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German Pages 374 Year 2021
Andreas Schoenrock Fremdbestimmte Freude
Studien zur Popularmusik
Andreas Schoenrock, geb. 1978, ist als Toningenieur, Musikberater für Marken und als Musikwissenschaftler in Berlin tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Konsequenzen der fundamentalen Transformationsprozesse innerhalb populärer Musikkulturen seit den späten 1990er Jahren sowie der Bedeutungskonstruktion bei der Rezeption populärmusikalischer Gestaltformen. 2020 konnte er seine Promotion bei Peter Wicke an der Humboldt-Universität zu Berlin abschließen. Angesichts der Verknüpfung seiner akademischen Expertise in den Fachbereichen Musikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Technische Akustik mit seinen anwendungsbezogenen Erfahrungen, die er im fortlaufenden Betrieb seines 2006 gegründeten Tonstudios Studio Schoenrock und seiner Tätigkeit als Musikberater sammeln konnte, verfolgt er einen interdisziplinären und ganzheitlichen Forschungsansatz mit starkem Praxisbezug.
Andreas Schoenrock
Fremdbestimmte Freude Der Einfluss werbetreibender Marken auf die populäre Musikkultur im frühen 21. Jahrhundert
Zgl. Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin, Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät, 2019.
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Inhalt
Gendererklärung .............................................................................. 9 Danksagung ................................................................................... 11 Einleitung ..................................................................................... 15
I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen 1. 1.1 1.2 1.3
Marken, Marketing und Werbeindustrie ................................................. 29 Terminologie und gesamtwirtschaftliche Bedeutsamkeit .................................. 29 Entwicklungsprozesse und Trends zu Beginn des 21. Jahrhunderts ........................ 39 Audio Branding-Typologie................................................................ 52 1.3.1 Akustische Markenidentität, Markenklang und Sound Manual ....................... 52 1.3.2 Brand Song und Werbelied ........................................................ 54 1.3.3 Brand Voice ....................................................................... 61 1.3.4 Corporate Song ................................................................... 68 1.3.5 Hörmarke ........................................................................ 72 1.3.6 Jingle ............................................................................ 73 1.3.7 Sound Logo....................................................................... 76 1.3.8 Von Muzak zur Instore-Musik ...................................................... 77
2. 2.1 2.2 2.3
Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte... 87 Deutsches Urheber- und Leistungsschutzrecht ........................................... 87 US-amerikanisches Copyright ............................................................ 97 Exemplarische Gegenüberstellung der Implementierung beider Rechtstraditionen .........105
3. 3.1
Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft 109 Musikaufnahmen ........................................................................ 112
3.2 Musikwerke ............................................................................ 130 3.3 Live-Musik ............................................................................. 153 4. 4.1 4.2 4.3
Streaming .............................................................................. 173 Spotify .................................................................................. 173 YouTube................................................................................ 188 Streaming und werbetreibende Marken................................................... 199
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära .............. 203 5.1 Von Plattenlabels zu Musikfirmen: Das Markendogma im Musikgeschäft .................. 203 5.2 Werbetreibende Marken als omnipräsenter Einflussfaktor in den populären Musikkulturen der Gegenwart ........................................... 214
II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat 6.
Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert 237
7.
