein Strafgesetz verletzt. Die Haftung beschränkt sich somit im Anwendungsbereich des § 32 AO (1977) im Regelfall auf die bewußt vorsätzliche Schädigung des Dienstherrn. Nicht unbedingt erforderlich ist hingegen, daß es sich bei der Pflichtverletzung um eine in Eigen- oder Drittbereicherungsabsicht begangene Straftat handelt. Ausreichend ist vielmehr die Erfüllung eines beliebigen Straftatbestandes. Herleitung und sachliche Rechtfertigung der Norm sind umstritten. Rechtspolitisch betrachtet fehlt es der Sonderstellung der Finanzbeamten an 100 101 102
Vgl. oben 1. Kapitel III. 4. a). Z.B. Smid, S. 226 ff. Z.B. Ossenbühl, 2. Teil IV. 4. (S. 101 f.).
Β. Das Haftungsprivileg der Beamten im Βesteuerungsverfahren
233
einer hinreichend tragfähigen Begründung. Die einseitige Bevorzugung der Beamten im Besteuerungsverfahren stellt heute einen kaum noch zu rechtfertigenden Fremdkörper im System der einheitlichen Haftung im Innenbereich des öffentlichen Dienstes dar. Den vom Gesetzgeber angenommenen, besonderen Belastungen der in der Finanzverwaltung Beschäftigen könnte durch entsprechend hohe Anforderungen an das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Sinne der §§78 BBG, 46 BRRG in gleicher Weise Rechnung getragen werden. De lege ferenda sollte daher eine Abschaffung des § 32 AO (1977) in Erwägung gezogen werden.
. Kapitel
Einschränkungen der Schadensersatzpflicht des Beamten A. Die Haftungsbeschränkung bei existenzbedrohender Schadenshöhe Der von dem Beamten geforderte Schadensersatz ist stets mit einer gewissen Beeinträchtigung seiner Lebensführung verbunden. Eine außerordentlich hohe Schadensersatzforderung könnte allerdings die finanzielle Lebensgrundlage des Beamten erschüttern und unter Umständen sogar seine wirtschaftliche Existenz gefährden. Gleichsam würden Tatkraft und Dienstfreude des Beamten nicht unerheblich beeinträchtigt. In welcher Weise die Forderung in diesem Fall sachgerecht begrenzt werden kann, ist bisher nicht vollständig geklärt. Nachdem die Haftung für gewöhnliche Fahrlässigkeit durch das Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 entfallen ist, konzentriert sich die Problematik heute allein auf grob fahrlässige bzw. vorsätzliche Pflichtverstöße. Mögliche Ansätze einer sachgerechten Lösung sind, erstens (I.), eine entsprechende Heranziehung der neueren arbeitsrechtlichen Rechtsprechungsgrundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich, zweitens (II.), die Kürzung des Anspruchs aufgrund des Einwandes der Fürsorgepflicht des Dienstherrn sowie, drittens (III.), das Absehen von der Geltendmachung des Anspruchs nach Maßgabe der besonderen haushaltsrechtlichen Befreiungstatbestände.
I. Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Haftungsbeschränkung bei betrieblich veranlaßter Tätigkeit 1. Die heutige Rechtsstellung des privaten Arbeitnehmers a) Aufgabe des Kriteriums
der „gefahr- bzw. schadensgeneigten" Arbeit
Im Bereich des privaten Arbeitsrechts gelten auch heute noch grundsätzlich die allgemeinen schadensrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Entwürfe eines eigenen Arbeitsgesetzbuches, wie etwa der Entwurf der Arbeitsgesetzbuchkommission vom September 19771, haben sich als nicht konsensfähig erwiesen. Gleichwohl besteht seit langem Einigkeit,
Α. Die Haftungsbeschränkung
235
daß eine uneingeschränkte Anwendung der strengen bürgerlich-rechtlichen Haftungsgrundsätze, insbesondere des Vertretenmüssens auch solcher Schäden, die infolge einfacher Fahrlässigkeit entstanden sind (§§ 249, 276 BGB), nicht sachgerecht ist. Abhilfe wurde daher im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschaffen. Basierend auf der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts entwickelte sich, maßgeblich geprägt durch den Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 25. September 19572, die Lehre von der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers bei „gefahr- bzw. schadensgeneigter Arbeit". Lag danach eine „gefahr- bzw. schadensgeneigte Arbeit" vor, was zunächst generell, später zunehmend situationsbezogen3 beurteilt wurde, bestimmte sich die Haftung des Arbeitnehmers im wesentlichen nach dem Grade seines Verschuldens: Schäden, die ein Arbeitnehmer grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hatte, waren dabei in aller Regel von ihm allein zu tragen. Beim Vorliegen normaler Schuld war der Schadensersatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen; dazu wurden die Gesamtumstände von Schadensanlaß und Schadensfolgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gegeneinander abgewogen. Bei geringer Schuld des Arbeitnehmers hatte der Arbeitgeber den gesamten Schaden allein zu tragen 4. Dagegen blieb es bei Tätigkeiten, welche weder generell noch in der spezifischen Schadenssitution als „gefahrgeneigt" angesehen werden konnten, bei einer uneingeschränkten Haftung des Arbeitnehmers. Im Schrifttum wurde der Begriff der „gefahr- bzw. schadensgeneigten" Arbeit wegen der damit verbundenen Unsicherheiten von Anfang an stark kritisiert. Ein Großteil der Rechtslehre forderte, auf das Merkmal der Gefahrneigung zur Begründung der Haftungsbeschränkung künftig zu verzichten 5 . Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts schloß sich schließlich selbst dieser Auffassung an, sah sich jedoch an einer Änderung seiner Judikatur dadurch gehindert, daß die „Gefahrgeneigtheit" auch vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Voraussetzung der Haftungsbeschränkung bei Arbeitnehmern gemacht worden war. Daraufhin leitete der Senat nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RSprEinhG) durch Beschluß vom 12. Juni 19926 das Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat 1
Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1977; vgl. auch den Entwurf des DGB aus demselben Jahr, abgedruckt in RiA 1977, S. 169. 2 BAG GS, Beschl. v. 25.09.1957, BAGE 5, 1. 3 BAG, AP zu § 611 BGB (Haftung des Arbeitnehmers) Nr. 22. 4 BAG, Urt. v. 24.11.1987, NZA 1988, 579 (579 f.). 5 Vollständiger Nachweis bei BAG GS, Beschl. v. 12.06.1992, JZ 1993, 908 (908).
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
der obersten Gerichtshöfe des Bundes ein, um Klarheit in dieser Frage zu erhalten. Auf Anfrage des Gemeinsamen Senats teilte der für das Schadensersatzrecht zuständige Sechste Senat des Bundesgerichtshofs per Beschluß vom 21. September 19937 jedoch mit, daß er im Ergebnis der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts zustimme. Damit war am 16. Dezember 1993 für den Gemeinsamen Senat der Weg frei, das Verfahren nach § 14 Satz 1 RSprEinhG einzustellen. Seither ist die „Gefahr- bzw. Schadensneigung" einer Tätigkeit damit nicht mehr Voraussetzung für eine Haftungseinschränkung. Vielmehr gelten die dargestellten Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nunmehr für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden 8 . b) Gleichzeitige Erweiterung der Rechtsprechung zur Haftungsbeschränkung bei grober Fahrlässigkeit Parallel zur Aufgabe des Erfordernisses der „Gefahr- bzw. Schadensgeneigtheit" der Arbeit vollzog sich eine zweite bedeutsame Liberalisierung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Haftung des Arbeitnehmers: Mit Urteil vom 12. Oktober 1989 entschied das Bundesarbeitsgericht erstmals in aller Deutlichkeit, daß Haftungserleichterungen auch bei grob fahrlässiger Verletzung arbeitsvertraglicher Pfichten nicht schlechthin ausgeschlossen sind 9 . Die Entscheidung über die Haftung des Arbeitnehmers sei vielmehr unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen, wobei es entscheidend darauf ankommen könne, daß der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Mißverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit stehe 10 . Zwar bedeutete diese Entscheidung formal betrachtet eher eine Bestätigung als einen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung, waren doch Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof seit jeher davon ausgegangen, daß die volle Haftung des Arbeitnehmers bei grober Fahrlässigkeit nur „in der Regel" 1 1 bzw. „weitgehend" 12 gelten sollte. Dennoch ließen sich in der dreißigjährigen Rechtsprechung nur wenige und wegen ihrer Besonderheiten nicht verallgemeinerungsfähige Entscheidungen nachweisen, bei welchen trotz des Vorliegens grober Fahrlässigkeit die Haftung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber quotal aufgeteilt worden wäre 13 . Die 6
BAG, Beschl. v. 12.06.1992, JZ 1993, 908 (908). BGH, Beschl. v. 21.09.1993, NJW 1994, 856 (856). 8 BAG GS, Beschl. v. 27.09.1994, NJW 1995, 210 Ls, 9 BAG, Urt. v. 12.10.1989, BAGE 63, 127 (132 ff.). 10 BAG, Urt. v. 12.10.1989, BAGE 63, 127 (135). 11 BAG GS, Beschl. v. 25.09.1957, BAGE 5, 1 (18). 12 BGH, Urt. v. 10.01.1955, BGHZ 16, 111 f. 7
Α. Die Haftungsbeschränkung
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Entscheidung vom 12. Oktober 1989 hat damit eine Änderung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eingeleitet, die insbesondere bei ungewöhnlich hohen Schäden eine „Verschiebung der Haftungstrias 14 " nach sich zog: Seitdem haftet ein Arbeitnehmer bei grob fahrlässig herbeigeführten Großschäden nicht mehr in voller Höhe 1 5 . Vielmehr wird in diesem Fall, wie bereits zuvor bei mittlerer Fahrlässigkeit, der Schaden zwischen ihm und dem Arbeitgeber geteilt. Nur noch für eine vorsätzliche Schädigung seines Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer nunmehr voll ersatzpflichtig. c) Dogmatische Herleitung der Haftungsbeschränkung aa) Fürsorgepflicht und Betriebsrisiko Die Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung im Arbeitsrecht wurde ursprünglich vor allem aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hergeleitet. Diese bewirke, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mit solchen Schadensersatzansprüchen belasten dürfe, die aus der besonderen Gefahr der übertragenen Arbeit folgen und als solche zum typischen, vom Unternehmer zu tragenden Betriebsrisiko gehören 16 . Heute wird dagegen vor allem der zweite Aspekt, das Gebot einer angemessenen Verteilung des sogenannten Betriebsrisikos analog § 254 BGB zur Begründung der Haftungsbeschränkung herangezogen 17. Der Arbeitgeber könne Schäden, die das Betriebsrisiko mit sich bringe, nicht ohne weiteres auf den Arbeitnehmer abwälzen. Da der Arbeitgeber die Erfolge des betrieblichen Geschehens für sich in Anspruch nehme, müsse er auch für die mit dem betrieblichen Geschehen verbundenen Risiken einstehen 18 . Auch in seiner jüngsten Rechtsprechung betreffend grob fahrlässig herbeigeführte Großschäden beruft sich das Bundesarbeitsgericht in erster Linie auf den Rechtsgedanken einer angemessenen Verteilung des Betriebsrisikos. So müsse auch bei grober Fahrlässigkeit auf Seiten des Arbeitnehmers bei der Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang von den Prinzipien der §§ 249, 276 BGB abgewichen werden dürfe, wie auch sonst beim innerbetrieblichen Schadensausgleich der 13
Hanau/Rolfs, S. 1441. Marhold, JuS 1991, S. 924. 15 So bereits z.B. LAG Nürnberg, Urt. v. 18.04.1990, NZA 1990, 850 (850); BAG, Urt. v. 16.03.1995, NZV 1995, 396 (397). 16 BGH, Urt. v. 10.01.1955, AP zu § 611 (Haftung des Arbeitnehmers) Nr. 1; BAG, Urt. v. 19.03.1959, AP zu § 611 (Haftung des Arbeitnehmers) Nr. 8. 17 St. Rspr. seit BAG, Urt. v. 28.04.1970, AP zu § 611 BGB (Haftung des Arbeitnehmers) Nr. 55. 18 BAG GS, Beschl. v. 12.06.1992, JZ 1993, 908 (908). 14
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
Rechtsgedanke des § 254 BGB entsprechend herangzogen und das Verschulden des Arbeitnehmers gegen das Betriebsrisiko des Arbeitgebers unter Beachtung aller Umstände abgewogen werden 19 . Zwar werde hier regelmäßig das Betriebsrisiko des Arbeitgebers nur eine untergeordnete Rolle spielen, wenn der Arbeitnehmer in seiner Existenz nicht gefährdet werde. Anders sei es aber, wenn der Schaden so hoch sei, daß der Arbeitnehmer typischerweise schon von seinem Arbeitsentgelt her nicht in der Lage sei, Risikovorsorge zu betreiben oder einen eingetretenen Schaden zu erset-
bb) Verfassungsrechtliche Abstützung der Haftungsbeschränkung durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Juni 1992 Darüber hinaus hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts den Schutzumfang des § 254 BGB im Arbeitsverhältnis im Beschluß vom 12. Juni 1992 21 verfassungsrechtlich abgestützt. Danach sei eine uneingeschränkte, existenzbedrohende Schadenshaftung des Arbeitnehmers ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG und in sein Recht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, soweit diese Grundrechte nicht nur subjektive Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat enthielten, sondern zugleich eine objektive Werteordnung statuierten 22 . Die Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, die Berufsausübung zu gewährleisten, stelle einen wesentlichen Teil der Verwirklichung des Persönlichkeitsrechtes dar und bewirke in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG die Sicherung des allgemeinen Lebensbedarfs und des Existenzminimums als Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein. Unter den momentanen tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen fehle es am Kräftegleichgewicht der Arbeitsvertragsparteien, so daß ein sachgerechter Interessenausgleich durch Einschränkung der Freiheit der Berufsausübung des Arbeitgebers zu gewähren sei. Die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter des Betriebs müsse gegenüber der Erwerbs- und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zurücktreten, wenn dies zu seiner existentiellen Sicherung erforderlich sei 2 3 .
19
BAG, Urt. v. 12.10.1989, BAGE 63, 127 (134). BAG, Urt. v. 12.10.1989, BAGE 63, 127 (134 f.). 21 BAG GS, Beschl. v. 12.06.1992, JZ 1993, 908 (909). 22 BAG GS, Beschl. v. 12.06.1992, JZ 1993, 908 (909); BAG GS, Beschl. v. 27.09.1994, NJW 1995, 210 (212). 23 BAG GS, Beschl. v. 12.06.1992, JZ 1993, 908 (910). 20
Α. Die Haftungsbeschränkung
239
2. Übertragung der haftungserleichternden Grundsätze des Arbeitsrechts in das Beamtenrecht Die Möglichkeit einer Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze auf die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn bildete in der Vergangenheit eines der zentralen Probleme der beamtenrechtlichen Innenhaftung 2 4 und zog eine Fülle von Gerichtsentscheidungen und rechtswissenschaftlichen Abhandlungen nach sich. In groben Zügen ergab sich folgendes Bild: a) Entwicklung bis zum Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften am 1. Januar 1993 aa) Meinungsstand bei fiskalischem Handeln des Beamten Hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Haftung des Beamten für jede Fahrlässigkeit bei nichthoheitlichem Handeln waren Instanzgerichte25, Schrifttum 26 und Verwaltungspraxis 27 nahezu übereinstimmend von einer entsprechenden Heranziehung der damals noch auf „gefahrgeneigte" Tätigkeiten beschränkten Rechtsprechung ausgegangen. Teils wurden die arbeitsrechtlichen Grundsätze als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens begriffen, der auch auf das öffentlich-rechtliche Beamtenverhältnis anzuwenden sei 2 8 , teils sah man keine durchgreifenden Bedenken, die im Privatrecht geltenden Grundsätze im Wege der Rechtsanalogie auf das Beamtenverhältnis zu übertragen 29 . Die Haftungsbeschränkung bei „schadensgeneigter" Arbeit wurde insoweit als gewohnheitsrechtlich gesicherter Rechtsgrundsatz angesehen, dessen analoge Anwendung durch die Gleichheit der zugrundeliegenden Lebenssachverhalte, der Interessenlage und des sozialen Schutzbedürfnisses gerechtfertigt sei 3 0 .
24
Vgl. oben 1. Kapitel Α. V. 3. VGH Kassel, Urt. v. 29.09.1964, DVB1. 1966, 150; OVG Saarlouis, Urt. v. 21.02.1968, NJW 1968, 1796; OVG Münster, Urt. v. 10.09.1968, ZBR 1969, 84; VGH München, Urt. v. 03.11.1964, DVB1. 1966, 151. 26 Battis , RdA 1986, S. 220; Minz, S. 238 ff.; Scheerbarth/Höjfken, § 18 III (S. 481. ff); Stich, ZBR 1959, S. 217; Weimar, RiA 1969, S. 22; Wolff/Bachof/ Stober, § 115 III, Rn. 18. 27 Gemeins. Rdschr. d. BMF u. BMI v. 7.11.1958 (GMB1. S. 499). 28 VGH Kassel, Urt. v. 29.09.1964, DVB1. 1966, 150; VGH München, Urt. v. 03.11.1964, DVB1. 1966, 151 (152); Lemhöfer, S. 204; Stich, ZBR 1959, S. 217. 29 OVG Saarlouis, Urt. v. 21.02.1968, NJW 1968, 1796 (1797); OVG Münster, Urt. v. 10.09.1968, ZBR 1969, 84 (86); Strunk, S. 176; Weißhaar, S. 179. 30 OVG Saarlouis, Urt. v. 21.02.1968, NJW 1968, 1796 (1797). 25
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
Ein anderer Teil der Literatur lehnte eine Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze in das Beamtenrecht zwar unter Hinweis auf die besondere Natur des Beamtenverhältnisses ab, gelangte jedoch methodisch unter Zuhilfenahme der Fürsorgepflicht des Dienstherrn „erst recht" zu einer Haftungsbeschränkung bei „schadensgeneigter" Arbeit 3 1 . Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mehrmals mit dieser Frage befaßt, sie aber im Ergebnis offengelassen 32. bb) Streitstand bei hoheitlichem Handeln des Beamten Anders verhielt es sich bei der Verantwortlichkeit des Beamten für hoheitliches Handeln mit schon damals auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkter Haftung. ( 1) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Nach der vom Bundesverwaltungsgericht hierzu in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung bestand neben der Beschränkung der Haftung des Beamten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit für eine Heranziehung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung kein Bedürfnis 33 . Das Gericht begründete dies damit, daß die beamtenrechtliche Regelung in der Mehrzahl der Fälle günstiger sei als die des bürgerlichen Rechts einschließlich der Grundsätze zur „schadensgeneigten" Arbeit, denn bei normaler Fahrlässigkeit sei der Beamte nicht nur teilweise, sondern völlig von der Schadensersatzpflicht befreit. Der beamtenrechtlichen Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit lägen zwar nicht die gleichen durch die Mechanisierung der Arbeit und des Verkehrs veranlaßten Motive zugrunde wie der Rechtsprechung zur „schadensgeneigten" Arbeit, aber doch ähnliche Beweggründe, die auf die Fehlermöglichkeiten abstellten, welche typisch für die schnell zugreifende Beamtentätigkeit seien 34 . Zwar erkannte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch an, daß Fälle denkbar sein, in denen ein Beamter grob fahrlässig einen so hohen Schaden verursache, daß es selbst bei Berücksichtigung seines verhältnismäßig schweren Verschuldens unbillig oder sogar unzumut31 Achterberg, DVB1. 1964, S. 658; Battis , RdA 1986, S. 220; Fischbach, § 78 BBG Β) IV. 4. b) (S. 633 f.). 32 BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (25); BVerwG, Urt. v. 23.10.1969, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 12, 1 (9). 33 BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 §78 BBG Nr. 5, 18 (24 f.); BVerwG, Beschl. v. 03.02.1972, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18, 43 (47); BVerwG, Urt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 22, 12 (16 f.). 34 BVerwG Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (24 f.).
Α. Die Haftungsbeschränkung
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bar erscheine, den vollen Ersatz des Schadens von ihm zu verlangen. Solche Fälle seien jedoch Ausnahmefälle, die es nicht rechtfertigten, von der abschließenden beamtengesetzlichen Regelung abzuweichen. Vielmehr könne sich für den Dienstherrn dann nur die Frage stellen, ob nicht das beiderseitige Treueverhältnis und die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht es angemessen erscheinen ließen, den Schadensersatzanspruch nach Maßgabe des Haushaltsrechts nur eingeschränkt durchzusetzen. Dabei griff das Gericht eine Formulierung von Fischer 55 auf, wonach es sich insoweit um eine „vom Ermessen des Dienstherrn bestimmte Hilfeleistung" handeln würde, die den rechtlichen Bestand des Schadensersatzanspruchs nicht tangiere 36 (2) Gegenstimmen im beamtenrechtlichen Schrifttum Das Schrifttum ist dieser Auffassung weitgehend gefolgt und hat nur vereinzelt Einwände erhoben. So war nach Birk auch im hoheitlichen Handlungsbereich ein Bedürfnis für die rechtsanaloge Anwendung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nicht zu leugnen. Hafte ein Beamter generell für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, während ein Arbeitnehmer auch bei grober Fahrlässigkeit unter Umständen einen Anspruch auf Haftungsfreistellung haben könne, so sei letzterer partiell bessergestellt, was wiederum mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht unvereinbar sei 37 . Clasen wies darauf hin, daß auch die Verpflichtung des Beamten zur Leistung von Schadensersatz in einem vernünftigen Verhältnis zu seiner Entlohnung stehen müsse 38 . Dies gelte vor allem dann, wenn ein Schaden eine solche Höhe erreiche, daß der Beamte ihn von seinem verhältnismäßig geringen Verdienst niemals in voller Höhe abdecken könne. Mit einem haushaltsrechtlichen „Gnadenerweis", wie ihn das Bundesverwaltungsgericht gewähre, sei einem verantwortungsbewußten und diensteifrigen Beamten nicht geholfen 39 . Es sei ein Gebot der Fürsorge- und Treuepflicht, die Schadensersatzpflicht des Beamten auch bei hoheitlichem Handeln nach den Grundsätzen zur „schadensgeneigten Arbeit" zu mindern, um auch in diesen Fällen Diensteifer und Leistungsfähigkeit des Beamten zu erhalten 40 . In der Rechtsprechung wurde die Anwendung arbeitsrechtlicher Grundsätze im hoheitlichen Aufgabenkreis des Beamten allein vom Verwaltungsgerichtshof Kassel in Erwägung gezogen, weil der Grad des Verschuldens 35 36 37 38 39 40
Fischer, S. 149. BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (25 f.). Birk, S. 241 f. Clasen, S. 169; Henrichs, S. 459. Zustimmend: Riedmaier, DÖV 1989, S. 394. Clasen, S. 169.
16 Beckmann
242
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
für sich allein genommen als Grundlage für die Ablehnung eines Haftungsausgleichs eine zu schematische Lösung bilden würde, die den Besonderheiten des Einzelfalles nicht gerecht werden könne 41 . b) Problemstellung aus heutiger Sicht nach Angleichung der Verschuldensmaßstäbe für hoheitliches und nichthoheitliches Handeln Nach Angleichung der Haftungsmaßstäbe für hoheitliches und nichthoheitliches Handeln durch das Neunte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften ist die Kontroverse um die entsprechende Heranziehung arbeitsrechtlicher Grundsätze im Beamtenrecht für Schäden, die durch normale Fahrlässigkeit des Beamten herbeigeführt worden sind, obsolet geworden 4 2 Dagegen haben die seinerzeit insbesondere von Birk und Clasen vorgebrachten Argumente für eine Haftungsbeschränkung nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen bei grober Fahrlässigkeit des Beamten neues Gewicht erhalten. Ein Bedürfnis für eine sachgerechte Eingrenzung der beamtenrechtlichen Haftung bei Großschäden läßt sich, gerade angesichts der durch die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts deutlich verbesserten Rechtsstellung des privaten Arbeitnehmers in diesem Bereich, entgegen der früheren Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, kaum leugnen. Man wird insoweit aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die sich ihrerseits an dem Gebot der Gleichbehandlung gleicher Lebenssachverhalte zu orientieren hat 4 3 , die Forderung ableiten müssen, den Beamten nicht wesentlich schlechter zu stellen als einen Arbeitnehmer im gleichen Fall. Dennoch gehen die beamtenrechtlichen Kommentare heute zu Recht davon aus, daß für eine entsprechende Anwendung der privatrechtlichen Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich im Beamtenhaftungsrecht nach Inkrafttreten des Neunten Dienstrechtsreformgesetzes kein Raum mehr i s t 4 4 Die im Wege des Richterrechts entwickelten Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich sind nicht Ausdruck eines allgemeinen, der gesamten Rechtsordnung zugrundeliegenden Rechtsgedankens 45 . Vielmehr orientieren sie sich an den Eigenheiten des Privatrechts und der Privatautonomie und des damit verbundenen Ungleichgewichts der wirtschaftlichen Kräfte. Eine Analogie würde neben einer Rechtsähnlichkeit 41
VGH Kassel, Urt. v. 29.09.1964, DVB1. 1966, 150 (151). Hofmann, S. 101. 43 Vgl. BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 19, 48 (53). 44 Battis , § 78 BBG Rn. 9; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 52; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 17. 45 So bereits: Fischer, S. 148. 42
Α. Die Haftungsbeschränkung
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der Sachverhalte das Bestehen einer Regelungslücke voraussetzen, die der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat. An beidem fehlt es heute: Während eine Regelungslücke früher im Bereich des fiskalischen Handelns des Beamten mit guten Gründen bejaht wurde, ist eine solche nach Angleichung der Haftungsmaßstäbe von hoheitlichem und privatrechtlichem Handeln des Beamten nicht mehr zu erkennen. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der richterlichen Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht bewußt auf eine entsprechende Regelung im Beamtenrecht verzichtet. Er ist somit offenkundig davon ausgegangen, daß bei einer möglichen Existenzgefährdung des Beamten ausreichende Möglichkeiten bestehen, die Haftung sachgerecht zu begrenzen. Auch eine hinreichende Rechtsähnlichkeit besteht nicht. Denn nach Auffassung der neueren arbeitsrechtlichen Judikatur ist die dogmatische Grundlage für den innerbetrieblichen Schadensausgleich nicht (mehr) in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu sehen, sondern allein im Betriebsrisikogedanken. Die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht ist vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegung der Notwendigkeit der Haftungsbeschränkung im Beschluß vom 27. September 1994 nicht einmal mehr ansatzweise bemüht worden 46 . Die Rechtsfigur des Betriebsrisikos vermag jedoch eine Analogie nicht zu tragen 47 . Sie beruht auf der Erkenntnis, daß der Arbeitgeber, der die Erfolge des betrieblichen Geschehens für sich in Anspruch nimmt, auch für die mit dem Betrieb verbundenen Risiken einstehen muß. Der Beamte leistet hingegen seinen Dienst nicht zum Wöhle eines Unternehmers, sondern zum Wohle der Allgemeinheit. Seine Aufgaben entspringen nicht privater Unternehmerinitiative und Risikobereitschaft, sondern obliegen dem Dienstherrn und dem Beamten aufgrund Gesetzes. Allein das Bedürfnis nach einer sachgerechten Haftungsbeschränkung im Beamtenrecht kann die Voraussetzungen einer entsprechenden Heranziehung der arbeitsrechtlichen Grundsätze nicht begründen. 3. Zwischenergebnis Trotz des unabweisbaren Bedürfnisses einer Begrenzung der Haftung des Beamten bei besonders hohen Schadensersatzforderungen und der gerade in diesem Bereich deutlich verbesserten Stellung des privaten Arbeitnehmers durch die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich bei grober Fahrlässigkeit im Beamtenhaftungsrecht nicht in Betracht. Weder sind diese Grundsätze Ausdruck eines 46
Vgl. BAG GS, Beschl. v. 27.09.1994, NJW 1995, 210. Ablehnend zum Betriebsrisikogedanken im Beamtenrecht schon: Achterberg, DVB1. 1964, S. 657 f.; Fischbach, § 78 BBG Β) IV. 4. b) (S. 633) sowie - in anderem Zusammenhang - BGH GS, Beschl. v. 20.05.1954, NJW 1954, 1073 (1079). 47
16*
244
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
allgemeinen Rechtsgedankens noch liegen insoweit die Voraussetzungen einer Rechtsanalogie vor.
II. Einwand der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn Verwaltungspraxis und praxisnahes Schrifttum lösen das Problem der existenzbedrohenden Inanspruchnahme des Beamten daher heute vorwiegend unter Zuhilfenahme der beamtenrechtlichen Fürsorgegeneralklausel (1.). Daneben tritt in jüngster Zeit der Vorschlag, die Haftung des Beamten bei außergewöhnlich hohen Schadensersatzforderungen unmittelbar durch die verfassungsrechtliche Treue- und Fürsorgeverpflichtung zu beschränken (2.). 1. Rekurs auf die Fürsorgegeneralklausel (§§ 79 BBG, 48 BRRG) a) Verwaltungspraxis
und praxisnahes Schrifttum
Obwohl die grundsätzliche Pflicht des Dienstherrn zur Inanspruchnahme des Beamten aus dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung nicht bestritten wird, geht die Literatur zu großen Teilen davon aus, daß die Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge gemäß §§79 BBG, 48 BRRG von diesem verlange, in jedem Einzelfall erneut abzuwägen, ob besondere Umstände es geboten erscheinen lassen, von einer Inanspruchnahme des Beamten ganz oder zum Teil abzusehen48. Solche Umstände lägen vor, wenn die Ersatzpflicht den Beamten über das mit der gesetzlichen Regelung verbundene und daher hinzunehmende Maß hinaus belasten würde 4 9 , also insbesondere, wenn die Höhe des Anspruchs die wirtschaftliche Existenz des Beamten bedrohe und damit dessen Lebenshaltung und Dienstfreude unerträglich beeinträchtige 50 . In diesem Fall stehe es - wie auch sonst bei Konkretisierungen der Fürsorgepflicht - im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, ob und in welchem Umfang er diese Umstände haftungsmindernd bzw. haftungsausschließend berücksichtige 51 . Als in die danach zu treffende Ermessensentscheidung einzustellende Faktoren werden genannt: Die Risikoträchtigkeit der Tätigkeit, die hierarchische Stellung des Beamten, die Höhe seines Einkommens, bisherige besondere Verdienste sowie seine familiäre Situation 52 . Weiterhin sei es dem
48
Fürst, ZBR 1987, S. 298; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 50; Meyer, S. 64; Möx, S. 108; Schnupp, S. 73. 49 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 50. 50 Meyer, S. 64; Möx, S. 108. 51 Fürst, ZBR 1987, S. 298. 52 Fürst, ZBR 1987, S. 298; Meyer, S. 64, Möx, S. 108.
Α. Die Haftungsbeschränkung
245
Dienstherrn nicht verwehrt, aufgrund der Unterschiedlichkeit der Bezugspunkte des Verschuldens im Beamten- und im Arbeitsrecht, im Rahmen der auf der Fürsorgepflicht beruhenden Einzelfallentscheidung zu berücksichtigen, welche Haftungserleichterungen im vergleichbaren Falle einem privaten Arbeitnehmer zugute kämen 53 . b) Grundsätzliche
Kritik
Nach der Fürsorgegeneralklausel der §§79 BBG, 48 BRRG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten zu sorgen und ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter zu schützen. Zwar gehört es nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts zum Wesen der so umschriebenen Fürsorgepflicht, daß sich der Dienstherr nicht nur an die gesetzlichen Vorschriften hält, sondern daß er sich bei allen Maßnahmen auch vom Wohlwollen gegenüber dem Beamten leiten läßt 5 4 . Für die Berücksichtigung der Fürsorgegeneralklausel der §§79 BBG, 48 BRRG ist jedoch dort kein Raum, wo der Gesetz- oder Verordnungsgeber die Fürsorgepflicht bereits in speziellen Einzel Vorschriften abschließend konkretisiert hat 5 5 . Lediglich bei der Auslegung der Norm oder bei der Ausfüllung von Ermessensspielräumen kann die Fürsorgepflicht in einem solchen Fall noch Bedeutung erlangen 56 . Eine Anspruchsreduzierung aus Fürsorgegründen würde sich daher in einer Weise vom Schadensersatztatbestand wegbewegen, die mit der gesetzlichen Regelung der §§78 BBG, 46 BRRG nicht in Einklang zu bringen wäre 57 . Sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverwaltungsgericht haben deshalb entschieden, daß die Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen des Dienstherrn durch dessen Verpflichtung zur Fürsorge gegenüber dem Beamten weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann 5 8 . Spätestens durch die zum 1. Januar 1993 erfolgte Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit über alle Fallgruppen der beamtenrechtlichen Innenhaftung hinweg, hat der Gesetzgeber die öffentlichen Belange der Schadenswiedergutmachung und der Funktionstüchtigkeit der öffentlichen Verwaltungen mit dem privaten Interesse des Beamten an sozia53
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 52. BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 19, 48 (52). 55 Battis, § 79 BBG Rn. 5. 56 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 79 BBG Rn. 5. 57 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 20 a). 58 BGH, Urt. v. 11.07.1963, NJW 1963, 2168 (2170); BVerwG, Beschl. v. 18.02.1981, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26, 1 (2); BayObLG, Urt. v. 19.03.1984, BayVBl. 1984, 374 (375). 54
246
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
1er Rücksichtnahme in Ausgleich gebracht. Er hat damit die Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn bereits auf der Tatbestandsseite umfassend berücksichtigt. Die einfachgesetzliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus §§79 BBG, 48 BRRG kann somit zu keiner Haftungsbeschränkung führen, mit der die Innenhaftung auch bei grober Fahrlässigkeit gemindert wird 5 9 . Aber auch auf der Rechtsfolgenseite der §§78 BBG, 46 BRRG verbleibt dem Dienstherrn aufgrund der zwingenden haushaltsrechtlichen Grundsätze einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltungsführung grundsätzlich kein Entscheidungsspielraum. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher einen Anspruch des Beamten auf Abschluß einer Regreßhaftpflichtversicherung zu seinen Gunsten, den dieser seiner Schadensersatzpflicht entgegengehalten hatte, verneint. Denn aus der Fürsorgepflicht könnten keine Ansprüche geltend gemacht werden, die über die Ansprüche hinausgehen, die - in Konkretisierung der Fürsorgepflicht auf dem betreffenden Gebiet - im Beamtenrecht speziell und abschließend geregelt sein. Die in den §§78 BBG, 46 BRRG niedergelegte ausgewogene Risikoverteilung könne nicht aufgrund anderer beamtenrechtlicher Bestimmungen im Ergebnis wieder umgestoßen werden 60 . Sofern sich die Gegenmeinung gleichwohl auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruft, ist dem zu widersprechen: Die vom Bundesverwaltungsgericht hierzu entschiedenen Fälle bezogen sich entweder auf die frühere Haftung des Beamten für leichte Fahrlässigkeit im nichthoheitlichen Bereich und haben daher ihre Bedeutung verloren 61 oder betrafen ein nur mittelbar auf der Fürsorgepflicht beruhendes Abstandnehmen von der Durchsetzung der Forderung nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Vorschriften 62 . Die beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften des Bundes und der Länder stellen somit insgesamt eine spezielle und abschließende Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht dar, indem sie einheitlich die Schadensersatzpflicht des Beamten auf vorsätzliche und grob fahrlässige Pflichtverletzungen beschränken 63. Soweit die Verwaltungspraxis und die ihr nahestehenden Autoren den Schadensersatzanspruch im allgemeinen einer fürsorgebedingten Ermessensentscheidung des Dienstherrn für zugänglich halten, ist dies mit der bestehenden Rechts- und Gesetzeslage nicht zu vereinbaren. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist in der Lage, ein dem Dienstherrn 59
Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 48. BVerwG, Beschl. v. 18.02.1981, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26, 1 (2). 61 Z.B. BVerwG, Urt. v. 11.03.1970, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 13; BVerwG, Urt. v. 08.08.1973, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 19. 62 Z.B. BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5; BVerwG, Urt. v. 18.02.1981, Buchholz 232 § 78 Nr. 26. 63 VGH München, Urt. v. 13.03.1991, ZBR 1992, 189 (190); Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 29; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 20 a). 60
Α. Die Haftungsbeschränkung
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eingeräumtes Ermessen zu lenken und eventuell zu reduzieren. Sie kann aber keinen Ermessensspielraum des Dienstherrn eröffnen, wo die gesetzliche Regelung - wie im Fall der §§ 78 BBG, 46 BRRG - von einer gebundenen Entscheidung ausgeht. Mithin können weder eine besondere berufliche noch eine besondere familiäre Situation der Schadensersatzforderung unmittelbar entgegengehalten werden. Ebensowenig kann die Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn dazu benutzt werden, auf dem Umweg über die Rechtsfolgenseite der Norm das für die Tatbestandsseite als richtig erkannte Ergebnis zu unterlaufen und für den Fall, daß sich das grobe Verschulden des Beamten nicht auch auf den Schaden, sondern lediglich auf die Pflichtverletzung bezieht, diesen ganz oder partiell von der Haftung freizustellen. Eine hiervon abweichende Behördenpraxis wäre nicht bedenkenlos hinzunehmen und von den Rechnungshöfen des Bundes und der Länder zu beanstanden. 2. Haftungsbeschränkung aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Dienstherrn zu Treue- und Fürsorge a) Übertragung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach Summer/Zängl Nach Auffassung von Summer/Zängl besteht heute im Hinblick auf die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Haftungseinschränkung aufgrund der Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Satz 2 GG im Arbeitsrecht jedoch Veranlassung, die frühere Generalaussage, wonach die Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine weitere Haftungseinschränkung gebiete, erneut zu überdenken 64 . Nach Summer/Zängl müsse man nämlich davon ausgehen, daß Art. 33 Abs. 4 G G 6 5 mit der verfassungsrechtlichen Entscheidung für ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis, die auch eine verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht einschließe, die gleiche Wirkung für die Haftung des Beamten habe wie Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG im Arbeitsverhältnis. Soweit die Zivilrechtsprechung die äußerste Inanspruchnahmegrenze aus der Verfassung herleite, müsse dies im Beamtenbereich „erst recht" aus Art. 33 Abs. 4 GG möglich sein 66 . Denn die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gebe tendenziell eine weitergehende Rechtsposition als die Rechtslage nach Arbeitnehmerrecht. Für die Haftungseinschränkung eigne sich Art. 33 Abs. 4 GG zudem besser als die einfachgesetzliche Fürsorgenorm, weil eine gleichrangige Norm den Schadens64
Summer/Zängl, S. 549; zustimmend: Battis , § 78 BBG Rn. 10. Summer/Zängl sehen die Fürsorgepflicht bereits als durch Art. 33 Abs. 4 GG gewährleistet an (anders hier: Art. 33 Abs. 5 GG - vgl. oben 1. Kapitel Β. II.). 66 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 20b). 65
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
ersatzanspruch des Dienstherrn kaum einschränken könne. In den Fällen der möglichen Existenzbedrohung könne man auf diese Weise eine Haftungsbeschränkung unmittelbar aus Art. 33 Abs. 4 GG dem beamtenrechtlichen Schadensersatztatbestand „vorgelagert" sehen 67 . b) Stellungnahme Summer/Zängl stützen sich hierfür maßgeblich auf den Vorlagebeschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Juni 1992, der die Haftungsbegrenzung für Arbeitnehmer verfassungsrechtlich in der durch die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie der Freiheit der Berufsausübung geschaffenen objektiven Werteordnung des Grundgesetzes determiniert sieht. Ob man der Vorgehensweise von Summer/Zängl wird Folge leisten können, hängt demnach davon ab, ob (a) die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts als solche Zustimmung verdienen und bejahendenfalls, ob man sie (b) für eine Übertragung in das Beamtenrecht als geeignet ansieht. Beides ist nicht der Fall. aa) Mangelnde Anerkennung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur verfassungsrechtlichen Herleitung der Haftungsbeschränkung So ist der Sechste Senat des Bundesgerichtshofs 68 zwar der Forderung nach einer Aufgabe des Kriteriums der „gefahr- bzw. schadensgeneigten" Arbeit beigetreten. Gerade die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts, auf die sich Summer/Zängl stützen, hat der Sechste Senat aber nicht mittragen wollen, sondern - im Gegenteil - erhebliche Bedenken angemeldet. Zwar wiesen nach Meinung des Sechsten Senats des Bundesgerichtshofs die Rechtspositionen der Arbeitnehmer Bezüge zu den Art. 2 und 12 GG in ihrer objektiv-rechtlichen Wirkungsdimension auf. Diese Bezüge bedürften jedoch nicht der besonderen Hervorhebung, die das Bundesarbeitsgericht ihnen beimessen wolle. Der Bundesgerichthof sieht in der grundgesetzlichen Verankerung der Haftungseinschränkung vielmehr die Gefahr geborgen, daß die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts das eigentliche Haftungskonzept, nach dem eine Haftungsentlastung des Arbeitnehmers nach Maßgabe einer Abwägung des Verschuldens gegen das Betriebsrisiko im Rahmen des § 254 BGB erfolge, verdecken könnten und daß sich auf diese Argumentation auch Haftungserleichterungen bis hin zu einer Haftungsfreistellung 67 68
Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 20 a). BGH, Beschl. v. 21.09.1993, NJW 1994, 856 (856).
Α. Die Haftungsbeschränkung
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ohne Rücksicht auf ein Verschulden stützen ließen. Damit wäre aber, so die Überzeugung des Bundesgerichtshofs, die gesetzgeberische Haftung für jedes Verschulden nicht nur modifiziert, sondern aufgehoben, was wiederum durch richterrechtliche Rechtsfortbildung weder geboten noch zulässig sei 6 9 . Skeptisch zur Herleitung einer Haftungsbeschränkung aus Verfassungsrecht hat sich auch Richardi geäußert 70 . Der Bundesgerichtshof sei den verfassungsrechtlichen Ausführungen des Vorlagebeschlusses des Bundesarbeitsgerichts zu Recht nicht in allem gefolgt. Der Große Senat übersehe, daß die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte nicht die Aufgabenordnung des Gewaltenteilungsprinzips verschieben könne. Bei der Entscheidung, wie die Rechte und Pflichten der einzelnen untereinander abzuwägen sein, habe der Gesetzgeber einen weiten Beurteilungspielraum. Der Richter sei daher im Regelfall nicht legitimiert, anstelle des Gesetzgebers Maßnahmen zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiraums des einzelnen zu schaffen 7 1 . bb) Fehlende Übertragungsmöglichkeit in das Beamtenrecht Selbst wenn man sich über die genannten Bedenken hinwegsetzen könnte, bliebe fraglich, ob die vom Bundesarbeitsgericht gemachten verfassungsrechtlichen Darlegungen losgelöst von der besonderen Situation, wie sie heute im Arbeitsrecht besteht, Bestand haben könnten. Auch dies wird man verneinen müssen. Die Argumentation des Großen Senats läßt nicht einmal erkennen, ob sich dieser nur deswegen auf das Grundgesetz beruft, um den Wegfall des Kriteriums der „gefahrgeneigten" Arbeit zu legitimieren, oder um darzutun, daß die von ihm einfachgesetzlich hergeleitete Haftungsbeschränkung grundgesetzlich gefordert und insofern allein vertretbar ist 7 2 . Ferner ist die Argumentation ganz offensichtlich auf die Eigenart des privaten Arbeitsverhältnisses und dessen heutiger Ausformung zugeschnitten: Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts spricht ausdrücklich davon, daß eine unbeschränkte Arbeitnehmerhaftung eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Berufsausübung sei, „wenn der Arbeitnehmer für jeden auch nur leicht fahrlässig verursachten Schaden unbeschränkt haften müßte", sowie davon, daß „der Schutzumfang der Regelung des § 254 BGB im Arbeitsverhältnis auch durch verfassungsrechtliche Gewährleistungen (...) beeinflußt (werde)" 73 . Jene Argumentation, die den Kern der ver69 70 71 72 73
BGH, Beschl. v. 21.09.1993, NJW 1994, 856 (856). Richardi, S. 243 f. Richardi, S. 244. So Marhold, JZ 1993, S. 912. BAG, Beschl. v. 12.06.1992, JZ 1993, 908 (910).
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
fassungsrechtlichen Darlegungen ausmacht, läßt sich in keiner Weise mit der Haftungssituation im Beamtenrecht vergleichen und kann nicht isoliert und ohne Rückgriff auf den Betriebsrisikogedanken bestehen. Der von Summer/Zängl stammende Vorschlag, die Schutzpflichten der Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Art. 33 Abs. 4 GG als Inhalt der Treuepflicht des Dienstherrn „hineinzuinterpretieren", könnte daher die vom Bundesgerichtshof geäußerte Befürchtung wahr werden lassen, wonach die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Großen Senats geeignet sind, das eigentliche Haftungskonzept - die Abwägung des Verschuldens des Arbeitnehmers gegen das Betriebsrisiko des Arbeitgebers - zu verdecken. 3. Zwischenergebnis Entgegen einer im beamtenrechtlichen Schrifttum verbreiteten Ansicht ist die Fürsorgegeneralklausel der §§79 BBG, 48 BRRG in den Fällen besonders hoher Schäden kein geeignetes Instrument, die grundsätzlich zwingende Haftungsfolge der §§ 78 BBG, 46 BRRG einzuschränken. Gleiches gilt für die grundgesetzlich verankerte Treue- und Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn: In Anbetracht der prinzipiellen Bedenken gegen die verfassungsrechtlichen Ausführungen im Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Juni 1992 ist eine isolierte, von der arbeitsrechtlichen Lehre vom Betriebsrisiko losgelöste, Übertragung auf das Beamtenhaftungsrecht im Wege eines „Erst-Recht-Schlusses" nicht möglich.
