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German Pages 228 Year 2006
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 196
Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts Von Sebastian Pammler
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
SEBASTIAN PAMMLER
Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 196
Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts Eine Arbeit über den Einfluss der D&O-Versicherung auf die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft und die daraus zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen
Von Sebastian Pammler
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-12097-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für Waltraud, Rainer, Katharina und Judith
Vorwort Diese Untersuchung hat im Sommersemester 2005 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes als Dissertation vorgelegen. Die Anfertigung dieser Arbeit wurde von der Friedrich-Naumann-Stiftung mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat mich während des Studiums und der Promotion neben der materiellen Unterstützung auch immateriell, insbesondere durch die Veranstaltung zahlreicher interessanter Seminare, unterstützt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bedanken. Den Versicherern AIG Europe, Allianz, CHUBB Insurance sowie R+V-Versicherung gilt mein Dank dafür, dass sie mir ihre Versicherungsbedingungen zur Verfügung gestellt haben. Herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Roland Michael Beckmann, der mir den Anstoß zur Bearbeitung dieses Themas gegeben und mir bei der Anfertigung dieser Arbeit mit der Beantwortung zahlreicher Fragen und durch viele anregende Diskussionen geholfen hat. Herrn Prof. Dr. Günther Hönn danke ich für seine Anregungen und die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Helga und Hans-Peter Klein sowie meiner Mutter Waltraud Pammler-Balzert möchte ich für die Durchsicht der Druckfahnen herzlich danken. Judith Klein möchte ich an dieser Stelle hervorheben, weil sie einen besonderen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit geleistet hat. Die zahllosen Anregungen, Diskussionen, Korrekturarbeiten und nicht zuletzt das grenzenlose Vertrauen insbesondere während der zwangsläufig auftretenden Durststrecken haben diese Arbeit erst ermöglicht – danke! Mein besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie, meinen Eltern Waltraud und Rainer, meiner Schwester Katharina und meiner verstorbenen Großmutter Gisela. Sie haben mich auf meinem Lebensweg immer vorbehaltlos und großzügig unterstützt und mir dadurch eine Freiheit in der Gestaltung meines Lebens ermöglicht, die nicht selbstverständlich ist. Berlin, im März 2006
Sebastian Pammler
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung
19
Kapitel 2 Die Diskussion zur Zulässigkeit einer Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung um 1900
23
A. Erstes Angebot einer Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
B. Referate für den Königlich Preußischen Versicherungsbeirath . . . . . . . . . . . . . .
24
C. Mitgliederversammlung des Deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
D. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
Kapitel 3 Haftung von Organmitgliedern
28
A. Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
B. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Innenhaftung ausgelöst durch die Haftung der Gesellschaft gegenüber Dritten gemäß § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Kapitel 4 Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages A. Die Vertragsbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versicherte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten bei der Versicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . 1. Lage nach den §§ 74–80 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufspaltung von materieller Berechtigung und formeller Verfügungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 30 31 31 32 32
10
Inhaltsverzeichnis b) Das Versicherungsverhältnis als gesetzliches Treuhandverhältnis . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Regelungen in den D&O-AVB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 34 35
B. Gegenstand des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Versicherte Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesetzliche Haftpflichtbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Firmenenthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 37 37 38 39
C. Zeitlicher Geltungsbereich/Versicherungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
D. Deckungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
E. Nutzen der D&O-Versicherung für die Vertragsbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Kapitel 5 Aktienrechtliche Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung
43
A. Unzulässigkeit der D&O-Versicherung wegen Verstoßes gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
B. Statthaftigkeit der D&O-Versicherung wegen Vergleichbarkeit mit der Haftungsfreistellung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
C. Kollision mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ziele des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensausgleich als Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltenssteuerung als Normziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen der D&O-Versicherung für den Schadensausgleich . . . . . . . 1. Schadensrückverlagerung durch Prämienzahlung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der Versicherbarkeit auf Grund des zwingenden Normcharakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interesse der AG an der Absicherung des Innenregresses . . . . . . . . . . . . 4. Verbleibendes Gesellschaftsinteresse an einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. D&O-Versicherung mit angemessenem Selbstbehalt als Ausgleich widerstreitender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. D&O-Versicherung und Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rolle der Haftung bei der Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der D&O-Versicherung auf die Verhaltenssteuerung . . .
47 49 49 51 52 52 52 55 55 56 58 59 60 61 62 64
Inhaltsverzeichnis a) Höhere Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ihlas Prognose von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Höhere Vollstreckungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aushebelung der „Glashausmentalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Versicherer als externer Kontrolleur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Modifikationen des Versicherungsvertrages zum Erhalt der Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftungsausschlüsse – insbesondere der Wissentlichkeitsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftungshöchstgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sorgfaltsobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sonstige vertragliche Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsequenzen aus der Beeinträchtigung der Normziele des § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 65 65 66 67 68 68 69 69 72 74 77 78 80 82
D. De lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Anforderungen an einen „angemessenen“ Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Angemessenheit“ als Merkmal des Schadensausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . II. „Angemessenheit“ als Kriterium der Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . III. Schadensanteiliger Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berücksichtigung des Verschuldensgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bestimmung der Größe des Selbstbehaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maximaler Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88 88 88 89 91 92 92 92 94
F. Rechtsfolgen für D&O-Versicherungsverträge ohne angemessenen Selbstbehalt I. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nichtigkeit gemäß § 134 BGB als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschränkung der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94 94 95 98
Kapitel 6 Formelle Kriterien bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung
101
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. Innergesellschaftliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung als Vergütung im Sinne des § 113 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
12
Inhaltsverzeichnis a) Auseinandersetzung mit dem bisherigen Meinungsstand . . . . . . . . . aa) D&O-Versicherung als Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Vergütung durch Abschluss einer D&O-Versicherung . . (1) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abgrenzung zwischen Aufwand und Vergütung . . . . . . . . . (a) Darstellung des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Anwendung auf den konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Drehers Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergütungscharakter trotz überwiegenden Interesses der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Möglichkeit, geeignetes Personal zu gewinnen . . (b) Die Sicherungsinteressen der Gesellschaft . . . . . . . . . . (c) Herstellung der erforderlichen unternehmerischen Risikobereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Differenzierende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erlass des Finanzministeriums zur steuerrechtlichen Behandlung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung des Erlasses aus Sicht der aktienrechtlichen Zuständigkeitsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklung eines aktienrechtlichen Vergütungsbegriffes . . . . . . . . . aa) Historische Genese der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematischer Vergleich mit § 87 AktG/§ 285 Nr. 9a HGB . cc) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergütung im Gegenseitigkeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergütung als Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subsumtion der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung unter den hier entwickelten Vergütungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privater Vermögensvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nicht bezifferbarer Vermögensvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unwissentlich aufgedrängter Vermögensvorteil . . . . . . . . . (a) Besonderheiten auf Grund der Konstruktion als Versicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Relevanz des Nichtwissens/Nichtwollens . . . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewährung als Anerkennung für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analoge Anwendung von § 113 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 103 105 105 106 107 108 109 109 110 112 113 115 115
116 117 118 118 118 119 121 122 123 124 124 125 126 128 129 130 131 131 133 133
Inhaltsverzeichnis
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a) Allgemeine Voraussetzungen analoger Normanwendung . . . . . . . . . . b) Anwendung auf die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung . . aa) Ermittlung der Normziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz vor überhöhten Bezügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unabhängigkeit des Aufsichtsrates vom Vorstand . . . . . . . bb) Analoge Anwendung zur Wahrung des Normzwecks . . . . . . . . II. Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen der analogen Anwendbarkeit von § 113 AktG . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen des § 113 AktG (Inhalt der Bewilligung/der Satzungsregelung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Satzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewilligung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewilligung für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 113 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtigkeit des D&O-Versicherungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 113 AktG als Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB . . . . . . bb) „Wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“ (§ 134 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bereicherungsanspruch der AG gegen die Aufsichtsratsmitglieder . . aa) Bereicherungsrechtliches Dreiecksverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Versicherungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung der unterschiedlichen Ansätze . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Konsequenzen für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konsequenzen für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kurze Resultatsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schaffung der Rechtsgrundlage durch „nachträgliche“ Bewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensersatzanspruch der AG gegen Organmitglieder . . . . . . . . . . aa) Qualifizierte Pflichtverletzung analog § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG bb) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133 134 135 135 136 137 139 140
B. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung als Bestandteil der Bezüge gemäß § 87 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortlaut und Geschichte des § 87 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleich zum Vergütungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entsprechende Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen der Einordnung als Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innergesellschaftliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140 141 143 144 145 146 146 148 152 153 154 154 155 158 158 158 159 160 160 160 161 165 166 167 167 167 168 169 170 170
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Inhaltsverzeichnis 2. Vertretungsmacht gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Folgen eines Verstoßes gegen die innergesellschaftliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
C. Publizitätserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Kapitel 7 Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin, die unter Beteiligung versicherter Personen geltend gemacht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klauseldarstellung und Beschreibung der gängigen Praxis . . . . . . . . . . . . . . II. Öffnungsklausel und VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 61 VVG und Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 152 VVG und Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Pflicht des Aufsichtsrates, Ansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessrisikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Realisierungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Realisierungsentscheidung als Teil der Überwachungsaufgabe b) Zur Frage des unternehmerischen Ermessens bei der Realisierungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Alleinige Bindung der Realisierungsentscheidung an das Unternehmenswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kollision aktienrechtlicher Pflichten mit den durch die Klausel verursachten wirtschaftlichen Zwängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einflüsse bei der Prozessrisikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einflüsse bei der Realisierungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichteinbeziehung der Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . 3. Inhaltskontrolle der Öffnungsklausel gemäß § 307 BGB . . . . . . . . . . . . 4. Unangemessene Benachteiligung der AG (§ 307 BGB) . . . . . . . . . . . . . a) Abweichung von gesetzlichen Regelungen (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . b) Gefährdung des Vertragszwecks (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unangemessene Benachteiligung entgegen Treu und Glauben (Abs. 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mögliche Klausel zur Verringerung der Missbrauchsgefahr . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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175 176 178 179 181 182 183 184 184 185 187 188 188 189 191 191 192 194 195 195 196 198 199 200
B. Kündigungs-/Trennungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Kollision mit dem Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Kontrolle nach dem Recht der AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Inhaltsverzeichnis
15
C. Gerichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Kollision mit dem Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Kontrolle nach dem Recht der AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Kapitel 8 Zusammenfassung
209
Kapitel 9 Fazit
211
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Abkürzungsverzeichnis a. a. O. Abs. AG AHB AktG a. M. Aufl. AVB AVB-AVG
AVB-O Az. BAG BB BGB BGH BGHZ BR-Drs. BT-Drs. BVerfG D&O DAX DB DJT DM DVS etc. e. V. f ff FinMin. FS GDV gem.
am angegebenen Ort Absatz, Absätze Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Aktiengesetz am Main Auflage Allgemeine Versicherungsbedingungen Allgemeine Versicherungsbedingungen des GDV für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, Allianz Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Der Betriebs-Berater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Drucksachen des Bundesrates Drucksachen des Bundestages Bundesverfassungsgericht Directors’ & Officers’ liability Insurance Deutscher Aktienindex Der Betrieb Deutscher Juristentag Deutsche Mark Deutscher Versicherungs-Schutzverband e. V. et cetera eingetragener Verein folgende fortfolgende Finanzministerium Festschrift Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. gemäß
Abkürzungsverzeichnis GmbH GmbHG GmbHR HGB Hrsg. i. S. d. i. V. m. LG Mio. m. w. N. NVersZ NZG OECD OLA
OLG PHi RGZ Rn. Rz. S. StBerG StGB ULLA
VersR vgl. Vorbem. vs. VVG VW WpHG z. B. ZGR ZHR Ziff. ZIP ZVersWiss ZVglRWiss
17
Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH Rundschau Handelsgesetzbuch Herausgeber im Sinne des/der in Verbindung mit Landgericht Millionen mit weiteren Nachweisen Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Organization for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Allgemeine Bedingungen zur Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für Organe und leitende Angestellte, CHUBB Insurance, Stand 2001 Oberlandesgericht Produkthaftpflicht international Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Randziffer Seite/Satz Steuerberatungsgesetz Strafgesetzbuch Allgemeine Versicherungsbedingungen für die VermögensschadenHaftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten, R+V-Versicherung, Stand: Juli 2001 Versicherungsrecht vergleiche Vorbemerkungen versus Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswirtschaft Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
Kapitel 1
Einführung Die Directors’ & Officers’ liability Insurance (D&O-Versicherung) ist eine Versicherung für Organmitglieder von Kapitalgesellschaften. Als Haftpflichtversicherung deckt sie Ansprüche von Dritten oder der Gesellschaft (insbesondere GmbH oder AG) gegen das versicherte Organmitglied ab. Verursacht ein Organwalter durch pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten einen Schaden bei einem Außenstehenden oder der Gesellschaft selbst, ist er diesen gegenüber regelmäßig zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Der Abschluss einer D&O-Versicherung hat nun zur Folge, dass für solche Schäden der Versicherer finanziell einstehen muss. Wie es der Name: „Directors’ & Officers’ liability Insurance“ bereits andeutet, handelt es sich bei der heutigen Form der D&O-Versicherung um einen Vertragstyp, der sich zunächst in den USA entwickelt hat. Vom Ende der 60er Jahre bis zum Ende der 80er Jahre hat sich die D&O-Versicherung innerhalb von 20 Jahren zu einer Standardversicherung in den USA entwickelt.1 Von dort ausgehend verbreitete sich die D&O-Versicherung seit Ende der 70er Jahre zunehmend im anglo-amerikanischen Rechtskreis sowie in der Europäischen Gemeinschaft.2 In Deutschland wurde die D&O-Versicherung erstmals im April 1986 angeboten,3 seit den neunziger Jahren hat sie sich hierzulande zunehmend verbreitet: Fast alle der im DAX 30 berücksichtigten Aktiengesellschaften haben mittlerweile eine D&O-Versicherung für ihre Organmitglieder abgeschlossen.4 1 Vgl. Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 35: „Gegen Ende der 60er Jahre hatten nur wenige Unternehmen eine solche Versicherung abgeschlossen. Gegen Ende der 80er Jahre waren 96,8% aller an der ,New York Stock Exchange‘ notierten Aktiengesellschaften D&O versichert.“ 2 Zur Verbreitung der D&O-Versicherung in einzelnen Ländern siehe Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 44 ff, m. w. N. 3 Vgl. Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 54. 4 Die meisten DAX-Gesellschaften haben nach Kenntnis des Verfassers mittlerweile eine D&O-Versicherung abgeschlossen. Exakte Angaben in diesem Zusammenhang sind kaum möglich, weil die Gesellschaften im Regelfall den Abschluss einer D&OVersicherung nicht publik werden lassen. Indes stößt die D&O-Versicherung nicht bei allen Unternehmen auf Zustimmung. So begründete ein Vertreter der BMW AG die ablehnende Haltung des Unternehmens zur D&O-Versicherung auf einem Symposium des Deutschen Versicherungs-Schutzverbandes (DVS) im Jahr 1997 folgendermaßen:
20
Kap. 1: Einführung
In rechtlicher Hinsicht wirft die D&O-Versicherung einige Fragen auf, die bislang noch nicht hinreichend beantwortet sind. Klärungsbedarf besteht vor allem bezüglich des Verhältnisses zwischen D&O-Versicherung und Aktienrecht5. So wurde bei den Verhandlungen des dreiundsechzigsten Deutschen Juristentages auf zwei Probleme aufmerksam gemacht, denen auch im Rahmen dieser Arbeit zentrale Bedeutung zukommt: Erörtert wurde zum einen die generelle Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung.6 Da beim Bestehen einer D&O-Versicherung das Organmitglied nicht mehr finanziell für die von ihm verursachten Schäden einstehen muss, sondern die Haftung wirtschaftlich auf den Versicherer verlagert wird, stellt sich die Frage, ob durch die D&O-Versicherung nicht die aktienrechtlichen Haftungsvorschriften ausgehebelt werden, sodass derartige Versicherungsverträge möglicherweise gar nicht zulässig sein könnten. Zum anderen wurde auf dem Deutschen Juristentag die Frage der Abschlusskompetenz thematisiert.7 Als Gegenleistung für den Versicherungsschutz ihrer Organmitglieder muss die Aktiengesellschaft oft zum Teil erhebliche Prämien zahlen. Insoweit ist zu klären, ob nicht gegebenenfalls die Hauptversammlung an dem Abschluss einer D&O-Versicherung beteiligt werden muss. Sieht man von diesen beiden grundlegenden Fragen ab, sind es vor allem einzelne Vertragsbestimmungen, die aus aktienrechtlicher Sicht problematisch sind. Weil in den letzten Jahren eine zunehmende Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen zu verzeichnen ist, reagieren zahlreiche Versicherer mit der Einbeziehung von Vertragsklauseln, die den Deckungsschutz einschränken sol„Ein Manager, der Angst hat und deshalb Versicherter werden will, ist kein Manager“ (Quelle: Müller in VW 1997, 1718). 5 Zwar können sich auch Konflikte mit dem GmbHG ergeben, jedoch handelt es sich bei der GmbH um eine Gesellschaft mit in der Regel nur zwei Organen. Für die GmbH treffen Gesellschafter und Geschäftsführer die Entscheidungen, wobei die Gesellschafter eine verhältnismäßig starke Stellung haben. Daher ist die GmbH weniger anfällig für Eingriffe in die Organisationsverfassung als die AG. Zudem ist die GmbH eine Kapitalgesellschaft, die – anders als die AG – häufig personalistisch strukturiert ist. Letztlich ist die Organisationsverfassung der AG – unter anderem aus den eben genannten Gründen – durch den Gesetzgeber weitgehend vorgegeben, sodass sich durch den Abschluss einer D&O-Versicherung in sehr viel stärkerem Maße Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem AktG ergeben. Daher behandelt die vorliegende Arbeit lediglich die Probleme, die sich aus dem Verhältnis zwischen gesellschaftsfinanzierter D&O-Versicherung und Aktiengesetz ergeben. Zur D&O-Versicherung für Geschäftsführer einer GmbH vergleiche Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123–1128. 6 Vgl. Baums, Gutachten F für den 63. DJT, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band I: Gutachten (2000), S. F 237; Diskussionsbeitrag von Baums, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band II/2: Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung (2000), S. O 203. 7 Vgl. die Diskussionsbeiträge von Köstler, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band II/2: Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung (2000), S. O 195, sowie von Baums, ebenda, S. O 203.
Kap. 1: Einführung
21
len. Einige dieser Klauseln weisen einen spezifisch gesellschaftsrechtlichen Bezug auf, es stellt sich die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Aktienrechts. Ziel dieser Arbeit ist es, Konflikte zwischen der D&O-Versicherung und dem Aktienrecht aufzuzeigen und zu lösen, letztlich Kriterien aufzustellen, denen eine D&O-Versicherung aus Sicht des Gesellschaftsrechts genügen sollte. Damit soll zugleich ein Beitrag zu der gegenwärtig unter dem Stichwort „Corporate Governance“ geführten Diskussion8 um eine optimale Unternehmensstruktur von Aktiengesellschaften geleistet werden.9 Unter Corporate Governance versteht man die Beziehungen zwischen dem Management, dem Aufsichtsrat, den Anteilseignern und den anderen Stakeholdern eines Unternehmens und damit die praktizierte Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft.10 Bei der Diskussion darüber, wie Unternehmen künftig geführt werden sollen, spielt auch die Frage nach einer Versicherung für leitende Organmitglieder eine Rolle. So werden sich Manager in ihren Entscheidungen möglicherweise davon beeinflussen lassen, inwieweit sie vor persönlicher Haftung abgesichert sind. Dem Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung kann in diesem Zusammenhang erhebliche Bedeutung zukommen. Letztlich sind die damit einhergehenden Fragen daher Teil der allgemeinen Corporate Governance Diskussion. Die Arbeit gliedert sich in neun Kapitel. Im Anschluss an die Einführung (Kapitel 1) folgt eine historische Betrachtung (Kapitel 2). Dem Leser wird der Vorläufer der heutigen D&O-Versicherung vorgestellt, die so genannte Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung, die um 1900 eingeführt werden sollte. Dabei soll ihm ein Einblick in die Diskussion um die Zulässigkeit einer solchen Versicherung gewährt werden, wie sie bereits vor 100 Jahren geführt wurde. 8 Zur der sehr breit gefächerten Diskussion unter dem Stichwort „Corporate Governance“ vergleiche etwa: Escher-Weingart, ZVglRWiss 99 (2000), 387–409; Hopt, ZGR 2000, 779–818; Lutter, ZGR 2001, 221–237 sowie die Beiträge in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance (1996). 9 Die Bedeutung, die der Struktur von Unternehmen für das gesamte Wirtschaftsleben zugemessen wird, zeigt sich auch daran, dass die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) mit den „Grundsätzen der Corporate Governance“ eine Art international gültigen Kodex verfasst hat, in dessen Einleitung (S. 7) es heißt: „Corporate-Governance-Praktiken gehören zu den zentralen Voraussetzungen für die Verbesserung von wirtschaftlicher Effizienz und Wachstum wie auch für die Stärkung des Anlegervertrauens. Sie betreffen das ganze Geflecht der Beziehungen zwischen dem Management eines Unternehmens, dem Aufsichtsorgan, den Aktionären und anderen Unternehmensbeteiligten (Stakeholder). Die Corporate Governance liefert auch den strukturellen Rahmen für die Festlegung der Unternehmensziele, die Identifizierung der Mittel und Wege zu ihrer Umsetzung und die Modalitäten der Erfolgskontrolle.“ [„OECD-Grundsätze der Corporate Governance – Neufassung 2004“; URL: http://www.oecd.org/dataoecd/57/19/32159487.pdf]. 10 Vgl. etwa Feddersen/Hommelhoff/Schneider, die zusammenfassend von „angemessener Unternehmensorganisation“ sprechen, Corporate Governance eine Einführung, S. 1, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance (1996).
22
Kap. 1: Einführung
Die Kapitel 3 und 4 dienen dazu, den Leser mit dem rechtlichen Kontext der D&O-Versicherung vertraut zu machen. Zunächst werden die Grundlagen der persönlichen Haftung von Organmitgliedern skizziert (Kapitel 3), um dann in einem weiteren Schritt den Inhalt eines D&O-Versicherungsvertrages darzustellen (Kapitel 4). Mit Kapitel 5 beginnt die Behandlung der zentralen Fragestellungen dieser Arbeit. Erörtert wird die generelle Zulässigkeit einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung. Dabei wird zunächst die Haftungsvorschrift des § 93 Abs. 2 AktG dargestellt und es wird untersucht, inwieweit der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung den Zielen dieser Norm zuwiderläuft. Im Anschluss daran werden die hieraus zu ziehenden Konsequenzen aufgezeigt. Mit den formellen Kriterien, die beim Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung gewahrt werden müssen, befasst sich Kapitel 6. Im Vordergrund steht die Frage, inwieweit die Hauptversammlung beziehungsweise der Aufsichtsrat dem Abschluss einer D&O-Versicherung zustimmen muss. Den rechtlichen Anknüpfungspunkt bilden in diesem Zusammenhang die §§ 87, 113 AktG, in denen geregelt ist, wer über die Bezüge der Vorstandsmitglieder beziehungsweise die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zu entscheiden hat. Untersucht wird, ob die Finanzierung der D&O-Versicherung durch die Aktiengesellschaft als Bestandteil der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder beziehungsweise der Bezüge der Vorstandsmitglieder einzuordnen ist und daher die Zuständigkeitsnormen der §§ 87, 113 AktG anwendbar sind. In einem zweiten Schritt werden auch hier die möglichen Konsequenzen (Nichtigkeit beziehungsweise Rückabwicklung) erörtert. In Kapitel 7 werden dem Leser schließlich einige Klauseln aus Versicherungsverträgen vorgestellt, die in letzter Zeit zunehmend von D&O-Versicherern verwendet werden. Die Klauseln werden auf ihre Vereinbarkeit sowohl mit dem Aktienrecht als auch mit den Vorschriften des AGB-Rechts untersucht. Die in den vorhergehenden Kapiteln erarbeiteten Lösungsvorschläge werden in Kapitel 8 zusammengefasst, bevor die Arbeit mit einem Fazit (Kapitel 9) endet.
Kapitel 2
Die Diskussion zur Zulässigkeit einer Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung um 1900 Die Diskussion um die Zulässigkeit und die Problematik einer Organ-Haftpflichtversicherung ist – jedenfalls für Aufsichtsräte – nicht neu. Bereits gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts wurden Bedenken gegen eine entsprechende Versicherung für Aufsichtsräte und Direktoren geäußert. Viele der damals aufgeworfenen Fragen sind noch heute relevant. Daher soll im Folgenden ein Blick auf die Diskussion zur Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung (in Deutschland) um 1900 geworfen werden.
A. Erstes Angebot einer Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung Schon im Jahr 1895 plante der Allgemeine Deutsche Versicherungsverein, eine „Haftpflichtversicherung für Verwaltungs- und Aufsichtsräte, Directoren u.S.w. von Actien-Gesellschaften, Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften und sonstigen Personenvereinen“1 anzubieten.2 In der Folge (1896) wurde die angebotene Versicherung in einem Zeitungsartikel als „direct unmoralisch“ und als eine „wahre Prämiirung der Leichtfertigkeit und Fahrlässigkeit“3 bezeichnet. Bereits kurz nach ihrer Entstehung wurde die „Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung“ mithin als problematisch angesehen. Wegen der vorgebrachten Bedenken wollte der preußische Innenminister ein Verbot erlassen, dem der Versicherungsverein jedoch durch eine Erklärung zuvorkam, die Versicherung von Vorständen und Aufsichtsräten vorerst zu unterlassen. Der Innenminister verfügte daher lediglich, dass der Verein vor einer etwaigen Wiederaufnahme dieser Haftpflichtversicherungsart eine ministerielle Genehmigung einzuholen hatte.4 1 Vgl. Wollny, D&O-Versicherung, S. 382, der auf S. 382–389 einen Überblick über die Diskussion zur Aufsichtsrats-Haftpflichtversicherung um 1900 gibt. Ausführungen zu den Literaturbeiträgen im Rahmen dieser Diskussion folgen unter Kapitel 2 C. 2 Vgl. die Darstellung bei Hahn, ZVersWiss 1902, 318 (318–319). 3 So ein Artikel aus dem „Deutschen Oekonomist“ vom 17. Januar 1896 auf S. 84. Vgl. auch die Nachweise bei Hahn, ZVersWiss 1902, 318 (318); sowie bei Wollny, D&O-Versicherung, S. 382. 4 Vgl. die Ausführungen von Hahn, ZVersWiss 1902, 318 (318–319).
24
Kap. 2: Zulässigkeit einer Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung
B. Referate für den Königlich Preußischen Versicherungsbeirath Im Rahmen dieser Diskussion verfassten Hahn und Clauß für den „Königlich Preußischen Versicherungsbeirath“ Referate5, die sich mit der Haftpflichtversicherung von Personen in Vertrauensstellungen befassten. In den Beiträgen wurde zwar die Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung nicht direkt behandelt, dies allerdings nur deshalb, weil der Versicherungsverein seinen diesbezüglichen Antrag auf Genehmigung wieder zurückgenommen hatte.6 Grundsätzlich wurde jedoch auch die Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung als zu diesem Themenkomplex zugehörig erachtet.7 Damit zogen beide Autoren implizit eine Parallele von den Organmitgliedern zu anderen „Personen in Vertrauensstellungen“. Es handelt sich bei der Tätigkeit von Rechtsanwälten, Notaren, Beamten, Vormündern, Zwangsverwaltern8 – ebenso wie bei der von Organwaltern – um die „Führung fremder Angelegenheiten“9. Von Relevanz sind die Ergebnisse der beiden Referate daher auch für die Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung: Clauß sprach sich in seinem Referat für einen Selbstbehalt10 von 10–25% bei der Haftpflichtversicherung von Personen in Vertrauensstellungen aus11 – anders als Hahn, der keinen Selbstbehalt für erforderlich hielt, weil er die verhaltensbeeinflussende Wirkung der Haftung insgesamt bezweifelte12.
C. Mitgliederversammlung des Deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft In der Folgezeit hat es zumindest einen weiteren Versuch gegeben, eine Genehmigung für eine Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung zu erhalten,13 praktische Bedeutung erlangte eine solche Versicherung allerdings zur damaligen Zeit 5 „Gutachten über die Haftpflichtversicherung von Personen in Vertrauensstellungen“ (1897); abgedruckt in: ZVersWiss 1902, 318. 6 Vgl. Clauß, ZVersWiss 1902, 333 (333); Wollny, D&O-Versicherung, S. 389. 7 Nur so kann man die Ausführungen von Hahn, ZVersWiss 1902, 318 (318–319), zur Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung zu Beginn seines Referats verstehen. 8 Die Versicherung für solche Personen wurde auf der Grundlage der Referate von Hahn und Clauß nicht weiter beanstandet. Vgl. die Einleitung in der ZVersWiss zu den dort abgedruckten Gutachten: ZVersWiss 1902, 317. 9 Ebenso Georgii, S. 17–29 (18), unter Bezugnahme auf das von Hahn und Clauß erstattete Gutachten. Vgl. Hahn, ZVersWiss 1902, 318 (325). 10 Selbstbehalt meint eine Vereinbarung, der zufolge ein anteilig, fix, prozentual oder anderweitig bestimmter Betrag nicht durch den Versicherer beglichen werden muss. Einzelheiten zum Selbstbehalt in Kapitel 5 unter C. IV. 2. c) ee), sowie E. 11 Clauß, ZVersWiss 1902, 333 (337–339) 12 Hahn, ZVersWiss 1902, 318 (332–333). 13 Vgl. Georgii, S. 17–29 (17).
C. Mitgliederversammlung des Vereins für Versicherungs-Wissenschaft
25
nicht.14 Dennoch wurde die Diskussion um ihre Zulässigkeit zumindest über einen kurzen Zeitraum hinweg geführt. So hatte die Mitgliederversammlung der Abteilung für Versicherungsrecht und Versicherungswirtschaft des Deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft vom 21. Februar 1906 in der Tagesordnung „Das Problem der Aufsichtsrat-Haftpflicht und ihrer Versicherung“15 als Hauptgegenstand vorgesehen. In seinem dort vorgelegten Bericht wies Warschauer auf das Problem der Minderung des Pflichtbewusstseins bei den versicherten Aufsichtratsmitgliedern hin.16 Obwohl er die Versicherung volkswirtschaftlich wegen der Risikoverteilung und aus Sicht der Geschädigten insgesamt positiv bewertete, sprach er sich auf Grund der seiner Ansicht nach drohenden Gefahr vermehrter Pflichtverletzungen nur für eine „Teilversicherung“ in Höhe von 50% aus.17 Das wäre nach heute etwas geläufigerer Terminologie ein Selbstbehalt von 50%, sofern man bei dieser Größenordnung noch von einem Selbstbehalt sprechen kann. Die Höhe des von ihm vorgeschlagenen Selbstbehaltes relativierte Warschauer in der sich an die Referate anschließenden Diskussion; dort räumte er ein, dass „vielleicht der Prozentsatz von 50 pCt. der Haftpflicht zu hoch gegriffen sein“18 möge. Bei einem Prozentsatz von beispielsweise 10% jedoch – so gab er zugleich zu bedenken – „dürfte sich für die Versicherten auch der Zwang zur vorgeschriebenen Pflichterfüllung wesentlich mindern“19. Indem er diesen Aspekt hervorhob, ging Warschauer erkennbar von einem Zusammenhang zwischen (verbleibender) eigener Haftung und der Motivation zur Pflichterfüllung aus. In einem weiteren Bericht im Rahmen der oben genannten Veranstaltung wies Georgii darauf hin, dass für „Directoren“ (Vorstandsmitglieder) nichts anderes gelten könne als für Aufsichtsratsmitglieder, denn die Haftung der ersteren komme regelmäßig vor derjenigen der letzteren in Betracht.20 Seines Erachtens stellte sich als „Kardinalfrage“ der Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung, welche Art der Fahrlässigkeit versichert werden sollte.21 Georgii war der Auf14
Wollny, D&O-Versicherung, S. 389. Vgl. den vorangestellten (Einleitungs-)Text, in: Veröffentlichungen des deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft, Heft VIII (März 1906), zum Thema: „Die Versicherung der Aufsichtsrathaftpflicht“. 16 Warschauer, S. 3–16 (13). 17 Warschauer, S. 3–16 (13). 18 Diskussion (Warschauer), in: Veröffentlichungen des deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft, Heft VIII (März 1906), zum Thema: „Die Versicherung der Aufsichtsrathaftpflicht“, S. 49–60 (57). 19 Diskussion (Warschauer), in: Veröffentlichungen des deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft, Heft VIII (März 1906), zum Thema: „Die Versicherung der Aufsichtsrathaftpflicht“, S. 49–60 (57). 20 Georgii, S. 17–29 (18). 21 Georgii, S. 17–29 (22). 15
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Kap. 2: Zulässigkeit einer Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung
fassung, dass die „fahrlässige Schadensstiftung, die auf wissentliches Zuwiderhandeln des Versicherten gegen die besonderen Pflichten seines Amtes oder Berufes zurückzuführen ist“22, vom Versicherungsschutz auszuschließen sei. Damit plädierte er bereits im Jahr 1906 für einen mittlerweile in allen D&O-AVB enthaltenen23 Wissentlichkeitsausschluss.24 Gegen die Einführung eines Wissentlichkeitsausschlusses sprach sich Kahlert aus, der das Thema aus versicherungstechnischer Sicht behandelte. Nach seiner Auffassung hätte eine solche Klausel zusätzliche Beweisprobleme aufgeworfen und die Aufsichtsratmitglieder veranlasst, keine zusätzlichen Vorschriften für ihr Verhalten zu akzeptieren.25 Eine „Selbstbeteiligung“ des Versicherten hielt Kahlert indes für notwendig, und zwar in der Höhe von 20, „höchstens 25“%.26 Zwar erachtete er – anders als Warschauer – die Auswirkungen eines Selbstbehaltes auf die Schadensverhütung nur für gering, er ging jedoch davon aus, dass nur mit einem angemessenen Selbstbehalt das versicherte Aufsichtsratsmitglied im Schadensfall ausreichend motiviert wäre, den Anspruch abzuwehren, beziehungsweise in angemessenen Grenzen zu halten.27 Hinsichtlich der Frage, wer die Versicherungsprämien zahlen solle, hielt es Kahlert für „eigentlich selbstverständlich“28, dass sie vom Versicherten selbst zu tragen seien. Zweck der Versicherung sei der Schutz der Aufsichtsratsmitglieder und nur als Nebenwirkung komme die Versicherung den Aktionären zugute.29
D. Resümee Im Rahmen der Debatte um die Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung wurden schon vor über 100 Jahren relevante Fragen aufgeworfen, die in dieser Arbeit näher behandelt werden. Diskutiert wurden insbesondere die möglichen Auswirkungen der Versicherung auf das Verhalten der Organwalter, wobei schon damals die Einführung eines Selbstbehaltes vorgeschlagen wurde, um negative Anreize zu mildern. Auch der Wissentlichkeitsausschluss als Instrument zur Begrenzung der Versicherung wurde erörtert. 22
Georgii, S. 17–29 (22–23). Vgl. Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 233. 24 Durch den Wissentlichkeitsausschluss werden vorsätzliche Pflichtverletzungen vom Versicherungsschutz auch dann ausgenommen, wenn ein Vorsatz hinsichtlich des verursachten Schadens nicht vorliegt. Zum Wissentlichkeitsausschluss im Einzelnen vergleiche: Kapitel 5 C. IV. 2. c) aa). 25 Kahlert, S. 30–48 (36–38). 26 Kahlert, S. 30–48 (41). 27 Kahlert, S. 30–48 (40). 28 Kahlert, S. 30–48 (43). 29 Kahlert, S. 30–48 (44). 23
D. Resümee
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Dabei wiesen die Referenten auf wünschenswerte Folgen – etwa einen verbesserten Schadensausgleich für die Geschädigten – oder eine unerwünschte Wirkung der Versicherung hin. Sie diskutierten die Folgen der Versicherung aber lediglich aus dem Blickwinkel allgemeiner Praktikabilitäts- oder moralischer Gerechtigkeitserwägungen, den gesellschaftsrechtlichen Hintergrund der Fragestellung erkannten sie nicht. Das mag auch daran gelegen haben, dass aktienrechtliche Vorschriften zu diesem Zeitpunkt noch im HGB zu finden waren, das Aktienrecht wurde erst im Jahre 1937 in ein eigenständiges Gesetz gefasst. In Kapitel 5 wird dieser Komplex aus dem Blickwinkel des heute geltenden Aktienrechts eingehend behandelt. Die Frage der Prämientragung wurde von einigen Referenten zumindest am Rande gesehen; dass die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin den D&O-Versicherungsvertrag für ihre Organmitglieder abschließt sowie das Folgeproblem der innergesellschaftlichen Zuständigkeit waren hingegen nicht Gegenstand der Diskussion. Der zuletzt genannten Frage wird in Kapitel 6 nachgegangen.
Kapitel 3
Haftung von Organmitgliedern Um die aktienrechtlichen Fragestellungen zur gesellschaftsfinanzierten D&OVersicherung, wie sie sich heute stellen, erörtern zu können, müssen zunächst die Grundzüge der Organhaftung sowie der Versicherungsgegenstand skizziert werden. Die Problematik der Innen- und Außenhaftung von Organmitgliedern ist in der Literatur vielfach und umfassend dargestellt worden,1 weshalb die Ausführungen an dieser Stelle auf einen Überblick beschränkt werden. Unter der „Haftung von Organmitgliedern“ versteht man die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit für Schäden, die durch Handlung oder Untätigkeit in Ausübung einer Organtätigkeit entstehen. Bei der Aktiengesellschaft sind die Organe Vorstand und Aufsichtsrat. Deren Mitglieder (= Organwalter) können sich im Rahmen ihrer Tätigkeit persönlich haftbar machen. Dabei lässt sich zwischen der Haftung gegenüber der eigenen Aktiengesellschaft (Innenhaftung) und der gegenüber Dritten (Außenhaftung) unterscheiden.2
A. Innenhaftung Wenn Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ihre Sorgfaltspflichten verletzen, haften sie der Aktiengesellschaft für die daraus resultierenden Schäden gemäß §§ 93 Abs. 2, 116 AktG3. Voraussetzung ist, dass sie den Nachweis feh1 Vgl. etwa Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance (1996); Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93; Hopt, FS Mestmäcker (1996), S. 909–931; Horn, ZIP 1997, 1129; Krieger, RWS-Forum 8 Gesellschaftsrecht 1995, S. 149–177; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten. 2 Vgl. Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 29 Rn. 19. 3 Die Haftungsnorm des § 93 AktG ist mittlerweile geändert worden: Das Bundesministerium der Justiz hat am 28.01.2004 den „Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)“ vorgestellt. Der überarbeitete Regierungsentwurf (Stand November 2004) sieht in Artikel 1 unter anderem vor, dass nach § 93 Abs. 1 S. 1 folgender Satz eingefügt wird: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ Entwurfstext, Stellungnahme des Bundesrates [BR-Drs. 3/05] und Gegenäußerung finden sich bei den Gesetzentwürfen
C. Innenhaftung ausgelöst durch die Haftung der Gesellschaft
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lender Pflichtwidrigkeit4 und fehlenden Verschuldens nicht erbringen können (§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG). Werden Organmitglieder derart von der Aktiengesellschaft in Regress genommen, so spricht man gemeinhin von Innenhaftung.
B. Außenhaftung Verletzen Organmitglieder im Rahmen ihrer Tätigkeit schuldhaft Rechtsgüter von Dritten, haften die betreffenden Organmitglieder den Außenstehenden für die dadurch verursachten Schäden persönlich gemäß § 823 Abs. 1 BGB.5 Bei einer Verletzung von Schutzgesetzen kommt § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Zudem ist eine persönliche Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss Dritten gegenüber möglich (§ 280 Abs. 1 i. V. m. § 311 Abs. 2, 3 BGB).6 Als Dritte gelten in diesem Zusammenhang auch Aktionäre, Mitarbeiter oder andere Organwalter. Diese Form der Haftung gegenüber Dritten wird üblicherweise als Außenhaftung bezeichnet.
C. Innenhaftung ausgelöst durch die Haftung der Gesellschaft gegenüber Dritten gemäß § 31 BGB Durch ein und denselben Sachverhalt können sowohl Außen- als auch Innenhaftung ausgelöst werden: Ist der Organwalter Dritten gegenüber schadensersatzpflichtig (Außenhaftung), kann auch die Gesellschaft gemäß § 31 BGB in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Gesellschaft wird – soweit die Voraussetzungen des § 31 BGB vorliegen – auch regelmäßig erfolgen, weil die Aktiengesellschaft fast immer solvent und damit der attraktivere Schuldner ist. Muss die Gesellschaft nun deswegen Ersatz leisten, ist das Organmitglied der Gesellschaft gegenüber zum Ausgleich dieses Schadens verpflichtet (Innenhaftung), soweit in der schädigenden Handlung gegenüber den Dritten zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der eigenen Aktiengesellschaft zu sehen ist. (dort unter „Corporate Governance“) unter http://www.bmj.bund.de. Die Änderung ist am 01. November 2005 in Kraft getreten. 4 § 93 Abs. 2 S. 2 AktG legt dem Organmitglied nach überwiegender Auffassung nicht nur die Beweislast für fehlendes Verschulden, sondern auch die Beweislast für fehlende Pflichtwidrigkeit auf: Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 16; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 105–106 Rn. 200 (dort Fn. 202); beide m. w. N. Zur Beweislastverteilung vergleiche auch Heermann, ZIP 1998, 761– 769. 5 Grundlegend zur Außenhaftung von Organmitgliedern für Organisationsverschulden gemäß § 823 BGB Abs. 1: Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden, S. 232–284. 6 Zur Haftung der Verbandsorgane gegenüber Dritten allgemein: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 V 2 S. 427–428, m. w. N.
Kapitel 4
Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages Die D&O-Versicherung deckt im Wesentlichen die oben skizzierten Haftungsansprüche ab, denen sich die Organmitglieder ausgesetzt sehen.1 Im Folgenden soll gezeigt werden, wie die gängigen D&O-Versicherungsverträge ausgestaltet sind. Dabei wird lediglich ein Überblick über die wesentlichen Grundlagen sowie über solche Aspekte der D&O-Versicherung gegeben, die im Rahmen dieser Arbeit von Bedeutung sind. Auf sämtliche in der Praxis vorkommenden Detailregelungen – insbesondere auf die Vielzahl möglicher Haftungsausschlüsse2 – kann hier naturgemäß nicht näher eingegangen werden.3
A. Die Vertragsbeteiligten I. Versicherungsnehmer Zum Wesen der D&O-Versicherung gehört es, dass als Vertragspartner des Versicherers nicht der Organwalter, sondern die Gesellschaft auftritt. Es handelt sich um eine Versicherung für fremde Rechnung (§§ 74–80 VVG)4: Versicherungsnehmerin ist die Gesellschaft, versicherte Personen sind die Organmitglieder der Gesellschaft. Dass als Vertragspartner ausnahmsweise das Organmitglied selbst auftritt, ist zwar theoretisch denkbar, eine solche Einzelpolice kommt jedoch in der Praxis nicht vor.5 Eine Einzelpolice kann auch kaum zu erschwinglichen Prämien an1 Einzelheiten zu Inhalt sowie Funktionsweise von D&O-Versicherungsverträgen finden sich bei Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, § 28. D&O-Versicherung, S. 1335–1388. 2 Der Ausschluss für wissentliche Pflichtverletzungen wird im Zusammenhang mit der Verhaltensbeeinflussung durch die D&O-Versicherung in Kapitel 5 C. IV. 2. c) aa) näher behandelt. 3 Umfassende Darstellungen von gängigen D&O-Versicherungsbedingungen finden sich etwa bei Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung; Olbrich, Die D&OVersicherung in Deutschland; Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager. Zum Einfluss der Rechtsentwicklungen in den USA und in Großbritannien auf das Haftungspotential sowie auf die D&O-Versicherung in Deutschland: Rieger-Goroncy, NVersZ 1999, 247–252. 4 Vgl. Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1352 Rn. 48.
A. Die Vertragsbeteiligten
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geboten werden. Ursache hierfür ist, dass Organwalter in vielen Fällen gesamtschuldnerisch haften. Ist nun eines der gesamtschuldnerisch haftenden Organmitglieder versichert, so wird der Geschädigte (Gesellschaft oder Außenstehender) zunächst den Versicherten bis zur Deckungssumme in Anspruch nehmen, weil er in ihm einen solventen Schuldner findet. Das Rückgriffsrisiko des Gesamtschuldnerausgleichs bliebe dann beim Versicherer, sodass der Versicherer in solchen Fällen oft den gesamten Schaden auszugleichen hätte, obwohl dem Grunde nach eine gesamtschuldnerische Haftung besteht. Das Risiko ist also bei einer Einzelpolice ähnlich groß wie bei einer Versicherung aller Organmitglieder. Dies muss sich entweder in sehr hohen Prämien widerspiegeln, die kein Organmitglied zahlen will, oder in einer für den Versicherer unwirtschaftlichen, weil schlecht kalkulierten Versicherung. Man kann also festhalten, dass die Gesellschaft aus gutem Grund in nahezu allen Fällen Versicherungsnehmerin ist.
II. Versicherte Personen Versichert sind die Organmitglieder der Versicherungsnehmerin.6 Bei einer Aktiengesellschaft deckt die Versicherung neben der Außen- vor allem die Innenhaftung der Vorstandsmitglieder (§ 93 Abs. 2 AktG) und der Aufsichtsratsmitglieder (§§ 93 Abs. 2, 116 AktG), wenngleich gerade bei der Innenhaftung der Versicherungsschutz oftmals durch erhebliche Ausschlüsse eingeschränkt wird7. Versichert sind auch ehemalige Organwalter, was dann relevant wird, wenn Ansprüche gegen den Organwalter erst nach dessen Ausscheiden geltend gemacht werden und der Schaden noch vom zeitlichen Geltungsbereich der Versicherung erfasst wird.8
III. Besonderheiten bei der Versicherung für fremde Rechnung Die Aktiengesellschaft (Versicherungsnehmerin) schließt die Versicherung im eigenen Namen für einen anderen (ihre Organmitglieder) ab. Damit entspricht die D&O-Versicherung der Legaldefinition einer Versicherung für fremde Rechnung in § 74 Abs. 1 VVG. Soweit im D&O-Versicherungsvertrag keine abweichenden Regeln getroffen wurden, finden deshalb die Regeln der §§ 74–80 VVG Anwendung. 5 Vgl. Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365 (367), wonach Versicherungsverträge zwischen Organmitgliedern und Versicherern nicht bekannt sind. 6 Einzelheiten zu versicherten Personen und den hiermit verbundenen Problemen finden sich bei Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1354 ff Rn. 52 ff. 7 Vgl. hierzu Kapitel 7. 8 Dazu unter Kapitel 4 C.
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Kap. 4: Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages
1. Lage nach den §§ 74–80 VVG Die Versicherungsnehmerin hat als Vertragspartnerin des Versicherers alle Gestaltungsrechte hinsichtlich des Versicherungsvertrages.9 Sie kann den Vertrag kündigen und inhaltliche Änderungen herbeiführen. Man könnte sie daher als Herrin des D&O-Versicherungsvertrages bezeichnen. Als Vertragspartnerin wird die Aktiengesellschaft durch den Versicherungsvertrag aber auch verpflichtet, sie trifft vor allem die Pflicht zur Prämienzahlung.10 Der versicherte Organwalter hingegen wird durch die D&O-Versicherung nicht verpflichtet. Ihn können lediglich Obliegenheiten treffen, deren Verletzung zum Verlust der vertraglichen Ansprüche führt.11 a) Aufspaltung von materieller Berechtigung und formeller Verfügungsgewalt Inhaber der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ist der Versicherte (§ 75 Abs. 1 S. 1 VVG),12 Ansprüche aus dem D&O-Versicherungsvertrag stehen also nur dem versicherten Organmitglied zu. Aus diesem Grund darf die Aktiengesellschaft eventuelle Ansprüche aus der D&O-Versicherung auch nicht abtreten.13 Im Gegensatz zur materiellen Inhaberschaft weist § 76 Abs. 1 VVG die Verfügungsmacht der Versicherungsnehmerin zu. Der Versicherte selbst kann nur dann über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügen oder sie gerichtlich geltend machen, wenn er entweder mit Zustimmung der Versicherungsnehmerin handelt oder im Besitz des Versicherungsscheins ist (§ 75 Abs. 2 VVG). Einen Anspruch auf Aushändigung des Versicherungsscheins gegenüber dem Versicherer hat gemäß § 75 Abs. 1 S. 2 VVG jedoch nur die Versicherungsnehmerin, sodass der Versicherte auf die Zustimmung der Versicherungsnehmerin oder auf die Herausgabe des Versicherungsscheins angewiesen ist. Formelle Verfügungsgewalt und materielle Inhaberschaft fallen mithin auseinander.
9 Prölss, in: Prölss/Martin, § 75 Rn. 1; Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 3. 10 Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 3. 11 Prölss, in: Prölss/Martin, § 75 Rn. 6. Einige dieser Obliegenheiten werden im Rahmen der Verhaltensbeeinflussung durch die D&O-Versicherung in Kapitel 5 C. IV. 2. c) cc) näher behandelt. 12 Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 3; Prölss, in: Prölss/Martin, § 75 Rn. 1. 13 Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 3.
A. Die Vertragsbeteiligten
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b) Das Versicherungsverhältnis als gesetzliches Treuhandverhältnis Wenngleich das Organmitglied Ansprüche gegen den Versicherer nur unter Mithilfe der Aktiengesellschaft geltend machen kann, erleidet es hierdurch in der Praxis kaum Nachteile. Das Organmitglied kann seine Ansprüche de facto fast immer durchsetzen. Grund dafür ist das mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstehende gesetzliche Treuhandverhältnis, das der Gesellschaft besondere Pflichten auferlegt, weswegen die Aktiengesellschaft im Ergebnis ihre Mitwirkung nur in Ausnahmefällen verweigern kann. Die Aufspaltung formeller Verfügungsbefugnis und materieller Inhaberschaft des Rechts führt beim Versicherungsvertrag für fremde Rechnung dazu, dass die Versicherungsnehmerin (hier die AG) für die versicherte Person (hier das Organmitglied) als Treuhänderin fungiert.14 Infolge dieses Treuhandverhältnisses hat die Versicherungsnehmerin die Versicherungsleistung für die versicherte Person einzuziehen und gegebenenfalls an sie weiterzuleiten, sofern dieser die Versicherungsleistung zusteht.15 Für die D&O-Versicherung ergibt sich daher Folgendes: Die Aktiengesellschaft ist auf Grund des Treuhandverhältnisses im Regelfall dazu verpflichtet, dem versicherten Organwalter die Geltendmachung seiner Ansprüche zu ermöglichen, indem sie die erforderliche Zustimmung erteilt und/oder den Versicherungsschein aushändigt. Diese Form der Mitwirkung kann die Aktiengesellschaft nur verweigern, wenn sie selbst Ansprüche gegen das Organmitglied hat. Das betrifft vor allem Schadensersatzansprüche im Rahmen der Innenhaftung. Derartige Ansprüche kann die Aktiengesellschaft regelmäßig gegen den Anspruch des Organmitglieds auf Weiterleitung der Versicherungsleistung aufrechnen, sodass sie die Versicherungsleistung vom Versicherer verlangen und selbst behalten kann.16 Rechtsmissbräuchlich wäre ihre Weigerung zur Mitwirkung in solchen Fällen nur, wenn die Gesellschaft zwar versucht, den Schadensersatzanspruch gegen das Organmitglied durchzusetzen, zugleich aber die Versicherungsleistung nicht in Anspruch nimmt. Ein derartiges Verhalten ist aber nur schwer vorstellbar, weil es aus Sicht der Aktiengesellschaft kaum Sinn machen würde, auf den 14 Allgemein zur Versicherung für fremde Rechnung: BGH, Urteil vom 12. Juni 1991 (Az: XII ZR 17/90) unter 1. c der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, NJW 1991, 3031; BGH, Urteil vom 12. Dezember 1990 (Az: IV ZR 213/89), unter I. 4 der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 113, 151; Römer, in: Römer/Langheid, § 77 Rn. 4. Zum Treuhandverhältnis bei der D&O-Versicherung: Koch, GmbHR 2004, 160 (162–166). 15 BGH, Urteil vom 12. Juni 1991 (Az: XII ZR 17/90), unter 1. c der Gründe, Fundstellen: jurisWeb; NJW 1991, 3031. 16 Für die Versicherung für fremde Rechnung allgemein: Prölss, in: Prölss/Martin, § 77 Rn. 7; Römer, in: Römer/Langheid, § 77 Rn. 5.
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Kap. 4: Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages
Versicherer als solventen Schuldner zu verzichten. Die Aktiengesellschaft wird das Organmitglied also schon aus eigenem Interesse regelmäßig bei der Erlangung von Versicherungsschutz unterstützen. Sollte die Aktiengesellschaft dennoch ihre Mitwirkung verweigern, also sich offensichtlich rechtsmissbräuchlich verhalten, kann der versicherte Organwalter seine Ansprüche schließlich auch ohne Mithilfe der Aktiengesellschaft beim D&O-Versicherer geltend machen. Der D&O-Versicherer kann sich dann nämlich nicht auf die fehlende Befugnis des versicherten Organmitglieds berufen: Zweck der Trennung von materieller Berechtigung und formeller Verfügungsmacht ist neben dem Schutz der Versicherungsnehmerin auch der Schutz des Versicherers. Der Versicherer soll nur mit einer Person zu tun haben – seinem Vertragspartner; für das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmerin und Versichertem braucht er sich nicht zu interessieren.17 Dieses Schutzes bedarf der Versicherer dann nicht, wenn feststeht oder leicht feststellbar ist, dass der Versicherte einen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat.18 Sobald also offensichtlich ist, dass der Organwalter einen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat und die Aktiengesellschaft die Mitwirkung rechtswidrig verweigert, kann sich der Versicherer nicht mehr auf die fehlende Verfügungsmacht des Organmitglieds berufen; verweigert der D&O-Versicherer in einem solchen Fall dennoch die Versicherungsleistung, so handelt er rechtsmissbräuchlich. In einem solchen Fall offensichtlichen Rechtsmissbrauchs wäre der Organwalter daher seinerseits berechtigt, selbst gegen den Versicherer vorzugehen, um die Versicherungsleistung zu erhalten.19 c) Zusammenfassung Festzuhalten bleibt, dass das Organmitglied nach den §§ 74–80 VVG bei der Geltendmachung der Versicherungsleistung aus der D&O-Versicherung grundsätzlich auf die Mitwirkung der Aktiengesellschaft angewiesen ist. Diese ist aber – außer in begründeten Fällen – zur Mitwirkung verpflichtet; soweit die Aktiengesellschaft rechtswidrig die Mithilfe verweigert, kann sich der D&OVersicherer im Regelfall nicht auf die fehlende Verfügungsmacht des versicherten Organwalters berufen. Im Ergebnis kann daher davon ausgegangen werden, dass das Organmitglied Inhaber des Anspruchs auf Versicherungsleistung ist und diesen in der Regel auch durchsetzen kann – mit oder gegebenenfalls ohne Hilfe der Aktiengesellschaft. 17
Vgl. Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 2. Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 16. 19 Für die D&O-Versicherung im Ergebnis ebenso: Kiethe, BB 2003, 537 (541), der bei der Begründung allerdings nicht auf den Rechtsmissbrauch seitens des Versicherers eingeht. 18
A. Die Vertragsbeteiligten
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2. Abweichende Regelungen in den D&O-AVB Wie oben erläutert, ergibt sich aus den §§ 74–80 VVG eine Trennung von materieller Inhaberschaft und formeller Verfügungsmacht. Zu klären ist nun, inwieweit die Parteien bei Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages von diesen Regeln abweichen können und in welchem Maße sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Zwingendes Recht enthält § 75 Abs. 1 VVG.20 Die Vorschrift sieht vor, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich dem Versicherten zustehen. Wäre der Versicherungsnehmer Inhaber der Rechte aus dem Vertrag, so würde es sich dem Inhalt nach um eine Eigenversicherung auf ein fremdes Risiko handeln. Letztlich könnte ein solcher Vertrag unter Umständen nicht mehr als Versicherung, sondern als Wette anzusehen sein.21 Von den übrigen Vorschriften der §§ 75–80 VVG können die Vertragsparteien hingegen abweichen.22 Dispositives Recht enthält insbesondere § 76 Abs. 1 VVG, das heißt die Verfügungsmacht über die Ansprüche aus der Versicherung kann durch vertragliche Abreden dem versicherten Organwalter zugewiesen werden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) hat in seinen Musterbedingungen zur D&O-Versicherung von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Ziffer 11.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG)23 beinhaltet folgende Bestimmung: „Anspruch auf Versicherungsschutz können nur die versicherten Personen geltend machen“. Diese Klausel ist in mehreren gängigen D&O-Versicherungsverträgen in ähnlicher Form übernommen worden. So weisen beispielsweise die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der R+V-Versicherung sowie der Allianz dem Organmitglied ausdrücklich das Recht zu, Ansprüche aus der Versicherung geltend zu machen. Den Interessen der Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin wird dabei Rechnung getragen, indem die Möglichkeiten, die Ansprüche abzutreten oder zu pfänden, beschränkt werden. In den AVB der R+V-Versicherung (ULLA, Stand 2001) lautet die Formulierung in Ziffer 12.1: „Anspruch auf Versicherungsschutz können nur die ver20
Prölss, in: Prölss/Martin, § 75 Rn. 1. Vgl. Hübsch, in: Berliner Kommentar, § 75 Rn. 18; Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 22. 22 Vgl. Hübsch, in: Berliner Kommentar, § 75 Rn. 19, § 76 Rn. 16, 17; Prölss, in: Prölss/Martin, § 75 Rn. 15, § 76 Rn. 6, § 77 Rn. 16; Römer, in: Römer/Langheid, §§ 75, 76 Rn. 22–25, § 77 Rn. 2. 23 Nachzulesen bei Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 229–239. 21
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Kap. 4: Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages
sicherten Personen, im Falle einer Haftungsfreistellung gem. 8.4 die Versicherungsnehmerin, geltend machen. [. . .]“ Unter Ziffer 12.2 wird ergänzt: „Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht auf Dritte übertragen werden.“ Kaum einen Unterschied weist die entsprechende Klausel in § 8 AVB-O der Allianz auf: (Ziffer 1) „Anspruch auf Versicherungsschutz können vorbehaltlich § 1 Ziff. 3 nur die versicherten Personen geltend machen.“ (Ziffer 2) „Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht abgetreten oder gepfändet werden.“ In gleicher Weise muss man auch die AVB der CHUBB (OLA 2001) verstehen, in denen es in § 9 heißt: (Nr. 1) „Die Rechte aus dem Vertrag stehen den versicherten Personen oder im Falle der Enthaftungserstattung gemäß § 1 Abs. 2 dem versicherten Unternehmen zu.“ (Nr. 2) „Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen oder verpfändet werden.“ Liegen solche oder ähnliche Vereinbarungen vor, ist das Organmitglied wesentlich besser gestellt, weil es nicht mehr auf die Mitwirkung der Aktiengesellschaft angewiesen ist und für den Fall, dass die Aktiengesellschaft ihre Mitwirkung verweigert, nicht mehr gegenüber dem Versicherer die Rechtsmissbräuchlichkeit dieser Verweigerung darlegen muss. Vielmehr kann sich das versicherte Organmitglied selbst an den Versicherer wenden, um den Versicherungsschutz einzufordern.
B. Gegenstand des Versicherungsschutzes Der Gegenstand des Versicherungsschutzes wird in den AVB der Versicherer inhaltlich weitgehend übereinstimmend formuliert. Danach wird durch den D&O-Versicherungsvertrag Versicherungsschutz für den Fall gewährt, dass eine versicherte Person wegen einer Pflichtverletzung auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden in Anspruch genommen wird, soweit sie die Pflichtverletzung in Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin begangen hat. Als entscheidende Merkmale sind hervorzuheben: • Pflichtverletzung durch ein Organmitglied in Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, • dadurch verursachter Vermögensschaden und • Inanspruchnahme auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen.
B. Gegenstand des Versicherungsschutzes
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I. Versicherte Tätigkeit Versichert sind nur die Fälle, in denen ein Organmitglied wegen einer Pflichtverletzung in Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit in Anspruch genommen wird. Die D&O-Versicherung greift also nicht, soweit der Versicherte in seiner Eigenschaft als Aktionär – etwa wegen Verletzung der Treuepflicht – oder als Privatperson belangt wird. Erwähnt sei zudem, dass sich der Versicherungsschutz auch nicht auf Tätigkeiten des Organmitglieds in anderen Gesellschaften erstreckt – dies gilt selbst dann, wenn das Organmitglied die Tätigkeit auf Weisung der Versicherungsnehmerin ausübt. In der Praxis sind es oftmals Banken, die in die Aufsichtsräte der Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, Mitglieder ihrer Vorstände entsenden. Diese extern tätigen Vorstandsmitglieder (so genannte „Outside Directorship“)24 sind im Regelfall nicht durch die D&O-Versicherungen der entsendenden Gesellschaft versichert.25 Die Tätigkeit in Organen von Tochterunternehmen hingegen ist von den D&O-Versicherungen regelmäßig miterfasst.26 Was im Sinne der AVB als Tochterunternehmen gilt, ist von der Definition der jeweiligen AVB abhängig.27 Im Kern handelt es sich um Unternehmen, bei denen der Versicherungsnehmerin die Leitung oder Kontrolle direkt oder indirekt zusteht.28
II. Vermögensschaden Nach den gängigen D&O-AVB wird nur die Inanspruchnahme auf Grund von Vermögensschäden abgedeckt.29 Vermögensschäden werden in den AVB der D&O-Versicherer definiert als „Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen 24 Dazu Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 197, der auch auf die abweichende Bedeutung dieses Begriffs im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht hinweist. 25 Eine Ausnahme findet sich in Ziffer III.1 (dort der vierte Absatz) des Business Guard 2000 der AIG EUROPE. 26 Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 116. 27 Dabei ergeben sich teilweise Unterschiede. Vgl. dazu Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 116–121, m. w. N. 28 So die Definition in Ziffer 1 ULLA der R+V-Versicherung (Stand 2001), wo die verschiedenen Kontrollmöglichkeiten noch genauer ausgeführt werden. 29 Vgl. etwa Ziffer 1.1 der AVB-AVG des GDV; § 1 AVB-O der Allianz; Ziffer 1 ULLA der R+V-Versicherung (Stand 2001); § 1 Ziffer 1 [Managerschutz] AVB OLA 2001 der CHUBB INSURANCE; vergleiche auch Beckmann, in: VersicherungsrechtsHandbuch, S. 1358 ff Rn. 66 ff; Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 128.
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Kap. 4: Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages
von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten“30. Es handelt sich also um „reine“ Vermögensschäden.31 Der „Vermögensschaden“ in den D&O-AVB deckt sich somit nicht mit dem Schadensbegriff des BGB: Vermögensschaden im Sinne des BGB ist jeder Schaden, der eine Vermögensminderung bewirkt hat, also finanziell spürbar ist.32 Davon sind auch Schäden erfasst, die die Folge von Sach- oder Personenschäden sind, etwa Behandlungskosten. Solche „unechten“ Vermögensschäden sind hingegen keine Vermögensschäden im Sinne der D&O-AVB, weil sie sich aus Nicht-Vermögensschäden herleiten. Die auf diese Weise hervorgerufene starke Beschränkung der Deckung von D&O-Versicherungen resultiert auch daraus, dass Personen- und Sachschäden sowie die dadurch verursachten (unechten) Vermögensschäden bereits durch Betriebshaftpflicht-, Produkthaftpflichtund Umwelthaftpflichtversicherung versicherbar sind.33
III. Gesetzliche Haftpflichtbestimmung D&O-Versicherungen bieten regelmäßig nur Schutz bei Inanspruchnahme auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen.34 Der Begriff wird vom BGH für die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) wie folgt definiert: „Unter gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen sind Rechtsnormen zu verstehen, die unabhängig von dem Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung des Tatbestandes eines unter § 1 AHB fallenden Schadenereignisses Rechtsfolgen knüpfen“35. Diese Definition ist sinngemäß auch für die D&O-Versicherung anzuwenden.36 Daher sind Erfüllungsansprüche, Erfüllungssurrogate oder Gewährleistungsansprüche, Letztere soweit sie nicht auf Schadensersatz gerichtet sind, nicht von 30 Ziffer 1 ULLA der R+V-Versicherung (Stand 2001); ähnlich: § 1 Ziffer 4 AVB-O der Allianz. 31 Zum Begriff des reinen Vermögensschadens: Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 70–73. 32 Vgl. jurisPK/Vieweg, § 253 Abs. 1, Rn. 5–6. 33 Dazu Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 71–71; Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 130–131. 34 Vgl. etwa Ziffer 1.1 der AVB-AVG des GDV; § 1 Ziffer 2 AVB-O der Allianz; Ziffer 1 ULLA der R+V-Versicherung (Stand 2001). Darüber hinausgehend: § 1 Ziffer 1 [Managerschutz], § 13 [Definitionen] AVB OLA 2001 der CHUBB INSURANCE, die Schutz bei Inanspruchnahme auf Grund eines „Fehlverhaltens“ bieten. 35 BGH, Urteil vom 20.11.1970 (Az: IV ZR 1188/68), Ziffer 4 der Gründe, Fundstellen: NVersZ, 1971, 144; NJW 1971, 429; BGH, Urteil vom 11.12.2002 (Az: IV ZR 226/01), unter II.1. der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, VersR 2003, 236; vergleiche auch Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, AHB, § 1 Rn. 3. 36 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 69; zustimmend Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 122.
C. Zeitlicher Geltungsbereich/Versicherungsfall
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der D&O-Versicherung abgedeckt.37 Das Gleiche gilt auch für Haftungsverschärfungen, die auf vertraglichen Vereinbarungen oder Zusagen beruhen.38
IV. Firmenenthaftung Neben dem Organwalter kann auch die Aktiengesellschaft in den Fällen der Firmenenthaftung – auch Freistellungsverpflichtung oder „Company Reimbursement“39 genannt – vom D&O-Versicherer Versicherungsleistungen verlangen: Für die Gesellschaft kann die Verpflichtung entstehen, das Organmitglied, das Dritten gegenüber schadensersatzpflichtig ist (Außenhaftung), freizustellen. Verletzt der Organwalter durch sein Verhalten nicht zugleich auch seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft, kann er unter Umständen einen Freistellungsanspruch gegen die Aktiengesellschaft gemäß §§ 670, 257 S. 1 BGB geltend machen.40 Soweit die Aktiengesellschaft in einem solchen Fall ihrer Verpflichtung nachkommt und das Organmitglied von der Haftung freistellt, bestimmen die meisten AVB, dass der Anspruch des versicherten Organmitglieds auf die Aktiengesellschaft übergeht beziehungsweise die Aktiengesellschaft vom Versicherer Erstattung der Freistellungsaufwendungen verlangen kann.41 Fehlt eine solche Klausel, kann die Aktiengesellschaft hingegen keinen Ersatz verlangen, weil sie als Versicherungsnehmerin normalerweise keinen Anspruch auf die D&O-Versicherungsleistung hat.42
C. Zeitlicher Geltungsbereich/Versicherungsfall Der Versicherungsschutz erstreckt sich grundsätzlich auf jeden Versicherungsfall, der während der Vertragslaufzeit auftritt (§ 149 VVG). Der zeitliche
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Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 69. Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 122. 39 Dazu: Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 220–224; Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 138. 40 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 162 Rn. 324. Vgl. dazu auch Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 182–186. 41 In § 1 Ziffer 3 AVB-O der Allianz heißt es: „Besteht eine Freistellungsverpflichtung der Versicherungsnehmerin gegenüber versicherten Personen für den Fall, dass diese von Dritten, also nicht von der Versicherungsnehmerin oder einer Tochter- oder Konzerngesellschaft, in dem in Ziff. 2 beschriebenen Umfang haftpflichtig gemacht werden, so geht der Anspruch auf Versicherungsschutz aus diesem Vertrag in dem Umfang von der versicherten Person auf die Versicherungsnehmerin über, in welchem diese ihre Freistellungsverpflichtung erfüllt.“. § 1 Ziffer 2 [Firmenenthaftung] AVB OLA 2001 der CHUBB INSURANCE lautet: „Soweit eine Enthaftung der versicherten Personen durch ein versichertes Unternehmen vorgenommen wird, werden dem versicherten Unternehmen die Aufwendungen für diese Vermögensschäden erstattet.“ 42 Vgl. die Ausführungen unter A. 38
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Kap. 4: Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages
Geltungsbereich43 jeder Versicherung wird damit maßgeblich durch die jeweilige Definition des Versicherungsfalls bestimmt. Der D&O-Versicherung liegt im Grundsatz das Anspruchserhebungsprinzip – auch „claims-made-Prinzip“ 44 genannt – zugrunde.45 Nach diesem Prinzip tritt der Versicherungsfall erst dann ein, wenn Schadensersatzansprüche gegen die versicherten Organwalter geltend gemacht werden. Bei der D&O-Versicherung ist also nicht der Zeitpunkt entscheidend, in dem der haftungsauslösende Verstoß begangen wird (so genanntes Verstoßprinzip), wie das bei anderen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen üblich ist.46 Folge des Ansprucherhebungsprinzips ist, dass das Spätschadensrisiko, das heißt das Risiko, noch lange nach Beendigung des Versicherungsvertrages Schäden ausgleichen zu müssen, begrenzt wird. Nach Beendigung der Vertragslaufzeit steht fest, inwieweit Ansprüche gegen die Organmitglieder geltend gemacht wurden und hierauf beschränkt sich auch der Versicherungsschutz. Umgekehrt werden bei reiner Anwendung des Anspruchserhebungsprinzips auch Ansprüche versichert, die auf weit zurückliegenden Pflichtverletzungen beruhen, aber während der Vertragslaufzeit erhoben werden. Das claims-made-Prinzip führt so zu einer unbegrenzten Rückwärtsversicherung. Daher wird das Ansprucherhebungsprinzip durch einige AVB wieder dahingehend eingeschränkt, dass nur die Pflichtverletzungen versichert sind, die während der Vertragslaufzeit begangen werden.47 Eine solche Einschränkung führt de facto zu einer Kombination aus Ansprucherhebungs- und Verstoßprinzip.48 Mehrere gängige D&O-AVB legen jedoch ein reines Ansprucherhebungsprinzip zu Grunde. Die AVB der R+V-Versicherung (ULLA, Stand 2001) enthalten beispielsweise in Ziffer 3.1 folgende Klausel: „Versicherungsschutz besteht für während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetretene Versicherungsfälle. Für vor Vertragsbeginn begangene Pflichtverletzungen gilt dies jedoch nur, wenn den versicherten Personen bis zum Abschluss der Versicherung die Pflichtverletzungen nicht bekannt waren. Als bekannt gilt eine Pflichtverlet43 Eingehend zum zeitlichen Geltungsbereich vergleiche Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1371 ff Rn. 98 ff. 44 Vgl. Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 141. 45 Vgl. Ziffer 1.1 der AVB-AVG des GDV; § 1 Ziffer 2 AVB-O der Allianz; § 1 Ziffer 1 [Managerhaftung] AVB OLA 2001 der CHUBB INSURANCE. 46 Vgl. dazu Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 204–207. 47 So auch Ziffer 3.1 der AVB-AVG des GDV. Zu auf dem Markt angebotenen D&O-AVB, die diese Bestimmung gleichfalls enthalten, vergleiche Olbrich, Die D&OVersicherung in Deutschland, S. 143. 48 Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 143. Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 178 und Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 207, sprechen ebenfalls von einer „Kombination“ beziehungsweise einem „Verbund“ von Anspruchserhebungs- und Verstoßprinzip. Dabei gehen sie von den AVB-AVG des GDV (dort Ziffer 3.1) aus.
