Die griechische Tradition der aristotelischen Syllogistik in der Spätantike: Eine Untersuchung über die Kommentare zu den analytica priora von Alexander Aphrodisiensis, Ammonius und Philoponus 9783666251771, 3525251777, 9783525251775


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Die griechische Tradition der aristotelischen Syllogistik in der Spätantike: Eine Untersuchung über die Kommentare zu den analytica priora von Alexander Aphrodisiensis, Ammonius und Philoponus
 9783666251771, 3525251777, 9783525251775

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HYPOMNEMATA 79

HYPOMNEMATA UNTERSUCHUNGEN ZUR ΑΝΉΚΕ UND ZU IHREM NACHLEBEN

Herausgegeben von Albrecht Dihle/Hartmut Erbse/Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig/Bruno Snell

HEFT 79

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

TAE-SOO LEE

Die griechische Tradition der aristotelischen Syllogistik in der Spätantike Eine Untersuchung über die Kommentare zu den analytica priora von Alexander Aphrodisiensis, Ammonius und Philoponus

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÜTTINGEN

Meinen Kindern, Chung Hoon und Chung Hyun, gewidmet

ClP-Kuiztitelaufnahme dei Deutschen Bibliothek Lee, Tae-Soo: Die griechische Tradition der aristotelischen Syllogistik in der Spätantike: e. Unters, über d. Kommentare zu d. analytica priora von Alexander Aphrodisiensis, Ammonius u. Philoponus / Tae-Soo Lee. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1984. (Hypomnemata; H. 79) ISBN 3-525-25177-7 NE: GT

D7 © Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1984 - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz: Dörlemann-Satz GmbH & Co. KG, Lemförde. Druck: Hubert & Co., Göttingen

0. Vorwort Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, hauptsächlich anhand von griechischen Kommentaren zu den analytica priora die spätantike Tradition der aristotelischen Logik zu verfolgen. Der Verfasser der Arbeit hofft dabei, einen Beitrag zur Erhellung eines wichtigen, dennoch bislang nur wenig erforschten Zeitabschnittes in der Geschichte der Logik zu leisten. Welche Bedeutung für die Geschichtsschreibung der Logik der Beschäftigung mit diesem Zeitabschnitt zukommt, davon wird man schon eine ungefähre Vorstellung haben, wenn hier darauf hingewiesen wird, daß der Grundstock jener Logik, die bis zum 19. Jahrhundert, insgesamt über zweitausend }ahre lang, in der Geschichte der abendländischen Logik dominiert hat, zwar von Aristoteles stammt, doch in Wirklichkeit in der Gestalt, die die spätantiken Aristoteliker ihm gegeben hatten, dem Abendland tradiert und bekannt geworden ist. Dieser Hinweis soll zugleich auch verständlich machen, warum sich die folgende Untersuchung weitgehend auf die Frage konzentriert, mit welcher Konzeption die spätantiken Aristoteliker an der systematischen Gestaltung der ihnen überlieferten Logik von Aristoteles gearbeitet haben. Auf manche Einzelprobleme, die aus der Sicht der modernen Logik von Interesse sein können, kann dabei nicht eingegangen werden. Ferner muß darauf verzichtet werden, die Modallogik mitzubehandeln. Trotz dieser Beschränkung des Themenkreises wird die vorliegende Arbeit wohl in den Hauptzügen ein Gesamtbild von dem vermitteln, was während der Rezeption und Uberlieferung der aristotelischen Logik in der Spätantike geschehen ist. Diese Untersuchung ist im Sommersemester 1981 von dem Fachbereich Historisch-Philologischer Wissenschaften der Universität Göttingen als Dissertation angenommen worden. Die Anregung zu dieser Untersuchung kam von Professor W. Wieland, dessen Betreuung und Förderung ich noch sonst vieles verdanke. Auch Professor G. Patzig, der meiner Arbeit sein Interesse geschenkt hat, und den anderen Herausgebern der Hypomnemata-Serie, die meine Arbeit in ihre Reihe aufgenommen haben, bin ich zu Dank verpflichtet. Der Fachbereich Historisch-Philologischer Wissenschaften der Universität Göttingen und die Stiftung „Humanismus Heute" haben einen großzügigen Druckkostenzuschuß beigesteuert und dadurch die Drucklegung ermöglicht. Nicht zuletzt gilt mein Dank dem DAAD, mit dessen Hilfe ich das Studium in Deutschland durchführen konnte.

5

Inhaltsverzeichnis 0. Vorwort 1. Einleitung 1. Quellen 2. Forschungsgeschichte II. Die Auffassung der Logik bei den griechischen Kommentatoren 1. Das System der Logik 2. Formale Logik 3. Logik als Organon

5 9 9 12 24 25 37 44

III. Πρότασις

55

IV. Das System der formalen Logik

65

V. Konversion (άντιστροφή)

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VI. Syllogismus

95

VII. Das System der Syllogismen VIII. Schluß

116 138

Literaturverzeichnis

141

Namenregister

144

Stellenregister

145

I. Einleitung 1.

Quellen

Der folgenden Untersuchung liegen die drei Kommentare zu den analytica priora als Hauptquellen zugrunde: 1. Der Kommentar von Alexander von Aphrodisias (ed. M. Wallies, Berlin 1883). Von diesem gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. geschriebenen einflußreichen Werk ist nur der Teil erhalten geblieben, in dem das erste Buch von den an. pr. behandelt ist. Der andere Teil, in dem das zweite Buch von den an. pr. behandelt ist, scheint schon sehr früh verlorengegangen zu sein1. 2. Der Kommentar von Ammonius (ed. M. Wallies, Berlin 1899). Dieser Kommentar, der ungefähr aus dem Ende des 5. Jahrhunderts n. Chr. datiert, ist wahrscheinlich nicht von Ammonius eigenhändig geschrieben worden, sondern von einem seiner Schüler άπό φωνής (aus dem Titel des Buches), der seine Vorlesung gehört hatte. In dem uns erhaltenen Teil dieses Werkes ist der aristotelische Text nur bis zur Mitte des 2. Kapitels des ersten Buches erläutert. 3. Der Kommentar von J. Philoponus (ed. M. Wallies, Berlin 1905). Dieses Buch ist, da Philoponus ein Schüler von Ammonius war, ungefähr zu der gleichen Zeit wie Ammonius' Buch oder ein wenig später geschrieben worden. Das Buch ist der einzige Kommentar zu den an. pr., der uns aus der Antike in vollständigem Zustand überliefert ist. Diese drei Kommentare stellen nur einen sehr kleinen Teil der Literatur dar, die antike Erklärer der Logik der an. pr. produziert haben. Die griechische Tradition des Studiums der aristotelischen Logik beginnt kurz vor der Zeitwende und erstreckt sich bis zum 6. Jahrhundert. Während dieser langen Zeit wurden fast ununterbrochen Arbeiten über die Logik der an. pr. in Form von Kommentaren, Paraphrasen oder Monographien geschrieben. Aber diese Arbeiten sind bis auf Fragmente fast gänzlich verlorengegangen. Neben den drei genannten Kommentaren können als noch verfügbare Quelle vielleicht die Stücke von anonymen Autoren, etwa Περί τών ειδών πάντων τοΟ συλλογισμοί) oder Περί τών ύποθε1 Hierzu Μ. Wallies' Praefatio zu der Edition von Alexandri in aristotelis an. pr. librum I commentarium (CAG Π,Ι). Ebenso die dort angegebene Arbeit von A. Müller: Die griechischen Philosophen in der arabischen Überlieferung, Halle 1873. Übrigens scheint von Alexanders Kommentar zu den an. pr. neben der heute uns bekannten Fassung noch eine andere leichtere Fassung vorhanden gewesen zu sein,· cf. A. Badawi, La transmission de la philosophic grecque au monde arabe, Paris 1968, S. 98.

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τικών συλλογισμών erwähnt werden, die in dem Text des in der CAGSerie herausgegebenen Kommentars des Ammonius zu den an. pr. enthalten sind. Brauchbar ist auch die uns in französischer Übersetzung zugängliche Abhandlung „Traite de Themistius en reponse a Maxime au sujet de la reduction de la deuxieme et la troisieme figures a la premiere" (in: Badawi, a.a.O., S. 166-180; vgl. Anm. 1). Badawi hat sie aus einem arabischen Text übersetzt, der aus dem 11. Jahrhundert datiert, und dieser arabische Text ist seinerseits eine Übersetzung der griechisch geschriebenen Abhandlung des Themistius, der im 4. Jahrhundert tätig war2. Unter den verlorengegangenen Arbeiten über die Logik der an. pr. ist das Buch von Boethos, der um die Zeitwende als 11. Scholarch der peripatetischen Schule tätig war, wohl die interessanteste. Über sein Buch kann folgendes vermutet werden: Der Titel des Buches lautete „Beweis". Wie der Titel andeutet, wird in diesem Buch keine exegetische Untersuchung durchgeführt, sondern ein ganz bestimmtes Thema, eben die Beweismethode, systematisch behandelt. Dabei handelt es sich sicher nicht um die syllogistischen Beweise, von denen in den an. post, die Rede ist, sondern um die Beweise der Gültigkeit der Syllogismen selbst. Seine Theorie dieser Beweise weicht von der aristotelischen Theorie sehr stark ab. Der Verlust dieses originellen Buches kann nicht genug bedauert werden3. Ariston, der vermutlich etwas später als Boethos lebte, hat sicher eine Schrift verfaßt, in der er vor allem die Theorie der sogenannten subalternen Modi dargestellt hat. Aber wahrscheinlich hat diese Schrift bei seinen Nachfolgern keine Beachtung gefunden und ist schon in der Antike verlorengegangen4. Es ist gut bezeugt, daß Porphyrius, der Verfasser der berühmten Isagoge, der im 3. Jahrhundert tätig war, eine kompendienartige Einleitung in die kategorische Syllogistik geschrieben hat5. Ob er 2 Eine Anspielung auf diese Schrift findet sich in Ammonius' Kommentar zu den an. pr. (CAG IV,6), S. 31, 15 ff. Der große Wert dieser Schrift besteht darin, daß sie uns über viele Abweichungen der spätantiken Logik von der aristotelischen Logik ziemlich genaue Informationen gibt. 3 Diesen Verlust kann der oben genannte „Traite de Themistius" einigermaßen ersetzen. Themistius kritisiert in dieser Abhandlung Boethos' Methode der Beweise der Gültigkeit der Syllogismen. Dabei ermöglicht er es uns, eine ungefähre Vorstellung von Boethos' Grundgedanken zu entwickeln. 4 Das einzige Zeugnis für seine Theorie findet sich in einem lateinischen Kompendium, das ungefähr im 2. Jahrhundert verfaßt worden ist. S. Apulei Opera vol. 3, ed. P. Thomas, Leipzig 1908, S. 193. 5 Boethius, In Porphyrium Dialogi, in: Boetii Opera omnia, ed. ]. P. Migne (P. L. 64), Paris 1847, S. 14D. Auch in arabischen Quellen gibt es Testimonien für das Vorhandensein dieses Buches. Hierzu J. Bidez, Vie de Porphyre, Gent 1913, S. 55*, 13; S. 58*, 5 ; S. 60*, 17. Als Boethius seine introductio ad syllogismos categoricos schrieb, folgte er wohl dem Beispiel von Porphyrius. Wahrscheinlich lehnte sich Boethius auch inhaltlich stark an Porphyrius' Buch an.

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auch einen Kommentar zu den an. pr. geschrieben hat, ist ungewiß. Jedenfalls ist von ihm keine Schrift über die Logik der an. pr. überliefert. Jamblich, der unter Porphyrius' Schülern wohl der berühmteste war, hat sicherlich einen eingehenden und ausführlichen Kommentar zu den an. pr. verfaßt. Im Hinblick auf den inhaltlichen Charakter dieses Kommentars ist zu vermuten, daß von diesem Neuplatoniker dort eine philosophisch-tendenziöse Interpretation des Lehrstoffes der an. pr. vorgelegt wurde. Diese Vermutung stützt sich auf die Tatsache, daß die überlieferten Fragmente seiner anderen exegetischen Schriften immer einen zielgerichteten und tendenziösen Interpretationsversuch des Verfassers erkennen lassen6. Vielleicht ist uns im Falle des Kommentars von Jamblich das eigentlich repräsentative Werk für die neuplatonische Art und Weise der Behandlung der aristotelischen Syllogistik verlorengegangen. Die typisch neuplatonischen Philosopheme, denen wir in den oben genannten Kommentaren der beiden Alexandriner, Ammonius und Philoponus, ab und zu begegnen, stammen möglicherweise von Jamblich. Dabei dürfte es sich wohl nur um eine verwässerte Wiedergabe handeln, da die beiden Alexandriner schon keine Neuplatoniker von strikter Observanz mehr waren. Themistius, der Verfasser des oben genannten „Traite", war auch wegen der Paraphrasen zu den aristotelischen Schriften berühmt. Die meisten von diesen Paraphrasen sind bis auf Fragmente verlorengegangen, darunter auch die Paraphrase zu den an. pr.. Der Teil der Paraphrase zu den an. pr., der in der CAG-Serie erschienen und ihm zugeschrieben ist, ist bestimmt unecht7. Maximus, ein Zeitgenosse von Themistius, hat eine Monographie über die Figuren der Syllogismen verfaßt. Der Traite von Themistius ist nämlich eine Art Rezension über Maximus' Monographie. Es ist möglich, daß auch der Philosoph Kaiser Julian, der mit den beiden Gelehrten befreundet war, irgendeine Schrift über die an. pr. verfaßt hat. Auch Proclus, der Vollender der neuplatonischen Metaphysik aus dem 5. Jahrhundert, scheint einen Kommentar zu den an. pr. ge-

6 Hierzu K. Praechter, Richtungen und Schulen im Neuplatonismus, in: Genethliakon für Carl Robert, Berlin 1910, S. 103-156. In diesem Aufsatz hebt Praechter hervor, daß sich Jamblichs exegetische Arbeit durch Konsequenz und Einheitlichkeit auszeichnet. Ebenso B. Larsen, Jamblique de Chalkis, Aarhus 1972, besonders das Kapitel „L'exegese et l'hermeneutique de Jamblique" (S. 429-459). Auch Larsen weist darauf hin, daß Jamblichs Exegese immer auf seinem eigenen philosophischen Werturteil beruht. Simplikios gibt eine ähnliche Beschreibung von Jamblichs Exegese. Die Quellen, auf die sich dieses Urteil stützt, sind von Larsen in dem Anhang seines Buches vollständig zusammengestellt. 7 Schon im letzten Jahrhundert ist die Unechtheit dieses Stücks überzeugend nachgewiesen worden von V. Rose: „Über eine angebliche Paraphrase des Themistius", in: Hermes 2, 1867, S. 191-213.

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schrieben zu haben. Wenigstens in einem anonymen Kommentar ist Proclus' Kommentar zu den an. pr. erwähnt8. Außer den bisher genannten Werken muß es noch viele andere Schriften über die Logik der an. pr. gegeben haben. Aber zweifellos gehören die bisher genannten Werke zu den wichtigsten Beiträgen, die in der Antike auf diesem Gebiet geliefert worden sind. Dafür sprechen wenigstens die angeführten Namen der Autoren, die auch in anderen Bereichen der antiken Wissenschaften eine bedeutende Rolle gespielt haben. In dieser Arbeit müssen gelegentlich noch einige griechische Kommentare zu den anderen logischen Schriften von Aristoteles als Hilfsquellen herangezogen werden. Auch unter den Schriften von antiken Autoren, die nicht zur griechischen Tradition gehören, gibt es einige wichtige Beiträge, die in dieser Arbeit als Hilfsquellen nicht außer acht gelassen werden können, etwa die logischen Schriften von Boethius. Alle diese Hilfsquellen sind im Literaturverzeichnis im Anhang dieser Arbeit angegeben.

2.

Forschungsgeschichte

Schon im 16. Jahrhundert hat P. Ramus den Versuch gemacht, eine Geschichte der Logik zu schreiben. Das erste Buch seines Werkes „Scholarum dialecticarum libri" (Frankfurt 1594) ist nämlich der Geschichte der Logik gewidmet. In diesem Buch findet sich ein Kapitel, das mit „De logica Aristoteleorum interpretum et praecipue Galeni" betitelt ist. Hier erwähnt Ramus alle griechischen Kommentatoren von Alexander von Aphrodisias bis zu M. Psellus (11. Jahrhundert) in einem Atemzug und stempelt sie einfach als „Sklaven" ab. Seine Begründung: sie hingen zu sehr an der aristotelischen Lehre, und eben dies widerspreche dem freien Geist der aristotelischen Philosophie (S. 27-31). Dieses pauschale Urteil, wie scharfsinnig es auch klingen mag, stützt sich aber offensichtlich nicht auf eine detaillierte Untersuchung; fraglich ist es schon, ob Ramus die Originaltexte der Kommentatoren überhaupt gelesen hat. Nicht nur bei der Beurteilung der Kommentatoren, sondern auch sonst besteht der Verdacht, daß er nicht selten die Pflicht der eingehenden Lektüre der zu beurteilenden Werke vernachlässigt hat. Wir müssen also das Urteil fällen, daß seine Historiographie als ganze auch im günstigsten Fall nur einen sehr bedingten Wert hat. Auch in der folgenden Zeit wurden von einigen Gelehrten Versuche gemacht, die Geschichte der Logik zu schreiben. Doch die Ergebnisse die8

Ps.-Ammon. in an. pr. (CAG rV,6), 43,30. In den besseren Dokumenten für das Schrifttum des Proclus ist jedoch von diesem Buch nichts erwähnt.

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ser Versuche enthalten im großen und ganzen nicht viel mehr als das, was wir in Ramus' Buch lesen können. Dies ist natürlich auf das mangelnde Interesse an der Logik zurückzuführen, das für die frühe Neuzeit charakteristisch ist. Zudem war während dieser Zeit die Möglichkeit des Zugangs zu den Quellen im allgemeinen äußerst beschränkt. Die griechischen Kommentare zu den aristotelischen Schriften waren damals nämlich nicht ediert. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Unternehmen, diese Werke zu edieren, von einer Gruppe von Philologen geplant, die die Wichtigkeit dieser Werke für das Aristotelesstudium erkannt hatten9. Aber kurz bevor dieses Unternehmen geplant wurde, ist schon ein monumentales Werk über die Geschichte der Logik von C. Prantl erschienen, in dem der Verfasser auch die Leistungen der antiken Aristoteliker so ausführlich behandelt, wie es nie zuvor geschehen war (Geschichte der Logik im Abendlande I, Leipzig 1855). Dieses Buch ist insofern monumental, als es praktisch die erste wissenschaftlich ernst zu nehmende Historiographie auf dem Gebiet der Logik ist; der Umfang dieses Buches ist bis heute noch nicht überboten worden10. Es ist aber zugleich ein ganz eigenartiges Werk. Den Grundton seiner Historiographie über die antike Logik bildet zweierlei: tiefe Verehrung der aristotelischen Logik und ebenso tiefe Abneigung gegen jeglichen Formalismus, also auch gegen formale Logik. So neigt er sehr oft dazu, überall dort, wo von der aristotelischen Logik abgewichen wird, die Tendenz zum Formalismus zu wittern und umgekehrt, wo die Tendenz zum Formalismus sichtbar wird, eine Abweichung von der aristotelischen Logik zu erblicken. Die allgemein akzeptierte Ansicht, daß die aristotelische Syllogistik im Grunde formale Logik ist, wird in seinem Buch mit aller Entschiedenheit bestritten. Nach Prantl ist die aristotelische Syllogistik ein philosophisches System, das mit inhaltsleeren Formalismen nichts zu tun hat. Um diese Behauptung zu begründen, führt er den Begriff „Begriff" ein und schiebt in seiner Darstellung der aristotelischen Logik die Begriffstheorie im Anschluß an die Kategorienlehre und vor die Theorie der Syllogismen ein11. ' Eine allgemeine Bewertung dieser Edition sowie einen Überblick über die exegetische Arbeitsweise der antiken Aristoteliker gibt K. Praechter in seinem Artikel: „Die griechischen Aristoteles-Kommentare", in: Kl. Schriften, Hildesheim 1973, S. 282-304. 10 Allerdings gab es auch damals einige kleinere Arbeiten, in denen die Tätigkeit der antiken Aristoteliker zur Sprache kam (ζ. B. Brandis, Über die Reihenfolge der Bücher des Aristotelischen Organons und ihre griechischen Ausleger, nebst Beiträgen zur Geschichte des Textes jener Bücher des Aristoteles und ihrer Ausgaben, in: Abh. d. phil. hist. Kl. d. Königl. Akdad. d. Wiss. Berlin 1833, S. 268-299). 11 Dabei läßt er sich weder durch die Tatsache beirren, daß „über die Begriffslehre uns keine ausschließlich spezielle Schrift von Aristoteles erhalten ist" (S. 211), noch durch die 13

Der Begriff ist nach ihm das innere Prinzip der ganzen aristotelischen Logik; auf dessen Basis auch die Syllogistik möglich ist. Nach seiner Erklärung sind die Begriffe gewisse, mit außergewöhnlichen Kräften ausgestattete metaphysische Entitäten; sie haben ζ. B. eine notwendig-kausale Kraft, eine Besonderheiten vereinigende Kraft usw., - sogar schöpferisch können sie sein, obwohl sie Begriffe genannt werden. Vielleicht hat man es hier mit einer dynamischen Modifikation der platonischen Ideen zu tun. Ich kann hier natürlich auf die Frage, wie solche Entitäten mit so wunderbaren Eigenschaften genauer zu verstehen sind, nicht eingehen. Würde jedenfalls die aristotelische Logik wirklich die Annahme der Existenz derartiger Entitäten voraussetzen, wie Prantl glaubt, könnte man es ihm zugeben, daß die aristotelische Logik keine gewöhnliche Logik, sondern eine „philosophische" Logik ist. Wie dem auch sei, Prantl findet, daß die antiken Aristoteliker bei der Interpretation der aristotelischen Logik die Begriffslehre des Aristoteles, genauer die Begriffslehre, die Prantl Aristoteles zuschreibt, nicht heranziehen. Und dies kann er nicht verzeihen; er stempelt die ganze Periode der antiken Aristoteliker als eine dekadente Phase in der Geschichte der Logik ab. Die Dekadenz besteht für ihn in der „Lostrennung der Logik von jenem Verband, in welchem sie bei Aristoteles mit der Philosophie überhaupt steht" (S. 348). Und die von der Philosophie losgetrennte Logik ist für ihn eben die formale Logik, die „keinen Begriff vom Begriff hat". Prantl klagt die antiken Aristoteliker heftig an, sie hätten die aristotelische Logik beinahe zur formalen Logik, einem jämmerlichen Zerrbild jener entarten lassen. Was von ihm über die antiken Kommentatoren geschrieben ist, ist als Ganzes eine Invektive im wahrsten Sinne des Wortes. Da fallen Worte wie „Albernheit", „Blödsinn", „Geschwätz", „Hohlkopf" gar nicht selten. Ein bißchen Lob kann als einzige Ausnahme nur Alexander von Aphrodisias ernten, und zwar dank seiner unverkennbaren Bemühung um die Wahrung der Aristoteles-Orthodoxie, (wobei Prantl allerdings verschweigt, daß auch Alexander bei der Erklärung der Syllogistik die Begriffsmetaphysik, die Prantl als die notwendigste Voraussetzung für das korrekte Verständnis der aristoteli-

Tatsache, daß in den sonstigen uns erhaltenen logischen Schriften von Aristoteles eigentlich kein Terminus zu finden ist, dessen Bedeutung der seines „Begriffs" entsprechen würde. Er scheint zu glauben, daß in der uns nicht erhaltenen Schrift Περί ειδών ά, die in dem von Diog. Laertius angefertigten Schriftenverzeichnis von Aristoteles und auch in einem anonymen Schriftenverzeichnis registriert ist, wenigstens ein Abschnitt der Begriffslehre behandelt war. Er behauptet ferner, daß die Bedeutung der Termini δρος und λόγος, die in den logischen Schriften von Aristoteles verwendet werden, der Bedeutung seines „Begriffs" entspricht, wobei er nicht vergißt, darauf hinzuweisen, daß es zwischen den beiden Termini einen gewissen Unterschied gibt: λόγος sei nämlich „ausgesprochener Begriff", während δρος einfach „Begriff" sei (S. 359).

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sehen Syllogistik ansieht, nicht heranzieht). Die anderen Kommentatoren erregen bei Prantl nur Verachtung und Haß, gelegentlich sogar Ekel12. Dennoch macht Prantl für diese Dekadenz nicht allein die Aristoteliker verantwortlich. Vielmehr treffe die Hauptschuld die Stoiker. Alles Übel in der Spätantike kommt für ihn von den Stoikern, den „widerlichen Verderbern", wie er sie bei jeder Gelegenheit hemmungslos beschimpft. Ihm scheint der Ausdruck „die stoische Beeinflussung" zu schwach zu sein, er spricht oft schlicht von der Infektion. Die Hinneigung der antiken Aristoteliker zur formalen Logik sei vor allem durch diese stoische Infektion bedingt. Denn die Stoiker seien eben diejenigen, die die formale Logik ins Leben gerufen haben. Was nun das Wesen der formalen Logik eigentlich ist, das näher zu erklären, gibt sich Prantl keine besondere Mühe. Nur dadurch, daß er die formallogische Denkart mit anderen Denkarten von ebenso stoischem Ursprung, nämlich „Rhetorismus" und „Scholastizismus" in Verbindung bringt, macht er etwas deutlicher, was er unter der formalen Logik versteht. Mit dem Scholastizismus meint er vor allem die pedantische Bemühung um die Erklärung der Trivialitäten und die Hinneigung zu dem schulmäßigen mechanischen Verfahren, beispielsweise der Kombinatorik und der schematischen Einteilung. Solche Dinge findet er überall in den griechischen Kommentaren, und in seinen Augen sind solche Dinge besonders dazu geeignet, das eigentlich Wichtige und Lebendige an der aristotelischen Logik (das „Begriffliche", versteht sich) verschwinden zu lassen. Wenn Prantl die Kommentatoren der formallogischen Denkweise bezichtigt, scheint er sehr oft an diese scholastischen Merkmale zu denken. Nach Prantls Wortgebrauch liegt dann Rhetorismus vor, wenn man nur an äußerlichen Sprachausdrücken hängt, ohne auf den begrifflichen Inhalt zu achten. Mit diesem Rhetorismus sei nun die formallogische Denkweise darin verwandt, daß auch für sie „die äußerliche sprachliche Form Übergewicht 12 Besonders die neuplatonischen Kommentatoren kann er nicht leiden. Porphyrius hält er für einen der schlimmsten Erklärer der aristotelischen Logik; welche Fähigkeit Porphyrius als Aristoteleserklärer besitzt, ist ihm, meint er, wegen der Tatsache, daß er ein Schüler von Plotin ist, schon von vornherein klar (S. 626). Er betrachtet es als ein großes Unheil in der Geschichte der Logik, daß Porphyrius dennoch die aristotelischen Schriften zu kommentieren wagte und mit dem „niedrigen und verderblichen Standpunkt" (S. 627), von dem aus er diese Arbeit durchführte, einen großen Einfluß auf die ganze nächste Zeit ausüben konnte. Daß Jamblich u.a. auch zu den an. pr. einen Kommentar schrieb, erscheint ihm ebenfalls als eine freche Anmaßung. Diesen Philosophen, dem Prantl hinsichtlich der geistigen Haltung und des Arbeitsprinzips nach meiner Meinung nicht unähnlich ist (dies meine ich nicht unbedingt negativ), nennt er einen „ekelhaften Phantasten" (S. 638). Ammonius ist für ihn stupid und geschwätzig, er finde „Vergnügen daran, die plattesten und einleuchtendsten Dinge, man weiß nicht, ob sich selbst oder möglich dümmsten Lesern, noch verständlicher zu machen" (S. 642). Und Philoponus sei bloß ein Abschreiber (S. 643).

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über die innere Geltung des Begrifflichen" habe. Zwar bezichtigt er die antiken Aristoteliker nicht direkt des Rhetorismus, doch er diagnostiziert, sie seien alle mehr oder weniger von dem Rhetorismus infiziert. Er meint nämlich, sie machten sehr oft wegen der äußerlichen Sprachausdrücke viel Getue. Vor allem in ihrer Grundauffassung von der Logik glaubt er die Infektion feststellen zu können. Alle antiken Aristoteliker vertreten die Meinung, daß die Logik keine selbständige Wissenschaft, sondern nur ein Werkzeug für die Philosophie und andere Wissenschaften ist. Prantl behauptet, sie seien deswegen zu dieser irrtümlichen Meinung verleitet worden, weil sie glaubten, die Hauptsache für die Logik sei das Argumentieren. Und das Argumentieren ist, so weiß er, der Ort, an dem „die Logik mit der Rhetorik zusammentrifft" (S. 534). Aber natürlich ist die Logik an sich, wie er fest überzeugt ist, eine selbständige philosophische Disziplin und hat im Gegensatz zu der Rhetorik mit der Argumentationstechnik nichts zu tun. So sein vernichtendes Gesamturteil; im ganzen sei die Logik der spätantiken Aristoteliker auf das Niveau der voraristotelischen, ja geradezu vorsokratischen Zeit zurückgefallen, denn Sokrates sei eben derjenige, der dem formal-rhetorischen Flitterwerk der Sophisten das begriffliche Wissen gegenübergestellt und so die wahre Logik vorbereitet habe. Heute halten viele Historiker Prantls Buch für überholt. In der Tat muß sein Buch recht kritisch gelesen werden. Was den Zeitabschnitt der antiken Aristoteliker anbetrifft, behält Prantls Historiographie dennoch ihren Wert. Wenigstens ein wichtiges historisches Faktum, das vor ihm etwa P. Ramus entgangen ist, ist von ihm festgestellt worden: die antiken Aristoteliker haben nicht so skalvisch die aristotelische Logik wiederholt wie Ramus meinte, sondern sie haben sie eben nicht wenig umgestaltet. Indem er aufgrund eingehender Lektüre zu ermitteln suchte, worin diese Umgestaltung besteht, konnte er die Arbeit der antiken Aristoteliker, wenn auch etwas vage, aber im Grunde trefflich charakterisieren. Allerdings begeisterten ihn die Charakteristiken gar nicht, auf die er sicher als erster aufmerksam machen konnte, er versah sie vielmehr mit in seinem Sinne eindeutig negativen Wertakzenten. Doch der Nutzen eines Geschichtswerkes hängt nicht nur von solchen Wertakzenten ab, in denen sich die subjektive Auffassung des Verfassers von den behandelten Gegenständen, d.h. seine Vorurteile widerspiegeln. Und es braucht kaum bemerkt zu werden, daß das, was Prantl seinerzeit so verachtenswert fand, also die Schulmäßigkeit, die mechanische Anwendung der Schematismen und die Bemühung um Trivialitäten, das Verlagern des Schwergewichtes auf das „äußerlich-Sprachliche", ganz zu schweigen von der Hinneigung zum formalen Denken, heute vollends in einem anderen Licht erscheinen kann. Ich fürchte eher, daß das zu negative Urteil von Prantl 16

heutige Leser dazu führen könnte, sich etwas voreilig eine zu' positive Meinung von der Arbeit der antiken Aristoteliker zu bilden, wie es etwa im Falle der stoischen Logik schon geschehen ist. Wie dem auch sei, ich glaube, daß man die Gesichtspunkte, die Prantl in seinem Buch herausgearbeitet hat, nicht totschweigen darf. Ich halte es jedenfalls für zweckmäßig, im folgenden gelegentlich Prantls Meinungen kurz zu berücksichtigen. Nachdem das Unternehmen der Herausgabe der griechischen Aristoteles-Kommentare vollendet worden war, begannen Studien über einschlägige Themen zu erscheinen. In unserem Zusammenhang ist besonders die Dissertation von G. Volait zu erwähnen (Die Stellung des Alexander von Aphrodisias zu der aristotelischen Schlußlehre, Halle 1907). In dieser Dissertation hat Volait eine sehr nüchterne Untersuchung durchgeführt. Anders als Prantl ist er nicht von einer eigentümlichen Deutung der aristotelischen Logik ausgegangen, sondern er hat einen unbefangenen Vergleich zwischen Alexanders Kommentar und dem aristotelischen Text angestellt und über manche Differenzen der beiden sachlich zu referieren versucht. Aber Volait ging im Rahmen der relativ knappen Abhandlung selektiv vor ; außerdem hat er die von ihm ausgewählten Probleme nur oberflächlich besprochen. Man kann sich des Urteils nicht enthalten, daß seine Betrachtung nur punktuell geblieben ist. Natürlich kann durch eine punktuelle Betrachtung ein Gesamtbild der Leistung Alexanders nicht vermittelt werden. Daran liegt es, daß wir von Volait nicht erfahren, welche Stellung Alexander zu der aristotelischen Schlußlehre schließlich eingenommen hat. Ferner wird der Wert seines Buches durch den inadäquaten Begriffsapparat, den er bei der Interpretation benutzte, und durch eine Anzahl von unpassenden Beurteilungen, die er gelegentlich wagte, vermindert. Ich glaube, daß in der vorliegenden Arbeit mehr geleistet wird als in Volaits Dissertation. Vor allem wird hier nicht nur die Beziehung Alexanders zu Aristoteles, sondern auch der geschichtliche Zusammenhang zwischen den beiden und der ammonischen Schule in Betracht gezogen. So wird es möglich, vieles von dem, was Volait entgangen war, zur Sprache zu bringen. In dem 1931 erschienenen kleinen Buch „Abriß der Geschichte der Logik" (Berlin) übergeht H. Scholz, Alexander ausgenommen, die anderen griechischen Kommentatoren gänzlich. Auch über Alexander wird inhaltlich fast nichts berichtet. Dies entschuldigt freilich der sehr kleine Umfang dieses Buches. J. M. Bochenski, einer der produktivsten Autoren unseres Jahrhunderts im Bereich der Geschichte der Logik, gibt zuerst in seinem 1951 veröffentlichten Buch „Ancient formal logic" (Amsterdam) einen kurzen Be17

rieht über die griechischen Kommentatoren, welcher im Grunde nichts als die Nennung von Namen enthält. Doch in dem etwas später veröffentlichten Buch „Formale Logik" (Freiburg 1956) gibt er einen etwas ausführlicheren Bericht. Dieser Bericht findet sich in dem mit „Ausgang der Antike" betitelten Kapitel, in dem außer den Kommentatoren auch Galen, Apuleius und Boethius behandelt werden. Dort charakterisiert er die Leistung dieser Gelehrten folgendermaßen: 1. Ihre Leistung ist keine schöpferische; 2. jedoch wird gelehrte Einzelarbeit geleistet; dadurch werden gewisse früher ausgebildete technische Methoden verbessert. 3. Eine Systematisierung des Lehrstoffes wird vorgenommen. 4. Inhaltlich ist die synkretistische Tendenz in dem Sinne bemerkbar, daß stoische Methoden und Formulierungen auf aristotelische Gedanken übertragen werden. Offensichtlich als Nachweise für diese genannten Punkte wird dann eine Reihe von Textstellen aus verschiedenen Schriften, die während dieser Zeit verfaßt worden sind, mit Erläuterungen angeführt, wobei es leider nicht immer klar ist, welche Stelle auf welchen Punkt zu beziehen ist. Aus Alexanders Kommentar zu den an. pr. werden folgende zwei Stellen als wichtig hervorgehoben: die Stelle, an der Alexander bei dem Beweis der Ε-Konversion einen formallogischen Kunstgriff anwendet, den Bochenski „die Identifizierung der Variablen" nennt, und die Stelle, an der Alexander die Unterscheidung zwischen Stoff und Form am Syllogismus macht (24.07; 24.08). Außerdem wird eine Stelle aus einem anonymen Kommentar zu den an. pr. angeführt, an der die Figureneinteilung der zusammengesetzten Syllogismen besprochen wird (24.34), und noch eine weitere Stelle aus Philoponus' Kommentar zu demselben Werk, an der sich das im Mittelalter als pons asinorum bekannt gewordene Schema findet (24.35). Also läßt uns Bochenski auf diese Weise wenigstens einige konkrete Einzelheiten aus der griechischen Tradition der Logik der an. pr. kennenlernen, und es sind eben die Einzelheiten, denen Prantl keine besondere Beachtung geschenkt hat. Nur ist es die Frage, inwieweit Bochenskis Auswahl der Einzelheiten, die vielleicht dem zweiten der oben genannten Punkte zuzuordnen sind, repräsentativ für die ganze griechische Tradition der Logik der an. pr. ist. Es entsteht der Eindruck, Bochenski habe, indem er die griechischen Kommentare durchblätterte, unter den Stellen, die ihm auffielen, nur solche exzerpiert, die aus seiner Sicht sozusagen typisch sind. Der Standpunkt, von dem aus er diese Exzerption vorgenommen hat, ist zwar ein durchaus diskutabler Standpunkt. Aber selbst18

verständlich muß man es vermeiden, sich aufgrund der so entstandenen dürftigen Exzerption ein Gesamturteil über die Arbeit der Kommentatoren zu bilden. Uber seinen Standpunkt, auf dem er als Historiker steht, wird noch gesprochen werden. Im Jahre 1962 ist „The Development of Logic" von W. u. M. Kneale erschienen (Oxford). Im Unterschied zu Bochenskis Buch, das zum größten Teil aus Kompilation besteht, ist dieses Buch eine fortlaufende, tiefgründige Auseinandersetzung der Verfasser mit den von ihnen behandelten Autoren. Aber leider sind dort die griechischen Kommentare, Porphyrius' Isagoge ausgenommen, in einem mit „From Cicero to Boethius" betitelten Kapitel nur sehr kurz behandelt. Aus den Kommentaren zu den an. pr. ist nur das Schema des pons asinorum herausgegriffen und einigermaßen näher erläutert. Dies scheint nicht daran zu liegen, daß die Verfasser die Kommentatoren als Logiker etwa ganz geringschätzten. W. u. M. Kneale haben danach einen vorzüglichen Aufsatz über ein spezielles Problem in der antiken Logik veröffentlicht: „Prosleptic propositions and arguments" (in: Islamic philosophy and the classical tradition. Essays presented to Richard Walzer. Oxford 1972, S. 189-207). In diesem Aufsatz sind Alexanders und Philoponus' Meinungen über das behandelte Thema genügend berücksichtigt. Wenn über die Kommentatoren in ihrem Geschichtswerk nur so wenig gesprochen wird, liegt der Grund offenbar darin, daß die Verfasser glauben, die wirkungsgeschichtliche Bedeutung der griechischen Kommentatoren sei im Vergleich zu der der lateinischen Gelehrten wie Boethius sehr gering13. Abgesehen von kleineren einschlägigen Arbeiten haben die griechischen Kommentatoren in den Werken der modernen Aristoteliker mehr Beachtung gefunden als in den genannten Darstellungen der Geschichte der Logik. Sir David Ross zitiert in seinem Kommentar zu den an. pr. wie in seinen anderen Aristoteleskommentaren reichlich die antiken Aristo-

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Bei dieser Gelegenheit muß zu dieser weit verbreiteten Meinung eine Bemerkung gemacht werden; wenn von der Wirkung auf die mittelalterliche Logik und weiter auf die neuzeitliche und traditionelle Logik die Rede sein soll, ist die Bedeutung von Boethius bislang im allgemeinen zu hoch eingeschätzt, demgegenüber die Bedeutung der griechischen Kommentatoren nicht gebührend gewürdigt worden. Meiner Meinung nach muß dies berichtigt werden. Ich bin überzeugt, daß die wirkungsgeschichtliche Bedeutung der griechischen Kommentatoren noch größer als die des Boethius und irgendwelcher anderen lateinischen Autoren ist. Jedenfalls, was die Logik der an. pr. anbelangt, stammt fast alles, was bei Boethius zu finden ist, von seinen griechischen Vorgängern, und vieles, was weder bei Boethius noch bei Apuleius, Capella oder Isiodorus, aber wohl in den mittelalterlichen und traditionellen Logiklehrbüchern zu finden ist, läßt sich in den griechischen Kommentaren finden.

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teliker und setzt sich gelegentlich mit ihren Meinungen auseinander (Aristotle's Prior and Posterior Analytics, introd. and comm. by W. D. Ross, Oxford 1949). Es scheint, als setze sich in seinem Buch die Tradition der Kommentierung gerade im Anschluß an die antike Tradition fort. Noch bemerkenswerter ist es, daß formallogisch geschulte Aristoteleserklärer den antiken Kommentaren Aufmerksamkeit schenkten. Vor allem ist J. Lukasiewicz zu nennen, der sich um die Förderung der modernen Logik auf manchen Gebieten verdient gemacht hat (Aristotle's syllogistic from the standpoint of modern formal logic, 2nd ed. Oxford 1957). Er hält die von Prantl versuchte philosophische Deutung der aristotelischen Syllogistik für grundlos, aber er stimmt auch der Meinung mancher Logiker nicht zu, daß der Syllogistik wesentliche Mängel anhaften. Sein Ziel ist, die Syllogistik des Aristoteles als ein ziemlich reines formallogisches System zu rehabilitieren. Er versucht, dieses Ziel dadurch zu erreichen, daß er zeigt, daß die Konstruktion eines Systems der Syllogismen „on the lines laid down by Aristotle himself, and in accordance with the requirements of modern formal logic" (S. 131) möglich ist. Mit den Worten „on the lines laid down by Aristotle himself" erhebt er eindeutig einen Anspruch auf die richtige Interpretation des aristotelischen Textes. Tatsächlich wird von diesem modernen Logiker eine mit dem Text gut vereinbare Interpretation vorgelegt, vielleicht eine in mancher Hinsicht plausiblere Interpretation als die, die von all seinen philologisch wohl mehr geschulten Vorgängern vorgelegt worden ist. Nun zieht er im Lauf der Textinterpretation die griechischen Kommentatoren häufig sozusagen als seine Gesinnungsgenossen heran, und ihre Einsicht wird von ihm rühmend hervorgehoben. Zwar gibt es einige Fälle, in denen er sie kritisiert, aber im ganzen sind die antiken Kommentatoren in seinen Augen unter seinen Vorgängern die bei weitem besten Kenner der aristotelischen Syllogistik, mit denen die Interpreten wie Prantl oder H. Maier gar nicht verglichen werden können. Erwähnt er die Meinungen von Prantl oder von Maier (Die Syllogistik des Aristoteles I/II, Tübingen 1896-1900) in seinem Buch, so tut er es nur, um zu zeigen, wie unfähig zur Deutung eines logischen Werkes diese Vorgänger in seinen Augen waren. Hingegen werden die griechischen Kommentatoren von ihm gelobt; sie hätten die Wichtigkeit des Gebrauchs von Variablen erkannt; Alexander habe es verstanden, die Regel der Variablensubstitution geschickt anzuwenden, Philoponus' Begriffsbestimmung von „Maiorterm" und „Minorterm" sei als mustergültig anzusehen, usw. Was Lukasiewicz über die aristotelische Syllogistik geschrieben hat, ist von G. Patzig in der Hauptsache weiter bestätigt und untermauert worden, und zwar aufgrund einer sorgfältigen philologischen Nachprüfung 20

(Die aristotelische Syllogistik. Logisch-philologische Untersuchungen über das Buch Α der „Ersten Analytiken", Güttingen 1959). In seinem Buch über die aristotelische Syllogistik zieht auch Patzig wie Lukasiewicz die Meinungen seiner Vorgänger öfters heran und setzt sich mit ihnen auseinander. Dabei wird die Arbeit der griechischen Aristoteliker noch einmal durchaus positiv bewertet. Ein wichtiges Beispiel: Die griechischen Kommentatoren, besonders Philoponus, haben nach Patzig eingesehen, worin die Vollkommenheit eines Syllogismus besteht, wenn sie auch keine explizite Erklärung davon gegeben haben; dagegen haben andere Erklärer von C. Wolff bis W. D. Ross ausnahmslos den Sinn der Unterscheidung zwischen den vollkommenen und unvollkomenen Syllogismen verfehlt (III § 19, S. 78-92). Diese Anerkennung erhält deswegen um so größeres Gewicht, weil sie gerade von dem Interpreten ausgesprochen wird, der als erster den bisher verborgen gebliebenen formallogischen Kern dieses schwierigen Problems ans Tageslicht kommen läßt. Noch ein anderes Beispiel: Alexander und Philoponus haben nach Patzig eingesehen, daß der Definition des Mittelterms und der Außenterme die sogenannten Umfangsverhältnisse der Begriffe nicht zugrunde gelegt werden können; demgegenüber haben sich viele Interpreten des 19. Jahrhunderts und auch einige Gelehrte unseres Jahrhunderts irrtümlicherweise an dem Umfangsverhältnis orientiert. Jedoch ergeht sich Patzig keineswegs in überschwenglichen Lobreden auf die Kommentatoren, sondern er vergißt nicht, jedesmal, wenn von einem Deutungsvorschlag der Kommentatoren geredet wird, auch auf die unzulängliche Seite ihrer Deutung kritisch aufmerksam zu machen. Was beispielsweise das eben erwähnte Problem der Vollkommenheit betrifft, so enthält er uns nicht vor, daß gerade Philoponus, der in diesem Zusammenhang von ihm besonders gelobt wird, einer von denjenigen ist, die irrtümlicherweise oft die Eigenschaft der Vollkommenheit von den Syllogismen der ersten Figur auf die erste Figur selbst übertrugen, und er versucht zu zeigen, warum diese Übertragung unzulässig ist und weswegen dieser Irrtum entstehen konnte. Wo es um die Definition des Mittelterms und der Außenterme geht, teilt er uns mit, welche Definitionen Alexander und Philoponus ihrerseits vorgeschlagen haben und er versucht zu zeigen, warum auch ihre Definitionen nicht akzeptabel sind. Genauer genommen besteht Patzigs positive Anerkennung der Arbeit der Kommentatoren also darin, daß sie von ihm als Diskussionspartner ernst genommen werden - nämlich als die Diskussionspartner, die ihre Meinungen aussprechen dürfen, die in einer Hinsicht sicher eine akzeptable Seite, doch in anderer Hinsicht auch eine bedenkliche Seite haben können. Es erübrigt sich wohl die Bemerkung, daß auf diese Weise mehr Beiträge zu dem richtigen Verständnis der Arbeit der Kommentatoren geleistet werden können als durch die punktuelle 21

Betrachtung, die nur lobenswerte Einzelleistungen oder nur irrtümliche Ansichten aus den Kommentaren zu exzerpieren sucht. Aber das Bild von den Kommentatoren, das man aus Patzigs Buch gewinnen kann, ist noch kein Gesamtbild von ihnen. Auch wenn die Kommentatoren in seinem Buch als Diskussionspartner zugegen sind, läßt er sie nur zu den Themen, die er selbst für zentral und relevant für das Verständnis der aristotelischen Logik hält, ihre Meinungen aussprechen. Und dies ist sein gutes Recht. Was er als Aristoteleserklärer bezweckt, ist in erster Linie die Deutung der an. pr. selbst, aber nicht die Deutung der Kommentare dazu. Vielleicht könnte man meinen, daß die Kommentatoren und Patzig weitgehend gleiche Themen zu besprechen haben, da ja schließlich ihnen allen der gleiche Text als gemeinsame Basis der Diskussion vorliegt. Aber das ist eben nicht der Fall. Patzig behandelt den Text wie Lukasiewicz von einem festen und einheitlichen Standpunkt aus, nämlich von dem Standpunkt der formalen Logik, auch wenn er dabei die Pflicht eines Philologen nicht vernachlässigt. Dagegen ist der Standpunkt der Kommentatoren nicht so einheitlich, jedenfalls ist er nicht der Standpunkt eines Formallogikers. Da es in meiner Arbeit hauptsächlich darum geht, ihre Arbeit als Ganzes zu verstehen, wäre es unrichtig, ihren Standpunkt einfach außer acht zu lassen. Das Recht, die Diskussionsthemen zu wählen, möchte ich zuerst ihnen weitgehend überlassen, selbst wenn die Themen, für die sie sich interessieren, oft nicht mehr zu dem Problemkreis der heutigen formalen Logik gehören. Die Kriterien, nach denen manche heutige Historiker die Untersuchungsthemen aus logischen Werken der Vergangenheit wählen, sind nach meiner Meinung im allgemeinen zu sehr durch den Problemkreis der heutigen formalen Logik bedingt und beschränkt. Dadurch wird die historische Erkenntnis oft erschwert. Wenn z.B. Bochenski aus Alexanders Kommentar den Kunstgriff der „Identifizierung der Variablen", der im Grunde in der Substitution einer Variable durch eine andere besteht, herausgreift und ihn überhaupt als eine der wichtigsten Errungenschaften dieser Periode beurteilt, kann man nicht umhin, sich zu fragen, was für einen Wert für Bochenski die Historiographie haben könnte. Ich bin der Meinung, daß die Hauptaufgabe eines Historikers nicht ausschließlich darin besteht, etwa den Satz auszusprechen: „Da seht ihr! Die wußten ja schon das und das" (meistens „wenn auch etwas unvollständig und nicht ganz klar" hinzufügend). Im Gegenteil, wenn ein Autor aus der Vergangenheit unsere Anerkennung verdient, dann nicht nur deswegen, weil er etwas schon wußte, was wir jetzt wissen, sonder auch (oder in größerem Maß] deswegen, weil er anders denken konnte als wir. Der oben genannte Kunstgriff ist gewiß ein gutes Beweisstück für Alexanders formallogische Denkfähigkeit, aber dieser Kunstgriff, der in den Bereich der 22

logischen Technik gehört und heute jedem guten Studenten der Logik vertraut ist, macht den Wert eines Alexander nicht aus. Obgleich Prantl seinerzeit die Kommentatoren der angeblichen formallogischen Denkweise bezichtigte und manche heutige Gelehrte ihnen wegen ihrer Einsicht in formale Dinge ihre Anerkennung spenden, wird man unter ihnen keinen ausgesprochenen Formallogiker finden; jedenfalls werden viele von den formalen Dingen, für die sie sich interessiert haben, heutige Formallogiker nicht so sehr interessieren, wenn solche Dinge auch auf das Adjektiv „formal" Anspruch erheben mögen. W. u. M. Kneale sagen im Klartext, daß sie die Aufgabe ihrer Geschichtsschreibung nicht als „an attempt to chronicle all that past scholars, good and bad, have said about the logic" betrachten und daß das Programm ihrer Geschichtsschreibung auf dem Werturteil beruht (Development S. V). In der vorliegenden Arbeit werde ich meinerseits mit großer Vorsicht über Gut und Schlecht urteilen, oder ich werde mich des Werturteils, soweit möglich, überhaupt enthalten. Was ich vorlegen will, ist jedoch keine einfältige Chronologie, in der Ereignisse punktuell registriert sind; wenn ich in den Kommentaren nur nach solchen Stellen suchte, an denen etwas formallogisch „Gutes" zu finden ist, würde sicher eine solche Chronologie entstehen. Ich lege mehr Wert auf historische Zusammenhänge als auf vereinzelt und mehr oder weniger von ungefähr zum Vorschein kommende logische Geschicklichkeiten. Und im historischen Zusammenhang steht das sogenannte Gute sehr oft neben dem sogenannten Schlechten. Wenn also im folgenden auch die Dinge, die von dem heutigen Standpunkt der formalen Logik aus gesehen unwichtig sein können, zur Sprache kommen, liegt das daran, daß in dieser Arbeit dieser Zusammenhang mehr Gewicht bekommt und die Leistungen der Kommentatoren nicht punktuell, sondern als solche, die in eben diesem Zusammenhang miteinander stehen, betrachtet werden; das liegt aber keineswegs daran, daß ich etwa glaubte, neben der formalen Logik sei so etwas wie materielle oder inhaltliche Logik noch möglich und wichtiger, oder daß ich Anhänger einer philosophischen Logik im Sinne Prantls wäre14.

14 Zum Schluß aber muß noch ein Buch erwähnt werden: das großangelegte Werk von P. Moraux „Der Aristotelismus bei den Griechen" (Berlin 1972). Im Augenblick steht uns nur der erste Band zur Verfügung; in ihm werden die älteren Kommentatoren behandelt. Der Autor plant, in dem zweiten Band Alexander Aphrodisiensis zu behandeln. Obwohl die Logik der an. pr. nur eine Teilaufgabe dieses Werkes ist, hat man gute Gründe zu hoffen, daß in dem zweiten Band P. Moraux auch für die Historiographie der Logik einen großen Beitrag leisten wird. Im ersten Band war es für ihn wegen der bekannten ungünstigen Quellenlage unmöglich, dies zu tun.