III. Vorübergehendes oder endgültiges Absehen von der Durchsetzung nach Maßgabe des Haushaltsrechts 1. Einwand der existenzvernichtenden Inanspruchnahme Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 1993 Einen anderen Lösungsansatz verfolgt der Bundesgerichtshof im Urteil vom 28. Oktober 1993 74 , dem ein außergewöhnlicher Sachverhalt zugrunde lag: Die Beklagte war Erbin ihres Ehemannes, der vor mehr als fünfundzwanzig Jahren als Beamter im Dienst unter vorsätzlicher Verletzung seiner Dienstpflichten einen Verkehrsunfall verursacht und dadurch einen schweren Personenschaden herbeigeführt hatte. Zusammen hatte das Ehepaar seitdem annähernd 170 000 D M Schadensersatz erbracht. Das klagende Land begehrte nun nach dem Tod des Ehemannes die Fortzahlung der Schadensersatzleistungen von der Beklagten und die Feststellung, daß diese auch zu74
BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387.
Α. Die Haftungsbeschränkung
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künftig verpflichtet bleibe, für alle weiteren Schäden aus dem Verkehrsunfall aufzukommen. Der Bundesgerichtshof ließ hier ausnahmsweise den Einwand der existenzvernichtenden wirtschaftlichen Inanspruchnahme der Beklagten auf der Basis des öffentlichen Haushaltsrechts zu und bejahte einen Anspruch auf Erlaß der gegen sie gerichteten Forderung nach Maßgabe der §§31 Abs. 2 Nr. 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO/LHO. Der Gerichtshof griff damit einen Lösungsweg auf, der bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 75 vorgezeichnet war. Ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht wertete auch der Bundesgerichtshof die Möglichkeit der Anwendung haushaltsrechtlicher Vorschriften durch den Dienstherrn zwar dem Grunde nach als eine „ i m Ermessen des Dienstherrn stehende Hilfeleistung", die daran anknüpfe, daß ein nach Grund und Höhe bestimmter, voller Schadensersatzanspruch bestehe 76 . Ausnahmsweise, so der Gerichtshof, könne jedoch eine Abstandnahme von der Verfolgung einer begründeten Forderung nach Maßgabe des Haushaltsrechts verlangt werden, wenn es sich um Sachverhalte handele, die durch das Vorliegen eines „besonders gestalteten Einzelschicksals" geprägt sein, mit der Folge, daß der Beamte durch eine Belastung mit der Forderung seines Dienstherrn in ungewöhnlich schwerer Weise getroffen wäre 77 . 2. Bewertung Es ist zunächst konsequent, wenn der Bundesgerichtshof, dem Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts folgend, eine Lösung auf der Grundlage des Haushaltsrechts anstrebt. Nur ein auf das Haushaltsrecht selbst gestützter Verzicht auf die Schadensersatzforderung vermag den Dienstherrn von der ebenfalls haushaltsrechtlich begründeten Pflicht zur Durchsetzung des Anspruchs 78 zu dispensieren. Käme man daher zu dem Ergebnis, daß das Haushaltsrecht geeignet erschiene, den Anspruch in den hier in Rede stehenden Fällen der existenzbedrohenden Inanspruchnahme zu begrenzen, so wäre eine solche Lösung anderen Konstruktionen vorzuziehen 79 . Allerdings ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von Seiten des Schrifttums entgegengehalten worden, sie sei „dogmatisch holprig", da das Haushaltsrecht nur Innenrecht sei und folglich zu keiner Einwendung im Außenverhältnis führen könne 80 . 75 BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (25 f.); siehe oben I. 2. a) bb) (1). 76 BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (389). 77 BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (389). 78 Dazu oben 2. Kapitel Β. I. 79 Auch Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 333, bevorzugt eine Lösung auf Basis des Haushaltsrechts.
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
Außerdem ist die dem Beamten vom Bundesgerichtshof eingeräumte Rechtsstellung verhältnismäßig schwach. Anders als ein Arbeitnehmer soll der Beamte bei grober Fahrlässigkeit und außergewöhnlicher Schadenshöhe einen Anspruch auf teilweisen oder vollständigen Erlaß nämlich nur in Extremfällen haben. Im übrigen wäre er weiterhin von einer ermessensbestimmten „Hilfeleistung" des Dienstherrn abhängig. Nachfolgend wird daher untersucht werden, ob, aufbauend auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, im Wege der Anwendung haushaltsrechtlicher Normen, nicht doch zu einer zufriedenstellenden Haftungsbeschränkung gefunden werden kann. a) Möglichkeiten der Anspruchsbeschränkung nach Maßgabe des Haushaltsrechts in Form von Stundung, Niederschlagung und Erlaß Das Recht der öffentlichen Haushalte enthält heute in § 31 Abs. 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) vom 19. August 1969 81 sowie den inhaltsgleichen §§59 Abs. 1 der Bundes- und Landeshaushaltsordnungen (BHO/LHO) prinzipiell drei Möglichkeiten einer Anspruchsreduzierung zu Lasten des Fiskus. Durch sie wird der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, so wie er in den § § 6 HGrG, 7 BHO/LHO ausgeprägt ist, eingeschränkt 82 . Nach §§ 31 Abs. 2 HGrG, 59 Abs. 1 BHO/LHO dürfen (...) Ansprüche nur 1. gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird, 2. niedergeschlagen werden, wenn feststeht, daß die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen, 3. erlassen werden, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Das gleiche gilt für die Erstattung oder Anrechnung von geleisteten Beträgen und für die Freigabe von Sicherheiten. Demgegenüber kannte die Reichshaushaltsordnung in § 54 ausschließlich die Möglichkeit der Niederschlagung 83 , wie sie heute in §§ 31 Abs. 2 Nr. 2 HGrG, 59 Abs. 1 Nr. 2 BHO/LHO normiert ist. Die Niederschlagung stellt ein reines Innenrecht der Verwaltung dar und bringt den administrativ ver-
80 Summer/Zängl, S. 549; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Anm. 20b), c). 81 BGBl. I S. 1284. 82 Heuer/Reuter, in: Heuer, § 59 BHO Rn. 1. 83 Vgl. oben 1. Kapitel Α. IV. 3.
Art. 85 BayBG
Α. Die Haftungsbeschränkung
253
bindlichen Willen der Behörde zum Ausdruck, von einer weiteren Verfolgung des Anspruchs abzusehen84. So erklärt sich, daß das Bundesverwaltungsgericht in seiner früheren Rechtsprechung von einer im „Ermessen des Dienstherrn stehenden Hilfeleistung" ausging, die den rechtlichen Bestand des gegen den Beamten gerichteten Anspruchs nicht berührte. Denn die Niederschlagung vernichtet den Anspruch nicht, sondern läßt ihn bestehen 85 . Seit 1969 besteht jedoch für den Dienstherrn auch die Möglichkeit, den Schadensersatzanspruch gegen den Beamten zu stunden oder zu erlassen. Die Stundung nach §§ 31 Abs. 2 Nr. 1 HGrG, 59 Abs. 1 Nr. 1 BHO/LHO schiebt den Zeitpunkt der Fälligkeit der gegen den Beamten gerichteten Schadensersatzforderung hinaus. Der Erlaß gemäß § § 3 1 Abs. 2 Nr. 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO/LHO bewirkt dagegen - entsprechend § 397 BGB - das Erlöschen des Anspruchs 86 , so daß eine erneute Rechtsverfolgung ausgeschlossen ist 8 7 . Zwischen Stundung und Erlaß besteht in den Voraussetzungen und in der Wirkung eine zwingende Stufenfolge: Eine Forderung darf nicht erlassen werden, wenn und soweit eine Stundung der auf Seiten des Beamten bestehenden Härte Abhilfe zu leisten geeignet ist 8 8 . Bevor ein Anspruch in voller Höhe erlassen wird, ist darüber hinaus zunächst die Möglichkeit eines Teilerlasses zu erwägen 89 . Zentrale Voraussetzung von Stundung und Erlaß ist das Bestehen einer „besonderen" bzw. „erheblichen Härte". Die Begriffsbestimmung kann sich hierbei an den Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu § 59 BHO orientieren. Danach ist eine „erhebliche", die Stundung des Anspruchs rechtfertigende „Härte" anzunehmen, wenn sich der Beamte aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder im Falle sofortiger Einziehung des Anspruchs in eine solche geraten würde 90 . Eine „besondere Härte", die zum Erlaß der Schadensersatzforderung führen kann, liegt demgegenüber „insbesondere vor, wenn sich der Beamte in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet und zu besorgen ist, daß die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führen würde" 9 1 . Der Wortlaut der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften („insbesondere") macht deutlich, daß die Notlage nicht in jedem Fall eine unverschuldete sein muß 9 2 . Die Bejahung eines Härtefalls erfordert vielmehr eine Würdigung aller für den Einzelfall cha84 85 86 87 88 89 90 91
Vgl. Vorl. VV zu § 59 BHO Nr. 2. 1. Viaion, § 54 RHO Anm. 6. Heuer/Reuter, in: Heuer, § 59 BHO Rn. 6; Piduch, § 59 BHO Rn. 5. Piduch, § 59 BHO Rn. 5. Heuer/Reuter, in: Heuer, § 59 BHO Rn. 6. Piduch, § 59 BHO Rn. 5. Vorl. VV zu § 59 BHO Nr. 1. 2. Vorl. VV zu § 59 BHO Nr. 3. 4.
254
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
rakteristischen Merkmale in Gestalt einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung. Im Vordergrund steht dabei neben den finanziellen Verhältnissen des Beamten vor allem dessen familiäre Situation. Darüber hinaus ist dies der richtige Ort, um im Rahmen der Fürsorgepflicht die Höhe des Einkommens des Beamten, die Schwere der Pflichtverletzung, seine hierarchische Stellung im Verwaltungsaufbau, die Dauer seiner Dienstzugehörigkeit sowie die Frage, welcher Verschuldensvorwurf dem Beamten im Hinblick auf die konkrete Schadenszufügung gemacht werden muß, zu berücksichtigen. Die genauen Maßstäbe wird jedoch die künftige Rechtsprechung zu entwickeln haben. Insgesamt dürfte der Begriff der „besonderen Härte" aber deutlich weiter sein als derjenige des „besonders gestalteten Einzelschicksals", wie er der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegt. b) Anspruch des Beamten auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung
Anders als die Niederschlagung räumen die §§ 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BHO/LHO dem Dienstherrn nicht nur eine interne, gerichtlich nicht überprüfbare Befugnis ein, sondern begründen zugleich eine außenrechtliche Verpflichtung mit der Folge, daß die Entscheidung über Stundung und Erlaß als gestaltender Verwaltungsakt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt 93 . Dieser außenrechtlichen Verpflichtung der Verwaltung entspricht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Anspruch des Schuldners auf ermessensfehlerfreie Entscheidung 94 , da Stundung und Erlaß auch seinen Interessen zu dienen bestimmt sind. Hiervon ist ersichtlich auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1993 ausgegangen, als er der Beklagten einen Anspruch auf Prüfung der Frage zugebilligt hat, ob ihr die Beeinträchtigung durch weitere Zahlungen ganz oder teilweise zumutbar ist 9 5 . c) Anspruch auf Stundung oder Erlaß der Forderung Eine weitergehende Rechtsposition hat der Bundesgerichtshof indes nicht anerkannt. Dem Dienstherrn stehe auch in Härtefällen bei der Frage, ob er 92
Anderer Ansicht sind Woydera/Summer/Zängl, § 97 SächsBG Anm. 19 b), die davon ausgehen, daß die Härte allein in der Inanspruchnahme auf Schadensersatz liegen müsse, so daß der Beamte bei selbstverschuldeter Notlage durch Hinzutreten eines Ersatzanspruchs nicht zum Härtefall werde. 93 BSG, Urt. v. 09.02.1995, NZS 1996, 39 (43). 94 VGH Mannheim, Urt. v. 16.06.1994, VB1BW. 1995, 21 (22); Heuer/Reuter, in: Heuer, § 59 BHO Rn. 1; unklar: Piduch, § 59 BHO Erl. 1. 95 BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (389).
Α. Die Haftungsbeschränkung
255
den Anspruch erlassen wolle oder nicht, grundsätzlich ein Ermessen zu. Zu einem Anspruch der Beklagten auf Erlaß der Forderung gelangt der Gerichtshof daher folgerichtig nur über eine Ermessensreduzierung auf Null. Ein solcher Fall sei aber begrenzt auf das Vorliegen eines „besonders gestalteten Einzelschicksals in der Person des Beamten mit der Folge, daß er durch die Belastung mit den Forderungen seines Dienstherrn in ungewöhnlich schwerer Weise getroffen würde 9 6 ". Dieser Konstruktion einer Ermessensreduzierung auf Null hätte es allerdings nicht bedurft. Denn die §§ 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BHO/LHO verleihen dem Beamten bei Vorliegen eines Härtefalls regelmäßig sogar einen unmittelbaren Anspruch auf Stundung oder Erlaß der gegen ihn gerichteten Schadensersatzforderung, den er mit Hilfe eines Verpflichtungsbegehrens vor Gericht durchsetzen kann. aa) Normstruktur der §§ 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BHO/LHO Dies ergibt sich nicht ohne weiteres aus Wortlaut und Struktur der Vorschriften. §§ 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BHO/ LHO sind sogenannte „darf-" Bestimmungen. Durch die Verwendung des Wortes „darf 4 räumt der Gesetzgeber in ähnlicher Weise wie durch die Verwendung des Ausdrucks „kann" bzw. „ist befugt" der Verwaltung ein Ermessen ein 9 7 . Gleichzeitig enthalten sie mit dem Begriff der „Härte" einen unbestimmten Rechtsbegriff. Zwar verlangt ein solcher von der Behörde eine wertende Entscheidung, gleichwohl lassen unbestimmte Rechtsbegriffe der Verwaltung regelmäßig keinen Beurteilungsspielraum, sondern unterliegen der vollen gerichtlichen Kontrolle 9 8 . Ein Zusammentreffen von unbestimmtem Rechtsbegriff auf der Voraussetzungsseite der Norm mit einem Ermessen auf der Rechtsfolgenseite wird als Koppelungsnorm bezeichnet. Für Koppelungsnormen gelten grundsätzlich keine dogmatischen Besonderheiten, da Tatbestands- und Rechtsfolgenseite jeweils nach ihren eigenen Regeln zu beurteilen sind 9 9 .
96 97 98 99
BGH, Urt. v. 28.10.1993, DÖV 1994, 387 (389). Maurer, § 7, Rn. 7. Ossenbühl in: Erichsen, § 10, Rn. 23 ff. Maurer, § 7, Rn. 25; Ossenbühl in: Erichsen, § 10, Rn. 47.
256
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
bb) Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zum sogenannten „einheitlichen Ermessen" - Beschluß vom 19. Oktober 1971 Im Hinblick auf die §§ 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BHO/LHO ergibt sich jedoch etwas anderes: So hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes im Beschluß vom 19.10. 1971 1 0 0 zu § 131 AO (1919) entschieden, daß bei Vorschriften, in denen eine Verbindung zwischen einem unbestimmten, einer Subsumtion nicht zugänglichen Begriff und einem „Können" der Behörde hergestellt ist, nur nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift und nicht allein aufgrund dogmatischer Überlegungen entschieden werden könne, ob es sich um eine Koppelung zwischen unbestimmtem Rechtsbegriff und sich daran anschließender Ermessensausübung oder um die Ermächtigung zu einer „einheitlichen Ermessensausübung" handele. § 131 AO (1919) (heute: § 227 AO (1977)) lautete: „ I m Einzelfall können Steuern und sonstige Geldleistungen ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; (...)." Nach Auffassung des Senats könne der Inhalt dieser Vorschrift nur im Zusammenhang beurteilt werden. Der Begriff „unbillig" könne folglich nicht losgelöst davon gewürdigt werden, daß er ein „Können" der Behörde zur Folge habe 1 0 1 . Denn es bestehe eine unlösbare Verzahnung von Voraussetzung und Rechtsfolge des nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AO (1919) ergehenden Verwaltungsaktes, der sich damit als „einheitliche Ermessensentscheidung" darstelle, wie sie die gesetzliche Regelung auch in anderen Fällen (zum Beispiel in § 315 BGB) durch den Begriff des „billigen Ermessens" zum Ausdruck bringe 1 0 2 . Dabei rage der unbestimmte Rechtsbegriff der „Unbilligkeit" in das Ermessen hinein und determiniere damit zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensentscheidung 103. Im Ergebnis wird durch diese Betrachtungsweise ein sehr enger Entscheidungsspielraum der Verwaltung und eine weitgehende gerichtliche Nachprüfbarkeit des Ermessens angenommen 104 . Bei § 131 Abs. 1 AO (1919) sind danach andere als Billigkeitserwägungen nicht anzustellen 105 . Das verbleibende Erlaßermessen der Behörde wird in seiner praktischen Anwendung stark reduziert: Ist die Einziehung einer Steuer nach Lage des Falles unbillig, so darf die Behörde den Erlaß regelmäßig nicht verweigern 106 . 100 101 102 103 104 105
GemS-OBG, Beschl. GemS-OBG, Beschl. GemS-OBG, Beschl. GemS-OBG, Beschl. Johannes, S. 73. Bachof, S. 645.
v. v. v. v.
19.10.1971, 19.10.1971, 19.10.1971, 19.10.1971,
BVerwGE BVerwGE BVerwGE BVerwGE
39, 39, 39, 39,
355 355 355 355
ff. (362). (367 f.), (366).
Α. Die Haftungsbeschränkung
257
Umgekehrt darf sie den Steueranspruch nicht erlassen, wenn es an einer Unbilligkeit fehlt. Bundesfinanzhof 107 und Bundesverwaltungsgericht 108 sind der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats gefolgt und gehen auch für die Nachfolgevorschriften der §§ 222, 227 AO (1977) von einem „einheitlichen Ermessensbegriff 4 aus. Das Schrifttum kritisiert weitgehend den dogmatischen Ansatz, stimmt der Rechtsprechung im Ergebnis aber z u 1 0 9 . cc) Übertragung der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats auf das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder Zwar stellt die Entscheidung des Gemeinsamen Senats ausdrücklich auf die systematischen und entstehungsgeschichtlichen Besonderheiten des § 131 AO (1919) ab. Jedoch weist § 131 AO (1919) bzw. § 227 AO (1977) eine nach Normaufbau und Entstehungsgeschichte bedeutsame Ähnlichkeit zu den für das Haushaltsrecht geltenden Bestimmungen der §§31 Abs. 2 Nr. 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO/LHO auf 1 1 0 . Denn der Gesetzgeber der fünften Legislaturperiode hat die §§ 31 Abs. 2 HGrG, 59 Abs. 1 BHO/ LHO aus Gründen der Rechtsklarheit und VerwaltungsVereinfachung denjenigen der Abgabenordnung über Stundung (§ 127 RAO), Niederschlagung (§ 130 RAO) und Erlaß (§131 RAO) angeglichen 111 . Die zu diesen Vorschriften entwickelten Rechtsgrundsätze können daher trotz geringfügiger Abweichungen entsprechend herangezogen werden 1 1 2 . Insoweit ist der Unterschied zwischen den Begriffen „Härte" und „Unbilligkeit" auf der Tatbestandsseite sowie zwischen „kann" und „darf" auf der Rechtsfolgenseite kein inhaltlicher, sondern ein rein terminologischer. Es erscheinen kaum Fälle denkbar, die einerseits keine Unbilligkeit, andererseits aber eine besondere Härte bedeuten würden und umgekehrt 113 . Sowohl § 131 AO (1919) bzw. § 227 AO (1977) als auch §§ 31 Abs. 2 Nr. 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO/LHO dienen schließlich der Gerechtigkeit des Einzelfalles, indem sie die Verwaltung von ihrer grundsätzlichen Pflicht zur Einziehung öffentlich-rechtlicher Ansprüche aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und des Grundrechtsschutzes entbinden. Daher erscheint es geboten, die Recht-
106
Bachof, S. 644; Johannes, S. 73; Kloepfer, S. 1411. St. Rspr. BFH, Urt. v. 22.04.1975, BFHE 116, 87; BFH, Urt. v. 08.03.1990, BFHE 160, 296. 108 BVerwG, Urt. v. 23.08.1990, DVB1. 1990, 1405 (1408); BVerwG, Urt. v. 05.07.1985, BVerwGE 72, 1 (5) zu § 5 Abs. 1 Satz 2c) WoBindG. 109 Bachof, S. 645; Maurer, § 7, Rn. 27; Ossenbühl, in: Erichsen, § 10, Rn. 47. 110 BSG, Urt. v. 09.02.1995, NZS 1996, 39 (44); Johannes, S. 73. 111 BT-Drs. V/3040 Nr. 224 zu § 31 (S. 54). 112 Heuer/Reuter, in: Heuer, § 59 Erl. 1; Johannes, S. 73. 113 BSG, Urt. v. 09.02.1995, NZS 1996, 39 (43). 107
17 Beckmann
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
sprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte zu § 131 AO (1919) auch auf die entsprechenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen zu übertragen 114 . Dem steht der Grundsatz des § 3 Abs. 2 BHO/LHO, wonach der Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten Dritter weder begründen noch aufheben kann, ebensowenig entgegen wie die Bezeichnung als Bundes- bzw. Landeshaushalts- „Ordnung", die zunächst auf ein bloßes Innenrecht der Verwaltung hindeutet. Einen entsprechenden Anspruch des Beamten auf Stundung oder Erlaß wird man insoweit auf das Haushaltsgrundsätzegesetz selbst stützen können, das sowohl Gesetz im formellen als auch im materiellen Sinne ist. dd) Zwischenergebnis Das durch die Vorschriften der §§ 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 HGrG, 59 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BHO/LHO dem Dienstherrn eingeräumte Ermessen ist ein „einheitliches Ermessen", welches durch die Begriffe „erhebliche" und „besondere Härte" in seinem Inhalt und in seinen Grenzen bestimmt wird. Dies führt regelmäßig zu einer Erlaß- bzw. Stundungspflicht der gegen den Beamten gerichteten Schadensersatzforderung, wenn der Dienstherr vom Vorliegen eines Härtefalls ausgeht. Damit korresponidert ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch des Beamten auf Stundung oder Erlaß, wenn eine „besondere" oder „erhebliche" Härte vorliegt. Die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 1993 zugrundeliegende Rechtsauffassung, wonach dem Dienstherrn bei der Frage, ob die Forderung gegen den Beamten zu erlassen ist, auch in Härtefällen grundsätzlich ein Ermessen zusteht und wonach ein Anspruch des Beamten auf Erlaß vom Vorliegen eines „besonderen Einzelschicksals" abhängen soll, erweist sich mithin als zu eng. Hiervon ausgehend, unterscheidet sich die dem Beamten zustehende Rechtspostion auf der Grundlage des Haushaltsrechts im Ergebnis nur marginal von derjenigen, die die Rechtsprechung in gleich gelagerten Fällen heute einem privaten Arbeitnehmer zubilligt 1 1 5 . Auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Großschäden, die der Arbeitnehmer schuldhaft verursacht hat, bedeutet im Ergebnis nichts anderes als die Anwendung einer Härtefallregelung 116 . Sowohl das Haushaltsrecht als auch die arbeits114
So BSG, Urt. v. 09.02.1995, NZS 1996, 39 (43 f.) und zuvor Johannes, S. 73. Auch § 26 Absatz 2 des Entwurfs einer Arbeitsgesetzbuchskommission von 1977 stellte hinsichtlich der Anspruchsbegrenzung auf das Vorliegen eines „Härtefalls" ab. 116 Das BAG hat im Urt. v. 12.10.1989, BAGE 63, 127 (137) eine Heranziehung des § 59 BHO/LHO ausdrücklich erwogen, jedoch mangels gesetzlicher Regelung im Arbeitsrecht abgelehnt. 115
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
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rechtlichen Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich verleihen dem Schädiger bei drohender Existenzvernichtung einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Haftungsbeschränkung bis hin zur Haftungsfreistellung. I V . Ergebnis Verursacht der Beamte vorsätzlich oder grob fahrlässig einen besonders hohen Schaden seines Dienstherrn und setzt er sich dadurch einer möglichen existenzbedrohenden Inanspruchnahme auf Schadensersatz aus, so bietet heute allein das öffentliche Haushaltsrecht in Gestalt der Regelungen über Stundung und Erlaß das geeignete Mittel, die gegen den Beamten gerichtete Schadensersatzforderung auf einen noch zumutbaren Teil zu beschränken. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer „besonderen" bzw. „erheblichen" Härte in der Person des Beamten. Bei der Entscheidung über das Bestehen eines Härtefalls hat der Dienstherr in erster Linie die wirtschaftliche und familiäre Sitution des Beamten zu beachten. Führt die Abwägung aller Umstände zur Bejahung einer Härte, steht die Entscheidung darüber, ob der Anspruch zu stunden oder zu erlassen ist, nicht im Belieben des Dienstherrn, sondern ist entsprechend präjudiziert. In diesem Fall hat der Beamte nach der hier vertretenen Auffassung auch einen Anspruch auf Stundung oder Erlaß der gegen ihn gerichteten Forderung, den er gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen kann.
B. Die Haftungsbeschränkung wegen Mitverschuldens des Dienstherrn in Abgrenzung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter Nicht in jedem Fall läßt sich der Eintritt eines Schadens ausschließlich auf das schuldhafte Fehlverhalten nur eines Beamten zurückführen. Vielfach wird man auch einem Vorgesetzten oder einem anderen Beschäftigten eine Mitverantwortung für den Schadenseintritt oder dessen Ausbreitung zuweisen müssen. Nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts müßte sich der Dienstherr das Verschulden des Mitschädigers bei der Heranziehung des vorrangig verantwortlichen Beamten als eigenes zurechnen lassen. Erfüllt die hinzutretende Pflichtverletzung aber gleichfalls den Tatbestand der §§ 78 BBG, 46 BRRG, so ist auch der für sie verantwortliche Beamte in voller Höhe zum Ersatz des entstandenen Schadens im Innenverhältnis verpflichtet (§§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG). Die Abgrenzung der damit angesprochenen gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter (I.) vom zurechenbaren Mitverschulden des Dienst1
260
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
herrn für das Verschulden seiner Beschäftigten (II.) gehört zu den seit langem diskutierten Problemfeldern der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn. Ob der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn infolge eines Mitverschuldens in diesem Sinne beschränkt sein kann, hängt maßgeblich davon ab, wie die Regelung der §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG heute zu verstehen ist. I. Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter bei gemeinsamer Schadensverursachung (§§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG) Nach §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG haften mehrere Beamte, die einen Schaden gemeinsam verursacht haben, als Gesamtschuldner. Die §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG betreffen sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Schädigung des Dienstherrn. Einer analogen Anwendung bedarf es auch im letzteren Fall nicht, weil heute - anders als noch in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung der Norm - das gesamte Gebiet der Schadenshaftung einschließlich der mittelbaren Schädigung des Dienstherrn in Ausübung von Hoheitsrechten von Absatz 1 Satz 1 erfaßt wird, so daß sich die Regelung über die Gesamtschuld in Absatz 1 Satz 2 systematisch auf alle Fallgestaltungen der beamtenrechtlichen Innenhaftung erstreckt 117 . Die Verweisung auf das in den §§421 ff. BGB geregelte Rechtsinstitut der Gesamtschuldnerschaft, als praktisch bedeutendster Form der privatrechtlichen Schuldnermehrheit 118 , zeugt von der historischen Identität des beamtenrechtlichen Anspruchs mit den Schadensersatzansprüchen des Zivilrechts. Sowohl im Vertrags- als auch im Deliktsrecht kommt der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung im Privatrecht eine wichtige anspruchssichernde Funktion zu (vgl. §§ 427, 840 BGB). Nach § 421 Satz 1 BGB liegt eine Gesamtschuldnerschaft vor, wenn mehrere eine Leistung in der Weise schulden, daß jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. In diesem Fall kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zum Teil fordern. Beansprucht der Gläubiger von einem Schuldner mehr, als dieser im Innenverhältnis gegenüber den anderen Schuldnern zu leisten verpflichtet ist, so richtet sich der Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern untereinander nach § 426 BGB. Die Gesamtschuld begünstigt somit das Interesse des 117 Anderer Ansicht: Battis , § 78 BBG Rn. 1 und 9 (analoge Anwendung bei mittelbarer Schädigung). 118 Fikentscher, Rn. 629; Medicus, SchR AT, S. 359.
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
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Gläubigers, dessen Stellung gegenüber einer Mehrheit von Schuldnern dadurch gestärkt wird, daß er sich den leistungsfähigsten herausgreifen kann. Gleichzeitig verweist sie den in Anspruch Genommenen auf die Auseinandersetzung mit den weiteren Schuldnern nach § 426 BGB, deren Ausgleichspflicht untereinander sich nach den jeweiligen Verantwortungsbeiträgen bemißt 1 1 9 . 1. Die Voraussetzungen der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter gegenüber ihrem Dienstherrn a) Gesamtschuld zwischen mehreren grob fahrlässig vorsätzlich handelnden Beamten
bzw.
Nach dem Wortlaut der §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG setzt die gesamtschuldnerische Haftung voraus, daß mehrere Beamte den Schaden gemeinsam verursacht haben. Eine gesamtschuldnerische Haftung besteht aber auch dann, wenn die Mitverursacher nicht Beamte im statusrechtlichen Sinne, sondern Arbeiter oder Angestellte im öffentlichen Dienst sind 1 2 0 Weder aus der Sicht des Beamten noch aus der Sicht des ersatzberechtigten Dienstherrn kann es einen Unterschied machen, ob der Zweitschädiger unmittelbar aus §§78 Abs. 1 Satz 1 BBG, 46 Abs. 1 Satz 1 BRRG verantwortlich ist oder ob sich dessen Haftung aus einer inhaltsgleichen Vorschrift des öffentlichen Dienstrechts bzw. kraft Verweisung auf die §§78 BBG, 46 BRRG oder entsprechender Anwendung dieser Normen ergibt. Weiterhin muß die Dienstpflichtverletzung eines jeden Beamten für den Schaden des Dienstherrn ursächlich im Sinne der Adäquanztheorie geworden sein. Die herrschende Meinung fordert hierfür keine gemeinsame Begehung der Pflichtverletzung 121 . Die gesamtschuldnerische Haftung sei nicht auf Fälle eines bewußten und gewollten Zusammenwirkens beschränkt, sondern betreffe alle Fallgestaltungen, in denen mehrere Beamte, auch unabhängig voneinander, schuldhaft eine adäquat ursächliche Bedingung für den Eintritt des Schadens gesetzt haben 1 2 2 . Demgegenüber wird teilweise der Standpunkt vertreten, die §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG erfaßten nicht die Fälle sogenannter Nebentäterschaft 123 . Es sei aber sachgerecht, in diesen Fällen § 840 BGB 119
St. Rspr. seit RG Urt. v. 22.12.1910, RGZ 75, 251 (256); Medicus, SchR AT, S. 363 f. 120 OVG Münster, Urt. v. 10.05.1973, ZBR 1975, 54 (57); OVG Münster, Urt. v. 14.11.1991, NWVB1. 1992, 175 (176); Simianer, S. 47. 121 Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 38; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 49; Ule, § 46 BRRG Rn. 7. 122 BVerwG, Urt. v. 23.10.1969, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 12, 1 (11).
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
analog anzuwenden, da kein Anhaltspunkt dafür bestehe, daß der Gesetzgeber die Stellung des Dienstherrn gegenüber einer Mehrheit von Schädigern im Verhältnis zum allgemeinen Schadensersatzrecht aus unerlaubter Handlung habe verkürzen wollen 1 2 4 . Wie die Auslegung der Norm ergibt, bedarf es jedoch nicht der entsprechenden Heranziehung des § 840 BGB. Denn anders als § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB, der eine von mehreren „gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung" voraussetzt, spricht der Wortlaut der §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG von der „gemeinsamen Verursachung" des Schadens durch mehrere Beamte. Nur die Verursachung des Schadens, nicht aber die Begehung der Dienstpflichtverletzung muß somit eine gemeinsame sein 1 2 5 . Dies entsprach auch bereits der zu § 23 Abs. 1 DBG vertretenen allgemeinen Rechtsauffassung 126 , von der abzuweichen keine Veranlassung besteht. Eine haftungsauslösende gemeinsame Verursachung im Sinne von §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG kann somit auch bei grob fahrlässigem Verhalten gegeben sein und durch Vorgesetzte oder nachgeordnete Beamte geschehen 127 . Ungeschriebene Voraussetzung ist schließlich, daß die Beamten Aufgaben ein und desselben Dienstherrn wahrgenommen haben 1 2 8 . Waren die Beamten, die gemeinsam einen Schaden verursacht haben, für verschiedene Dienstherrn tätig, so haftet jeder für sich nach Maßgabe des § 78 BBG bzw. § 46 BRRG seinem Dienstherrn, soweit diesem selbst ein Schaden entstanden ist oder er den Schaden eines anderen Dienstherrn als Drittschaden geltend macht 1 2 9 . b) Gesamtschuld zwischen mehreren Beamten, von denen zumindest einer nur leicht fahrlässig gehandelt hat („gestörte Gesamtschuld") Neben einer Gesamtschuld im vorgenannten Sinne zwischen mehreren vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnden Beamten ist es auch denkbar, 123 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 22 a); unklar: Simianer, S. 47. 124 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 22 a). 125 Battis, RdA 1986, S. 221; Mühl in: Fürst (GKÖD I K) § 78 BBG Rn. 49; Ole, § 46 BRRG Rn. 7. 126 Brand, § 23 DBG, S. 224; Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 31; Obwohl der Wortlaut des § 23 DBG sogar noch von „gemeinschaftlich" anstatt von „gemeinsam" sprach. 127 Battis, RdA 1986, S. 221; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K) § 78 BBG Rn. 49. 128 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 39; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 52. 129 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 40.
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
263
daß zwar mehrere Beamte schuldhaft einen Schaden herbeiführen, daß aber einer oder einige von ihnen nicht wegen eines qualifizierten Verschuldens haften, so daß sie haftungsrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können. In diesem Fall besteht eine ähnliche Problematik, wie sie im Zivilrecht unter der Überschrift „gestörtes Gesamtschuldverhältnis" diskutiert w i r d 1 3 0 . Es bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Die herrschende Zivilrechtslehre kürzt bei einer „gestörten Gesamtschuld" den Anspruch des Geschädigten gegen den nichtprivilegierten Erstschädiger von vornherein um den Betrag, der dem Verantwortungsanteil des privilegierten Zweitschädigers an der Schadensentstehung entspricht 131 . Für den hier in Rede stehenden Fall der Schädigung des Dienstherrn durch mehrere Beamte würde dies bedeuten, daß der Schadensersatzanspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG gegen den grob fahrlässig bzw. vorsätzlich handelnden Beamten im voraus um denjenigen Faktor zu kürzen wäre, der dem Mitverantwortungsanteil seines nur leicht fahrlässig handelnden Kollegen gleichkommt. Eine andere Lösung ist im Privatrecht in neuerer Zeit vom Bundesgerichtshof für den Fall vertreten worden, daß der Haftungsmaßstab für den privilegierten Zweitschädiger auf das Vorliegen eigenüblicher Sorgfalt (§§ 1664, 277 BGB) gemindert ist. Der Gerichtshof geht in diesem Fall unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung 132 davon aus, daß der nichtprivilegierte Erstschädiger den Schaden allein zu tragen habe. Der Zweitschädiger erfülle bereits den Tatbestand der Haftungsnorm nicht, so daß er erst gar nicht in die Gesamtschuld „hineinwachse". Folglich fehle es bereits an den Grundlagen eines Gesamtschuldverhältnisses, das „gestört" werden könne. Hierin liege der maßgebliche Unterschied einer Herabsetzung des Haftungsmaßstabes zu einer vertraglichen Haftungsfreistellung oder einem gesetzlichen Haftungsausschluß, bei dem zunächst alle Voraussetzungen für ein Gesamtschuldverhältnis gegeben sein 1 3 3 . Im Beamtenrecht hat sich bisher - soweit ersichtlich - nur das Oberverwaltungsgericht Schleswig mit diesem Problem befaßt. In seiner diesbezüglichen Entscheidung vom 20. Februar 1992 1 3 4 ist es ohne weiteres der herrschenden Meinung des zivilrechtlichen Schrifttums gefolgt, wonach der Anspruch des Geschädigten von vornherein um den Verantwortungsanteil des privilegierten Zweitschädigers zu kürzen ist. Diese Lösung sei bei der Aus130
Vgl. Fikentscher, Rn. 636. Z.B. Fikentscher, Rn. 636 a.E.; Heinrichs, in: Palandt, § 426 BGB Rn. 15 ff.; Medicus, Rn. 933. 132 BGH, Urt. v. 27.06.1961, BGHZ 35, 317 (322) zu § 1359 BGB. 133 BGH, Urt. v. 01.03.1988, BGHZ 103, 338 (347) zu § 1664 BGB. 134 OVG Schleswig, Urt. v. 20.02.1992, ZBR 1992, 385. 131
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
legung des Gesetzes nach Sinn und Zweck der Regelung auch im Beamtenrecht anzuwenden. Weil der primär verantwortliche Beamte den mitverantwortlichen Zweitschädiger im Innenverhältnis wegen des bestehenden Haftungsprivilegs nicht nach § 426 BGB zum Ausgleich heranziehen könne, müsse sich der Dienstherr die auf den Zweitschädiger entfallende Schadensquote selbst zurechnen lassen 135 . Dies ist sachgerecht. Zwar wäre es zumindest denkbar gewesen, eine gesamtschuldnerische Haftung bereits im Ansatz zu verneinen und dem Dienstherrn die Durchsetzung des gesamten Anspruchs aus §§78 BBG, 46 BRRG gegen den Beamten zuzubilligen. Indes läßt sich die stark kontroverse Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftungsbeschränkung auf eigenübliche Sorgfalt nicht auf das Beamtenverhältnis übertragen. Zum einen liegen ihr unausgesprochen besondere Erwägungen zum Schutz der Familie vor Ansprüchen Dritter zugrunde, die einer Übertragung auf andere, nicht familienrechtliche Sachverhalte entgegenstehen136. Zum anderen wirkt die beamtenrechtliche Haftungsbeschränkung der §§ 78 BBG, 46 BRRG nur scheinbar haftungsbegründend, indem sie ein Vertretenmüssen des Beamten unterhalb der Schwelle grober Fahrlässigkeit ausschließt. Während in den Fällen der §§ 1664, 1359 BGB die Eltern bzw. Ehegatten nur die eigenübliche Sorgfalt schulden, schuldet der Beamte alle seinem Beruf entsprechende Sorgfalt (vgl. §§ 77 BBG, 45 BRRG). Das beamtenrechtliche Haftungsprivileg wirkt daher rechtssystematisch nicht haftungsbegründend, sondern haftungsausschließend. Heranzuziehen ist daher nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den §§ 1664, 1359 BGB, sondern diejenige zu den gesetzlichen Haftungsausschlüssen, wie zum Beispiel zu §§ 636 RVO oder zu 46 BeamtVG. Insofern stimmen Bundesgerichtshof und herrschende Literaturmeinung aber darin überein, daß eine gerechte Lösung in einer Kürzung des Anspruchs des Geschädigten besteht 137 . Auch im Beamtenrecht entspricht dies dem Gerechtigkeitsempfinden: Belastet wird im Ergebnis die öffentliche Hand, deren Interessen durch das Haftungsprivileg der §§78 BBG, 46 BRRG ohnehin abgewertet sind. 2. Rechtsfolge der Anordnung der Gesamtschuld im Beamtenrecht Liegt eine Gesamtschuld vor, so ist nach § 421 BGB jeder Mitschuldner dem Dienstherrn zur ganzen Leistung verpflichtet ist. Dieser könnte „nach seinem Belieben" einen der verantwortlichen Beamten auswählen und zum Schadensersatz in voller Höhe heranziehen. Dem so in Anspruch Genom135
OVG Schleswig, Urt. v. 20.02.1992, ZBR 1992, 385 (386). Medicus, Rn. 932. 137 BGH, Urt. v. 12.06.1973, BGHZ 61, 51 (55 f.); BGH, Urt. v. 23.04.1985, BGHZ 94, 173 (178); Fikentscher, Rn. 636; Medicus, Rn. 934. 136
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
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menen stünde dann seinerseits lediglich ein Rückgriffsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB gegen den oder die Mitschädiger zu. Ob diese Übertragung zivilrechtlicher Grundsätze in das Beamtenhaftungsrecht sachgerecht ist, wird unterschiedlich beurteilt: a) Abschließende Regelung durch §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG nach älterer Auffassung Noch unter Geltung des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 ging die überwiegende Auffassung im Beamtenrecht davon aus, daß die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn die gleiche Stellung einräumte, die auch ein Privatrechtsgläubiger im Falle der Gesamtschuldnerschaft genoß 138 . Der Dienstherr konnte demgemäß willkürlich auf einen der Gesamtschuldner zugreifen, ohne daß sich dieser mit der Behauptung hätte zur Wehr setzen können, seine Verantwortlichkeit wiege im Innenverhältnis gegenüber anderen Schadensverursachern nur gering. Auch unter Geltung des Grundgesetzes und nach Erlaß eines Bundesbeamtengesetzes vermochte sich eine andere Überzeugung zunächst nicht durchzusetzen 139 . So entschied der Dritte Zivilrechtssenat des Bundesgerichtshofs noch im Jahre 1962, daß der Dienstherr angesichts der eindeutig normierten gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter auch aus dem Gesichtspunkt der ihm obliegenden Fürsorgepflicht heraus nicht gehindert sei, einen der Beamten auf Ersatz des ganzen Schadens in Anspruch zu nehmen 140 . In jüngerer Zeit hat namentlich Meyer erneut die Überzeugung geäußert, der Dienstherr sei nicht gehalten, die verursachenden Beamten nach dem Grad ihres Verursachungs- und Verschuldensbeitrages heranzuziehen 141 . § 78 Abs. 1 Satz 2 BBG sowie die entsprechenden Normen der Landesbeamtengesetze bildeten im Hinblick auf die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht eine spezielle gesetzliche Regelung. Der durch diese Vorschriften in Bezug genommene § 421 BGB sehe die genannte Rechtsfolge ausdrücklich v o r 1 4 2 . b) Verändertes
Verständnis von der Gesamtschuld im Beamtenrecht nach heute herrschender Meinung
Ein anderes Verständnis der Gesamtschuld im öffentlichen Recht legt das Bundesverwaltungsgericht im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des 138 139 140 141 142
Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 30 f. Bochalli, § 78 BBG Anm. 1; Fischbach, § 78 BBG Β) V. (S. 639). BGH, Urt. v. 22.01.1962, VersR 1962, 426 (429). Meyer, S. 64. Meyer, S. 64.