D. Deckungsumfang
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zung, wenn sie von der Versicherungsnehmerin oder versicherten Personen als – wenn auch nur möglicherweise – objektiv fehlsam erkannt oder ihnen, wenn auch nur bedingt, als fehlsam bezeichnet worden ist, auch wenn Schadenersatzansprüche weder erhoben noch angedroht noch befürchtet worden sind.“ Auch die D&O-AVB anderer Versicherer enthalten ähnliche Formulierungen.49 Ergänzt wird das Anspruchserhebungsprinzip regelmäßig um Nachhaftungsvereinbarungen, denen zufolge auch solche Schadensersatzansprüche gedeckt sind, die nach dem Ende der Vertragslaufzeit erhoben werden. Diese Nachhaftung beschränkt sich allerdings auf eine bestimmte Nachmeldefrist (regelmäßig 1–3 Jahre) und ist der Höhe nach meist auf den noch unverbrauchten Teil der Versicherungssumme des letzten Versicherungsjahres begrenzt.50
D. Deckungsumfang Der Versicherungsschutz der D&O-Versicherung umfasst die Befriedigung begründeter Schadenersatzansprüche (Schadenausgleichfunktion) sowie die gerichtliche und außergerichtliche Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprüche (Abwehrfunktion)51.52 Zu den Kosten, die der Versicherer zu erstatten hat, gehören nach den üblichen AVB „Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung des Schadens bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalles sowie Schadenermittlungskosten, auch Reisekosten, die dem Versicherer nicht selbst entstehen. Dies gilt auch dann, wenn diese Kosten auf Weisung des Versicherers entstanden sind.“53 Begrenzt wird der Deckungsschutz durch eine Haftungshöchstgrenze54 (Deckungssumme/Versicherungssumme), die in sämtlichen AVB enthalten ist.55 Die Leistungspflicht des Versicherers pro Versicherungsfall sowie pro Jahr beschränkt sich auf diesen Betrag. Ist die Versicherungssumme erreicht, muss das Organmitglied den verbleibenden Schaden mit seinem Privatvermögen ausgleichen. 49 Vgl. § 3 Ziffer 2 AVB-O der Allianz; Ziffer I.1 Business Guard 2000 der AIG EUROPE. 50 Vgl. § 3 Ziffer 2 c) AVB-O der Allianz; Ziffer 3.2 AVB der R+V-Versicherung (ULLA, Stand 2001). 51 Vgl. Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1364 ff Rn. 84 ff. 52 Vgl. etwa Ziffer 4.1 der AVB-AVG des GDV. 53 Ziffer 4.4 AVB-AVG des GDV; Ziffer 4.4 ULLA der R+V-Versicherung (Stand 2001). 54 Zur Haftungshöchstgrenze vergleiche auch Kapitel 5 C. IV. 2. c) bb). 55 Vgl. etwa Ziffer II.5 Business Guard 2000 der AIG EUROPE; Ziffer 4.3 AVBAVG des GDV; Ziffer 4.3 ULLA der R+V-Versicherung (Stand 2001).
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Kap. 4: Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages
E. Nutzen der D&O-Versicherung für die Vertragsbeteiligten Die D&O-Versicherung kommt vor allem den versicherten Organmitgliedern zugute: Sie müssen die wirtschaftlichen Konsequenzen ihres Fehlverhaltens nicht mehr selbst tragen, sondern erhalten – sowohl in den Fällen der Innen- als auch der Außenhaftung – weit reichenden Deckungsschutz. Davon abgesehen profitiert jedoch auch die Gesellschaft von der Existenz der D&O-Versicherung. Bei der Innenhaftung erhält die Aktiengesellschaft mit dem Versicherer einen solventen Schuldner. Vorteile bei der Außenhaftung ergeben sich daraus, dass die Aktiengesellschaft hier häufig selbst gemäß § 31 BGB haftet. Wird nun der Schaden durch den Versicherer für den Organwalter beglichen, muss die Aktiengesellschaft keinen Schadensersatz mehr leisten. Entsprechendes gilt, wenn die Aktiengesellschaft den Schaden eines Außenstehenden bereits beglichen und Regressansprüche gegen das Organmitglied gemäß § 93 Abs. 2 AktG hat. Derartige Rückgriffsansprüche sind von der D&O-Versicherung wie die anderen Fälle der Innenhaftung regelmäßig abgedeckt, sodass die Aktiengesellschaft auch hier einen solventen Schuldner erhält. Letztendlich nutzt die D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft auch, soweit sie dem Organwalter, der gegenüber Außenstehenden haftet, zur Freistellung verpflichtet ist: Entweder gleicht der D&O-Versicherer den Schaden des Außenstehenden aus, sodass die Aktiengesellschaft das Organmitglied nicht mehr selbst enthaften muss, oder die Aktiengesellschaft stellt den Organwalter von seiner Haftung frei mit der Folge, dass der Anspruch auf Versicherungsleistung auf sie übergeht (Company Reimbursement). Festhalten kann man also, dass die D&O-Versicherung im Rahmen ihrer Deckung unmittelbar dem versicherten Organwalter zugute kommt, dass aber mittelbar regelmäßig auch die Aktiengesellschaft von der D&O-Versicherung profitiert.
Kapitel 5
Aktienrechtliche Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung Soweit die Deckung der D&O-Versicherung reicht, muss das versicherte Organmitglied nicht mehr die finanziellen Folgen einer persönlichen Inanspruchnahme tragen, es wird also wirtschaftlich von der Haftung für die von ihm verursachten Schäden befreit. Gerade hieraus ergeben sich aber – zumindest was die Innenhaftung angeht – erhebliche Probleme: Die Haftung des Organwalters gegenüber der Aktiengesellschaft für pflichtwidrig verursachte Schäden ist durch §§ 93 Abs. 2, 116 AktG unmissverständlich vorgeschrieben, sie entspricht folglich dem Willen des Gesetzgebers. Dabei zeigt sich die Bedeutung der Haftung – und demzufolge auch die Relevanz der D&O-Versicherung – auch an der unter dem Stichwort „Corporate Governance“ geführten Diskussion1: Dieser Debatte liegt die Vorstellung von einer Unternehmensorganisation zugrunde, die insbesondere über Kontrollmechanismen die Unternehmensleitung zu einer optimalen Führung des Unternehmensgeschehens anregt, um die Chancen für die Gesellschaft zu maximieren und gleichzeitig die Gefahr einer Unternehmensschädigung zu minimieren.2 Die Diskussion darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann, betrifft die Organisationsverfassung des Unternehmens und die diesbezüglichen normativen Vorgaben (bei der Aktiengesellschaft das Aktiengesetz). Ein Teilaspekt ist in diesem Zusammenhang auch das Recht über die Haftung von Organmitgliedern3: Für eine gute Unternehmenskultur ist es von großer Bedeutung, dass sich die Führungspersönlichkeiten für das Wohl der Aktiengesellschaft verantwortlich fühlen; ein Bewusstsein individueller persönlicher Verantwortung wird auch durch eine persönliche Haftung der Manager gegenüber der Gesellschaft er1 Zur der sehr breit gefächerten Diskussion unter dem Stichwort „Corporate Governance“ vergleiche etwa: Escher-Weingart, ZVglRWiss 99 (2000), 387–409; Hopt, ZGR 2000, 779–818; Lutter, ZGR 2001, 221–237 sowie die Beiträge in: Feddersen/ Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance (1996). Zu den von der OECD verfassten „Grundsätzen der Corporate Governance“ vergleiche die Ausführungen in Fn. 9 auf S. 21. 2 Feddersen/Hommelhoff/Schneider sprechen zusammenfassend von „angemessener Unternehmensorganisation“, Corporate Governance eine Einführung, S. 1, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance (1996). 3 Vgl. Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 26.
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
reicht.4 Insoweit muss die Innenhaftung sowohl der Vorstandsmitglieder als auch der Aufsichtsratsmitglieder (bei diesen i. V. m. § 116 AktG) als elementarer Bestandteil der Unternehmensverfassung angesehen werden. Indem nun das versicherte Organmitglied die finanziellen Folgen seines Fehlverhaltens nicht mehr tragen muss, wird in die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft eingegriffen. Letztlich sind die hier zu erörternden Probleme damit Teil der Corporate Governance Diskussion. Weil die D&O-Versicherung dem Organmitglied die wirtschaftlichen Folgen der Innenhaftung abnimmt, könnten sich die versicherten Organwalter zu weniger sorgfältigem Verhalten veranlasst sehen. Mögliche Folge könnte ein größeres Ausmaß an Pflichtverletzungen sein, wie bereits in der Diskussion um 1900 problematisiert wurde.5 Dabei ist die verminderte Sorgfalt versicherter Personen ein allgemeines Problem von Versicherungen, das unter dem Stichwort „moral hazard“6 diskutiert wird. Bei der D&O-Versicherung ist allerdings eine Besonderheit zu beachten: Entscheidend ist, dass hier die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin die Prämien zahlt, es handelt sich also um eine gesellschaftsfinanzierte Versicherung. Das ist deshalb von besonderer Brisanz, weil hinsichtlich der Innenhaftung (§ 93 Abs. 2 AktG) die Gesellschaft gleichzeitig Geschädigte ist. Insoweit finanziert also die Geschädigte die Versicherung zu Gunsten des Schädigers. Insgesamt wirft die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung daher zum Teil erhebliche Probleme auf, sodass man die Zulässigkeit eines entsprechenden durch die Gesellschaft finanzierten Versicherungsvertrags generell in Frage stellen könnte. Dies wird auch in der Literatur unter Berufung auf § 93 Abs. 4 S. 4 AktG vertreten.
A. Unzulässigkeit der D&O-Versicherung wegen Verstoßes gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG § 93 Abs. 4 S. 3 AktG betrifft den Umgang mit Innenhaftungsansprüchen gemäß § 93 Abs. 2 AktG. Die Norm verbietet der Aktiengesellschaft einen vorzeitigen Verzicht auf Ansprüche gegen das Organmitglied. Zu klären ist damit zunächst, ob die Versicherung gegen solche Ansprüche als „Verzicht“ zu beurteilen ist. „Verzicht“ meint Rechtshandlungen, die auf den Ausschluss oder eine 4
Vgl. Lutter, ZGR 2001, 221–237 (227–229). Vgl. dazu Kapitel 2. 6 „Unter ,moral hazard‘ versteht man das Risiko, dass Versicherte bei bestehender Versicherungsdeckung Anreize haben, durch geringere Sorgfaltsvorkehrungen die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit und -höhe negativ zu beeinflussen oder den Schadensfall sogar vorsätzlich herbeizuführen, ohne dass dies der Versicherer erkennen kann“: Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 120. 5
A. Unzulässigkeit wegen Verstoßes gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG
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Schmälerung des Anspruchs gerichtet sind.7 Ein Verzicht setzt also ein Disponieren über den Anspruch voraus. Beim Abschluss einer D&O-Versicherung wird aber gerade nicht über einen (zukünftigen) Anspruch verfügt, sondern lediglich die Haftung wirtschaftlich verlagert. Der Organwalter bleibt uneingeschränkt Anspruchsschuldner der Aktiengesellschaft. Deswegen ist der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung, die auch die Haftung gemäß § 93 Abs. 2 AktG abdeckt, kein Verzicht gemäß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.8 Eine solche Versicherung könnte aber gegen die ratio legis des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verstoßen und deswegen in analoger Anwendung der Vorschrift unzulässig sein. Diesen Schluss zieht jedenfalls Habetha: „Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Unternehmensleiter auf Rechnung der Gesellschaft ist daher schlechthin unzulässig, weil sie einem Verzicht i. S. d. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gleichkommt“9. Dabei fußt seine Argumentation auf der Annahme, dass § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Ausgleichsfunktion sowie Steuerungsfunktion der Haftung gewährleisten soll.10 Diesem Normverständnis Habethas ist indes nicht zu folgen: Zweck der Vorschrift ist lediglich, Verfügungen über Ersatzansprüche durch die Gesellschaftsorgane zu Lasten der Gesellschaft zu verhindern.11 Dies zeigt sich insbesondere an den Voraussetzungen, die § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für einen Verzicht formuliert: dem Erfordernis einer Sperrfrist sowie eines Beschlusses der Hauptversammlung ohne qualifizierten Widerspruch. Ziel der Sperrfrist ist es, eine Verfügung über Ersatzansprüche zu verhindern, bevor das Ausmaß des Schadens erkennbar ist.12 Durch die Zustimmung der Hauptversammlung ohne qualifizierten Widerspruch soll sichergestellt werden, dass Organmitglieder (und Mehrheitsaktionäre) nicht im Wege „kollegialer Verschonung“13 zum Nachteil der Gesellschaft auf die Geltendmachung von Ansprüchen (teilweise) verzichten.14 § 93 Abs. 4 S. 3 AktG regelt also – wie die Absätze 4–6 insgesamt – lediglich die Modalitäten der Haftung15. Demgegenüber werden die von Habetha angeführten Ziele der Haftung 7
Vgl. Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 374–375. Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 95. Insoweit im Ergebnis ebenso: Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 173. 9 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 184. 10 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 172. 11 Hopt spricht von „nachteiligen oder sogar dolosen Absprachen“: Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 353. 12 Zimmermann, FS Duden (1977), S. 773 (774); zustimmend: Mertens, FS Fleck (1988), S. 209 (210). 13 Mertens, FS Fleck (1988), S. 209 (210). 14 Zimmermann, FS Duden (1977), S. 773 (774). 15 Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 19. 8
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
im Rahmen des § 93 Abs. 2 AktG relevant. Während Abs. 2 der Norm (unter anderem) das Vermögen der Gesellschaft schützen soll, bevor der Schaden entstanden ist, greift § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erst im Nachhinein ein, um bereits bestehende Ansprüche der Aktiengesellschaft zu schützen. Soweit Habetha also mit Ausgleichsfunktion und Steuerungsfunktion argumentiert, ist dies bei § 93 Abs. 2 AktG zu berücksichtigen16. Im Ergebnis stellt der Abschluss einer D&O-Versicherung keinen Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dar.17
B. Statthaftigkeit der D&O-Versicherung wegen Vergleichbarkeit mit der Haftungsfreistellung durch Dritte Für die Wirksamkeit der D&O-Versicherung wird in der Literatur angeführt, sie sei nichts anderes als ein spezieller Fall der Haftungsfreistellung durch einen Dritten, die ebenfalls zulässig sei.18 Die Parallele zwischen Haftungsfreistellung des Organmitglieds und D&OVersicherung zu ziehen, liegt nahe: Es handelt sich bei der D&O-Versicherung nur um einen speziellen Fall, in der der Dritte ein Versicherer ist. So hat jüngst Habersack19 in einem Beitrag zur Haftungsfreistellung des Organwalters auf die Vergleichbarkeit mit der Haftungsabsicherung durch eine D&O-Versicherung hingewiesen. Freistellungsvereinbarungen von Dritten werden teilweise deshalb als verboten angesehen, weil sie die Autonomie des freigestellten Entscheidungsträgers in unzulässiger Art und Weise untergraben könnten – die Gefahr einer Abhängigkeit vom Freistellenden wird als zu groß erachtet.20 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Freistellung häufig durch Großaktionäre oder anderweitig an der Aktiengesellschaft Interessierte erfolgt. In solchen Fällen wird man in der Tat das Risiko einer Einflussnahme beachten müssen. Diese Gefahr der Abhängigkeit ist aber dann nicht gegeben, wenn der Dritte ohne Bedingungen die Freistellung verspricht, mithin die Rolle des (Haftpflicht-)Versicherers übernimmt.21 16
Dazu unter Kapitel 5 C. So im Ergebnis auch die ganz herrschende Meinung, vergleiche etwa: Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1339–1340 Rn. 8–9; Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (295, dort Fn. 6); Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 60; Kästner, AG 2000, 113 (116 f); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 327, Rn. 867; Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 63–67; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553 f); Vetter, AG 2000, 453 (453 f); auch die Regierungskommission geht ausdrücklich von der Zulässigkeit der D&O-Versicherung aus, BT-Drs. 14/7515, S. 53, Rz. 75. 18 In diesem Sinne muss man Habersack, FS Ulmer (2003), S. 151–173, verstehen. 19 FS Ulmer (2003), S. 151–173 (151–152). 20 Vgl. Westermann, FS Beusch (1993), S. 871–891 (887). 17
C. Kollision mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG
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Gegen diese Beurteilung lässt sich auch nicht anführen, dass zumindest seitens des Vorstandes die Gefahr der unzulässigen Einflussnahme besteht, da dieser durch die Entscheidung über den Abschluss einer D&O-Versicherung auf die Aufsichtsratsmitglieder Einfluss nehmen könnte. Es handelt sich hierbei um ein Problem, das bei der Frage, wer für den Abschluss der D&O-Versicherung zuständig ist, relevant wird.22 Die generelle Unzulässigkeit der D&O-Versicherung kann hieraus nicht abgeleitet werden. Habersack kann daher insoweit gefolgt werden, als die Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung durch Dritte (insbesondere Großaktionäre) bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung kein Problem darstellt. Der darüber hinausgehenden Schlussfolgerung Habersacks, dass der herrschenden Meinung hinsichtlich der Unbedenklichkeit der D&O-Versicherung zu folgen sei,23 ist hingegen nicht zuzustimmen: Das inhaltliche Kernproblem bei der D&O-Versicherung, die gesellschaftsfinanzierte Aushebelung der Innenhaftung und damit ihrer Lenkungswirkung sowie ihrer schadensausgleichenden Funktion behandelt Habersack gerade nicht. Diese Problematik wird anhand der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG im nun folgenden Abschnitt untersucht.
C. Kollision mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG Das Problem eines möglichen Verstoßes der gesellschaftsfinanzierten D&OVersicherung gegen § 93 Abs. 2 AktG hat in der Literatur bislang nur wenig Beachtung gefunden.24 Die manchmal beiläufigen Stellungnahmen zur Frage der Zulässigkeit beschränken sich oft auf die inhaltliche Vereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.25 Dies erscheint umso bemerkenswerter, als die D&O-Versicherung im Hinblick auf § 93 Abs. 2 AktG zum Teil erhebliche Probleme aufwirft.
21 So explizit Habersack, FS Ulmer (2003), S. 151–173 (173); Ebenso für die D&O-Versicherung unter Verweis auf Habersack: Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323). 22 Die Frage der Abschlusskompetenz wird in Kapitel 6 ausführlich behandelt. 23 Habersack, FS Ulmer (2003), S. 151–173 (173). 24 Die Möglichkeit eines Widerspruchs erkennt Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 519; im Ergebnis hält er die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung jedoch für zulässig, weil der Schadensausgleich für die AG wesentlich verbessert werde. Ähnlich: Doralt, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder (2004), S. 831 Rn. 164; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 772–776. Zu den Auswirkungen der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung auf den Schadensausgleich vergleiche die Ausführungen unter C. III. 25 Vgl. etwa Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (295, dort Fn. 6); Vetter, AG 2000, 453 (454).
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
Der Abschluss einer D&O-Versicherung stellt keinen direkten Verstoß gegen § 93 Abs. 2 AktG dar. Ein unmittelbarer Verstoß läge etwa vor, wenn die Aktiengesellschaft im Voraus auf Ansprüche gegen das Organmitglied verzichten würde oder wenn Haftungserleichterungen vereinbart würden. Hier jedoch bleibt die Haftung der Organwalter vollständig erhalten, lediglich die wirtschaftliche Verantwortlichkeit wird im Rahmen der Deckung vom Organmitglied auf den Versicherer verlagert. Die Haftung im rechtlichen Sinne wird durch den Abschluss einer D&O-Versicherung in keiner Weise berührt. Allerdings könnte die wirtschaftliche Haftungsverlagerung dem Normzweck des § 93 Abs. 2 AktG zuwiderlaufen. Der Organwalter wird durch die D&OVersicherung von den finanziellen Konsequenzen seines pflichtwidrigen Handelns (weitgehend) freigestellt. Er könnte sich dadurch – wie oben bereits angedeutet – zu weniger sorgfältigem Verhalten veranlasst sehen. Hinzu kommt, dass die Aktiengesellschaft als Geschädigte die Freistellung durch einen Dritten über die Prämienzahlung finanziert. Im Ergebnis könnte die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung daher gegen die ratio legis der Innenhaftung verstoßen. Diese Frage soll im Folgenden erörtert werden. § 93 Abs. 2 AktG verfolgt nach Meinung der aktienrechtlichen Literatur im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen dient die Vorschrift dem Ausgleich des bei der Gesellschaft entstandenen Schadens – mittelbar des bei den Gesellschaftern entstandenen Schadens, zum anderen bezweckt sie Schadensprävention durch Verhaltenssteuerung.26 Um die ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG besser einordnen zu können, werden zunächst die Ziele des Haftungsrechts im Allgemeinen dargestellt. Diese Zwecke sind vor allem anhand des Deliktsrechts erörtert worden.27 Die hierzu existierenden Ausführungen sind auch für die Betrachtung der aktienrechtlichen Innenhaftung von Interesse, weil sich die Erwartungen an die jeweiligen Haftungsnormen ähneln. Zwar sollen Unterschiede zwischen der deliktischen Haftung und der Organhaftung nicht in Abrede gestellt werden – so greift die deliktische Haftung gegenüber jedermann, während die Organhaftung mit der Organstellung ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen Haftendem und Geschädigtem voraussetzt –, jedoch betreffen diese Unterschiede einzelne Anwendungsvoraussetzungen der jeweiligen Normen. Die Struktur der Haftungstatbestände ist indes vergleichbar: Eine Person hat einer anderen den Schaden zu ersetzen, den sie durch eine – regelmäßig schuldhafte – Verletzung einer Pflicht oder eines Rechtsgutes verursacht hat.
26 27
Hüffer, AktG, § 93 Rn. 1. Vgl. die Nachweise in der folgenden Fn.
C. Kollision mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG
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I. Ziele des Haftungsrechts 1. Schadensausgleich Als primärer Zweck des Haftungsrechts28 gilt gemeinhin der Ausgleich29 des entstandenen Schadens.30 Diese Formel greift aber zu kurz, wenn man anhand des Zieles „Schadensausgleich“ versucht zu bestimmen, ob ein Verursacher dem Geschädigten den Schaden ausgleichen muss. Zur Veranschaulichung lässt sich das folgende Beispiel heranziehen: Unternehmer A sticht seinen Konkurrenten B durch ein besseres Angebot aus. B erleidet hierdurch einen Schaden, muss ihm A diesen „ausgleichen“? Wäre Schadensausgleich alleiniger Zweck einer Haftungsnorm, so müsste A dem B in jedem Fall den Schaden ersetzen.31 Dem wird man kaum zustimmen können, vielmehr ist zu überlegen, in welchen Fällen A dem B den Schaden zu ersetzen hat und in welchen nicht. Maßgeblich ist, ob der Schaden noch dem allgemeinen Lebensrisiko (hier: dem allgemeinen unternehmerischen Risiko) zuzuordnen ist – das muss jeder (hier: der Unternehmensträger A) selbst tragen: casum sentit dominus – oder ob er einem Dritten (hier: dem B) zugerechnet werden kann. Die Frage, wann genau eine solche Risikoverlagerung stattfinden soll, lässt sich mit Blick auf das Ziel „Schadensausgleich“ nicht beantworten.32 28 Zu den Zielen des Haftungsrechts im Allgemeinen vergleiche: Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, S. 3 ff; Deutsch, Die Zwecke des Haftungsrechts, JZ 1971, 244; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 17–19; Engel, Zivilrecht als Fortsetzung des Wirtschaftsrechts mit anderen Mitteln, JZ 1995, 213–218; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, S. 169–176; Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts; Kötz, Ziele des Haftungsrechts, FS Steindorff (1990), S. 643; Picker, Vertragliche und deliktische Schadenshaftung, JZ 1987, 1041–1058. Zur ökonomischen Analyse des (Haftungs-)Rechts vergleiche: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 109–141; Scheel, Versicherbarkeit und Prävention, S. 114 ff; Schulz, Überlegungen zur ökonomischen Analyse des Haftungsrechts, VersR 1984, 608–618; Taupitz, Ökonomische Analyse und Haftungsrecht – Eine Zwischenbilanz, AcP 196 (1996), 114–167. Zu den Zielen des Deliktsrechts im Besonderen vergleiche: Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, S. 129–143; Hager, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 7 ff; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 36–41, 119–136; Mertens, in: Münchener Kommentar zum BGB (3. Aufl.), Vor §§ 823–853 Rn. 41–70; Palandt/Sprau, Einf v § 823 Rn. 1. 29 Um den Ausgleich geht es nur aus Sicht des Geschädigten. Muss der Schädiger Ersatz leisten, hat er den Schaden zu tragen. Genauer wäre es von Schadenstragung durch den Verursacher zu sprechen. Auch Schäfer/Ott sprechen davon, dass der Schaden nicht mehr „ausgeglichen“, sondern nur noch „verlagert“ beziehungsweise „übertragen“ werden kann: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 114; Deutsch spricht von „Schadensabnahme“: JZ 1971, 244 (245). 30 Mertens, in: Münchener Kommentar zum BGB (3. Aufl.), Vor §§ 823–853 Rn. 41; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 17; Esser/Schmidt sprechen vom „Vorrang des Ausgleichsgedankens“: Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, S. 172. 31 Vgl. Kötz, FS Steindorff (1990), S. 643 (644).
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
Die Intention, einen Schadensausgleich zu erreichen, ist deswegen aber nicht unbeachtlich. So ist der Schadensausgleich beim Haftungsrecht insoweit von Belang, als der Schaden, wenn er denn von einem Dritten getragen werden soll, auch tatsächlich ausgeglichen wird/werden kann. Der „Schadensausgleich“ ist also in dem Maße vom Normziel erfasst, als es um den tatsächlichen Ausgleich des Schadens geht, den der Geschädigte nach der entsprechenden Norm nicht selbst tragen muss. Soweit im Folgenden von „Schadensausgleich“ gesprochen wird, ist damit die tatsächliche Ausgleichung des Schadens gemeint, die einem Dritten durch eine (Haftungs-)Norm auferlegt wird. Aus der Sicht der so verstandenen Schadensausgleichung ist es dabei unerheblich, wer den Schaden des „Opfers“ tatsächlich ersetzt, es geht lediglich darum, dass der zunächst Geschädigte nicht endgültig den Schaden tragen muss. Es ist daher grundsätzlich nicht zwingend, einen „Schädiger“33 zu bestimmen, dem die Ersatzpflicht auferlegt wird.34 Vielmehr wäre es denkbar, dass die Gemeinschaft über eine Zwangsversicherung oder staatliche Ausgleichszahlungen den Schaden in solchen Fällen ersetzt, in denen der Geschädigte ihn nicht tragen soll.35 Auf diese Weise wäre der Schadensausgleich auch viel besser gewährleistet, weil die Probleme der Haftungsdurchsetzung für den Geschädigten geringer wären: Die Risiken der Zahlungsunfähigkeit oder der fehlenden Greifbarkeit des zahlungspflichtigen Verantwortlichen würden entfallen. Warum das Haftungsrecht den Schaden bestimmten Personen zuweist, die den Schaden dann im Ergebnis auszugleichen haben, ist mit dem Ziel Schadensausgleich nicht zu erklären. Die Haftung eines bestimmten „Verantwortlichen“ dient vielmehr einem anderen Ziel: der Verhaltenssteuerung von potentiellen Schädigern.
32 Ähnlich Kötz, wenn er festhält, dass das Ausgleichprinzip bezüglich der Begründung von Haftung wenig Hilfe bietet: FS Steindorff (1990), S. 643 (644); Wagner, VersR 1999, 1441 (1442). 33 Zum „Schädiger“ wird eine Person erst durch eine normative Bewertung des Geschehens. 34 Ginge es gerade um die Belastung des Schädigers, würde man dem Haftungsrecht Strafzwecke beimessen. Dies kann das Haftpflichtrecht aber nicht leisten; unter anderem wegen des nicht ausreichend garantierten Schutzes des in Anspruch Genommenen (z. B. im Rahmen des Verfahrens). Deswegen ist von der Unterstellung einer Straffunktion abzusehen. Ebenso: Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, S. 139. Ebenfalls der Auffassung, dass die „Straffunktion kein Ziel des Deliktsrechts ist“: Hager, Staudinger BGB (13. Bearbeitung), Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 11. 35 Ein Beispiel ist die gesetzliche Krankenversicherung, die das Risiko des Einzelnen für den „Schaden“ Krankheit trägt. Dies mag auch daran liegen, dass es im Falle einer Krankheit schwer fällt einen Schädiger/Verantwortlichen zu benennen.
C. Kollision mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG
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2. Verhaltenssteuerung Aus Sicht der Verhaltenssteuerung haben Haftungsnormen den Zweck, auf einen Entscheidungsträger dergestalt einzuwirken, dass dieser im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse mögliche Haftungsfolgen berücksichtigt.36 In diesem Zusammenhang könnte man zunächst annehmen, die Verhaltenslenkung ziele darauf ab, möglichst jeden Schaden zu vermeiden. Dass es darum nicht gehen kann, zeigt sich, wenn man die Konsequenzen bedenkt: Die so in ihrem Verhalten gesteuerten Personen würden jegliche risikobehaftete Tätigkeit einstellen. Zur Illustration mag das folgende Beispiel dienen: Um die Zahl der Verkehrsunfälle künftig zu verringern, könnte man erwägen, 50 km/h als Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen einführen.37 Auf diese Weise würden zahlreiche Unfälle, sprich Schäden, vermieden; jedem Autofahrer wäre bewusst, dass er bei Überschreitung der Geschwindigkeit mögliche Unfallschäden teilweise oder ganz ausgleichen müsste. Gleichzeitig würde jedoch die Mobilität von Menschen und Waren stark eingeschränkt, was erhebliche negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung hätte. Vermutliches Gesamtergebnis wäre die Minderung des allgemeinen Wohlstandes. Bei jeder Schadensverhinderung sind also mögliche Nachteile in Rechnung zu stellen38, entweder weil eine (auch) nützliche Handlung ganz unterbleibt oder weil die präventive Maßnahme – etwa höhere Sorgfalt – mit höherem Aufwand, sprich zusätzlichen Kosten, verbunden ist. Im Idealfall werden Kosten und Nutzen von (riskanten) Maßnahmen, aber auch von eventuell erforderlicher Schadensprävention abgewogen. Als Ergebnis eines derartig gestalteten Abwägungsprozesses sollte das Haftungsrecht das Verhalten der Adressaten durch Haftungsanreize so steuern, dass die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt maximiert wird.39 Für die einzelne Norm heißt das, dass der Einzelne dann für verursachte Schäden haften soll, wenn die Risiken seines Verhaltens den (potentiellen) Nutzen – der sich nicht realisiert haben muss – überstiegen haben. Aus Sicht der Prävention ist die Haftung in diesen Fällen deswegen zu bejahen, weil sie Anreize schafft, ein insgesamt wohlfahrtsminderndes Verhalten zu unterlassen.
36 Vgl. Teubner, FS Steindorff (1990), S. 261 (265). Eine Präventionsfunktion des Haftungsrechts – wenn auch zum Teil nur als sekundäre Aufgabe – ist allgemein anerkannt, vergleiche etwa: Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 17; Kötz, Ziele des Haftungsrechts, FS Steindorff (1990), S. 643 ff; Mertens, in: Münchener Kommentar zum BGB (3. Aufl.), Vor §§ 823–853 Rn. 44. 37 Ein ähnliches Beispiel führen Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 39, an. 38 „Unfallverhütung ist nie [. . .] kostenlos“: Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 40. 39 Vgl. Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (137); ähnlich für das Deliktsrecht Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 40.
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
II. Die ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG Die Ziele des allgemeinen Haftungsrechts finden sich auch in der Vorschrift des § 93 Abs. 2 AktG wieder. Sowohl Schadensausgleich als auch Verhaltenssteuerung werden durch die dort normierte Innenhaftung bezweckt. 1. Schadensausgleich als Regelungszweck Die Organhaftung gemäß § 93 Abs. 2 AktG dient unmittelbar dem Schadensausgleich bei der Gesellschaft. Diese Funktion teilt § 93 Abs. 2 AktG mit allen anderen Haftungsnormen. Der der Aktiengesellschaft durch schuldhafte Pflichtverletzung des Organmitglieds entstandene Schaden soll auch tatsächlich ersetzt werden.40 Ziel ist es, der Aktiengesellschaft diejenigen Schäden abzunehmen, die durch das Fehlverhalten ihrer Organe verursacht wurden. Zum Personenkreis, der vor den wirtschaftlichen Folgen von Pflichtverletzungen der Organmitglieder geschützt werden soll, gehören neben der Aktiengesellschaft Gesellschafter und Gläubiger. Auch sie sollen mittelbar von einer Schadensverlagerung auf einen Organwalter profitieren. Dies ergibt sich insbesondere aus § 93 Abs. 5 AktG, der unter bestimmten Voraussetzungen die Geltendmachung von Ansprüchen der AG durch Gläubiger ermöglicht. Der Schadensausgleich für sich allein genommen beantwortet aber – wie beim Haftungsrecht im Allgemeinen – noch nicht die Frage, in welchen Fällen genau das Organmitglied einen verursachten Schaden auszugleichen hat. Nicht jeder Schaden, der durch eine Entscheidung des Organwalters verursacht wurde, kann diesen zum Ersatz verpflichten. Ansonsten würde das unternehmerische Risiko zur Gänze auf Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verlagert, ohne dass sie in gleicher Weise von eventuellen Gewinnen profitieren würden. Zu berücksichtigen ist daher auch der Normzweck der Verhaltenssteuerung. 2. Verhaltenssteuerung als Normziel Die Haftungsnorm des § 93 Abs. 2 AktG ist – wie auch das Haftungsrecht im Allgemeinen – ein Mechanismus zur Verhaltenssteuerung.41 Organmitglieder sind im weiteren Sinne treuhänderisch tätig; sie agieren mit fremdem Vermö40
Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 11. Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 11–12; Doralt, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder (1999), S. 761 Rn. M 125; Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827 (829); Ihlas, Organhaftung, S. 59 ff; Jaeger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1158). Die Prävention als Teilaspekt der Organhaftung betont auch Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (297; ähnlich S. 306, 318, 330). Zur Haftung als Verhaltenskontrolle hinsichtlich der Problematik personeller Verflechtung: Ebke/Geiger, ZVglRWiss 93 (1994), 67. Mertens, AG 2000, 447 (452), meint, „die Prävention ist allenfalls ein 41
C. Kollision mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG
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gen, das mittelbar den Aktionären gehört.42 Das unternehmerische Risiko trägt nicht das Organmitglied, sondern es verbleibt letztlich beim Aktionär.43 Dieses Auseinanderfallen von Handelndem (Organmitglied) und Betroffenem (Gesellschaft) ist insofern problematisch, als der Handelnde die Konsequenzen seines Handelns nicht tragen muss und daher unter Umständen nicht sorgfältig genug handelt.44 Um dem entgegenzuwirken und Anreize zu sorgfältiger Entscheidungsfindung zu geben, sieht § 93 Abs. 2 AktG die persönliche Haftung des Organwalters vor, soweit dieser seine Pflichten gegenüber der Aktiengesellschaft verletzt und dadurch einen Schaden verursacht. Dabei soll § 93 Abs. 2 AktG, anknüpfend an den oben ausgeführten allgemeinen Präventionszweck des Haftungsrechts, Anreize schaffen, dasjenige Verhalten von Organmitgliedern zu verhindern, welches der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt45 nicht förderlich ist. Das Organmitglied muss in den Fällen haften, in denen die Risiken seines Verhaltens dessen (potentiellen) Nutzen – der sich nicht realisiert haben muss – überstiegen haben. Indes ist nicht jede denkbare Sorgfaltsmaßnahme erforderlich, damit der Organwalter pflichtgemäß handelt: So mag etwa jedes neue Expertengutachten über die Rentabilität eines Projektes ein minimaler Beitrag zur Schadensprävention sein, der aber angesichts der Kosten (Expertenhonorar, unternehmensinterne Ressourcenbindung sowie Zeitverlust) im Regelfall unwirtschaftlich sein wird. So verstanden schafft § 93 Abs. 2 AktG für das einzelne Organmitglied ökonomische Anreize, ein Verhalten zu unterlassen, das insgesamt für die Aktiengesellschaft von Nachteil ist. Die Diskussion zu § 93 Abs. 2 AktG bewegt sich auch genau in diese Richtung: Bereits die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Fall ARAG/Garmenbeck46 gesteht dem Vorstand einen Handlungsspielraum bei der Eingehung geschäftlicher Risiken zu. Der BGH hat diesbezüglich ausgeführt, Sekundäreffekt“. Auch Krieger, in: RWS-Forum 8 Gesellschaftsrecht 1995, S. 149 (165), hält den Schadensausgleich für wichtiger als die Präventivwirkung. 42 Auf die Stellung der Organmitglieder als „Treuhänder“ der Anteilseigner weist auch Baums hin: Gutachten F für den 63. DJT, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band I: Gutachten (2000), S. F 230, m. w. N. 43 Die hieraus resultierenden Interessenkonflikte zwischen Handelndem (agent) und demjenigen, in dessen Interesse gehandelt wird (principal), werden auch als principalagent-Konflikte bezeichnet, vergleiche Escher-Weingart, ZVglRWiss 99 (2000), 387– 388. 44 Ähnlich kann man Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 93 Rn. 2, verstehen, wenn er ausführt: trotz (!) Festhaltens am Verschuldensmaßstab sei nicht zu verkennen, „daß der starken Machtstellung des Vorstandes eine hohe Verantwortlichkeit als Gegengewicht entsprechen muss.“ 45 Im Ergebnis wird es bei § 93 AktG Abs. 2 auf die Wohlfahrt der einzelnen Aktiengesellschaft ankommen, während dies bei der Haftung des Organmitgliedes gegenüber Dritten (Beispiel § 823 BGB Abs. 1 vor allem hinsichtlich des Organisationsverschuldens) anders ist.
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„dass dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist.“47 Darin sieht Ulmer48 zu Recht bereits die Berücksichtigung tragender Grundgedanken der so genannten „Business Judgment Rule“49. Durch die explizite Normierung einer „Business Judgment Rule“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG50 wird die Grenze des erlaubten Risikos nunmehr auch gesetzlich beschrieben, um unternehmerisches Handeln, das das Eingehen von Risiken bedingt, nicht übermäßig zu behindern. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass § 93 Abs. 2 AktG aus Sicht der Verhaltenssteuerung einerseits in Relation zum potentiellen Nutzen übermäßig riskantes Verhalten mittels negativen Haftungsanreizes verhindern soll, dass die Haftung dabei aber andererseits nicht vor riskantem Verhalten abschrecken darf, wenn dessen (potentieller) Nutzen überwiegt. Damit sind die allgemeinen Haftungsziele des Schadensausgleichs und der Verhaltenssteuerung auch in § 93 Abs. 2 AktG enthalten.
46 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 135, 244–257; aus der umfangreichen Literatur zu diesem Urteil vgl. Horn, ZIP 1997, 1129; Kindler, ZHR 162 (1998), 101; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290; jeweils m. w. N. 47 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), unter II.2.b.aa der Entscheidungsgründe, Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 135, 244–257. 48 Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (298). 49 Zur Business Judgment Rule – insbesondere aus rechtsvergleichender Sicht: Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827–849. 50 Die Kodifikation wurde in den letzten Jahren auf ministerieller Ebene gezielt vorangetrieben. In einer gemeinsamen Presseerklärung der Bundesministerien der Finanzen und der Justiz vom 25. Februar 2003 heißt es nämlich unter 1. zum „Haftungstatbestand“ (dort erster Unterpunkt): „Business Judgment Rule‘: In § 93 AktG ist klarzustellen, dass eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung getroffen haben, die sich später als Fehlentscheidung erweist.“; Quelle: http://www. bmj.bund.de unter Presse (dort bei den Pressemitteilungen). Mittlerweile ist dieses Vorhaben auch umgesetzt worden: Das Bundesministerium der Justiz hat am 28.01.2004 den „Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)“ vorgestellt. Der überarbeitete Regierungsentwurf (Stand November 2004) sieht in Artikel 1 unter anderem vor, dass nach § 93 Abs. 1 S. 1 folgender Satz eingefügt wird: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ Entwurfstext, Stellungnahme des Bundesrates [BR-Drs. 3/05] und Gegenäußerung finden sich bei den Gesetzentwürfen (dort unter „Corporate Governance“) unter http://www.bmj.bund.de. Die Änderung ist am 01. November 2005 in Kraft getreten.
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III. Konsequenzen der D&O-Versicherung für den Schadensausgleich Im Folgenden soll zunächst erörtert werden, inwieweit sich der Abschluss einer D&O-Versicherung auf den Ausgleich des Schadens auswirkt. Dabei ist aus Sicht der geschädigten Gesellschaft nicht von Belang, dass das Organmitglied wirtschaftlich aus der Haftung entlassen wird. Vielmehr ist die Aktiengesellschaft vorrangig am Ausgleich des Schadens interessiert. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Existenz eines D&O-Versicherungsvertrages grundsätzlich vorteilhaft: Der Schaden der Gesellschaft wird durch einen solventen Schuldner (den Versicherer) im Rahmen der Deckung nahezu hundertprozentig ausgeglichen. Gerade wegen der regelmäßig hohen Schadenssummen bei Aktiengesellschaften – die zu regulierenden Schäden bei D&O-Versicherungen übersteigen typischerweise fünf Millionen Euro51 – ist die Frage der Finanzkraft von besonderer Bedeutung. Forderungen gegen einzelne, nicht versicherte Organmitglieder könnten wegen fehlender Vollstreckungsmasse nur teilweise befriedigt werden. Dieses Defizit an Werthaltigkeit der Regressforderungen mangels Finanzkraft wird durch die D&O-Versicherung nahezu abgebaut.52 1. Schadensrückverlagerung durch Prämienzahlung der Aktiengesellschaft Einige Autoren werfen die Frage auf, ob nicht die Aktiengesellschaft letztendlich doch den Schaden trägt,53 indem sie die Versicherungsprämien für den Organwalter bezahlt. Diese Prämien sollen langfristig gesehen die potentiellen Schadensfälle abdecken. Deswegen müsse in der Prämienzahlung durch die Gesellschaft eine (wirtschaftliche) Rückverlagerung der Haftung auf die Gesellschaft erblickt werden;54 eine solche Rückverlagerung liefe dem Normziel des Schadensausgleiches zuwider. 51 „Bei D&O-Versicherungen [geht es] typischerweise um mehr als fünf Millionen Euro [. . .] durchschnittliche Schadensgröße“: Michael Hendricks im Interview mit dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 17./18.01.2003, S. K 4. 52 Darauf stellt etwa Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 773– 775, ab, um daraus abzuleiten, dass die Chance des Schadensausgleiches für die Aktiengesellschaft wesentlich verbessert wird. Ähnlich: Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1340 Rn. 9; Doralt, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder (2004), S. 831 Rn. 164; Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 519. 53 So muss man wohl das „Zirkularitätsargument“ Habethas verstehen, der insgesamt von einer Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ausgeht: Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 174, 184. Ähnlich Ruffner, Zeitschrift für schweizerisches Recht, Band 119 (2000), II. Halbband, S. 199 (223). 54 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 180.
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Dagegen lässt sich einwenden, dass das Organmitglied bereits bei mittleren Schäden im mehrfachen Millionenbereich55 den Anspruch regelmäßig nicht mehr erfüllen kann. Damit steht die Gesellschaft im Schadensfall finanziell besser;56 erst durch die D&O-Versicherung wird der Anspruch (voll) werthaltig. Zudem deckt die Versicherung insbesondere das Risiko großer Schäden, die bei Eintritt typischerweise nicht bereits durch die Prämienzahlung des betroffenen Unternehmens gedeckt sind. Im konkreten Schadensfall leistet der Versicherer Ersatz in wesentlich höherem Umfang als er bisher von der Aktiengesellschaft an Prämien erhalten hat. Die Rentabilität für den Versicherer ergibt sich erst durch die Tatsache, dass nur bei einigen versicherten Unternehmen ein solcher Schaden eintritt (Gesetz der großen Zahl)57. Indessen kann der Umstand, dass die Aktiengesellschaft im Schadensfall von der D&O-Versicherung profitiert, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesellschaft zumindest einen Teil des Haftungsrisikos selbst tragen muss. Das schädigende Organmitglied wird an der Finanzierung der D&O-Versicherung nicht beteiligt – die geschädigte Aktiengesellschaft trägt die Prämienlast in vollem Umfang selbst. Vor diesem Hintergrund ist zumindest von einer teilweisen Haftungsrückverlagerung auf die Aktiengesellschaft auszugehen. Da diese dem Haftungsziel des Schadensausgleichs eindeutig zuwiderläuft, könnte man die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung wegen ihrer Unvereinbarkeit mit § 93 Abs. 2 AktG für unzulässig erachten. 2. Grenzen der Versicherbarkeit auf Grund des zwingenden Normcharakters An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass Haftungsrisiken grundsätzlich versichert werden können.58 Nach Hefermehl/Spindler59 spricht für die Zulässigkeit einer privaten D&O-Versicherung, dass auch die Risiken der deliktischen Haftung nach § 823 BGB versicherbar sind. Dabei übersehen sie allerdings einen entscheidenden Unterschied: § 93 Abs. 2 AktG ist eine zwingende Haftungsvorschrift60, über die nicht disponiert werden kann. Damit unterscheidet 55 Hendricks im Interview mit dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 17./18.01.2003, S. K 4. 56 So auch Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 61. 57 Ebenso Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (143). 58 Allgemein zu Fragen von Haftung und Versicherung vergleiche etwa Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, S. 249 ff; Wagner, VersR 1999, 1441–1453. 59 In: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 93. Eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung halten Hefermehl/Spindler allerdings im Ergebnis nur mit angemessenem Selbstbehalt für zulässig, weil ansonsten die Verhaltenssteuerung wegfiele (Rn. 94).
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sie sich von anderen – beispielsweise den deliktischen – Haftungsnormen, bei denen die Haftung eingeschränkt oder insgesamt ausgeschlossen werden kann. Bei derartig abdingbaren Vorschriften erscheint es unproblematisch, wenn die Haftung durch den Abschluss einer seitens des Schädigers finanzierten Versicherung wirtschaftlich auf diesen verlagert wird. Das gilt aber nicht, wenn – wie im Fall des § 93 Abs. 2 AktG – eine Haftungsnorm indisponibel ist. Hier entspricht es gerade dem gesetzgeberischen Willen, dass die geschädigte Aktiengesellschaft zwingend Ersatz für den verursachten Schaden erhält. Einwände gegen den zwingenden Charakter des § 93 Abs. 2 AktG erhebt Habetha61. Er bezeichnet den Rückgriff auf § 93 Abs. 2 AktG mit dem Ziel, anhand der Normzwecke die Zulässigkeit der D&O-Versicherung zu untersuchen, als methodisch bedenklich. Der zwingende Charakter der Haftungsnorm folge allein aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, dem Abs. 2 der Vorschrift könne er nicht entnommen werden. Dem ist aber nicht zuzustimmen: Dass § 93 Abs. 2 AktG weder abbedungen noch eingeschränkt werden kann, ergibt sich bereits aus § 23 Abs. 5 AktG.62 Diese Norm lässt unter Umständen Ergänzungen (Satz 2), keinesfalls aber Abweichungen von den Vorschriften des Aktiengesetzes zu (Satz 1): so genanntes „Prinzip der formellen Satzungsstrenge“63. Zudem dient die Haftung nach § 93 Abs. 2 auch dem Schutz von Außenstehenden, den Gesellschaftern sowie den Gläubigern,64 über die Interessen von Dritten aber kann im (Innen-)Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organwalter nicht disponiert werden. Bei der Innenhaftung gemäß § 93 Abs. 2 AktG handelt es sich also um zwingendes Recht. Nun könnte man einwenden, dass es eine Reihe (jedenfalls teilweise) zwingender Haftungstatbestände gibt, deren Risiko durchaus versicherbar ist; Rechtsanwälte (§ 51 BRAO), Steuerberater (§ 67 StBerG) und Wirtschaftsprüfer (§ 54 WPO) sind sogar verpflichtet, eine (Berufs-)Haftpflichtversicherung abzuschließen.65 Bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ist jedoch zu beachten, dass es gerade die Aktiengesellschaft ist, die eine Haftpflichtversicherung zu Gunsten ihrer Organmitglieder abschließt. Es ist also die potentiell Geschädigte, die das Haftpflichtrisiko des potentiellen Schädigers versichert. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den oben genannten Versicherungen, die 60 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 10, 41; Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 23–24. 61 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 172. 62 Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 23–24; ähnlich Hefermehl/ Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 41. 63 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III. 1, S. 771. 64 Vgl. Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 11–13, 24. 65 Dass die Haftung der benannten Berufsangehörigen nur beschränkt vertraglich begrenzbar ist, folgt aus den §§ 51a BRAO, 67a StBerG, 54a WPO.
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gerade nicht durch die Geschädigten finanziert werden; die Vergleichbarkeit mit den oben genannten Versicherungen ist damit von vornherein auszuschließen. Eine ähnliche Konstellation wie bei der D&O-Versicherung scheint jedoch auf den ersten Blick im Arbeitsrecht gegeben zu sein: So schließt etwa ein Arbeitgeber regelmäßig für seine durch die Arbeitnehmer genutzten Kraftfahrzeuge eine Vollkaskoversicherung ab, die im Schadensfall auch die Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer abdeckt.66 Damit finanziert auch hier ein potentiell Geschädigter (der Arbeitgeber) eine Versicherung zu Gunsten eines potentiellen Schädigers (des Arbeitnehmers). Indes handelt es sich bei den arbeitsrechtlichen Haftungstatbeständen gerade nicht um zwingendes Recht: Die Haftung nach § 280 BGB ist zu Gunsten des haftenden Arbeitnehmers nicht nur grundsätzlich abdingbar (Umkehrschluss aus § 276 Abs. 3 BGB)67, die Haftung des Arbeitnehmers wird für fahrlässig verursachte Schäden sogar durch Rechtsprechung und Schrifttum de lege lata erheblich eingeschränkt.68 Folglich ist die im Arbeitsrecht besondere Konstellation mit dem zwingenden und gerade nicht einschränkbaren Haftungstatbestand des § 93 Abs. 2 AktG nicht vergleichbar. Die D&O-Versicherung unterscheidet sich folglich der Finanzierung und dem Versicherungsgegenstand nach grundlegend von anderen Versicherungen; der Einwand, dass auch die Zulässigkeit anderer Haftpflichtversicherungen nicht in Frage gestellt wird, vermag demnach nicht zu überzeugen. 3. Interesse der AG an der Absicherung des Innenregresses Als Argument für die Zulässigkeit einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung verbleibt das Interesse der Aktiengesellschaft, bei hohen Schadensfällen den Regress gegen die haftenden Organmitglieder abzusichern. Allerdings gilt es einschränkend zu bedenken, dass eine D&O-Versicherung auch den Schadensteil abdeckt, den der haftende Organwalter selber hätte begleichen können. Das führt zu höheren Prämien als es das eigentliche Sicherungsinteresse der Aktiengesellschaft verlangen würde. Daher könnte man eine Versicherung der Aktiengesellschaft hinsichtlich der Innenhaftung nur insoweit als zulässig erachten, als sie ausschließlich dieses 66 Ähnliches kann für Betriebs- beziehungsweise Berufshaftpflichtversicherungen etc. gelten. 67 Vgl. etwa Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 34 ff. 68 Zu den Einzelheiten der Arbeitnehmerhaftung und deren Einschränkung im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches vergleiche etwa BAG Großer Senat, Beschluss vom 27. September 1994 (Az: GS. 1/89 (A)), Fundstellen: jurisWeb, NJW 1995, 210–213; Blomeyer, in: Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, § 59; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 619a Rn. 5 ff; jurisPK/Hausch, § 611 Rn. 214 ff; Preis, in: Erfurter Kommentar, § 619a Rn. 7 ff, jeweils m. w. N.
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Ausgleichsinteresse schützt. Das Ziel der Risikoabsicherung der Gesellschaft könnte durch eine andere Art der Versicherung kostengünstiger erreicht werden; ein entsprechendes Modell sei im Folgenden vorgestellt: Optimal für die Aktiengesellschaft wäre ein Versicherungsvertrag, bei der der Versicherer lediglich nach erfolgloser Vollstreckung beim Organmitglied zahlte und als Gegenzug den (kaum noch werthaltigen) Anspruch gegen das Organmitglied erhielte. Diese Versicherung könnte dann um die Freistellungsverpflichtungen der Gesellschaft erweitert werden und hätte somit exakt das oben beschriebene Interesse der Gesellschaft zum Vertragsinhalt: das Ausfall- und Freistellungsrisiko. Faktisch übernähme der Versicherer bei einer solchen „Ausfallund Freistellungsversicherung“ die Funktion eines Bürgen. Versicherte wäre die Aktiengesellschaft (!), nicht mehr das Organmitglied. Der denkbare Einwand, eine solche Versicherung werde derzeit nicht angeboten, greift nicht, weil es lediglich an einer Nachfrage seitens der Unternehmen fehlt; bei entsprechender Nachfrage wäre ein solches Versicherungsprodukt sicherlich schnell verfügbar. Die Ausfall- und Freistellungsversicherung hätte für die Aktiengesellschaft im Vergleich zur D&O-Versicherung geringere Prämien zur Folge: Der Versicherer könnte mit geringeren Schadenssummen kalkulieren, weil die Organmitglieder als Haftungsschuldner erhalten blieben und mit ihrem gesamten Vermögen jedenfalls einen Teil des Schadens begleichen könnten.69 Die Tatsache, dass eine Alternative zur D&O-Versicherung existiert, die den Interessen der Aktiengesellschaft entspricht und zudem mit geringerem Prämienaufwand erhältlich wäre, legt den Schluss nahe, nur eine solche Versicherung mit § 93 Abs. 2 AktG für vereinbar zu erachten. Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung hingegen könnte man als gesellschaftsrechtlich unzulässig ansehen, weil durch sie der Schaden auf die Aktiengesellschaft zurückverlagert wird, wofür es angesichts der alternativen Freistellungs- und Ausfallversicherung kein Bedürfnis aus Sicht der Aktiengesellschaft gibt.70 4. Verbleibendes Gesellschaftsinteresse an einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung Dabei würde allerdings außer Acht gelassen, dass die Aktiengesellschaft auch auf andere Weise von der D&O-Versicherung profitiert. So dient die D&O-Ver69 Für die Organmitglieder würde ein solches Modell allerdings zu einer erheblichen Einschränkung ihrer Absicherung im Rahmen der Innenhaftung führen: Die Organwalter blieben auch wirtschaftlich in der Haftung, weil sie von den D&O-Versicherern in Regress genommen werden könnten. Einen Versicherungsschutz, der sie gegen dieses Risiko versichert, müssten sie gegebenenfalls selbst finanzieren. 70 Die D&O-Versicherung zu Gunsten der Organwalter ist also gerade kein „notwendiger Reflex der Eigenbegünstigung der Gesellschaft“ wie Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (321), meint.
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sicherung unter anderem als Mittel der Personalgewinnung;71 ohne D&O-Versicherung wäre es schwierig, hoch qualifizierte Persönlichkeiten als Organwalter für die Aktiengesellschaft zu gewinnen. Zudem könnten Manager aus Furcht vor persönlicher Haftung riskante Entscheidungen meiden. Es entspricht aber dem Interesse der Gesellschaft, dass die Organmitglieder bereit sind, unternehmerische Risiken für die Aktiengesellschaft einzugehen, ohne die Gewinnerzielung kaum möglich ist. Insofern kann die D&O-Versicherung ein Beitrag sein, den Spielraum für mutige Entscheidungen seitens der Organwalter zu eröffnen.72 Schließlich ist das Bedürfnis der Manager nach einer Absicherung des persönlichen Risikos zu berücksichtigen. Die Organmitglieder werden bemüht sein, sich gegen die Risiken der Innenhaftung durch den Abschluss einer organwalterfinanzierten D&O-Versicherung abzusichern. Diese Versicherung wird wegen des hohen Risikos – wie zu Beginn der Arbeit ausgeführt73 – nur gegen relativ hohe Prämien verfügbar sein. In Reaktion auf die nur kostenintensiv erhältliche Absicherungsmöglichkeit werden die Organmitglieder vermutlich höhere Bezüge/Vergütung verlangen, sodass die Aktiengesellschaft im Ergebnis sogar finanziell schlechter stehen könnte als beim Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung. 5. D&O-Versicherung mit angemessenem Selbstbehalt als Ausgleich widerstreitender Interessen Das generelle Verbot, eine D&O-Versicherung abzuschließen, würde somit auch Nachteile für die Aktiengesellschaft mit sich bringen. § 93 Abs. 2 AktG dient aber gerade auch den Interessen der Aktiengesellschaft. Ihre Vermögenslage soll durch den in § 93 Abs. 2 AktG intendierten Schadensausgleich verbessert werden. Daher sind auch die Vorteile, die die Gesellschaft durch eine D&O-Versicherung erhält, zu berücksichtigen. Es gilt im Ergebnis dem Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis der Aktiengesellschaft an einer D&OVersicherung einerseits und dem Problem der teilweisen Schadensrückverlagerung andererseits Rechnung zu tragen. Ein interessengerechtes, mit § 93 Abs. 2 AktG vereinbares Ergebnis stellte die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehaltes in den Versicherungsverträgen dar. Auf diese Weise würde einerseits die persönliche Existenz der Organwalter gesichert, sodass sich weiterhin qualifizierte Persönlichkeiten gewinnen ließen, die auch eine ausreichende Bereitschaft zur Eingehung unternehme-
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Einzelheiten siehe Kapitel 6 A. I. 1. a) bb) (3) (a). Vgl. Kapitel 6 A. I. 1. a) bb) (3) (c). Vgl. Kapitel 4 A. I.
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rischer Risiken mitbrächten. Andererseits müsste auch das Organmitglied in nennenswertem Umfang zur Schadensregulierung beitragen, dadurch würde zumindest ein Teil der Haftung beim Organwalter verbleiben. Zwar müsste die Aktiengesellschaft weiterhin Versicherungsprämien zahlen, diese würden aber niedriger ausfallen, weil sich das Organmitglied an der Schadensausgleichung beteiligt. Im Ergebnis würde der Schaden dann in geringerem Umfang auf die Aktiengesellschaft zurückverlagert. Der zu vereinbarende Selbstbehalt müsste allerdings in der Weise „angemessen“ sein, dass beim Organmitglied tatsächlich auch ein nennenswerter Teil der Haftung verbleibt. Der Höhe nach sollte er sich daran orientieren, was ein Organwalter an Ersatz zu leisten vermag.74 Eine solchermaßen gestaltete D&OVersicherung käme auch der oben dargestellten Ausfall- und Freistellungsversicherung nahe: Was über das Leistungsvermögen des Organmitglieds geht, würde auch von einer solchen Versicherung abgedeckt. Insgesamt kann daher festgestellt werden, dass der Abschluss einer D&OVersicherung zu einer verbesserten Vermögenssituation der Aktiengesellschaft im Schadensfall führt, dass jedoch über die Prämienzahlung ein Teil des Schadens von der Gesellschaft getragen wird. Letzteres lässt sich kaum mit dem Ziel der Innenhaftung vereinbaren, der Aktiengesellschaft bestimmte Schäden auszugleichen. Erst wenn ein angemessener Selbstbehalt – in nennenswertem Umfang – vereinbart ist, verstößt die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung nicht gegen den Normzweck des § 93 Abs. 2 AktG. Daher steht die D&O-Versicherung nur insoweit mit dem Normziel des Schadensausgleiches in Einklang, als ein angemessener Selbstbehalt vereinbart ist.
IV. D&O-Versicherung und Verhaltenssteuerung Der Abschluss einer D&O-Versicherung kann sich auch auf den anderen Zweck des § 93 Abs. 2 AktG auswirken: die auf Schadensprävention abzielende Lenkungswirkung. Um den Einfluss der D&O-Versicherung auf die Verhaltenssteuerung zu klären, muss zunächst untersucht werden, wie sich die Androhung der Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen generell auf das Verhalten von Organmitgliedern auswirkt. Durch die D&O-Versicherung wird die abstrakte Haftungsgefahr auf den Versicherer verlagert. In dem Maße, wie die drohende Haftung entscheidungsbeeinflussend wirkt, hat auch der (teilweise) Wegfall dieselben Auswirkungen auf das Verhalten der Organwalter.
74
Zur Angemessenheit eines Selbstbehaltes im Einzelnen vergleiche Kapitel 5 E.
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
1. Die Rolle der Haftung bei der Verhaltenssteuerung Es ist also zunächst zu klären, welchen Einfluss die abstrakte Haftungsgefahr auf das Verhalten von Organmitgliedern hat. Auf die wissenschaftliche Diskussion jedenfalls wirken sich Wahrscheinlichkeit und Intensität persönlicher Haftung aus. Das Maß an Sorgfalt, das den Organmitgliedern in der Literatur im Einzelnen nahe gelegt wird, steht auch in Relation zur deren Haftungswahrscheinlichkeit. So wird in der betriebswirtschaftlichen Diskussion über Risikomanagement die Implementierung eines Risikomanagementsystems unter anderem mit der Vermeidung von Schadensersatzansprüchen begründet.75 Auch diese verschärften Sorgfaltsempfehlungen wirken sich mindernd auf die Schadenswahrscheinlichkeit aus. Bereits darin ist eine mittelbare Folge der Haftung zu sehen. Einen interessanten Ansatzpunkt in diesem Zusammenhang bietet die ökonomische Analyse des Rechts76. Ausgehend vom so genannten homo oeconomicus wird der Zweck von Haftungsregeln darin gesehen, dass schädigende Auswirkungen einer Handlung auf Dritte bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.77 Im Falle der Organhaftung lässt sich dies folgendermaßen ausdrücken: Das Organmitglied bezieht die bei Dritten (hier: Gesellschaft/Gesellschafter) möglicherweise auftretenden Nachteile/Schäden wegen der drohenden Haftungsfolgen in seine Kosten-Nutzen-Analyse mit ein („Internalisierung externer Effekte“78). In dieser Rechnung wird der Entscheidungsträger die Kosten für Maßnahmen der Haftungsprävention (insbesondere durch höhere Sorgfalt) gegen die Wahrscheinlichkeit des Schadens sowie dessen Höhe79 abwägen. Inwieweit die Entscheidung des einzelnen Organwalters dabei von der drohenden Haftung beeinflusst wird, hängt auch von seiner individuellen Risikobereitschaft ab.80 Davon abgesehen bleibt jedoch festzuhalten, dass das Organmitglied eventuell schädigende Folgen für die Aktiengesellschaft insbesondere wegen der 75 Vgl. etwa Hahn/Weber/Friedrich, Ausgestaltung des Risikomanagements in mittelständischen Unternehmen, BB 2000, 2620 (2621); Vogler/Gundert, Einführung von Risikomanagementsystemen, DB 1998, 2377 (2377–2378); Bitz, Abgrenzung des Risiko-Frühwarnsystems i. e. S. nach KonTraG zu einem umfassenden Risiko-Managementsystem im betriebswirtschaftlichen Sinn, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 2000, S. 231–241 (233). 76 Die ökonomische Analyse des Rechts untersucht in erster Linie die wirtschaftliche Effizienz von rechtlichen Vorschriften. Zu den theoretischen Grundlagen der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts: Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&OVersicherung, S. 99–122. Zur ökonomischen Analyse des Haftungsrechts vergleiche auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 109–141. 77 Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 99–102. 78 Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 102. 79 Dabei sind auch die Kosten für die Schadensabwicklung (z. B. Prozesskosten) zu berücksichtigen: Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 114–116. 80 Vgl. Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 116–118.
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drohenden Haftungskonsequenzen mit in seine Entscheidungsfindung einbezieht. Neben der Haftung wirken sicherlich noch andere Faktoren bei der Verhaltenssteuerung mit.81 Es verbliebe selbst bei fehlender Haftung die Sanktionswirkung einer Abberufung (§ 84 Abs. 3 AktG) beziehungsweise Nichtwiederberufung des Organmitglieds82 mit dem Risiko, keinen angemessenen vergleichbaren Arbeitsplatz mehr zu finden83. Hinzu kommt der Ansehensverlust, den der Entscheidungsträger erleidet, wenn ein eklatantes Fehlverhalten – möglicherweise sogar öffentlich – bekannt wird. Auch diese Mechanismen wirken sich mittelbar aus, dennoch wird man davon ausgehen können, dass die persönliche Haftung die gravierendste und unmittelbare Sanktion ist und sie folglich bei der Verhaltenssteuerung eine wichtige, wenn nicht sogar dominierende Rolle spielt.84 Dass Haftung das Verhalten erheblich steuert, zeigt auch die empirische Untersuchung von Kötz/Schäfer85. Dort wurde am Beispiel der Zucker-Berufsgenossenschaft der Einfluss ökonomischer Anreize im Beitragssystem der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Unfallstatistik untersucht. Dabei stellten Kötz/Schäfer fest, dass „zwischen der Einführung des Beitragsausgleichverfahrens und dem Rückgang der Häufigkeit der Arbeitsunfälle ein hochsignifikanter Zusammenhang besteht.“86 Aus diesen Erkenntnissen folgern sie für alle ökonomischen Anreize – auch für das Haftungsrecht – deren schadensverhütenden Einfluss.87 Festzuhalten bleibt, dass persönliche Haftung gemäß § 93 Abs. 2 AktG eine dominierende Rolle bei der Steuerung des Verhaltens von Organmitgliedern hin zu risikobewusstem Handeln spielt.
81 Die Rolle der Haftung bei der Verhaltenssteuerung relativierend: Hopt, FS Mestmäcker (1996), S. 909 (914). 82 Vgl. Horn, ZIP 1997, 1129 (1130); Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323). 83 Mertens, Organhaftung, in: Corporate Governance, Feddersen/Hommelhoff/ Schneider (Hrsg.), S. 155–164 (160–162). 84 Anderer Auffassung Henssler, der die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit nur in geringem Maße für verhaltenssteuernd hält: Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in: RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (142). Auch Mertens, AG 2000, 447 (452), zufolge ist es zweifelhaft, ob die tatsächliche Präventionswirkung der Innenhaftung von ausschlaggebender Bedeutung ist. 85 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501–525. 86 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501 (525). 87 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501 (525); sie sprechen zwar von „Unfallverhütung“, jedoch kann man das auch als Schadensverhütung verstehen.
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
2. Auswirkungen der D&O-Versicherung auf die Verhaltenssteuerung Durch den Abschluss einer D&O-Versicherung wird das versicherte Organmitglied in seiner Entscheidungsfindung beeinflusst. In dem Maße, in dem die Haftung durch eine Versicherung abgedeckt ist, entfällt die dadurch erzeugte Motivation, sich sorgfältig zu verhalten; das Organmitglied wird seine Sorgfaltsaufwendungen verringern, weil diese zur Abwendung eigener wirtschaftlicher Nachteile nicht mehr erforderlich sind („moral hazard“88).89 Soweit das Organmitglied handeln kann, ohne eine persönliche Inanspruchnahme befürchten zu müssen, ist daher mit einer Zunahme pflichtwidrigen Verhaltens zu rechnen.90 Das wiederum liefe der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG zuwider, durch die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung möglichst Schäden zu vermeiden.91 In diesem Zusammenhang spielt die Finanzierung der D&O-Versicherung durch die Aktiengesellschaft eine wichtige Rolle. Hätte das Organmitglied die Versicherung selbst abgeschlossen, würde der verhaltenssteuernde Effekt zumindest mittelbar über die Prämien wirken. Beim hier untersuchten Fall der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung wirkt sich die Lenkungswirkung der Haftung hingegen auch nicht mehr mittelbar über die Prämienhöhe aus.92 Insoweit läuft ein solcher Vertrag einem wichtigen Zweck der Innenhaftung zuwider. Die D&O-Versicherung hebt die Lenkungswirkung der Haftung allerdings schon deshalb nicht zur Gänze auf, weil sie nur fahrlässige Pflichtverletzungen abdeckt, während die Haftung wegen Vorsatzes erhalten bleibt (§ 152 VVG93). Zudem kann sich das Organmitglied im Einzelfall nicht sicher sein, dass die Versicherung den (vollen) Schaden ersetzt.94 88 „Unter ,moral hazard‘ versteht man das Risiko, dass Versicherte bei bestehender Versicherungsdeckung Anreize haben, durch geringere Sorgfaltsvorkehrungen die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit und -höhe negativ zu beeinflussen oder den Schadensfall sogar vorsätzlich herbeizuführen, ohne dass dies der Versicherer erkennen kann“: Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 120. Ausführlich zum „moralischen Risiko“ im Allgemeinen: Nell, Versicherungsinduzierte Verhaltensänderungen von Versicherungsnehmern, S. 102 ff. Zum Einfluss von Versicherungen auf die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung im Allgemeinen vergleiche auch Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 166 ff; Wagner, VersR 1999, 1441 (1444 ff). 89 Vgl. Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 124. 90 Ähnlich Wollny, D&O-Versicherung, S. 432. 91 Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553), sprechen in diesem Zusammenhang von einem Spannungsverhältnis zu den gesetzlichen Regelungen. 92 Ähnlich Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 94. 93 Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (147–148); Baums, Gutachten F für den 63. DJT, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band I: Gutachten (2000), S. F 237.
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Darüber hinausgehend ist zu berücksichtigen, dass sich die D&O-Versicherung auch positiv auf das Ziel der Verhaltenssteuerung auswirken könnte. Bei Existenz einer D&O-Versicherung besteht die Möglichkeit einer vermehrten Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, wodurch das Fehlverhalten von Managern häufiger offenbar würde. Infolge dieser zunehmenden Transparenz könnten sich Organwalter auch zu sorgfältigerem Verhalten veranlasst sehen. Das gilt umso mehr, als bisher das Problem bestand, dass bestehende Haftungsansprüche im Innenverhältnis kaum durchgesetzt wurden.95 a) Höhere Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen Zu erörtern ist daher, inwieweit die D&O-Versicherung dazu führt, dass Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis in größerem Maße auch durchgesetzt werden (Regresswahrscheinlichkeit).96 Dafür können neben der höheren Vollstreckungsmasse des Versicherers auch persönliche Beweggründe derjenigen Organmitglieder, die den Anspruch durchsetzen müssen, ursächlich sein. aa) Ihlas Prognose von 1997 Ihlas ging 1997 davon aus, dass die Existenz der D&O-Versicherung mittelfristig zu einem Anstieg der Haftungsfälle in Zahl und Höhe führen werde.97 Seine Ausführungen basieren im Wesentlichen auf einem Grundsatz, wonach für Haftpflichtversicherungen gilt, dass „Deckung Haftung erzeugt“98. Er unterlegt diese Annahme für die D&O-Versicherung mit einem Verweis auf die Entwicklung in den Vereinigten Staaten, die bezüglich der Verbreitung von D&OVersicherungen gegenüber Deutschland um Jahr(zehnt)e voraus seien.99 Auch in Deutschland bestätige sich dies, wie seine Aufstellung über die „100 höchsten D&O-Versicherungsfälle“ zeige.100 Dabei ist hinsichtlich seiner Tabelle auf zahlreiche Teilklagen hinzuweisen;101 diese deuten auf eine nicht ausreichende 94 Auf ein „disziplinierendes Risiko“ stellt Ihlas ab: Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 326; ähnlich Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1340 Rn. 9. 95 Die Relevanz fehlender Haftungsdurchsetzung zeigt sich auch an der Diskussion zur Aktionärsklage; vergleiche dazu Ulmer, ZHR 163 (1999), 290–342. 96 Eine Zunahme von Regressforderungen prophezeite Kahlert, S. 30–48 (43), bereits 1906. 97 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 338. 98 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 64, 327. 99 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 328. 100 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 327, 329–332 (Tabelle 1). 101 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 327; 329–332 (Tabelle 1).