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II. Die Auffassung der Logik bei den griechischen Kommentatoren Obwohl Aristoteles allgemein als Begründer der Logik betrachtet wird, und zwar als Begründer jener Gestalt der Logik, die über zweitausend Jahre lang in der abendländischen Kulturgeschichte dominiert hat, kannte er selber das Wort „λογική" als fachtechnischen Namen für eine Disziplin nicht. Aber nach seinem Tod, also in der hellenistischen Zeit, begann der Terminus „λογική" weit und breit benutzt zu werden. Zu der Zeit, als die erste wissenschaftliche Ausgabe des corpus aristotelicum erschien und die Aristoteles-Renaissance begann, war das Wort „λογική" in der fachtechnischen Bedeutung in der gelehrten Welt ganz geläufig1. Die Disziplin, die zu dieser Zeit als „λογική" bezeichnet wurde, war schon ein geschlossenes und systematisches Wissensgebiet, das von den anderen Gebieten gut abgegrenzt war. Dies ist vor allem auf die Leistung der Stoiker zurückzuführen. Denn die Stoiker der hellenistischen Zeit waren es, die der Logik eine systematische Gestalt gegeben hatten; sie hatten die ganze Philosophie in drei Gebiete, Logik, Ethik und Physik, geteilt und festgelegt, welche Teilgebiete zu der Logik gehören, und darüber hinaus hatten sie auch über die Beziehung der Logik zu anderen Wissenschaften Überlegungen angestellt2. So ist es ganz verständlich, daß die damaligen Editoren wie Andronikos von Rhodos - bewußt oder unbewußt - der bereits etablierten Konzeption der Wissenschaftseinteilung und des Wissenschaftssystems folgend, unter den überlieferten Texten von Aristoteles diejenigen, in denen nach ihrem Urteil ähnliche Probleme wie die der damaligen Logik behandelt sind, aussortierten und zu einer Ganzheit zusammenstellten. Dies ging zum Glück im Ganzen ohne viel Gewalt - abgesehen von dem Fall der categoriae. Das ist der Hintergrund der Entstehung der als „Organon" bezeichneten Sammlung. Aber Aristoteles selber hatte die Schriften, die so in das Organon eingegliedert wurden, nicht als auf eine Einheit hingeordnete Bestandteile aufgefaßt, und das Gebiet, das sie unter einem einheitlichen Gesichtspunkt umfassen könnte, war bei ihm als ganzes noch kein Gegenstand einer sy-

1 Das geht etwa aus der Tatsache hervor, daß auch Cicero es für nötig hielt, das Wort für seine Mitbürger ins Latein zu übersetzen; s. De Fato 1,1. 1 Hierzu Bochenski, Formale Logik, 19.01-19.03.

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stematischen Disziplin3. So ließ die Edition des Organons folgende Probleme auftauchen, die bei Aristoteles nicht vorhanden gewesen waren: (1) Wie hängen die Teilgebiete innerhalb der Gesamtheit, die das Organon darstellt, mit einem Wort, innerhalb der aristotelischen Logik, miteinander zusammen? (2) Was für ein Verhältnis hat die aristotelische Logik als ein ganzes System zu anderen Wissensgebieten? Oder welche Stellung nimmt sie innerhalb der Gesamtheit der Wissenschaften ein?

1. Das System der Logik

Wir betrachten zuerst die Antwort der Kommentatoren auf die erste Frage. Ammonius und Philoponus, die etwa fünf Jahrhunderte nach der Entstehung des Organons tätig waren, hatten natürlich auf diese Frage eine klare Antwort parat4. Nach ihnen bilden die folgenden Teilgebiete in einer festgelegten Reihenfolge das System der aristotelischen Logik. Den Ausgangspunkt (ή άρχή πάσης της λογικής πραγματείας) bildet die Kategorienlehre, von der die Schrift categoriae handelt. Darauf folgt die Satzlehre, von der de interpretatione handelt. Danach kommt die Theorie des Syllogismus im allgemeinen (ό καθόλου συλλογισμός), von der die analytica priora handeln. Hierauf kommt die in analytica posteriora entwickelte Theorie des apodeiktischen Syllogismus (ό Αποδεικτικός συλλογισμός, ή άπόδειξις), welche nach dem Urteil der Kommentatoren die zentrale Stellung in der ganzen aristotelischen Logik einnimmt. Schließlich sind noch zwei Gebiete mehr oder weniger anhangsweise hinzugefügt: die Theorie des dialektischen Syllogismus, von der die topica handelt, und die Theorie des sophistischen Syllogismus, von der die sophistici elenchi handeln. Die Kommentatoren begründen diese Reihenfolge, indem sie auf den Zusammenhang hinweisen, in dem die Untersuchungsgegenstände all dieser Teilgebiete miteinander stehen: Der Untersuchungsgegenstand, den die ganz vorangestellte Theorie, die Kategorienlehre, behandelt, ist das einfache Wort, die kleinste bedeutungstragende Einheit der Sprache (ή άπλη φωνή). 3 Freilich ist es eine andere Frage, ob ein „Organon" mit dem Gedanken des Aristoteles grundsätzlich unvereinbar ist oder nicht. Als Stützen für die Arbeit der Editoren des Organons können etwa folgende Textstellen betrachtet werden: an. pr. A 1, 24a l f f . ; 24a 28ff. ; top. A 1, 100a 25 ff. ; soph. el. 34, 183b 17-23; 34-36. Es handelt sich dabei jedoch keineswegs um solche Stellen, die eindeutig und explizit dafür sprechen könnten, daß Aristoteles so etwas wie ein „Organon" intendiert hat. Solche Stellen lassen sich nirgends finden. 4 Ammon. in an. pr. 1,4-7; 4,36-39; Philop. in an. pr. (CAG ΧΙΠ,2), 4, 30-5,14.

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Der Untersuchungsgegenstand des nächsten Gebietes ist nun der Satz, der aus einfachen Wörtern zusammengesetzt ist. Und der Syllogismus, der auf den darauffolgenden Gebieten behandelt wird, ist ein Gebilde, das aus Sätzen zusammengesetzt ist (ή συλλογή [τίνων] λόγων). Das Denkmodell, das hier der Auffassung der beiden Kommentatoren zugrunde liegt, kann man also mit dem Stichwort „Zusammensetzung" kennzeichnen, wobei es für ihre Auffassung auch bezeichnend ist, daß sie das Fortschreiten von dem Einfachen zu dem Zusammengesetzten als sachgemäß betrachten 5 . Philoponus vergleicht den systematischen Bau der Logik mit dem Hausbau: um ein Haus zu bauen, legt man Grundsteine, richtet Säulen und Wände auf und dann setzt man das Dach auf6. Ein anderes Gleichnis von Ammonius: Wenn man eine Rede schreiben will, muß man zuerst Buchstaben, danach Silben und dann Nomina und Verben lernen7. Dieses Denkmodell wird wohl etwas zu einfach erscheinen, als daß es auf die Systematisierung des in den logischen Schriften von Aristoteles enthaltenen Problemkomplexes einwandfrei angewendet werden könnte. Prantl jedenfalls hält die Auffassung, die auf diesem Denkmodell basiert, für verwerflich8; womöglich sieht er in dieser Auffassung einen stoischen Einfluß. Aber dieses Denkmodell ist als solches nicht verwerflich. Solange die aristotelische Logik anders als die moderne mathematische Lo5 An einer Stelle in seinem Kommentar zu den cat. redet Philoponus von dem hierzu entgegengesetzten Vorgehen (in cat. 27, 11 ff.). Dort schreibt er, daß es für die Menschen angenehmer ist, von dem Zusammengesetzten zu dem Einfachen zu gehen. Das Zusammengesetzte ist für uns gewohnter und vertrauter. Kinder verstehen einen ganzen Satz z.B. „Sokrates geht herum" zu sprechen, dennoch können sie den Satz nicht in einfache Bestandteile zerlegen. Auf die gleiche Weise sehen wir zuerst einen herumgehenden Menschen als Ganzes, dann analysieren wir das Ganze in die Substanz (ούσία) und Handlung (ένέργεια). Aber dieses umgekehrte Vorgehen ist nur der Art und Weise des Wissensgewinnens (ό τρόπος της γνώσεως) eigen. Die Ordnung der Logik ist deswegen anders, weil die Logik in der Weise des Unterrichts (oder systematischer Lehre, - διδασκαλία) dargestellt wird. Bei der διδασκαλία nimmt man an, daß man am Anfang weder das Einfache noch das Zusammengesetzte kennt, und sieht ganz davon ab, wie wir in Wirklichkeit zum Wissen gelangen. In Wirklichkeit fangen wir nie von einem Nullpunkt an. Wir gehen immer von einem unklaren (nach Philoponus unvollkommenen) Wissen, ja Pseudowissen aus. Dieses Vorwissen ist jedoch für die systematische Didaskalia nicht brauchbar. Die Didaskalia benutzt nur die Resultate der Präzisierung dieses Vorwissens, wobei diese Resultate nun gleichsam in einem neuen Licht systematisch geordnet werden müssen. Deshalb kann und muß die Logik als Didaskalia die Ordnung befolgen, die von dem Einfachen zum Zusammengesetzten führt. Dieser Gedanke ist durchaus aristotelisch. In verschiedenen Zusammenhängen weist Aristoteles auch darauf hin, daß die Ordnung der Didaskalia und die Ordnung unseres tatsächlichen Wissensgewinnens nicht gleich sind. 6 7 8

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Philop. in cat. 11,9-15. Ammon. in cat. 5,23-28. Prantl, a.a.O., S. 90, 630, 645, 646.

gik innerhalb der natürlichen Alltagssprache bleibt, kann man nicht bestreiten, daß die Zusammensetzung ein Aspekt ist ; unter dem man die Untersuchungsgegenstände der aristotelischen Logik betrachten kann. Ein konkreter Syllogismus, der in einer natürlichen Sprache formuliert ist, hat offensichtlich Sätze als Teile, und diese Sätze haben ihrerseits Wörter als Teile. Niemand würde verneinen, daß der Satz „Sokrates schläft" zwei Wörter als Teile hat. Doch wenn man einen derartigen Syllogismus oder einen Satz als zusammengesetztes Gebilde verstehen will, stößt man auf logisch viel wichtigere Probleme. Es erhebt sich nämlich vor allem die Frage: was bewirkt die Zusammensetzung? Nehmen wir zuerst den Satz. Es ist klar, daß der Satz kein bloßes Aggregat von einzeln dastehenden Wörtern ist. Damit die Wörter zu einer Ganzheit vereinigt werden können, muß etwas hinzukommen. Im Falle des elementaren Satzes wie „Sokrates schläft" ist das die Prädikation. Dadurch, daß wir von einem Gegenstand ein Prädikat aussagen, wird es ermöglicht, daß die Wörter, die für die beiden stehen (das Wort „stehen" möge hier im weitesten Sinne verstanden werden), zu einem Satz vereinigt werden. Manchmal kommt in dem Satz das Wörtchen „ist" als Copula (Bindeglied) oder genauer als Stellvertreter für die Prädikation auf der Ebene des sprachlichen Ausdrucks vor (wie im Satz „Sokrates ist ein Schlafender"), obwohl dieses Wörtchen insofern irreführend sein kann, als es oft auch andere komplizierte Funktionen ausübt (wie in den Sätzen „Gott ist", „Der Vogel ist ein Säugetier" oder „Der gegenwärtige König Frankreichs ist kahlköpfig"). Im Falle des komplexen Satzes braucht man neben der Prädikation natürlich noch manches andere wie Konjunktion, Disjunktion usw. Und für die Logik sind diese Dinge, die die Zusammensetzung bewirken, interessanter und wichtiger als die Teile, die zusammengesetzt werden. Die Auffassung, die auf dem Denkmodell „Zusammensetzung" basiert, wäre dann zu verwerfen, wenn sie etwa verhinderte, diese Dinge zu sehen. Aber im Gegenteil: das Denkmodell gibt einen guten Anlaß, unter einem noch wichtigeren Aspekt die Untersuchungsgegenstände der aristotelischen Logik zu betrachten. Darin besteht in unserem Fall der Wert des Denkmodells „Zusammensetzung". Wir betrachten nun, wie weit die Kommentatoren aus diesem Denkmodell Nutzen zu ziehen verstanden. So läßt Ammonius, wenn er den Übergang von der Kategorienlehre zu der Satzlehre erklärt, erkennen, daß er sehr wohl zum differenzierten Denken fähig ist. Er bemerkt, daß das Wort, das in einem Satz als ein Bestandteil auftritt, mit dem Wort, das noch nicht in einen Satz aufgenommen ist, nicht ohne weiteres identifiziert werden kann - wenn auch der Wortlaut und auch die Wortbedeutung in beiden Fällen gleich sind. An einer Stelle in seinem Kommentar 27

zu de int. gibt er die folgende Erklärung: Sie sind nur im Hinblick auf das ύποκείμενον miteinander identisch, aber im Hinblick auf die σχέσις voneinander verschieden9. Was er meint, macht er durch Beispiele deutlich: ,,τό σπέρμα - ό καρπός" und „ή άνάβασις - ή κατάβασις". Ein und derselbe Gegenstand, beispielsweise ein Korn oder eine Bohne, kann sowohl als Frucht wie als Samen gelten, je nachdem in welcher Beziehung dieses Ding betrachtet wird; in der Küche wird es als Frucht gelten, aber auf dem Saatfeld sicher als Samen. Ein und derselbe Weg kann für die Götter im Olympos ein abwärts führender Weg, indessen für die Sterblichen da unten ein aufwärts führender Weg sein. Was er meint, ist also folgendes: Das gleiche Wort wird in der Kategorienlehre und in der Satzlehre unter verschiedenem Aspekt aufgefaßt. Diese verschiedenen Aspekte bestimmt er in Anlehnung an Porphyrius mit den Begriffen „die erste Position" und „die zweite Position". Wir nehmen hier die etwas präzisere Erklärung von Porphyrius zu Hilfe10. Nach ihm liegt dann die erste Position vor, wenn ein Wort, genauer eine bestimmte Wortgestalt (φωνή oder λέξις) einem außersprachlichen Gegenstand (πραγμα) zugeordnet wird. Die zweite Position hingegen liegt dann vor, wenn man das Wort selbst, das durch die erste Position eine Bedeutung bekommen hat, diesmal als einen Gegenstand betrachtet und ihm entweder den Namen „Nomen" oder „Verbum" zuordnet. Die Frage, ob ein bestimmtes Wort als Nomen oder als Verbum aufgefaßt werden soll, hängt nach ihm davon ab, welche Merkmale (τύποι) das Wort hat; genauer davon, ob es mit dem Artikel verbunden werden kann oder nicht, oder ob es zusätzlich noch auf die Zeit bezogen ist oder nicht. Nun ist diese zweite Position der Aspekt, auf den es in der Satzlehre ankommt. Denn erst dann, wenn die Wörter durch die zweite Position - bildlich ausgedrückt - zum Nomen oder zum Verbum verwandelt werden, können sie zu einem Satz vereinigt werden. Nicht jede Zusammensetzung der Wörter, sondern nur die Zusammensetzung von einem Nomen und einem Verbum kann nämlich einen Satz zustandebringen. Es ist klar, daß das, worauf Ammonius unter Heranziehung des Begriffs „die zweite Position" ' Ammon. in de int. (CAG IV,5) 10,2-4. 10 Porph. in cat. (CAG IV, 1) 57,29-58,5. Es handelt sich hier um einen wirkungsgeschichtlich sehr wichtigen, aber nicht ganz klar dargestellten Gedanken. Mit der Übersetzung von θέσις als „Position" folge ich Prantl (a.a.O. S. 632). Dabei soll die Position eher in der verbalen Bedeutung von ponere (τιθέναι, setzen) verstanden werden, nicht im Sinne von Stellung oder Verhalten, wie Prantl es nahelegt. Boethius übersetzt das Wort ebenfalls als positio, W . u. M. Kneale als imposition. „Imposition" wäre auch eine zulässige Übersetzung, wenn sie im Deutschen nicht so fremd wirkte. Vielleicht ist die beste Übersetzung „Zuordnung", „ή πρώτη θέσις" kann man gut als „die Zuordnung auf der objektsprachlichen Ebene" und „ή δευτέρα θ έ σ ι ς " als „die Zuordnung auf der metasprachlichen Ebene" übersetzen.

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aufmerksam machen will, die Prädikation ist. Also können wir anerkennend urteilen, daß Ammonius das wichtige Moment an der Zusammensetzung der Wörter zu einem Satz sieht. Allerdings konnte er nicht erklären, was schließlich diese Prädikation ist. Sein Gedanke in diesem Zusammenhang liegt im Grunde immer noch auf der grammatischen Ebene, wie es auch bei Aristoteles der Fall ist. Aber dafür können wir vielleicht volles Verständnis aufbringen, wenn wir daran denken, daß so viele Philosophen nach ihm über 15 Jahrhunderte lang die Prädikation im logischen Sinne genau genommen nie zur Sprache bringen konnten. Anders als sein Lehrer ist sich Philoponus offensichtlich darüber nicht ganz im klaren, mit welchen Problemen seine auf dem Denkmodell „Zusammensetzung" basierende Auffassung des Systems der Logik verbunden ist. Zwar gibt er sich die Mühe, das Fortschreiten der Zusammensetzung zu veranschaulichen, wie das angeführte Beispiel des Hausbauens und manche andere zeigen, aber er spricht kaum davon, daß jeweils bei der Zusammensetzung die Gegenstände unter einem neuen Aspekt betrachtet werden müssen. Allerdings gibt es eine solche Stelle in seinem Kommentar, an der er sagt, daß Nomen und Verbum mit άπλαΐ φωναί zwar im Hinblick auf das ύποκείμενον identisch, aber im Hinblick auf die σχέσις unterschiedlich sind. Diese Stelle scheint eine der vielen Stellen zu sein, an denen er die Lehre seines Lehrers einfach abschreibt. Diese Mutmaßung erlaubt der Vergleich des Wortlautes der Kommentare an den betreffenden Stellen11. Sonst identifiziert er überall unbekümmert άπλαΐ φωναί mit Nomen oder Verbum. Auch an der Stelle, an der er das System der Logik erklärt, betont er nur die Identität, die die Teile bei der Zusammensetzung bewahren. So mag er dort unbedenklich „Nomen und Verbum sind άπλαΐ φωναί" sagen, ohne die in diesem Fall erwünschte Bemerkung „nur im Hinblick auf τό ύποκείμενον" hinzuzufügen.12 Nachdem Ammonius über die Zusammensetzung des Satzes gesprochen hat, macht er dahingehend eine Einschränkung, daß in der Satzlehre nicht alle Satzarten, sondern nur Behauptungssätze (ό άποφαντικός λόγος oder kurz άπόφανσις), die wahr oder falsch sein können, behandelt werden. Diese Einschränkung hängt nach seiner Auffassung des Systems der Logik damit zusammen, daß als Bestandteile eines Syllogismus nur wahre oder falsche Sätze in Frage kommen. Etwa an die Möglichkeit eines Syllogismus, der aus Befehlssätzen besteht, scheint er nicht gedacht zu haben. Es ist communis opinio aller antiken Aristoteliker, daß die Syllogismen in der Hauptsache der wissenschaftlichen Untersuchung dienen, die die Aufstellung der wahren Thesen und die Widerlegung der falschen Thesen zum Ziel hat. Insofern ist es für Ammonius und alle an11 12

Philop. in cat. 11,20. Ebd., 11,3.

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deren Aristoteliker eine durchaus richtig gezogene Konsequenz, daß die aristotelische Satzlehre von ihnen mit der Theorie des Syllogismus in Verbindung gebracht wird. Und diese Konsequenz wird wohl dem aristotelischen Gedanken nicht widersprechen, wenn auch in der aristotelischen Syllogistik der Begriff ,,άπόφανσις" nicht gebraucht wird. Die in Bezug auf die Theorie des Syllogismus sinnvolle Einschränkung macht aber die weitere Verfeinerung des Modells notwendig, das Ammo· nius' Auffassung des Systems der aristotelischen Logik zugrunde liegt. Bis jetzt verfügt man nur über den Begriff „Satz", der aus den zueinander in prädikativer Beziehung stehenden Wörtern zusammengesetzt ist. Damit ein άποφαντικός λόγος zustandekommt, muß noch etwas hinzukommen, nämlich folgendes: Derjenige, der einen Satz ausspricht, muß dabei diesen Satz als wahr hinstellen. Diese Fragestellung scheint auf den ersten Blick trivial zu sein. Aber in Wahrheit handelt es sich hier um etwas für die Logik sehr Wichtiges. Heute wird wohl jeder gute Student der Logik die Wichtigkeit des Unterschiedes zwischen ζ. B. „A ist B" und „ b Α ist B" kennen. Auf jeden Fall muß man, um von einem Behauptungssatz reden zu dürfen, auch in Betracht ziehen, auf welche Weise oder zu welchem Zweck man den Satz gebraucht. Ammonius schenkt auch dieser Tatsache Aufmerksamkeit. Er findet, daß auch Befehlssätze oder Wunschsätze, die keine behauptende Kraft besitzen und daher weder wahr noch falsch sein können, als Bestandteile Nomen und Verbum haben. So hält er es für notwendig, auch eine Erklärung über den Unterschied des Behauptungssatzes zu den anderen Satzarten zu geben. Seine Erklärung ist allerdings nicht genau die, die von den meisten der modernen Philosophen in diesem Zusammenhang gegeben wird13, aber sie ist auch in ihrer Weise sehr interessant. Nach ihm bildet nicht jede Zusammensetzung von Nomen und Verbum einen Behauptungssatz. Nur solche Nomen und Verben, die als φάσις ausgesprochen werden, können jeweils einen Behauptungssatz zustandebringen. Sicherlich glaubt er, daß die behauptende Kraft von dieser φάσις kommt. Es kann hier weiter danach gefragt werden, was es genau bedeutet, daß ein Wort - Nomen oder Verbum - als φάσις ausgesprochen wird. Aber wir müssen diese interessante sprachphilosophische Frage hier auf sich beruhen lassen und begnügen uns in unserem Zusammenhang mit der Feststellung, daß Ammonius auf jeden Fall noch ein entscheidend wichtiges Moment an dem Untersuchungsgegenstand der Logik nicht übersehen hat. Seine Wachsamkeit und sein Scharfsinn scheinen deswegen um so anerkennenswerter zu sein, weil es in dem Behauptungssatz - in der griechischen Sprache sowie in allen anderen auf der Erde gesprochenen Spra13

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Ammon. in an. pr. 16,10 ff.

chen - keinen Satzteil gibt, der ausschließlich dem Behaupten entspricht, - anders als die Prädikation, deren Vorhandensein das Wörtchen ,,ειναι" oder die Verbalendungen anzeigen. Diese Eigentümlichkeit unserer Sprache hat die Philosophen der letzten Jahrhunderte dazu verleitet, das, worauf Ammonius aufmerksam geworden war, sehr oft zu übersehen. Es ist kein geringerer als Frege, der auf diese Eigentümlichkeit der Sprache explizit hingewiesen hat und in die Logik ein besonderes Zeichen als Stellvertreter für die behauptende Kraft eingeführt hat14. Philoponus erwähnt an der Stelle, an der er das System der Logik erklärt, kein Wort von άποφαντικός λόγος bzw. kein Wort von άπόφανσις. Über de int. schreibt er unbekümmert, daß der Untersuchungsgegenstand dieser Schrift die πρότασις ist; er fügt die ergänzende Bemerkung hinzu, daß die πρότασις die erste Zusammensetzung der einfachen Wörter (ή πρώτη σύνθεσις xcöv άπλών φωνών) ist15. Auch an der entsprechenden Stelle in seinem Kommentar zu den cat. sagt er, daß in de int. die πρότασις behandelt ist. Πρότασις ist ein Terminus, den Aristoteles nur in der Syllogistik gebraucht. Diesen Terminus gebraucht er in de int. kein einziges Mal. Diese Tatsache ist jedoch für Philoponus offensichtlich von keiner großen Bedeutung. Gehen wir nun zu dem Syllogismus über. Da jetzt άποφάνσεις zur Verfügung stehen, scheint es möglich zu sein, aus ihnen einen konkreten Syllogismus zusammenzusetzen. Nur stellt sich wie in dem vorangehenden Fall des Satzes die Frage: Was bewirkt die Zusammensetzung? Es ist klar, daß eine bloße Aggregation der άποφάνσεις nicht jene organische Einsicht ergibt, die sich Syllogismus nennt. Wie in dem vorangehenden Fall des Satzes die Prädikation als entscheidendes Moment hinzukommen mußte, so ist in diesem Fall bei der Zusammensetzung der άποφάνσεις die Folgerungsbeziehung erforderlich. Für diese Folgerungsbeziehung gibt es wie im Fall der Prädikation auch einen sprachlichen Ausdruck, der als Stellvertreter für sie in der Formulierung eines Syllogismus das Vorliegen dieser Beziehung andeutet - nämlich das Wörtchen „also" (άρα). Auf welche Weise bringt Ammonius dieses entscheidende Moment an dem Syllogismus zur Sprache? Er macht wiederum von dem uns vertrauten Gedanken Gebrauch: Etwas bildlich erklärt er, daß, wenn man einen Syllogismus konstruiert, man die άπόφανσις zur πρότασις macht. Also dadurch, daß die άπόφανσις zur πρότασις wird (γίγνεται), kommt ein Syllogismus zustande. Er fügt hinzu, daß in dem Fall die φάσις, der Be14

Vgl. G. Frege, Der Gedanke, in: Logische Untersuchungen, ed. G. Patzig, Göttingen 1966, S. 35, Anm. 3. 15 Philop. in an. pr. 5,2-3.

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standteil der άπόφανσις, zu dem δρος verwandelt wird. Wenn wir diese Erklärung wörtlich nehmen, scheint es, als sei πρότασις aus άπόφανσις - vielleicht durch Hinzufügung von etwas Neuem - entstanden; und es scheint, als sei eben in diesem Neuen die die Folgerungsbeziehung zustandebringende Kraft zu finden. Im Grunde ist es genau das, was Ammonius meint. Dieses Bild ist aber insofern irreführend, als es den Anschein erwecken kann, als seien πρότασις und άπόφανσις voneinander verschiedene Gegenstände16. In Wahrheit handelt es sich hier immer noch um ein und denselben Gegenstand, nämlich um einen Satz. Nur, wenn man diesen Gegenstand als πρότασις anspricht, zieht man zusätzlich noch einige andere Merkmale in Betracht, welche man nicht in Betracht zieht, wenn man denselben Gegenstand als άπόφανσις anspricht. Natürlich sind diese Merkmale schon an dem Gegenstand vorhanden, wenn man ihn als άπόφανσις anspricht. Nur handelt es sich dabei um solche irrelevanten Merkmale, die man nicht in Betracht zu ziehen braucht, wenn man nur von άπόφανσις reden will. Nach Ammonius' Redeweise heißt es: άπόφανσις und πρότασις sind im Hinblick auf das ύποκείμενον identisch, aber im Hinblick auf die σχέσις unterschiedlich17. Also haben wir es hier wiederum mit der Verschiedenheit der Aspekte zu tun. An unserer Stelle in dem Kommentar zu den an. pr. gibt er hierzu eine etwas anders erscheinende Erklärung, die doch im Grunde auf das Gleiche hinausläuft. Er bestimmt άπόφανσις als Oberbegriff für πρότασις. Also sind άπόφανσις und πρότασις miteinander so verbunden, wie Genus und Spezies miteinander verbunden sind, aber πρότασις unterscheidet sich von άπόφανσις durch die spezifische Differenz. In diesem Fall muß man eine geeignete Einschränkung machen, um von der Satz16 Tatsächlich findet sich auch eine solche Stelle, an der Ammonius nahelegt, daß πρότασις und άπόφανσις in keiner Hinsicht identisch sind; die Erläuterung des Begriffs πρότασις beginnend sagt er „Es gibt drei Dinge, λόγος, άπόφανσις, πρότασις. Diese drei scheinen von ein und demselben Gegenstand ausgesagt zu werden (και δοκεΐ τ ά τ ρ ί α κ α τ ά τοΟ αύτοΟ λέγεσθαι), aber sie bestehen nicht im Bezug auf ein und denselben Gegenstand (ούκ έ σ τ ι ν δέ τ ά τρία κατα τοΟ αύτοϋ)" (in an. pr. 15,17-18). Diese Bemerkung kann nur als Betonung der einen Seite des vorliegenden Sachverhaltes erklärt werden, und die Betonung dieser Seite ist im Rahmen der thematischen Besprechung der πρότασις bzw. des Syllogismus durchaus sachgemäß. Wenn aber πρότασις und άπόφανσις in keiner Hinsicht identisch wären, würde jenes Band zerrissen, durch das alle Teilgebiete der aristotelischen Logik nach Ammonius' Auffassung zusammengehalten werden. Es gibt auch die Stelle, an der er sagt, daß in de int. die πρότασις behandelt wird, ohne eine besondere Erläuterung hinzuzufügen (in cat. 5,24). Dies kommt selbstverständlich der Identifizierung von άπόφανσις und πρότασις gleich. Wenn er also das System der Logik nur in Umrissen schildert, erlaubt er sich auch die vereinfachende Bemerkung. Aber natürlich geschieht dies in dem Kommentar zu den cat., in dem πρότασις bzw. der Syllogismus nicht thematisch behandelt wird. 17

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S.o. S. 24.

lehre zu der Theorie des Syllogismus überzugehen. Was Ammonius in seinem Kommentar zu den an. pr. betont, ist eben diese Einschränkung oder die Aspektverschiebung. Wie dem auch sei, die entscheidende Frage ist nun die, wie dieser neue Aspekt oder die neue Einschränkung von Ammonius weiter präzisiert wird. Durch die Präzisierung müssen an einem Behauptungssatz genau solche Merkmale oder Differentiae - wie man es nennen will - hervorgehoben werden, die logisch relevant sind, d. h. solche Merkmale, die die Folgerungsbeziehung der Sätze, denen sie zukommen, sicherstellen und somit die Zusammensetzung eines Syllogismus ermöglichen. Sonst würde es sich bei Ammonius' Heranziehung des Begriffs πρότασις im Grunde bloß um eine nichtssagende Umtaufung der άπόφανσις handeln. Die oben gestellte Frage bedarf in unserem Fall also einer eingehenden Behandlung. Auf diese Frage gehen wir im nächsten Kapitel ein, in dem betrachtet wird, wie die Kommentatoren den Begriff πρότασις erläutern. Der Begriff „Folgerungsbeziehung" bzw. Syllogismus selbst wird uns nachher beschäftigen. Auf jeden Fall steht fest, daß Ammonius an einer geeigneten Stelle ein entscheidend wichtiges Moment in der Logik nicht übersieht, sondern gebührend zu betonen versteht. Vorläufig soll diese Würdigung genügen. Darauf, daß Philoponus άπόφανσις und πρότασις durchgehend identifiziert, ist schon hingewiesen worden. Einige weitere Belegstellen hierfür werde ich in dem nächsten Kapitel vorführen. Es wäre aber unrichtig, wenn behauptet würde, Philoponus kenne den Unterschied zwischen πρότασις und άπόφανσις einfach nicht und verstehe daher auch nicht, worum es in einem Syllogismus geht. Die Stellen sollen daher nicht übergangen werden, an denen auch Philoponus ausdrücklich auf den Unterschied zwischen άπόφανσις und πρότασις hinweist18. Dort spricht er wie sein Lehrer von der Verschiedenheit der Aspekte (σχέσις) oder von der Einschränkung durch die Differenz. Den Aspekt, unter dem ein Satz als πρότασις angesprochen wird, präzisiert (?) er folgendermaßen: die πρότασις unterscheidet sich insofern von der άπόφανσις, als sie eben ein Bestandteil eines Syllogismus ist. Eine weitere Erläuterung erfolgt nicht, auch nicht an irgendeiner Stelle in seinem Kommentar zu den an. prÜber das System der Logik, wie es Ammonius auffaßt, kann man also zusammenfassend sagen, daß es zwei Seiten hat. Die eine Seite ist die Seite der Zusammensetzung. Auf dieser Seite sind die Untersuchungsgegenstände der Teilgebiete der Logik untrennbar miteinander verbunden. Die andere Seite ist die der Aspektverschiebung und Einschränkung. Auf 18

Philop. in an. pr. 11,25 ff.

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dieser Seite kommt es auf die Verschiedenheit der Untersuchungsgegenstände der Teilgebiete an. Ammonius geht von der ersten Seite aus, aber er betont auch immer die zweite Seite. Die Bedeutung der ersten Seite liegt für Ammonius in folgendem: Dadurch, daß Ammonius sich bei der Systematisierung der aristotelischen Logik an dem Denkmodell der Zusammensetzung orientiert, kann er sie als eine einheitliche, geschlossene Ganzheit hinstellen. Weil die Teile in einem Syllogismus in gewisser Hinsicht mit den Untersuchungsgegenständen der anderen Teilgebiete identifizierbar sind, ist es sinnvoll, alle diese Gebiete mit der Theorie des Syllogismus zusammen in ein System einzugliedern. Außerdem kann die Orientierung an dem Denkmodell von „Zusammensetzung" einen Anlaß zur Reflexion auf einige logisch viel wichtigere Dinge geben. Die Bedeutung der zweiten Seite liegt eben darin, daß hier diese Dinge explizit zur Sprache kommen können. Der Aspekt, unter dem man das sehen kann, ist nach Ammonius' Wortgebrauch der Aspekt der σχέσις. Worum es sich hier handelt, kann man stichwortartig durch „die Prädikation", „die Art und Weise, einen Satz zu gebrauchen" - in unserem Fall durch den Titel „Behauptung" - und „Folgerungsbeziehung" bezeichnen. Es sind diese drei Faktoren, die jeweils neue Einheiten Zustandekommen lassen. Begriffe für diese drei Faktoren standen schon Ammonius und den griechischen Aristotelikern zur Verfügung - sowohl nominale als auch verbale - , d. h. κατηγορεΐν, κατηγορία, άποφαίνειν, άξιοϋσθαι (ein stoischer Begriff), έπεσθαι, άκολουθία oder άκολουθεΐν. Aber statt direkt anhand dieser Begriffe Überlegungen anzustellen, spricht er in der Regel so, als bekomme der jeweils vorliegende Gegenstand der Logik beim Übergang von einem Teilgebiet zu einem anderen zusätzlich neue Merkmale oder neue Funktionen - wobei natürlich die Identität der Gegenstände im Hinblick auf das ύποκείμενον bewahrt bleibt. So gibt er jedesmal dem vorliegenden Bestandteil einen neuen Namen (ή άπλή φωνή wird zu όνομα oder ρήμα, όνομα und (5ήμα werden zu φάσις, φάσις wird zu όρος; άπόφανσις wird zu πρότασις), und indem er über diese neu eingeführten Begriffe Überlegungen anstellt, versucht er den oben genannten Faktoren gerecht zu werden. Dieser Weg ist natürlich auch ein gangbarer Weg zum Ziel. Philoponus teilt die Auffassung seines Lehrers. Aber er unterdrückt sichtlich die zweite Seite des Systems,· die Betonung liegt bei ihm eindeutig auf der Seite der Zusammensetzung. Daher kommt es, daß er die von Ammonius sorgfältig auseinandergehaltenen Begriffe wiederum fast regelmäßig miteinander identifiziert. Er scheint ja mehr darauf bedacht zu sein, ein schönes Bild des Systems der Logik zu vermitteln, in dem alles möglichst ohne Einschränkung mit allem verbunden ist, gleichgültig, in welcher Hinsicht. In einem solchen Fall würde es sich sicherlich nicht empfehlen, durch zu differenzierte Überle34

gungen über die verschiedenen Untersuchungsgegenstände der Logik das Bild zu komplizieren. Die Auffassung der Kommentatoren von dem System der Logik hat die Gedanken der Nachwelt auf entscheidende Weise beeinflußt. Ein wichtiges Beispiel ist die mittelalterliche Unterscheidung zwischen der ersten Intention und der zweiten Intention. Diese Unterscheidung geht offen : sichtlich zurück auf die Unterscheidung von der ersten und zweiten Position, von der Porphyrius und Ammonius bei der Erklärung der Untersuchungsgegenstände der Kategorienlehre und der Satzlehre Gebrauch gemacht haben. Auch manche mittelalterliche Logiker - z.B. Thomas Aquinas, Ockham und Albert von Sachsen - haben versucht, mit Hilfe dieser Unterscheidung die Frage zu beantworten, worum es in der Logik geht19. Einen noch größeren Einfluß hat das Denkmodell der Zusammensetzung ausgeübt. Das berühmte Lehrbuch, das im 17. Jahrhundert erschienen ist, „La logique ou l'art de penser" (A. Arnaud u. P. Nicole, Paris 1662), richtet sich deutlich an diesem Denkmodell aus. Die ersten drei Hauptteile dieses Buches sind der Reihenfolge nach den „idees", den „jugements" und dem „raisonnement" gewidmet. Diese Dreiteilung der Logik in Begriffslehre, Urteilslehre und Schlußlehre ist in der traditionellen Logik fast zu dem Prinzip geworden, nach dem unzählige Lehrbücher geschrieben worden sind. Wie sehr der Gedanke, der diesem Prinzip zugrunde liegt, dem ammonischen Gedanken ähnlich ist, wird wohl das Zitat aus einem Lehrbuch zeigen, das noch in unserem Jahrhundert geschrieben worden ist: „Wenn wir den Syllogismus in seine Bestandteile zerlegen, beobachten wir das vertraute Vorhandensein von Begriffen und Urteilen; nur neigen sie hier dazu, viel von ihrer Unabhängigkeit einzubüßen und zu Teilen eines logischen Mechanismus zu werden. Die Begriffe werden zu Termen, die Urteile zu Prämissen und Schluß."20 Die Entsprechung zu dem Begriff ist bei Ammonius selbstverständlich ή άπλη φωνή, die Entsprechung zu dem Urteil ή άπόφανσις und die zum Schluß oder Syllogismus (beide Begriffe sind in der traditionellen Logik oft identifiziert worden) ό συλλογισμός. Es muß hier allerdings gesagt werden, daß nicht alle Verfasser der Lehrbücher der traditionellen Logik einseitig nur den Aspekt der Zusammensetzung hervorgehoben haben wie Philoponus. Viele Verfasser haben wie Ammonius auch den anderen Aspekt nicht außer acht gelassen. Aber es fehlte auch nicht an Gesin19 Hiereu Bochenski, Formale Logik, 26.04-26.08. „Intention" ist die Übersetzung von έπιβολή. Dieses Wort gebraucht auch Porphyrius in dem Zusammenhang, in dem er von der θέσις spricht (s. Anm. 10). 20 C. G. Shaw, Logic in Theory and Practice, New York 1935, S. 71 (Übers, v. Verf.).

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nungsgenossen des Philoponus. Als einer von diesen wäre wohl Prantl zu nennen - und das ungeachtet der Tatsache, daß er nachdrücklich das Denkmodell der Zusammensetzung verdammt und eine andere Reihenfolge der Teilgebiete der aristotelischen Logik als die des Philoponus für sinnvoll hält11. Er identifiziert nämlich Begriff und δρος ohne Einschränkung und hält die Begriffe für derart wesentliche Bestandteile eines Syllogismus, daß außer ihnen kein wichtigerer Faktor für den Syllogismus zu finden ist22. Und er findet die Unterscheidung zwischen άπόφανσις und πρότασις einfach „spitzfindig"23. Noch eine historische Frage muß hier kurz berührt werden. Man wird wohl fragen, inwieweit Ammonius' Auffassung von dem System der aristotelischen Logik für die ganze griechische Tradition repräsentativ ist. Wegen der ungünstigen Quellenlage läßt sich keine befriedigende Antwort finden. Auf alle Fälle ist anzunehmen, daß Ammonius' Auffassung die communis opinio der griechischen Aristoteliker widerspiegelt. Allerdings scheint es auch abweichende Meinungen gegeben zu haben. Kein anderer als Andronikos, der vermutlich den bedeutendsten Beitrag zur Entstehung des „Organon" geleistet hat, soll die ganze Schrift de int. athetiert haben24. Selbstverständlich kann ohne de int. die aristotelische Logik nicht so systematisiert werden, wie Ammonius es will. Es gab sicher auch einige Gelehrte, die die cat. nicht zu den logischen Schriften zählten. Aber auch unter denjenigen, die der gleichen Meinung darüber waren, welche Teilgebiete die aristotelische Logik umfassen sollte, scheint es solche Gelehrte gegeben zu haben, die sich für eine andere Reihenfolge der logischen Schriften stark machten. Adrastus von Aphrodisias (2. Jh. n. Ch.), der ein Buch über die Anordnung der aristotelischen Schriften schrieb, wollte ζ. B. die topica unmittelbar hinter die categoriae gestellt sehen25. Es ist klar, daß in einem solchen Fall Ammonius' Auffassung nicht geteilt werden konnte. Jedoch steht fest, daß die Anhänger dieser Meinungen in der Minderheit waren. Die meisten waren bezüglich der Teilgebiete und ihrer Reihenfolge sicher der gleichen Meinung wie Ammonius und Philoponus. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß alle Befürworter der üblichen Reihenfolge genau in der gleichen Weise wie die beiden Kommentatoren diese Reihenfolge begründeten. Denn es gibt für die Befürworter dieser Reihenfolge keinen theoretischen Zwang, sich unbe21

Seine Reihenfolge der Teilgebiete der aristotelischen Logik ist Urteilslehre - Kategorienlehre - Begriffslehre - Theorie des Syllogismus - Theorie des definitorischen Wissens. 22 Vgl. oben S. 7/8. 23 Prantl, a.a.O., S. 325. 24 S. Alex, in an. pr. 160,32. Ammon. in de int. 5,28-6,4; hierzu P. Moraux „Der Aristotelismus bei den Griechen", S. 116-119. 25 Simpl. in cat. (CAG VIII) 15,27-16,16.

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dingt an dem Denkmodell der Zusammensetzung zu orientieren wie Ammonius und Philoponus. Man kann z.B. aus einem buchtechnisch-editorischen Grund diese Reihenfolge befürworten. Selbst wenn man zugibt, daß es im Falle des antiken Aristotelesstudiums keine so scharfe Grenze zwischen der buchtechnisch-editorischen Frage und der systematischen Frage gab, ist es immerhin wahrscheinlich, daß ζ. B. die meisten älteren Kommentatoren mehr aus dem buchtechnisch-editorischen Interesse im Vergleich zu den beiden Kommentatoren die Frage der Reihenfolge der aristotelischen Schriften besprachen. Bei Alexander von Aphrodisias ist es wiederum anders. Obwohl er ein guter Exeget war, war er zugleich ein Systematiker. Seine Auffassung von dem System der Logik kann nicht auf der Basis der bloßen buchtechnisch-editorischen Erwägungen gestanden haben. Einerseits ist es zwar klar, daß er keine von der der Mehrheit abweichende Meinung über das System der Logik hatte, doch ist es schwer zu entscheiden, ob er mit den beiden Kommentatoren in allen Punkten übereinstimmt. Jedenfalls, wenn man ihn aufgrund der überlieferten Texte beurteilt, orientierte er sich nicht so ausgesprochen an dem Denkmodell der Zusammensetzung, jedenfalls nicht so wie Philoponus. Ich neige zu der Vermutung - bei aller Vorsicht - , daß Ammonius bzw. Philoponus sich in ihrer Darstellung des Systems der Logik direkt an ihre neuplatonischen Vorgänger Porphyrius und Jamblich anlehnen. Es sei daran erinnert, wie Ammonius Porphyrius' Lehre von der Position zu Hilfe nimmt. Ferner soll Jamblich die Frage des Themas jeder der aristotelischen Schriften immer eingehend erörtert haben26.

2. Formale Logik Die Syllogismen, von denen im Rahmen des vorgehenden Abschnittes ohne Differenzierung geredet worden ist, sind konkrete Syllogismen, d. h. Syllogismen, die aus άποφάνσεις zusammengesetzt sind. Die konkreten Syllogismen teilen sich nun nach den Kommentatoren in drei verschiedene Arten: den apodeiktischen Syllogismus, den dialektischen Syllogismus und den sophistischen Syllogismus. Der apodeiktische Syllogismus ist ein Syllogismus, der nur aus wahren Sätzen zusammengesetzt ist. Der dialektische Syllogismus ist dagegen ein Syllogismus, der aus wahrscheinlichen Sätzen zusammengesetzt ist. Der sophistische Syllogismus schließlich ist ein Syllogismus, der aus falschen Sätzen zusammengesetzt ist. Dieser Einteilung entsprechend unterscheiden die Kommentatoren drei Teilgebiete in der Theorie der Syllogismen und , wie wir sahen, ord26

Hierzu Larsen, Jamblique, S. 4 3 5 - 4 4 4 .

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nen sie den drei Gebieten jeweils eine aristotelische Schrift zu ; dem ersten Gebiet die analytica posteriore, dem zweiten Gebiet die topica und dem dritten Gebiet die sophistici elenchi. Diese Unterscheidung der Arten der Syllogismen und die entsprechende Zuordnung, die übrigens nur zum Teil berechtigt ist, stammt wahrscheinlich aus der älteren Generation der antiken Aristoteliker, d.h. aus der Zeit vor Alexander von Aphrodisias. Aber wegen der ungünstigen Quellenlage läßt sich diese Vermutung urkundlich nicht bestätigen. Unter den zugänglichen Quellen ist Alexanders Kommentar die älteste, in der wir zum ersten Mal dieser Einteilung und Zuordnung begegnen27. Nun gibt es neben diesen drei Gebieten noch ein Gebiet, das sich mit dem Syllogismus beschäftigt. Das ist die Theorie des Syllogismus im allgemeinen, wie sie die Kommentatoren nennen. Dieser Theorie ordnen die Kommentatoren die Schrift analytica priora zu. Wie die Bezeichnung „der Syllogismus im allgemeinen"28 erkennen läßt, wird nach den Kommentatoren in dieser Theorie bzw. Schrift noch gar nicht eine besondere Art von Syllogismus behandelt, sondern die Gattung aller oben genannten Arten von Syllogismus. Es stellt sich hier die Frage, was genau unter dem Syllogismus als Gattung zu verstehen ist. Die Gattung ist natürlich das Gemeinsame, das allen Arten zukommt, welche unter sie fallen: An verschiedenen Stellen in ihren Kommentaren kontrastieren die Kommentatoren gemeinsame Merkmale der Syllogismen mit der spezifischen Differenz davon. Indem sie dies tun, zeigen sie uns, wie sie das Wesen der „formalen" Logik, wie sie heute heißt, sehr gut begrifflich zu fassen verstehen. Eine Stelle in Alexanders Kommentar zu den an. pr. ist besonders zitierenswert29. An dieser Stelle hebt er unter anderen die sogenannte Figur (σχήμα) als eine besonders markante Gemeinsamkeit hervor, die den Syllogismen von verschiedener Art zukommt. Dann versucht er das, was es mit den Figuren auf sich hat, folgendermaßen zu verdeutlichen: „Figuren sind mit einem gemeinsamen Prägedruck (τύπω τινι κοινφ) zu vergleichen. Der Stoff, dem die gleichen Figuren aufgedrückt werden, kann bei der stofflichen Verschiedenheit doch die gleiche Form (είδος) haben. Wie bei dem gleichen Prägedruck die Verschiedenheit nicht im Hinblick auf die Form und " Alex, in top. (CAG H,2) 2,16 ff. Auch das Wort ,,ό άπλώς συλλογισμός" verwenden Ammonius und Philoponus als einen festgelegten technischen Terminus. (Ammon. in an. pr. 4,2; 8. Philop. in an. pr. 5,5; 11 u.a.m.] In unserem Zusammenhang kann das Wort als „der Syllogismus schlechthin" übersetzt werden. Aber das Wort ,,ό άπλώς συλλογισμός" kann manchmal den einfachen Syllogismus, d. i. das Gegenteil des komplexen Syllogismus bedeuten. Alexander gebraucht das Wort nur in diesem letzteren Sinne. 29 Alex, in an. pr. 6,16-21. 28

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Figur, sondern im Hinblick auf den Stoff feststellbar ist, so ist es auch bei den syllogistischen Figuren." Hier haben wir überhaupt die älteste Beschreibung des Wesens der formalen Logik vor uns, welche sich in den uns überlieferten logischen Texten der Antike finden läßt. Und das Begriffspaar Form - Stoff, das Alexander bei der Erklärung an der zitierten Stelle heranzieht, wird seitdem immer wieder dann benutzt, wenn man erklären will, worum es in der formalen Logik geht. Der noch heute gängige Name „formale Logik" ist eben der Beweis dafür. Die Figur, von der an der angeführten Stelle die Rede ist, ist allerdings nur ein formales Merkmal des Syllogismus. Außer diesem Merkmal gibt es noch einige andere Merkmale, die zur Form gehören. Welche formalen Merkmale es noch gibt, werden wir in dem nächsten Kapitel betrachten. Im Augenblick ist die Frage wichtiger, welche Funktion Alexander den gemeinsamen formalen Merkmalen zuschreibt. In dem Proömium zu dem Kommentar zu den an. pr., in dem sich die angeführte Stelle findet, dient die Form primär zur Unterscheidung des Syllogismus im allgemeinen von allen anderen konkreten Syllogismen verschiedener Art. Aber im Lauf der weiteren Interpretation läßt uns Alexander erkennen, daß er eine noch genauere Vorstellung von der Rolle der Form hat. Bekanntlich hat Aristoteles in den an. pr. Syllogismen mit Buchstaben formuliert. Er hat jedoch keine explizite Erklärung davon gegeben, was es mit diesen Buchstaben auf sich hat. Alexander erläutert die Bedeutung des Gebrauchs der Buchstaben: Aristoteles benutzte die Buchstaben, um zu zeigen, daß die Conclusio eines Syllogismus nicht aus dem Stoff folgt, sondern wegen der Figur, einer gewissen Kombination der Prämissen und Modi. Anschließend formuliert er den gleichen Gedanken etwas anders: Die Folgerung hänge nicht davon ab, wie der Stoff beschaffen ist, sondern davon, wie die Verbindung der Prämissen beschaffen ist30. Figur, Modi, Kombination der Prämissen, oder Verbindung der Prämissen, die Alexander uns an dieser Stelle nicht besonders systematisch vorführt und dem Stoff gegenüberstellt, gehören alle zur Form des Syllogismus. Wie diese formalen Merkmale auch immer genau bestimmt werden mögen, der wichtige Gedanke, den er hier zum Ausdruck bringt, ist folgender: Die Folgerungsbeziehung zwischen den Prämissen und der Conclusio hängt von bestimmten formalen Merkmalen ab, und zwar nur von ihnen. Dabei tangiert der Stoff des Syllogismus die Gültigkeit der Folgerung gar nicht. Deswegen kann Alexander weiter behaupten, daß die Folgerung auf eine Conclusio allgemein und immer möglich ist, welchen Stoff man immer für die Stellen, die mit Buchstaben markiert sind, einsetzen mag31. 30 31

Alex, in an. pr. 53,28-31. Alex, in an. pr. 54,1-2; ähnlich auch 26-29.