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
Bundesfinanzhofs zum Ermessen des Steuergläubigers bei der Entscheidung, welchen von mehreren Gesamtschuldnern er in Anspruch n i m m t 1 4 3 , zugrunde. So hat der Achte Senat des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, daß die öffentliche Hand bei der Ausübung des ihr durch § 421 BGB eingeräumten Beliebens - anders als ein Privatrechtsgläubiger - nicht nur an die Grenzen des sittenwidrigen Handelns sowie der unzulässigen Rechtsausübung gebunden, sondern von vornherein auf verfassungsmäßiges Handeln beschränkt sei, daß folglich, an die Stelle des freien Beliebens in § 421 BGB im öffentlichen Recht ein Auswahlermessen trete, welches pflichtgemäß betätigt werden müsse 144 . Das beamtenrechtliche Schrifttum ist derselben Ansicht und bedient sich unterstützend einer an der FürsorgeVerpflichtung des Dienstherrn ausgerichteten Argumentation: Danach habe der Dienstherr bei gemeinsamer Schadensverursachung durch mehrere Beamte nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob seine Fürsorgepflicht es ihm gestatte, einen Beamten voll in Anspruch zu nehmen und andere zu Lasten des Herangezogenen zu verschonen. Diesen Anforderungen an eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung genüge der Dienstherr nur, wenn er zunächst die Verantwortlichkeit aller in Betracht kommenden Beschäftigten in zumutbarer Weise kläre und seine Ersatzforderung entsprechend auf die Verantwortlichen aufteile. Der Dienstherr könne dabei entweder gegen die einzelnen Verantwortlichen von vornherein nur einen Teil des Schadens geltend machen oder aber, um die Verjährung der Forderung zu verhindern, zwar gegen jeden Beamten den vollen Betrag geltend machen, bei der tatsächlichen Durchsetzung aber die Aufteilung vornehmen 145 . Auch in der beamtenrechtlichen Judikatur hat sich seit Mitte der sechziger Jahre, zurückgehend auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig 146 , ein solches Verständnis der gesamtschuldnerischen Verantwortung mehrerer Beamter Bahn gebrochen 147 . In aller Deutlichkeit ist dies vor allem vom Oberverwaltungsgericht Münster 1 4 8 artikuliert worden: 143
BFH, Beschl. v. 23.10.1990, NVwZ 1992, 511. BVerwG, Urt. v. 29.09.1982, NVwZ 1983, 222 (223) unter Berufung auf BFH, BStBl 1976 II, 579. 145 Battis , RdA 1986, S. 221; Hofmann, S. 103; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/ Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 39; Möx, S. 107; Scheerbarth/Höffken, § 18 III (S. 485); im Ergebnis ebenso: Maiwald, in: Schütz, § 84 LBG NW Rn. 57. 146 VG Braunschweig, Urt. v. 30.04.1964, ZBR 1965, 158 (159), das zudem auf den Gleichbehandlungsgrundsatz abstellt. 147 OVG Münster, Urt. v. 12.02.1990, ZBR 1991, 123; OVG Münster, Urt. v. 14.11.1991, NWVB1. 1992, 175 f. 148 Simianer, S. 47, und ihm folgend Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 332, sehen in der Judikatur des OVG Münster allerdings eine Ausnahmerechtsprechung, die sich bislang nicht durchgesetzt habe. 144
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
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Bestehe eine Gesamtschuldnerschaft aus einem öffentlich-rechtlichen Überund Unterordnungsverhältnis, trete an die Stelle der Worte „nach seinem Belieben" in § 421 BGB sinngemäß die Wendung „nach seinem Ermessen" 1 4 9 . Dies müsse erst recht gelten, wenn mehrere Beamte ihrem Dienstherrn als Gesamtschuldner hafteten. Denn Beamter und Dienstherr stünden sich nicht einfach als Schuldner und Gläubiger gegenüber. Auch soweit es um die Heranziehung zum Schadensersatz gehe, werde ihr Verhältnis durch die wechselseitigen Pflichten zur Treue und Fürsorge geprägt 150 . Daher habe der Dienstherr zunächst die Verantwortlichkeit aller in Betracht kommenden Beschäftigten soweit wie möglich aufzuklären, um dann seinen Schadensersatzanspruch anteilig nach Art und Maß des Verursachungsbeitrages und des Verschuldens bei den Gesamtschuldnern einzuziehen 151 . Diese eingeschränkte Handhabung der gesamtschuldnerischen Haftung im Beamtenrecht dürfte auch der heute gängigen Verwaltungspraxis entsprechen 1 5 2 . Ungelöst bleibt allerdings, wie weit der Einfluß der Fürsorgepflicht auf die Entscheidung über die Heranziehung mehrerer haftender Beamter konkret reicht und wer letztlich das Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung trägt. aa) Zuordnung des Ausfallrisikos zu Lasten der verantwortlichen Beamten Nach einer Reihe von Autoren läßt der Einfluß der Fürsorgepflicht den Grundsatz des § 421 BGB, daß mehrere verantwortliche Beamte dem Dienstherrn nicht anteilig, sondern jeder für sich in voller Schadenshöhe haften, unberührt 153 . Nur sofern das Ausmaß der Beteiligung an der Schadensverursachung und die Verantwortlichkeit zu übersehen sein, müsse der Dienstherr seinen Schadensersatzanspruch anteilig bei den Gesamtschuldnern einziehen 154 . Für den Fall, daß eine Inanspruchnahme eines Mitschädigers ausgeschlossen sei oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspreche, gehe das Ausfallrisiko nicht zu Lasten des Dienstherrn, sondern zu Lasten der Mitschädiger 155 .
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OVG Münster, Urt. v. 12.12.1988, NJW 1989, 2561 (2562) für mehrere Ersatzpflichtige nach §§ 47 a BAföG, 421 ff. BGB. 150 OVG Münster, Urt. v. 12.02.1990, ZBR 1991, 123 (123); OVG Münster, Urt. v. 14.11.1991, NWVB1. 1992, 175 (176). 151 OVG Münster, Urt. v. 12.02.1990, ZBR 1991, 123 (123). 152 So Hofmann, S. 103. 153 Hofmann, S. 103; Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 38 f.; Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 39; Pentz, S. 100. 154 Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 39. 155 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 39.
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
bb) Gegenposition in der Literatur Vereinzelt wird demgegenüber der Standpunkt vertreten, die Rechtsfolge des § 421 BGB sei mit Blick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn derart eingeschränkt, daß jener die Mitschädiger in jedem Fall nur anteilig nach dem Grad ihres jeweiligen Verschuldens in Höhe des letztlich auf sie entfallenden Teilbetrages in Anspruch nehmen dürfe 1 5 6 . Nur so sei sichergestellt, daß nicht etwa ein „Mitläufer" anstelle eines möglicherweise vermögenslosen „Haupttäters" in Anspruch genommen würde. Das Risiko der Vermögenslosigkeit eines Schädigers sei somit allein vom Dienstherrn zu tragen. Ein interner Ausgleich zwischen den Schadensverursachern gemäß § 426 BGB werde damit überflüssig 157 . c) Meinungsdiskussion
und Stellungnahme
aa) Gefährdung der Ratio des Haftungsprivilegs durch die gesetzliche Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung Einen eigenständigen Begriff der Gesamtschuld im öffentlichen Recht gibt es bisher nicht 1 5 8 . Zu Recht wird daher in der Gesetzeswendung „als Gesamtschuldner" eine Verweisung auf die §§421 ff. BGB gesehen. Die zivilrechtliche Begriffsbestimmung ist indes nicht wörtlich in das öffentliche Recht zu übernehmen. Die Grundsätze des öffentlichen Rechts beeinflussen und durchdringen das privatrechtliche Normverständnis. Die abweichende Auffassung von Meyer, wonach die Anordnung der Gesamtschuld durch §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG im Hinblick auf die Fürsorgepflicht spezieller und daher abschließend sei, verkennt, daß die Regelung über die gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit mehrerer Beamter aus einer Zeit herrührt, zu welcher der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen seinen Beamten noch als privatrechtlich angesehen wurde und seine Rechtsgrundlage in denselben Vorschriften hatte wie die Haftung des Beamten nach außen gegenüber dem Bürger 1 5 9 . Nur dort war sie gerechtfertigt, weil letzterer auf die Sicherung seiner Ansprüche angewiesen war, wenn und soweit ihm nicht gleichzeitig ein leistungfähiger Schuldner in Gestalt des Staates zur Verfügung stand. Im beamtenrechtlichen Innen Verhältnis, wo sie erstmals durch Art. 13 Abs. 2 BayBG (1908) 156
Battis , § 78 BBG Rn. 8; Möx, S. 107. Möx, S. 107. 158 Hofmann, S. 103. 159 Vor allem im gemeinen Recht; später in Preußen in den I 6 §§ 29 ff. ALR: Haftung „einer für alle und alle für einen"; in Sachsen in § 1020 BGB f.d.K. Sachsen; unten 1. Kapitel Α. I. und II. 157
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
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und später durch § 23 Abs. 1, 2. Halbssatz DBG festgeschrieben wurde, fehlt der Anordnung der Gesamtschuld eine solche Rechtfertigung. Hier ist sie, worauf Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl richtig hinweisen, ein Relikt „aus einer Zeit überzogener Pflichtenbetonung". Denn der Dienstherr des Beamten ist wirtschaftlich nicht um jeden Preis auf den Ersatz des ihm entstandenen Schadens angewiesen 160 . Sinn und Zweck der Anordnung einer gesamtschuldnersichen Verantwortlichkeit mehrerer Beamter stehen heute angesichts der verhältnismäßig geringen wirtschaftlichen Bedeutung der Haftungsansprüche sowie der ausgeprägten Fürsorgedogmatik in Frage. Es scheint - im Gegenteil - , daß durch die Anordnung einer Gesamtschuld in §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG und die mit dieser Anordnung gebilligte Möglichkeit von Rechtsstreitigkeiten der Beamten untereinander auf der Grundlage des § 426 BGB der den Tatbeständen der §§ 78 BBG, 46 BRRG zugrundeliegende angemessene Interessenausgleich sowie der Zweck der Haftungsprivilegierung, die Tatkraft des Beamten zu fördern, gefährdet wird. Daraus folgt, daß der Dienstherr im Rahmen der §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG i.V.m. § 421 BGB nicht „nach seinem Belieben" entscheiden kann, sondern eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Dabei engt die Verpflichtung zur Fürsorge des Dienstherrn dessen Ermessen weitreichend ein. Die Fürsorgepflicht ist in der Lage, unter mehreren an sich ermessensrichtigen Entscheidungen des Dienstherrn einzelne als fürsorgewidrig auszuscheiden 161 . So ist die persönliche Leistungsfähigkeit des Schuldners im öffentlichen Recht zwar grundsätzlich ein in die Ermessenserwägung einzubeziehender Gesichtspunkt 162 . Bei der Geltendmachung des Anspruchs durch den Dienstherrn wird die vorrangige Berücksichtigung dieses Aspektes aber regelmäßg zu einem Ermessensfehlgebrauch und damit zur Rechtswidrigkeit der Heranziehung des Beamten zum Schadensersatz führen 1 6 3 . Denn die Fürsorgepflicht gebietet es dem Dienstherrn, seine Ermessensentscheidung primär auf solche Gesichtspunkte zu stützen, die für das Innenverhältnis zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern von Bedeutung sind, also vornehmlich auf den Verursachungs- und Verschuldensanteil an der Schädigung, weil nur so Rechtsstreitigkeiten der Beamten untereinander vermieden werden können. Bei der gesamtschuldnersichen Haftung mehrerer Beamter ist der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gemäß §§78 BBG, 46 BRRG daher im Regelfall von vornherein um den Mitverantwortungsanteil der übrigen 160
Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 21b). Vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 79 BBG Rn. 6 a). 162 BVerwG, Urt. v. 29.09.1982, NVwZ 1983, 222 (223); OVG Münster, Urt. v. 12.12.1988, NJW 1989, 2561 (2562). 163 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.11.1991, NWVB1. 1992, 175 (176). 161
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
Schädiger gekürzt. Nur diese Lösung entspricht zudem der hier favorisierten Behandlung „gestörter Gesamtschuldverhältnisse", bei welchen ebenfalls eine Anspruchskürzung von Amts wegen stattfindet. bb) Beachtung der Grenzen des Wortlauts Es verbleibt somit zu klären, ob man der im Schrifttum geäußerten Überzeugung wird folgen können, wonach im Ergebnis jeder Beamte stets nur für den auf ihn entfallenden Teilbetrag, der seinem Verursachungs- und Verschuldensansteil im Innenverhältnis entspricht, in Anspruch genommen werden kann, auch wenn der Dienstherr mit dem restlichen Betrag ausfallen sollte. Für diese Auffassung spricht, daß sie der Fürsorgepflicht des Dienstherrn optimal zur Geltung verhilft. Der Dienstherr kann den Beamten danach nur soweit in Anspruch nehmen, als dessen Verantwortung für den eingetretenen Schaden tatsächlich reicht. Dadurch wird gleichzeitig eine Störung des innerbetrieblichen Friedens durch die Geltendmachung gesamtschuldnerischer Ausgleichsansprüche der Beamten untereinander verhindert. Dennoch wird man ihr im Ergebnis nicht zustimmen können. Nach § 421 Satz 1 BGB ist jeder Gesamtschuldner grundsätzlich verpflichtet, die ganze Leistung zu bewirken. Der Gläubiger ist berechtigt, diese Leistung von jedem Schuldner ganz zu fordern. Bei der Übertragung dieses Rechtsinstituts in das Beamtenrecht mögen dessen besondere Auslegungsgrundsätze zur Konkretisierung herangezogen werden können und müssen. Ursprung und Grenzen der Auslegung werden jedoch weiterhin durch den Wörtlaut der Norm bestimmt. Die Verpflichtung des Dienstherrn zur anteiligen Geltendmachung seiner Ersatzforderung nach Verursachungs- und Verschuldensanteilen sowie die Zuordnung des Risikos der Uneinbringlichkeit der Forderung zur Sphäre des Dienstherrn stellt im Ergebnis keine Gesamtschuldnerschaft mehr dar, sondern ist eine Teilschuldnerschaft im Sinne von § 420 BGB. Ordnet das Gesetz aber ausdrücklich eine Gesamtschuld an, kann die Auslegung nicht zu einer Teilschuld führen, ohne dabei die Grenzen des Wortlauts zu verletzen. Die vom Bundesverwaltungsgericht gelegentlich geäußerte Ansicht, bei der Auslegung beamtenrechtlicher Vorschriften könne die Fürsorgepflicht ausnahmsweise sogar zu einer Auslegung gegen den Wörtlaut der Norm führen 1 6 4 , muß extremen Fallgestaltungen vorbehalten bleiben und sollte nicht überstrapaziert werden. Die Anerkennung einer Teilschuld mehrerer schadensverursachender Beamter, mag sie auch rechtspolitisch wünschenswert sein, ist Sache des Gesetzgebers.
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BVerwG, Urt. v. 09.02.1972, ZBR 1972, 210.
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
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3. Zusammenfassung Bei der Heranziehung mehrerer gesamtschuldnerisch haftender Beamter im Sinne der §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG ist der Dienstherr nach heutigem Rechtsverständnis grundsätzlich gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den Verursachungs- und Verschuldensanteil jedes einzelnen an der Schädigung beteiligten Beamten aufzuklären und die Ersatzforderung zwischen den Verantwortlichen entsprechend aufzuteilen. Der Anspruch gegen den Beamten ist folglich von Amts wegen um den Teil der Mitverantwortlichkeit eines oder mehrerer anderer Verantwortlicher zu kürzen. Hier - aber auch nur hier - gewinnt die Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch auf der Rechtsfolgenseite eine eigenständige Bedeutung, da der Dienstherr im Rahmen der §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG, abweichend vom Normalfall der Schädigung durch nur einen Beamten, eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, die maßgeblich durch dessen Verpflichtung zur Treue und Fürsorge gegenüber dem Beamten bestimmt wird. Diese Entscheidung unterliegt in den Grenzen des § 114 VwGO der gerichtlichen Kontrolle. Läßt die Heranziehung erkennen, daß der Dienstherr sein Auswahlermessen nicht betätigt hat, ist ein darauf beruhender Leistungsbescheid wegen Nichtgebrauchs des Ermessens rechtswidrig, eine hierauf gestützte Leistungsklage ist unbegründet. Weicht der Dienstherr bei der Aufteilung der Ersatzforderung von den bestehenden Verantwortungsanteilen ab, so liegt ein Ermessensfehlgebrauch nahe. Ausnahmsweise ist es jedoch möglich, daß eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung zur Heranziehung nur eines Gesamtschuldners oder eines Gesamtschuldners über seinen Verantwortungs- und Verschuldensanteil hinaus ermessensgerecht ist, vor allem dann, wenn der Dienstherr sonst mit der Schadensersatzforderung ausfallen würde.
II. Der Einwand mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn analog § 254 BGB 1. Der Begriff des Mitverschuldens Nach dem zivilrechtlichen Grundsatz des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB ist die Ersatzpflicht des Schädigers beschränkt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat (Absatz 1) oder der Geschädigte es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden bzw. zu mindern (Absatz 2). Der Begriff des Verschuldens in § 254 BGB meint ein Verschulden im weiteren, untechnischen Sinne 1 6 5 , 165
Fikentscher,
Rn. 570.
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4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
also - abweichend vom sonstigen Verständnis - den vorwerfbaren Verstoß gegen Gebote des eigenen Interesses 166 . Nach § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB, der sich trotz seiner systematischen Stellung auf die Absätze 1 und 2 bezieht 1 6 7 , i.V.m. § 278 BGB muß sich der Gläubiger darüber hinaus das Verschulden dritter Personen zurechnen lassen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner bedient 1 6 8 . Liegt einer dieser Fälle vor, so ist der Schaden zwischen beiden Seiten nach dem jeweiligen Verantwortungsanteil, insbesondere dem Grad der beiderseitigen Verursachung, aufzuteilen. Dies kann in besonderen Fällen auch dazu führen, daß eine Ersatzpflicht des Schädigers wegen überwiegender Verantwortlichkeit des Geschädigten ganz entfällt 1 6 9 . § 254 BGB beruht auf dem Gedanken, daß derjenige, der die nötige Sorgfalt außer acht läßt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder zumindest die Kürzung seines Ersatzanspruches hinnehmen muß 1 7 0 . Die Vorschrift ist daher ihrer Natur nach eine spezielle Ausprägung des übergeordneten Grundsatzes von Treu und Glauben: Wer den vollen Schadensersatz trotz eigener Mitverantwortung fordert, verstößt gleichsam gegen das Verbot des „venire contra factum proprium" 1 7 1 . 2. Anwendbarkeit des Mitverschuldensgedankens bei der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn Damit enthält der Mitverschuldensgedanke des § 254 BGB im Kern einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der generell auch im öffentlichen Recht Anwendung findet 1 7 2 . Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Beamtenrecht der Einwand des mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn gerechtfertigt sein kann, bisher nicht abschließend entschieden, hält aber dessen Berücksichtigung nicht für aus-
166
Heinrichs, in: Panlandt § 254 BGB Rn. 1. St. Rspr. seit RG, Urt. v. 28.11.1905, RGZ 62, 106 (107); Fikentscher, Rn. 569; Heinrichs, in: Palandt § 254 BGB Rn. 60. 168 Nach herrschender Meinung Rechtsgrundverweisung: BGH, Urt. v. 08.03. 1951, BGHZ 1, 248 (249); Heinrichs, in: Palandt, § 254 BGB Rn. 60. 169 Heinrichs, in: Palandt, § 254 BGB Rn. 52; Simianer, S. 47. 170 RG, Urt. v. 17.09.1920, RGZ 100, 42 (44); BGH, Urt. v. 03.07.1951; BGHZ 3, 46 (49); Heinrichs, in: Palandt, § 254 BGB Rn. 1. 171 BGH, Urt. v. 14.03.1961, BGHZ 34, 355 (363); Heinrichs, in: Palandt, § 254 BGB Rn. 2. 172 Heinrichs, in: Palandt, § 254 BGB Rn. 7; Hilg, § 31 II 2 (S. 369); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 49; Möx, S. 107; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 37; Simianer, S. 47; Woljf/Bachof/Stober, § 115 III, Rn. 19. 167
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
273
geschlossen 173 . Zwei Fallgruppen des Mitverschuldens des Dienstherrn sind hier voneinander zu trennen 174 : a) Haftungsminderung wegen Organisationsverschuldens des Dienstherrn Die erste Fallgruppe betrifft eine dem Dienstherrn unmittelbar zuzuweisende Mitverantwortung in Form eines sogenannten Organisationsverschuldens. Ein solches liegt vor, wenn für den Schaden ein Umstand mitursächlich geworden ist, der nicht auf das schuldhafte Verhalten eines oder mehrerer Beamter im konkreten Einzelfall zurückzuführen ist, sondern darauf, daß sich der Dienstherr einen Mangel in der Organisation der Verwaltung als haftungsmindernd anrechnen lassen muß. Ein Organisations verschulden ist danach anzunehmen, wenn der Dienstherr nur unzureichende organisatorische Einrichtungen zur Schadensverhütung geschaffen hat oder aber Vorkehrungen nicht trifft, die bei sinnvoller Organisation nahegelegen hätten und deshalb die Schadenshöhe maßgeblich beeinflußt haben 1 7 5 . Liegt folglich ein Verschulden des Dienstherrn darin, daß fehlerhafte generelle Anordnungen getroffen wurden, allgemeine Überwachungsmaßnahmen unterblieben oder falsche Personaleinsätze durchgeführt wurden, muß der Dienstherr sich dieses Verschulden als eigenes zurechnen lassen 176 . So hat der Dienstherr etwa Fragebögen über Umstände und Verhältnisse, welche seine Beamten betreffen, so zu gestalten, daß die Fragen keine Mißverständnisse aufkommen lassen und sie den beantwortenden Beamten nicht in unnötige Zwangslagen bringen 1 7 7 . Mit Recht weisen Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl allerdings darauf hin, daß trotz grundsätzlicher Anerkennung der Möglichkeit eines Organisationsverschuldens der Verwaltung bei der Annahme einer hieraus resultierenden Haftungsminderung in der Praxis Zurückhaltung geboten ist. Der Beamte hat nämlich kein Recht auf bestimmte Vorkehrungen zu seinen Gunsten. Vielmehr hat der Dienstherr bei dem notwendig sparsamen Umgang mit Ressourcen einen weiten organisatorischen Freiraum 178 . 173
BVerwG, Urt. v. 23.10.1969, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 12, 2 (12); BVerwG, Urt. v. 29.08.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 23, 20 (24). 174 Vgl. jeweils den Urteilsaufbau bei: OVG Münster, Urt. v. 10.05.1973, ZBR 1975, 54 (57) und OVG Münster, Urt. v. 10.02.2000, NWVB1. 2000, 343 (345); Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn.46. 175 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 16 b). 176 Hildebrandt/Demmler/Bachmann, § 84 LBG NW Anm. 2. 4. 177 VGH Mannheim, Urt. v. 11.07.1972, ZBR 1972, 344 (345). 178 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 16 b): Stichwort „schlanker Staat". 18 Beckmann
274
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
b) Mitverschulden
anderer Beamter bei der Schadensentstehung
Problematisch ist allein die zweite Fallgruppe. Sie betrifft Sachverhalte, in denen der Mitverschuldensgedanke in ein Spannungsverhältnis zu der gesetzlichen Regelung aus §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG i.V.m. § 421 BGB tritt, weil sich der Beamte darauf beruft, ein weiterer Beamter habe den Schaden schuldhaft mitverursacht. aa) Grundsatz der Nichtberücksichtigung des Mitverschuldens Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1969 1 7 9 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts 180 entschieden, daß ein Verschulden anderer Beamter den Schädiger nicht von seiner Verantwortung befreien könne, wenn und soweit diese dem Dienstherrn als Gesamtschuldner hafteten. Denn der Zweck der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter, der öffentlichen Hand eine Sicherung ihrer Ersatzansprüche zu gewährleisten, würde nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in sein Gegenteil verkehrt, wenn der in Anspruch genommene Beamte dem Dienstherrn das zur Mithaftung führende Verschulden anderer Beamter als dessen eigenes Mitverschulden gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 Satz 1 BGB entgegenhalten könnte. Der Staat wäre dann deshalb, weil er durch das Verschulden mehrerer Beamter geschädigt worden ist, schlechter gestellt als bei schuldhafter Schadenszufügung durch nur einen Beamten 181 . Es ist daher heute allgemeine Rechtsauffassung, daß dem Beamten die Berufung auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB mit der Begründung, an der Entstehung des Schadens 182 habe ein Mitverschulden anderer Beamter mitgewirkt, regelmäßig verwehrt i s t 1 8 3 . bb) Ausnahmerechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren jedoch bereits Hinweise auf eine mögliche Ausnahme vom Grundsatz der Unanwendbarkeit des 179
BVerwG, Urt. v. 23.10.1969, Buchholz 232 § 78 Nr. 12, 1 (11). RG, Urt. v. 13.05.1919, RGZ 95, 344 (347); RG, Urt. 28.02.1936, JW 1936, 2213 (2213). 181 BVerwG, Urt. v. 23.10.1969, Buchholz 232 § 78 Nr. 12, 1 (11); zustimmend OVG Münster, Urt. v. 10.05.1973, ZBR 1975, 54 (57). 182 „In erster Linie"; gleiches gilt jedoch auch für ein Mitverschulden bei der Schadensausbreitung; BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, ZBR 1979, 246 (247). 183 Battis , § 78 BBG Rn. 10; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 49; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 37. 180
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
275
Rechtsgdankens des § 254 BGB bei einer Schadensverursachung durch mehrere Beamte zu entnehmen. So hatte das Gericht im Urteil vom 13. Mai 1919 seine Entscheidung damit begründet, daß selbst „wenn man auch grundsätzlich die entsprechende Anwendung (der §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB) auf das Verhältnis zwischen dem Staate und seinem Beamten zulassen wollte, (die Voraussetzungen) nicht gegeben sein", weil die vorgesetzten Beamten „auch bei der Auswahl und der Beaufsichtigung der ihnen unterstellten Beamten in Erfüllung ihrer Pflicht gegenüber dem Staate, nicht gegenüber den Mitbeamten" gehandelt hätten 1 8 4 . Daran anknüpfend hat der Zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Möglichkeit erwogen, den Einwand mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn ausnahmsweise zuzulassen, wenn ein Beamter einen Schaden dadurch schuldhaft mitverursache, daß er eine Dienstpflicht vernachlässige, zu welcher er namens des Dienstherrn gerade gegenüber dem in erster Linie für den Schaden verantwortlichen Beamten, zum Beispiel auf Grund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht, verpflichtet sei 1 8 5 . Liege die Mitverursachung des Dienstherrn in einer pflichtwidrigen und schuldhaften Handlung, Duldung oder Unterlassung eines Beamten, dessen er sich im Sinne von § 278 BGB gerade zur Erfüllung seiner Pflichten dem schädigenden Beamten gegenüber bediene, so müsse sich der Dienstherr das Fehlverhalten aus dem Rechtsgedanken eines „Verschuldens gegen sich selbst" nach §§ 254 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2, 278 Satz 1 BGB analog zurechnen lassen. Diesen Standpunkt hat das Bundesverwaltungsgericht seither mehrfach bekräftigt 186 . Das Schrifttum ist der Rechtsprechung auch insoweit gefolgt 1 8 7 . Danach ist ein haftungsrelevantes, dem Dienstherrn zuzurechnendes Mitverschulden, ungeachtet der gesamtschuldnerischen Verantwortung, zum Beispiel anzunehmen, wenn Vorgesetzte den Beamten trotz Gegenvorstellung mit Arbeit überbürden und von ihm Leistungen verlangen, deren pflichtgemäße Ausführung seine körperliche oder geistige Arbeitskraft übersteigt 188 .
184
RG, Urt. v. 13.05.1919, RGZ 95, 344 (347). BVerwG, Urt. v. 23.10.1969, Buchholz 232 § 78 Nr. 12, 1 (11). 186 BVerwG, Urt. v. 29.01.1976, Buchholz 232 §78 BBB Nr. 21, 2 (6 f.); BVerwG, Urt. v. 29.08.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 23, 20 (24); BVerwG, Urt. v. 12.10.1978, ZBR 1979, 246 (247); zustimmend: VGH Kassel Urt. v. 02.11. 1988, Schütz ES/B II 2 Nr. 18, 60 (61). 187 Battis , RdA 1986, S. 221; Maiwald, in: Schütz, § 84 LBG NW Rn. 52; Meyer, S. 64. 188 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer § 78 BBG Rn. 49. 185
18*
276
4. Kap.: Einschränkungen der Schadensersatzpflicht
3. Verhältnis von gesamtschuldnerischer Haftung zum Mitverschulden des Dienstherrn bei Handeln mehrerer Beamter nach hiesigem Rechtsverständnis a) Überflüssigkeit
der Abgrenzung im Regelfall
Sowohl die Rechtsprechung des Reichsgerichts als auch diejenige des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis von gesamtschuldnerischer Haftung und Mitverschulden basierten auf dem tradierten Verständnis der Gesamtschuldanordnung, wonach der Dienstherr „nach seinem Belieben" einen der schadensverursachenden Beamten zum Ersatz heranziehen konnte. Geht man aber mit der hier für richtig gehaltenen Auffassung davon aus, daß der Dienstherr auch bei gesamtschuldnerischer Haftung im Sinne der §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG den Verursachungs- und Verschuldensanteil eines jeden Beamten zu berücksichtigen hat und im Regelfall sein Ermessen bei der Heranziehung entsprechend betätigen muß, so kommt dem Problem der Abgrenzung von Gesamtschuld und Mitverschulden im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn künftig kaum noch eine Bedeutung zu. Denn genügt der Dienstherr den Anforderungen, die die Fürsorgepflicht an eine pflichtgemäße Aufteilung des Schadens stellt, und nimmt er die Beamten nur anteilig in Anspruch, so ist der Ersatzanspruch von vornherein um den Anteil der Mitverursachung des oder der anderen verantwortlichen Beamten gekürzt 1 8 9 . Anders gewendet, ist die Berufung auf ein Mitverschulden anderer Beamter dem in erster Linie verantwortlichen Beamten heute nicht mehr regelmäßig verwehrt, die Rechtsfolge der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beamter mit derjenigen der Berufung auf ein dem Dienstherrn zurechenbares Mitverschulden im Normalfall vielmehr identisch. b) Bedürfnis für eine sachgerechte Abgrenzung nur in seltenen Fällen Ein Bedürfnis nach einer sachgerechten Abgrenzung von Gesamtschuld und Mitverschulden kann sich nach der hier vertretenen Ansicht nur noch dann ergeben, wenn der Dienstherr einen der verantwortlichen Bediensteten ermessensfehlerfrei von der Haftung ausnimmt und den Schaden von dem oder den anderen beteiligten Beamten ersetzt verlangt. In diesem Ausnahmefall kommt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum zurechenbaren Mitverschulden des Dienstherrn auch weiterhin zum Tragen: Der allein haftende Beamte kann sich auf ein Mitverschulden des Dienstherrn analog §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB nur dann berufen, wenn der 189
Dies erkennt richtig: Möx, S. 107 f.
Β. Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beamter
277
nicht in Anspruch genommene Mitschädiger eine Dienstpflicht verletzt hat, zu welcher er namens des Dienstherrn gerade gegenüber dem in Anspruch genommenen verpflichtet gewesen ist. Wies die Dienstpflicht des von der Haftung freigestellten Beamten hingegen keinerlei Bezug zu dessen Tätigkeit auf, so handelt es sich nicht um ein zurechenbares Mitverschulden des Dienstherrn, sondern um einen Fall der gesamtschuldnerischen Verantwortlichkeit nach §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG. I I I . Ergebnis Der Schadensersatzanspruch aus §§78 BBG, 46 BRRG kann aufgrund eines Mitverschuldens des Dienstherrn zu kürzen sein, möglicherweise sogar ganz entfallen. Ein dem Dienstherrn anzulastendes Mitverschulden ist insbesondere anzunehmen, wenn er Vorkehrungen unterläßt oder Maßnahmen nicht trifft, die bei sorgfältiger Verwaltungsorganisation zum Schutze der öffentlichen Hand vor Schäden an deren Vermögen erforderlich gewesen wären. Ein Mitverschulden des Dienstherrn liegt jedoch auch dann vor, wenn ein anderer Beamter den Schaden mitverursacht hat, dessen Verhalten sich der Dienstherr als eigenes zurechnen lassen muß. Dieser Fall ist - entgegen der insoweit herrschenden Meinung - regelmäßig nicht beschränkt auf Sachverhalte, bei denen ein anderer Beamter den Schaden dadurch mitverursacht, daß er eine Dienstpflicht verletzt, zu deren Erfüllung er namens des Dienstherrn gerade gegenüber dem primär verantwortlichen Beamten verpflichtet ist. Vielmehr ist dem Dienstherrn grundsätzlich jede Pflichtverletzung seiner Beamten im Verhältnis zu den anderen Schädigern als eigene zuzurechnen. Denn die Berufung auf ein Mitverschulden anderer Beamter tritt nach hiesigem Rechtsverständnis nicht in ein Spannungsverhältnis zur Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung durch §§78 Abs. 1 Satz 2 BBG, 46 Abs. 1 Satz 2 BRRG, weil der Dienstherr auch im Rahmen der Gesamtschuld die schadensstiftenden Beamten aus Gründen der Fürsorge grundsätzlich nach deren Verantwortungs- bzw. Verschuldensanteilen in Anspruch nehmen muß.
5. Kapitel
Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs in der Praxis A. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs Für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen den Beamten stehen dem Dienstherrn nach heute herrschender Meinung drei Möglichkeiten 1 zur Wahl: Die Erhebung einer Leistungsklage (I.), der Erlaß eines Leistungsbescheides (II.) sowie die Aufrechung gegenüber dem Anspruch des Beamten auf Zahlung seiner Bezüge (III.).
I. Die Geltendmachung durch Leistungsklage Mit der Erhebung der allgemeinen Leistungsklage zur Durchsetzung des Anspruchs aus §§78 BBG, 46 BRRG begibt sich der Dienstherr auf die Ebene der Gleichordnung mit dem Beamten. Der dabei vom Dienstherrn zu beschreitende Rechtsweg ist gespalten: Während gemäß Art. 34 Satz 3 GG ausnahmsweise die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind 2 (1.), ist nach §§172 BBG, 126 BRRG für Klagen des Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis in allen anderen Fällen grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben (2.). Dies kann in bestimmten Fällen zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen (3.). 1. Klage vor den Zivilgerichten nach Art. 34 Satz 3 GG, § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO beim Amtshaftungsregreß Hinsichtlich des Rechtsweges für den Regreßanspruch des Dienstherrn wegen einer von dem Beamten begangenen Amtspflichtverletzung im Sinne von § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ist Art. 34 Satz 3 GG zu beachten. Danach darf für den Rückgriff gegen den Beamten wegen einer mittelbaren Schädigung seines Dienstherrn in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. 1 2
Vgl. statt aller: Ossenbühl, 2. Teil VIII (S. 120). Oben 1. Kapitel Β. I.
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
279
Das Prozeßrecht verlangt somit bei mittelbarer Schädigung des Dienstherrn noch immer die teilweise mit erheblichen Schwierigkeiten verbundene Prüfung, ob der Beamte zum Zeitpunkt der Schädigung mit hoheitlichen oder mit fiskalischen bzw. verwaltungsprivatrechtlichen Aufgaben betraut war 3 . Art. 34 Satz 3 GG bedeutet nicht die Eröffnung eines alternativen Rechtsweges, sondern beinhaltet eine Verweisung zur ausschließlichen Zuständigkeit der Zivilgerichte 4 . Wie sich aus der Negativfassung des Gesetzes („darf ... nicht ausgeschlossen werden") ergibt, eröffnet Art. 34 Satz 3 GG zwar nicht selbst den Zivilrechtsweg, verbietet es aber zwingend, für den Rückgriff des Dienstherrn gegen den Beamten einen anderen Rechtsweg vorzusehen 5. In Ausfüllung dieses Gesetzgebungsauftrags bestimmt § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO, daß für alle Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlichrechtlichen Vertrag beruhen, der ordentliche Gerichtsweg gegeben ist. Hierunter wird man auch den Rückgriffsanspruch des Dienstherrn gemäß Art. 34 Satz 2 GG i.V.m. §§ 78 BBG, 46 BRRG zu subsumieren haben6. Nach § 71 Abs. 2 Nummer 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind insoweit in erster Instanz die Landgerichte ausschließlich und streitwertunabhängig zuständig. Dadurch besteht für den Beamten in jedem Fall die Verpflichtung, sich anwaltlich vertreten zu lassen (§ 78 Abs. 1 ZPO). Durch die Rechtswegzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG, § 40 Abs. 2 VwGO wird die Auseinandersetzung zwischen Dienstherrn und Beamten nicht zu einer bürgerlichen Rechtstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG. Der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn bleibt vielmehr öffentlich-rechtlicher Natur. Rechtstechnisch handelt es sich um eine zivilgerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Anspruch kraft besonderer gesetzlicher Zuweisung, die sich nicht mehr in das heutige System umfassenden Verwaltungsrechtsschutzes einfügt 7 . Sie zu beseitigen, war Gegenstand sämtlicher Entwürfe eines Staatshaftungsgesetzes 8. Die nur noch historisch erklärbare Rechtswegbindung zugunsten der ordentlichen Gerichtsbarkeit für auf Geld gerichtete Schadensersatzansprüche sollte einer
3
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 3. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 29 a). 5 Bryde, in: von Münch, Art. 34 GG Rn. 40; Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG Rn. 356 ff.; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 34 GG Rn. 40 f. 6 Wie hier: Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 75; Die herrschende Meinung sieht dagegen in Art. 34 Satz 3 GG offenbar eine ausdrückliche Sonderzuweisung i.S.v. § 40 Abs. 1 VwGO; vgl. BGH, Urt. v. 26.09.1985, BGHZ 96, 50 (51); Battis, § 78 BBG Rn. 16; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 65. 7 Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 77; Hofmann, S. 104. 8 Dazu Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 18 StHG Rn. 1 ff. 4
280
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
allgemeinen Rechtsweggewährleistung weichen 9 . Eine diesbezügliche Verfassungsänderung war aber bereits im Gesetzgebungsverfahren der achten und neunten Legislaturperiode nicht zu erreichen gewesen 10 . Sie wurde daher vorzeitig aufgegeben 11. Nach Scheitern des Staatshaftungsgesetzes insgesamt gehört die Änderung des Art. 34 Satz 3 GG heute weiterhin zur Agenda der Reform des Staatshaftungsrechts 12. Auch aus der Sicht des öffentlichen Dienstrechts wäre eine Streichung des Art. 34 Satz 3 GG zu begrüßen. Die Prüfung, ob der Beamte hoheitlich oder nichthoheitlich gehandelt hat, würde dann für die Frage seiner Innenhaftung endgültig der Vergangenheit angehören. 2. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs in allen anderen Fällen (§§ 172 BBG, 126 BRRG) In allen anderen Fällen, also bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn sowie bei dessen mittelbarer Schädigung anläßlich nichthoheitlicher Tätigkeit, ist gemäß § 172 BBG und § 126 Absätze 1 und 2 BRRG sowie den entsprechenden Normen der Landesbeamtengesetze der Verwaltungsrechtsweg eröffnet 13 . Dies ist durch § 40 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative VwGO ausdrücklich klargestellt 14 . 3. Die Problematik der „Rechtswegkonkurrenz" Die durch Art. 34 Satz 3 GG verursachte Zweispurigkeit des Rechtswegs kann mitunter zu schwer überschaubaren Überlagerungen führen, wenn ein geschädigter Dritter seinen Ersatzanspruch gegen den Dienstherrn sowohl auf eine Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG) als auch auf einen weiteren Rechtsgrund stützen kann. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn nicht ein außerhalb der Verwaltung stehender Dritter, sondern ein anderer Beamter geschädigt worden ist, der gegen den Dienstherrn einen Anspruch aufgrund der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften gemäß den §§ 30 ff. BeamtVG hat 1 5 . Nach herrschender Meinung schließt die Vorschrift des § 46 BeamtVG, die das Verhältnis der Unfallfür9
Bericht der Kommission zum Entwurf eines Staatshaftungsgesetzes vom Oktober 1973, S. 57 ff. 10 Oben 1. Kapitel Α. V. 5. b). 11 Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 18 StHG Rn. 1, 7; Durch § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StHG war jedoch die streitwertunabhängige erstinstanzliche Zuständigkeit der Landgerichte aufgehoben worden. 12 Bryde, in: von Münch, Art. 34 GG Rn. 40. 13 Statt aller: Battis , § 78 BBG Rn. 17. 14 BVerwG, Urt. v. 25.01.1968, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 8, 51 (56). 15 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 66.
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
281
sorge zu den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften regelt, einen daneben bestehenden Amtshaftungsanspruch des Geschädigten dem Grunde nach nicht aus, sondern begrenzt lediglich dessen Höhe 1 6 . Ansprüche nach den §§30 ff. BeamtVG und solche aus Amtshaftung bestehen daher nebeneinander. Eine ähnliche Situation liegt vor, wenn ein geschädigter Beamter neben dem Amtshaftungsanspruch einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorge durch den Dienstherrn geltend machen kann 1 7 . In diesen Fällen ist fraglich, auf welchem Rechtsweg der Dienstherr seinen Rückgriffsanspruch gegen den Schadensverursacher verfolgen muß, wenn er für den Schaden im Außenverhältnis aufgekommen ist. Grundlegend mit diesem Problem haben sich Bundesverwaltungsgericht 18 und Bundesgerichtshof 19 in zwei bereits länger zurückliegenden Entscheidungen auseinandergesetzt. Beide Gerichte haben mit unterschiedlichen Argumenten bei vergleichbarer Fallkonstellation jeweils ihre eigene Zuständigkeit bejaht: a) Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1962 zunächst klargestellt, daß der Dienstherr nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wie sie auch den §§ 262, 366 BGB zugrunde liegen, ein Wahlrecht habe, ob er den Amtshaftungsanspruch oder den beamtenrechtlichen Anspruch des Geschädigten erfüllen wolle. Der beamtenrechtliche Ersatzanspruch des Geschädigten werde nicht durch die in der Normenhierarchie höherstehende Vorschrift des Art. 34 GG verdrängt. Art. 34 GG sei kein „originärer Entschädigungsgrund", sondern leite die nach § 839 BGB grundsätzlich bestehende Eigenhaftung des Beamten auf den Staat über. Zwischen der haftungsbegründenden Norm des § 839 BGB und den beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeansprüchen bestehe somit kein Rangverhältnis im Sinne eines Vorrangs des Amtshaftungsrechts 20. Das Gericht stellte sich daher die Frage, ob der durch Art. 34 Satz 3 GG vorgeschriebene ordentliche Rechtsweg nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann eröffnet sein soll, wenn der Staat als öffentlich-rechtlicher Dienstherr dem geschädigten Beamten zwar ausdrücklich Leistungen auf16
Wilhelm/Finger, in: Fürst (GKÖD I O), § 46 BeamtVG Rn. 5; Brockhaus, in: Schütz, § 46 BeamtVG Rn. 13; so auch BVerwG, Urt. v. 20.09.1962, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 2, 5 (8 f.) für § 151 Abs. 2 BBG a.F. 17 Simianer, S. 37. 18 BVerwG, Urt. v. 20.09.1962, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 2. 19 BGH, Urt. v. 11.07.1963, NJW 1963, 2168. 20 BVerwG, Urt. v. 20.09.1962, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 2, 5 (9).
282
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
grund beamtenrechtlicher Vorschriften gewährt habe, jedoch - theoretisch auch aufgrund seiner Verpflichtung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG hätte leisten können. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis verneint. Das Gericht hielt es vielmehr für entscheidend, welchen Anspruch der Dienstherr nach seinem erklärten Willen habe erfüllen wollen: Lediglich, wenn er seiner Schadensersatzpflicht aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nachgekommen sei und dies entsprechend zum Ausdruck gebracht habe, sei für den Rückgriff der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Allein die Ansprüche aus Amtshaftungsrückgriff habe der Verfassungsgesetzgeber der Jurisdiktion der Verwaltungsgerichte entziehen wollen. Als Ausnahmevorschrift sei Art. 34 Satz 3 GG einer extensiven Auslegung nicht zugänglich 2 1 . b) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Grundlegend anders argumentiert der Bundesgerichtshof in einem Urteil von 1963: Bestehe neben den Ansprüchen aus den Beamtengesetzen auch ein Amtshaftungsanspruch des verletzten Beamten gegen den Dienstherrn dem Grunde nach, wenn auch der Höhe nach beschränkt und in seiner Durchsetzung „gehemmt", so erfülle der Dienstherr mit der Zahlung von Dienst- und Versorgungsbezügen sowie mit der Erbringung sonstiger Unfallfürsorgeleistungen an den Geschädigten stets zugleich auch die ihm daneben dem Grunde nach obliegende Schadensersatzpflicht aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 B G B 2 2 . Folgte man dem, so stünde es in Fällen der hier geschilderten Art im Ermessen des Dienstherrn, ob er den Verwaltungs- oder den Zivilrechtsweg wählt, wenn er beim Schädiger Regreß nimmt. c) Gegenüberstellung der Ansichten und Stellungnahme Eine höchstrichterliche Klärung der aufgezeigten Streitfrage ist aufgrund der inzwischen geänderten Gesetzeslage nicht mehr zu erwarten. Denn nach § 17 Abs. 5 GVG in der Form des Gesetzes vom 17.12.1990 23 prüft das Rechtsmittelgericht heute nicht mehr, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Zum selben Ergebnis gelangen beide Ansichten jedenfalls dann, wenn sich im nachhinein nicht mehr eindeutig feststellen läßt, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der Dienstherr seine Leistungen erbracht hat, was ausschließlich bei klagloser Ersatzleistung der Fall sein dürfte. Während hier 21 22 23
BVerwG, Urt. v. 20.09.1962, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 2, 5 (10). BGH, Urt. v. 11.07.1963, NJW 1963, 2168 (2169 f.). BGBl. I S. 2809.