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Haftungsmasse in den jeweiligen Fällen hin. Bis der haftungsverschärfende Aspekt gerichtskundig werde, würden – so Ihlas – 10 bis 15 Jahre vergehen.102 Doch schon anhand Ihlas’ Zahlen erkennt Hopt eine Tendenz zur Haftungszunahme, wenn er festhält, dass sich die Zahl der D&O-Versicherungsfälle im Zeitraum von 1986–1995 (206) gegenüber 1976–1985 (113) verdoppelt hat103. Ein aktueller Fall scheint Ihlas Recht zu geben: Der Vergleich, der 2001 zwischen der Holzmann AG104, sechs ehemaligen Vorstandsmitgliedern sowie dem D&O-Versicherer geschlossen wurde, hatte eine Zahlung des Versicherers in Höhe von 38 Mio. DM zur Folge – die Deckungssumme für den fraglichen Zeitraum betrug 40 Mio. DM. In diesem Fall wurde die bestehende Deckung nahezu vollständig ausgeschöpft. Die Vermutung, dass (Versicherungs-)Deckung die Regresswahrscheinlichkeit erhöht, wird daher durch den Holzmann-Fall bestätigt.105 Auch in der Versicherungswirtschaft ist eine Schadenszunahme zu verzeichnen. So weisen die Schadenabteilungen mehrerer deutscher D&O-Versicherer für das Jahr 2002 bereits ein Verhältnis von einer Versicherungsfallmeldung zu zehn D&O-Versicherungsverträgen für 2002 auf.106 bb) Höhere Vollstreckungsmasse Dabei ist die fehlende Motivation zur Durchsetzung von Innenhaftungsansprüchen unter anderem darauf zurückzuführen, dass hohe Schadenssummen von einem Organmitglied persönlich im Regelfall nicht beizutreiben sind.107 Demgegenüber wird durch einen üblicherweise solventen Versicherer eine viel größere Vollstreckungsmasse bereitgestellt.108 Ohne Versicherung wird das Vermögen eines Managers bereits durch die Prozesskosten stark vermindert oder erschöpft, sodass für die Befriedigung eines (größeren) Anspruchs keine Masse verbleibt. Im Extremfall übersteigen die Prozesskosten die Mittel des Organwalters,109 sodass die Gesellschaft auch im Erfolgsfall die eigenen Prozesskosten zu tragen hat. Ist nun eine D&O-Versicherung abgeschlossen, ist es mitunter für die Aktiengesellschaft nur deswegen überhaupt sinnvoll, einen Anspruch gegen 102
Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 329. Hopt, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), § 93 Rn. 16. 104 Hansen, AG Report 2002, S. R50–R54 (R50). 105 Auf ein aktuelleres Beispiel weist Schilling, VW 2003, 1183 (1183), hin: Im Schadenfall der Messe Düsseldorf sei die Klage überwiegend durch die Tatsache motiviert, dass eine Versicherung besteht. 106 Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 12 des Vortragsmanuskripts; Schilling, VW 2003, 1183 (1183). 107 Horn, ZIP 1997, 1129 (1131). 108 Ähnlich auch Doralt, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder (2004), S. 838–839 Rn. 186, der in diesem Zusammenhang von einer „tiefen Tasche“ spricht. 103
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das eigene Organmitglied durchzusetzen. Daher wird die durch den Abschluss der D&O-Versicherung zur Verfügung gestellte größere Vollstreckungsmasse eine erhöhte Regresswahrscheinlichkeit zur Folge haben (so genanntes „deeppockets-Phänomen“)110. cc) Aushebelung der „Glashausmentalität“ Der D&O-Versicherungsschutz wirkt sich auch im zwischenmenschlichen Bereich auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Aktiengesellschaft aus. Normalerweise haben Organmitglieder auf Grund persönlicher Verbundenheit zu ihren Kollegen Hemmungen, bestehende Ansprüche gegen diese durchzusetzen und so deren wirtschaftliche Existenz zu gefährden.111 Die Mitglieder kennen sich und gerade Aufsichtsratsmitglieder sind häufig selbst im Vorstand anderer Gesellschaften tätig oder waren sogar vorher Mitglied im Vorstand der betroffenen Gesellschaft. Dadurch wird die Empathie mit den „Kollegen“ gefördert, denen es mitunter an die bürgerliche Existenz gehen kann. Hinzu kommt die Sorge vor eigener Haftung: Es sind im Regelfall die Aufsichtsratsmitglieder, die einen Anspruch gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen haben. Gerade dann stellt sich aber die Frage, ob diese nicht selbst eine Pflicht – etwa durch Unterlassen – schuldhaft verletzt haben, mit der Folge, dass auch sie gemäß §§ 93 Abs. 2, 116 AktG haften würden. Der Aufsichtsrat hätte mitunter das pflichtwidrige Verhalten von Vorstandsmitgliedern, das er kannte oder kennen musste, unterbinden müssen. Im Extremfall könnte der verklagte Manager seine Kollegen im Wege der Streitverkündung wegen gesamtschuldnerischer Haftung in den Rechtsstreit mit hineinziehen.112 Dies führt zu einer Art „Glashausmentalität“ in dem Sinne, dass wer in einem solchen sitzt, nicht mit Steinen werfen wird.113 Dieser Mentalität wird (zumindest teilweise) entgegengewirkt, wenn eine D&O-Versicherung den Schaden deckt.
109 Nach einer Prognose des LG Frankfurt a. M. hätten sich die Prozesskosten im Holzmann-Fall auf 25 Mio. DM belaufen. Quelle: Hansen, AG Report 2002, S. R50– R54 (R50). 110 Vgl. Sieg, DB 2002, 1759 (1761). 111 Die Möglichkeit eines Solidarisierungseffektes wegen der drohenden (wirtschaftlichen) Existenzvernichtung des Haftenden zieht auch Horn in Betracht: Horn, ZIP 1997, 1129 (1131). 112 Von einem solchen Fall berichtet Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUMJahrestagung „Haftpflicht 2003“ (S. 21 des Vortragsmanuskripts), dabei soll die Androhung der Streitverkündung zu einer für den Beklagten erfolgreichen Vergleichslösung geführt haben. 113 Ihlas bezeichnet diesen Mechanismus als „Krähentheorie“, wonach eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, in: einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 13 des Vortragsmanuskripts; derselbe bereits ähnlich in: Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 246.
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Nunmehr ist die Existenz des Kollegen nicht mehr gefährdet, und für den Fall, dass ein eigener Fehler mitursächlich war, greift ebenfalls die Versicherung. Im Ergebnis können also Ansprüche gegen Organmitglieder ohne Skrupel hinsichtlich existenzieller Folgen für den Kollegen und ohne Sorge wegen eigener Verantwortlichkeit geltend gemacht werden.114 dd) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es durch die D&O-Versicherung zu einer erhöhten Inanspruchnahme von Organmitgliedern durch die Gesellschaft kommen wird. Diese Entwicklung ist aus Sicht der Schadensprävention zu begrüßen, denn selbst wenn der Manager persönlich nicht haftet, so werden doch seine Pflichtverletzungen (innerhalb der Gesellschaft) bekannt. Weil dieses unternehmensinterne Offenlegen dem Organmitglied (hinsichtlich seines Rufs und seiner Aussichten weiter beschäftigt zu werden) zumindest unangenehm sein wird, wird das Organmitglied durch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu sorgfältigerem Verhalten angeregt. b) Der Versicherer als externer Kontrolleur Der Abschluss einer D&O-Versicherung könnte auch aus einem anderen Grund zur Schadensprävention beitragen. Es wäre denkbar, dass der D&O-Versicherer selbst die Organwalter zu gesteigerter Sorgfalt veranlasst, indem er als eine Art „externer Kontrolleur“ fungiert. So sammelt der Haftpflichtversicherer statistische Daten über die Art und die Häufigkeit von Pflichtverstößen und daraus resultierenden Schäden, soweit diese zu Versicherungsfällen werden. Dadurch kann er – nach einem gewissen Zeitablauf – über Anhebung von Prämien oder Selbstbehalten, Einschränkungen im Deckungsumfang oder sogar mit Kündigung auf besonders schadensträchtiges Verhalten reagieren und damit korrigierend eingreifen.115 Dabei gilt es allerdings zweierlei zu bedenken: Zunächst handelt es sich beim Eingreifen des Versicherers notwendigerweise um Reaktionen, die Kontrolle durch den D&O-Versicherer erfolgt erst im Nachhinein. Damit wird nur die Wahrscheinlichkeit zukünftig schädigenden Verhaltens verringert, nachdem eine höhere Schadenswahrscheinlichkeit festgestellt wurde. Zudem können lediglich objektive Kriterien herangezogen werden, wie etwa Verluste, Misswirtschaft des alten Managements oder die Zugehörigkeit zu einer besonders schadensträchti114 Dies sieht auch Ihlas so: in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 13 des Vortragsmanuskripts. Er beurteilt diese Entwicklung jedoch aus Sicht der Versicherer wegen zu befürchtender übermäßiger Inanspruchnahme als negativ. 115 Vgl. Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 325.
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gen Branche. Präventive Anreize für das einzelne Organmitglied, wie die persönliche Haftung sie darstellt, lassen sich so nicht schaffen. Dazu bedürfte es einer Einzelkontrolle von Organen oder sogar deren Mitgliedern, die der Versicherer kaum leisten kann. Daher ist der Versicherer als externer Kontrolleur, der in dieser Eigenschaft den einzelnen Organwalter zu sorgfältigerem Verhalten anregt, in der Praxis kaum vorstellbar. c) Modifikationen des Versicherungsvertrages zum Erhalt der Verhaltenssteuerung Bei der Diskussion über die Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&OVersicherung wird auch auf vertragliche Einschränkungen wie etwa Haftungshöchstgrenzen, Haftungsausschlüsse (bei wissentlicher Pflichtverletzung und teilweise auch bei grober Fahrlässigkeit) sowie Selbstbehalte116 verwiesen, die den Präventionscharakter der Haftungsnorm (teilweise) erhalten oder wiederherstellen könnten.117 Im Folgenden soll nun untersucht werden, inwieweit derartige Vertragsmodalitäten tatsächlich geeignet sind, neue Anreize zu sorgfältigem Verhalten zu geben beziehungsweise die ursprüngliche Wirkung der Haftung zu erhalten. aa) Haftungsausschlüsse – insbesondere der Wissentlichkeitsausschluss In D&O-Versicherungsverträgen gibt es zahlreiche Ausschlüsse, die nur spezielle Haftungsvorschriften betreffen. Beispielsweise findet man regelmäßig Ausschlüsse im Bereich der Umwelt- und Produkthaftung. Auch Ansprüche, die auf dem Common Law beruhen, sind häufig ausgeschlossen.118 Derartige Haftungsbegrenzungen können das Verhalten von Organmitgliedern aber allenfalls bei solchen Entscheidungen beeinflussen, die von den ausgeschlossenen Haftungsnormen betroffen sind. Wegen ihrer punktuellen Wirkung sind sie nicht geeignet, die Anreizwirkung der D&O-Versicherung insgesamt zu verändern; 116 Dazu der Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drs. 14/7515, S. 53, Rn. 75. 117 Vetter stellt allgemein fest, dass die Präventionsfunktion von § 93 AktG durch den Abschluss einer D&O-Versicherung nicht aufgehoben wird, weil diese Haftungshöchstgrenzen, Haftungsausschlüsse und Selbstbehalte enthalten: AG 2000, 453 (455). Ähnlich Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1340 Rn. 9; Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323); Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 93. Tendenziell skeptisch gegenüber der präventionserhaltenden Wirkung von Versicherungsklauseln: Mertens, Organhaftung, in Corporate Governance, Feddersen/ Hommelhoff/Schneider, S. 155–164 (156–157, 160). 118 Es handelt sich um eine Erweiterung des so genannten „Nordamerika-Ausschlusses“.
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die Beurteilung der D&O-Versicherung mit Blick auf § 93 Abs. 2 AktG berühren solche Haftungsausschlüsse nicht. Deswegen soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Der Ausschluss bei vorsätzlicher Schadensverursachung und bei wissentlicher Pflichtverletzung hingegen kann sich auf alle Entscheidungen des Versicherten auswirken und damit auf das allgemeine Sorgfaltsniveau. Dabei wird die vorsätzliche Schadensverursachung üblicherweise bei allen Haftpflichtversicherungen ausgeschlossen,119 eine Versicherung gegen vorsätzliches Verhalten ist wegen § 152 VVG auch gar nicht möglich.120 Der Vorsatzausschluss verhindert, dass Organwalter wissentlich Schäden verursachen, ohne dafür einstehen zu müssen. Damit bleibt die verhaltenssteuernde Funktion der Haftung hinsichtlich vorsätzlicher Schadensverursachung erhalten. Allerdings ist dies nur ein kleiner Ausschnitt aus der Lenkungswirkung, weil pflichtwidrig handelnde Organwalter regelmäßig keine Schädigung der Aktiengesellschaft beabsichtigen. Darüber hinausgehend schließen die gängigen D&O-Versicherungen auch die wissentliche Pflichtverletzung von der Deckung aus.121 Es handelt sich insoweit um eine zulässige122 Verschärfung des ohnehin bestehenden Vorsatzausschlusses (§ 152 VVG). Der so genannte Wissentlichkeitsausschluss unterscheidet sich vom üblichen Vorsatzausschluss dadurch, dass der Vorsatz den Schadenseintritt nicht umfassen muss: Die wissentliche Verletzung einer Pflicht durch das Organmitglied reicht aus. Sie liegt bereits vor, wenn von einer bindenden Beschlusslage, einem Gesetz oder einer sonstigen Vorschrift, einer gesellschaftsinternen Befugnis oder einer Weisung bewusst abgewichen wird: Für eine wissentliche Pflichtverletzung muss das Organmitglied zum fraglichen Zeitpunkt die von ihm verletzte Pflicht123 positiv gekannt und subjektiv das Bewusstsein gehabt haben, gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrig zu handeln.124 119
Vgl. Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 236. Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (147–148); Baums, Gutachten F für den 63. DJT, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band I: Gutachten (2000), S. F 237. 121 Vgl.: § 4 Nr. 1 AVB-O der Allianz; Ziffer III.1 Business Guard 2000 der AIG EUROPE; Ziffer 6.1 ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001); § 5 Ziffer 1 AVB OLA 2001 der CHUBB INSURANCE. Ebenso Steinkühler, VW 2003, 1734 (1734), m. w. N. 122 BGH, Urteil vom 26. September 1990 (Az: IV ZR 147/89), unter 6.c) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, VersR 1991, 176; Langheid, in: Römer/Langheid, § 152 Rn. 2. 123 Hinsichtlich der Wissentlichkeit kommt es nur auf die Pflichtverletzung an, die dem Versicherungsfall zu Grunde liegt. Der Versicherer kann sich dagegen nicht auf die wissentliche Verletzung einer anderen Pflicht berufen (sog. Bindungsprinzip): BGH, Urteil vom 20. Juni 2001 (Az: IV ZR 101/00), Fundstellen: jurisWeb, NVersZ 2001, 473–475. 120
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Bereits 1906 wird der Wissentlichkeitsausschluss für die Aufsichtsrat-Haftpflichtversicherung als Kernelement dargestellt.125 Georgii stützt die Unterscheidung zwischen wissentlicher und fahrlässiger Pflichtverletzung hinsichtlich des Versicherungsschutzes unter anderem darauf, dass die in Frage kommenden Pflichten in gewissem Sinne als „Schutzgesetze“ zur Schadensverhütung zu Gunsten des jeweiligen Geschäftsherrn aufgestellt seien.126 Damit erkennt Georgii bereits vor etwa 100 Jahren im Ansatz die Verhaltenssteuerung zur Schadensprävention als (einen) Zweck der Haftung, wenn auch seine diesbezüglichen Andeutungen noch im Kontext moralischer Gerechtigkeitserwägungen eingekleidet sind.127 Die Frage nach den Auswirkungen des Wissentlichkeitsausschlusses auf das Sorgfaltsniveau der Organwalter stellt sich heute angesichts der weiten Verbreitung des Ausschlusses umso dringlicher. Die tatsächliche Einschränkung der Versicherungsdeckung könnte dazu führen, dass die D&O-Versicherer ihre Inanspruchnahme künftig häufiger verweigern. Dies könnte die Entscheidungsfindung der Organmitglieder durchaus beeinflussen. Besteht beim Organmitglied zunehmend Unsicherheit darüber, ob die Versicherung für einen eventuellen Haftungsfall aufkommt, wird es bei seinen Handlungen im Zweifel mehr Sorgfalt walten lassen. Insbesondere könnten Organwalter ihr Verhalten im Hinblick auf entgegenstehende Pflichten untersuchen, was zur vermehrten Einhaltung von Verhaltenspflichten führen würde. Im Ergebnis könnte auf diese Weise ein Teil der ursprünglichen Anreizwirkung der Haftung wieder aufleben, so als bestünde keine D&O-Versicherung. Allerdings setzt eine solche Lenkungswirkung hin zu sorgfältigerem Verhalten voraus, dass der Wissentlichkeitsausschluss in der Praxis auch greift. Nur in dem Maße, wie Organwalter auch tatsächlich eine persönliche Haftung befürchten müssen, kann dies ihr Verhalten beeinflussen. Gerade im Zuge besserer Ausbildung, größerer Praxiserfahrung sowie einem höheren Maß an Spezialisierung wird es einem Organmitglied schwer fallen zu behaupten, es habe eine ihn treffende Pflicht nicht gekannt. So wird insbesondere in der Rechtsprechung im Regelfall davon ausgegangen, dass die Vorschriften, die speziell für eine bestimmte Berufsgruppe gelten, deren Mitgliedern auch bekannt sind.128 Berücksichtigt man die Tendenz zur immer stärke-
124 BGH, Urteil vom 20. Juni 2001 (Az: IV ZR 101/00), unter II.3. der Gründe m. w. N., Fundstellen: jurisWeb, NVersZ 2001, 473–475; ebenso: Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365 (366). 125 Georgii, S. 17–29 (22 ff). Vgl. dazu Kapitel 2 C. 126 Georgii, S. 17–29 (26). 127 Vgl. Georgii, S. 17–29 (25–26). 128 OLG Köln, Urteil vom 28. Januar 1997 (Az: 9 U 62/96), Fundstellen: OLGR Köln 1997, 237–241 = RuS (Recht und Schaden) 1997, 496–497.
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ren Normierung von einzelnen Pflichten, wird es dem Organmitglied als hoch bezahlter, regelmäßig gut ausgebildeter Führungskraft im Falle einer Pflichtverletzung Schwierigkeiten bereiten, die Unkenntnis der verletzten Pflicht überzeugend darzulegen.129 Kennt das Organmitglied hingegen die verletzte Pflicht, erkennt es aber nicht, dass es mit seinem Verhalten diese Pflicht verletzt, liegt keine wissentliche Pflichtverletzung vor. Das Bestreiten des Pflichtverletzungsbewusstseins130 läuft jedoch darauf hinaus, dass das Organmitglied in letzter Konsequenz auf eigene Unfähigkeit in der konkreten Situation plädiert,131 keine sonderlich angenehme Vorstellung für einen Topmanager. Vor diesem Hintergrund könnte man meinen, dass der Wissentlichkeitsausschluss in der Praxis recht häufig zum Tragen kommen und sich auf das Verhalten der Organmitglieder risikominimierend auswirken wird. Andererseits bleibt abzuwarten, inwieweit sich D&O-Versicherer in der Praxis tatsächlich auf den Wissentlichkeitsausschluss berufen werden. Ein D&O-Versicherer, der bekanntermaßen häufig die Deckung unter Verweis auf eine wissentliche Pflichtverletzung verweigert, wird im Vergleich zur kulanteren Konkurrenz erheblich an Marktanteilen verlieren. Außerdem liegt die Beweislast für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes beim Versicherer: Er muss nicht nur nachweisen, dass das Organmitglied eine Pflicht verletzt hat (das wird im Zweifelsfall ohnehin bereits auf Veranlassung des Anspruchstellers gerichtlich festgestellt sein), sondern auch, dass das Organmitglied die Pflicht gekannt und bewusst gegen sie verstoßen hat. Ein solcher Beweis dürfte in der Praxis nur schwer zu erbringen sein, wenngleich die Beweisführung durch die oben beschriebene Rechtsprechung erleichtert wird. Im Ergebnis kann man festhalten, dass der Wissentlichkeitsausschluss Entscheidungen von Organmitgliedern bei bestehender D&O-Versicherung erst dann beeinflussen kann, wenn der Ausschluss in der Praxis zu ernsthaften Einschränkungen des Deckungsschutzes geführt hat. bb) Haftungshöchstgrenzen Haftungshöchstgrenze meint die Deckungssumme132, auf die die Leistungspflicht des Versicherers pro Jahr beschränkt ist: Nur bis zum Betrag der De129 Lange spricht deswegen beim Wissentlichkeitsausschluss vom „Nadelöhr“ der D&O-Versicherung: DStR 2002, 1674 (1676–1677). 130 Vgl. Lange, DStR 2002, 1674 (1677). 131 Auf Unwissenheit zu plädieren läuft hingegen weniger auf Unfähigkeit hinaus. 132 Eine solche Deckungssumme enthält jede D&O-Versicherung. Vgl. etwa Ziffer II.5 Business Guard 2000 der AIG EUROPE.
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ckungssumme reicht die Leistungsverpflichtung des Versicherers.133 Geht der Schaden, den ein Organmitglied der Gesellschaft oder Dritten zu ersetzen hat, über die Haftungshöchstgrenze hinaus, haftet das Organmitglied dafür mit seinem Privatvermögen. Insbesondere bei riskanten Geschäften/Transaktionen134 oder wenn es um die Existenz der Gesellschaft geht, ist die Deckungssumme schnell erreicht. Als Beispiel soll der Holzmann-Fall135 dienen, bei dem es letztendlich um die Existenz der Gesellschaft ging: Der maximale Deckungsschutz des betroffenen D&O-Versicherers (im Holzmann-Fall die AIG Europe) belief sich für die fragliche Zeit auf insgesamt 40 Mio. DM. Die Philipp Holzmann AG als Versicherungsnehmerin hatte jedoch zunächst Schadensersatzansprüche von über 160 Mio. DM geltend gemacht. Unterstellt man, die Ansprüche wären in voller Höhe gerichtlich bestätigt worden, hätten die sechs verklagten Vorstandsmitglieder für über 120 Mio. DM136 – vermutlich gesamtschuldnerisch – einstehen müssen. Weil jede D&O-Versicherung eine Haftungshöchstgrenze enthält, könnte man nun meinen, dass es im Falle großer Schäden grundsätzlich beim persönlichen Risiko des Organmitglieds bleibt.137 Dadurch könnten Manager veranlasst werden, gerade bei besonders riskanten Entscheidungen sorgfältiger abzuwägen. Ein solcher Beitrag zur Verhaltenssteuerung bleibt jedoch theoretischer Natur, weil sich das Risiko, bei großen Schäden persönlich zu haften, in der Praxis fast nie realisiert, wie sich ebenfalls am Holzmann-Fall illustrieren lässt. Im Fall Holzmann haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen. Danach war die AIG Europe zur Zahlung von 38 Mio. DM an die Philipp Holzmann AG verpflichtet. Gleichzeitig verzichteten die Altvorstände teilweise auf Pensionsleistungen der Gesellschaft. Der Grund für die im Verhältnis zur ursprünglichen Forderung relativ geringe Vergleichssumme sind die sehr hohen Prozesskosten: Die vom LG Frankfurt a. M. prognostizierten Gerichts- und Anwaltskosten hätten zusammen mehr als 25 Mio. DM betragen. Von der Deckungssumme wären dann nur noch 15 Mio. DM für die eigentliche Schadensersatzzahlung übrig geblieben. Ob die Zahlungsansprüche in Höhe der „verbleibenden“ 23 Mio. DM138 oder sogar darüber hinaus bei den sechs ehemaligen Vorstandsmitgliedern vollstreckbar gewesen wären, erscheint fraglich.
133
Vgl. Kapitel 4 D. Etwa Unternehmenskäufe, -verkäufe, Börsengänge, Entwicklung sowie Markteinführung neuer Produkte etc. 135 Alle tatsächlichen Angaben zum Fall Holzmann (nicht jedoch die Schlussfolgerungen) sind entnommen aus: Hansen, AG Report 2002, S. R50–R54 (R50). 136 Die Deckungssumme des Versicherers wäre durch die Anwalts- und Gerichtskosten bereits zu einem nennenswerten Anteil erreicht worden. 137 So etwa Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323). 134
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Der Abschluss eines Vergleiches war demgegenüber für die Beteiligten von Vorteil. Die Kosten, die mit einem Prozess über mehrere Instanzen verbunden gewesen wären, konnten auf diese Weise vermieden und der entsprechende Betrag für den Ausgleich des materiellen Schadens verwendet werden. Dieser Ablauf bei der Schadensregulierung ist nicht auf den Holzmann-Fall beschränkt. In vielen Fällen werden die – in Relation zur Deckungssumme – sehr hohen Prozesskosten zu einem Vergleich zwingen,139 der für die Organmitglieder meist einigermaßen glimpflich sein wird. Inwieweit dieser ungewollte (?)140 Schutzmechanismus die betroffenen Organmitglieder beruhigt, ist schwer abzuschätzen. Weil es aber de facto kaum Fälle geben wird, in denen Organmitglieder über die Deckungssumme hinausgehend auch persönlich Schadensersatz leisten müssen, werden sich Haftungshöchstgrenzen auf ihr konkretes Verhalten kaum auswirken. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei hohen Schäden, die die Deckung der Versicherung übersteigen, zwar die persönliche Haftung für das Organmitglied existenzgefährdend bleibt. Das Bewusstsein um diese theoretische Gefahr wird aber wegen fehlender praktischer Relevanz die Entscheidungen von Organmitgliedern kaum sorgfaltsteigernd beeinflussen. cc) Sorgfaltsobliegenheiten Ein weiteres Mittel zum Erhalt der verhaltenssteuernden Wirkung sind Sorgfaltsobliegenheiten141. Darunter werden hier diejenigen „Pflichten“ des Versicherungsnehmers verstanden, die im Falle ihrer Nichterfüllung den Versicherer zu Kündigung und/oder Leistungsverweigerung im Schadensfall berechtigen. Allgemein wirken sich Sorgfaltsobliegenheiten dann positiv auf das Verhalten von Organmitgliedern aus, wenn sie risikominderndes Verhalten fördern und die „Sanktion“ (Kündigung oder Leistungsverweigerung) als negativer Anreiz wirkt. Es sind zwei Arten von Sorgfaltsobliegenheiten in den AVB der Versicherer zu finden: Obliegenheiten im Schadensfall142 und Anzeigepflichten vor Ver138 Der Betrag ergibt sich aus der Differenz zwischen der Vergleichsumme (38 Mio. DM) und der mutmaßlich verbleibenden Deckung nach Abzug der Gerichts- und Anwaltskosten (15 Mio. DM). 139 Sieg, VP 2001, 83 (87), geht davon aus, dass in Deutschland 90% aller D&OVersicherungsfälle vergleichsweise geregelt werden. 140 Im Schadensfall der Messe Düsseldorf verweist Schilling, VW 2003, 1183 (1183), auf Presseberichte, denen zufolge die Millionenklage nicht dazu diene, auf das Privatvermögen der Verklagten zuzugreifen, sondern lediglich dazu, die rechtlichen Voraussetzungen für den Rückgriff auf eine Versicherung zu schaffen. 141 Auch Küpper-Dirks weist allgemein auf Obliegenheiten als Instrument zur Begrenzung der Anreizminderung hin, jedoch ohne dies zu spezifizieren: Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 124.
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tragsschluss sowie während der Vertragslaufzeit143. Verstöße gegen Obliegenheiten im Schadensfall/Versicherungsfall können zum Rechtsverlust führen;144 Anzeigepflichtverletzungen vor Vertragsschluss berechtigen den Versicherer unter Umständen zur Kündigung,145 solche während der Laufzeit zur fristlosen Kündigung146 beziehungsweise zur Leistungsverweigerung147. Die Obliegenheiten im Schadensfall/Versicherungsfall beinhalten eine Pflicht der Versicherungsnehmerin zur unverzüglichen Anzeige gegenüber dem Versicherer, sobald sich Entwicklungen ergeben, die einen versicherungspflichtigen Schadensersatzanspruch zur Folge haben können148. Auch die Verhaltenspflichten im Rahmen eventueller Prozesse werden an dieser Stelle geregelt. Es handelt sich insgesamt um Maßnahmen zur Anspruchsbegrenzung beziehungsweise Anspruchsabwehr. Dementsprechend sind die Obliegenheiten im Schadensfall/ Versicherungsfall nicht geeignet, eine Lenkungswirkung bei den Organmitgliedern hin zu schadensvermeidendem Verhalten zu bewirken. Zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Obliegenheiten ein bestimmtes Verhalten verlangen, hat der Organwalter bereits pflichtwidrig gehandelt und die Entwicklung hin zum Schadenseintritt ist zumindest in Gang gesetzt, wenn nicht beendet. Aus diesem Grund können solche Obliegenheiten keinerlei präventive Lenkungswirkung entfalten und sie sind folglich hier nicht näher zu untersuchen. Die vorvertragliche Anzeigepflicht bezieht sich auf die der Versicherungsnehmerin bekannten Umstände, die für die Gefahrübernahme „erheblich“ sind. Als erheblich werden Umstände angesehen, welche geeignet sind, den Vertragsschluss oder den Vertragsinhalt zu beeinflussen.149 Es handelt sich also lediglich um eine Anzeige vergangenen Verhaltens, die kaum geeignet ist, das Verhalten von Organmitgliedern zu beeinflussen. Allenfalls könnte man daran denken, dass den Organmitgliedern durch die Anzeigepflicht in der Vergangenheit ein142 Vgl.: § 6 AVB-O der Allianz; Ziffer 8. ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001); i. V. m. § 153 VVG. Zu den Obliegenheiten im Versicherungsfall vergleiche Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1384 f Rn. 149 ff. 143 Vgl.: § 5 AVB-O der Allianz; Ziffer 9. ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001); i. V. m. §§ 16, 23 VVG. Zu den Anzeigeobliegenheiten vor Vertragsschluss sowie während der Vertragslaufzeit vergleiche Beckmann, in: VersicherungsrechtsHandbuch, S. 1383 f Rn. 145 ff. 144 Vgl.: § 7 AVB-O der Allianz; Ziffer 10. ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001); i. V. m. §§ 33 Abs. 2, 153 Abs. 1 S. 2 VVG. 145 Vgl.: § 5 a) AVB-O der Allianz; Ziffer 9.1 ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001); i. V. m. § 17 VVG. 146 Vgl. Ziffer 9.2.2 a) ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001); i. V. m. § 24 VVG. 147 Vgl.: § 5 b) AVB-O der Allianz; Ziffer 9.2.2. b) ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001); i. V. m. § 25 VVG. 148 Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, Erlass eines Strafbefehls oder eines Mahnbescheids, gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs, Streitverkündung etc. 149 Vgl. Ziffer 9.1.1 ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001).
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gegangene Risiken bewusst werden. Ob dies für die Zukunft risikominderndes Verhalten fördert, erscheint fraglich. Bei den Anzeigepflichten während der Vertragslaufzeit liegt der Fall anders. Die Versicherungsnehmerin muss es dem Versicherer mitteilen, wenn Umstände eintreten, die für die Übernahme des Versicherungsschutzes Bedeutung haben.150 Als Beispiel werden in den AVB der R+V-Versicherung151 unter anderem eine Änderung des Gesellschaftszweckes, wesentliche Erweiterungen oder Änderungen des Geschäftsbereiches sowie der Erwerb oder die Gründung von Gesellschaften, deren Bilanzsumme mehr als 5% der konsolidierten Bilanzsumme der Versicherungsnehmerin betragen, aufgezählt. Die genannten Umstände machen bereits deutlich, dass es sich nur um Entscheidungen von erheblicher Bedeutung handelt. Bei diesen Entscheidungen werden den Organmitgliedern durch die Anzeigepflicht die Haftungsrelevanz und das Risiko einer Entscheidung noch einmal vor Augen geführt, zudem werden sie im Verhältnis zum Versicherer transparent. Sowohl individuelles Bewusstsein als auch Transparenz hinsichtlich des Risikos erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer verantwortlichen Entscheidung. Diese prinzipiell positiven Anreize wirken aber de facto nur sehr begrenzt. Zunächst sind lediglich besonders risikointensive Entscheidungen betroffen, die ohnehin meist sehr sorgfältig getroffen werden; bei solch weit reichenden Entscheidungen wird ein Anspruch der Gesellschaft häufig schon wegen eines zugrunde liegenden Beschlusses der Hauptversammlung entfallen (§ 93 Abs. 4 S. 1 AktG). Auch liegt die vertraglich geforderte Transparenz nur im Verhältnis zum Versicherer vor. Die Anzeigepflicht ist den Organmitgliedern nicht unbedingt schon vor der Entscheidung bewusst, sodass sie die bereits getroffene Entscheidung nicht (mehr) beeinflussen kann. Zudem kann es sein, dass die Entscheidungsträger organisatorisch nicht für den Kontakt zum Versicherer zuständig sind, wodurch unter dem Aspekt der Lenkungswirkung der „falschen“ Person das Risiko nochmals bewusst wird. Im Ergebnis scheint die verhaltenssteuernde Wirkung der bestehenden Sorgfaltsobliegenheiten somit äußerst fragwürdig. Jedoch wäre es aus Sicht der Versicherer sinnvoll, mit besser greifenden Obliegenheiten das Risiko eines Versicherungsfalles zu verringern. Zu denken ist etwa an bessere Bilanzierungsmethoden, weil diese durch den D&O-Versicherer objektiv nachprüfbar sind. Dadurch wird eine höhere Transparenz erzielt, und insbesondere strukturelle Fehlentwicklungen innerhalb der Aktiengesellschaft
150 Vgl.: § 5 b) AVB-O der Allianz; Ziffer 9.2.1 ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001). 151 Ziffer 9.2.1 ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001). In anderen D&O-AVB sind derartige beispielhafte Aufzählungen regelmäßig nicht enthalten.
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könnten sowohl von dieser selbst als auch vom D&O-Versicherer frühzeitig erkannt werden. dd) Sonstige vertragliche Anreize Anreize zu sorgfältigerem Verhalten sind auch durch andere Bedingungen des D&O-Versicherungsvertrages denkbar. Dabei sind zwei Wege gangbar, die unter Umständen kombiniert werden können: Zum einen könnte bei Nichteinhaltung bestimmter Standards der Versicherungsschutz eingeschränkt werden oder wegfallen (Sorgfaltsobliegenheiten), zum anderen sind Begünstigungen bei Einhaltung bestimmter Anforderungen vorstellbar. Ein Beispiel wäre die Minderung von Versicherungsprämien, wenn bestimmte Voraussetzungen zu sorgfältigem und verantwortlichem Wirtschaften erfüllt werden.152 So könnten die Versicherer eine Prämienminderung von X% bei Einhaltung aller (auch der unverbindlichen) Kriterien des Corporate Governance Kodexes anbieten.153 Auch eine höhere Deckungssumme oder ein verringerter Selbstbehalt sind als „Belohnung“ denkbar. Schließlich könnte die Einhaltung von Teilen des Kodexes zum Inhalt des D&O-Versicherungsvertrages gemacht werden: Weil für eine sorgfältige Entscheidungsfindung insbesondere die Existenz eines funktionierenden Aufsichtsrates als effizientem Kontrollorgan von Relevanz ist, könnte man auf die Einhaltung der Vorschriften unter 5.4–5.5 abstellen. An dieser Stelle enthält der Kodex Regelungen zur Vergütung und personellen Zusammensetzung des Aufsichtsrates sowie zum Verhalten bei Interessenkonflikten. Darüber hinausgehende Vereinbarungen sind durchaus denkbar und oftmals auch sinnvoll, wenngleich es im Einzelnen nicht ohne weiteres möglich sein wird, eine sorgfältigere Entscheidungsfindung durch leicht nachprüfbare objektive Merkmale vertraglich zu fixieren. Solche „intelligenten“ vertraglichen Anreize könnten den teilweisen Wegfall der Verhaltenssteuerung unter Umständen sogar überkompensieren, sodass ein solcher D&O-Versicherungsvertrag auch hinsichtlich sorgfältiger Entscheidungsfindung positiv zu beurteilen wäre. Das macht auch aus Sicht des Versicherers Sinn, weil der Nichteintritt des Schadens die effektivste Risikominimierung darstellt. Allerdings ist eine Entwicklung in diese Richtung derzeit nicht erkennbar.
152
In diese Richtung auch Lange, DB 2003, 1833 (1835). Umgekehrt kann natürlich auch eine Erhöhung der Prämien bei Nichteinhaltung vereinbart werden. 153
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ee) Selbstbehalt Die bisher aufgeführten vertraglichen Modifikationen, die derzeit in D&OVersicherungsverträgen zu finden sind, sind in ihrer Wirkung zumindest fraglich. Durch den Wissentlichkeitsausschluss ist zwar unter Umständen eine Deckungshürde aufgestellt worden, seine praktische Wirksamkeit und somit seine Steuerungsfunktion muss sich allerdings erst noch erweisen. Auch die Haftungshöchstgrenze wird die versicherten Organwalter in der Praxis kaum zu sorgfältigerem Verhalten veranlassen. Neue eigene Anreize zu risikominderndem Verhalten bieten die derzeitigen Vertragsmodalitäten nicht. Eine Möglichkeit wären sicherlich „intelligente“ Sorgfaltsobliegenheiten oder andere differenzierte Vertragsgestaltungen, die bestehenden Sorgfaltsobliegenheiten sind zur Schadensprävention kaum geeignet. Als einzig wirklich wirksames Mittel, die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung wenigstens teilweise zu erhalten, bleibt somit die Vereinbarung eines Selbstbehalts. Dabei versteht man unter Selbstbehalt die Beteiligung der versicherten Person (Organmitglied) am geltend gemachten Schaden: Der verantwortliche Organwalter muss im Versicherungsfall einen Teil des Ersatzanspruchs selbst begleichen. Durch diese Beteiligung der versicherten Manager bleibt die Haftung zumindest teilweise erhalten. Insoweit kann durch die Vereinbarung eines Selbstbehaltes – je nach seiner Ausgestaltung im Einzelnen – die Lenkungswirkung der Haftung wiederhergestellt werden. Davon ging auch Warschauer in der Diskussion um 1900 aus,154 der meinte, dass ein Selbstbehalt erforderlich sei, um die Motivation der Aufsichtsratsmitglieder zur Pflichterfüllung zu erhalten.155 Gegen die verhaltenssteuernde Wirkung von Selbstbehalten wendet Lange156 ein, dass die wissentliche Pflichtverletzung157 bereits ausgeschlossen sei. Ein Organmitglied, das sich über eine Pflichtverletzung nicht klar sei, handele in dem Bewusstsein, sich sachgerecht zu verhalten und lasse sich auch nicht durch einen Selbstbehalt von seinem Tun abhalten.158 Dabei werden aber mehrere Aspekte übersehen. Zunächst stellt sich beim Wissentlichkeitsausschluss – wie oben gezeigt159 – die Beweisproblematik. Auch muss den Organmitgliedern der Wissentlichkeitsausschluss bekannt sein, damit er eine verhaltenssteuernde Wirkung entfalten kann. Letztlich geht es aber vor allem um das allgemeine Risiko154
Einzelheiten zur Diskussion um 1900 finden sich in Kapitel 2. Vgl.: Diskussion (Warschauer), in: Veröffentlichungen des deutschen Vereins für Versicherungs-Wissenschaft, Heft VIII (März 1906), zum Thema: „Die Versicherung der Aufsichtsrathaftpflicht“, S. 49–60 (57). 156 DB 2003, 1833 (1836). 157 Dazu vergleiche C. IV. 2. c) aa). 158 So Lange, DB 2003, 1833 (1836). 159 Vgl. die Ausführungen unter C. IV. 2. c) aa). 155
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bewusstsein der Organmitglieder. Nur wenn ihnen klar ist, dass sie bei jeder pflichtwidrigen Schädigung der Gesellschaft zumindest in Höhe des Selbstbehaltes persönlich haften, bleibt trotz D&O-Versicherung ein Teil der verhaltenssteuernden Wirkung der Innenhaftung bestehen. Die entscheidungsbeeinflussende Wirkung von Selbstbehalten zeigt sich mittelbar anhand der oben bereits genannten160 empirischen Untersuchung von Kötz/Schäfer161. Im Rahmen dieser Untersuchung zum Einfluss ökonomischer Anreize stellten sie einen hochsignifikanten Zusammenhang zwischen finanzieller Beteiligung und Schadensrückgang fest.162 Aus dieser Erkenntnis folgern Kötz/Schäfer, dass alle ökonomischen Anreize – ausdrücklich auch Selbstbehalte – einen schadensverhütenden Einfluss ausüben.163 Dem ist zuzustimmen: Ein Organmitglied, dem die verbleibende Haftung sowie deren Größenordnung bekannt sind, wird nicht leichtfertig Haftungsgefahren in Kauf nehmen mit dem Hintergedanken, dass die Versicherung die Deckung im schlimmsten Fall schon übernehmen werde. Berücksichtigt man die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftungsandrohung sowie die negative Auswirkung der D&O-Versicherung hierauf, so stellt ein „angemessener“ Selbstbehalt die ursprüngliche Lenkungswirkung zumindest zum Teil wieder her,164 was letztlich ein sorgfältigeres Verhalten von Organwaltern zur Folge hat. Das ist auch im Interesse der Aktiengesellschaft, die von sorgfältigeren Entscheidungen ihrer Organmitglieder profitiert und die durch die Innenhaftung des § 93 Abs. 2 AktG geschützt werden soll. Dagegen halten Dreher/Görner165 die Vereinbarung eines Selbstbehaltes für nur bedingt zweckmäßig. Durch die Selbstbeteiligung des Organmitglieds entstehe für die Aktiengesellschaft das Risiko, mit ihren Ansprüchen in Höhe dieser Beteiligung auszufallen.166 Das setzt allerdings einen sehr hohen Selbstbehalt voraus. Wenn die maximale Eigenbeteiligung so bemessen ist, dass jeder Organwalter sie leisten kann, erleidet die Aktiengesellschaft im Schadensfall keinen Nachteil. Jeder Manager wird beispielsweise einen Betrag zahlen können, der dem entspricht, was er jährlich an Vergütung/Bezügen erhält. Daher greift der Einwand von Dreher/Görner nicht, soweit der maximal zu leistende Selbstbehalt die Jahresvergütung des versicherten Organmitglieds nicht überschreitet. 160
Vgl. C. IV. 1. Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501–525. 162 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501 (525). 163 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501 (525); sie sprechen zwar von „Unfallverhütung“, jedoch wird man das im Sinne von Schadensverhütung verstehen können. 164 Diese Auffassung wurde auch innerhalb der Regierungskommission Corporate Governance vertreten: BT-Drs. 14/7515, S. 53–54, Rn. 75. 165 ZIP 2003, 2321 (2329). 166 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323). 161
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Eine D&O-Versicherung mit einem so bemessenen Selbstbehalt ist insgesamt ein Gewinn für die Aktiengesellschaft. Verglichen mit der Lage ohne D&O-Versicherung fällt positiv ins Gewicht, dass die Führungskräfte vor der drohenden Existenzvernichtung abgesichert sind. Das Risiko, für extrem hohe Schäden haften zu müssen (Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz), kann sich in der Weise nachteilig für die Aktiengesellschaft auswirken, dass wirtschaftlich sinnvolle Risiken gescheut werden.167 Vor einer solchen wirtschaftlich schädlichen Risikoaversion würde eine D&O-Versicherung mit Selbstbehalt schützen, ohne den Anreiz zu sorgfältigen Entscheidungen auszuhebeln. So würde den Belangen der Aktiengesellschaft in sinnvoller Weise Rechnung getragen. Ohnehin kommt es bei der Prävention mehr auf die Haftungswahrscheinlichkeit als auf den Haftungsumfang an. Dabei ist allerdings von elementarer Wichtigkeit, dass die verbleibende Haftung (= Selbstbehalt) eine Anreizwirkung haben muss. Deswegen muss der Selbstbehalt ein „angemessener“168 sein. Durch die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehaltes bleibt ein Teil der steuernden Funktion des § 93 Abs. 2 AktG erhalten. Eine D&O-Versicherung mit Selbstbehalt wirkt sich daher insgesamt nicht negativ auf das Sorgfaltsniveau der Organmitglieder aus. 3. Ergebnis Nach den bisherigen Ausführungen ist festzuhalten, dass der Abschluss einer D&O-Versicherung dem Normziel der Verhaltenssteuerung grundsätzlich zuwider läuft. Weil die finanziellen Folgen der Haftung auf den D&O-Versicherer verlagert werden, sehen sich die Organmitglieder unter Umständen zu weniger sorgfältigen Entscheidungen veranlasst. Allerdings führt die Existenz einer D&O-Versicherung auch zu einer vermehrten Inanspruchnahme von Organwaltern (höhere Regresswahrscheinlichkeit). Das ist aus Sicht der Schadensprävention zu begrüßen, denn selbst wenn der Manager nicht persönlich haftet, so werden doch seine Pflichtverletzungen (innerhalb der Aktiengesellschaft) wenigstens bekannt. Dieses unternehmens-
167 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 5 C. III. 4 sowie in Kapitel 6 A. I. 1. a) bb) (3) (c). Auf die negativen Folgen einer solchen Risikoaversion weist auch Fleischer, FS Wiedemann (2002), S. 827 (830) hin. Die mögliche negative Wirkung von (Erfolgs-)Haftung wurde bereits in der Amtlichen Begründung zu AktG 1937 § 84 erwähnt, wo die Erfolgshaftung mit folgender Erwägung abgelehnt wurde: „Eine Haftung des Vorstandes für den Erfolg seiner Geschäftsführung ohne Rücksicht auf sein Verschulden würde nur zur Folge haben, daß die Verantwortungsfreudigkeit eines Vorstandsmitglieds erheblich herabgemindert und ihm jeder Mut zur Tat genommen wird.“; Quelle: Küch, AktG 1937, S. 280. 168 Auf die Angemessenheit des Selbstbehaltes wird ausführlich in Kapitel 5 E. eingegangen.
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interne Offenlegen wird dem Organmitglied hinsichtlich seines Ansehens und seines Interesses an einer Weiterbeschäftigung zumindest unangenehm sein. Die größere unternehmensinterne Transparenz kann sich auch finanziell für das Organmitglied auswirken, etwa wenn das Organmitglied erfolgsbezogen bezahlt wird. Mittelbare Folge eines publik gewordenen Pflichtverstoßes mit Schadensfolge könnte letztlich auch eine ausbleibende Weiterbeschäftigung sein. Angesichts dieser mittelbaren – teilweise auch finanziellen – Anreize könnten Manager auf Grund einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu sorgfältigerem Verhalten veranlasst werden. Ob sich derartige Effekte allerdings tatsächlich in größerem Umfang auf das Sorgfaltsniveau der Führungskräfte auswirken, erscheint indes fraglich. Entscheidend ist vielmehr, dass eine höhere Regresswahrscheinlichkeit nicht mit einem direkten finanziellen Anreiz für die versicherten Organwalter verbunden ist. Die höhere Regresswahrscheinlichkeit kann sich wirtschaftlich nur mittelbar auswirken und betrifft außerdem nur das zukünftige Einkommen des Organmitgliedes. Ein direktes Risiko für bestehendes Vermögen ergibt sich daraus nicht. Eine solche negative Anreizwirkung der persönlichen Haftung ist aber von § 93 Abs. 2 AktG gerade intendiert. Soweit eine D&O-Versicherung den Schaden ausgleicht, ist die persönliche Haftung für das Organmitglied wirtschaftlich nicht mehr spürbar. Bei Abschluss einer D&O-Versicherung ohne Selbstbehalt ist die direkt verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung demzufolge weitgehend beseitigt.169 Eine D&O-Versicherung mit angemessenem Selbstbehalt ist hingegen anders zu beurteilen. Neben dem positiven Effekt einer höheren Durchsetzungswahrscheinlichkeit bleibt (im Rahmen des Selbstbehaltes) für das Organmitglied auch der direkte finanzielle Anreiz risikobewusst zu handeln. Das Organmitglied haftet in Höhe der Eigenbeteiligung immer noch selbst und wird sich daher sorgfältiger überlegen, welche Risiken es im Interesse der Aktiengesellschaft eingeht und welche nicht.
169 Ähnlich scheint dies auch Baums zu sehen, der im seinem Gutachten für den 63. DJT ausführt: „Wird die Höhe des Selbstbehaltes richtig gewählt, dann ist nicht davon auszugehen, daß die D&O-Versicherung die verhaltenssteuernde Funktion der Haftung konterkariert [. . .]“, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band I: Gutachten (2000), S. F 237. In die gleiche Richtung: Bender/Vater, VersR 2003, 1376 (1377); Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 94; KüpperDirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 123 ff, 140–141; Preußner/Becker, NZG 2002, 846 (850); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553). Anderer Auffassung hingegen: Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323); Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 326; Schmitz/Gloeckner, AG 2003, R 206 (208). Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 66–67, meint diesbezüglich, es komme „höchstens eine Einschränkung der Präventivwirkung, nicht aber deren Aufhebung durch die D&O-Versicherung in Betracht“.
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V. Konsequenzen aus der Beeinträchtigung der Normziele des § 93 Abs. 2 AktG Der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt kollidiert sowohl mit dem Normzweck des Schadensausgleiches als auch mit dem der Verhaltenssteuerung. Indem die D&O-Versicherung zu einer wirtschaftlichen Rückverlagerung der Haftung führt, wirkt sie dem Zweck des Schadensausgleichs entgegen;170 durch die Freistellung der eigentlich haftpflichtigen Organwalter entfällt für diese ein wesentlicher Anreiz zu sorgfältigem Verhalten.171 Damit ist die D&O-Versicherung mit beiden Normzielen des § 93 Abs. 2 AktG unvereinbar. Vor diesem Hintergrund stellt sich letztlich die Frage, ob eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt nicht unzulässig sein könnte.172 Zu diesem Ergebnis kommen Hefermehl/Spindler173. In ihrer Argumentation führen sie an, dass die Innenhaftung ansonsten keinerlei steuernde Wirkung mehr ausübe. Der richtige Hinweis auf den Wegfall der Lenkungswirkung allein genügt jedoch nicht, um die Unzulässigkeit einer Versicherung ohne Selbstbehalt zu begründen. Daneben ist auch die Rückverlagerung der Haftung auf die Aktiengesellschaft von erheblicher Relevanz, die dem Normzweck der Schadensausgleichung zuwiderläuft. Erst die Kollision mit beiden Zielen der Organhaftung begründet einen Verstoß gegen § 93 Abs. 2 AktG. Dabei beruhen sowohl die Aufhebung der Verhaltenssteuerung als auch die Schadensrückverlagerung auf dem Umstand, dass es sich bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung hinsichtlich der Innenhaftung um einen Versicherungsvertrag handelt, der nicht durch den Schädiger, sondern durch die Geschädigte abgeschlossen und finanziert wird. Nun könnte man gegen die Unzulässigkeit einwenden, dass es Konstellationen gibt, in denen die Versicherung durch einen potentiell Geschädigten nicht nur zulässig, sondern sogar erforderlich ist. So ist etwa ein Arbeitgeber gehal170
Einzelheiten unter Ziffer III. Einzelheiten unter Ziffer IV. 172 Diese Auffassung wurde auch innerhalb der Kommission Corporate Governance vertreten. Im Kommissionsbericht (BT-Drs. 14/7515, S. 53, Rn. 75) heißt es: „In diesem Zusammenhang wurde die Auffassung vertreten, von der Vereinbarung eines Selbstbehalts zulasten der Organmitglieder dürfe nicht abgesehen werden, da eine ansonsten eintretende vollständige Haftungsfreistellung der Organmitglieder (mit der Ausnahme der Haftung für vorsätzliches Verhalten) mit der Regelung der §§ 93, 116 AktG nicht zu vereinbaren sei, nach denen ein Organmitglied nicht im Vorhinein von einer Haftung freigestellt werden könne, wenn das haftungsbegründende Verhalten sich zugleich im Innenverhältnis als (schuldhafte) Pflichtverletzung darstelle.“ 173 In: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 94. 171
C. Kollision mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG
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ten, für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge eine Vollkaskoversicherung abzuschließen, die im Ergebnis den Arbeitnehmer in Schadensfällen vor der Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber schützt.174 Zwar hat das BAG eine Pflicht zum Abschluss einer solchen Versicherung175 abgelehnt, indes unter bestimmten Voraussetzungen eine diesbezügliche Obliegenheit bejaht, sodass der Arbeitnehmer in einem solchen Fall gegenüber dem Arbeitgeber für von ihm herbeigeführte Schäden am Kfz nur in Höhe einer Selbstbeteiligung haftet, wie sie bei Abschluss einer Kaskoversicherung zu vereinbaren gewesen wäre.176 Allerdings unterscheidet sich die Haftung des Arbeitnehmers nach § 280 BGB von der der Organmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG schon allein dadurch, dass § 280 BGB im Gegensatz zu § 93 Abs. 2 AktG keine zwingende Vorschrift ist.177 Dennoch stellt sich die Frage, ob man nicht aus der arbeitsrechtlichen Obliegenheit des potentiell geschädigten Arbeitgebers, den potentiell schädigenden Arbeitnehmer (mit-) zu versichern, ein Wertungsargument gegen die Unzulässigkeit der D&O-Versicherung herleiten könnte: Die Einschränkung beziehungsweise der partielle Ausschluss der Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber178 könnte grundsätzlich für die Zulässigkeit einer gesellschaftsfinanzierten Versicherung sprechen, die ja im Verhältnis zur Haftungsbeschränkung eine mildere Form der (wirtschaftlichen) Haftungsverlagerung darstellt. Dabei würde man jedoch verkennen, dass das Arbeitsrecht und insbesondere die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber von grundlegend anderen Grundsätzen getragen ist als das hier maßgebliche Organisationsrecht für Aktiengesellschaften, was gerade auch in der oben zitierten Entscheidung des BAG zum Ausdruck kommt. So hat der Senat bei der Begründung der Obliegenheit darauf abgestellt, dass zwischen dem möglichen Haftungsrisiko 174 Vgl. hierzu auch die Ausführungen unter C. III. 2, sowie die Nachweise zur Arbeitnehmerhaftung und deren Beschränkung in den folgenden Fn.n. 175 So noch LAG Bremen Urteil vom 31. Januar 1979 (Az: 2 Sa 194/78), Fundstelle: DB 1979, 1235; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 1979 (Az: 1 U 88/ 79), unter III. der Gründe; Fundstellen: jurisWeb, NJW 1980, 1169. Zunächst offen gelassen von BAG, Urteil vom 23. März 1983 (Az: 7 AZR 391/79), unter II.3.e) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, NJW 1983, 1693. 176 BAG, Urteil vom 24.11.1987 (Az: 8 AZR 66/82), unter II.2.b) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb; NJW 1988, 2820–1822. Zur ökonomischen Analyse der so genannten „Versicherbarkeitsregel“ vergleiche Scheel, Jochen: Versicherbarkeit und Prävention, S. 180 ff. 177 Vgl. dazu die Ausführungen unter C. III. 2. 178 Zu den Einzelheiten der Arbeitnehmerhaftung und deren Einschränkung im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches vergleiche etwa BAG Großer Senat, Beschluss vom 27. September 1994 (Az: GS. 1/89 (A)), Fundstellen: jurisWeb, NJW 1995, 210–213; Blomeyer, in: Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, § 59; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 619a Rn. 5 ff; jurisPK/Hausch, § 611 Rn. 214 ff; Preis, in: Erfurter Kommentar, § 619a Rn. 7 ff, jeweils m. w. N.
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des Arbeitnehmers für den Wert des Kfz’ und der Stellung des Arbeitnehmers (nebenberufliche/stundenweise Tätigkeit) sowie dessen geringem Verdienst ein Missverhältnis bestehe; allgemein hat das BAG in dieser Entscheidung auf die Merkmale abgestellt, die bei der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung maßgeblich sind.179 Im Einzelnen sind die persönlichen Voraussetzungen, die ein Arbeitnehmer erfüllen muss, damit ihm eine Haftungserleichterung zugute kommt, nicht unumstritten, sie werden in Rechtsprechung und Literatur teilweise uneinheitlich beantwortet.180 Jedoch lässt sich feststellen, dass die Haftungseinschränkung bereits bei leitenden Angestellten nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird; eine Haftungsbeschränkung wird etwa dann abgelehnt, wenn der leitende Angestellte im Gegenzug für die Übernahme eines bestimmten Risikos eine bestimmte Prämie erhält.181 Grundsätzlich ist hinsichtlich der persönlichen Anwendungsvoraussetzungen entscheidend, ob die zu privilegierende Person das (Betriebs-)Risiko selbst nicht beherrschen kann, weil sie keinen oder kaum Einfluss auf die Organisation des Arbeitsablaufes hat und den Weisungen des Arbeitgebers unterworfen ist.182 Liegen diese Voraussetzung nicht vor, entfällt die zentrale Begründung der Haftungsbeschränkung: das Missverhältnis zwischen Haftungsrisiko des Arbeitnehmers einerseits und den fehlenden Einflussmöglichkeiten auf das eigene Tätigkeitsumfeld und die daraus resultierenden Risiken andererseits.183 Legt man diese Maßstäbe zugrunde, steht die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung der Unzulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung auch wertungsmäßig nicht entgegen. Die Organmitglieder der Aktiengesellschaft sind der Organisation und dem Tätigkeitsumfeld der Aktiengesellschaft nicht nur nicht unterworfen, im Gegenteil: Sie bestimmen nicht nur über die eigene Tätigkeitsweise, sondern prägen darüber hinaus auch die Arbeitsabläufe innerhalb der gesamten Aktiengesellschaft. Durch die beherrschende Stellung der Organmitglieder innerhalb der Aktiengesellschaft, die aus der relativ schwachen Rolle der Aktionäre resultiert, ist die Aktiengesellschaft ihrerseits den Entscheidungen ihrer Organmitglieder unterworfen. Wenn man also die strukturelle Unterlegenheit als zentrales Argument für die arbeitsrechtliche Haftungsbe179 Vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1987 (Az: 8 AZR 66/82), unter II.2.b)dd) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, NJW 1988, 2820–1822. 180 Vgl. etwa Blomeyer, in: Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, § 59 Rn. 68; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 619a Rn. 14 ff; Preis, in: Erfurter Kommentar, § 619a Rn. 19, jeweils m. w. N. 181 Blomeyer, in: Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, § 59 Rn. 68; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 619a Rn. 14 ff. 182 Ähnlich Blomeyer, in: Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, § 59 Rn. 68. 183 Vgl. BAG Großer Senat, Beschluss vom 27. September 1994 (Az: GS. 1/89 (A)), unter C.II.2. der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, NJW 1995, 210–213; Blomeyer, in: Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, § 59 Rn. 33; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 619a Rn. 8 f.
D. De lege ferenda
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schränkung betrachtet, lässt sich diese Überlegung wegen der Schutzwürdigkeit der Aktiengesellschaft eher für die Unzulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung anführen. Für die Unzulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt spricht schließlich die Tatsache, dass es sich, wie oben ausführlich dargestellt,184 bei § 93 Abs. 2 AktG – im Gegensatz etwa zu §§ 280, 823 BGB – um zwingendes Recht handelt. Dabei kommt die große Bedeutung, die der historische Gesetzgeber der persönlichen Haftung insbesondere von Vorstandsmitgliedern beigemessen hat, auch in der Gesetzesbegründung zu § 84 Abs. 2 AktG 1937 – der Vorgängernorm des § 93 Abs. 2 AktG – zum Ausdruck. Dort wird ausgeführt: „Der Entwurf vergrößert die Rechte des Vorstandes und legt namentlich die Leitung der Gesellschaft in seine Hände. Dieser gehobeneren Stellung muß daher auch eine erhöhte Verantwortlichkeit entsprechen.“185 In dieser Formulierung kommt der direkte Zusammenhang von Befugnissen („Rechte“) und Haftung („Verantwortlichkeit“) als Notwendigkeit („muß“) zum Ausdruck. Dieser Intention kann eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung nur dann gerecht werden, wenn sie einen Teil der Haftung beim Organmitglied belässt, indem ein angemessener Selbstbehalt vereinbart wird. Nur dann trägt eine D&O-Versicherung den Belangen der Aktiengesellschaft ausreichend Rechnung und ist mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG in Einklang zu bringen; ansonsten ist sie wegen Verstoßes gegen die Norm unzulässig.
D. De lege ferenda Wie oben beschrieben sind D&O-Versicherungen ohne angemessenen Selbstbehalt mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG unvereinbar. Damit die Norm ihre intendierte Aufgabe hinsichtlich des Verhaltens von Organmitgliedern sowie des Schadensausgleiches noch erfüllen kann, ist es notwendig, darauf hinzuwirken, dass solche Selbstbehalte künftig in alle Versicherungsverträge integriert werden. Obwohl die Unzulässigkeit von gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherungen ohne angemessenen Selbstbehalt nahe liegt, hat die bisherige Literatur kaum zu diesem Ergebnis gefunden.186 Auch bei den D&O-Versicherern scheint sich die hier vertretene Auffassung nicht durchgesetzt zu haben. Während man-
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Vgl. C. III. 2. Amtliche Begründung zu den AktG 1937 §§ 70–85; Quelle: Küch, AktG 1937, S. 280. 186 Bisher sind lediglich Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 94, der hier vertretenen Auffassung. 185
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che AVB bereits einen Selbstbehalt enthalten,187 ist er in anderen nicht vorgesehen.188 Bei börsennotierten Aktiengesellschaften kann man zwar davon ausgehen, dass ein Selbstbehalt zukünftig häufiger vorkommen wird; nach Ziffer 3.8 des Deutschen Corporate Governance Kodexes „soll“ nämlich für den Fall, dass die Gesellschaft eine D&O-Versicherung für Vorstand und Aufsichtsrat abschließt, ein „angemessener Selbstbehalt vereinbart werden“. Weicht eine Gesellschaft von dieser „Empfehlung“ des Kodexes ab, muss sie gemäß § 161 AktG eine entsprechende Erklärung abgeben,189 sodass eine Nichtbeachtung publik wird. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass von den im DAX 30 geführten Aktiengesellschaften neun überhaupt keinen Selbstbehalt vereinbart haben, was einem Anteil von 30% entspricht.190 Bei den Aktiengesellschaften, die im MDAX notiert sind, ist die Zahl sogar noch höher, etwa 40% der Unternehmen haben eine D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt abgeschlossen.191 Schließlich ergab die Untersuchung einer Gruppe von kleineren börsennotierten Gesellschaften durch Oser/Orth/Wader192, dass sich sogar über 60% nicht an Ziffer 3.8 des Kodexes gehalten haben. Die Begründung einiger Gesellschaften, warum sie keinen Selbstbehalt vereinbaren, ist fragwürdig: Sie verweisen darauf, dass Haftung keine motivierende Wirkung entfalte und daher auch ein Selbstbehalt nicht sinnvoll sei.193 Zunächst sei darauf hingewiesen, dass den Aktiengesellschaften – angesichts des zwingenden Charakters der Innenhaftung – keine Deutungshoheit über die Normziele beziehungsweise über die Wirksamkeit der Innenhaftung zusteht. Zudem handelt es sich bei den so argumentierenden Gesellschaften um dieselben, die in zunehmendem Ausmaß auf die Wirkung finanzieller Anreize vertrauen – so wird zum Beispiel die motivierende Wirkung leistungsbezogener Managementvergütung nicht in Frage gestellt.194 Letztlich liegt es vor allem an der mangelnden Bereitschaft deutscher Führungskräfte, dass bislang keine beziehungsweise nur sehr niedrige Selbstbehalte vereinbart werden.195
187
Vgl. etwa Ziffer II.4. Business Guard 2000 der AIG EUROPE. Vgl. etwa die ULLA der R+V-Versicherung von Juli 2001. 189 Näheres zur Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG findet sich etwa bei: Lutter, ZHR 166 (2002), 523–543; Seibt, AG 2002, 249–259. 190 Dreher/Görner ZIP 2003, 2321 (2321); Oser/Orth/Wader, BB 2003, 1337 (1339). 191 Oser/Orth/Wader, BB 2003, 1337 (1339). 192 BB 2003, 1337–1341 (1339). 193 Vgl. die Nachweise bei Bender/Vater, VersR 2003, 1376 (1377); Dreher/Görner ZIP 2003, 2321 (2322). 194 Ähnlich Bender/Vater, VersR 2003, 1376 (1377). 188
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Die aufgezeigte Rechtspraxis verdeutlicht, dass durch Ziffer 3.8 des Deutschen Corporate Governance Kodexes allenfalls ein erster Schritt getan ist. Neben der Tatsache, dass nur börsennotierte Aktiengesellschaften betroffen sind, mangelt es Ziffer 3.8 des Kodexes insbesondere am zwingenden Charakter;196 wie die bisherigen Entsprechenserklärungen zeigen, halten sich die Aktiengesellschaften zu einem nennenswerten Teil gerade nicht an die Empfehlung, einen angemessenen Selbstbehalt zu vereinbaren. Im Ergebnis ist deswegen der Gesetzgeber aufgefordert zu handeln. In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 25. Februar 2003 kündigten die Bundesministerien der Finanzen und der Justiz an, die Vereinbarung eines Selbstbehaltes gegebenenfalls gesetzlich vorzuschreiben.197 Diese Überlegungen sollte der Gesetzgeber umsetzen198 und die Verpflichtung zur Vereinbarung von Selbstbehalten bei Aktiengesellschaften ausdrücklich festschreiben. Diese Pflicht besteht – wie oben ausführlich dargelegt199 – zwar schon nach geltendem Recht, jedoch hat sich die zugrunde liegende Rechtsauffassung bisher weder in Literatur noch in Praxis durchsetzen können. Daher ist eine ausdrückliche Normierung aus deklaratorischen Gründen erforderlich. Eine entsprechende Vorschrift wäre zweckmäßigerweise als neuer Satz 3 des § 93 Abs. 2 anzufügen. Der neue § 93 Abs. 2 S. 3 AktG könnte etwa wie folgt lauten: „Schließt die Aktiengesellschaft eine Haftpflichtversicherung für ihre Organmitglieder (D&O-Versicherung) ab, die auch Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder abdeckt (Innenhaftung), so ist für die versicherten Organmitglieder ein angemessener Selbstbehalt zu vereinbaren.“ 195 Reiner Hagemann, Vorstandschef der Allianz Versicherungs-AG, wird hinsichtlich der schwierigen Verhandlungen mit dem Management mit den Worten zitiert: „Viele wollen keine Selbstbehalte“; Quelle: VW 2003, 612. 196 Das Fehlen von Sanktionsmöglichkeiten beim Kodex allgemein bemängeln etwa Erhardt/Nowak, AG 2002, 336–345. Zum Kodex allgemein: Ulmer, ZHR 166 (2002), 150–181. 197 In dieser gemeinsamen Presseerklärung der Bundesministerien der Finanzen und der Justiz vom 25. Februar 2003 heißt es unter 3. (dort letzter Unterpunkt): „Es ist zu prüfen, ob für die D&O-Versicherung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern ein Selbstbehalt gesetzlich vorgeschrieben werden soll.“; Quelle: http://www.bmj.bund.de unter Presse (dort bei den Pressemitteilungen). 198 Inwieweit die Einführung eines angemessenen Selbstbehaltes erforderlich ist, wird derzeit kontrovers diskutiert. Dies zeigte sich etwa auf dem ZHR-Symposion über Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (Januar 2003). Während Vertreter der Anwaltschaft einen Selbstbehalt nicht für erforderlich hielten, weil andere Anreize wie Rufschaden genügten, wurde vor allem aus den Reihen der Wissenschaft argumentiert, ein Selbstbehalt sei unerlässlich, weil verantwortliche Organmitglieder die Folgen ihres Handelns „im eigenen Geldbeutel spüren“ müssten. Vgl. den Diskussionsbericht zu den Referaten Wittowski, Baums und Schuster, von Georg Bitter, ZHR 167 (2003), 216 (219). 199 Einzelheiten unter C.
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In den Gesetzesmaterialien wäre die Einfügung dieses Satzes mit den Haftungszielen des § 93 Abs. 2 AktG zu begründen. Sowohl der Normzweck des Schadensausgleiches als auch der der Verhaltenssteuerung müssten explizit genannt werden, damit sie bei der Auslegung des Merkmals „Angemessenheit“ in jedem Fall Berücksichtigung finden.
E. Anforderungen an einen „angemessenen“ Selbstbehalt Nach den bisherigen Ausführungen ist die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehaltes erforderlich, damit der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung überhaupt zulässig ist. Demnach ist zu klären, was unter einem „angemessenen“ Selbstbehalt zu verstehen ist. Diese Frage stellt sich auch dann, wenn man der hier vertretenen Auffassung nicht folgen will; für den Fall, dass die Gesellschaft eine D&O-Versicherung abschließt, empfiehlt der Corporate Governance Kodex in Ziffer 3.8 die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehaltes. Soweit eine börsennotierte Gesellschaft eine D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt vereinbart, muss sie die Abweichung vom Kodex gemäß § 161 AktG publizieren.
I. „Angemessenheit“ als Merkmal des Schadensausgleichs Durch den Selbstbehalt muss – wie oben ausgeführt200 – die Schadensausgleichsfunktion der Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG teilweise wiederhergestellt werden. Dementsprechend hat sich der Selbstbehalt der Höhe nach in einem relevanten Umfang zu bewegen, weil nur dann die Aktiengesellschaft in Form von geringeren Versicherungsprämien auch tatsächlich von einem solchen Selbstbehalt profitiert. In diesem Sinne muss sich ein „angemessener“ Selbstbehalt an dem Ziel der Schadensausgleichung messen lassen.
II. „Angemessenheit“ als Kriterium der Verhaltenssteuerung Der Selbstbehalt dient daneben auch dem Erhalt der verhaltenssteuernden Wirkung der Haftung. Nur wenn der Organwalter wenigstens einen Teil der Haftung auch weiterhin als finanziellen Anreiz verspürt, bleibt – wie oben erläutert201 – die Lenkungswirkung der Haftung in ausreichendem Maße erhalten.
200 201
Einzelheiten unter C. III. Einzelheiten unter C. IV.
E. Anforderungen an einen „angemessenen‘‘ Selbstbehalt
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Dem Ziel der Verhaltenssteuerung dient auch Ziffer 3.8 des Kodexes, wie sich aus den Vorarbeiten der Regierungskommission „Corporate Governance“ ergibt, auf denen der Kodex beruht.202 Bezüglich der D&O-Versicherung wurde innerhalb der Regierungskommission erwogen, in einem Code of Best Practice (also dem späteren Corporate Governance Kodex) die Vereinbarung eines Selbstbehaltes zu empfehlen, um die „verhaltenssteuernde Funktion der Haftung [. . .] zu gewährleisten“203. Daraus folgt, dass die „Angemessenheit“ eines Selbstbehaltes auch an seiner Auswirkung auf die Verhaltenssteuerung zu messen ist. Ein pauschaler Betrag verbietet sich angesichts stark differierender Vorstandsgehälter beziehungsweise Aufsichtsratsvergütungen. Der Selbstbehalt muss so bemessen sein, dass er das Verhalten von Organmitgliedern zu beeinflussen vermag.