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Obwohl Alexander hier die Termini „Formel" oder „Variable" nicht verwendet, wird man wohl nicht fehlgehen mit der Behauptung, daß der Syllogismus im allgemeinen bei Alexander mit der Schlußformel im heutigen Sinne gleichgesetzt werden kann, in welcher nur die Form des Schlusses mit Variablen gezeigt ist und welche daher den Anspruch auf die Allgemeingültigkeit hat; die Möglichkeit, eine beliebige Einsetzung der Variablen vorzunehmen, ist nämlich die wesentliche Voraussetzung dafür, daß ein Anspruch auf die Allgemeingültigkeit erhoben werden kann. Wenn wir die Theorie des Syllogismus im allgemeinen bei Alexander als formale Logik bezeichnen wollen, ist das sicher nicht bloß deswegen erlaubt, weil er zum Zweck der Unterscheidung des Syllogismus im allgemeinen von den konkreten Syllogismen verschiedener Art die Begriffe Form und Stoff in die Logik einführt, sondern genauer deswegen, weil er die Form zugleich als den einzigen Grund für die Gültigkeit des Syllogismus und (konsequenterweise in solchem Fall) den Syllogismus im allgemeinen als eine allgemeingültige Schlußformel auffaßt. Auch Ammonius und Philoponus machen von dem Begriffspaar Form und Stoff in der gleichen Weise wie Alexander Gebrauch. Besonders die Stelle, an der Ammonius ausführlich von der Debatte der Stoiker und der Peripatetiker über die Frage berichtet, ob die Logik nur als ein Organon (Werkzeug) für die philosophische Untersuchung oder als ein selbständiges Teilgebiet der Philosophie aufzufassen ist, ist beachtenswert. Die Frage, um die es an der Stelle eigentlich geht, interessiert uns im Augenblick nicht. Aber die Erklärung, die er bei der Stellungnahme zu dieser Frage gibt, ist in unserem Zusammenhang interessant. Er vertritt die Meinung, daß die Logik in einer Hinsicht als Organon, aber zugleich in anderer Hinsicht als ein selbständiges Teilgebiet der Philosophie anzusehen ist. „Wenn du die Argumente zusammen mit πράγματα nimmst, z.B. Syllogismen mit bestimmten πράγματα, dann hast du es mit der als ein Teilgebiet der Philosophie aufgefaßten Logik zu tun. Aber wenn du Regeln (κανόνας) leer (ψιλούς) ohne πράγματα nimmst, hast du es mit der als Organon aufgefaßten Logik zu tun"32. Es ist klar, daß er den Syllogismus im allgemeinen als leere Regel betrachtet. Als Beispiel für eine leere Regel gibt er einen Syllogismus aus den an. pr. an, der wie folgt formuliert ist:" τό Α κατά παντός τοϋ Β, τό Β κατά παντός τοϋ Γ, τό Α άρα κατά παντός τοΟ Γ. In diesem Beispiel sehen wir sozusagen einen leibhaftigen Syllogismus im allgemeinen. Ein anderer Syllogismus, den er weiter als Gegenbeispiel zum Vergleich gibt, braucht hier nicht angeführt zu werden. Dieser Syllogismus unterscheidet sich von dem als Beispiel 32

40

Ammon. in an. pr. 1 1 , I f f .

für leere Regeln angegebenen Syllogismus darin, daß in ihm an allen Stellen, an denen im ersteren Syllogismus Buchstaben stehen, konkrete bedeutungstragende Wörter, also ή σημαντική φωνή oder: τό πραγμα, stehen. Der Ausdruck „leere Regel" entspricht, wie wir an dem Beispiel und der Erklärung sehen können, eindeutig der allgemeingültigen Schlußformel im heutigen Sinne. Ferner fällt uns auf, daß Ammonius hier den Begriff πραγμα als Korrelat zu Form gebraucht. Er und Philoponus gebrauchen öfters πράγμα an Stelle von ύλη. πραγμα bedeutet in den logischen Texten der Antike für gewöhnlich den außersprachlichen Gegenstand. Aber natürlich, wenn Ammonius in unserem Zusammenhang den Begriff πραγμα gebraucht, kann er ihn nicht im Sinne des außersprachlichen Gegenstandes gebrauchen. Dinge selbst können selbstverständlich nicht in einem Syllogismus auftreten. Was er dabei mit πραγμα meint, ist das Wort, das auf einen Gegenstand bezogen ist und insofern eine Bedeutung hat. Wenn man in dem Vokabular von Ammonius ein Synonym sucht, fällt einem ή σημαντική άπλη φωνή ein. Das Gebrauchen des πραγμα besagt also in unserem Zusammenhang so viel, daß die Sachbezogenheit oder die Bedeutung der Wörter als irrelevant für das Bestehen des Syllogismus im allgemeinen ausgeklammert werden soll. Wenn man das, worum es in der formalen Logik geht, bildlich verdeutlichen will, ist υλη dafür ein sehr geeigneter Begriff, wie wir an der oben zitierten Stelle von Alexander sahen. Aber ΰλη selber bleibt in diesem Fall etwas ziemlich Unbestimmtes, ύλη wird für gewöhnlich fast als ein negativer Begriff verstanden, d. h. man versteht das, was an einem Gegenstand der ύλη entspricht, meistens als das, was übrigbleibt, wenn man von dem Gegenstand das und das (die schon eindeutig bestimmten Eigenschaften) wegdenkt. In unserem Fall ist es aber möglich, davon, was der ΰλη des Syllogismus entspricht, eine begriffliche Erklärung zu geben. Wenn man dies tun will, ist πραγμα eben der geeignete Begriff. Die positive begriffliche Bestimmung der nicht-formalen stofflichen Elemente des konkreten Syllogismus lautet: die bedeutungstragenden Wörter des Syllogismus sind der Stoff des Syllogismus. Wenn man heute von der formalen Logik spricht, wird man wohl als das Korrelat des in diesem Zusammenhang gegebenen Begriffes „Form" eher an „Inhalt" denken als an „Stoff". Man wird etwa sagen, die Sätze „Kein Mensch ist Gott" und „Kein Gott ist Mensch" seien einander dem Inhalt nach gleich, aber der Form nach verschieden. Der Gebrauch des Begriffes „Inhalt" in solchem Zusammenhang ist zwar unpräzise, aber nicht völlig verfehlt. Daß die beiden Sätze gleiche Begriffe als Subjekt oder als Prädikat haben, und daß so unter anderem auch darauf die Gleichheit des kognitiven Gehaltes der beiden Sätze zurückgeführt werden kann, ist vielleicht das, was man mit dem Inhalt im Grunde meint. 41

Ungefähr mit diesem Wortgebrauch des Inhaltes können wir den Wortgebrauch des πραγμα in Ammonius' Kommentaren zu den an. pr. vergleichen. Obwohl der Begriff πραγμα selbst nicht ganz präzise ist33, bedeutet die Einführung dieses Begriffes zur Erklärung des Charakters des Untersuchungsgegenstandes der Theorie des Syllogismus im allgemeinen insofern einen Gewinn, als dadurch etwas klarer werden kann, was man unter der βλη der Syllogismen verstehen soll. Philoponus bespricht wie Ammonius in dem Proömium seines Kommentars zu den an. pr. ausführlich die Frage, ob die Logik ein Organon ist oder nicht. Dabei gibt er den Gedanken, den sein Lehrer an der oben angeführten Stelle zum Ausdruck bringt, etwas verwässert, aber in Grundzügen treu wieder34. Die Logik, die als Organon aufzufassen ist, bestimmt auch er als eine Untersuchung, in der ύλη oder πραγμα keinen Platz haben. Den interessanten Ausdruck „leere Regel" verwendet er aber an dieser Stelle nicht. An einer anderen Stelle, die wir unten betrachten werden, verwendet er stattdessen den Ausdruck „allgemeine Regel" (ό καθολικός κανών [35]]. Dieser Ausdruck klingt im Vergleich zu Ammonius' Rede von „leerer Regel" etwas farblos, nicht viel anders als „kaltes Eis" oder „heilige Götter". An unserer Stelle gibt er auch ein Beispiel für den Gegenstand der als Organon aufgefaßten Logik; etwa die These, daß aus zwei universellen affirmativen Prämissen eine universelle affirmative Conclusio folgt, sei ein Organon, das nicht mit dem Stoff verbunden ist. In seinem Beispiel sind leere Stellen nicht zufällig nicht sofort sichtbar. Das liegt daran, daß sein Beispiel keine objektsprachliche Formulierung des Syllogismus im allgemeinen, sondern eine metasprachliche Beschrei33 Der Begriff πραγμα bedarf nicht weniger als der Begriff „Inhalt" der weiteren Präzision. Die Mehrdeutigkeit von πραγμα ist notorisch. Der Gebrauch dieses Wortes im Sinne des außersprachlichen Gegenstandes, und zwar des sogenannten realen Gegenstandes, ist wohl der einfachste Gebrauch des Wortes, und zugleich der am wenigsten interessante und brauchbare Gebrauch. Der Gebrauch im Sinne des Wortes, das für einen außersprachlichen realen Gegenstand steht, ist auch nicht brauchbar. Sehen wir den folgenden Syllogismus an: „Der Bockhirsch ist ein fiktives Tier, das fiktive Tier ist ein fiktives Lebewesen, also ist der Bockhirsch ein fiktives Lebewesen." Hat dieser Syllogismus kein πράγμα, also keinen Stoff? Soll Bockhirsch kein πραγμα sein, da es nur eine Fiktion ist? Dann, welch ein πραγμα ist das fiktive Tier? Soll das fiktive Tier selbst eine Fiktion sein? Die Unterscheidung zwischen dem realen Objekt und der Fiktion ergibt für uns keinen brauchbaren πραγμα - Begriff. Die Bedeutung des πρβγμα muß so erweitert werden, daß sie der Bedeutung des Wortes „Bedeutung" in weitem Sinne gleichkommt, wobei die Bedeutungen der Wörter wie „alle", „ist", „nicht" zu der Kategorie πραγμα auch im weitesten Sinne nicht gehören sollen. Obwohl die Kommentatoren an vielen Stellen den Gebrauch des πραγμα im engen Sinne ausdrücklich befürworten, gebrauchen sie selber πραγμα oft in sehr erweitertem Sinne wie Aristoteles. Über die Bedeutung von πρβγμα vgl. W. Wieland, Die aristotelische Physik, 2. Aufl. Göttingen 1970, S. 159, 170, 196. 34

42

Philop. in an. pr. 9,5 ff.

bung der Form des Syllogismus ist. Ein ähnlicher Fall liegt vor, wenn man etwa „ . . . und " als Konjunktion benennt. Freilich tut Philoponus hier gar nichts Unsachgemäßes. Obwohl in seinem Beispiel leere Stellen nicht unmittelbar zu sehen sind und darum der Unterschied zwischen Form und Stoff nicht so anschaulich wie in Ammonius' Beispiel hervortritt, läßt er deutlich erkennen, worin die Form besteht, nämlich dadurch, daß er nur die formalen Merkmale des Syllogismus beim Namen nennt (universell, affirmativ); worin der Stoff besteht, läßt er dadurch erkennen, daß er davon nichts sagt, - statt die Stellen für den Stoff leer vorzuführen. Philoponus ist sich aber auch darüber vollkommen im klaren, was der Sinn und Zweck des Gebrauchs der Buchstaben in den an. pr. ist. Indem er die Stelle erläutert, an der Aristoteles die Gültigkeit der Konversion mit Hilfe von Buchstaben zu beweisen versucht, sagt er, ein allgemeines Argument (ό καθόλου λόγος) könne durch ein einziges Beispiel widerlegt werden, hingegen könne es nur entweder durch die Musterung aller möglichen konkreten Einzelfälle oder durch die Überzeugung mit Hilfe einer allgemeinen Regel (ή δια καθολικού κανόνος πίστις) bekräftigt werden. Diese letztere tue Aristoteles (die Musterung aller möglichen Einzelfälle sei freilich praktisch unmöglich), indem er mit Buchstaben sein Argument formuliere. Dadurch ermögliche er es jedem, für die Buchstaben irgendeinen Stoff, welchen immer er will, nach Belieben einzusetzen35. Eine weitere erläuternde Bemerkung zu der zitierten Stelle scheint sich zu erübrigen. Die entsprechende Stelle in Ammonius' Kommentar ist uns nicht erhalten. Aber wir haben gute Gründe anzunehmen, daß er den gleichen Gedanken in viel präziserer Formulierung als Philoponus mitgeteilt haben muß. Philoponus ist kein bloßer Abschreiber seines Lehrers; er erlaubt sich nicht selten, ein paar Korrekturen vorzunehmen, was leider fast immer alles andere als bessere Ergebnisse bringt. Es ist vielleicht keine müßige Vermutung, daß Ammonius an der entsprechenden Stelle statt des Begriffes „allgemeine Regel" „leere Regel" benutzt haben müßte. Wenn wir uns die oben zitierte Stelle genau ansehen, wird uns eines mißfallen, obwohl der Gedanke im großen und ganzen deutlich formuliert ist. Wenn Philoponus sagt, daß ein allgemeines Argument (ό καθόλου λόγος) durch die Überzeugung mit Hilfe einer allgemeinen Regel (ή δια καθολικού κανόνος πίστις) bekräftigt werden kann, so ist der Erklärungswert seiner Aussage noch nicht besonders groß. Vermutlich handelt es sich hier um eine etwas unglückliche Korrektur von Philoponus. Besser wäre es, wenn er sagte: „Ein allgemeines Argument kann durch die 35

Philop. in an. pr. 47,1-5.

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Überzeugung mit Hilfe einer leeren Regel bekräftigt werden." Der Erklärungswert dieses Satzes ist sichtlich größer als Philoponus' Satz, in dem das Wort „allgemein" fast überflüssigerweise wiederholt ist. Zumal anschließend von der Möglichkeit der beliebigen Einsetzung geredet wird, empfiehlt es sich, einen ausdrücklichen Hinweis auf leere Stellen, in die konkrete Begriffe eingesetzt werden können, zu geben. Ob mit größerer Präzision oder nicht, alle drei Kommentatoren verstanden eine explizite begriffliche Erklärung über das Wesen der formalen Logik zu geben. Dennoch kann man sie schwerlich Formallogiker nennen. Ihnen lag, wie es scheint, nicht so viel an der Förderung der formalen Logik. Wir werden im nächsten Abschnitt sehen, wie sie der formallogischen Untersuchung bewußt eine Grenze setzten, die nur von einem nicht formallogischen Standpunkt aus gerechtfertigt werden kann.

3. Logik als Organon Wir haben zu Beginn dieses Kapitels die Frage gestellt, welche Beziehung die Logik für die Kommentatoren zu anderen Wissenschaften hat. Diese Frage wurde von den Aristotelikern verständlicherweise zuerst in der Form gestellt, mit welchem Gebiet man das Studium der aristotelischen Lehre anzufangen habe36. Schon Andronikos scheint thematisch auf diese Frage eingegangen zu sein. Nach Philoponus' Bericht hat er die Auffassung vertreten, daß die Logik insofern die Stellung des Ausgangspunktes für das Studium der anderen Gebiete einnimmt, als bei jeder wissenschaftlichen Untersuchung die Logik als Instrument der Beweisführung dient 37 . Es ist klar, daß der Bezeichnung der Sammlung der logischen Schriften von Aristoteles als „Organon" diese Auffassung zugrundelag. Die Logik scheint sich also schon seit Andronikos die Stellung der Propädeutik gesichert zu haben. Allerdings gab es auch abweichende Meinungen. Z.B. Boethos soll behauptet haben, daß nicht die Logik, sondern die Physik den Ausgangspunkt bilden soll. Er scheint diese Meinung mit dem Hinweis darauf begründet zu haben, daß die Gegenstände der Physik uns vertrauter und gewohnter sind38. Ferner gab es auch einige Autoren, die es für korrekt hielten, mit der Ethik das Studium der aristotelischen Lehre anzufangen. Diese Meinungsverschiedenheit ist darauf 3 6 Ammon. in cat. (CAG IV,4) 5 , 3 1 - 6 , 8. Philop. in cat. (CAG XIII,1) 5 , 1 5 - 3 3 . Simpl. in cat. 5,3-6, 5. Olymp, proleg. in cat. (CAG XII,1) 8 , 2 9 - 9 , 13. Elias, in cat. (CAG XVIII, 1| 117,17-119, 25. 37 Philop. in cat. 5,18-23, auch Elias, in cat. 117,22-24. 38 Philop. in cat. 5,16-18. Olymp, proleg. in cat. 8,37-39. Elias in cat. 117,21-22; 118,9-13.

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zurückzuführen, daß jeweils von unterschiedlichen Standpunkten aus argumentiert wurde. Die Gelehrten, die die Logik als Propädeutik auffaßten und die übrigens die Mehrheit bildeten, argumentierten von einem systematisch orientierten Standpunkt aus. Demgegenüber berücksichtigen die Gelehrten, die sich für einen Primat der Physik oder der Ethik aussprechen, wahrscheinlich mehr die pädagogische Seite des Problems. Insofern widersprechen sich die berichteten Meinungen nicht frontal. Die Fragestellung selbst erlaubt es, die Beantwortung unter verschiedenen Gesichtspunkten zu versuchen. Jedenfalls scheint es wenigstens dagegen keine ernsten Einwände gegeben zu haben, daß die Logik als Instrument bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen benutzt werden muß. An dieses Problem knüpft sich noch eine andere Frage an, die die Kommentatoren mit mehr Eifer erörterten; es stellt sich nämlich die Frage, ob die Logik nur ein Instrument für andere Wissensgebiete ist oder mehr als das, d.h. ob sie eine selbständige Disziplin ist, die auch als Selbstzweck betrieben werden kann. Die Stellen, an denen die Kommentatoren diese Frage behandeln, interessieren uns vor allem deswegen, weil dabei die Diskussion hauptsächlich auf das Problem der Stellung der Logik der an. pr., also der formalen Logik - dies können wir ruhig sagen - gegenüber anderen Wissenschaften konzentriert wird. Besonders Alexander legt auf dieses Problem das Schwergewicht. In dem Proömium zu dem Kommentar zu den an. pr. beginnt er sofort mit der Erörterung dieser Frage. Er stellt zuerst fest, daß die Logik auf jeden Fall zur Philosophie gehört. Die Philosophie habe sie nämlich entdeckt, systematisiert und sie benutze sie am meisten. Aus dieser Tatsache haben nun die Stoiker, berichtet Alexander, den Schluß gezogen, daß die Logik als ein selbständiges Teilgebiet der Philosophie wie das theoretische Gebiet (Physik, Metaphysik) und das praktische Gebiet (Ethik, Politik) anzusehen ist. Die Stoiker haben diese Meinung nach Alexander folgendermaßen begründet: einmal steht es fest, daß die Logik zu der Philosophie gehört, zum anderen aber hat sie in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand und die Aufgabe nichts mit den übrigen Teilgebieten der Philosophie gemeinsam. Ihr Gegenstand ist die πρότασις und ihre Aufgabe besteht darin, zu erforschen, welche Zusammensetzung der προτάσεις die Folgerung ermöglicht. Nun beschäftigt sich kein anderes Gebiet mit dieser Aufgabe. Aus diesem Grund ist die Logik ein selbständiges Teilgebiet der Philosophie, das von den anderen Teilgebieten scharf abgegrenzt ist und zugleich mit ihnen gleichberechtigt ist. Alexander berichtet auch von der Meinung der Peripatetiker, die dieser Meinung entgegengesetzt ist. Die Peripatetiker sind der Meinung, daß man auch in Betracht ziehen muß, zu welchem Zweck die Logik betrieben wird, wenn man entscheiden soll, ob die Logik als eine selbständige Disziplin anzusehen ist oder nicht. Und sie behaupten, daß die Lo45

gik nie als Selbstzweck betrieben werden darf, sondern nur zu dem Zweck der Anwendung bei der Wahrheitsforschung, die die Aufgabe der anderen Wissenschaften ist. Insofern nimmt sie nach ihnen nur eine dienende Stelle in der wissenschaftlichen Tätigkeit der Menschen ein. Einen Bereich der Wahrheiten, die nur der Logik eigen wären, gibt es für sie nicht. Dabei leugnen sie allerdings nicht, daß in der Logik Untersuchungen über solche Gesetzlichkeiten, die keine Anwendung finden, möglich sind. Aber sie halten solche Untersuchungen für sinnlos. Alexander schließt sich natürlich der peripatetischen Meinung an, und zwar mit strenger Konsequenz, wie wir sehen werden. Rühmend sagt er von den älteren Peripatetikern, daß sie nur bis zu dem Maß die logische Untersuchung geführt haben, wie die Ergebnisse mit Nutzen angewendet werden können (οι μέχρι της χρείας προήγαγον τήν λογικήν πραγματείαν) 3 9 . Es ist nicht ganz sicher, ob tatsächlich die Peripatetiker und die Stoiker vor Alexander genau mit den Argumenten, die Alexander ihnen in den Mund legt, debattiert haben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Alexander manches von seiner eigenen Ansicht in den Bericht einfließen läßt und dabei die peripatetische und die stoische Meinung überspitzt gegeneinander konfrontiert. Aber es ist andererseits auch nicht zu leugnen, wenigstens was die Stoiker anbetrifft, daß sie mit ihrem sehr ausgeprägten Sinn für die Formalismen oft auch solche logischen Gesetzlichkeiten, die keine Anwendungsmöglichkeit bei der wissenschaftlichen Arbeit zu haben scheinen, in ihr System einbeziehen. Dadurch kann der Eindruck erweckt werden, daß sie die Logik als Selbstzweck betreiben 40 . Jedenfalls versteht sich Alexander in dieser Hinsicht als ein Gegner der stoischen Logik. Dadurch trägt er bestimmt nicht wenig dazu bei, die stoische Logik zu verdrängen und in Vergessenheit geraten zu lassen, welche im 2. Jh. n. Chr. ohnehin ihren Höhepunkt bereits überschritten hat. Er betrachtet vieles von der stoischen Logik, die nach ihm als Selbstzweck gepflegt wird, als vergebliche Mühe (ματαιοπονία) und sogar als schädlich. Als Beispiele für unnütze Untersuchungsgegenstände der Logik nimmt er zwei Schlußarten aus der stoischen Logik: die sogenannten διφορούμεAlex, in an. pr. 3,3-5. Und dies ist möglicherweise auch der Fall. Bekanntlich haben die Stoiker angenommen, daß der Gegenstandsbereich der Logik im engeren Sinne (d. h. eines Teils der stoischen Dialektik, die der formalen Logik entspricht] der Bereich der λεκτά ist, die im Hinblick auf ihre Seinsart als unkörperliche Entitäten in der stoischen Metaphysik eine besondere Stellung einnehmen. Es ist wahrscheinlich, daß die logische Untersuchung, die sich speziell mit solchen metaphysischen Entitäten befaßt, von den Stoikern als eine selbständige Disziplin verstanden ist. Eine etwas vorsichtigere Meinung über die Stellung der Logik bzw. die ontologische Stellung der λεκτά vertritt u. a. A. A. Long; Hellenistic philosophy, London 1974, S. 119-147, auch in seinem Aufsatz „Language and thought in stoicism", in: Α. A. Long (ed.) Problems in Stoicism, London 1971, S. 75-113. 39 40

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νοι - und die άδιαφόρως περαίνοντες - Schlüsse. Die διφορούμενοι sind die Schlüsse der Form: „wenn p, dann p, nun p, also p." oder „p oder p, nun p, also p.". Die άδιαφόρως περαίνοντες sind die Schlüsse der Form: „wenn p, dann q, nun q, also q." oder „p oder q, nun q, also q.". Es liegt auf der Hand, daß diese Arten von Schluß für eine wissenschaftliche Argumentation kaum von Wert sein können, obwohl sie hinsichtlich der formalen Gültigkeit einwandfreie Schlüsse sind. Noch signifikanter ist es, wenn Alexander über die sogenannten Themata der stoischen Logik eine abschätzige Meinung äußert. Die Themata sind die logischen Regeln, mit deren Hilfe die Stoiker ihre Syllogistik axiomatisch zu systematisieren versucht haben. Die Themata dienen also nicht direkt zum Konstruieren eines konkreten Argumentes, sondern dazu, das logische Verhältnis der Schlußregeln zueinander darzulegen. Vermutlich gibt es in der stoischen Logik vier solche Metaregeln. Beispielsweise ist das zweite Thema die Regel, mit deren Hilfe die Möglichkeit der Reduktion der beiden eben genannten Schlußarten auf eine Grundregel, die einem Axiom des Systems entspricht, gezeigt und somit die Gültigkeit der beiden Schlußarten bewiesen wird. Es ist verständlich, wenn sich Alexander nicht einmal die Mühe gibt, genau anzugeben, was dieses zweite Thema beinhaltet, sondern nur um zu sagen, es sei unnütz, davon spricht41. Überhaupt machen die Stoiker in Alexanders Augen mit ihrer überfeinen Unterscheidung der Themata unnötiges Getue. Alexander bemerkt an einer Stelle, daß die Stoiker das sogenannte synthetische Theorem in der peripatetischen Logik in drei Themata, nämlich in das zweite, das dritte und das vierte Thema, aufgespalten haben, ohne sich um die Nützlichkeit dieser Aufspaltung zu kümmern. Das synthetische Theorem ist eine Regel, mit deren Hilfe aus mehreren Schlüssen ein Kettenschluß gewonnen werden kann: „Wenn aus den Prämissen Pj . . . Pn die Conclusio Α folgt, und aus Α und anderen Prämissen Q . . . Q n die Conclusio Β folgt, dann folgt aus Pj . .. Pn, Qi . . . Q n die Conclusio B"42. Wie diese Regel weiter in drei verschiedene Regeln aufgespalten wird, wissen wir nicht genau, weil Alexander es für unnötig hält, einen eingehenden Bericht darüber zu erstatten. Wie dem auch sei, es wird wohl für die heutigen Logiker, die auf die Exaktheit viel Wert legen, die stoische feine Differenzierung der Regeln, auf deren Basis der Beweis der Gültigkeit der Schlußregeln und die axiomatische Systematisierung der Schluß41 Alex, in an. pr. 164, 27-32. Die Tatsache, daß beispielsweise in den „Principia Mathematical dem klassischen Werk der modernen Logik, auch die These, „wenn p, dann p" eigens bewiesen wird (B. Russell - A. N. Whitehead, Principia Mathematica I, London 1910 2.08), wird einen, der die Spielregeln der Axiomatik in der heutigen Logik nicht kennt oder nicht anerkennt, zu einer ähnlichen Bemerkung führen. 42

Alex, in an. pr. 274,21-25, 278,8-10.

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regeln möglich sind, geradezu als eine höchst anerkennenswerte Leistung erscheinen. Wenn Alexander die stoische Differenzierung der Themata mißbilligt, so hat er damit die Entwicklung der formalen Logik bestimmt nicht gefördert. Ganz eindeutig sagt Alexander an einer Stelle in seinem Kommentar zu den topica: Nicht nur die Gestalt (σχήμα), sondern auch ein gewisser geeigneter Stoff macht das Wesen eines Werkzeuges (την τοϋ όργάνου φύσιν) aus. Z.B. könne eine Säge aus Wachs nicht richtig als Werkzeug funktionieren, selbst wenn sie eine Form der Säge hat. Genauso könne die wesentliche Funktion eines Syllogismus als Instrument für die wissenschaftliche Arbeit nicht erfaßt werden, wenn dabei nicht der Stoff in Betracht gezogen wird43. Freilich kann der abstrakte Charakter der formalen Logik selbst unberührt bleiben, auch wenn man in der Syllogistik das stoffliche Moment nicht außer acht lassen will, solange man wie Alexander die Form und den Stoff eines Syllogismus klar auseinanderhalten kann. Aber es ist, wie gesagt, nicht zu leugnen, daß in diesem Fall der Forschungsbereich der formalen Logik erheblich beschränkt wird. Diese Beschränkung hat tatsächlich in einer Hinsicht eine verheerende Wirkung. Das Ergebnis dieser Beschränkung ist vor allem in dem Bereich der Aussagenlogik bemerkbar. In Philoponus' Kommentar ζ. B. sind nur fünf Grundregeln der antiken Aussagenlogik angeführt, dabei erwähnt er mit keinem Wort die Ableitung der vielen Modi dieser Logik. Das ist nicht lediglich darauf zurückzuführen, daß das Hauptthema des Kommentars die kategorische Logik ist. Nicht nur auf dem Gebiet der Aussagenlogik, sondern auch in der kategorischen Logik ist die Wirkung der Auffassung der formalen Logik als Organon bemerkbar. Unter anderem sind Lehrgegenstände wie Syllogismen mit falschen Prämissen, Syllogismen mit widersprechenden Prämissen und Konversion der Syllogismen, von denen das zweite Buch der an. pr. handelt, in der Spätantike im allgemeinen nur wenig beachtet44. Ferner, wenn Alexander die Logik nur wegen ihrer instrumentalen Funktion als der Forschung wert ansehen will45, kann man von ihm mit Recht forAlex, in top. 10,19-28. Symptomatisch ist es, daß Ammonius und Philoponus den Untersuchungsgegenstand des zweiten Buches der an. pr. nicht nur als Stoff des Syllogismus bestimmen, sondern zugleich die Zielsetzung dieses Buches als die Einführung in die Theorie der dialektischen Syllogismen verstehen wollen (Ammon. in an. pr. 4,29. Philop. in an. pr. 388,3-6). Daß sie dabei an diese formallogisch interessanten Lehrgegenstände denken, ist klar. 45 In diesem Fall kann weiter danach gefragt werden, ob die Logik als Instrument in „the context of discovery" oder in „the context of justification" dient. Echt aristotelisch ist der Gedanke, daß die Funktion der Syllogistik weitgehend darin besteht, wissenschaftliche Argumente auf die Gültigkeit zu prüfen und Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung systematisch darzustellen. Alexander aber legt machmal nahe, daß die Logik auch die heuristische Funktion erfüllt. 43 44

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dem, ein System der Logik vorzulegen, das zumindest so tragfähig ist, daß es wirklich eine zufriedenstellende systematische Darstellung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung ermöglicht. Aber es ist fraglich, ob man mit der kategorischen Syllogistik, auf die Alexander eben unter Berücksichtigung der Brauchbarkeit die logische Forschung beschränken will, bei der systematischen wissenschaftlichen Erklärung allen darzustellenden Forschungsergebnissen der Wissenschaften, auch der damaligen Wissenschaften, gerecht werden kann. Dennoch läßt es sich andererseits nicht bestreiten, daß Alexander hier ein auch heute diskutables Problem zur Sprache bringt. Sein Programm der logischen Untersuchung ist im Grunde das Programm der „working logic", wie es heute etwa von S. Toulmin vertreten ist46. Wenn man mehr Wert auf „working logic" als auf die als Selbstzweck entwickelte „idealised logic" legen will, kann man nicht umhin, von gewissen nicht-formallogischen Voraussetzungen ausgehend die formallogische Untersuchung zu kontrollieren. Dies bedeutet keineswegs eine unzulässige Vermengung des Formalen und des Inhaltlichen in der Logik. Sein Programm vertritt Alexander als ein Kenner der formalen Logik, aber nicht als einer derjenigen, die aus grundloser Feindseligkeit gegen den Formalismus formallogischen Untersuchungen Grenzen setzen wollen. Der Gedanke, daß die Logik als Organon aufzufassen ist, ist auch nach Alexanders Zeit weiter tradiert worden. Aber dieser Gedanke ist mittlerweile zu einem Topos geworden, der viel an Aktualität verloren hat. Wenn ein ursprünglich in polemischer Absicht vorgebrachtes Argument weiter tradiert wird, nachdem die gegnerische Position besiegt worden ist, ist es eine zwangsläufige Folge, daß das Argument zu einem inhaltsarmen Topos wird. Die Tatsache, daß die Bestimmung der Logik als Organon ursprünglich mit der Forderung nach der bewußten Einschränkung des Forschungsbereiches der formalen Logik verbunden war, scheint heute wenig bekannt zu sein. Lukasiewicz und W . u. M . Kneale berichten flüchtig von der antiken Diskussion über die Stellung der Logik und messen der Diskussion nur eine geringe Bedeutung bei; sie sei kaum mehr als ein Streit über Worte und die Lösung des diskutierten Problems hänge von der Konvention ab47. Vielleicht ist wirklich die Entscheidung, was zu selbständigen Wissenschaften zu zählen ist und was nicht, weitgehend eine Sache der Konvention. Aber da in dieser scheinbar unwichtigen Diskussion der Antike das Problem zur Sprache kam, was der Sinn und Zweck der formalen Logik ist, läßt sie sich kaum so einfach abtun. Auch H. Scholz ist das, worauf es bei dieser Diskussion ankommt, wahrschein46

S. Toulmin: The use of arguments, Cambridge 1958. S. 147-210.

Lukasiewicz, a.a.O. S. 13. W. u. M. Kneale: The Place of Logic among the sciences, in: Development, S. 737. 47

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lieh entgangen. Er berichtet, daß es in der Antike Gelehrte gab, die die Logik aus der Reihe der Wissenschaften eliminiert haben. Über den Grund, aus dem sie dies getan haben, äußert er die folgende Vermutung: Die Wissenschaften im aristotelischen Sinne haben den axiomatischen Aufbau, und die Logik ist das Gerüst der axiomatischen Systeme. Daher kann sich die Logik selber nicht axiomatisieren; es ist ja nicht einzusehen, woher sie alsdann die Operationsregeln nehmen soll, durch deren Anwendung auf die vorgegebenen Axiome sie ihre Lehrsätze erhält48. Also hat die Logik keine axiomatische, d. h. wissenschaftliche Struktur, und insofern kann sie nicht als Wissenschaft gelten. Der Sache nach hat dieses Argument sicher eine plausible Seite, und vielleicht ist es auch mit den Gedanken der antiken Aristoteliker gut vereinbar. Aber in dem Zusammenhang, in dem sie über die Stellung der Logik sprachen, haben sie kein solches Argument vorgebracht49. Historisch viel korrekter ist Prantl, wenn er sagt, daß die antiken Aristoteliker es deswegen ablehnten, die Logik als eine selbständige Wissenschaft anzusehen, weil sie die Funktion der Logik auf den Bereich der Argumentation beschränkt wissen wollten. Prantl versteht in diesem Punkt den Standpunkt der antiken Aristoteliker richtig. Nur kommt in Prantls Augen die Beschäftigung mit der Argumentation überhaupt dem Wesen nach schon der formalen Logik gleich (vgl. oben S. 9). Damit aber zielt Prantl in die falsche Richtung. Die Aristoteliker distanzierten sich nämlich von der rein formallogischen Untersuchung gerade deswegen, weil sie glaubten, daß nicht alle formallogischen Gesetzlichkeiten der wissenschaftlichen Argumentation dienen können. So scheint ein durchaus diskutabler Denkansatz der antiken Aristoteliker bis jetzt praktisch unbeachtet geblieben zu sein. Auch Ammonius und Philoponus berichten von der Diskussion über die Stellung der Logik. Sie legen in ihrem Bericht den Peripatetikern und den Stoikern genau die gleichen Argumente in den Mund, die wir bei Alexander lesen, wobei sie den Argumenten allerdings eine noch schulmäßigere Formulierung geben. Ammonius stimmt weder den Stoikern 48

H. Scholz: Abriß, S. 5. Als Beleg, der seine Vermutung stützen soll, führt Scholz eine Mitteilung des Albertus Magnus (13. fh.) an. „Quidam antiquorum Logicam nullam esse scientiam contenderunt, dicentes non posse esse scientiam id quod est omnis scientiae sive doctrinae modus." Albertus Magnus, De Praedicabilibus, tract. I: de natura logica c. 1, in: Opera vol. I, ed. P. Jammy, Lyon 1651. S. la. Angenommen, daß diese Stelle zu seinen Gunsten gedeutet werden kann, ist es die Frage, welchen historischen Wert sie als Quelle haben kann. In den überlieferten Texten der Antike läßt sich keine Stelle finden, die das, was Albertus Magnus sagt, direkt bestätigen könnte. Wenn es eine solche Belegstelle gäbe, hätte Scholz es natürlich nicht nötig, eine mittelalterliche Quelle heranzuziehen. Scholz sagt, daß sich Albertus Magnus' Mitteilung wahrscheinlich auf arabische Quellen stützt. 49

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noch den Peripatetikern zu. Er behauptet, daß die Logik sowohl als Organon wie als ein Teilgebiet der Philosophie aufgefaßt werden kann. Er verdeutlicht seine Behauptung mit Hilfe des Gleichnisses des Messens: Etwa mit dem Ausdruck „eine Elle lang" kann man einmal die Maßeinheit selber meinen, aber zum anderen Mal auch den Gegenstand, der die entsprechende Länge hat. Nun ist die Logik, die als Organon aufgefaßt ist, mit der Maßeinheit zu vergleichen, und die Logik, die als ein Teilgebiet der Philosophie aufgefaßt ist, mit dem gemessenen Gegenstand50. Dieses Gleichnis zeigt deutlich, daß Ammonius die Logik als Organon mit der formalen Logik gleichsetzt. Es ist schon berichtet worden, daß die Logik als Organon bei Ammonius die Beschäftigung mit leeren Regeln bedeutet und insofern mit der formalen Logik gleichgesetzt werden kann. Nun aber wird es auffallen, daß Ammonius' Auffassung in einem wichtigen Punkt von Alexanders Auffassung abweicht. Die beiden Kommentatoren denken gewiß an die formale Logik, wenn sie von dem Organon reden. Aber Alexander bestimmt die Logik insofern als Organon, als sie immer unter Berücksichtigung der Anwendungsmöglichkeit auf einen bestimmten Stoff betrieben wird. Demgegenüber bestimmt Ammonius die Logik insofern als Organon, als sie als formale Untersuchung gerade von stofflichen Erwägungen frei ist. Diese Differenz des Standpunktes erklärt sich daher, daß zu Ammonius' Zeit die rivalisierende Logik der Stoiker schon weitgehend in Vergessenheit geraten und der Forschungsbereich der formalen Logik dementsprechend eingeschränkt worden ist. Für Ammonius kann unter solchen Umständen die Forderung nach der Einschränkung des Forschungsbereiches der formalen Logik nicht so aktuell sein wie für Alexander. Darum ist es für ihn möglich, die formale Seite der als Organon aufgefaßten Logik unbedenklich hervorzuheben. Zwar ist das, was Ammonius über die als Organon aufzufassende Logik sagt, durchaus sachgemäß, doch ist das in gewissem Sinne eine Verflachung des Gedankens von Alexander; denn Alexander will nicht verneinen, daß die formale Logik als Organon dient, sondern er will einen Schritt weiter gehen und die Bezogenheit der formalen Logik auf den Anwendungsbereich stets berücksichtigen, wenn er von dem Organon redet. Die Vertiefung des Denkansatzes von Alexander setzt voraus, daß man immer über den möglichen Forschungsbereich der formalen Logik und seine Beziehung zu dem Anwendungsbereich reflektieren muß. Und wenn man das Programm der „working logic" von Alexander konsequent entwickeln will, muß man unter Umständen bereit sein, auch die Erweiterung der formalen Logik zu fordern; wenn sich aus der Erweiterung ein noch

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Ammon. in an. pr. 11,16-21.

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funktionsfähigeres System der Logik im Hinblick auf die Anwendung ergibt, wird die Forderung nach der Erweiterung der formalen Logik wohl in Einklang mit Alexanders Gedanken stehen. Ammonius selber glaubt offenkundig, daß er mit der Unterscheidung zwischen der als Organon aufgefaßten Logik und der als ein Teilgebiet der Philosophie aufgefaßten Logik die peripatetische bzw. Alexanders Meinung verbessert. Aber in Wahrheit ist keine Verbesserung erzielt worden, denn durch Ammonius' Unterscheidung ist nichts gewonnen worden. Was gewonnen ist, ist nur die nochmalige Feststellung, daß die formale Logik als Organon dient, und Ammonius' Meinung unterscheidet sich im Grunde gar nicht von der peripatetischen Meinung. Allerdings nimmt Ammonius anders als die Peripatetiker an, daß es noch ein besonderes Gebiet neben der als Organon aufgefaßten Logik gibt, das auch als Logik bezeichnet werden kann. Aber die Logik, die er als ein Teilgebiet der Philosophie bestimmt, ist in Wahrheit keine Logik, - auch nicht die sogenannte angewandte Logik, was immer man darunter verstehen mag. Als Beispiel für die logische Untersuchung, die nach ihm als Teilgebiet der Philosophie anzusehen ist, führt er einen konkreten Syllogismus an: „Die Seele bewegt sich selber. Was sich selber bewegt, bewegt sich immer. Was sich immer bewegt, ist unsterblich. Also ist die Seele unsterblich." Die Untersuchung solcher Art gehört vielleicht zur Seelenlehre, die gewiß logisch dargestellt ist, aber keineswegs zur Logik, in welchem Sinne auch. Die Stoiker, die die Logik zu einem Teilgebiet der Philosophie neben Ethik und Physik machen wollten, haben es natürlich nicht so gemeint. Sonst würde es so etwas wie die stoische Logik nicht geben. Zweifellos beabsichtigt Ammonius, eine Kompromißlösung des Problems, über das die Peripatetiker und die Stoiker gestritten haben, vorzuschlagen. Seine Lösung ist aber keine Lösung, denn er kann damit der stoischen Meinung auf keine Weise gerecht werden. Er scheint sich noch ein ambitiöseres Ziel gesetzt zu haben. In seinem Bericht über die Debatte zwischen den Stoikern und den Peripatetikern erwähnt er auch die Meinung einiger Platoniker; sie hätten wie die Stoiker behauptet, die Dialektik sei ein Teilgebiet der Philosophie, aber kein Organon. Womöglich glaubt er, daß er mit seiner im Grunde nichtssagenden Kompromißlösung auch dieser Meinung der Platoniker gerecht werden kann. Falls er das tatsächlich glaubt, muß man ihn als einen besonders nachlässigen Autor bezeichnen. Denn wenn die Platoniker behaupten, die Dialektik sei ein Teilgebiet der Philosophie, so ist ihre Behauptung der stoischen Behauptung nur dem Wortlaut nach gleich. Bekanntlich haben die Stoiker die formale Logik als Dialektik bezeichnet (die Dialektik und die formale Logik decken sich wiederum nicht vollkommen miteinander, weil die stoische Dialektik ein noch weiteres Ge52

biet als die formale Logik ist). Aber die Dialektik bedeutet bei den Platonikern nicht die formale Logik. So braucht man die platonische Dialektik in die Diskussion, in der die Stellung der formalen Logik besprochen wird, eigentlich überhaupt nicht einzubeziehen. Ferner ist auch die Dialektik der Platoniker von der von Ammonius als Teilgebiet der Philosophie bestimmten Logik grundverschieden. Insgesamt gesehen stellt Ammonius' Erörterung des von Alexander diskutierten Problems ein Durcheinander dar. Es liegt der Verdacht nahe, daß Ammonius' Erörterung auf einem Mißverständnis beruht. Kein anderer als Plotin scheint ihn zu dem Mißverständnis inspiriert zu haben. In den Enneaden sagt der Gründer der neuplatonischen Schule über das Wesen der platonischen Dialektik: sie dürfe nicht als ein bloßes Organon verstanden werden. Sie beschäftige sich nämlich nicht mit leeren Theoremen und Regeln (ψιλά θεωρήματα και κάνονες), sondern mit πράγματα, sie habe als Stoff τά όντα (das Seiende)51. Plotin verschärft seine These weiter, wobei er keinen Hehl daraus macht, daß er von der formalen Logik, d. i. vom Organon, nicht viel hält. Die Dialektik wisse nichts von der πρότασις, aber sie wisse um die Wahrheit, die jene (die Logiker) πρότασις nennen 52 . Daß sich Ammonius in seiner Erörterung weitgehend an Plotin anlehnt, ist daraus leicht zu ersehen, daß er dabei die gleichen Begriffe gebraucht. Aber Ammonius rezipiert Plotins Lehre nicht genau. Es liegt Plotin ganz fern, die Dialektik als eine Theorie hinzustellen, die unter Anwendung der aristotelischen Syllogismen auf einen bestimmten Bereich des Stoffes in systematischer Form aufgestellt ist. Ammonius' Erörterung ist sicher ein typisches Beispiel für vorschnelle Versuche der Neuplatoniker, die die aristotelische Logik und die platonische Dialektik irgendwie miteinander harmonisieren wollen. Dadurch gerät das Programm der „working logic" von Alexander auf die schiefe Bahn, so daß sich nichts daraus ergeben kann. An Unkorrektheit übertrifft Philoponus als Berichterstatter seinen Lehrer. Was er über die stoische und die peripatetische Meinung schreibt, stimmt mit Ammonius' Bericht überein. Aber er schreibt die Behauptung seines Lehrers Piaton selbst zu: Piaton habe behauptet, daß die Dialektik sowohl als Organon wie als ein Teilgebiet der Philosophie anzusehen ist, wobei er sich dennoch nicht widerspreche. Indem er erklärt, warum sich Piaton dabei nicht in Widersprüche verwickelte, unterstellt er ihm, daß er genau wie Ammonius die Unterscheidung zwischen der formalen Logik und der nicht-formalen Logik macht. Von Philoponus wird der Dialog „Parmenides" als ein Werk angeführt, in dem die als Organon aufgefaßte

Sl

Plotini Opera vol. I, ed. P. Henry u. H. R. Schwyzer, Paris 1951. Enn. I 3,5,· 77,11-12. " Ebd. 77,17-19.

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Logik, d.h. die formale Logik dargestellt ist 53 . Bei den Neuplatonikern galt dieser Dialog als ein Standardwerk, in dem die platonische Dialektik dargelegt ist. Dies scheint Philoponus dazu veranlaßt zu haben, diesen Dialog als eine Schrift über die formale Logik anzuführen. Wenn Plotin Philoponus' Kommentar hätte lesen können, wäre er gewiß wenig erfreut gewesen.

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Philop. in an. pr. 9,4-20.

III. Πρότασις An der Stelle, an der wir die Folgerungsbeziehung zur Sprache gebracht haben (S. 31 ff.), haben wir schon auf die wichtige Rolle des Begriffs πρότασις in der Theorie der Syllogismen hingewiesen. In diesem Kapitel betrachten wir, was genau unter πρότασις zu verstehen ist. In den an. pr. bestimmt Aristoteles diesen Begriff folgendermaßen: ,,Πρότασις μέν οΰν έστι λόγος καταφατικός ή άποφατικός τίνος κατά τίνος" ούτος δέ ή καθόλου ή έν μέρει ή άδιόριστος." (an. pr. 24 a 16). Sonst gibt er keine nähere Erklärung dieses Begriffes, auch wird der Begriff in keiner seiner anderen Schriften gebraucht, wenn man von einigen Stellen in der „Topik" absieht. Die antiken Aristoteliker gehen bei der Erklärung der πρότασις von der Voraussetzung aus, daß πρότασις mit άπόφανσις, die Aristoteles in de interpretatione behandelt, in einer Hinsicht identisch ist. Daß diese Identifizierung mit ihrer Auffassung von dem System der Logik zusammenhängt, ist schon gesagt worden. Aber auch für Alexander, der von dem System der Logik keine so schulmäßige Auffassung wie Ammonius und Philoponus hat, ist die Identifizierung der beiden Begriffe eine fast selbstverständliche Voraussetzung, die keiner besonderen Begründung bedarf; denn nur wenn πρότασις als Bestandteil eines Syllogismus wahr oder falsch sein kann, d.h. wenn sie άπόφανσις ist, kann der Syllogismus als Werkzeug für die wissenschaftliche Untersuchung gebraucht werden, deren Aufgabe eben in der Forschung nach Wahrheiten und Widerlegung der Falschheiten besteht. Aber die Kommentatoren identifizieren πρότασις mit άπόφανσις nicht ohne Einschränkungen (Philoponus ausgenommen). Vielmehr sind die beiden Begriffe für sie in einer wichtigen Hinsicht voneinander verschieden. Am deutlichsten erklärt Alexander den Unterschied zwischen πρότασις und άπόφανσις. Für ihn sind πρότασις und άπόφανσις nur in einer logisch unwichtigen Hinsicht miteinander identisch. Er sagt: „Obwohl πρότασις und άπόφανσις im Hinblick auf den Gegenstand (κατά τό ύποκείμενον) einander identisch sind, sind sie doch nach Definition (τφ λόγω) unterschiedlich"1. Alexander gibt zuerst zu, daß man ein und denselben Satz einmal πρότασις und einmal άπόφανσις nennt. Doch, wenn man einen Satz άπόφανσις nennt, tut man dies unter anderem Aspekt, als wenn man ihn πρότασις nennt. Ein Satz ist als άπόφανσις 1

Alex, in an.pr. 10,15 ff.

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anzusprechen, insofern der Inhalt des Satzes wahr oder falsch ist. Derselbe Satz ist nun als πρότασις anzusprechen, insofern die Wahrheit oder die Falschheit des Satzinhaltes auf bestimmte Weise vorgebracht wird. Um einen Satz als πρότασις zu behandeln, muß man also nicht bloß betrachten, welchen Wahrheitswert der Satz hat, sondern noch dazu, welche Terme als Subjekt und Prädikat in dem Satz auftreten und ob der Satz bejahend oder verneinend ist. Das hier Gemeinte kann nun durch die Beantwortung der Frage, an welchen Merkmalen eine πρότασις als solche und eine άπόφανσις als solche identifizierbar sind, noch klarer werden. Alexander gibt zu diesem Zweck zwei Beispielssätze, die verschiedene Subjekte und Prädikate haben. Der eine Satz ist „Die Gerechtigkeit ist gut" und der andere Satz ist „Die Ungerechtigkeit ist schlecht". Alexander bemerkt zu den Sätzen, sie seien als άπόφανσις miteinander identisch, aber als πρότασις nicht identisch. Zuerst betrachten wir etwas näher, aus welchem Grund genau Alexander diese zwei offensichtlich verschiedenen Sätze als eine άπόφανσις ansehen kann. Als Grund dafür ist an der Stelle darauf hingewiesen, daß sie beide auf gleiche Weise wahr sind. Sehr wahrscheinlich ist nun die bloße Gleichheit des Wahrheitswertes nicht der einzige und hinreichende Grund dafür, verschiedene Sätze als eine άπόφανσις zu bestimmen. Alexander wird es wohl ablehnen, den Satz „Die Gerechtigkeit ist gut" und etwa den Satz „Alle Menschen sind sterblich" als άπόφανσις miteinander identisch zu nennen, obwohl die beiden Sätze wahr sind. Sonst würde er gezwungen, die recht merkwürdige Auffassung von άπόφανσις zu vertreten, daß alle wahren Sätze als άπόφανσις miteinander identisch und alle falschen Sätze andererseits als άπόφανσις miteinander identisch sind, daß es also der Anzahl nach schließlich nur zwei άποφάνσεις gibt. Ich glaube, es muß also neben dem gleichen Wahrheitswert an den eben angeführten Sätzen noch etwas Gemeinsames geben, auf Grund dessen Alexander sie als άπόφανσις miteinander identisch nennt. Zwar sagt er nicht ausdrücklich, was es ist, aber mit der Wahl der Beispielssätze ist mehr als ein Hinweis dafür gegeben. Der Satz „Die Gerechtigkeit ist gut" und der Satz „Die Ungerechtigkeit ist schlecht" sind aufeinander derart bezogen, daß, wer die Wahrheit des einen Satzes behauptet, zugleich für die Wahrheit des anderen Satzes eintritt, und wer den einen Satz widerlegt, also die Falschheit des einen Satzes behauptet, zugleich den anderen Satz nicht annimmt, anders gesagt, dessen Falschheit anerkennt. Sie sind nicht nur zusammen wahr, sondern ihr Wahrsein scheint auf eine unlösbare Weise miteinander zusammenzuhängen. Darum sagt man oft, der Satz „Die Gerechtigkeit ist gut" sei die Kehrseite des Satzes „Die Ungerechtigkeit ist schlecht" und umgekehrt, als seien die beiden Sätze nur zwei anders ausgedrückte Sätze für ein und denselben Behauptungsinhalt. Und auf der 56

Ebene der Umgangssprache klingt solche Redeweise nicht seltsam, der Mann, der den Satz „Die Gerechtigkeit ist gut" ausspricht, stelle die gleiche Behauptung auf wie ein anderer, der den Satz „Die Ungerechtigkeit ist schlecht" ausspricht. Tatsächlich scheinen die Bedingungen, unter denen die Behauptung des einen Satzes so wie die des anderen wahr werden, gleich zu sein, - allerdings nur für diejenigen, die nicht allzu sophistisch eingestellt sind. Vermutlich ist diese umgangssprachliche Vorstellung, daß die in ihrer Wahrheit gleich bedingten Behauptungen schließlich eine Behauptung sind, für Alexander der wahre Grund, die beiden Sätze als eine άπόφανσις zu bestimmen. Also ist für die Identität einer άπόφανσις der in diesem Sinne verstandene jeweilige Behauptungsinhalt, oder genauer gesagt, die Wahrheitsbedingung wesentlich. Hingegen ist es dabei bis zu einem gewissen Maß gleichgültig, ob sie dieses oder jenes Subjekt oder Prädikat hat. Wenn es so ist, ist es auch verständlich und sogar konsequent, daß auch die Qualität der Sätze kein entscheidendes Kriterium für die Identität der άπόφανσις sein kann2. An der Stelle sagt Alexander zwar nachdrücklich, daß die Verschiedenheit der Qualität für die Identität nichts ausmacht, aber er verdeutlicht es nicht mit Hilfe von Beispielen, wie im vorigen Fall. Doch kann man sich leicht passende Beispiele ausdenken: etwa die Sätze „Alle Menschen sind sterblich" und „Alle Menschen sind nicht unsterblich". Sicher würde Alexander diese beiden Sätze, die verschiedene Qualität haben, als ein und dieselbe άπόφανσις ansehen. Nun sind im Gegensatz zur άπόφανσις die beiden Merkmale der Qualität und der Bestimmtheit im Hinblick auf Subjekt und Prädikat die entscheidenden Satzmerkmale für die πρότασις. Von den Sätzen „Die Gerechtigkeit ist gut" und „Die Ungerechtigkeit ist schlecht" meint Alexander: Sie seien zusammen wahr und bejahend; da sie jedoch verschiedene Terme als Subjekt und Prädikat haben, seien sie als πρότασις miteinander nicht identisch. Damit macht er seine Auffassung von πρότασις deutlich. Die Identitätskriterien für πρότασις sind die Identität als άπόφανσις, die Qualität der Sätze und die Bestimmtheit im Hinblick auf Subjekt und Prädikat. (Dabei erübrigt es sich in Wahrheit, Identität als άπόφανσις separat zu zählen, da die Identität der Sätze als άπόφανσις dann immer garantiert ist, wenn sich die Sätze im Hinblick auf die beiden letzten Merkmale als identisch erweisen.) Auch die Quantität der Sätze muß hinzukommen. Obwohl an unserer Stelle, an der es auf die Unterscheidung von άπόφανσις und πρότασις ankommt, von der 1

Es hat sich in der nacharistotelischen Zeit bekanntlich die Redeweise eingebürgert, Be-

jahung und Verneinung als Qualität der Sätze zu bezeichnen. Universalität, Partikularität und Unbestimmtheit der Sätze hat man als ihre Quantität bezeichnet.