Α. Die Form der Geltendmachung des S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s 2 8 3
nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Wahl des Rechtsweges in das Ermessen des Dienstherrn gestellt ist, weil dieser mit der Erbringung der Leistung an den geschädigten Dritten zugleich beamtenrechtliche Leistungen auf Unfallfürsorge erbracht sowie Schadensersatz geleistet hat, wird man im Sinne der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts in der Wahl des Rechtswegs beim Rückgriff des Dienstherrn gegen den Beamten zugleich die stillschweigende Erklärung erblicken müssen, die Ersatzleistung an den Geschädigten entsprechend vorgenommen zu haben 24 . Steht jedoch fest, daß der Dienstherr dem Dritten Leistungen aufgrund der beamtenrechtlichen Vorschriften erbracht hat, so divergieren die Rechtsansichten. Dies wird im Schrifttum nur selten deutlich. Zumeist wird ohne weiteres unterstellt, daß in diesen Fällen verfahrensrechtlich sowohl die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte als auch der Verwaltungsgerichte gegeben sei („Rechts wegkonkurrenz") 25 . Eine Rechtswegkonkurrenz ließe sich jedoch nur auf der Basis der Überzeugung des Bundesgerichtshofs bejahen. Dagegen besteht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zwar eine Anspruchs-, aber gerade keine Rechtswegkonkurrenz. Darin zeigt sich der wesentliche Unterschied beider Rechtsauffassungen: Das dem Dienstherrn vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumte Wahlrecht analog § 262 BGB bezieht sich nämlich ausschließlich darauf, welchen Anspruch des Geschädigten er befriedigen will. Hat der Dienstherr dieses Wahlrecht einmal ausgeübt, ist er später daran gebunden; der Rechtsweg beim Rückgriff gegen den schadensstiftenden Beamten ist präjudiziell. Zu folgen ist der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts 26. Die abweichende Ansicht des Bundesgerichtshofs, der Dienstherr leiste mit der Erbringung beamtenrechtlicher Fürsorge an den Dritten „zugleich" auch Schadensersatz, trifft im Regelfall nicht zu. Denn der Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG unterliegt anderen Voraussetzungen als die konkurrierenden beamtenrechtlichen Ansprüche. Er ist insbesondere verschuldensabhängig und macht daher die Prüfung des Sachverhalts unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten notwendig. Hat der Dienstherr ausdrücklich Unfallhilfe oder anderweitige beamtenrechtliche Fürsorge geleistet, so ist auch nicht erkennbar, warum ihm das Recht eingeräumt werden sollte, auf dem Zivilrechtsweg gegen den schadensverursachenden Beamten vorzugehen. Die Anerkennung einer Rechtswegkonkurrenz führt zu einer unnötigen zusätzlichen Komplikation bei der Rechtswegprüfung. 24
Vgl. Schenke, S. 131 (Fn. 129). Fürst/Strecker , Β III 3; Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 33; Lemhöfer, in: Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 66. 26 Im Ergebnis ebenso: Battis , RdA 1986, S. 221; Schenke, S. 131; Simianer, S. 37; Ule, § 46 BRRG Rn. 14; Wiese, 2. Teil, 3. Abschn. (S. 167). 25
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Zusammenfassend gilt: Bei der Schädigung eines anderen Beamten ist für den Rückgriff des Dienstherrn gegen den Schädiger der Zivilrechtsweg nur dann eröffnet, wenn der Dienstherr zu erkennen gegeben hat, daß er seiner Verpflichtung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nachkommen wollte. Dafür ist grundsätzlich eine Erklärung bei Erbringung der Leistung notwendig. Nur ausnahmsweise, wenn jedwede Erklärung über die Rechtsgrundlage der Leistung fehlt, konkurrieren Zivil- und Verwaltungsrechtsweg miteinander. Das Gericht entscheidet sodann über den Anspruch unter demjenigen rechtlichen Gesichtspunkt, welcher seine Zuständigkeit begründet 27 . Ist der Zivilrechtsweg eröffnet, so entscheidet das Landgericht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG außerdem über den rechtswegfremden Anspruch. Dem zuständigen Verwaltungsgericht ist es hingegen wegen der grundgesetzlichen Rechtswegzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG verwehrt, auch über den Anspruch aus Amtshaftungsrückgriff zu befinden (§17 Abs. 2 Satz 2 GVG) 2 8 . I I . Die Geltendmachung der Schadensersatzforderung durch Verwaltungsakt Rechtlich problematisch ist die Möglichkeit der Verwaltung, den Schadensersatzanspruch gegen den Beamten im Wege der Selbsttitulierung und -Vollstreckung durchzusetzen, also ihre Befugnis, einen Verwaltungsakt zu erlassen, „durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert wird" (vgl. § 3 Abs. 2 lit. a) VwVG; sogenannter Leistungsbescheid). Das Verständnis der mit zahlreichen rechtshistorischen Argumentationstopoi geführten Diskussion um die Zulässigkeit eines Leistungsbescheides zur Durchsetzung der Schadensersatzforderung des Dienstherrn macht zunächst einen Überblick über die diesbezügliche Rechtsentwicklung erforderlich, bevor im Anschluß daran auf die aktuelle Rechtslage eingegangen werden kann. 1. Grundzüge der rechtshistorischen Entwicklung a) Die Rechtslage in Preußen und im Deutschen Reich aa) Grundsatz der klageweisen Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs in Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Im Preußen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts konnte der Dienstherr seine Schadensersatzansprüche grundsätzlich nicht kraft eigenen Rechts realisieren 29 . Die Ermächtigung zur Festsetzung und Vollstreckung 27 28
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 66. Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 349.
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von Schadensersatzansprüchen war auf wenige sondergesetzlich geregelte Fälle der sogenannten „Exekution im Wege des disziplinarischen Verfahrens" beschränkt. Sie erlaubte es dem Dienstherrn, ausnahmsweise Disziplinarstrafen mit dem Ziel zu verhängen, eine Geldforderung zu erzwingen. Die Disziplinarexekution galt ursprünglich nur für Richter bzw. Justizbeamte und spielte bei der Verwaltungsbeamtenschaft nur eine untergeordnete Rolle 3 0 . Diese Art der Vollstreckung von Forderungen des Dienstherrn durch die Anwendung disziplinarischen Zwanges stellt die ursprüngliche Form des Verwaltungszwanges gegen Beamte dar 3 1 . Die wenigen Fälle der Disziplinarexekution führten jedoch nicht zur Anerkennung eines Grundsatzes, dergestalt, daß Diszipliargewalt im allgemeinen das Recht umschließt, Entschädigungsansprüche behördlicherseits gegenüber dem Beamten zu realisieren. Für den Dienstherrn bestand daher in dieser Zeit regelmäßig Klagezwang vor den ordentlichen Gerichten 32 .
bb) Die Ausbildung des sogenannten Defekten Verfahrens seit 1844 (1) Die preußische „ Verordnung über die Festsetzung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen vorkommenden Defekte vom 24. Januar 1844 " Mitte des 19. Jahrhunderts gab es jedoch erste Ansätze, die Disziplinarexekution durch ein allgemeines Verwaltungsbeitreibungsverfahren zu ersetzen. Zur beschleunigten Realisierung der Ersatzansprüche des Staates gegen den Beamten wurde in Preußen am 24. Januar 1844 die „Verordnung über die Festsetzung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen vorkommenden Defekte" 33 (Defektenverordnung, DV 1844) erlassen. Unter einem Defekt verstand man „den Fall, daß der thatsächliche Bestand einer Kasse oder eines Magazins geringer ist als der rechnungsmäßige Sollbestand (...)" (Kassendefekt) 34 . Dementsprechend erstreckte sich der Geltungsbereich der Defektenverordnung nur auf Personen, die mit der Verwaltung von Kassen oder Materialien betraut worden waren. Dieser Personenkreis hatte regelmäßig - als Bedingung des Amtsantritts - auch eine sogenannte Amtskaution zu hinterlegen, die es dem Fiskus nach Art eines privatrechtlichen Pfandrechts ermöglichte, im Falle von Fehlbeständen 29
Günther, DÖD 1991, S. 163. Borgs-Maciejewski, S. 54 f. 31 Borgs-Maciejewski, S. 56. 32 Günther, DÖD 1991, S. 163. 33 Pr.GS S. 52; Text der Verordnung bei: von Rönne, §§ 88-91 ALR, I Α., S. 39 f. 34 Laband, S. 443 f.; Hauser, S. 58. 30
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daraus Befriedigung zu erlangen 35 . Ein Vorgehen gegen den Beamten durch vollstreckbaren Beschluß auf der Grundlage der Defektenverordnung kam nur dann in Betracht, wenn der Kassendefekt nach Überzeugung der Behörde zumindest infolge grober Fahrlässigkeit entstanden war (§ 10 DV 1844). Fiel dem Beamten dagegen nur leichte Fahrlässigkeit zur Last, so war der Zivilrechtsweg zu beschreiten 36 . Die Defektenverordnung behielt exzeptionellen Charakter und wurde daher als Ausnahme vom Grundsatz des Klagezwangs des Dienstherrn restriktiv ausgelegt 37 . Obwohl der Erlaß eines Erstattungsbeschlusses gegen den Beamten zu dieser Zeit noch in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt war 3 8 , pflegte man bei Vorliegen der Voraussetzungen, wie Otto Mayer feststellte, „mit einer gewissen formalen Strenge" vorzugehen 39 . In der Regel erließ man mithin einen Defektenbeschluß, schon um eine etwaige eigene Haftung zu vermeiden 40 . Gegen den Beschluß stand dem Beamten „sowohl hinsichtlich des Betrages, als hinsichtlich der Ersatzverbindlichkeit, außer dem Rekurs an die vorgesetzte Behörde, die Berufung auf rechtliches Gehöhr" ( § 1 6 Abs. 1 D V 1844), also der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen.
(2) Übernahme des Defektenverfahrens das Reichsbeamtengesetz von 1873
in
Das Defektenverfahren wurde später in das Reichsbeamtengesetz von 1873 in den §§134 ff. RBG nach preußischem Vorbild mit nur geringfügigen Änderungen übernommen. Die §§ 144 ff. RBG gaben dem Beamten auch weiterhin die Möglichkeit, Einwendungen gegen den Defektenbeschluß vor den ordentlichen Gerichten vorzubringen. Das Reichsgericht hielt allerdings die formellen Voraussetzungen des Defektenbeschlusses für einen nicht justitiablen Akt öffentlicher Gewalt, der nur mit der „Beschwerde im Instanzenzuge" überprüft werden könne 41 . Fehlte es somit an den Voraussetzungen des § 141 RBG, das heißt an einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schädigung des Dienstherrn, war der Klage des Beamten gegen seine Inanspruchnahme im Defektenverfahren gleichwohl nicht statt-
35 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 378; vgl. II 10 § 83 ALR: „Wer einem Cassenbediensteten die Casse übergiebt, ehe und bevor die Amtscaution desselben berichtigt worden, ist für allen daraus entstandenen Schaden verhaftet." 36 Dernburg, S. 551. 37 So Borgs-Maciejewski, S. 58 f. 38 Hauser, S. 59. 39 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 373. 40 Hauser, S. 59. 41 RG, Urt. v. 05.02.1885, RGZ 12, 143 (144).
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zugeben, wenn er materiellrechtlich (etwa nach den I I 10 §§ 88 ff. PrALR i.V.m § 19 RBG) ersatzpflichtig war, weil ihn zumindest der Vorwurf leichter Fahrlässigkeit traf 4 2 . Zur Begründung knüpfte das Gericht an den Wortlaut des § 144 RBG, der dem früheren § 16 DV 1844 entsprach, an, wonach dem Beamten hinsichtlich der „Ersatzverbindlichkeit" der Rechtsweg zustand. Darunter war nach Auffassung des Gerichts nicht die defektenrechtliche Verantwortlichkeit des Beamten, sondern seine allgemeine zivilrechtliche Verantwortlichkeit zu verstehen. Diese Rechtsprechung hätte, wie Borgs-Maciejewski in seiner Monographie über „Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche des Dienstherrn gegen Beamte" anmerkt, der Verwaltung theoretisch die Möglichkeit eröffnet, sämtliche ihrer Ansprüche gegen den Beamten als Defekte zu deklarieren, ohne daß sich der Beamte dagegen gerichtlich hätte zur Wehr setzen können 43 . Es stellte sich außerdem die Frage, ob der Dienstherr, wenn ihm die Möglichkeit zum Erlaß eines Defektenbeschlusses offenstand, stattdessen Klage gegen einen Beamten erheben konnte. Rechtsprechung 44 und Literatur 4 5 bejahten dies größtenteils. Man argumentierte, daß die Prüfung der formellen Voraussetzungen des Defektenverfahrens ausschließlich dem Dienstherrn obliege und der gerichtlichen Überprüfung unzugänglich sei. Erhebe dieser Klage vor Gericht, so sei daraus zu folgern, daß er ein Einschreiten durch Verwaltungszwang nicht für zulässig erachtet habe 46 . Die Motive des Gesetzgebers zum Reichsbeamtengesetz dokumentieren, daß der Ausnahmecharakter des Defektenverfahrens gegenüber der Klage des Dienstherrn zu dieser Zeit bereits als unbefriedigend empfunden wurde 47 . Nicht anders ist die Aussage eines Abgeordneten zu verstehen, es könne „schon an sich nicht den Verhältnissen entsprechen, daß die höhere Autorität gegen einen Beamten, dessen Pflichtverletzung eine Verbindlichkeit zum Ersatz herbeiführt, lediglich vor den Gerichten klagen soll, so daß das ganze Verhältnis von vorneherein den Schein einer Kontestation zwischen Privaten über Vermögensrechte bekommt". Sie läßt den Wunsch nach weitreichenderen Verwaltungsbefugnissen zur Anspruchsdurchsetzung erkennen 48 .
42 43 44 45 46 47 48
RG, Urt. v. 11.05.1920, RGZ 99, 79 (79). Borgs-Maciejewski, S. 62. RG, Urt. v. 09.12.1919, RGZ 97, 263 (269). Arndt, § 137 RBG Anm. 1. RG, Urt. v. 23.01.1890, RG bei Gruchot, Bd. 34, 1119 (1121 f.). Günther, DÖD 1991, S. 163. Borgs-Maciejewski, S. 61 f.
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b) Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in den anderen deutschen Staaten am Beispiel von Sachsen und Bayern In den anderen deutschen Territorialstaaten gab es, zumindest was die Kassen- und Rechnungsbeamten angeht, eine weitgehende Übereinstimmung mit der preußischen Rechtslage. Verlangt wurde zumeist die Stellung einer Amtskaution, die jedoch allgemein als unzureichend empfunden wurde. Somit schufen sich die meisten Länder Gesetze, die die beschleunigte Beitreibung von Ersatzforderungen dieser Art erlaubten und sich von der preußischen Defektenverordnung nur unwesentlich unterschieden 49. Hierzu zählte unter anderem das Königreich Sachsen (aa) 50 . Mehrere süddeutsche Staaten gingen aber über die Zwangsbefugnisse der preußischen Defekten Verordnung und Disziplinargesetze hinaus 51 . In diesen Ländern war es den Behörden zum Teil gestattet, alle Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzungen selbst festzusetzen und zu vollstrecken. Dies geschah vor allem dann, wenn man diese Ansprüche bereits als dem öffentlichen Recht zugehörig ansah, wie etwa in Bayern 52 (bb). aa) Die Rechtslage im Königreich Sachsen Nachdem die Landesherrn zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Sachsen Regreß wegen der ihnen durch die Dienstpflichtverletzung ihrer Beamten entstehenden Schäden ohne Einhaltung bestimmter Formen nehmen konnten 5 3 , machte auch hier das Defektenwesen den ersten Schritt in Richtung eines formalisierten Vollstreckungsverfahrens. Durch das „Mandat, die der Oberrechnungsdeputation hinsichtlich des Verfahrens gegen säumige Rechnungsführer verliehene Gewalt betreffend, vom 1. September 1828 5 4 " wurde ein Verfahren eingeführt, das der vorgesetzten Dienstbehörde die Befugnis verlieh, die Verpflichtung des Beamten zum Schadensersatz nach Grund und Höhe verbindlich festzusetzen. Durch das hierzu ergangene Ausführungsgesetz vom 28. Januar 1835 wurde die Befugnis der Oberrechnungskammer, die Ersatzpflicht des Beamten festzustellen, allerdings insoweit wieder eingeschränkt, als nur noch eine vorläufige Festsetzung zulässig war, gegen welche dem Beamten die Berufung an die höhere Behörde sowie die Klage vor den ordentlichen Gerichten offenstand 55 . 49 50 51 52 53 54 55
Borgs-Maciejewski, Borgs-Maciejewski, Borgs-Maciejewski, Borgs-Maciejewski, Fessier, S. 142. GS, S. 201 ff. §§ 1, 19 Nr. 3.
S. 72 f. S. 82 (Fn. 238). S. 75. S. 76.
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Eine allgemeine Vollstreckungsbefugnis des Dienstherrn gab es in Sachsen nicht. Außerhalb des Kassen- und Rechnungswesens war der Dienstherr daher - nicht anders als in Preußen - auf die Verfolgung des Anspruchs im Klagewege angewiesen, sofern aus der regelmäßig zu hinterlegenden Amtskaution 5 6 keine Befriedigung zu erlangen war. bb) Das Ersatzzuweisungsverfahren des bayerischen Rechts ( 1 ) Die Anfänge des Ersatzzuweisungsverfahrens Auch in Bayern fand zunächst noch unter Geltung des gemeinen Rechts, ebenso wie in Preußen, ein auf den administrativen Rechnungsprozeß beschränktes Beitreibungsverfahren statt. Dieses Verfahren wurde jedoch gewohnheitsrechtlich ausgedehnt und auch auf Pflichtverletzungen der Finanzbeamten und weiterer Staatsdiener, zu deren Aufgabe die Besorgung wirtschaftlicher Angelegenheiten des Staates gehörte, angewandt. Ausgeschlossen war dieses sogenannte Ersatzzuweisungsverfahren dagegen, wenn der Beamte in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt seine Amtspflicht verletzt hatte 57 . Insbesondere im Bereich der Verkehrsverwaltung wurde das Ersatzzuweisungsverfahren auch gegen Beamte ausgeübt, welchen keine Rechnungsführung oder Vermögensverwaltung oblag 58 . § 30 Ziffer 2 der Allgemeinen Dienstvorschriften für die Angehörigen der Königlich-Bayerischen Verkehrsanstalten vom 1. Juni 1885 lautete: „Über die Frage des Bestehens einer Ersatzverbindlichkeit wird in jedem einzelnen Fall innerhalb gegebener Zuständigkeit auf Grund vorheriger Feststellung der in Betracht kommenden tatsächlichen wie rechtlichen Verhältnisse Entschließung erlassen und hierin Gegenstand und Umfang der Ersatzverbindlichkeit, sowie die Person des Ersatzpflichtigen festgestellt (.. . ) . 5 9 " Wurde die Ersatzpflicht des Beamten daraufhin von der Königlichen Generaldirektion oder vom Königlichen Staatsministerium des Königlichen Hauses bestätigt, so konnte die Befriedigung des Anspruchs „durch Gehaltsabzüge sofort verfügt werden". (2) Die allgemeine Vollstreckungsbefugnis nach den Art. 179 bis 181 BayBG (1908) Ebenso wie auf Reichsebene hielt man auch in Bayern um die Jahrhundertwende die im Regelfall fortbestehende Verweisung des Dienstherrn auf 56
Z.B. § 7 Absatz 9 des Sächsischen Staatsdienergesetzes vom 7. März 1835; Fessier , S. 126 f. 57 Hösch, S. 48. 58 Reindl, Art. 179 BayBG (1908) Anm. 1. 59 Abgedruckt bei: Hösch, S. 48. 19 Beckmann
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den Zivilrechtsweg für rückständig und eine allgemeine Verwaltungsvollstreckungsbefugnis für notwendig. Anders als im Reich gelang jedoch in Bayern im zehnten Abschnitt des Bayerischen Beamtengesetzes von 1908 die Normierung eines erweiterten Beitreibungsverfahrens, welches allgemein die Möglichkeit schuf, den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn durch vollstreckbaren Beschluß geltend zu machen. Es könne nur im wohlverstandenen Interesse des Beamten liegen, so hatte man im Gesetzgebungsverfahren argumentiert, in einem reinen Verwaltungsverfahren die maßgebenden Tatsachen feststellen zu lassen und beschlußfähig zu würdigen, anstatt in der Öffentlichkeit einen Prozeß auszutragen, der darüber hinaus mit hohen Kosten verbunden sei 6 0 . Der materiellrechtlichen Regelung des Art. 13 BayBG (1908) entsprechend, galt das erweiterte Ersatzzuweisungsverfahren der Art. 179 bis 181 BayBG (1908) sowohl für die mittelbare als auch für die unmittelbare Schädigung des Dienstherrn durch seinen Beamten 61 und war ferner nicht (mehr) auf Schädigungen bei Wahrnehmung wirtschaftlicher Angelegenheiten beschränkt 62 . Art. 179 BayBG (1908): (1) Hat ein Beamter durch vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung seiner Amtspflicht dem Staate einen Schaden zugefügt, so kann die zutändige Behörde beschließen, daß der Beamte für den Schaden haftbar ist und in welcher Höhe er dem Staat Ersatz zu leisten hat. (2) Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen und dem Beamten unter Belehrung über das ihm zustehende Beschwerderecht zu eröffnen. Auf Verlangen ist ihm eine Abschrift auszuhändigen. (3) Gegen den Beschluß steht dem Beamten die Beschwerde im Instanzenzug offen. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beträgt zwei Wochen vom Tage der Eröffnung an. (4) Der Beschluß wird mit Ablaufe der Beschwerdefrist oder mit der Eröffnung der Entscheidung der letzten Instanz an den Beamten nach Maßgabe der Vorschriften über das Vollstreckungsrecht der Verwaltungsbehörden (...) vollstreckbar. Der Beschluß kann auch vorher für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, wenn zu befürchten ist, daß der Beamte sein Vermögen der Verwendung zum Ersatz des Schadens entziehen werde oder sonst durch die Aussetzung der Vollstreckung für den Staat ein schwer zu ersetzender Nachteil entstehen würde. Dem Beamten ist in diesem Falle zu gestatten, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden. Art. 180 BayBG (1908): (1) Gegen den vollstreckbaren Beschluß, durch den der Beamte zum Ersatz eines Schadens an den Staat verpflichtet wird, steht ihm sowohl hinsichtlich der Ersatzverbindlichkeit als auch hinsichtlich des zu ersetzenden Schadens die Beschreitung des Rechtsweges offen.
60 61 62
Motive, S. 230 ff., wiedergegeben bei: Reindl, Art. 179 BayBG (1908) Anm. 1. Reindl, Art. 179 BayBG (1908) Anm. 1. von Sutner, Art. 179 BayBG (1908) Anm. 3.
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(2) Das Klagerecht erlischt binnen einer Ausschlußfrist von einem Jahre. Sie beginnt mit dem Tage, an dem der Beschluß vollstreckbar geworden ist. Auf sie finden die Vorschriften der §§ 203, 206, 207 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechende Anwendung. (3) (...) Mit „Beschreitung des Rechtsweges" in Art. 180 Abs. 1 BayBG (1908) war, nicht anders als in § 16 D V 1844 bzw. § 144 RBG, die Eröffnung des ordentlichen Rechtswegs gemeint 63 . Umstritten war auch hier, ob das umfassende Ersatzzuweisungsverfahren der Art. 179 ff. BayBG (1908) die Möglichkeit, den Anspruch im Klagewege zu verfolgen, beseitigt hatte oder ob dem Dienstherrn insoweit ein Wahlrecht zustehen sollte. Die wohl herrschende Meinung ging mit Rücksicht auf den Wortlaut („kann (...) beschließen") von einer Wahlmöglichkeit des Dienstherrn aus 64 . c) Das „Gesetz über das Verfahren für die Erstattung von Fehlbeständen an öffentlichem Vermögen vom 18. April 1937" Im Deutschen Reich nach 1933 trat schließlich das „Gesetz über das Verfahren für die Erstattung von Fehlbeständen an öffentlichem Vermögen vom 18. April 1937 (Erstattungsgesetz, ErstG) 6 5 " die Nachfolge des ehemaligen Defektenverfahrens an 6 6 . „Kernstück des Erstattungsverfahrens" 67 war die in § 5 Abs. 1 ErstG vorgesehene Befugnis der zuständigen Behörde, den Bediensteten durch Erstattungsbeschluß zur Ersatzleistung zu verpflichten. Aus diesem Beschluß fand nach § 7 Satz 1 ErstG die Vollstreckung gegen den Beamten im Verwaltungswege statt. Der Begriff des Fehlbestandes war begrenzt auf einen infolge schuldhafter Verletzung von Dienstpflichten sowie fehlerhafter Rechnungsweise oder unterlassener bzw. unzureichender rechnerischer Nachprüfung verursachten kassen- oder bestandsmäßigen Verlust (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 1. und 2. Alt. ErstG) oder einen infolge strafbarer Handlung verursachten Vermögensschaden (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ErstG 68 ). Gegenüber dem Defektenverfahren des Reichsbeamtengesetzes enthielt das Erstattungsgesetz allerdings einige bedeutsame Veränderungen: So 63
Reindl, Art. 180 BayBG (1908) Anm. 1. Anderer Ansicht: Hösch, S. 45 (Fn. 102), (der in der Formulierung „kann beschließen" nur einen Hinweis darauf sah, daß die Geltendmachung des Anspruchs nach Art. 13 BayBG (1908) im Ermessen des Dienstherrn stand). 65 RGBl. I S. 461. 66 Hauser, S. 67. 67 Reuss, § 1 ErstG Anm. 13. 68 § 1 Abs. 2 Nr. 2 wurde geändert durch Gesetz vom 02.03.1974 (BGBl. I S. 469) und verlangt heute einen infolge vorsätzlicher Straftat verursachten Vermögensschaden. 64
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konnte fortan nicht mehr nur gegen denjenigen Kassenbeamten vorgegangen werden, der grob fahrlässig gehandelt hatte. Ein Erstattungsbeschluß war auch dann möglich, wenn nur einfache Fahrlässigkeit seitens des Beamten vorlag. Anders als zuvor war die zuständige Verwaltungsstelle nach dem Erstattungsgesetz auch grundsätzlich verpflichtet, einen Erstattungsbeschluß zu erlassen, wenn sie das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bejahte, der Fehlbestand 100 D M überstieg und der Beamte ihn nicht bereits ersetzt hatte (§ 6 Abs. 1 ErstG) 69 . Bei leichter Fahrlässigkeit des Beamten konnte sie jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen von einem Erstattungsbeschluß absehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 ErstG). Die Durchführungsverordnung zum Erstattungsgesetz vom 29. Juni 1937 70 sah vor, daß das Erstattungsverfahren, als „verfahrensmäßige Ergänzung des Haushaltsrechts (...) neben die grundsätzlich stets zulässige Verfolgung des Ersatzanspruches im Wege der Klage" trete und keinen „dienststrafrechtlichen oder strafrechtlichen Charakter" habe 71 . Die Möglichkeit des Beamten, Beschwerde gegen den Beschluß einzulegen, die ihm bisher zugestanden hatte, war nach dem Erstattungsgesetz von 1937 nicht mehr gegeben. Stattdessen sollte er gemäß § 8 Abs. 1 ErstG Einwendungen gegen seine Erstattungspflicht vor den Verwaltungsgerichten geltend machen. Daß diese Rechtswegzuweisung wegen ihrer Bindung an die Errichtung eines Reichsverwaltungsgerichts allerdings nicht mehr Realität geworden ist, wurde bereits geschildert 72 . In der Praxis lag die Zuständigkeit daher auch nach 1937 bei den Zivilgerichten. Außerhalb des Geltungsbereiches des Erstattungsgesetzes blieb es bis in die Nachkriegszeit hinein dabei, daß der Dienstherr den Klageweg zu beschreiten hatte, wenn er den Beamten in Anspruch nehmen wollte. 2. Die aktuelle Rechtslage a) Erlaß eines Erstattungsbeschlusses Hat die schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Beamten einen Fehlbestand am öffentlichen Vermögen zur Folge, so kann der Dienstherr auch heute noch ein Erstattungsverfahren durchführen. Im Bund gilt das Erstattungsgesetz heute in seiner Fassung vom 24. Januar 1951 73 . Das Erstattungsverfahren ist aber nur noch von geringer praktischer Relevanz, da die 69
Hauser, S. 69. RGBl. I S. 723. 71 DV Nr. 4, Sätze 2 und 3. 72 Oben 1. Kapitel Α. IV. 5. 73 Gesetz nebst Durchführungsverordnung (BGBl. I S. 87, 109, 111); geändert durch Art. 40 EGStGB vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469). 70
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Rechtsprechung auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Erstattungsgesetzes die Möglichkeit akzeptiert, den Beamten durch Leistungsbescheid heranzuziehen 74. Vielfach wird daher die endgültige Abschaffung des Erstattungsverfahrens befürwortet 75 . Dem haben die Bundesländer NordrheinWestfalen 76 , Baden-Württemberg 77 , Bayern 78 , Hamburg 79 , Niedersachsen 80 und Schleswig-Holstein 81 bereits Rechnung getragen. In den übrigen Bundesländern sowie im Bund bleibt das Gesetz jedoch wahlweise anwendbar. b) Befugnis zum Erlaß eines Leistungsbescheides außerhalb des Erstattungsverfahrens Eine allgemeine gesetzliche Ermächtigung des Dienstherrn, die bestehende Schadensersatzforderung gegen den Beamten durch Verwaltungsakt festzustellen und einzufordern, besteht bis heute nicht. Obschon die Kontroverse um die Geltendmachung der Schadensersatzforderung des Dienstherrn mittels Leistungsbescheides in der Praxis in Anbetracht einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung in den letzten Jahren mehr und mehr abgeebbt ist und auch die größeren Standardkommentare ihr kaum noch Platz einräumen 82 , kann auf eine Darstellung des Streitstandes an dieser Stelle nicht verzichtet werden. Für die Rechtswissenschaft hat die Thematik kaum an Brisanz verloren; die Beschäftigung mit ihr ist von prinzipiellem Erkenntnis wert 8 3 .
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BVerwG, Urt. v. 25.05.1988, Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 12, 1 (2);VGH Kassel, Urt. v. 23.03.1994, NVwZ 1995, 1227. 75 Z.B. Battis , RdA, S. 222, (der allerdings einer einheitlichen Verfahrensweise im Klagewege zum Durchbruch verhelfen will). 76 Gesetz zur Bereinigung des als Landesrecht fortgeltenden ehemaligen Reichsrechts vom 13. Januar 1970 (GVB1. S. 18). 77 Rechtsbereinigungsgesetz vom 12. Februar 1980 (Ges. Bl. S. 98). 78 Zweites Gesetz zur Aufhebung von Rechtsvorschriften vom 27. Mai 1982 (GVB1. S. 263). 79 Sechstes Gesetz zur Aufhebung entbehrlich gewordenen Landesrechts vom 1. Dezember 1980 (GVB1. S. 361). 80 § 80 Abs. 1 Nr. 15 des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 2. Juni 1982 (GVB1. S. 139). 81 Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 14. Mai 1985 (GVB1. S. 123). 82 Vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 61; Weiß/ Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 27 a). 83 Günther, DÖD 1991, S. 159.
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
aa) Theorie der generellen Ermächtigung zum Erlaß von Leistungsbescheiden im Über- und Unterordnungsverhältnis Das Bundesverwaltungsgericht geht heute in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gemäß §§ 78 BBG, 46 BRRG dem Beamten gegenüber durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden kann 8 4 . Der für die Schadensersatzpflicht der Soldaten nach § 24 SG zuständige Achte Senat des Bundesverwaltungsgerichts hatte hierzu bereits im Urteil vom 6. Mai 1964 die Auffassung vertreten, die grundsätzliche Befugnis der Verwaltung, in subordinationsrechtlichen Rechtsbeziehungen die maßgebenden abstrakt-generellen Rechtssätze durch Verwaltungsakt zu individualisieren und zu konkretisieren, folge aus einem sinnvollen Verständnis der im Grundgesetz verankerten Begriffe der Staatsgewalt und der vollziehenden Gewalt. Denn das Wesen dieses Gewaltverhältnisses sei dadurch gekennzeichnet, daß die vollziehende Gewalt die von der Unterwerfung erfaßten Rechtsbeziehungen, vorbehaltlich einer gerichtlichen Nachprüfung, einseitig und dem einzelnen gegenüber verbindlich regeln könne 85 . Dem hat sich der Zweite Senat für die Schadensersatzpflicht der Beamten mit Urteil vom 17. September desselben Jahres angeschlossen und sich bald auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des deutschen Verwaltungsrechts, bald auf ein entsprechendes Gewohnheitsrecht berufen. Die Befugnis der Behörden zum Handeln durch Verwaltungsakt entfalle nur dort, wo Gesetz oder entgegenstehendes Gewohnheitsrecht sie ausschlössen86. Nach Meinung des Zweiten Senats habe die Verpflichtung des Dienstherrn zur Erhebung einer Klage auf Schadensersatz außerhalb des Erstattungsverfahrens im Rahmen des bis zum Jahre 1945 geltenden Beamtenrechts zum einen auf Vorschriften beruht, die heute nicht mehr gelten 87 , zum anderen darauf, daß die damalige Rechtsordnung dem Beamten gegen Verwaltungsakte keinen gerichtlichen Schutz bot. Diese Voraussetzungen seien in der heutigen Rechtsordnung entfallen 88 . Aus der Fortgeltung des Erstattungsgesetzes lasse sich auch nicht etwa der Umkehrschluß ziehen, der Dienstherr dürfe Schadensersatzansprüche wegen Dienstpflichtverletzungen, die nicht im Erstattungsgesetz aufgeführt sein, nicht durch Verwaltungsakt geltend machen. Etwas Derartiges sei im Erstattungsgesetz nicht bestimmt. Das Erstattungsgesetz stelle - im Gegenteil - einen systemgerechten Schritt in Richtung auf die heutige Rechtsordnung dar 8 9 . 84
BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 §78 BBG Nr. 5, 18 (19 ff.); BVerwG, Urt. v. 30.05.1968, Buchholz 232 § 78 Nr. 9, 61 (61); BVerwG, Urt. v. 08.02.1983, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 27, 3 (3). 85 BVerwG, Urt. v. 06.05.1964, BVerwGE 18, 283 (285 f.). 86 BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (20). 87 Unter Berufung auf §§ 142 Abs. 2 Satz 1, 182 DBG i.V.m. § 154 RBG. 88 BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (21).
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
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Auch ein großer Teil des neueren Schrifttums 90 befürwortet die Möglichkeit des Dienstherrn, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beamten durch Leistungsbescheid einzufordern. Dies folge aus der allgemeinen Befugnis der Organe der vollziehenden Gewalt, zur hoheitlichen Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte zu erlassen. Im Beamtenverhältnis sei der Dienstherr dem Beamten hoheitlich übergeordnet und könne deshalb seine Rechtsbeziehungen zu ihm grundsätzlich hoheitlich regeln, zum Beispiel durch Ernennung, Versetzung, Entlassung usw.. Für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs im Innenverhältnis könne daher nichts anderes gelten 91 . Osterloh hat hierin ein „Prinzip verfahrenseinheitlicher Gestaltung" hinsichtlich der primären Verhaltenspflichten des Beamten und deren schadensersatzrechtlicher Abwicklung erkannt, dem ähnliche Gedanken zugrunde lägen wie der vom Bundesverwaltungsgericht zur Rückabwicklung von Subventionsverhältnissen vertretenen „Kehrseitentheorie" 92 . Zuletzt hat Günther diesen Aspekt aufgegriffen und dargelegt, daß die prinzipielle Kompetenz der Verwaltung zur Durchsetzung ihrer Forderungen durch Verwaltungsakt bereits auf ihre Befugnis zur Regelung entsprechender Primärpflichten gestützt werden könne 93 : Dürfe der Dienstherr das Verhalten des Beamten durch Verwaltungsvorschriften oder Verwaltungsakte einseitig fixieren, so sei es nur konsequent, wenn er die Verletzung jener Primärpflichten auch entsprechend sanktionieren könne. Denn die Schadensersatzverpflichtung des Beamten beruhe nicht auf der allgemeinen Schadensersatzverantwortlichkeit des Privatrechts, sondern sei eine Last des öffentlichen Amtes. Rechtsklarstellung und Selbsttitulierung seien insoweit auch nichts Neues, da der Dienstherr hierzu schon früher im Defektenwesen befugt gewesen sei 94 . bb) Gegenpositionen im beamtenrechtlichen Schrifttum Die Mehrheit der Literatur 95 und auch ein Teil der Oberverwaltungsgerichte 9 6 haben die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings von Anfang an heftig kritisiert. Eine gewichtige Meinung im beamtenrecht89
BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (21). Hilg, § 31 IV 3 (S. 374 f.); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 61; Scheerbarth, S. 169 f.; Simianer, S. 35; Strunk, Rn. 184. 91 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 61; Maurer, § 10, Rn. 7; ähnlich bereits BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (20 f.). 92 Osterloh, S. 285; vgl. Maurer, § 10, Rn. 7. 93 Günther, DÖD 1991, S. 164 ff. 94 Günther, DÖD 1991, S. 169; zustimmend: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 27. 90
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
liehen Schrifttum vertritt bis heute den Standpunkt, die Durchsetzung der beamtenrechtlichen Haftung durch Verwaltungsakt widerspreche geltendem Recht 97 . Eine Wiedergabe der hierfür ins Feld geführten Argumente muß sich aus Platzgründen auf die Kernthesen jener Überzeugung beschränken. Achterberg hat insofern eingewandt, ein Leistungsbescheid zur Durchsetzung der beamten- bzw. soldatenrechtlichen Haftung sei schon deshalb rechtswidrig, weil es sich hierbei materiell um einen Hoheitsakt der Rechtsprechung handele. Denn die Streitentscheidung durch einen unbeteiligten Dritten sei Kennzeichen der Rechtsprechung, so daß die sich die Verwaltung durch die Geltendmachung einer Schadensersatzforderung im Wege der Selbsttitulierung zum „Richter in eigener Sache" mache. Die funktionale Aufgabenwahrnehmung der Judikative durch die Verwaltung laufe somit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewaltenteilung zuwider 98 . Von Wacke stammt dagegen die These, die Rechtswidrigkeit der Geltendmachung einer Forderung durch Leistungsbescheid sei aus dem Aspekt einer unzulässigen Pflichtenkollision herzuleiten. Bei der Durchsetzung von Forderungen gegenüber dem Beamten kollidiere die Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn mit seiner Pflicht zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung der Haushaltsmittel. Der rechtsstaatliche Gedanke der Vermeidung von Interessenkollisionen verbiete es folglich dem Staat, einen eigenen finanziellen Anspruch der Höhe nach selbst festzusetzen und einseitig zu vollstrecken 99 . Vielfach ist in der Geltendmachung der Schadensersatzpflicht durch Verwaltungsakt auch ein Verstoß gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums gesehen worden, da der Dienstherr im vermögensrechtlichen Bereich, abgesehen von einer eventuellen Aufrechnungsmöglichkeit, seit jeher auf den Klage weg angewiesen gewesen sei 1 0 0 . Das Erstattungsgesetz, als Nachfolger des Defektenverfahrens, sei als Ausnahmeregelung einer extensiven Auslegung nicht zugänglich 101 , sondern indiziere einen argumentume-contrario-Schluß bezüglich des Rechts zum Erlaß eines Leistungsbescheides, wenn dessen Voraussetzungen nicht vorlägen 102 . 95
Buckert, S. 1 ff; Dietlein, S. 1946; Henrichs, S. 458 ff.; Wacke, S. 311 ff; schon zuvor: Rupp, S. 577 ff. 96 OVG Hamburg, Urt. v. 14.01.1965, MDR 1966, 177 (177 f.). 97 Battis, § 78 BBG Rn. 18; Erichsen, in: Erichsen, § 15, Rn. 4; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 147; Schenke, S. 106 ff.; Wolff /Bachof/Stober, §115 III, Rn. 22. 98 Achterberg, DVB1. 1966, 154; ähnlich: OVG Hamburg, Urt. v. 14.01.1965, MDR 1966, 177 (178). 99 Wacke, S. 312. 100 Buckert, S. 3; Rupp, S. 577; Wacke, S. 311; Wolff /Bachof/Stober, § 115 III, Rn. 22. 101 OVG Hamburg, Urt. v. 14.01.1965, MDR 1966, 177 (177).
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
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Das Hauptargument dieser Auffassung besteht jedoch in der These, die einseitige autoritative Festsetzung der Schadensersatzpflicht des Beamten verstoße nicht nur gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sondern auch gegen den verfassungrechtlichen Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes 103 . Der Leistungsbescheid habe Titelfunktion und sei vollstreckungsfähig. Der Dienstherr dränge den Beamten durch Erlaß eines Leistungsbescheides daher in die Rolle des Anfechtungsklägers und weise ihm das Klagerisiko z u 1 0 4 . Zu diesem, mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Grunde unvereinbaren Vorgehen, bedürfe es einer ausdrücklichen Ermächtigung des Gesetzgebers. Denn der aus der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Vorbehalt des Gesetzes gelte nicht nur für den Inhalt von Eingriffen in Freiheit und Eigentum, sondern auch für dessen Form 1 0 5 . Die beamtenrechtlichen Haftungsnormen vermögen die danach erforderliche Rechtsgrundlage für den Erlaß eines Verwaltungaktes aber ebensowenig abzugeben wie das vom Bundesverwaltungsgericht behauptete Gewohnheitsrecht 106 . cc) Meinungsdiskussion und Stellungnahme Die seit langem andauernde Diskussion um die Zulässigkeit von Leistungsbescheiden im Beamten- bzw. Soldatenverhältnis ist teilweise von grundsätzlichen Einstellungen und Wertvorstellungen geprägt 107 , die bisher einen allgemeinen Konsens verhindert haben und wohl auch weiterhin verhindern werden, wenn nicht der Gesetzgeber regelnd in die Materie eingreift. Dennoch hat die Diskussion dazu beigetragen, die rechtlichen und historischen Fundamente des Instituts des Leistungsbescheides im Beamtenverhältnis herauszuarbeiten und dessen übermäßiger Ausweitung vorzubeugen. Gleichzeitig haben sich zahlreiche Argumente als nicht tragfähig erwiesen, wie etwa die These Achterbergs von der Verwaltung als „Richter in eigener Sache" 1 0 8 oder die von Wacke behauptete, aber kaum zu begründende unzulässige Pflichtenkollision 109 . Auch die Berufung auf einen her102
Schenke, S. 107 f. Battis , § 78 BBG Rn. 18; Woljf/Bachof/Stober, § 115 III, Rn. 22. 104 OVG Hamburg, Urt. v. 14.01.1965, MDR 1966, 177 (178); Battis, RdA 1986, S. 221; Buckert, S. 3. 105 Buckert, S. 2; Wacke, S. 313. 106 Kunig, in: Schmidt-Aßmann, 6. Abschn., Rn. 147. 107 Nach Maurer, § 10, Rn. 7, ist „die herrschende Lehre (...) noch zu stark von der Vorstellung des Verwaltungsaktes als einem obrigkeitlichen Machtinstrument beherrscht". 108 BVerwG, Urt. v. 21.09.1966, BVerwGE 25, 72 (77); Erichsen, Verwaltungsrecht, S. 73 (Fn. 94), bezeichnet die These Achterbergs als „hochgradig fragwürdig". 103
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
gebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach der Dienstherr in der Vergangenheit stets auf Leistung von Schadensersatz habe klagen müssen, hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Borgs-Maciejewski ist insoweit der Nachweis gelungen, daß sich von der preußischen Rechtslage nicht auf ein allgemeines „deutsches" Prinzip zurückschließen läßt, sondern daß in den großen süddeutschen Staaten das Institut des Leistungsbescheides bereits breiten Raum hatte. Historisch ergibt sich daher, wie hier am Beispiel von Bayern aufgezeigt wurde, aufgrund der territorialen Zersplitterung Deutschlands kein einheitliches Bild. Aber auch sofern man nur die preußische Rechtslage zugrunde legen wollte, zeigt sich, daß seit Inkrafttreten der Defektenverordnung im Jahre 1844 für den praktisch wichtigtsen Fall beamtenrechtlichen Schadensersatzes eine außergerichtliche Beitreibungsbefugnis des Dienstherrn bestanden hat 1 1 0 . Von nur geringer Überzeugungskraft ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch der argumentum-econtrario-Schluß aus der Fortgeltung des Erstattungsgesetzes. Denn die Antwort auf die Frage, ob die Regelung des Defektenverfahrens bzw. des Erstattungsgesetzes einen Umkehrschluß herausfordert oder vielmehr einen ersten „systemgerechten Schritt in Richtung der heutigen Rechtsordnung" darstellt, wie das Bundesverwaltungsgericht betont hat, hängt allein davon ab, welcher Auffassung man im Ergebnis folgen will. Der Streit um die Zulässigkeit des Leistungsbescheids bei der Heranziehung des Beamten zum Schadensersatz konzentriert sich daher auf die Fragestellung, ob der rechtsstaatliche Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes eine ausdrückliche Ermächtigung des Dienstherrn zum Erlaß eines Leistungsbescheides fordert oder nicht. Bejahendenfalls wäre die Zulässigkeit eines Leistungsbescheides zu verneinen 111 . Etwas anderes ergibt sich nach heute allgemeiner Auffassung nicht etwa aus den Normen des Verwaltungsvollstreckungsrechts. Diese enthalten keine Ermächtigung zum Erlaß eines Leistungsbescheides, sondern setzen dessen Zulässigkeit aufgrund anderer Gesetze gerade voraus 112 . Auch ein gewohnheitsrechtlicher Rechtssatz, wonach der Dienstherr zum Erlaß von Leistungsbescheiden befugt ist, wird von der herrschenden Meinung mit Recht nicht anerkannt 113 . Ein solcher Rechtssatz hat sich vor Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht bilden können, da für den Dienstherrn außerhalb des Anwendungsbereiches des 109
Eine solche besteht heute schon deshalb nicht, weil die Heranziehung zur Leistung von Schadensersatz als gebundene Entscheidung ergeht und nach hier vertretener Ansicht durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht einschränkt werden kann; vgl. oben 2. Kapitel Β. I. und 4. Kapitel A. II. 110 Günther, DÖD 1991, S. 165. 111 Anderer Ansicht: Günther, DÖD 1991, S. 167 ff; Osterloh, S. 285. 112 Dietlein, S. 1947; Günther, DÖD 1991, S. 167. 113 Günther, DÖD 1991, S. 168; Osterloh, S. 284; Schenke, S. 107; Wacke, S. 313.