III. Schadensanteiliger Selbstbehalt Die bisher konkreten Stimmen zu dieser Frage – die sich natürlich nur auf den Kodex beziehen –, halten einen fixen Selbstbehalt von einem Viertel der Jahresbezüge jedenfalls bei Vorstandsmitgliedern für angemessen204.205 Dabei ist problematisch, dass sich ein Organmitglied unabhängig von der Schadenshöhe mit seinem vollen Selbstbehalt am Schadensausgleich beteiligen muss, sobald der Schaden den Selbstbehalt der Höhe nach übersteigt. Steht das Organmitglied vor einer riskanten Entscheidung und hat es gleichzeitig die Möglichkeit Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die sich zwar nicht mindernd auf die Schadenswahrscheinlichkeit, wohl aber mindernd auf die mögliche Schadenshöhe auswirken, so fehlt es an einem Anreiz, diese Maßnahmen zu treffen, wenn der zu erwartende Schaden in jedem Fall seinen Selbstbehalt übersteigt. Es kann dem Organmitglied hinsichtlich seiner persönlichen Haftung gleichgültig sein, ob sein Verhalten einen eher geringen oder einen großen Schaden verursachen wird: Er haftet auf jeden Fall (nur) mit seinem vollen Selbstbehalt.206 In diesem Bereich würden sich Vorkehrungen zur Verringerung 202 Erst die Regierungskommission sprach sich für die Einführung eines Corporate Governance Kodexes aus: BT-Drs. 14/7515, S. 28, Rn. 7. 203 BT-Drs. 14/7515, S. 53–54, Rn. 75. 204 Messmer, VW 2002, 1384; Peltzer, NZG 2002, 593 (595). Einen festen Betrag ausgehend von der Jahresvergütung befürworten auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2326, 2329). 205 Eine prozentuale Beteiligung des Organmitgliedes an der Schadensersatzforderung oder an der tatsächlichen Deckungsleistung hält Lange für möglich, allerdings ohne genauer darauf einzugehen: DStR 2002, 1626 (1627). 206 Die D&O-Versicherung wird den Schaden in solchen Fällen regelmäßig abdecken, da der Wissentlichkeitsausschluss nicht greift: Gemeint sind die Situationen, in denen der Organwalter zwar damit rechnet, dass sich das Unterlassen bestimmter Schutzmaßnahmen gegebenenfalls schadenserhöhend auswirken kann, in denen er den
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des Schadensmaßes nicht „lohnen“. Diesen Mechanismus zu erkennen, ist bei der Haftung von Organmitgliedern deshalb so wichtig, weil die Höhe möglicher Schäden von Managemententscheidungen regelmäßig den Selbstbehalt übersteigen wird: Im D&O-Versicherungsfall geht es regelmäßig um mehr als A 5.000.000207; das liegt jenseits jeden Selbstbehaltes. Eine fixe Eigenbeteiligung reicht demgemäß nicht aus, um eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung mit dem Normziel der Verhaltenssteuerung in Einklang zu bringen. Deswegen muss ein „angemessener“ Selbstbehalt diesen Effekt berücksichtigen, um hinsichtlich höherer Schäden noch Lenkungswirkung zu entfalten. Das würde mit einem Selbstbehalt, der sich anteilig an der Höhe des Schadens bemisst, gelingen. Ein Manager, der sich prozentual am Ausgleich des Schadens beteiligen muss, wird sich eher bemühen, den Schaden gering zu halten, als einer, der einen festen Beitrag zu leisten hat. Indes wird gegen einen prozentualen Selbstbehalt angeführt, dieser könne eine sehr hohe Eigenbeteiligung des Organmitglieds zur Folge haben, ohne dessen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen;208 wegen der häufig hohen Schadenssummen sei eine persönliche Insolvenz nicht unwahrscheinlich, obwohl die D&O-Versicherung gerade davor schützen solle.209 Um den Organwalter vor einer unbegrenzten persönlichen Haftung mit der Gefahr der wirtschaftlichen Existenzvernichtung zu schützen, muss der Selbstbehalt nach oben begrenzt werden. Diesen Gedanken hatte Kahlert bereits im Jahr 1906; er stellte sich einen anteiligen Selbstbehalt vor, der „vielleicht nach oben begrenzt werden könnte“210. Eine Begrenzung trägt auch dem Interesse der Aktiengesellschaft an einem vollständigen Schadensausgleich Rechnung; nur soweit das Organmitglied die Eigenbeteiligung auch tatsächlich erbringen kann, wird ihren Belangen zur Gänze Rechnung getragen.211 Ein angemessener Selbstbehalt kann sich daher nur aus einer Kombination zwischen Fixbetrag und schadensanteiliger Berechnung ergeben – ein Modell, das in der aktuellen Diskussion bislang nicht zu finden ist. Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen muss ein angemessener Selbstbehalt wie folgt gefasst sein: Die versicherte Person beteiligt sich am zu zahlenden Betrag mit X% bis zur maximalen Summe von Y. Eintritt des Schadens selbst aber nicht sicher vorhersieht, sodass er diesbezüglich allenfalls fahrlässig handelt. 207 Hendricks im Interview mit dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 17./18.01. 2003, S. K 4. 208 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2326). 209 Vgl. Hendricks, VW 2003, 164 (166). 210 Kahlert, S. 30–48 (41). 211 Vgl. dazu C. IV. 2. c) ee).
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So würde risikominimierendes Verhalten von Organmitgliedern auch noch bei größeren Schäden belohnt, mit der Folge einer wirksamen Verhaltenssteuerung.
IV. Berücksichtigung des Verschuldensgrades Man könnte geneigt sein, auch den Verschuldensgrad beim Selbstbehalt (X) zu berücksichtigen, etwa in der Weise, dass der Selbstbehaltsanteil am Schaden bei grober Fahrlässigkeit höher sein soll als bei normaler oder leichter. Allerdings würde die genaue Ermittlung des Selbstbehaltes dadurch komplizierter: Der Anspruch gegen das Organmitglied setzt „lediglich“ Fahrlässigkeit voraus, keinen bestimmten Verschuldensgrad. Wollte man den Selbstbehaltanteil (X) vom Verschuldensgrad abhängig machen, müsste dieser gegebenenfalls in einem Regressprozess zwischen Versicherer und versichertem Organmitglied gerichtlich festgestellt werden. Entscheidend ist aber die Frage, inwieweit eine Berücksichtigung des Verschuldensgrades den Zielen eines „angemessenen“ Selbstbehaltes dienlich ist. Hier ist insbesondere die Verhaltenssteuerung zur Schadensprävention zu berücksichtigen. Schadensprävention heißt, Schäden zu vermeiden sowie im Voraus die mögliche Schadenshöhe zu verringern. Die Schadenswahrscheinlichkeit sowie die mögliche Schadenshöhe stehen aber in keinem unmittelbaren Zusammenhang zum Grad des Verschuldens; leicht fahrlässiges Verhalten kann ebenso große Schäden verursachen, wie grob fahrlässiges Verhalten folgenlos bleiben kann. Eine Berücksichtigung des Verschuldensgrades würde dem Selbstbehalt lediglich eine Sanktionskomponente verleihen.212 Ein solcher Zweck ist § 93 Abs. 2 AktG aber nicht zu entnehmen,213 vielmehr lässt die Norm das Organmitglied gerade unabhängig vom Verschuldensgrad voll haften. Die „Angemessenheit“ des Selbstbehaltes soll dem Schadensausgleich sowie der Verhaltenssteuerung dienen. Das letztgenannte Ziel verwirklicht ein schadensanteiliger
212 In diesem Zusammenhang sei auf das in Kapitel 2, bereits zitierte Gutachten von Clauß über die Haftpflichtversicherung von Personen in Vertrauensverhältnissen von 1897 hingewiesen, in dem ausgeführt wird: „Die civilrechtlichen Folgen schuldhafter Handlungen sind keine Strafen; als Strafen betrachtet wären sie in vielen Fällen höchst ungerecht, weil sie zum subjektiven Verhältnis in keinem Verhältnis stehen, sondern nur vom objektiven Schaden abhängen. Ein schweres Verschulden kann gar keinen oder ganz geringen Schaden, ein leichtes Verschulden dagegen sehr schweren, für den Ersatzpflichtigen verhängnisvollen Schaden verursachen.“: ZVersWiss 1902, 333 (333). 213 Straffunktion kann man dem Haftpflichtrecht nicht unterstellen. Dies kann es auch nicht leisten unter anderem wegen des nicht ausreichend garantierten Schutzes des in Anspruch Genommenen (z. B. im Rahmen des Verfahrens). Ebenso: Esser/ Weyers, Schuldrecht II/2, S. 139. Dafür, dass die „Straffunktion kein Ziel des Deliktsrechts ist“, auch: Hager, Staudinger BGB (13. Bearbeitung), Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 11.
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Selbstbehalt ohne Berücksichtigung des Verschuldensgrades am besten, weil sich die Höhe des Selbstbehaltes allein an der Höhe des Schadens orientiert, vor dem die präventive Wirkung der Haftung gerade schützen soll. Auch der Zweck der Schadensausgleichung verlangt nicht, nach unterschiedlichen Verschuldensmaßstäben zu differenzieren.
V. Bestimmung der Größe des Selbstbehaltes Zu klären bleibt, wie groß der prozentuale Anteil am Schaden und die maximale Summe sein sollen, wie also X und Y in der oben aufgezeigten Formel zu bestimmen sind. 1. Schadensanteil Dabei ist zu berücksichtigen, dass der maximale Selbstbehalt (Y) umso schneller erreicht wird, je größer der Schadensanteil (X) gewählt ist mit der Folge der wegfallenden Anreizwirkung. Der Selbstbehalt muss aber auch bei kleineren Schäden noch seine Wirkung entfalten können, darf also auf der anderen Seite nicht zu niedrig gewählt sein. Deswegen erscheint ein Selbstbehaltsanteil von 10% angemessen. Damit wird die potentielle Schadenshöhe, bis zu der der Selbstbehalt verhaltenssteuernd wirkt, gegenüber dem „einfachen“ Selbstbehalt verzehnfacht. 2. Maximaler Selbstbehalt Bei der Berechnung des maximalen Selbstbehaltes ist dem Ziel der Schadensausgleichung in zweifacher Weise Rechnung zu tragen. Zunächst darf der Betrag nicht zu hoch gewählt werden, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass die Aktiengesellschaft mit einem Teil ihrer Forderung beim Organmitglied ausfällt. Andererseits ist eine nennenswerte Summe erforderlich, die geringere Versicherungsprämien zur Folge hat, weil die Aktiengesellschaft ansonsten keinen finanziellen Vorteil durch die Vereinbarung des Selbstbehaltes erhält. Die Summe muss sich dementsprechend an der Leistungsfähigkeit des Managers orientieren. Als Bezugspunkt für die finanzielle Potenz des versicherten Organwalters und damit für den maximalen Selbstbehalt bietet sich die Jahresvergütung an.214 Erfolgsabhängige Gehaltskomponenten215 lassen sich demgegenüber beim Selbstbehalt kaum berücksichtigen: Die erfolgsabhängige Komponente ist 214 Ebenso: Bender/Vater, VersR 2003, 1376 (1377); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553). 215 Optionsscheine, Wandelschuldverschreibungen, Wertsteigerungsrechte etc.
E. Anforderungen an einen „angemessenen‘‘ Selbstbehalt
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im Versicherungsfall meist noch unbekannt; zudem lässt sich ihr Wert nur schwer berechnen, weil es sich im Regelfall um Optionen mit schwankendem Wert handelt.216 Im Ergebnis ist es ohnehin unwahrscheinlich, dass ein Manager in einem Jahr, in dem der Versicherungsfall eintritt, noch erfolgsabhängige Gehaltskomponenten erhält. Erhielte er dennoch Zahlungen, könnte man kaum mehr von „erfolgsabhängiger“ Vergütung sprechen.217 Ob ein Viertel der festen Jahresbezüge bereits als angemessen bezeichnet werden kann, wie ein Teil der Literatur es annimmt,218 erscheint zweifelhaft. Bei der Frage der Angemessenheit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern regelmäßig um hoch bezahlte Manager handelt. Das gilt umso mehr für die Führungskräfte börsennotierter Gesellschaften, an die sich der Corporate Governance Kodex gemäß § 161 AktG richtet. Deren Leistungsfähigkeit ist maßgeblich, wenn es darum geht, einen Selbstbehalt zu entwickeln, der das Verhalten steuern und einen wesentlichen Beitrag zum Schadensausgleich leisten soll. Deswegen muss ein hoher versicherter Schadensersatzanspruch der Gesellschaft auch einen bedeutsamen finanziellen Beitrag des Organmitglieds zur Folge haben.219 Wenn im schlimmsten Fall ein Viertel der festen Jahresbezüge verloren zu gehen droht, stellt dies keinen wirklichen Schaden für einen hoch bezahlten Manager dar. Davon kann man erst dann sprechen, wenn große Teile der (oder sogar die gesamten) Jahresbezüge auf dem Spiel stehen. Deswegen wird man die volle Jahresvergütung als maximalen Selbstbehalt für angemessen erachten müssen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach dem hier vorgeschlagenen Selbstbehalt das Organmitglied nur 10% des Schadens bis zu diesem maximalen Selbstbehalt zu tragen hat. Feste Jahresbezüge von A 1.000.000 würden zu einem maximalen Selbstbehalt in gleicher Höhe führen, der wäre aber erst bei einem Schadensausmaß von A 10.000.000 erreicht. Bei solch hohen Schäden erscheint es durchaus angemessen, wenn das Organmitglied seine gesamten Jahresbezüge für die Schadensbehebung zur Verfügung stellen muss.
216
Messmer, VW 2002, 1384. Ähnlich Bender/Vater, VersR 2003, 1376 (1377), die schreiben, „eine (vollständige) Reduktion von variablen Bonuszahlungen sollte in Schadensfällen eine Selbstverständlichkeit darstellen.“ 218 Messmer, VW 2002, 1384; Peltzer, NZG 2002, 593 (595). 219 Auch Lange meint, ein sinnvoller Selbstbehalt müsse „eine spürbare Beeinträchtigung des Schädigervermögens“ bewirken: DStR 2002, 1626 (1627); ähnlich Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1370 Rn. 96, der sich für relativ hohe Selbstbehalte ausspricht. 217
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
VI. Ergebnis Im Ergebnis ergäbe sich für einen angemessenen Selbstbehalt die folgende Formel: Das versicherte Organmitglied beteiligt sich am zu zahlenden Betrag mit 10% bis zur maximalen Obergrenze seiner festen Jahresvergütung.
F. Rechtsfolgen für D&O-Versicherungsverträge ohne angemessenen Selbstbehalt Eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt ist – wie oben dargelegt – wegen Verstoßes gegen § 93 Abs. 2 AktG unzulässig. Zu klären bleibt, welche Rechtsfolge sich hieraus für D&O-Versicherungsverträge ohne angemessenen Selbstbehalt ergibt. Zu dieser Problematik haben sich auch Hefermehl/Spindler220 nicht geäußert, obwohl sie die hier vertretene Auffassung im Ergebnis teilen. Die Frage ist also bislang ungeklärt.
I. Praktische Relevanz Wie oben erwähnt haben zahlreiche Aktiengesellschaften erklärt, einen D&OVersicherungsvertrag ohne Selbstbehalt abgeschlossen zu haben – 30% der im DAX 30 und 40% der im MDAX geführten Aktiengesellschaften; hinsichtlich kleinerer Gesellschaften liegt die Quote sogar bei über 60%.221 Aber auch bezüglich der Aktiengesellschaften, die keine solche Erklärung abgegeben haben, ist die Situation kritisch zu beurteilen. Die Gesellschaften sind zwar der Ansicht, eine D&O-Versicherung mit angemessenem Selbstbehalt abgeschlossen zu haben, es ist jedoch abzusehen, dass auch die vereinbarten Selbstbehalte den oben aufgestellten Kriterien in aller Regel nicht genügen. Dreher/Görner222 haben die Ausgestaltung der Selbstbehalte bei den DAX 30Unternehmen untersucht, soweit Informationen darüber erhältlich waren. Ergebnis ist, dass in keinem Versicherungsvertrag ein schadensanteiliger Selbstbehalt vereinbart worden ist, sondern alle nur eine feste Beteiligung vorsehen. Dass ein fixer Selbstbehalt jedoch nicht angemessen sein kann, ist oben dargelegt worden.223 Auch die Höhe der Eigenbeteiligung, die nach der Untersuchung von Dreher/Görner bei maximal 50% der festen Jahresvergütung liegt, entspricht nicht den oben aufgestellten Kriterien. Zwar betreffen die Ausführungen 220 221 222 223
In: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 94. Einzelheiten unter D. ZIP 2003, 2321 (2322). Einzelheiten unter E.
F. Rechtsfolgen für D&O-Versicherungsverträge
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von Dreher/Görner nur fünf der 21 DAX 30-Gesellschaften, die einen Selbstbehalt abgeschlossen haben, es muss aber davon ausgegangen werden, dass die Selbstbehalte in anderen D&O-Versicherungsverträgen ähnlich ausgestaltet sind. Da die oben entwickelte Kombinationsformel bislang noch nicht Gegenstand der Diskussion war, erscheint es unwahrscheinlich, dass überhaupt einer der derzeit gebräuchlichen Selbstbehalte den anzulegenden Anforderungen entspricht. Demgemäß werden die meisten der laufenden gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherungsverträge wegen Verstoßes gegen § 93 Abs. 2 AktG unzulässig sein.
II. Nichtigkeit gemäß § 134 BGB als Rechtsfolge Zu klären bleibt, wie sich diese unzulässige Praxis auf die Wirksamkeit der D&O-Versicherungsverträge auswirkt. Eine nahe liegende Rechtsfolge ist die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. Sie setzt voraus, dass es sich bei § 93 Abs. 2 AktG um ein Verbotsgesetz handelt und sich aus dem Gesetz nichts ergibt, was gegen die Nichtigkeit spricht. Ein Verbotsgesetz liegt vor, wenn sich eine Norm gegen den Inhalt beziehungsweise die Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts richtet.224 Bei der Beurteilung, ob das Gesetz sich gegen ein bestimmtes Rechtsgeschäft richtet und damit dessen Vornahme verbietet, kommt es auf den Sinn und Zweck dieses Gesetzes an.225 Soweit man im Übrigen die Nichtigkeitsfolge bei Verstößen gegen zivilrechtliche Vorschriften nicht über § 134 BGB sondern direkt aus dem Zweck der entsprechenden Norm herleitet,226 resultiert daraus im Ergebnis kein Unterschied hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes: Es kommt in jedem Fall auf die Ziele der betreffenden Vorschrift an. § 93 Abs. 2 AktG regelt die Haftung des Organwalters gegenüber der Aktiengesellschaft. Gemäß § 23 Abs. 5 AktG darf von der Regelung nicht abgewichen werden, es handelt sich bei § 93 Abs. 2 AktG um eine zwingende Vorschrift.227 Zwar folgt aus dem zwingenden Charakter einer Norm nicht ohne weiteres, dass es sich bei der fraglichen Vorschrift um ein Verbotsgesetz handelt.228 Jedoch ergibt sich die Qualifizierung des § 93 Abs. 2 AktG als Verbotsgesetz im vorliegenden Fall in Verbindung mit der Funktion beziehungsweise 224 Vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000 (Az: X ZB 14/00), unter IV. 2. a), Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 146, 202–217; jurisPK/Nassal, § 134 Rn. 4 ff; Sack, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 134 Rn. 30. 225 H. Palm, in: Erman, § 134 Rn. 9; Mayer-Maly/Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 134 Rn. 41; Sack, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 134 Rn. 31. 226 So etwa Flume, BGB AT II, § 17 1, S. 340–341; insoweit ähnlich Medicus, BGB AT, § 43 I, Rn. 644–646. 227 Vgl. C. III. 2.
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
dem Ziel der Norm: § 93 Abs. 2 AktG schreibt die persönliche Haftung der Organwalter gegenüber der Aktiengesellschaft (Innenhaftung) verbindlich fest, diese sollen der Gesellschaft für pflichtwidrig und schuldhaft verursachte Schäden einstehen. Daher richtet sich die Norm gegen die Vornahme all derjenigen Rechtsgeschäfte, die ihrem Inhalt nach eine Einschränkung der Innenhaftung zur Folge haben. § 93 Abs. 2 AktG ist somit ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Indessen könnte sich aus dem Gesetz etwas anderes als die Nichtigkeitsfolge ergeben. Das wäre der Fall, wenn die Nichtigkeit von gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherungsverträgen nicht erforderlich wäre. Dabei kommt es wiederum entscheidend auf Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes an.229 Ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG ist es, durch die persönliche Haftung des Organwalters zum Schadensausgleich und zur Schadensprävention beizutragen. Diesen Zielen läuft ein gesellschaftsfinanzierter D&O-Versicherungsvertrag zuwider, soweit er keinen angemessenen Selbstbehalt enthält. Nun könnte die Nichtigkeit des gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherungsvertrages ohne angemessenen Selbstbehalt dann nicht erforderlich sein, wenn der Verstoß gegen § 93 Abs. 2 AktG andere Konsequenzen hätte, die dem Sinn und Zweck der Vorschrift ausreichend Rechnung trügen. So könnte man beispielsweise als anderweitige Rechtsfolge an einen Schadensersatzanspruch gegen die Organmitglieder denken, die einen D&O-Versicherungsvertrag abgeschlossen haben, ohne einen angemessenen Selbstbehalt zu vereinbaren: Durch den Abschluss einer D&O-Versicherung entgegen § 93 Abs. 2 AktG würden die Organmitglieder gegen eine zwingende Vorschrift des Aktienrechts verstoßen. Dieser Verstoß ließe sich ohne weiteres als pflichtwidrige Handlung im Sinne des § 93 Abs. 2 AktG einordnen. Die Aktiengesellschaft hätte durch den Vertragsschluss auch einen Schaden erlitten, und zwar in Höhe der (Verpflichtung zur) Prämienzahlung. Indes würde sich ein entsprechender Anspruch auf Ersatz des Prämienschadens230 nur gegen die verantwortlichen Organmitglieder richten: Anspruchsgegner wären zumeist ein oder mehrere Vorstandsmitglieder, da die anderen Organmitglieder regelmäßig nicht für das pflichtwidrige Verhalten ihrer Kollegen verantwortlich gemacht werden könnten. Zudem könnten sich die pflichtwidrig handelnden Organmitglieder möglicherweise auch auf ihr fehlendes Verschulden berufen (§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG). Wenn man in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten 228 Vgl. Mayer-Maly/Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 134 Rn. 46; Sack, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 134 Rn. 31. 229 Vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2003 (Az: V ZR 137/02), unter II.2.c)bb)(1) der Gründe. Fundstelle: jurisWeb; H. Palm, in: Erman, § 134 Rn. 11; Mayer-Maly/ Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 134 Rn. 103; Sack, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 134 Rn. 57 ff. 230 Zum Begriff des Prämienschadens vergleiche auch Kapitel 6 A. III. 2. c) bb).
F. Rechtsfolgen für D&O-Versicherungsverträge
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D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt bisher in der Literatur kaum in Frage gestellt wurde231, lässt sich am Verschulden der handelnden Organmitglieder zweifeln beziehungsweise trefflich darüber streiten. Letztlich würde ein solch in seiner Durchsetzung ungewisser Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die verantwortlichen Organmitglieder – soweit er überhaupt bestünde – in der Praxis kaum geltend gemacht werden. Eine derart fragliche und zudem im Regelfall wohl theoretische Ersatzpflicht einiger Organmitglieder wäre jedoch keine (Rechts-)Folge, die dem Verstoß gegen § 93 Abs. 2 AktG angemessen Rechnung tragen würde. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass sich § 93 Abs. 2 AktG gegen den wirtschaftlichen Erfolg232 des D&O-Versicherungsvertrages richtet. Den Normzielen ist nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn das finanzielle Risiko beim Organmitglied verbleibt, es also keinen Versicherungsschutz auf Kosten der Aktiengesellschaft erhält. Eine derartige Rechtsfolge kann aber nur durch die Nichtigkeit des Vertrags erreicht werden, § 93 Abs. 2 AktG ist also gegen den gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherungsvertrag als solchen gerichtet. Dabei ist entscheidend, dass das Gesetz hier nicht lediglich den Umstand missbilligt, dass der Vertrag durch eine bestimmte Person abgeschlossen wird – dann wäre das Verbot nur an eine Partei gerichtet233 – sondern den Vertragsinhalt, weshalb sich das Verbot, einen entsprechenden Vertrag abzuschließen, letztlich an beide Parteien richtet. Davon abgesehen spricht für die Unwirksamkeit von D&O-Versicherungsverträgen, dass die Haftung des § 93 Abs. 2 AktG nicht nur dem Schutz der Aktiengesellschaft dient. Auch die Interessen von Gläubigern und Aktionären sind vom Schutzbereich erfasst, wie sich insbesondere aus AktG § 93 Abs. 5 ergibt. Schließt die Aktiengesellschaft eine D&O-Versicherung zu Gunsten ihrer Organmitglieder ab, mit der Folge, dass die Innenhaftung ihre Lenkungs- und Schadensausgleichsfunktion nicht mehr erfüllen kann, so werden mittelbar auch Aktionäre und Gläubiger betroffen. Über deren Interessen kann die Aktiengesellschaft gerade nicht disponieren. Es wäre theoretisch denkbar, die Nichtigkeitsfolge bei D&O-Versicherungsverträgen auf den unzulässigen Bereich des Versicherungsschutzes zu beschrän231 Bislang nur von Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 172 ff sowie neuerdings auch Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 94. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 771, ist demgegenüber der Auffassung, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit mittlerweile als überholt gelten. 232 Auf die Verhinderung des wirtschaftlichen Erfolges als Normziel stellt auch Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 144, ab. 233 Ein solcher Fall liegt bei einem Verstoß gegen § 113 AktG vor, weshalb insoweit auch die Nichtigkeitsfolge nicht erforderlich ist, vergleiche dazu Kapitel 6 B. III. 2. a).
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
ken. Eine solche Teilnichtigkeit (§ 139 BGB), die de facto zu einer geltungserhaltenden Reduktion führen würde, setzt aber die Teilbarkeit des Vertrages voraus.234 Hieran fehlt es vorliegend: Ein D&O-Versicherungsvertrag bietet eine einheitliche Deckung im Rahmen des Versicherungsschutzes an. Eine Trennung der Versicherungsleistung in einen unzulässigen und einen zulässigen Teil ist nicht möglich. Daher scheidet eine Teilnichtigkeit des D&O-Versicherungsvertrages aus. Im Ergebnis sprechen daher die überwiegenden Gründe dafür, dass gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherungsverträge ohne angemessenen Selbstbehalt gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 93 Abs. 2 AktG als nichtig angesehen werden müssen.
III. Beschränkung der Nichtigkeitsfolge Die drohende Nichtigkeitsfolge hätte in der Praxis erhebliche Konsequenzen. Weil nahezu alle D&O-Versicherungsverträge entweder keinen oder aber – wie oben gezeigt – keinen angemessenen Selbstbehalt enthalten, müssten fast alle Verträge rück abgewickelt werden. Das wäre insbesondere für die D&O-Versicherer eine unerfreuliche Entwicklung; sie müssten die erhaltenen Prämien zur Gänze zurückzahlen. Zwar könnten sie im Gegenzug die ausgezahlten Versicherungsleistungen zurückverlangen, aber gerade bei großen Schadensfällen werden die begünstigten Rückabwicklungsschuldner kaum in der Lage sein, die erhaltenen Leistungen zurückzuerstatten.235 Auch den Aktiengesellschaften beziehungsweise deren Organwaltern würden durch die Rückabwicklung von Versicherungsleistungen große finanzielle Lasten aufgebürdet; insbesondere bei den betroffenen Organmitgliedern hätte das häufig die Insolvenz zur Folge. Die Nichtigkeit von D&O-Versicherungsverträgen in der Vergangenheit hätte also schwerwiegende Auswirkungen auf alle Beteiligten und würde deren Interessen zuwiderlaufen. Eine praxisgerechte Lösung könnte die Nichtigkeit auf die in Zukunft abgeschlossenen beziehungsweise verlängerten Verträge beschränken. Einen Ansatzpunkt dafür bieten die Grundsätze, die im Hinblick auf die Rückwirkung von Urteilen entwickelt worden sind. Die Rechtsprechung schränkt die Rückwirkung bei geänderter Rechtsprechung in bestimmten Fällen ein; die Generalklausel des § 242 BGB soll in diesem Zusammenhang gewährleisten, dass die berechtigten Belange der Parteien ausreichend berücksichtigt werden.236 Demnach ist eine Rückwirkung des Urteils ausgeschlossen, wenn eine Partei auf die bisherige unumstrittene Rechtsprechung vertrauen durfte und 234
Vgl. jurisPK/Nassall, § 139 Rn. 26 f. Beim oben angeführten Holzmann-Fall hat der D&O-Versicherer eine Versicherungsleistung Höhe von 38 Mio. DM erbracht; die Holzmann AG als möglicher Rückabwicklungsschuldner hingegen war insolvent. 235
F. Rechtsfolgen für D&O-Versicherungsverträge
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eine Anwendung der geänderten Rechtsprechung zu unzumutbarer Härte führen würde.237 Eine Einschränkung der Rückwirkung kommt vor allem bei Dauerschuldverträgen in Betracht, soweit die Rückwirkung möglicherweise existenzbedrohende Auswirkungen hat.238 Im Fall der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung liegt zwar kein Fall geänderter Rechtsprechung vor, es existiert zu dieser Frage keine explizite Judikatur. Dennoch lassen sich die zugrunde liegenden Wertungen auf die D&OVersicherung übertragen: D&O-Versicherungsverträge werden in Deutschland seit über 15 Jahren angeboten. In diesem Zeitraum hat sich lediglich eine Literaturstimme gefunden, die diese Art der Versicherung generell für unzulässig hielt, ansonsten wurde die D&O-Versicherung unabhängig von der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehaltes für zulässig gehalten.239 Auch seitens der Gerichte wurden die Verträge nicht beanstandet – so ist etwa das LG Frankfurt im Holzmann-Fall240 offensichtlich ebenfalls von der Zulässigkeit der D&O-Versicherung ausgegangen. Gleiches gilt für die Regierungskommission Corporate Governance.241 Der Corporate Governance Kodex hat in Ziffer 3.8 die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehaltes lediglich empfohlen. Zieht man diese Tatsachen in Betracht, so handelt es sich bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt um eine Rechtspraxis, deren Statthaftigkeit nicht bestritten wurde. Erst jüngste Äußerungen in der Literatur – von Hefermehl/Spindler242 und im Rahmen dieser Arbeit – machen die Frage der Zulässigkeit zu einem umstrittenen Problem. Daher konnten bis jetzt alle Beteiligten, also Aktiengesellschaft, D&O-Versicherer und Organmitglieder auf die Wirksamkeit der Verträge vertrauen. Eine durch die rückwirkende Nichtigkeitsfolge erzwungene Rückabwicklung der D&O-Versicherungsverträge würde zudem für die Beteiligten zu erheblichen Härten führen; der D&O-Versicherer würde große Versicherungsleistungen nur teilweise zurückerhalten, und sowohl Aktiengesellschaften als auch Organmit236 BGH, Urteil vom 29. Februar 1996 (Az: IX ZR 153/95), unter III.2.c) der Gründe; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 132, 119–132. 237 BGH, Urteil vom 29. Februar 1996 (Az: IX ZR 153/95), unter III.2.c) der Gründe; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 132, 119–132. 238 Vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1991 (Az: II ZR 188/89), unter 2.b) der Gründe; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 114, 127–137. BGH, Urteil vom 29. Februar 1996 (Az: IX ZR 153/95), unter III.2.c) der Gründe; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 132, 119–132. 239 Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 771, ist sogar der Auffassung, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit heute als überholt gelten. 240 Einzelheiten zum Holzmann-Fall unter C. IV. 2. c) bb). 241 BT-Drs. 14/7515, S. 53, Rz. 75. 242 In: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 94.
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Kap. 5: Aktienrechtliche Zulässigkeit der D&O-Versicherung
glieder könnten im Rahmen der Rückabwicklung in die Insolvenz gezwungen werden. Insbesondere für Organwalter, die Versicherungsleistungen erhalten haben, hat die rückwirkende Nichtigkeit des Dauerschuldverhältnisses D&O-Versicherung damit existenzbedrohende Auswirkungen. Im Ergebnis wird man die hier befürwortete Nichtigkeitsfolge bei gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherungsverträgen ohne angemessenen Selbstbehalt auf die Zukunft beschränken müssen. Soweit die derzeitige Praxis allerdings in den nächsten Jahren fortgesetzt wird, können sich die Beteiligten nicht mehr auf einen Vertrauensschutz berufen. Daher sollten bei Abschluss oder Verlängerung von D&O-Versicherungsverträgen angemessene Selbstbehalte vereinbart werden, ansonsten besteht die Gefahr der vollständigen Nichtigkeit künftiger Verträge.
Kapitel 6
Formelle Kriterien bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung Die Aktiengesellschaft schließt die D&O-Versicherung zu Gunsten ihrer Organmitglieder ab.1 Dabei stellt sich die Frage, wer innerhalb der Aktiengesellschaft für den Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages mit dem Versicherer zuständig ist (so genannte Abschlusskompetenz). Dieser Komplex ist deswegen von so großer Brisanz, weil die Aktiengesellschaft, handelnd durch den Vorstand und/oder Aufsichtsrat, eine Versicherung abschließt und finanziert, die den Mitgliedern der Organe zugute kommt. Die handelnden Organwalter entscheiden für die AG in einer Angelegenheit, von der sie selbst profitieren. Hinzu kommt, dass durch die D&O-Versicherung auch Ansprüche der Aktiengesellschaft gegen ihre eigenen Organmitglieder mitversichert sind. Überspitzt formuliert entscheidet der (potentielle) Schädiger darüber, ob der (potentiell) Geschädigte eine Versicherung abschließt und damit finanziert, die den Schädiger vor den Ansprüchen des Geschädigten schützt. Beachtung verdient diese formale Kompetenzfrage insbesondere wegen der praktischen Konsequenzen. Ein Verstoß gegen Zuständigkeitskriterien könnte die Nichtigkeit der D&O-Versicherungsverträge zur Folge haben. Zudem könnten sich die begünstigten Organwalter bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsansprüchen ausgesetzt sehen, und die handelnden Organwalter sind wegen der Verletzung von Zuständigkeitsnormen gegebenenfalls gegenüber der Aktiengesellschaft regresspflichtig. Zunächst wird in dieser Arbeit auf die Abschlusskompetenz hinsichtlich der D&O-Versicherung zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder eingegangen, die Abschlusskompetenz bezüglich der Versicherung für Vorstandsmitglieder wird im Anschluss daran behandelt.
1 Zu den Besonderheiten einer Versicherung für fremde Rechnung vergleiche die Ausführungen in Kapitel 4 A.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder Bei der Erörterung der Abschlusskompetenz sind zwei Fragen voneinander zu trennen: die nach der innergesellschaftlichen Zuständigkeit und die nach der Vertretungsmacht gegenüber dem Versicherer. Mit innergesellschaftlicher Zuständigkeit ist die Befugnis innerhalb der AG gemeint, über den Abschluss einer D&O-Versicherung zu entscheiden. Die Vertretungsmacht bezeichnet die Möglichkeit, sich für die Aktiengesellschaft rechtsgeschäftlich gegenüber dem Versicherer zu äußern.
I. Innergesellschaftliche Zuständigkeit Zuständig für die gesellschaftsinterne Entscheidung über den Abschluss einer D&O-Versicherung könnten Aufsichtsrat, Hauptversammlung oder Vorstand sein, denkbar wäre auch, dass die Zustimmung mehrerer Organe erforderlich ist. Im AktG findet sich keine Norm, die die innergesellschaftliche Zuständigkeit für den Abschluss von D&O-Versicherungen ausdrücklich regelt. In der aktuellen Literatur wird deshalb übereinstimmend auf § 113 AktG abgestellt: Diese Vorschrift regelt allgemein die Zuständigkeit für die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern. Soweit es sich bei der Prämienübernahme durch die AG bei der D&O-Versicherung um Vergütung im Sinne dieser Norm handele – so die gängige Auffassung im Schrifttum –, sei die Hauptversammlung für den Abschluss der D&O-Versicherung zuständig.2 Umstritten ist indessen, ob die Prämienzahlung durch die Aktiengesellschaft tatsächlich Vergütung im Sinne des § 113 AktG ist.3 Der Ansatz, die Abgrenzung anhand der Norm des § 113 AktG vorzunehmen, ist überzeugend: § 113 AktG weist die Entscheidung über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder der Hauptversammlung zu (§ 113 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Vergütung kann durch Beschluss bewilligt oder durch die Satzung festgesetzt werden, wobei letztlich auch die Satzungsbestimmung auf einem Beschluss der Hauptversammlung beruht und durch einen solchen wieder geändert werden kann; in den Fällen des Abs. 1 S. 3 (Herabsetzung der Vergütung) ist das sogar mit einfacher Mehrheit möglich. Eine entsprechende Klausel kann im Übrigen wegen § 113 Abs. 2 AktG nicht bereits bei Gründung in die Satzung 2 Vgl. beispielsweise Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (295); Kästner, AG 2000, 113 (115); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 328, Rn. 868; Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 183; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 80; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 201 Rn. 414. 3 Dazu ausführlich unter Ziffer 1. a).
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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aufgenommen werden, sodass die Hauptversammlung in jedem Fall über die Vergütung des Aufsichtsrates zu entscheiden hat. Soweit also in der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung eine Vergütung zu sehen ist, ist die Hauptversammlung das zuständige Organ. Daher muss zunächst geklärt werden, ob der Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrages unter den Begriff der Vergütung fällt; für diesen Fall existiert mit § 113 Abs. 1 S. 2 AktG eine eindeutige Zuständigkeitszuweisung. 1. Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung als Vergütung im Sinne des § 113 AktG a) Auseinandersetzung mit dem bisherigen Meinungsstand Im Schrifttum wurde die Problematik der aktienrechtlichen Zuständigkeit beim Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung zunächst nur am Rande beachtet. Erst in den letzten Jahren hat sich in der Literatur eine Auseinandersetzung um die Frage der Abschlusskompetenz entwickelt. Die vertretenen Auffassungen sollen im Folgenden dargestellt werden. aa) D&O-Versicherung als Vergütung Nach früher überwiegend vertretener Ansicht wurden die von der Gesellschaft übernommenen Prämien zur Vergütung gemäß § 113 AktG gerechnet.4 Dabei wurde die Subsumtion der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung unter § 113 AktG teilweise damit begründet, dass in der Zahlung der Prämien durch die Aktiengesellschaft die Zuwendung eines Vermögensvorteils und hierin eine Vergütung zu sehen sei.5 Der Hinweis, dass die Zahlung der Prämien durch die Gesellschaft einen Vermögensvorteil für das versicherte Aufsichtsratsmitglied darstellt, ist zwar im Ergebnis richtig,6 er kann als Argument aber nicht genügen. Vermögensstei4
Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1344 Rn. 24; Doralt, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder (1999), S. 761–762, Rn. M 125; Feddersen, AG 2000, 385 (394), mit Verweis auf: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 3. Aufl. (1993), S. 241, Rn. 313; Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in: RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (144–147); Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 2; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 59–60, Fn. 178; Krieger, in: RWS-Forum 8 Gesellschaftsrecht 1995, S. 149 (166); Krüger, NversZ 2001, 8 (8). 5 Doralt, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder (1999), S. 761–762, Rn. M 125. 6 Die Frage, inwieweit die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung als Vermögensvorteil für das versicherte Organmitglied anzusehen ist, wird unter Ziffer 1. c) aa) ausführlich erörtert.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
gernde Maßnahmen der Gesellschaft müssen nicht zwingend Vergütungscharakter haben. So stellen von der Gesellschaft finanzierte werterhöhende Umbauten an Immobilien des Aufsichtsratsmitglieds keine Vergütung dar, wenn sie der Sicherheit des Organwalters dienen sollen; gleiches gilt für Mitgliedsbeiträge eines Clubs, der für die Organtätigkeit hilfreich ist.7 In dem ersten umfangreicheren Beitrag zur D&O-Versicherung als Vergütung schloss sich Kästner8 der zu diesem Zeitpunkt (noch) überwiegenden Auffassung an. Neben einem Verweis auf § 87 AktG und § 285 Nr. 9a HGB9 begründete sie die Einordnung der D&O-Versicherungsprämien als Vergütung vor allem mit einer teleologischen Argumentation:10 § 113 AktG bezwecke den Schutz der Aktionäre vor überhöhten Bezügen, damit die Publizität der Gesamtvergütung gewährleistet sei und die Entscheidungsbefugnis bei den Aktionären bleibe. Der Begriff der Vergütung solle alle Vermögensvorteile erfassen, die eine Gegenleistung für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied darstellten. Wäre der Vorstand als kontrolliertes Organ dafür zuständig, welche Vergütung dem Aufsichtsrat als kontrollierendem Organ gezahlt werde, entstünde eine „unerträgliche Abhängigkeit der Kontrolleure vom kontrollierenden Organ“11. Ziel der §§ 113, 114 AktG sei es, „das duale Verwaltungssystem der Aktiengesellschaft mit Vorstand und Aufsichtsrat in seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten“12. Daher führe eine teleologische Auslegung dazu, die D&O-Versicherungsprämien als Vergütung anzusehen, weil es sich um materielle Vorteile zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder handele. Die Bestimmung des Normzwecks durch Kästner mag zwar richtig sein, warum es aber aufgrund des Normziels geboten sein soll, die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung unter § 113 AktG zu subsumieren, wird nicht klar. Dazu hätte dargelegt werden müssen, inwieweit die Konstellation bei der D&OVersicherung vom Normzweck erfasst wird.13 Auch hält sich Kästner selbst nicht an den von ihr dargelegten Vergütungsbegriff: Zwar stellt sie – ohne nähere Begründung – fest, dass es sich bei den D&O-Versicherungsprämien um materielle Vorteile handele; inwieweit allerdings die Aufsichtsratsmitglieder diese Vorteile als Gegenleistung für ihre Tätigkeit erhalten, wie es nach Kästners Definition erforderlich wäre, bleibt offen.
7
Ebenso: Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (307). Kästner, AG 2000, 113 (115–117). 9 Auf den systematische Zusammenhang des Vergütungsbegriffs zu § 87 AktG und § 285 Nr. 9a HGB wird im Rahmen der Ermittlung eines aktienrechtlichen Vergütungsbegriffs unter Ziffer 1. b) bb) näher eingegangen. 10 Kästner, AG 2000, 113 (116). 11 Kästner, AG 2000, 113 (116). 12 Kästner, AG 2000, 113 (116). 13 Zum Normzweck vergleiche Ziffer 2. b). 8
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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Daher kann man festhalten, dass Kästner zwar beschreibt, was ihrer Ansicht nach unter den Vergütungsbegriff fällt. Diese Begriffsbestimmung14 bleibt aber unbegründet; vor allem wird nicht klar, warum die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung die Merkmale des von ihr entwickelten Vergütungsbegriffs erfüllen soll.15 bb) Keine Vergütung durch Abschluss einer D&O-Versicherung In den meisten neueren Beiträgen wird dagegen die Ansicht vertreten, dass es sich bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung nicht um eine Vergütung für die Aufsichtsratsmitglieder handelt.16 Diese inzwischen überwiegende Auffassung wird in der Literatur unterschiedlich begründet; auf die jeweiligen Argumentationsansätze soll im Folgenden näher eingegangen werden. (1) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance Gegen die Einordnung als Vergütung spricht sich Semler17 aus. Zur Begründung verweist er auf den Bericht der Regierungskommission Corporate Governance18: Obwohl die D&O-Versicherung in der Praxis regelmäßig ohne Beteiligung der Hauptversammlung abgeschlossen werde, habe die Kommission eine gesetzliche Regelung der Frage, ob und wie die Hauptversammlung beim Abschluss der D&O-Versicherung mitzuwirken habe, nicht für erforderlich gehalten.19 Semler legt damit den Schluss nahe, dass die Regierungskommission seiner Auffassung zuneigt und die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung nicht als Vergütung im Sinne des § 113 AktG ansieht. Tatsächlich findet sich in dem Kommissionsbericht folgende Aussage: „Eine gesetzliche Regelung der Frage, ob und wie beim Abschluss einer Haftpflicht14
Zum Begriff der Vergütung vergleiche Ziffer 1. b). Zur Subsumtion unter den Vergütungsbegriff vergleiche Ziffer 1. c). 16 Bartscherer, in: Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des DVS (2001), S. 179 (181); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 132– 134; Dreher, ZHR 165 (2001), 293; Lange, ZIP 2001, 1524; Mertens, AG 2000, 447; Notthoff, NJW 2003, 1350 (1354); Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 191; Schimmer, in: Managerhaftung (2002), S. 20; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 82; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 201 Rn. 414; Vetter, AG 2000, 453 (457). Diese Auffassung wird auch seitens der Versicherungswirtschaft geteilt. Dort spielen aktienrechtliche Argumente allerdings keine Rolle. Ausschlaggebend ist allein die Furcht davor, dass die Existenz eines D&O-Versicherungsvertrages bei den Aktionären publik wird. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 6 C. 17 In: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 82–84. 18 BT-Drs. 14/7515. 19 Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 84. 15
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
versicherung für Organmitglieder die Hauptversammlung mitzuwirken hat, ist nach Auffassung der Regierungskommission nicht angezeigt.“20 Dieser Formulierung kann indessen nicht entnommen werden, dass die Kommission der gängigen Praxis zustimmen wollte. Im Bericht findet sich kein Hinweis darauf, ob eine Beteiligung der Hauptversammlung aus Sicht der Kommission wünschenswert wäre oder nicht. Vielmehr lässt der Umstand, dass die Kommission einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf offensichtlich nicht gesehen hat, lediglich darauf schließen, dass sie die bisherigen Regelungen für ausreichend erachtet. So könnte dem Bericht auch die Einschätzung zugrunde liegen, dass die Abschlusskompetenz in § 113 AktG hinreichend geregelt ist. Eine solche Lesart liegt umso näher, als der Bericht zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem die überwiegende Auffassung von einem Vergütungscharakter der Prämienübernahme ausging.21 Vor diesem Hintergrund ist die Interpretation Semlers zumindest nicht zwingend; ein Verweis auf den Bericht der Regierungskommission Corporate Governance führt an dieser Stelle nicht weiter. (2) Abgrenzung zwischen Aufwand und Vergütung Besonders eingehend hat sich Dreher22 mit der Frage der aktienrechtlichen Zuständigkeit beim Abschluss einer D&O-Versicherung befasst. Nach seiner Auffassung ist der Vergütungsbegriff im Sinne des § 113 AktG23 vom „Aufwand“ der Gesellschaft abzugrenzen.24
20
BT-Drs. 14/7515, S. 54, Rn. 75. Vgl. etwa Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 328, Rn. 868, die noch von einer „nach wie vor ganz herrschenden Meinung“ sprachen. 22 Dreher, Der Abschluss von D&O-Versicherungen und die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung, ZHR 165 (2001), 293. 23 Dreher geht dabei von einem einheitlichen Vergütungsbegriff aus, der die Bezüge (§ 87 AktG) mit umfassen soll. Er stellt fest, dass es sowohl bei den Vorstandsbezügen als auch bei der Aufsichtsratsvergütung um die Frage geht, ob es sich bei den D&O-Versicherungsprämien um Gesellschaftsaufwand oder eben um Vergütung/Bezüge handelt. Dies führt ihn dazu, dieses Problem einheitlich zu erörtern, weil „die aktienrechtlichen Begriffe ,Bezüge‘ und ,Vergütung‘ im Hinblick auf das vorliegende Problem keine isolierte Betrachtung rechtfertigen. In beiden Fällen geht es um die Trennung der Gesellschaftssphäre von den lediglich unterschiedlich bezeichneten persönlichen finanziellen Sphären der Organmitglieder.“: ZHR 165 (2001), 293 (304). 24 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (306–309). 21
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(a) Darstellung des Ansatzes Aufsichtsratsmitglieder können nach einhelliger Meinung25 grundsätzlich gemäß §§ 675 Abs. 1, 670 BGB (direkt oder analog)26 Ersatz für notwendige Aufwendungen verlangen. Dieser Aufwendungsersatzanspruch ist frei von jedem Entgeltcharakter,27 Aufwendungsersatz und Vergütung schließen sich aus.28 Dreher stellt deshalb bei der Diskussion um den Vergütungsbegriff darauf ab, inwieweit sich der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung als „Aufwendung“ darstellt; sofern eine solche vorliege, könne eine Vergütung im Sinne des § 113 AktG von vorneherein ausgeschlossen werden.29 In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Aktiengesellschaft ihrem Organmitglied die Versicherungsprämien von vorneherein abnimmt. Ob eine Aufwendung vorliegt, kann nicht davon abhängen, ob der Geschäftsherr dem Tätigen die erforderlichen Mittel bereits im Voraus zur Verfügung stellt oder ihm erst im Nachhinein die finanziellen Nachteile ersetzt; die Bezeichnung als Aufwendungsersatz bringt bereits zum Ausdruck, dass „der Tätige selbst die Aufwendungen zunächst nur übernimmt, weil der Begünstigte den [. . .] Aufwand nicht direkt trägt“30. Die Prämienübernahme ließe sich vielmehr – soweit man den Überlegungen Drehers auch im Ergebnis folgt – als eine Art vorauseilender Aufwendungsersatz verstehen. Auch der Umstand, dass ein Ersatzanspruch gemäß §§ 675 Abs. 1, 670 BGB möglicherweise an der „Erforderlichkeit“ der Prämien scheitern würde, kann diesem Ansatz nicht entgegengehalten werden. Vielmehr könnte sich die Übernahme der Prämien durch die Aktiengesellschaft als überobligatorischer Aufwendungsersatz darstellen; in diesem Fall ließe sich die Prämienübernahme trotz fehlender Erforderlichkeit als Aufwand bezeichnen.31
25 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 113 Rn. 14; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 (Aktiengesellschaft), § 33 Rn. 10, 13; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 91; Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304–305); die Anwendbarkeit des § 675 BGB (und damit auch des § 670) auf das Verhältnis zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft bejahen: Heermann, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 675 Rn. 103; Martinek, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 675 Rn. E 10. 26 Das richtet sich danach, ob man von einem Vertrag zwischen Aufsichtsratsmitglied und Aktiengesellschaft ausgeht (direkte Anwendung) oder nicht (analoge Anwendung). 27 Martinek, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 675 Rn. A 72. 28 Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 10. 29 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304 ff). 30 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (306). 31 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (306–307).
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
Der Ansatz Drehers, wonach der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung dann keine Vergütung wäre, wenn es sich hierbei um eine Aufwendung der Gesellschaft handelte, verdient somit durchaus Beachtung. (b) Anwendung auf den konkreten Fall Zu prüfen bleibt, inwieweit man die Übernahme von D&O-Versicherungsprämien als Aufwendung im Sinne des § 670 BGB einordnen kann. In diesem Zusammenhang ist maßgeblich auf die Perspektive des versicherten Organmitglieds abzustellen. Nur wenn der Geschäftsführende aus seiner Sicht ein freiwilliges Vermögensopfer erbringt, kann von einer Aufwendung zu Gunsten des Geschäftsherrn ausgegangen werden. Dabei gilt es vorliegend, den Besonderheiten des vorauseilenden Aufwendungsersatzes Rechnung zu tragen. Um zu klären, ob es sich bei dem Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung aus Sicht des Organwalters um eine Aufwendung handelt, wird im Folgenden auf den hypothetischen Fall abgestellt, dass das Organmitglied selbst eine D&O-Versicherung abschließt. Nur wenn die gezahlten Prämien in diesem theoretischen Fall aus Sicht des Organwalters eine Aufwendung im Sinne des § 670 BGB darstellen, kann man die die Prämienübernahme durch die Aktiengesellschaft als vorauseilenden Aufwendungsersatz bezeichnen. Aufwendungen gemäß § 670 BGB sind freiwillige Vermögensopfer, die der Beauftragte zum Zwecke der Auftragsausführung auf sich nimmt oder die sich als notwendige Folge der Geschäftsführung ergeben.32 Die unterstellte Prämienzahlung eines Aufsichtsratsmitglieds wäre ein freiwilliges Vermögensopfer. Sie müsste aber zum Zwecke der Auftragsausführung erbracht worden sein, Vermögensopfer des Beauftragten, die er nicht für den Auftraggeber, sondern zu eigenen Zwecken erbracht hat, sind nicht ersatzfähig.33 Dem Zwecke der Auftragsausführung dienen solche Ausgaben, die die Geschäftsbesorgung vorbereiten, fördern oder sich in deren Nachwirkung ergeben.34 Es stellt sich also die Frage, ob ein Aufsichtsratsmitglied die D&O-Versicherung zur Förderung seiner fremdnützigen Tätigkeit abschließen würde oder zu eigenen Zwecken. Dabei ginge es dem Organmitglied primär darum, sich vor den erheblichen finanziellen Belastungen im Haftungsfall zu schützen. Andere Gründe, wie etwa der Schutz Dritter oder der Gesellschaft durch die Bereitstellung von Vollstreckungsmasse, würden ein Aufsichtsratsmitglied kaum veranlassen, eine D&OVersicherung abzuschließen. Die D&O-Versicherung dient aus Sicht des versi32 33 34
Wittmann, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 670, Rn. 5. Wittmann, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 670, Rn. 8. Seiler, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 670 Rn. 8.
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cherten Managers – wie das bei jeder Haftpflichtversicherung der Fall ist – vor allem ihm persönlich. Der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung und die damit verbundenen Versicherungsprämien stellen aus Sicht des Organmitglieds somit keine Aufwendung dar. Vielmehr handelt es sich um ein Vermögensopfer, das der Organwalter – unterstellt, er würde die Prämien selbst tragen – zu eigenen Zwecken erbringen würde. Die Finanzierung der D&O-Versicherung durch die Aktiengesellschaft ist demnach keine Aufwendung im Sinne des § 670 BGB. (c) Drehers Auffassung Dreher scheint das anders zu sehen, er stellt nicht auf die Sichtweise des versicherten Organwalters ab, sondern auf die der Aktiengesellschaft.35 Um zu ermitteln, ob die Gesellschaft im eigenen Interesse handelt, nimmt er eine Abwägung zwischen den Interessen des Organmitglieds und denen der Aktiengesellschaft vor. Eine Aufwendung – und keine Vergütung – soll nach Dreher dann vorliegen, wenn der Abschluss der D&O-Versicherung dem überwiegenden Interesse der Gesellschaft dient.36 Warum Dreher die Abgrenzung anhand einer Interessenabwägung vornimmt, erläutert er in seinen Ausführungen jedoch nicht. Seine Herangehensweise, auf die Sicht des Unternehmens abzustellen, erscheint auch nicht zwingend; vielmehr kann es bei der Frage, ob jemand ein freiwilliges Vermögensopfer für einen anderen erbringt, allein auf die subjektive Sicht des Ausführenden ankommen. Nur wenn der Tätige primär den Interessen des Geschäftsherrn dienen will, kann es sich um eine Aufwendung handeln. Selbst wenn man aber Drehers Ausführungen folgte und eine Interessenabwägung vornähme, käme man zu dem Ergebnis, dass ein überwiegendes Interesse der Aktiengesellschaft an der Existenz einer D&O-Versicherung nicht ermittelt werden kann, wie die folgenden Ausführungen zeigen. (3) Vergütungscharakter trotz überwiegenden Interesses der Aktiengesellschaft Dass ein überwiegendes Interesse der Aktiengesellschaft am Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung besteht, ist in der Literatur auch an anderer Stelle angenommen worden. Unter Hinweis darauf, dass die D&O-Versicherung vor allem der Gesellschaft zugute kommt, hat insbesondere Mertens 35 36
Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (309). Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (309).
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
den Vergütungscharakter abgelehnt.37 Nach ihm handelt es sich bei einer solchen Versicherung um einen Teil der dienstlichen Fürsorgeaufwendungen.38 Unter dienstlichen Fürsorgeaufwendungen versteht man die Aufwendungen des Dienstberechtigten (hier der Aktiengesellschaft), die zur Ausgestaltung von Arbeitsbereich und Arbeitsbedingungen des Dienstverpflichteten (hier des Organmitglieds) erbracht werden, um so die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Dienstverpflichteten zu schaffen.39 Es handelt sich bei solchen Fürsorgeaufwendungen deswegen nicht um einen Vergütungsbestandteil, weil sie nicht im Gegenzug für die Übernahme der Tätigkeit aufgewendet werden, sondern um die Tätigkeit erst zu ermöglichen. Wenn also die gesellschaftsfinanzierte D&OVersicherung eine dienstliche Fürsorgeaufwendung wäre, könnte sie nicht gleichzeitig ein Vergütungsbestandteil sein. Mertens stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, ob die Sachleistung (hier der Abschluss einer D&O-Versicherung durch die AG) zur Verfolgung des Unternehmenszwecks bestimmt ist40 und führt dafür an, dass die Gesellschaft die D&O-Versicherung überwiegend im eigenen Interesse abschließe.41 Damit argumentiert Mertens ähnlich wie Dreher, wenngleich seine Ausgangsposition eine andere ist. Inwieweit die D&O-Versicherung jedoch tatsächlich dem überwiegenden Interesse der Aktiengesellschaft dient, erscheint zweifelhaft und bedarf der näheren Erörterung. (a) Die Möglichkeit, geeignetes Personal zu gewinnen Der Abschluss einer D&O-Versicherung könnte (unter anderem) deshalb primär dem Interesse der Gesellschaft dienen, weil durch ihn die Chancen der AG erhöht werden, besonders qualifizierte Personen als Organmitglieder zu gewinnen. So wird argumentiert, dass es schwierig sei, geeignete Organmitglieder zu finden und dauerhaft an die Gesellschaft zu binden.42 Deshalb sei die Absicherung der Organmitglieder durch die D&O-Versicherung die sachliche Tätigkeitsgrundlage für die erfolgreiche Personalrekrutierung der Gesellschaft.43 37
Vgl. Mertens, AG 2000, 447 (449–452); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526, 1529). Mertens, AG 2000, 447 (449–452). Dem zustimmend: Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 133; Lange, ZIP 2001, 1524 (1526, 1529); Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 82; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 201 Rn. 414. 39 Vgl. Mertens, AG 2000, 447 (449). 40 Vgl. Mertens, AG 2000, 447 (449). 41 Vgl. Mertens, AG 2000, 447 (449–452); ebenso Lange, ZIP 2001, 1524 (1526, 1529). 42 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310); ähnlich Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 82. 43 Ähnlich Kiethe, BB 2003, 537 (539), der meint, dass die Gesellschaft durch den Abschluss einer D&O-Versicherung „eine notwendige Bedingung für die Gewinnung 38
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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Im Zuge der Globalisierung steigen die Anforderungen an Organmitglieder der zumeist expandierenden größeren Unternehmen. Auch der Markt für Managerinnen und Manager wird angesichts des globalen Wettbewerbs internationaler, Unternehmen konkurrieren mit ausländischen Gesellschaften um die besten Führungskräfte. Neben direkten Leistungen spielen bei der Personalgewinnung auch die sonstigen Arbeitsbedingungen eine Rolle. Dazu gehört nicht zuletzt das Risiko, persönlich gegenüber Dritten oder der Gesellschaft zu haften. Erwachsen einem Organmitglied aus seiner Tätigkeit hohe finanzielle Risiken, so wird es weniger geneigt sein, eine angebotene Tätigkeit anzunehmen beziehungsweise eine ausgeübte Tätigkeit fortzuführen. Insofern ist das Vorhandensein einer D&O-Versicherung ein wichtiges Entscheidungskriterium für Führungskräfte, wenn es um die mögliche Übernahme einer Organtätigkeit geht. Der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ist also eine Maßnahme, die wichtig ist, um bei der Personalgewinnung erfolgreich zu sein.44 Die Frage ist aber, ob dieses Interesse der Gesellschaft an der Personalgewinnung dafür spricht, die Übernahme der Versicherungsentgelte nicht als Vergütung einzuordnen. Eine solche Argumentation lässt sich nämlich weiterführen: Als Mittel der Personalgewinnung steht den Gesellschaften ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung. Dazu gehören auch direkte Entgeltzahlungen, sie sind ebenfalls ein entscheidender Faktor beim Werben um geeignete Aufsichtsratsmitglieder. Ohne direkte Zahlungen wäre es schwierig, wenn nicht unmöglich, in ausreichendem Umfang geeignetes Personal zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist die Festsetzung des Entgeltes in jedem Fall im überwiegenden Interesse der Gesellschaft. Mit der eben aufgezeigten Argumentation und diese damit ad absurdum führend, ließe sich daher folgern: (Auch) direkte Entgeltzahlungen an den Aufsichtsrat sind nicht Bestandteil der Vergütung, weil sie in erster Linie der Personalgewinnung dienen. Der Abschluss einer D&O-Versicherung kann also genauso wie höhere Entgelte die Akquisition von Personal verbessern. Daher ist die Prämienübernahme – ähnlich wie die Entgeltzahlung – im Interesse der Gesellschaft. Das Personalgewinnungsinteresse ist aber kein geeignetes Abgrenzungskriterium bei der Frage, ob die übernommenen Prämien Teil der Vergütung sind.
von qualifizierten Organmitgliedern“ schafft. Auch Mertens, AG 2000, 447 (451), begründet seine Einordnung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung als dienstliche Fürsorgeaufwendung unter anderem damit, dass die Absicherung der Organmitglieder auch im Eigeninteresse der Aktiengesellschaft sei, um potentielle Organmitglieder besser für eine solche Tätigkeit gewinnen zu können. 44 Mertens, AG 2000, 447 (451), spricht von einer erheblichen Rolle, die „das Angebot einer D&O-Versicherung für die Wettbewerbsfähigkeit von Gesellschaften auf dem Markt für Organmitglieder“ inzwischen spiele.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
(b) Die Sicherungsinteressen der Gesellschaft Der Abschluss einer D&O-Versicherung dient der Absicherung der Gesellschaft gegen Freistellungsverpflichtungen gegenüber dem Organwalter. Daneben wird das Regressrisiko bei eigenen Ansprüchen gegen Organmitglieder reduziert. Das Organmitglied haftet gegenüber der Aktiengesellschaft für die von ihm verursachten Schäden (§§ 93 Abs. 2, 116 AktG), soweit es im Streitfall nicht fehlende Pflichtwidrigkeit45 oder fehlendes Verschulden nachweist (§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG). Besteht ein solcher Anspruch der Gesellschaft, so ist – unabhängig von der prozessualen Durchsetzbarkeit – fraglich, ob der Anspruch auch erfüllt werden kann. Das Organmitglied verursacht nämlich regelmäßig Schäden in erheblichem Umfang, für deren Ersatz das Privatvermögen oft nicht ausreicht. Gerade bei besonders großen Vermögensbeeinträchtigungen ist es aber für die Gesellschaft wichtig, Ersatz zu erhalten. Derart entstehende Vollstreckungslücken werden durch den Abschluss einer D&O-Versicherung geschlossen. Die D&O-Versicherung macht die Innenhaftung erst werthaltig, oft wird ohne D&O-Versicherung ein Großteil der Ansprüche unbefriedigt bleiben, weil der Schaden häufig die Vollstreckungsmasse um ein Vielfaches übersteigen wird. Dreher ist deswegen der Ansicht, dass das Interesse der Gesellschaft am Abschluss größer ist als das des Organmitglieds: das Privatvermögen, das dem Organwalter durch den Schutz der D&O-Versicherung erhalten bleibe, sei wesentlich niedriger als der Schaden der Gesellschaft, der nur durch die Versicherung ersetzt werden könne.46 Aus der Gegenüberstellung von materiellen Vorteilen (gesichertes Privatvermögen vs. zusätzlich ersetzter Schaden der Gesellschaft) auf ein höheres Interesse der Gesellschaft zu schließen, geht aber zu weit. Das Interesse bestimmt sich nämlich relativ: Dem totalen wirtschaftlichen Ruin des Organmitglieds (Verlust des gesamten Privatvermögens) steht ein Schaden für die Gesellschaft gegenüber, den diese in den meisten Fällen wirtschaftlich verkraften kann. Nach einem solchen Vergleich erscheint daher das Interesse des versicherten Organmitglieds als zumindest gleichwertig, wenn nicht sogar überwiegend. Dennoch dient der Abschluss der D&O-Versicherung dem Interesse der Gesellschaft, die auch Schäden größeren Ausmaßes durch den Versicherer ersetzt bekommt, sodass bestehende Vollstreckungslücken geschlossen werden.
45 § 93 AktG Abs. 2 S. 2 legt dem Organmitglied nach überwiegender Auffassung nicht nur die Beweislast für fehlendes Verschulden, sondern auch die Beweislast für fehlende Pflichtwidrigkeit auf: Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 16; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 105–106 Rn. 200 (dort Fn. 202); beide m. w. N. 46 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (313).
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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In diesem Zusammenhang ist allerdings auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen, der in der bisherigen Diskussion – soweit ersichtlich – übersehen wurde: Die D&O-Versicherung deckt auch die Kosten für die Abwehr von Schadensersatzansprüchen ab (Abwehrfunktion)47. Durch die Versicherung werden dem versicherten Organwalter auch die Mittel zur Verfügung gestellt, die es zur Abwehr seitens der Aktiengesellschaft geltend gemachter Ansprüche benötigt. Damit werden Organmitglieder unter Umständen sogar ermutigt, Forderungen der Aktiengesellschaft gerichtlich abzuwehren. Die Finanzierung der Abwehr eigener Ansprüche steht aber im krassen Gegensatz zum Interesse der Aktiengesellschaft. Im Regelfall würde kein potentiell Geschädigter eine Versicherung für den potentiellen Schädiger abschließen, die ihm auch die Mittel gibt, den eigenen Ersatzanspruch abzuwehren. Das oben beschriebene Sicherungsinteresse der Gesellschaft begründet also zumindest kein überwiegendes Interesse der Aktiengesellschaft, eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung abzuschließen. Betrachtet man die negativen Folgen hinsichtlich der Anspruchsabwehr, ist eher das Gegenteil der Fall. (c) Herstellung der erforderlichen unternehmerischen Risikobereitschaft Durch die Haftung des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 AktG wird das Verhalten des Organmitgliedes (mit)gesteuert.48 Diese (gewollte) Präventionswirkung49 könnte bei hoher Risikoaversion (Risikoaversion meint eine risikomeidende Einstellung) des Entscheidungsträgers, das heißt des Organwalters, in stark defensives Verhalten oder totale Risikovermeidung umschlagen.50 Nun ist aber unternehmerisches Handeln51 grundsätzlich risikobehaftet. Daher könnten aus Angst vor der Haftung auch solche Innovationen unverwirklicht bleiben, deren Chancen die korrespondierenden Risiken bei weitem übersteigen. Eine derartige, aus Unternehmenssicht schädliche Angst vor persönlicher Haftung würde durch den Abschluss einer D&O-Versicherung verringert.
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Vgl. Kapitel 4 D. Der Zusammenhang zwischen Verhaltenssteuerung und D&O-Versicherung wird in Kapitel 5 C. IV. eingehend behandelt. 49 Zur Lenkungsfunktion des § 93 AktG Abs. 2 vergleiche Kapitel 5 C. II. 2. 50 Die Gefahr von Absicherungsstrategien und Defensivverhalten sieht auch Mertens, in: Corporate Governance, Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), 1996, S. 155 (161); ähnlich: Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310). 51 Unternehmerische Entscheidungen trifft zwar in erster Linie der Vorstand, weshalb dieser Unterpunkt vor allem auf ihn zutrifft. Aber auch der Aufsichtsrat hat etwa bei der Auswahl der Vorstandsmitglieder oder der Beratung des Vorstandes unternehmerische Entscheidungen zu treffen. 48
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
Dreher schließt daraus, dass sich die D&O-Versicherung als ein „konstitutives Element der Sicherung unternehmerischer Handlungsfreiheit erweisen“52 könnte. Die Gesellschaft sei an den (positiven) Ergebnissen unternehmerischen Risikos interessiert, daher liege die Herstellung der unternehmerischen Handlungsfreiheit primär in ihrem Interesse.53 Die Gesellschaft hat sicherlich ein Interesse an der Erhaltung der unternehmerischen Risikofreudigkeit. Jedoch kann man den Entscheidungsträgern in Unternehmen keine regelrechte Entscheidungsangst nachsagen. Zudem ist mittlerweile der Haftungstatbestand des § 93 Abs. 2 AktG durch die Rechtsprechung konkretisiert: Der BGH hat im ARAG/Garmenbeck-Urteil54 dem Vorstand einen weiten Handlungsspielraum bei der Eingehung geschäftlicher Risiken eingeräumt. In dem erwähnten Urteil heißt es, „dass dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist.“55 Darin kann man die Berücksichtigung tragender Grundgedanken der so genannten „Business Judgment Rule“ erkennen.56 Dieser Spielraum ist auch Aufsichtsratsmitgliedern zuzubilligen, soweit diese unternehmerische Entscheidungen treffen. Nicht jedes Handeln eines Organmitglieds, das sich im Nachhinein als „Fehler“ oder „Irrtum“ herausgestellt hat, ist also eine Pflichtverletzung. Das wird in der einschlägigen juristischen Literatur auch umfassend dargestellt.57 Zudem hat das Bundesministerium der Justiz am 28.01.2004 den „Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)“ vorgestellt. Der infolgedessen mit Wirkung zum 01.11.2005 in Kraft getretene neue § 93 Abs. 1 S. 2 AktG lautet: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“58 Die hierdurch erfolgte explizite Normierung der Business Judgement Rule wird den betroffenen Entscheidungsträgern, soweit sie sich mit den Haf-
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Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310). Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310). 54 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 135, 244–257. Vgl. hierzu die Literaturnachweise in Fn. 46 auf S. 54. 55 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), unter II.2.b.aa der Entscheidungsgründe, Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 135, 244–257. 56 Ebenso Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (298). 57 Vgl. etwa: Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 90 Rn. 167–168; Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 13a, m. w. N. 58 Entwurfstext, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung finden sich bei den Gesetzentwürfen (dort unter „Corporate Governance“), URL: http://www. bmj.bund.de; vergleiche auch Fn. 3 auf S. 28. 53
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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tungsrisiken beschäftigen, nicht verborgen geblieben sein, sodass sie um ihren Handlungsspielraum wissen. Deswegen ist eine zu starke Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit durch die drohende Haftung nur in sehr begrenztem Maße zu befürchten. Lediglich wegen der Beweislastumkehr hinsichtlich fehlender Pflichtwidrigkeit/fehlenden Verschuldens (§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG) ist eine schädliche Risikovermeidung möglich. Dementsprechend kann eine D&O-Versicherung auch nur in diesem Maße die Handlungsfreiheit wieder herstellen. Im Ergebnis ist es möglich und daher im Interesse der Aktiengesellschaft, die unternehmerische Handlungsfreiheit der Organwalter durch den Abschluss einer D&O-Versicherung zu erweitern – aber eben nur in sehr beschränktem Maße. (d) Ergebnis Der Versuch einer Abgrenzung anhand einer detaillierten Interessenabwägung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Das Personalgewinnungsinteresse fällt als taugliches Kriterium aus den oben genannten Gründen aus, und auch das Sicherungsinteresse der Gesellschaft begründet kein überwiegendes Interesse der Aktiengesellschaft an einer Haftpflichtversicherung zu Gunsten der Organmitglieder, wie sie die D&O-Versicherung eine ist.59 Damit erschöpft sich das zwingende Interesse der Gesellschaft an einer D&O-Versicherung im Wesentlichen in der Sicherung der unternehmerischen Handlungsfreiheit, dieses Interesse besteht aber nur eingeschränkt. Auf der anderen Seite ist das zumindest ebenso große Interesse der Organmitglieder an ihrem Schutz vor persönlicher Inanspruchnahme zu berücksichtigen. Ein überwiegendes Interesse der Gesellschaft am Abschluss der D&O-Versicherung kann jedenfalls nicht festgestellt werden, sodass im Ergebnis weder die Einordnung als Aufwand noch als dienstliche Fürsorgeaufwendung hierauf gestützt werden kann. Daher führt eine Untersuchung des Gesellschaftsinteresses für die Frage, ob eine Vergütung im Sinne des § 113 AktG vorliegt, nicht weiter. cc) Differenzierende Auffassung In der Diskussion zu der Problematik, inwieweit die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung als Vergütung einzuordnen ist, haben sich einige Autoren auch differenzierend geäußert. Lutter/Krieger60 sehen den Abschluss einer D&O-Versicherung nur unter bestimmten Bedingungen als Vergütung an. Sie 59 Das Sicherungsinteresse der Gesellschaft fällt als Argument/Kriterium insbesondere dann aus, wenn die Innenhaftung weitgehend eingeschränkt [vergleiche die in Kapitel 7 A. behandelte Öffnungsklausel] oder ganz aus dem Deckungsumfang ausgenommen ist. Ähnlich Lange, DB 2003, 1833 (1835).