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Quantität nicht gesprochen wird, ist sie ein wenig später als ein wesensbestimmendes Merkmal der πρότασις erwähnt3. Durch diese mit Hilfe von Beispielen gegebene Erklärung ist, wie ich glaube, der Sinn von Alexanders Behauptung im Zitat klar geworden, άπόφανσις und πρότασις seien in der Definition, also in der Wesensbestimmung voneinander unterschieden. Freilich wird bei dieser Erklärung in erster Linie von den unterschiedlichen Identitätsmerkmalen und nicht direkt von den Definitionen gesprochen. Aber es bedarf keiner besonderen Erklärung, daß die Merkmale, an denen man ein Ding als solches identifizieren kann, eben wesentliche Eigenschaften des Dinges sind. Darum kann die Angabe der Identitätsmerkmale zugleich als Wesensbestimmung fungieren. Es läßt sich also zusammenfassend sagen: Zum Wesen der άπόφανσις gehört der Behauptungsinhalt oder die Wahrheitsbedingung, und zum Wesen der πρότασις gehören noch dazu die Bestimmtheit im Hinblick auf Subjekt und Prädikat, Qualität und Quantität. Mit dieser Deutung kann sich Alexander wohl auf die betreffenden Stellen in aristotelischen Texten berufen. In de interpretatione ist άπόφανσις an der Stelle, wo sie eingeführt wird, tatsächlich nur durch den Hinweis bestimmt, daß sie allein wahr oder falsch sein kann. Und im Vergleich dazu sind bei der Begriffsbestimmung der πρότασις in den an. pr. Qualität und Quantität ausdrücklich herangezogen. In der Zeit nach Alexander wird der Unterschied zwischen der άπόφανσις und der πρότασις nicht so scharf wie von Alexander aufgefaßt. Wie schon berichtet worden ist, sind άπόφανσις und πρότασις für Ammonius wie für Alexander trotz der Identität im Hinblick auf das ύποκείμενον immer noch zwei in einer wichtigen Hinsicht voneinander verschiedene Begriffe. Aber Ammonius weicht in seiner Erklärung über die Beziehung der πρότασις zur άπόφανσις von Alexander darin ab, daß er πρότασις ausdrücklich als eine Art von άπόφανσις bestimmt4. Diese Abweichung ist eigentlich nicht von allzu großer Bedeutung. Zwar sagt Alexander nicht ausdrücklich, die Beziehung der beiden Begriffe sei die Beziehung von Gattung und Art, aber seine Bestimmung der beiden Begriffe impliziert auch die Bestimmung Ammonius': denn für Alexander hat πρότασις mit άπόφανσις die Eigenschaft gemeinsam, wahr oder falsch zu sein, aber daneben hat sie noch zusätzlich einige andere Wesensbestimmungen, die für die Bestimmung der άπόφανσις nicht konstitutiv sind. Darum kann die Beziehung der beiden Begriffe bei Alexander im Grunde auch als die Beziehung von Gattung und Art gefaßt werden. Aber indem Ammonius die Beziehung der beiden Begriffe ausdrücklich 3 4

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Alex, in an. pr. 11,30 ff. Ammon. in an. pr. 15,22-23.

als die Beziehung von Gattung und Art bestimmt, stößt er wahrscheinlich auf ein Problem, das für ihn nicht unwichtig ist. Es fragt sich nämlich, was als die artspezifische Differenz für πρότασις im Unterschied zu der Gattung άπόφανσις zu nehmen ist. Es liegt nahe, daß in diesem Fall die von Alexander hervorgehobenen Merkmale, die Bestimmtheit der Terme, die Quantität und die Qualität als die Differenz zu nehmen sind. Aber Ammonius scheint hier einige Bedenken zu haben. Er zögert, die genannten Merkmale als Differenz anzugeben, und etwas vage bemerkt er, daß Quantität und Qualität bei der Begriffsbestimmung der πρότασις als etwas der Differenz nur Analoges herangezogen worden sind5. Nähere Erläuterungen zu dieser unklaren Bemerkung gibt er nicht. Hinsichtlich der wesensbestimmenden Differenz der πρότασις weist er darauf hin, daß sie ein Bestandteil des Syllogismus ist. Es wird sicher heutige Leser einigermaßen befremden, daß die Frage, was als Differenz in der Definition der πρότασις zu nehmen ist, hier als eine so wichtige Frage für das Verständnis des Begriffs πρότασις behandelt wird. Aber für die meisten Interpreten der Antike, die bei der Erklärung der Begriffsbestimmung fast gewohnheitsgemäß von dem Schema Genus - Differenz ausgehen, hat diese Frage großes Gewicht. An dieses Definitionsschema hält sich besonders Philoponus. Er macht es sich zur Aufgabe, die aristotelische Begriffsbestimmung der πρότασις möglichst dem Definitionsschema gemäß zu erläutern. In der aristotelischen Begriffsbestimmung kann er das leicht finden, was dem Genus entspricht. Das ist nach ihm λόγος 6 . Aber er hat Schwierigkeiten mit der Differenz, denn die auf λόγος folgende disjunktive Angabe „bejahend oder verneinend" paßt nicht in das mustergültige Definitionsschema. Nach der antiken (und traditionellen) Definitionslehre muß die Differenz immer einen größeren Begriffsumfang haben als der zu definierende Begriff, wobei sie und das Genus sich in ihrem Umfang so überschneiden, daß die sich daraus ergebende Durchschnittsmenge von den beiden dem Umfang des Definiendum entspricht. Nun aber haben der bejahende Satz und der verneinende Satz keinen größeren Umfang als der zu definierende Begriff πρότασις, weder einzeln noch zusammengenommen. Dabei schließen sie einander aus. Es ist verständlich, wenn Philoponus sich über die Angabe „bejahend oder verneinend" den Kopf zerbricht. Philoponus' Erörterung dieses Teils der aristotelischen Begriffsbestimmung ist ein interessantes Hin und Her. Er weist zuerst darauf hin, daß es unter den Unterscheidungsmerkmalen der zu definierenden Begriffe die sogenannten artspezifischen Unterscheidungsmerkmale

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Ammon. in an. pr. 16,27-28. Philop. in an.pr. 12,16.

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(αΐ είδικωτάται διαφοραί) gibt7. Ein Beispiel wäre etwa „wiehernd" für Pferd. Nach ihm sind die Bejahung und die Verneinung zusammengenommen ein solches Merkmal der πρότασις, und insofern kann die Angabe der beiden als die Angabe der Differenz der πρότασις gelten, obwohl die beiden in ihrem Umfang nicht größer als die πρότασις sind. An dieser Deutung gibt es eigentlich nichts zu bemängeln. Man braucht nämlich das Definiendum nicht unbedingt als Durchschnittsmenge von Genus und Differenz darzustellen; man darf es unter Umständen als Vereinigung aller seiner Teilmengen darstellen. Aber Philoponus sieht in der aristotelischen Begriffsbestimmung noch eine Schwierigkeit. Er findet, daß die Bejahung sowie die Verneinung in ihrem Umfang kleiner als die πρότασις sind. So betont er, daß in diesem Fall die Umfänge der beiden zusammengenommen als der Umfang des Definiens zu verstehen sind, denn nur so wird der Umfang des Definiens dem Umfang des Definiendums gleich, was auf jeden Fall eine notwendige Bedingung ist, die die richtige Definition erfüllen muß. Und Philoponus hat hier vollkommen recht. Aber er selber scheint sich nicht so sicher zu fühlen. Was ihn unsicher macht, ist das Wort ή, durch das „καταφατικός" und ,,άποφατικός" miteinander verknüpft sind. Was dieses Wort ή angeht, hält er es für nötig, zu bemerken, daß dieses Wort nicht im Sinne der exklusiven Disjunktion (διαζευκτικών), sondern im Sinne der Konjunktion (παραδιαζευκτικόν), also als „καί" zu verstehen ist8. Diese Bemerkung ist nicht nur unnötig, sondern auch falsch; auf keinen Fall kann man „entweder . . . oder" als „und" verstehen. Was ihn zu dieser unsinnigen Bemerkung veranlaßt hat, ist sicher der Gedanke, daß der disjunktive Sinn des Wortes ή es nicht erlaubt, καταφατικός und άποφατικός als ein Ganzes zusammenzunehmen; erst die Verknüpfung „καί" ermöglicht dies. Es ist Philoponus nicht bekannt, daß die Disjunktion der Vereinigung der Mengen in der Mengentheorie entspricht und die Konjunktion dem Durchschnitt der Mengen. Eigentlich brauchte er wegen des Wortes ή nicht so unsicher zu sein. Jedenfalls sieht er sich wegen der selbstgemachten Schwierigkeit gezwungen, seine Behauptung über die Differenz schließlich aufzugeben. Er weiß, daß er sich mit der Deutung, ή sei καί, nicht durchsetzen würde. Also sagt er: „Wenn jemand diese Deutung nicht akzeptiert, und sagt, καταφατικός ή άποφατικός sei disjunktive Angabe, ist doch die Definition der πρότασις auch dann richtig, denn 7

Philop. in an.pr. 17,2 ff. Philop. in an.pr. 17,24-25; Philoponus ist der einzige von den antiken Logikern, der den Ausdruck παραζευκτικόν im Sinne der Konjunktion gebraucht. Bei den anderen bedeutet dieser Ausdruck die inklusive Disjunktion: p V q oder die negierte Konjunktion: - . ( p A q ) oder - Ί - > ρ Λ —. q). Vgl. hierzu M. Frede, Die stoische Logik, Göttingen 1974, S. 98 ff. 8

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wir werden dann sagen, daß diese Angabe nicht zur Definition gehört, sondern die Einteilung der verschiedenen Arten von πρότασις beinhaltet. Als Definition der πρότασις genügt es schon, wenn wir sagen, πρότασις sei λόγος τινός κατά τίνος" 9 . Sichtlich zufrieden mit seiner Lösung legt er sich endlich fest: τι κατά τίνος sei die artspezifischste Differenz, dagegen sei die disjunktive Angabe „bejahend oder verneinend" die Angabe des Kriteriums der Einteilung der πρότασις 10 . Wenn auf diese Weise die Qualität nicht als wesensbestimmendes Merkmal der πρότασις gedeutet wird und nicht in die Definition aufgenommen wird, kann der Unterschied zwischen πρότασις und άπόφανσις, den Alexander gemacht hat, leicht verwischt werden. In der Differenz τινός κατά τίνος kommt der wesentliche Unterschied zwischen πρότασις und άπόφανσις nicht zum Ausdruck. Tatsächlich macht Philoponus, indem er diese Differenz näher erklärt, keinen Unterschied zwischen den beiden Begriffen. Wir vergleichen zwei Bemerkungen von ihm: „Nur τι κατά τίνος ist als Differenz genommen, es hat den gleichen Begriffsumfang wie πρότασις. Es kommt nämlich jeder πρότασις und nur dieser zu"11. Nun aber läßt er diese sogenannte artspezifischste Differenz auch nur der άπόφανσις zukommen, und dadurch wird auch die άπόφανσις als λόγος τινός κατά τίνος definiert. „Darum ist τό κατά τίνος als etwas, was nur dem άποφαντικός λόγος zukommt, zur Definition der πρότασις genommen"12, λόγος τινός κατά τίνος bedeutet einfach den prädikativen Satz; πρότασις und άπόφανσις unterscheiden sich darin gewiß nicht voneinander, daß in ihnen beiden etwas von etwas anderem ausgesagt wird. Aber wie wäre es, wenn etwa ein Biologe sich bei der Definition des Tieres und Säugetieres einfach damit begnügen wollte, die Definition des Lebewesens anzugeben? Dieser Vergleich ist sicher zu extrem, aber es ist nicht zu leugnen, daß Philoponus eine logisch gar nicht unwichtige Differenzierung wieder zum Verschwinden gebracht hat, und zwar durch die für die Sache selbst eigentlich irrelevanten und zum Teil irrtümlichen Erwägungen. Seit Philoponus ist Alexanders Meinung dazu nicht mehr beachtet worden. Erst im 19. Jahrhundert wurde Prantl auf Alexanders Behauptung aufmerksam. Aber für ihn ist die Unterscheidung von άπόφανσις und πρότασις nur eine unnötige Spitzfindigkeit13. G. Volait schenkt Alexanders Meinung mehr Aufmerksamkeit. Aber es ist sehr zweifelhaft, ob er Alexanders Meinung richtig versteht. Er interpretiert die Unter' Philop. in an. pr. 18,8-12. 10 Philop. in an. pr. 18,23 ff. 11 Philop. in an. pr. 19,12. 12 Philop. in an. pr. 17,21. 13 Prantl, a.a.O., S. 352.

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Scheidung Alexanders der beiden Begriffe wie folgt: nach Alexander seien άπόφανσις und πρότασις der Materie nach (τφ ύποκειμένφ) ein und dasselbe, doch formaliter (τφ λόγω) verschieden14. Es ist nicht verständlich, warum er λόγος und ύποκείμενον ausgerechnet als Form und Materie deutet. Vielleicht sind Form und Materie als Begriffsmittel zur Deutung davon nicht so hoffnungslos abwegig, aber sie sind in diesem Zusammenhang schwerfällig und unpassend. Mehr als unpassend ist seine Kritik, die er an Alexanders Erörterung der πρότασις übt. Indem er Alexanders Meinung mit der des Aristoteles vergleicht, glaubt er folgendes feststellen zu können: Alexander bringe bei der Erörterung nichts wesentlich Neues gegenüber Aristoteles vor. Er meint: „Das Neue besteht nur in der Formulierung, welche erst einen scharfen Gegensatz da schafft, wo Aristoteles Übergänge (d.h. von der πρότασις zur άπόφανσις) bestehen läßt, ferner in der Einseitigkeit, mit der die Qualität der Aussage als das Wesentliche der Prämisse betont, die reale Unterlage dieser Bestimmung, nämlich die syllogistische Funktion der πρότασις übergangen wird"15. Vielleicht stimmt es, daß Alexander nichts wesentlich Neues gegenüber Aristoteles vorbringt. Aber man kann seiner Behauptung nicht zustimmen, daß das Neue nur in der Formulierung besteht. Bestimmt mehr als eine bloße Formulierung ist es, was Alexander da vorbringt. Ferner ist es bedenklich, wenn Volait von dem „scharfen Gegensatz" spricht. Wer eine scharfsinnige Differenzierung macht, schafft nicht immer einen scharfen Gegensatz. Alexander stellt άπόφανσις und πρότασις nicht als Gegensatz dar. Natürlich läßt er „fließende Übergänge" von πρότασις zu άπόφανσις nicht bestehen. Überhaupt ist es fraglich, ob das, was Volait mit „fließenden Übergängen" meint, eigentlich irgendeinen verständlichen Sinn hat. Seine Erklärung grenzt fast an Unsinn. Nach ihm kommt in der Bejahung das Zukommen (ύπάρχειν) zum Ausdruck und in der Verneinung das NichtZukommen. Diese harmlos erscheinende Bemerkung führt er wie folgt näher aus: Nun sei durch den Begriff des Zukommens die Möglichkeit einer Umbildung zu άπόφανσις in der Weise gegeben, daß das „Zukommen" der Prämisse überhaupt mit dem „Sein" und „Wahrsein" auf die gleiche Linie gestellt werde. Also ist nach ihm der Übergang von πρότασις (der Bejahung oder der Verneinung) zu άπόφανσις (dem Wahrsein oder dem Falschsein) durch den Begriff ύπάρχειν ermöglicht, ύπάρχειν verwendet Aristoteles in seinen logischen Schriften als einen mit der Kopula είναι synonymen Ausdruck. Es ist nicht einzusehen, wie dieser Begriff den rätselhaften Übergang von πρότασις zu άπόφανσις ermögli14 15

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Volait, Die Stellung des Alexander, S. 1. Ebd., S. 5.

chen kann. Der in solchem Sinne verstandene Ubergang läßt sich nicht nur bei Alexander nicht finden, sondern auch bei Aristoteles nicht. Die beiden werden wohl nicht einmal wie wir verstehen, was die Umbildung der πρότασις zu άπόφανσις überhaupt bedeutet16. Was Volaits stärkste Kritik angeht, daß Alexander bei der Erörterung der πρότασις die syllogistische Funktion der πρότασις übergeht, so verstehe ich nicht, warum Alexander diese Kritik verdient. Volait behauptet, daß in der Erörterung der πρότασις bei Aristoteles die unzertrennliche Verbindung der πρότασις mit dem Syllogismus vielleicht prinzipiellere Bedeutung besitzt als die Definition der πρότασις als καταφατικός oder άποφατικός. Aber in Alexanders Erörterung sei dieses wichtige Moment weggefallen17. Er stellt Alexanders Erklärung von dem Unterschied zwischen πρότασις und άπόφανσις die Erklärung von Ammonius gegenüber, als wollte er zeigen, was die richtigere, erwünschte Erklärung ist; von Ammonius wird der betreffende Unterschied „derart bestimmt, daß άπόφανσις den Satz für sich bezeichnet, πρότασις der Satz ist, sofern er in einen Syllogismus hineingenommen wird"18. Daß πρότασις den Satz bedeutet, der in einen Syllogismus hineingenommen ist, ist eigentlich keine so wichtige Erkenntnis. Ammonius' Bemerkung, die Volait anführt, ist nicht mehr als die Erklärung des aristotelischen Wortgebrauchs. Wer die an.pr. liest, lernt ohne weiteres diesen Wortgebrauch kennen. Daß πρότασις den Bestandteil des Syllogismus bedeutet, ist also ein elementarer terminologischer Ausgangspunkt der Erörterung der Aristotelesinterpretation. Wenn Volait unterstellt, daß Alexander diesen Ausgangspunkt aus den Augen verliert, kann man ihm schwerlich zustimmen. In Alexanders Erörterung der πρότασις läßt sich keine Bemerkung finden, die eine solche Unterstellung rechtfertigen könnte. Volait scheint zu glauben, daß die Tatsache, daß Alexander die Qualität der Aussage deutlich, nach ihm „einseitig", als das wesentliche Merkmal der πρότασις hervorhebt, seine Unterstellung stützt. Aber dies ist nicht so. Alexander hebt die Qualität der Sätze gerade deswegen hervor, weil er weiß, daß sie für die syllogistische Folgerungsbeziehung ein relevantes Merkmal der Sätze ist. Sonst würde es für ihn keinen Grund geben, die Qualität als ein wesentliches Merkmal der πρότασις hervorzuheben. Besonders beachtenswert ist es in

16 Den Sinn des Problems der Umbildung oder des Übergangs von πρότασις zu άπόφανσις versucht Volait mit der Bemerkung verständlich zu machen, daß πρότασις logisch-ontologisch früher als άπόφανσις ist, wobei er sich auf die fragwürdige Autorität von H. Maier beruft (H. Maier, Die Syllogistik des Aristoteles, Tübingen 1900, Π,2, S. 361). Schon wegen der Wortkombination „logisch-ontologisch" wird man wohl schon skeptisch, ob das Problem auf dem Boden der logisch relevanten Betrachtung steht. 17 18

Ebd., S. 3. Ebd., S. 4, Anm. 1.

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diesem Zusammenhang, daß er als ein anderes wesensbestimmendes Merkmal der πρότασις auch die Bestimmtheit der Terme hervorhebt. Dieses Merkmal erwähnt Aristoteles selber bei der Begriffsbestimmung der πρότασις nicht. Wenn trotzdem Alexander dieses Merkmal als wesentliches Merkmal der πρότασις hervorhebt, beweist dies, wie scharfsinnig er auf die für den Syllogismus relevanten Merkmale der Sätze das Augenmerk richtet. Wie gezeigt, ist die Bestimmtheit der Terme für eine Behauptung nicht so entscheidend; z.B die Sätze „Kein Deutscher ist Asiat" und „Kein Asiat ist Deutscher" stellen die gleiche Behauptung in dem Sinne dar, daß die beiden Sätze unter genau gleichen Wahrheitsbedingungen wahr oder falsch sein können. Daß in dem einen Satz „Asiat", aber in dem anderen „Deutscher" Subjekt ist, tangiert die in diesem Sinne verstandene Gleichheit der Behauptung nicht. Aber von der Bestimmtheit der Terme in dieser Hinsicht hängt in der Theorie des Syllogismus die Gesetzlichkeit der Konversion ab, und sie tangiert eben darum die Identität der Syllogismen. Wenn sich Alexander, statt solche wichtigen Merkmale der πρότασις hervorzuheben, mit der Erklärung begnügen würde, daß πρότασις der Bestandteil des Syllogismus ist, wie Volait verlangt, wäre seine Erörterung der πρότασις recht enttäuschend. Nicht Alexander, sondern Volait behält, wie es scheint, die enge Verbindung der πρότασις mit dem Syllogismus nicht ganz im Auge, denn er übergeht bei der Auseinandersetzung mit Alexanders Erklärung des πρότασις-Begriffs die Relevanz der Bestimmtheit der Terme für die Syllogistik. Den Verdacht, daß er sich über die Verbindung der πρότασις mit dem Syllogismus nicht im klaren ist, hat er schon erweckt, als er andeutete, daß wegen der starken Betonung der Qualität von Alexander die Verbindung der πρότασις mit dem Syllogismus übergangen wird. So ist Alexanders durchaus diskutable Unterscheidung der άπόφανσις und πρότασις bis heute praktisch nicht genügend gewürdigt worden.

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IV. Das System der formalen Logik In diesem Kapitel betrachten wir, wie die Kommentatoren den formalen Teil der aristotelischen Logik zu systematisieren versucht haben. Der wichtigste Lehrstoff, der den formalen Teil der aristotelischen Logik bildet, ist in den Kapiteln 1-7 des ersten Buches der an. pr. enthalten. Aber Aristoteles hat auch einige andere formallogische Gesetzlichkeiten entdeckt, die er in diesen Kapiteln nicht bespricht. Beispiele hierfür sind insbesondere die Gesetzlichkeiten, die später oft mit Hilfe des sogenannten logischen Quadrats dargestellt worden sind. Die Kommentatoren haben all diese Gesetzlichkeiten zusammen mit dem Lehrstoff, der in dem oben genannten Teil der an. pr. enthalten ist, in eine einheitliche Ganzheit einzuordnen versucht. Aus diesem Versuch ist ein System entstanden, dessen Gestalt ziemlich verschieden ist von der Gestalt, die Aristoteles seiner formalen Logik gegeben hatte. In diesem Kapitel wird referiert, wie ihr System aufgebaut ist. An ihrem System der formalen Logik fällt zuerst auf, daß sie von einer bestimmten Auffassung der logischen Gesetzlichkeiten ausgehen; sie betrachten nämlich die logischen Gesetzlichkeiten in erster Linie als die Relationen der προτάσεις zueinander. Also kann man ihr System als System der Relationen der προτάσεις bestimmen. Ferner ist bemerkbar, daß ihr Systemaufbau auf der Diärese beruht. Als systematische Darstellungsmethode war in der Antike diese Einteilungsmethode im allgemeinen sehr beliebt1. Insofern ist es nichts Ungewöhnliches, daß auch die Aristoteliker auf die Idee gekommen sind, unter Anwendung dieser Methode den Lehrstoff der aristotelischen formalen Logik systematisch darzustellen. Um den Bericht verständlicher zu machen, schicke ich eine Tabelle voraus, anhand derer man den nunmehr darzustellenden Inhalt überblikken kann. Diese Tabelle entspricht nicht genau der Darstellung der Kommentatoren. Um der Übersichtlichkeit willen habe ich mich bei dieser tabellarischen Darstellung der fast mechanischen Dichotomie bedient. Dadurch sind auch solche Relationen der προτάσεις einbezogen worden, die die Kommentatoren nicht ausdrücklich erwähnen. Die Nummern, die für 1 M. Fuhrmann hat in seinem Buch „Das antike Lehrbuch" (Göttingen 1960) anhand einer Reihe von Lehrbüchern aus verschiedenen Bereichen, etwa Rhetorik, Landwirtschaft oder Jurisprudenz gezeigt, daß die Anwendung dieser Methode damals eben die allgemeine Tendenz war.

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0. προτάσεις -Paare, die keinen Term gemeinsam haben. 11. προτάσεις -Paare, die zwei Terme gemeinsam haben. 1. προτάσεις -Paare, die einen oder zwei Terme gemeinsam haben. 10. προτάσεις -Paare, die einen Term gemeinsam haben, (συζυγία) προτάσεις -Paare, die gleiche Terme in gleicher Ordnung haben. 110. προτάσεις -Paare, die gleiche Terme in umgekehrter Ordnung haben. (101.) προτάσεις -Paare, in denen der gleiche Term an der gleichen Stelle auftritt. (100.) προτάσεις -Paare, in denen der gleiche Term an verschiedenen Stellen auftritt.

(1111.)

66

11111.

προτάσεις-Paare, die noch dazu die gleiche Quantität haben (ματαιολογία).

11110.

προτάσεις-Paare, die dazu verschiedene Quantität haben (ύπάλληλοι).

προτάσεις-Paare, die noch dazu gleiche Qualität haben.

(1110.)

1101.

11101.

προτάσεις-Paare, die die gleiche Quantität haben (έναντία oder ύπεναντία).

11100.

προτάσεις-Paare, die verschiedene Quantität haben (άντίφασις).

11011.

προτάσεις-Paare, die dazu die gleiche Quantität haben. (conversio simplex)

11010.

προτάσεις-Paare, die die verschiedene Quantität haben. (conversio per accidens)

προτάσεις-Paare, die verschiedene Qualität haben.

προτάσεις-Paare, { die die gleiche Qualität haben (άντιστροφή).

110.

(11001

1100.

προτάσεις-Paare, die die verschiedene Qualität haben (άντιστροφή σύν άντιθέσει). (11000.)

(101.

1011.

προτάσεις-Paare, in denen der gemeinsame Term als Subjekt auftritt (3. σχήμα).

1010.

προτάσεις-Paare, in denen der gemeinsame Term als Prädikat auftritt (2. σχήμα).

.Modi

67

1001.

προτάσεις-Paare, in denen der gemeinsame Term im Obersatz als Prädikat, im Untersatz als Subjekt auftritt (1. σχήμα).

Modi

προτάσεις-Paare, in denen der gemeinsame Term im Obersatz als Subjekt, im Untersatz als Prädikat auftritt (4. σχήμα).

Modi

. . . (100. (1000.)

solche Relationen stehen, sind in Klammern gesetzt. In der folgenden Ausführung wird es vermieden, durch ständige Stellenangabe die Anmerkungen zu überlasten. Da die Kommentatoren jeweils an einer bestimmten Stelle ihr System darstellen, genügt es, wenn hier pauschal die betreffenden Stellen im voraus angegeben werden: In Alexanders Kommentar zu den an. pr. ist es die Stelle, an der die Erörterung der verschiedenen Figuren des Syllogismus beginnt: in an. pr. 45,10 ff. In Ammonius' und Philoponus' Kommentaren zu den an. pr. geschieht das dort, wo sie die Konversion erörtern: Ammon. in an. pr. 35,36 ff. ; Philop. in an. pr. 40,32 ff. Zuerst werden, je nachdem, ob die προτάσεις miteinander in ihren Termen übereinstimmen oder nicht, alle προτάσεις paarweise in zwei Gruppen eingeteilt; Paare von solchen προτάσεις (ή συμπλοκή των προτάσεων), die keinen Term gemeinsam haben, bilden die eine Gruppe, und Paare von solchen προτάσεις, die einen oder zwei gleiche Terme haben, die andere. Mit den προτάσεις-Paaren der ersten Gruppe (0) kann man logisch nichts anfangen. Beispiel: „Alles Gerechte ist schön" und „Alles Vergnügen ist gut". Es kann sein, daß zwei προτάσεις, die keine Terme gemeinsam haben, doch inhaltlich zueinander in irgendeiner Relation stehen. Aber in der formalen Logik läßt man solche Möglichkeit der inhaltlichen Relation beiseite2. So lassen wir die erste Gruppe auf sich beruhen und wenden uns der zweiten Gruppe 1 zu. In dieser Gruppe findet sich alles, was formallogisch wichtig und interessant ist. Nun wird die Gruppe 1 weiter in zwei 1 Es versteht sich, daß die Untersuchung über die Relationen der προτάσεις auf der Basis der Theorie der πρότασις steht. Es sei hier daran erinnert, daß Alexander die Bestimmtheit der Terme, Qualität und Quantität als wesensbestimmende Merkmale der πρότασις erfaßt, und zwar im Unterschied zur άπόφανσις. Für ihn liefern diese Merkmale die Gesichtspunkte für die Betrachtung über die Relation der προτάσεις. Da er nur diese Merkmale und sonst kein anderes als wesentlich für πρότασις ansieht, müssen die Relationen der προτάσεις zueinander nur unter den entsprechenden Gesichtspunkten und keinem anderen betrachtet werden. Deswegen kann man über die Relation der oben angeführten Sätze „Alles Gerechte ist schön" und „Alles Vergnügen ist gut" nichts aussagen, wenn man sie als προτάσεις ansieht. Aber es wäre sicherlich anders, wenn man die beiden Sätze als άποφάνσεις versteht und etwa die Theorie der Relation der προτάσεις zueinander aufstellen will.

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Gruppen unterteilt. Paare von solchen προτάσεις, die beide Terme gemeinsam haben (11), und Paare von solchen προτάσεις, die einen gemeinsamen und einen differenten Term haben (10). Die Gruppe 11 wird wiederum in zwei Gruppen unterteilt (111 und 110). Der Gruppe 111 gehören solche Paare an, in denen beide gleichen Terme in gleicher Ordnung vorkommen, und der Gruppe 110 solche Paare, in denen beide gleichen Terme in umgekehrter Ordnung vorkommen. Unter 111 fallen sämtliche Paare von solchen προτάσεις, die zueinander in der Relation άντίθεσις (Opposition) stehen. Unter 110 fallen sämtliche Paare von solchen προτάσεις, die in der Relation άντιστροφή stehen. Wenn wir nun sehen, ob προτάσεις noch im Hinblick auf Qualität und dann im Hinblick auf Quantität einander gleich oder ungleich sind, sind für 111 vier Fälle möglich: 11111, 11110, 11101 und 11100. Der Gruppe 11111 gehören Paare von solchen προτάσεις an, die in jeder Hinsicht, die hier in Frage kommt, einander gleich sind, wie das Paar „Alle Menschen sind Tiere" und "Alle Menschen sind Tiere". Nach Philoponus handelt es sich in diesem Fall um ματαιολογία. Alexander hält solche Paare gar nicht für erwähnenswert. Es ist klar, daß sie logisch nicht von Nutzen sind. Der Gruppe 11110 gehören die Paare von solchen προτάσεις an, die im Hinblick auf Terme, ihre Ordnung und Qualität gleich, aber im Hinblick auf Quantität ungleich sind. Beispiel: „Alle Menschen sind Tiere" und „Einige Menschen sind Tiere". Wenn wir uns der seit dem Mittelalter vertrauten Bezeichnungen für προτάσεις als Hilfsmittel bedienen, gehören das Paar Α und I und das Paar Ε und Ο hierher. Solche προτάσεις heißen ύπάλληλοι. In der lateinischen Tradition sagt man, daß in diesem Fall die eine Proposition (die partikuläre) der anderen (der universalen) subaltern ist. ύπάλληλοι ist ein Terminus technicus, der in der nacharistotelischen Zeit erfunden ist, bei Aristoteles gibt es solchen Terminus technicus nicht. Der Gruppe 11101 gehören die Paare von solchen προτάσεις an, die im Hinblick auf Terme, ihre Ordnung und Quantität gleich, aber im Hinblick auf Qualität ungleich sind. Das Paar Α und Ε und das Paar I und Ο gehören hierher. Die Relationen, die zwischen den προτάσεις dieser Paare bestehen, heißen έναντία (konträr) und ύπεναντία (subkonträr). Wenn beide προτάσεις universal sind, spricht man von der Relation έναντία, wenn aber beide προτάσεις partikulär sind, spricht man von der Relation ύπεναντία. ύπεναντία ist auch wie ύπάλληλοι ein Terminus technicus, der in der nacharistotelischen Zeit erfunden ist. Hier weist Philoponus' Terminologie eine Besonderheit auf. An der Stelle, wo er die Konversion behandelt, gibt er für eine spezielle Art von Konversion, d.i. ένδεχομένη άντιστροφή, folgende zwei Beispiele: „τις άνθρωπος λούεται", „τις άνθρωπος ού λούεται" und „τις άνθρωπος περιπατεί", „τις άνθρωπος ού περιπατεί". Es ist klar, daß diese Paare zur Kategorie 69

ύπεναντία gehören. Trotzdem sagt er, daß es sich hier um ένδεχομένη Αντιστροφή handelt. Philoponus scheint in der Geschichte der Logik der Einzige zu sein, der das Verhältnis von solchen προτάσεις, deren gemeinsame Terme in gleicher Ordnung vorkommen, eine Art Konversion nennt. Vielleicht kann dieser ungewöhnliche Wortgebrauch erklärt werden, aber davon mehr in dem nächsten Kapitel, das der Erörterung der Konversion gewidmet ist. Der Gruppe 11100 gehören die Paare von solchen προτάσεις an, die sowohl in der Qualität als auch in der Quantität different sind: das Paar Α und Ο einerseits, das Paar Ε und I andererseits. In diesem Fall sagt man, daß die προτάσεις eine Kontradiktion bilden (άντίφασις). Was nun die Gruppe 110 betrifft, sind auch vier Fälle möglich, wenn wir die Gleichheit der Qualität und die der Quantität als Kriterium der weiteren Teilung nehmen: 11011, 11010, 11001 und 11000. Der Gruppe 11011 gehören die Paare von solchen προτάσεις an, die nur in der Ordnung der Terme different und sonst gleich sind. Unter den Paaren dieser Gruppe sind die Paare Ε, Ε und I, I dadurch gekennzeichnet, daß die προτάσεις dieser Paare immer zusammen wahr sind. Wegen dieser Gesetzlichkeit hinsichtlich des Wahrheitswertes sind diese Paare logisch von großem Nutzen. Alexander bezeichnet beide Paare einfach, wie Aristoteles, als άντιστροφή. Zu der Zeit von Philoponus aber werden sie als άπλή άντιστροφή bezeichnet. Von der Gruppe 11010, also von den Paaren der προτάσεις, die in der Quantität different sind, sind die Paare A, I und Ε, Ο ebenfalls wegen gewisser Gesetzlichkeiten hinsichtlich des Verhältnisses ihrer Wahrheitswerte logisch brauchbar. Jedem dieser beiden Paare ist nach der Terminologie der traditionellen Logik die sogenannte Conversio per accidens zugeordnet. Dieser Wortgebrauch geht wahrscheinlich auf Boethius zurück. Alexander benutzt keinen besonderen Namen für diese Art Konversion. Philoponus macht auch in der Benennung keine Unterscheidung von A, I und Ε, Ο der Gruppe 11010 und I, I und Ε, Ε der Gruppe 11011. Er nennt sie auch άπλή άντιστροφή. Der Gruppe 11001 gehören nun die Paare von solchen προτάσεις an, die in der Qualität ungleich, aber in der Quantität gleich sind, und der Gruppe 11000 die Paare von solchen προτάσεις, die sowohl in der Qualität als auch in der Quantität voneinander verschieden sind. Ein Beispiel dafür von Philoponus: ,,ό άνθρωπος ζφον" und ,,τό μή ζφον ούδέ άνθρωπος". Eine Stelle in der Topik zeigt, daß Aristoteles schon die besondere Relation von solchen προτάσεις-Paaren kannte (top. 113 b 22). Aber die Relation wurde bestimmt erst in der nacharistotelischen Zeit zum Gegenstand der intensiven Forschung, und erst in dieser Zeit wurde ein Terminus technicus für sie erfunden: άντιστροφή σύν άντιθέσει. Alle 70

Kommentatoren benutzen diesen Ausdruck. In der traditionellen Logik spricht man gewöhnlich von der Kontraposition. In dieser Arbeit brauchen wir nicht näher auf sie einzugehen. Da sie für die Syllogistik, das Hauptstück der antiken formalen Logik, kaum von Bedeutung ist, erwähnen die Kommentatoren diese άντιστροφή an unseren Stellen nur flüchtigWir gehen nun ein paar Schritte aufwärts und betrachten die Gruppe 10, d. i. die Gruppe von solchen προτάσεις, die einen gemeinsamen und einen differenten Term haben. Alexander nennt die προτάσεις-Paare dieser Gruppe συζυγίαι. Auch Philoponus gebraucht das Wort, aber in weiterem Sinne. Bei ihm bedeutet das Wort einfach προτάσεις-Paar oder Kombination der προτάσεις. Συζυγίαι werden nun in drei Untergruppen eingeteilt, je nachdem an welcher Stelle der gemeinsame Term vorkommt. Wenn der gemeinsame Term in einer πρότασις als Subjekt und in anderer πρότασις als Prädikat auftritt, liegt die erste Figur (σχήμα) vor. Wenn der gemeinsame Term in beiden προτάσεις als Prädikat auftritt, liegt die zweite Figur vor. Wenn er in beiden προτάσεις als Subjekt auftritt, liegt die dritte Figur vor. Es scheint, daß hier von der Dichotomie prinzipiell kein Gebrauch gemacht werden kann. Doch es ist bemerkenswert, daß auch in diesem Fall die dichotomische Teilung möglich ist. Συζυγίαι kann man nämlich zuerst in zwei Gruppen unterteilen; einmal die Paare von solchen προτάσεις, in denen der gemeinsame Term an der gleichen Stelle vorkommt (101), und zum anderen von solchen προτάσεις, in denen der gemeinsame Term an verschiedener Stelle auftritt (100). Die Gruppe 101 kann wiederum geteilt werden, je nachdem der gemeinsame Term das Subjekt oder das Prädikat ist. Auch die Gruppe 100 kann man wiederum teilen, je nachdem in welcher πρότασις der gemeinsame Term als Subjekt oder als Prädikat auftritt. Mit Hilfe von Buchstaben kann man das klar zeigen. Wenn die erste Stelle die Stelle des Subjektes und die zweite die Stelle des Prädikates bedeuten, sind zwei Kombinationen möglich: Α-B, B-C und B-Α, C-B. Der gemeinsame Term Β kann mit Α verbunden einmal Subjekt und ein anderes Mal Prädikat sein (und mit C verbunden umgekehrt). Um zu erkennen, daß hier zwei Kombinationen möglich sind, braucht man nur die differenten Terme in den προτάσεις-Paaren der Gruppe 100 mit den differenten Buchstaben zu bezeichnen. Auf diese Weise kann die vierte Figur gewonnen werden. Aber niemand hat in der Antike auf diese Weise gearbeitet. Selbst Philoponus, der gern mit der Kombinatorik arbeitet, achtet bei der Einteilung der Figuren nicht auf alle möglichen Fälle der Kombination. Im Unterschied zu dem Falle der άντίθεσις und άντιστροφή stehen die Sätze, die συζυγίαι bilden, hinsichtlich des Wahrheitswertes in keinem gesetzmäßigen Verhältnis zueinander. Aber sie können statt dessen 71

mit einem anderen Satz eine logisch interessante Relation haben; sie können nämlich als Prämissenpaar zur Folgerung auf einen anderen Satz benutzt werden. Allerdings sind nicht alle Satzpaare der προτσεις als Prämissenpaar brauchbar, sondern nur solche, die auch im Hinblick auf Qualität und Quantität auf geeignete Weise bestimmt sind. So werden Satzpaare jeder Figur, die die Folgerung eines neuen Satzes ermöglichen (συλλογιστικά! συζυγίαι), je nachdem, wie die Sätze im Hinblick auf Qualität und Quantität kombiniert sind, in verschiedene Typen, nämlich in Modi (τρόποι) weiter geteilt. In diesem Sinne hat sich τρόπος, wie manche andere Termini technici, erst in der nacharistotelischen Zeit, aber wahrscheinlich lange vor Alexander wohl unter dem stoischen Einfluß eingebürgert3. Mit συλλογιστικαί συζυγίαι und Modi von verschiedener Figur beschäftigt sich nun die Syllogistik. Die Aufgabe der Syllogistik besteht primär eben darin, festzustellen, welche Satzpaare in jeder Figur syllogistisch sind und welche nicht. Auf diese Weise wird also die Theorie des Syllogismus an die bisherige Betrachtung der möglichen Relationen der προτάσεις angeknüpft. Aber die Theorie des Syllogismus unterscheidet sich grundsätzlich von der bisherigen Betrachtung darin, daß es sich dabei um das logische Verhältnis der Satzpaare der προτάσεις zu dem dritten Satz handelt, während es sich bisher um das logische Verhältnis von zwei Sätzen eines Paares zueinander handelte. Wenn in diesem Zusammenhang von dem dritten Satz geredet wird, wird man wohl fast automatisch an die Conclusio denken. Aber Alexander denkt nicht so. An der Stelle, an der er den Begriff συζυγία einführt, setzt er diesen Begriff primär mit dem πρόβλημα in Verbindung, aber nicht mit der Conclusio. Und hierin zeigt sich eben das Kennzeichnende für Alexanders Auffassung der Logik. Πρόβλημα ist nach seiner Erklärung wie Prämisse (λήμμα oder όμολόγημα) und Conclusio (συμπέρασμα) eine Art πρότασις. Aber es ist eine πρότασις, die in einer Argu3 In der stoischen Logik bedeutet der Modus die Schlußformel (oder Schlußschema), die aus Variablen und einigen in ihrer Bedeutung eindeutig und fest normierten Ausdrücken für konstante Teile der Schlüsse besteht. (Hierzu vgl. M. Frede, Die stoische Logik, S. 136 ff.) Da in den an. pr. die Formen des Syllogismus (quasi) schematisch dargestellt sind, scheint der Ausdruck τρόπος auch in der aristotelischen Syllogistik gut zu passen. Nur wird in der kategorischen Syllogistik der Ausdruck nicht immer streng im Sinne der Schlußformel gebraucht. Denn für die schematische Darstellung in der kategorischen Syllogistik ist es kennzeichnend, daß dabei gar keine Unterscheidung von der sprachlichen Stufe gemacht wird. So werden der Ausdruck „A kommt allen Β zu" und der Ausdruck „A wird von allen Β ausgesagt" einfach als synonym betrachtet. Ferner bedeutet das Wort τρόπος bei Philoponus in der Regel nicht das Schema, sondern die Beschreibung der Form des Syllogismus, z. Β. „Oöτος πρώτος τρόπος συλλογιστικός, έκ δύο καταφατικών καταφατικόν συνάγων συμπέρασμα" (in an. pr. 73,2).

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mentation als eine These, deren Wahrheit noch nicht bekannt ist, zum Beweis vorgelegt ist4. Alexander gibt eine interessante Erklärung, nach der συζυγία aus dem πρόβλημα durch die Hinzunahme eines dritten Terms entsteht. Wie die anderen ποτάσεις besteht ein πρόβλημα aus Subjekt und Prädikat. Das πρόβλημα beweisen heißt, genauer zu zeigen, ob das Prädikat wirklich dem Subjekt zukommt oder nicht. Der dritte Term wird zwischen diesen beiden Termen des πρόβλημα eingeschoben, der sie vereinigen oder trennen wird (δς προσληφθείς ή συνάξει τούς έν τ φ προβλήματι ή χωρίσει και διαστήσει) 5 . Auf diese Weise wird das πρόβλημα in zwei προτάσεις aufgespalten, so daß der dritte Term in der einen πρότασις mit dem Subjekt des πρόβλημα und in der anderen mit dem Prädikat verbunden wird. Die πρότασις, in der das Prädikat des πρόβλημα - ob wiederum als Prädikat oder als Subjekt - vorkommt, bestimmt Alexander als Obersatz oder Maiorprämisse (ή μείζων πρότασις), und die πρότασις, in der das Subjekt des πρόβλημα - ob als Subjekt oder Prädikat - vorkommt, als Untersatz oder Minorprämisse (ή έλάττων πρότασις). Der Term, der in dem πρόβλημα das Prädikat war, heißt Maiorterm (τό μείζον) und der Term, der in dem πρόβλημα das Subjekt war, Minorterm (τό ελαττον). Diese beiden Terme heißen zusammen auch Außenterme (τά άκρα), demgegenüber heißt der neu hinzugenommene und in den beiden Prämissen auftretende Term Mittelterm (τό μέσον). Diese ganze Terminologie hat Aristoteles selber eingeführt. Aber seine Definitonen dieser Terminologie enthalten manche Unklarheiten, die bei der Deutung erhebliche Schwierigkeiten verursachen. Besonders schwierig ist es genau festzustellen, nach welchem Kriterium die Unterscheidung zwischen dem Maiorterm und dem Minorterm gemacht wird6. Alexanders Definition der beiden Terme ist ein Vorschlag zur Lösung des umstrittenen Problems der Unterscheidung zwischen den beiden Termen. Darum kann hier die Frage gestellt werden, ob Alexander mit seiner Definition als Interpret des aristotelischen Textes recht hat. Aber diese Frage nach der Richtigkeit der Interpretation geht uns hier nichts an. Für uns ist die Tatsache bemerkenswert, daß er mit dieser Definition seine eigene Auffassung von der Logik konsequent zum Ausdruck bringt. DarAlex, in an. pr. 44,16-21. Alex. in. an. pr. 44,29-45,1. Die Kommentatoren gebrauchen das Wort συνάγειν oft auch im Sinne des Folgerns. Hinter diesem Wortgebrauch steht wahrscheinlich die Vorstellung, daß in der Conclusio zwei Terme, die in den Prämissen getrennt voneinander, d. h. nicht in einem Satz vorkommen, in Verbindung gebracht werden. An der oben erwähnten Stelle aber bezieht sich συνάγειν speziell auf die bejahende Conclusio und χωρίζειν auf die verneinende Conclusio. 4 5

6

Dieses Problem ist von G. Patzig ausführlich behandelt. S. Patzig, a.a.O., S. 94-136.

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aus, daß er die Genese und somit die Struktur der συζυγία, die als Prämissenpaar des Syllogismus fungieren soll, von dem πρόβλημα her erklärt, geht deutlich hervor, daß er auch die Konstruktion nicht getrennt von dem Kontext der Argumentation betrachtet. Πρόβλημα selber ist kein Bestandteil des Syllogismus, sondern es ist in der Regel der Ausgangspunkt einer Argumentation, in der ein Syllogismus gebraucht werden kann. Wer ein Argument vorbringt, tut dies, um etwas zu begründen oder zu widerlegen. Was der Argumentierende zu diesem Zweck heranzieht, entspricht der Prämisse. Dieses Verhältnis der Prämissen zum πρόβλημα ist aber von dem rein formallogischen Standpunkt aus gesehen nicht so wichtig, denn es geht in der formallogischen Untersuchung hauptsächlich um die Folgerungsbeziehungen, die zwischen Prämissen und Conclusionen bestehen. Darum wird ein Forscher, der sich nur für formallogische Gesetzlichkeiten interessiert, bei der Untersuchung der Syllogistik wohl von gegebenen Kombinationen der Prämissen ausgehen und nach möglichen Conclusionen ausschauen, die sich aus der gegebenen Kombination ergeben. Und wenn er dabei aus einem bestimmten Erkenntnisinteresse die Struktur der Prämissen und Syllogismen beschreiben will, wird er etwas, was außerhalb der Syllogismen steht, nicht in Betracht ziehen. Von diesem Vorgehen eines Formallogikers ist Alexanders Vorgehen verschieden. Er geht von einem zur Begründung oder Widerlegung vorgelegten Satz aus und schaut nach der möglichen Kombination der Prämissen aus. Deswegen ist in seiner Syllogistik nicht nur der Gesichtspunkt der Folgerungsbeziehung, sondern auch der Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit von Belang. Solche Folgerungsbeziehungen, die zur Begründung oder Widerlegung des πρόβλημα nicht dienen, also zum Gelingen einer Argumentation nichts beitragen, werden in seiner Syllogistik beiseite geschoben. Alexanders Unterscheidung von Maiorterm und Minorterm bzw. Maiorprämisse und Minorprämisse hat mit der Folgerungsbeziehung der Prämissen und Conclusio nichts zu tun, sie ist eine unter Berücksichtigung der Verbindung des Syllogismus mit dem Argumentationskontext innerhalb des Syllogismus gemachte Unterscheidung, und bezieht sich auf das Kriterium der argumentativen Zweckmäßigkeit. Wenn der Syllogismus aus dem Argumentationskontext herausgerissen wird, fällt natürlich zugleich diese Unterscheidung aus. Also ist Alexanders Definition des Maiorterms und des Minorterms gerade die konkrete Konsequenz der Auffassung, daß die Logik als Werkzeug für wissenschaftliche Argumentationen betrieben werden soll. Wie Ammonius die Unterscheidung von Maiorterm und Minorterm erklärt, entzieht sich unserer Kenntnis, weil der entsprechende Teil seines Kommentars nicht erhalten ist. Philoponus' Definition der beiden Terme ist uns überliefert, sie hat sich durchgesetzt und ist zur Standard74

definition davon geworden, während Alexanders Definition in Vergessenheit geraten ist. Philoponus definiert den Maiorterm als das Prädikat der Conclusio und den Minorterm entsprechend als das Subjekt der Conclusion Auf den ersten Blick scheint es keinen großen Unterschied zwischen dieser Definition und der Definition Alexanders zu geben, denn wenn ein Syllogismus mit Erfolg - aus der Sicht Alexanders - konstruiert wird, ist die Conclusio mit dem πρόβλημα dem Satzinhalt nach identisch. Philoponus' Definition hat eine Konsequenz, die die Definition Alexanders nicht hat. Bei Alexander ist es festgelegt, welcher Term der Maiorterm und welcher der Minorterm ist, bevor die Conclusio gezogen wird. Aber bei Philoponus hängt die Unterscheidung davon ab, welche Conclusio aus den gegebenen Prämissen folgt. Und da aus den Prämissen nicht nur eine, sondern mehrere Conclusionen folgen, kann man erst dann die Unterscheidung machen, wenn man die gezogenen Conclusionen zusammennimmt. Z.B. aus den Sätzen „Keine Steine sind Lebewesen" und „Alle Menschen sind Lebewesen" folgen als Conclusio sowohl der Satz „Keine Steine sind Menschen" als auch der Satz „Keine Menschen sind Steine". Wenn die beiden Prämissen zur Begründung des Satzes „Keine Steine sind Menschen" kombiniert sind, ist für Alexander der Begriff „Mensch" als Maiorterm und die Prämisse, die diesen Begriff enthält, als Maiorprämisse zu bestimmen (entsprechend auch bei Minorterm und Minorprämisse), selbst wenn man aus den Prämissen die andere Conclusio zieht. Aber für Philoponus liegen die Dinge anders: Wenn man aus den Prämissen die Conclusio „Keine Menschen sind Steine" zieht, dann ist der Maiorterm „Stein" und die Maiorprämisse „Keine Steine sind Lebewesen" (entsprechend bei dem Minorterm und Minorprämisse). Dabei spielt es keine Rolle, welchen Satz der Syllogismus eigentlich begründen soll. Ferner kann aus den gegebenen Prämissen die Conclusio „Alle Menschen sind Lebewesen" folgen. Von dem Standpunkt der formalen Logik aus können keine Einwände gegen diese Schlußfolgerung erhoben werden. In diesem Fall muß man der Definition Philoponus' zufolge - solange keine zusätzlichen Einschränkungen gegeben sind - „Mensch" als Minorterm und „Lebewesen" als Maiorterm, aber zugleich auch als Mittelterm bestimmen, und ferner die Prämisse „Alle Menschen sind Lebewesen" zugleich als Maiorprämisse und als Minorprämisse. Solch ein Fall ist bei Alexander unmöglich. Wenn etwa zur Begründung des Satzes „Keine Steine sind Menschen" die beiden Sätze „Keine Steine sind Menschen" und „Alle Menschen sind Menschen" als συζυγία herangezogen werden könnten, könnte es auch bei Alexander einen Fall geben, in dem der Mittelterm und Maiorterm zusammenfallen würden. Aber nach der 7

Philop. in an. pr. 67,19 ff.