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
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Erstattungsgesetzes und der Befugnis zur Aufrechnung gerade nur die Möglichkeit zur Erhebung einer Klage bestand. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes fehlte es aber angesichts des Widerstandes des Schrifttums von Anfang an an der notwendigen allgemeinen Anerkennung des Instituts des beamtenrechtlichen Leistungsbescheides 114 . Fraglich kann daher nur sein, ob sich allein aus der Regelungssystematik des Beamtenrechts eine den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes genügende Ermächtigung herleiten läßt. Nach Günther, der dies im Anschluß an Osterloh bejaht, billigen die beamtenrechtlichen Sachnormen inzident den Gebrauch des Verwaltungsakts als T i t e l 1 1 5 . Unklar bleibt aber, in welcher Art und Weise das behauptete „Prinzip einer verfahrenseinheitlichen Gestaltung", mit den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes in Einklang zu bringen sein soll. Das Argument, die Befugnis des Dienstherrn, die Rechtsbeziehungen im Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt zu ordnen, umfasse grundsätzlich auch die Kompetenz zu ebensolcher Abwicklung, ist zwar von einer gewissen Überzeugungskraft, genügt aber wohl kaum den Anforderungen, die im Rahmen des Parlamtsvorbehaltes an ein förmliches Gesetz zu stellen sind. Hiergegen läßt sich nicht einwenden, daß es auch sonst im Beamtenrecht, etwa hinsichtlich der Ernennung, Entlassung, Besoldung usw. an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung fehlt, da hinsichtlich der Primärpflichten des Beamten eine Klageerhebung ohnehin ausscheidet, die Regelung durch Verwaltungsakt daher ohne Alternative ist. Die Statthaftigkeit von Leistungsbescheiden zur Durchsetzung von Schadensersatzpflichten im Beamtenverhältnis ließe sich daher nur befriedigend begründen, wenn man zu dem Schluß käme, daß der Gesetzesvorbehalt insoweit überhaupt nicht einschlägig ist. Unzulässig wäre freilich eine Argumention mit Hilfe der überkommenen Rechtsfigur des sogenannten „besonderen Gewaltverhältnisses", in welchem Verwaltungsakte nur ausgeschlossen sein sollten, wenn Gesetz und Gewohnheitsrecht nicht ausdrücklich entgegenstanden. Denn die Argumentationsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses hat spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 1972 1 1 6 ihre Daseinsberechtigung verloren 117 . Seither ist es zum juristischen Allgemeinwissen zu zählen, daß sowohl die Grundrechte als auch der Gesetzesvorbehalt im besonderen Gewaltverhältnis prinzipiell Geltung beanspruchen 118 .
114
Erichsen, Verwaltungsrecht, S. 71; Schenke, S. 107. Günther, DÖD 1991, S. 168 (Fn. 135) und Osterloh, S. 185 (Fn. 59). 116 BVerfG, Urt. v. 14.03.1972, BVerfGE 33, 1 ff. 117 Maurer, § 6, Rn. 17 ff. und § 8, Rn. 29. 118 Dessen ungeachtet stützt sich Hilg, § 31 IV 3 (S. 374 ff.), noch heute auf die Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses. 115
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
Nach der „klassischen" Vorbehaltsformel unterliegen dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes nur Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dagegen nicht allein auf das Kritierum des Eingriffs, als vielmehr auf die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung abzustellen. Notwendig vom Gesetzgeber zu treffende Entscheidungen sind danach solche, welche für die Grundrechtsverwirklichung des einzelnen als wesentlich angesehen werden müssen („Wesentlichkeitstheorie") 119 . Fraglich ist, wie sich diese Erkenntnis auf das hier vorliegende Problem der Zulässigkeit eines Leistungsbescheides im Beamtenverhältnis auswirkt. Nach Ansicht von Erichsen bilden Inhalt und Form des Verwaltungsaktes eine untrennbare rechtliche Einheit. Die Beeinträchtigung des Betroffenen liege nicht darin, daß von ihm Schadensersatz verlangt werde und daß dies darüber hinaus in Form eines Verwaltungsaktes geschehe. Vielmehr werde das Schadensersatzverlangen erst deshalb zum Eingriff, weil es in Form des Verwaltungsakts ergehe 120 . Ginge man hiervon aus, so bedürfte es in jedem Fall einer gesetzlichen Grundlage für das Handeln durch Verwaltungsakt. Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Die §§78 BBG, 46 BRRG i.V.m. § 34 BHO/LHO rechtfertigen bereits den Eingriff in die Grundrechte des Beamten aus Art. 14 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG als solchen, indem sie die Schadensersatzpflicht des Beamten nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen normieren 121 . Der Beamte ist daher im Zeitpunkt der Schadensverursachung, wenn auch nicht wirtschaftlich, so doch bereits rechtlich beschwert. Für den Dienstherrn stellt sich nicht die Frage, „ob" er den Beamten zum Schadensersatz heranziehen wird, sondern nur, auf welche Art und Weise dies geschehen soll. Zu folgen ist daher der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum, die danach fragt, ob das „Wie" der Vorgehensweise des Dienstherrn dem Vorbehalt des Gesetzes unterfällt 122 . Dies ist nach dem Gesagten dann der Fall, wenn sich der Erlaß eines Verwaltungsaktes gerade gegenüber der Erhebung einer Leistungsklage, insbesondere auch unter Fürsorgegesichtspunkten, als „wesentliche" Beeinträchtigung des Beamten darstellen würde. Das wird man aber, wie Günther überzeugend dargelegt hat, nicht annehmen können: Wenngleich sich der Beamte gegen die Inanspruchnahme durch Verwaltungsakt aktiv zur Wehr setzen muß, um dessen Bestandskraft zu verhindern, dem Leistungsbescheid daher nicht jedwede zusätzliche Beschwer gegenüber einer auf Leistung gerichteten Klage des Dienstherrn abgesprochen werden kann 1 2 3 , ist ein Vorgehen durch Ver119 BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977, BVerfGE 47, 46 (79); BVerfG, Beschl. v. 20.10.1981, BVerfGE 58, 257 (268). 120 Erichsen, in: Erichsen, § 15, Rn. 4; ders., Verwaltungsrecht, S. 69. 121 Günther, DÖD 1991, S. 166 (insb. Fn. 114). 122 Günther, DÖD 1991, S. 166 ff.
Α. Die Form der Geltendmachung des S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s 3 0 1
waltungsakt nicht mit einer rechtlichen Benachteiligung des Beamten verbunden 1 2 4 . Vielmehr stehen dem Beamten mit Widerspruch, Anfechtungsklage und vorläufigem Rechtsschutz nach der heutigen Rechtsordnung ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Ein gesteigertes Kosten- oder Prozeßrisiko ist hiermit für ihn nicht verbunden. Dies folgt für das Widerspruchsverfahren aus § 80 Abs. 1 Satz 3, 2. Alt. VwVfG, für das sich unter Umständen anschließende Gerichtsverfahren daraus, daß das Gericht von Amts wegen zur Wahrheitsermittlung verpflichtet und die Verteilung der materiellen Beweislast von der Parteistellung des Beamten als Kläger oder Beklagter unabhängig i s t 1 2 5 . Durch die im Bund und in nahezu allen Bundesländern vorgesehene Möglichkeit der Einschaltung der Personalvertretung wird der Beamte zusätzlich abgesichert. Letztlich wird man an dieser Stelle auch keine Einwendungen haben, aus der Regelungsbefugnis des Dienstherrn zur Konkretisierung der primären Verhaltenspflichten des Beamten jedenfalls „tendenziell" auf die fehlende „Wesentlichkeit" der Handlungsform des Verwaltungsaktes bei deren späterer verfahrensrechtlicher Abwicklung zu schließen 126 . Im Ergebnis ergibt sich somit, daß eine Heranziehung des Beamten zum Schadensersatz mittels Leistungsbescheides keine wesentliche, der alleinigen Kompetenz des Gesetzgebers unterfallende Entscheidung ist, sondern daß die Verwaltung auch ohne gesetzliche Grundlage gegen den Beamten im Wege der Selbsttitulierung durch Verwaltungsakt vorgehen kann. 3. Einschränkungen der Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn Wenngleich damit die grundsätzliche Statthaftigkeit eines Leistungsbescheides zur Realisierung der beamtenrechtlichen Innenhaftung feststeht, ergeben sich dennoch zwei wichtige Ausnahmen. a) Sperrwirkung
der Rechtswegzuweisung aus Art. 34 Satz 3 GG
Stützt der Dienstherr seinen Regreßanspruch auf §§ 78 BBG, 46 BRRG i.V.m. Art. 34 Satz 2 GG, so steht dem Erlaß eines Leistungsbescheides nach nahezu einhelliger Ansicht Art. 34 Satz 3 GG entgegen 127 . Der 123
Günther, DÖD 1991, S. 166. Dies läßt sich jedoch nicht aus einer Parallele zur Situation bei der Aufrechnung schließen, da die Aufrechnung gesetzlich anerkannt ist; dazu sogleich III. 125 Unten B. 126 Günther, DÖD 1991, S. 166 f. 127 Battis, § 78 BBG Rn. 16; Hilg, § 31 IV 3 (S. 375); Hofmann, S. 104; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 61; Schenke, S. 128; Weiß/ Niedermaie r/Summe r/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 27 c). 124
302
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
Dienstherr ist demnach nicht befugt, auch Ansprüche wegen Amtshaftungsrückgriffs durch Bescheid festzustellen oder beizutreiben 128 . Unmittelbar folgt aus Art. 34 Satz 3 GG zwar lediglich, daß in Streitigkeiten über den Rückgriff bei hoheitlichem Handeln des Beamten die ordentlichen Gerichte entscheiden müssen. Dies wird auf der Basis der heute geltenden einfachgesetzlichen Verfahrensordnungen, die einen Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte vor den ordentlichen Gerichten grundsätzlich nicht vorsehen, aber allgemein dahingehend interpretiert, daß der Erlaß eines Leistungsbescheides insoweit ausscheidet. Hielte man einen Leistungsbescheid auch im Falle des Rückgriffs bei hoheitlicher Tätigkeit für zulässig, so hätten die ordentlichen Gerichte systemwidrig über die Rechtmäßigkeit des Bescheides zu befinden 129 . In Ermangelung spezieller gesetzlicher Grundlagen sind sie zur Aufhebung von Verwaltungsakten jedoch nicht befugt 1 3 0 . Zudem erweist sich ein Vorgehen durch Leistungsbescheid beim Amtshaftungsrückgriff für den Dienstherrn als wertlos, weil es an dessen Vollstreckbarkeit fehlt 1 3 1 . Denn gemäß § 1 Abs. 2, 2. Alt. V w V G (Bd) sind alle öffentlich-rechtlichen Geldforderungen, für die ein anderer als der Verwaltungsrechtsweg begründet ist, von der Vollstreckung im Verwaltungsweg ausgeschlossen132. Obgleich in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder zum Teil eine entsprechende Regelung fehlt, beansprucht der Rechtsgedanke des § 1 Abs. 2, 2. Alt. V w V G (Bd) - das Recht des Vollstreckungsverfahrens folgt dem Recht des Erkenntnisverfahrens - auch hier Geltung 1 3 3 . b) Keine Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn „ im Sinne der Funktionstheorie " Eine weitere Ausnahme von der grundsätzlichen Ermächtigung des geschädigten Verwaltungsträgers zur Durchsetzung seiner Forderung durch Verwaltungsakt folgt aus der hier vertretenen Ansicht, wonach den §§78 BBG, 46 BRRG ein eigener Dienstherrnbegriff („Dienstherr im Sinne des Haftungsrechts") zugrunde liegt 1 3 4 . Unterfällt die Befugnis der Verwaltung zum Vorgehen durch Leistungsbescheid nämlich deshalb nicht dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt, weil sie bei einer umfassenden Regelungs128
Anderer Ansicht: Borgs-Maciejewski, S. 138 ff.; Hartmann/Janssen/Kiihn, Art. 85 BayBG Anm. 9. 129 Hilg, § 31 IV 3 (S. 375). 130 Eine solche Ermächtigung enthalten zum Beispiel die §§23 ff. EGGVG. 131 Dagtoglou, in: BK, Art. 34 Rn. 352. 132 Was auch Borgs-Maciejewski, S. 147, einräumen muß. 133 Schenke, S. 128. 134 Oben 2. Kapitel Α. IV. 2. c) bb).
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
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macht des Dienstherrn als nicht wesentlich anzusehen ist, so wird man eine Verwaltungsaktsbefugnis dann ablehnen müssen, wenn die geschädigte Körperschaft nicht mit der Anstellungskörperschaft des Beamten identisch ist. Denn der „Dienstherr im Sinne des Haftungsrechts" kann dem Beamten zwar unter Umständen gewisse Weisungen erteilen, steht ihm gegenüber aber gerade nicht in einem Verhältnis, das es ihm erlaubte, ihn zu entlassen, zu versetzen usw., geschweige denn, dies durch Verwaltungsakt zu tun. Da dem „Dienstherrn im Sinne des Haftungsrechts" daneben regelmäßig auch die Möglichkeit zu einer Aufrechnung fehlt, weil er den Beamten nicht selbst alimentiert, ist dieser in jedem Fall auf die Erhebung einer Leistungsklage angewiesen. Entsprechend hat auch der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 24. Juni 1966 entschieden: Zur Debatte stand die Frage, ob der Freistaat Bayern berechtigt gewesen ist, durch Leistungsbescheid den Anspruch zu verwirklichen, den ihm ein bayerischer Landrat bei einer als „Organ des Staates" ausgeübten Tätigkeit zugefügt hatte 1 3 5 . Der Senat sah sich, nicht zuletzt wegen der erheblichen Kritik, die die Rechtsprechung des Gerichts zur Rechtmäßigkeit von Leistungsbescheiden im Beamtenverhältnis damals erfahren hatte, gezwungen, anläßlich dieser Fragestellung die Voraussetzungen der Inanspruchnahme eines Beamten durch Leistungsbescheid zu erleuchten und deren rechtliche Grenzen aufzuzeigen. Nach Meinung des Gerichts sei für die Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn ein „allumfassendes" Subordinationsverhältnis zu verlangen, wie es regelmäßig nur zwischen dem Beamten und seinem Anstellungsdienstherrn bestehe 136 . Ein Subordinationsverhältnis, welches sich nur auf Weisungen bei der Wahrnehmung einzelner staatlicher Aufgaben erstrecke, reiche für die Annahme einer Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn nicht aus. Nur dem Dienstherrn, der seinen Beamten auch zu alimentieren habe, ihm Fürsorge und Betreuung schulde, könne man daher rechtspolitisch bedenkenfrei die Befugnis zuerkennen, Schadensersatzansprüche aus dem Dienstverhältnis durch Verwaltungsakt geltend zu machen 137 . 4. Verhältnis von Leistungsbescheid und Leistungsklage Liegt keine dieser Ausnahmen vor, steht dem geschädigten Dienstherrn ein Wahlrecht zu, ob er im Wege der Verwaltungsvollstreckung, sei es durch Erstattungsbeschluß, sei es durch Leistungsbescheid oder mittels Klageerhebung gegen den Beamten vorgehen w i l l 1 3 8 . Denn nach zutreffender, 135
BVerwG, Urt. v. 24.06.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6, 29 ff. BVerwG, Urt. v. 24.06.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6, 29 (35). 137 BVerwG, Urt. v. 24.06.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6, 29 (36); zustimmend: OVG Lüneburg, Urt. v. 14.01.1986, ZBR 1987, 21 (22). 136
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
wenn auch nicht unbestrittener, Auffassung wird das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer verwaltungsrechtlichen Leistungsklage durch die Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn nicht ausgeschlossen139. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit, einen Erstattungsbeschluß zu erlassen, vor allem dann nicht der einfachere, billigere und schnellere Weg sei, wenn mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung von Anfang an zu rechnen war, der Beamte also zu erkennen gegeben habe, daß er gegen den Erstattungsbeschluß bzw. Leistungsbescheid vorgehen werde 1 4 0 . Insbesondere das in diesem Fall zwingend vorgeschriebene behördliche Widerspruchsverfahren (§§ 68 VwGO, 126 Abs. 3 BRRG) bedeutet insoweit eine nicht unerhebliche zeitliche Verzögerung und ist außerdem mit zusätzlichen Kosten verbunden 141 . Des weiteren besteht für den Dienstherrn nur bei einem Vorgehen im Klagewege die Möglichkeit, einen Anspruch auf Prozeßzinsen geltend zu machen 142 . Dies entspricht schließlich auch der seit jeher vorherrschenden Meinung, die auch neben dem Defekten- bzw. Ersatzzuweisungsverfahren die Möglichkeit eines Vorgehens durch Klage bejahte 143 sowie der ausdrücklichen Aussage in Nummer 4 Satz 2 der Durchführungsverordnung zum Erstattungsgesetz 144. 5. Inhaltliche Anforderungen an den Leistungsbescheid Von der Frage nach der Statthaftigkeit eines Leistungsbescheides zu trennen ist die Frage, welche Anforderungen an dessen Form und Inhalt zu stellen sind. Angesichts der für den Dienstherrn bestehenden Wahlmöglichkeit zwischen Leistungsbescheid und Klageerhebung kann ein an den Beamten gerichteter Schriftsatz entweder als verbindliche Regelung oder aber als bloße Zahlungsaufforderung, wie sie regelmäßig auch einer Klage voraus138 Herrschende Meinung: BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5, 18 (19); BVerwG, Urt. v. 24.11.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 7, 39 ff.; VGH Kassel, Urt. v. 23.03.1994, NVwZ 1995, 1227 (1227 f.); OVG Münster, Urt. v. 27.03.1995, NWVB1. 1996, 69 (69); Günther, DÖD 1991, S. 176; Hartmann/ Janssen/Kühn, Art. 85 BayBG Anm. 9; Hilg, § 31 IV 3 (S. 373 f.); Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 33; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 63. 139 Anderer Ansicht etwa: Maurer, § 10, Rn. 7. 140 BVerwG, Urt. v. 24.06.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6, 29 (31); BVerwG, Urt. v. 26.04.1968, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 10, 63 (64). 141 BVerwG, Urt. v. 24.06.1966, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6, 29 (31); Das vom BVerwG vorgebrachte weitere Argument, nur die Leistungsklage unterbreche die Verjährung des Ersatzanspruchs, hat sich dagegen durch § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erledigt. 142 OVG Münster, Urt. v. 14.02.1974, DVB1. 1974, 596 (596). 143 Soeben oben II. 1. a) bb) (2) und II. 1. b) bb) (2). 144 Oben II. 1. c).
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
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geht, zu verstehen sein 1 4 5 . Der Einhaltung formaler Anforderungen durch die Behörde kommt daher bei einem beabsichtigten Leistungsbescheid besondere Bedeutung zu. Denn bringt die Behörde ihren Willen, durch Verwaltungsakt handeln zu wollen, nicht unmißverständlich zum Ausdruck, so riskiert sie, ihre Forderung später nicht mehr realisieren zu können, da die bloße Zahlungsaufforderung die Verjährung des Anspruchs weder hemmt noch unterbricht. Aus dem Schreiben muß sich also hinreichend klar ergeben, daß ein verbindlicher Bescheid gewollt ist. Für die Auslegung des Schriftsatzes durch das Gericht kann etwa das Fehlen oder Vorhandensein einer Rechtsmittelbelehrung von Bedeutung sein, ohne daß dies allerdings zwingend wäre 1 4 6 . Es empfiehlt sich somit die ausdrückliche Bezeichnung als Leistungsbescheid 147 . Gemäß §§ 37 Abs. 1, 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwVfG des Bundes und der Länder muß der Leistungsbescheid ferner inhaltlich bestimmt sein und schriftlich begründet werden. Das Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Auch soweit eine Behörde zur vertraulichen Behandlung bestimmter Tatsachen verpflichtet ist, muß sich im Interesse einer sachgerechten Verteidung des Beamten hinreichend klar ergeben, wofür er zur Leistung herangezogen w i r d 1 4 8 . 6. Zusammenfassung Wahlweise zur Vorgehensweise auf dem Klageweg besteht heute für den Dienstherrn, der zugleich Anstellungsdienstherr des Beamten ist, die Möglichkeit, seine Schadensersatzforderung durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ausgenommen hiervon sind allerdings alle Ansprüche aus Amtshaftungsrückgriff, da für diese nach Art. 34 Satz 3 GG der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden darf. Ein entsprechender Leistungsbescheid des Dienstherrn muß sich deutlich von einer einfachen Aufforderung zur Zahlung unterscheiden, die Ansprüche hinreichend bestimmt bezeichnen und begründen.
145
BVerwG, Urt. v. 26.04.1968, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 10, 63 (64 f.); Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 32. 146 BVerwG, Urt. v. 26.04.1968, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 10, 63 (65). 147 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 62. 148 OVG Münster, Urt. v. 27.03.1995, NWVB1. 1996, 69 (69 f.). Beckmann
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
III. Die Aufrechnung gegenüber den Ansprüchen des Beamten aus dem Beamtenverhältnis 1. Grundsätzliche Statthaftigkeit der Aufrechnung Schließlich besteht für den Dienstherrn die Möglichkeit der Realisierung der Schadensersatzforderung durch Aufrechnung gegenüber den Ansprüchen des Schädigers aus dem Beamtenverhältnis 149 . Die Aufrechnung ist neben der Erhebung der Leistungsklage das traditionelle Mittel zur Durchsetzung der Ersatzforderung des Dienstherrn 150 . Praktische Bedeutung dürfte regelmäßig allein der Aufrechnung des Dienstherrn gegen die Ansprüche des Beamten auf Zahlung seiner Bezüge im Sinne von § 1 Absätze 2 und 3 BBesG zukommen 1 5 1 . Hierzu zählen vor allem der Anspruch auf das Grundgehalt, den Ortszuschlag sowie die Zulagen und Vergütungen. Die Aufrechnung ist ein ErfüllungssurTOgat mit schuldtilgender Wirkung. Durch die Aufrechnung erfüllt der Schuldner den Anspruch des Gläubigers dadurch, daß er seine Gegenforderung der Hauptforderung des Gläubigers rechnerisch entgegensetzt und auf diese Weise beide Forderungen, soweit sie sich decken, zum Erlöschen bringt 1 5 2 . Die grundsätzliche Statthaftigkeit der Aufrechnung im öffentlichen Recht ist heute unbestritten 153 . Der Grundgedanke der Aufrechnung, innerhalb eines Schuldverhältnisses den unwirtschaftlichen Austausch gleichartiger Leistungen zu vermeiden sowie die kostensparende und schonende Durchsetzung der eigenen Forderung zu ermöglichen, ist nicht auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen beschränkt, sondern gilt im Gesamtbereich rechtlicher Beziehungen 154 . Daß auch der Dienstherr mit Forderungen gegenüber dem Anspruch des Beamten auf Auszahlung von Dienst-, Versorgungs- oder sonstigen Bezügen aufrechnen kann, ergibt sich im Umkehrschluß aus den Vorschriften der § § 1 1 Abs. 2 BBesG, 51 Abs. 2 BeamtVG, 84 Abs. 2 BBG und 51 Abs. 2 BRRG, die den Anwendungsbereich der Aufrechnung durch den Dienstherrn im Regelfall auf den pfändbaren Teil beschränken und daher sachlogisch die Zulässigkeit einer Aufrechnung im Beamtenrecht voraussetzen 155 . Im Hinblick 149
Battis , § 78 BBG Rn. 14; Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 40. Für die frühere Rechtslage nach Art. 13 BayBG (1908) statt aller: Hösch, S. 44; für die Rechtslage nach § 23 DBG: Wittland, in: Nadler/Wittland/Ruppert, § 23 DBG Rn. 96. 151 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 30 a). 152 Schinkel/Seifert, in: Fürst (GKÖD III K), § 11 BBesG Rn. 20. 153 Vallendar, S. 52. 154 Ehlers, S. 446; Weidemann, S. 115. 155 BVerwG, Urt. v. 13.10.1971, DÖV 1972, 574 zu § 95 Abs. 2 LBG NW; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 84 BBG Rn. 22; Schmidt, S. 29; Weidemann, S. 115. 150
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
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auf den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn ergibt sich die Möglichkeit zur Aufrechnung zudem indirekt aus ihrer Anerkennung durch § 4 Abs. 1 ErstG. Der Aufrechnung des Dienstherrn kommt für sich allein keine Verwaltungsaktsqualität zu, sondern sie ergeht als schuldrechtliches Gestaltungsrecht in Form einer sogenannten verwaltungsrechtlichen Willenserklärung 1 5 6 . Erkennt der Beamte die Aufrechnung nicht an, so muß er folglich nach Durchführung des Vorverfahrens im Wege der allgemeinen Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht den nach seiner Auffassung nicht erloschenen Anspruch auf Bezüge einklagen (§§ 172 BBG, 126 Absätze 1 und 3 BRRG). Erklärt der Dienstherr die Aufrechnung dennoch in Form eines förmlichen Verwaltungsaktes und scheidet eine Auslegung als Leistungsbescheid mit anschließender Aufrechnungserklärung aus, so sind Widerspruch und Anfechtungsklage des Beamten gegen den Bescheid ohne weiteres begründet 1 5 7 . Denn der Dienstherr ist nicht befugt, die Aufrechnung durch Verwaltungsakt zu bewirken 1 5 8 . Die Aufrechnung hat nämlich zur Folge, daß die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Der Grundsatz der Rückwirkung der Aufrechnung auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufrechnungslage gilt im öffentlichen Recht gleichermaßen wie im Zivilrecht 1 5 9 . Die durch Verwaltungsakt bewirkte Aufrechnung führt somit im Falle ihrer Bestandskraft gegenüber einem Leistungsbescheid zu einer Mehrbelastung des Beamten. Diese Rückwirkung des Aufrechnungsbescheides erfordert nach dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes eine Ermächtigungsgrundlage, die weder § 387 BGB noch den §§ 11 Abs. 2 BBesG, 51 Abs. 2 BeamtVG, 51 Abs. 2 BRRG, 84 Abs. 2 BBG zu entnehmen ist. Aus ihnen ergibt sich nur die generelle Zulässigkeit einer Aufrechnung im Beamtenrecht, nicht jedoch die Zulässigkeit einer Aufrechnung gerade durch Verwaltungsakt 160 .
156 Herrschende Meinung: BVerwG, Urt. v. 27.10.1982, BVerwGE 66, 218 (220); Ehlers, S. 447 ff.; Schinkel/Seifert, in: Fürst (GKÖD III K), § 11 BBesG Rn. 25; Vallendar, S. 52. 157 Ehlers, S. 450. 158 Ehlers, S. 450; Schinkel/Seifert, in: Fürst (GKÖD III K), § 11 BBesG Rn. 25; anderer Ansicht: Battis, RdA 1986, S. 221; Weidemann, S. 117 (Fn. 54). 159 Heinrichs, in: Palandt, § 389 BGB Rn. 3. 160 Schinkel/Seifert, in: Fürst (GKÖD III K), § 11 BBesG Rn. 25. *
308
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
2. Einschränkungen der Aufrechnung unter Fürsorgegesichtspunkten Bedenken gegen die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs im Wege der Aufrechnung sind gelegentlich aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn abgeleitet worden. So hat etwa Kurz darauf hingewiesen, daß, selbst wenn sich der Beamte gegen seine Inanspruchnahme sofort mit den zulässigen Rechtsbehelfen zur Wehr setzen könne, doch nicht zu verkennen sei, daß sich die wirtschaftliche Lage und die verfahrensmäßige Stellung des Beamten durch die Aufrechnung zunächst verschlechtere 161 . Nach Scheerbarth sollte berücksichtigt werden, daß die Aufrechnung außer dem Aufdrängen eines Erfüllungssurrogates auch einen außergerichtlichen Selbsthilfezugriff auf die Gläubigerforderung darstelle. Ein solcher Selbsthilfezugriff im Über- Unterordnungsverhältnis passe aber nicht recht für das Vorgehen des zur Fürsorge verpflichteten Dienstherrn gegen den haftenden Beamten. Die Aufrechnung des Dienstherrn ohne vorherige Feststellung der Forderung durch Verwaltungsakt sei vielmehr ein „Relikt aus einem vergangenen Gleichordnungsdenken zwischen Dienstherrn und Beamten in vermögensrechtlichen Dingen" 1 6 2 . a) Unstreitige
Forderungen
und Bagatellbeträge
Unter diesem Aspekt unproblematisch ist eine Aufrechnung der Schadensersatzforderung aus §§78 BBG, 46 BRRG gegen die Ansprüche des Beamten auf Dienstbezüge jedenfalls dann, wenn der Beamte seine Ersatzpflicht anerkannt hat. In diesem Fall ist die Aufrechnung auch zweckmäßig, weil mit der Einlegung eines Rechtsbehelfs seitens des Beamten nicht zu rechnen i s t 1 6 3 . Stellt der Beamte seine Ersatzpflicht hingegen in Abrede, so ist die Aufrechnung des Dienstherrn ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn die Schadensersatzforderung einen Betrag von einhundert Deutschen Mark nicht oder nur geringfügig überschreitet. Einen Anhaltspunkt für eine derartige Wertgrenze ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 ErstG zu entnehmen, wonach von einem förmlichen Erstattungsbeschluß abzusehen ist, wenn ein Fehlbestand den Wert von einhundert Deutschen Mark nicht übersteigt. Diese Bagatellgrenze befreit den Dienstherrn nämlich nicht von der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs als solcher, sondern verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers, demzufolge Kleinbeträge „zur Vermeidung entbehrlicher Verwaltungsarbeit" 1 6 4 im Regelfall nicht im Wege eines förmlichen Erstattungsverfah161 162 163
Kurz, S. 246. Scheerbarth, ZBR 1963, S. 170. Riedmaier, PersV 1981, S. 228.
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
309
rens (und damit heute einhergehend auch nicht durch Leistungsbescheid), sondern auf anderem Wege - durch Aufrechnung - eingebracht werden sollen 1 6 5 . b) Hohe Schadensersatzforderungen
und Streitfälle
Bei höheren, bestrittenen Schadensersatzforderungen gegen den Beamten oder bei schwieriger Rechtslage wird man demgegenüber aus der Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge die Forderung ableiten müssen, die Aufrechnung nur im Gefolge eines zuvor ergangenen und bestandskräftig gewordenen Leistungs- bzw. Feststellungsbescheides zu erklären. Eine unter Beweisgesichtspunkten ausreichende förmliche Zustellung der schriftlichen Aufrechnungserklärung entspricht nicht den Anforderungen, welche die §§79 BBG, 48 BRRG insoweit an den Dienstherrn stellen. Die Verpflichtung des Dienstherrn zur Vorschaltung eines die Schadensersatzpflicht des Beamten konkretisierenden Verwaltungsaktes unter Fürsorgegesichtspunkten hat ihren Niederschlag zum Teil in den entsprechenden VerwaltungsVorschriften der einzelnen Bundesländer gefunden 166 . Dies ist vor allem deshalb zu begrüßen, weil das Bundesverwaltungsgericht in gefestigter Rechtsprechung davon ausgeht, daß die Aufrechnung im öffentlichen Recht im Ausgangspunkt ein von der Privatrechtsordnung gewährleistetes Mittel der Rechtsverteidigung darstellt, welches - jedenfalls grundsätzlich keine vorausgehende Geltendmachung durch Verwaltungsakt voraussetzt 167 . Deshalb entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen die Schadensersatzforderung konkretisierenden Leistungsbescheid nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch keine aufschiebende Wirkung im Hinblick auf die Aufrechnung. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage hindere allein die Vollziehung des Bescheides. Da die Aufrechnung jedoch gerade nicht voraussetze, daß überhaupt ein Leistungsbescheid ergangen sei, stelle sie sich folgerichtig auch nicht als dessen Vollziehung dar und sei somit unabhängig von der aufschiebenden Wirkung eines gegen den Leistungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs zulässig 168 . Aufgrund der beamtenrechtlichen Fürsorgeverpflichtung ist der 164 So die amtliche Begründung zu § 6 ErstG, wiedergegeben bei: Reuß, § 6 ErstG Anm. 3 (S. 218). 165 VGH Kassel, Urt. v. 23.03.1994, NVwZ 1995, 1227 (1228). 166 So etwa die VV Nr. 1. 2 zu § 84 LBG NW oder die Ausführungsvorschriften über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Landes Berlin gegen Dienstkräfte aus Dienstpflichtverletzungen vom 21. Januar 1987, Nr. 14 Absatz 2. 167 BVerwG, Urt. v. 13.10.1971, ZBR 1972, 188 (189); BVerwG, Urt. v. 27.10.1982, BVerwGE 66, 218 (221 f.); BVerwG, Urt. v. 13.06.1985, ZBR 1986, 87
(88).
168
BVerwG, Urt. v. 13.06.1985, ZBR 1986, 87 (88).
310
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
Dienstherr jedoch auch dort zum Erlaß eines der Aufrechnung vorausgehenden Verwaltungsaktes verpflichtet, wo entsprechende Verwaltungsvorschriften fehlen 1 6 9 . Hierfür spricht nicht zuletzt der praktische Gesichtspunkt, daß eine vorausgehende Festsetzung der Haftung durch Bescheid zu einheitlichen Verhältnissen führt, da der Beamte seine Rechte auf diese Weise durch Widerspruch und Anfechtungsklage wahren kann. Bei größeren Behörden wird so zudem eine Verlagerung der Betreuung des Rechtsstreits weg von dem zuständigen Dienstvorgesetzten hin zu den Besoldungsstellen vermieden170 3. Aufrechnung mit rechtswegfremder Gegenforderung aus Amtshaftungsrückgriff Schließt man sich der hier vertretenen Meinung an, wonach die Aufrechnung ohne vorausgehenden Verwaltungsakt aus Fürsorgegründen regelmäßig rechtswidrig ist, so ergibt sich zugleich, daß der Dienstherr mit einer von dem Beamten in Abrede gestellten Schadensersatzforderung aus Amtshaftungsrückgriff nach §§ 78 BBG, 46 BRRG i.V.m. Art. 34 Satz 2 GG nicht aufrechnen kann. Zwar wird die nach § 387 BGB analog erforderliche Gleichartigkeit der Forderungen nicht dadurch ausgeschlossen, daß Forderung und Gegenforderung in unterschiedlichen Rechtswegen durchgesetzt werden müssen 171 . Art. 34 Satz 3 GG sperrt jedoch die Möglichkeit des Vorgehens durch vorangehenden Leistungs- bzw. Feststellungsbescheid. Ferner ist eine Aufrechnung in den Fällen des Amtshaftungsrückgriffs auch wenig zweckmäßig. Denn erkennt der Beamte die Regreßforderung nicht an und klagt er daher im Verwaltungsrechtsweg auf Ausbezahlung seiner Dienstbezüge, so ist es dem Gericht wegen Art. 34 Satz 3 GG verwehrt, über die rechtswegfremde Gegenforderung selbst zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 Satz 2 G V G ) 1 7 2 . Das Verwaltungsgericht müßte den Rechtsstreit daher analog § 94 VwGO aussetzen und abwarten, bis der Dienstherr im Zivilrechtsweg einen rechtskräftigen Titel über die Forderung erhalten hat 1 7 3 . Bei streitiger Forderung wegen eines Amtshaftungsrückgriffs führt die Aufrechnung daher unter Umständen zu einer unnötigen Verdoppelung des gerichtlichen Verfahrens.
169
30b).
170 171 172
173
Monhemius, Rn. 622; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl,
Art. 85 BayBG Anm.
Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 85 BayBG Anm. 30 b) und d). Battis, RdA 1986, S. 221. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 84 BBG Rn. 23. Battis , RdA 1986, S. 221.
Α. Die Form der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
311
4. Grundsätzliche Beschränkung der Aufrechnung auf den pfändbaren Teil der Bezüge Hinsichtlich der Höhe der Aufrechnung sind dem Dienstherr durch die §§ 11 Abs. 2 BBesG, 51 Abs. 2 BeamtVG, § 84 Abs. 2 BBG und § 51 Abs. 2 BRRG Grenzen gesetzt. Danach kann der Dienstherr ein Aufrechnungsrecht gegenüber Ansprüchen des Beamten auf dessen Bezüge grundsätzlich nur in Höhe ihres pfändbaren Teils geltend machen. Bei höheren Schadensersatzforderungen wird eine Aufrechnung deshalb nur langfristig zur Befriedigung der Ersatzforderung führen. Den genannten Vorschriften liegt ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde, der auch in § 394 BGB Niederschlag gefunden hat 1 7 4 . Da die Dienst- und Versorgungsbezüge des Beamten als Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 850 ff. ZPO (§ 850 Abs. 2 ZPO) anzusehen sind, richtet sich ihre Pfändbarkeit nach den §§ 850 a 850i ZPO (§ 850 Abs. 1 Z P O ) 1 7 5 . Nur sofern gegen den Beamten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung besteht, gilt die Begrenzung der Aufrechnung auf den pfändbaren Teil der Forderung ausnahmsweise nicht (§§ 11 Abs. 2 Satz 2 BBesG, § 51 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG, § 84 Abs. 2 Satz 2 BBG, § 51 Abs. 2 Satz 2 BRRG). Der Begriff der vorsätzlich unerlaubten Handlung ist nicht gleichbedeutend mit der vorsätzlichen Dienstpflichtverletzung des Beamten 176 . Lediglich wenn diese gleichzeitig eine vorsätzlich deliktische Handlung beinhaltet, wird der Pfändungs- und Aufrechnungsschutz ausnahmsweise zu Lasten des Beamten durchbrochen 177 . Ausreichend ist es, daß dem Dienstherrn nach seiner Ansicht ein solcher Anspruch zusteht. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach § 39 Abs. 2 DBG ist die erweiterte Aufrechnungsmöglichkeit insoweit nicht mehr vom Vorliegen eines vollstreckbaren Titels abhängig 178 . Der der Aufrechnung vorausgehende Bescheid des Dienstherrn sollte aber die Feststellung einer vorsätzlich unerlaubten Handlung, insbesondere durch Nennung des verletzten Straftatbestandes oder durch Hinweis auf eine erfolgte straf- bzw. disziplinarrechtliche Verurteilung, substantiiert begründen 179 .
174
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 84 BBG Rn. 21. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 84 BBG Rn. 5. 176 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 84 BBG Rn. 28. 177 Schenkel/Seifert, in: Fürst (GKÖD III K), § 11 BBesG Rn. 36; anders: Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 72; Kümmel, § 86 Nds LBG Rn. 31 (wohl infolge eines Versehens). 178 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 84 BBG Rn. 28; Schenkel/Seifert, in: Fürst (GKÖD III K), § 11 BBesG Rn. 37. 179 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 27 b) und 30c). 175
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
Auch die §§ 11 Abs. 2 Satz 2 BBesG, 51 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG erlauben jedoch keine Existenzvernichtung des Beamten. Dem Beamten ist daher aus Gründen der Fürsorgepflicht - je nach den konkreten Gegebenheiten - so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf 1 8 0 .
B. Die Verteilung der Beweislast zwischen Dienstherrn und Beamten Erwägt der Dienstherr die gerichtliche oder außergerichtliche Geltendmachung der Schadensersatzforderung gegen den die Ersatzpflicht bestreitenden Beamten oder trägt sich der Beamte seinerseits mit dem Gedanken, Widerspruch bzw. Klage gegen die Geltendmachung der Forderung durch seinen Dienstherrn zu erheben, so stellt sich bereits bei der Abwägung des Kostenrisikos, spätestens jedoch während des gerichtlichen Verfahrens, die Frage, welche Partei die entscheidungserheblichen Tatsachen beweisen muß und welche Folgen eintreten, falls diese Tatsachen nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen werden können. Die Antwort geben die Grundsätze über die Verteilung der Beweislast. Aufgrund der bestehenden Rechtswegspaltung im Beamtenhaftungsrecht ist zunächst auf die Beweislastverteilung im Verwaltungsprozeß (I.) und sodann auf die Beweislast im Zivilprozeß (II.) einzugehen.
I. Die Beweislastverteilung im Verwaltungsprozeß Im Verwaltungsprozeß gilt der Untersuchungsgrundsatz. Nach der insoweit maßgeblichen Vorschrift des § 86 VwGO hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die Beteiligten dabei heranzuziehen, ohne jedoch an ihr Vorbringen und an ihre Beweisanträge gebunden zu sein (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Parteien des Verwaltungsprozesses trifft daher keine sogenannte formelle (subjektive) Beweislast, das heißt, sie müssen die entscheidungserheblichen Tatsachen weder durch Behauptung in den Prozeß einführen noch müssen sie diese beweisen 181 . Der Pflicht des Gerichts, die Parteien an der Aufklärung des Sachverhalts zu beteiligen, korrespondiert zwar eine gewisse Mitwirkungslast der Parteien im Sinne einer Obliegenheit 182 , jedoch keine eigentliche Behauptungs- oder Beweisfüh180 Wertung des § 850 f Abs. 2 ZPO; vgl. Battis , RdA 1986, S. 221; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 84 BBG Rn. 28; Schenkel/Seifert, in: Fürst (GKÖD III K), § 11 BBesG Rn. 38. 181 BVerwG, Urt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 22, 12 (16); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 39. 182 Günther, DÖD 1994, S. 55 f.
Β. Die Verteilung der Beweislast
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rungslast 183 . Gleichwohl kommt es auch im Verwaltungsprozeß im Falle der Unaufklärbarkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen und Zusammenhänge darauf an, zu wessen Lasten sich eine eventuell verbleibende Ungewißheit auswirkt. Das Gericht kann in diesem Fall die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ablehnen. Dem Justizgewährungsanspruch der Beteiligten entspricht ein Rechtsverweigerungsverbot der Gerichte 184 . In einer solchen Situation eines prozessualen non liquet fällt das Gericht die Entscheidung zu Lasten der beweisbelasteten Partei. Man spricht insoweit von materieller (objektiver) Beweislast 185 . Eine allgemeine Beweislasttheorie für das öffentliche Recht gibt es bis heute nicht. Die Verwaltungsgerichte legen daher die im Kern auf Rosenberg 186 zurückgehende und für das Zivilrecht entwickelte sogenannte Normbegünstigungsklausel zugrunde, wonach jede Partei mit dem Vorliegen der positivien wie negativen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm materiell beweisbelastet ist, soweit das Gesetz nicht ein anderes vorsieht 1 8 7 . Der Anspruchsteller trägt danach regelmäßig die Feststellungslast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen, der Anspruchsgegner das Risiko der Nichtbeweisbarkeit aller rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden 188 . Die Literatur hat zum Teil grundsätzliche Einwände erhoben und ein Denken in „Günstigkeits-Kategorien" im komplexen Staat-Bürger-Verhältnis als nicht sachgerecht angeprangert 189 . Sie hat ergänzend darauf hingewiesen, daß das öffentliche Recht anders als das Zivilrecht zumeist ohne Mitreflektierung der Beweislastfolgen normiert und systematisiert worden s e i 1 9 0 und daher teilweise für eine Beweislastverteilung nach der Beweisnähe („Sphärentheorie") plädiert 1 9 1 . Es erscheint angezeigt, zunächst auf die allgemein anerkannten Grundsätze der Beweislastverteilung im Beamtenhaftpflichtprozeß einzugehen (1.) und sodann die Besonderheiten in der Rechtsprechung (2.) und deren Rezeption in der Literatur aufzuzeigen (3.). Einige eigene Überlegungen sollen sich anschließen (4.).
183
Schnellenbach, ZBR 1995, S. 321. Schnellenbach, ZBR 1995, S. 321. 185 Badura, in: Erichsen, § 37, Rn. 7; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22 a); Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 39. 186 Rosenberg, S. 62 f. 187 BVerwG, Urt. v. 23.05.1962, BVerwGE 14, 181 (186); BVerwG, Urt. v. 22.06.1978, BVerwGE 56, 79 (84). 188 Für das Zivilrecht: BGH, Urt. v. 17.02.1970, BGHZ 53, 245 (250). 189 Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, S. 407. 190 Günther, DÖD 1994, S. 57; Nierhaus, BayVBl. 1978, S. 752. 191 Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, S. 430 ff. 184
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
1. Verteilung der materiellen Beweislast nach dem Normgünstigkeitsprinzip Nach der Normgünstigkeitsklausel trägt der Dienstherr im Verwaltungsprozeß unstreitig die materielle Beweislast dafür, daß der Schädiger zum Zeitpunkt der Schadensverursachung in einem Beamtenverhältnis stand, daß er eine ihm obliegende Dienstpflicht verletzt hat und daß daraus der öffentlichen Hand ein Schaden entstanden i s t 1 9 2 . In der Regel müssen diese Voraussetzungen zweifelsfrei erwiesen sein. Es gelten insoweit die Grundsätze über den Vollbeweis entsprechend § 286 ZPO, die es dem Richter verbieten, sich mit einer bloß überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu begnügen 193 . Erforderlich ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Beweisstärke 194 . Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat in diesem Zusammenhang entschieden, daß ein Schaden etwa dann nicht als erwiesen anzusehen ist, wenn nicht festgestellt werden kann, ob ein Kassenbeamter tatsächlich einen Fehlbestand verursacht hat oder der Fehler möglicherweise in einem fälschlich zu hoch errechneten Sollbestand der betreffenden öffentlichen Kasse liegt. Dies gelte auch insofern, als letztere Möglichkeit wegen des vom Dienstherrn eingerichteten Systems von Kontrollen als eher selten eingestuft werden müsse 195 . Demgegenüber gebietet es die Normbegünstigungsklausel, den Beamten in voller Höhe haften zu lassen, wenn ein Mitverschulden des Dienstherrn oder anderer Beamter, deren Verhalten sich der Dienstherr zurechnen lassen muß, nicht zur Gewißheit des Gerichts festgestellt werden kann 1 9 6 . Dies entspricht dem zivilrechtlichen Verständnis des § 254 BGB als vom Ersatzpflichtigen zu beweisender Einwendung 197 . Ebenso ergeht es dem Beamten, wenn das Vorliegen eines Härtefalls als Voraussetzung einer Stundung oder eines Erlasses der Forderung unbewiesen bleibt 1 9 8 . Diese Grundsätze über die Verteilung der materiellen Beweislast nach dem Normgünstigkeitsgedanken gelten unabhängig davon, welche Parteistellung Dienstherr und Beamter im Prozeß einnehmen 199 . Vielfach wird es 192
Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 48; Möx, S. 109; Nierhaus, BayVBl. 1978, S. 752 f. 193 Vgl. aber zur Möglichkeit der Schätzung der Schadenshöhe durch das Gericht gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 287 BGB wegen wiederholter Zugriffe des Beamten auf Gelder des Dienstherrn: BVerwG, Urt. v. 16.07.1998, DÖD 1999, 141. 194 Leipold, in: Stein-Jonas, § 286 ZPO Rn. 4. 195 OVG Hamburg, Urt. v. 17.12.1982, NVwZ 1983, 564 (564). 196 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 49; Möx, S. 109; Schnellenbach, ZBR 1995, S. 331 f. 197 Heinrichs, in: Palandt, § 254 BGB Rn. 82. 198 Vgl. Schnellenbach, ZBR 1995, S. 332 (zur Beweislast hinsichtlich von Ausnahmen aufgrund der Fürsorgepflicht).