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
verweisen in diesem Zusammenhang auf die Kriterien, die die Finanzverwaltung zur Ermittlung der Einkünfte von Organwaltern aufgestellt hat.61 Werden diese Kriterien erfüllt und wird ein angemessener Selbstbehalt vereinbart, so soll die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung Lutter/Krieger zufolge aus gesellschaftsrechtlicher Sicht keinen Vergütungscharakter haben.62 (1) Erlass des Finanzministeriums zur steuerrechtlichen Behandlung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung Im Bereich des Steuerrechts ist problematisch, ob es sich bei einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung um einen Bestandteil der einkommenssteuerpflichtigen Einkünfte des versicherten Organmitglieds handelt.63 Das Finanzministerium Niedersachsen hat – im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium und den obersten Finanzbehörden der anderen Länder – in einem Erlass zu dieser Frage Stellung genommen.64 Danach sei grundsätzlich von einem überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers (hier der AG) auszugehen, sodass die Beiträge nicht zum Arbeitslohn der versicherten Arbeitnehmer (hier der Organmitglieder)65 gehören. Nach Auffassung des Finanzministeriums gilt dies allerdings nur insoweit, als die folgenden (zusammengefassten) Kriterien erfüllt sind: • Die D&O-Versicherung dient in erster Linie der Absicherung des Unternehmens gegen Schadensersatzforderungen. • Sie enthält Firmenenthaftungsklauseln. • Das Management als Ganzes ist versichert, und Einzelpolicen kommen nicht in Betracht.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 328–330, Rn. 868–
873. 61 Auch Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553), verweisen auf den Erlass des Finanzministeriums, befürworten jedoch eine Einordnung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung als Fürsorgeaufwendung, ohne nach dem Vorliegen der Kriterien zu differenzieren. 62 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 329, Rn. 870. Zustimmend: Doralt, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder (2004), S. 832 Rn. 167. 63 Zu dieser Frage vergleiche: Dreher, DB 2001, 996–1000; Kästner, DStR 2001, 195–200; Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199–204. 64 FinMin. Niedersachsen, Erlass vom 25.1.2002 – S. 2332 – 161 – 35 /S. 2245 – 21 – 31 2; abgedruckt in: DB 2002, 399–400 = DStR 2002, 678. 65 Unabhängig vom arbeits- oder sozialrechtlichen Arbeitnehmerbegriff sind die Einkünfte des Vorstandsmitglieds solche aus nichtselbständiger Arbeit; vergleiche Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (550).
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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• Bei der Prämienkalkulation sind die Betriebsdaten des Unternehmens maßgeblich. • Die Versicherungssumme ist deutlich höher als typischerweise das Privatvermögen. (2) Bewertung des Erlasses aus Sicht der aktienrechtlichen Zuständigkeitsproblematik Fraglich ist, inwieweit der (steuerrechtliche) Erlass des niedersächsischen Finanzministeriums im Rahmen der aktienrechtlichen Diskussion herangezogen werden kann. Für eine Bestimmung des Vergütungsbegriffs nach denselben Kriterien spricht der Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung.66 Indessen ist oben bereits dargelegt worden, dass ein überwiegendes Interesse der Aktiengesellschaft am Abschluss einer D&O-Versicherung nicht ohne weiteres angenommen werden kann. Somit bestehen bereits Zweifel an der Ausgangsthese des Finanzministeriums. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das erste der oben genannten Kriterien: Ob die D&O-Versicherung „in erster Linie“ der Absicherung des Unternehmens gegen Schadensersatzforderungen dient, erscheint fragwürdig, eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist kaum möglich. Unabhängig davon bindet die steuerrechtliche Beurteilung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung deren aktienrechtliche Einordnung keineswegs.67 Insbesondere der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft wird bei der steuerrechtlichen Betrachtung keine Beachtung geschenkt: Die Organisation der Aktiengesellschaft beruht auf einem Modell der Gewaltenteilung68, das unter anderem durch § 113 AktG (aber auch die §§ 84, 87, 112 AktG) gewährleistet wird. Daher kann die Einschätzung der Finanzbehörden bei einer aktienrechtlichen Beurteilung zwar in der Weise berücksichtigt werden, dass die Kriterien Anhaltspunkte geben können. Jedoch muss die aktienrechtliche Kompetenzordnung in erster Linie aus den betreffenden Normen des Aktiengesetzes, hier also § 113 AktG, entwickelt werden. Eine Berücksichtigung der steuerrechtlichen Beurteilung führt folglich nicht weiter.
66 Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553). Ähnlich kann man auch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 201 Rn. 414, verstehen, der auf die Übereinstimmung seiner Auffassung, wonach keine Vergütung vorliegt, mit der steuerlichen Behandlung verweist. 67 Ebenso Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553). 68 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V S. 866.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
dd) Bewertung Zu der Frage der aktienrechtlichen Zuständigkeit beim Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung haben sich zahlreiche Autoren in der Literatur geäußert und sich dabei verschiedener Argumente dogmatischer, systematischer und teleologischer Natur bedient. Letztlich – und hier liegt das eigentliche Problem – unterzieht jedoch keine Auffassung den Vergütungsbegriff einer genauen Bestimmung, um anhand dieser Definition eine Subsumtion vorzunehmen. Vielmehr wird mit dem Sinn und Zweck der Norm argumentiert, der Versuch einer negativen Abgrenzung unternommen oder auf andere Rechtsgebiete verwiesen. Dadurch entfernt man sich allerdings von § 113 AktG und begibt sich der Möglichkeit, anhand einer Definition des Vergütungsbegriffs eine Einordnung im Sinne des AktG vorzunehmen. Dieser Versuch soll im Folgenden unternommen werden. b) Entwicklung eines aktienrechtlichen Vergütungsbegriffes Der Begriff der „Vergütung“ ist in der aktuellen Literatur nicht definiert.69 Um eine Definition entwickeln zu können, wird die Vorschrift zunächst in ihrem historischen und systematischen Kontext untersucht. aa) Historische Genese der Norm § 113 Abs. 1 AktG ist seit der Einführung des AktG 1965 unverändert. Die Regierungsbegründung des AktG 1965 verweist für die Absätze 1–2 des § 113 auf die Vorgängernorm: § 98 AktG 1937 wurde in das AktG von 1965 inhaltlich weitgehend übernommen.70 Auch die Begründung zu § 98 AktG 1937 ist allerdings nicht aufschlussreich – in ihr wird lediglich der Inhalt der Regeln wiederholt.71 Im Ergebnis ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien deshalb keinerlei Anhaltspunkt für die Bestimmung des Vergütungsbegriffs.72
69 Vgl. etwa Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 41, der darauf hinweist, dass das Gesetz keine abschließende Regelung trifft und dass viele Gestaltungsformen existieren. 70 Begründung des RegE zu den Absätzen 1–2 des § 113 AktG 1965; Quelle: Kropf, AktG 1965, S. 157. 71 Amtliche Begründung zu den AktG 1937 §§ 86–99 (am Ende); Quelle: Küch, AktG 1937, S. 287. 72 Im Ergebnis ebenso: Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (303).
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bb) Systematischer Vergleich mit § 87 AktG/§ 285 Nr. 9a HGB In systematischer Hinsicht könnte ein Verweis auf § 87 AktG und § 285 Nr. 9a HGB weiterführen. Beide Normen befassen sich – wie § 113 AktG – mit den Bezügen beziehungsweise der Vergütung von Organwaltern. § 87 AktG behandelt die Bezüge von Vorstandsmitgliedern. Dabei werden in Absatz 1 Satz 1 der Norm in einem Klammerzusatz ausdrücklich auch „Versicherungsentgelte“ zu den (Gesamt-)Bezügen der Vorstandsmitglieder gezählt. Sofern sich dieser Zusatz auf die „Vergütung“ im Sinne des § 113 AktG übertragen ließe, könnte man hierauf eventuell den Vergütungscharakter der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung stützen.73 Eine solcher Schluss setzt aber zweierlei voraus: Zunächst wäre erforderlich, dass mit den Begriffen „Gesamtbezüge“ und „Vergütung“ tatsächlich das Gleiche oder zumindest etwas Vergleichbares gemeint ist – nur dann könnte die Aufzählung in § 87 AktG auf § 113 AktG übertragen werden. Zudem müsste die Klammeraufzählung des § 87 Abs. 1 AktG eine abschließende Regelung dahingehend enthalten, dass jede gesellschaftsfinanzierte Versicherung für Organmitglieder hinsichtlich der übernommenen Prämien ein Teil der Gesamtbezüge ist. Soweit die D&O-Versicherungsprämien schon nicht unter den Klammerzusatz des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG fallen, kann sich hieraus auch keine Schlussfolgerung für die Vergütung im Sinne des § 113 AktG ergeben, sodass es dann auf die Frage der Vergleichbarkeit von Bezügen und Vergütung nicht mehr ankäme. Dabei könnte man zunächst die Auffassung vertreten, dass der Klammerzusatz schlichtweg jede gesellschaftsfinanzierte Versicherung zu Gunsten eines Vorstandmitgliedes den Gesamtbezügen zuordnet, mithin auch die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung. Dass dem aber nicht so sein kann, lässt sich an folgendem Beispiel veranschaulichen: Wird einem Vorstandsmitglied (ausschließlich) für Dienstfahrten ein Wagen zur Verfügung gestellt, so handelt es sich mangels privater Nutzungsmöglichkeit nicht um einen Bezugsbestandteil.74 Hat nun die Gesellschaft für diesen Wagen eine Kraftfahrzeuginsassen-Unfallversicherung abgeschlossen, so handelt es sich zwar eindeutig um eine Versicherung, die dem Organmitglied als Insassen zugute kommt. Diese Versiche73 In dieser Richtung ist Kästner, AG 2000, 113 (116), zu verstehen: Sie hält es für „vertretbar“, die Aufzählung im Klammerzusatz des § 87 auf den Vergütungsbegriff des § 113 anzuwenden. Diesen „systematischen Zusammenhang“ gebraucht sie als Argument für ihre Auffassung, dass die von der Gesellschaft übernommenen D&O-Versicherungsprämien als Vergütung zu betrachten sind. Zustimmend: Krüger, NversZ 2001, 8 (8). Ähnlich auch Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (144). 74 Vgl. Hüffer, Aktiengesetz, § 87 Rn. 3, der (nur) die private (!) Nutzungsmöglichkeit von Dienstwagen den Gesamtbezügen zuordnet. Im Ergebnis ebenso: Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 187. Auch Mertens, AG 2000, 447 (449), stellt auf die Nutzungsmöglichkeit für private Zwecke ab.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
rung stellt aber ebenso wenig einen Bezugsbestandteil dar wie der Dienstwagen selbst; das Organmitglied ist hier nicht in seinem privaten Bereich betroffen.75 Es gibt also gesellschaftsfinanzierte Versicherungen, die keine Bezüge sind, sodass sich der Klammerzusatz in § 87 AktG nicht pauschal auf alle gesellschaftsfinanzierten Versicherungen beziehen kann.76 Dabei sollen die Unterschiede zwischen einer Kraftfahrzeuginsassen-Unfallversicherung und einer D&O-Versicherung nicht übersehen werden. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich aber, dass allein die Aufzählung der „Versicherungsentgelte“ im Klammerzusatz es noch nicht rechtfertigt, die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung zu den Bezügen zu zählen.77 Der Klammerzusatz konstituiert im Ergebnis somit keine Zugehörigkeit von Versicherungsentgelten zu den Bezügen, er ist vielmehr – jedenfalls hinsichtlich der „Versicherungsentgelte“ – als beispielhafte Aufzählung möglicher Bestandteile zu verstehen. Die Frage, ob die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung zu Bezügen/Vergütung zu zählen ist, muss anhand anderer Kriterien ermittelt werden. Da folglich offen bleibt, ob die D&O-Versicherungsprämien überhaupt unter den Klammerzusatz des § 87 AktG fallen, führt der Vergleich mit dieser Vorschrift nicht weiter. Entsprechendes gilt im Hinblick auf § 285 Nr. 9a HGB, diese Norm enthält zum Begriff „Gesamtbezüge“ einen ähnlichen Klammerzusatz wie § 87 AktG. Hier sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass gemäß § 285 Nr. 9a HGB angabepflichtige „Gesamtbezüge“ eines Aufsichtsrates dann vorliegen, wenn es sich um Vergütung im Sinne des § 113 AktG handelt.78 Die Angabepflicht richtet sich also nach der aktienrechtlichen Einordnung.79 Nach diesem Verständnis kann man aus der Betrachtung des § 285 Nr. 9a HGB keine Schlüsse auf die aktienrechtlich zu beurteilende Frage ziehen, ob es sich bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung um eine Vergütung für Aufsichtsratsmitglieder handelt. Festzuhalten bleibt, dass weder der systematische Vergleich mit § 87 AktG noch der mit § 285 Nr. 9a HGB Aufschluss über die Auslegung des § 113 AktG geben. Die Subsumtion der Versicherungsentgelte unter den Vergütungs75
Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (303). Im Ergebnis ebenso: Vetter, AG 2000, 453 (456); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552). 77 Der Umkehrschluss, dass die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung deswegen nicht zu den Gesamtbezügen zu zählen wäre, ist aber auch nicht zulässig. Tendenziell anders: Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 187. 78 Ellrott, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 285 HGB Rn. 167. 79 Ebenso Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (302); Vetter, AG 2000, 453 (456); anderer Auffassung Kästner, AG 2000, 113 (116), die die bilanzielle Behandlung als Indiz für die Einordnung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung als Vergütung versteht. 76
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begriff des § 113 AktG ist daher anhand einer Definition aus der Norm heraus vorzunehmen. cc) Definition Die Literatur zu § 98 AktG 1937 nennt als Vergütungsarten feste Bezüge, Gewinnanteile, Sachleistungen wie etwa freie Wohnungen, Sitzungsgelder, Aufwandsentschädigungen oder Provisionen.80 Der Begriff wird zwar nicht näher definiert, die Aufzählungen verdeutlichen allerdings, dass es um Vermögensvorteile geht, die von der Gesellschaft an das Aufsichtsratsmitglied fließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Mitglied auch Vorteile durch die Gesellschaft erwachsen können, die keine Vergütung sind. So ist etwa ein großer Mitarbeiterstab oder ein luxuriöser Dienstwagen für das Organmitglied in jedem Fall ein gewährter Vorteil. Als Vergütung wird man diesen Vorteil – wie bereits ausgeführt – aber nur dann werten können, wenn er auch privat genutzt werden kann. Es muss also ein Vermögensvorteil gewährt werden, der dem Organmitglied privat zugute kommt.81 Aber auch ein privat gewährter Vermögensvorteil ist nicht automatisch ein Vergütungsbestandteil. Finanziert beispielsweise die Gesellschaft dem Organmitglied dessen Mitgliedschaft in einem Industrieclub, so handelt es sich eindeutig um einen privaten Vermögensvorteil – das Organmitglied erhält die kostenpflichtige Mitgliedschaft, ohne selbst zahlen zu müssen. Dennoch wird man darin dann keine Vergütung erblicken können,82 wenn es gerade die Gesellschaft ist, die die Mitgliedschaft wünscht, und die Mitgliedschaft in erster Linie der Gesellschaft zugute kommt. Ein solcher Fall läge beispielsweise dann vor, wenn das Organmitglied die im Industrieclub geknüpften Kontakte für die Gesellschaft nutzbar macht oder die Gesellschaft dort repräsentiert. Der Vorteil für das Organmitglied ergibt sich in einem solchen Fall nur mittelbar als (notwendiger) Reflex, er ist aber nicht unbedingt intendiert. Die Frage ist, an welchem Merkmal die Abgrenzung vorzunehmen ist. Anhaltspunkt hierfür ist der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 1 AktG. Dort ist von einer Gewährung der Vergütung „für ihre Tätigkeit“ die Rede, Voraussetzung ist also, dass ein Bezug zwischen der Vergütung und der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied besteht. Näher zu klären ist nun, welcher Zusammenhang 80
Schlegelberger/Quassowski, Aktiengesetz 1937, § 98 Rn. 2. Mertens, AG 2000, 447 (448); Vetter, AG 2000, 453 (456). Für § 87 AktG zählt Hüffer, Aktiengesetz, § 87 Rn. 3, die „private“ Nutzung von Flugzeugen und Pkw als Bezugsbestandteil auf. 82 Ebenso Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (307), demzufolge das Gleiche für werterhöhende Umbauten an privaten Immobilien von Organmitgliedern gilt, soweit die Umbauten der Sicherheit des Organmitglieds dienen sollen. 81
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zwischen dem privaten Vermögensvorteil und der Aufsichtsratstätigkeit bestehen muss, damit eine Vergütung im Sinne des § 113 Abs. 1 AktG gegeben ist. (1) Vergütung im Gegenseitigkeitsverhältnis Teilweise wird der Begriff „Vergütung“ in der Literatur dahingehend ausgelegt, dass eine Vergütung nur dann vorliegt, wenn das Organmitglied seine Aufgabe gerade wegen des versprochenen Vermögensvorteils übernimmt.83 Argumentiert wird dabei mit einer Parallele zum Vergütungsbegriff des § 611 BGB. Eine Vergütung im Sinne des § 611 BGB sei nur dann gegeben, wenn der Leistungsempfänger gerade ihretwegen seine eigene Leistung verspreche, insoweit handele es sich bei der Vergütung um eine Hauptleistungspflicht. Entsprechendes müsse auch im Rahmen des § 113 AktG gelten, maßgeblich sei, ob das Organmitglied seine Tätigkeit übernehme, um in den Genuss der D&O-Versicherung zu kommen (do ut des).84 Voraussetzung wäre somit ein „Gegenseitigkeitsverhältnis“ zwischen Vergütungsgewährung und Organtätigkeit.85 Gegen diese Auffassung spricht, dass sie den Vergütungsbegriff unverhältnismäßig einschränkt. Folgte man ihr, wären insbesondere Nebenleistungen der Aktiengesellschaft nicht mehr als Vergütung einzuordnen (so übernimmt das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat nicht deshalb, weil es einen Dienstwagen privat nutzen kann). Derartige Nebenleistungen werden aber im Schrifttum richtigerweise als Vergütung angesehen.86 Auch ließe sich diese Argumentation fortführen: Eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat wird oftmals nicht wegen der direkten Zahlungen übernommen, sondern aus Prestigegründen (bei Politikern oder gesellschaftlichen Repräsentanten) und/oder wegen der Möglichkeit, Einfluss auf die Aktiengesellschaft zu nehmen (Vertreter von Anteilseignern wie Banken, Großaktionären oder Investmentfonds, ehemalige Vorstandsvorsitzende). In solchen Fällen wären direkte Zahlungen nach der eben beschriebenen engen Auslegung ebenfalls keine „Vergü83
Lange, ZIP 2001, 1524 (1527); ähnlich Vetter, AG 2000, 453 (457). Lange, ZIP 2001, 1524 (1527), begründet mit dem fehlenden Gegenseitigkeitsverhältnis, dass keine Vergütung vorliegt: „Da ein Organmitglied seine Aufgabe nicht deshalb übernimmt, um in den Genuss einer Aufsichtsrats-D&O zu gelangen [. . .] [ist] die gesellschaftsfinanzierte Aufsichtsrats-D&O keine Vergütung im [. . .] im Sinne des § 113 Abs. 1 AktG.“ 85 Vgl. Vetter, AG 2000, 453 (457). Ähnlich Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (309), der untersucht, ob der Abschluss einer D&O-Versicherung Gesellschaftsaufwand ist oder ob er „im Sinne einer Gegenleistung“ getätigt wird. 86 In der Literatur wird festgehalten, dass auch Nebenleistungen wie Dienstwagen, Dienstwohnungen oder Warenlieferungen zu Vorzugspreisen unter die Vergütung fallen: Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 11. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 41, spricht allgemein von „festen und variablen Vergütungen, Sitzungsgeldern, Aufwandsentschädigungen und Sachleistungen“. 84
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tung“. Eine derartige Konsequenz zeigt bereits, dass die Begrenzung des Vergütungsbegriffs auf Leistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis schwerlich vertretbar ist. § 113 Abs. 1 AktG spricht auch nur von der Gewährung einer Vergütung „für“ die Tätigkeit. In dieser Formulierung kommt lediglich ein Zusammenhang zwischen Vergütung und Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied zum Ausdruck. Dass der Organwalter die Tätigkeit übernommen hat, um die Leistung zu erhalten, lässt sich dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen. Schließlich ist die oben erwähnte Auffassung aus systematischen Gründen abzulehnen: Laut § 113 Abs. 2 S. 2 AktG kann die Vergütung des ersten Aufsichtsrates nur nachträglich bewilligt werden. In solchen Fällen wissen die Aufsichtsratsmitglieder also noch gar nicht, ob sie überhaupt eine Vergütung erhalten, eine bewusste Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung scheidet naturgemäß aus. Dennoch liegt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 113 AktG eine Vergütung vor. Auf ein Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne eines „do ut des“ kann es daher bei der Vergütung nicht ankommen. (2) Vergütung als Anerkennung Ein Anhaltspunkt für die Bestimmung des Vergütungsbegriffs ergibt sich aus der Literatur zu AktG 1937. So formulieren Schlegelberger/Quassowski, dass die Gesellschaften frei seien in der Art, „wie sie die Tätigkeit des Aufsichtsrates entgelten wollen“87. Nach ihrer Auffassung geht es bei der Vergütung also um ein „Entgelt“ für die Tätigkeit. Anders drückt sich – noch zum AktG 1937, aber schon während der Reform im Jahre 1965 – Natzel aus, der in der Vergütung kein Entgelt für geleistete Arbeit, sondern einen Anerkenntnisbetrag beziehungsweise ein Honorar für die Übernahme von Verantwortung und Risiko sieht.88 Diese Formulierungen von Natzel weisen den richtigen Weg. Insbesondere der Begriff „Anerkenntnisbetrag“ bringt zum Ausdruck, dass es sich bei der Vergütung um eine Leistung der Gesellschaft handelt, die zwar nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, die aber gleichwohl einen Bezug zur Übernahme des Mandates aufweist. Ein so verstandener Vergütungsbegriff deckt sich auch mit dem Wortlaut des § 113 AktG, denn dort heißt es, dass Aufsichtsratsmitgliedern „für ihre Tätigkeit eine Vergütung gewährt werden kann“. Mit „für“ wird klar, dass es einen Bezug zwischen Vergütung und Tätigkeit als Organwalter gibt. Durch die Begriffe „gewährt“ und „kann“ wird deutlich, dass es nur um einen Akt der Aner-
87 88
Schlegelberger/Quassowski, Aktiengesetz 1937, § 98 Rn. 2. Natzel, DB 1965, 1388 (Teil I)/1429 (Teil II), auf Seite 1433.
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kennung für die Tätigkeit geht, die Gewährung eines Vermögensvorteils lediglich fakultativen Charakter hat, also gerade nicht zwingend ist. Abgesehen vom Wortlaut des § 113 AktG lässt sich für ein derartiges Begriffsverständnis anführen, dass Differenzierungen bei der Vergütung nur aufgaben- und funktionsbezogen möglich sind; Unterschiede hinsichtlich der persönlichen Qualifikation oder des Marktwerts des Aufsichtratsmitglieds sind unzulässig.89 Daraus wird ersichtlich, dass die Vergütung keine dem Wert der Tätigkeit des Organwalters entsprechende Gegenleistung darstellt, sondern nur einen Anerkenntnisbetrag. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von einem Ehrensold90 sprechen, den das Aufsichtsratsmitglied erhält. Fasst man die hier entwickelten Merkmale: „privater Vermögensvorteil“, der „als Anerkennung für die Tätigkeit im Aufsichtsrat gewährt“ wird, zusammen, lautet die Definition des Vergütungsbegriffs wie folgt: Vergütung ist jeder private Vermögensvorteil, der einer Person von der Aktiengesellschaft als Anerkennung für die Tätigkeit im Aufsichtsrat gewährt wird.
c) Subsumtion der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung unter den hier entwickelten Vergütungsbegriff aa) Privater Vermögensvorteil Zu klären bleibt, ob die D&O-Versicherung vom Begriff der „Vergütung“ in § 113 AktG erfasst wird. Nach der soeben entwickelten Definition müsste den Organmitgliedern durch den Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&OVersicherung zunächst ein privater Vermögensvorteil erwachsen. Die D&O-Versicherung schützt versicherte Personen vor Haftpflichtansprüchen Dritter oder der Gesellschaft, die durch die Organtätigkeit entstanden sind. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, welche Konsequenzen das Organmitglied im Haftungsfall treffen: Das haftende Organmitglied hat den Schaden in voller Höhe aus seinem privaten (!) Vermögen auszugleichen, was bei größeren Schäden bis zum Ruin des Managers führen kann. Der (partielle)91 (Versicherungs-)Schutz vor privaten Vermögenseinbußen, ohne dafür Prämien zahlen zu müssen, ist daher durchaus als privater Vermögensvorteil zu werten. Das zeigt sich auch an dem Vergleich zu anderen Gütern, die dem Organwalter zur Verfügung gestellt werden. Kann der Organwalter beispielsweise einen Dienstwagen nicht mehr nutzen, muss er zwar auf andere Beförderungsmittel 89
Vgl. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 31–32, m. w. N. Ehrensold ist die Übersetzung des lateinischen Begriffs Honorar. 91 Der Schutz durch die D&O-Versicherung ist natürlich kein umfassender, sondern besteht nur im Rahmen der Deckung. 90
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(etwa ein Taxi) zurückgreifen, er kann aber regelmäßig Aufwendungsersatz verlangen, hat also keine privaten Vermögensnachteile. Es fallen lediglich Annehmlichkeiten weg, die Tätigkeit des Organmitglieds wird umständlicher. Fehlt allerdings der Schutz durch die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, so haftet das Organmitglied im Schadensfall persönlich. Schließt es eigenständig eine D&O-Versicherung ab, so muss es die Prämien selbst finanzieren, ohne dass es einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hätte. Der versicherte Organwalter erhält also einen privaten Vermögensvorteil, der darin besteht, dass er im Versicherungsfall einen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, ohne im Gegenzug dafür die Prämien übernehmen zu müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Organmitglied bereits unmittelbar durch den Abschluss der D&O-Versicherung vermögensmäßig besser gestellt wird. Der Vermögensvorteil liegt nicht etwa erst in der Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall. Das Organmitglied erhält vielmehr schon bei Vertragsschluss einen bedingten Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung,92 ohne dafür die entsprechenden Prämien zahlen zu müssen. Damit steht es finanziell wesentlich besser als ohne D&O-Versicherung. Obwohl ein privater Vermögensvorteil somit offensichtlich vorzuliegen scheint, werden in der Literatur dagegen Einwände erhoben, die der kritischen Überprüfung bedürfen. (1) Die D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung Wegen der Besonderheit der D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung wird das Vorliegen eines Vermögensvorteils zum Teil bezweifelt. Aus dem Umstand, dass nicht das versicherte Organmitglied sondern die Aktiengesellschaft Vertragspartnerin des D&O-Versicherers ist, folgert Olbrich, dass die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung nicht dem privaten Bereich des versicherten Organmitglieds zugeordnet werden kann:93 Die Organmitglieder seien zwar materiell-rechtliche Inhaber des Anspruchs, könnten diesen aber nicht ohne die Gesellschaft durchsetzen, weshalb der Anspruch auf die Versicherungsleistung für sie keinen echten Vermögensvorteil darstelle.94 Richtig an dieser Auffassung ist, dass die Organmitglieder bei der Geltendmachung von Ansprüchen grundsätzlich auf die Mitwirkung der Aktiengesellschaft angewiesen sind. Allerdings ist oben bereits dargelegt worden, dass die 92 Zur Frage, wie der Bereicherungsgegenstand beziehungsweise die herauszugebende Bereicherung bei einer eventuellen Rückabwicklung zu bestimmen ist, vgl. Ziffer III. 2. b). 93 Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 187. 94 Vgl. Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 187.
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Organwalter auf Grund des gesetzlichen Treuhandverhältnisses von der Gesellschaft regelmäßig die Mitwirkung verlangen können. Im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Weigerung durch die Aktiengesellschaft können sich die Organmitglieder häufig direkt an den D&O-Versicherer wenden.95 Die versicherten Organwalter sind also nicht nur Inhaber der Rechte aus dem D&O-Versicherungsvertrag, sondern können diese normalerweise auch geltend machen – mit oder ohne Mitwirkung der Aktiengesellschaft. Der Anspruch auf die Versicherungsleistung ist daher als privater Vermögensvorteil zu werten, der durch die mitunter umständliche Durchsetzung nicht wegfällt. Zudem haben mehrere D&O-Versicherer in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) abweichend von § 76 Abs. 1 VVG dem Organmitglied die Verfügungsbefugnis eingeräumt.96 In solchen Fällen greifen die oben angeführten Bedenken ohnehin nicht. (2) Nicht bezifferbarer Vermögensvorteil Problematisch könnte des Weiteren sein, dass sich der Vermögensvorteil, den das Organmitglied durch den Abschluss einer D&O-Versicherung erhält, nicht genau beziffern lässt. Die Aktiengesellschaft finanziert regelmäßig eine D&O-Versicherung für alle Organmitglieder. Dabei richten sich die zu zahlenden Prämien nach dem versicherten Risiko, welches anhand der folgenden Kriterien zu ermitteln ist: Unternehmensgröße, Rechtsform des Unternehmens, Konzernstruktur, Branchenzugehörigkeit, Aktionärs-/Gesellschafterstruktur, Alter des Unternehmens, Auslandsbezug, Finanzsituation und Steuern.97 Wenngleich auch vorhandene 95 Einzelheiten in Kapitel 4 A. III.; im Ergebnis ähnlich: Kiethe, BB 2003, S. 537 (541). 96 Ausdrücklich weisen beispielsweise die AVB der R+V-Versicherung sowie der Allianz dem Organmitglied das Recht zu, Ansprüche aus der Versicherung geltend zu machen: Ziffer 12.1 ULLA der R+V-Versicherung (Stand 2001): „Anspruch auf Versicherungsschutz können nur die versicherten Personen, im Falle einer Haftungsfreistellung gem. 8.4 die Versicherungsnehmerin, geltend machen. [. . .].“ Ziffer 12.2: „Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht auf Dritte übertragen werden.“ § 8 AVB-O der Allianz: Ziffer 1: „Anspruch auf Versicherungsschutz können vorbehaltlich § 1 Ziff. 3 nur die versicherten Personen geltend machen.“ Ziffer 2: „Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht abgetreten oder gepfändet werden.“ In gleicher Weise muss man wohl die AVB der CHUBB verstehen: OLA 2001 CHUBB: § 9 Nr. 1: „Die Rechte aus dem Vertrag stehen den versicherten Personen oder im Falle der Enthaftungserstattung gemäß § 1 Abs. 2 dem versicherten Unternehmen zu.“ § 9 Nr. 2: Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen oder verpfändet werden.“ Vgl. dazu Kapitel 4 A. III. 2.
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Managementqualitäten Berücksichtigung finden können, wird die Prämienhöhe der abzuschließenden/abgeschlossenen D&O-Versicherung jedenfalls nicht direkt98 durch die Qualität und das Risikoverhalten des einzelnen Organmitglieds beeinflusst.99 Zudem kann bei der zu entrichtenden Gesamtprämie nicht ermittelt werden, welcher Anteil auf welches Organmitglied entfällt. Zwar mag die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds haftungsträchtiger sein als die eines Aufsichtsratsmitglieds, auch lässt sich innerhalb der Vorstandsarbeit zwischen den einzelnen Tätigkeitsbereichen und den damit verbundenen Haftungsrisiken differenzieren,100 wie sich diese Abstufungen zahlenmäßig in Prämienanteilen ausdrücken lassen, bleibt jedoch fraglich. Dabei kann dem Organmitglied auch nicht der Betrag als Vermögensvorteil zugeordnet werden, den es für eine private D&O-Versicherung mit vergleichbarer Deckung aufbringen müsste,101 weil die Prämien einer Einzelversicherung, soweit sie überhaupt noch angeboten wird, im Verhältnis ungleich höher wären als bei einer Firmenpolice.102 Der Vermögensvorteil des einzelnen Organmitglieds lässt sich also mangels Zuordnung nicht beziffern.103 Hinzu kommt, dass viele D&O-Versicherungen eine so genannte Firmenenthaftung beinhalten,104 wonach die Aktiengesellschaft dann Versicherungsschutz erhält, wenn sie das Dritten gegenüber haftende Organmitglied bereits freigestellt hat.105 Diese Versicherungsleistung kommt nicht dem Organmitglied zugute, sondern der Aktiengesellschaft. Mit der Firmenenthaftung enthält die D&O-Versicherung auch solche Leistungen, die den Organmitgliedern keinen Vermögensvorteil bieten. Deshalb müssten, selbst wenn man die Gesamtprämie der D&O-Versicherung auf die einzelnen Organmitglieder umlegen könnte, all diejenigen Leistungen des Versicherers herausgerechnet werden, die für die Organmitglieder keinen Vermögensvorteil darstellen. Weil sich jedoch nicht berechnen lässt, welcher Prämienanteil auf die Firmenenthaftung und welcher auf
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Dazu im Einzelnen: Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 202–206. Eine mittelbare Beeinflussung durch die Qualität des Gesamtmanagements ist schon dadurch immer gegeben, dass sich diese auf die Situation der Gesellschaft auswirkt. Die Situation der Gesellschaft wiederum beeinflusst direkt die Bestimmung des versicherten Risikos bei der Prämienermittlung seitens des Versicherers. 99 Vgl. Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 206. 100 So ist das Haftungsrisiko bei für Produktentwicklung zuständigen Vorstandsmitgliedern im Regelfall höher als das Risiko der mit dem Marketing betrauten Mitglieder. 101 Mertens, AG 2000, 447 (452). 102 Vgl. dazu Kapitel 4 A. I. 103 Mertens, AG 2000, 447 (452); Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 191. 104 Vgl. etwa § 1 Ziffer 2 [Firmenenthaftung] AVB OLA 2001 der CHUBB INSURANCE. 105 Einzelheiten in Kapitel 4 B. IV. 98
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
den Schutz der Organmitglieder entfällt, scheidet eine Bezifferung des Vermögensvorteils für das einzelne Organmitglied auch aus diesem Grund aus. Die fehlende Möglichkeit, den auf das einzelne Organmitglied entfallenden Prämienanteil zu berechnen, wird von einigen Autoren als Argument gegen das Vorliegen eines Vermögensvorteils herangezogen.106 Dabei gehen sie stillschweigend von der Prämisse aus, dass ein Vermögensvorteil bezifferbar sein muss. Dass dem nicht so ist, belegt das folgende Beispiel: Die private Nutzungsmöglichkeit eines Firmenjets stellt unbestreitbar einen Vermögensvorteil dar. Weil es jedoch nur um die Nutzungsmöglichkeit des Flugzeuges geht, lässt sich ein Wert nicht ermitteln.107 Es kann also bei der Frage, ob ein privater Vermögensvorteil vorliegt, nicht auf die Bezifferbarkeit einer Leistung ankommen. Relevant wird dieses Problem vielmehr an einer anderen Stelle: Kommt man zu dem Ergebnis, dass der Abschluss einer D&O-Versicherung Vergütung im Sinne des § 113 AktG ist, muss geklärt werden, welchen inhaltlichen Anforderungen ein entsprechender Bewilligungsbeschluss (beziehungsweise eine entsprechende Satzungsregelung) genügen muss. Soweit die Vergütung der Höhe nach festzusetzen ist, stellt sich die Frage, ob in dem Beschluss (beziehungsweise der Satzung) ein genauer Betrag angegeben werden muss. Dieses Problem wird unter Ziffer III. 1. (S. 142 ff) erörtert. Hier gilt es hingegen nur festzuhalten, dass die mangelnde Bezifferbarkeit nicht gegen das Vorliegen eines privaten Vermögensvorteils spricht. (3) Unwissentlich aufgedrängter Vermögensvorteil Das einzelne Organmitglied hat regelmäßig keinen Einfluss auf den Abschluss einer D&O-Versicherung, weil durch sie alle Organmitglieder versichert werden. Das gilt umso mehr für das neu zu bestellende Organmitglied, das nicht schon vor Beginn seiner Tätigkeit bei der Aktiengesellschaft einen Abschluss oder Nichtabschluss beziehungsweise eine Kündigung eines D&O-Versicherungsvertrages jeweils mit Wirkung für alle Organmitglieder fordern kann. Das Organmitglied kann sich seiner Versichertenstellung und damit dem Vermögensvorteil kaum entziehen.108
106 Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 191; Mertens, AG 2000, 447 (452); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 133. 107 Der Wert der Nutzungsmöglichkeit lässt sich auch nicht im Wege der ersparten Aufwendung ermitteln: Ersparte Aufwendungen kommen nur dann in Betracht, wenn das Organmitglied den Firmenjet tatsächlich genutzt und dadurch anderweitige Aufwendungen erspart hat. 108 Mertens, AG 2000, 447 (452).
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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In einzelnen Fällen weiß ein Organmitglied womöglich überhaupt nicht, dass für es Versicherungsschutz besteht.109 Eine derartige Situation wird zwar wegen der zunehmenden Diskussion um Haftung und Versicherungsschutz nur selten eintreten, dennoch stellt sich die Frage, ob man in der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung noch einen privaten Vermögensvorteil im Sinne des § 113 AktG sehen kann, wenn man unterstellt, dass das Organmitglied nicht um den Vorteil weiß und/oder der Vorteil ein aufgedrängter ist. (a) Besonderheiten auf Grund der Konstruktion als Versicherung für fremde Rechnung Wie oben dargestellt, wird das Organmitglied bereits unmittelbar durch den Abschluss der D&O-Versicherung besser gestellt. Der Vermögensvorteil liegt in dem bedingten Anspruch auf Versicherungsleistung, den der Organwalter – ohne dafür Prämien zahlen zu müssen – im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erwirbt. Zumindest in den Fällen, in denen das Organmitglied vom Abschluss der Versicherung nichts weiß, kann es sich dem Vermögensvorteil somit nicht entziehen. Aber selbst wenn es von einem bevorstehenden Vertragsschluss mit einem D&O-Versicherer erfährt, wird es den Abschluss kaum verhindern können. Dem Organwalter wird also regelmäßig ein Vermögensvorteil aufgedrängt, der Umstand, dass die D&O-Versicherung auch in seinem Interesse abgeschlossen wird, ändert daran nichts. Folgt man der oben ausgeführten Auffassung nicht und erblickt den Vermögensvorteil erst in der Auszahlung der Versicherungsleistung, bedarf es einer differenzierteren Betrachtung: Nach vielen Versicherungsbedingungen ist das Organmitglied selbst befugt, den Anspruch gegen den Versicherer geltend zu machen.110 Erfährt das Organmitglied in einem solchen Fall von seinem Recht auf Versicherungsleistung, kann es sich immer noch entscheiden, ob es die Leistung in Anspruch nehmen will oder nicht. Dem Organmitglied wird die Entscheidungsmöglichkeit bei einer derartigen Vertragsgestaltung also nicht abgenommen, sodass kein aufgedrängter Vermögensvorteil vorliegt. Hat das Organmitglied nach den AVB nicht ausdrücklich die Verfügungsmacht, so stehen ihm die Ansprüche zwar materiell-rechtlich zu, aber nur die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin kann sie gegenüber dem Versicherer auch durchsetzen.111 In solchen Fällen ist zu unterscheiden: Bei einem Außenhaftungsanspruch wird die Gesellschaft den Anspruch auf die Versiche109 In diesem Sinne Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 189, die meint, dass man nicht von einer Gegenleistung sprechen kann, wenn das Organmitglied nicht von der Versicherung wisse. 110 Vgl. Kapitel 4 A. III. 2. 111 Vgl. Kapitel 4 A.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
rungsleistung regelmäßig nicht ohne Mitwirkung des Organmitgliedes geltend machen. Doch selbst wenn die Versicherungsleistung an die Gesellschaft gezahlt wird, hat das Organmitglied gegen die Aktiengesellschaft einen Anspruch auf Auskehrung des geleisteten Betrags.112 Diesen Anspruch muss der Organwalter indes nicht durchsetzen, sodass ihm auch hier kein Vermögensvorteil aufgedrängt wird. Anders fällt die Beurteilung bei der Innenhaftung aus. Wenn die Aktiengesellschaft einen Anspruch gegen das Organmitglied hat, kann sie sich die Versicherungsleistung vom Versicherer ausbezahlen lassen und gegen den Anspruch des Organmitglieds auf Auskehrung der Versicherungsleistung mit ihrem Schadensersatzanspruch aufrechnen.113 Das versicherte Organmitglied hätte also keine Möglichkeit, den Vermögensvorteil zu verhindern. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der D&O-Versicherer in solchen Fällen gemäß § 76 Abs. 3 VVG die Zahlung der Versicherungsleistung an die Versicherungsnehmerin (die Aktiengesellschaft) verweigern kann, weil das versicherte Organmitglied dem Abschluss der Versicherung (mangels Kenntnis oder Wollen) nicht zugestimmt hat (auf eine Zustimmung zur Auszahlung käme es nicht an).114 Der Versicherer muss sich darauf nicht berufen. Zahlt er die Versicherungssumme aus, erhält der versicherte Organwalter den Vermögensvorteil (die Enthaftung durch die Aufrechnung der Gesellschaft) ohne seinen Willen. Selbst wenn man also davon ausgeht, dass der Vermögensvorteil erst mit der Auszahlung der Versicherungsleistung gewährt wird, gibt es Fälle, in denen der Vermögensvorteil dem Organmitglied aufgedrängt wird. Daher ist zu klären, inwieweit es bei der Frage, ob ein Vermögensvorteil vorliegt, auf das Wissen beziehungsweise Wollen des Organmitglieds ankommt. (b) Relevanz des Nichtwissens/Nichtwollens Nach dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 1 AktG wird die Vergütung durch die Gesellschaft „gewährt“. Diese Formulierung legt es nahe, allein auf die Sicht der Aktiengesellschaft abzustellen. Ob das Organmitglied von dem Vermögensvorteil weiß oder diesen überhaupt will, ist bei einer „Gewährung“ nicht entscheidend, erforderlich ist allein ein Willensakt des „Gewährenden“. Das lässt sich mit einem Blick auf den Normzweck bestätigen: § 113 AktG soll die Gesellschaft vor Interessenkollisionen und überhöhten Bezügen schützen.115 Insbesondere hinsichtlich der überhöhten Bezüge kommt es nicht darauf an, ob 112
Vgl. Kapitel 4 A. III. 1. Vgl. Kapitel 4 A. III. 1. 114 Römer, in: Römer/Langheid § 75, 76 Rn. 4. 115 Vgl. Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 1. Einzelheiten zum Zweck der Norm finden sich unter Ziffer 2. b) aa). 113
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das Organmitglied den Vermögensvorteil wollte beziehungsweise davon wusste; der Vermögensverlust für die Gesellschaft tritt unabhängig davon ein. Auch bestimmt § 113 Abs. 2 AktG, dass dem ersten Aufsichtsrat erst nachträglich eine Vergütung gewährt werden kann. In diesen Fällen weiß das Aufsichtsratsmitglied gerade nicht, ob es eine Vergütung erhält. Dennoch liegt eine Vergütung im Sinne des § 113 AktG vor. Bei der D&O-Versicherung wird es wegen der immer offener diskutierten Haftungsrisiken und dem dagegen möglichen Versicherungsschutz im Übrigen kaum Fälle geben, in denen das Organmitglied nicht von der D&O-Versicherung weiß. Auch ist nur schwerlich ein Fall denkbar, in dem der Organwalter den gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherungsschutz ablehnt. Im Ergebnis kommt es aber auf das Wissen und/oder Wollen des Organmitglieds für die Bejahung eines von der Aktiengesellschaft gewährten privaten Vermögensvorteils nicht an. (4) Fazit Die im Schrifttum geäußerten Bedenken vermögen nicht zu überzeugen. Durch den Abschluss der D&O-Versicherung seitens der Aktiengesellschaft erhält das Organmitglied einen privaten Vermögensvorteil.116 Zu klären bleibt, ob dieser Vorteil als Anerkennung für die Übernahme der Aufsichtsratstätigkeit gewährt wird. bb) Gewährung als Anerkennung für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied Der Begriff der „Anerkennung“ bedarf zunächst der Erläuterung. Gemeint ist, dass das Organmitglied eine Art Belohnung für seine Tätigkeit erhalten soll. Der gewährte Vermögensvorteil muss sich demgegenüber nicht als Gegenleistung darstellen, es handelt sich nicht um einen wertmäßigen Ausgleich der Tätigkeit im Aufsichtsrat. Vielmehr geht es lediglich darum, durch die Vergütung die Übernahme des Aufsichtsratsmandates zu honorieren. Dabei bleibt der Belohnungscharakter freilich nur dann gewahrt, wenn der Organwalter – vereinfacht formuliert – auch tatsächlich etwas von dem gewährten Vermögensvorteil hat. Ein in Anerkennung für die Organtätigkeit geleisteter Vermögensvorteil darf sich deshalb nicht in einem bloßen Nachteilsausgleich erschöpfen. Eine Belohnung liegt dann nicht mehr vor, wenn dem Organmitglied lediglich die Nachteile ersetzt werden, die es erst durch die Übernahme der Tätigkeit erleidet. 116 Eine Verbesserung der Vermögenssituation räumt auch Mertens, AG 2000, 447 (451), ein.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
Angesichts dessen erscheint zweifelhaft, ob die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung eine solche Anerkennung darstellt. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass die D&O-Versicherung nicht die ursprüngliche Privatsphäre betrifft, weil sich das versicherte Risiko ausschließlich aus der Tätigkeit für die Gesellschaft ergibt und gerade nicht aus dem privaten Lebensbereich:117 Die Versicherung bewirkt zwar einen privaten Vermögensvorteil, dieser ist aber lediglich eine Reaktion auf das Handeln als Organ der Gesellschaft. Daher versichert sie Risiken, die – gerade im Hinblick auf die Schadenshöhe – nicht im ursprünglichen persönlichen Interesse des Versicherten liegen. Vergleicht man in diesem Zusammenhang die D&O-Versicherung mit Kranken-, Renten- oder Lebensversicherungen, so wird deutlich, dass die zuletzt genannten persönliche Risiken des Organmitglieds versichern, die von der Tätigkeit des Organmitglieds unabhängig sind: Würde das Organmitglied die Organtätigkeit nicht aufnehmen, bräuchte es auch keine D&O-Versicherung. Erst durch die Tätigkeit für die Gesellschaft entsteht das Versicherungsbedürfnis. Eine der anderen – beispielhaft genannten – Versicherungen wäre auch ohne diese Tätigkeit in seinem Interesse. Dem Organwalter werden also durch die D&O-Versicherung nur Nachteile ausgeglichen. Dabei handelt es sich auch fast ausschließlich um potentielle Nachteile, denn bei pflichtgemäßem Verhalten verbleibt für ihn lediglich das Risiko unbegründeter Inanspruchnahme. Das heißt, dass dem pflichtgemäß arbeitenden Aufsichtsratsmitglied durch die D&O-Versicherung kein Anerkenntnis widerfährt. Ein Vergleich mit der Situation, in der sich die Person ohne Übernahme des Aufsichtsratsmandats befände, stützt dieses Ergebnis: Ohne Amtsübernahme wäre das Organmitglied keinerlei Haftungsrisiken ausgesetzt. Es stünde daher besser als bei Mandatsübernahme mit D&O-Versicherung, weil die Versicherung nur einen Teil des Haftungsrisikos abdeckt. Von Anerkennung kann aber bei einem bloßen Nachteilsausgleich, der ohnehin nur partieller Natur ist, nicht gesprochen werden. Daher stellt der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung zwar einen Vermögensvorteil dar, dieser wird aber nicht in Anerkennung der Tätigkeit gewährt.
117 Vgl. Vetter, AG 2000, 453 (457). Auch Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 187, argumentiert auf ähnliche Weise, wenn sie anführt, dass die D&O-Versicherung nicht der Privatsphäre des Organmitglieds zuzuordnen sei, weil sich das Risiko nicht aus dem privaten Lebensbereich ergebe. Ebenso Mertens, AG 2000, 447 (451), der von einem amtsbezogenen Risiko spricht, das nicht in die Privatsphäre falle.
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cc) Ergebnis Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung ist keine Vergütung im Sinne des § 113 AktG. Zwar erhält das Aufsichtsratsmitglied durch die Einbeziehung in den Versicherungsvertrag einen privaten Vermögensvorteil, diese Sachleistung wird dem Organmitglied aber nicht in Anerkennung für die Tätigkeit im Aufsichtsrat gewährt: Es handelt sich um eine bloße Absicherung der Risiken, die dem Organwalter erst durch die Mandatsübernahme entstehen. Die Subsumtion der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung unter den Vergütungsbegriff scheitert letztlich am Wortlaut der Norm. Dieser setzt nämlich mit der Formulierung Gewährung „für ihre Tätigkeit“118 einen Bezug zwischen Organtätigkeit und Vergütung voraus, der nach hier vertretener Auffassung mit der Formel „in Anerkennung“119, an anderer Stelle als „Gegenseitigkeitsverhältnis“120 charakterisiert wird. Diesen spezifischen Bezug weist die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung gerade nicht auf. Zwar setzt die Einbeziehung in den Versicherungsschutz eine Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied voraus, aber der Versicherungsschutz wird eben nicht als Vermögensvorteil für die Tätigkeit gewährt. 2. Analoge Anwendung von § 113 AktG Nach den bisherigen Ausführungen handelt es sich bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung zwar nicht um eine Vergütung im Sinne des § 113 AktG. Weil aber das versicherte Aufsichtsratsmitglied durch die Einbeziehung in den Versicherungsvertrag einen privaten Vermögensvorteil erhält121 und die Anwendung des § 113 Abs. 1 AktG nur am zweiten Merkmal (Gewährung in Anerkennung) scheitert, stellt sich die Frage, inwieweit nicht der Normzweck eine analoge Anwendung gebietet. Das würde gleichermaßen gelten, wenn man – wie ein Teil der Literatur122 – den Vergütungscharakter der D&O-Versicherung am fehlenden Gegenseitigkeitsverhältnis scheitern ließe. a) Allgemeine Voraussetzungen analoger Normanwendung Sofern man auf Grund des Normzwecks eine Norm über ihren Wortlaut hinaus anwendet, handelt es sich – mit den Worten von Larenz123 – um gesetzes118
Vgl. Ziffer 1. b) cc). Einzelheiten siehe unter Ziffer 1. b) cc) (2). 120 Einzelheiten siehe unter Ziffer 1. b) cc) (1). 121 Vgl. Ziffer 1. c) aa). 122 Vgl. Lange, ZIP 2001, 1524 (1527); ähnlich Vetter, AG 2000, 453 (457). Vgl. dazu Ziffer 1. b) cc) (1). 123 Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366. 119
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
immanente Rechtsfortbildung. Eine Voraussetzung dafür ist eine Gesetzeslücke in Form einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes.124 Inwieweit das Schweigen des Gesetzes zu einem Sachverhalt, also das Fehlen einer expliziten Regelung, als planwidrig anzusehen ist, muss anhand der gesetzesimmanenten Teleologie bestimmt werden.125 Eine planwidrige Regelungslücke liegt danach immer dann vor, wenn eine Norm (ein Gesetz) einen Sachverhalt nicht regelt, den es – gemessen an ihren (seinen) eigenen Zielen – regeln sollte/müsste. Darüber hinaus muss für die analoge Anwendung einer Norm eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte vorliegen: Der von der Norm erfasste Tatbestand und der Sachverhalt, auf den die Norm analog angewandt werden soll, müssen aus Sicht der ratio legis gleich zu bewerten sein.126 Der Normzweck, der dem durch die Norm geregelten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge zuordnet, muss also erfordern, dass auch im fraglichen Fall die gleiche Rechtsfolge eintritt. b) Anwendung auf die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung Wer innerhalb der Aktiengesellschaft für den Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung zuständig ist, ist im Aktiengesetz nicht ausdrücklich geregelt, § 113 AktG greift nicht ein. Zu prüfen ist deshalb, ob es der Sinn des § 113 AktG (oder des gesamten Aktiengesetzes) gebietet, diesen Fall besonders zu regeln – dann würde eine planwidrige Regelungslücke vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Konsequenzen ohne eine besondere Regelung der Zuständigkeit eintreten würden: Der Vorstand könnte über die Verteilung solcher Vermögensvorteile entscheiden, die nicht in Anerkennung der Aufsichtsratstätigkeit gewährt werden und demzufolge keine Vergütung darstellen. Ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke somit anhand des Normzwecks zu ermitteln, ist der telos der Norm auch für die Vergleichbarkeit der Sachverhalte maßgeblich: Zeigt sich eine Gesetzeslücke, muss anhand der ratio legis einer Vorschrift ermittelt werden, ob diese zur Schließung der Lücke geeignet ist. Im hier zu beurteilenden Fall ist demgemäß zu prüfen, inwieweit die Ziele des § 113 AktG eine Anwendung auf die gesellschaftsfinanzierte D&OVersicherung erfordern. Da es sowohl zur Ermittlung der Gesetzeslücke als auch zur Feststellung einer rechtlichen Vergleichbarkeit auf die ratio legis der betreffenden Norm ankommt,127 befassen sich die folgenden Ausführungen mit dem Normzweck des 124
Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 370–381. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 374. 126 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 381–382. 127 Insofern macht es im Ergebnis auch kaum einen Unterschied, wenn man auf das Erfordernis einer „Lücke“ verzichten und allein auf Ähnlichkeit und Gleichbehandlung abstellen will, weil es auch danach letztlich die ratio legis ist, mit der eine ana125
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§ 113 AktG. Entscheidend ist, inwieweit Sinn und Zweck des § 113 AktG eine analoge Anwendung auf die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung erfordern. aa) Ermittlung der Normziele Zum Verständnis der ratio legis des § 113 AktG muss man sich verdeutlichen, dass es sich um eine Kompetenznorm handelt. Im Ergebnis geht es in § 113 AktG darum, ob – im Rahmen ihres Anwendungsbereichs – die Hauptversammlung oder der Vorstand über eine bestimmte Maßnahme zu entscheiden haben. (1) Schutz vor überhöhten Bezügen In der Literatur wird folgendes Normziel genannt: § 113 Abs. 1 AktG soll vor überhöhten Bezügen schützen, indem er verhindert, dass der Aufsichtsrat seine Vergütung selbst festsetzt128 oder Vorstand und Aufsichtsrat sich gegenseitig hohe Zuwendungen bewilligen.129 Dagegen wird eingewandt, dass es einer besonderen Regelung zur Verhinderung solcher Insichgeschäfte nicht bedurft hätte, diese seien bereits nach § 181 BGB unzulässig.130 Diese Argumentation erscheint indes nicht überzeugend. § 181 BGB ist durch Satzungsvorschriften grundsätzlich abdingbar,131 während § 113 AktG gerade nicht dispositiv ist132. Erst durch die in § 113 Abs. 1 AktG getroffene Regelung wird verhindert, dass die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat die Kompetenz zur Festsetzung der eigenen Vergütung durch Satzungsbeschluss überträgt. Daher bewirkt § 113 AktG durchaus, dass der Aufsichtsrat nicht über eigene Belange entscheidet. Die Verhinderung überhöhter Bezüge wird über § 113 AktG auch dadurch erreicht, dass innerhalb der Aktiengesellschaft eine gewisse Transparenz hinsichtlich der dem Aufsichtsrat gewährten Vergütung erzeugt wird; zum Teil wird die Publizität sogar als eigener Normzweck angesehen.133 loge Normanwendung begründet wird. Auf die „Lücke“ als Voraussetzung verzichten will etwa Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 618. 128 Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 1; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 3. 129 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 67–68 Rn. 110, spricht vom Schutz vor gegenseitiger „Selbstbedienung“. 130 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527, dort Fn. 36). 131 Vgl. etwa Palandt/Heinrichs, § 181 Rn. 19. 132 Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 6; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 7. 133 Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 3; derselbe, FS Steindorff (1990), S. 173 (174); Lutter, AG 1979, 85 (88, dort Fn. 21).
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(2) Unabhängigkeit des Aufsichtsrates vom Vorstand Neben dem Schutz vor überhöhten Bezügen dient § 113 AktG insbesondere dem Zweck, dass der Vorstand nicht über die Vergütung seines Kontrollorgans befinden kann.134 Könnte der Vorstand über die (finanziellen) Beziehungen zwischen Gesellschaft und Aufsichtsrat bestimmen, so gerieten die Mitglieder des Aufsichtsrats in eine (finanzielle) Abhängigkeit vom Vorstand, wodurch eine Beeinflussung der Aufsichtsratsmitglieder möglich würde.135 Dies verträgt sich aber in keiner Weise mit der Rolle des Aufsichtsrates als Kontrollorgan. Der Kontrollierende muss so weit wie möglich vom Kontrollierten unabhängig sein, damit eine objektive und kritische Überprüfung und Überwachung möglich ist. Einem solchen Verständnis der Norm wird entgegengehalten, dass auch ohne § 113 AktG die Hauptversammlung für die Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung zuständig wäre, die Zuständigkeit folge bereits aus einer Annexkompetenz ihrer Bestellungskompetenz.136 Nach dieser Auffassung hat § 113 AktG im Gegenteil die Funktion, die Kompetenzen der Hauptversammlung hinsichtlich des Aufsichtsrates einzugrenzen. Der alleinige Normzweck des § 113 Abs. 1 AktG wird darin gesehen, der Hauptversammlung die weite Zuständigkeit hinsichtlich des Aufsichtsrates zu entziehen, weswegen der Vergütungsbegriff grundsätzlich eng auszulegen sei.137 Richtig an dieser Argumentation ist, dass auch ohne § 113 AktG die Hauptversammlung für die Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung zuständig wäre, weil sie gemäß § 101 AktG die Aufsichtsratsmitglieder bestellt. Jedoch wäre diese (Annex-)Kompetenz nicht zwingend der Disposition der Satzung entzogen. Durch die Satzung könnte beispielsweise bestimmt werden, dass der Vorstand (oder der Aufsichtsrat selbst) die Vergütung des Aufsichtsrates festlegt. Eine solche Regelung könnte ohne § 113 Abs. 1 AktG für wirksam erachtet werden, ihre Unwirksamkeit stünde jedenfalls nicht zweifelsfrei fest. Erst § 113 Abs. 1 AktG schreibt der Hauptversammlung ausdrücklich und abschließend die Kompetenz hinsichtlich der Vergütung zu. Die besondere Bedeutung der Zahlungen an den Aufsichtsrat kommt auch in § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG zum Ausdruck;138 dort ist für die aktienrechtswidrige 134 Mertens, FS Steindorff (1990), S. 173 (174); derselbe, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 3; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 329, Rn. 870; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 5. 135 Auf die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Aufsichtsrates stellt auch Fischer, BB 1967, 859 (861), ab. Ähnlich Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 67–68 Rn. 110, der einen Normzweck in der Verhinderung unsachlicher Beeinflussung der Aufsichtsratsmitglieder sieht. 136 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527, dort Fn. 36). 137 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527, dort Fn. 36).
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Vergütungsgewährung an Aufsichtsratsmitglieder ein qualifizierter Haftungstatbestand normiert. Anhand dieses Tatbestandes zeigt sich bereits, welchen hohen Stellenwert die Regeln über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder nach der Vorstellung des Gesetzgebers einnehmen sollten: Die strengen Haftungsfolgen von aktienrechtswidriger Vergütungsgewährung lassen sich kaum mit der Annahme vereinbaren, dass der Gesetzgeber durch § 113 Abs. 1 AktG die Kompetenzen der Hauptversammlung diesbezüglich beschränken wollte. Auch aus dem systematischen Zusammenhang mit § 113 Abs. 2 AktG ergibt sich, wie wichtig dem Gesetzgeber die Kontrolle der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung war: § 113 Abs. 2 AktG erlaubt eine Vergütung des ersten Aufsichtsrates nur nachträglich und nur im Wege einer Bewilligung durch die Hauptversammlung (also nicht durch Satzung), um den Einfluss der Gründer einer Gesellschaft einzuschränken. Das ist eine Erweiterung der Kompetenzen der Hauptversammlung im Verhältnis zu den Gesellschaftsgründern. § 113 AktG hat also keine Beschränkung der Kompetenzen der Hauptversammlung zum Ziel, sondern eine explizite und zwingende Regelung hinsichtlich der Vergütungsgewährung (Absatz 1) und zudem eine Kompetenzerweiterung für die Hauptversammlung bezüglich des ersten Aufsichtsrates (Absatz 2). Die klarstellende Regelung der Norm ist angesichts der (jedenfalls so vorgesehenen) Bedeutung des Aufsichtsrats als Kontrollorgan des Vorstands auch erforderlich. § 113 AktG gewährleistet neben den §§ 84, 87, 112 AktG als Kompetenznorm die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft, der ein Modell der Gewaltenteilung zu Grunde liegt139. Gerade die Kontrollaufgabe des Aufsichtsrates ist für die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft von elementarer Bedeutung: § 113 AktG gewährleistet für seinen Regelungsbereich das Organisationsgefüge zwischen Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand.140 bb) Analoge Anwendung zur Wahrung des Normzwecks Um den so verstandenen Normzweck von § 113 AktG zu wahren, muss die Rechtsfolge der Norm in allen Fällen greifen, in denen die Zuständigkeit des Vorstandes zu einer Einschränkung der Kontrollfähigkeit des Aufsichtsrates führen könnte. Das gilt auch beim Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&OVersicherung, durch die die Organmitglieder – wie oben gezeigt – einen Vermögensvorteil erhalten. Könnte der Vorstand über den Abschluss, die Fortführung und über die Vertragsgestaltung von D&O-Versicherungsverträgen frei ent-
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Mertens, FS Steindorff (1990), S. 173 (174). Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V S. 866. Mertens, FS Steindorff (1990), S. 173 (174).
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scheiden, so könnten die Aufsichtsratsmitglieder in eine gefährliche Abhängigkeit geraten,141 infolge derer das innergesellschaftliche System der Gewaltenteilung gestört würde: Dem Vorstand wäre es möglich, sich das Wohlwollen des Aufsichtsrates mit einer Verlängerung, einem erstmaligen Abschluss oder mit einer Verbesserung der Konditionen zu „erkaufen“ – in der gleichen Weise, wie er es ohne § 113 Abs. 1 AktG durch direkte Zahlungen könnte. Damit würde die Entscheidungsautonomie und Unabhängigkeit des Aufsichtsrates142 ausgehöhlt. Vergegenwärtigt man sich, dass der Aufsichtsrat eventuelle Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder (§ 93 Abs. 2 AktG) zu prüfen und gegebenenfalls sogar zu verfolgen hat, erhält die eben beschriebene Abhängigkeit zusätzliche Brisanz: Kommt der Aufsichtsrat seinen diesbezüglichen Pflichten nicht nach, so haftet er selbst gemäß §§ 116, 93 Abs. 2 AktG. Normalerweise besteht für die Aufsichtsratsmitglieder also ein starker Anreiz, eventuelle Ansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen. Schließt der Vorstand hingegen eine D&O-Versicherung zu Gunsten der Aufsichtsratsmitglieder ab, wird die Motivation des Aufsichtsrates, Ansprüche gegen Mitglieder des Vorstandes zu verfolgen, spürbar eingedämmt. Der Vorstand kann also auch insoweit das Verhalten des Aufsichtsrats beeinflussen. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Vorstand im (stillen) Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat eine D&O-Versicherung als „Gegenleistung“ für die Nichtverfolgung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder abschließt, sodass die Aufsichtsratsmitglieder vor den Folgen einer solchen pflichtwidrigen Nichtverfolgung geschützt sind. Ein solch extremer Missbrauch mag ein Einzelfall bleiben, auszuschließen ist er nicht. Jedenfalls wäre mit der Entscheidungsbefugnis des Vorstandes die Möglichkeit einer Beeinflussung des Kontrollorgans Aufsichtsrat verbunden, und zwar in einem sehr sensiblen Bereich: der persönlichen Haftung. An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn in den D&O-Versicherungsverträgen – wie oben gefordert143 – ein angemessener Selbstbehalt vereinbart wird. Zwar ist der Vorteil der Aufsichtsratsmitglieder und damit auch ihre Beeinflussbarkeit in solchen Fällen geringer, allerdings haben die Organwalter auch bei Vereinbarung eines Selbstbehaltes noch ein erhebliches Inte141 Ähnlich: Kästner, AG 2000, 113 (116). In diese Richtung kann man auch Lutter/Krieger verstehen, wenn sie mit Blick auf die Frage, ob die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung eine Vergütung gemäß § 113 ist, darauf hinweisen, dass nach dem Schutzzweck des § 113 „der Vorstand [. . .] nicht die wirtschaftlichen Interessen der Aufsichtsratsmitglieder in der Hand haben“ soll: Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 329, Rn. 870. 142 Die Entscheidungsautonomie und Unabhängigkeit des Aufsichtsrates kommt auch in § 111 AktG Abs. 5 zum Ausdruck. 143 Vgl. Kapitel 5.
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resse an einer D&O-Versicherung, da sie durch diese vor einer unbeschränkten Haftung (bis hin zum privaten wirtschaftlichen Ruin) geschützt werden. Das gilt auch, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung144 einen Selbstbehalt in Höhe von einem Jahresgehalt für angemessen hält: Für den Organwalter ist die Aussicht, allenfalls mit einem Betrag in Höhe seiner jährlichen Bezüge zu haften, wesentlich günstiger als die Perspektive einer unbeschränkten Haftung, die im Regelfall mit der wirtschaftlichen Existenzvernichtung verbunden sein wird. Unabhängig von der Vereinbarung eines Selbstbehaltes wird der Aufsichtsrat also in jedem Fall durch den Abschluss einer D&O-Versicherung begünstigt, sodass die oben beschriebene Gefahr einer unzulässigen Abhängigkeit auch bei einer Eigenbeteiligung des Organmitglieds besteht. Um eine Beeinflussung durch den Vorstand auszuschließen, gebietet es der Normzweck des § 113 AktG, die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung in analoger Normanwendung wie eine Vergütung zu behandeln, sodass die Zuständigkeit für die Versicherung von Aufsichtsratsmitgliedern dem Vorstand entzogen und dem hinsichtlich dieser Frage einzig unabhängigen Gesellschaftsorgan übertragen wird: der Hauptversammlung. Dieses Ergebnis überzeugt auch aus anderen Gründen: Die erheblichen Auswirkungen, die die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung auf die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft hat, wurden in Kapitel 5 bereits eingehend dargestellt. Auch wenn danach (nur) eine D&O-Versicherung mit angemessenem Selbstbehalt mit dem Aktienrecht vereinbar ist, so stellt eine solche Versicherung dennoch einen weit reichenden Eingriff in die Struktur der Gesellschaft dar. Angesichts dessen erscheint es stimmig, dass eine solche Grundlagenentscheidung von der Hauptversammlung getroffen werden muss. Festzuhalten bleibt, dass die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder kein Vergütungsbestandteil ist, es fehlt insoweit an einer Gewährung in Anerkennung der Tätigkeit im Aufsichtsrat. Allerdings gebietet es der Normzweck des § 113 AktG, die Vorschrift auf gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherungen analog anzuwenden. Für den Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages ist somit die Hauptversammlung das innerhalb der Aktiengesellschaft zuständige Organ.
II. Vertretungsmacht Weil es sich bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung nicht um eine direkte Zuwendung der Aktiengesellschaft handelt, sondern der Vermögensvorteil des Aufsichtsratsmitglieds vielmehr in dem durch einen Dritten (den
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Vgl. Kapitel 5 E.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
Versicherer) vermittelten Versicherungsschutz besteht, ist zwischen der Zuständigkeit innerhalb der Aktiengesellschaft und der Vertretungsbefugnis gegenüber dem Versicherer zu unterscheiden. Die Hauptversammlung ist nur innerhalb der Aktiengesellschaft – analog § 113 Abs. 1 AktG – für den Entschluss zuständig, eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung für die Mitglieder des Aufsichtsrates abzuschließen. Der Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages obliegt dagegen dem vertretungsberechtigten Organ. Dabei ist eine rechtsgeschäftliche Äußerung der Hauptversammlung gegenüber Dritten kaum denkbar,145 § 113 AktG jedenfalls begründet keine Vertretungsmacht der Hauptversammlung.146 Daher scheidet die Hauptversammlung als für den Abschluss zuständiges Organ aus. Grundsätzlich ist der Vorstand das Organ, das für die Aktiengesellschaft nach außen rechtsgeschäftlich handelt (§ 78 Abs. 1 AktG). Nur Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft (§ 112 AktG). Eine D&O-Versicherung zu Gunsten von Aufsichtsratsmitgliedern ist aber kein solches, gegenüber dem Vorstand vorzunehmendes Geschäft, sodass es bei der Vertretungsberechtigung des Vorstandes bleibt.147 Die Kompetenzen für den Abschluss einer D&O-Versicherung durch die Aktiengesellschaft stellen sich also wie folgt dar: Die Hauptversammlung ist für die Entscheidung über den Abschluss einer D&O-Versicherung zu Gunsten der Aufsichtsratsmitglieder zuständig. Den Versicherungsvertrag mit dem Versicherer schließt hingegen der Vorstand als vertretungsberechtigtes Organ.
III. Konsequenzen der analogen Anwendbarkeit von § 113 AktG 1. Anforderungen des § 113 AktG (Inhalt der Bewilligung/der Satzungsregelung) Die Hauptversammlung muss, wie gezeigt, über den Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder befinden (§ 113 AktG analog). Dies kann sie gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 AktG analog
145 Das ist allenfalls in den Fällen des AktG § 142 vorstellbar: Mülbert, in: Großkommentar AktG (4. Aufl.), Vor §§ 118–147, Rn. 20–23. 146 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 329– 330, Rn. 871. 147 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 329– 330, Rn. 871; ebenso Kästner, AG 2000, 113 (121), die zwar missverständlich von der „Zuständigkeit“ des Vorstandes spricht, damit jedoch die Vertretungsmacht meint, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt.
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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durch eine entsprechende Regelung in der Satzung oder durch einen Bewilligungsbeschluss tun. a) Satzungsregelung Die Vergütung für Aufsichtsratsmitglieder kann in der Satzung festgesetzt werden (§ 113 Abs. 1 S. 2 Alt 1 AktG). Diese Regelung darf nicht lediglich die Möglichkeit einer Vergütung beinhalten, sondern die Vergütung muss dem Umfang nach bestimmt sein.148 Eine solche Bestimmung der Höhe nach wird bei direkten Zahlungen durch eine Bezifferung des Vergütungsbetrags erreicht. Wie unter Ziffer I. 1. c) aa) (2) dargestellt, ist bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ein genauer Betrag für das einzelne Organmitglied aber nicht berechenbar: Die meisten D&O-Versicherungen enthalten mit der Firmenenthaftung einen Anteil, von dem nicht das Organmitglied, sondern lediglich die Aktiengesellschaft profitiert. Davon unabhängig kann der Anteil an der Gesamtprämie, der auf das einzelne Organmitglied entfällt, nicht berechnet werden, sodass eine Satzungsbestimmung, die den Erfordernissen des § 113 Abs. 1 AktG entspricht, de facto nicht möglich erscheint. Diesen Schluss gilt es allerdings kritisch zu hinterfragen. Dabei lässt sich direkt bei dem Erfordernis der Bestimmtheit des Vergütungsumfangs anknüpfen. Sinn und Zweck des § 113 AktG ist es, die Aktiengesellschaft vor überhöhten Bezügen zu schützen, für eine gewisse Transparenz zu sorgen und jede Einwirkungsmöglichkeit des Vorstands auf den Aufsichtsrat zu unterbinden.149 § 113 AktG verlangt insoweit, dass die Hauptversammlung grundsätzlich auch über die Höhe der Vergütung entscheidet. Wäre der Vorstand berechtigt, die Vergütungsleistungen dem Umfang nach festzusetzen, könnte er den Aufsichtsrat beeinflussen. Daher muss die Hauptversammlung bei direkten Geldzahlungen den Betrag genau beziffern. Bei Sachleistungen hingegen, wie sie die D&O-Versicherung darstellt, ist eine genaue Bezifferung der Vergütung nicht zwingend erforderlich: Die nach § 113 AktG erforderliche Festlegung setzt lediglich voraus, dass durch die Hauptversammlung Inhalt und Höhe der Vergütung festgesetzt werden. Bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung handelt es sich um eine durch Dritte vermittelte (Sach-)Leistung. Auch wenn es – wie eben erörtert – nicht möglich ist, sie zu beziffern, kann sie doch dem Umfang nach dadurch festgesetzt werden, dass die Eckdaten der Versicherung beschrieben werden. Aus diesen lässt sich objektiv feststellen, welchen Inhalt der Versicherungsschutz hat, 148 Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 3; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 143. 149 Einzelheiten unter Ziffer I 2. b) aa).