75

Definition der συζυγία kann ein solches Satzpaar wie das eben angeführte nicht als συζυγία gelten. Man darf jedoch nicht sagen, Philoponus' Definition von Maior- und Minorterm führe zu einem widersinnigen Ergebnis. Was man sagen kann, ist das, daß Philoponus' Definition eine andere Konsequenz hat als Alexanders Definition. Formallogisch gesehen hat Philoponus' Definition sogar einen Vorzug, weil sie unter Anwendung des Kriteriums, das dem Syllogismus innewohnt, gegeben ist. Es ist nicht verwunderlich, wenn Lukasiewicz Philoponus' Definition „klassisch" nennt8. Aber Philoponus selber legt seine „klassische" Definition nicht als ein konsequenter Logiker vor. Überhaupt ist es zweifelhaft, ob er sich über die Konsequenzen seiner Definition im klaren ist. Bekanntlich kennt die antike Syllogistik die vierte Figur nicht9, statt dessen kennt sie die sogenannten indirekten Modi. Diese Modi aber gelten nicht als den direkten Modi ebenbürtig und sind nur am Rande des Systems behandelt. Benutzt man nur bei der Definition von Maior- und Minorterm die Conclusio in der Weise, wie Philoponus es tut, kann man nicht mehr von indirekten Modi reden. Aristoteles bestimmt indirekte Modi nämlich als Syllogismen, in deren Conclusio der Maiorterm als Subjekt und der Minorterm als Prädikat auftreten10. Die Formulierung „die Conclusio, in der der Maiorterm als Subjekt und der Minorterm als Prädikat auftreten" ist mit der Definition Philoponus' offenkundig nicht vereinbar. Wenn man Philoponus' Definition konsequent anwenden will, muß man auch die Syllogismen in A7 (und Bl) als ordentliche Syllogismen behandeln und die vierte Figur anerkennen. Aber dies tut Philoponus nicht. Es ist nicht erklärlich, warum er die Syllogismen in A7 nicht wie Alexander als ordentliche Syllogismen behandelt. Für Alexander gibt es einen einleuchtenden Grund, daß er indirekte Modi am Rande des Systems behandelt; in indirekten Modi wird nicht ein πρόβλημα, sondern ein zu ihm konverser Satz bewiesen11. Wenn Philoponus jedoch an seiner Definition

8

Lukasiewicz, a.a.O., S. 32.

' Die vierte Figur heißt auch galenische Figur. Aber Galen selbst ist nicht der Urheber dieser Figur. Wieso trotzdem die irreführende Bezeichnung „galenische Figur" entstanden ist, darüber stellt Lukasiewicz eine überzeugende Vermutung an (a.a.O., S. 38—40). 10 an. pr. A7, 29a, 19-23, an pr. Bl 53a, 9-14. " Ob auch Aristoteles ebenso einen zwingenden Grund für die unterschiedliche Behandlung der Syllogismen in A4-6 und der Syllogismen in A7 hat, ist nicht leicht zu beantworten. Bochenski findet hier keinen zwingenden Grund. So vermutet er, daß Aristoteles die Syllogismen in A7 spater als die Syllogismen in A4-6 entdeckt hat und keine Zeit zur systematischen Eingliederung dieser neu entdeckten Syllogismen gefunden hat (La logique de Theophraste, Fribourg 1947 S. 59). Lukasiewicz hält diese Vermutung für plausibel (a.a.O., S. 27). So ist es auch für ihn im Grunde ein Zufall, daß die Syllogismen in A7 am Rande des Systems behandelt sind. Bei dieser Vermutung übergehen die beiden Interpreten den Unterschied zwischen den indirekten Syllogismen und den Syllogismen der vierten Figur. Freilich

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von Maior- und Minorterm festhält und gleichzeitig die aristotelische Bestimmung der indirekten Modi beibehalten will, benötigt er sicherlich eine Reihe von zusätzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Syllogismus, die allerdings ziemlich willkürlich erscheinen würden. Aber auch dies tut er nicht. Indem er A7 erläutert, findet er nichts Seltsames. Philoponus' Definition von Maior- und Minorterm scheint mir doch nicht so „klassisch" zu sein, weil der, der diese Definition vorschlägt, die Konsequenzen seiner Definition sicherlich nicht genau durchdacht hat. Bisher haben wir betrachtet, wie die formale Logik von den Kommentatoren unter Anwendung der Einteilungsmethode systematisiert worden ist. Diese Systematisierung hat gewisse Vorzüge, aber auch Grenzen. Durch die Anwendung der Diärese ist ein klarer Überblick über den ganzen Inhalt der kategorischen Logik geschaffen. Und es ist ausgeschlossen, daß irgendeine wichtige logische Gesetzlichkeit bei einer derartigen Systematisierung übergangen wird. Aber die Diärese erlaubt nicht mehr als eine im Grunde aneinanderreihende Einordnung der schon entdeckten verschiedenen logischen Gesetzlichkeiten in das System. Logische Gesetzlichkeiten haben zueinander meistens das Verhältnis der inneren Abhängigkeit; d. h. die Annahme einer Gesetzlichkeit ist meistens die notwendige Konsequenz der Annahme von anderen. Dieses logisch interessante Verhältnis der logischen Gesetzlichkeiten kommt in dem diäretisch aufgebauten System nicht zum Vorschein. Besonders interessant ist die Art und Weise, in der sich die Syllogismen zueinander verhalten. Aristoteles, der die Syllogismen entdeckt hat, hat das logische Verhältnis der Syllogismen erkannt und die Syllogistik so systematisiert, daß dieses Verhältnis gibt es zwischen den Modi in A7 und Β1 und den Syllogismen der vierten Figur in der formalen Struktur keinen Unterschied. Aber wenn man neben der formalen Struktur die Bezogenheit auf den Argumentationskontext wie Alexander berücksichtigt, gibt es zwischen den beiden einen großen Unterschied. Und wenn dieser Unterschied nicht ignoriert werden kann, gibt es einen sachlichen Grund, daß indirekte Modi am Rande des Systems behandelt sind. Möglicherweise hat Aristoteles aus dem gleichen Grund wie Alexander die Syllogismen in A7 und die Syllogismen in A4—6 unterschiedlich behandelt. An das viel erörterte Problem „Warum fehlt bei Aristoteles die vierte Figur?" muß man meiner Meinung nach unter diesem Gesichtspunkt herangehen. Wieland scheint auch der gleichen Meinung über die Lösung dieses Problems zu sein, wenn er in diesem Zusammenhang auf die Genese der Syllogistik hinweist, nämlich eine Genese der Syllogistik aus der Argumentationspraxis (Zur Deutung der aristotelischen Logik, in: Philos. Rundschau 14/1967, S. 20; vgl. E. Kapp, Artikel „Syllogistik" in: Pauly-Wissowa, Realencyklopädie d. klass. Altertums Bd. IVa, 1931 sowie Greek foundations of traditional logic, New York 1942). G. Patzig schlägt eine andere Lösung des Problems vor (a.a.O. S. 118ff.): Aristoteles könne aufgrund der innerhalb A4-6 benutzten Methode der Figurendefinition die vierte Figur schwerlich in seinem System unterbringen. In diesem Fall kann man fragen, warum Aristoteles ausgerechnet eine solche Definitionsmethode angewendet hat. Wenn es sich dabei nicht um einen bloßen Zufall handelt, ist die Antwort wahrscheinlich bei Alexander zu finden.

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auf geeignete Weise zum Vorschein kommt. Was also speziell die Systematisierung der Syllogistik angeht, übernehmen die Kommentatoren das von Aristoteles gewonnene Ergebnis. Durch die systematische Diärese der möglichen Relationen der προτάσεις wird nur gezeigt, wo die Syllogistik ansetzt. Der Ort in der kategorischen Logik, wo die Syllogistik ansetzt, heißt συζυγία, zwei Sätze, die durch einen gemeinsamen Term miteinander verbunden sind. Aber es ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß Alexander an dieser Stelle neben den formalen Faktoren, die die Gesichtspunkte der Diärese abgeben, noch einen anderen Faktor in Betracht zieht, indem er als Ausgangspunkt der Syllogistik nicht die συζυγία selbst, sondern das πρόβλημα wählt. So werden in seiner Syllogistik nicht nur die formalen Merkmale der πρότασις wie die Bestimmtheit der Terme, Qualität und Quantität, sondern auch die Unterscheidung von Maior- und Minorterm als konstitutive Kriterien für die Systematisierung angewendet.

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V. Konversion (άντιστροφή) Bevor wir zur Syllogistik übergehen, soll in diesem Kapitel die spätantike Konversionslehre erörtert werden. Dabei soll exemplarisch gezeigt werden, wie die antiken Aristoteliker einen überlieferten Lehrgegenstand systematisch behandelten. In den an. pr. ist die Konversion kein selbständiger Lehrgegenstand, sondern nur ein Hilfsmittel zur Vervollkommnung der meisten unvollkommenen Syllogismen. Demgemäß wird sie knapp in dem Maß behandelt, wie es für den Aufbau der Syllogistik erforderlich ist. Selbst eine Definition der Konversion gibt es in den an. pr. nicht. In der nacharistotelischen Zeit aber wurde die Konversion zu einem Gegenstand der Forschung thematisiert. Deren Ergebnisse können wir etwa in Boethius' Kompendien, besonders in der „Introductio ad syllogismos categoricos", zusammengefaßt finden. Alexander aber behandelt in seinem Kommentar zu den an. pr. die Konversionslehre noch nicht so systematisch wie Boethius. Nachdem er auf die Mehrdeutigkeit der άντιστροφή (πλεοναχώς λέγεται) hingewiesen hat, erklärt er kurz verschiedene Verwendungen dieses Begriffes im Rahmen der logischen Untersuchung1. Ammonius und Philoponus dagegen besprechen die Konversion ausführlich und in sehr systematischer Weise. Der folgenden Darstellung liegt die systematische Darstellung der beiden Gelehrten über die Konversion zugrunde. Diese Bevorzugung impliziert allerdings nicht unbedingt, daß die systematische Behandlung eines Lehrgegenstandes immer etwas Besseres ergäbe. Die beiden Kommentatoren beginnen die Erörterung mit der etymologisierenden Worterklärung von άντιστροφή. Sie stellen fest, daß άντιστροφή eigentlich ϊσοστροφή ist2, ίσοστροφή ist sonst nicht belegt; es ist zweifellos ein nur zum Zweck der Erklärung von Ammonius gebildetes Wort3. Das, worauf sie mit dieser Feststellung aufmerksam machen wollen, ist nur das Präfix ίσο-. Sie glauben, daß das „Gleich-Sein" die wesentliche Bestimmung der Konversion ist. Aus dieser Feststellung leiten sie die Behauptung ab, daß die Konversion eine Art Relation (πρός τι) ist.

Alex, in an. pr. 29,7 ff. Ammon. in an. pr. 35,26. Philop. in an. pr. 40,3. 3 Nur die Adjektivform ί σ ό σ τ ρ ο φ ο ς ist belegt, aber wahrscheinlich wurde das Wort äußerst selten gebraucht. Etwa bei Nicomachus Gerasenus (2. Jh.n.Chr.) im Sinne von „gleichgedrehten" Saiten (ϊσόστροφ AaC) und Baroco (AaB, AoC => BoC). In den an. pr. ist diese Konversion auf systematische Weise behandelt9. Die Erklärung, die Philoponus in 1,2 seines Kommentars zu den an. pr. über diese Konversion gibt, ist ziemlich merkwürdig. Nach ihm sind zwei Syllogismen zueinander dann konvers, wenn in dem einen Syllogismus die Conclusio des anderen Syllogismus als Prämisse angenommen wird und eine der Prämissen davon als Conclusio auftritt 10 . Die Bestimmung im Bezug auf die Qualität der auf diese Weise vertauscht auftretenden Sätze fehlt. Im allgemeinen versteht man unter der Konversion der Syllogismen eine Operation, aus einem Syllogismus einen anderen ebenso gül-

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Ammon. in an. pr. 35,13. ' an. pr. Β 8-10. In dieser Arbeit werden als Namen der Modi die Kennworte wie Barbara, Celarent, Darii usw. gebraucht, die im Mittelalter zu einem mnemotechnischen Zweck erfunden und eingeführt worden sind. Ferner wird ein Modus, wie üblich, mit Hilfe von Buchstaben und Schlußzeichen symbolisiert. Die symbolische Schreibweise, deren ich mich bediene, weicht aber von der traditionell-üblichen in einem Punkt ab: die Buchstaben a, e, i, o, die verschiedene Typen der kategorischen Sätze darstellen, stehen hier nicht für „alle . . . sind " oder „keine . . . sind . . ." usw., sondern für „ kommt allen .. . zu" oder „ kommt keinem .. . zu" usw. So wird ζ. B. Barbara in dieser Arbeit nicht als BaA, CaB => CaA, sondern als AaB, BaC => AaC symbolisiert. Auf diese Weise kommt in der Formulierung der kategorischen Sätze oder - Satzformen die Stelle des Prädikates vor die Stelle des Subjektes. Darauf, daß durch diese Vertauschung der Stellen die aristotelische Formulierung einer kategorischen Satzform angemessener wiedergegeben werden kann, hat schon G. Patzig hingewiesen (a.a.O., S. 19). Weil dadurch auch die Formulierung der Kommentatoren ebenfalls angemessener wiedergegeben werden kann, folge ich Patzig in dieser ungewöhnlichen Gebrauchsweise. 10 Philop. in an. pr. 40,15 ff.

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tigen Syllogismus abzuleiten. Die Legitimität dieser Operation kann man durch den Hinweis auf das aussagenlogische Gesetz (ρ Λ q -*• r) -»· (ρ Λ -· r -*• —ι q) erweisen. Wenn man also die Konversion der Syllogismen wie die Kommentatoren als eine Art Relation auffassen will, soll sie entsprechend als eine logisch erklärbare Relation zwischen zwei gültigen Syllogismen verstanden werden, die sich zueinander so wie ρ Λ q ->· r und ρ Λ —> r —> q verhalten. Aber die Konversion der Syllogismen, wie sie von Philoponus in A2 seines Kommentars erklärt ist, stellt keine logische Relation dar, solange die aussagenlogische These (ρ Λ q ->• r) -+ (p A r q) nicht allgemeingültig ist. Noch merkwürdiger ist das von ihm an der Stelle gegebene Beispiel dafür: Es sind die folgenden zwei komplexen Syllogismen: „Die Seele bewegt sich von selbst (τό αύτοκίνητον). Was sich von selbst bewegt, bewegt sich ewig (τό άεικίνητον). Was sich ewig bewegt, ist unsterblich. Also ist die Seele unsterblich." Der dazu angeblich konverse Syllogismus lautet: „Die Seele ist unsterblich. Das Unsterbliche bewegt sich ewig. Was sich ewig bewegt, bewegt sich von selbst. Also bewegt sich die Seele von selbst". Nicht nur hinsichtlich der Qualität der vertauscht auftretenden Sätze ist das merkwürdig. Philoponus nimmt auch in dem zweiten Syllogismus statt der Prämisse „Was sich von selbst bewegt, bewegt sich ewig" den Satz mit umgekehrter Ordnung der Terme „Was sich ewig bewegt, bewegt sich von selbst", ohne zu dieser Differenz der beiden Syllogismen eine Bemerkung zu machen. Das Beispiel stimmt mit der Erklärung nicht überein. Die Vermutung liegt nahe, daß sich Philoponus bei der Erklärung an der stofflichen Besonderheit des von ihm gewählten konkreten Beispiels orientiert hat. Die Terme in seinem Beispiel haben alle zufälligerweise den gleichen Begriffsumfang. Und deswegen wird der Anschein erweckt, als hätten die beiden von ihm als Beispiele gegebenen Syllogismen zueinander ein logisch gesetzmäßiges Verhältnis. Wenn aber die Umfangsgleichheit als ein relevanter Faktor für die logische Untersuchung genommen werden soll, müssen die Sätze des Beispiels entsprechend umformuliert werden; z.B. „Was sich von selbst bewegt, bewegt sich ewig" muß zu „Was sich von selbst bewegt, ist identisch mit dem, was sich ewig bewegt" umformuliert werden, usw. Dann kann zugegeben werden, daß das Beispiel von Philoponus und auch seine Erklärung einen logisch erklärbaren Sachverhalt zum Ausdruck bringen: In dem Beispiel geht es dann um die Relation zwischen den Schlüssen A = B, B = C, C = D = > A = D und A = D, D = C, C = B => Α = Β und diese Relation ist insofern logisch erklärbar, als die Gültigkeit des einen Schlusses zugleich die Gültigkeit des anderen bedeutet und umgekehrt. In seiner Erklärung geht es um die Relation zwischen den Schlußregeln x = y, y = z = > x = z und x = y, x = z = > y = z und auch diese Relation ist deswegen logisch erklärbar, weil die Allgemeingül82

tigkeit der einen Schlußregel die der anderen impliziert11. Aber ein Schluß, der aus Identitätssätzen besteht, ist kein Syllogismus, und nicht alles, was in der Theorie der Identität gilt, gilt in der Syllogistik. Vielleicht darf man dennoch nicht sagen, Philoponus' Erklärung der Konversion der Syllogismen sei falsch. Von Falschheit kann schwerlich die Rede sein, weil es sich hier im Grunde um eine Begriffsbestimmung handelt. Man kann höchstens sagen, daß Philoponus eine ungewöhnliche Begriffsbestimmung der Konversion der Syllogismen an dieser Stelle vorträgt und seine Konversion der Syllogismen keine logische Relation der Syllogismen darstellt. Allerdings kann man danach fragen, zu welchem Zweck eine derartige ungewöhnliche Konversion von Nutzen ist. Philoponus selber macht nirgends von dieser Konversion Gebrauch. In 11,8-10, wo die Konversion der Syllogismen im normalen Sinne behandelt ist, erwähnt er kein Wort von der Konversion in I, 2. Anscheinend erinnert er sich nicht mehr daran, was er in 1,2 über die Konversion der Syllogismen geschrieben hat. Doch als er 1,2 schrieb, hat er vielleicht noch nicht genau gewußt, was die Konversion der Syllogismen ist. Ammonius gibt an der Stelle, an der er von den verschiedenen Arten der Konversionen redet, keine nähere Erklärung über die Konversion der Syllogismen und nennt nur den Namen. So muß Philoponus gedacht haben, daß diese Stelle der Ausführung bedürftig ist. Der Vorzug seines Kommentars ist eben die Ausführlichkeit. Aber bei der Ausführung mußte er sich, wie oft, auf seine unzulänglichen Kenntnisse stützen. Aber er selber scheint deswegen seiner Sache sicher gewesen zu sein, weil er glaubte, er kenne ein passendes Beispiel. Dies ist wahrscheinlich die einzig mögliche Erklärung dafür, wieso Philoponus in 1,2 die Konversion der Syllogismen in dieser merkwürdigen Weise erläutert. - Die hier erwähnte Stelle in 1,2 ist einer der zahlreichen Beweise für die sehr verdächtige schriftstellerische Qualität des Philoponus. Die Nachlässigkeit, die mit Unkenntnissen verbun11 Die Beweise des oben Gesagten können wie folgt skizziert werden. Sowohl die Gültigkeit des Schlusses A = B, B = C, C = D=>A = Dals auch die des Schlusses A = D, D = C, C = Β Α = Β beruht allein auf einem Gesetz der Theorie der Identität, nämlich auf dem Gesetz der Transitivität der Identität. Wer also die Allgemeingültigkeit dieses Gesetzes akzeptiert, muß schon allein deswegen gleichzeitig die Gültigkeit der beiden Schlüsse akzeptieren. Beim Beweis des logischen Verhältnisses der Schlußformen χ = y, y = ζ => χ = ζ und x = y, x = z = > y = z benötigt man noch das Gesetz der Symmetrie: Dieses Gesetz lautet: „Wenn χ = y, so y = x". Der erste Schritt des Beweises: aus x = y, y = χ => χ = ζ gewinnt man durch die Substitution der Variablen y = x, x = z = > y = z (y/x, x/y). Der zweite Schritt: Aus y = x, x = z = > y = z gewinnt man x = y, x = z = > y = z, indem man für y = ζ in der ersteren Schlußregel aufgrund des Gesetzes der Symmetrie χ = y ersetzt. (Die Legitimität dieser Ersetzung beruht auf der aussagenlogisch wahren These (ρ Λ q - n | A [ p » t | - » ( t A q - » 4 Also besteht das logische Verhältnis der beiden Schlußregeln x = y, y = z = > x = z und x = y , x = z = > y = z darin, daß aus der einen die andere durch Anwendung der logischen Gesetze und Regeln gewonnen werden kann.

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den ist, kennzeichnet neben der Ausführlichkeit seine Schriftstellerei. Übrigens ist auch zu vermuten, daß das zweite Buch der an. pr., in dem die Konversion der Syllogismen behandelt ist, in der Spätantike, wenigstens zu Philoponus' Zeit, kein Gegenstand eifriger Lektüre war. Die Konversion der Syllogismen, wie manche andere formallogisch interessanten Lehrgegenstände im zweiten Buch der an. pr., fand tatsächlich wenig Beachtung und spielt in der Logik der Spätantike keine große Rolle. Anders als die Konversion der Terme und die Konversion der Syllogismen ist die Rolle der Konversion der πρότασις im Rahmen der antiken Logik entscheidend wichtig. Ihre Wichtigkeit liegt darin, daß sie die Vervollkommnung der meisten Syllogismen und somit der Systematisierung der Syllogistik ermöglicht. Ammonius und Philoponus unterscheiden weitere drei verschiedene Arten dieser Konversion und definieren sie, indem sie sich der DiäreseMethode bedienen, von der im vorigen Kapitel die Rede war. Da es aber dieses Mal darauf ankommt, die Definitionen der bestimmten Gesetzlichkeiten zu gewinnen, aber nicht darauf, den systematischen Uberblick über den ganzen Inhalt der kategorischen Logik zu geben, wird die Diärese dementsprechend anders durchgeführt. Sie gehen von vier möglichen Kombinationen der προτάσεις - Paare aus: 1) das Paar von solchen προτάσεις, die in ihren Termen einander gleich sind, 2) das Paar von solchen προτάσεις, die in ihren Termen voneinander verschieden sind, 3) das Paar von solchen προτάσεις, die gleiche Subjekte, aber verschiedene Prädikate haben, 4) das Paar von solchen προτάσεις, die verschiedene Subjekte, aber gleiche Prädikate haben12. Sie stellen dann fest, daß nur die erste Kombination für die Bestimmung der Konversion der προτάσεις relevant ist; die anderen drei Kombinationen scheiden nach ihnen deswegen aus, weil in ihnen die Gleichheit (ΐσότης) nicht zu finden ist, die sie schon in der eigentlichen Bedeutung des Wortes άντιστροφή finden zu können glauben. Philoponus sagt, die letzteren drei Kombinationen seien für die Konversion der προτάσεις nicht konstitutiv (άσύστατοι). So wird im ersten Schritt die Gleichheit der Terme als ein konstitutiver Faktor der Konversion der προτάσεις gewonnen. An dieser Stelle bricht die Erklärung von Ammonius inmitten eines Satzes ab; wir sind im folgenden nur auf Philoponus' Darstellung angewiesen. Im zweiten Schritt wendet nun Philoponus gleichzeitig zwei Kriterien für die Einteilung an: die Anordnung der Terme und die Qualität der πρότασις. Daraus ergeben sich wiederum vier verschiedene Unterarten von πρότασις-Paaren, die einander im Hinblick auf Terme gleich sind: 1) das

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Ammon. in an. pr. 35,35 ff. ; Philop. in an. pr. 40,27 ff.

Paar von solchen προτάσεις, die sowohl im Hinblick auf Qualität als auch im Hinblick auf die Anordnung der Terme gleich sind, 2) das Paar von solchen προτάσεις, die im Hinblick auf Qualität verschieden, aber im Hinblick auf die Anordnung der Terme gleich sind, 3) das Paar von solchen προτάσεις, die sowohl im Hinblick auf Qualität als auch im Hinblick auf die Anordnung der Terme verschieden sind, 4) das Paar von solchen προτάσεις, die im Hinblick auf Qualität gleich, aber im Hinblick auf die Anordnung der Terme verschieden sind. Hier scheidet das erste Paar aus und den übriggebliebenen drei Paaren entsprechen drei Arten άντιστροφή. So stellt sich im zweiten Schritt heraus, daß die Verschiedenheit im Hinblick auf Qualität oder die im Hinblick auf die Anordnung der Terme ein weiterer konstitutiver Faktor für die άντιστροφή τών προτάσεων ist. Das zweite Paar nennt Philoponus ένδεχομένη άντιστροφή. Normalerweise sagt man, daß die Sätze, die das Paar 2) bilden, zueinander in einer Relation der Opposition stehen, also zueinander entweder kontradiktorisch oder konträr oder subkonträr sind. Aber von diesen Relationen sagt er an der Stelle nichts. Es ist auch nicht der Fall, daß er all diesen Relationen einen anderen Namen gibt. Vielmehr sondert er nur solche Sätze aus, die einander subkonträr sind, und benennt die Relation dieser Sätze als ένδεχομένη άντιστροφή. Als Beispiel nennt er zwei Sätze: „Einige Menschen gehen spazieren" und „Einige Menschen gehen nicht spazieren". Er setzt hier stillschweigend voraus, daß im Hinblick auf das Wahrheitswertverhältnis die Gesetzlichkeit der Konversion überhaupt in dem Zusammenwahrsein (συναληθεύειν) besteht. Unter den Satzpaaren, die die in 2) gestellten Bedingungen erfüllen, gibt es nun eigentlich kein Paar, das die Bedingung des Zusammenwahrseins erfüllt. Die Sätze, die zueinander kontradiktorisch sind, können auf keine Weise zusammen wahr sein. Das ist auch der Fall bei den Sätzen, die einander konträr sind. Aber im Fall der Sätze, die zueinander subkonträr sind, ist das Wahrheitswertverhältnis in dieser Hinsicht etwas anders; sie können zwar nie zusammen falsch sein, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß sie beide in gewissen Fällen zusammen wahr sind, wie das Beispiel zeigt. So erfüllt das subkonträre Satzpaar die Bedingung des Zusammenwahrseins sozusagen nur halbwegs, das nach Philoponus' stillschweigender Voraussetzung ein konstitutiver Faktor für die Konversion ist, und deswegen kann dieses Paar von Philoponus als eine Art Konversion - natürlich nicht in vollem Maß, sondern als eine Konversion, die nur in gewissen Fällen möglich ist - anerkannt werden. Es ist klar, daß diese Konversion eine logisch kaum brauchbare Gesetzlichkeit beinhaltet. In der Geschichte der Logik kommt denn auch der Terminus, ένδεχομένη άντιστροφή, wie er von Philoponus gebraucht wird, sonst nicht mehr vor. 85

In diesem Zusammenhang ist es wohl interessant, zu sehen, was bei Alexander ένδεχομένη άντιστροφή ist. Für Alexander handelt es sich bei dieser Konversion um zwei Modalsätze. Als Beispiel gibt er an der Stelle, an der er von verschiedenen Verwendungen der άντιστροφή redet, die zwei folgenden Modalsätze an: „Es ist möglich, daß alle Menschen Spazierengehen" und „Es ist möglich, daß keine Menschen Spazierengehen"13. Wenn es sich um solche Sätze handelt, die den Modalfaktor „ένδέχεται" enthalten, gilt das Zusammenwahrsein ohne weiteres. Wenn der erste Satz wahr ist, dann ist der zweite Satz auch wahr und umgekehrt. Möglicherweise ist das, was Philoponus über die ένδεχομένη άντιστροφή sagt, auf unkorrekte Rezeption der ένδεχομένη άντιστροφή Alexanders zurückzuführen. Wenn Alexander die ένδεχομένη άντιστροφή als eine Art von Konversion erklärt, wendet er die Diäresemethode nicht an. Philoponus' Versuch aber, unter Anwendung der Diärese, in der als ein Einteilungskriterium die Modalität nicht vorgesehen ist, alle Arten von Konversion, einschließlich der ένδεχομένη άντιστροφή Alexanders, systematisch darzulegen, kann ja leicht bewirken, daß die ένδεχομένη άντιστροφή Alexanders bei Philoponus zur assertorischen Logik gehört und den ύπεναντία entspricht. Das Paar von solchen προτάσεις, die zwar gemeinsame Terme haben, aber sowohl im Hinblick auf die Anordnung der Terme als auch im Hinblick auf die Qualität voneinander verschieden sind, entspricht der άντιστροφή σύν άντιθέσει. Das Beispiel dafür ist etwa das Satzpaar „ό άνθρωπος ζφον" und ,,τό μή ζφον ούδέ άνθρωπος". Es ist bemerkenswert, daß es auch in der hypothetischen Logik Schlüsse gewisser Form gibt, die ebenfalls άντιστροφή σύν άντιθέσει heißen; Schlüsse der Form „aus ρ ->• q folgt -. q p" heißen so14, aber gelegentlich auch Schlüsse der Form „aus ρ Λ q und -. q folgt -> p"15. Dies läßt uns erkennen, daß der Gebrauch des Terminus „άντιστροφή σύν άντιθέσει" recht locker ist. Zwischen den beiden hypothetischen Schlußformen einerseits und zwischen ihnen und der άντιστροφή σύν άντιθέσει in der kategorischen Logik andererseits läßt sich im Hinblick auf die Struktur sicherlich eine gewisse Analogie beobachten, die die Verwendung des gleichen Terminus zur Benennung berechtigen könnte. Doch damals beschäftigte sich niemand, wie es scheint, mit der Frage, worin genau diese Analogie besteht. Genau genommen ist auch die Erklärung, die Philoponus speziellfür die άντιστροφή σύν άντιθέσει der kategorischen Logik zu geben ver13

Alex, in an. pr. 29,20. Etwa Alex, in top. 192,11. 15 Ps. - Ammon. in an. pr. 68,28. Galen, inst. log. XIV, 17: άντιστροφή μετά άντιθέσεως. 14

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sucht, alles andere als zufriedenstellend. Die Definition dieser άντιστροφή kann nicht mit Hilfe der Diärese, wie sie in seinem Kommentar vorgeführt ist, gewonnen werden. Nach seiner Erklärung ist es für das Bestehen der άντιστροφή überhaupt die notwendige Bedingung, daß den Sätzen, die ein Paar bilden, beide Terme gemeinsam sind. Diese Bedingung ist aber bei der άντιστροφή σύν άντιθέσει nicht erfüllt. Wie wir an dem oben als Beispiel angeführten Satzpaar sehen können - dieses Paar benutzt Philoponus selber an der Stelle als Beispiel - , haben beide Sätze nur einen gemeinsamen Term, nämlich „άνθρωπος". Die Terme ,,τό μή ζφον" und ,,ζφον" sind ersichtlich einander ungleich. Es stellt sich heraus, daß άντιστροφή σύν άντιθέσει nicht ohne weiteres in das System der kategorischen Logik, wie es von den Kommentatoren dargestellt ist, eingegliedert werden kann ; die gewünschte Eingliederung kann erst dann erfolgen, wenn die sogenannte Obversion und die Verwendung des privativen Terms bei der Einteilung in Rechnung gestellt werden. Dem letzten Paar von προτάσεις in Philoponus' Einteilung entspricht άπλή άντιστροφή. Es scheint, daß die Definition dieser άντιστροφή durch die Diärese von Philoponus prinzipiell gut gelingen kann. Jedoch ist seine Definition auch in diesem Fall nicht in jeder Hinsicht zufriedenstellend. Seine Definition lautet: άπλή άντιστροφή ist die Gemeinsamkeit von zwei Sätzen im Hinblick auf beide Terme, wobei die Qualität der beiden Sätze gleich, aber die Anordnung der Terme umgekehrt ist, und ferner die beiden Sätze zusammen wahr sind16. Philoponus erläutert diese Definition ausführlich. Aber bevor wir uns mit seiner Definition auseinandersetzen, ist eine kurze Bemerkung zur Terminologie notwendig. In der traditionellen Logik werden nur Ε-Konversion und I-Konversion als einfache Konversion (Übersetzung von άπλή άντιστροφή) oder als reine Konversion bezeichnet, dagegen wird die Α-Konversion als Konversion per accidens oder als unreine Konversion bezeichnet. Bei Philoponus aber zählt auch die Α-Konversion zur einfachen Konversion. Als Beispiel für die einfache Konversion führt er an der Stelle die beiden Sätze „Alle Menschen sind Tiere" und „Einige Tiere sind Menschen" an. Nach seiner Erklärung gilt diese άντιστροφή als einfach deswegen, weil in dieser άντιστροφή die Anordnung der einfachsten Teile der προτάσεις, d. i. άπλαΐ φωναί zueinander umgekehrt ist. Wenn dies wirklich als Grund für die Bezeichnung „άπλή άντιστροφή" angenommen werden kann, ist es ja folgerichtig, auch die Α-Konversion als eine Art von άπλή άντιστροφή gelten zu lassen, denn auch im Falle der Α-Konversion ist die Anordnung der einfachsten Teile der προτάσεις umgekehrt. Es besteht aber der Ver-

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Philop. in an. pr. 42,17-19.

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dacht, daß Philoponus' Terminologie sich wiederum auf ein Mißverständnis zurückführen läßt. Nachdem auf die Eigentümlichkeiten seiner Terminologie hingewiesen worden ist, gilt es nun, die Definition zu prüfen. Der erste Teil des Definiens „die Gemeinsamkeit im Hinblick auf beide Terme" ist nach Philoponus Genus für alle Arten von άντιστροφή τ ώ ν προτάσεων 17 . Die übrigen Teile des Definiens werden als Differentiae erklärt. Der zweite Teil des Definiens „bei der gleichen Qualität" dient als das Unterscheidungsmerkmal, durch das die άπλή Αντιστροφή von der άντιστροφή σύν άντιθέσει abgegrenzt werden soll. Der dritte Teil „mit umgekehrter Ordnung der Terme" dient als das Unterscheidungsmerkmal, durch das άπλή άντιστροφή von ένδεχομένη άντιστροφή abgegrenzt werden soll. Zum Schluß wird noch eine Differenz hinzugefügt, die lautet: „wobei beide Sätze zusammen wahr sind" (μετά τοΟ συναληθεύειν). Nach Philoponus soll durch diese Differenz die άπλή άντιστροφή noch von der sogenannten άναστροφή unterschieden werden. Er sagt, die άναστροφή sei in jeder Hinsicht der άπλή άντιστροφή gleich, nur sei das Satzpaar, das die άναστροφή bildet, falsch (πλήν τοΟ ψεύδεσθαι). Als Beispiel führt er zwei Α-Sätze an: „Alle Menschen sind Tiere" und „Alle Tiere sind Menschen"18. Es ist auffällig, daß er über die Diärese, durch die die letzte Differenz eingeführt wird, keine ausdrückliche Bemerkung macht, denn er versäumt in der Regel nicht, durch nötige oder unnötige Bemerkungen auf die von ihm praktizierte Diärese aufmerksam zu machen. Diesmal vermissen wir nähere erläuternde Bemerkungen von ihm, weil es unklar ist, was genau mit „Zusammenwahrsein" gemeint ist. Wenn von zwei Sätzen gesagt wird, sie seien zusammen wahr, liegt es nahe, daß damit die Äquivalenz beider Sätze gemeint ist. Ist aber die Differenz in diesem Sinne zu verstehen, dann trifft die Definition von Philoponus nur auf die E- und die I-Konversion zu. Im Fall der Α-Konversion ist nämlich eine Kombination von verschiedenen Wahrheitswerten möglich; beispielsweise ist zu dem falschen Α-Satz „Alle Tiere sind Menschen" der wahre I-Satz „Einige Menschen sind Tiere" konvers. Wie kann das Wahrheitswertverhältnis dieses Satzpaares auf geeignete Weise ausgedrückt werden? Da kann weder „συναληθεύειν" noch „ψεύδεσθαι" als passend angesehen werden. Übrigens ist auch die Angabe des Wahrheitswertverhältnisses von άναστροφή, „ψεύδεσθαι", äußerst unklar. Was könnte man meinen, wenn man von einem Satzpaar sagt, es sei falsch? Da άνα17 Philop. in an. pr. 42,22. S. auch Alex, in an. pr. 46,5-6. Ammon. in an. pr. 36,8. Alle benutzen den gleichen Ausdruck „κοινωνία". Bei Boethius finden wir die direkte Übersetzung dieses Wortes: „convenientia" (auch participatio); s. De syllog. cat. S. 785 C, 804 C. Bei Galen findet sich eine Wortbildung ,,συνόροι", inst. log. VI,3. 18 Philop. in an. pr. 42,21.

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στροφή und άπλή άντιστροφή dichotomisch voneinander unterschieden werden, muß das Wahrheitswertverhältnis von άναστροφή genau das Gegenteil von ,,συναληθεύειν" sein. Und darum könnte man hoffen, daß aus der Negation von ,,ψεύδεσθαι" direkt erhellt, was ,,συναληθεύειν" bedeutet. Doch kann auf diese Weise leider unmöglich Abhilfe geschaffen werden, weil auch die Bedeutung von ,,ψεύδεσθαι" selbst in unserem Zusammenhang unklar ist. Um den logischen Charakter der Satzkonversion genau in Worte zu fassen, ist es zweckmäßig, für einen Augenblick außer acht zu lassen, daß sie als Relation von zwei Sätzen aufgefaßt werden kann, und davon auszugehen, daß sie primär eine Operation ist. Die Auffassung von άντιστροφή als Relation fußt sprachlich auf dem intransitiven Gebrauch des Verbs άντιστρέφειν,· dieses Verb mit bloßem Dativ oder mit πρός kann als „zu etwas konvers sein" übersetzt werden. Aber das Wort wird von den Kommentatoren oft auch als transitives Verb gebraucht19. Wenn der transitive Gebrauch dieses Verbs zugrunde gelegt wird, kann man die substantivierte Form „άντιστροφή" als nomen actionis auffassen, das die entsprechende Operation bezeichnet. Dann kann diese Operation wie folgt definiert werden: einen Satz durch Umkehrung der Terme und gegebenenfalls durch Veränderung der Quantität zu einem anderen Satz umwandeln, und zwar so, daß der dadurch gewonnene Satz immer wahr ist, falls der gegebene Satz wahr ist20. Man wird daraus leicht ersehen, daß der logische Charakter der so definierten Operation im Grunde der der Schlußfolgerung ist. Die wesentliche Bedingung für die gültige Schlußfolgerung ist nämlich ebenfalls die, daß die Conclusio immer wahr sein muß, wenn die Prämissen wahr sind. Wenn die Satzkonversion auf diese Weise als eine Art Schluß aufgefaßt wird, kann man die eben geschilderte Bedingung im Hinblick auf das Wahrheitswertverhältnis des zur Operation gegebenen Satzes zu dem dadurch gewonnenen Satz wohl mit ,,συναληθεύειν" formulieren. Aber dieses Wort kann nicht ohne weiteres auf den Bereich der Relation übertragen und von einem Paar der nebeneinander stehenden Sätze ausgesagt werden. Sollte die Bestimmung ,,συναληθεύειν" beibehalten werden, muß zwischen den Sätzen, die in der άντιστροφή-Relation zueinander stehen, wenigstens eine Unterscheidung gemacht werden, die der Unterscheidung zwischen Prämisse und Conclusio oder Antecedens und Consequens entspricht. Es könnte sein, daß die fragliche Bestimmung ,,συναληθεύειν" in Philoponus' Definition eigent" Etwa Alex, in an. pr. 78,14. Philop. in an. pr. 48,26. Auch der Ausdruck ,,τήν άντιστροφήν ποιεΐν" wird für die als Operation verstandene Satzkonversion gebraucht. 10 Tatsächlich haben u. a. die Verfasser der „Logique de Port-Royal" die Satzkonversion auf diese Weise erklärt (S. 170). In der traditionellen Logik wurde, soviel ich weiß, nie die Auffassung vertreten, daß die Konversion eine Relation ist.

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lieh von den Logikern stammt, die die Satzkonversion als eine Operation mit einem wahren (oder als wahr angenommenen) Satz verstanden und als solche zu definieren versuchten. Dann müßte es sich bei dieser Bestimmung um eine unvorsichtige Rezeption von seiten des Philoponus handeln; ohne sich Mühe zu geben, die Einteilungsschemata so zu differenzieren, daß συναληθεύειν auch auf das Paar von zwei nebeneinander stehenden Sätzen genau zutrifft (dies würde allerdings die Diärese ziemlich kompliziert machen), müßte er unüberlegt die überkommene Bestimmung in seine Definition aufgenommen haben. Es könnte aber auch sein, und dies ist wahrscheinlicher, daß seine Vorgänger, die die Satzkonversion zu definieren versuchten, συναληθεύειν einfach im Sinne der Äquivalenz verstanden. Daß diese Bestimmung in diesem Fall auf die AKonversion nicht zutrifft, mag wohl deswegen nicht als störend empfunden worden sein, weil sie die Α-Konversion nicht als Konversion in vollem Maß ansahen. Alexander, der in seiner Begriffsbestimmung der Satzkonversion ebenfalls die Bestimmung „συναληθεύειν" verwendet und keine genügende Erläuterung hinzufügt, sagt an einer Stelle ausdrücklich, daß nur E- und I-Konversionen Konversionen im eigentlichen Sinne sind21. Sicher in dieser Meinung von der Unzulänglichkeit der AKonversion als Satzkonversion hat ihr traditionell gebräuchlicher Name, „unreine Konversion" oder „conversio per accidens", seinen Ursprung. Für diejenigen, die die Gesetzlichkeit der Satzkonversion klar als die des Schlusses oder als die der Implikation und nur als solche erfassen, gibt es natürlich keinen Grund, Α-Konversionen unterschiedlich zu behandeln. Aber in der Antike wurde die Satzkonversion nie explizit als eine Art Schluß oder als eine Implikation wie in der späteren Zeit bestimmt22. In der Vorstellung der antiken Logiker ist das Verhältnis der Sätze, von denen άντιστρέφειν als zweistelliges Prädikat (transitiv oder intransitiv) ausgesagt wird, wahrscheinlich etwas enger als das Verhältnis von Prä21

Alex, in an. pr. 392,23. In manchen Lehrbüchern der traditionellen Logik ist die Satzkonversion als direkter Schluß charakterisiert, im Unterschied zu dem indirekten Schluß d. i. Syllogismus. S. W. S. Jevons, Elementary lessons in logic, London 1870, S. 81; J. N. Keynes, Formal logic, 4th ed. London 1906, S. 126. Ein Beispiel dafür, daß die Satzkonversion ausdrücklich als Implikation bestimmt ist, ist die berühmte 1632 erstmals erschienene „Logica Hamburgensis". J. Jungius, der Verfasser dieses Buches, benutzt den Ausdruck „conversiva consequentia" (Logica Hamburgensis, ed. R. W. Meyer, Hamburg 1957, S. 119). Consequentia bedeutet bei ihm genau Implikation. Zweifellos knüpft Jungius mit diesem Terminus an die mittelalterliche Tradition an. Wahrscheinlich sind die mittelalterlichen Scholastiker die ersten Logiker, die den logischen Charakter der Satzkonversion als consequentia charakterisierten, wobei zu bemerken ist, daß consequentia sowohl Schluß als auch Implikation bedeuten konnte. Die Unterscheidung von beiden war nicht immer so scharf. S. W. u. M. Kneale, Development S. 279. 11

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misse und Conclusio eines Schlusses23. In der Tat verhalten sich im Falle der E- und I-Konversionen die zueinander konversen Sätze so, daß der eine Satz genau unter den gleichen Bedingungen, unter denen der andere Satz wahr wird, ebenfalls wahr wird und umgekehrt. Obwohl dieses Verhältnis für das Bestehen einer Folgerungsbeziehung nicht von entscheidender Bedeutung ist, hielten die antiken Logiker es möglicherweise für wesentlich an einem Paar der zueinander konversen Sätze. In dem Fall ist es verständlich, wenn sie schon von vornherein nicht die Definition, die auch auf Α-Konversion zutrifft, erzielen wollten, sondern die A-Konversion beiseite lassend nur die auf E- und I-Konversion zutreffende Bestimmung ,,συναληθεύειν" gaben (συναληθεύειν nicht im Sinne der sogenannten materialen Äquivalenz, sondern im Sinne der Gleichheit der Wahrheitsbedingungen). Allerdings kann man nicht mit Sicherheit sagen, daß das eben Gesagte den Hintergrund für συναληθεύειν in Philoponus' Definition erklären kann. Indem Philoponus die Bedeutung von συναληθεύειν wie gewöhnlich durch Beispiele deutlich zu machen versucht, wählt er als Beispiel ausgerechnet die Sätze, die zur Α-Konversion gehören. Beide Sätze, die als Beispiel gegeben sind, sind allerdings zusammen wahr: „Alle Menschen sind Tiere" und „Einige Tiere sind Menschen". Aber diese zufällige Wahl des Beispiels kann uns natürlich nicht überzeugen, daß „συναληθεύειν" ohne weiteres auf die Α-Konversion zutrifft; wir wissen, daß es gerade im Falle der Α-Konversion, wie schon oben gezeigt, andere Beispiele geben kann, die gegen „συναληθεύειν" sprechen. Möglich ist es aber, daß Philoponus die Überzeugung, seine Definition treffe auch auf die Α-Konversion zu, unbesorgt auf dieser Wahl des Beispiels aufbaut. Jedenfalls bleibt seine Definition als allgemeine Definition, die auch auf die A-Konversion zutreffen soll, wegen ,,συναλη-

23 Hierzu vgl. die Vermutung von K. Ebbinghaus: Ein formales Modell der Syllogistik des Aristoteles, Göttingen 1963, S. 30, und auch den Aufsatz von M. Frede: Stoic vs. Aristotelian Syllogistic, in: Arch. f. Gesch. d. Phil. Bd. 56/1974, S. 20. Übrigens kann eine Stelle, an der Alexander άντιστροφή eben in nicht-technischem Sinne gebraucht, gut zeigen, welch ein enges Verhältnis von Sätzen durch άντιστρέφειν zum Ausdruck gebracht werden kann, ,,εΐ τό Γ έν δλω τώ Β, τό Β κατά παντός τοο Γ' Αντιστρέφει γάρ ταΟτα άλλήλοις" (in an. pr. 54,13-14). Das im Zitat zum Ausdruck gebrachte Verhältnis von beiden Sätzen ist in seinem logischen Charakter selbstverständlich nicht das Verhältnis von Prämisse und Conclusio oder von Antecedens und Consequens, sondern die beiden Sätze sind miteinander gleichbedeutend, sie verhalten sich also so zueinander, daß in einem Argument der eine Satz ohne weiteres anstelle des anderen gebraucht werden kann. Mit einem Wort, άντιστρέφειν drückt hier das Verhältnis „substituierbar sein" aus. Man darf die Möglichkeit nicht ausschließen, daß auch die im technischen Sinne gebrauchte άντιστροφή in ihrem logischen Charakter für die antiken Logiker eher der einfachen Substitution nahe ist als der Schlußfolgerung.

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θεύειν" trotz des Aufwandes der systematischen Verfahrensmethode und der Beispielanführung in Wahrheit unzulänglich. Bislang haben wir betrachtet, wie Philoponus das übernommene Lehrgut systematisch darzustellen versucht: Er stellt alles, was in den logischen Schriften von Aristoteles über άντιστροφή gesagt ist, an einer Stelle zusammen und bemüht sich, das Zusammengestellte in einen sinnvoll erscheinenden Zusammenhang zu bringen. Das Ergebnis ist ein Gesamtbild, das ziemlich geordnet wirkt. Aber in Details ist dieses Bild nicht ohne Unzulänglichkeit. Eigentlich erwartet man in einer Disziplin wie der Logik, daß eine streng systematische Behandlungsweise in geradezu entscheidendem Maß zur Erhellung des logischen Charakters des jeweils zu behandelnden Gegenstandes beiträgt. Aber diese Erwartung bleibt bei Philoponus - trotz der Anwendung der fast umständlich wirkenden systematischen Behandlungsmethode - unerfüllt. Das kommt daher, daß sein Interesse an der Systematisierung nicht immer von dem Interesse an der zu behandelnden Sache selbst, d. i. Logik begleitet ist. Wir bekommen sogar den Eindruck, er interessiere sich hauptsächlich für die Inventur der bisher entdeckten und behandelten Untersuchungsgegenstände; so fertigt er nach einer nicht so gründlichen Musterung im Grunde nur ein Verzeichnis davon an, das zwar systematisch, aber nicht unbedingt nach einem von der Sache selbst gebotenen Prinzip aufgebaut ist. Für moderne Fachleute wird die Frage, wie die Gültigkeit der Konversion als logischer Gesetzlichkeit zu beweisen ist, wohl mehr von Bedeutung sein als die Frage, wie ihr Standort in einem systematischen Ganzen zu bestimmen ist und wie sie dabei in schulmäßiger Form definiert werden kann. Auch in der Antike wurde über den Beweis der Konversion nicht wenig diskutiert. Besonders der Beweis der Ε-Konversion war dabei anscheinend das zentrale Thema - aus guten Gründen: In der aristotelischen Konversionslehre nimmt die Ε-Konversion insofern die fundamentale Position ein, als die Beweise der übrigen Konversionsregeln die Gültigkeit der Ε-Konversion voraussetzen. Aber gerade die Stelle, an der der Beweis der Ε-Konversion geführt wird, gehört zu den undurchschaubarsten Stellen der an. pr. ; Aristoteles benutzt dort als Beweismittel die sogenannte Ekthesis, und dieses ohnehin schwierige Verfahren ist von ihm nur skizzenhaft geschildert. Es kam verständlicherweise ganz früh dazu, daß eine andere Beweismethode vorgelegt wurde, die mit der aristotelischen Methode konkurrierte. Nach dem Bericht der Kommentatoren entdeckten Theophrast und Eudemus eine leicht faßbare und einleuchtendere Beweismethode als die aristotelische. Diese Methode setzte sich mit der Zeit durch und die aristotelische Methode wurde dadurch allmählich verdrängt. Es scheint, daß zu Alexanders Zeit die Methode Theophrasts 92

eindeutig die Oberhand gewann. Zwar bemühte sich Alexander noch um die Erklärung des Ekthesisbeweises und dabei lieferte er bemerkenswerte Beiträge, die in sich manche vielversprechende Denkansätze bergen24, aber auch er hielt die Methode Theophrasts für besser. Philoponus folgte ihm ; übrigens scheint er nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, den Ekthesisbeweis auch nur annähernd richtig zu erklären. Es ist zu bemerken, daß in den Kompendien, die aus der Spätantike überliefert sind, von dem Ekthesisbeweis kein Gebrauch gemacht wird. Daß die aristotelische Beweismethode durch die Theophrasts abgelöst worden ist, ist wirkungsgeschichtlich ein wichtiges Ereignis. Angesichts dieser wirkungsgeschichtlichen Bedeutung scheint es angebracht zu sein, an dieser Stelle über den Beweis Theophrasts zu berichten, obwohl der Beweis selbst nicht von den Kommentatoren stammt; doch wirkten sie als Überlieferer und Vermittler dieses Beweises maßgebend auf die Richtung der Logik der späteren Zeit. Der Beweis Theophrasts, wie er von Alexander überliefert ist, Alexanders Bericht ist übrigens die älteste Quelle hierfür - lautet wie folgt: „Wenn Α von keinem Β ausgesagt ist, ist Α von Β getrennt. Nun ist das, von dem etwas getrennt ist, von dem Getrennten getrennt. Also ist Β von dem ganzen Α getrennt. Wenn es so ist, wird Β von keinem A ausge24 Über die Struktur des Ekthesisbeweises ist neuerlich viel diskutiert worden. Die zentrale Frage bei dieser Diskussion ist die: Was soll man unter dem „herausgestellten Term" in diesem Beweis verstehen? Auf diese Frage ist schon von Alexander eine prinzipiell korrekte Antwort gegeben. Er scheint die Ekthesis als ein Verfahren des Angebens eines beliebigen Beispiels verstanden zu haben; der Grundgedanke ist: wer eine bestimmte allgemeine Behauptung über eine Klasse der Individuen aufstellt, darf dies tun, solange er an den als Beispielen beliebig gewählten Individuen seine Behauptung aufrechterhalten kann. Also steht nach ihm der herausgestellte Term für ein Individuum (τό δτομον). Das Ekthesisverfahren, wie es von Alexander verstanden ist, ist mit dem Verfahren vergleichbar, das K. Ebbinghaus an einer Stelle seines Buches über die aristotelische Syllogistik andeutet, an der er, von P. Lorenzen angeregt, von der dialogischen Begründung der aristotelischen Syllogistik spricht. Dort weist er auf die Möglichkeit hin, den „herausgestellten Term" als „eine behebig vorgelegte Instanz" zu deuten (Ein formales Modell, S. 57 Anm. 1 ]. Der Grundgedanke, auf dem die Legitimität des so verstandenen Beweisverfahrens beruht, kommt auch dem Gedanken nahe, der einer von Quine benutzten Ableitungsregel, der universellen Generalisierung, zugrundeliegt (Methods of logic, New York 1959, S. 159ff.|. Lukasiewicz und Patzig halten Alexanders Deutung für unrichtig; sie ziehen eine andere Deutungsmöglichkeit vor, wenn sie den herausgestellten Term als eine durch Existenzquantor gebundene Variable für Begriffe deuten. Daran, daß Alexanders Deutung von diesen Interpreten kurzerhand zurückgewiesen wird, ist bis zu einem gewissen Grad Alexander selbst schuld. Er konnte die Ekthesis noch nicht als ein strenges Beweisverfahren darstellen. Vor allem daran, daß er die Ekthesis als ein durch Wahrnehmung zu vollziehendes Verfahren hinstellt, scheinen die beiden Interpreten Anstoß zu nehmen. Natürlich kann die Wahrnehmung selbst in der Logik keine Beweiskraft haben. Ein Individuum kann normalerweise ein Gegenstand der Wahrnehmung sein. Aber das Herausstellen beliebiger Terme für Individuen selbst kann nicht durch die Wahrnehmung vollzogen werden.