Β. Die Verteilung der Beweislast
315
nämlich vom Zufall abhängen, ob der Beamte sich gegen die Inanspruchnahme durch Leistungsbescheid zur Wehr setzen muß und damit in die Parteirolle des Klägers gedrängt wird oder ob der Dienstherr seinerseits Leistungsklage erhebt und damit dem Beamten die Beklagtenstellung zuweist 2 0 0 2. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftung von Kassenbeamten Bei durchgehender Anwendung der Normgünstigkeitsregel wäre der Dienstherr auch hinsichtlich des Verschuldens des Beamten materiell beweisbelastet. Nach heutiger Gesetzeslage träfe ihn daher stets das Risiko der Nichterweislichkeit des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit auf Seiten des Beamten. a) Beweislastumkehr
nach dem Rechtsgedanken des § 282 BGB
Allerdings hatte schon unter Geltung des Allgemeinen Preußischen Landrechts das Reichsoberhandelsgericht 201 entschieden, daß ein Beamter, der Geld oder andere Sachen nicht zurückgeben konnte, die ihm amtlich zur Aufbewahrung oder Bewachung übergeben worden waren, den Verlust zu ersetzen hatte, sofern er nicht bewies, daß der Verlust ohne sein Verschulden eingetreten war. Dem hat sich später das Reichsgericht unter Berufung auf eine entsprechende Anwendung des § 282 BGB angeschlossen: „Der Beamte, dessen Obhut die Sache anvertraut ist, der amtlich verpflichtet ist, ihren Verlust und ihre Beschädigung zu verhüten, ist regelmäßig auch am besten in der Lage, einen dennoch eingetretenen Verlust oder die Ursache einer eingetretenen Beschädigung aufzuklären. Er ist deshalb auch verpflichtet, diese Aufklärung zu geben (.. . ) " 2 0 2 . Daran hat auch das Bundesverwaltungsgericht festgehalten. Es geht heute davon aus, daß bei Erstattungsfällen im Beamtenhaftungsrecht grundsätzlich der Rechtsgedanke des § 282 BGB anzuwenden ist, wenn die Ursache für einen in einer Kasse entstandenen Fehlbetrag nicht aufgeklärt werden kann 2 0 3 . Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sei es dabei für die Anwendbarkeit des § 282 BGB als solche unerheblich, daß der Schuld199
Schnellenbach, ZBR 1995, S. 322. Günther, DÖD 1994, S. 59; Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, S. 416 f. 201 RObHG, Urt. v. 10.04.1877, Rep. I. 279/77; später auch das RG, Urt. v. 28.04.1892, JW 1892, 315 für das gemeine Recht. 202 RG, Urt. v. 09.10.1910, RGZ 74, 342 (344). 203 BVerwG, Urt. v. 12.02.1971, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 15, 24 (30); BVerwG, Urt. v. 01.07.1971, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 16, 34 (36); BVerwG, 200
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
ner - wie dies heute bei Beamten durchweg der Fall ist - privilegiert hafte. Die Beweislastregel des § 282 BGB könne in besonderen Fällen auch einzelne Schuldformen betreffen 204 . Zwar beziehe sich § 282 BGB nach seiner systematischen Stellung zunächst nur auf den allgemeinen Haftungsmaßstab des § 276 BGB. Doch müsse der Schuldner gemäß § 276 BGB leichte Fahrlässigkeit nur vertreten, „sofern nicht ein anderes bestimmt ist". Hafte der Schuldner nach speziellem Recht also nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, so sei er auch lediglich im Hinblick auf das NichtVorliegen dieser beiden Verschuldensgrade beweispflichtig 205 . Folglich trägt ein Kassenbeamter regelmäßig das Risiko der Nichtfeststellbarkeit, daß die Pflichtverletzung unverschuldet oder nur einfach fahrlässig begangen wurde. Läßt sich nicht ausschließen, daß ihm ein grob fahrlässiger Fehler unterlaufen ist oder er sogar eine Unterschlagung begangen hat, ergeht das Urteil zu seinen Lasten. b) Einschränkungen Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch die Anwendung der Beweislastsonderregel des § 282 BGB in mehrfacher Hinsicht modifiziert und dem Beamten weitgehende „Beweiserleichterungen" eingeräumt. aa) Erleichterte Anforderungen an den „Entlastungsbeweis" im Rahmen des § 282 BGB zur Sicherung des Zwecks des Haftungsprivilegs Um zu vermeiden, daß ein Kassenbeamter wegen einer Heranziehung des § 282 BGB der damaligen Regelung der §§ 78 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F., 46 Abs. 1 Satz 2 a.F. BRRG zuwider schon bei leichter Fahrlässigkeit haftete, hat das Bundesverwaltungsgericht unter Anlehnung an die z i v i l 2 0 6 - und arbeitsgerichtliche 207 Rechtsprechung die Anforderungen an den „Entlastungsbeweis" des Beamten gemindert 208 . In diesem Zusammenhang ziUrt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 22, 12 (16); BVerwG, Urt. v. 08.02.1983, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 27, 3 (4). 204 BVerwG, Urt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 22, 12 (16) mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 19.05.1965, NJW 1965, 1583 (1584); ferner: Heinrichs, in: Palandt, § 282 BGB Rn. 4. 205 BVerwG, Urt. v. 15.09.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 25, 31 (36). 206 Nach RG, Urt. v. 09.11.1910, RGZ 74, 342 (344) sei „der zwingende Nachweis der Nichtschuld in den meisten Fällen nicht zu führen (...) und (werde) somit auch nicht verlangt". 207 BAG, Urt. v. 30.06.1960, AP Nr. 20 zu § 611 (Haftung des Arbeitnehmers). 208 BVerwG, Urt. v. 12.02.1971, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 15, 24 (30 ff.); BVerwG, Urt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 22, 12 (17).
Β. Die Verteilung der Beweislast
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tierte das Gericht insbesondere den auf Reuß 209 zurückgehenden Satz, wonach die Anforderungen an die „Beweisführung" des Beamten nicht überspannt werden dürften und die dem Kassenbeamten zuzubilligenden Beweiserleichterungen die praktische Anwendung dieser Beweislastregel „dicht an die Lehre vom prima-facie Beweis heran(rückten)" 210 . Nach der insoweit vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegten, nur leicht variierenden, Entscheidungsformel dürfen „die Anforderungen an die dem Beamten obliegende Entlastung (...) zwar nicht so gering sein, daß schon die bloße Möglichkeit eines von ihm nicht zu vertretenden Schadenseintrittes ausreicht, wodurch die Haftung faktisch ausgeschlossen wäre. Der Beamte wird aber andererseits oft schon dann als entlastet anzusehen sein, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, daß er die Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten hat, und erwiesen ist, daß er alle ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat. Der Entlastungsbeweis kann auch dadurch geführt werden, daß der Schuldner bei der gleichen Tätigkeit bisher den eine Haftung ausschließenden Grad von Sorgfalt beachtet hat. Dabei sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgebend. 211 " Bezog sich diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ursprünglich nur auf den hoheitlichen Bereich des Beamtenhandelns, muß sie nunmehr, nach der generellen Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, für alle Schadensfälle gelten 2 1 2 . bb) Erleichterte „Entlastungsmöglichkeit" bei nicht alleiniger und dauernder Beherrschung des Verantwortungsbereichs Eine darüber hinausreichende besondere „Entlastungsmöglichkeit" hat das Bundesverwaltungsgericht für den Fall anerkannt, daß nach den tatsächlichen Gegebenheiten ein Kassenbeamter den mit der Kassenführung verbundenen Gefahrenbereich nicht während der gesamten Dauer seines Dienstes ausschließlich beherrscht h a t 2 1 3 . Das Gericht beruft sich hierbei auf die beamtenrechtliche Treue- und Fürsorgepflicht, welche es gebiete, von dem Beamten nicht zu beseitigende und von ihm nicht entscheidend zu beeinflussende Gefahrenmomente nicht zu seinem Nachteil ausschlagen zu 209
Reuß, § 8 ErstG Anm. 9 Abs. 7 bis 9. BVerwG, Urt. v. 12.02.1971, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 15, 23 (31); BVerwG, Urt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 22, 12 (18). 211 BVerwG, Urt. v. 15.09.1977, Buchholz § 78 BBG, Nr. 25, 31 (37); zuletzt: BVerwG, Urt. v. 08.02.1983, Buchholz § 78 BBG, Nr. 27, 3 (5). 212 Möx, S. 109. 213 BVerwG, Urt. v. 12.02.1971, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 15, 23 (30); BVerwG, Urt. v. 15.09.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 25, 31 (36); BVerwG, Urt. v. 16.07.1998, DÖD 1999, 141 (142 f.). 210
318
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
lassen. Die Verantwortung des einzelnen Beamten reiche nicht über den ihm zugeordneten Gefahrenbereich, den er unter Ausschluß jeder fremden Einflußnahme allein beherrschen könne, hinaus. Vielmehr sei es Sache des Dienstherrn, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß auf die Schaffung von klar abgegrenzten Verantwortungsbereichen geachtet werde 2 1 4 . Voraussetzung für die Umkehrung der Beweislast nach § 282 BGB sei also regelmäßig, daß die Schadensursache unmittelbar und typischerweise dem Gefahrenbereich zuzuordnen sei, für den der Schuldner die Verantwortung trage 2 1 5 . cc) „Beweiserleichterung" bei besonderer Schadensträchtigkeit der Arbeit Schließlich wenden Bundesarbeitsgericht 216 und Bundesgerichtshof 217 die Beweislastregel des § 282 BGB dann nicht an, wenn die Tätigkeit des schadensverursachenden Bediensteten eine „schadens- bzw. gefahrgeneigte" im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechungsgrundsätze gewesen ist. Dem ist das Bundesverwaltungsgericht für den Bereich der Verantwortlichkeit des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ausdrücklich entgegengetreten. Es hat dazu auf seine Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit der Grundsätze der „gefahrgeneigten" Arbeit im Beamtenhaftungsrecht verwiesen 2 1 8 . Diese Rechtsfigur sei von der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit entwickelt worden, um bei einem mit der Eigenart der Dienstleistung zusammenhängenden gelegentlichen typischen Versagen zu einer aus Gründen der Billigkeit gebotenen differenziert geminderten Haftung zu kommen. Für eine billigkeitsbedingte Haftungsabstufung sei im Beamtenrecht aber gerade kein Raum, weil der Beamte ohnehin nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit hafte 2 1 9 . Gleichwohl zieht das Bundesverwaltungsgericht die Gefährlichkeit der von dem Beamten verrichteten Tätigkeit im Einzelfall heran, um zu einer gerechten Entscheidung zu gelangen. In bezug auf die Haftung eines Kassenbeamten der Deutschen Bundespost hat das Gericht beispielsweise ausgeführt: „Bei der im Gesamtinteresse der Postbenutzer geforderten schnellen Abwicklung des Postverkehrs lassen sich in Spitzenzeiten mit großem Publikumsandrang und erheblichen Barumsätzen auch bei einem sonst ge214 215 216 2,7 218 219
BVerwG, Urt. v. 12.02.1971, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. BVerwG, Urt. v. 25.05.1988, Buchholz 236.1 § 24 SG, Nr. BAG, Urt. v. 30.08.1966, BAGE 19, 66 (70). BGH, Urt. v. 10.07.1973, NJW 1973, 2020. BVerwG, Urt. v. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. BVerwG, Urt. v. 15.09.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr.
15, 23 (33). 12, 1 (3).
22, 12 (17). 25, 31 (35 f.).
Β. Die Verteilung der Beweislast
319
wissenhaften und zuverlässigen Beamten kleine Fehler und Unaufmerksamkeiten nicht immer ausschließen, ohne daß ihm der schwerwiegende Vorwurf grober Fahrlässigkeit oder gar des Vorsatzes gemacht werden könnte. (...) Dieses sich aus der Art der dem Beamten übertragenen Tätigkeit ergebene Risiko eines Fehlers oder einer Unachtsamkeit gebietet es, nicht zu hohe Anforderungen an den Nachweis des Nichtvertretenmüssens im Sinne von § 282 BGB zu stellen. 2 2 0 " Im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs führt die „Gefahr- bzw. Schadensgeneigtheit" der Tätigkeit nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts somit zwar nicht zur Unanwendbarkeit der Beweislastsonderregel des § 282 BGB, wohl aber zu einer (weiteren) erleichterten „Entlastungsmöglichkeit" bei der Feststellung des NichtVorliegens grober Fahrlässigkeit. 3. Rezeption der Rechtsprechung in der Literatur Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beweislastverteilung in Erstattungsfällen und hierbei insbesondere zur Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 282 BGB hat im Schrifttum nahezu einhellige Zustimmung gefunden 221 . a) Unklarheit über die Anwendung der Beweislastumkehr nach dem Rechtsgedanken des § 282 BGB außerhalb der Haftung für Kassenfehlbestände Zweifel bestehen jedoch, ob die diesbezügliche Rechtsprechung auch über den Bereich der eigentlichen Erstattungsfälle hinaus heranzuziehen ist, ob also der Beamte generell die materielle Beweislast für das Nichtvertretenmüssen des Schadens zu tragen hat. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl zufolge steht § 282 BGB in untrennbarem Zusammenhang mit Herausgabeansprüchen. Daraus sei zu schließen, daß nur Pflichtverletzungen unter die entsprechende Anwendung des § 282 BGB fallen könnten, die sich auf Herausgabepflichten zu Sachen bezögen, welche in die Obhut des Beamten gegeben sein 2 2 2 . Auch nach Meinung
220 BVerwG, Urt. ν. 20.04.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 22, 12 (18 f.); vgl. auch BVerwG, Urt. ν. 15.09.1977, Buchholz 232 § 78 BBG, Nr. 25, 32 (38). 221 Battis , § 78 BBG Rn. 7; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22 a); Schnellenbach, ZBR 1995, S. 331; Weiß/Niedermaier/Summer/ Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 14d); anderer Ansicht bisher: Cecior, in: Schütz, § 84 LBG NW Rn. 25 (Stand: 1993). 222 Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 85 BayBG Anm. 14 d).
320
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
von Schnellenbach ist etwaigen Bestrebungen, die Erstattungsfälle betreffende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin zu verallgemeinern, daß den Beamten, der objektiv seine Dienstpflicht verletzt habe, immer die materielle Beweislast für mangelndes Verschulden treffe, zu widersprechen 223 . Das überwiegende Schrifttum scheint insoweit anderer Ansicht zu sein 2 2 4 . Es sieht den Rechtsgrund für die entsprechende Anwendbarkeit des § 282 BGB nicht in einem Sachzusammenhang mit Herausgabeansprüchen des Dienstherrn, sondern in dem Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtlicher Sonderverbindung 225 , respektive in einer Analogie zu § 62 Satz 2 V w V f G 2 2 6 . Die Rechtsprechung zur Haftung von Kassenbeamten wird sohin offenbar als nur einer unter vielen Anwendungsfällen der Beweislastumkehr nach § 282 BGB verstanden. Auf dieser Linie liegt es, daß das Oberverwaltungsgericht Münster in seiner Entscheidung vom 10. August 1994 einen Beamten mit dem Beweis des NichtVerschuldens belastet hat, weil sich der genaue Hergang eines Unfalls im Straßenverkehr nicht mehr rekonstruieren ließ 2 2 7 . Nach Überzeugung des Gerichts sei die Verteilung der materiellen Beweislast durch Heranziehung des in § 282 BGB enthaltenen Rechtsgedankens auch in diesem Fall nicht unbillig, weil die Beweisnot des Gläubigers, wenn es um die Frage des Verschuldens des Schuldners gehe, typisch sei, wohingegen der Schuldner die Umstände des Vertretenmüssens regelmäßig kennt oder kennen könne 2 2 8 . Hiergegen hat Fleig wiederum eingewandt, das Oberverwaltungsgericht Münster bleibe jegliche Begründung dafür schuldig, warum es eine Beweislastumkehr analog § 282 BGB auch außerhalb sogenannter Erstattungsfälle vornehmen wolle. Sei die Heranziehung des Rechtsgedankens schon in letzteren Fällen nicht in allen Einzelheiten geklärt, so verbiete sich erst recht eine Übernahme dieser Beweislastregelungen für die Haftung des Beamten im Straßenverkehr. Eine solche Praxis könne ferner leicht zu einer Vernachlässigung der Sachverhaltsaufklärung führen 2 2 9 . 223
Schnellenbach, ZBR 1995, S. 331; ders., Beamtenrecht, Rn. 352. Vgl. den Einleitungssatz bei: Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22 a). 225 Kaster, S. 125; Möx, S. 109. 226 Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 39; Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, S. 112. 227 OVG Münster, Urt. v. 10.08.1994, NWVB1. 1995, 253 (254); so auch das OVG Schleswig, Urt. v. 20.02.1992, ZBR 1992, 385 (386) (Anwendung des § 282 BGB auf Labortätigkeiten). 228 OVG Münster, Urt. v. 10.08.1994, NWVB1. 1995, 253 (254). 229 Fleig, S. 472. 224
Β. Die Verteilung der Beweislast
b) Dogmatische Kritik
321
der Rechtsprechung von Nierhaus
Umfassend ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beweislastverteilung in Erstattungsfällen von Nierhaus gewürdigt worden. Die von ihm geübte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist vorwiegend dogmatischer Natur. So hat Nierhaus aufgezeigt, daß das Bundesverwaltungsgericht bisweilen in seinem Sprachgebrauch („Möglichkeit darzutun", „Beweisführung des Beamten", „Exkulpationsbeweis" etc.) in die Terminologie der Darlegungs- und formellen Beweislast überwechselt, ohne dies kenntlich zu machen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte, laut Nierhaus, deutlicher herausarbeiten müssen, daß dem Beamten selbst unter Zubilligung von Beweiserleichterungen nicht einmal indirekt Beweisführungspflichten auferlegt werden dürften, die ihm unter Herrschaft des Untersuchungsgrundsatzes nicht obliegen 2 3 0 . Ferner hat Nierhaus darauf hingewiesen, daß die zwischen „hinreichender Wahrscheinlichkeit" und „bloßer Möglichkeit" schwankende Judikatur zur entsprechenden Heranziehung des § 282 BGB in Mankofällen in der Vergangenheit zu einer sehr uneinheitlichen Rechtsprechung geführt habe, was einmal mehr die Befürchtung bestätige, daß Beweiserleichterungen, selbst wenn sie sachlich gerechtfertigt seien, eine Beweismaßinstabilität und in deren Gefolge eine große Rechtsunsicherheit mit sich brächten 231 . Im Ergebnis stimmt Nierhaus der Rechtsprechung dennoch zu, weil sie sich als besondere Ausprägung der von ihm befürworteten Beweislastverteilung nach „Sphären- bzw. Beweisnähegesichtspunkten" darstelle. Die Ableitungszusammenhänge zwischen der Gefahrbereichslehre und § 282 BGB könnten heute als anerkannt gelten. Neben dem einen Sachgrund der Leistungserwartung des Gläubigers, bei deren Enttäuschung dem Schuldner der Nachweis zugemutet werde, daß die Ursache der unterbliebenen Leistung ein von ihm nicht zu vertretender Umstand sei, beruhe die Beweislastverteilung des § 282 BGB eben auch auf der Wertung, daß regelmäßig der Schuldner zu den Gründen der ausgebliebenen Leistung eine größere Beweisnähe haben dürfte 2 3 2 . Auch die dem Beamten eingeräumten Beweiserleichterungen hält Nierhaus der Sache nach für gerechtfertigt, da sie sich aus einer teleologischen Auslegung des Haftungsprivilegs nach §§78 BBG, 46 BRRG ergäben 233 .
230 231 232 233
Nierhaus, Nierhaus, Nierhaus, Nierhaus,
21 Beckmann
BayVBl. 1978, S. 750. Beweismaß und Beweislast, S. 112. Beweismaß und Beweislast, S. 434. Beweismaß und Beweislast, S. 112.
322
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
4. Würdigung a) Grundsätzliche Beweislastverteilung
und Beweislastumkehr
Trotz des fehlenden Gleichordnungsverhältnisses zwischen Dienstherrn und Beamten bietet die privatrechtliche Beweislastrichtschnur der Normgünstigkeit hinsichtlich des Anspruches aus §§78 BBG, 46 BRRG zweifellos den geeigneten Ansatzpunkt für eine sachgerechte Verteilung der materiellen Beweislast. Die Anwendung dieser „Faustregel 234 ", die dem Dienstherrn regelmäßig das Risiko der Nichterweislichkeit eines Merkmals des gesetzlichen Tatbestandes auferlegt, findet ihre Rechtfertigung bereits in der engen Beziehung des beamtenrechtlichen Haftungsanspruchs zu den Schadensersatzansprüchen des Zivilrechts. Der Dienstherr hat folglich, unabhängig davon, ob er durch Leistungsklage, Leistungsbescheid oder Aufrechnung vorgehen will, einen Sachverhalt festzustellen, der grundsätzlich alle Merkmale des Schadensersatzanspruchs abdeckt, namentlich die Beamteneigenschaft, die Pflichtverletzung, das Verschulden, den Schaden sowie die Kausalität 235 . Die vom Bundesverwaltungsgericht in Erstattungsfällen vorgenommene Beweislastumkehr nach dem Rechtsgedanken des § 282 BGB belastet demgegenüber den Beamten mit der Gefahr der Nichterweislichkeit eines doppelten Tatbestandes: Hiernach trägt ein Kassenbeamter das Risiko eines non liquet, wenn sich nicht klar ergibt, daß der Kassenfehlbestand entweder durch einen Umstand eingetreten ist, den er nicht zu vertreten hat, oder daß eine festgestellte grob fahrlässige bzw. vorsätzliche Pflichtverletzung für den geltend gemachten Fehlbetrag nicht ursächlich geworden i s t 2 3 6 . Eine über das Verschulden und die in diesem Sinne verstandene Kausalität hinausreichende Beweislastumkehr zu Lasten des Beamten findet nicht statt. Eine Anwendung des § 282 BGB auch hinsichtlich der objektiven Dienstpflichtverletzung hat das Bundesverwaltungsgericht nicht begründen wollen und hätte es im übrigen, gegen die insoweit herrschende Zivilrechtsdogmatik, durch einen Rückgriff auf den bloßen der Norm zugrundeliegenden Rechtsgedanken auch nicht begründen können. Wenn das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit den Rechtsgedanken des § 282 BGB gleichwohl auch dann angewendet hat, wenn die eigentliche Schadensursache ungeklärt geblieben ist, so bedeutet dies keine Umkehr der objektiven 234
Schnellenbach, ZBR 1995, S. 322. Die Aufgabenwahrnehmung ist hingegen nach der hier vertretenen Ansicht kein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes, sondern ein bloßes Abgrenzungskriterium; oben 2. Kapitel A. II. 1. c). 236 OVG Schleswig, Urt. v. 20.02.1992, ZBR 1992, 385 (386); Nierhaus, BayVBl. 1978, S. 747; Emmerich, in: MünchKomm, § 282 BGB Rn. 15. 235
Β. Die Verteilung der Beweislast
323
Feststellungslast bezüglich der Pflichtverletzung 237 . Vielmehr ergibt sich die Pflichtverletzung in diesem Fall aus der dem Beamten obliegenden erfolgsbezogenen Pflicht, den Dienstherrn nicht zu schädigen, vorausgesetzt, daß der Beamte den ihm zugeordneten Gefahrenbereich allein beherrscht hat oder bei Anwendung der von ihm geforderten Sorgfalt hätte beherrschen können 2 3 8 . Es sei lediglich daran erinnert, daß, ginge man etwa mit dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim 2 3 9 davon aus, daß die Verletzung der allgemeinen Schadensabwendungs- und vorbeugungspflicht des Beamten stets auch einen Schuldvorwurf voraussetzte, das Schadensersatzbegehren des Dienstherrn in den Fällen unaufgeklärter Kassenfehlbestände bereits daran scheitern müßte, daß es an einer hinreichend erwiesenen Dienstpflichtverletzung des Beamten fehlt. Beachtet man diese Parameter einer Beweislastumkehr nach dem Rechtsgedanken des § 282 BGB, so wird man keine Bedenken tragen müssen, die Norm - vorbehaltlich näher zu bestimmender Beweiserleichterungen - auch in anderen als in Erstattungsfällen entsprechend anzuwenden. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 282 BGB auf die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ist hierbei durch den Charakter des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtlicher Sonderverbindung gerechtfertigt und auch geboten. Dies folgt nicht allein aus Sphären- und Wahrscheinlichkeitsüberlegungen, sondern bereits aus dem Gesichtspunkt der Haftungssymmetrie: Ziel der Annahme des Bestehens öffentlich-rechtlicher Sonderverbindungen ist es, den besonders engen Beziehungen zwischen Bürger und Staat durch die analoge Anwendung schuldrechtlicher Vorschriften Rechnung zu tragen 2 4 0 . Daher erkennt das Bundesverwaltungsgericht heute einen eigenständigen, in dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelnden Schadensersatzanspruch des Beamten gegen seinen Dienstherrn an, wenn letzterer die ihm gegenüber dem Beamten obliegenden Pflichten, insbesondere seine Fürsorgepflicht, verletzt hat 2 4 1 . Ein wesentlicher Grund für die Annahme eines vertragsähnlichen Anspruchs, der regelmäßig neben einen bestehenden Amtshaftungsanspruch tritt, besteht darin, dem Beamten die Beweislastumkehr des § 282 BGB zugute kommen zu lassen, indem der Dientherr den Prozeß verliert, wenn dessen Nichtver237 Anderer Ansicht: Düll, ArchPF 1976, S. 811; scheinbar auch: Nierhaus, BayVBl. 1978, S.747; ders., Beweismaß und Beweislast, S. 112 (Fn. 454). 238 Vgl. BAG, Urt. v. 06.06.1984, NJW 1985, 219 (229). 239 VGH Mannheim, Urt. v. 04.04.1973, ZBR 1974, 337 (339); oben 2. Kapitel A. II. 1. b) cc). 240 Ossenbühl, 8. Teil II. (S. 336 f.). 241 BVerwG, Urt. v. 24.08.1961, BVerwGE 13, 17; vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08. 1988, BVerwGE 80, 123 (125) zur Schadensersatzpflicht des Dienstherrn bei Verletzung des Grundsatzes der Bestenauslese; BVerwG, Urt. v. 28.05.1998, NJW 1998, 3288. 21
324
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
schulden offenbleibt 242 . Dann erscheint es aber konsequent, auch im umgekehrten Fall, also einer Schädigung des Dienstherrn durch den Beamten, § 282 BGB entsprechend anzuwenden und die Beweislast für das Nichtverschulden dem Beamten aufzubürden. Entgegen der im Schrifttum vertretenen Ansicht ist die grundsätzliche Anwendung des Rechtsgedankens des § 282 BGB daher nicht auf solche Haftungsfälle beschränkt, die im Zusammenhang mit Herausgabepflichten des Beamten stehen. Vielmehr gilt der Rechtsgedanke des § 282 BGB grundsätzlich in allen Fällen der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn im Innenverhältnis. b) Anforderungen
an das Beweismaß
Eine andere Frage ist es, wie einer etwaigen ungerechtfertigten Benachteilung des Beamten zu begegnen ist, wie also in diesen Fällen die Anforderungen an die dem Beamten obliegende „Entlastung" im Rahmen des § 282 BGB näher zu bestimmen sind, wenn einerseits der Haftungstatbestand der §§78 BBG, 46 BRRG zwar nicht leerlaufen, andererseits aber die Haftungsprivilegierung im Grundsatz erhalten bleiben soll. Bei der Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn erweist sich folglich die Problematik des anzuwendenden Beweismasses als das eigentlich neuralgische Moment. Es ist zwar heute im Zivilrecht allgemein anerkannt, daß es einer Beweislastumkehr analog § 282 BGB nicht entgegensteht, daß der Schuldner privilegiert haftet 2 4 3 . Eine Beweislastverteilung, die de facto der Intention des beamtenrechtlichen Haftungsprivilegs zuwiderliefe und nach der Prozeßerfahrung zu einer Haftung des Beamten schon für leicht fahrlässiges Fehlverhalten führte, müßte aber insbesondere im Hinblick auf Art. 34 Satz 2 GG auf ernstzunehmende Bedenken stoßen 244 . Die aus diesem Grund vom Bundesverwaltungsgericht dem Beamten im Rahmen einer richterlichen Rechtsfortbildung zugebilligten „Beweiserleichterungen" erweisen sich als überaus problematisch. Wenngleich das Gericht im Einzelfall zu gerechten Ergebnissen gelangt ist, hat es doch versäumt, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser „Beweiserleichterungen" bzw. „Beweislasterleichterungen" im Interesse der Rechtssicherheit hinreichend rechtssatzmäßig zu fixieren 2 4 5 . Die vom Bundesverwaltungsge242
BVerwG, Urt. v. 24.08.1961, BVerwGE 13, 17 (25); Schnellenbach, ZBR 1995, S. 332. 243 BGH, Urt. v. 23.12.1966, BGHZ 46, 260 (267); Emmerich, in: MünchKomm, § 282 BGB Rn. 18; Heinrichs, in: Palandt, § 282 BGB Rn. 4. 244 Nierhaus, BayVB1.1978, S. 750, der auch auf Art. 33 Abs. 5 GG verweist; dazu oben 1. Kapitel B. II. 245 Dazu allgemein: Leipold, in: Stein-Jonas, § 286 ZPO Rn. 50.
Β. Die Verteilung der Beweislast
325
rieht verwendete Formel, wonach zwar nicht schon die „bloße Möglichkeit", wohl aber eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit" des Nichtvertretenmüssens für die Entlastung des Beamten ausreiche, genügt diesem Anspruch nicht und beeinträchtigt damit die Voraussehbarkeit von Beweislastentscheidungen im Beamtenhaftungsrecht gravierend. Die daran insbesondere von Nierhaus geübte Kritik ist deshalb berechtigt. Auch der Hinweis des Gerichts auf die Nähe zum prima-facie-Beweis hat insofern keine Rechtssicherheit herbeigeführt, sondern ist - im Gegenteil häufig fehlinterpretiert worden. Gemeint war nicht etwa, daß für den Beamten im Rahmen der Beweislastumkehr nach § 282 BGB der Beweis des ersten Anscheins spreche, daß er seinen Dienst ordnungsgemäß verrichte 246 . Vielmehr sollten die Anforderungen an die dem Beamten obliegende Entlastung in ihrer praktischen Anwendung denjenigen Anforderungen gleichkommen, die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen an die Erschütterung eines Anscheinsbeweises gestellt werden 2 4 7 . Mit anderen Worten soll es ausreichen, wenn Umstände gegeben sind, die im konkreten Fall die ernsthafte Möglichkeit eines von dem Beamten nicht zu vertretenen Geschehensablaufes nahelegen 248 . Schließt man sich, ungeachtet der hier skizzierten Bedenken, der vom Bundesverwaltungsgericht in den Fällen unaufgeklärter Kassenfehlbestände vertretenen Überzeugung an, wonach eine solche „ernsthafte Möglichkeit" des Nichtvertretenmüssens bereits besteht, wenn der Beamte bei derselben Tätigkeit bisher die von ihm geforderte Sorgfalt beachtet hat, so kann auch bei einer Übertragung der Rechtsprechung auf andere Fallgestaltungen nichts anderes gelten. Dies führt im Ergebnis dazu, daß ein Beamter, welcher sich bei vergleichbarer Tätigkeit schon einmal einen schweren Sorgfaltsverstoß hat zuschulden kommen lassen, bei Unaufklärbarkeit des Vertretenmüssens regelmäßig zur Haftung herangezogen werden kann, während bei einem bisher pflichtgetreuen Beamten der Dienstherr nach dem Normgünstigkeitsgedanken mit dem Verschuldensnachweis materiell beweisbelastet bleibt, eine Inanspruchnahme des Beamten somit grundsätzlich nicht gelingt. Auch das Oberverwaltungsgericht Münster hätte daher in seiner Entscheidung vom 10. August 1994 Feststellungen dazu treffen müssen, ob sich der Beamte bisher im Straßenverkehr sorgfältig verhalten hat. Denn eine Übernahme der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Haftung von Kassenbeamten kann jedenfalls nicht ohne die vom Gericht im allgemeinen gewährten Beweiserleichterungen geschehen, da auch in ande-
246 247 248
So aber z.B. Kaster, S. 125; Nierhaus, BayVBl. 1978, S. 751. In diesem Sinne deutlich: Battis, § 78 BBG Rn. 7. Vgl. Heinrichs, in: Palandt, Vorbem. v. § 249 BGB Rn. 164.
326
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
ren Fallgestaltungen Sinn und Zweck des beamtenrechtlichen Haftungsprivilegs nicht gefährdet werden dürfen. I I . Die Beweislastverteilung im Rückgriffsprozeß vor dem Zivilgericht Im Bereich des Amtshaftungsregresses gegen den Beamten sind die Landgerichte zur Entscheidung berufen. Es gelten somit die Maximen des Zivilprozesses 249 . Wegen des Verhandlungsgrundsatzes korrespondiert der objektiven Beweislast der Parteien insoweit eine formelle Beweis- (führungs-) last. Dienstherr und Beamter haben daher das Vorliegen der Tatsachen, hinsichtlich derer sie materiell beweisbelastet sind, zu behaupten und dafür eigenständig Beweis zu erbringen 250 . Geht man davon aus, daß Dienstherr und Beamter im eigenen Interesse auch im Verwaltungsprozeß der ihnen obliegenden Mitwirkungslast (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO) verstärkt nachkommen werden und daß sich der Beamte auch im Verwaltungsprozeß regelmäßig eines anwaltlichen Beistandes bedienen wird, so dürften sich die Unterschiede in der Praxis allerdings kaum bemerkbar machen. I I I . Zusammenfassung/Ergebnis Bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn gegen den Beamten ist der Dienstherr grundsätzlich mit dem Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale der §§78 BBG, 46 BRRG materiell - beim Amtshaftungsrückgriff im Zivilrechtsweg darüber hinaus formell - beweisbelastet. Bei verbleibender Tatsachenungewißheit trägt er daher stets die Feststellungslast hinsichtlich der Nichterweislichkeit der Beamteneigenschaft des Schädigers, der Dienstpflichtverletzung, des Schadens und der haftungsausfüllenden Kausalität. Laut der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Haftung von Kassenbeamten trägt dagegen der Beamte nach dem Rechtsgedanken des § 282 BGB die materielle Beweislast in bezug auf das Verschulden. An die Annahme des Nichtvertretenmüssens des Beamten werden dabei jedoch nur geringe Anforderungen gestellt, um den Zweck des beamtenrechtlichen Haftungsprivilegs nicht in Frage zu stellen, vor allem soweit der Beamte den ihm zugeordneten Gefahrenberich nicht ausschließlich beherrschen konnte, das heißt, wenn ein Zugriff Dritter auch bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt des Beamten nicht auszuschließen war. Der danach 249 250
Oben Α. I. 1. Günther, DÖD 1994, S. 18.
C. Die Beteiligung der Personal Vertretungen
327
anzulegende Maßstab entspricht im praktischen Ergebnis denjenigen Anforderungen, welche im allgemeinen an die Erschütterung eines Anscheinsbeweises gestellt werden. Nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts soll es dafür regelmäßig ausreichend sein, daß der Beamte seinen Dienst bisher mit dem eine Haftung ausschließenden Grad von Sorgfalt verrichtet hat. Nach hier vertretener Auffassung beansprucht diese Rechtsprechung auch außerhalb der Haftung für Kassenfehlbestände Geltung. Geht man hiervon aus, so können die zu stellenden Anforderungen an die Annahme des Nichtvertretenmüssens jedoch in anderen Fällen keine höheren sein, weil die gesetzgeberische Entscheidung für ein umfassendes Haftungsprivileg auch insoweit zu respektieren ist. Dies läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß der Dienstherr bei einem bislang pflichtgetreuen Beamten nach der Grundregel der Normgünstigkeit mit dem Verschuldensnachweis belastet bleibt, soweit nicht besondere Umstände des einzelnen Falles für ein grobes Verschulden des Beamten sprechen. Zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse wird daher an die Gerichte zu appellieren sein, alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten voll auszuschöpfen und Beweislastentscheidungen hinsichtlich des Verschuldens des Beamten nach Möglichkeit zu vermeiden.
C. Die Beteiligung der Personalvertretungen an der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs Bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn gegen den Beamten kommt der Hinzuziehung der Personalvertretungen eine erhebliche praktische Bedeutung z u 2 5 1 . Zweck ihrer Beteiligung ist es, der für die Entscheidung zuständigen Stelle eine umfassende Beurteilung aller Umstände des einzelnen Falles zu ermöglichen 252 . Dabei haben die Personalräte auf eine gleiche und sozial gerechte Behandlung aller Beamten hinzuwirken 2 5 3 . Entsprechend der allgemeinen Bedeutung der Heranziehung zum Schadensersatz, ist die Kompromißbereitschaft der Beteiligten in diesem Bereich des Personalvertretungsrechts denkbar gering. Während die Personalvertretungen häufig auf Grundsatzpositionen beharren und die Zustimmung mit Hinweis auf die dienstliche Überlastung des Beamten oder auf soziale Ge251
Söllner/Reinert, S. 192. OVG Münster, Urt. v. 18.11.1982, ZBR 1983, 239 (240); Grabendorff/Winscheid/Ilbertz/Widmaier, § 76 BPersVG Rn. 53; Havers, § 72 LPersVG NW Erl. 67.1. 253 BVerwG, Beschl. v. 19.12.1990, Tebben/Zapfe § 76 BPersVG II 9 Nr. 1, 1 (3); GrabendorjfiWinscheid/Ilbertz/Widmaier, § 76 BPersVG Rn. 53. 252
328
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
sichtspunkte verweigern, sieht sich die Verwaltung aus Rechtsgründen zumeist daran gehindert, von einem begründeten Ersatzanspuch Abstand zu nehmen 254 . Dennoch ist die personalvertretungsrechtliche Mitbestimmung ein probates Mittel, wesentliche Anliegen der Gleichheit und der sozialen Gerechtigkeit in einer modernen Verwaltung zu verwirklichen. Auf Bundesebene bestimmt daher § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) 2 5 5 , daß der Personalrat im Wege der sogenannten eingeschränkten Mitbestimmung an der Geltendmachung des Ersatzanspruches zu beteiligen ist (I.). In den meisten Bundesländern bestehen ebenfalls Regelungen, deren Ausgestaltung im einzelnen jedoch höchst unterschiedlich ausfällt (II.). I. Das Mitbestimmungsrecht auf Bundesebene gemäß §§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9, Satz 2, 69 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BPersVG Eine Beteiligung des Personalrates an der Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Dienstherrn auf Bundesebene war bereits im Personalvertretungsgesetz von 1955 vorgesehen. Nach § 66 Abs. 3 BPersVG (1955) besaß der Personalrat aber lediglich das Recht zur Mitwirkung, nicht zur Mitbestimmung bei der Entscheidung der zuständigen Dienststelle. Auch der Entwurf eines neuen Bundespersonalvertretungsgesetzes vom Februar 1973 beließ es zunächst bei einer bloßen Mitwirkungsregelung 256 . Es entsprach jedoch den politischen Forderungen jener Zeit, das System der internen Willensbildung in den öffentlichen Verwaltungen durch eine Ausweitung des Mitbestimmungsrechts auf eine breitere Basis zu stellen. Auf Antrag des Innenausschusses im Dezember desselben Jahres wurde daher der Mitwirkungstatbestand bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die noch heute geltende eingeschränkte Mitbestimmungsregelung ersetzt 257 . Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG hat der Personalrat nunmehr bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen, mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Die Mitbestimmung erfolgt nach § 76 Abs. 2 Satz 2 BPersVG nur auf Antrag des Beamten; dieser ist daher von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen. Kommt eine Einigung zwischen Dienststelle und Personalrat nicht zustande, 254 255 256 257
Söllner/Reinert, S. 192. Gesetz vom 15. März 1974. BT-Drs. 7/176; § 75 I 1 Nr. 6 E-BPersVG (S. 17). BT-Drs. 7/1339; § 74a) II 1 Nr. 9 E-BPersVG (S. 35 f.).
C. Die Beteiligung der Personalertretungen
329
so kann der Leiter der Dienststelle oder der Personalrat die Angelegenheit binnen sechs Arbeitstagen gemäß § 69 Abs. 3 BPersVG auf dem Dienstwege den übergeordneten Dienststellen, bei denen Stufenvertretungen bestehen, vorlegen. Ergibt sich zwischen der obersten Dienstbehörde und der bei ihr bestehenden zuständigen Personalvertretung erneut keine Einigung, so ist die Einigungsstelle anzurufen (§§ 71, 69 Abs. 4 Satz 1 BPersVG). Der Beschluß der Einigungsstelle hat lediglich empfehlenden Charakter. Das Letztentscheidungsrecht steht somit der obersten Dienstbehörde zu (§§ 71 Abs. 4 Satz 2; 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG). 1. Voraussetzungen der Mitbestimmung durch die Personal Vertretung a) Antragserfordernis Zum Schutze der Persönlichkeitssphäre des Beamten erfolgt die Mitbestimmung des Personalrates auf Bundesebene nur nach vorausgehender Antragstellung des Beamten. Der Beamte soll eigenständig darüber entscheiden können, ob er sich der Hilfe des Personalrates bedienen oder die Kenntnis der Angelegenheit auf die dienstlich damit befaßten Personen beschränkt lassen w i l l 2 5 8 . Aus diesem Grund besteht eine Pflicht des Dienstherrn, den Beamten von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen (§ 76 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BPersVG). Dabei umfaßt die Pflicht zur Unterrichtung nach herrschender Meinung auch den Hinweis auf die Möglichkeit der Einschaltung der Personalvertret u n g 2 5 9 . Dies entspricht der Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge für den Beamten 2 6 0 . Unterbleibt der Hinweis, ist ein später ergangener Leistungsbescheid rechtswidrig und vom Verwaltungsgericht aufzuheben 261 . Der Antrag kann in jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens, also bis zum Erlaß eines Widerspruchsbescheides 262 , gestellt und sowohl an die Dienststelle als auch an den Personalrat gerichtet werden. Geht man davon aus, daß der Personalrat die Dienststelle seinerseits über einen an ihn gerichteten Antrag unverzüglich zu unterrichten hat, so besteht kein sach258
Söllner/Reinert, S. 192. OVG Münster, Urt. v. 18.11.1982, ZBR 1983, 239 (240); OVG Lüneburg, Urt. v. 10.12.1985, PersR 1986, 340 (340); Altvater, § 76 BPersVG Rn. 29; Fischer/Goeres, in: Fürst (GKÖD V K), § 76 BPersVG Rn. 54; Kümmel § 86 Nds LBG Rn. 37. 260 So auch die Motive: BT-Drs. 7/176 Begr. zu § 75 E-BPersVG (S. 34); anderer Ansicht: Cecior/Dietz/Vallendar, § 72 LPersVG NW Rn. 435. 261 Kümmel § 86 Nds LBG Rn. 37. 262 Fischer/Goeres, in Fürst (GKÖD V K), § 76 BPersVG Rn. 54; Grabendorff/ Winscheid/Ilbertz/Widmaier, § 76 BPersVG Rn. 55; Havers, § 72 LPersVG NW Erl. 67.2. 259
330
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
licher Grund, ausschließlich den Dienststellenleiter für empfangsbefugt zu erachten 263 . b) Bedeutung des Vorrangs gesetzlicher Regelung Dem Wortlaut des § 76 Abs. 2 Satz 1 BPersVG zufolge, bestimmt der Personalrat nur unter der negativen Voraussetzung mit, daß eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Damit wird berücksichtigt, daß bei Bestehen einer solchen Regelung bereits ein für alle Beschäftigten billiger Interessenausgleich herbeigeführt ist, der nicht zur Disposition des Mitbestimmungsverfahrens stehen soll 2 6 4 . Für Beamte hat insoweit nur der Gesetzesvorrrang praktische Bedeutung, da ihre Rechtsverhältnisse einer tariflichen Regelung nicht zugänglich sind 2 6 5 . Die Bedeutung des Gesetzesvorrangs im Hinblick auf die Mitbestimmung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG bei Beamten ist jedoch umstritten. aa) Ansicht des überwiegenden personalvertretungsrechtlichen Schrifttums und der Rechtsprechung Die personalvertretungsrechtliche Literatur 2 6 6 geht überwiegend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung 267 davon aus, daß die Mitbestimmung der Personalvertretungen nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG bei Beamten nicht am Gesetzesvorrang der Vorschrift scheitere. § 78 BBG, der hier allein als vorrangiges Gesetz in Frage komme, bestimme lediglich, unter welchen Voraussetzungen bei Beamten eine Ersatzpflicht entstehe. Die Durchsetzung dieses Ersatzanspruchs sei ein gesonderter Vorgang, der mitbestimmungstauglich sei 2 6 8 . Praktische Bedeutung erlange die Mitbestimmung jedoch nur dort, wo dem Dienststellenleiter bei der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs ein Ermessensspielraum zustehe. Wo hingegen eine Verpflichtung zur Geltendmachung des Anspruchs bestehe, werde sich die Mitbestimmung der Personalvertretungen auf eine bloße „Mitprüfung" bzw. „begleitende Rechtskontrolle" zu beschränken haben. 263
Havers, § 72 LPersVG NW Erl. 67.2; anders wiederum: Cecior/Dietz/Vallendar, § 72 PersVG NRW Rn. 435. 264 Dietz/Richardi, § 76 BPersVG Rn. 85 i.V. m § 75 BPersVG Rn. 175. 265 Dietz/Richardi, § 76 BPersVG Rn. 84. 266 Fischer/Goeres, in Fürst (GKÖD V K), § 76 BPersVG Rn. 53; Grabendorff/ Windscheid/Ilbertz/Widmaier, § 76 BPersVG Rn. 23; Haas, in: Lorenzen/Haas/ Schmitt, § 76 BPersVG Rn. 109. 267 OVG Münster, Beschl. v. 25.02.1980, PersV 1981, 335 (335). 268 Fischer/Goeres, in Fürst (GKÖD V K), § 76 BPersVG Rn. 54; Haas, in: Lorenzen/Schmitt/Etzel, § 76 BPersVG Rn. 109.