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
den das Aufsichtsratsmitglied erhält. Die Normziele Transparenz, Begrenzung der Höhe nach und fehlende Einflussmöglichkeiten für den Vorstand werden auch dadurch erreicht, dass alle relevanten Daten des D&O-Versicherungsvertrages in der Satzung enthalten sind. Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur für die Satzung der folgende Passus empfohlen: „Die Gesellschaft unterhält im eigenen Interesse eine angemessene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für ihre Organe und Leitungsverantwortlichen, in die auch die Aufsichtsratsmitglieder einbezogen und auf Kosten der Gesellschaft mitversichert werden.“150 Dieser Passus weist insoweit in die richtige Richtung, als der abzuschließende Versicherungsvertrag zumindest skizziert wird. Allerdings sagt der Ausdruck „angemessene“ Versicherung noch nichts über den genauen Inhalt des Versicherungsvertrages und damit über den Umfang des Vermögensvorteils aus.151 Bei einer derartigen Satzungsbestimmung bliebe dem Vorstand noch immer die Möglichkeit, auf die Mitglieder des Aufsichtsrates einzuwirken, etwa indem er anbietet, einen Vertrag mit besserem Versicherungsschutz abzuschließen. Auch würde ein solcher Passus keine Transparenz bezüglich der an Organmitglieder gewährten Leistungen schaffen: Schon die großen Unterschiede bei der Deckungssumme sowie bei den verschiedenen Ausschlüssen machen augenscheinlich, dass eine „angemessene“ Versicherung den Abschluss einer unzureichenden „Alibi-Versicherung“ ebenso erlaubt wie den einer umfassenden „Vollkasko-Versicherung“. Dementsprechend müssen jedenfalls die Eckdaten des Versicherungsvertrages in der Satzung festgelegt sein.152 Das beinhaltet – soweit möglich – die zahlenmäßige Benennung, etwa der Deckungssumme. Zudem muss deutlich werden, inwieweit der D&O-Versicherungsvertrag Ausschlüsse enthalten soll; dabei reicht auch ein Verweis auf die üblichen Ausschlüsse beziehungsweise auf signifikante Abweichungen hiervon. Eine Satzungsbestimmung, die den Anforderungen des § 113 Abs. 1 S. 2 Alt 1 AktG genügt, könnte etwa wie folgt gefasst sein: „Die Gesellschaft schließt auf ihre Kosten eine D&O-Versicherung für die Mitglieder ihres Aufsichtsrates ab. Diese Versicherung umfasst die Ansprüche von Dritten (Außenhaftung) sowie der Gesellschaft selbst (Innenhaftung), soweit sie auf Fahrlässigkeit des Organmitglieds beruhen. Dabei werden eine Deckungssumme in Höhe von X A und die in den AVB-AVG des GDV enthaltenen Ausschlüsse vereinbart.“ 150
Mutter, ZIP 2002, 1230 (1231). Ähnlich: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 329, Rn. 871; Vetter, AG 2000, 453 (456, dort Fn. 36). 152 Für eine exakte Festlegung der (Vertrags-)Bedingungen durch die Hauptversammlung: Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in: RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (147). 151
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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Soweit signifikante Abweichungen von den in den AVB-AVG des GDV enthaltenen Ausschlüssen vereinbart werden sollen, also Hinzufügungen, Wegfall oder Modifikationen, müssten diese zusätzlich vermerkt werden. Mit einer solchen Satzungsregelung wird der Umfang der Versicherung durch die Vorgabe der Deckungssumme153 und der in den AVB-AVG enthaltenen Ausschlüsse (beziehungsweise bestimmter Abweichungen) bereits beschrieben und die Höhe der Vergütung steht (zumindest weitgehend) fest: Sie besteht in der Finanzierung einer D&O-Versicherung mit einer bestimmten Deckungssumme und den üblichen Ausschlüssen. Eine Satzungsregelung ist also möglich, auch wenn eine Bezifferbarkeit ausscheidet. b) Bewilligung der Hauptversammlung Für den Inhalt der Bewilligung durch die Hauptversammlung gilt das hinsichtlich der Satzungsregelung Ausgeführte entsprechend: Der Beschluss der Hauptversammlung muss den Abschluss einer D&O-Versicherung zu Gunsten der Aufsichtsratsmitglieder mit einer genau zu benennenden Deckungssumme sowie einer Beschreibung der relevanten Ausschlüsse beinhalten. Die Hauptversammlung kann dem Aufsichtsrat auch für eine längere Zeit die Vergütung bewilligen, ein solcher Grundsatzbeschluss gilt bis zu seiner Aufhebung oder Abänderung durch die Hauptversammlung.154 Problematisch ist eine Bewilligung, wenn bereits eine Satzungsregelung vorliegt, die eine Vergütung für die Aufsichtsratsmitglieder der Höhe nach bestimmt. Dann würde nämlich den Mitgliedern des Aufsichtsrates durch die Bewilligung einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung eine Vergütung über die Satzungsregelung hinaus gewährt. Dazu bedürfte es aber einer Satzungsänderung, andernfalls läge eine unzulässige Satzungsdurchbrechung vor.155 Eine solche Satzungsänderung müsste mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen werden: Es handelt sich nicht um eine Herabsetzung der Vergütung, weshalb § 113 Abs. 1 AktG S. 4 nicht greift.156 153
Für die Erforderlichkeit der Angabe der Versicherungssumme (= Deckungssumme): Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 329, Rn. 871. 154 Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 26; Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 3. Inwieweit eine solche Bewilligung explizit als Grundsatzbeschluss gekennzeichnet werden muss (in die Richtung tendierend Vetter, BB 1989, 442 (443), der meint, ein entsprechender Wille der Hauptversammlung müsse im Wortlaut des Beschlusses zum Ausdruck kommen), oder ob der Beschluss lediglich erkennen lassen muss, dass er sich nicht nur auf einen begrenzten Zeitraum bezieht (so die überwiegende Auffassung, vergleiche: Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 26; Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 3; jeweils m. w. N.) soll hier offen gelassen werden. 155 Vgl. Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 113 Rn. 25.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
Festzuhalten bleibt, dass die Hauptversammlung grundsätzlich einen Beschluss fassen kann, der es erlaubt, für die Aufsichtsratsmitglieder eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung abzuschließen. Eine solche Bewilligung kann im Wege eines Grundsatzbeschlusses für unbestimmte Zeit erteilt werden. c) Bewilligung für die Vergangenheit Da die meisten gegenwärtigen D&O-Versicherungsverträge ohne Beteiligung der Hauptversammlung abgeschlossen wurden, stellt sich die Frage, inwieweit eine nachträgliche Bewilligung des Versicherungsvertrages durch die Hauptversammlung möglich ist. § 113 Abs. 2 S. 2 AktG sieht vor, dass für den ersten Aufsichtsrat die Vergütungsbewilligung erst mit der Entlastung zulässig ist. Das Gesetz selbst bestimmt also einen Fall, in dem die Vergütung nachträglich bewilligt werden muss. Darüber hinausgehend wird eine nachträgliche, zeitgleich mit der Entlastung erfolgende Vergütungsbewilligung auch für spätere Aufsichtsräte für zulässig erachtet.157 Dem ist zuzustimmen; es besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen Entlastung und Vergütungsgewährung: In beiden Fällen wird über die Arbeit der Aufsichtsratsmitglieder befunden. Fraglich erscheint jedoch, inwieweit eine Bewilligung zu einem späteren Zeitpunkt als der Entlastung statthaft ist. Für den ersten Aufsichtsrat legt § 113 Abs. 2 S. 2 AktG insoweit fest, dass „erst“ die entlastende Hauptversammlung die Vergütung bewilligen kann, ein späterer Vergütungsbeschluss ist also für den ersten Aufsichtsrat möglich.158 Ob sich diese Regelung vollständig auf die folgenden Aufsichtsräte übertragen lässt, erscheint indes zweifelhaft. Für den ersten Aufsichtsrat besteht eine besondere Lage: Weil sowohl Satzungsregelungen als auch vorherige Satzungsbeschlüsse für den ersten Aufsichtsrat keine Wirkung entfalten beziehungsweise nichtig sind,159 besteht keine Regelung hinsichtlich der Vergütung. In solchen Fällen ist die nachträgliche Gewährung einer Vergütung interessengerecht. Fehlen demnach abschließende160 Regelungen zur Vergütung, kann auch bei späteren Aufsichtsräten nachträglich eine Vergütung bewilligt werden.161 156 Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 33; Kästner, AG 2000, 113 (118). 157 Eine Vergütungsbewilligung für das abgelaufene Geschäftsjahr hält Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 159, für möglich. 158 Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 27; Geßler, in: Geßler/ Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 113 Rn. 38. 159 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 113 Rn. 36–37. 160 „Abschließend“ wird hier dahingehend verstanden, dass die Vergütung eindeutig der Höhe nach oder inhaltlich bestimmt ist. Nicht abschließend wäre eine Satzungsklausel, die eine Mindestvergütung zum Inhalt hätte.
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Anders liegt der Fall, wenn bereits eine abschließende Satzungsregelung (die auch in der Festlegung bestehen kann, dass keine Vergütung zu gewähren ist) oder ein abschließender Bewilligungsbeschluss existiert. Dann haben sich nämlich beide Seiten (Aufsichtsratsmitglieder und Aktiengesellschaft) auf eine Regelung verlassen. Insbesondere würde eine nachträgliche Reduzierung der Aufsichtsratsvergütung das Vertrauen der Aufsichtsratsmitglieder auf das Behaltendürfen der – meist bereits ausgezahlten – Vergütung verletzen. Daher scheidet eine rückwirkende Herabsetzung aus.162 Aber auch eine nachträgliche Erhöhung (etwa in Form einer Mitversicherung in einem D&O-Versicherungsvertrag) ist ausgeschlossen, weil durch die bereits existierende Bewilligung beziehungsweise Satzungsregelung eine abschließende Regelung für die bereits abgelaufenen Geschäftsjahre gegeben ist.163 Zusammenfassend kann man festhalten, dass eine Bewilligung der Vergütung für das abgelaufene Geschäftsjahr zusammen mit der Entscheidung über die Entlastung immer möglich ist. Nach diesem Zeitpunkt ist ein Bewilligungsbeschluss für die Vergangenheit nur dann zulässig, wenn noch keine abschließenden Regelungen über die Vergütung – durch Satzung oder Bewilligung – für den jeweiligen Zeitraum getroffen wurden. Weil in einem Großteil der Fälle bereits Regelungen existieren, die die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zum Gegenstand haben, wird eine nachträgliche Bewilligung einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung nur selten erfolgen können. 2. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 113 AktG Nachdem die Voraussetzungen für den Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung für die Aufsichtsratsmitglieder geklärt sind, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen eintreten, wenn diese nicht eingehalten werden. Zu untersuchen sind also die rechtlichen Folgen eines Vertragsabschlusses allein durch den Vorstand, ohne dass die Hauptversammlung hieran beteiligt wird. Diese Problematik ist von erheblicher Tragweite, weil in der bisherigen Praxis nur beim Abschluss weniger D&O-Versicherungsverträge eine Bewilligung beziehungsweise Satzungsregel existiert, die den Abschluss einer D&O-Versi161
Ebenso bei fehlender Satzungsregelung Kästner, AG 2000, 113 (118). Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 34; für die Herabsetzung gemäß § 113 Abs. 1 AktG S. 4 ebenso: Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/ Kropff, AktG, § 113 Rn. 27; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 150. 163 Gegen eine Änderung der (durch Bewilligungsbeschluss) entstandenen Rechtslage durch einen späteren Beschluss der Hauptversammlung auch OLG Stuttgart, Urteil vom 9. April 1991 (Az: 12 U 206/90), unter I.2 der Gründe, Fundstelle: WM 1991, 1301 (1302). 162
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
cherung beinhaltet. Als Rechtsfolge kommt in erster Linie die Nichtigkeit des gesamten D&O-Versicherungsvertrages in Betracht. Die mögliche Nichtigkeitsfolge hat auch in der Praxis bereits für Verunsicherung gesorgt: So findet sich in den AVB der CHUBB eine Klausel, wonach sich der Versicherer nicht auf die (Teil-)Nichtigkeit des Vertrages beruft, soweit diese darauf beruht, dass „beim Abschluss dieses Vertrages die für die versicherten Unternehmen geltenden gesellschaftsrechtlichen Zustimmungserfordernisse verletzt wurden“164. Selbst wenn man aber von der Wirksamkeit des Vertrages ausgeht, ist zu klären, welche bereicherungsrechtlichen sowie schadensersatzrechtlichen Konsequenzen ein Verstoß gegen § 113 AktG (analog) hat. Dieses Problem ist in der Literatur bisher nicht erörtert worden. a) Nichtigkeit des D&O-Versicherungsvertrages Bei § 113 AktG könnte es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB handeln.165 Ein Verstoß gegen § 113 AktG würde dementsprechend dann zur Nichtigkeit des D&O-Versicherungsvertrages führen,166 wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 134 BGB). aa) § 113 AktG als Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB Ein Verbotsgesetz liegt vor, wenn sich eine Norm gegen den Inhalt beziehungsweise die Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts richtet, das Rechtsgeschäft also als solches untersagt.167 Dabei kommt es auf den Sinn und Zweck des Gesetzes an.168 Der BGH hat einen Fall zu § 113 AktG entschieden, in dem es darum ging, ob durch einen Vertrag zwischen Aktiengesellschaft und Aufsichtsratsmitglied eine zusätzliche Vergütung an das Organmitglied gewährt werden darf. In dem Urteil äußerte der Senat: „Verträge, durch die Aufsichtsratsmitgliedern eine zusätzliche Vergütung für ihre Aufsichtsratstätigkeit – auch für Sonderleistungen 164 165
Quelle: Lange, DStR 2002, 1626 (1629, dort Fn. 55). Ein Verbotsgesetz bejahen: Kästner, AG 2000, 113 (117); Krüger, NversZ 2001,
8 (9). 166 Nichtigkeit nimmt Kästner, AG 2000, 113 (117), an, die es aber (S. 118) für möglich hält, dass eine Bewilligung nach Vertragsschluss den Verstoß gegen § 113 AktG heilen könnte. Allerdings lässt sie diese Frage letztlich unbeantwortet. 167 Vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000 (Az: X ZB 14/00), unter IV. 2. a), Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 146, 202–217; jurisPK/Nassal, § 134 Rn. 4 ff; Sack, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 134 Rn. 30; Palandt/Heinrichs, § 134 Rn. 5. 168 H. Palm, in: Erman, § 134 Rn. 9; Mayer-Maly/Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 134 Rn. 41; Sack, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 134 Rn. 31.
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im Rahmen dieser Aufgaben – gewährt wird, sind wegen Umgehung des § 113 AktG nach § 134 BGB nichtig“169. Damit hat der BGH § 113 AktG implizit als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB eingeordnet.170 Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 113 AktG um eine Vorschrift handelt, die als gesetzliches Verbot zu lesen ist.171 Gegen die Einordnung als Verbotsgesetz wendet sich Lange172. Seiner Meinung nach hat § 113 AktG nicht den Zweck, Rechtsgeschäfte zu verbieten. Vielmehr soll die Vorschrift die Befugnis der Hauptversammlung beschränken.173 Dieses Verständnis vom Normzweck ist jedoch verfehlt, wie oben bereits gezeigt wurde,174 sodass Lange von einer falschen Prämisse ausgeht. Seiner Argumentation hinsichtlich § 134 BGB kann daher nicht gefolgt werden. Allerdings könnte man anführen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht – wie bei dem dem BGH-Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt – um Beraterverträge mit dem Aufsichtsrat handelt, sondern um gesellschaftsfinanzierte Versicherungsverträge mit einem Dritten. Die Frage, ob eine Norm als Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB anzusehen ist oder nicht, lässt sich indes nur einheitlich beantworten175. Eine Unterscheidung je nach Fallgestaltung ist diesbezüglich nicht möglich. Solche Differenzierungen können allenfalls hinsichtlich der Rechtsfolge – Nichtigkeit oder nicht – getroffen werden. Die vom BGH vertretene Auffassung verdient Zustimmung: Sinn und Zweck des § 113 AktG ist – wie oben erörtert176 – der Schutz vor überhöhten Bezügen sowie die Gewährleistung der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates vom Vorstand. Damit richtet sich § 113 AktG grundsätzlich gegen jedes Rechtsgeschäft, durch das Aufsichtsratsmitgliedern eine Vergütung ohne Beteiligung der Hauptversammlung gewährt und mithin die Unabhängigkeit des Aufsichtsgremiums gefährdet wird. § 113 AktG ist deshalb als generelles Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anzusehen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung für Aufsichtsratmitglieder ohne Beteiligung der Hauptversammlung gegen ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB verstößt. 169 BGH, Urteil vom 25. März 1991 (Az: II ZR 188/89) unter 1.a) der Entscheidungsgründe aus. Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 114, 127–137; NJW 1991, 1830– 1833. 170 Kästner, AG 2000, 113 (117 f), bejaht unter Bezugnahme auf das Urteil ein Verbotsgesetz. 171 Mertens, FS Steindorff (1990), S. 173 (179); ähnlich Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 8. 172 Lange, ZIP 2001, 1524. 173 Lange, ZIP 2001, 1524 (1528). 174 Einzelheiten unter Ziffer I. 2. a) aa). 175 Ebenso Krüger, NVersZ 2001, 8 (9). 176 Einzelheiten unter Ziffer I. 2. a) aa).
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bb) „Wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“ (§ 134 BGB) Zu klären bleibt, welche Rechtsfolge der Verstoß gegen das Verbot aus § 113 AktG (analog) für die D&O-Versicherung hat. Nach § 134 BGB ist „ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, [. . .] nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“ Dabei kommt es wiederum entscheidend auf Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes an.177 Der BGH hat in dem bereits erwähnten Urteil ausgeführt, ein Beratervertrag unter Umgehung des § 113 AktG sei nach § 134 BGB nichtig.178 Sowohl die Ausführungen des BGH als auch die zustimmenden Äußerungen in der Literatur179 beziehen sich aber auf Verträge zwischen Aktiengesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied,180 nicht auf Verträge mit Dritten181. Vor diesem Hintergrund lässt sich die BGH-Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf D&O-Versicherungsverträge übertragen. Bei der Frage nach den Rechtsfolgen muss zunächst zwischen dem Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Aufsichtsratsmitglied einerseits sowie dem Verhältnis zwischen AG und Versicherer andererseits differenziert werden: Der Beschluss des Vorstandes, eine D&O-Versicherung für die Aufsichtsratsmitglieder abzuschließen, ist bei Verstoß gegen § 113 AktG (analog) unzweifelhaft unwirksam beziehungsweise gegenstandslos. Ein Vertrag zwischen Gesellschaft und Organwalter, in dem diesem entgegen § 113 AktG (analog) ein solcher Versicherungsschutz versprochen würde, wäre ebenfalls nichtig gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 113 AktG (analog). Problematisch ist demgegenüber die Rechtsfolge für den D&O-Versicherungsvertrag. Zu berücksichtigen ist hier, dass es sich um einen Vertrag zwischen dem Versicherer und der Aktiengesellschaft handelt. Daher wäre von der 177 BGH, Urteil vom 17. Januar 2003 (Az: V ZR 137/02), unter II.2.c)bb)(1) der Gründe. Fundstelle: jurisWeb; H. Palm, in: Erman, § 134 Rn. 11; Mayer-Maly/Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 134 Rn. 103; Sack, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 134 Rn. 57 ff. 178 BGH, Urteil vom 25. März 1991 (Az: II ZR 188/89), unter 1.a) der Entscheidungsgründe. Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 114, 127–137; NJW 1991, 1830–1833. 179 Vgl. etwa Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 5; m. w. N.; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87 (92). 180 In dem vom BGH entschiedenen Fall gehörte die betreffende Person zu dem fraglichen Zeitpunkt nach Auffassung des BGH allerdings nicht dem Aufsichtsrat an. 181 Kein unbeteiligter Dritter wäre etwa eine Gesellschaft, an der das Aufsichtsratsmitglied selbst beteiligt ist. Dementsprechend hat das LG Stuttgart einen Vertrag für nichtig erklärt, der die anwaltliche Beratung durch das Aufsichtsratsmitglied zum Gegenstand hat, auch wenn der Vertrag zwischen der AG und der Anwaltssozietät geschlossen wurde: LG Stuttgart, Urteil vom 27.5.1998 (Az: 27 O 7/98), Fundstelle: BB 1998, 1549 (1552).
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Nichtigkeit mit dem Versicherer auch ein (unbeteiligter) Dritter betroffen,182 der im Zweifel nicht wissen kann, ob eine Satzungsregelung oder eine Bewilligung der Hauptversammlung vorliegt. Ob auch der D&O-Versicherungsvertrag nichtig ist, bedarf deswegen der genaueren Untersuchung. Zunächst ist festzuhalten, dass beim Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages nur die Aktiengesellschaft gegen die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 2 AktG (analog) verstößt. Insoweit ist die Vorschrift im vorliegenden Fall ein lediglich einseitiges Verbotsgesetz.183 § 113 Abs. 1 S. 2 AktG bezieht sich auf die Abläufe innerhalb der AG. In solchen Fällen, in denen ein Verbotsgesetz ein Internum der Gesellschaft betrifft, ist das verbotswidrige Geschäft in der Regel gültig;184 die Nichtigkeit des Vertrages wird nicht vermutet. Anerkannt ist aber, dass auch ein Rechtsgeschäft, das gegen ein einseitiges Verbotsgesetz verstößt, nichtig ist, wenn der Normzweck dies gebietet.185 So hat der BGH für eine Norm aus dem Steuerberatungsgesetz (§ 57 StBerG), die er als einseitiges Verbotsgesetz einordnet, ausgeführt: „Ein Rechtsgeschäft ist nach § 134 BGB [. . .] nichtig, wenn sich das gesetzliche Verbot gerade gegen seine Vornahme richtet.“186 Dieser Grundsatz gilt auch hier: Es kommt darauf an, ob sich § 113 Abs. 1 S. 2 AktG (analog) gerade gegen den Abschluss des durch die Aktiengesellschaft finanzierten D&O-Versicherungsvertrags richtet. § 113 Abs. 1 S. 2 AktG stellt aber genau genommen nur die innergesellschaftlichen Voraussetzungen auf, unter denen eine Vergütung gewährt werden kann. Der D&O-Versicherungsvertrag an sich ist – vor dem Hintergrund des § 113 AktG – völlig unproblematisch, die Verbotsnorm richtet sich gerade nicht gegen
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Ähnlich: Schimmer, in: Managerhaftung (2002), S. 21. Ebenso: Krüger, NVersZ 2001, 8 (9). 184 BGH, Urteil vom 14. Dezember 1999 (Az: X ZR 34/98), unter 3.c) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 143, 283–290, NJW 2000, 1186–1188; vgl. Palandt/ Heinrichs, § 134 Rn. 9; jurisPK/Nassall, § 134 Rn. 6 ff; jeweils m. w. N. Umgekehrt wäre es bei einem Verstoß gegen ein beiderseitiges Verbotsgesetz, dann spricht eine Vermutung für die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes: BGH, a. a. O.; Palandt/Heinrichs, a. a. O., Rn. 8; jurisPK/Nassall, a. a. O. 185 BGH Urteil vom 25. Februar 1999 (Az: IX ZR 384/97), unter II.6 der Gründe: „Zwar richtet sich das Tätigkeitsverbot nur gegen einen Vertragsbeteiligten, den Anwalt. Die Nichtigkeit des Geschäfts ergibt sich jedoch aus dem Zweck des Verbots (vgl. BGHZ 65, 368, 370).“ Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 141, 69–79; NJW 1999, 1715–1717; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1999 (Az: X ZR 34/98), unter 3.c) der Gründe: „Die Unterscheidung führt dazu, daß in den Fällen, in denen das betreffende Verbot allein den einen Teil trifft, die in § 134 BGB vorgesehene Rechtsfolge nur in Betracht kommt, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert“, Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 143, 283–290, NJW 2000, 1186–1188. 186 BGH, Urteil vom 21. März 1996 (Az: IX ZR 240/95), unter I.2.b)aa) der Gründe; Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 132, 229–240; NJW 1996, 1954–1958. 183
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
den Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages als solchen.187 Der Unterschied wird deutlich, wenn man die Ausführungen des BGH zu § 5 StBerG in dem oben genannten Fall betrachtet: Ein Vertrag, der gegen diese Norm verstoße, sei gemäß § 134 BGB nichtig, obwohl sich die Norm nur gegen eine Vertragspartei richte. Der Gesetzeszweck, eine unsachgemäße Beratung und Vertretung des Steuerpflichtigen zu verhindern, könne nämlich nur erreicht werden, wenn „die Erfüllungsansprüche beider Teile vernichtet werden; behält [. . .] der Steuerpflichtige seinen vertraglichen Leistungsanspruch, so könnte er den Steuerberater zur Fortsetzung seiner unerlaubten Tätigkeit zwingen.“188 Anders liegt der Fall bei der D&O-Versicherung: Weder der Versicherer noch das Organmitglied werden durch den Vertrag zu einer unerlaubten Handlung gezwungen. Zudem liegt der Grund für den Verstoß in der nicht beachteten innergesellschaftlichen Zuständigkeit, das Verbot richtet sich nicht gegen die Prämienzahlung an sich. Einzig problematisch ist die Verpflichtung der Aktiengesellschaft, weiterhin die D&O-Versicherung über Prämien zu finanzieren und so dem Aufsichtsratsmitglied aktienrechtswidrig eine Vergütung zu gewähren. Dieses Problem stellt sich vor allem deshalb, weil § 113 Abs. 1 S. 2 AktG die Gesellschaft und damit die Aktionäre vor überhöhten Bezügen schützen soll.189 Bliebe nun die Aktiengesellschaft weiterhin verpflichtet, die Prämien zu zahlen, weil der D&O-Versicherungsvertrag wirksam ist, so würde die Hauptversammlung für die Laufzeit des Vertrages faktisch zur Bewilligung dieser Leistungen gezwungen, um die Rechtswidrigkeit der Handlung zu beseitigen. Dadurch würde der intendierte Schutz von Aktiengesellschaft und Aktionären letztlich unterlaufen. Allerdings können die D&O-Versicherungsverträge regelmäßig zum Jahresende gekündigt werden,190 sodass die AG kurzfristig den rechtswidrigen Zustand durch Kündigung beheben könnte. Hinsichtlich bereits gezahlter Prämien kommen dann Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche in Betracht.191 Im Ergebnis würde so der Schutz der Aktiengesellschaft sowie der Aktionäre weitgehend gewahrt, ohne dass die Nichtigkeit des Vertrages erforderlich wäre. Für die Nichtigkeit könnte man hingegen anführen, dass § 113 AktG in der Praxis wohl zunehmend umgangen würde, wenn der D&O-Versicherungsvertrag weiter wirksam wäre, weil eine Nichtbeachtung sanktionslos bliebe. Dabei 187 Anders ist dies hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 93 AktG Abs. 2, der sich gegen den Inhalt des Vertrags richtet; vergleiche Kapitel 5 F. 188 BGH, Urteil vom 21. März 1996 (Az: IX ZR 240/95), unter I.2.a) der Gründe; Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 132, 229–240; NJW 1996, 1954–1958. 189 Vgl. Ziffer I 2. b) aa) (1). 190 Vgl. etwa die mindestens einjährige Laufzeit bei der R+V mit der automatischen Verlängerung, soweit nicht spätestens drei Monate vorher gekündigt wird: Ziffer 3.4 ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001). 191 Dazu sogleich unter lit. b)–c).
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würde man aber übersehen, dass die Wirksamkeit des D&O-Versicherungsvertrages nicht gleichbedeutend mit der Folgenlosigkeit des Verstoßes gegen § 113 AktG (analog) ist. Vielmehr kommen andere Rechtsfolgen in Betracht, etwa ein Schadensersatzanspruch der AG gegen die Aufsichtsrats- und/oder Vorstandsmitglieder gemäß §§ 93 Abs. 3 Nr. 7, 113, 116 AktG sowie ein Bereicherungsanspruch der Gesellschaft gegen die Aufsichtsratsmitglieder.192 Insofern erfordert es der Zweck der Norm gerade nicht, dass der D&O-Versicherungsvertrag nichtig ist. Gegen die Nichtigkeit des D&O-Versicherungsvertrages lässt sich schließlich § 82 Abs. 1 AktG anführen.193 Diese Norm regelt die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis des Vorstandes. Normzweck ist der Verkehrsschutz,194 der Schutz des Rechtsverkehrs soll – einem allgemeinen Grundsatz des deutschen Rechts folgend – dem Schutz des Vertretenen vorgehen.195 Darin kommt zugleich das generelle Prinzip zum Ausdruck, dass zwischen interner Zuständigkeit und externer Befugnis zu unterscheiden ist.196 Gegen die Heranziehung des § 82 Abs. 1 AktG lässt sich auch nicht einwenden, die Norm betreffe nur innergesellschaftlich vereinbarte Beschränkungen und nicht solche, die sich aus dem Gesetz, hier § 113 AktG ergeben.197 Zwar ist die Vertretungsmacht des Vorstandes durch Gesetz beschränkbar,198 jedoch handelt es sich bei § 113 Abs. 1 S. 2 AktG um eine Vorschrift, die das Innenverhältnis der Aktiengesellschaft regelt. Es wird gerade keine Zuständigkeit der Hauptversammlung nach außen begründet, sondern der Vorstand bleibt vertretungsberechtigt für den Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung.199 § 113 Abs. 1 S. 2 AktG beschränkt also nicht die Vertretungsmacht des Vorstandes und regelt keine gesetzliche Ausnahme von dem in § 82 Abs. 1 AktG zum Ausdruck kommenden Grundsatz, dass die internen Zuständigkeiten der Aktiengesellschaft regelmäßig 192 Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 102. Ähnlich Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 113 Rn. 40, der – allerdings bezüglich der Regeln für den ersten Aufsichtsrat – ausführt: „. . . ohne rechtswirksame Bewilligung der Hauptversammlung gezahlte Vergütungen sind zurückzugewähren. Eventuell besteht auch eine Schadensersatzpflicht von Vorstand und Aufsichtsrat nach §§ 93 II Nr. 7, 116.“ Für den ersten Aufsichtsrat ebenso: Meyer-Landrut, in: Großkommentar AktG (3. Aufl.), § 113 Anm. 4. 193 Krüger, NVersZ 2001, 8 (9). 194 Hüffer, Aktiengesetz, § 82 Rn. 1. 195 So die Begründung des Regierungsentwurfes (RegE AktG 1965) zu § 82 AktG, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 103. 196 Ähnlich: Krüger, NVersZ 2001, 8 (9). 197 So aber Lange, ZIP 2001, 1524 (1529), der im Ergebnis von schwebender Unwirksamkeit des D&O-Versicherungsvertrages ausgeht. 198 Ausdrücklich die Begründung des Regierungsentwurfes (RegE AktG 1965) zu § 82 AktG, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 103: „soweit nicht das Gesetz selbst Ausnahmen vorsieht“. 199 Vgl. dazu Ziffer II.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
nicht die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften beeinträchtigen. Daher spricht der Rechtsgedanke des § 82 Abs. 1 AktG für die Wirksamkeit des Vertrages. Zwischenfazit: Der Beschluss beziehungsweise die Festsetzung des Vorstandes, zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder eine D&O-Versicherung abzuschließen, ist nichtig beziehungsweise gegenstandslos. Der D&O-Versicherungsvertrag hingegen, der ohne die erforderliche Mitwirkung der Hauptversammlung (Bewilligung oder Satzung) geschlossen wurde, bleibt wirksam.200 b) Bereicherungsanspruch der AG gegen die Aufsichtsratsmitglieder Etwaige Folgeansprüche der Aktiengesellschaft gegen die beteiligten Organwalter wurden bis dato noch nicht beleuchtet. Die Ausführungen in der Literatur erschöpfen sich in der Frage, inwieweit ein Verstoß gegen § 113 AktG vorliegt und ob der D&O-Versicherungsvertrag nach § 134 BGB nichtig sein könnte. Die daraus zu ziehenden Konsequenzen hingegen wurden bislang nicht beachtet. Nimmt man aber einen Verstoß gegen § 113 AktG (analog) an, so ist es zwingend, dass sich eine solche Zuwiderhandlung auf die Rechtsbeziehungen der beteiligten Personen auswirkt. Hier soll der Versuch unternommen werden, die Rückabwicklung im Einzelnen darzustellen. Auch wenn der D&O-Versicherungsvertrag trotz Verstoßes gegen § 113 AktG (analog) wirksam bleibt, stellt sich dennoch die Frage nach der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung.201 Das betrifft auf Grund des weiterhin gültigen Vertrages202 nicht die Beziehungen zum D&O-Versicherer, insoweit bleibt der Rechtsgrund für den erfolgten Leistungsaustausch bestehen.
200 Im Ergebnis ebenso: Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1345 Rn. 25; Krüger, NVersZ 2001, 8 (9); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 330, Rn. 873; Schimmer, in: Managerhaftung (2002), S. 21. 201 Von einer Rückgewähr nach Bereicherungsrecht für Zahlungen ohne Rechtsgrund (Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss) geht auch Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 102, aus. 202 Soweit man von der Nichtigkeit des D&O-Versicherungsvertrages ausginge, wäre man vor erhebliche bereicherungsrechtliche Schwierigkeiten gestellt. Neben der Frage nach einer (kondizierbaren) Bereicherung des Aufsichtsratsmitglieds, die sich auch hier stellt (dazu weiter unten), müsste insbesondere geklärt werden, in welchem Verhältnis abzuwickeln wäre: Es wären – bereicherungsrechtlich gesehen – sowohl das Valutaverhältnis (Aktiengesellschaft-Aufsichtsratsmitglied) als auch das Deckungsverhältnis (Versicherer-Aktiengesellschaft) fehlerhaft (so genannter Doppelmangel). Hat etwa die Aktiengesellschaft keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen, was einige AVB vorsehen, so wäre sie womöglich nicht bereichert und der Versicherer wäre auf einen Kondiktionsanspruch gegen das versicherte Organmitglied angewiesen – gegebenenfalls nach § 822 BGB, soweit die Aktiengesellschaft keinen Anspruch gegen das Organmitglied hat.
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In Betracht kommt aber ein Bereicherungsanspruch der Aktiengesellschaft gegen das begünstigte Aufsichtsratsmitglied.203 Das Aufsichtsratsmitglied könnte nämlich durch den Versicherungsschutz einen kondizierbaren Vermögensvorteil erlangt haben. Für diesen Vermögensvorteil gäbe es auch keine Rechtsgrundlage: Rechtsgrund der Vergütung ist das Amtsverhältnis (oder – je nach Sichtweise – ein dadurch begründetes Schuldverhältnis) zusammen mit der entsprechenden Satzungsregelung oder dem Bewilligungsbeschluss durch die Hauptversammlung.204 Eine solche Bewilligung oder Satzungsfestlegung fehlt aber gerade, der Festsetzungsbeschluss des Vorstandes, eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder abzuschließen, entfaltet keine rechtliche Wirkung.205 Zunächst soll die Dreieckskonstellation zwischen Organmitglied, Versicherer und Aktiengesellschaft aus bereicherungsrechtlicher Sicht veranschaulicht werden. aa) Bereicherungsrechtliches Dreiecksverhältnis Es handelt sich bei der vorliegenden Konstellation um ein bereicherungsrechtliches Dreiecksverhältnis, wobei der D&O-Versicherungsvertrag wegen seiner Ausgestaltung als Versicherung für fremde Rechnung einem Vertrag zu Gunsten der versicherten Organmitglieder (§ 328 BGB) zumindest ähnelt.206 Hier ist (bereicherungsrechtlich ausgedrückt) das Valutaverhältnis zwischen der Aktiengesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied mangels Rechtsgrund gestört, in solchen Fällen hat die Abwicklung in diesem Verhältnis zu erfolgen.207 Fraglich ist aber, worin genau der kondizierbare Vermögensvorteil des Aufsichtsratsmitglieds liegt.
203 Einen Bereicherungsanspruch – allerdings bei nichtigem Beratervertrag – gegen das Aufsichtsratsmitglied bei Verstoß gegen §§ 113, 114 AktG bejaht das LG Stuttgart, Urteil vom 27.5.1998 (Az: 27 O 7/98), Fundstelle: BB 1998, 1549. 204 Hüffer, Aktiengesetz, § 113 Rn. 2; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 8; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 113 Rn. 10; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 28. 205 Vgl. Ziffer 2 a) bb). 206 Zur Versicherung für fremde Rechnung: Römer, in: Römer/Langheid, § 74 Rn. 3. Von einem unechten Vertrag zu Gunsten Dritter geht Kiethe, BB 2003, 537 (541, dort Fn. 75), aus; einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter nimmt hingegen Schilling, in: Verantwortlichkeit im Wirtschaftsrecht (2002), S. 209 (213), an. 207 Für den Vertrag zu Gunsten Dritter beim gestörten Valutaverhältnis vergleiche: jurisPK/Martinek, § 812 Rn. 131; Palandt/Sprau, § 812 Rn. 57; Lorenz, in: Staudinger BGB (13. Bearbeitung), § 812 Rn. 37.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
bb) Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Versicherungsleistungen (1) Darstellung der unterschiedlichen Ansätze Den genauen Leistungsgegenstand zu identifizieren, erweist sich als schwierig. Insoweit sind verschiedene Ansätze denkbar: Inhalt der Leistung(-spflicht) des Versicherers ist nach einer Auffassung die abstrakte Gefahrtragung (so genannte Gefahrtragungstheorie)208. Nach dieser Ansicht ist der Versicherer schon vor Eintritt des Versicherungsfalls zu bestimmten Vorsorgemaßnahmen verpflichtet, so soll zu seiner Leistung etwa die Bereitstellung und Verwaltung von Mitteln für den Schadensfall gehören. Folgt man dieser Auffassung, hat der Versicherer unabhängig vom Anspruch auf Versicherungsleistung etwas geleistet, der Versicherte mithin etwas erlangt.209 Demgegenüber vertritt die derzeit herrschende Meinung, dass der Versicherer lediglich zur Geldleistung im Versicherungsfall verpflichtet ist. Danach erhält der Versicherte mit Abschluss des Versicherungsvertrages einen bedingten Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall (so genannte Geldleistungstheorie)210.211 208 Vertreten etwa durch: Bruck, Privatversicherungsrecht, S. 364 ff; Bruck/Möller, VVG, § 1 Anm. 40–43, § 22 Anm. 4; Möller, in: Rohrbeck (Hrsg.), Aktuelle Probleme der Versicherungswirtschaft (1954), S. 137 ff; Reichert-Facilides, in: FS Sieg (1976), S. 421 ff; LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 7. Dezember 1984 (Az: 3 C 342/84), Fundstelle: VersR 1985, 937. 209 Vgl. Bruck/Möller, VVG, § 1 Anm. 40–43, § 22 Anm. 4; LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 7. Dezember 1984 (Az: 3 C 342/84), Fundstelle: VersR 1985, 937. 210 Vertreten etwa durch: Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 89 ff; Prölss, in: Prölss/Martin, § 1 Rn. 21, 22, 25; Richter, Privatversicherungsrecht, S. 52; Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen (1968), S. 66– 67; Siebert, in: Rohrbeck (Hrsg.), Aktuelle Probleme der Versicherungswirtschaft (1954), S. 125 (128 ff); OLG Karlsruhe, Urteil vom 2. Juli 1987 (Az: 12 U 12/87), Fundstelle: VersR 1988, 128; LG Hamburg, Urteil vom 11. Juni 1987 (Az: 2 S. 199/ 86), Fundstelle: NJW 1988, 215 (216). 211 Beim nichtigen Versicherungsvertrag, für den der Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung teilweise geführt wurde, würde der Versicherte weder einen bedingten Anspruch (Geldleistungstheorie) erhalten noch hätte der Versicherer tatsächlich die Gefahr des Versicherungsfalleintritts getragen (Gefahrtragungstheorie); der Versicherer hätte genau genommen nichts geleistet [Kohler, VersR 1988, 563 (563– 564), spricht von der Leistung eines „Nullum“, die Deckungszusage des Versicherers sei gegenstandslos. Zustimmend: Lieb, in: Münchener Kommentar zum BGB (3. Aufl.), § 812 Rn. 298 b.]. Daher müsste man unabhängig davon, welcher Theorie man folgt, jedenfalls für den nichtigen Versicherungsvertrag zu dem Ergebnis kommen, dass eine Leistung des Versicherers nicht vorliegt, soweit keine Versicherungszahlungen erfolgt sind [So wird man auch Kohler, VersR 1988, 563, verstehen müssen, der, ohne sich zu dem Theorienstreit zu äußern, bei nichtigem Vertrag keine Leistung des Versicherers in der Deckungszusage sieht. Anderer Auffassung: Bruck/Möller, VVG, § 22 Anm. 4, die – unter Berufung auf die Gefahrtragungstheorie – auch bei nichtigem Vertrag von einer Leistung des Versicherers ausgehen und daher eine Bereicherung des Versicherten bejahen.]. Auf den hier vorliegenden Fall der gesellschaftsfinan-
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Neben diesen gängigen Auffassungen wäre es im vorliegenden Fall auch denkbar, bei der Bestimmung der herauszugebenden Bereicherung an die Prämienzahlung anzuknüpfen: Der Organwalter könnte als Vermögensvorteil auch die von der Aktiengesellschaft erbrachten Prämienzahlungen in Form von ersparten Aufwendungen erlangt haben. (2) Stellungnahme Nach der Gefahrtragungstheorie schuldet der Versicherer neben der Zahlung im Versicherungsfall konkrete Vorsorgemaßnahmen wie etwa die Bildung von Rücklagen.212 Wäre der Versicherer jedoch tatsächlich zu solchen Maßnahmen verpflichtet, könnte der Versicherte sie seinerseits einklagen und damit erheblich in die Unternehmenspolitik des Versicherers eingreifen.213 Dadurch würde die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Versicherers unzulässig beschränkt. Die Klagebefugnis wollen daher selbst Anhänger der Gefahrtragungstheorie weitgehend ausschließen.214 Wenn die Verpflichtung Vorsorge zu treffen aber nicht einklagbar sein soll, kann sie auch keine primäre Leistungspflicht sein; es handelt sich lediglich um eine Nebenpflicht, deren Verletzung gegebenenfalls Schadensersatzansprüche auslöst.215 Aus diesem Grund sind die angesprochenen Vorsorgemaßnahmen lediglich als bloße Vorbereitungshandlungen einzuordnen.216 Dabei trägt der Versicherer zwar die Gefahr, im Versicherungsfall dem Versicherten den Schaden ausgleichen zu müssen, rechtlich betrachtet handelt es sich dabei aber nicht um eine Leistung, sondern lediglich um die Beschreibung eines (Haftungs-)Zustands:217 Nur wirtschaftlich gesehen kann man von einer Gefahrtragung durch den Versicherer sprechen. Dies wirkt sich jedoch nicht auf die Bestimmung des Leistungsgegenstandes in rechtlicher Hinsicht aus. Vor diesem Hintergrund muss die Gefahrtragungstheorie abgelehnt werden. Fraglich ist weiter, ob der Bereicherungsgegenstand im vorliegenden Fall in den ersparten Aufwendungen des Organmitglieds zu sehen ist, mit der Folge, zierten D&O-Versicherung wirken sich die unterschiedlichen Theorien jedoch in jedem Fall aus: Der Versicherungsvertrag ist – wie oben ausführlich erläutert – weiterhin wirksam. 212 Vgl. Bruck, Privatversicherungsrecht, S. 367. 213 Man stelle sich vor, mehrere Versicherte klagen gegen einen Versicherer auf Unterlassung des Kaufs eines Aktienpaketes, weil diese Kapitalanlage auf Grund des Risikos als Rücklage ungeeignet sei. 214 Etwa Reichert-Facilides, in: FS Sieg (1976), S. 421 (428), der eine Klage nur in Extremfällen für denkbar hält und selbst dann auf ein eventuell fehlendes Rechtsschutzinteresse hinweist (ebenda Fn. 24a). 215 Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 90. 216 Prölss, in: Prölss/Martin, § 1 Rn. 22. 217 Richter, Privatversicherungsrecht, S. 52.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
dass der Organwalter der Aktiengesellschaft die Prämien zu erstatten hätte, die diese an den D&O-Versicherer gezahlt hat. Dabei ist zunächst schon zweifelhaft, ob es sich bei den ersparten Aufwendungen überhaupt um einen Bereicherungsgegenstand handelt oder ob nicht vielmehr die ersparten Aufwendungen erst bei der Wertermittlung (§ 818 BGB) einer anderweitig zu bestimmenden Leistung heranzuziehen sind.218 Unabhängig davon ist jedoch festzuhalten, dass die Annahme, jemand habe einen Vermögensvorteil in Form von ersparten Aufwendungen erlangt, notwendigerweise an eine hypothetische Erwägung anknüpft: der Überlegung, welche Aufwendungen der Empfänger ohne die erhaltene Leistung getätigt hätte. Bei derartig hypothetischen Überlegungen ist jedoch grundsätzlich Zurückhaltung geboten; dementsprechend wird auf eine etwaige Aufwendungsersparnis regelmäßig erst dann abgestellt, wenn die Leistung wegen ihrer Natur nicht mehr herausgegeben werden kann (insbesondere bei nicht-gegenständlichen Leistungen wie bloßen Gebrauchsvorteilen, Dienstleistungen etc.)219. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die hier anzustellende hypothetische Erwägung, der Organwalter hätte sich bei fehlendem Versicherungsschutz selbst versichert, besonders problematisch ist. Kann schon im Normalfall nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Leistungsempfänger hätte sich die erhaltene Leistung ansonsten anderweitig erkauft, ist hier zu berücksichtigen, dass es dem einzelnen Organmitglied überhaupt nicht möglich gewesen wäre, sich selbst zu versichern: Eine – theoretisch denkbare – D&O-Einzelpolice kommt in der Praxis nicht vor.220 Vor diesem Hintergrund erscheint es bedenklich, bei der Bestimmung des herauszugebenden Vermögensvorteils an die von der Aktiengesellschaft geleisteten Prämien anzuknüpfen. Gegen eine solche Sichtweise spricht auch der Vergleich mit einer rechtlich ähnlichen Situation, in der ebenfalls nicht die gezahlten Versicherungsprämien zurückgefordert werden können: Die oben aufgezeigte Dreiecks-Konstellation ähnelt derjenigen beim Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu Gunsten einer dritten Person (= Nichterben); derartige Verträge werden gemeinhin 218 Vgl. H. P. Westermann: „§§ 812 und 818 unterscheiden offensichtlich zwischen dem ursprünglich Erlangten und der ,Bereicherung‘.“ H. P. Westermann zufolge setzt sich daher die Ansicht durch, „die den Bereicherungsgegenstand in dem erlangten nicht-gegenständlichen Vorteil, also im Gebrauch, der Beförderung, der Arbeitsleistung erblickt und die Auswirkungen dieses Vorteils im Vermögen des Bereicherungsschuldners erst im Rahmen des § 818 berücksichtigt.“, in: Erman, § 812 Rn. 9 m. w. N. 219 Vgl. etwa die Beispiele bei Palandt/Sprau, § 812 Rn. 28–30 sowie bei H. P. Westermann, in: Erman, § 812 Rn. 9; letzterer scheint ausschließlich von nicht-gegenständlichen Vorteilen auszugehen. 220 Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365 (367), zu Folge sind Versicherungsverträge zwischen Organmitgliedern und Versicherern nicht bekannt. Vgl. auch Kapitel 4 A. I.
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als Verträge zu Gunsten Dritter nach § 331 BGB eingeordnet.221 Damit der begünstigte Dritte die Versicherungsleistung beziehungsweise den Anspruch hierauf behalten darf, muss ein Rechtsgrund im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem (Valutaverhältnis) bestehen. Ansonsten kann der Erbe den Anspruch auf die Versicherungsleistung beziehungsweise die ausgezahlte Versicherungssumme kondizieren.222 Ein Anspruch auf die Summe der Prämienzahlung wird in solchen Fällen nicht in Betracht gezogen: Entscheidend für Kondiktionsansprüche ist nicht, in welchem Umfang der Kondiktionsgläubiger entreichert ist (das wären die Versicherungsprämien), sondern was der Kondiktionsschuldner erlangt hat. Dieses Ergebnis lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen, die Stellung des Organwalters ist hinsichtlich des Bereicherungsgegenstandes mit derjenigen des begünstigten Dritten vergleichbar. Im Ergebnis spricht daher vieles für die Geldleistungstheorie, nach der der Versicherte vom Versicherer lediglich bedingte Ansprüche erhält. Dabei werden zum Teil Bedenken dagegen erhoben, die Abgabe des (bedingten) Leistungsversprechens durch den Versicherer bereits als Leistung an den Versicherten einzuordnen.223 Indes vermögen diese Einwände schon im Zweipersonenverhältnis nicht zu überzeugen (das Leistungsversprechen ist bereits eine Leistung, die Teil des Kausalgeschäftes ist und somit ihren Rechtsgrund in sich trägt). In dem hier zu untersuchenden Drei-Personen-Verhältnis kann dieser Einwand jedoch ohnehin nicht greifen, weil die Verschaffung der bedingten Ansprüche durch die Aktiengesellschaft an den Organwalter ohne weiteres als Leistung einzuordnen sind: Es handelt sich um eine bewusste zweckgerichtete Mehrung des Vermögens der Organmitglieder. Festzuhalten bleibt danach, dass die Aktiengesellschaft durch den Abschluss der D&O-Versicherung etwas an die versicherten Organmitglieder leistet. Gegenstand dieser Leistung (und damit der Bereicherungsgegenstand) sind – entsprechend der Geldleistungstheorie – die bedingten Ansprüche, die der Organwalter gegen den D&O-Versicherer erhält.
221 Zu derartigen Fallgestaltungen sowie den erbrechtlichen Fragestellungen vergleiche: M. Schmidt, in: Erman, § 2301, Rn. 12, 13; Schreiber, JURA 1995, 159 (161– 163); Palandt/Edenhofer, § 2301 Rn. 17, 18; jeweils m. w. N. 222 Vgl. Palandt/Edenhofer, § 2301 Rn. 17; BGH, Urteil vom 1. April 1987 (Az: IVa ZR 26/86), Fundstellen: jurisWeb; NJW 1987, 3131. 223 So Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen (1968), S. 40 f.
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cc) Praktische Konsequenzen Zu erörtern ist nun, wie die genaue Rückabwicklung zu erfolgen hat. Hier ist zwischen den bestehenden bedingten Ansprüchen beziehungsweise den Konsequenzen für die Zukunft und den Ansprüchen, die die Vergangenheit betreffen, zu unterscheiden. (1) Konsequenzen für die Zukunft Hinsichtlich der bestehenden bedingten Ansprüche für die Zukunft ist die Kondiktionsschuld einfach zu bestimmen: Nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt 1 BGB hat das Organmitglied die Ansprüche an die Gesellschaft abzutreten. Ab dem Zeitpunkt der Kondiktion kommen eventuelle Versicherungsleistungen folglich der Aktiengesellschaft zugute. Tritt nach Abtretung der Ansprüche der Versicherungsfall ein, erhält die Aktiengesellschaft die Versicherungssumme. Im Fall der Außenhaftung muss das Organmitglied weiterhin persönlich für den Schaden einstehen. Für den Fall der Innenhaftung bringt die Zahlung des Versicherers die Schadensersatzforderung der Aktiengesellschaft gegen das Organmitglied nicht zum Erlöschen, es bleibt also auch beim Innenregress bei der persönlichen Haftung des Organmitglieds. (2) Konsequenzen für die Vergangenheit Hinsichtlich der Rückabwicklung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Kondiktion ist danach zu unterscheiden, ob der Versicherungsfall – gegebenenfalls mehrfach – eingetreten ist. Ist kein Versicherungsfall eingetreten, sind auch die Ansprüche erloschen, weil der Versicherungsfall wegen des Anspruchserhebungsprinzips auch nachträglich nicht mehr eintreten kann. In solchen Fällen muss von einem Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB ausgegangen werden, die Herausgabepflicht entfällt. Anders fällt die Beurteilung aus, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist. Hat der D&O-Versicherer hier noch nicht gezahlt, erstreckt sich der Bereicherungsanspruch der Aktiengesellschaft auf den – mittlerweile voll werthaltigen – Anspruch gegen den Versicherer. Sind demgegenüber bereits Zahlungen an das Organmitglied geflossen, muss es den erhaltenen Betrag an die Aktiengesellschaft herausgeben. Wurde schließlich an einen geschädigten Dritten oder die geschädigte Gesellschaft gezahlt, muss das Organmitglied die erlangte Befreiung von der jeweiligen Verbindlichkeit der Aktiengesellschaft wertmäßig erstatten.
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(3) Kurze Resultatsbetrachtung Das bedeutet – auf den ersten Blick ein paradoxes Ergebnis –, dass die Aktiengesellschaft vom Eintritt des Versicherungsfalls profitiert: Im Fall der Außenhaftung kann sie vom Organwalter Herausgabe der Versicherungsleistung beziehungsweise Abtretung des entsprechenden Anspruchs gegen den D&O-Versicherer verlangen. Beim Innenregress hat sie einen Schadensersatzanspruch gegen das Aufsichtsratsmitglied und erhält zusätzlich die Versicherungsleistung. Die Aktiengesellschaft profitiert damit in Höhe der Versicherungsleistung vom pflichtwidrigen Verhalten ihrer Organmitglieder. Dieses Ergebnis ist auch nicht im Wege der Vorteilsanrechnung zu korrigieren, etwaige Vorteile beim Bereicherungsgläubiger sind im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nicht zu berücksichtigen.224 Die vermeintliche Begünstigung der Aktiengesellschaft rechtfertigt sich indes, wenn man die Alternative bedenkt: Würde man die Versicherungsleistung nicht der Aktiengesellschaft zubilligen, sondern beim Organmitglied belassen, würde diesem ein Vermögensvorteil gewährt, für den es keinerlei Leistungen erbracht hätte und der ihm außerdem unter Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung zugewiesen wurde. Eine solche Lösung erscheint kaum tragbar, angemessener ist es dann wohl eher, der Aktiengesellschaft den Vermögensvorteil zuzubilligen, denn diese hat – im Gegensatz zum Organwalter – immerhin auch die Versicherungsprämien an den D&O-Versicherer gezahlt und damit die Gegenleistung für den Versicherungsschutz erbracht. Bedenken gegen die aufgezeigte Lösung könnten sich allerdings in anderer Hinsicht ergeben: Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung führt dazu, dass die D&O-Versicherung nicht mehr wie eine Versicherung für fremde Rechnung wirkt. Weil dem Versicherten (der AG) die (bedingten) Ansprüche gegen den Versicherer zustehen, ähnelt das Ergebnis eher einer Wette der Gesellschaft auf schädigendes Verhalten ihrer Aufsichtsratsmitglieder.225 Von vorneherein einen solchen Vertrag abzuschließen, wäre äußerst bedenklich, wenn nicht unzulässig. Jedoch ergibt sich das dargestellte Resultat erst aus der Rückübertragungspflicht des Organmitglieds, sowie aus der Tatsache, dass der Versicherungsvertrag weiterhin wirksam bleibt. Die aufgezeigten Bedenken vermögen deshalb nicht zu überzeugen.
224 Eine Vorteilsanrechnung wie beim Schadensersatzrecht – dazu im Folgenden unter lit. c) – ist im Rahmen des Bereicherungsrechts nicht vorzunehmen; Palandt/Sprau, Einf v § 812 Rn. 27: „Der Bereicherte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Entreicherte durch den Bereicherungsvorgang auch Vorteile gehabt hat“. Vgl. auch BGH, Urteil vom 5. November 2002 (Az: XI ZR 381/01), unter II.1.c)cc)(3) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb; NJW 2003, 582. 225 Vgl. hierzu Kapitel 4 A. III. 2.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
dd) Schaffung der Rechtsgrundlage durch „nachträgliche“ Bewilligung Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass die Abtretungspflicht (mit den dargestellten Konsequenzen) nur insoweit besteht, als die Rechtsgrundlage für die Vergütung fehlt. Bewilligt die Hauptversammlung einen entgegen § 113 AktG vom Vorstand abgeschlossenen D&O-Versicherungsvertrag, wird im Nachhinein eine Rechtsgrundlage geschaffen, und das Organmitglied muss die Ansprüche nicht an die Aktiengesellschaft abtreten. Eine Bewilligung durch die Hauptversammlung ist jedenfalls für das laufende Geschäftsjahr möglich, unter Umständen auch für einen früheren Zeitraum, etwa wenn zuvor noch keine abschließende Regelung über die Vergütung getroffen wurde.226 Eine derartige nachträgliche Bewilligung der Vergütung durch die Hauptversammlung hat zur Folge, dass sämtliche Bereicherungsansprüche nachträglich entfallen. c) Schadensersatzanspruch der AG gegen Organmitglieder Neben Bereicherungsansprüchen gegen die Aufsichtsratsmitglieder kommen auch Schadensersatzansprüche gegen sämtliche Organmitglieder in Betracht. aa) Qualifizierte Pflichtverletzung analog § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder haben Zahlungen, die unter Verstoß gegen §§ 113, 114 AktG erfolgen, gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG zu ersetzen.227 Diese Norm erfasst nicht nur direkte Zahlungen, sondern jegliche Art der Vergütung.228 Zwar handelt es sich bei einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung – wie gezeigt229 – nicht um eine Vergütung im Sinne des § 113 AktG, die Vorschrift ist aber analog anzuwenden,230 sodass der Abschluss einer solchen Versicherung ohne Beteiligung der Hauptversammlung in gleicher Weise einen Verstoß gegen § 113 AktG begründet wie eine direkte Zahlung an Aufsichtsratsmitglieder. Infolge dieser rechtlichen Gleichbehand226
Einzelheiten unter Ziffer III. 1. c). Der BGH führt in einem Urteil vom 11.03.1991 (Az: II ZR 187/89) aus: „§ 113 AktG schreibt vor, daß die Aufsichtsratsvergütung nur durch die Satzung oder durch Hauptversammlungsbeschluß festgesetzt werden kann. Nach § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG haben die Vorstandsmitglieder und nach AktG § 116 haben die Aufsichtsratsmitglieder selbst Zahlungen, die entgegen dem Gesetz an Aufsichtsratsmitglieder geleistet werden, bei Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht zu ersetzen“ (siehe 9. Orientierungssatz). Fundstelle: jurisWeb. 228 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 105. 229 Dazu Ziffer I. 1. 230 Dazu Ziffer I. 2. 227
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lung muss auch § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG in solchen Fällen Anwendung finden: Die Schadensersatzpflicht nach § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG ist die konsequente Folge eines Verstoßes gegen § 113 AktG,231 ob die D&O-Versicherung direkt vom Begriff der Vergütung erfasst ist oder ob die Vorschrift analog angewendet wird, kann insoweit nicht entscheidend sein. Daher ist aus den gleichen Gründen wie bei § 113 AktG eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG zu befürworten. Wenn also der Vorstand für die Aktiengesellschaft eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung zu Gunsten der Aufsichtsratsmitglieder abschließt, ohne dass eine Satzungsregelung oder ein Bewilligungsbeschluss der Hauptversammlung existiert, so liegt darin eine qualifizierte Pflichtverletzung im Sinne des § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG. Dabei kann unter Umständen auch den Aufsichtsratsmitgliedern ein pflichtwidriges Verhalten (in Verbindung mit § 116 AktG) vorzuwerfen sein, etwa wenn sie beratend an der Entscheidung des Vorstands, eine D&O-Versicherung abzuschließen, mitgewirkt haben. Die jeweilige Pflichtverletzung müssten die Organmitglieder auch verschuldet haben, wobei das Organmitglied das fehlende Vertretenmüssen zu beweisen hat.232 Hierbei ist zu bedenken, dass die Literatur in den vergangenen zehn Jahren überwiegend von einem Vergütungscharakter der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ausgegangen ist, erst seit etwa 2000 existiert eine Gegenauffassung.233 Insoweit hätte das Problem jedem Organmitglied bekannt sein müssen. Zudem verdeutlicht der qualifizierte Haftungstatbestand in § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG, welche besondere Bedeutung das Aktiengesetz der Einhaltung des § 113 AktG zumisst. An den Nachweis fehlender Fahrlässigkeit sind deshalb hohe Anforderungen zu stellen. Im Einzelfall kann sich ein Aufsichtsratsmitglied gegebenenfalls darauf berufen, der Vorstand habe eine D&O-Versicherung abgeschlossen, ohne dass das Mitglied davon gewusst habe. bb) Schaden Problematisch ist hier, ob durch die Pflichtverletzung (Abschluss der D&OVersicherung unter Verstoß gegen § 113 AktG analog) ein Schaden entstanden ist. Dazu müsste auf Seiten der Aktiengesellschaft eine Vermögenseinbuße eingetreten sein. Der Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrages führt zu einer Vermögensminderung in Höhe der gezahlten und noch zu zahlenden Versicherungsprämien. Demnach bestünde der von den Organmitgliedern zu ersetzende 231 In diesem Sinne kann man auch BGH, Urteil vom 11. März 1991 (Az: II ZR 187/89), unter 2.a) der Gründe (Fundstelle: jurisWeb) sowie Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 113 Rn. 101–103, verstehen. 232 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 86–89. 233 Vgl. Ziffer I. 1. a).
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
Schaden in den (gegebenenfalls schon erfüllten) Zahlungsverpflichtungen der Gesellschaft gegenüber dem Versicherer. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Aktiengesellschaft – nach den bisherigen Ausführungen – bei Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrags ohne Wahrung der Kompetenzvorschriften gegen die begünstigten Aufsichtsratsmitglieder einen Bereicherungsanspruch hat, der sich auf die Herausgabe gegebenenfalls erbrachter Versicherungsleistungen sowie auf Abtretung der (bedingten) Versicherungsansprüche richtet.234 Diese Verbesserung der Vermögenslage könnte unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sein. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Geschädigte durch den Schadensausgleich nicht unbillig bereichert werden soll. Zur Verdeutlichung soll, bevor die Frage der Vorteilsausgleichung erörtert wird, die Vermögenslage der Beteiligten noch einmal skizziert werden: Wird eine D&O-Versicherung unter Verstoß gegen § 113 AktG (analog) abgeschlossen, erleidet die Aktiengesellschaft einen Schaden, weil sie wegen der Wirksamkeit des Vertrags zur Prämienzahlung verpflichtet ist. Da dieser Schaden den bereits gezahlten sowie den zu zahlenden Prämien entspricht, wird er im Folgenden als „Prämienschaden“ bezeichnet. Sofern das Aufsichtsratsmitglied nun während der Vertragslaufzeit die Gesellschaft durch pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten schädigt, ist es der Aktiengesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 AktG zum Ersatz hierfür verpflichtet. Dieser Schaden löst, weil der Versicherungsvertrag wirksam ist, den Versicherungsfall aus, weshalb im Folgenden vom „versicherten Schaden“ die Rede ist. Damit hat die Aktiengesellschaft in solchen Fällen grundsätzlich zwei Schadensersatzansprüche: die Forderung auf Ersatz des Prämienschadens gegen das handelnde Organmitglied sowie den Anspruch auf Ersatz des versicherten Schadens gegen das Aufsichtsratsmitglied. Bezüglich des versicherten Schadens ist der D&O-Versicherer grundsätzlich zur Zahlung der Versicherungssumme an das versicherte Aufsichtsratsmitglied verpflichtet. Zahlt er an das Aufsichtsratsmitglied, so hat die Aktiengesellschaft gegen dieses einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Versicherungssumme235, das Aufsichtsratmitglied muss also die Versicherungssumme nach §§ 812 ff BGB an die Aktiengesellschaft weiterleiten. Damit stellt sich die Vermögenslage der Aktiengesellschaft in derartigen Fällen wie folgt dar: Weil der D&O-Versicherungsvertrag wirksam ist, hat die Aktiengesellschaft einen Anspruch gegen das Organmitglied auf Ersatz des Prämienschadens. Zugleich erhält sie aber auf Grund der bereicherungsrechtlichen
234 235
Einzelheiten unter Ziffer III. 2. b). Einzelheiten unter Ziffer III. 2. b).
A. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder
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Rückabwicklung einen Anspruch gegen das Aufsichtsratsmitglied auf Herausgabe der Versicherungssumme. Daneben bleibt das Aufsichtsratsmitglied zum Ersatz des versicherten Schadens gemäß § 93 Abs. 2 AktG verpflichtet. Problematisch ist nun, dass in der Praxis nicht zwischen den eben beschriebenen Ansprüchen differenziert wird. So zahlt der D&O-Versicherer regelmäßig direkt an die Aktiengesellschaft, das heißt, nicht über den „Umweg“ Aufsichtsratsmitglied, und diese Zahlung wird auch nicht als Erfüllung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs der Aktiengesellschaft gegen das Aufsichtsratsmitglied verstanden. Vielmehr stellt sich die Zahlung der Versicherungssumme aus Sicht der Beteiligten regelmäßig als Erfüllung der Schadensersatzforderung dar, die die Aktiengesellschaft gegen das Aufsichtsratsmitglied gemäß § 93 Abs. 2 AktG hat (Ersatz des versicherten Schadens). Diese Sichtweise vermag aber an der zugrunde liegenden rechtlichen Konstruktion nichts zu ändern. Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit der Zahlung der Versicherungssumme an die Aktiengesellschaft deren Anspruch aus § 93 Abs. 2 AktG getilgt werden soll, bleibt das Aufsichtsratsmitglied daneben zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung verpflichtet. Das Aufsichtsratsmitglied ist in der beschriebenen Konstellation sowohl zur Weiterleitung der Versicherungssumme nach §§ 812 ff BGB verpflichtet als auch zum Schadensersatz nach § 93 Abs. 2 AktG. Welcher der Ansprüche in der Praxis zuerst beglichen wird, ist irrelevant. Entscheidend ist nur, dass der Aktiengesellschaft infolge des wirksamen Versicherungsvertrags neben dem Anspruch auf Ersatz des versicherten Schadens (§ 93 Abs. 2 AktG) noch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch zusteht. Damit erleidet sie durch den (pflichtwidrigen) Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages nicht nur einen Schaden (Prämienschaden), sondern sie erlangt in Schadensfällen auch etwas (bereicherungsrechtlicher Anspruch auf die Versicherungssumme). Fraglich ist deshalb, ob sie sich diesen Vorteil nicht anrechnen lassen muss. Voraussetzungen für eine Anrechnung im Rahmen der Vorteilsausgleichung sind, dass der Vorteil in adäquat kausaler Weise durch das schädigende Ereignis verursacht wurde (tatsächliches Element) und dass eine Anrechnung dem Zweck der Schadensersatznorm entspricht, wobei weder der Schädiger unbillig ent- noch der Geschädigte unbillig belastet werden darf (normatives Element).236 Ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen schädigender Handlung und dem erlangten Vorteil ist gegeben: Die Bereicherungsansprüche sind – ebenso wie die Verpflichtung zur Prämienzahlung – durch den Abschluss des D&OVersicherungsvertrages (pflichtwidrige Handlung) entstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aktiengesellschaft allein durch die Abtretung der be236 Vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1970 (Az: VI ZR 28/69), Ziffer II.3 der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 54, 269–275; Palandt/Heinrichs, Vorbem. § 249 Rn. 120; jeweils m. w. N.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
dingten Ansprüche noch keinen anzurechnenden Vorteil erlangt; es ist völlig unklar, ob und in welchem Umfang die Ansprüche werthaltig sowie durchsetzbar sind, inwieweit also die Gesellschaft durch die bedingten Ansprüche vermögensmäßig besser gestellt ist. Eine tatsächliche Verbesserung der Vermögenslage der Aktiengesellschaft, mithin ein anzurechnender Vorteil, besteht daher nur insoweit, als die Aufsichtsratsmitglieder ihren bereicherungsrechtlichen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sind beziehungsweise der Versicherungsfall hinsichtlich der abgetretenen Ansprüche eingetreten ist und der Versicherer an die Aktiengesellschaft gezahlt hat. Zu klären ist weiterhin, ob der Schutzzweck des § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG einer Anrechnung dieser Vorteile entgegensteht. Durch die Norm soll der Schaden, der durch den Verstoß gegen die Kompetenzordnung entstanden ist, ausgeglichen werden. Bei direkten Zahlungen an das Aufsichtsratsmitglied müssten die Verantwortlichen in Vorstand und/oder Aufsichtsrat den dadurch eingetretenen Vermögensverlust ausgleichen. Erstattet das Aufsichtsratsmitglied die Zahlungen allerdings ganz oder teilweise zurück, ist der Schaden in dieser Höhe beglichen. Hier liegt der Fall nur insoweit anders, als die Leistung an das Organmitglied mit Hilfe eines Dritten, des D&O-Versicherers, erbracht wird und der Schaden in der Prämienleistung an diesen Dritten besteht. Soweit dieser Schaden durch das Aufsichtsratsmitglied in der Weise ersetzt wird, dass es an die Aktiengesellschaft erhaltene Versicherungszahlungen und/oder werthaltige Ansprüche herausgibt, ist der Schaden beglichen. Damit bleibt der Schutzzweck gewahrt: Die Nachteile, die der Aktiengesellschaft durch die aktienrechtswidrige Handlung entstanden sind, bestehen nicht mehr fort. Eine solche Anrechnung ist der Aktiengesellschaft daher ebenso zuzumuten wie sie die ersatzpflichtigen Organmitglieder (Schädiger) nicht unbillig entlastet. Zusammenfassend kann man daher festhalten, dass sich der zu ersetzende Schaden aus den Prämienverpflichtungen der Aktiengesellschaft und den bereits gezahlten Prämien zusammensetzt. Davon sind die Zahlungen der Aufsichtsratsmitglieder auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung sowie die Leistungen des Versicherers auf die von den Aufsichtsratsmitgliedern abgetretenen Ansprüche abzuziehen. Eine Konsequenz der (qualifizierten) Haftung nach § 93 Abs. 3 AktG besteht in der Vermutung, dass ein Schaden entstanden ist.237 Das Organmitglied ist grundsätzlich beweispflichtig: Es muss den Nachweis erbringen, dass kein Schaden entstanden ist und auch in Zukunft keine Schädigung mehr möglich ist.238 Auch hinsichtlich der Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung ist der Schädiger beweispflichtig.239 237 LG Bochum, Urteil vom 27. Juni 1989 (Az: 12 O 133/88), unter B.III.6.k)gg) der Gründe Fundstelle: ZIP 1989, 1557 (1564); Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 93 Rn. 36.
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Das hat für die vorliegenden Konstellationen zur Folge, dass das Organmitglied nachweisen muss, inwieweit die Aktiengesellschaft durch den Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages auch Vorteile erlangt hat – auf Grund realisierter Bereicherungsansprüche oder durch Versicherungsleistungen auf abgetretene Ansprüche. Kann das Organmitglied den Beweis nicht erbringen, muss es Ersatz leisten. Allerdings kann der ersatzpflichtige Organwalter gegebenenfalls Abtretung der Ansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder oder den Versicherer verlangen.240 cc) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens Grundsätzlich kann sich das Organmitglied hinsichtlich geltend gemachter Regressforderungen auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen.241 So könnten die Organmitglieder im vorliegenden Fall zu ihren Gunsten anführen, dass, wenn sie einen Hauptversammlungsbeschluss hinsichtlich des Abschlusses der D&O-Versicherung herbeigeführt hätten, die Gesellschaft ebenfalls zur Prämienzahlung verpflichtet gewesen wäre, der Schaden mithin auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden wäre. Darüber hinaus hätte die Aktiengesellschaft ohne den pflichtwidrigen Abschluss der D&O-Versicherung auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder, die Vermögenslage wäre genau genommen sogar schlechter. Eine solche Argumentationsweise berücksichtigt aber nicht, dass die Bewertung der Prämienzahlungsverpflichtungen als „Schaden“ bereits durch den Verstoß gegen §§ 93 Abs. 3 Nr. 7, 113 AktG indiziert ist: Ansonsten würde § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG weitgehend ins Leere laufen, weil sich die Verantwortlichen immer darauf berufen könnten, dass die gleiche Vermögenslage bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre.242 Diese Beurteilung wird auch von der allgemeineren Feststellung gestützt, dass der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens bei Verletzung von Kompetenz- und Verfahrensregeln nicht erhoben werden kann, weil diese eine bestimmte Art der Entscheidungsfindung zum Ziel haben, welche sonst umgangen würde.243 § 113 AktG ist eine solche Kompetenznorm, sodass der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens hier ausscheidet.