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sagt."25. Dem Beweis liegt offenbar der Gedanke zugrunde, daß „A wird von keinem Β ausgesagt" mit „A ist getrennt von dem ganzen B" gleichbedeutend ist, und dieser Gedanke setzt seinerseits voraus, daß Terme, für die Α und Β stehen, eigentlich als extensional aufgefaßte Begriffe, d. h. als Umfange der Begriffe genommen werden müssen und ,,κατηγορεΐσθαι" nicht die Prädikation im strengen Sinne, sondern eher eine bestimmte Relation zwischen den Begriffsumfängen bedeutet. Der Gedanke, die Logik auf extensionaler Basis zu errichten, ist mit der Logik der an. pr. wohl vereinbar, jedoch ist dieser Gedanke in den an. pr. nie explizit geäußert. Der erste Schritt zur extensionalen Logik ist erst mit dem von Theophrast vorgelegten Beweis getan worden. Wie weit man danach während der Spätantike gegangen ist, läßt sich nicht mit Genauigkeit feststellen. Daß auch die Bedeutung des Α-Satzes von den Kommentatoren gelegentlich extensional ausgelegt wurde, kann wohl das von ihnen oft benutzte Wort „περιέχειν" belegen, jedoch scheint von der extensionalen Auslegung dieses Satzes nicht auch so konsequent in der Konversionslehre - geschweige denn in der Syllogistik - Gebrauch gemacht worden zu sein, wie es der Fall mit dem Ε-Satz war. Was die etwas schwierigeren Fälle des I- und des O-Satzes angeht, finden wir in den Kommentaren keinen klaren Hinweis, welche Umfangsverhältnisse diese Sätze in der Vorstellung der Kommentatoren darstellen. Ganz bestimmt war ihr Denken nicht immer an ein bestimmtes Modell gebunden, das wir etwa mit dem Euler-Diagramm vergleichen könnten. Alles in allem scheint die extensionale Logik der Spätantike bis zu Philoponus' Zeit nicht über Ansätze hinausgekommen zu sein.

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Alex, in an. pr. 31,6 ff. Der fast gleichlautende Bericht von Philoponus in an. pr. 48,11-18.

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VI. Syllogismus Kategorische Syllogistik gilt heute als ein spezielles und relativ enges Gebiet der Schlußlehre, dem nicht mehr eine so allgemeine Bedeutung wie früher beigemessen wird. Die moderne Logik kennt außer dem kategorischen Syllogismus noch viele andere wichtige und fundamentale Schlußarten. Wenn man darum heute die als Syllogismus bezeichnete besondere Schlußart definieren will, geht man von dem allgemeineren Begriff Schluß aus und gelangt durch Hinzufügung des dieser Schlußart eigenen Spezifikums zur Begriffsbestimmung1. Aber die berühmte aristotelische Definition des Syllogismus ist nicht auf diese Weise gewonnen worden. Als Aristoteles zum ersten Mal in den topica die Definition des Syllogismus formulierte, verfügte er noch nicht über einen allgemeinen Begriff des Schlusses im strengen Sinne. Die Grundlage für diese Definition war eine Reihe von nicht so abstrakt und exakt formulierten, vielgestaltigen Schlüssen, die nicht aus rein formallogischem Interesse, sondern im Rahmen der dialektischen Erwägungen untersucht wurden. Diese Definition wurde nun von Aristoteles fast mit dem gleichen Wortlaut in die an. pr. aufgenommen. Nur versuchte Aristoteles, wie wir sehen werden, in den an. pr. die Folgerungsbeziehung zwischen Prämissen und Conclusio etwas näher auszuführen, ohne jedoch das, was er meint, ganz deutlich machen zu können. Dieser Versuch legt die Vermutung nahe, daß es Aristoteles daran lag, den kategorischen Syllogismus durch den Hinweis auf dessen stringente Schlüssigkeit von anderen Arten der Argumentation abzuheben, die im Rahmen der dialektischen Untersuchung in Frage kommen könnten. Doch wenn man bedenkt, daß auch manche anderen Schlußarten die Eigenschaft der stringenten Schlüssigkeit besitzen, kann man nicht leugnen, daß diese Definition als die Definition für den speziell in den an. pr. behandelten kategorischen Syllogismus etwas zu weit ist. Aber andererseits kann diese Definition auch nicht als die Definition des Schlusses schlechthin genommen werden, weil sie einige Bestimmungen enthält, die man nur dann sinnvollerweise erklären kann, wenn man nicht nur die Schlüssigkeit, sondern auch die Funktion des Syllogismus 1 Ais Beispiel sei hier eine Stelle aus einem viel gelesenen Logiklehrbuch angeführt, nämlich aus Quines „Methods of Logic" (New York 1959, S. 73): „Was in der Tradition Syllogismen heißt, sind Schlüsse, in denen ein kategorischer Satz als Konsequenz aus zwei kategorischen Sätzen als Prämissen gefolgert wird; die drei Sätze sind dabei so verknüpft; zusammen kommen in ihnen genau drei Termini vor, von denen jeder in zwei Sätzen steht." (zitiert nach der deutschen Ubersetzung, Frankfurt/Main 1974, S. 109.)

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als Argumentation mitberücksichtigt. Von dem rein formallogischen Standpunkt aus gesehen ist die aristotelische Definition des Syllogismus also nicht so sehr nützlich. Es ist kein Zufall, daß Lukasiewicz, der sein Augenmerk fast ausschließlich auf formallogische Aspekte der Syllogistik richtet, über diese Definition schweigend hinweggeht. Diese Definition wurde aber von den Kommentatoren anscheinend als die zutreffende Definition des Syllogismus angesehen. Besonders für Alexander, der es für zweckmäßig hielt, auch im Rahmen der Schlußlehre die argumentative Funktion der Schlüsse mitzuberücksichtigen, beinhaltet sie trotz einiger Unbestimmtheiten genau das, was seinem Grundsatz sehr gut paßt. Er erläutert die aristotelische Definition eingehend und zeigt dabei deutlich, was er selber unter dem Syllogismus versteht. Ammonius und Philoponus lehnen sich bei der Erläuterung dieser Definition an Alexander an. Sie begnügen sich damit, Alexanders Erläuterungen näher auszuführen. Die Abweichungen bestehen weitgehend in den Philosophemen neuplatonischen Ursprungs, die an sich zwar nicht uninteressant sind, doch zur Erhellung der zur Diskussion stehenden Sache nur wenig beitragen. Im folgenden Bericht über die Erläuterung zu der aristotelischen Definition des Syllogismus orientieren wir uns also hauptsächlich an Alexanders Kommentar. Die zugrunde liegende Definition von Aristoteles lautet wie folgt: „Συλλογισμός δέ έστι λόγος έν ω τεθέντων τινών έτερον τι τών κειμένων έξ άνάγκης συμβαίνει τω ταϋτα είναι." 2 Wie gewöhnlich gehen die Kommentatoren bei der Interpretation dieser Definition mit dem Schema Genus - Differenz heran. Leicht ist zu sehen, was in der Definition als Genus angenommen ist. Darin, daß es λόγος ist, stimmen alle Kommentatoren überein. Der Sinn des Wortes λόγος kann durch die Übersetzung „Rede" am besten wiedergegeben werden - vor allem weil auch diese Übersetzung wie λόγος in ihrer Bedeutung weit und unbestimmt ist. Aber die Bedeutung von λόγος ist noch weiter als die von Rede, und genau genommen gibt es in unserer Sprache kein passendes Äquivalent. Nach der Erklärung, die Aristoteles in de int. gibt, ist λόγος ein bedeutungstragender Laut (φωνή σημαντική), dessen Teile - auch getrennt voneinander - eine Bedeutung haben3. Demnach ist ein sprachliches Gebilde, das aus mindestens zwei Wörtern besteht, schon ein λόγος, ob es ein Satz ist oder solche Zusammensetzung der Wörter wie „ein run-

2 an. pr. 24 b, 18-20. Zum Vergleich sei die Definition des Syllogismus in der topica angeführt: „Εστι δή συλλογισμός λόγος έν φ τεθέντων τινών έτερόν τι τών κειμένων έξ άνάγκης συμβαίνει διά τών κειμένων" (top. 100a,25-26). 3 de int. 16 b 26.

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der Tisch", die nur ein Teil des Satzes sein kann. Aber auch ein Komplex von Sätzen wie ein Stück aus einem Epos kann als ein λόγος angesehen werden. Aus dem so weiten Oberbegriff folgt nun eine Reihe von Differentiae. Die erste Differenz ist durch „τεθέντων τινών" zum Ausdruck gebracht. Die Kommentatoren interpretieren einstimmig „τεθέντων" als mit „όμολογηθέντων" oder „συγχωρουμένων" gleichbedeutend4. Dadurch wird der für die Begriffsbestimmung des Syllogismus in Frage kommende Bereich von λόγος schon stark eingeengt. Zuerst scheidet alles aus, was weder wahr noch falsch sein kann und deswegen nicht mit behauptender Kraft gesagt werden kann, also vor allem unvollkommene Sätze, aber unter vollkommenen Sätzen auch solche Arten von λόγος wie Gebet oder Befehl. Nur die άπόφανσις kann ein Gegenstand des Konzedierens (συγχωρεΐν) sein, denn Konzedieren ist nichts anderes als Anerkennen der Wahrheit. So ergibt sich hier, daß der Syllogismus aus άποφάνσεις besteht5. Die Kommentatoren machen ferner darauf aufmerksam, daß „τεθέντων" im Plural steht. Ein Syllogismus muß mindestens zwei Prämissen haben. Dies ist in der Antike eine sowohl von den Aristotelikern als auch von den Stoikern allgemein geteilte Auffassung. Die modernen Leser, denen sogar ein solcher Begriff wie der der Null-Prämisse bekannt ist, werden wohl schon wegen dieser Bestimmung meinen, daß der Syllogismus sich nicht mit dem Schluß überhaupt deckt, sondern nur eine besondere Art von Schluß ist. Wie steht es damit bei den Kommentatoren? Man würde von ihnen sicher zuviel vermuten, wenn man erwartet, daß sie auch so etwas wie Schlüsse mit Null-Prämisse in Rechnung ziehen würden. Man weiß aber, daß auch in der Antike Schlüsse mit einer Prämisse, nämlich die Satzkonversion, schon bekannt waren. So wird man ohne weiteres denken, daß die Bestimmung der Pluralität der Prämissen bei den Kommentatoren dazu dient, den Syllogismus von den Schlüssen mit einer Prämisse zu unterscheiden. Dies ist aber eben nicht der Fall. Zwar sagen sie tatsächlich, daß durch diese Bestimmung der Syllogismus von μονολήμματοι abgegrenzt wird, aber es ist fraglich, ob diese μονολήμματοι überhaupt als Schluß angesehen werden können. Ammonius und Philoponus sagen, daß besonders Rhetoriker sich μονολήμματοι gern bedienen, und als Beispiel dafür sind eben solche Argumente

Alex, in an. pr. 17,3. Ammon. in an. pr. 26,34. Philop. in an. pr. 33,4. Nach dem Bericht der Kommentatoren gab es Autoren, die glaubten, „τεθέντων" sei mit ,,κατηγορηθέντων" gleichbedeutend, die aristotelische Definition treffe also nur auf kategorische Syllogismen, aber nicht auf hypothetische Syllogismen zu. 4

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angeführt, die etwa im Gericht beim Anklagen benutzt werden dürften. „Dieser Mann schweift nachts umher, also ist er Räuber" oder „Dieser Mann schmückt sich gern, also ist er Ehebrecher"6. Diese Argumente sind die sogenannten Enthymeme. Wenn wir sie als solche, d. h. so wie sie explizit formuliert sind, nehmen, können wir sie natürlich nicht als Schlüsse ansehen. Es folgt die Conclusio nicht notwendig aus der explizit ausgesprochenen Prämisse. Erst wenn die Prämisse „Alle, die nachts umherschweifen, sind Räuber" bzw. „Alle, die sich gern schmücken, sind Ehebrecher" ergänzt wird, können sie schlüssig werden. Ein anderes Beispiel, das die Kommentatoren an der Stelle anführen, ist von Enthymemen gewiß in einer Hinsicht unterschiedlich: Es ist die Folgerung auf „Du lebst" aus „Du atmest", für deren Schlüssigkeit einst der Stoiker Antipater sich stark gemacht haben soll7. Zwischen dem Sachverhalt, daß jemand atmet, und dem Sachverhalt, daß derselbe Mann lebt, besteht sicher eine notwendige Beziehung. Möglicherweise hat diese Tatsache Antipater dazu geführt, die Schlüssigkeit dieser Folgerung anzuerkennen. Aber diese notwendige Beziehung ist nicht logischer Natur, sondern sie beruht im wesentlichen auf den in unserer Welt beobachtbaren zwei Phänomenen, die jeweils als Atmen und Leben bezeichnet sind. Logisch gesehen hat die antipatersche Folgerung gar keinen anderen Status als das Enthymem. Wie das Enthymem benötigt die antipatersche Folgerung noch eine Prämisse, etwa „Alles, was atmet, lebt", um im strengen Sinne schlüssig zu werden. Alexander betont an der Stelle, daß die Notwendigkeit, auf der die Richtigkeit solcher Argumente wie der antipaterschen Folgerung beruht, noch nicht die syllogistische Notwendigkeit ist. Andererseits ist an der Stelle die Satzkonversion, ein ordentlicher Schluß mit einer Prämisse, dem die logische Notwendigkeit unbestreitbar zukommt, von den Kommentatoren überhaupt nicht erwähnt. Wir sollten uns daran erinnern, daß die Kommentatoren die Satzkonversion nie explizit als eine Art Schluß bestimmen. Es ist ja schon darauf hingewiesen worden, daß es sehr ungewiß ist, ob die Kommentatoren die Möglichkeit, die Satzkonversion überhaupt als einen Schluß zu behandeln, wirklich erwogen haben. Also stellen wir fest, daß die Bestimmung der Pluralität der Prämissen für die Kommentatoren nicht der Unterscheidung zwischen dem Syllogismus und dem Schluß mit einer Prämisse dient; sie intendieren noch nicht, den Syllogismus als eine besondere Art Schluß vorzustellen, vielmehr beabsichtigen sie, mit der Bestimmung, die aus unserer Sicht mit der Schlüssigkeit nicht not6

Ammon. in an. pr. 27,14-22. Philop. in an. pr. 33,11-14. Alex, in an. pr. 17,20; in top. 8,16-19. Auch Sextus Empiricus, Adversus mathematicos VIII, 443. 7

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wendig zusammenhängt, den Syllogismus als eine strikt schlüssige Argumentation hervorzuheben. Die Bedingungen für die strikte Schlüssigkeit sind durch die Bestimmung der Pluralität der Prämisse allerdings noch nicht erschöpfend zur Sprache gebracht. Aber immerhin ist auf eine notwendige, elementarste Bedingung hingewiesen. Sie lautet: Man muß alle nötigen Prämissen explizit formulieren; für uns sicher eine Bedingung, die keiner besonderen Erwähnung bedarf, aber für diejenigen, die von der Argumentationspraxis ausgehend den Syllogismus definieren wollen, eine wichtige Bedingung, weil es in der tatsächlichen Argumentation schon selten ist, daß alle nötigen Prämissen umständlich explizit ausgesprochen werden. Der nächste Teil des Definiens ,,έτερόν τ ι . . .συμβαίνει" besagt, daß aufgrund der konzedierten Behauptungen eine neue Behauptung aufgestellt werden kann. Damit wird zunächst ganz klar, daß die zu definierende Art von Rede die Prämissen-Conclusio-Struktur hat, also eine Art Argumentation ist. Zugleich wird jetzt das Definiendum von gewissen Schlußarten abgegrenzt, nämlich von διφορούμενοι und άδιαφόρως περαίνοντες abgegrenzt, von denen schon gesprochen worden ist8. Philoponus erwähnt an der Stelle nur διφορούμενοι. Diese Schlüsse, deren Conclusio mit einer oder allen Prämissen identisch ist, können nämlich aus folgendem Grund nicht als Argumentation dienen: Wer argumentiert, verfolgt immer das Ziel, andere oder sich von der Richtigkeit einer bestimmten These (πρόβλημα) zu überzeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, zieht der Argumentierende andere Thesen heran, durch die die vorgelegte These begründet werden kann und deren Richtigkeit leichter anerkannt werden kann. Wenn aber der Argumentierende zum Zweck der Begründung der vorgelegten These genau die gleiche These als Begründungsmittel benutzt, als ob die Wahrheit der These eine bereits abgemachte Sache wäre, kann das Ziel selbstverständlich nicht erreicht werden. In solchem Fall sprechen wir von dem Fehler der 8 S. o., S. 47. Es ist zu bemerken, daß die beiden Schlußarten, die von den Kommentatoren erwähnt werden, hypothetische Schlüsse sind. Die kategorischen Schlüsse wie (AaA, AaA => AaA], (AeA, AaA => AeA) oder (AaA, AiA => AiA|, deren Conclusio ebenfalls mit einer oder beiden Prämissen identisch sind, sind von keinem der Kommentatoren berücksichtigt. Ferner erwähnen die Kommentatoren die beiden Schlußarten nie in schematischer Form, sondern immer mit konkreten Begriffen. Übrigens scheint bei dieser Gelegenheit eine Anmerkung zu einer einfachen textkritischen Frage nicht unangebracht zu sein,· in Wallies' Edition von Alexanders Kommentar zu den an. pr. steht an der Stelle (in an. pr. 18,15-16) ,,εί ήμέρα έστίν, φώς έστιν' άλλά μήν ήμέρα έστίν· φβ>ς άρα έστί...". Offensichtlich hat sich Wallies für die falsche Lesart entschieden. Es muß entweder ,,εί ήμέρα έστίν, φώς έστιν' άλλά μήν φώς έστιν' φώς άρα έστί " oder ,,εί ήμέρα έστίν, φβς έστιν' άλλά μήν ήμέρα έστίν' ήμέρα άρα έστί" heißen. Nach der in den Apparat eingetragenen Variante geurteilt, scheint die Entscheidung für den ersteren Satz richtig zu sein.

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petitio principii. Nun ist schon darauf hingewiesen worden, daß die zur Begründung vorgelegte These (πρόβλημα) der Conclusio des Syllogismus entspricht, der beim Argumentieren mit Erfolg benutzt wird, und die zur Begründung herangezogenen Thesen den Prämissen des Syllogismus entsprechen. Daß die Conclusio einer oder allen Prämissen gleich ist, besagt also in der Argumentationspraxis, daß ein Versuch gemacht wird, eine These durch die gleiche These zu begründen. Solange darum der Syllogismus als eine Art Argumentation verstanden wird und somit auch für ihn die Forderung gilt, den Fehler der petitio principii zu vermeiden, muß in einem Syllogismus die Conclusio von den Prämissen verschieden sein. Während jedoch in der Argumentationspraxis von den zur Begründung herangezogenen Thesen, die den Prämissen des Syllogismus entsprechen, gefordert wird, daß sie von der These, die der Conclusio entspricht, verschieden sein müssen, wird in der Definition des Syllogismus diese Forderung an die Conclusio gestellt - natürlich deshalb, weil der Syllogismus selbst nicht mit dem πρόβλημα, sondern mit Prämissen beginnt. Im übrigen ist es wichtig, an dieser Stelle zu bemerken, daß die durch έτερόν τι zum Ausdruck gebrachte Forderung mit der formalen Gültigkeit des Schlusses gar nichts zu tun hat. Rein formallogisch gesehen sind Schlüsse, deren Conclusio mit einer der beiden Prämissen identisch ist, vollkommen gültig. Eben weil solche Schlüsse trivialerweise gültig sind, kann man demjenigen, der sich beim Argumentieren solcher Schlüsse bedient, nicht vorwerfen, daß er einen formallogischen Fehler begeht. Vorwerfen kann man ihm nur, daß er zur Diskussion gar nichts beiträgt. Also ist ,,έτερόν τ ι . . .συμβαίνειν" eine Bestimmung, die nur unter Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit des Syllogismus als Argumentationsmittel verstanden und gerechtfertigt werden kann. Auch die Kommentatoren wissen das wohl. Sie selber erfassen die Bestimmung „έτερον τι" nicht als solche, die die formale Gültigkeit des Syllogismus, sondern als solche, die seinen Anwendungswert betrifft. Es liegt ihnen also fern, die formale Gültigkeit der διφορούμενοι und άδιαφόρως περαίνοντες zu leugnen. Wenn διφορούμενοι und άδιαφόρως περαίνοντες nicht als Syllogismen gelten, so deswegen, weil sie nicht nützlich sind. Alexander sagt: „Solch ein Schluß kann syllogistische Form haben und seine Prämissen können syllogistisch kombiniert sein. Aber er ist keineswegs ein Syllogismus. Denn der Syllogismus ist ein Organon. Man gebraucht ihn wegen seiner Nützlichkeit zu gewissem Zweck. Man gebraucht ihn nämlich, um etwas zu zeigen. Was zu nichts nütze ist, ist daher kein Syllogismus"9. Alexander macht hier deutlich, daß die formale Gültigkeit selber keine

» Alex, in an. pr. 18,18-21.

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hinreichende Bedingung für das Bestehen des Syllogismus ist, obwohl sie eine notwendige Bedingung dafür ist. Aber wir dürfen aus der Tatsache, daß die Bestimmung ,,έτερόν τι" mit der formalen Gültigkeit nichts zu tun hat, nicht sofort schließen, daß sie deswegen ausschließlich die materiale Seite des Syllogismus beträfe. Es verhält sich nicht so einfach. Nach Alexander darf man sich nicht unbedingt nach dem Wortlaut des konkreten Schlusses richten, wenn richtig geurteilt werden soll, ob die Conclusio wirklich έτερόν τι von Prämissen ist. Es gibt Fälle, in denen es deutlich wird, daß die Bestimmung „έτερον τι" sich nicht auf den konkreten Wortlaut des Schlusses bezieht, sondern auf seine formale Struktur. Dies zeigt Alexander, wenn er den folgenden Schluß anführt: „Entweder es ist Tag oder es ist nicht Tag; nun ist es nicht Tag, also ist es nicht Tag" und fragt, ob dieser Schluß einer der άδιαφόρως περαίνοντες oder ein Syllogismus ist. Obwohl in diesem konkreten Schluß die Conclusio mit der zweiten Prämisse (πρόσληψις nach den Stoikern, μετάληψις nach den Aristotelikern) identisch ist, kann man ihn nicht ohne weiteres zu άδιαφόρως περαίνοντες zählen. Nach Alexander hängt die Entscheidung davon ab, nach welcher Schlußregel der Schluß vollzogen ist. Wenn wir die Sätze des Schlusses mit Nummern versehen, können wir Alexanders Erklärung etwas bequemer folgen. Die Sätze der ersten Prämisse numerieren wir folgendermaßen: „Entweder es ist Tag (I) oder es ist nicht Tag (II)". Für die zweite Prämisse gibt es zwei Möglichkeiten. Einmal kann sie als die Verneinung des Satzes (I), des ersten Disjunktionsgliedes, angenommen werden, zum anderen kann sie aber auch als die Bestätigung des Satzes (II), des zweiten Disjunktionsgliedes, angenommen werden. Betrachten wir zunächst den letzteren Fall. In diesem Fall sehen die Prämissen so aus: „Entweder (I) oder (II), nun (II)." Nun kann man die zweite Prämisse, den Satz (Π) noch einmal bestätigen und auf die Conclusio, „Es ist nicht Tag (II)" folgern. Der Schluß, der auf diese Weise vollzogen ist, ist eben einer von den άδιαφόρως περαίνοντες. Man wird sich wohl fragen, warum überhaupt in dem Schluß die Disjunktion in der ersten Prämisse gegeben ist, denn sie ist völlig überflüssig. Aber man kann mit den gegebenen Prämissen auch ganz anders vorgehen. Man kann sich nämlich nach der Schlußregel: „Aus der exklusiven Disjunktion und der Bestätigung des einen Disjunktionsgliedes folgt die Verneinung des anderen Disjunktionsgliedes" richten. Dann bekommt man als Conclusio die Verneinung des Satzes (I), also den Satz „Es ist nicht Tag". Dieser Satz non-(I) erweist sich als mit dem Satz (II) der zweiten Prämisse identisch. Insofern aber diese Conclusio nicht als bloße abermalige Bestätigung des Satzes (II), sondern primär (προηγουμένως) als die Verneinung des Satzes (I) gewonnen ist, ist die Conclusio doch nicht in jeder Hinsicht mit der πρόσληψις iden101

tisch. Alexander sagt, die beiden seien nach dem Wortlaut (rrj λέξει) identisch, aber nach der Bedeutung (xfj δυνάμει) nicht ganz identisch10. Die Conclusio besagt, daß es nicht der Fall ist, daß es Tag ist, und die zweite Prämisse besagt, daß es der Fall ist, daß es nicht Tag ist. Freilich läßt der Satz „Es ist nicht Tag" als solcher nicht erkennen, ob diese oder jene Bedeutung dahinter steckt. Um darüber zu entscheiden, muß man eben wissen, ob derjenige, der diesen Satz als Conclusio angibt, die oben erwähnte Schlußregel befolgt hat oder nicht. Wenn der Schluß nach dieser Schlußregel vollzogen ist, ist der Schluß ein Syllogismus, da in diesem Fall die Conclusio mit keiner der Prämissen gemäß der δόναμις identisch ist. Die Sachlage, die Alexander mit Hilfe des Begriffs ,,δύναμις" klarzulegen versucht, können wir unserereits ebenso gut mit Hilfe des Begriffs „formale Struktur" erklären; der von Alexander angeführte konkrete Schluß kann einmal die Struktur „(I) oder (II), nun (II), also (II)" haben, dann ist er einer der άδιαφόρως περαίνοντες, zum anderen kann er die Struktur „(I) oder (II), nun (II), also nicht (I)" haben, dann ist er ein Syllogismus. Der andere Fall, in dem die zweite Prämisse als die Verneinung des Satzes (I) angenommen ist, kann auch auf ähnliche Weise durch die Analyse der formalen Struktur leicht behandelt werden (diesen Fall übergeht Alexander). Wenn der Schluß die Struktur „(I) oder (II), nun nicht (I), also nicht (I)" hat, dann ist er einer der άδιαφόρως περαίνοντες. Wenn 10 Es gibt Fälle, in denen zwei Sätze nach dem Wortlaut verschieden, aber in der Bedeutung identisch sind. Alexander verwendet sonst das Begriffspaar λέξις (oder φωνή) und δύναμις (oder σημαινόμενον), wenn es sich eben um solche Fälle handelt. Nach ihm sind die Sätze wie ,,ήμέρα έστίν" und ,,ούχϊ ούχ ήμέρα έστίν" (in an. pr. 18,4-7), ,,μή παντί ύπάρχειν" und ,,τινϊ μή ύπάρχειν" (ebd. 84,7-17 u.ö.) und ,,εί τό Α, τό Β" und ,,τφ Α Ακολουθεί τό Β" (ebd. 373,27-35) nur nach dem Wortlaut voneinander verschieden, aber nach der Bedeutung einander gleich (ίσοδυνάμειν). Die Gegenüberstellung von λέξις und δύναμις bringt in solchen Fällen für die formale Logik meistens Schaden. An unserer Stelle dient die Gegenüberstellung zu dem hierzu eben entgegengesetzten Zweck, und sie ist für die formale Logik auch von großem Nutzen. Aber man wird sicher die Redeweise merkwürdig finden, der Satz non-(I) und der Satz (Π) in unserem Beispiel seien nach der Bedeutung verschieden. Zumal Alexander selbst sagt, ,,ήμέρα έστίν" und ,,ούχϊ ούχ ήμέρα έστίν" seien nach der Bedeutung einander gleich, wird sein Gebrauch von δύναμις sogar widersprüchlich erscheinen. Diesbezüglich können wir der entsprechenden Stelle seines Topik-Kommentars (in top. 12,10ff.) eine Antwort entnehmen. Dort scheint er den δύναμις-Begriff etwas differenziert anzuwenden. Eben von den Sätzen ,,ήμέρα έστίν" und ,,ούχϊ ούχ ήμέρα έστίν" sagt er, sie seien nach der primären Bedeutung verschieden (προηγουμένως σημαίνειν oder δηλοΟν). Die primäre Bedeutung des Satzes ,,ήμέρα έστίν" ist die Bestätigung (τιθέναι), daß es Tag ist, und die des Satzes ,,ούχϊ ούχ ήμέρα έστίν" ist die Verneinung dessen, daß es nicht Tag ist. Die beiden Sätze laufen also in ihrer sekundären Bedeutung auf das Gleiche hinaus. Nun kann man entsprechend sagen, daß der Satz (I) und der Satz (II) in ihrer ptimären Bedeutung verschieden sind. Dadurch, daß die primäre Bedeutung und die sekundäre Bedeutung unterschieden werden, erweist sich, daß Alexanders Gebrauch des Wortes δύναμις in Wahrheit nicht widersprüchlich ist.

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er aber die Struktur „(I) oder (II), nun nicht (I), also (II)" hat, ist er ein Syllogismus. Alexander hält anscheinend von dieser Analyse ziemlich viel; er führt in seinem Topik-Kommentar die gleiche Analyse anhand eines ähnlichen Beispiels noch einmal mit etwas ungewöhnlicher Ausführlichkeit vor, um zu zeigen, worauf es bei der Bestimmung „έτερον τι" ankommt11. Ammonius und Philoponus aber sprechen von dieser Analyse gar nicht. Als nächstes soll die Formulierung ,,έξ άνάγκης" besprochen werden. Die Kommentatoren weisen mit Nachdruck darauf hin, daß die Notwendigkeit, von der hier die Rede ist, dem ganzen Syllogismus zukommt. Daß die Notwendigkeit dem ganzen Syllogismus zukommt, heißt genauer, daß zwischen den Prämissen und der Conclusio des Syllogismus eine notwendige Beziehung besteht. Dies geht daraus ziemlich unmißverständlich hervor, daß sich ,,έξ άνάγκης" in der Definition auf das Verb ,,συμβαίνειν" bezieht. Dennoch gab es nach Alexanders Bericht Autoren, 11 Alex, in top. 10,30 ff. Es wird für moderne Leser wohl ein verlockender Gedanke sein, bei der Analyse des oben angeführten konkreten Schlusses Schemata mit Variablen zu Hilfe zu nehmen. Aber Alexander bedient sich nicht dieses Hilfsmittels, sondern er nimmt mit Hilfe der metasprachlich beschriebenen Schlußregel, wie sie oben angeführt ist, die Analyse vor (solche Beschreibung der Schlußregel nennt er περιοχή τοΟ συλλογισμοΟ, in top. 11,23). Es ist fraglich, ob die mögliche Konsequenz, zu der die Verwendung der Schlußschemata mit Variablen in ähnlichen Fällen führen kann, für Alexander akzeptabel ist. Ζ. B. ein konkreter Schluß „Wenn es Tag ist, ist es Tag. Nun ist es Tag. Also ist es Tag." kann insofern die Struktur „Wenn p, dann q. Nun p. Also q" haben, als er sich aus diesem Schema durch Einsetzung ergibt; die uns bekannte Einsetzungsregel erlaubt uns, den gleichen Satz in alle Variablen des Schemas einzusetzen. Soll man in diesem Fall aufgrund der Tatsache, daß das Schema eine syllogistische Form darstellt, den sich daraus ergebenden konkreten Schluß als Syllogismus im Sinne Alexanders betrachten? Alexander behandelt an der Stelle (in an. pr. 20,10ff.) auch diesen Schluß und bestätigt, daß er unter keinen Umständen als Syllogismus gelten kann. Sein Argument: Nur wenn als zweite Prämisse der Satz, der dem Antecedens der ersten Prämisse gleich ist, genommen wird, kann ein Syllogismus vorliegen, wenn dagegen der Satz, der dem Consequens gleich ist, als zweite Prämisse genommen wird, ist es kein Syllogismus. Nun kann in dem Falle des Schlusses, von dem hier die Rede ist, die zweite Prämisse als die Bestätigung des Antecedens genommen werden, aber sie ist gleichzeitig mit dem Consequens identisch, weil das Consequens mit dem Antecedens identisch ist, und insofern ist der Schluß kein Syllogismus. Mit einem konditionalen Satz, dessen Antecedens und Consequens einander gleich sind, kann also kein Syllogismus konstruiert werden. Tatsächlich ist es einleuchtend, daß man mit einem solchen konditionalen Satz nicht vernünftig argumentieren kann - anders als im Falle des oben behandelten Schlusses mit der exklusiven Disjunktion als erster Prämisse. Auch wenn von der formalen Struktur des Syllogismus geredet werden soll, ist es für Alexander nicht erlaubt, von dem Argumentationskontext völlig abzusehen. Wir sollten uns an die schon besprochene Unterscheidung von Maior- und Minorprämisse erinnern; obwohl sich diese Unterscheidung für Alexander auf die Struktur des Syllogismus bezieht, ist sie unter Berücksichtigung des Argumentationskontextes gemacht. Mit Schlußschemata arbeitet Alexander weitgehend nur in solchen Fällen, in denen keine Bedenken hinsichtlich der argumentativen Zweckmäßigkeit bestehen.

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die behaupteten, die durch ,,έξ άνάγκης" zum Ausdruck gebrachte Bestimmung betreffe nicht die Beziehung von Prämissen und Conclusio, sondern allein die Conclusio12. Diese Behauptung ist aber unrichtig. Vielleicht wurden diejenigen, die diese Behauptung aufstellten, durch die Tatsache irregeleitet, daß in allen Formulierungen der Syllogismus in den an. pr. das Wort ,,έξ άνάγκης" immer als ein Teil des Schlußsatzes vorkommt. Dies ist unvermeidlich, solange Aristoteles mit Hilfe der Umgangsprache Syllogismen formuliert. In Wahrheit ist ,,έξ άνάγκης" aber kein Bestandteil der Conclusio. Als Bestandteil der Conclusio würde sich dieses Wort auf ,,κατηγορεΐσθαι" oder ,,ύπάρχειν" in der Conclusio beziehen. Aber mit dem Sachverhalt, der mit Hilfe von diesen Wörtern ausgedrückt wird, hat die dem Syllogismus eigene Notwendigkeit nichts zu tun13. Um diesem unsinnigen Mißverständnis vorzubeugen, bezeichnet Alexander an unserer Stelle die Beziehung zwischen Prämissen und Conclusio mit dem Wort ,,άκολουθεΐν" und macht klar, daß ,,έξ άνάγκης" die Modalität dieses ,,άκολουθεΐν" ausdrückt. Ammonius versucht sich präziser zu äußern, indem er den Gegensatz von λέξις und πράγμα heranzieht; er bezeichnet die dem Syllogismus eigene Notwendigkeit als die Notwendigkeit der ,,άκολουθία τί|ς λέξεως" und stellt sie dem ,,τό άναγκαϊον κατά τήν ΰπαρξιν τών πραγμάτων" gegenüber. Darauf, daß die syllogistische Notwendigkeit von der Notwendigkeit in der faktischen Welt, d. h. im Bereich der πράγματα verschieden ist, hat auch Alexander schon hingewiesen, als von den antipaterschen μονολήμματοι die Rede war. Er hat dabei allerdings den Gegensatz von λέξις und πράγμα wie Ammonius nicht herangezogen. Obwohl das Wesen der syllogistischen Notwendigkeit durch die Gegenüberstellung von άκολουθία und ΰπαρξις einerseits und von λέξις und πράγμα andererseits immer noch nicht ein für allemal klar geworden ist, schlägt Ammonius mit dieser Gegenüberstellung wenigstens die prinzipiell richtige Richtung ein. An der Stelle geht Ammonius noch einen Schritt weiter und versucht definitiv zu zeigen, worin genau die syllogistische Notwendigkeit besteht, indem er die Eigenschaft des Syllogismus mit denen der anderen Argumentationsarten vergleicht: Allen Arten der Argumentation ist die άκολουθία-Struktur von Prämissen und Conclusio gemeinsam, aber je nachdem, was woraus folgt, unterscheiden sich folgende drei Arten voneinander. Erstens: Aus dem Besonderen folgt das Allgemeine (άπό τών μερικών τό καθόλον). In diesem Fall liegt das induktive Argument vor. Ein Beispiel: „Menschen, Pferde, Hunde und Rinder bewegen den Unter-

" Alex, in an. pr. 20,30 ff. Zu dieser Problematik vgl. die eingehende Auseinandersetzung Patzigs in seinem Buch über die Aristotelische Syllogistik S. 25 ff. 13

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kief er, also bewegen alle Tiere den Unterkiefer." Zweitens: Aus dem Besonderen folgt das Besondere (άπό τοΟ μερικοϋ τό μερικόν). In diesem Fall liegt das paradigmatische Argument vor. Ein Beispiel: „Jemand wurde während einer Seereise schiffbrüchig, also wenn du eine Seereise machst, wirst du bestimmt schiffbrüchig." Drittens: Aus dem Allgemeinen folgt das Besondere (άπό τοΟ καθόλου τό μερικόν), und in diesem Fall liegt ein Syllogismus vor. Beispiele hierfür brauchen nicht angeführt zu werden. Zunächst ist festzustellen, daß „τό μερικόν" und „τό καθόλον" in der Erklärung nicht die Quantität der Sätze, d. i. „alle" und „einige" vor dem Subjekt bedeuten, wie es in den Kommentaren zu den an. pr. sonst der Fall ist, sondern Umfänge der Begriffe, die als Terme im Syllogismus auftreten. Dafür sprechen die eben angeführten Beispiele ziemlich eindeutig. Philoponus, der eine ähnliche Erklärung über die Notwendigkeit des Syllogismus wie sein Lehrer gibt, benutzt in dieser Hinsicht ganz unmißverständliche Ausdrücke; statt der Ausdrücke „das Allgemeine" und „das Besondere" benutzt er „das Größere" (τό μεΐζον| und „das Kleinere (τό έλαττον)14. Um das paradigmatische Argument zu erklären, benutzt er das Wort „τό ϊσον" (das Gleich-große). Also ist der Syllogismus nach Ammonius und Philoponus bei diesem Vergleich gegenüber den anderen Argumentationsarten, kurz gesagt, durch das Subsumptionsverhältnis der Begriffe in Prämissen und Conclusio gekennzeichnet. Und sie behaupten, daß eben auf dieses Verhältnis die dem Syllogismus eigene Notwendigkeit zurückzuführen ist, und den anderen Argumentationsarten die Notwendigkeit insofern nicht zukommt, als in ihnen Prämissen und Conclusio nicht in diesem Verhältnis zueinander stehen. „Der Syllogismus allein ist notwendig, denn in ihm wird weder dem Besonderen das Besondere untergeordnet (ύπάγεται), noch wird dem Besonderen das Allgemeine, sondern dem Allgemeinen das Besondere untergeordnet."15. Die hier von Ammonius gegebene Erklärung über die syllogistische Notwendigkeit ist später zum Gemeinplatz geworden, der immer wiederholt worden ist, wenn von dem wesentlichen Unterschied der Deduktion zur Induktion die Rede war. Aber diese Erklärung ist nicht ganz befriedigend. Die syllogistische Notwendigkeit - geschweige denn die logische Notwendigkeit der Deduktion überhaupt (heute würde wohl niemand mehr wagen, die Syllogistik und die Deduktion einfach miteinander gleichzusetzen) kann nicht allein durch den Hinweis auf das Subsumptionsverhältnis erklärt werden. Außer Barbara treten in allen anderen Modi e-, i- oder oSätze auf, und solche Sätze haben mit dem Subsumptionsverhältnis

14 15

Philop. in an. pr. 34,15 ff. Ammon. in an. pr. 29,15-17.

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nichts zu tun. Ammonius' Erklärung trifft nur auf Barbara zu 16 / sie kann also nicht als allgemeine Erklärung der Notwendigkeit gelten, die allen Syllogismen gemeinsam ist. Daß trotzdem diese Erklärung so lange Zeit als die Erklärung des Wesens der syllogistischen, ja gar der deduktiven Notwendigkeit überhaupt gelten konnte, ist merkwürdig. Dafür ist vermutlich das gleiche psychologische Motiv verantwortlich, das einst die Kommentatoren dazu brachte, sich bei dem Versuch der Systematisierung des überkommenen Lehrguts am Zusammensetzungsmodell, an der Diärese, und am Definitionsschema zu orientieren. Die Erklärungsweise, die mit Hilfe von wenigen (allerdings in Wahrheit nur vermeintlichen) Grundbegriffen wie „das Allgemeine" und „das Besondere" den Syllogismus und zugleich andere Argumentationsarten wie Induktion und Paradigma knapp charakterisiert und voneinander einfach abgrenzt, mußte wohl diejenigen besonders angesprochen haben, die viel Wert auf ein geordnetes Bild des Systems legten. Übrigens ist Ammonius nicht der Urheber der hier berichteten Erklärung. Sie findet sich schon in Alexanders Kommentar zu den an. pr. Nur gibt er sie nicht an der Stelle, an der die Definition des Syllogismus erörtert wird, sondern zu Beginn des 4. Kapitels, wo er die erste Figur der assertorischen Syllogismen zu behandeln beginnt. Alexander fügt seine eigene Erklärung der syllogistischen Notwendigkeit nicht in die Erläuterung zu der Definition des Syllogismus ein, sicherlich um der Erklärung, die Aristoteles selber an der Stelle gibt, zu folgen. Der letzte Teil des Definiens „τω ταϋτα είναι" ist nämlich die nähere Bestimmung, die sich auf „έξ άνάγκης συμβαίνειν" bezieht und angibt, wovon die syllogistische Notwendigkeit abhängt. Aber die Formulierung „τω ταΟτα είναι" ist, wie man sofort sieht, unklar. Aristoteles selbst scheint deswegen mit dieser Bestimmung nicht ganz zufrieden zu sein. Er fügt sofort „δια ταΟτα συμβαίνειν" hinzu. Die Präposition διά zeigt nun deutlich, daß hier der Grund für έξ άνάγκης συμβαίνειν angegeben ist. Es ist sicher, daß ταϋτα die Prämissen bedeutet (der entsprechende Teil in der Definition, die in der topica gegeben ist, lautet: „διά τοδν κειμένων"). Dennoch ist die Unklarheit durch diese Hinzufügung noch nicht ganz beseitigt worden 17 . So hält es Aristoteles für zweckmä16 Es kann hier ein Mißverständnis entstehen, wenn man auf den Unterschied zwischen dem faktischen oder wahren Subsumptionsverhältnis und dem behaupteten oder angenommenen Subsumptionsverhältnis nicht achtet. Wenn oben zugegeben wird, daß das Subsumptionsverhältnis wenigstens für die Erklärung der syllogistischen Notwendigkeit des Barbara herangezogen werden kann, ist das Subsumptionsverhältnis, von dem die Rede ist, natürlich nur das behauptete Verhältnis. 17 Auch Alexander sagt, daß die Formulierung διά ταΟτα unklar ist. Nach ihm ist die Präposition διά in der Formulierung mißverständlich. Wegen dieses Wortes könne man die Definition dahin auslegen, daß im Syllogismus die Prämissen die Ursache (ή αιτία oder τό

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ßig, noch eine kurze erläuternde Bemerkung hinzuzufügen: „Mit ,διά ταϋτα συμβαίνειν' meine ich, daß es keines Terms mehr von außen bedarf, um das Notwendige zustande kommen zu lassen." Dadurch wird wenigstens klar, daß die syllogistische Notwendigkeit davon abhängt, daß in den Prämissen alle notwendigen Terme enthalten sind. Doch bleibt die wichtige Frage offen, wie über die Notwendigkeit zu entscheiden ist. Dadurch ist ein einigermaßen freier Spielraum für Ausleger gegeben. So kann Alexander bei der Interpretation seine eigene Meinung hineindeuten. Was an der Stelle nun von ihm vorgetragen ist, ist im Grunde sicher nicht so entfernt von Ammonius' Erklärung über die syllogistische Notwendigkeit und also auch von der von ihm selber zu Beginn des vierten Kapitels gegebenen Erklärung davon; es bleibt insofern der Sache nach unbefriedigend. Dennoch gehört diese Stelle, an der der letzte Teil der Definition des Syllogismus besprochen ist, zu den lesenswertesten Stellen seines Werkes - wegen mancher interessanten Fragen, die dort angeschnitten sind. Was an dieser Stelle vorgetragen ist, überschneidet sich teilweise mit dem, was schon im Zusammenhang mit der Pluralität der Prämissen gesagt worden ist. Hier wie dort sind μονολήμματοι als Gegenbeispiele angeführt, die von Syllogismen unterschieden werden. Nur ist hier darauf hingewiesen, daß die μονολήμματοι einen Term von außen her benötigen, um Syllogismen zu werden, während es dort Prämissen waren. Wenn wir beide Stellen zusammennehmen, stellen wir fest, daß den μονολήμματοι eine Prämisse fehlt, die einen nötigen Term enthält. Und die schon angeführten Sätze, die jeweils als Prämisse hinzugenommen werden müssen, lassen uns weiter wissen, daß der nötige Term der Term ist, der in der Conclusio auftritt, aber in der angegebenen Prämisse nicht enthalten ist. Also können wir aufgrund dessen, was über den Unterschied von μονολήμματοι und Syllogismen gesagt worden ist, folgendes sagen: Eine Bedingung für die syllogistische Notwendigkeit ist die, daß wenigstens alle Terme der Conclusio schon in den Prämissen enthalten sein müssen; es ist unmöglich, syllogistisch auf einen Satz zu schließen, der διότι) des Sachverhaltes, der in der Conclusio ausgedrückt ist, ausdrücken sollen. Man könne aber syllogistisch nicht nur von Ursachen auf eine Folge, sondern auch in der gerade umgekehrten Richtung auf eine Kausalbeziehung schließen, etwa von einer Aussage über Asche auf eine Aussage über Feuer (σημείον - σημειωτόν-Beziehung). Wir dürfen dazu sagen, daß es auch möglich ist, mit Sätzen, die solche Sachverhalte ausdrücken, die in gar keinem Zusammenhang miteinander stehen, einen Syllogismus zu konstruieren. Jedenfalls glaubt Alexander, daß das Wort aus dem eben gegebenen Grund ungeeignet ist, und daß Aristoteles die gleichen Bedenken hat. Tatsächlich wird das Wort διά von Aristoteles oft bei der Angabe der Ursache benutzt. Wenn διά in der Definition solchen Sinn hätte, würde die Definition natürlich nicht allgemein auf alle Syllogismen zutreffen, sondern nur auf den wissenschaftlichen Beweis, der auch als apodiktischer Syllogismus bezeichnet wird.

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einen Term (oder Terme) enthält, der in den Prämissen nicht vorkommt. Allerdings läßt sich die syllogistische Notwendigkeit nicht allein auf das bloße Nichtfehlen der in diesem Sinne nötigen Terme zurückführen, es gibt noch manche andere Bedingungen, deren Erfüllung erforderlich ist. Will man den ganzen Grund für die syllogistische Notwendigkeit im Rahmen der Begriffsbestimmung knapp in Worte fassen, zieht man am besten den Begriff ,Form' heran: „Die syllogistische Notwendigkeit beruht auf der formalen Struktur der Prämissen und Conclusio." Aber für Aristoteles, der die Begriffe Form und Stoff noch nicht in die Philosophie der Logik eingeführt hat, ist es unmöglich, die Sache zusammenfassend auf solche einfache Formel zu bringen. Dagegen sind Alexander und die anderen Kommentatoren in der Lage, dies zu tun und somit die aristotelische Definition in diesem Punkt zu berichtigen oder zu verbessern, und tatsächlich betonen sie an manchen anderen Stellen, daß die zwingende Kraft des Syllogismus auf der Form der Sätze beruht, die ihn bilden. Aber gerade an der Stelle, an der es um die Wesensdefinition des Syllogismus geht, tun sie nicht das, was wir erwarten. Alexander scheint dazu einen besonderen Grund zu haben; er scheint zu glauben, daß syllogistische Notwendigkeit mehr als formale Gültigkeit bedeutet und daß daher der Syllogismus einen besonderen Status auch gegenüber gewissen anderen gültigen Schlußarten besitzt. Gerade das Nichtfehlen der nötigen Terme begründet nach seinem Verständnis anscheinend nicht nur die formale Gültigkeit des Syllogismus, sondern gleichzeitig auch den besonderen Status des Syllogismus als logischen Schluß gegenüber bestimmten anderen Schlüssen. Was nunmehr an unserer Stelle Alexander vorträgt, wird das hier Gesagte bestätigten. Nachdem er μονολήμματοι kurz erwähnt hat, zieht er anschließend die sogenannten άμεθόδως περαίνοντες als Gegenbeispiele heran, die ebenfalls von dem zu definierenden Syllogismus unterschieden werden müssen. Diese sind solche Schlüsse, die anders als μονολήμματοι zwei Prämissen haben, doch nach Alexander in Wahrheit noch eine neue Prämisse benötigen, um zu Syllogismen zu werden. Unter den von ihm an der Stelle angeführten Beispielen betrachten wir folgende drei repräsentative άμεθόδως περαίνοντες: (1) „A ist dem Β gleich, C ist dem Β gleich. Also ist Α dem C gleich"; oder (2) „Es ist Tag. Nun sagst du, es sei Tag. Also sagst du die Wahrheit"; oder (3) „Wenn er ein Kind des Gottes ist, ist er nicht habgierig. Wenn er habgierig ist, ist er kein Kind des Gottes. Also kann es nicht sein, daß er zugleich ein Kind des Gottes und habgierig ist." 18 18 Alex, in an. pr. 344,9 ff. Ich halte es für zweckmäßig, im folgenden Bericht auch diese Stelle heranzuziehen. Wenn Alexander an dieser Stelle die άμεθόδως περαίνοντες bespricht, bezweckt er, wie hier zu zeigen, worin die Besonderheit der syllogistischen Notwen-

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Der Schluß (1) gehört zur Relationenlogik. Er hat zwei Prämissen, in ihnen sind offensichtlich alle nötigen Terme enthalten, und er ist wohlgemerkt ein vollkommen gültiger Schluß. Doch meint Alexander, dieser Schluß sei deswegen kein Syllogismus, weil ihm eine Prämisse fehlt, die folgende allgemeine Wahrheit ausdrückt: „Alle Dinge, die einem dritten Ding gleich sind, sind einander gleich"; erst wenn diese Prämisse ergänzt wird, wird er zu einem Syllogismus. An einer anderen Stelle, an der er die άμεθόδως περαίνοντες näher behandelt, zeigt er, wie der Syllogismus aussieht, der sich aus der Ergänzung der neuen Prämisse ergibt: (Γ) „Alle Dinge, die einem dritten Ding gleich sind, sind einander gleich. Nun sind Α und C einem dritten Ding (nämlich B) gleich. Also sind Α und C einander gleich."19. Die erste Prämisse von (Γ) ist eben die ergänzte Prämisse, und in der zweiten Prämisse sind nach Alexander beide Prämissen von (1) vereinigt20. Es ist unverkennbar, daß Alexander den Schluß (1) in einen kategorischen Syllogismus zu verwandeln sucht. Dabei hat er aber offenbar Schwierigkeiten. Dies zeigt sich deutlich in der zweiten Prämisse; hier stellt er den Term „dem dritten Ding gleich" und den Term „dem Β gleich" als miteinander identisch hin. Dazu ist er deswegen gezwungen, weil er einen Mittelterm angeben und so dem Schluß (1') die Form des kategorischen Syllogismus (Barbara) geben will. Vielleicht könnte man glauben, diese Identifizierung durch den Hinweis rechtfertigen zu können, daß Β eine Variable ist, in die ein beliebiger Begriff eingesetzt werden kann, und auch „das dritte Ding" im Grunde eine solche Variable ist. Dann fragt sich sofort, ob auch die Identifizierung von „alle Dinge" und „A und B" (übrigens genauer „alle ,A und B'") nicht erlaubt ist, und schließlich also, was der Term ist, der angeblich von außen her hinzugenommen ist, und wieso der Schluß (1) überhaupt eine Ergänzung benötigt. Sicherlich versteht Alexander die Buchstaben Α, Β und C nicht als Variable, sondern eher als abgekürzte Beispiele21. Nur deswegen kann er behaupten, daß der Schluß (1) eine Prämisse benötigt, die eine allgemeine Wahrheit ausdrückt. Wenn aber dies der Fall ist, ist seine Lage kaum weniger mißlich; dann müßte er entweder „dem Β gleich" oder „dem dritten

digkeit besteht. Der Schluß (1) findet sich dort genau so, wie er oben angeführt ist; an unserer Stelle, an der die Definition des Syllogismus erörtert wird, benutzt er bei der Formulierung statt Buchstaben Demonstrativpronomina (·ήδε τί|δε ίση" άλλα και ήδε τί)δε. και ήδε δρα τζδε Ιση). " Alex, in an. pr. 344,17ff. ; vgl. auch Philop. in an. pr. 321,10-20. 20 Ebd., 23-26; vgl. auch in top. 14,23-27. 21 Es sei hier auf die mit den Demonstrativpronomina formulierte Version von (1] verwiesen; vgl. oben Anm. 18, dort zeigt man mit -ήδε und τΐ|δε auf bestimmte Linien (γραμμαί|. So braucht man, wie es scheint, nicht lange zu zögern, zuzugeben, daß Α, Β und C in (11 keine Variable sind.