C. Die Beteiligung der Personalertretungen
331
bb) Auffassung von Walldorf Dagegen konstatiert Walldorf, daß im Rahmen des § 76 Abs. 2 BPersVG eine Mitbestimmung des Personalrates nur möglich sei, wenn und soweit eine materiellrechtliche Regelung überhaupt nicht vorliege 2 7 1 . Nur dann soll die Ausfüllung der Gesetzes- oder Tarifvertragslücke durch Mitbestimmung zwischen Dienststelle und Personalrat erfolgen. Da die Beamtengesetze jedoch die Haftung der Beamten in den §§78 BBG, 46 BRRG abschießend regelten, bedeute dies, daß der Rückgriff gegenüber Beamten schlechthin nicht mitbestimmungspflichtig sei. Andererseits begegne eine Reduzierung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Beamte auf ein reines „Mitbeurteilungsrecht", wie sie das Schrifttum mehrheitlich befürworte, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ein solches reines Mitspracherecht sei zwar i m Personalvertretungsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen, finde seine Grundlage aber in den allgemeinen Vorschriften über die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit von Dienststellenleiter und Personalrat in Verbindung mit der Verpflichtung, alle Beschäftigten recht und billig zu behandeln (§§ 2 Abs. 1, 66 Abs. 1 Satz 3 und 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG) 2 7 2 . cc) Stellungnahme Tatsächlich muß die Existenz eines echten personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungstatbestandes in Anbetracht der in § 78 BBG materiellrechtlich abschließend geregelten und grundsätzlich zwingenden Verpflichtung des Beamten zur Erbringung von Schadensersatz zunächst auf Verwunderung stoßen. Denn dort, wo eine Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter eine abstrakte Rechtsnorm erforderlich ist, bleibt kein Raum für ein „Bestimmen". Dies schließt Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die tatsächlichen Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Beamten auf Schadensersatz vorliegen, aber ebensowenig aus, wie darüber, ob der Anspruch ausnahmsweise zu stunden oder zu erlassen ist. Die herrschende Meinung erkennt die Lösung daher zu Recht in einer Reduktion des Mitbestimmungstatbestandes zu einer reinen „Mitbeurteilungskompetenz", wenn und 269
Dietz/Richardi, § 76 BPersVG Rn. 162; Grabendorjf/Winscheid/Ilbertz/Widamaier, § 76 BPersVG Rn. 53; Plander, S. 135. 270 BVerwG, Beschl. v. 19.12.1990, Tebben/Zapfe, § 76 II 9 BPersVG Nr. 1, 1 (5); ähnlich OVG Hamburg, Urt. v. 11.06.1982, ZBR 1983, 305 (306): („besonders strukturiertes Mitwirkungsrecht"). 271 Walldorf, S. 448. 272 Walldorf, S. 450.
332
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
soweit der Dienstherr, wie dies regelmäßig der Fall ist, keinen eigenen Entscheidungsspielraum besitzt. Diese „rechtliche Mitkontrolle" der Personalvertretungen ist indes kein Mittel, die Geltendmachung berechtigter Forderungen zu verhindern 273 . Die Personalvertretungen werden auch durch den Antrag des Beamten nicht zum alleinigen Anwalt seiner Interessen. Vielmehr haben sie die berechtigten Belange des Dienstherrn und der übrigen Beschäftigten ebenso mit in ihre Stellungnahme einzubeziehen wie das Interesse der Allgemeinheit an einer gerechten Verwendung von Steuermitteln 274 . Der Gesetzgeber des Jahres 1974 konnte diese schwierige Aufgabe der Personal Vertretungen bei Schaffung des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG voraussehen. Es kann kaum unterstellt werden, er habe durch den in § 76 Abs. 2 BPersVG vorgesehenen Vorrang zugunsten einer gesetzlichen Regelung das Mitbestimmungsrecht bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Beamte in § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG „leerlaufen" lassen wollen. Rechtsgrundlage der Befugnis der Personalvertretungen zur „rechtlichen Mitprüfung" bzw. „begleitenden Rechtskontrolle" ist daher - entgegen Walldorf - nicht etwa die allgemeine Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Personalrat und Dienststelle, sondern allein § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG als sachnähere und damit speziellere Regelung. c) Bestehen eines Ersatzanspruchs Der Begriff des Ersatzanspruches umfaßt all diejenigen Forderungen, welche aus dem Dienstverhältnis herrühren 275 . Streitig ist, ob es sich um einen Schadensersatzanspruch handeln muß oder ob unter den vom Gesetz verwendeten Begriff des Ersatzanspruches auch der auf eine ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Anspruch wegen Überzahlung von Dienstbezügen fällt 2 7 6 . Die Anwort auf diese Frage kann jedoch für die hier vorzunehmende Untersuchung von Schadensersatzansprüchen des Dienstherrn gegen den Beamten dahingestellt bleiben. Ansprüche aus § 78 BBG sind stets Ersatzansprüche im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG.
273
Bonk, in: Schäfer/Bonk, § 27 StHG Rn. 70. Cecior/Dietz/Vallendar, § 72 LPersVG NW Rn. 434; Havers, § 72 LPersVG NW Erl. 67.1. 275 Altvater, § 76 BPersVG Rn. 28 a). 276 Dafür: Altvater, § 76 BPersVG Rn. 28 a); dagegen: Haas, in: Lorenzen/ Schmitt/Etzel, § 76 BPersVG Rn. 109 a). 274
C. Die Beteiligung der Personalertretungen
333
d) Geltendmachung durch den Dienstherrn beabsichtigt Das Mitbestimmungsrecht des Personalrates setzt schließlich voraus, daß die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches gegen den Beamten „beabsichtigt" ist. Dies ergibt sich weniger aus § 76 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BPersVG als vielmehr aus Wortlaut und Sinn des § 69 Abs. 2 Satz 1 BPersVG. Danach unterrichtet der Leiter der Dienststelle den Personalrat von der „beabsichtigten" Maßnahme und beantragt dessen Zustimmung. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist eine Maßnahme erst dann beabsichtigt, wenn die diesbezügliche Willensbildung abgeschlossen ist. Der in § 69 Abs. 2 Satz 1 BPersVG geforderte Antrag des Dienststellenleiters auf Zustimmung des Personalrats, den dieser zugleich mit der Unterrichtung über die beabsichtigte Maßnahme stellen soll, setzt sachlogisch eine abgeschlossene Willensbildung voraus. Sonst wäre der Antrag nicht zustimmungsfähig und könnte nicht die Funktion der Billigung nach § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG auslösen 277 . Bewegt sich eine Maßnahme des Dienstherrn noch im Vorfeld der Geltendmachung eines Ersatzanspruches, so ist die entsprechende Absicht nicht abschließend geklärt und das Mitbestimmungsrecht folglich noch ausgeschlossen 278 . Die Personal Vertretung hat also keinen Anspruch auf eine gemeinsame Willensbildung mit der Dienststelle. Das ihr eingeräumte Mitbestimmungsrecht erschöpft sich in der Erklärung, ob sie mit der beabsichtigten Maßnahme des Dienststellenleiters einverstanden ist oder n i c h t 2 7 9 . Die vereinzelt vertretene Gegenmeinung folgert aus dem Gesetzeswortlaut des § 76 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BPersVG, wonach der Beschäftigte von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen ist, daß der Personalrat bereits an der Überprüfung des Schadensfalles vor allem bei der Ermittlung der Ursachen zu beteiligen s e i 2 8 0 . Dieses Ergebnis läßt sich jedoch aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht herleiten. Zum ersten ist der Vorschrift des § 76 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BPersVG nur zu entnehmen, wann der Beamte zu unterrichten ist, hingegen nicht, zu welchem Zeitpunkt der Personalrat mitzubestimmen hat. Zum zweiten spricht auch § 76 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BPersVG von der „beabsichtigten" Maßnahme, also gerade nicht von der bloßen Sachverhaltsermittlung. Letztlich ist die Stellung des Personalrates auch nicht derjenigen eines Verteidigers im Strafverfahren (vgl. §§ 163 a Abs. 4, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) vergleich277
OVG Münster, Beschl. v. 25.02.1980, PersV 1981, 335 (335). OVG Münster, Beschl. v. 25.02.1980, PersV 1981, 335 (335); Altvater, § 76 BPersVG Rn. 29; Grabendorff/Winscheid/Ilbertz/Widamaier, § 76 BPersVG Rn. 54. 279 OVG Münster, Beschl. v. 25.02.1980, PersV 1981, 335 (335 f.); Grabendorff/ Winscheid/Ilbertz/Widmaier, § 76 BPersVG Rn. 54. 280 Krieg/Orth/Welkoborsky, § 72 LPersVG NW (4) 11. 278
334
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
bar, mit der Folge, daß dieser auch schon bei der Tatsachenermittlung beizuziehen wäre 2 8 1 . Die Personal Vertretungen sind anders als ein Verteidiger nicht Interessenvertreter eines Mandanten, sondern auch dem Wohl der Allgemeinheit und der übrigen Beschäftigten verpflichtet 282 . Durch die hier vertretene Ansicht wird das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung nicht entwertet. Denn die Personalvertretung kann auch noch zu einem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung des Dienststellenleiters abgeschlossen ist, ihre Beurteilung des Falles vortragen und auf Aspekte der Gleichbehandlung und der sozialen Gerechtigkeit aufmerksam machen 283 . Der Dienststellenleiter muß den Hinweisen des Personalrates aufgrund seiner Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BPersVG in jedem Fall nachgehen und sie in seine endgültige Entscheidung einbeziehen 284 . 2. Umfang des Mitbestimmungsrechts Liegen diese Voraussetzungen vor, so vollzieht sich das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung nach überwiegender Rechtsauffassung in zwei Stufen: Es betrifft zum einen die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen (a), zum anderen, wenn und soweit die Personalvertretung bzw. die Einigungsstelle vom Vorliegen der haftungsbegründenden Voraussetzungen überzeugt ist, die Frage nach der Geltendmachung des Anspruchs im Einzelfall (b). a) Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen Ob der Personalrat durch § 76 Abs. 2 Nr. 9 BPersVG zur vollen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 78 BBG befugt ist, ist umstritten: aa) Ablehnende Ansichten Der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts hatte in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 1979 zunächst „obiter dictum" die Auffassung vertreten, „die Prüfung, ob die Voraussetzungen der Erstattungspflicht gegeben sind, (sei) nicht Aufgabe des Mitbestimmungsverfahrens oder des Beschlußverfahrens, sondern (finde) im Anfechtungsverfahren gegen den Lei281
OVG Münster, Beschl. v. 25.02.1980, PersV 1981, 335 (336). Soeben b) cc); Havers, § 72 LPersVG Erl. 67.1. 283 OVG Münster, Beschl. v. 25.02.1980, PersV 1981, 335 (335); Grabendorff/ Winscheid/Ilbertz/Widmaier, § 76 BPersVG Rn. 54. 284 So OVG Münster, Beschl. v. 25.02.1980, PersV 1981, 335 (335). 282
C. Die Beteiligung der Personalertretungen
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stungsbescheid statt" 2 8 5 . Im Schrifttum ist daraus zum Teil geschlossen worden, weder die Personalvertretungen noch die Einigungsstellen seien befugt, die materiellen Anspruchsvoraussetzungen der Schadensersatznorm zu prüfen 2 8 6 . In demselben Sinne hat auch das Oberverwaltungsgericht Berlin den Sechsten Senat interpretiert und dies darauf gestützt, daß dem Schutzbedürfnis des Beamten vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme auch ohne Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen durch die Personalvertretung hinreichend Rechnung getragen sei, da er diesen Schutz im Verwaltungsstreitverfahren um den Leistungsbescheid erhalte. Die gegenteilige Auffassung, wonach im Mitbestimmungsverfahren auch die materiellen Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen seien, könnte der Autorität der Einigungsstellen wie auch derjenigen der Fachspruchkörper für Personalvertretungssachen nur abträglich sein. Letztere hätten dann auch die Frage, ob der Beamte den Schaden grob fahrlässig verursacht habe, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in vollem Umfang und ohne Bindung an die Wertung der Einigungsstelle zu prüfen. I m personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren wäre der Schadensersatzprozeß vor dem Verwaltungsgericht somit in allen Einzelheiten vorwegzunehmen, was bei späterer Geltendmachung des Ersatzanspruchs die Gefahr in der Begründung widersprüchlicher gerichtlicher Entscheidungen in sich berge 2 8 7 . bb) Volle Mitbeurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen nach Auffassung des Sechsten Senats des Bundesverwaltungsgerichts sowie des herrschenden Schrifttums Überraschenderweise ist der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin im Rechtsbeschwerdeverfahren vom 19. Dezember 1990 mit der Begründung entgegengetreten, sie setze der personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung engere Grenzen, als Bundes- und Landesrecht sie vorzeichneten 288 . Der Senat legte nunmehr, eine Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung in Abrede stellend 2 8 9 , dar, die Personalvertretungen hätten durchaus auch über das Bestehen von Ersatzansprüchen mitzubestimmen. Die Einigungsstelle sei befugt, die materiellen Voraussetzungen eines Ersatzanspruches zu prüfen und hierüber eine Entscheidung zu treffen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen. Danach umfasse der Tatbestand 285 286 287 288 289
BVerwG, Beschl. v. 25.10.1979, ZBR 1980, 161 (161). Havers , § 72 LPersVG NW Erl. 67.1. OVG Berlin, Beschl. v. 29.09.1988, ZBR 1989, 380 (381). BVerwG, Beschl. v. 19.12.1990, Tebben/Zapfe, § 76 II 9 BPersVG Nr. 1, 1 (4). BVerwG, Beschl. v. 19.12.1990, Tebben/Zapfe, § 76 II 9 BPersVG Nr. 1, 1 (4).
336
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
der der Mitbestimmung unterliegenden „Geltendmachung" von Ersatzansprüchen sowohl das Stadium der Prüfung und Feststellung, ob überhaupt ein Ersatzanspruch gegen einen Beamten bestehe, als auch den weiteren Schritt der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Durchsetzung des festgestellten Ersatzanspruches. Für diese Auslegung sprächen auch Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes. Mit ihm solle auf die Gleichbehandlung der Beschäftigten hingewirkt und die Berücksichtigung sozialer Belange ermöglicht werden. Dies lasse sich nur dadurch verwirklichen, daß auch eine rechtliche Prüfung angestellt werde, insbesondere, ob der Schaden fahrlässig oder grob fahrlässig verursacht worden sei. Andernfalls würde die Mitbestimmung gerade bei der meist umstrittenen Frage des Verschuldens ihre Bedeutung verlieren 290 . Die überwiegende Literatur hat sich dem angeschlossen 291 . cc) Differenzierende Auffassung von Schnellenbach Eine differenzierende Auffassung wird insoweit von Schnellenbach vertreten 2 9 2 . Schnellenbach will den Umfang des Mitbestimmungsrahmens aus dem Zweck der Personalratsbeteiligung herleiten. Da es allein Aufgabe der Personalvertretungen sei, über die Gleichbehandlung und die Berücksichtigung sozialer Belange zu wachen, sei dem Personalrat die Mitbestimmung in solchen Punkten zu versagen, die weder mit der Gleichbehandlungsgewähr noch mit der individuellen Sozialverträglichkeit zu tun hätten. Dies seien namentlich die Bestimmung der Dienstpflichten des Beamten, die Frage nach dem Bestehen eines adäquat-kausalen Zusammenhangs zwischen Dienstpflichtverletzung und Schaden sowie die Frage, ob der Anspruch inzwischen verjährt sei. Demgegenüber habe die Personalvertretung mitzubeurteilen, ob ein die Haftung auslösender Grad von Verschulden seitens des Beamten vorliege, ob die Auslegung der Verschuldensfrage durch den Dienstherrn auf eine ausreichende Kontinuität hin ausgerichtet sei, ob diesen gegebenenfalls ein Mitverschulden treffe und ob letztlich alle entscheidungserheblichen Faktoren eingehend gewürdigt worden sein 2 9 3 . dd) Meinungsdiskussion und Stellungnahme Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit seiner jüngsten Entscheidung zur Reichweite des Mit290
BVerwG, Beschl. v. 19.12.1990, Tebben/Zapfe, § 76 II 9 BPersVG Nr. 1, 1 (3). Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, §78 BBG Rn. 57 a); Plander, S. 135; Söllner/Reinert, S. 192. 292 Schnellenbach, PersV 1991, S. 458; ders., Beamtenrecht, Rn. 341. 293 Schnellenbach, PersV 1991, S. 458 f. 291
C. Die Beteiligung der Personal Vertretungen
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bestimmungsrechts der Personalvertretungen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu seiner früheren Rechtsprechung in Widerspruch gesetzt hat und somit nicht besser daran getan hätte, seine bisherige Rechtsprechung in diesem Punkt ausdrücklich aufzugeben 294 . Im Ergebnis ist es zweifellos richtig, die Personalvertretungen generell als befugt anzusehen, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 78 BBG mitzubeurteilen. Wenngleich sich dies - insoweit entgegen der Auffassung des Sechsten Senats - nicht zwingend aus dem Wortlaut des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG ergibt, weil sich der Terminus „Geltendmachung" auch lediglich auf die Durchsetzung des Anspruchs beziehen ließe, so hat das Gericht jedoch überzeugend dargelegt, daß Sinn und Zweck des Mitbestimmungsverfahrens eine Mitprüfung insbesondere auch der Verschuldensfrage verlangen. Nach der allgemeinen Beschränkung der Haftung des Beamten durch das Neunte Dienstrechtsreformgesetz ist die Beurteilung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit zu der oft allein entscheidenden Frage geworden. Es wäre nicht hinnehmbar, dem Personalrat gerade in diesem Punkt, der das zentrale Gerechtigkeitsproblem darstellt und daher die Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände erfordert, ein Mitspracherecht zu verweigern. So hat etwa der Aspekt der dienstlichen Überlastung heute seinen Platz nicht mehr bei der Frage der Haftungsbegrenzung wegen „schadensgeneigter Arbeit", sondern bereits im Tatbestand bei der Beurteilung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit. Die gegenteilige Auffassung würde das Mitbestimmungsrecht in vielen Fällen seiner Bedeutung entheben. Die differenzierende Ansicht von Schnellenbach verkennt, daß der Zweck der Gleichbehandlungsgewähr es erfordert, daß der Personalrat sich mit allen Fragen befaßt, die sich bei der Inanspruchnahme eines Beamten auf Schadensersatz stellen. So ist es beispielsweise auch Aufgabe der personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung zu beurteilen, wie der Pflichtenkreis des Beamten beschaffen ist oder ob ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Dienstpflichtverletzung und Schaden besteht. Mögen diese Tatbestandsmerkmale in der Praxis nur selten Anlaß zur Diskussion bieten, so ist eine Ungleichbehandlung durch die Dienststelle auch in diesen Punkten denkbar und daher einer Mitbeurteilung durch die Personalvertretungen zugänglich. Auch erschiene es nicht hinnehmbar, die Personalvertretungen etwa mit begründeten Einwendungen zurückzuweisen, die sich auf die Verjährung des Anspruchs beziehen.
294
So Plander, S. 136.
22 Beckmann
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
b) Die Prüfung der Durchsetzung des Anspruchs Kommt die Personalvertretung zu dem Ergebnis, daß sie dem Ersatzanspruch nicht widersprechen kann, weil die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme gegeben sind, so hat sie weiterhin mitzubeurteilen, in welcher Höhe und auf welchem Wege der Anspruch geltend gemacht werden soll 2 9 5 . Raum für die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte und anderer einzelfallbedingter Umstände ist auf der Rechtsfolgenseite jedoch nur insoweit, als der Dienstherr ausnahmweise befugt ist, von der Heranziehung des Beamten in voller Höhe abzusehen: Folgt man der hier vertretenen Ansicht, wonach der Dienstherr gehalten ist, eine angemessene Aufteilung des Schadens unter mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Schadensverursachern vorzunehmen, so hat der Personalrat eine solche Aufteilung anzuregen und zu überprüfen 296 . In besonderem Maße wird sich die Personalvertretung ferner der Frage anzunehmen haben, ob die Voraussetzungen einer Stundung oder eines Erlasses nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BHO vorliegen. Schließlich leistet die Personalvertretung einen Beitrag zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit bei der Mitbestimmung über die Art und Weise der Geltendmachung des Anspruchs. Vor allem der Absicht des Dienstherrn, die Schadensersatzforderung im Wege der Aufrechnung gegen die Gehaltsforderung des Beamten durchzusetzen, ohne zuvor einen Leistungsbescheid zu erlassen und dessen Bestandskraft abzuwarten, wird der Personalrat mit Rücksicht auf die sozialen Belange des Beamten häufig erfolgreich widersprechen können 2 9 7 .
II. Die Beteiligung der Personalvertretungen auf Landesebene Die Landesgesetzgeber sind bei Erlaß der Landespersonalvertretungsgesetze nur an wenige rahmenrechtliche Vorschriften gebunden, welche im ersten Kapitel des zweiten Teils in den §§94 bis 106 BPersVG enthalten sind. Innerhalb dieser verhältnismäßig weiten Vorgaben sind sie zur näheren Ausformung des Mitbestimmungsrechts berechtigt. Auf Landesebene müssen daher mehrere Formen der Beteiligung an der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn unterschieden werden.
295
Grabendorff/Winscheid/Ilbertz/Widmaier, § 76 BPersVG Rn. 53; Schnellenback PersV 1991, S. 459. 296 Schnellenbach, PersV 1991, S. 459. 297 Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 333; ders., PersV 1991, S. 459 f.
C. Die Beteiligung der Personal Vertretungen
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1. Bundesländer mit uneingeschränktem Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen (Berlin, Hamburg) Anders als die bundesrechtliche Regelung sehen die Personalvertretungsgesetze der Länder Berlin und Hamburg eine Beteiligung des Personalrats in Form der sogenannten uneingeschränkten Mitbestimmung vor (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 PersVG Berlin 2 9 8 , § 86 Abs. 1 Nr. 18 PersVG Hamburg). Die uneingeschränkte Mitbestimmung zeichnet sich dadurch aus, daß die Einigungsstelle zur endgültigen und verbindlichen Entscheidung berufen ist, sofern im Verlauf des Mitbestimmungsverfahrens zwischen der obersten Dienstbehörde und der bei ihr gebildeten Stufenvertretung keine Einigung zustande kommt 2 9 9 . Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eines solchen Letztenscheidungsrechtes der Einigungsstelle bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Beamte ergeben sich aus der rahmenrechtlichen Regelung des § 104 Satz 3 BPersVG. Danach dürfen Entscheidungen, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, insbesondere solche in personellen Angelegenheiten der Beamten, nicht denjenigen Stellen entzogen werden, die der Volksvertretung verantwortlich sind. Fraglich ist daher, ob es sich bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Beamtenverhältnis um Entscheidungen im Sinne des § 104 Satz 3 BPersVG handelt, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Allgemeinheit nicht der Letztentscheidungkompetenz der obersten Dienstbehörde entzogen werden dürfen 3 0 0 . Das Bundesverwaltungsgericht hat dies zu Recht verneint. Denn die Entscheidung der Einigungsstelle bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen unterliegt der vollen gerichtlichen Rechtskontrolle im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren. Durch diese Rechtskontrolle ist sichergestellt, daß die zu beteiligenden Personalvertretungen sowie die Einigungsstelle keinen Spielraum für außerrechtliche Erwägungen haben, sondern sich auf eine reine rechtliche Mitkontrolle beschränken 301 . Soweit im Rahmen etwaiger Entscheidungen nach § 59 Abs. 1 LHO ein Ermessensspielraum verbleiben sollte, ist die Verwaltungsverantwortung durch das Erfordernis der Einwilligung des Senators 298
Gesetz vom 26. Juli 1974 (GVB1. S. 1669). Söllner/Reinert, S. 157. 300 Bejahend OVG Berlin, Beschl. v. 29.09.1988, ZBR 1989, 380 (380, 381) (der gesetzgeberische Ermessensspielraum bewege sich „zwischen der Einräumung eines eingeschränkten Mitbestimmungsrechts und derjenigen eines bloßen Mitwirkungsrechts"); vgl. Mühl, in: Fürst (GKÖD I K), § 78 BBG Rn. 40. 301 BVerwG, Beschl. v. 19.12. 1990, Tebben/Zapfe, § 76 II 9 BPersVG Nr. 1, 1 (5). 299
22*
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5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
der Finanzen bzw. des Finanzministers (vgl. § 59 Abs. 2 LHO Berlin) gewährleistet 302 . Die verstärkte Position der Personalvertretungen gegenüber dem Bundesrecht äußert sich zudem in einem Fortfall des Antragserfordernisses. Gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 4 PersVG Berlin, § 86 Abs. 1 Nr. 18 PersVG Hamburg bestimmt der Personalrat bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen eine Dienstkraft schon dann mit, wenn diese nicht widerspricht. Im Gegensatz zur bundesrechtlichen Mitbestimmungskonstruktion wird in den Ländern Berlin und Hamburg folglich vermutet, daß der Betroffene mit der Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens einverstanden ist. Die Aufgabenzuständigkeit der Personalvertretung entfällt nur auf dessen Widerspruch, der keiner Begründung bedarf 3 0 3 . Ebenso wie der Bundesbeamte und der Beamte in den Bundesländern mit Antragserfordernis auf die Möglichkeit der Einschaltung der Personalvertretung hinzuweisen sind, besteht in Berlin und Hamburg eine entsprechende Pflicht, den Beamten rechtzeitig auf sein Widerspruchsrecht aufmerksam zu machen 304 . 2. Bundesländer mit eingschränktem Mitbestimmungsrecht nach dem Vorbild des Bundespersonalvertretungsgesetzes (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen) Die Mehrzahl der Bundesländer ist beim Mitbestimmungsrecht bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen dem Vorbild des Bundes gefolgt und sieht ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen vor. Die Bestimmungen der §§79 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 PersVG Baden-Württemberg 30 5 und § 81 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9, 2 PersVG Sachsen 306 entsprechen der bundesgesetzlichen Regelung. Auch § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 11 PersVG Nordrhein-Westfalen 307 stimmt mit § 76 Abs. 2 Nr. 9 BPersVG nahezu wörtlich überein. Allerdings fehlt der Hinweis auf die Möglichkeit, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen. Ob der Landesgesetzgeber damit gegenüber der Bundesregelung mehr individuellen Schutz gewähren wollte, ist unklar 3 0 8 . 302
BVerwG, Beschl. v. 19.12. 1990, Tebben/Zapfe, § 76 II 9 BPersVG Nr. 1, 1
(5).
303
304 305 306 307
Walldorf, S. 449. Germelmann/Binkert, § 86 PersVG Bin Rn. 25. Gesetz vom 1. Oktober 1975 (GBl. S. 693). Gesetz vom 21. Januar 1993 (GVB1. S. 29). Gesetz vom 3. Dezember 1974 (GVB1. S. 1514).
C. Die Beteiligung der Personalertretungen
341
In den Bundesländern Bayern (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2 PersVG Bayern 3 0 9 ), Brandenburg (§ 63 Abs. 1 Nr. 23 PersVG Brandenb u r g 3 1 0 ) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 1 Nr. 23, Abs. 3 PersVG Mecklenburg-Vorpommern 311 ) wird die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Dienstherrn als personelle Angelegenheit der Beamten behandelt. Dies hat nach den Vorgaben des § 104 Satz 3 BPersVG ebenfalls zur Konsequenz, daß die Letztentscheidungsbefugnis bei der obersten Dienstbehörde liegt. Schließlich ordnet auch § 79 Abs. 2 Nr. 12 PersVG Rheinland-Pfalz 312 die Mitbestimmung bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen den eingeschränkt mitbestimmungspflichtigen personellen Einzelmaßnahmen zu. Anders als noch zuvor gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 PersVG Rheinland-Pfalz a . F . 3 1 3 ist die Mitbestimmung in Rheinland-Pfalz aber nicht mehr von einem Antrag des Beamten abhängig. 3. Bundesländer mît Allzuständigkeitsregelungen der Personalvertretungen (Bremen, Schleswig-Holstein) In den Ländern Bremen und Schleswig-Holstein ergibt sich aufgrund der hier geltenden Allzuständigkeit der Personalvertretungen (§ 52 PersVG Bremen, § § 2 , 51 M B G Schleswig-Holstein) im wesentlichen dieselbe Rechtslage. 4. Mitwirkungsrecht der Personalvertretungen (Hessen) Nur formal schwächer ist die Rechtsposition der Personalvertretungen in Hessen. Das hessische Personalvertretungsgesetz sieht i m Gegensatz zum Bundespersonalvertretungsgesetz sowie den meisten anderen Bundesländern keine „Mitbestimmung", sondern lediglich eine „Mitwirkung" des Personalrats vor. Nach der insoweit maßgeblichen Bestimmung des § 75 Abs. 2 PersVG Hessen 3 1 4 wirkt der Personalrat auf Antrag des Beschäftigten mit, bevor Ersatzansprüche gegen ihn geltend gemacht werden. Anträgen und Berichten der Dienststelle ist die Stellungnahme des Personalrats beizufügen. Eine wortgleiche Vorschrift bestand bereits in § 62 Abs. 2 PersVG Hessen a . F . 3 1 5 308 309 310 311 312 313 3,4
So Walldorf, S. 449. Gesetz vom 11. November 1986 (GVB1. S. 350). Gesetz vom 15. September 1993 (GVB1. I S. 358). Gesetz vom 24. Februar 1993 (GVB1. S. 125). Gesetz vom 8. Dezember 1992 (GVB1. S. 333). Gesetz vom 5. Juli 1977 (GVB1. S. 213). Gesetz vom 24. März 1988 (GVB1. I S. 103).
342
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
5. Herstellung des Benehmens zwischen Dienstherrn und Personalvertretung (Niedersachsen) Eine „Mitwirkungsregelung" existierte bis zum Jahre 1994 auch in Niedersachsen gemäß § 74 NdsPersVG a . F . 3 1 6 . An ihre Stelle ist nunmehr § 75 Nr. 7 NdsPersVG 317 getreten, wonach die Dienststelle bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen das Benehmen mit dem Personalrat herzustellen hat, wenn die Beteiligung beantragt w i r d 3 1 8 . Der Landesgesetzgeber hielt die in § 75 PersVG Niedersachsen aufgeführten Tatbestände ihres besonderen Charakters wegen nicht für mitbestimmungsfähig, andererseits sollten sie wegen ihrer Bedeutung auch nicht aus dem Beteiligungsverfahren ausgeklammert werden 3 1 9 . Daher eröffnet § 75 NdsPersVG eine neue, fortschrittliche Form der Beteiligung der Personalvertretung. Die Herstellung des Benehmens, die in § 76 NdsPersVG verfahrensmäßig ausgestaltet ist, erfordert ein Zusammenwirken der Dienststelle mit dem Personalrat mit dem Ziel einer sachbezogenen Verständigung und eines ernsthaften Eingehens auf alle geltend gemachten Einwendungen 320 . Nach § 76 Abs. 4 Satz 2 NdsPersVG liegt das Letztentscheidungsrecht auch hier bei der Dienststelle. Durch § 75 Nr. 7, 2. Halbsatz NdsPersVG wird außerdem gesetzlich klargestellt, daß die Dienststelle verpflichtet ist, den Beamten auf sein Antragsrecht zur Beteiligung des Personalrates hinzuweisen. 6. Keine Beteiligung der Personalvertretungen an der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs (Sachsen-Anhalt) Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches des Dienstherrn gegen den Beamten ist heute allein in Sachsen-Anhalt 321 nicht beteiligungsfähig.
III. Der Erlaß vorläufiger Regelungen Da die Einleitung des MitbestimmungsVerfahrens die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den Beamten weder hemmt noch unterbricht 3 2 2 , ist der Dienstherr bei drohendem Ablauf der Verjährungsfrist be315
Gesetz vom 2. Januar 1979 (GVB1. I S. 1). Gesetz vom 8. August 1985 (GVB1. S. 262). 317 Gesetz vom 2. März 1994 (GVB1. S. 95). 318 Bieler/Müller-Fritzsche, § 75 NdsPersVG Rn. 1. 319 Amtliche Begründung (S. 165), wiedergegeben bei: Bieler/Müller-Fritsche, § 75 NdsPersVG Rn. 1. 320 Fricke, § 75 NdsPersVG Rn. 2. 321 Personalvertretungsgesetz vom 10. Februar 1993 (GVB1. S. 56). 316
C. Die Beteiligung der Personal Vertretungen
343
rechtigt, einen Leistungsbescheid auch ohne vorherige Durchführung des Beteiligungsverfahrens zu erlassen, wenn dessen Vollstreckung bis zum Abschluß des MitbestimmungsVerfahrens ausgesetzt w i r d 3 2 3 . Rechtsgrundlage hierfür ist auf Bundesebene § 69 Abs. 5 Satz 1 BPersVG, wonach der Leiter der Dienststelle bei Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen kann. Sinn der Vorschrift ist es, zu gewährleisten, daß einerseits die Dienststelle die Möglichkeit erhält, im öffentlichen Interesse dringend gebotene Maßnahmen auch ohne die erforderliche Zustimmung des Personalrates treffen zu können, um die durch die Dauer des Mitbestimmungsverfahrens bedrohte Funktionsfähigkeit der Verwaltung sicherzustellen oder einen sonst der Allgemeinheit drohenden Nachteil oder Schaden abzuwenden. Andererseits darf auch die Mitbestimmung nicht einer Weise übergangen werden, die das Mitbestimmungsverfahren gegenstandslos werden läßt 3 2 4 . Die meisten Landespersonalvertretungsgesetze enthalten entsprechende Bestimmungen. Doch auch soweit die Landespersonalvertretungsgesetze diese Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsehen, schließt das Fehlen gesetzlicher Bestimmungen vorläufige Regelungen nicht aus. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts würde der Personalrat offensichtlich rechtsmißbräuchlich handeln, wenn er einem vorläufigen Leistungsbescheid, der zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung ergeht und dessen Vollstrekkung ausgesetzt ist, seine Zustimmung verweigerte 325 .
IV. Zusammenfassung Der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten unterliegt auf Bundes- wie auf Landesebene überwiegend der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung in Gestalt der eingeschränkten Mitbestimmung. Wegen des grundsätzlich abschließenden und zwingenden Charakters der Schadensersatzpflicht des Beamten beschränkt sich das Mitbestimmungsrecht jedoch weitgehend auf eine begleitende Rechtskontrolle. Aufgabe der Personalvertretungen ist es insoweit vor allem, zu einer gleichen Behandlung aller Beamten beizutragen und soziale Gesichtspunkte beizubringen, sofern diese vom Dienstherrn im Rahmen seiner Fürsorgepflicht berücksichtigt werden können. Letzteres ist nach hiesiger Rechtsauffassung jedoch nur bei der Schadensverteilung zwischen mehreren Gesamtschuld322 323 324 325
Siehe oben 2. Kapitel A. VI. 4. c). BVerwG, Beschl. v. 25.10. 1979, ZBR 1980, 161 (161). BVerwG, Beschl. v. 25.10. 1979, ZBR 1980, 161 (162). BVerwG, Beschl. v. 19.12.1990, Tebben/Zapfe § 76 II 9 Nr. 1 BPersVG, 1 (5).
344
5. Kap.: Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs
nern und bei der Beurteilung des Vorliegens eines Härtefalls im Sinne des Haushaltsrechtes der Fall. In den Bundesländern existieren teils weitergehende, teils hinter der Bundesregelung zurückbleibende Regelungen, die durchweg mit den rahmengesetzlichen Vorgaben vereinbar sind. Dem Wesen des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn dürften dabei diejenigen Regelungen am ehesten gerecht werden, die auf ein konstruktives Zusammenwirken von Dienststelle und Personalrat zielen, sei es durch Anhörung und Mitwirkung, sei es durch Herstellung des Benehmens.
Schlußbetrachtung Die Haftung des Beamten für die unmittelbare sowie mittelbare Schädigung seines Dienstherrn steht an der Grenze zwischen öffentlichem und privatem Recht. Historisch im bürgerlichen Recht gewachsen, ist der Schadensersatzanspruch heute über alle Fallgestaltungen hinweg unbestritten dem Beamtenrecht als Teil der Materie des besonderen Verwaltungsrechts zuzurechnen. Auf der Tatbestandsseite folgt hieraus eine starke strukturelle und funktionale Ähnlichkeit zu den Schadensersatzansprüchen des Zivilrechts, vor allem zu den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung. Dennoch sind die Voraussetzungen der beamtenrechtlichen Innenhaftung stets auch im Lichte der Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses, insbesondere unter Berücksichtigung der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn, auszulegen. Zentrales Element für eine gerechte Handhabung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn im Sinne des Fürsorgegedankens ist dabei die seit 1993 für hoheitliches und nichthoheitliches Handeln gleichermaßen Geltung beanspruchende Haftungsbeschränkung auf grob fahrlässige Dienstpflichtverletzungen. Die dem Schadensersatztatbestand zukommende rechtssichernde Funktion im Sinne einer Präventions- bzw. Sanktionswirkung sollte dagegen - entgegen neuerlichen Tendenzen in der Rechtsprechung - nicht überbewertet werden. Dem Dienstherrn steht in Gestalt des Disziplinarrechts ein geeigneteres Mittel zur Verfügung, die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt seitens der Beamtenschaft sicherzustellen. Der antizipierten Berücksichtigung von Gerechtigkeitserwägungen auf der Tatbestandsseite durch den Gesetzgeber entspricht es, daß auf der Rechtsfolgenseite für eine fürsorgebestimmte Ermessensentscheidung des Dienstherrn regelmäßig kein Raum mehr ist. Der Schadensersatzanspruch folgt insoweit öffentlich-rechtlichen, insbesondere haushaltsrechtlichen Grundsätzen, die es dem Dienstherrn gebieten, einen bestehenden Anspruch auch durchzusetzen. Die Fürsorgegeneralklausel der §§79 BBG, 48 BRRG kann hier nur noch bei der Aufteilung des Schadens unter mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Beamten Bedeutung gewinnen. Probleme bleiben bestehen bei der grob fahrlässigen Verursachung besonders hoher Schäden, deren Durchsetzung die wirtschaftliche Existenz des Beamten gefährden würde. Nach hier vertretener Auffassung kann eine
346
Schlußbetrachtung
sachgerechte Haftungsbegrenzung insoweit allerdings auch ohne unmittelbaren Rückgriff auf die Fürsorgepflicht durch eine konsequente Anwendung der haushaltsrechtlichen Stundungs- und Erlaßvorschriften erreicht werden, die in den Fällen einer erheblichen bzw. besonderen persönlichen Härte dem Beamten auch einen diesbezüglichen Rechtsanspruch verleihen. Ausnahmsweise, bei als besonders schadensträchtig erkannten Aufgaben, deren Wahrnehmung als ein sachlicher Härtegrund angesehen werden muß, kann auf haushaltsrechtlicher Grundlage sogar eine Haftungsfreistellung pro futuro in Frage kommen. Insgesamt wird man die beamtenrechtliche Haftungsregelung als fortschrittlich und den Anforderungen, die an ein modernes öffentliches Dienstrecht zu stellen sind, genügend bezeichnen können. Sollte der Bundesgesetzgeber in nicht allzu ferner Zukunkft - unter Beachtung der europarechtlichen Vorgaben - von seiner nunmehr aufgrund von Art. 74 Nr. 25 GG bestehenden Kompetenz zur Neuregelung des Staatshaftungsrechts Gebrauch machen und eine unmittelbare Staatshaftung einführen, so wird es für die der Außenhaftung korrelierende Innenhaftung bei der heutigen materiellen Rechtslage bleiben können. Eine weitergehende Abschmelzung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Beamten kommt nicht in Betracht. Reformbedarf besteht freilich, sieht man von der hier vorgeschlagenen Abschaffung des § 32 AO (1977) einmal ab, auf dem Gebiet des Prozeßrechts. Vorrangig ist insoweit die Änderung des Art. 34 Satz 3 GG, möglicherweise in eine allgemeine Rechtsweggarantie nach dem Vorbild des Staatshaftungsgesetzes von 1981, um einem einheitlichen Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten und damit einhergehend einer durchgehenden Befugnis des (Anstellungs-) Dienstherrn zur Durchsetzung seiner Ansprüche mittels Leistungsbescheides Platz zu machen.
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v. 05. 02. v. 23. 01. v. 28. 04. v. 28. 11. v. 26. 06. v. 19. 11. v. 09. 11. v. 22. 12. v. 20. 05. v. 22. 02. v. 13. 05. v. 09. 12. v. 30. 04. v. 11. 05. v. 17. 09. v. 30. 09. v. 13. 03. v. 02. 07. v. 26. 05. v. 05. 02. v. 28. 02. v. 05. 02. v. 04. 02. v. 08. 03. v. 21. 03. v. 04. 02. v. 18. 12.