238 RGZ 159, 211 (230); Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 97. 239 Vgl. Palandt/Heinrichs, Vorbem. § 249 Rn. 123, m. w. N. 240 Vgl. RGZ 159, 211 (230). 241 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 81. 242 Ähnlich BGH, Urteil vom 11. März 1991 (Az: II ZR 187/89), unter 2.a) der Gründe; Fundstelle: jurisWeb. 243 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 81.
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
3. Zusammenfassung Eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung fällt grundsätzlich unter den analogen Anwendungsbereich des § 113 AktG. Daher muss bei einer solchen Police eine entsprechende Satzungsregelung oder Bewilligung durch die Hauptversammlung erfolgen. Wird ein D&O-Versicherungsvertrag ohne die erforderliche Mitwirkung der Hauptversammlung abgeschlossen, bleibt der Vertrag zwar wirksam, jedoch haben die begünstigten Aufsichtsratmitglieder rechtsgrundlos erlangte (bedingte) Ansprüche an die Gesellschaft abzutreten und erhaltene Versicherungsleistungen an die Aktiengesellschaft zu zahlen. Daneben besteht regelmäßig ein Anspruch der Aktiengesellschaft gegen die handelnden Organmitglieder auf Ersatz des Prämienschadens, soweit dieser – mangels schadensausgleichender Leistungen durch die Aufsichtsratsmitglieder – noch besteht. Dieses Ergebnis entspricht auch den berechtigten Interessen aller Beteiligten. Durch die analoge Anwendung des § 113 AktG auf den Abschluss von D&OVersicherungsverträgen wird die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft geschützt. Der Versicherer als unbeteiligter Dritter erleidet hierdurch keinen Nachteil, da der D&O-Versicherungsvertrag weiterhin als wirksam angesehen wird. Die Aktiengesellschaft wiederum kann von den begünstigten Aufsichtsratsmitgliedern die erhaltenen Vorteile kondizieren und zudem von den schuldhaft handelnden Organmitgliedern die Versicherungsprämien ersetzt verlangen, soweit der Schaden über die bereicherungsrechtlichen Ansprüche noch nicht beglichen ist. Die Aufsichtsratsmitglieder stehen so, als wäre für sie keine D&OVersicherung abgeschlossen worden. Schließlich müssen die schuldhaft handelnden Organmitglieder der Aktiengesellschaft den „Prämienschaden“ ersetzen. Führt man den zuletzt genannten Gedanken weiter, stellt sich die Frage, ob letztlich nicht auch der Prämienschaden von der D&O-Versicherung abgedeckt wird. Der Prämienschaden wird durch pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der Organmitglieder verursacht, solche Fälle der Innenhaftung sind regelmäßig mitversichert. Im Ergebnis müsste deshalb der D&O-Versicherer – soweit der Versicherungsschutz bereits den pflichtwidrigen Abschluss miterfasst244 – für den „Prämienschaden“ der Gesellschaft aufkommen. Für den D&O-Versicherer wäre dies ein sehr nachteiliges Ergebnis, müsste er doch unter Umständen für die gesamte Prämienleistung im Rahmen der Haftung selber aufkommen – das Resultat wäre eine Versicherung, die de facto zum Nulltarif angeboten wird. Dem kann der Versicherer jedoch zuvorkommen, indem er die Vorstandsmitglieder auf die gegebenenfalls erforderliche Zustimmung der 244 Es wäre genau zu prüfen, ob der pflichtwidrige Abschluss (die Verlängerung) des D&O-Versicherungsvertrages noch unter den versicherten Zeitraum fällt, was vor allem bei Vertragsverlängerungen der Fall sein dürfte. Dann ist auch der Wissentlichkeitsausschluss zu beachten, weil der Vorstand gegebenenfalls wissentlich gegen die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung verstoßen hat. Dazu auch sogleich.
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Hauptversammlung gemäß § 113 AktG hinweist. Beachtet der Vorstand diesen Hinweis nicht, greift jedenfalls der Wissentlichkeitsausschluss245.
B. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Vorstandsmitglieder Die bisherigen Ausführungen haben sich mit der D&O-Versicherung zu Gunsten von Aufsichtsratsmitgliedern befasst. Regelmäßig werden jedoch auch die Vorstandsmitglieder vom Versicherungsschutz erfasst: Versichert sind alle Organmitglieder.246 Auch für den Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung zu Gunsten der Vorstandsmitglieder stellt sich daher die Frage nach der Zuständigkeit. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob es sich beim Abschluss der Versicherung um „Bezüge“ im Sinne des § 87 AktG handelt; für die Festsetzung der Bezüge ist der Aufsichtsrat zuständig. Danach ist zu prüfen, ob gegebenenfalls § 112 AktG einschlägig ist, was zur Folge hätte, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber dem D&O-Versicherer beim Vertragsschluss vertreten müsste.
I. Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung als Bestandteil der Bezüge gemäß § 87 AktG 1. Wortlaut und Geschichte des § 87 AktG Die Norm in ihrer jetzigen Form wurde durch das AktG 1965 eingeführt. Die Gesetzesbegründung verweist auf § 78 Abs. 1 S. 1 AktG 1937.247 Die Begründung zu dieser Vorschrift, die dem heutigen § 87 Abs. 1 S. 1 AktG weitgehend entspricht, verweist lediglich darauf, dass die in der Norm aufgestellten Grundsätze für Bezüge der „heutigen Volksauffassung“ entsprächen.248 Eine über die Wiederholung des Wortlautes hinausgehende Erklärung des Regelungsinhalts findet sich dort nicht, deshalb führt die Betrachtung der Gesetzesgeschichte nicht weiter. In § 87 Abs. 1 S. 1 AktG findet sich zum Begriff „Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds“ ein Klammerzusatz, der neben „Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen und Nebenleistungen jeder Art“ auch expli245
Zum Wissentlichkeitsausschluss vergleiche Kapitel 5 C. IV. 2. c) aa). Vgl. Kapitel 4 A. II. 247 RegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 111. 248 Amtliche Begründung zu den AktG 1937 §§ 70–85; Quelle: Küch, AktG 1937, S. 277. 246
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
zit „Versicherungsentgelte“ nennt. Weil man die Versicherungsprämien als Versicherungsentgelte einordnen kann, könnte diese Umschreibung249 der Gesamtbezüge bereits die Frage nach den D&O-Versicherungsprämien dahingehend beantworten, dass sie zu den Gesamtbezügen des Vorstandes zu zählen sind. Andererseits gehören beispielsweise die Prämien einer Insassenversicherung für den Dienstwagen nicht zu den Bezügen des Vorstandes. Daher kann – wie oben bereits ausgeführt250 – die Aufzählung im Klammerzusatz zumindest hinsichtlich der Versicherungsentgelte keine endgültige und abschließende gesetzgeberische Entscheidung darstellen. Man muss den Klammerzusatz vielmehr wie folgt verstehen: Versicherungsentgelte können zu den Gesamtbezügen gehören und sind dann bei der Beurteilung der Angemessenheit der Gesamtbezüge auch mit zu berücksichtigen. Diese Interpretation erscheint sinnvoll, zeigt sie doch allgemein, welche Art von Leistungen zu den Bezügen zählen können. Zu klären bleibt, ob speziell die Versicherungsentgelte für eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung zu den „Gesamtbezügen“ im Sinne des § 87 AktG gehören. 2. Vergleich zum Vergütungsbegriff An dieser Stelle kommt nun ein Vergleich zum Vergütungsbegriff in Betracht. So meint Dreher, dass es auf die terminologische Unterscheidung des Gesetzes bezüglich der Frage, ob die Prämienzahlung durch die Gesellschaft Teil der Vergütung/Bezüge ist, nicht ankommt.251 Beides sei im Ergebnis danach zu beurteilen, ob die Prämienzahlung beziehungsweise die Bereitstellung der Versicherung eine „Vergütung“ darstelle, wobei „Vergütung“ in diesem Zusammenhang auch die Bezüge des Vorstandes miterfassen soll.252 Anderer Auffassung ist hingegen Lange,253 demzufolge „Vergütung“ nur einen Teil der „Gesamtbezüge“ umfasst, weswegen die beiden Begriffe nicht identisch seien. Zur Begründung führt er an, es sei der Normzweck des § 113 AktG, die Zuständigkeit der Hauptversammlung auf die Vergütung zu begrenzen.254 Dieser Auffassung vom Normzweck ist aber, wie oben dargestellt,255 nicht zuzustimmen, weshalb Langes Argumentation auf einer abzulehnenden Grundannahme beruht. Daher kann ihm nicht gefolgt werden.
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Dreher spricht von einer Legaldefinition, ZHR 165 (2001), 293 (302). Vgl. Kapitel 6 A. I. 1. b) bb). 251 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304); zustimmend Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1346 Rn. 26. 252 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304), spricht in diesem Zusammenhang von einem einheitlichen Ansatz. 253 ZIP 2001, 1524 (1527–1528). 254 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527–1528). 255 Einzelheiten in Kapitel 6 A. I. 2. b) aa). 250
B. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Vorstandsmitglieder
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Inwieweit die Ausführungen zur Vergütung des Aufsichtsrates auf die Bezüge des Vorstandes für die vorliegende Frage übertragbar sind, ist anhand der Definitionen zu klären: Unter den Begriff der Gesamtbezüge fallen alle Leistungen der Aktiengesellschaft an das Vorstandsmitglied, die mit Rücksicht auf dessen Tätigkeit erfolgen.256 Eine Vergütung im Sinne des § 113 AktG ist nach der oben entwickelten Definition jeder private Vermögensvorteil, der einer Person in Anerkennung für die Tätigkeit im Aufsichtsrat gewährt wird.257 Damit decken sich die Begriffsbestimmungen in ihren wesentlichen Elementen: Die „Leistung“ ist mit der „Gewährung eines privaten Vermögensvorteils“, die Gewährung „mit Rücksicht auf die Tätigkeit“ mit der „in Anerkennung der Tätigkeit“ vergleichbar. Demzufolge ist Dreher insoweit zuzustimmen, als es hinsichtlich der Einordnung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung keinen nennenswerten Unterschied macht, ob es um Bezüge nach § 87 AktG oder Vergütung gemäß § 113 AktG geht. Somit lässt sich hinsichtlich dieser Kriterien auf die Ausführungen zum Aufsichtsrat verweisen: Danach stellt die Bereitstellung und Finanzierung der D&O-Versicherung für die Organwalter die Gewährung eines Vermögensvorteils dar,258 womit letztlich auch eine Leistung der Aktiengesellschaft vorliegt. Diese Leistung der Gesellschaft weist allerdings keinen spezifischen Bezug zur Tätigkeit auf, weder erfolgt sie in Anerkennung noch mit Rücksicht auf die Tätigkeit als Organmitglied.259 Der Vergleich mit den Ausführungen zur Vergütung führt zu dem Ergebnis, dass die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung nicht zu den Gesamtbezügen im Sinne des § 87 AktG zu zählen ist:260 Es liegt zwar eine Leistung an das Vorstandsmitglied vor, diese erfolgt aber nicht mit Rücksicht auf die Tätigkeit.
II. Entsprechende Anwendung Aus den §§ 84, 87, 112 AktG ergibt sich, dass der Aufsichtsrat für die Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zwischen Aktiengesellschaft und Vorstandsmitgliedern zuständig ist. Der Wortlaut des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG setzt dies für die Festsetzung der Bezüge sogar explizit voraus, „der Aufsichtsrat hat 256
Hefermehl/Spindler, Vgl. Kapitel 6 A. I. 258 Vgl. Kapitel 6 A. I. 259 Vgl. Kapitel 6 A. I. 260 Tendenziell anderer zum AktG, § 87 Rn. 8. 257
in: Münchener Kommentar zum AktG, § 87 Rn. 8. 1. b) cc). 1. c) aa). 1. c) bb). Auffassung Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar
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Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
bei der Festsetzung der Gesamtbezüge“ für die Angemessenheit der Bezüge zu sorgen. Sinn und Zweck dieser Aufgabenverteilung ist es, nicht den Vorstand über die eigenen (finanziellen) Angelegenheiten entscheiden zu lassen. Beim Abschluss einer D&O-Versicherung liegt – gemessen an der ratio legis – eine vergleichbare Interessenlage vor: Könnten die Vorstandsmitglieder über den Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung zu ihren Gunsten bestimmen, wären sie zur Entscheidung über die Absicherung des eigenen Haftungsrisikos befugt. Gerade wegen der Brisanz der persönlichen Haftung ist eine objektive Entscheidung im Interesse der Gesellschaft durch die Betroffenen nicht möglich. So könnten die Vorstandsmitglieder geneigt sein, einen umfassenden Versicherungsschutz zu vereinbaren, der naturgemäß mit sehr hohen Prämien verbunden ist. Deswegen darf der Vorstand nicht zum Entscheidungsgremium in eigener Sache gemacht werden, die Entscheidung muss dem Aufsichtsrat obliegen. Ähnlich wie bei der D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder261 ist deshalb eine analoge Anwendung hier des § 87 AktG geboten.
III. Konsequenzen der Einordnung als Bezüge 1. Innergesellschaftliche Zuständigkeit Soweit die D&O-Versicherung in analoger Anwendung des § 87 AktG wie ein Bestandteil der Bezüge behandelt werden muss, ist der Aufsichtsrat zuständig, er hat über die Höhe der Bezüge und damit auch über den Abschluss einer D&O-Versicherung für Vorstandsmitglieder zu entscheiden. Davon zu trennen ist die Frage, welches Organ die Aktiengesellschaft beim Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages zu vertreten hat. 2. Vertretungsmacht gegenüber Dritten Grundsätzlich wird die Aktiengesellschaft durch den Vorstand vertreten (§ 78 AktG). Etwas anderes gilt, wenn Rechtshandlungen gegenüber dem Vorstand selbst vorgenommen werden sollen. Hier greift § 112 AktG, wonach der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern vertritt. Der Vertrag wird aber gerade nicht mit dem Vorstandsmitglied, sondern mit dem D&OVersicherer geschlossen. Nur in Ausnahmefällen findet § 112 AktG auch bei Verträgen mit Dritten Anwendung, etwa wenn das Rechtsgeschäft in unmittelbarem Sachzusammenhang mit der Vertretung gegenüber dem Vorstand (beispielsweise Personalberatung hinsichtlich der Besetzung des Vorstandes) oder mit Überwachungsaufgaben (beispielsweise Beratung durch externe Sachver261
Vgl. Kapitel 6 A. I. 2.
B. Abschlusskompetenz hinsichtlich der Vorstandsmitglieder
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ständige) steht.262 Das gleiche gilt auch, wenn zwischen dem Dritten und einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern wirtschaftliche Identität besteht, wenn zum Beispiel Vorstandsmitglieder die alleinigen Gesellschafter sind.263 Ein solcher Fall liegt bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung aber nicht vor. Danach wäre gegenüber dem Versicherer keine Vertretung der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG erforderlich und es bliebe bei der Vertretungsmacht des Vorstandes gemäß § 78 AktG. Jedoch ließen sich möglicherweise Sinn und Zweck der Norm für eine entsprechende Anwendung anführen: Ratio legis des § 112 AktG ist es, eine unbefangene Wahrung der Gesellschaftsinteressen zu garantieren, indem bereits eine abstrakte Gefährdung der Gesellschaftsbelange – verursacht durch mögliche Interessenkonflikte der selbst betroffenen Vorstandsmitglieder – von vorneherein verhindert wird.264 Könnte der Vorstand Verträge mit Dritten abschließen, die seine Mitglieder begünstigten, so würden die Handlungen des Vorstandes mittelbar die Interessen seiner Mitglieder berühren. Eine solche Argumentation ginge hier aber zu weit, insbesondere entfaltet § 112 AktG nur in Ausnahmefällen Drittwirkung. Würde man die Norm auf den vorliegenden Fall anwenden, wäre der Versicherer als unbeteiligter Dritter betroffen. Eine solche Konsequenz sieht § 112 AktG grundsätzlich nicht vor. Zudem scheidet eine analoge Anwendung aus, wenn man die Konsequenzen betrachtet: die Zuständigkeit des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsrat ist im Regelfall gleichermaßen vom Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrages betroffen, versichert werden nämlich alle Organmitglieder.265 Eine Verlagerung der Vertretungsmacht auf ein ebenfalls betroffenes Organ würde jedoch keinen Sinn ergeben. Letztlich wird die Einhaltung der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung (Zuständigkeit des Aufsichtsrates) durch die drohende bereicherungsrechtliche Rückabwicklung sowie eventuell gegebene Schadensersatzansprüche bei Verletzung derselben ausreichend gewahrt. Demzufolge ist § 112 AktG weder direkt noch entsprechend anzuwenden, und es bleibt bei der Vertretungsmacht des Vorstandes für den Abschluss des D&OVersicherungsvertrages (§ 78 AktG).266
262
Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 112 Rn. 38–41. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 112 Rn. 37. 264 Vgl. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 112 Rn. 2. 265 Vgl. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 112 Rn. 10. 266 Im Ergebnis ebenso: Beckmann, in: Versicherungsrechts-Handbuch, S. 1346 Rn. 26; Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (321–322); Kästner, AG 2000, 113 (121); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. (2002), S. 168 Rn. 414 sowie S. 329–330 Rn. 872; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 112 Rn. 10. 263
172
Kap. 6: Formelle Kriterien bei der D&O-Versicherung
Im Ergebnis hat daher der Aufsichtsrat die Entscheidung zu treffen, ob eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung zu Gunsten der Vorstandsmitglieder ohne angemessenen Selbstbehalt abgeschlossen werden soll; es obliegt hingegen dem Vorstand, die Aktiengesellschaft beim Abschluss eines solchen Vertrages dem Versicherer gegenüber zu vertreten. 3. Folgen eines Verstoßes gegen die innergesellschaftliche Zuständigkeit Wie bei der D&O-Versicherung zu Gunsten der Aufsichtsratsmitglieder kommen als Konsequenzen eines Verstoßes gegen die aktienrechtliche Zuständigkeit eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung sowie Schadensersatzansprüche in Betracht. Soweit eine D&O-Versicherung in analoger Anwendung der entsprechenden Normen so zu behandeln ist wie ein Teil der Bezüge, ist der Aufsichtsrat für den Beschluss zuständig. Wird dagegen verstoßen, fehlt es hinsichtlich der Gewährung des Versicherungsschutzes an einem Rechtsgrund. Vorstandsmitglieder haben daher – wie Aufsichtsratsmitglieder267 – die noch bestehenden Ansprüche gegen den Versicherer an die Aktiengesellschaft abzutreten und gegebenenfalls erhaltene Versicherungsleistungen herauszugeben. Unter Umständen kann die Aktiengesellschaft auch den Prämienschaden gemäß §§ 93 Abs. 2, 116 AktG von pflichtwidrig handelnden Organwaltern ersetzt verlangen.268
C. Publizitätserfordernisse Nachdem die Zuständigkeit innerhalb der Aktiengesellschaft sowie die Vertretungsmacht nach außen geklärt ist, stellt sich in formeller Hinsicht noch die Frage, inwieweit der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung publik gemacht werden muss. Das ist deshalb von einiger Brisanz, weil der Versicherer regelmäßig verhindern will, dass die Existenz eines D&O-Versicherungsvertrages bekannt wird.269 Wissen nämlich geschädigte Dritte von dem Bestehen einer D&O-Versicherung, haben diese wegen der höheren Haftungssumme eine zusätzlichen Anreiz, ihre Ansprüche geltend zu machen: Durch die Publizität der D&O-Versicherung steigt die Regresswahrscheinlichkeit Dritter.270
267
Einzelheiten dazu finden sich in Kapitel 6 A. III. 2. b). Vgl. dazu Kapitel 6 A. III. 2. c). Allerdings ist hier nicht der qualifizierte Haftungstatbestand des Abs. 3 Nr. 7 einschlägig. 269 Sieg, DB 2002, 1759 (1761). 270 Vgl. Kapitel 5 C. IV. 2. a). 268
C. Publizitätserfordernisse
173
Gemäß § 285 Nr. 9a HGB muss die Aktiengesellschaft die Gesamtbezüge der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Anhang zur Bilanz veröffentlichen, jedenfalls soweit es sich nicht um eine kleine Aktiengesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB handelt (§ 288 HGB).271 Daher stellt sich die Frage, inwieweit auch der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung nach dieser Vorschrift publiziert werden muss. Die in einem Klammerzusatz aufgezählten „Versicherungsentgelte“ begründen allerdings nicht zwingend eine Subsumtion der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung unter die Gesamtbezüge.272 Angabepflichtige Gesamtbezüge liegen dann vor, wenn Bezüge im Sinne des § 87 AktG beziehungsweise Vergütung im Sinne des § 113 AktG gegeben sind.273 Mag auch der Umfang der Angabepflicht sehr weit gezogen sein,274 ist dennoch zu beachten, dass § 285 Nr. 9a HGB nicht die Beurteilung als Bezüge oder Vergütung konstituiert, sondern eine entsprechende Einordnung voraussetzt.275 Daher richtet sich die Angabepflicht der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung danach, wie man sie aktienrechtlich einordnet.276 Demnach fällt eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung grundsätzlich nicht unter § 285 Nr. 9a HGB. Allerdings bindet die aktienrechtliche Einordnung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung die Beurteilung nach § 285 Nr. 9a HGB auch hinsichtlich der analogen Anwendung der §§ 87, 113 AktG. Deswegen fällt eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, die in entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Normen wie Vergütung/Bezüge behandelt wird, auch unter den analogen Anwendungsbereich des § 285 Nr. 9a HGB. Im Ergebnis sind daher gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherungen nach § 285 Nr. 9a HGB analog angabepflichtig.
271 Die Publizität nach § 285 Nr. 9a HGB unterscheidet sich von der nach § 161 AktG i. V. m. dem Corporate Governance Kodex, weil § 161 AktG eine Veröffentlichung nur insoweit vorschreibt, als von den Bestimmungen des Kodexes abgewichen wird. Nach § 161 AktG muss die Aktiengesellschaft die Existenz einer D&O-Versicherung also nicht grundsätzlich, sondern nur dann offen legen, wenn sie eine D&OVersicherung ohne angemessenen Selbstbehalt abschließt (Ziffer 3.8 Corporate Governance Kodex i. V. m. § 161 AktG). Näheres zur Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG findet sich etwa bei: Lutter, ZHR 166 (2002), 523–543; Seibt, AG 2002, 249– 259. 272 Vgl. Kapitel 6 A. I. 1. b) bb) sowie Kapitel 6 B. I. 1. 273 Ellrott, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 285 HGB Rn. 167. 274 So Kästner, AG 2000, 113 (116). 275 Ebenso Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (302); Vetter, AG 2000, 453 (456); anderer Auffassung Kästner, AG 2000, 113 (116), die die bilanzielle Behandlung als Indiz für die Einordnung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung als Vergütung versteht. Vgl. Kapitel 6 A. I. 1. b) bb). 276 Dies scheint auch Ellrott, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 285 HGB Rn. 170, so zu sehen, weil er – auch wenn er die Veröffentlichungspflicht für D&OVersicherungsprämien generell bejaht – auf Stellungnahmen hinweist, die sich zum Streit über die aktienrechtliche Zuständigkeit äußern.
Kapitel 7
Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht Die bisherigen Ausführungen im Rahmen dieser Arbeit haben Probleme und Fragestellungen bezüglich der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung als solcher zum Gegenstand gehabt. Neben einer Untersuchung der generellen Vereinbarkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung mit dem Aktienrecht wurden vor allem die formalen Kriterien herausgearbeitet, die bei einem Abschluss durch die Aktiengesellschaft zu beachten sind. Doch auch einzelne Vertragsbestimmungen können Auswirkungen haben, die aktienrechtlich problematisch sind. D&O-Versicherungsverträge enthalten in den AVB in der Regel eine Vielzahl von Klauseln, vor allem im Rahmen der Ausschlusstatbestände. Dabei hat die Zahl der Bestimmungen, die den Versicherungsschutz einschränken, in den letzten Jahren stark zugenommen. Insbesondere seit dem Holzmann-Fall, der für den D&O-Versicherer eine Zahlung von 38 Mio. DM zur Folge hatte,1 erhöhen die D&O-Versicherer die Prämien;2 gleichzeitig wird der Deckungsschutz eingeschränkt, indem zusätzliche Ausschlusstatbestände geschaffen werden.3 Naturgemäß wirft die Vereinbarung von Versicherungsausschlüssen neue Probleme auf. Allerdings können nicht alle der zum Teil neuen Klauseln an dieser Stelle Beachtung finden. Indes weisen einige Klauseln einen spezifisch gesellschaftsrechtlichen Bezug auf. Diese Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht kritisch zu untersuchen, ist im Folgenden Gegenstand der Arbeit.
1
Zum Holzmann-Fall vergleiche Kapitel 5 C. IV. 2. c) bb). Für das Versicherungsjahr 2003 um bis zu 300% bis 500%: Schmitz/Gloeckner, AG 2003, R 206 (206). 3 Vgl.: Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 105–106; Lichter/Tödtmann, Handelsblatt vom 30.1.2004, S. k01; Schilling, VW 2003, 1183 (1183); Schmitz/Gloeckner, AG 2003, R 156 (156). Eine Entwicklung hin zu „Policen, die von Ausschlüssen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit dominiert werden“ sieht Keil, VW 2003, 165. 2
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
175
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin, die unter Beteiligung versicherter Personen geltend gemacht werden Von zusätzlichen Einschränkungen ist vor allem die Innenhaftung betroffen,4 das heißt die Haftung der versicherten Organwalter gegenüber der Aktiengesellschaft. Dabei ist die so genannte Öffnungsklausel5 von besonderer Brisanz. Nach ihr sind Ansprüche dann nicht mehr vom Versicherungsschutz gedeckt, wenn sie unter Beteiligung von Personen geltend gemacht werden, die ihrerseits durch den D&O-Versicherungsvertrag versichert sind. Problematisch erscheint die Öffnungsklausel vor allem, weil sie sich auch auf Ansprüche erstreckt, die vom Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft gegen (ehemalige) Vorstandsmitglieder erhoben werden – die Mitglieder des Aufsichtsrates sind vom Versicherungsschutz aller gängigen Versicherungsverträge erfasst und damit versicherte Personen6. Nach § 111 AktG ist der Aufsichtsrat auf Grund seiner Überwachungs- und Kontrollfunktion jedoch regelmäßig dazu verpflichtet, namens der Gesellschaft Ansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, soweit solche bestehen. Für den Aufsichtsrat ergibt sich daraus folgendes Dilemma: Kommt er seiner Pflicht nach und macht die Ansprüche geltend, so erlischt die Deckung für diesen Versicherungsfall. Wartet er hingegen ab, um den Versicherungsschutz zu erhalten, verhält er sich gegebenenfalls pflichtwidrig. Insoweit könnte die Öffnungsklausel mit den Pflichten des Aktienrechts kollidieren.7 Ihre Zulässigkeit8 ist daher im Folgenden kritisch zu untersuchen.
4
Vgl. Schilling, VW 2003, 1183 (1184). Vgl. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 767 (Fn. 1370); z. T. wird sie auch als „Öffentlichkeitsklausel“ bezeichnet, vgl. etwa Beckmann, in FS Kollhosser (2004), S. 25 (27); Olbrich, Die D&O-Versicherung in Deutschland, S. 134. 6 So bezeichnet beispielsweise die Definition in den AVB eines Versicherers „alle ehemaligen, gegenwärtigen und zukünftigen Mitglieder des [. . .] Aufsichtsrats“ als versicherte Personen. 7 Lattwein, NVersZ 1999, 49 (51) sowie Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 117, sprechen von einer „Konfliktsituation“. Kästner, AG 2000, 113 (120–121), hält die Klausel für „höchst bedenklich“; Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (150) meint, sie sei „nicht sachgerecht“; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 204–205 Rn. 423, sieht ein „Dilemma“ und hält die Klausel für „unpraktikabel“. Zurückhaltender Beckmann, in FS Kollhosser (2004), S. 25 (35). 8 Lange, Beilage zu PHi 6/2003, S. 1–4, hält die Öffnungsklausel wegen Verstoßes gegen BGB § 305c Abs. 1 sowie gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für unwirksam. 5
176
Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
I. Klauseldarstellung und Beschreibung der gängigen Praxis Die Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) legen in Ziffer 1.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG)9 fest: „Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin [. . .] bestehen nur unter der Voraussetzung, dass diese Ansprüche nicht auf Weisung, Veranlassung oder Empfehlung einer versicherten Person [. . .] geltend gemacht werden. Eine Weisung, Veranlassung oder Empfehlung liegt nicht vor bei Erfüllung satzungsgemäßer Berichts- und Informationspflichten.“
Diese GDV-Empfehlung hat sich in den gängigen Bedingungen der D&OVersicherer – bisher – nicht durchgesetzt;10 ein Blick auf die aktuelle Entwicklung zeigt jedoch, dass sie künftig durchaus in den AVB der D&O-Versicherungsverträge zu finden sein wird. In den letzten Jahren ist eine zunehmende Inanspruchnahme der deutschen D&O-Versicherer zu verzeichnen, jede zehnte Police ist mittlerweile schadensträchtig; für deutsche D&O-Versicherer besteht damit – im internationalen Vergleich gesehen – eine überproportionale Wahrscheinlichkeit, in Anspruch genommen zu werden.11 Weil die Schadenszunahme insbesondere auf den Bereich der Innenhaftung zurückzuführen ist, ist seitens eines bedeutenden Marktteilnehmers im Jahr 2003 erstmals wieder auf die Öffnungsklausel aus den Musterbedingungen des GDV zurückgegriffen worden.12 So enthält eine neuere Version AVB eines D&O-Versicherers – in modifizierter Form – die Öffnungsklausel aus den AVB-AVG des GDV.13 Unter der Bezeichnung „modifiziertes Innenverhältnis“ werden in § 5 der AVB [Ausschlüsse] alle Ansprüche vom Versicherungsschutz ausgenommen, die von oder im Namen von Versicherten betrieben werden.14 Weil nach § 13 der AVB [De9
Nachzulesen bei Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 229–239. Vgl.: Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 177; Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (150); die diese Tatsache jeweils positiv bewerten. 11 Hagemann, Vorstandschef der Allianz Versicherungs-AG, in VW 2003, 612. Ähnlich: Ihlas, in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 12 des Vortragsmanuskripts; Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 2–4. 12 Vgl. Beckmann, in FS Kollhosser (2004), S. 25 (27, 33); Schilling, VW 2003, 1183 (1184), die von einzelnen D&O-Versicherern bzw. einem bedeutenden Marktteilnehmer sprechen. Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 33, stellen Ziffer 1.3 der AVB-AVG des GDV als idealen Problemlöser für die D&O-Versicherung dar. 13 Stand Anfang 2003, so Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 12 des Vortragsmanuskripts. Vgl. auch entsprechende Ausführungen bei Koch, GmbHR 2004, 288 (293–294). 10
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
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finitionen]15 die Versicherungsnehmerin (Aktiengesellschaft) sowie die versicherten Personen (Organmitglieder) als Versicherte in diesem Sinne anzusehen sind, sind damit zunächst alle Ansprüche der Innenhaftung ausgeschlossen. Es gibt diesbezüglich jedoch einige Ausnahmen (sog. Wiedereinschlüsse); von Bedeutung ist zunächst der Wiedereinschluss für „Versicherungsfälle im Namen von versicherten Unternehmen, die von Aktionären oder sonstigen Gesellschaftern des versicherten Unternehmens, kraft deren Aktionärs- oder Gesellschafterrechte ohne Beteiligung, Empfehlung oder Veranlassung von Versicherten betrieben werden“. Dabei soll eine Beteiligung, Empfehlung oder Veranlassung nicht vorliegen bei „Erfüllung gesetzlicher oder satzungsmäßiger Berichts- und Informationspflichten“16. Diese Einschränkung kommt hier jedoch nicht zum Tragen: Weil es sich bei den Pflichten des Aufsichtsrates17 zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht um Berichts- und Informationspflichten handelt, sind sie vom Wiedereinschluss nicht erfasst.18 Ein weiterer Wiedereinschluss betrifft solche Versicherungsfälle, die unmittelbar auf einem Beschluss 14 Laut Ihlas, in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 6–7 des Vortragsmanuskripts, werden die AVB eines D&O-Versicherers unter der Bezeichnung „modifiziertes Innenverhältnis“ folgendermaßen verändert: § 5 der AVB [Ausschlüsse] wird um folgenden Absatz ergänzt: [ausgeschlossen sind Ansprüche] „die von oder im Namen von Versicherten betrieben werden; ausgenommen davon sind (a) Versicherungsfälle im Namen von versicherten Unternehmen, die von Aktionären oder sonstigen Gesellschaftern des versicherten Unternehmens kraft deren Aktionärs- oder Gesellschafterrechte ohne Beteiligung, Empfehlung oder Veranlassung von Versicherten betrieben werden; eine Beteiligung, Empfehlung oder Veranlassung liegt nicht vor bei Erfüllung gesetzlicher oder satzungsgemäßer Berichtsund Informationspflichten; (b) Versicherungsfälle, die von einem Insolvenzverwalter oder Liquidator wegen der Insolvenz oder Liquidation der Versicherungsnehmerin betrieben werden; (c) Versicherungsfälle, die in Deutschland nach deutschem Recht im Namen der Versicherungsnehmerin betrieben werden, unmittelbar auf einem Beschluß des Aufsichtsrates der Versicherungsnehmerin beruhen und sich gegen die Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglieder der Versicherungsnehmerin richten bis hin zu einem Sublimit in Anrechnung auf die Versicherungssumme in Höhe von . . . A; (d) Versicherungsfälle, die von versicherten Personen gerichtet auf Gesamtschuldnerausgleich, Enthaftung, Regreß oder Streitverkündung betrieben werden, wenn dieser Versicherungsfall unmittelbar aus einem anderen von dieser Police gedeckten Versicherungsfall folgt; (e) Versicherungsfälle, die von ausgeschiedenen versicherten Personen betrieben werden und (f) Abwehrkosten.“ 15 Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 7 des Vortragsmanuskripts. 16 Buchstabe (a) der Wiedereinschlüsse; vgl. Fn. 14 auf dieser Seite. 17 Zu den Pflichten des Aufsichtsrates vgl. Ziffer III. 18 Ebenso: Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 177; Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 15 des Vortragsmanuskripts.
178
Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
des Aufsichtsrates beruhen.19 Durch eine derartige Ausnahme, die in den AVBAVG des GDV nicht vorgesehen ist, könnte die oben angesprochene Pflichtenkollision möglicherweise entfallen: Nach ihr kann der Aufsichtsrat (pflichtgemäß) Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder geltend machen, ohne dass der Versicherungsschutz entfällt. Indes greift der zitierte Wiedereinschluss der hier zugrunde gelegten AVB nur bis zu einem bestimmten Sublimit, Ihlas schlägt ein Limit von höchstens 5 Mio. A vor20. Gerade die großen Schadensfälle sind von einer solchen Deckung nur unzureichend erfasst. Der genannte Wiedereinschluss vermag daher die oben erwähnte Pflichtenkollision nicht grundsätzlich zu beseitigen, nur bei kleineren Schäden kommt ihm Bedeutung zu. Da aus Sicht der Aktiengesellschaft vor allem die Rechtslage bei größeren Schäden interessant ist und im Übrigen auch nicht zu erwarten ist, dass alle Versicherer, die auf die Öffnungsklausel zurückgreifen, einen entsprechenden Wiedereinschluss mit aufnehmen, soll der zuletzt genannte Wiedereinschluss im Folgenden vernachlässigt werden. Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist daher die Öffnungsklausel ohne den genannten Wiedereinschluss. Nach ihr sind die Ansprüche der Gesellschaft (Versicherungsnehmerin) gegen Organmitglieder nur insoweit versichert, als sie von Aktionären ohne Beteiligung von Organmitgliedern (Versicherte) betrieben werden. Im Ergebnis bleibt es somit beim Ausschluss beziehungsweise bei der Nichtdeckung von Ansprüchen der Gesellschaft, die der Aufsichtsrat gegen Vorstandsmitglieder geltend macht. Es ist angesichts des steigenden Drucks auf die D&O-Versicherer zu erwarten, dass sie künftig in zunehmendem Maße auf die Öffnungsklausel zurückgreifen werden.
II. Öffnungsklausel und VVG Für die Zulässigkeit der Öffnungsklausel führt Ihlas an, dass es sich lediglich um eine Konkretisierung des § 61 VVG handele.21 Dieses Argument bedarf näherer Erörterung; falls es sich bei der Klausel tatsächlich nur um eine Ausformung des § 61 VVG handelt, kann die Klausel nicht ohne weiteres als unzulässig angesehen werden. Vielmehr wäre dann ein Konflikt zwischen VVG und AktG gegeben22, der rechtlich anders einzuordnen wäre als eine Kollision des Aktiengesetzes mit einer „einfachen“ Vertragsklausel. 19
Buchstabe (c) der Wiedereinschlüsse; vergleiche Fn. 14 auf S. 177. Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 20 des Vortragsmanuskripts. 21 Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 16 des Vortragsmanuskripts. Ebenso Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 15. 22 Ob tatsächlich ein Konflikt mit dem AktG vorliegt, wird im Folgenden unter Ziffer III.–V. geprüft. 20
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
179
Daher ist zunächst zu untersuchen, ob die Klausel eine Konkretisierung des § 61 VVG vornimmt. 1. § 61 VVG und Öffnungsklausel § 61 VVG befreit den Versicherer von der Leistungspflicht, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.23 Als Versicherungsfall bezeichnen die AVB der D&O-Versicherer die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegen eine versicherte Person (sog. Anspruchserhebungs- oder „claims-made-Prinzip“). 24 Macht der Aufsichtsrat Ansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder geltend, löst er dadurch den Versicherungsfall vorsätzlich aus, weil eine solche Handlung nur bewusst und gewollt vorgenommen werden kann. Dieses Handeln des Organs „Aufsichtsrat“ gilt gemäß § 31 BGB auch als Handeln der Gesellschaft. Demnach könnte man die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat als vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls einordnen und damit einen Ausschluss gemäß § 61 VVG begründen.25 Eine derartige Auslegung des § 61 VVG scheint jedoch fragwürdig. Dagegen spricht insbesondere der Normzweck: Die Vorschrift soll verhindern, dass sich der Versicherungsnehmer hinsichtlich des versicherten Interesses völlig sorglos verhält.26 Zudem soll dem rechtsmissbräuchlich handelnden Versicherungsnehmer der Versicherungsschutz verwehrt werden.27 § 61 VVG befreit den Versicherer daher von der Eintrittspflicht, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden selbst herbeigeführt hat.28 Mit Blick auf die D&O-Versicherung bedeutet das: Für die Schäden der Gesellschaft, die das versicherte Organmitglied (§ 79 Abs. 1 VVG) vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, muss der Versicherer gemäß § 61 VVG nicht einstehen. Demgegenüber kann es nicht Ziel von § 61 VVG sein, pflichtgemäßes und rechtmäßiges Verhalten des Aufsichtsrates (hier: die Geltendma23
Eine Prüfung des § 152 VVG folgt unter Ziffer 2. Vgl. etwa Ziffer 2 ULLA der R+V-Versicherung (Ausgabe: Juli 2001). Einzelheiten siehe in Kapitel 4 C. 25 So muss man Ihlas verstehen, in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 16 des Vortragsmanuskripts. Noch deutlicher Ihlas/ Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 15. 26 Beckmann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 61 Rn. 2; Langheid, in: Römer/ Langheid, § 61, Rn. 1. 27 Lorenz, VersR 2000, 2 (4–5). 28 Langheid, in: Römer/Langheid, § 61, Rn. 3. Auch Beckmann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 61 Rn. 30, spricht von Schadensentstehung und -erhöhung. 24
180
Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
chung von Schadensersatzansprüchen) durch einen Haftungsausschluss quasi zu sanktionieren. Dieses Verhalten ist nicht sorglos oder gar rechtsmissbräuchlich, im Gegenteil liegt es im Interesse der Aktiengesellschaft. Wenn Ihlas also damit argumentiert, § 61 VVG solle verhindern, dass „das Bestehen von Versicherungsschutz die Herbeiführung von Schäden induziert“29, zieht er daraus die falsche Schlussfolgerung. Mit der von Ihlas gewählten Interpretation wird die Geltendmachung eines bereits entstandenen Schadens(ersatzanspruches) verhindert. § 61 VVG soll aber die Herbeiführung von Schäden verhindern, nicht deren Geltendmachung. Daher handelt es sich bei der Öffnungsklausel nicht um eine Konkretisierung von § 61 VVG. Davon abgesehen ist zweifelhaft, ob die Norm überhaupt auf die D&O-Versicherung anwendbar ist. Als speziellere Vorschrift könnte § 152 VVG greifen, welche § 61 VVG für Haftpflichtversicherungen abändert.30 Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob die D&O-Versicherung eine Haftpflichtversicherung im Sinne des VVG ist. Wegen der Konstruktion als Versicherung für fremde Rechnung sieht Ihlas die D&O-Versicherung hinsichtlich der Abdeckung der Innenhaftung nicht als Haftpflichtversicherung, sondern als „unechte Eigenschadenversicherung“31. Dabei hält Ihlas in seinen Ausführungen richtig fest, dass aus dem „Viereck“ von Versicherungsnehmerin, Versicherten, Versicherer und geschädigtem Dritten bei der Innenhaftung ein „Dreieck“ wird, weil die Versicherungsnehmerin gleichzeitig geschädigte Dritte ist. Die Versicherungsnehmerin ist auch insoweit begünstigt, als sie mit dem Versicherer einen solventen Schuldner erhält. Wirtschaftlich handelt es sich aus Sicht der Gesellschaft um eine Eigenschadenversicherung, weil sie indirekt ihr Regressrisiko gegen ihre Organmitglieder absichert.32 Das ändert aber nichts daran, dass die D&O-Versicherung aus Sicht der betroffenen versicherten Person eine Haftpflichtversicherung ist. Sie deckt die Haftungsrisiken von versicherten Personen bei Ausübung ihrer Organtätigkeit ab. Im Übrigen handelt es sich auch aus Sicht der Gesellschaft ihrer rechtlichen Konstruktion nach um eine Haftpflichtversicherung,33 die mittelbar zur Folge hat, dass ein solventer Schuldner auf der Seite des verantwortlichen Organmitglieds zur Verfügung steht.
29 Ihlas in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 16 des Vortragsmanuskripts. 30 Langheid, in: Römer/Langheid, § 61 Rn. 7, § 149 Rn. 4, 40, § 152 Rn. 1. 31 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 243–244; derselbe in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 16 des Vortragsmanuskripts. 32 Vgl. Kapitel 4 E. und Kapitel 6 A. I. 1. a) bb) (3) (b). 33 Ähnlich Koch, GmbHR 2004, 18 (23 dort Fn. 44), der Ihlas Argumentation für dogmatisch nicht überzeugend hält.
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
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Im Ergebnis ist deshalb § 152 VVG anzuwenden, § 61 VVG wird von der spezielleren Norm verdrängt.34 2. § 152 VVG und Öffnungsklausel Nun könnte man Ihlas Ansatz zu § 61 VVG möglicherweise auf § 152 VVG übertragen und die Klausel lediglich als Konkretisierung des § 152 VVG ansehen. Folge wäre auch hier, dass die Klausel nicht ohne weiteres als unzulässig angesehen werden könnte, wenn sie mit dem Aktiengesetz kollidierte. Daher bedarf es einer genauen Betrachtung, inwieweit die Öffnungsklausel als Ausformung des § 152 VVG eingeordnet werden kann. § 152 VVG schließt die Haftung des Versicherers aus, wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat. Dabei ist für die hier behandelte Problematik entscheidend, was vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt sein muss, der Versicherungsfall oder die Tatsachen, die die Haftung begründen. Wäre in § 152 VVG der Versicherungsfall gemeint, so würde jede Geltendmachung durch Aufsichtsratmitglieder im Namen der Gesellschaft als vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Versicherungsnehmerin gelten, weil eine Geltendmachung – wie oben dargestellt – nur vorsätzlich denkbar ist und das Verhalten des Aufsichtsrates gemäß § 31 BGB als Verhalten der Gesellschaft betrachtet werden muss. Würde man § 152 VVG so auslegen, wäre die Öffnungsklausel tatsächlich als bloße Konkretisierung anzusehen; die Norm würde – soweit man von dem Merkmal der Widerrechtlichkeit absieht35 – genau solche Fälle der vorsätzlichen Geltendmachung erfassen. Meint § 152 VVG hingegen die vorsätzliche widerrechtliche Herbeiführung der Tatsachen, die die Haftung des Versicherten herbeiführen, dann erstreckt sich der Anwendungsbereich lediglich auf die Situationen, in denen Organmitglieder wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen haften – das betrifft gerade nicht die Fälle der Öffnungsklausel, sondern würde dem Inhalt des Vorsatzausschlusses entsprechen.36 Für die zuletzt genannte Auslegung spricht schon der 34
Im Ergebnis ebenso: Koch, GmbHR 2004, 288 (295). Dazu sogleich. 36 Für die D&O-Versicherung ist Henssler im Ergebnis so zu verstehen, wenn er schreibt: „Dass eine Haftpflichtversicherung gegen Ersatzansprüche aus vorsätzlichen Pflichtverletzungen [. . .] nicht möglich ist, ergibt sich bereits aus § 152 VVG.“: D&OVersicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (147–148). Anderer Auffassung anscheinend Ihlas, der auch für § 152 VVG davon spricht, dass es um die „vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls“ gehe, in einem Vortrag auf der EUROFORUM-Jahrestagung „Haftpflicht 2003“, S. 16 des Vortragsmanuskripts. 35
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
Wortlaut der Norm.37 Dort wird der „Eintritt der Tatsache, für die er dem Versicherungsnehmer verantwortlich ist“ als Ausschlussgrund genannt, Anknüpfungspunkt können danach nur haftungsbegründende Tatsachen sein.38 Hinzu kommt, dass der Begriff „Versicherungsfall“ in § 152 VVG nicht genannt wird;39 es erscheint somit zweifelhaft, die Auslegung der Norm an dieser Begrifflichkeit auszurichten. Selbst wenn man aber der zuerst genannten Auslegung folgte, wäre zu beachten, dass § 152 VVG auch das Merkmal der „Widerrechtlichkeit“ voraussetzt. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Aktiengesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat kann aber schon deshalb nicht widerrechtlich sein, weil der Aufsichtsrat zur Geltendmachung im Regelfall verpflichtet ist40. Die Klausel kann daher auch nicht als bloße Konkretisierung des § 152 VVG aufgefasst werden. Den Ausführungen von Ihlas, die Öffnungsklausel entspreche inhaltlich den Normen des VVG, ist nicht zu folgen.
III. Die Pflicht des Aufsichtsrates, Ansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen Zu klären bleibt demnach, ob die Öffnungsklausel den Pflichten des Aufsichtsrates zuwiderläuft, indem sie Anreize schafft, Ansprüche der Aktiengesellschaft gegen Vorstandsmitglieder nicht geltend zu machen. Dabei müssen zunächst die Pflichten des Aufsichtsrates hinsichtlich der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder im Einzelnen dargelegt werden. Zu den Hauptaufgaben des Aufsichtsrates zählt die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 AktG), die (laufende) Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) sowie die (gerichtliche und außergerichtliche) Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern (§ 112 AktG). Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft hat in diesem Rahmen auch unternehmerische Entscheidungen zu treffen, etwa bei der Bestellung und Abberufung des Vorstandes (§ 84 AktG) oder der Billigung im Rahmen zustimmungspflichtiger Geschäfte (§ 111 Abs. 4 AktG). 37 Wohl ebenso Langheid, der über § 152 schreibt: „. . . hier schadet dem Versicherungsnehmer nur die vorsätzliche Herbeiführung des Drittschadens“, in: Römer/Langheid, § 61 Rn. 7. 38 Für die D&O-Versicherung kommt Koch, GmbHR 2004, 288 (294), zu einem ähnlichen Ergebnis. 39 Der Begriff findet sich lediglich in der nichtamtlichen Überschrift. 40 Einzelheiten dazu, wann genau der Aufsichtsrat Ansprüche geltend machen muss, sogleich unter Ziffer III.
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
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Im Idealfall, also bei funktionierender Geschäftsführung, besteht zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ein eher kooperatives Verhältnis, der Aufsichtsrat wird als Berater in wichtigen Fragen der Unternehmensführung tätig. Indessen kann die Übernahme einer solchen Beratungsfunktion nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gesetzgeber dem Aufsichtsrat vor allem Überwachungs- und Kontrollaufgaben zugewiesen hat.41 Die Überwachung ist auf Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung durch den Vorstand gerichtet.42 Sie umfasst vor allem die Kontrolle bereits abgeschlossener Geschäftsvorgänge.43 Daraus kann – insbesondere wenn man die in § 112 AktG statuierte Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates gegenüber Vorstandsmitgliedern berücksichtigt – die Pflicht erwachsen, Ansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder (notfalls gerichtlich) geltend zu machen. Bei der Entscheidungsfindung über eine eventuelle Geltendmachung hat der Aufsichtsrat dem grundlegenden und richtungweisenden ARAG/GarmenbeckUrteil44 zu Folge in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst sind die Erfolgsaussichten einer Klage (Prozessrisikoanalyse) zu beurteilen, um danach eine Entscheidung hinsichtlich der tatsächlichen Geltendmachung zu treffen (Realisierungsentscheidung). 1. Prozessrisikoanalyse Im Rahmen der Analyse des Prozessrisikos hat der Aufsichtsrat zu klären, ob ein Anspruch der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder besteht, wozu das tatsächliche Geschehen ermittelt und rechtlich eingeordnet werden muss. Zudem gilt es, die Beweismöglichkeiten zu überprüfen, nur wenn die ermittelten Umstände auch bewiesen werden können, ist eine Klage im Interesse der Aktiengesellschaft. Schließlich muss der Aufsichtsrat auch in Betracht ziehen, inwieweit ein rechtskräftig festgestellter Anspruch durchsetzbar, mithin vollstreckbar wäre; auch hiervon hängt der Erfolg einer Klage ab.
41 Vgl. dazu K. Schmidt, der von einer Prägung der Hauptaufgaben des Aufsichtsrates durch die Überwachungsfunktion spricht, Gesellschaftsrecht, § 28 III. 1, S. 820. Zu den Überwachungspflichten des Aufsichtsrates nach dem KonTraG: Pahlke, NJW 2002, 1680–1688. 42 Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (106). 43 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 25. März 1991 (Az: II ZR 188/89), der unter Ziffer 1.a der Gründe ausführt, dass sich die Kontrolle „nicht nur“ auf abgeschlossene Sachverhalte bezieht und damit gleichzeitig ausdrückt, dass dies die Hauptaufgabe des Aufsichtsrates ist. Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 114, 127–137. 44 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Ziffer II.2.b.bb der Entscheidungsgründe, Fundstelle: BGHZ 135, 244–257. Vgl. aus der umfangreichen Literatur zu diesem viel beachteten Urteil: Horn, ZIP 1997, 1129; Kindler, ZHR 162 (1998), 101; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290; jeweils m. w. N.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
Bei der Analyse des Prozessrisikos hat der Aufsichtsrat kein Ermessen. Im ARAG/Garmenbeck-Urteil hat der BGH – zu Recht – eine diesbezügliche Entscheidungsprärogative abgelehnt.45 Die Prüfung des Aufsichtsrates – so der BGH – entspreche derjenigen, die jeder andere, der – in eigener oder fremder Sache – einen Anspruch einklagt, ebenfalls durchführen müsse. Dem ist zuzustimmen: Der Aufsichtsrat hat nur zu prüfen, ob ein rechtliches Vorgehen Erfolg versprechend ist. Dabei handelt es sich letztlich um eine Frage der Erkenntnis und nicht des Handelns, sodass ein Ermessensspielraum von vorneherein ausscheidet.46 Die Prüfung ist durch den Aufsichtsrat sorgfältig und sachgerecht vorzunehmen, ihm steht diesbezüglich nur ein begrenzter Beurteilungsspielraum zu.47 2. Realisierungsentscheidung Ergibt die Prozessrisikoanalyse, dass die Gesellschaft (voraussichtlich)48 durchsetzbare Forderungen gegen Vorstandsmitglieder hat, so muss der Aufsichtsrat entscheiden, ob er die Ansprüche auch geltend machen will. Diese Entscheidung stünde nur dann im autonomen unternehmerischen Ermessen des Aufsichtsrates, wenn dem Aufsichtsrat die Entscheidungskompetenz als unternehmerische Aufgabe zugewiesen wäre49.50 a) Die Realisierungsentscheidung als Teil der Überwachungsaufgabe Die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder ist Teil der Überwachungsaufgabe des Vorstands.51 Bei der Überwachung aktueller oder zukünftiger Geschäftsvorgänge hat der Aufsichtsrat hinsichtlich grundsätzlicher Fragen der zukünftigen Unternehmenspolitik seiner Überwachungspflicht vor 45 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Ziffer II.2.b.bb der Entscheidungsgründe, Fundstelle: BGHZ 135, 244–257. 46 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), unter II.2.b.bb. der Entscheidungsgründe, Fundstelle: BGHZ 135, 244–257; zustimmend: Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (109), der betont, es handele sich um einen kognitiven, nicht um einen voluntativen Vorgang. 47 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Ziffer II.2.b.bb–cc der Entscheidungsgründe, Fundstelle: BGHZ 135, 244–257. 48 Der BGH („ARAG/Garmenbeck“) führt diesbezüglich richtigerweise aus, dass Gewissheit nicht verlangt werden kann, Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/ 95), Ziffer II.2.b.cc der Entscheidungsgründe, Fundstelle: BGHZ 135, 244–257. 49 Dies ist beispielsweise bei den in §§ 84, 111 Abs. 4 AktG beschriebenen Sachverhalten der Fall. 50 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Ziffer II.2.b.cc der Entscheidungsgründe, Fundstelle: BGHZ 135, 244–257. 51 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Ziffer II.2.b.cc der Entscheidungsgründe, Fundstellen: BGHZ 135, 244–257.
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allem durch Beratung nachzukommen.52 Diese Beratung, die auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit mit einschließt,53 ist eine unternehmerische Aufgabe,54 insbesondere hinsichtlich der konkreten Überwachungsmittel ist dem Aufsichtsrat daher ein Ermessensspielraum einzuräumen.55 Zweifelhaft erscheint hingegen, ob sich das auch auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen übertragen lässt. Zwar sind auch sie Teil der Überwachungstätigkeit, jedoch handelt es sich um die Überwachung abgeschlossener Geschäftsvorgänge. b) Zur Frage des unternehmerischen Ermessens bei der Realisierungsentscheidung Dem Aufsichtsrat wäre auch hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ein unternehmerisches Ermessen einzuräumen, wenn es sich dabei um eine unternehmerische Aufgabe handelte. Bei unternehmerischen Aufgaben gründet die Einräumung eines weiten Ermessens auf der Erkenntnis, dass die Entscheidung unter Unsicherheit getroffen wird und im Ergebnis größtenteils auf Prognosen beruht.56 Diese Voraussetzungen sind aber hinsichtlich der Realisierungsentscheidung nicht gegeben. Ist die Prozessrisikoanalyse positiv, so kann man mit Blick auf die Realisierung des Anspruchs von einem „sicheren Geschäft“ sprechen, der dem Zweck des Unternehmens – Gewinnerzielung – dient. Eine durch große Unsicherheiten gekennzeichnete Prognostizierung ist hier nicht erforderlich, es geht um abgeschlossene Tatbestände aus der Vergangenheit. Mit der Geltend52 Vgl. zur Beratungspflicht mit dem Ziel der Kontrolle künftiger Geschäftspolitik die Ausführungen des BGH, Urteil vom 25. März 1991 (Az: II ZR 188/89), unter 1.a der Gründe: „Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat in erster Linie die Geschäftsführung zu überwachen. Diese Kontrolle bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik; sie ist nicht auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern muß die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung einbeziehen. Eine so verstandene Kontrolle kann wirksam nur durch ständige Diskussion mit dem Vorstand und insofern durch dessen laufende Beratung ausgeübt werden; die Beratung ist deshalb das vorrangige Mittel der in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstands.“ Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 114, 127–137. 53 BGH, Urteil vom 25. März 1991 (Az: II ZR 188/89), unter 1.a der Gründe; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 114, 127–137. 54 Ebenso: Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1159). 55 Nach Ansicht des BGH ist der Aufsichtsrat auf Grund seiner Überwachungspflicht nur dann verpflichtet, ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG anzuordnen, wenn er nur so eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme verhindern kann, Urteil vom 15. November 1993 (Az: II ZR 235/92), unter Ziffer IV.2.b)aa der Entscheidungsgründe; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 124, 111– 128. 56 Ähnlich: Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1159).
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
machung von Ansprüchen wird die Wiederherstellung eines Zustands verfolgt, der durch pflichtwidrig ausgeführte Geschäftsführung verändert wurde. Zudem handelt es sich bei der Entscheidung, durchsetzbare Ansprüche nicht geltend zu machen, de facto um einen freiwilligen Verzicht auf Vermögenswerte. Eine solche Entscheidung kann aber nicht im unternehmerischen Ermessen liegen, denn das ist dem Aufsichtsrat nur bei der Mittelwahl mit dem Ziel der Vermögensmehrung zuzugestehen.57 Für ein unternehmerisches Ermessen bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen wird angeführt, § 147 AktG bestimme, wann der Aufsichtsrat Ansprüche geltend machen müsse, nämlich bei Beschluss der Hauptversammlung oder Verlangen einer qualifizierten Minderheit. Ansonsten stehe die Entscheidung im unternehmerischen Ermessen des Aufsichtsrates.58 § 147 AktG bestimmt aber gerade die Fälle, in denen der Aufsichtsrat keine Entscheidung mehr treffen darf, weil die Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Daraus zu folgern, dass dem Aufsichtsrat, wenn er entscheiden kann, ein unternehmerisches Ermessen zukommt, ist logisch nicht zwingend. Gegen ein unternehmerisches Ermessen spricht § 93 Abs. 4 S. 2 AktG, wonach die Ersatzpflicht nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat. Weil das Gesetz die Ersatzpflicht gerade nicht zur Disposition des Aufsichtrates gestellt hat, ist es konsequent, dem Aufsichtsrat auch kein Ermessen hinsichtlich der Geltendmachung einzuräumen. Ansonsten könnte der Aufsichtsrat de facto die rechtlich bestehende Ersatzpflicht „nach seinem Ermessen“ ins Leere laufen lassen. Gegen ein Ermessen lassen sich auch die Zwecke der Haftung anführen: Schadensausgleich und Verhaltenssteuerung.59 Insbesondere für die Verhaltenssteuerung ist die Realisierungs- beziehungsweise Regresswahrscheinlichkeit von großer Bedeutung.60 Die nachträgliche Überwachung soll die Vorstandsmitglieder zur Erfüllung ihrer Pflichten anhalten.61 Diesem bezweckten Lenkungseffekt würde weitgehend die Wirkung entzogen, wenn der Aufsichtsrat nach freiem – gerichtlich nicht nachprüfbarem62 – Ermessen entscheiden könnte: Pflichtverstöße des Vorstands blieben regelmäßig ohne Konsequenzen. 57
Raiser, NJW 1996, 552 (554). In diesem Sinne Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (639). Auch Horn, ZIP 1997, 1129 (1137), spricht zwar von einem „unternehmerischen Ermessen“ des Aufsichtsrates; den Entscheidungsspielraum des Aufsichtsrates grenzt er aber im Ergebnis (S. 1138) stark ein. 59 Vgl. dazu Kapitel 5 C. II. Ebenso: Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1158). 60 Dazu Kapitel 5 C. IV. 2. a). Ebenso: Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1158). 61 Raiser, NJW 1996, 552 (554). 62 Dreher fordert in einem Atemzug mit der Befürwortung unternehmerischen Ermessens die beschränkte (gerichtliche) Nachprüfbarkeit desselben, ZHR 158 (1994), 614 (624–636, 644–645); dem folgend OLG Düsseldorf („ARAG/Garmenbeck“), Ur58
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
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c) Alleinige Bindung der Realisierungsentscheidung an das Unternehmenswohl Die Entscheidung des Aufsichtsrates liegt also nicht im unternehmerischen Ermessen, sondern hat sich allein am Unternehmenswohl auszurichten.63 Dabei lässt sich aus der Gesetzessystematik die Realisierung bestehender Ansprüche als Regelfall herauslesen: Gemäß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kann die Gesellschaft nur dann auf Innenansprüche verzichten, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht 10% des Grundkapitals widersprechen. Eine Minderheit von 10% kann also der überwiegenden Mehrheit ihren Willen aufzwingen und den Verzicht unterbinden. Umgekehrt kann nach § 147 Abs. 1 AktG das gleiche Quorum, das den Verzicht verhindern kann, die Geltendmachung der Ersatzansprüche erzwingen. Beide Normen zusammen verdeutlichen, dass das Gesetz zwar die Möglichkeit in Betracht zieht, Ansprüche nicht geltend zu machen; weil aber Verzicht/Vergleich an besonders strenge Voraussetzungen gebunden sind (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG) und darüber hinaus eine Minderheit Realisierung erzwingen kann (§ 147 Abs. 1 AktG), liegt dem Aktiengesetz die Einschätzung zugrunde, dass die Realisierung regelmäßig dem objektiven Interesse der Gesellschaft entspricht.64 Andererseits kann im Einzelfall durchaus einiges gegen eine Geltendmachung sprechen: Gründe für ein Nichtgeltendmachen im Unternehmensinteresse können etwa negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit,65 Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas sein.66 Sofern diesen Gründen objektiv ein großes Gewicht zukommt und sie gegenüber dem Ausgleichsinteresse der Gesellschaft überwiegen, kann es im Sinne des Unternehmenswohls sein, die Ansprüche nicht geltend zu machen. In solchen Fällen wird der Aufsichtsrat seinen Pflichten dadurch gerecht werden, teil vom 22. Juni 1995 (Az: 6 U 104/94), Orientierungssatz 2, Fundstelle: ZIP 1995, 1183–1193. 63 Ähnlich: Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1161). 64 Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1161). Das deutet im Ergebnis auch der BGH („ARAG/Garmenbeck“) unter II.2.c der Entscheidungsgründe an, Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 135, 244–257. 65 Hinsichtlich negativer Auswirkungen in der Öffentlichkeit könnte eine börsennotierte Gesellschaft aber ohnehin verpflichtet sein, den Schaden gemäß § 15 WpHG anzuzeigen, sodass ein zusätzlicher Ansehensverlust durch Geltendmachung des Anspruches ausschiede; ebenso Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 (1162). Hinzu kommt, dass bei einem bereits bekannten Schadensfall, der durch Pflichtverletzungen verursacht wurde, die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen ein wenig vertrauenserweckendes Verhalten wäre, das ein schlechtes Licht auf die Gesellschaft würfe. 66 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), unter II.2.b.cc der Entscheidungsgründe, Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 135, 244–257.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
dass er eine Erfolg versprechende Klage gegen die Vorstandsmitglieder unterlässt. Der BGH67 spricht dabei von einem „Ermessen“ des Aufsichtsrates (allerdings in „engen Grenzen“). Richtig ist jedoch die Entscheidung aus der Pflichtenbindung des Aufsichtsrates mit Blick auf das Unternehmenswohl herzuleiten. Sofern es dem Unternehmensinteresse entspricht, ist der Aufsichtsrat berechtigt, aber auch verpflichtet, auf die Geltendmachung zu verzichten. Ein Ermessen steht ihm mangels einer Entscheidung zwischen gleichwertigen Handlungsalternativen nicht zu.68 Nur eine der beiden Handlungsmöglichkeiten (Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung) kann im Interesse der Gesellschaft liegen, sodass der Aufsichtsrat lediglich einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Gründe hat, die gegen eine Realisierung sprechen.
IV. Kollision aktienrechtlicher Pflichten mit den durch die Klausel verursachten wirtschaftlichen Zwängen Nachdem die Pflichten des Aufsichtsrates bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen dargestellt wurden, ist zu prüfen, inwieweit eine vertragliche Öffnungsklausel die Aufsichtsratsmitglieder in ihrer Entscheidung beeinflussen kann und ob durch die Klausel eventuell Anreize geschaffen werden, gegen die oben beschriebenen Pflichten zu verstoßen. Maßgeblich ist dabei, wie sich die Situation, die durch eine D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel hervorgerufen wird, im Vergleich zu der Lage darstellt, wie sie sich ohne D&O-Versicherung zeigen würde. Das Verhalten der Aufsichtsratsmitglieder bei einer D&O-Versicherung ohne Öffnungsklausel kann demgegenüber nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden; es besteht kein gesellschaftsrechtlicher Zwang zum Abschluss einer D&O-Versicherung. Eine problematische Lenkungswirkung kann nur anhand einer Gegenüberstellung mit der dem Aktiengesetz zugrunde liegenden „Normalsituation“ ermittelt werden, in der keine D&O-Versicherung existiert. Wenn eine D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel im Vergleich dazu neue/zusätzliche Anreize zu pflichtwidrigem Verhalten schafft, liegt eine problematische Kollision mit dem Aktiengesetz vor. 1. Einflüsse bei der Prozessrisikoanalyse Keinerlei Auswirkungen hat der Abschluss einer D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel auf die Prozessrisikoanalyse des Aufsichtsrates. 67 BGH („ARAG/Garmenbeck“), Urteil vom 21. April 1997 (Az: II ZR 175/95), unter II.2.c der Entscheidungsgründe. 68 Ebenso: Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (113–114).
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Prüft der Aufsichtsrat Bestehen und Beweisbarkeit von Ansprüchen gegen die Mitglieder des Vorstands, so kommt der Aufsichtsrat – unabhängig von dem Bestehen einer D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel – zu dem Ergebnis, dass beweisbare Forderungen existieren oder nicht. Soweit die Durchsetzbarkeit eines solchen Anspruchs in voller Höhe – mangels ausreichenden Privatvermögens – als unsicher erscheint, ändert sich die Situation durch die Existenz einer D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel ebenso wenig. Wenn die Klausel den Deckungsschutz ausschließt, wird der D&O-Versicherer den Schaden nicht ausgleichen, so, als bestünde keine D&OVersicherung. Im Übrigen wird der Aufsichtsrat hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen – bei fehlender Versicherungsdeckung – regelmäßig zu dem Ergebnis kommen müssen, dass jedenfalls eine Teilklage in Höhe des Privatvermögens des Vorstandsmitglieds Erfolg versprechend ist.
2. Einflüsse bei der Realisierungsentscheidung Durch die Existenz einer D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel wird jedoch die Realisierungsentscheidung des Aufsichtsrates beeinflusst. Ohne D&O-Versicherung liegen regelmäßig keinerlei besondere Umstände vor, die den Aufsichtsrat veranlassen könnten, einen beweisbaren Anspruch, der zumindest teilweise durchsetzbar ist, nicht auch geltend zu machen. Weil es in der Regel im Interesse der Gesellschaft ist, die bestehenden Ansprüche (teilweise) durchzusetzen, wird sich der Aufsichtsrat mangels Alternativen zu einer (Teil-)Klage entschließen. Besteht demgegenüber eine D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel, ist die Entscheidung für den Aufsichtsrat weitaus problematischer. Als versicherte Personen können die Aufsichtsratsmitglieder den Schadensersatzanspruch nicht geltend machen, ohne den grundsätzlich bestehenden Versicherungsschutz endgültig zum Erlöschen zu bringen. Daran kann der Aufsichtsrat naturgemäß kein Interesse haben. In der Hoffnung, dass der Anspruch auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung oder im Wege der Aktionärsklage (§ 147 AktG) geltend gemacht wird, könnte er sich veranlasst sehen, die Forderungen nicht durchzusetzen, um den Deckungsschutz des D&O-Versicherers zu erhalten. Ob die Hauptversammlung oder eine qualifizierte Minderheit (§ 147 AktG) innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 147 Abs. 6 AktG) auf den Schaden aufmerksam werden und gerichtliche Schritte einleiten, erscheint indes fraglich. Der Aufsichtsrat darf nicht auf den Schaden hinweisen, weil ansonsten eine – die Deckung ausschließende – Veranlassung oder Beteiligung vorläge.69 Eine Geltendmachung wäre demnach allenfalls in solchen Fällen wahrschein-
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
lich, in denen der Schaden und das pflichtwidrige Verhalten schon bekannt sind und Aktionäre bereits ihre Absicht kundgetan haben, entsprechend § 147 AktG vorzugehen. Aber auch in solchen Extremfällen würde ein Verzicht auf die Realisierung von Ansprüchen seitens des Aufsichtsrates de facto einer Delegation der eigenen Überwachungspflichten auf die Hauptversammlung beziehungsweise auf eine qualifizierte Minderheit von Aktionären gleichkommen. Der Aufsichtsrat könnte sich in Zukunft immer darauf berufen, dass er die Deckung erhalten wollte und auf Geltendmachung gehofft habe. Eigenes Untätigbleiben, etwa Versäumnisse beim Informieren der Hauptversammlung über eventuelle Ansprüche, könnte damit ohne weiteres entschuldigt werden; der Hinweis auf bestimmte Unregelmäßigkeiten – so die abzusehende Argumentation – „hätte ja zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führen können“. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des Aufsichtsrates, auf die sichere (Teil-)Realisierung zu verzichten, als pflichtwidrig.70 Sie würde den Interessen der Aktiengesellschaft zuwiderlaufen und höchstwahrscheinlich dazu führen, dass durchsetzbare Ansprüche kaum noch eingeklagt würden. Die D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel regt aber gerade zum Verzicht auf die Geltendmachung durch den Aufsichtsrat an. Sieht man davon ab, dass nur so der Deckungsschutz für die Ersatzansprüche erhalten werden kann, bietet die Öffnungsklausel noch aus einem anderen Grund einen Anreiz zum pflichtwidrigen Untätigbleiben der Aufsichtsratsmitglieder: Der Aufsichtsrat hat unter Umständen an der Pflichtverletzung durch Unterlassen mitgewirkt, sodass eine Haftung seiner Mitglieder zumindest nicht ausgeschlossen erscheint. Würden die Aufsichtsratsmitglieder nun (pflichtgemäß) gegen den Vorstand vorgehen, würden sie sich des eigenen Versicherungsschutzes berauben, weil insoweit eine deckungsausschließende Veranlassung hinsichtlich des Regresses gegen sie vorläge. Warteten sie demgegenüber ab, bis die Hauptversammlung gegebenenfalls den Anspruch geltend machte, machten sie sich zwar schadensersatzpflichtig, allerdings stünde dann der D&O-Versicherungsschutz zur Verfügung.71 Die Aufsichtsratsmitglieder sind durch diesen Mecha69
Vgl. etwa Ihlas/Stute, in: Beilage zu PHi 4/2003, S. 16–17. Anderer Auffassung sind anscheinend Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 93 Rn. 92, die von einem das Vorgehen des Aufsichtsrates bestätigenden Hauptversammlungsbeschluss sprechen, der den Versicherungsbedingungen genügen soll. Sobald jedoch der Aufsichtsrat initiativ geworden ist und die Hauptversammlung dessen Handlungen bestätigt, liegt zweifelsfrei eine Veranlassung oder Mitwirkung des Aufsichtsrates vor, weshalb der Versicherungsschutz ausgeschlossen wäre. 70 Tendenziell anderer Auffassung Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 767. 71 Hierbei könnte man noch zwischen der ursprünglichen Pflichtverletzung durch Vorstand und Unterlassen des Aufsichtsrates und der zweiten durch Unterlassen der Geltendmachung unterscheiden. Hinsichtlich der ersten Pflichtverletzung bleibt der Deckungsschutz für Aufsichtsrat und Vorstand in jedem Fall erhalten. Hinsichtlich des
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nismus zum Untätigbleiben geradezu herausgefordert. Eine solche Anreizwirkung wäre skandalös: Ein „Schweigekartell“ von Vorstand und Aufsichtsrat (in der Praxis schon bislang kein Einzelfall) würde auch noch durch Versicherungsschutz belohnt – ein zusätzlicher Grund für die Aufsichtsratsmitglieder ihren aktienrechtlichen Pflichten (ARAG/Garmenbeck!) nicht nachzukommen. Festzuhalten bleibt, dass eine D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel Aufsichtsratsmitglieder zu pflichtwidrigem Verhalten motiviert. Während der Aufsichtsrat ohne Existenz einer D&O-Versicherung gegen die Vorstandsmitglieder vorgehen würde, schafft die D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel Anreize zum Untätigbleiben. Im Ergebnis würde das dazu führen, dass Ansprüche, die nach durchgeführter Prozessrisikoanalyse ohne weiteres (teilweise) durchsetzbar wären, von der Aktiengesellschaft nicht mehr realisiert würden.