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Ding gleich" als Mittelterm nehmen. Wenn er sich für die erste Möglichkeit entscheiden sollte, müßte er die erste Prämisse wie folgt umformulieren: „Alle Dinge, die dem Β gleich sind, sind einander gleich" und zugeben, daß die hinzugenommene Prämisse eine spezielle Aussage über die Relation von allen Dingen und dem besonderen B, also keine allgemeine Wahrheit ist; wenn er sich andererseits für die zweite Möglichkeit entscheiden sollte, müßte er feststellen, daß der Term „dem Β gleich" von (1) in (Γ) nicht vorkommt, und daß also (Γ) sich nicht aus (1) ergibt. Was Alexander durch die Umwandlung des Schlusses (1) erreichen will, ist klar; er will diesen vollgültigen Schluß sozusagen als mangelhaften Syllogismus erscheinen lassen, der erst nach einer Reparatur zu einem richtigen Syllogismus werden kann. Wenn es ihm gelingt, dies zu zeigen, kann er glaubhaft machen - anscheinend denkt er so - , daß die syllogistische Notwendigkeit etwas Besonderes im Vergleich zu der Notwendigkeit der Schlüsse vom Typus (1) ist. Das aber, was er zu diesem Zweck unternimmt, droht, wie man sieht, schon an dem ersten Beispiel zu scheitern, weil der sich durch die Reparatur ergebende Syllogismus als kategorischer Syllogismus gar nicht einwandfrei ist. Es fragt sich, ob und in welchem Sinne (Γ) überhaupt als Syllogismus gelten kann. Betrachten wir die weiteren Beispiele. - Der Schluß (2) ist offenbar formal ungültig, und man sieht sofort, daß er die eben erwähnte Bedingung für die syllogistische Notwendigkeit nicht erfüllt; in den Prämissen dieses Schlusses fehlt der Term „Wahrheit-sagen". Nach Alexander verwandelt sich (2) erst nach der Ergänzung einer neuen Prämisse, die diesen Term enthält, in einen richtigen Syllogismus: (2') „Derjenige, der sagt, es sei Tag, wenn es Tag ist, sagt das, was wirklich der Fall ist. Also sagt derjenige die Wahrheit, der sagt, es sei Tag, wenn es Tag ist." Kann aber Alexander mit Recht sagen, daß (2) sich in (2') verwandelt hat? Wo bleibt das „du" in (2)? Diesmal verzichtet Alexander darauf, das „du" irgendwie in (2') hineinzubringen, um (2') wie einen richtigen kategorischen Syllogismus erscheinen zu lassen. Der Schluß (3) gehört zur Aussagenlogik. Wer weiß, daß ρ -»- q und -. (ρ Λ -ι q) einander äquivalent sind und deshalb von (p -. q) und (-. q ->· p) auf -. (ρ Λ q) geschlossen werden kann, kann sich von der Richtigkeit des Schlusses (3) leicht überzeugen. Nach Alexander fehlt dem Schluß (3) die universelle Prämisse: „Diejenigen (zwei), von denen jedes das zu dem anderen Entgegengesetzte (Kontradiktorische) impliziert, können ein und demselben nicht zukommen"22. Der Syllogismus, der 22

Alex, in an. pr. 22,10: ών έκατέρω τών άντικειμένων τό θατέρω άντικείμενον έπεται, ταΟτα ά δ ύ ν α τ ο ν άμφω &μα τφ αύτφ ύπάρχειν. Es wäre besser, wenn ταΟτα etwa Fälle (oder Aussagen) bedeutete. Aber ταΟτα soll hier im Sinne der Eigenschaft (oder des Prädikates) zu verstehen sein, weil darauf ύπάρχειν folgt. τ®ν Αντικειμένων habe ich nicht übersetzt, es ist überflüssig. Es sei angemerkt, daß τών άντικειμένων sich wahrscheinlich

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sich durch die Ergänzung dieser Prämisse ergibt, sieht so aus: (3') „Diejenigen, von denen jedes das zu dem anderen Entgegengesetzte impliziert, können ein und demselben nicht zukommen. Das Kind-des-Gottes-sein und das Habgierig-sein implizieren jeweils das zu dem anderen Entgegengesetzte (Kontradiktorische). Also können das Kind-des-Gottes-sein und das Habgierig-sein ein und demselben nicht zukommen." Ähnlich wie im vorangehenden Fall kann Alexander (3') nur dadurch die Form des kategorischen Syllogismus geben, daß er das „er" in (3) unterdrückt. Also müssen wir feststellen, daß es Alexander mißlungen ist, durch Hinzunahme eines Satzes, der eine allgemeine Wahrheit ausdrückt, άμεθόδως περαίνοντες in kategorische Syllogismen umzuwandeln. Es ist freilich nicht zu leugnen, daß ein Schluß wie (3) so etwas wie allgemeine Wahrheit, wie sie von Alexander genannt ist, voraussetzt, um überhaupt als Schluß zu bestehen. Das ist auch mit (2), der ohnehin eindeutig mangelhaft ist, und mit (1) nicht anders. Nur ist es die Frage, ob die sogenannte allgemeine Wahrheit immer in Form einer Prämisse benötigt wird. Ζ. B. beinhaltet die erste Prämisse von (3') die Schlußregel, nach der der Schluß (3) vollzogen ist. Sie ist eine Beschreibung dieser Schlußregel und als solche eine logisch wahre These. Und solange diese Schlußregel gültig ist, ist auch der Schluß (3) vollkommen gültig, und gerade deswegen braucht er weder neue Prämissen noch neue Terme „von außen her". Bei dem Schluß (1) ist es ähnlich. Die erste Prämisse von (1'} ist ein logisches Gesetz, auf das die Gültigkeit von (1) als Schluß zurückzuführen ist. Wenn nun die Sätze von solchem Status in den Schluß selbst als ein Bestandteil aufgenommen werden, als seien sie mit Prämissen gleichrangig, wird dies zu bedenklichen Konsequenzen führen. Solche Sätze sind als Gerüst konkreter Schlüsse aufzufassen. Sie sind demgemäß formelhafte Ausdrücke: Die Wörter wie „diejenigen, die . .. ", „das zu dem anderen Entgegengesetzte" und „ein und dasselbe" in (3') oder „alle Dinge" und „das dritte Ding" in (Γ) sind keine konkreten Begriffe, sondern sie markieren nur Leerstellen, in die beliebige konkrete Begriffe eingesetzt werden sollen. Kurz gesagt sind sie Variable. Wenn man in diese Variablen besondere konkrete Begriffe einsetzt und den komplexen Satz in einfache Sätze, Prämissen und Conclusio, zerteilt, dann ergeben sich konkrete Schlüsse wie (1) und (3). Vielleicht kann man diesen Vorgang grob mit den Worten „vom Allgemeinen zum Besonderen" charakterisieren. Aber man kann keineswegs davon sprechen, daß von dem Allgemeinen auf das nicht auf ών έκατέρω bezieht (dann müßte die Übersetzung so lauten: „Beide einander entgegengesetzten Eigenschaften, von denen jede ..."), sondern als genitivus partitivus auf τό θατέρω Αντικειμένων (die vollkommene Übersetzung würde so lauten: „Diejenigen zwei Eigenschaften (F, G); von denen jede (F oder G) die der anderen (G oder F) entgegengesetzte (G oder F) von den entgegengesetzten Eigenschaften (F, G) impliziert. . .").

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Besondere geschlossen wird. Wenn überhaupt die Rolle der Prämisse und die der Schlußregel nicht streng auseinandergehalten werden, ist die systematische Gestaltung der Logik nicht möglich23. Der Standpunkt, den Alexander bei der Behandlung von (1) und (3) vertritt, wird auch das Bestehen der Syllogismen selbst gefährden; wie kann man sicher sein, daß alle Syllogismen, in denen nur konkrete Begriffe als Terme vorkommen, keine mangelhaften Syllogismen sind? Wäre es nicht folgerichtig, auch solche Syllogismen genau wie (1) und (3) zu behandeln? Konkrete Syllogismen, eben weil sie konkret sind, würden eine neue Prämisse benötigen, die jeweils die Syllogismusregel beinhaltet, auf der die Gültigkeit der konkreten Syllogismen beruht. Daß aber die Hinzunahme einer solchen Prämisse auch in diesem Fall die erwünschte Umwandlung der vermeintlich mangelhaften Syllogismen in ordentliche Syllogismen nicht bewirken kann, bedarf kaum einer besonderen Erwähnung. Zur Vertretung dieses so schwer zu rechtfertigenden Standpunkts muß Alexander von der Ambition bewegt worden sein, den Vorrang des Syllogismus vor allen anderen nicht-syllogistischen Schlußarten nachzuweisen. Und diesen Nachweis will er auf radikale Weise erbringen: Er versucht zu zeigen, daß es möglich ist, nicht-syllogistische Schlüsse auf Syllogismen zu reduzieren, daß aber diese Reduktion erst gelingt, wenn man noch etwas als Prämisse hinzunimmt, was für die Gültigkeit der zu reduzierenden Schlüsse von entscheidender Bedeutung ist. So geht er im Falle von vollkommenen gültigen Schlüssen wie (1) und (3) so weit, noch die These, die sozusagen den ganzen Schluß trägt, als Bestandteil hinzunehmen, ohne sich über die Konsequenz eines solchen Verfahrens viel Gedanken zu machen. Dafür, daß er auch im Falle von (2), in dem die Reduktion auf einen Syllogismus in der Tat möglich ist, doch über das Ziel hinausgegangen ist, kann eine ähnliche Erklärung gegeben werden. Als Prämisse wird von ihm ein Satz genommen, der praktisch die Definition von „Wahrheit sagen" ist. Es ist klar, daß dieser Satz für (2) von entscheidender Bedeutung ist; denn wenn wir (2) als richtiges Argument - obwohl es kein gültiger Schluß ist - akzeptieren, liegt es vor allem daran, daß wir letztlich die Definition inhaltlich akzeptieren. Dennoch scheitert die Reduktion gerade deswegen, weil dieser Satz als Prämisse genommen wird. Zum Ziel hätte die Hinzunahme eines Satzes geführt, der einen etwas spezielleren Inhalt hat: „Alle, die sagen, es sei Tag, wenn es Tag ist, sagen die Wahrheit". Der Grund, daß Alexander statt dieses Satzes den Satz, der eigentlich zur Reduktion unbrauchbar ist, genommen hat, kann nur folgender sein: Er muß geglaubt haben, der besondere Status des Syllogismus in der Logik " Vgl. hierzu den Aufsatz von C. L. Dodgson, „What the Tortoise said to Achilles", Mind, N.S. IV/1895, S. 278-280.

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könne dadurch überzeugender demonstriert werden, daß er jeweils nicht bloß einen All-Satz, sondern einen Satz, der den grundlegenden, ganz allgemeinen Inhalt hat, bei der Reduktion hinzunimmt. Seinen Irrtum beweist ganz eindeutig schon die Tatsache, daß die Reduktion nie gelungen ist. Alexanders Erklärung der syllogistischen Notwendigkeit ist - so unbefriedigend sie auch sein mag - in mancher Hinsicht von fundamentaler Bedeutung. Sie ist natürlich in erster Linie als Antwort auf die Frage gegeben, was das Wesen der syllogistischen Notwendigkeit ist. Sie läßt aber zugleich eine andere, nicht minder wichtige Grundfrage auftauchen, nämlich die Frage, welche Beziehung Syllogismus und nicht-syllogistische Schlußarten zueinander haben,· ob und in welchem Sinne der Syllogismus Vorrang vor anderen Schlußarten beanspruchen kann. Wir wissen nicht, wie diese Frage nach Alexander von den neuplatonischen Erklärern weiter behandelt wurde 24 . Die einzige Informationsquelle hierüber ist Philo24 Auch über das Diskussionsniveau, das die antiken Logiker bei der Behandlung der hier erwähnten Problematik bis zur Zeit Alexanders erreicht haben, wissen wir in Wirklichkeit nichts Genaues. Man kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß Alexanders Kommentare eine treue Widerspiegelung der Diskussionslage sind, vor allem wegen seiner nicht immer unvoreingenommenen Einstellung gegenüber den Stoikern, die in dieser Diskussion sicherlich eine wichtige Rolle gespielt haben. Die stoische Stellungnahme muß für die überzeugten Aristoteliker wie Alexander sehr provozierend gewesen sein. Die Stoiker behaupteten, daß der kategorische Syllogismus nichts anderes als eine Art der άμεθόδως περαίνοντες ist (Alex, in an. pr. 345,15-17). Wahrscheinlich liegt dieser Behauptung die Einsicht zugrunde, daß der konstante Teil im kategorischen Syllogismus „allem . . . zukommen" oder „einigem.. . zukommen" spezielle Relationsbegriffe sind, die im Grunde mit den in gewissen άμεθόδως περαίνοντες benutzten Begriffen wie „. . . μεϊζον είναι. . ." oder ,,έλαττον είναι" logisch gleichrangig sind. Die grundlegende Stellung in der Schlußtheorie nehmen für die Stoiker fünf άναπόδεικτοι ein, die die Peripatetiker hypothetische Syllogismen, die Stoiker ihrerseits einfach Syllogismen nannten. (Der kategorische Syllogismus galt nach dem stoischen Sprachgebrauch nicht einmal als Syllogismus.) Gegen die Stoiker verteidigt Alexander seine Position einerseits dadurch, daß er die Reduktion der άμεθόδως περαίνοντες auf kategorische Syllogismen in der oben gezeigten Weise vorführte. Andererseits versuchte er auch zu zeigen, daß die kategorische Syllogistik auch vor der hypothetischen Syllogistik Vorrang beanspruchen kann. Aber dieses Mal war es ihm vielleicht ganz klar, daß die Reduktion der fünf άναπόδεικτοι der hypothetischen Syllogistik auf kategorische Syllogismen ein aussichtsloses Unternehmen ist. Er wechselte den Gesichtspunkt und begründete den Anspruch auf den Vorrang mit dem Hinweis auf die größere Zweckmäßigkeit der kategorischen Syllogismen als Argumentation. Er meinte, daß hypothetische Syllogismen ohne Hilfe von kategorischen Syllogismen die Funktion als Argumentation letztlich nicht vollkommen erfüllen können (ebd. 262,8ff.). Wenn man die Sache unter dem Gesichtspunkt Alexanders betrachtet, gewinnt seine Meinung tatsächlich an Plausibilität. Wenn jemand, der die Wahrheit eines Satzes Q durch Argumentation begründen will, zuerst einen Satz Ρ als Begründung angibt und dann, um den Gesprächspartner, der, immer noch unzufrieden, weitere Begründung fordert, zu überzeugen, den Satz „Wenn P, dann Q" heranzieht, wird sein Vorgehen in den meisten Fällen nicht besonders zufriedenstellend sein, unter Umständen wird es als sehr töricht erscheinen. Die Ergänzung, die darin besteht,

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ponus' Kommentar zu den an. pr. Ammonius sagt an der Stelle, an der er die syllogistische Notwendigkeit erörtert, nichts von der Beziehung zwischen Syllogismus und άμεθόδως περαίνοντες. Und seine Erläuterung zu Kap. 34, wo die Reduktion der nicht-syllogistischen Schlüsse auf Syllogismen thematisch behandelt ist, ist nicht überliefert. Was aber von Philoponus über den Unterschied zwischen Syllogismus und άμεθόδως περαίνοντες vorgetragen wird, weicht kaum von dem ab, was von Alexander vorgetragen worden ist, und geht im Grunde in keiner Hinsicht darüber hinaus. Anscheinend wurde die Frage nach dem Status der Syllogistik auf dem Gebiet der Schlußtheorie in der Zeit nach Alexander nicht mehr so eifrig diskutiert. Wenn weitere Beiträge zur Erhellung dieser Frage geleistet worden wären, wäre die Geschichte der Logik wahrscheinlich anders verlaufen als sie tatsächlich verlief. Vielleicht hätte dann in ihr die Syllogistik nicht eine so dominierende Rolle gespielt. Der tatsächliche Verlauf der Geschichte ist durch die Tatsache bestimmt, daß sich die Syllogistik die besondere Position auf dem Gebiet der Schlußtheorie allzu leicht sicherte, ohne daß die von Alexander angeschnittene Frage gründlich behandelt wurde. Diese einmal gewonnene Position blieb weit über tausend Jahre lang unangefochten. Dies ist etwas verwunderlich, weil auf jene Frage von Alexander selbst nur eine sehr unbefriedigende Antwort gegeben worden ist. Wir können nun das bisher Berichtete zusammenfassen und folgende Feststellungen machen: Während es heute, da der Syllogismus allgemein als eine sehr spezielle Schlußart angesehen wird, für einen Logiker sicherlich angemessen und natürlich erscheint, bei der Erklärung des Syllogismusbegriffs mit dem allgemeinen Begriff des Schlusses als Oberbegriff zu beginnen, war der Ausgangspunkt der systematischen Erklärung des Syllogismusbegriffs bei den spätantiken Aristotelikern nicht der Schluß, sondern die Argumentation; der Syllogismus ist für sie primär eine Art Argumentation, und erst danach eine Art Schluß. So wird von ihnen mit Ρ durch einen kategorischen Syllogismus zu begründen, wie Alexander fordert, wird wohl als ein entscheidender Fortschritt in der Argumentation erscheinen, besonders für diejenigen, die wie die Aristoteliker der Meinung sind, daß wissenschaftliche Thesen letzten Endes in Form von kategorischen Sätzen mitgeteilt werden. Es ist aber zweifelhaft, ob der Gesichtspunkt, unter dem die Stoiker die Frage der Priorität behandelten, mit dem Gesichtspunkt Alexanders übereinstimmt. Alexander vermied, sich mit Argumenten eingehend auseinanderzusetzen, die die Stoiker in diesem Zusammenhang vorgebracht haben müssen. Auch in anderen Quellen für die stoische Logik finden sich keine genauen Informationen darüber, wie die Stoiker den Prioritätsanspruch der hypothetischen Syllogistik begründeten. Als nähere Untersuchungen über die hier nur kurz berührte Problematik sind folgende zwei Aufsätze zu erwähnen: I. Mueller, Stoic and peripatetic logic, in: Arch. f. Gesch. d. Phil. 51/1969, S. 173-187; M. Frede, Stoic vs. Aristotelian Syllogistic, in: Arch. f. Gesch. d. Phil. 56/1974, S. 1-32.

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Nachdruck hervorgehoben, daß der Syllogismus dem Wesen nach so beschaffen sein muß, daß er als Argument brauchbar ist. Damit vertraten sie nichts anderes als die unmittelbar aus ihrer Grundauffassung von der Logik als Organon gezogene Konsequenz. Das spezifische Merkmal, durch das sich der Syllogismus von anderen Argumentationsarten unterscheidet, sahen sie darin, daß im Syllogismus eine notwendige Beziehung zwischen Prämissen und Conclusio besteht. Sie glaubten weiter klar machen zu können, um welche Art von Notwendigkeit es sich hierbei handelt, wenn sie darauf hinwiesen, daß diese Notwendigkeit darauf beruht, daß im Syllogismus das Besondere aus dem Allgemeinen hergeleitet wird. Alexander ging noch einen Schritt weiter: Die schlagwortartige Charakterisierung des Wesens der syllogistischen Notwendigkeit „vom Allgemeinen zum Besonderen" liefert ihm nicht nur das Unterscheidungsmerkmal des Syllogismus gegenüber anderen Argumentationsarten, die rein logisch keine zwingende Kraft haben, sondern diente ihm zugleich auch dazu, die Besonderheit des Syllogismus gegenüber anderen, nicht-syllogistischen Schlußarten auszudrücken, und somit die Priorität der Syllogistik auf dem Gebiet der Schlußtheorie zu begründen. Aber die These der Priorität der kategorischen Syllogistik sowie die zugrunde gelegte Charakterisierung des Wesens der syllogistischen Notwendigkeit sind der Sache nach schwer zu verteidigen. Es ist interessant zu beobachten, daß gerade in diesen beiden schwachen Punkten die Nachwelt unter dem nachhaltigsten Einfluß der griechischen Kommentatoren stand.

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VII. Das System der Syllogismen Aristoteles hat nicht nur Syllogismen entdeckt, sondern auch gezeigt, daß die Syllogismen zueinander in logischen Beziehungen stehen; er hat nachgewiesen, daß auf die Syllogismen der ersten Figur die Syllogismen der zweiten und der dritten Figur unter Anwendung einiger Operationsregeln zurückgeführt werden können. Diese Zurückführung heißt bei Aristoteles auch Vervollkommnung. Nach ihm sind nämlich die Syllogismen der zweiten und der dritten Figur alle unvollkommen und die der ersten Figur vollkommen. Vom formallogischen Standpunkt aus gesehen ist in den an. pr. der Teil, in dem eben diese Vervollkommnung behandelt ist (A 4-6), am interessantesten. Vor allem ist darauf hinzuweisen, daß die durch die Vervollkommnung systematisch aufgebaute Syllogistik in ihrer Struktur einem axiomatischen System auffallend ähnlich ist. Die vollkommenen Syllogismen spielen die Rolle der Axiome und die unvollkommenen Syllogismen die der Theoreme. Und das Vervollkommnungsverfahren entspricht weitgehend dem Ableitungsverfahren. So hat Lukasiewicz nicht lange gezögert, die aristotelische Syllogistik einfach als ein axiomatisch-deduktives System zu charakterisieren1. Sein Urteil ist etwas voreilig. Vor allem angesichts der Tatsache, daß sich Aristoteles nicht ganz im klaren ist, welchen logischen Regeln die Reduktion der Syllogismen unterworfen ist, kann man nicht ohne weiteres sagen, Aristoteles habe in den an. pr. ein im strengen Sinne axiomatisch-deduktives System vorgelegt2. Doch ist es jedenfalls nicht zu leugnen, daß er wenigstens auf 1

Lukasiewicz, a.a.O., § 15. Bekanntlich behauptet Aristoteles, daß bei der Reduktion nur Syllogismen der ersten Figur benötigt werden. Es ist aber klar, daß man, wie man die logische Struktur der in den an. pr. durchgeführten verschiedenen Reduktionen der Syllogismen auch immer auslegen und analysieren mag, dabei mit Syllogismen allein als Reduktionsmittel nie auskommen kann. Außerdem legt die aristotelische Redeweise von „Vervollkommnung" nahe, daß die Reduktion in den an. pr. noch nicht als ein ganz rein logisches Beweisverfahren zu verstehen ist. Die Gültigkeit eines unvollkommenen Syllogismus zu beweisen, heißt doch nicht, ihn zu einem vollkommenen Syllogismus zu machen. Diese vom formallogischen Standpunkt aus gesehen nicht ganz empfehlenswerte Redeweise ist, wie Patzig bemerkt, dazu geeignet, die Tatsache zu verschleiern, daß die Reduktion nicht nur die Syllogismen der ersten Figur, sondern auch andere logische Regeln braucht (Patzig, a.a.O., S. 142). Wenn also Patzig ein vorsichtigeres Urteil als Lukasiewicz hinsichtlich der Frage fällt, ob die aristotelische Syllogistik ein axiomatisches System ist, ist er im Recht. Albrecht ist in dieser Hinsicht etwas zu weit gegangen. Er vertritt die Meinung, daß das aristotelische System mit einem axiomatischen System überhaupt nicht verglichen werden kann (W. Albrecht, Aristoteles' assertorische Syllogistik, Berlin 1970, bes. Kap. VI). 2

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dem Weg dazu ist. Und was allein dies schon in der Geschichte der Wissenschaft überhaupt bedeutet, bedarf keiner besonderen Bemerkung. Seltsamerweise wurde diese Tatsache während der letzten Jahrhunderte nicht beachtet, in denen doch manche Philosophen die „more geometrico "-Darstellungsweise als ideale Weise der systematischen Darstellung der Wissenschaft priesen. Die traditionelle Syllogistik, die während dieser Zeit gepflegt wurde, weist nur ganz wenige Spuren der Axiomatik auf. Der typische Aufbau der traditionellen Syllogistik kann ungefähr folgendermaßen geschildert werden: Zuerst werden die Regeln aufgestellt, die die Gültigkeitsbedingungen der Syllogismen angeben; zugleich wird der Nachweis erbracht, warum diese Regeln notwendig sind. Dann werden alle möglichen Kombinationen von drei kategorischen Sätzen verschiedener Art (Α, Ε, I und O) darauf geprüft, ob sie gegen diese Regeln verstoßen oder nicht. Alle Tripel von Sätzen, die gegen diese Regeln nicht verstoßen, werden dabei aufgezählt und als Syllogismen anerkannt. Oft werden zugleich graphische Darstellungen der Syllogismen wie Euler-Diagramme oder Venn-Diagramme herangezogen; solche anschaulichen Modelle sollen als Hilfsmittel das Verständnis erleichtern. Also wird die Gültigkeit der Syllogismen nicht dadurch erwiesen, daß sie auf gewisse Syllogismen, deren Gültigkeit ohne Beweis vorausgesetzt sind, reduziert werden. In der „Logique du Port-royal", also dem Buch, das auf die traditionelle Logik in mancher Hinsicht maßgebende Einflüsse ausgeübt hat, ist von dem Reduktionsverfahren nur wenig die Rede. Das Verfahren hat für die Verfasser dieses Buches nicht mehr die Bedeutung, die Aristoteles ihm beim Systemaufbau der Syllogistik beigemessen hat. Es dient für sie offenbar dazu, ein Argument, das in einem gegebenen Syllogismus enthalten ist, in einem anderen Gewand, d. h. in einem Syllogismus von anderer Figur, auszudrücken. Dies bestätigt später J. N. Keynes, der Verfasser eines noch am Anfang unseres Jahrhunderts viel gelesenen Lehrbuches der traditionellen Logik, ausdrücklich 3 , wenn er behauptet: „. . . the reduction is not a necessary part of the doctrine of the syllogism, so far as the establishment of the validity of the different moods is concerned."4 Es gab sogar Autoren, die behaupteten, die Zurückführung sei überhaupt unnatürlich, weil durch sie die Eigentümlichkeit jeder Figur zerstört werde5. Parallel zu einer derartigen Einstufung der Reduktion hat die tra3 J. N. Keynes, Formal Logic, London 1906, S. 318: „By reduction is meant a process, whereby the reasoning contained in a given syllogism is expressed in some other mood or figure." 4 Ebd., S. 327. 5 Ebd., S. 326. Den dieser Behauptung zugrundeliegenden Gedanken haben schon die Autoren der „Logique de Port-Royal" geäußert. Ζ. B. machten sie zu den Modi Cesare und Festino folgende Bemerkung: Sie seien von Celarent und Ferio, abgesehen von der umge-

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ditionelle Logik - wissend oder unwissend - die Syllogismen der 1. Figur der Stellung enthoben, die ihnen Aristoteles gegeben hatte. Sie sind in der traditionellen Logik nicht der Grund der Gültigkeit der Syllogismen der anderen Figur. Formallogisch gesehen gibt es für die traditionelle Logik keinen Grund, die Syllogismen der ersten Figur mit dem ehrenvollen Namen „vollkommene Syllogismen" auszuzeichnen. Als Aristoteles die Syllogismen der ersten Figur als vollkommene Syllogismen bezeichnete, hat er es getan, weil sie, wie gesagt, in seiner Syllogistik eine Rolle spielen, die der von Axiomen ähnlich ist, und eine besonders dazu geeignete Eigenschaft - von dem Standpunkt der modernen Theorie der Axiomatik aus gesehen allerdings eine nicht unbedingt nötige Eigenschaft - , nämlich die augenscheinliche Evidenz in der Formulierung haben. Aber da die traditionelle Logik kein deduktives System ist, hat sie solche ausgezeichneten Syllogismen nicht nötig, durch deren Gültigkeit die Gültigkeit der anderen Syllogismen bewiesen wird6. Im Hinblick auf den Systemaufbau der Syllogistik stellt die Spätantike die Übergangsphase zwischen der aristotelischen und der traditionellen Logik dar. Die Spätantike knüpft in manchem Punkt an Aristoteles enger an als die Neuzeit, in der die an. pr. kaum gelesen wurden. Andererseits kehrten Reihenfolge der Terme der Maiorprämisse, nicht verschieden. Nur seien diese letzteren Modi der ersten Figur direkter. Aber manchmal seien auch die Modi der zweiten Figur nicht weniger brauchbar. Diese Bemerkung erläutern sie mit dem folgenden Beispiel: „Kein glaubwürdiger Mensch ist Lügner. Jeder Ehrenmann ist glaubwürdig". Es sind die Prämissen von Celarent. Nun sagen sie, unser Geist aber neige von sich aus und unmittelbar dazu, zu sagen: „Kein Lügner ist glaubwürdig" (Arnauld/Nicole, Logique, S. 167-168). So ist nach ihnen in dem angeführten Fall der Syllogismus der Form Cesare, der diesen Satz und den zweiten Satz des Beispiels als Prämissen hat, dem Syllogismus der Form Celarent vorzuziehen, der als Beispiel gegeben ist, obwohl die beiden Syllogismen als ein und dieselbe Argumentation mit dem gleichen Inhalt zu betrachten sind. In ähnlichen Fällen wäre die Reduktion von Cesare auf Celarent deswegen nicht empfehlenswert, weil dadurch die Natürlichkeit der Argumentation in der zweiten Figur zerstört wird. Das Berichtete zeigt, glaube ich, unmißverständlich, auf welche Weise die Reduktion im Zusammenhang mit der Kunst der konkreten Argumentation behandelt wurde. In diesem Punkt ist die traditionelle Logik der Idee der Logik als Organon durchaus treu - auf Kosten der Entwicklung der formalen Logik. 6 Außerdem ist die eigentümliche Evidenz der Syllogismen der ersten Figur, welche auf der aristotelischen Formulierung beruht, in der Schreibweise der traditionellen Logik sowieso nicht mehr sichtbar. Ζ. B. ist Barbara in der traditionellen Logik wie folgt formuliert: „Alles Μ ist P. Alles S ist M, also Alles S ist P." Dagegen sieht die aristotelische Formulierung so aus: „Wenn Α allem Β zukommt und Β allem C, dann kommt Α allem C zu". Es ist vor .allem darauf zu achten, daß in der aristotelischen Formulierung anders als in der traditionellen Formulierung der Mittelbegriff in der Mitte (im räumlichen Sinne!) steht. Gerade wegen dieser Stellung des Mittelbegriffs und der Außenbegriffe springt die Transitivität der Begriffe sofort ins Auge. Darauf geht die Vollkommenheit, genauer die vollkommene Evidenz zurück, die den Syllogismen der ersten Figur eigen ist. Hierüber das Nähere bei Patzig, a.a.O., Kap. ΙΠ.

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aber begannen schon damals Anzeichen der späteren Entwicklung sichtbar zu werden. Vor allen Dingen ist zu bemerken, daß bei der Erörterung des Systems der Syllogismen die Rolle der Regeln der Syllogismen, wie sie in der traditionellen Logik genannt werden, in den Vordergrund gerückt war. Philoponus sagt in der einleitenden Partie der Erläuterungen zu A4-6 folgendes: „Man soll zunächst sagen, welche Eigenschaften in jeder Figur zu bewahren sind (selbstverständlich damit die syllogistische Folgerung zustandekommt), indem man das, was Aristoteles nur einzeln gezeigt hat, nach Arten ordnet"7, und anschließend gibt er die Regeln der Syllogismen in recht systematischer Form an, die später den Grundstock des Systems der traditionellen Syllogistik bilden werden. Anscheinend glaubt er, daß mangels der vorausgeschickten Angabe der Regeln der Syllogismen die aristotelische Darstellung in A4-6 eher diffus als systematisch ist. Die von ihm angegebenen Regeln teilen sich zunächst in zwei Arten: in die Regel, die die Conclusio betrifft, und die Regeln, die die Prämissen betreffen. Die Regel, die die Conclusio betrifft, lautet: „Die Conclusio folgt der schlechteren Prämisse". Als schlechter gilt die partikuläre Aussage gegenüber der allgemeinen Aussage und die verneinende Aussage gegenüber der bejahenden Aussage. Die Regel besagt also, daß, wenn eine Prämisse partikulär ist, auch die Conclusio partikulär ist, und wenn eine Prämisse verneinend ist, auch die Conclusio verneinend ist. Die Regeln, die die Prämissen betreffen, teilen sich wiederum in zwei Arten; in die Regeln, die für alle Figuren allgemeingültig sind, und die Regeln, die nur innerhalb einer Figur Geltung haben. Die allgemeinen Regeln für Prämissen sind die folgenden zwei: „Die Prämissen dürfen nicht alle beide verneinend sein; sie dürfen auch nicht alle beide partikulär sein." Für die 1. Figur gelten ebenfalls zwei Regeln: „Die Maiorprämisse muß allgemein und die Minorprämisse bejahend sein." Die Regeln für die 2. Figur lauten: „Die Maiorprämisse muß allgemein sein und die Minorprämisse darf in Qualität mit der Maiorprämisse nicht übereinstimmen (άνομοιοσχήμονα)." Für die 3. Figur gilt nur eine Regel: „Die Minorprämisse muß bejahend sein." Daraus, daß in der 3. Figur anders als in den anderen Figuren nur eine Regel einzuhalten ist, erklärt sich nach Philoponus, daß es in dieser Figur mehr Modi gibt als in den anderen Figuren. Verglichen mit dem ausgearbeiteten Corpus von Regeln der Syllogismen in der traditionellen Logik fehlen hier einige Regeln. Die wichtigste 7

Philop. in an. pr. 69,35-70,1: „δει πρότερον είπεΐν, πόσα δει παραφυλάττεσθαι και ποία έπί τών τριών σχημάτων, συνάγοντας [είς]εΐδη τά κατά μέρος ύπό τοΟ 'Αριστοτέλους άποδεικνύμενα."

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von den fehlenden Regeln ist vielleicht die Regel der Distribution, die in dem von vielen Autoren der traditionellen Logik dargestellten System insofern eine besondere Stellung einnimmt, als sie als Grundlage für die Begründung der Rechtmäßigkeit der anderen Regeln dient. Das Fehlen einer solchen Regel läßt erkennen, daß die Kommentatoren noch nicht auf den Gedanken gekommen sind, daß die Rechtmäßigkeit der Regeln begründungsbedürftig ist. Übrigens ist in den Kommentaren der Spätantike der Terminus „Regeln der Syllogismen" noch nirgends benutzt. Soviel zu ermitteln ist, führte erst Petrus Hispanus das Wort regulae syllogismi als Terminus ein8. Die Kommentatoren benutzten anstelle von „Regeln der Syllogismen" unverbindliche Neutra wie κοινά (für allgemeine Regeln) oder ίδια (für die Regeln, die innerhalb einzelner Figuren Geltung haben). Sicherlich verstehen sie das, was sie als κοινά oder ίδια bezeichnen, noch nicht ganz als Vorschriften, jedenfalls nicht so bewußt und klar, daß es auch zu einer entsprechenden terminologischen Festlegung käme. Die Entwicklung nach der Spätantike geht dahin, daß „Regeln der Syllogismen" sich als Terminus konsolidierte und zugleich die Rechtmäßigkeit dieser Regeln allmählich zum Gegenstand der Überlegungen wurde, so daß sich das Interesse nunmehr auf eine andere Ebene, d. h. vom Standpunkt des aristotelischen Systems in A4-6 gesehen auf eine metatheoretische Ebene verschob. Jedoch ist zu bemerken, daß auch schon damals die Regeln der Syllogismen, deren Rolle bei der systematischen Darstellung der Syllogistik, wie gesagt, mehr Gewicht zu bekommen begann, manche Logiker zu neuen Überlegungen über das System der Syllogistik angeregt haben. Einer von diesen ist Alexander. Wenn wir die oben angeführten Regeln miteinander vergleichen, können wir folgende Beobachtung machen: Im Hinblick auf die Maiorprämisse gilt die gleiche Regel für die 1. Figur und 2. Figur und im Hinblick auf die Minorprämisse gilt die gleiche Regel für die 1. Figur und 3. Figur. Alexander versucht den Grund für diese partielle Gleichheit zu erklären, indem er eine interessante Theorie aufstellt. Im folgenden wird diese Theorie etwas näher behandelt. Diese Theorie hat in der Spätantike eine Debatte entfacht, deren wahrscheinlich sehr große wirkungsgeschichtliche Bedeutung noch nicht genügend gewürdigt ist. Alexander behauptet, die 2. und 3. Figur seien aus der 1. Figur entstanden, und zwar durch Konversion einer Prämisse, und bei dieser Entstehung übertrügen sich die Eigenschaften, die den Modi der 1. Figur zukommen, auf die Modi der anderen Figuren; die Konversion der Maiorprämisse der 1. Figur ergebe nämlich die 2. Figur und die Konversion der Minorprämisse der 1. Figur die 3. Figur. Daher kommt es, daß 8

P. Hispanus, Summulae logicales, ed. I. M. Bochenski, Turin 1947 S. 37.

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die Maiorprämisse der Modi der 2. Figur wie die der Modi der 1. Figur allgemein ist und die Minorprämisse der Modi der 3. Figur bejahend wie die der Modi der 1. Figur ist. Dieser These der Figurenentstehung begegnet man allerdings nirgends in den an. pr. Nach Themistius' Bericht sind es die jüngeren Peripatetiker, die Urheber dieser These sind. Es ist aber sicher, daß diese These an einen in den an. pr. zweifellos vorhandenen Denkansatz anknüpft. Aristoteles baut in A4-6 das System der Syllogistik auf, indem er die Gültigkeit der Modi der 1. Figur ohne Beweis annimmt und sie zur notwendigen Voraussetzung für den Beweis der übrigen Modi und somit zu dem Fundament seines im Grunde deduktiv angelegten Systems macht. Offenkundig glaubten diejenigen, die die Theorie der Figurenentstehung aufstellten, daß der Grundgedanke dieses Unternehmens von Aristoteles mit ihrer Theorie gänzlich vereinbar sei. Es kann ihnen nicht entgangen sein, daß sich das Beweisverfahren von Aristoteles in geradezu umgekehrter Richtung zu dem Prozeß der Figurenentstehung vollzieht, wie sie ihn sich vorstellen; Aristoteles geht von der 2. und 3. Figur aus, konvertiert eine Prämisse der Modi, die diesen Figuren angehören, und gelangt zu der 1. Figur. In der Theorie der Figurenentstehung bildet dagegen die 1. Figur den Ausgangspunkt. Aber dies scheint die Urheber dieser Theorie nicht sonderlich beunruhigt zu haben. Alexander sagt an einer Stelle: „Die Figuren werden wieder auf die 1. Figur zurückgeführt durch die Konversion jener Prämisse, durch deren Konversion sie aus der 1. Figur entstanden sind, und damit vollzieht sich der Gültigkeitsbeweis"9. Man sollte auf das Wort „wieder" an dieser Stelle achtgeben. Allem Anschein nach glaubt Alexander, daß die in A4-6 vorgenommene Reduktion gerade deswegen als Beweisverfahren gerechtfertigt werden kann, weil ihr der Vorgang der Figurenentstehung im logischen Sinne vorangeht. Themistius, der ebenso ein überzeugter Anhänger der These der Figurenentstehung ist, drückt im Grunde den gleichen Gedanken aus, wenn er unter Berufung auf die Autorität der Fachkundigen folgendes sagt: „Die Modi der 2. und der 3. Figur können deswegen auf die 1. Figur zurückgeführt werden, weil die Gültigkeit der Modi der 2. und der 3. Figur nicht aus sich selbst, sondern von der 1. Figur herkommt" 10 . ' Alex, in an. pr. 97,27-30: ,,άφ'ής γαρ προτάσεως έκατέρω τών σχημάτων άντιστραφείσης έκ τοΟ πρώτου σχήματος ή γένεσις, ταύτης άντιστρεφομένης πάλιν και ή άνάλυσις και ή άναγωγή αύτών είς τό πρώτον γίνεται σχήμα, δι'ής άναλύσεως δείκνυνται τό συλλογιστικών έχοντες." 10 Themistius, Traite S. 176 „. . . mais les experts en cette matiere disent que la reduction des syllogismes des deux figures se fait ä la premiere, puisque leur verite ne peut pourvenir d'eux-memes, mais de la premiere figure." Badawis Übersetzung „verite" gebe ich hier mit

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Am besten kann die Figurenentstehung als ein Vorgang verstanden werden, der etwa der Geburt ähnlich ist; wie bei der Geburt gewisse Merkmale sich vererben, so übertragen sich gewisse Merkmale, von denen die unbeweisbare Gültigkeit der Modi der 1. Figur abhängt, auf die συζυγίαι der 2. und der 3. Figur. Alexander und Themistius benutzen tatsächlich auch den Ausdruck „erzeugen": die 1. Figur habe die anderen Figuren erzeugt11. Wenn man den Vorgang der Geburt oder der Erzeugung als Modell akzeptiert, das für die Erklärung des Gültigkeitsgrundes der Modi der 2. und 3. Figur geeignet ist, liegt der Gedanke der beiden Autoren schon nahe; die aristotelische Reduktion ist etwa mit einem Fall vergleichbar, in dem ein Nachweis zu erbringen ist, daß jemand ein Adliger ist; dieser Nachweis ist schon dann unmöglich, wenn die betreffende Person überhaupt nicht in einer adligen Familie geboren ist. In einem ähnlichen Sinn setzt die aristotelische Reduktion gewissermaßen die Figurenentstehung voraus. Man kann zustimmen, daß in der These der Figurenentstehung eine auch für uns naheliegende, zumindest verständliche Vorstellung zum Ausdruck kommt. Doch kann sich diese These bei näherer Betrachtung nicht als stichhaltige Theorie ausweisen. Es stellt sich vor allem die Frage, inwieweit die Figurenentstehung, die als Konversion erklärt ist, die Übertragung der den Modi der 1. Figur zukommenden Gültigkeit auf die Modi der anderen Figuren ermöglicht. Wenn wir den Blick auf einzelne Modi richten, finden wir gleich, daß die Antwort auf diese Frage alles andere als befriedigend ist. Da bei der Konversion, durch die die 2. Figur entsteht, die Allgemeinheit der Maiorprämisse der Grundmodi unversehrt auf die Maiorprämisse der Modi dieser Figur übertragen werden soll, ist es klar, daß die Konversion, um die es sich hier handelt, nur die E-Konversion sein kann. Wenn es so ist, dann kann die Herkunft der Modi, deren Maiorprämisse ein Α-Satz ist, also Camestres und Baroco, nicht so, wie es sich Alexander vorstellt, erklärt werden. Auch mit den Modi der 3. Figur verhält es sich ähnlich. Außer Datisi und Ferison haben alle „Gültigkeit" wieder. Denn das Wort „Wahrheit" in diesem Zusammenhang kann für moderne Leser mißverständlich sein, denen die strenge Unterscheidung von Satzlogik und Regellogik bzw. logischer Wahrheit und Gültigkeit vertraut ist. Es kann als ausgeschlossen gelten, daß die spätantiken Logiker bewußt die Satzlogik betrieben. Alle uns bekannten Gelehrten der Spätantike formulierten den Syllogismus als Schluß bzw. Schlußregel. Soviel wir aufgrund der Übersetzung von Badawi urteilen können, ist Themistius in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Aus diesem Grund würde ich mich auch dann für die Übersetzung „Gültigkeit" entscheiden, wenn es sich herausstellen sollte, daß im Originaltext an der Stelle das Wort ,,άλήθεια" steht. Übrigens ist hinzuzufügen, daß es sehr wahrscheinlich ist, daß die damaligen Logiker die Unterscheidung von Satzlogik und Regellogik überhaupt nicht kannten. 11 Alex, in an. pr. 48,10-11. Themist., Traite, S. 167.

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Modi dieser Figur einen Α-Satz als Minorprämisse; durch Konversion ist aber nie zu einem Α-Satz zu gelangen. Auf die Modi mit A-Minorprämisse kann also das, was Alexander sagt, auf keinen Fall zutreffen. Angesichts dieses Ergebnisses wird man sich wundern, mit welchem Recht behauptet werden kann, daß die Regeln, die jeweils für alle Modi der 2. Figur und für alle Modi der 3. Figur allgemein verbindlich sind, von den Regeln für Grundmodi bei der Figurenentstehung herkommen. Alexander schweigt über diesen problematischen Punkt seiner These. Etwas Näheres hören wir von Themistius. In seinem Traite weist er selber darauf hin, daß nicht alle Modi durch die Konversion einer Prämisse der Grundmodi gewonnen werden. Aber er glaubt, daß die Theorie der Figurenentstehung trotzdem aufrechtzuerhalten ist. Er meint, daß die Figurenentstehung nicht im Sinne der Herleitung einzelner Modi aus den Grundmodi verstanden werden darf. Nun stellt er eine seltsame Behauptung auf. Nach ihm bezieht sich das Wort „entstehen" (oder „erzeugen") in der Theorie nur auf die Figuren als solche, aber nicht auf die einzelnen Modi, die einer so entstandenen oder erzeugten Figur angehören12. Da die Entstehung der Figuren als Prämissenkonversion erklärt ist, besagt diese Behauptung, daß es eben eine Konversion gibt, die nur auf Figuren als solche anwendbar ist. Wie sollten wir aber eine solche Konversion verstehen? Figur bedeutet in der Syllogistik primär eine gewisse formale Eigenschaft hinsichtlich der Stellung der Terme in der συζυγία, aber sie wird auch häufig als Sammelname für eine Gruppe von συζυγίαι benutzt, die eine bestimmte derartige Eigenschaft gemeinsam haben. Von der Konversion nur auf die formale Eigenschaft der Stellung der Terme beschränkt zu reden, ohne Quantität und Qualität der πρότασις einzubeziehen, widerspricht der Definition der Konversion. Es ist also sinnlos, von den im Sinne der Form verstandenen Figuren zu sagen, daß die eine aus der anderen durch Konversion entsteht. Andererseits, wenn von der Figur, die als Kollektivum für alle unter sie fallenden Paare der Sätze mit bestimmter Qualität und Quantität zu verstehen ist, die Rede ist, ist es unmöglich, daß die Figuren getrennt von den Modi, die ihnen angehören, entstehen. Wir können uns einfach eine derartige Konversion nicht vorstellen, die nur auf Figuren als solche anwendbar ist. Es wird wohl nicht zu hart klingen, wenn wir sagen, daß Themistius sich, nur um die Theorie der Figurenentstehung auf jeden Fall nicht fallenzulassen, zu einer abwegigen Behauptung verstiegen hat. Es fragt sich überhaupt, wozu die Theorie der Figurenentstehung eigentlich sonst nutzen kann, wenn sie nicht im Sinne der Herleitung der einzelnen Modi aus den Grundmodi zu verstehen ist. Hat die aristotelische Reduktion der Syllogismen etwa zu ihrer 12

Themist., Traite, S. 170. 123

metatheoretischen Rechtfertigung so etwas wie diese Theorie nötig? Oder macht es die Begründung der Rechtmäßigkeit der Regeln für die 2. und die 3. Figur notwendig, diese Theorie heranzuziehen? Ein logisch geschulter Interpret würde - wenn er einen in unserem Zusammenhang logisch wichtigen Punkt in den an. pr., nämlich den Denkansatz zum deduktiven Systemaufbau würdigen will - jedenfalls nicht zu einer solchen Theorie greifen. In diesem Fall wird für ihn im wesentlichen der Hinweis auf zwei Dinge genügen: daß die Reduktion gemäß logischen Gesetzen vollzogen ist - dabei müssen diese Gesetze zur Genüge expliziert werden - und daß die Modi der 1. Figur einfach als unbeweisbar gültige Grundmodi des Systems angenommen sind. Beides sind nun die Punkte, deren grundlegende Bedeutung für das richtige Verständnis des hier in Rede stehenden Systems von Alexander und Themistius nicht nur ihres, sondern generell das der antiken Kommentatoren überhaupt - nicht zur Genüge erkannt worden sind. Erstens: Alexander und Themistius haben wahrscheinlich keine klare Einsicht in die logische Struktur des Reduktionsverfahrens der an. pr., sie machen wie die meisten Aristoteliker keinen ernsten Versuch, logisch kontrollierte Beweisgänge dieses Verfahrens zu analysieren. Ohne eine solche Einsicht können aber Überlegungen über das System der Syllogismen verständlicherweise leicht von unnötigen, logisch nicht begründbaren vagen Vorstellungen beeinflußt werden. Zweitens: Was auch die vielleicht zuerst nicht so bedeutsam wirkende Annahme der Grundmodi des Systems angeht, ist es wichtig zu beachten, daß die antike Vorstellung davon, was es mit dieser Annahme auf sich hat, von der modernen Vorstellung sicherlich in erheblichem Maß differiert. Wenn ein Logiker, der sich an der modernen Theorie der Axiomatik orientiert, an die Bedingungen denkt, die für die Grundmodi des aufzubauenden Systems der Syllogistik zu stellen sind, sind es bestimmt Bedingungen wie die der Widerspruchsfreiheit oder der Vollständigkeit. Solange diese Bedingungen erfüllt sind, wird die Frage, welche Modi als Grundmodi angenommen werden sollen, für ihn weitgehend eine Frage der einigermaßen willkürlichen Festlegung sein. Hingegen wird in der Antike den Grundsätzen, die als Axiome eines deduktiven Satzes auftreten, immer irgendeine ontologische oder erkenntnistheoretische Bedeutung - ausdrücklich oder nicht - zugeschrieben, die ihnen innerhalb des aufzubauenden Systems eine absolute Priorität gegenüber abgeleiteten Lehrsätzen sichert. Axiome sind für antike Philosophen sozusagen das von Natur vorgegebene Fundament des Systems. Wenn wir hier ein berühmtes Begriffspaar aus der antiken Philosophie heranziehen dürfen, können wir sagen, daß die Differenz zwischen der modernen Theorie des deduktiven Systems und der antiken Theorie davon darin liegt, daß die eine den νόμος-Aspekt der Axiomatisierung an124

erkennt, die andere aber nur den φύσις-Aspekt gelten läßt. Wir müssen diese Differenz in Erwägung ziehen, wenn wir verstehen wollen, was Gelehrte wie Alexander und Themistius zur Aufstellung der Theorie der Figurenentstehung hat veranlassen können. Wir müssen annehmen, daß sie auch in ihrer Auffassung von dem Status der Grundmodi im System des Syllogismus innerhalb des von der damaligen Theorie der Axiomatik bestimmten Horizontes blieben. So muß es für sie ein ganz bestechender Gedanke gewesen sein, die Annahme der Modi der 1. Figur als Grundmodi mit einer Theorie in Verbindung zu bringen, welche besagt, daß die Modi der 1. Figur so etwas wie ein Seinsgrund für die Modi der 2. und 3. Figur sind. Und als solch eine Theorie kann die Theorie der Figurenentstehung wirklich sehr adäquat erschienen sein; was könnte in solchem Fall besser gesagt werden, als daß überhaupt die Figuren, denen abzuleitende Modi angehören, eigentlich aus der Figur, der die Grundmodi angehören, entstanden sind? In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß die in den an. pr. gemachte Unterscheidung von vollkommenen und unvollkommenen Syllogismen zugunsten dieser Theorie herangezogen worden ist. Themistius weist an einer Stelle seines Traite darauf hin, daß gegen seine Theorie der Figurenentstehung der Einwand erhoben werden kann, es sei erlaubt, nicht nur von der Entstehung der 2. und der 3. Figur aus der 1. Figur zu reden, sondern auch von der Entstehung der 1. Figur aus einer anderen Figur, da nicht nur die Konversion einer Prämisse der 1. Figur eine andere Figur ergebe, sondern auch die Konversion der Maiorprämisse der 2. Figur und die der Minorprämisse der 3. Figur jeweils die 1. Figur ergebe. Gegen diesen Einwand verteidigt er seine Theorie, indem er sich eben auf jene Unterscheidung der Syllogismen in den an. pr. beruft. Er meint, das Vollkommene könne das Unvollkommene hervorbringen, aber der umgekehrte Fall sei unmöglich, und in diesem Sinne sei die 1. Figur die Ursache (αιτία) der anderen Figuren13. Es ist allerdings mehr als fragwürdig, ob die Begriffe „Vollkommenheit" und „Unvollkommenheit" in den an. pr. legitimerweise so ausgelegt und benutzt werden können, daß sich darauf ein Gedanke stützen kann, der später zu einem viel benutzten Topos in philosophischen Spekulationen werden sollte - man 13 Themist., Traite S. 167. In Badawis Übersetzung steht „la cause" anstelle von ,,αίτία". Es kann als völlig sicher gelten, daß es im Originaltext ,,αίτία" heißt. Übrigens ist darauf zu achten, daß die Eigenschaft „Vollkommenheit" bzw. „Unvollkommenheit", die in den an. pr. nur den Syllogismen zukommt, in Themistius' Argument stillschweigend auf die Figur übertragen ist. Diese sehr wahrscheinlich schon vor Themistius' Zeit bei der Einführung der Theorie der Figurenentstehung vorgenommene Übertragung hatte nachhaltige Wirkung, auch in der Zeit, wo die Theorie der Figurenentstehung nicht mehr beachtet wurde. Vgl. hierzu Patzig, a.a.O., S. 52, 87, 88.