1885 1890 1892 1905 1906 1907 1910 1910 1913 1918 1919 1919 1920 1920 1920 1921 1923 1926 1933 1935 1936 1937 1938 1940 1940 1941 1942 -
IV 315/84 - RGZ 12, 143 IV 338/89 - Gruchot, Bd. 34 (1890), 1119 JW 1892, 315 VII 604/04 - RGZ 62, 106 III 546/05 - RGZ 63, 430 III 134/07 - RGZ 67, 117 III 502/09 - RGZ 74, 342 RGZ 75, 251 III 405/12 - RGZ 82, 279 III 416/17 - RGZ 92, 236 III 545/18 - RGZ 95, 344 III 210/19 - RGZ 97, 263 III 229/19 - RGZ 99, 41 III 37/20 - RGZ 99, 79 III 92/20 - RGZ 100, 42 III 96/21 - RGZ 102, 391 III 60/22 - JW 1923, 988 III 387/25 - RGZ 114, 197 VII 69/33 - RGZ 141, 129 III 263/34 - RGZ 147, 129 III 135/35 - JW 1936, 2213 III 126/36 - JW 1937, 1548 III 138/37 - RGZ 157, 197 III 117/39 - RGZ 163, 129 V 4/40 - RGZ 163, 104 VI 111/40 - RGZ 166, 98 VII 65/42 - RGZ 170, 246
Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
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Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gutacht. v. 16. 06. 1954 - I PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 Urt. v. 01. 12. 1954 - II BvG 1/54 - BVerfGE 4, 115 Urt. v. 02. 12. 1958 - I BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 = NJW 1959, 189 = ZBR 1959, 48 Beschl. v. 14. 06. 1960 - II BvL 7/60 - BVerfGE 11, 203 Beschl. v. 24. 01. 1961 - II BvR 74/60 - BVerfGE 12, 81 Urt. v. 14. 03. 1972 - II BvR 41/71 - BVerfGE 33, 1 = DVB1. 1972, 385 = NJW 1972, 811 Beschl. v. 22. 05. 1975 - II BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 = DB 1975, 1555 = NJW 1975, 1641 Beschl. v. 15. 12. 1976 - II BvR 841/173 - BVerfGE 43, 154 = DÖV 1977, 562 = DVB1. 1977, 558 = EuGRZ 1977, 181 = NJW 1977, 1189 Beschl. v. 30. 03. 1977 - II BvR 1039/75 - BVerfGE 44, 249 = DÖV 1977, 633 = JZ 1977, 597 Beschl. v. 21. 12. 1977 - I BvL 1/75 - BVerfGE 47, 46 = DVB1. 1978, 263 = JZ 1978, 304 = MDR 1978, 380 = NJW 1978, 807 Beschl. v. 04. 02. 1981 - II BvR 570 - 631/76 - BVerfGE 56, 146 Beschl. v. 23. 06. 1981 - II BvR 1067/80 - BVerfGE 58, 68 Beschl. v. 20. 10. 1981 - I BvR 640/80 - BVerfGE 58, 257 = BayVBl. 1982, 146 = DÖV 1982, 239 = DVB1. 1982, 401 = NJW 1982, 921 Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe Beschl. v. 19. 10. 1971 - GemS - OBG 3/70 - BVerwGE 39, 355 = NJW 1972, 1411 Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts GS, Beschl. v. 25. 09. 1957 - I AZR 576/55, I AZR 577/55 - BAGE 5, 1 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO = BB 1958, 80 = NJW 1958, 235 = MDR 1958, 276 = VersR 1958, 54 Urt. v. 19. 03. 1959 - II AZR 402/55 - BAGE 7, 290 = AP Nr. 8 zu § 611 (Haftung des Arbeitnehmers) = BB 1959, 884 = NJW 1959, 1796 Urt. v. 30. 06. 1960 - AP Nr. 20 zu § 611 (Haftung) Urt. v. 30. 08. 1966 - I AZR 456/65 - BAGE 19, 66 Urt. v. 28. 04. 1970 - I AZR 146/69 - AP Nr. 55 zu § 611 (Haftung) Urt. v. 19. 04. 1974 - III AZR 379/73 - AP Nr. 22 zu § 611 (Haftung) Urt. v. 06. 06. 1984 - VII AZR 292/81 - NJW 1985, 219 Urt. v. 24. 11. 1987 - VIII AZR 524/82 - BAGE 57, 55 = NJW 1988, 2816 = NZA 1988, 579
360
Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
Urt. v. 12. 10. 1989 - VIII AZR 276/88 - BAGE 63, 127 = BB 1990, 65 = NZA 1990, 97 = MDR 1990, 274 = NJW 1990, 468 = ZTR 1990, 77 GS Beschl. v. 12. 06. 1992 - GS 1/89 - AP Nr. 101 zu § 611 (Haftung) = BB 1993, 1009 = JZ 1993, 908 = MDR 1993, 772 = NJW 1993, 1732 = NZA 1993, 547 = RdA 1993, 122 = ZBR 1994, 121 GS Beschl. v. 27. 09. 1994 - GS 1/89 (A) - NJW 1995, 210 Urt. v. 16. 03. 1995 - VIII AZR 898/93 - NZV 1995, 396 Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Urt. v. 22. 04. 1975 - VII R 54/72 - BFHE 116, 87 Urt. v. 08. 03. 1990 - IV R 34/89 - BFHE 160, 296 Beschl. v. 23. 10. 1990 - VII S 22/90 - NVwZ 1992, 511 Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Urt. v. 14. 02. 1951 - VersR 1951, 99 Urt. v. 08. 03. 1951 - III ZR 65/50 - BGHZ 1, 248 Urt. v. 03. 07. 1951 - 1 ZR 44/50 - BGHZ 3, 46 Urt. v. 25. 09. 1952 - III ZR 322751 - BGHZ 7, 198 Urt. v. 11. 05. 1953 - IV ZR 170/52 - BGHZ 10, 14 GS, Beschl. v. 20. 05. 1954 - GSZ 6/53 - BGHZ 13, 265 = NJW 1954, 1073 Urt. v. 10. 01. 1955 - III ZR 153/53 - BGHZ 16, 111 = AP Nr. 1 zu § 611 (Haftung des Arbeitnehmers) Urt. v. 25. 06. 1956 - III ZR 304/54 - ZBR 1956, 327 Urt. v. 27. 05. 1957 - III ZR 7/56 - BGHZ 24, 302 Urt. v. 13. 01. 1958 - III ZR 77/56 - ZBR 1958, 143 Urt. v. 22. 04. 1958 - VI ZR 65/57 - BGHZ 27, 137 Urt. v. 20. 10. 1958 - III ZR 101/57 - ZBR 1959, 18 Urt. v. 30. 01. 1961 - III ZR 225/59 - BGHZ 34, 206 Urt. v. 14. 03. 1961 - VI ZR 189/59 - BGHZ 34, 355 Urt. v. 27. 06. 1961 - VI ZR 205/60 - BGHZ 35, 317 Urt. v. 22. 01. 1962 - III ZR 171/60 - VersR 1962, 426 Urt. v. 11. 07. 1963 - III ZR 58/62 - LM Berl LBG Nr. 3 = DÖV 1964, 23 = MDR 1963, 991 = NJW 1963, 2168 Urt. v. 27. 04. 1965 - VI ZR 124/64 - BGHZ 43, 378 Urt. v. 19. 05. 1965 - I b ZR 97/63 - NJW 1965, 1583 Urt. v. 15. 04. 1966 - VI ZR 271/64 - BGHZ 45, 212 Urt. v. 23. 12. 1966 - V ZR 26/64 - BGHZ 46, 260 Urt. v. 06. 11. 1969 - VII ZR 159/67 - BGHZ 53, 43 Urt. v. 17. 02. 1970 - III ZR 139/67 - BGHZ 53, 245 Urt. v. 05. 05. 1970 - VI ZR 212/68 - BGHZ 54, 45
Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
Urt. v. 18. 05. 1971 - VI ZR 52/70 - BGHZ 56, 214 Urt. v. 14. 10. 1971 - VII ZR 313/69 - NJW 1972, 36 Urt. v. 07. 05. 1973 - III ZR 47/71 - BGHZ 60, 371 = NJW 1973, 1461 = ZBR 1973, 283 Urt. v. 12. 06. 1973 - VI ZR 163/71 - BGHZ 61, 51 Urt. v. 10. 07. 1973 - VI ZR 66/72 - NJW 1973, 2020 Urt. v. 06. 11. 1973 - VI ZR 27/73 - BGHZ 61, 346 Urt. v. 15. 01. 1974 - X ZR 36/71 - NJW 1974, 502 Urt. v. 12. 02. 1975 - VIII ZR 131/73 - BGHZ 63, 393 Urt. v. 10. 01. 1978 - VI ZR 164/75 - BGHZ 70, 199 Urt. v. 26. 04. 1979 - III ZR 178/77 - MDR 1980, 127 = VersR 1979, 1054 Urt. v. 16. 05. 1980 - V ZR 91/79 - BGHZ 77, 151 Urt. v. 22. 05. 1980 - III ZR 101/78 - DÖD 1980, 212 Urt. v. 01. 10. 1981 - III ZR 13/80 - NJW 1982, 1277 Urt. v. 21. 04. 1983 - III ZR 2/82 - BGHZ 87, 202 Urt. v. 16. 05. 1983 - III ZR 78/82 - BGHZ 87, 253 = JZ 1983, 764 Urt. v. 15. 11. 1983 - VI ZR 269/81 - BGHZ 89, 60 = MDR 1984, 304 = NJW 1984, 724 Urt. v. 19. 03. 1985 - VI ZR 190/83 -VersR 1985, 735 Urt. v. 23. 04. 1985 - VI ZR 91/83 - BGHZ 94, 173 Urt. v. 26. 09. 1985 - III ZR 61/84 - BGHZ 96, 50 = DVB1. 1986, 142 = MDR 1986, 563 = NJW 1986, 848 = VersR 1986, 180 Urt. v. 24. 10. 1985 - IX ZR 91/84 - BGHZ 96, 157 = NJW 1986, 576 Urt. v. 22. 04. 1986 - VI ZR 133/85 - DÖD 1986, 220 Urt. v. 27. 05. 1986 - III ZR 239/84 - BGHZ 98, 77 Beschl. v. 09. 07. 1986 - GSZ 1/86 -BGHZ 98, 212 = NJW 1987, 50 Urt. v. 15. 01. 1987 - II ZR 17/85 - NJW 1987, 2737 Urt. v. 07. 01. 1988 - IX ZR 7/87 - NJW 1988, 1262 Urt. v. 01. 03. 1988 - VI ZR 190/87 - BGHZ 103, 338 = JR 1989, 63 = NJW 1988, 2667 Urt. v. 10. 04. 1990 - VI ZR 174/89 - VersR 1991, 1032 Urt. v. 03. 12. 1991 - XI ZR 300/90 - BGHZ 116, 209 = NJW 1992, 555 Urt. v. 12. 12. 1991 - III ZR 18/91 - BGHZ 116, 312 = VersR 1992, 696 Beschl. v. 21. 09. 1993 - GmS OGB 1/93 - NJW 1994, 856 Urt. v. 28. 10. 1993 - III ZR 67/92 - BGHZ 124, 15 = BayVBl. 1994, 507 = DÖV 1994, 387 = NJW 1994, 660 =ZBR 1994, 153 Urt. v. 28. 10. 1993 - I ZR 220/91 - BGHZ 123, 394 = NJW 1994, 1220 = WM 1994, 428
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Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Urt. v. 17. 12. 1964 - III RK 65/62 - BSGE 22, 173 Urt. v. 09. 02. 1995 - VII RAr 78/93 - NZS 1996, 39 Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Urt. v. 24. 04. 1959 - VI C 91/57 - ZBR 1959, 224 Urt. v. 08. 09. 1960 - H C 247/56 - Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 4 = DÖV 1960, 952 = NJW 1961, 42 Urt. v. 07. 12. 1960 - VI C 65/57 - ZBR 1961, 277 Urt. v. 24. 08. 1961 - H C 165/59 - BVerwGE 13, 17 Urt. v. 14. 02. 1962 - V C 11 u. 16/61 -BVerwGE 14, 1 Urt. v. 23. 05. 1962 - VI C 39/60 - BVerwGE 14, 181 Urt. v. 20. 09. 1962 - H C 152/59 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 2 = DVB1. 1963, 184 = NJW 1963, 66 = ZBR 1963, 216 Urt. v. 25. 10. 1962 - VIII C 55/61 - BVerwGE 15, 78 Urt. v. 17. 07. 1963 - VI C 173/61 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 3 (Ls) = Buchholz 237.7 § 84 LBG NW Nr.l Urt. v. 17. 12. 1963 - H C 24/62 - BVerwGE 17, 286 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 4 = DÖV 1964, 269 = NJW 1964, 739 = RiA 1964, 209 = ZBR 1964, 145 Urt. v. 06. 05. 1964 - VIII C 394/63 - BVerwGE 18, 283 = DVB1. 1964, 921 = JuS 1964, 499 Urt. v. 17. 09. 1964 - H C 147/61 - BVerwGE 19, 243 = BayVBl. 1965, 203 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5 = DÖD 1965, 190 = DÖV 1965, 53 = DVB1. 1966, 146 = JuS 1965, 202 = MDR 1965, 230 = NJW 1965, 458 = VersR 1965, 700 = ZBR 1965, 87 Urt. v. 24. 06. 1966 - VI C 183/62 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 6 Urt. v. 21. 09. 1966 - V C 155//65 - BVerwGE 25, 72 Urt. v. 24. 11. 1966 - H C 27/64 - BVerwGE 25, 280 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 7 Urt. v. 28. 06. 1967 - VIII C 74/66 - BVerwGE 27, 245 Urt. v. 28. 06. 1967 - VIII C 68/66 - BVerwGE 27, 250 Urt. v. 25. 01. 1968 - H C 5/65 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 8 = ZBR 1968, 184 Urt. v. 26. 04. 1968 - VI C 113/67 - BVerwGE 29, 310 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 10 Urt. v. 30. 05. 1968 - H C 64/65 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 9 Urt. v. 23. 10. 1969 - H C 80/65 - BVerwGE 34, 123 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 12 = BayVBl. 1970, 99 = ZBR 1970, 127 Urt. v. 11. 03. 1970 - VI C 15/65 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 13 = DÖD 1971, 30 = DÖV 1971, 62 = RiA 1970, 156 Beschl. v. 11. 02. 1971 - VI Β 41/70 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 14 = DÖD 1971, 118 (Ls)
Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
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Urt. v. 12. 02. 1971 - VI C 15/66 - BVerwGE 37, 192 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 15 = DÖD 1971, 146 = RiA 1971, 135 = ZBR 1971, 213 Urt. v. 01. 07. 1971 - H C 5/70 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 16 = DÖV 1971, 565 = ZBR 1971, 213 Urt. v. 14. 07. 1971 - VI C 114/67 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 17 = DÖD 1971, 235 = RiA 1971, 215 Urt. v. 13. 10. 1971 - VI C 137/67 - DÖV 1972, 574 Beschl. v. 03. 02. 1972 - VI C 22/68 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18 = VRS 1972 (42), 385 Urt. v. 09. 02. 1972 - ZBR 1972, 210 Urt. v. 08. 08. 1973 - VI C 15/71 - BVerwGE 44, 27 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 19 = DÖD 1973, 247 = DVB1. 1974, 158 = ZBR 1973, 345 Urt. v. 29. 01. 1976 - H C 55/73 - BVerwGE 50, 102 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 21 = DÖD 1976, 213 = MDR 1976, 784 Urt. v. 17. 03. 1977 - VII C 64/75 - Buchholz 451.55 Nr. 48 Urt. v. 20. 04. 1977 - VI C 14/75 - BVerwGE 52, 255 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 22 = ArchPF 1978, 75 = BayVBl. 1978, 56 = DÖD 1978, 37 = DÖV 1978, 105 = ZBR 1977, 404 Urt. v. 29. 08. 1977 - VI C 68/72 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 23 = ZBR 1978, 236 Urt. v. 15. 09. 1977 - H C 41/74 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 25 Urt. v. 22. 06. 1978 - V C 17/77 - BVerwGE 56, 79 Urt. v. 10. 08. 1978 - H C 23/77 - Buchholz 238.4 § 31 SG Nr. 12 Urt. v. 12. 10. 1978 - H C 21/76 - Buchholz 238.4 § 24 SG Nr. 5 = VersR 1979, 658 Urt. v. 12. 10. 1978 - H C 6/78 - BVerwGE 56, 315 = NJW 1979, 885 = RiA 1979, 79 = ZBR 1979, 246 Beschl v. 25. 10. 1979 - VI Ρ 53/78 - Buchholz 238.3 A § 69 Nr. 3 = ZBR 1980, 161 Beschl. v. 18. 02. 1981 - II Β 4/80 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26 = DÖD 1981, 159 = PersV 1982, 244 = ZBR 1982, 179 Urt. v. 07. 05. 1981 - Buchholz 232 § 86 III Nr. 32 Urt. v. 29. 09. 1982 - VIII C 138/81 - NVwZ 1983, 222 Urt. v. 27. 10. 1982 - III C 6/82 - BVerwGE 66, 218 = NJW 1983, 776 Urt. v. 25. 11. 1982 - H C 12/81 - DÖV 1983, 898 Urt. v. 08. 02. 1983 - H C 82/81 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 27 = DÖD 1984, 21 = RiA 1983, 112 = Schütz, ES/B II Nr. 6 = ZBR 1983, 274 Beschl. v. 16. 03. 1984 - I DB 4/84 - BVerwGE 76, 142 Urt. v. 28. 05. 1984 - II Β 33/84 - DVB1. 1984, 959 = ZBR 1984, 307 Urt. v. 27. 06. 1984 - VI C 60/82 - BVerwGE 69, 331 = DVB1. 1984, 1224
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Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
Urt. v. 27. 06. 1984 - VI C 78/82 - BVerwGE 69, 334 Urt. v. 07. 12. 1984 - VI C 199/81 - BVerwGE 70, 296 Urt. v. 13. 06. 1985 - H C 43/82 - ZBR 1986, 87 Urt. v. 13. 06. 1985 - H C 42/84 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 28 (Ls) = Buchholz 237.0 § 96 LBG BW Nr. 1 = DÖD 1986, 35 = NVwZ 1985, 904 = RiA 1986, 95 = ZBR 1985, 337 Beschl. v. 13. 01. 1987 - II Β 119/86 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 30 (Ls) = Buchholz 237.1 Art. 85 Bay LBG Nr. 1 Urt. v. 12. 03. 1987 - H C 43/85 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 31 (Ls) = BayVBl. 1988, 26 = Buchholz 237.0 § 96 BaWü LBG Nr. 2 = DÖD 1987, 181 = ZBR 1987, 344 Urt. v. 24. 09. 1987 - H C 58/84 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 32 = ZBR 1989, 61 Urt. v. 24. 09. 1987 - H C 3/84 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 33 (Ls) = Buchholz 237.0 § 89 BaWü LBG Nr. 2 = DÖD 1988, 28 = DVB1. 1988, 347 = NJW 1988, 1682 = NVwZ 1988, 440 = ZBR 1988, 107 Urt. v. 24. 09. 1987 - H C 43/85 - Buchholz § 78 BBG Nr. 34 (Ls) = Buchholz 237.0 § 89 Nr. 3 = DÖD 1987, 181 = Schütz ES/B II 2 Nr. 16 = ZBR 1987, 344 Urt. v. 30. 10. 1987 - II Β 68/87 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 35 Urt. v. 25. 05. 1988 - VI C 38/85 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 36 (Ls) = Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 12 Urt. v. 25. 08. 1988 - H C 51/86 - BVerwGE 80, 123 = DVB1. 1989, 199 = NVwZ 1989, 158 Urt. v. 16. 12. 1988 - VI C 35/86 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 37 (Ls) = Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 13 = NJW 1989, 1232 = ZTR 1989, 164 Urt. v. 09. 03. 1989 - H C 21/87 - BVerwGE 81, 301 = Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 38 = DÖV 1989, 942 = NJW 1989, 2638 = RiA 1989, 242 = ZBR 1990, 82 Urt. v. 15. 08. 1989 - VI C 21/87 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 39 (Ls) = Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 14 = NVwZ 1990, 566 Urt. v. 07. 05. 1990 - VI C 40/88 - Buchholz § 24 SG Nr. 15 = NVwZ 1990, 1171 = ZBR 1991, 249 = ZTR 1990, 298 Urt.v. 23. 08. 1990 - VIII C 42/88 - DVB1. 1990, 1405 Beschl. v. 19. 12. 1990 - VI Ρ 24/88 - BVerwGE 87, 263 = Tebben, Zapfe § 76 II 9 BPersVG Nr. 1 = PersR 1991, 133 = PersV 1991, 277 = ZfPR 1991, 43 = ZBR 1991, 150 (Ls) Urt. v. 13. 05. 1993 - H C 1/92 - Buchholz 237.1 Art. 85 Bay LBG Nr. 2 = ZBR 1993, 335 Urt. v. 18. 05. 1994 - XI A 1/92 - BVerwGE 96, 45 Urt. v. 13. 10. 1994 - H C 20/93 - Buchholz 448.11 § 34 ZDG Nr. 1 Beschl. v. 08. 12. 1994 - II Β 101/94 - Buchholz 237.6 § 86 Nds LBG Nr. 3 = DÖD 1995, 134 = DVB1. 1995, 626 = NJW 1995, 978 = ZBR 1995, 107 Urt. v. 02. 02. 1995 - II A 5/92 - ZBR 1995, 242
Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
Urt. v. 22. 02. 1996 - H C 12/94 - Buchholz 237.6 § 86 Nds LBG Nr. 4 = NJW 1996, 2175 = NVwZ 1996, 1027 Urt. v. 16. 01. 1997 - IV A 12/94 - BVerwGE 104, 29 Urt. v. 19. 06. 1997 - II C 21/96 - Buchholz 237.7 § 84 NW LBG Nr. 7 = NJW 1997, 3455 Urt. v. 28. 05. 1998 - I I C 29/27 - NJW 1998, 3288 Urt. v. 16. 07. 1998 - II C 12/98 - DÖD 1999, 141 = NVwZ 1999, 77 Urt. v. 11. 03. 1999 - II C 15/98 - DÖV 1999, 645 Urt. v. 21. 10. 1999 - II C 27/98 - ZBR 2000, 240 Rechtsprechung des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs Urt. v. 11. 07. 1972 - IV 246/71 - ZBR 1972, 344 Urt. v. 04. 04. 1973 - IV 180/71 - ZBR 1974, 337 Urt. v. 12. 06. 1979 - IV 213/77 - DÖD 1980, 62 Urt. v. 05. 03. 1982 - IV 301/79 - DÖD 1983, 62 = NVwZ 1983, 482 = Schütz ES/B II 2 Nr. 1 Urt. v. 29. 04. 1982 - IV 3127/77 - Schütz ES/B II 2 Nr. 3 = ZBR 1983, 71 Urt. v. 08. 05. 1984 - IV S 2792/83 - ZBR 1985, 115 Urt. v. 16. 06. 1994 - II S 2552/93 - VB1BW. 1995, 21 Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Urt. v. 03. 11. 1964 - VIII 82/63 - DVB1. 1966, 151 Urt. v. 22. 12. 1982 - III Β 82 A/400 - Schütz ES/B II 2 Nr. 5 Urt. v. 13. 03. 1991 - III Β 90/1773 - BayVBl. 1991, 593 = DÖD 1993, 41 = ZBR 1992, 189 Urt. v. 28. 02. 1996 - III Β 95/1014 - DÖD 1997, 205 Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts Urt. v. 14. 01. 1965 - Bf II 20/64 - MDR 1966, 177 Urt. v. 11. 06. 1982 - Bf I 59/79 - ZBR 1983, 305 Urt. v. 17. 12. 1982 - I 56/81 - NVwZ 1983, 564 = RiA 1983, 114 Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs Urt. v. 29. 09. 1964 - OS I 50/63 - DVB1. 1966, 150 Urt. v. 16. 11. 1965 - OS I 104/63 - JZ 1966, 576 Urt. v. 18. 01. 1966 - ZBR 1966, 194
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Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
Urt. v. 07. 11. 1967 - OS I 86/66 - ZBR 1968, 219 Urt. v. 02. 11. 1988 - 1 OE 31/83 - Schütz, ES/B II 2 Nr. 18 Urt. v. 23. 03. 1994 - I UE 4834/88 - NVwZ 1995, 1227 Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts Urt. v. 10. 12. 1985 - V A 31/84 - PersR 1986, 240 (Ls) Urt. v. 14. 01. 1986 - II A 89/84 - NVwZ 1987, 522 = ZBR 1987, 21 Urt. v. 22. 03. 1994 - V L 506/92 - NdsVBl. 1994, 37 Rechtsprechung des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts Urt. v. 10. 09. 1968 - I A 67/66 - ZBR 1969, 84 Urt. v. 18. 08. 1970 - I A 818/69 - RiA 1971, 17 Urt. v. 10. 05. 1973 - IV A 295/71 - ZBR 1975, 54 Urt. v. 14. 02. 1974 - VI A 755/72 - DVB1. 1974, 596 Urt. v. 13. 10. 1976 - VI A 369/74 - DÖD 1977, 141 = RiA 1977, 112 = ZBR 1977, 157 Beschl. v. 25. 02. 1980 - CL 28/79 - PersV 1981, 335 Urt. v. 18. 11. 1982 - I A 1211/80 - ZBR 1983, 239 Urt. v. 17. 02. 1984 - VI A 1177/81 - DÖD 1985, 44 = NVwZ 1985, 208 = Schütz ES/B II 2 Nr. 10 = ZBR 1984, 341 Urt. v. 04. 03. 1986 - XII A 225/85 - DVB1. 1986, 1165 Urt. v. 06. 03. 1986 - I A 2441/84 - RiA 1986, 187 Urt. v. 12. 12. 1988 - XVI A 1669/87 - NJW 1989, 2561 Urt. v. 12. 02. 1990 - XII A 1511/87 - DÖD 1990, 277 = RiA 1991, 148 = ZBR 1991, 123 Urt. v. 14. 11. 1991 - XII A 1255/88 - NVwZ 1992, 597 = NWVB1. 1992, 174 Urt. v. 16. 08. 1993 - XII A 2290/91 - NVwZ-RR 1994, 225 Urt. v. 10. 08. 1994 - VI A 300/92 - NWVB1. 1995, 253 = NVwZ-RR 1995, 409 Urt. v. 27. 03. 1995 - I A 2113/90 - NWVB1. 1996, 69 Urt. v. 26. 04. 1996 - XII A 2765/94 - NWVB1. 1997, 98 Urt. v. 10. 02. 2000 - XII A 739/97 - NWVB1. 2000, 343 Rechtsprechung des Rheinland-Pfalzischen Oberverwaltungsgerichts Urt. v. 28. 07. 1967 - II A 51/67 - JZ 1968, 429 = ZBR 1968, 186 Urt. v. 18. 09. 1985 - II A 12/85 - NVwZ 1986, 146
Verzeichnis der zitierten Rechtsprechung
Urt. v. 18. 05. 1988 - II A 80/87 - ZBR 1988, 394 Urt. v. 21. 08. 1991 - II A 10597/91 - RiA 1993, 48 Urt. v. 29. 01. 1999 - II A 12287/98 - DÖD 1999, 162 Rechtsprechung anderer Gerichte RObHG, Urt. v. 10. 04. 1877 - Rep. I. 279/77 ArbG Berlin, Urt. v. 07. 11. 1955 - 18 Ca 355/55 - VersR 1956, 248 OLG Düsseldorf, Urt. v. 19. 04. 1956 - I U 249/55 - NJW 1956, 1112 OLG Celle, Urt. v. 10. 02. 1959 - VIII U 135/58 - NJW 1959, 1133 VG Braunschweig, Urt. v. 30. 04. 1964 - I A 94/63 - ZBR 1965, 158 (Ls) OVG Saarlouis, Urt. v. 21. 02. 1968 - III R 38/67 - NJW 1968, 1796 = RiA 1968, 111 OLG München, Urt. v. 19. 03. 1984 - II Ζ 361/82 - BayObLGZ 1984, 77 = BayVBl. 1984, 374 OVG Berlin, Beschl. v. 29. 09. 1988 - OVG PV Bin 11/87 - ZBR 1989, 380 LAG Nürnberg, Urt. v. 18. 04. 1990 - III Sa 38/90 - NZA 1990, 850 OVG Schleswig, Urt. v. 20. 02. 1992 - III L 198/91 - ZBR 1992, 385 LAG Hamm, Urt. v. 10. 12. 1992 - XVII Sa 661/92 - ZTR 1993, 254 (Ls)
Personen- und Sachwortverzeichnis Abordnung 116, 164 f., 166 Abstufung des Haftungsumfangs nach preußischem Recht 54, 56 Achterberg 296, 297 Adäquanz 174 ff., 261 Aktivlegitimation 125, 165 ff. Alimentierung 96 f. Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung 208 f., 211 ff. Allgemeines Preußisches Landrecht 47 ff., 287 Allzuständigkeit der Personalvertretung 341 Alternativverhalten, rechtmäßiges 149ff., 178, 227 Amt 35,45, 114 f., 123, 164, 170 - im abstrakt-funktionellen Sinn 164 - im konkret-funktionellen Sinn 121 Amtshaftungsgesetz, preußisches 92, 98 Amtshaftungsprivileg 81,94 ff. Amtshaftungsrückgriff 40, 78, 94, 99, 213 ff., 278, 282, 284, 302, 305, 310, 326 Amtskaution 285, 288 ff. Amtspflichtverletzung 60, 69 f., 74, 76, 81, 86, 111, 114, 177, 200, 213 f., 216, 278, 280, 288 Anerkenntnis 182, 194 Anspruchskonkurrenz 41, 216 Anspruchsreduzierung 245, 252 Anstellungsbetrug 108 Anstellungskörperschaft 35 f., 157 f., 163, 168 ff., 214, 230, 303 Anstellungstheorie, modifizierte 170 Antrag auf Mitbestimmung 328 f., 332 f., 341 f. Anvertrauenstheorie 35, 170
Anwendung der §§46 BRRG, 78 BBG, analoge - auf frühere Beamte 101 ff. - bei nichtiger bzw. zurückgenommener Ernennung 103 ff. Anwendungsbereich der Haftungsnormen - persönlicher 100 ff. - zeitlicher 75, 108 ff Appellfunktion der Strafnorm 226 Äquivalenztheorie 174 Arbeit, schadens- bzw. gefahrgeneigte 234 ff. Aufgabenkreis 169, 171, 241 Aufgabenwahmehmung 92, 121, 157, 165, 167, 296 Aufrechnung 294, 303, 306 ff., 322, 338 - Beschränkungen 308 ff., 311 f. - durch Verwaltungsakt 307 Auftragsverwaltung 158, 160 ff. Ausfallhaftung 83, 85 f., 93, 202 Ausfallrisiko 267 f. Ausgleichsfunktion der Schadensersatzpflicht 42, 199 Außenverhältnis 34ff., 39, 50, 54, 61 f., 85 f., 92, 104, 121, 124, 127, 139, 141, 170, 204, 209, 216, 251, 281 Auswahlermessen 266, 271 Bagatellbeträge 308 Battis 89 Bayerisches Beamtengesetz von 1908 60 ff., 290 Beamtenkollegien 55 ff. Beamtenprivilegien, Diskussion 87
Personen- und Sachwortverzeichnis
Beamtenverhältnis 37, 42, 48, 50, 61, 70 f., 90, 106 ff., 109 ff., 114, 125, 135 f., 163, 165 ff., 223, 239 f., 264, 278, 295, 297, 299 f., 303, 306, 314, 320, 323, 339 - aktives 100 ff. - faktisches 105 Beamter - a u f Widerruf 101 - a u f Zeit 101 - im haftungsrechtlichen Sinne 69 - im statusrechtlichen Sinne 100, 222, 261 - mit Doppelstellung 164 Beamter, entlassener 102 Bedrohung der Dienstpflichtverletzung mit Strafe 224 f. Beeinträchtigung des Steueraufkommens 223 f. Befreiung des Dienstherrn von der Versicherungspflicht 205 f. Benitz 126 f. Berufsbeamtentum, Wiedereinführung nach 1945 78 Besteuerungsverfahren 41, 95, 204, 221 ff. betrieblich veranlaßte Tätigkeit 234 ff. Betriebsrisiko 237 f., 243, 248, 250 Beweislast 134, 301, 312 ff. - objektive 313 ff. - subjektive 312, 326 Beweislastumkehr 315 f., 319 f., 322 ff. Beweislastverteilung 312 ff. Beweismaß 321, 324 ff. Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit 128 Bezugspunkt des Verschuldens 125 ff., 245 Billigkeitsentscheidung 52 Bindung des Dienstherrn, haushaltsrechtliche 74 f., 197 f. ΒindungsWirkung disziplinarischer Entscheidungen 135 ff. Birk 215, 217, 241 f Borgs Maciejewski 287, 298 24 Beckmann
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Brand 75, 170 Brückner 104 f. Bundesrepublik Deutschland 78, 160 Bürgerliches Gesetzbuch 52, 60 ff., 65 ff., 72, 83, 130, 212, 234, 291 Burmeister 167, 169 f. Cessio legis 201 Clasen 241 f. condicio-sine-qua-non-Formel 174 contractus mixtus 50 De-facto-Beamter 104 Defektenverfahren 285 ff., 291, 296, 298 Defektenverordnung, preußische 53, 285 f., 288, 298 Deklaration 57 f. Deliktsnatur des Schadensersatzanspruchs 57 Deutsch 126 f., 175, 177 Deutsches Beamtengesetz 70, 73 ff. Dienst und Treueverhältnis 90, 122, 165, 245, 247, 345 Dienstherr im „haftungsrechtlichen Sinne" 168 ff, 302 f. Dienstkräfte, zweckfremder Einsatz 144 f. Dienstpflichtverletzung 113 ff. Dienstvergehen 42, 44, 100, 102 f., 113, 117, 123, 135 ff., 166, 172 Differenzmethode 140 f., 142, 150 Disziplinarexekution 285 Disziplinarmaßnahme 33, 42 ff., 117, 136, 138, 153, 224 Disziplinarrecht 41 ff., 113, 133, 135 ff., 199, 345 Drittgerichtetheit der Dienstpflichten 116 Drittschadensliquidation im Beamtenhaftungsrecht 158 ff., 167, 171 ff. - dogmatische Zuordnung 161 ff. Durchführungsverordnung 75 f., 79, 111 f., 292
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Personen- und S ach Wortverzeichnis
Ehrenbeamter 101 Eigen Versicherer 207, 209 ff. Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) 65, 67 Einigungsstelle 329, 335, 339 Einwand 118, 122, 141 - der Existenzbedrohung 250 ff. - der Fürsorgepflicht 234, 244 ff. - des Mitverschuldens anderer Beamter 271 ff. - des rechtmäßigen Altemativverhaltens 149ff., 178, 227 Einzelschicksal, besonderes 251, 254 f, 258 Entlastungsbeweis 316 f. Entlastungsmöglichkeit, erleichterte 317, 319 Entscheidung über Stundung und Erlaß, ermessensfehlerfreie 254 Entschlußkraft des Beamten, Förderung der 37, 82, 85, 92, 121, 126 Entwicklung des Schadensersatzanspruchs 47 ff. Entwurf 91, 218, 234 - einer Abgabenordnung 224, 230 f. - eines Bundesbeamtengesetzes 79 - eines Bundespersonalvertretungsgesetzes 328 - eines Deutschen Beamtengesetzes 71 f. - eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften 82 f. - eines Staatshaftungsgesetzes 84 ff., 192 Ermessensreduzierung auf Null 255 Ermessensspielraum 45, 70, 99, 247, 330, 339 Ernennung, Nichtigkeit der 103 ff. Ersatzberechtigung des Dienstherrn 156 ff. Ersatzzuweisungsverfahren 289ff., 304 Erstattungsanspruch, öffentlich-rechtlicher 152
Erstattungsbeschluß 196, 291, 292 f., 304, 308 Erstattungsverfahren 291 ff., 308 f. Exekution im Wege des disziplinarischen Zwanges 285 existenzgefährdende Schadenshöhe 234 ff. Existenzminimum 238 Exkulpation des Dienstherrn 35, 205, 215, 321 Fachaufsichtsführende Stelle 184 f. Fahrlässigkeit - bewußte 132 - einfache 129 f. - grobe 130 ff. Fehlverhalten, außerdienstliches 120 ff. Fessier 63 Feststellungsklage zur Verjährungsunterbrechung 182, 183 Finanzverwaltung 222, 225, 228, 230 ff. Fischbach 170 Fiskalhaftung 35 Fleig 320 Forderungsübergang 201 ff. Freistellung von der Haftung 99, 140, 145, 199 ff., 219, 230, 241, 248, 259, 263, 346 Fremdschaden 34, 39, 121, 141, 208, 220 Funktionsfähigkeit der Verwaltung 67, 95, 343 Funktionskörperschaft 163, 168 ff. Fürsorgegeneralklausel 244 f., 250 Fürsorgepflicht 75, 82, 86, 92 f., 97, 99, 102, 130, 132, 141, 156, 182, 187, 192 f., 200, 202, 207, 212, 219 ff., 234, 237, 240ff, 265 ff., 297, 308 - verfassungsrechtliche 247 ff. Fürstentümer Ansbach und Bayreuth 59 Gefährdungshaftung 176, 181, 215
Personen- und Sachwortverzeichnis
Geldbuße 44, 153 gemeines Recht 59, 91, 289 Gemeinsames Rundschreiben über die Schadenshaftung der Kraftfahrer 200 Generalprävention 42, 152 Gesamtschuld, gestörte 262 ff. Geschäftsplanmäßige Erklärungen der Versicherer 212 Gesetzesrevision zum Preußischen Allgemeinen Landrecht 51 f., 57 Gesetzesstaat des aufgeklärten Absolutismus 48 Gleichbehandlung gleicher Lebenssachverhalte 82, 207, 216, 220 f., 242 Grundbuchbeamte 68, 74, 98, 232 Grundlagen der Haftung, historische 47 ff. Grundsätze des Berufsbeamtentums, hergebrachte 95 ff., 296 ff. Günther 295, 299, 300 Haftung nach Beendigung des Beamtenverhältnisses 101 ff. Haftungsfreistellung, siehe Freistellung Haftungsmaßstab 36, 41, 52, 61, 107, 119, 212, 263, 316 Haftungssymmetrie 156, 323 Haftungssystematik im Straßenverkehr 208 ff. Haftungsumfang 54 ff., 61, 67 Härte, besondere und erhebliche 252 ff. Hauptlandespragmatik, bayerische 60 Haushaltsgrundsätzegesetz 198 f., 252 ff. Haushaltsrecht 74 ff., 116, 127, 145, 199ff, 234, 241, 250 ff., 292, 344 Hemmung der Verjährung 193, 194 ff. Herstellung des Benehmens 342, 344 Hilfeleistung 241, 251 ff. Hinweispflicht des Dienstherrn - auf Antragsrecht zur Mitbestimmung der Personlvertretung 329 - auf Verjährung 193 24*
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Interventions Wirkung 141 Kassenbeamte 33, 292, 314, 315 ff. Kassendefekt 285 f. Kausalität - haftungsausfüllende 173 ff., 226 ff., 322, 326 - hypothetische 149 Kehrseitentheorie 295 Keller 131 Kenntnis des Dienstherrn 80 - von der Person des Schädigers 188 ff. - vom Schaden 182 ff. Kollegialorgan 185 Kollegial Verfassungen 56 Kommerzialisierungsgedanke 142, 148 Kommission für die Reform des Staatshaftungsrechts 84, 85 f., 231 Kommissionsentwurf 85 f., 202 Kommualabgabengesetze 223 Kondiktionsanspruch, öffentlich-rechtlicher 41, 152 Königreich Sachsen; Haftung im 62 ff., 288 f. Kosten des Rechtsstreits bei Fremdschaden 141 Kraftfahrzeugpflichtversicherungsverordnung 208 Kreditzinsen 179 ff. Kürzung der Bezüge 44 Laband 50, 54 Lange 136 Leistungsbescheid 4 f., 154, 172 f., 181, 192 ff., 271, 284ff, 307, 309, 315, 322, 329, 334 f., 338, 343, 346 Leistungsfähigkeit 38, 42, 205, 238, 241, 269 Leistungsklage 271, 278 ff, 300, 303 f., 306 f., 315, 322 Lemhöfer 105, 189 f., 194 Liegenschaftssachen 68
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Personen- und Sachortverzeichnis
Mankofälle 321 Mayer, Otto 50, 58, 66, 70, 286 Meyer 186 f., 265, 268 Mietwagenkosten 144 Mindestversicherungssummen 206, 209, 210, 221 Mitbestimmung der Personalvertretung 195 f., 328 ff. Mitbeurteilungskompetenz 331 f., 335 ff. Mitverschulden 55, 259, 271 ff., 314, 336 Mitverursachung 275 f. Mitwirkungsrecht der Personalvertretung 341 Monograhien zur Beamtenhaftung 7 Motive 52, 60, 92, 156, 190, 217 f., 287 Nebentätigkeitsrecht 145, 147 Neuntes Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften 36, 45, 81, 90 f., 93, 108, 114, 156, 169, 181, 189, 190, 192, 234, 239, 242, 337 Nichternennung 103 f. Niederschlagung 75, 252 ff. Nierhaus 321, 325 Normbegünstigungsklausel 313 f. Nutzungsausfall 142 ff. Oberfinanzpräsident 164 ObliegenheitsVerletzung 211 ff. - im Versicherungsfall 213 - vor dem Versicherungsfall 212 Opportunitätsgrundsatz, im Disziplinarrecht 45, 199 Organisations verschulden 273 Osterloh 295, 299 pactum de non petendo 196 partikulares Recht 59, 64, 91 Passivlegitimation 170 Personalpolitik 44 Personalvertretung 195, 301, 327 ff.
Pflicht des Beamten 115 ff., 198 f. - zu rechtmäßigem Handeln 116 f. - zu wirtschaftlicher und sparsamer Verwaltungsführung 198 - zur vorbeugenden und erzieherischen Einwirkung 199 - z u r Wahrheit 118 - zur Wahrung der finanziellen Belange des Dienstherrn 118 ff. Pflichtenmahnung 45 f., 92, 151, 178, 199 Pflichtversicherungsgesetz 204 ff. Präjudizität disziplinarischer Entscheidungen 135 ff. Präventionsfunktion der Schadensersatzpflicht 42, 133, 151 primafacie Beweis 317, 325 Quasipflichtversicherer 209, 219 Quasi versicherter 209, 213 Rechnungshöfe des Bundes und der Länder 82, 198, 247 Rechtfertigungsgründe 123 f. Rechtsfolgenseite des Schadensersatzanspruchs 45, 74, 92, 99, 197 ff., 246 f., 255, 271, 338, 345 Rechtsgrundlage 36, 73, 101, 155, 221 f., 268, 282, 297, 332, 343 Rechtskontrolle der Personalvertretung, begleitende 330, 343 Rechtswegkonkurrenz 280 ff. Rechtswegzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG 95, 278 ff., 284, 301 f. Rechtswirkung der Verjährung 191 f. Referentenentwurf 82 f., 86 Reformbedarf 346 Regelung, vorläufige 342 f. Regreß 40 Regreßprivileg - des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG 209 - des Art. 34 Satz 2 GG 81, 94 Reichsbeamtengesetz 58, 64 f., 286 f., 291
Personen- und Sachwortverzeichnis
Reichshaushaltsordnung 75, 252 Remonstrationspflicht 124 Richardi 249 Richter 38, 129, 142, 232, 249, 285, 314 Richterspruchprivileg 232 Richtlinien 95, 116, 197, 199ff, 215 Riedmaier 216 Rückgriffslimit 94 Rückgriffsvorbehalt 70, 78 f., 94 Rücknahme der Ernennung 103 ff. Rücksichtnahme auf den Beamten 38, 53, 133, 246 Ruhestandsbeamte 101 ff. Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch 62 f. Schaden - an Dienstfahrzeugen 143 f. - Art und Umfang 139 ff. - Berechnung nach der Differenzmethode 139 ff. - fühlbarer 148 - mittelbarer 39 - normativer 141 ff. - objektive Zurechnung 149 - unmittelbarer 39 Schadenskompensation 43 Schadensliquidation im Drittinteresse 158 ff. Schadens Verlagerung 158 Schadensverursachung, gemeinsame 260 ff. Schädigung des Dienstherrn, - mittelbare 39 - unmittelbare 39 Schmerzensgeld 36, 215 Schnellenbach 320, 336 f. Schulleiter, Haftung des 169, 171 f. Schulträger, kommunaler 166 f., 169 ff. Schutzzweck der Norm 120, 149 ff., 175, 177 ff., 226 ff. 2
Beckmann
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Selbstbindung der Verwaltung 197, 199 f. Selbsttitulierung 284, 295 f., 301 Sorgfaltsmaßstab 129 Sperrwirkung des Art. 34 Satz 3 GG 301 f. Spezialprävention 42 Sphärentheorie 313 Spruchrichterprivileg 229, 232 Staatsdieneredikt, bayerisches 60 Staatshaftungsgesetz 67, 69, 84 ff., 192, 202, 279 f., 346 Staatshaftungsrecht 34, 84 f., 346 Stahl 215,217 Steuerausfälle 204, 223, 227 Stillhalteabkommen 196 Strafrecht 33, 42, 45, 49, 100, 108, 135 Straßenverkehr, Rechtslage bei Schäden im 204 ff. Streitverkündung 141 Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts 84 f. Stufenvertretungen 329, 339 subjektive Vorwerfbarkeit 129 f., 132 f. Subsidiarität des Schadensersatzanspruchs 53, 61, 73, 86, 93 Teilschuldnerschaft 270 Territorialstaaten 58, 92, 288 Treu und Glauben 195, 272 Treuepflicht 96, 97, 102, 160, 241, 250 Uebergang von Ersatzansprüchen 201 ff. unerlaubte Handlung 35 f., 54, 61 ff., 91, 104, 115, 262, 311, 345 unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst 117 f. Unterbrechung der Verjährung 193 f. Ursachenzusammenhang 140, 173 ff. Verantwortlichkeit, gesamtschuldnerische 259 ff.
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Personen- und Sachortverzeichnis
Verantwortlichkeitsklauseln, salvatorische 58 Verantwortlichkeitstrias 49 Verantwortung des Beamten, persönliche 33,38,62 Verantwortungs- und Verschuldensanteil 271 Vereinheitlichung der Haftungsmaßstäbe 81 Verhältnis Gesamtschuld-Mitverschulden 276 f. Verjährung 181 ff. - absolute 190 f. - des titulierten Anspruchs 196 - Hemmung der 194 ff. - relative 182 ff. - Unterbrechung der 193 f. Verkehrsanschauung, bei normativem Schaden 142, 180 Verschulden 125 ff. - Bezugspunkt 125 ff. Vertrauensschutz, Grundsatz des 106 ff. Verwaltungsakt 50, 254, 256, 284 ff, 307, 309 f. Verwaltungsaktsbefugnis des Dienstherrn 301 ff. Verwaltungsrechtsweg 77, 136, 278, 280, 284, 302, 310 Vollbeweis 314 Vollmachtsüberschreitung 50 Voraussehbarkeit des Schadenseintritts 176 f. Vorgesetzter, nächster 186 ff.
Vorhaltekosten 143 Vorsatz 128 f. Vorsatztheorie 128 Vorteilsausgleichung 152 f., 201 Wache 296 f. Wahlers 146 ff. Wahrheitspflicht 118 Walldorf 331 f. Wechsel der zuständigen Stelle 195 f. Weimarer Reichsverfassung 70 f. Weimarer Republik 64 ff. Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl 162, 189, 195, 269, 273, 319 Wesentlichkeitstheorie 300 Wiederholungsgefahr 133 Wittland 76, 170 Zinsen 90 f., 153 ff. - Kreditzinsen 179 ff. - Prozeßzinsen 154 f., 304 - Verzugszinsen 155 f. Zivildienstleistende 38, 167, 169 Zurechnungszusammenhang 173 ff., 226 Zusammenwirken mehrerer Beamter, bewußtes und gewolltes 261 Zweck - des Haftungsprivilegs 37 f., 85, 122, 126 f., 150 f. - der Haftung 42 ff.
131,