V. Konsequenzen Die D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel gibt für den Aufsichtsrat wirtschaftliche Anreize, sich pflichtwidrig zu verhalten. Deswegen wird in der Literatur von der Bedenklichkeit der Klausel aus aktienrechtlicher Sicht gesprochen.72 Jedoch wird allgemein davon ausgegangen, dass die Klausel ohnehin keine Verwendung in der Praxis findet.73 Wohl aus diesem Grund finden sich bisher keine Ausführungen zu den Folgen der oben beschriebenen Konfliktsituation; welche Konsequenzen die Vereinbarung einer Öffnungsklausel hat, ist bislang ungeklärt. 1. Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das Aktienrecht Nahe liegend erscheint nach den obigen Ausführungen, eine Nichtigkeit der Klausel anzunehmen, weil sie gegen die §§ 111, 93 Abs. 2 AktG verstößt. Die Klausel schafft für den Aufsichtsrat starke Anreize, Ansprüche gegen VorUnterlassens könnte man allenfalls an den Wissentlichkeitsausschluss denken. Der durch das Unterlassen der Geltendmachung verursachte Schaden besteht aber ohnehin nur in dem Umfang, wie der ursprüngliche Schaden noch nicht beglichen ist. Weil der D&O-Versicherer den ersten Schaden ausgleichen muss, ist durch die zweite Pflichtverletzung letztlich kein bleibender Schaden verursacht worden. 72 Kästner, AG 2000, 113 (120–121), hält die Klausel für „höchst bedenklich“; Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, in RWS-Forum 20 Gesellschaftsrecht 2001, S. 131–158 (150) meint, sie sei „nicht sachgerecht“; Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 117, sprechen von einer „Konfliktsituation“; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 204–205 Rn. 423, sieht ein „Dilemma“ und hält die Klausel für „unpraktikabel“. Zurückhaltender Beckmann, in FS Kollhosser (2004), S. 25 (35). 73 Vgl. etwa Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 204–205 Rn. 423.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
standsmitglieder nicht zu realisieren. Dadurch werden pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder oftmals nicht in Regress genommen, was den Normzielen des § 93 Abs. 2 AktG, Schadensausgleich und Verhaltenssteuerung, zuwiderläuft. Zudem wird der Aufsichtsrat veranlasst, seinen Überwachungspflichten (§ 111 AktG) nicht mehr in vollem Umfang nachzukommen. Dennoch verstößt die Klausel nicht direkt gegen die genannten aktienrechtlichen Vorschriften. Die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Anspruchsrealisierung bleibt zur Gänze beim Aufsichtsrat, der weiterhin in eigener Verantwortung handelt. Trotz der gebotenen Anreize kann er weiterhin Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder geltend machen und so seinen Pflichten nachkommen. Demnach verstößt eine D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel nicht gegen §§ 111, 93 Abs. 2 AktG, sodass eine (Teil-)Nichtigkeit in Verbindung mit § 134 BGB ausscheidet. 2. Nichteinbeziehung der Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB Bei der Öffnungsklausel handelt es sich allerdings um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), sodass sie nach § 305c Abs. 1 BGB gegebenenfalls nicht in den Vertrag einzubeziehen sein könnte. Soweit man die Öffnungsklausel als überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB ansehen würde,74 wäre sie von vorneherein kein Bestandteil des D&O-Versicherungsvertrags. Unter § 305c Abs. 1 BGB fällt eine Klausel dann, wenn sie zum einen ungewöhnlich ist (empirische Ungewöhnlichkeit) und zum anderen der Vertragspartner nicht mit einer solchen Klausel zu rechnen braucht (normatives Überraschungsmoment).75 Auch wenn die Öffnungsklausel in den Musterbedingungen des GDV vorgesehen ist, wird man sie dennoch als ungewöhnlich bezeichnen können, weil sie in den bislang gängigen D&O-AVB nicht enthalten war.76 Indes ist fraglich, ob man die Klausel in normativer Hinsicht als überraschend einordnen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass der Klausel ein Überrumpelungseffekt innewohnt, die Klausel muss eine Regelung enthalten, mit der der Vertragspartner nach den Umständen, insbesondere dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.77
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So Lange, Beilage zu PHi 6/2003, S. 4. Vgl. Palandt/Heinrichs, § 305c Rn. 3–4. 76 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 7 A. I. 77 Vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1989 (Az: V ZR 201/88), unter II.2.d) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, NJW 1990, 576; BGH, Urteil vom 24. September 1980 (Az: VIII ZR 273/79), unter I.1.b)bb) der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, NJW 1981, 117; Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 305c Rn. 10. 75
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
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Dabei fehlt es am (formalen) Überraschungscharakter78 einer ungewöhnlichen – etwa nicht vertragstypkonformen – Klausel bereits dann, wenn sie inhaltlich ohne weiteres verständlich und drucktechnisch so hervorgehoben ist, dass erwartet werden kann, der Gegner des Verwenders werde von ihr Kenntnis nehmen.79 Nach dem äußeren Erscheinungsbild der bisher bekannten Öffnungsklauseln kann man jedenfalls nicht von einer Überrumpelungswirkung ausgehen. In den zitierten AVB des D&O-Versicherers ist die Öffnungsklausel explizit unter den Ausschlüssen aufgeführt, damit ist die Einschränkung für die Aktiengesellschaften ohne weiteres erkennbar. Entsprechendes lässt sich für die AVB-AVG des GDV feststellen: Dort taucht die Einschränkung des Versicherungsschutzes bereits in Ziffer 1.3 auf. Soweit die in den AVB-AVG gewählte Gestaltung in der Praxis übernommen werden sollte, wäre somit allein dadurch noch kein Überraschungseffekt begründet. Hieran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die Klausel dem Interesse der Aktiengesellschaft offensichtlich zuwiderläuft. Zwar bezweckt die Aktiengesellschaft mit dem Abschluss des D&O-Versicherungsvertrags einen möglichst umfassenden Versicherungsschutz und die Klausel hebelt diesen in erheblichem Umfang aus. Auf das Interesse der Aktiengesellschaft kommt es im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht an: Solange für die Aktiengesellschaft die Einschränkung des Versicherungsschutzes deutlich erkennbar ist, kann sie von eben dieser nicht überrascht werden.80 Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn mit der Klausel auf Grund anderer konkreter Umstände keineswegs zu rechnen war;81 hierbei können insbesondere die im Rahmen der Vertragsverhandlungen und/oder im Vorfeld gemachte Aussagen der Vertreter des D&O-Versicherers eine Rolle spielen. Indessen werden derartige Umstände im konkreten Einzelfall festgestellt werden müssen.82 Festzuhalten bleibt demnach, dass der Öffnungsklausel in den bisher bekannten AVB-Fassungen grundsätzlich kein Überraschungsmoment innewohnt, sodass § 305c Abs. 1 BGB nicht greift. Allenfalls auf Grund besonderer Um78 Von „formaler Überraschung“ spricht auch Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 305c Rn. 17. 79 BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 (Az: IX ZR 69/00), unter II.2. der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, ZIP 2001, 1408. 80 Zur möglichen unangemessenen Benachteiligung wegen Gefährdung des Vertragszwecks (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB) vergleiche Kapitel 7 A. V. 4. 81 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 305c Rn. 4; BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 (Az: IX ZR 69/00), unter II.2. der Gründe, Fundstellen: jurisWeb, ZIP 2001, 1408. 82 Auf das Überraschungsmoment im konkreten Einzelfall stellt auch Basedow in Abgrenzung zur Inhaltskontrolle nach § 307 ab, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 305c Rn. 4.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
stände kann eine Öffnungsklausel im Einzelfall unter § 305c Abs. 1 BGB fallen. 3. Inhaltskontrolle der Öffnungsklausel gemäß § 307 BGB Als AGB muss die Öffnungsklausel fernerhin der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten. Diese Norm ist auf D&O-Versicherungsverträge anwendbar, wenngleich die Aktiengesellschaft als Vertragspartner des Versicherers ein Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB ist – gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB bleibt die Kontrolle nach § 307 BGB unberührt. Problematisch könnte die Untersuchung der Öffnungsklausel allerdings insoweit sein, als sie eine Leistungsbeschreibung darstellt. Gemäß § 307 Abs. 3 BGB können Klauseln nicht kontrolliert werden, soweit sie Art und Umfang der Hauptleistung sowie den (dafür) zu zahlenden Preis regeln.83 Man könnte nun argumentieren, die Öffnungsklausel beschreibe lediglich den Inhalt der Innenhaftung, die ihrerseits Teil des Versicherungsumfangs ist. Damit wäre die Inhaltskontrolle ausgeschlossen. Andererseits hat der BGH entschieden, dass alle Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen begrenzen, verändern, modifizieren oder ausgestalten, inhaltlich nach den §§ 307 ff BGB kontrolliert werden müssen.84 Demnach wäre eine 83 Der BGH, Urteil vom 24. November 1988 (Az: III ZR 188/87), führt zu § 8 AGBG unter II.4.b) der Urteilsgründe aus: „§ 8 AGBG läßt zum anderen keine Inhaltskontrolle über solche AGB-Bestimmungen zu, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regeln. Deren Festlegung ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien; es gibt vielfach gar keine gesetzliche Preisregelung, die bei Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung gemäß § 6 Abs. 2 AGBG an deren Stelle treten könnte. Eine Ausnahme gilt aber für Nebenbestimmungen, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Solche Nebenabreden unterliegen gemäß § 8 AGBG der Inhaltskontrolle nach den §§ 9–11 AGBG (BGHZ 93, 358, 360/361 m. w. N.)“; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 106, 42–53. 84 BGH, Urteil vom 23. November 1994 (Az: IV ZR 124/93), unter B.II.2 der Gründe: „Nach Inhalt und Zweck des § 8 AGBG unterliegen bloße Leistungsbeschreibungen nicht der gerichtlichen Kontrolle. Solche Beschreibungen legen Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen fest. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt nur der enge Bereich solcher Leistungsbeschreibungen der Überprüfung entzogen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (Senatsurteile vom 21. April 1993 – IV ZR 33/92 – VersR 1993, 830 unter I 2 und BGHZ 123, 83)“; Fundstellen: jurisWeb, BGHZ 128, 54–67. Bestätigt durch BGH, Urteil vom 19. November 1997 (Az: IV ZR 348/96), unter Ziffer 1 der Gründe; Fundstellen: jurisWeb; BGHZ 137, 174–178. Noch weitergehend Schünemann, VersR 2000, 144–148, der AVB zur Gänze der Inhaltskontrolle unterwerfen will.
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Inhaltskontrolle erforderlich, wenn man die Öffnungsklausel lediglich als Einschränkung des ursprünglichen Leistungsversprechens ansähe, das in der Versicherung der Organmitglieder vor persönlicher Haftung besteht. Ob §§ 307 ff BGB Anwendung finden, kann nicht von der jeweiligen Formulierung der Klausel abhängen. Andernfalls müsste man positiv gefasste primäre Leistungsbegrenzungen des versicherten Risikos – etwa: „Versichert ist die Außenhaftung, die Innenhaftung soweit keine Beteiligung von Organmitgliedern vorliegt“ – als kontrollfreie Leistungsbeschreibungen beurteilen, sekundäre Ausschlüsse – beispielsweise: „Versichert sind Haftungsansprüche. Bei der Innenhaftung sind Ansprüche ausgeschlossen, die unter Beteiligung versicherter Personen geltend gemacht werden“ – hingegen der Inhaltskontrolle unterwerfen, obwohl beide Gestaltungen den gleichen Regelungsgehalt aufweisen.85 Das Hauptversprechen, ohne das mangels Bestimmtheit kein Vertrag angenommen werden kann, ist hier die Versicherung der Haftung für Organmitglieder. Dieser Leistungsumfang wird durch die Öffnungsklausel (lediglich) beschränkt, indem die Innenhaftung unter bestimmten Umständen von der Deckung ausgenommen wird. Als Leistungsbeschränkung ist die Öffnungsklausel – unabhängig davon, ob sie als Leistungsbeschreibung oder als Ausschluss formuliert ist – der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB unterworfen. 4. Unangemessene Benachteiligung der AG (§ 307 BGB) Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. In der Vorschrift kommt die Erwartung zum Ausdruck, dass im Vertrag – insbesondere durch die AGB – ein angemessener Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Vertragspartner gefunden wird. Die Gestaltungsfreiheit des Verwenders wird um der Vertragsgerechtigkeit willen beschränkt.86 a) Abweichung von gesetzlichen Regelungen (Abs. 2 Nr. 1) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Klausel von einer gesetzlichen Regelung abweicht und demzufolge mit deren Grundgedanken nicht mehr vereinbar ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Öffnungsklausel könnte hier von den §§ 93 Abs. 2, 111, 112 AktG abweichen. Die Klausel ändert die aktienrechtlichen Vorschriften jedoch nicht, sie schafft – wie 85 Ebenso für AVB allgemein Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 307 Rn. 187. 86 Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, § 9 Rn. 59.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
oben dargelegt – lediglich Anreize, gegen die in den §§ 93 Abs. 2, 111, 112 AktG normierten Pflichten zu verstoßen. Eine direkte Abweichung von gesetzlichen Normen liegt folglich nicht vor, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist auf die Öffnungsklausel nicht anwendbar. b) Gefährdung des Vertragszwecks (Abs. 2 Nr. 2) § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB bestimmt, dass eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn die Klausel wesentliche Rechte und Pflichten so einschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist. Weil dispositive gesetzliche Regelungen zumeist fehlen und daher als Anhaltspunkt zur Prüfung von AVB (Abs. 2 Nr. 1) häufig ausscheiden, ist der Vertragszweck regelmäßig das einzige Kriterium für die Prüfung der Zulässigkeit von Klauseln.87 Dabei ist der beabsichtigte Zweck nicht nur anhand des geschlossenen Vertragswerkes zu ermitteln, sondern es ist – gegebenenfalls unter Berücksichtigung äußerer Umstände – die wirkliche Intention der Parteien zu ergründen; auch die Bezeichnung der Versicherung durch den Versicherer ist dabei maßgeblich.88 Die D&O-Versicherung wird als „Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern“ bezeichnet.89 Die Überschrift zugrunde legend wäre damit generell die Haftung von Organmitgliedern abgedeckt. Ziffer 1.1 der AVB-AVG des GDV konkretisiert den Versicherungsinhalt auf die „Inanspruchnahme von Organmitgliedern wegen Pflichtverletzungen bei Ausübung der Organtätigkeit auf Grund von gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts“. Daraus ergibt sich ein eindeutiger Vertragszweck: Durch die D&O-Versicherung soll die Haftung von Organmitgliedern generell abgedeckt werden – dies gilt sowohl für die klassischen Fälle der Außenhaftung als auch für die der Innenhaftung. Dahinter verbirgt sich das Interesse der Aktiengesellschaft an einem möglichst weit reichenden Schadensausgleich; um dem zu entsprechen, ist sie regelmäßig zur Zahlung erheblicher Prämien bereit. Enthält die D&O-Versicherung nun eine Öffnungsklausel, wird die Innenhaftung weitgehend ausgeschlossen. Nur wenn die Hauptversammlung auf eigene Initiative (ohne Hinweis oder Anregung von Organmitgliedern) die Inanspruchnahme von versicherten Organmitgliedern in Gang setzt, wird der Regress der Aktiengesellschaft vom Versicherer abgedeckt. Wie oben bereits dargelegt, wird es allerdings nur selten Fälle geben, in denen die Hauptversammlung, die man87
Vgl. Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 307 Rn. 190. Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 307 Rn. 190. 89 So etwa lautet die Überschrift in den AVB-AVG des GDV; abgedruckt bei Plück/ Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 229–239. Die Überschriften der anderen AVB sind weitgehend übereinstimmend formuliert. 88
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
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gels weitgehender Informationsrechte kaum an Interna beteiligt ist, von sich aus initiativ wird.90 Hinzu kommt, dass die D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel für den Aufsichtsrat sogar zusätzliche Anreize schafft, auf die Realisierung von Ansprüchen zu verzichten.91 Das läuft dem Interesse der Aktiengesellschaft an einem umfassenden Schadensausgleich zuwider; im Ergebnis stünde die Aktiengesellschaft sogar schlechter da als ohne D&O-Versicherung. Dabei kann sich der D&O-Versicherer nicht darauf berufen, dass er sich der Einschränkung des Deckungsschutzes nicht bewusst war. Die Öffnungsklausel wurde seitens der Versicherer gerade in Reaktion auf die zunehmende Inanspruchnahme durch die Aktiengesellschaft eingeführt;92 es liegt auf der Hand, dass es dem Versicherer darum ging, mit Hilfe der Öffnungsklausel eigene Leistungspflichten zu begrenzen.93 Hierbei handelt es sich aber um eine Hauptleistungspflicht des Versicherers: Der Aktiengesellschaft wird im Ergebnis ein Teil der Rechtspositionen entzogen, um derentwillen sie die D&O-Versicherung abschließt.94 Ein Blick auf die Auswirkungen der D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel zeigt somit, dass der objektive Zweck der Versicherung durch die Klausel gefährdet wird. Weil nicht auszuschließen ist, dass Ansprüche gegen Organmitglieder überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden,95 könnte der objektive Vertragszweck – optimaler Schadensausgleich gegen Zahlung von Versicherungsprämien – durch die D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel, was die Innenhaftung betrifft, sogar vollständig vereitelt werden.
90 Es bleiben vor allem Fälle der Insolvenz, in denen eine nicht versicherte Person, der Insolvenzverwalter, die Ansprüche der Aktiengesellschaft geltend macht. 91 Oben dargelegt unter dem Stichwort „Schweigekartell“, vergleiche Ziffer IV. 2. 92 Vgl. Schilling, VW 2003, 1183 (1184). 93 Dies wird deutlich bei Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 2–8, 33. 94 Vgl. dazu den vom BGH entschiedenen Fall, in dem ein besonderes Abrechnungssystem für Großkunden (hier: Spediteur) dem Kunden die Einzelkontrolle der Tankquittungen abnehmen sollte. Die Klausel des Anbieters, wonach er die Haftung für jeglichen Missbrauch des Systems auf den Vertragspartner abwälzen wollte, hielt der BGH gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG (jetzt § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) für unwirksam, weil dem Kunden durch den Haftungsausschluss der wirtschaftliche Vorteil, den ihm der Vertrag bieten soll, wieder entzogen wird: BGH, Urteil vom 20. Juni 1984 (Az: VIII ZR 137/83), unter 2.b)bb) der Gründe. Fundstellen: jurisWeb; NJW 1985, 914–916. 95 Vgl. Ziffer IV. 2.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
c) Unangemessene Benachteiligung entgegen Treu und Glauben (Abs. 1 S. 1) Liegt eine Gefährdung des Vertragszwecks somit vor, ist zu überprüfen, ob diese auch zu einer „unangemessenen Benachteiligung“ führt. Das ist im Regelfall zu bejahen, von einer unangemessenen Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 BGB „im Zweifel“ auszugehen. Finden sich allerdings ausreichende Gründe, die gegen eine unangemessene Benachteiligung sprechen, ist die Vermutung von Absatz 2 Nr. 2 widerlegt.96 Voraussetzung dafür ist, dass die berechtigten Interessen des D&O-Versicherers an der Öffnungsklausel die der Aktiengesellschaft an der Nichteinbeziehung überwiegen.97 Für die Angemessenheit der Klausel lässt sich anführen, dass es sich bei den Vertragspartnern des D&O-Versicherers nicht – wie ansonsten regelmäßig der Fall – um Verbraucher handelt, die des besonderen Schutzes bedürfen. Vielmehr ist Vertragspartner eine Aktiengesellschaft, die über rechtliche Kompetenz (Rechtsabteilung oder externe Berater) verfügt, sodass die Aushöhlung des Vertragszweckes von der Aktiengesellschaft möglicherweise erkannt werden kann. Zudem ist es der Aktiengesellschaft derzeit möglich, Verträge ohne Öffnungsklausel abzuschließen, gegebenenfalls mit einem anderen Versicherer.98 Diese Umstände vermögen die Regelvermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB aber nicht zu widerlegen. Aus der juristischen Kompetenz der betroffenen Aktiengesellschaften kann nicht geschlossen werden, dass die Tragweite einer solchen Klausel zur Gänze erkannt wird; auch die bisherigen Literaturäußerungen haben sich nur im Ansatz mit den Auswirkungen der Öffnungsklausel auseinandergesetzt. Außerdem wäre es angesichts steigender Versicherungsrisiken durchaus denkbar, dass sich zahlreiche D&O-Versicherer dem Beispiel des oben erwähnten D&O-Versicherers anschließen. Der Versicherungsschutz wird durch die Öffnungsklausel nicht nur für bestimmte, besonders riskante Fälle ausgeschlossen, bei denen die Gefahr eines kollusiven Zusammenwirkens der versicherten Personen zulasten des Versicherers zu befürchten ist;99 solche Klauseln entsprächen einem berechtigen Interesse der D&O-Versicherer. Vielmehr wird mit dem Normalfall der Innenhaftung (Inanspruchnahme durch Aufsichtsrat oder Vorstand) ein Großteil der De96
Vgl. Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, § 9 Rn. 129. Zur Interessenabwägung allgemein: Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB (4. Aufl.), § 307 Rn. 31. 98 Nach Kenntnis des Verfassers bietet momentan lediglich ein D&O-Versicherer Versicherungen an, die eine Öffnungsklausel enthalten; vergleiche auch Schilling, VW 2003, 1183 (1184), der von einem bedeutenden Marktteilnehmer spricht. 99 Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 767, stellt die Öffnungsklausel als Maßnahme seitens der D&O-Versicherer vor, die darauf angelegt sei, das Missbrauchsrisiko zu verringern. 97
A. Öffnungsklausel für Ansprüche der Versicherungsnehmerin
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ckung entfernt. Darüber hinaus kann der Abschluss einer D&O-Versicherung mit Öffnungsklausel – wie oben gezeigt – auch den Schadensausgleich beim Innenregress insgesamt vereiteln. Demgemäß besteht kein überwiegendes Interesse der D&O-Versicherer am Bestand der Öffnungsklausel, das die gesetzgeberische Wertung („im Zweifel“) widerlegen könnte: Die Öffnungsklausel stellt eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 BGB i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 dar und ist demnach unwirksam.100 Rechtsfolge ist die Nichtigkeit der Öffnungsklausel, die Wirksamkeit des D&O-Versicherungsvertrags wird hierdurch nicht berührt (§ 306 Abs. 1 BGB). 5. Mögliche Klausel zur Verringerung der Missbrauchsgefahr Wie oben bereits angedeutet haben die D&O-Versicherer ein berechtigtes Interesse daran, eventuelle Missbräuche durch kollusives Zusammenwirken der versicherten Organwalter möglichst gering zu halten.101 Eine Klausel, die den Belangen der Versicherer entgegenkäme und AGB- sowie gesellschaftsrechtlich unproblematisch wäre, würde etwa wie folgt lauten: Ansprüche der Aktiengesellschaft gegen die Organmitglieder sind nur dann von der Deckung erfasst, wenn die Geltendmachung auf einem vorherigen, ordnungsgemäßen Beschluss eines hierfür zuständigen Gremiums beruht.
Eine solche Bestimmung hielte den aktienrechtlichen Vorgaben stand und wäre AGB-rechtlich unbedenklich. Soweit die Hauptversammlung, der Aufsichtsrat (für Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder) oder der Vorstand (für Ansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder) als jeweils zuständige Organe vor offizieller Geltendmachung einen ordnungsgemäßen Beschluss fassen, bleibt die Deckung erhalten. Durch diese formalen Kriterien würden die Organmitglieder vor kollusivem Zusammenwirken zu Lasten des Versicherers abgeschreckt: Zwar werden geheime Absprachen einzelner Organmitglieder weiterhin möglich sein; jedoch müsste beispielsweise die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat als Organ ausgehen, sodass Vorstandsmitglieder jedenfalls nach außen nicht selbst initiativ werden könnten.
100 Lange, Beilage zu PHi 6/2003, S. 1–4, hält die Öffnungsklausel ebenfalls für unwirksam, allerdings auf Grund des Verstoßes gegen BGB § 305c Abs. 1 und § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1. Auf die aktienrechtliche Problematik geht er nicht näher ein. 101 Auf eine mögliche Missbrauchsgefahr – in der Form, dass ein Versicherungsfall vorgetäuscht wird – weisen etwa Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013 (1018), hin.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
6. Ergebnis Es bleibt festzuhalten, dass die in den AVB-AVG des GDV sowie die in den AVB eines anderen D&O-Versicherers befindliche Öffnungsklausel aktienrechtlich höchst problematisch ist.102 Entsprechende Klauseln sind jedoch ohnehin – jedenfalls in ihrer derzeitigen Fassung103 – wegen unangemessener Benachteiligung der Aktiengesellschaft gemäß § 307 BGB unwirksam.
B. Kündigungs-/Trennungsklausel Das Problem zunehmender Inanspruchnahme im Rahmen der Innenhaftung hat nicht nur zur Wiederbelebung der Öffnungsklausel nach Ziffer 1.3 AVBAVG des GDV geführt. Auch zahlreiche andere Klauseln finden sich in letzter Zeit vermehrt in den Vertragsbedingungen der D&O-Versicherer. Gesellschaftsrechtlich problematisch erscheint die so genannte Trennungsklausel (zum Teil auch Kündigungsklausel genannt), die in einigen D&O-AVB enthalten ist104. Die Trennungsklausel bestimmt, dass der D&O-Versicherer Innenverhältnisansprüche nur dann abdeckt, wenn die Aktiengesellschaft die Zusammenarbeit mit dem haftenden Organwalter beendet. Eine marktübliche Trennungsklausel lautet etwa wie folgt: „Die Versicherung von Schadensersatzansprüchen der versicherten Unternehmen setzt voraus, dass die Organstellung der versicherten Person aufgehoben ist. Weiterhin ist die rechtswirksame Beendigung des Arbeits-/Dienstverhältnisses erforderlich.“105 Während die hier zitierte Klausel die Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Vorstandsmitglied verlangt – mangels Dienstverhältnisses betrifft dieser Passus Aufsichtsratsmitglieder ohnehin nicht –, ist ein solcher Passus in anderen Vertragsbedingungen nicht vorgesehen.106 Ursache hierfür ist wahrscheinlich, dass die Abberufung eines Organwalters vergleichsweise einfach begründbar ist, während die Anforderungen an die Beendigung des Dienstvertrages höher sind, sodass die Aktiengesellschaft mitunter – etwa bei umstrittener Rechtslage – keine Beendigung erreichen kann. Auch werden im Streitfall die dienstvertraglichen Fragestellungen – insbesondere hinsichtlich der Versorgungsansprüche – in der Praxis häufig im Vergleichswege mit den bestehenden Ersatzforderungen verknüpft (vergleiche den Holzmann-Fall)107. 102 Dies gilt auch bei Berücksichtigung des oben aufgezeigten Wiedereinschlusses hinsichtlich größerer Schäden, weil in solchen Fällen der Wiedereinschluss auf Grund des Sublimits nur teilweise greift, vergleiche Kapitel 7 A. I. 103 Zur derzeitigen Fassung vergleiche Kapitel 7 A. I. 104 Vgl. Schilling, VW 2003, 1183 (1184). 105 Zitiert nach Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 10. 106 Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 10. 107 Dazu Kapitel 5 C. IV. 2. c) bb).
B. Kündigungs-/Trennungsklausel
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Vor diesem Hintergrund wird den folgenden Ausführungen nur die Beendigung des Organverhältnisses zugrunde gelegt. Die Mitgliedschaft im Gesellschaftsorgan ist denn auch das aktienrechtliche Kernproblem, während der dazugehörige Dienstvertrag lediglich den finanziellen Rahmen darstellt. Sinn und Zweck der Trennungsklausel ist es, eine Hemmschwelle für die Geltendmachung von Ansprüchen seitens der Aktiengesellschaft zu schaffen. Grundsätzlich führt die Existenz der D&O-Versicherung dazu, dass Ansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder häufiger geltend gemacht werden (erhöhte Regresswahrscheinlichkeit)108. Dieser Tendenz soll durch die Vereinbarung einer Trennungsklausel eine Hürde entgegengestellt werden, um „freundliche“109 oder sogar missbräuchliche Inanspruchnahmen zu verhindern.110 Ist der Versicherungsschutz auf Fälle beschränkt, in denen sich die Aktiengesellschaft endgültig von dem betroffenen Organwalter trennt, wird die Zahl freundlicher Inanspruchnahmen mutmaßlich sinken. Vor allem bei kleineren Schäden kann die Aktiengesellschaft trotz der pflichtwidrigen Schädigung durchaus noch ein Interesse an einer Weiterbeschäftigung haben, sodass sich die für die Geltendmachung zuständigen Personen häufig dafür entscheiden, am Organwalter festzuhalten und den D&O-Versicherungsschutz nicht in Anspruch zu nehmen.111
I. Kollision mit dem Aktienrecht Ebenso wie bei der Öffnungsklausel stellt sich die Frage, ob die Trennungsklausel mit den Vorschriften des Aktienrechts vereinbar ist. Dazu muss untersucht werden, ob durch die Trennungsklausel Anreize zu pflichtwidrigem Verhalten geschaffen werden; Ausgangspunkt ist auch hier ein Vergleich zwischen der Situation beim Abschluss einer D&O-Versicherung mit Trennungsklausel und der aktienrechtlichen „Normalsituation“, das heißt der Lage, wie sie sich ohne D&O-Versicherung darstellen würde. Wie oben bereits gezeigt112 kann in den Fällen, in denen keine D&O-Versicherung abgeschlossen wurde, regelmäßig davon ausgegangen werden, dass Ansprüche, deren Durchsetzung nach der Prozessrisikoanalyse erfolgversprechend scheint, von den Organwaltern auch geltend gemacht werden. Nicht anders 108
Siehe dazu Kapitel 5 C. IV. 2. a). Unter freundlichen Inanspruchnahmen sind solche zu verstehen, bei denen die Gesellschaft Ansprüche gegen eigene Organmitglieder mit deren Einverständnis geltend macht. 110 Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 8, 10–11. 111 Tendenziell ähnlich Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 9–10, die jedoch hinsichtlich der einschränkenden Wirkung der Trennungsklausel sehr kritisch sind, weil sie zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten sehen. 112 Vgl. Kapitel 7 A. IV. 109
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
stellt sich die Lage beim Abschluss einer D&O-Versicherung mit Trennungsklausel dar. Im Unterschied zur Öffnungsklausel verhindert die Trennungsklausel nicht die Geltendmachung der Ansprüche durch bestimmte Personen, vielmehr kann der Aufsichtsrat die Ansprüche ohne Nachteile hinsichtlich des Versicherungsschutzes geltend machen. Die Trennungsklausel knüpft lediglich den Versicherungsschutz an eine zusätzliche Bedingung, sie hält aber nicht den Aufsichtsrat davon ab, Ansprüche geltend zu machen. Hinzu kommt, dass der Verlust der Organstellung gegenüber dem persönlichen Einstehen mit dem gesamten Privatvermögen für den betroffenen Organwalter regelmäßig das kleinere Übel ist. Daher wird das zuständige Gremium bei Bestehen einer D&O-Versicherung mit Trennungsklausel vermutlich sogar eher dazu geneigt sein, den Anspruch geltend zu machen, als ohne die Existenz einer D&O-Versicherung. In jedem Fall wird der Aufsichtsrat – anders als bei der Öffnungsklausel113 – nicht dazu angehalten, die Geltendmachung der Ansprüche (pflichtwidrig) zu unterlassen. Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit die Trennungsklausel die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung des Organmitglieds beeinflusst und ob sie gegebenenfalls aus diesem Grund den Vorschriften des Aktienrechts zuwiderläuft. Ohne D&O-Versicherung wird sich die Aktiengesellschaft überlegen, ob sie das Organmitglied nach seinem Pflichtenverstoß weiterbeschäftigt, dabei werden vermutlich zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. Beim Abschluss einer D&O-Versicherung mit Trennungsklausel wird neben diesen Faktoren die Erwägung, dass die Aktiengesellschaft bei einer Trennung die Versicherungssumme erhält, von Belang sein. Dies könnte jedoch aktienrechtlich bedenklich sein: Zuständig für die Bestellung (§ 101 AktG) und die Abberufung (§ 103 AktG) von Mitgliedern des Aufsichtsrates ist die Hauptversammlung. Da der D&OVersicherer, soweit der Vertrag eine Trennungsklausel enthält, nur bei Loslösung von der betroffenen Person leistet, wird auf die Hauptversammlung seitens des D&O-Versicherers de facto ein finanzieller Druck dahingehend ausgeübt, das betroffene Aufsichtsratsmitglied abzuberufen. Zwar kann die Hauptversammlung an dem Organwalter festhalten, gerade bei Schäden, die das Privatvermögen des Managers übersteigen, ist die Aktiengesellschaft jedoch auf den D&O-Versicherer angewiesen und die Aktionäre sind in ihren Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Das erscheint insoweit problematisch als die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft darauf ausgerichtet ist, dass die Aktionäre über die Besetzung des Aufsichtsrates entscheiden. Weil die Anteilseigner – abgesehen von Grundlagenentscheidungen114 – keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung ha113
Vgl. Kapitel 7 A. IV. 2.
B. Kündigungs-/Trennungsklausel
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ben, ist die Entscheidungshoheit über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates von großer Bedeutung. Nur durch die von ihnen gewählten Aufsichtsratsmitglieder können sie mittelbar über die Besetzung des Vorstands und über die Geschäftspolitik mitentscheiden. Die Entscheidungskompetenz der Aktionäre hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrates gehört demgemäß zum Kernbestand ihrer Einflussmöglichkeiten. Die wichtige Rolle der Hauptversammlung kommt auch in einer Formulierung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck; danach ist die Hauptversammlung „Entscheidungsforum und Sitz der Aktionärsdemokratie“115. Die Trennungsklausel könnte mit dem Aktienrecht unvereinbar sein, wenn sie durch eine unzulässige Begrenzung der Entscheidungshoheit der Hauptversammlung in das Wesen der „Aktionärsdemokratie“ eingriffe. Für die Zulässigkeit der Klausel spricht aber, dass keine direkte Handlungsanweisung an die Hauptversammlung besteht; der Einfluss des D&O-Versicherers wirkt sich nur mittelbar in Form eines finanziellen Anreizes aus. Zudem verlangt die Trennungsklausel nicht die Abberufung eines bestimmten Organwalters, etwa weil der D&O-Versicherer fehlende Eignung unterstellt, sondern auf Grund der objektiven Tatsache, dass der Manager der Gesellschaft pflichtwidrig einen Schaden zugefügt hat. Letztlich bleibt eines zu bedenken: Bei kleineren Schäden kann der Organwalter den Schaden häufig selbst tragen und dadurch eine Weiterbeschäftigung ermöglichen. Bei größeren Schäden hingegen, wenn der durch die Klausel ausgeübte Zwang, den Organwalter abzuberufen, besonders groß ist, erscheint es ohnehin unwahrscheinlich, dass es im Interesse der Aktiengesellschaft ist, an der betreffenden Person festzuhalten. Sollte dies seitens der zuständigen Gesellschaftsorgane dennoch gewünscht werden, ist es wohl eher persönliche Verbundenheit, die den Ausschlag für eine solche Entscheidung gibt; im Sinne der Aktiengesellschaft wäre sie nicht. Insoweit könnte die D&O-Versicherung mit Trennungsklausel sogar einen Prozess der personellen Erneuerung in Gang setzen und auf diese Weise einen Beitrag zu einer Verbesserung der Unternehmenskultur liefern. Ein rechtswidriger Eingriff in die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung und damit ein Verstoß gegen das Aktienrecht liegen demnach jedenfalls nicht vor.
114 Dazu die „Holzmüller“-Entscheidung des BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 (Az: II ZR 174/80), Fundstellen: jurisWeb, NJW 1982, 1703; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V 2 b) S. 870–874, m. w. N. 115 BVerfG (1. Senat 1. Kammer), Kammerbeschluss vom 20. September 1999 (Az: 1 BvR 636/95), unter II.1.b)aa) der Gründe zum Auskunftsrecht nach AktG § 131 Abs. 1 S. 1; Fundstellen: jurisWeb; NJW 2000, 349. Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV 1 S. 837.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
II. Kontrolle nach dem Recht der AGB Indes könnte sich die Trennungsklausel – wie auch die Öffnungsklausel – mit Blick auf die §§ 305c, 307 BGB als problematisch erweisen. Zunächst ist zu überprüfen, ob die Trennungsklausel überraschend im Sinne des § 305c BGB ist,116 mit der Folge, dass sie kein wirksamer Bestandteil der AVB ist. Dies würde neben der empirischen Ungewöhnlichkeit der Klausel einen normativ zu bestimmenden Überraschungseffekt voraussetzen.117 Unabhängig von einer empirischen Ungewöhnlichkeit wird eine formale Überraschung allein auf Grund der äußeren Gestaltung der AVB regelmäßig ausscheiden, weil sie verständlich gefasst ist und – soweit dem Verfasser bekannt – nicht an anderer Stelle der AVB „versteckt“ ist, sodass die Klausel als solche die Aktiengesellschaft nicht überrumpelt. Wie auch bei der Öffnungsklausel kommt allenfalls eine Überraschung im konkreten Einzelfall in Betracht, wenn die Aktiengesellschaft auf Grund anderer Umstände, insbesondere wegen Äußerungen im Rahmen der Vertragsverhandlungen, nicht mit einer derartigen Klausel zu rechnen brauchte. Letztlich wird man die Trennungsklausel daher nur im Einzelfall als überraschend einordnen können. Fraglich ist allerdings, ob die Trennungsklausel auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält.118 Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wäre die Klausel unwirksam, wenn sie die AG unangemessen benachteiligen würde. Hier könnte sich die unangemessene Benachteiligung aus einer Gefährdung des Vertragszwecks ergeben (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Ziel eines D&O-Versicherungsvertrages ist die (wirtschaftliche) Absicherung von Organmitgliedern bei Inanspruchnahme von Dritten (Außenhaftung) sowie der Aktiengesellschaft (Innenhaftung).119 Dem liegt das Interesse der Aktiengesellschaft an einem möglichst weit reichenden Schadensausgleich zu Grunde. Der Vertragszweck wäre demnach dann gefährdet, wenn der Abschluss einer D&O-Versicherung mit Trennungsklausel den Schadensausgleich nicht (signifikant) verbessern würde. Wie oben bereits dargelegt knüpft die Trennungsklausel den Versicherungsschutz an eine zusätzliche Bedingung, die Aktiengesellschaft erlangt nicht in jedem Fall die Versicherungssumme, sondern nur, wenn sie sich von dem Organmitglied trennt. Dabei wird man berücksichtigen müssen, dass jede Verknüpfung mit einer Bedingung die Zahl der Fallkonstellationen einschränkt, in denen Versicherungsschutz gewährt wird. Ob man jedoch tatsächlich davon aus116 117 118 119
Vgl. Beckmann, in FS Kollhosser (2004), S. 25 (36). Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 7 A. V. 2. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 7 A. V. 4. Einzelheiten zum Vertragszweck siehe in Kapitel 7 A. V. 4.
C. Gerichtsklausel
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gehen kann, dass der Schadensausgleich durch den Abschluss einer D&O-Versicherung mit Trennungsklausel nicht deutlich verbessert wird, ist zu bezweifeln. Wie bereits aufgezeigt werden die zuständigen Organmitglieder durch die Trennungsklausel nicht grundsätzlich an der Geltendmachung des Anspruchs gehindert – hierin liegt ein entscheidender Unterschied zur Öffnungsklausel. Auch wird sich die Aktiengesellschaft bei größeren Schäden ohnehin von dem Organmitglied trennen wollen, es ist also gerade in gravierenden Fällen anzunehmen, dass die Versicherungssumme gezahlt beziehungsweise der Schadensausgleich deutlich verbessert wird. Hinzu kommt, dass die Vereinbarung einer Trennungsklausel dem legitimen Interesse des Versicherers vor freundlicher beziehungsweise missbräuchlicher Inanspruchnahme dient und die Trennung von pflichtwidrig handelnden Organmitgliedern oft auch im wohlverstandenen Interesse der Aktiengesellschaft sein wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum vertretbar, von einer unangemessenen Benachteiligung der Aktiengesellschaft auszugehen. Im Ergebnis stellt eine D&O-Versicherung mit Trennungsklausel weder einen unzulässigen Eingriff in die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung dar noch führt die Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung der Aktiengesellschaft nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Es handelt sich um eine aktienrechtlich und AGB-rechtlich zulässige Begrenzung der Versicherungsdeckung.
C. Gerichtsklausel Ebenfalls auf Grund einer vermehrten Inanspruchnahme im Rahmen der Innenhaftung ist in den Bedingungen der D&O-Versicherer immer häufiger die so genannte Gerichtsklausel (zum Teil auch als Öffentlichkeitsklausel bezeichnet) enthalten.120 Die Gerichtsklausel knüpft die Leistung von Versicherungsschutz an eine gerichtliche Feststellung des Anspruchs. Eine üblicherweise verwendete Gerichtsklausel lautet etwa wie folgt: „Die Leistung des Versicherers erfolgt, wenn die Ersatzpflicht der in Anspruch genommenen versicherten Person gegenüber der Versicherungsnehmerin durch ein rechtskräftiges Urteil eines ordentlichen Gerichts in Deutschland (auf Basis deutschen Rechts) festgestellt wurde.“ Dabei kommt die Gerichtsklausel in verschiedenen Varianten vor. Beispielsweise werden zum Teil bereits der Eintritt des Versicherungsfalls oder die Erstattung von Abwehrkosten an die Voraussetzung einer gerichtlich anhängigen 120 Schilling, VW 2003, 1183 (1184); Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 769. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 105–106, zufolge ist eine Gerichtsklausel für Innenhaftungsansprüche mittlerweile üblich.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
Klage geknüpft.121 Allen gängigen Gerichtsklauseln ist jedoch gemein, dass sie sich lediglich auf die Innenhaftung beziehen und die Leistung von Schadensersatz zumindest an eine erstinstanzlich festgestellte Haftung knüpfen.122 Ziel der Gerichtsklausel ist es, eine gewisse Öffentlichkeit herzustellen. Die Klausel soll – ebenso wie die Trennungsklausel – vor allem freundliche oder missbräuchliche Inanspruchnahmen verhindern.123 Ist der Versicherungsschutz auf Fälle beschränkt, die vor Gericht ausgetragen werden, wird die Zahl freundlicher Inanspruchnahmen mutmaßlich sinken. Organwalter werden ungern in der Öffentlichkeit des Gerichts eigene Fehler zugeben, sodass ihre Bereitschaft, die Inanspruchnahme abzuwehren, durch die Gerichtsklausel erhöht wird. Das gilt umso mehr für Missbrauchsfälle; die wahrheitswidrige Behauptung, eine Pflichtverletzung begangen zu haben, fällt vor Gericht – vor allem nach einer Belehrung (§ 153 StGB) – schwerer als gegenüber dem D&O-Versicherer.
I. Kollision mit dem Aktienrecht Allerdings könnte es aktienrechtlich problematisch erscheinen, die Versicherungsleistung an die Bedingung zu knüpfen, dass eine erstinstanzliche Feststellung des Anspruchs erfolgt, die Aktiengesellschaft muss ihren Organwalter verklagen, um Schadensersatz zu erlangen. Nach beziehungsweise während der Ersatzklage gegen den eigenen Manager ist dieser kaum noch als Führungskraft zu halten, sodass häufig die Trennung von dem Organmitglied die unvermeidbare Konsequenz wäre. Eine solchermaßen erzwungene Trennung könnte einen aktienrechtlich unzulässigen Eingriff in die Personalhoheit der Gesellschaft darstellen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass allein die Verknüpfung der Versicherungsleistung mit einem Gerichtsverfahren noch keine aktienrechtliche Relevanz hat. Erst durch die in vielen Fällen faktisch erzwungene Trennung könnte in die Organisation der Gesellschaft eingegriffen werden. Insoweit nimmt die Gerichtsklausel allerdings in noch indirekterer Weise Einfluss auf die Zusammensetzung der Organe als die Trennungsklausel, denn die Weiterbeschäftigung bleibt ja zumindest theoretisch möglich. Weil aber schon die Trennungsklausel – wie oben gezeigt124 – nicht zu einem unzulässigen Eingriff in die Personalhoheit der Gesellschaft führt, muss dies umso mehr für die Gerichtsklausel gelten, als sie eine Trennung vom Organmitglied nicht zwingend erforderlich macht.
121
Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 8. Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 8; Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 116 Rn. 769. 123 Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 9. 124 Vgl. dazu Kapitel 7 B. I. 122
C. Gerichtsklausel
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Folglich handelt es sich bei der Gerichtsklausel um eine aktienrechtlich zulässige Bestimmung.
II. Kontrolle nach dem Recht der AGB Einer wirksamen Einbeziehung der Gerichtsklausel könnten jedoch die §§ 305c, 307 BGB entgegenstehen. Eine überraschende Klausel nach § 305c BGB125 ist die Gerichtsklausel im Regelfall nicht. Sofern man eine ungewöhnliche Einschränkung des Versicherungsschutzes bejaht,126 fehlt es zumindest – ebenso wie bei der Trennungsklausel127 – am formalen Überraschungsmoment: Die Klausel ist – soweit dem Verfasser bekannt – verständlich gefasst und nicht an sachfremder Stelle der AVB platziert, sodass sie für den Vertragspartner Aktiengesellschaft deutlich wahrnehmbar ist. Ein sich aus anderen Umständen (Aussagen bei Vertragsschluss etc.) ergebendes Überraschungsmoment kann allenfalls im konkreten Einzelfall festgestellt werden. Indes dürfte die Gerichtsklausel die Aktiengesellschaft auch nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB), was vorliegend der Fall sein könnte, wenn die Klausel den Vertragszweck – einen möglichst weit reichenden Schadensausgleich128 – gefährden würde (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Eine Gefährdung des Vertragszwecks ist anzunehmen, wenn der Abschluss einer D&O-Versicherung mit Gerichtsklausel den Schadensausgleich nicht (signifikant) verbessern würde.129 Dabei ist festzustellen, dass – ebenso wie die Trennungsklausel – auch die Gerichtsklausel die Versicherungsleistung an eine zusätzliche Bedingung knüpft. In Fällen, in denen die Aktiengesellschaft die Kosten oder die Öffentlichkeit, die ein Gerichtsprozess erzeugt, scheut, wird sie womöglich auf den Versicherungsschutz verzichten, sodass die Zahl der Konstellationen, in denen Deckungsschutz gewährt wird, vermutlich sinkt. Dennoch führt nicht jede Verknüpfung mit einer Bedingung zwangsläufig zu einer Gefährdung des Vertragszwecks. Zu berücksichtigen ist (ebenso wie bei der Trennungsklausel), dass der Aufsichtsrat hier nicht grundsätzlich von der Geltendmachung der Ansprüche abgehalten wird. In den meisten Fällen wird die Durchführung eines Gerichtsverfahrens ohne größere Schwierigkeiten möglich sein, sodass das Vertragsziel – verbesserter Schadensausgleich – nicht wirklich gefährdet ist. 125 126 127 128 129
Zu den Voraussetzungen im Einzelnen vergleiche Kapitel 7 A. V. 2. Vgl. Beckmann, in FS Kollhosser (2004), S. 25 (36). Vgl. Kapitel 7 A. V. 4. Einzelheiten zum Vertragszweck siehe in Kapitel 7 A. V. 4. b). Vgl. Kapitel 7 B. II.
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Kap. 7: Ausgewählte Klauseln aus aktienrechtlicher Sicht
Zudem gilt es zu bedenken, dass die gerichtliche Klärung häufig dem Interesse des Unternehmens entspricht: So kann die Gerichtsklausel mitunter einen Beitrag zu einer größeren Transparenz leisten, die wiederum eine ausgewogenere Entscheidungsfindung der Gesellschaftsorgane ermöglicht. Über das pflichtwidrige Verhalten eines Aufsichtsratsmitglieds wird die Hauptversammlung gegebenenfalls erst durch einen Gerichtsprozess informiert, der seinerseits nur wegen der Existenz einer Gerichtsklausel geführt wird. Ein pflichtwidriges Verhalten ist jedoch eine relevante Information, die die Hauptversammlung in jedem Fall erhalten sollte. Durch das (konsequente) Aufdecken von Fehlverhalten in der Vergangenheit kann die Aktiengesellschaft Vertrauen für die Zukunft (wieder) gewinnen. Im Übrigen sollte auch hier berücksichtigt werden, dass die Gerichtsklausel – ähnlich der Trennungsklausel – dem berechtigten Interesse des D&O Versicherers dient, freundliche beziehungsweise missbräuchliche Inanspruchnahmen zu verhindern. Gerade die durch den Gerichtsprozess erzeugte Öffentlichkeit verhindert Absprachen zu Lasten des D&O-Versicherers. Soweit die gerichtliche Geltendmachung im Einzelfall eine Trennung vom Organmitglied zur Folge hat, liegt hierin ebenfalls keine unangemessene Benachteiligung, wie oben gezeigt130 verstößt selbst die Trennungsklausel nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies muss erst recht gelten, wenn die Trennung nicht zwingende Voraussetzung für den Erhalt des Versicherungsschutzes ist, sondern auf einer freien unternehmerischen Entscheidung der Aktiengesellschaft beruht. Wie oben dargestellt ist die Trennung oftmals ohnehin geboten, dies gilt insbesondere, wenn das Organmitglied durch pflichtwidriges Verhalten größere Schäden verursacht hat. Sind hingegen nur kleinere Schäden zu verzeichnen, wird sich die Weiterbeschäftigung auch im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung vor der Hauptversammlung und der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen. Im Ergebnis führt die Gerichtklausel daher nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie ist sowohl aus aktienrechtlicher als auch AGB-rechtlicher Sicht zulässig. Letztlich kann sie – ähnlich wie die Trennungsklausel – einen Schritt hin zu einer verbesserten Unternehmenskultur zur Folge haben.
130
Kapitel 7 B. II.
Kapitel 8
Zusammenfassung Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung ist eine höchst ungewöhnliche Haftpflichtversicherung. Sie deckt die Haftung der Organmitglieder gegenüber Dritten (Außenhaftung), aber auch gegenüber der Aktiengesellschaft ab (Innenhaftung). Hinsichtlich der Innenhaftung ist es mit der Aktiengesellschaft die potentiell Geschädigte, die zu Gunsten des potentiellen Schädigers eine Versicherung abschließt und finanziert. Das jedoch läuft dem Schadensausgleich sowie der Verhaltenssteuerung zuwider und verstößt daher gegen die ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG. Beinhaltet die D&O-Versicherung hingegen einen angemessenen Selbstbehalt für die Organmitglieder, wird den beiden Normzielen des § 93 Abs. 2 AktG ausreichend Rechnung getragen. Eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung ist mit dem Aktiengesetz nur vereinbar, wenn sie eine solche Eigenbeteiligung enthält, ansonsten ist die Versicherung aktienrechtlich unzulässig. Zwar ist ein angemessener Selbstbehalt bereits nach geltender Rechtslage erforderlich, indes sollte der Gesetzgeber aus Klarstellungsgründen einen Zwang zur Vereinbarung einer angemessenen Eigenbeteiligung im Aktiengesetz normieren. Dabei hat sich die Angemessenheit des Selbstbehalts an den Normzielen des § 93 Abs. 2 AktG, dem Schadensausgleich und der Verhaltenssteuerung, zu orientieren. Im Ergebnis muss ein angemessener Selbstbehalt schadensanteilig ausgestaltet sein, und seine Maximalhöhe darf nicht unter dem Jahresgehalt des betroffenen Managers liegen. Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherungsverträge ohne einen angemessenen Selbstbehalt wird man künftig als nichtig ansehen müssen. Beim Abschluss der D&O-Versicherung durch die Gesellschaft zu Gunsten ihrer Organmitglieder ist die Kompetenzordnung innerhalb der Aktiengesellschaft zu beachten. Auch wenn die gesellschaftsfinanzierte Versicherung für die versicherten Aufsichtsratsmitglieder keine Vergütung im Sinne des § 113 AktG darstellt, ist die Norm dennoch auf Grund ihrer ratio legis analog anzuwenden. Daher bedarf die Entscheidung über die Versicherung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Satzungsregelung beziehungsweise einer Bewilligung durch die Hauptversammlung. Vergleichbares gilt für die Vorstandsmitglieder; eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung zu ihren Gunsten ist in analoger Anwendung des § 87 AktG zu den Bezügen zu zählen, sodass die Entscheidung, eine solche Versicherung abzuschließen, beim Aufsichtsrat liegt.
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Kap. 8: Zusammenfassung
Die Vertretungsmacht gegenüber dem D&O-Versicherer hat in beiden Fällen der Vorstand. Schließt der Vorstand allerdings eine D&O-Versicherung ab, ohne dass die innergesellschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat dies für die versicherten Organmitglieder Konsequenzen. Zwar bleiben die Verträge wirksam – die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB tritt nicht ein –, jedoch müssen die Organwalter eventuell erhaltene Versicherungsleistungen gemäß § 812 ff BGB an die Aktiengesellschaft herausgeben, weil für diese Leistungen der Aktiengesellschaft an ihre Organmitglieder die Rechtsgrundlage fehlt. Darüber hinaus kann die Aktiengesellschaft unter Umständen von den pflichtwidrig handelnden Organwaltern Schadensersatz verlangen. Hinsichtlich einzelner gebräuchlicher Klauseln bleibt festzuhalten, dass die Öffnungsklausel aktienrechtlich problematisch, in jedem Fall aber AGB-rechtlich unzulässig ist. Trennungs- und Gerichtsklausel hingegen sind aktienrechtlich und AGB-rechtlich zulässig, wenngleich ein mittelbarer Einfluss auf die Besetzung der Gesellschaftsorgane nicht auszuschließen ist.
Kapitel 9
Fazit Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung für Aktiengesellschaften ist unter den oben beschriebenen Voraussetzungen zulässig. Werden die aktienrechtlichen Vorgaben beachtet, stehen dem Abschluss einer solchen Versicherung keine Bedenken entgegen. Gegen die D&O-Versicherung lässt sich auch nicht einwenden, dass es sich um eine Versicherung des unternehmerischen Risikos handelt. Diese These beruht auf der Annahme, dass sich für jeden Vermögensschaden ex post immer eine Pflichtverletzung finden lässt. Berücksichtigt man hingegen den Inhalt des ARAG/Garmenbeck-Urteils, zeigt sich, dass zahlreiche Fehlentscheidungen nicht auf haftungsauslösenden Pflichtverstößen beruhen. Organmitglieder haften für ihre unternehmerischen Entscheidungen nur dann, wenn sie grundlegende Regeln der Sorgfalt verletzt haben. Das gilt umso mehr, seit die Business Judgment Rule im Aktiengesetz kodifiziert worden ist. Eine D&O-Versicherung, die den hier aufgestellten Kriterien gerecht wird, ist aber nicht nur unbedenklich, der Abschluss einer solchen Versicherung ist aktienrechtlich sogar durchaus begrüßenswert. Wenn nicht mehr jegliches Handeln von Organmitgliedern, das sich im Nachhinein als „Fehler“ herausgestellt hat, als Pflichtverletzung eingeordnet wird, sondern nur dasjenige, das gegen fundamentale Grundsätze der sorgfältigen Entscheidungsfindung verstößt, ist es umso wichtiger, dass in solchen Fällen die betroffenen Organwalter auch tatsächlich in Regress genommen werden. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist der Abschluss einer D&O-Versicherung, die den oben aufgezeigten Kriterien entspricht, aktienrechtlich sinnvoll: Die Existenz einer D&O-Versicherung führt zu einer höheren Regresswahrscheinlichkeit. Diese Wirkung wird dadurch verstärkt, dass der Abschluss einer solchen Versicherung durch die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung zumindest den Anteilseignern bekannt wird. Das Wissen um die Existenz der Versicherung steigert die Bereitschaft, die Geltendmachung bestehender Ansprüche der Aktiengesellschaft notfalls zu erzwingen (§ 147 AktG). Auf Grund der beim Manager verbleibenden persönlichen Haftung in Höhe eines angemessenen Selbstbehaltes müssen die haftenden Organmitglieder auch weiterhin einen Teil der finanziellen Verantwortung tragen und werden im Ergebnis zu sorgfältiger und nachhaltiger Entscheidungsfindung angehalten. Dass
212
Kap. 9: Fazit
ein Haftungsrest bei den Führungskräften verbleibt, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, da sie umgekehrt von einer positiven Entwicklung des Unternehmens über Optionsprogramme und andere Formen der Gewinnbeteiligungen regelmäßig in ungleich größerem Ausmaß profitieren. Der finanziellen Partizipation an einer guten Entwicklung der Gesellschaft sollte zumindest in geringem Umfang auch eine Beteiligung am Misserfolg gegenüberstehen, soweit dieser durch pflichtwidriges Verhalten verursacht wurde. Letztlich ist die Vereinbarung einer angemessenen Eigenbeteiligung auch eine Frage des Anstandes.
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Sachverzeichnis § – – – § – – – – – – – – § – – § – – – §
87 AktG 167 analog 169 Geschichte 167 Wortlaut 167 93 Abs. 2 AktG 47 geschützter Personenkreis 52, 57 Normziele 48, 52 ratio legis 52 Schadensausgleich 52 Verbotsgesetz 95 Verhaltenssteuerung 52 Verstoß 48 zwingend 56, 95 112 AktG 170 Drittwirkung 171 Normzweck 171 113 AktG 102 analog 133 Normziele 135 Verbotsgesetz 146 285 Nr 9a HGB 119, 173
Abschlusskompetenz 101 – Aufsichtsratsmitglieder 102 – innergesellschaftliche Zuständigkeit 102 – Vertretungsmacht 102, 140 – Vorstandsmitglieder 167 Abwehrfunktion 41 AGB 192, 204, 207 AHB 38 Aktiengesellschaft, Organisationsverfassung 137 Aktionärsdemokratie 203 Aktionärsklage 189
Allgemeiner Deutscher Versicherungsverein 23 Analoge Normanwendung, Voraussetzungen 133 Anerkennung – Begriff 131 – Belohnungscharakter 131 Anerkennungsbetrag 123 angemessener Selbstbehalt – Ausgestaltung 88 – Bemessung 92 – Bestimmung 88 – Formel 94 – Jahresvergütung 92 – Kombinationsmodell 90 – maximale Eigenbeteiligung 92 – Praxis 86, 94 – Sanktionskomponente 91 – Schadensanteil 92 – Schadensausgleich 88 – Verhaltenssteuerung 88 – Verschuldensgrad 91 Anreize 53 Anspruchserhebungsprinzip 40 Anzeigepflichten – vorvertragliche 75 – während der Vertragslaufzeit 76 ARAG/Garmenbeck 53, 114, 183–184, 211 Arbeitnehmerhaftung 83 – Grundsätze 83 Arbeitsrecht 58, 82 – Haftung 58, 83 – Versicherung 58, 83 – Versicherungsobliegenheit 83
Sachverzeichnis Aufsichtsrat – Aufgaben 182 – Beratervertrag 148 – Beratungsfunktion 183 – erster 137, 144 – Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder 183 – Kontrollfunktion 137 – Pflichten 177, 182 – Überwachung 183 – Überwachungsfunktion 175 – Unabhängigkeit 136, 138 – Verträge mit Mitgliedern 146 Aufwand, Interessenabwägung 109 Aufwendungen, ersparte 155 Aufwendungsersatz 107 – überobligatorischer 107 – vorauseilender 107 Ausfall- und Freistellungsversicherung 59 Außenhaftung 29 Benachteiligung, unangemessene 195, 204, 207 Bereicherungsansprüche 152 Bereicherungsgegenstand 155 – bedingte Ansprüche 157 Bereicherungsrecht – Dreiecksverhältnis 153 – Versicherungsleistungen 154 Berichtspflichten 177 Beurteilungsspielraum 184 Bewilligung – abgelaufenes Geschäftsjahr 145 – nachträgliche 144, 160 – Satzungsänderung 143 – Vergangenheit 144, 160 Bezüge 167 – Definition 169 – Rechtsgrund 172 – Vergütungsbegriff 168 Business Judgement Rule 53, 114, 211 claims-made-Prinzip 40 Company Reimbursement 39, 42
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Corporate Governance 21, 43 Corporate Governance Kodex 77 – angemessener Selbstbehalt 86, 88 D&O-Versicherer, externer Kontrolleur 68 D&O-Versicherung – § 93 Abs. 2 AktG 47 – § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 44 – 1895 23 – Abschluss der 139 – aktienrechtliche Zulässigkeit 43 – Alternative 59 – Auswirkungen 55, 61, 64 – Begriff 19 – Deckungsumfang 41 – Entschluss über 139 – Entwicklung 19 – Finanzierung 56 – formelle Kriterien 101 – Gegenstand 36 – gesellschaftsfinanzierte 44, 47, 64 – Haftpflichtversicherung 180 – Haftungsfreistellung 46 – Interesse der AG 109 – Klauseln 69, 174 – Kompetenzen 140 – Nichtigkeit 95, 146 – Nutzen für die Beteiligten 42 – privater Vermögensvorteil 124 – Schadensausgleich 55 – unechte Eigenschadenversicherung 180 – Verhaltenssteuerung 61, 64 – Versicherungsfall 39 – Vertragsbeteiligte 30 – Vertragsinhalt 30 – Vorteile für die AG 42, 58 – Zulässigkeit 82 de lege ferenda 85 Deckungssumme 41 – Auswirkung 73 – faktischer Zwang zum Vergleich 74
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Sachverzeichnis
– Schutzmechanismus für Organmitglieder 74 deep-pockets-Phänomen 66 Deutscher Verein für Versicherungs-Wissenschaft 24 dienstliche Fürsorgeaufwendungen 109 Eigenschadenversicherung, unechte 180 Einflussnahme 47 Entlastung 144 Entscheidungsprärogative 184 Ermessen – enge Grenzen 188 – unternehmerisches 185 Firmenenthaftung 39 formelle Satzungsstrenge 57 Freistellungsverpflichtung 39 GDV 35 Gefährdung des Vertragszwecks 196 Gefahrtragungstheorie 154 Gegenseitigkeitsverhältnis 122 Geldleistungstheorie 154 Gerichtsklausel 205 – Kollision mit dem Aktienrecht 206 Gesamtbezüge 119, 167 – Definition 169 Geschädigter 50 Gesetz der großen Zahl 56 Gesetzgeber – § 93 Abs. 2 S 3 AktG 87 – Handlungsbedarf 87 – historischer 85, 118, 167 – UMAG 114 gesetzliche Haftpflichtbestimmungen 38 Gewaltenteilung 137 Gewinnerzielung 185 Glashausmentalität 67 Grenzen der Versicherbarkeit 56 Grundlagenentscheidung 139
Haftung – des Arbeitnehmers 83 – durch Deckung erzeugte 65 – gesamtschuldnerische 67 – negative Anreizwirkung 81 – Vergütung entgegen AktG 137, 160 – Verhaltenssteuerung 62 – Vorsatz 70 – Zweck 49, 186 Haftung von Organmitgliedern 28 Haftungsausschlüsse 69 Haftungsfreistellung durch Dritte 46 Haftungshöchstgrenze 41 Haftungsrecht 49 – Schadensausgleich 49 – Verhaltensteuerung 51 – Wohlfahrtsmaximierung 51 Haftungsverlagerung, wirtschaftlich 48 Hauptleistungspflicht 197 Hauptversammlung 139, 203 – Bewilligung 143 – Zuständigkeit 140 Holzmann 66, 73, 174 homo oeconomicus 62 Inanspruchnahme, freundliche 201, 206 Informationspflichten 177 Inhaltskontrolle 194, 204 Innenhaftung 28–29 – Verzicht 44 – wirtschaftliche Rückverlagerung 55 innergesellschaftliche Zuständigkeit 102, 170 – § 113 AktG 102 – Vergütung 102 Insichgeschäfte 135 Interesse – berechtigtes 198, 205, 208 – der Aktiengesellschaft 208 Interesse der AG 58–59 Interessenabwägung, Ergebnis 115 Interessenausgleich 60
Sachverzeichnis Klausel – Missbrauchsgefahr 199 – überraschende 192, 204, 207 Klauseln 174 Kompetenzfrage 101 Königlich Preußischer Versicherungsbeirath 24 Kündigungsklausel 200 Lebensversicherung 156 Leistungsbeschränkung 194 Leistungsbeschreibung 194 Leistungsgegenstand 154 – bedingte Ansprüche 157 Leistungspflicht, primäre 155 Missbrauch 138 Missbrauchsgefahr 199 modifiziertes Innenverhältnis 176 moral hazard 64 Nachhaftungsvereinbarung 41 Nachteilsausgleich 132 Nichtigkeit 95, 146 – Auswirkungen 98 – Beschränkung 98 – Erforderlichkeit 96, 150 – geschützte Interessen 97 – Rückabwicklung 99 – wirtschaftlicher Erfolg 97 Obliegenheiten im Schadensfall 75 Öffentlichkeitsklausel 175, 205 Öffnungsklausel 175 – § 61 VVG 179 – § 152 VVG 181 – Angemessenheit 198 – Anreiz zu pflichtwidrigem Verhalten 190 – Anreize 188 – Inhalt 176 – Nichtigkeit 191 – Prozessrisikoanalyse 188
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– Realisierungsentscheidung 189 – überraschend 192 – VVG 178 – zulässige Fassung 199 – Zulässigkeit 175 ökonomische Analyse des Rechts 62 Organhaftung 28 Organisationsverfassung 21, 43, 137, 166, 202 Outside Directorship 37 Personalgewinnungsinteresse 110 Personenschäden 37 Pflichtverletzung – qualifizierte 160 – vorsätzliche 181 – wissentliche 70 Pflichtverletzungsbewusstsein 72 planwidrige Regelungslücke 134 Prämienschaden 162, 166, 172 Prämientragung 27, 44, 55, 64 Prämienzahlungen, ersparte 155 privater Vermögensvorteil – Bezifferbarkeit des Vorteils 126 – Firmenenthaftung 127 – Gewährung 130 – unwissentlich aufgedrängter 128 – Versicherung für fremde Rechnung 125, 129 Prozessrisikoanalyse 183, 201 Publizitätserfordernisse 172 Realisierungsentscheidung 184 – § 147 AktG 186 – Ermessen 185 – Unternehmenswohl 187 rechtmäßiges Alternativverhalten 165 Rechtsgrund 153, 172 Rechtsmissbrauch 179 Regelvermutung 198 Regierungskommission Corporate Governance 105 Regresswahrscheinlichkeit 65
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Sachverzeichnis
– erhöhte 68 Rückabwicklung 152, 172 – Auswirkungen 158 – Ergebnis 159 – Vergangenheit 158 – Zukunft 158 Sachschäden 37 Satzungsregelung 141 – abschließende 145 – Berechnungsmöglichkeit 141 – Eckdaten des Vertrages 142 – Formulierung 142 – Versicherungsumfang 142 Schaden 161 – vermuteter 164 schadensanteiliger Selbstbehalt 89 – Begrenzung der Höhe nach 90 Schadensausgleich 49, 52, 55 Schadensausgleichsfunktion 41 Schadensersatzansprüche 160 – Verzicht 44, 187 Schadensprävention 51, 53 Schadensrückverlagerung 55 Schadenstragung 49 Schadensverhinderung 51 Schadenszunahme 66, 176 Schädiger 50 Schutz des Rechtsverkehrs 151 Schweigekartell 191 Selbstbehalt 25–26, 78 – angemessener 60, 80, 88 – Begrenzung der Höhe nach 90 – Bemessung 80 – Fixbetrag 89 – Folgen für die AG 79 – prozentualer 90 – schadensanteiliger 89 – Verhaltenssteuerung 78 – Verhältnis zum Wissentlichkeitsausschluss 78 Sicherungsinteressen 112
Sorgfaltsobliegenheiten 74 – Auswirkungen 74 Steuerberatungsgesetz – § 5 149 – § 57 149 Steuerrecht 116 – aktienrechtliche Zuständigkeit 117 Teilnichtigkeit 97 Tochterunternehmen 37 Transparenz 135 Trennungsklausel 200 – Inhaltskontrolle 204 – Kollision mit dem Aktienrecht 201 – überraschend 204 – Zweck 201 Treuhänder 52 überhöhte Bezüge, Schutz vor 135 Überraschungsmoment, normatives 192 Überrumpelungseffekt 192 Überwachung 184 Unabhängigkeit des Aufsichtsrates 136 unangemessene Benachteiligung 195, 198, 204, 207 Unfallstatistik 63 Ungewöhnlichkeit, empirische 192 Unternehmensorganisation 43 Unternehmensverfassung 21, 43, 137, 166, 202 unternehmerische Handlungsfreiheit 114 unternehmerische Risikobereitschaft 113 unternehmerisches Risiko 52, 211 Valutaverhältnis 153 Verantwortung 211 Verbotsgesetz 146 – einseitiges 149 Vergleichbarkeit der Sachverhalte 134 Vergütung 103 – als Anerkennung 123 – analog 133 – angemessener Selbstbehalt 115, 138
Sachverzeichnis – – – – – – – – – – – – –
Aufwand 106 Begriff 104, 118 Begriffsentwicklung 121 Definition 124 entgegen AktG 137, 152, 160 Gegenseitigkeitsverhältnis 122 historische Betrachtung 118 Meinungsstand 103 Normzweck des § 113 AktG 104, 135 Praxis 145 privater Lebensbereich 132 Rechtsgrund 153 Regierungskommission Corporate Governance 105 – Steuerrecht 116 – Subsumtion 124 – systematische Betrachtung 119 Vergütungsumfang – Bestimmtheit 141 – Sachleistungen 141 Verhaltenslenkung 51 Verhaltenssteuerung 51–52, 61, 64 – andere Mechanismen 63 – Auswirkung der D&O-Versicherung 80 – denkbare vertragliche Anreize 77 – Haftung 62 – Selbstbehalt 78 Vermögensschaden 37 Vermögenssituation 61 Vermögensvorteil 103 – kondizierbarer 152 – privater 121 Verschulden 161 Versicherbarkeit – Grenzen 56 – Versicherungszwang 57 – zwingende Norm 56 Versicherte Person 31 Versicherte Tätigkeit 37
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versicherter Schaden 162 Versicherung für fremde Rechnung 31 – Abweichende Vertragsgestaltung 35 – Anspruch auf die Versicherungsleistung 35 – D&O-AVB 35 – gesetzliche Regelungen 32 – gesetzliches Treuhandverhältnis 33 – Verfügungsgewalt 32 Versicherungsentgelte 119, 167 Versicherungsfall 39, 179, 181 Versicherungsnehmer 30 Versicherungssumme 41, 162 Verstoßprinzip 40 Vertragsbestimmungen 174 Vertragszweck 196 Vertretenmüssen 161 Vertretungsmacht 139, 170 – § 112 AktG 170 Vollstreckungslücken 112 Vollstreckungsmasse, höhere 66 Vorsorgemaßnahmen 155 Vorstand, Entscheidung in eigener Sache 170 Vorteilsausgleichung 162 – Kausalzusammenhang 163 – Schutzzweck 164 – Voraussetzungen 163 Wertermittlung 156 Wette 159 Widerrechtlichkeit 182 Wissentlichkeitsausschluss 25, 70 – Auswirkungen 71 – Lenkungswirkung 71 – Voraussetzungen 70 zeitlicher Geltungsbereich 39 Ziele des Haftungsrechts 49