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denke etwa an die von Descartes zum Beweis der Gottesexistenz vorgebrachte Argumentation, in der „Vollkommenheit" und „Unvollkommenheit" auf ähnliche Weise benutzt sind. Wenn die Interpretation richtig ist, daß die Vollkommenheit der Syllogismen in den an. pr. im Sinne der Vollkommenheit der Evidenz der Syllogismen zu verstehen ist, dann tut Themistius hier etwas Unzulässiges. In der Bedeutung der vollkommenen Evidenz finden wir nichts, was die Annahme notwendig macht, daß das vollkommen Evidente der Seinsgrund für das nur unvollkommen Evidente ist. Es ist jedoch auch nicht zu leugnen, daß Aristoteles selbst nicht ganz frei von Verantwortung für eventuelle Mißverständnisse seiner Terminologie ist. Aristoteles sagt schließlich nicht „vollkommen evidente Syllogismen", sondern einfach „vollkommene Syllogismen". Und dieser Terminus veranlaßt einen leicht, zu denken, daß die Vollkommenheit sich direkt auf das Wesentliche am Syllogismus bezieht, aber nicht auf eine Eigenschaft, die für dessen Bestehen im Grunde unwesentlich ist. Evidenz ist eben eine solche Eigenschaft des Syllogismus. Wenn das Wesentliche an dem Syllogismus als Gültigkeit aufzufassen ist, und „vollkommen" und „unvollkommen" als Beiwörter, die sich auf die Gültigkeit beziehen, dann wird durch die aristotelischen Termini der Gedanke nahegelegt, es gebe vollkommene Gültigkeit und unvollkommene Gültigkeit, also so etwas wie einen Gültigkeitsgrad. Auf einen derartigen fast an Unsinn grenzenden abwegigen Gedanken verfiel, soweit bekannt ist, keiner der damaligen Aristoteliker. Doch ist es verständlich, daß es vielen schwerfiel, die syllogistische Vollkommenheit nur im Sinne der Evidenz zu nehmen, da die Begriffe wie Vollkommenheit und Unvollkommenheit in der Antike ohnehin metaphysisch beladen waren. Auch für Alexander bedeutet die syllogistische Vollkommenheit mehr als bloße Evidenz. An der Stelle, an der er die Frage behandelt, warum die 1. Figur als solche genannt und an die erste Stelle des Systems der Syllogistik gestellt ist, weist er als Antwort darauf hin, daß das Vollkommene fundamentaler (πρότερον) als das Unvollkommene ist14. Schon im Sinne der Vollkommenheit, die Aristoteles den Syllogismen der 1. Figur zukommen läßt, steckt für ihn etwas, was die im systematischen Hinblick besondere Stellung der 1. Figur unmittelbar berechtigt. Die Theorie der Figurenentstehung ist also auch bei Alexander durch die Unterscheidung von vollkommenen und unvollkommenen Syllogismen - wenn auch nicht so direkt - unterstützt. Die bisherige Betrachtung zeigt, daß die Theorie der Figurenentstehung auf verständliche Weise motiviert ist, nämlich dadurch, daß sich die Vertreter dieser Theorie wohl von einem aus der damaligen Perspektive na14

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Alex, in an. pr. 47,26.

heliegenden Gedanken leiten ließen. Doch erlangte diese Theorie auch unter den damaligen Gelehrten keine allgemeine Anerkennung. Seitdem die Neuplatoniker das Aristotelesstudium übernahmen, verbreitete sich vielmehr eine andere Ansicht über das System der Syllogistik. Während Gelehrte wie Alexander und Themistius an dem Gedanken festhielten, daß die Modi der 1. Figur der eigentliche Gültigkeitsgrund für die anderen Modi sind, lehnten die Vertreter der neuen Ansicht diesen Gedanken ab. Unter ihnen ist Maximus, ein Zeitgenosse von Themistius, wohl am radikalsten. Nach Themistius, dessen Traite eigentlich eine Art Streitschrift gegen Maximus ist, behauptet Maximus, daß nicht nur die Syllogismen der 1. Figur, sondern auch alle anderen Syllogismen ihren Gültigkeitsgrund in sich haben und in dem Sinne genauso vollkommen sind, und daß sie alle darum keiner Reduktion bzw. keines Gültigkeitsbeweises bedürftig sind15. Wie Maximus seine Behauptung begründet, wissen wir nicht genau. Soweit wir aufgrund der Informationen, die Themistius' Traite, die einzige uns erhaltene Quelle, enthält, urteilen können, ist seine Begründung logisch nicht so interessant. Wie immer aber die Ansicht von Maximus und den gleichgesinnten Neuplatonikern begründet gewesen sein mag, sie beeinflußte hinsichtlich der Systematisierung die spätere Entwicklung der Syllogistik auf entscheidende Weise. Als neuplatonisches Erbe zu bezeichnen ist das schon kurz beschriebene, der traditionellen Syllogistik eigene Charakteristikum, das darin besteht, daß die Modi der 1. Figur, aber auch die Modi anderer Figuren bzw. die Regeln des Syllogismus, die die Gültigkeitsbedingungen der Modi einer bestimmten Figur angeben, keine Sonderstellung im System einnehmen, wie sie Alexander oder Themistius ihnen zugeschrieben haben. Die Theorie der Figurenentstehung war hingegen schon gegen Ende der Antike so gut wie verdrängt. Unter namhaften Gelehrten dieser Zeit ist als Anhänger der Theorie der Figurenentstehung nur noch Boethius zu nennen16. Die alexandrinische Schule, die zu dieser Zeit der Hauptträger der Tradition des Aristotelismus war, distanzierte sich bestimmt unter dem Einfluß der neuplatonischen Vorgänger von dem Gedanken, der der Theorie der Figurenentstehung zugrunde liegt. Wenn wir die Stellen in Alexanders Kommentar zu den an. pr., an denen von der Beziehung der Regeln der Syllogismen zueinander gesprochen wird, mit den entsprechenden Stellen in Philoponus' Kommentar vergleichen, stellen wir gleich eine wichtige Abweichung fest (die entsprechenden Stellen in Ammonius' Kommentar 15

Themist., Traite, S. 166. „Nunc autem unde hae figurae nascantur, in eadem iterum resolvuntur. Sed secunda et tertia figura de prima figura nasci et procreari videntur", De syll. cat., S. 812 D. Man sollte diese Stelle mit dem Zitat aus Alexanders Kommentar vergleichen (s.o.S. 121, Anm. 9). 16

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fehlen in dem uns erhaltenen Teil seines Werkes). Über die Beziehung der Regeln der Syllogismen macht Philoponus nur die kurze Bemerkung, daß auch die Syllogismen der 2. und 3. Figur die Eigentümlichkeiten, die die Regeln für die 1. Figur aufweisen, teilen17. Diese Bemerkung ist nicht mehr als eine bloße Feststellung des Faktums, daß es unter den Regeln für verschiedene Figuren eine partielle Gleichheit gibt. Er macht keinen Versuch, den Grund für diesen etwas auffälligen Sachverhalt zu erklären. Daß in Philoponus' Kommentar so gar keine Spur von dem, was einst Alexander behauptet hat, zu finden ist, ist ein seltener Fall. Hier handelt es sich wohl um einen Punkt, in dem der Einfluß der neuplatonischen Vorgänger auf die alexandrinische Schule besonders stark war. Maximus selbst denkt sich seinen eigenen Standpunkt nicht nur dem Standpunkt von Alexander oder Themistius entgegengesetzt, sondern auch dem aristotelischen. Dies geht aus der oben angeführten Behauptung von Maximus hervor. Wie wir sahen, verbindet er die Behauptung, daß alle Syllogismen ihren Gültigkeitsgrund in sich haben, mit der Behauptung, daß alle Syllogismen gleichermaßen vollkommen sind, und zieht ferner die Konsequenz, daß sie alle darum weder eines Beweises noch einer Reduktion bedürftig sind. Wir wissen nun aus Ammonius' Kommentar zu den an. pr., daß noch viele andere, der aristotelischen Autorität entgegentretend, Maximus' Meinung über die Vollkommenheit der Syllogismen teilten. Nach Ammonius stellte schon Boethos die Behauptung auf, alle Syllogismen - gleichgültig von welcher Figur - seien vollkommen. Davon berichtet auch Themistius in seinem Traite. Ammonius nennt weiter die Namen der Autoren, die die Vollkommenheit aller Syllogismen behaupten. Da sind Namen wie Porphyrius, Jamblichus, Kaiser Julianus, Proclus und Hermeias (Ammonius' Vater) genannt. In dieser Liste sind also praktisch alle Schulrichtungen der Neuplatoniker vertreten18. Der Berichterstatter selbst, Ammonius, schließt sich der Mehrheit seiner neuplatonischen Vorgänger an und hält es für richtig, alle Syllogismen vollkommen zu nennen. Es ist allerdings ungewiß, ob alle Gelehrten so weit wie Maximus gingen, die Beweis- und Reduktionsbedürftigkeit von Syllogismen einfach zu verneinen. Wahrscheinlicher ist es, daß wenigstens manche von ihnen eine solche extreme Konsequenz nicht billigten. Boethos z.B. bemühte sich seinerseits darum, eine neue Methode des Gültigkeitsbeweises der 17

Philop. in an. pr. 70,10-11. Ammon. in an. pr. 31,12 ff. ; Ammonius äußert hier die Vermutung, daß möglicherweise Theophrast der Urheber dieser nichtaristotelischen Tradition ist. Er scheint sich aber seiner Sache nicht sicher zu sein. Vielleicht waren logische Schriften von Theophrast schon zu seiner Zeit verschollen. 18

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Syllogismen zu entwickeln. Dies konnte er natürlich deswegen unternehmen, weil er die Beweisbedürftigkeit und -möglichkeit der Syllogismen nicht einfach in Abrede stellte. Freilich bleibt er dabei dem Grundgedanken treu, daß alle Syllogismen vollkommen sind und ihren Gültigkeitsgrund in sich haben; daher zog er für den Gültigkeitsbeweis der Modi der 2. Figur oder der 3. Figur nie die Modi der 1. Figur als deren Gültigkeitsgrund heran. Z.B. zum Beweis der Modi Cesare und Camestres zog er nicht Celarent wie Aristoteles heran, sondern das Gesetz des Widerspruchs, in der Annahme, daß die Gültigkeit der Modi der 2. Figur unmittelbar von diesem Gesetz herrührt19. Übrigens führt auch Maximus selber die Syllogismen nicht einfach ohne jede Bemerkung vor - wie es aus Themistius' Traite zu entnehmen ist - sondern er versucht, ihre Gültigkeit irgendwie zu begründen; er führt also so etwas wie einen Beweis. Allerdings hält er dabei an seinem Grundgedanken fest, wenn er nie etwas, was außerhalb des zu beweisenden Modus liegt, sei es ein anderer Modus oder irgendein logisches Prinzip, als Gültigkeitsgrund für den zu beweisenden Modus heranzieht. Er scheint zu glauben, daß, wenn die Bedeutung der Teile eines Modus, die wir gewöhnlich mit den Kennbuchstaben Α, Ε, I und Ο bezeichnen, richtig expliziert wird, es dann gleich einleuchtet, wie der jeweils zu betrachtende Modus begründet ist. Die neuen Beweismethoden von Boethos und Maximus sind sicherlich als solche sehr interessant, aber wir müssen leider darauf verzichten, hier auf die Details ihrer Beweismethoden einzugehen. Sonst würden wir von unserem Thema weit abweichen20. Dazu fehlen ohnehin genaue Informationen. Denn Themistius' Traite, auf den wir in diesem Fall angewiesen sind, ist überhaupt die einzige Informationsquelle über die Gedanken der beiden, und diese Schrift ist in ausgesprochen polemischer Absicht gegen die beiden verfaßt. Es gelang weder Boethos noch Maximus noch sonst irgend jemandem, durch eine neu konzipierte Beweismethode die aristotelische zu ersetzen und schließlich zu verdrängen, obwohl der Grundgedanke, von dem sich " Themist., Traite, S. 177. Nur sei angemerkt, daß Maximus' Begründung auf der extensionalen Auslegung basiert, wie sie dem schon betrachteten theophrastischen Beweis der Ε-Konversion zugrunde liegt. Man wird gut verstehen, wie motiviert ein derartiger Begründungsversuch sein kann, wenn man daran denkt, daß jeder Modus, wenn er etwa mit Hilfe des Diagramms von Euler oder von Venn dargestellt wird, so anschaulich und unmittelbar als gültig erscheint, daß es unnötig ist, zum Beweisen eines Modus einen anderen heranzuziehen. Maximus' Begründungsversuch ist ungefähr - ungefähr, insofern sein Versuch noch nicht auf einer konsequent und klar durchdachten extensionalen Auffassung der Πρότασις beruht - mit dem Versuch vergleichbar, das Umfangsverhältnis von drei Termen eines Modus, wie es in Eulers oder in Venns Diagrammen veranschaulicht ist, auf eigene Weise durch Worte zu beschreiben und wiederzugeben. 20

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diese Logiker bei ihrem Beweisversuch leiten ließen, die Zustimmung der Mehrheit fand. So war es im Grunde ein etwas unsicherer Zustand. Ohne daß logisch wichtige Aspekte in dem überkommenen aristotelischen System der Syllogismen auf gebührende Weise gewürdigt worden wären, wurde dieses System beibehalten. So konnte bis zum Ende der Antike für das Verständnis des aristotelischen Systems nicht vieles, besonders nicht vieles, was einem modernen Logiker wertvoll erscheinen könnte, erarbeitet werden. Wir sagten, daß die Anhänger der Theorie der Figurenentstehung den in den an. pr. zweifellos vorhandenen Ansatz zur deduktiven Systematisierung nicht ganz richtig verstanden und ihn deshalb auch nicht in logisch ertragreicher Weise entwickeln konnten. Aber auch von denjenigen, die gegen diese Theorie opponierten, kann keineswegs gesagt werden, sie hätten damit gleich eine vielversprechende Richtung eingeschlagen, insofern als überhaupt ihre Fragestellung in bezug auf die syllogistische Vollkommenheit bezeugt, daß sie sich in ihrer Überlegung schließlich auf demselben Niveau des Problembewußtseins bewegten wie ihre Gegner. Da sie ebenso wie ihre Gegner sich nicht von der Problematik des eigentlichen Seins- oder Gültigkeitsgrundes der Syllogismen freimachten und da sie sich nicht primär mit den rein logischen Beziehungen zwischen den als Grundmodi angenommenen Syllogismen und den aus ihnen abgeleiteten Syllogismen, also mit der logischen Struktur des Systems beschäftigten, war ein Durchbruch auch gar nicht zu erwarten. Allerdings bringen die alexandrinischen Kommentatoren das Problem des Gültigkeitsgrundes der Syllogismen nicht thematisch zur Sprache. An der Stelle, wo die Definition des vollkommenen Syllogismus erörtert wird, macht Ammonius deutlich, daß die von Aristoteles gemachte Unterscheidung von vollkommenen und unvollkommenen Syllogismen nur als die Unterscheidung des Evidenzgrades zu verstehen ist, daß sie jedoch mit der Frage, wie die syllogistische Gültigkeit zustande kommt, in keiner Weise etwas zu tun hat. Er macht darauf aufmerksam, daß in der Definition des vollkommenen Syllogismus in den an. pr. ein für das Verständnis des Problems entscheidend wichtiges Wort enthalten ist, nämlich tpavfjvai; während es in der Definition des Syllogismus überhaupt heißt, daß es keines Terms mehr bedarf, damit die Gültigkeit des Syllogismus zustande kommt (γενέσθαι), heißt es in der Definition des vollkommenen Syllogismus, daß es nichts mehr bedarf, damit die Gültigkeit zum Vorschein kommt (φανηναι)21. Diese Interpretation ist von Philoponus ohne weiteres übernommen worden. Er versucht lediglich, diese Interpretation in der für ihn bezeichnenden Weise etwas ausführlicher zu erläutern, indem er die Syllogismen der 1. Figur als solche charakterisiert, 21

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Ammon. in an. pr. 32,30-35.

deren Gültigkeit jedermann, also auch einem logisch nicht so Versierten, sofort einleuchtet, und die Syllogismen der 2. und der 3. Figur als solche, deren Gültigkeit erst dann einleuchtet, wenn ein Sachkundiger sie auf geeignete Weise in die Syllogismen der 1. Figur verwandelt22. Es ist anerkennenswert, daß die beiden Kommentatoren damit eine Interpretation vorlegen, die dem Text gerecht werden kann und von jeglichen unnötig das Textverständnis erschwerenden Vorstellungen frei ist. Es ist jedoch schwer zu sagen, ob sie auch in ihrer Auffassung von der Funktion der vollkommenen Syllogismen einen entsprechend anerkennenswerten Schritt machten. Es ist schon gesagt worden, daß allein aufgrund der Interpretation der syllogistischen Vollkommenheit als Evidenz den vollkommenen Syllogismen jene Bedeutung nicht zugeschrieben werden kann, die ihnen nach Alexander und Themistius zuzuschreiben ist. Insofern ist es klar, wie verschieden der Standpunkt der beiden Alexandriner von dem Standpunkt Alexanders und Themistius' ist. Diese Verschiedenheit wird noch deutlicher, wenn darauf aufmerksam gemacht wird, daß Alexander an der Stelle, wo die Definition des vollkommenen Syllogismus erörtert wird, im Gegensatz zu den beiden Alexandrinern so tut, als merke er die oben erwähnte Gegenüberstellung von „γενέσθαι" und „(pavfjvai" im Text überhaupt nicht, obwohl diese Gegenüberstellung unmöglich einem aufmerksamen Leser entgeht23. Die Frage ist nun die, ob die Alexandriner, wenn sie sich so von Alexanders Position distanzierten, zugleich das Problembewußtsein überwinden konnten, das den Horizont für die Standpunkte der an dem Streit über die syllogistische Vollkommenheit Beteiligten, sowohl bei Gelehrten wie Alexander und Themistius als auch bei ihren Gegnern wie Maximus, gebildet hatte. Zwar sahen sie als Kommentatoren ihre Hauptaufgabe natürlich in der Exegese und vermieden so, ihre eigene Meinung über die syllogistische Vollkommenheit - sofern dieses Thema nicht als Gegenstand der Interpretation, sondern als Sachproblem zu behandeln ist - in den Vordergrund zu stellen, doch ist es nicht unmöglich, den Standort ihrer eigenen Meinung auszumachen. Manches spricht dafür, daß sie wenigstens den Grundgedanken vieler ihrer neuplatonischen Vorgänger akzeptierten. Ammonius sagt ja ausdrücklich, daß er wie die meisten der genannten Neuplatoniker die These der Vollkommenheit der Syllogismen für richtig " Philop. in an. pr. 36,19-37,2. 23 Hier liegt kein Zufall vor. Wenn man bedenkt, daß die γένεσις der Figuren, denen unvollkommene Syllogismen angehören, aus der Figur, der die vollkommenen Syllogismen angehören, für Alexander eben eine Tatsache von grundlegender Bedeutung ist, wird man wohl verstehen können, wie schlecht es ihm ins Konzept passen kann, das Wort ,,(pavf|vai", das in der Definition des vollkommenen Syllogismus vorkommt, ausgerechnet dem Wort „γενέσθαι" gegenüberzustellen.

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hält, obgleich er als Interpret mit Erfolg hervorhebt, daß auch die aristotelische Unterscheidung von vollkommenen und unvollkommenen Syllogismen in gewisser Hinsicht einen verständlichen Sinn hat. Diese Stellungnahme von Ammonius erlaubt das Urteil, daß seine Auffassung sich im Grunde immer noch auf dem gleichen Niveau befindet, auf dem einst der Streit über die syllogistische Vollkommenheit ausgetragen wurde. Über Philoponus läßt sich das gleiche Urteil fällen. Allerdings tritt er, anders als sein Lehrer, nirgends ausdrücklich für die These der Vollkommenheit aller Syllogismen ein. Dieses Schweigen hat aber seinen Grund sicherlich darin, daß er sich nicht in die Diskussion, die nicht direkt zur Interpretation des Textes gehört, einlassen will. So sollte sein Schweigen nicht dahingehend ausgelegt werden, daß er die These der Vollkommenheit aller Syllogismen ablehnt. Gegen diese These polemisiert er auch nirgends, wobei es als ausgeschlossen gelten darf, daß ihm diese These, für die viele Neuplatoniker, darunter auch sein Lehrer Ammonius, eintraten, nicht bekannt war. Sollte also sein Schweigen irgendwie ausgelegt werden, dann liegt es eher nahe, daß er den Gedanken seines Lehrers und der anderen Vorgänger akzeptiert. Als oben seine kurze Bemerkung zu der Beziehung der Regeln der Syllogismen untereinander mit Alexanders Erklärung darüber verglichen wurde, wurde schon angedeutet, daß die Differenz, die Philoponus' Bemerkung gegenüber Alexanders Erklärung aufweist, wahrscheinlich auf den Einfluß der Neuplatoniker zurückgeführt werden kann. Hier soll noch eine der interessanten Stellen betrachtet werden, die Aufschlüsse über Philoponus' Auffassung in der behandelten Frage geben können. In Kap. 23 des ersten Buches seines Kommentars zu den an. pr. versucht er, die logische Struktur des Beweises durch eine reductio ad impossibile zu analysieren, und zwar anhand des Beispiels des Gültigkeitsbeweises von Baroco24. Dabei findet er heraus, daß bei diesem Beweis zwei Schlüsse, die zur hypothetischen Logik gehören, benutzt werden: der Schluß der Form „Wenn p, dann q, nun aber non q, also non p" und der Schluß der Form „Entweder ρ oder q, nun aber non q, also p". Philoponus macht hier keineswegs eine neue Entdeckung, denn Aristoteles hat schon auf den Anteil der hypothetischen Logik an der reductio ad impossibile hingewiesen25. Und es kann auch nicht behauptet werden, daß Philoponus' Analyse alles an dem Beweisgang der reductio ad impossibile genau klarlegt, wenn sie vom Standpunkt der modernen Logik, die eine für die antike Logik sicherlich unvorstellbar strenge Forderung nach Exaktheit der logischen Beweisführung stellt, zu beurteilen ist. Was aber in unse14 25

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Philop. in an. pr. 246,15 ff. an. pr. A 23

rem Zusammenhang interessant ist, ist nicht so sehr diese Analyse selbst, sondern die Frage, die er gleich nach der Analyse behandelt und die Antwort darauf. Er sagt, angesichts des Ergebnisses seiner Analyse könnte sich die Frage erheben, ob einige kategorische Syllogismen, deren Gültigkeitsbeweis mit Hilfe der reductio ad impossibile durchgeführt wird, zur hypothetischen Logik gerechnet werden müssen26. Diese Frage kann, wie es scheint, als die Frage danach verstanden werden, ob und inwiefern die logischen Gesetzlichkeiten, die beim Gültigkeitsbeweis eines Schlusses herangezogen sind, als konstruktive Faktoren zur Wesensbestimmung des so bewiesenen Schlusses, oder einfach gesagt, zu dessen Identifizierung und Benennung gelten sollen. Wenn aber die Frage nur in diesem Sinne zu verstehen wäre, wäre sie als solche in unserem Zusammenhang nicht so sehr interessant. Aus der von Philoponus gegebenen Antwort geht aber hervor, daß diese Frage in etwas stärkerem Sinne gemeint ist, d. h. in dem Sinne, daß sie zugleich die Frage danach enthält, woher die Gültigkeit des zum Beweis vorgelegten Syllogismus eigentlich kommt, also die Frage nach dem eigentlichen Seins- oder Gültigkeitsgrund des Syllogismus. Philoponus antwortet darauf, daß die hypothetischen Schlüsse, die zum Beweis von Syllogismen wie Baroco benutzt werden, nur dazu dienen, die Gültigkeit, die dem zu beweisenden Syllogismus von Natur aus (φύσει) eigen ist, für uns einleuchtend zu machen ( . . . τΤ| εις άδύνατον άπαγωγτ] τό φύσει αύτών άναγκαΐον και ήμϊν φανεροΟται). Den kategorischen Syllogismen, deren Gültigkeit unter Anwendung der reductio ad impossibile bewiesen wird, wird ihre Gültigkeit nicht erst von der reductio ad impossibile bzw. von den dabei benutzten hypothetischen Schlüssen verliehen, sie besitzen die Gültigkeit schon von Haus aus (οίκοθεν κέκτηται). Also kann die Frage zugunsten der kategorischen Syllogismen beantwortet werden; die kategorischen Syllogismen können nicht auf Grund der Tatsache, daß ihre Gültigkeit mit Hilfe der hypothetischen Syllogismen gezeigt wird, als ein Teil der hypothetischen Logik betrachtet werden, denn die Entscheidung über die Zugehörigkeit eines Schlusses hängt davon ab, woher die Gültigkeit - das Wesentliche an dem Schluß - kommt, aber nicht davon, wie sie aufgezeigt wird. An der betrachteten Stelle zeigt sich deutlich, wie fest Philoponus' Gedanke an die Problematik des eigentlichen Gültigkeitsgrundes des Syllogismus, die seine Vorgänger beschäftigt hat, gebunden ist. Es könnte der Eindruck entstehen, als gelte das Argument, das Philoponus an dieser Stelle vorbringt, nur für eine beschränkte Klasse von Syllogismen. Da Philoponus Baroco als Beispiel nimmt, scheint es tatsächlich naheliegend zu sein, daß er in erster Linie wohl nur solche Syllogismen 26

Philop. in an. pr. 247, 20 ff.

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im Auge hat, die dadurch gekennzeichnet sind, daß ihre Gültigkeit nicht durch die von Aristoteles als Beweismethode besonders bevorzugte Prämissenkonversion bewiesen werden kann und die deswegen in A4-6 unter Anwendung der reductio ad impossibile bewiesen werden. Doch sein Argument ist von allgemeiner Konsequenz. Es ist nämlich so, daß alle Syllogismen durch reductio ad impossibile als gültig bewiesen werden können, wenn auch nicht alle durch diese Methode als gültig bewiesen werden müssen. Darum kann bezüglich aller Syllogismen ebenso die gleiche Frage gestellt werden, die Philoponus gestellt hat, und es kann darauf auch die gleiche Antwort wie die von Philoponus gegeben werden. Es ist aber gar nicht nötig, auf die Tatsache der Beweisbarkeit aller Syllogismen durch reductio ad impossibile zu rekurrieren. Schon der Gedanke, auf den sich Philoponus' Argument stützt, erlaubt direkt ein verallgemeinerndes Urteil über seine Auffassung von dem Verfahren überhaupt, das in den an. pr. bei der Reduktion der Syllogismen zum Zweck des Beweises angewendet wird. Wenn von einem als Beweismittel herangezogenen hypothetischen Syllogismus behauptet wird, daß er nur die Funktion erfüllt, die von Natur aus dem zu beweisenden Syllogismus eigene Gültigkeit einleuchtend zu machen, muß konsequenterweise dasselbe auch von allen anderen logischen Beweismitteln behauptet werden, die beim Beweis durch Prämissenkonversion oder bei sonst irgendwelchem Beweis herangezogen werden. Es gibt ja keinen Grund, diese Verallgemeinerung zurückzuweisen, solange Philoponus keinen Hinweis auf eine etwaige relevante Besonderheit gibt, die nur den anderen logischen Beweismitteln, nicht aber den hypothetischen Syllogismen zukommen, und die es den ersteren ermöglichen könnte, beim Beweis nicht nur die Gültigkeit des zu beweisenden Syllogismus einleuchtend zu machen, sondern etwas mehr zu leisten. Auch den vollkommenen Syllogismen, die zum Beweis der anderen Syllogismen herangezogen werden, ist in dieser Hinsicht, wie es scheint, kein besonderer Status gegenüber den anderen logischen Beweismitteln zuzuerkennen. Was hier aufgrund der betrachteten Stelle über Philoponus' Auffassung gesagt ist, steht ganz und gar nicht im Einklang mit der Tatsache, daß er im Anschluß an Ammonius mit Nachdruck betont, die vollkommenen Syllogismen seien nicht mehr als solche Syllogismen, deren Gültigkeit völlig einleuchtend ist, und daß er über die Begründungsfunktionen dieser Syllogismen keine besondere Bemerkung macht. Es ist klar, daß auch die Vervollkommnung der Syllogismen für Philoponus dementsprechend aufzufassen ist; die Reduktion, die als Vervollkommnung bezeichnet ist, ist für ihn ein Verfahren, das nur dazu dient, die Gültigkeit der reduzierten Syllogismen einleuchtend zu machen. Dieses Verfahren ist genau genommen noch kein Beweisverfahren, wenn überhaupt der Beweis in dem Sinne zu verstehen ist, daß er den 134

Gültigkeitsgrund eines reduzierten Syllogismus - und zwar den eigentlichen - aufzuzeigen hat 27 . Hier zeigt sich der Beginn einer langen Tradition, in der der Reduktion der Syllogismen, wie sie von Aristoteles 17 Man wird in diesem Zusammenhang die von W. Albrecht vorgelegte Interpretation des aristotelischen Beweisverfahrens in den an. pr. interessant finden. Die in den an. post, gemachte Unterscheidung von δτι und διότι heranziehend unterstellt Albrecht, daß Aristoteles implizit auf ähnliche Weise zwei Arten von Beweisverfahren unterscheidet; zum einen das Verfahren, den Gültigkeitsgrund eines unvollkommenen Syllogismus zu zeigen, und zum anderen das Verfahren, das bloße Faktum der Gültigkeit eines Syllogismus festzustellen. Die Konversionsmethode ist nach ihm das Verfahren der ersteren Art, das einer διότιErklärung gleichkommt, und reductio ad impossibile das Verfahren der letzteren Art, bei dem es nur um δτι-Feststellung geht (Syllogistik, S. 48). Er nimmt an, daß jedem unvollkommenen Syllogismus in der aristotelischen Syllogistik ein vollkommener Syllogismus als dessen wahre Natur oder dessen eigentlicher Gültigkei tsgrun d zugeordnet ist. Es ist nun eben die Konversion, genauer gesagt, die einfache Konversion, die die Verwandlung eines unvollkommenen Syllogismus zu jenem vollkommenen Syllogismus ermöglicht, die seine wahre Natur ist. Dies kann aber die reductio ad impossibile nicht leisten. Zwar macht auch ein reductio ad impossibile-Beweis eines unvollkommenen Syllogismus von einem vollkommenen Syllogismus Gebrauch, doch handelt es sich dabei nicht um den Syllogismus, der die wahre Natur oder der eigentliche Gültigkeitsgrund des zu beweisenden Syllogismus ist. Ζ. B. kann Cesare unter Voraussetzung der Gültigkeit von Ferio als gültig erwiesen werden, wenn man die reductio ad impossibile anwendet. Hingegen baut die Anwendung der Konversionsmethode in diesem Fall auf der Gültigkeit von Celarent auf. Die beiden Modi der 1. Figur können freilich nicht die wahre Natur von Cesare sein, denn jedes Ding kann nur eine wahre Natur, aber nie deren zwei haben (ebd. S. 81-82). In unserem Beispiel ist nun Celarent die wahre Natur von Cesare und dessen eigentlicher Gültigkeitsgrund. Es fragt sich natürlich, aus welchem Grund nicht Ferio sondern Celarent als die wahre Natur von Cesare anzusehen ist. Der Grund scheint für Albrecht in der Tatsache zu liegen, daß aus dem vollkommenen Syllogismus, mit dessen Hilfe ein unvollkommener Syllogismus durch reductio ad impossibile bewiesen wird, derselbe unvollkommene Syllogismus, der so indirekt bewiesen ist, nicht wieder hergestellt werden kann (ebd. S. 41) ; aus Ferio kann nämlich Cesare nicht hergestellt werden, indessen kann aus Celarent Cesare wiederum durch Konversion hergestellt werden. Ob damit eine überzeugende Antwort gegeben ist, ist schwer zu sagen. Jedenfalls glaubt Albrecht offenkundig, daß schließlich wegen der beschriebenen Tatsache nicht die reductio ad impossibile die Begründungsfunktion im strengen Sinne erfüllen kann, sondern nur die Methode der einfachen Konversion. Auch die Α-Konversion, von der Aristoteles beim Beweisen von Darapti und Felapton Gebrauch macht, steht für ihn wie die reductio ad impossibile der einfachen Konversion an Beweiskraft nach, insofern, als die Wiederherstellung der beiden Modi mit Hilfe der Konversion unmöglich ist; damit hängt nach seiner Vermutung die Tatsache zusammen, daß Aristoteles beim Beweisen der beiden Modi neben der Α-Konversion reductio ad impossibile und Ekthesis noch als zusätzlich anzuwendende Methode - gleichsam zur Verstärkung der Beweiskraft - erwähnt, während er sich in anderen Fällen, wo, wie beim Beweisen von Cesare, die Methode der einfachen Konversion anwendbar ist, nur dieser Methode bedient und keine anderen zusätzlichen Methoden erwähnt. Albrechts Interpretation ist als Interpretation des aristotelischen Textes sicherlich weithergeholt. Aber wenn wir den Gedanken, den er Aristoteles unterstellt, mit dem Gedanken, den die spätantiken Kommentatoren bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Problem des Systems der Syllogistik zum Ausdruck brachten, vergleichen, stellen wir manche interessante Ähnlichkeiten fest.

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vorgeführt wird, keine Begründungs- oder Beweisfunktion zuerkannt ist. Nachdem noch dazu den Syllogismen der 1. Figur die Vollkommenheit im aristotelischen Sinne abhanden gekommen ist, weil die in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Logik übliche Formulierung eines Syllogismus die Evidenz, durch die sie in der aristotelischen Syllogistik gekennzeichnet sind, gleichsam verdeckt hat, ist der Reduktion der Syllogismen auf die der 1. Figur auch die Funktion, die Gültigkeit der reduzierten Syllogismen einleuchtend zu machen, verlustig gegangen (s. o. Anm. 6). So kommt es dazu, daß die Reduktion der Syllogismen für viele Vertreter der traditionellen Logik weitgehend als eine Methode gilt, ein in einer bestimmten syllogistischen Form vorgebrachtes konkretes Argument mit Hilfe von Syllogismen anderer Form wiederzugeben, also im Grunde mehr oder weniger als eine Art Denkübung ohne systematische Bedeutung, die nur am Rande der Syllogistik liegt. Es ist eine hierzu parallele Entwicklung, daß die Regeln der Syllogismen für den Zweck der systematischen Darstellung der Syllogistik immer mehr an Bedeutung gewinnen. Da man sich die Möglichkeit verbaut hat, durch die Reduktionsmethode die logische Beziehung einzelner Syllogismen zueinander zu zeigen und somit eine logisch interessante Systematisierung der Syllogistik zu erzielen, bietet sich als alternative Möglichkeit von der Spätantike her die Darstellung mit Hilfe von Regeln der Syllogismen an. Damit ist auch eine Tendenz fortgesetzt, die schon in der Spätaritike sichtbar wurde; es wurde bereits auf eine Bemerkung von Philoponus aufmerksam gemacht, der wir entnehmen können, daß er schon zu der Meinung geneigt hat, die Angabe der Regeln der Syllogismen trage zur systematischen Darstellung mehr bei als die Reduktion einzelner Syllogismen. Aus der bisherigen Betrachtung wird deutlich, welche wirkungsgeschichtliche Bedeutung in der Frage, von der in diesem Kapitel die Rede ist, der Spätantike zukommt. Um die wirkungsgeschichtliche Bedeutung der Spätantike richtig einschätzen zu können, reicht das nicht aus, was bislang über diesen Zeitabschnitt erforscht worden ist. Vielleicht ist es für viele völlig unbekannt, welche Problemstellung im Hinblick auf die syllogistische Vollkommenheit der spätantiken Überlegung über die Beziehung der Syllogismen zueinander bzw. über das System der Syllogistik zugrunde lag und wie durch diese Problemstellung die Entwicklungsrichtung der Auseinandersetzung dahingehend bestimmt wurde, daß sich schließlich eine Auffassung von dem System der Syllogismen durchsetzte, die von der aristotelischen ziemlich weit entfernt ist. Es ist indessen eben diese spätantike Auffassung, an die die sogenannte traditionelle Syllogistik anknüpft. Zwischen den analytica priora und der traditionellen Syllogistik gibt es in bezug auf das System keine direkte Beziehung. Seltsamerweise waren sich gerade die traditionellen Logiker des histori136

sehen Hintergrundes ihrer Auffassung nicht bewußt, die fest in der von der spätantiken Problemstellung bestimmten Tradition verwurzelt ist. Wir wollen uns hier nicht der wirkungsgeschichtlichen Untersuchung zuwenden. Wir sind schon an dem von Ammonius und Philoponus markierten Endpunkt des Zeitabschnittes angelangt, der der Gegenstand unserer Untersuchung ist. Es bleibt zu hoffen, daß weitere Forschungen noch manches bisher Unbekannte aus diesem Zeitabschnitt zutage fördern und die Vermutungen, die wegen der erwähnten Quellenlage in dieser Arbeit oft notwendig waren, bestätigen oder auch korrigieren werden.

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VIII. Schluß Im Rückblick auf die Ergebnisse, die die bisherige Untersuchung gewonnen hat, wollen wir zum Schluß eine Würdigung der Gesamtleistung der spätantiken Aristoteliker wagen. Es muß zugegeben werden, daß die spätantiken Aristoteliker keine neuen Entdeckungen von großer Bedeutung auf dem Gebiet der formalen Logik machten. Ihre Leistung besteht weitgehend in der Systematisierung des in den aristotelischen Schriften überlieferten Lehrstoffs. Doch wie in anderen Wissensbereichen kann im allgemeinen auch in der Logik - ja in besonderem Maß in der Logik eine bestimmte Art und Weise der Systematisierung für das Verständnis des systematisierten Inhaltes nicht ohne Konsequenz bleiben; neue Systematisierung ist in der Regel neue Beleuchtung. Der Versuch der systematischen Gestaltung führt die spätantiken Aristoteliker notwendigerweise dazu, unter neuen Gesichtspunkten die von Aristoteles berührten Probleme zu behandeln. Aus diesem Versuch ergeben sich auch manche neue Fragestellungen, die Aristoteles kaum bekannt gewesen sind. Wenn hier von der Systematisierung geredet wird, sollten dabei allerdings zwei Dinge beachtet werden. Erstens: Die Kommentatoren gingen nicht von einer einheitlichen Konzeption der Systematisierung aus. Je nachdem welche Themen vorlagen, wurden verschiedenartige Systematisierungen versucht. Zweitens: Der diesem Versuch zugrunde gelegte Begriff „System" ist in einem lockeren Sinne zu verstehen. Er entspricht jedenfalls nicht dem, was sich der heutige Logiker gewöhnlich unter einem System vorstellt. Dies hängt zum großen Teil damit zusammen, daß die Kommentatoren nicht mit der Zielsetzung von Logikern, die an dem Aufbau eines strengen Systems der Logik interessiert sind, an den überkommenen Lehrstoff herangingen. Außerdem ist noch hinzuzufügen, daß die Kommentatoren zu ihrem Zweck auch keine neuen Systematisierungsschemata oder -methoden entwickelten. Vielmehr hielten sie sich weitgehend an die damals gängige Vorstellung von System und Systematik. Als erstes ist ihr Versuch zu nennen, den Themenbereich der logischen Untersuchung als eine Ganzheit zu systematisieren, deren Bestandteile sich zueinander so verhalten wie das Einfache und das daraus zusammengesetzte Komplexe. Auf diese Systematisierung geht die traditionell übliche Festlegung des Themenbereiches der Logik und dessen Dreiteilung in Begriffslehre, Urteilslehre und Schlußlehre zurück. Unter den Problemen, mit denen sich die Kommentatoren bei diesem Systematisierungsversuch auseinandersetzten, ist vor allem das Problem der Unterscheide

dung von άπόφανσις und πρότασις erwähnenswert. Abgesehen von allen anderen sprachphilosophisch interessanten Zusammenhängen, die in diese Problematik gehören, ist sie deswegen beachtenswert, weil mit ihr eine Möglichkeit, das Wesen der formalen Logik begrifflich zu fassen, verbunden ist. Denn die Unterscheidung zwischen άπόφανσις und πρότασις wird dadurch gemacht, daß an einem Satz die logisch relevanten und nicht relevanten Komponenten streng auseinandergehalten werden. Die Kommentatoren sahen schon klar ein, worum es in der formallogischen Untersuchung geht, und verstanden es, diese Einsicht explizit in Worte zu fassen. Die begrifflichen Hilfsmittel „Form" und „Stoff", die noch heute - wenigstens in erster Annäherung - brauchbar sind, wenn erklärt werden soll, worum es in der formalen Logik geht, sind schon von ihnen benutzt worden. Sie setzten sich auch mit dem Problem auseinander, welche Stellung die Logik als Ganzes innerhalb wissenschaftlicher Untersuchung überhaupt - oder genauer gesagt, innerhalb der Philosophie - einnimmt. Dieses Problem ist keineswegs ein erst von ihnen neu aufgeworfenes, sondern ein altes Problem, mit dem sich die Stoiker und die Peripatetiker schon vor ihnen im Rahmen ihrer Überlegung über das System verschiedener Disziplinen in der Philosophie beschäftigten. Neu ist aber, daß die Kommentatoren bei der Auseinandersetzung mit diesem Problem in erster Linie an die formale Logik dachten. Sich speziell auf den formalen Teil der Logik beziehend, betonen sie, daß die logische Untersuchung nicht als Selbstzweck einzustufen ist, sondern als Organon (Werkzeug) für andere Disziplinen. Dadurch brachten sie sicherlich einen diskutablen Aspekt der Sache zur Sprache. Doch mit dieser Einstufung hängt die Tatsache zusammen, daß in der formalen Logik keine großen Fortschritte gemacht worden sind. Die Kommentatoren waren lediglich darum bemüht, die schon entdeckten logischen Gesetzlichkeiten unter Anwendung der Diärese übersichtlich darzustellen, wobei als Ausgangspunkt der Diärese die Relation der προτάσεις zueinander genommen ist. Die Diärese war eine der beliebtesten Methoden der systematischen Darstellung. Der Grund für diese Beliebtheit liegt zum großen Teil darin, daß durch eine Diärese die schematische Definition eines jeweils zu betrachtenden Gegenstandes gewonnen werden kann, die nach dem allgemeinen Verständnis der antiken Gelehrten eben der Ausdruck des wahren Erkenntnisses des in Rede stehenden Gegenstandes ist. Wie die Anwendung der Diärese die Erörterung eines Gegenstandes bestimmt hat, wurde in der vorliegenden Arbeit genau gezeigt, als über die Erläuterung der Kommentatoren zur Konversion ausführlich berichtet wurde. Auch in ihrer Erläuterung der aristotelischen Definition des Syllogismus, des Kernstücks der Logik der an. pr., tritt deutlich ihre Neigung zur 139

systematischen Darstellung hervor; obwohl diese berühmte Definition selbst nicht genau in das von ihnen diäretisch dargestellte System hineingezwängt werden konnte, versuchten sie in ihrer Erläuterung dem diäretischen Schema gemäß vorzugehen,· dadurch flöß manches, was nicht ohne weiteres aristotelisch zu nennen ist, in das Verständnis des Syllogismus hinein. Was schließlich das System der Syllogismen anbetrifft, war den Kommentatoren nur ein beschränkter Spielraum für neue Beiträge gegeben, weil die Hauptarbeit schon von Aristoteles getan worden war. Doch wurden auch in diesem Problembereich manche interessante Überlegungen angestellt. Die Hauptfrage, die dabei zur Debatte stand, war die, ob die Syllogismen der 1. Figur ein Gültigkeitsgrund für die übrigen Syllogismen sind oder nicht. Die Aristoteliker wie Alexander von Aphrodisias waren der Meinung, daß die Syllogismen der 1. Figur der Gültigkeitsgrund für die übrigen Syllogismen sind, und versuchten diese Meinung durch die Behauptung, daß aus der 1. Figur die übrigen Figuren entstanden seien, zu untermauern. Dabei ist es bemerkenswert, daß sie sich vor allem auf die Tatsache zu ihren Gunsten beriefen, daß die Syllogismen der 1. Figur in den an. pr. als vollkommene Syllogismen ausgezeichnet sind. Im Gegensatz zu ihnen waren viele Neuplatoniker der Meinung, daß alle Syllogismen, von welcher Figur auch immer, ihren Gültigkeitsgrund in sich haben und insofern gleichermaßen vollkommen sind. Dementsprechend war die Einstellung zu dem aristotelischen System der Syllogistik verschieden. Für die einen war das aristotelische System eben das System, das ihrer eigenen Auffassung von der Sache ganz und gar entspricht, insofern als in ihm die Syllogismen der 1. Figur nach ihrem Verständnis als Fundament zugrunde gelegt sind. Für die anderen hingegen gab es keinen zwingenden Grund, an dem aristotelischen System festzuhalten. Unter ihnen gab es sogar Logiker, die versuchten, das aristotelische System durch ein andersartiges zu ersetzen, indem sie neue Beweismethoden entwickelten, die, anders als die aristotelische Methode, nicht von der Voraussetzung der unbeweisbaren Gültigkeit der Syllogismen der 1. Figur Gebrauch machten. In dieser Auseinandersetzung drückt sich eine Eigentümlichkeit der spätantiken Rezeption des aristotelischen Systems der Syllogistik aus; die Problemstellung, die die geschilderte Meinungsverschiedenheit verursachte, wurde nämlich von Aristoteles nie thematisiert, auch wenn sie ihm nicht gänzlich fremd gewesen sein mag. Aus dieser Auseinandersetzung resultierte in der Spätantike allerdings noch kein definitives Ergebnis. Doch zeigte sich schon unverkennbar die Tendenz zu einer neuen Orientierung, die direkt oder indirekt zu der von der aristotelischen Konzeption ziemlich entfernten Systematisierung der Syllogistik führte, deren Ergebnis wir in der sogenannten traditionellen Logik sehen können. 140

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Long, Α. A. 46 Lukasiewicz, f. 2 0 f . , 49, 76, 93 2 4 , 116 Maier, H. 20, 6 3 " Moraux, P. 23 1 4 Maximus 11, 127 f. Patzig, G. 20ff., 73 6 , 7 7 " , 93 2 4 , 116 2 Petrus Hispanus 120 Plotin 53 f. Porphyrius 10, 15' 2 , 28, 35, 37, 128 Praechter, Κ. I I 6 , 13» Prantl, C. 13ff., 26, 36, 50, 61 Proclus 11,128 Ramus, P. 12 Ross, W . D. 19 Scholz, H. 17,49 Themistius 10f., 123, 125ff., 131 Theophrast 9 2 f . , 128 1 8 Volait, G. 17,61 Wieland, W. 77"

Stellenregister ALEXANDER APHRODISIENSIS in an. pr. 3,3-5: 46 39 6,16-21: 3 8 " 10,15 ff.: 55' 11,30 ff.: 58 3 17,3: 97" 17,20: 987 18.4-7: 10210 18.15-16: 99 8 18,18-21: 100' 20,10 ff.: 103" 20,30 ff.: 10412 22,10:

110"

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4436

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28'°

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Günther Patzig Die aristotelische Syllogistik Logisch-philologische Untersuchungen über das Buch Α der »Ersten Analytiken«. 3 . v e r ä n d e r t e Auflage 1969. 217 Seiten, Leinen. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.-Hist. Klasse. Dritte Folge 42

Jürgen Sprute Die Entnymentheorie der aristotelischen Rhetorik 1982. 209 Seiten, kartoniert. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.-Hist. Klasse. Dritte Folge 124

Hans von Kamptz Homerische Personennamen Sprachwissenschaftliche und historische Klassifikation. 1982. X X V I , 388 Seiten, Leinen

Sophokles · König ödipus Griechisch-deutsch. Übertragung und Einleitung von Karl A. Pfeiff. 1969. 132 Seiten, kartoniert. Kleine Vandenhoeck-Reihe 278-280

Sophokles · Antigone Griechisch-deutsch. Ubersetzt und eingeleitet von Karl Reinhardt. Herausgegeben von Carl Becker. 6. Auflage 1982. 119 Seiten, kartoniert. Kleine Vandenhoeck-Reihe 1116

Bruno Snell Die Entdeckung des Geistes Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen. 5., durchgesehene Auflage 1980. 334 Seiten, kartoniert

Albin Lesky Vom Eros der Hellenen 1976. 155 Seiten, kartoniert. Kleine Vandenhoeck-Reihe 1422

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Günther Zuntz

Griechischer Lehrgang I: Lektionen II: Exercitia. Vokabular III: Appendix Grammatica. Summa Grammatica (Studienhefte zur Altertumswissenschaft 15,1—III) 1983. Insgesamt 884 Seiten mit 10 Abbildungen, kartoniert im Schuber Dieser Lehrgang ist in vielen Kursen an der University of Manchester / Großbritannien, der University of Texas in Austin und der Universität Tübingen erprobt worden. Er basiert auf griechischen Texten von Homer bis Mark Aurel und bietet Materialien und Anregungen für ein möglichst effektives Erlernen der griechischen Sprache. Die griechischen Lektionen enthalten reiches Material zur Ableitung oder Illustrierung der grammatischen Phänomene. Exercitia verschiedener Art und Vokabular dienen der Befestigung des jeweils Erarbeiteten; die ausführliche Appendix Grammatica erläutert den grammatischen Inhalt jeder Lektion und die Summa Grammatica systematisiert ihn. Der Lehrgang ist nicht auf einen speziellen Lehrplan, ein Curriculum oder eine Methode zugeschnitten und kann an Schulen und Universitäten ebenso wie zum Selbstunterricht und als wertvolle Ergänzung für den Lehrer verwendet werden. Auch wer früh Gelerntes auffrischen und vertiefen möchte, findet hier einen neuen und unmittelbaren Zugang zu Sprache und Denken der Griechen.

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