Sync-Friendliness: Spezifische Markenanforderungen an werblich verwertbare Musik. 255
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2) ....................................... 263 8.1 Herstellungsbedingungen und Verbreitung des Songs .................................... 263 8.2 Analyse ................................................................................. 271 8.2.1 Instrumentierung, produktionstechnische und klangliche Aspekte ................ 272 8.2.2 Formaler Aufbau und strukturelle Aspekte........................................ 282 8.2.3 Rhythmik ........................................................................ 285 8.2.4 Harmonik und Melodik ........................................................... 292 8.2.5 Songtext ......................................................................... 310 8.3 Eine musikalische Gestaltform der Werbesynchronisationsfreundlichkeit.................. 314 Schlussbetrachtung ......................................................................... 323 Literaturverzeichnis......................................................................... 329 Interviews ................................................................................... 372
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Deutsche Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikwerken (bei GEMA-Mitgliedschaft des Urhebers)........................................................ 96 Abb. 2: Deutsche Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikaufnahmen (bei GVLMitgliedschaft des Leistungsschutzberechtigten) .............................................. 96 Abb. 3: US-amerikanische Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikwerken...............104 Abb. 4: US-amerikanische Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikaufnahmen...........105 Abb. 5: Entwicklung der weltweiten Einnahmen der Tonträgerindustrie gemäß IFPI, alle Zahlen gerundet in Mrd. US-Dollar (1999-2016)........................................................... 118 Abb. 6: Relativer Anteil der Lizenzierungssegmente am weltweiten Gesamtumsatz der Rechteinhaber musikalischer Werke in den Jahren 2001 und 2015 .................................... 152 Abb. 7: Durchschnittliche Tantiemenrate pro Stream nach Anbietern (2015) ....................... 187 Abb. 8: Verhältnis von Nutzerzahlen und Tonträgerindustrieumsätzen 2014 (YouTube vs. abonnementpflichtige Streamingdienste)...........................................192 Abb. 9: Exemplarische Obertonstruktur einer Gesangspassage Williams aus Happy .............. 277 Abb. 10: Formaler Aufbau Happy (Zeitachse: Takte) ............................................. 283 Abb. 11: Rhythmische Basissequenz Happy ..................................................... 286 Abb. 12: Rhythmussektion Chorusse Happy ..................................................... 288 Abb. 13: Rhythmussektion Breakdown-Passagen Happy ......................................... 290 Abb. 14: Supermodus in F ...................................................................... 292 Abb. 15: Leitereigene Dreiklänge Supermodus in F.............................................. 293 Abb. 16: Hauptgesangsstimme, E-Piano und Bass (Happy Strophe I) ............................. 294 Abb. 17: Hauptgesangsstimme und Chor (Happy Strophe II) ..................................... 296 Abb. 18: Hauptgesangsstimme, Chor, E-Piano und Bass (Happy Chorus I und II) .................. 300 Abb. 19: Hauptgesangsstimme, E-Piano und Bass (Happy Chorus III und IV) ...................... 302 Abb. 20: Hauptgesangsstimme und Chor (Happy Chorus III und IV) .............................. 303 Abb. 21: Hauptgesangsstimme und Pharrell Chor Seitenkanäle (Happy Chorus I) ................. 305 Abb. 22: Hauptgesangsstimme und Chor (Happy Breakdown-Passage)........................... 308
Gendererklärung
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit die Sprachform des generischen Maskulinums verwendet. Dies soll jedoch keinesfalls eine Geschlechterdiskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck bringen. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig zu verstehen ist. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten sind dabei ausdrücklich mit eingeschlossen, sofern geschlechterspezifische Bedeutungszusammenhänge nicht zweifelsfrei aus dem Text hervorgehen.
Danksagung
Die vorliegende Arbeit hätte nicht ohne die Unterstützung, Wertschätzung und das Wissen anderer entstehen können, denen ich dafür sehr verbunden bin. Von Herzen danke ich meinem Doktorvater Prof. em. Dr. sc. phil. Peter Wicke für dessen dauerhafte Zuversicht in meine Forschung, die ein wesentlicher Rückhalt und Motivationsfaktor bei der langjährigen Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand war. Im kontinuierlichen Dialog boten sein wertvolles Fachwissen und sein transparentes kritisch-systematisches Feedback zu komplexen Zusammenhängen gleichermaßen Orientierung und Inspiration, die, in Verbindung mit seinem Gesamtwerk zur Theorie und Geschichte populärer Musik, maßgeblich zum erfolgreichen Abschluss der Arbeit beigetragen haben. Meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Holger Schulze danke ich aufrichtig für die konstruktive Begleitung des Promotionsprozesses und die Bereitschaft, sein umfangreiches Fachwissen offenherzig zu teilen. Weiterhin danke ich Prof. Dr. Sebastian Klotz, Dr. Stefanie Alisch und Lena Jade Müller für ihr unkompliziertes Engagement als Mitglieder der Promotionskommission. Meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen aus dem Doktorandenkolloquium bei Prof. em. Dr. sc. phil. Peter Wicke möchte ich für die anregenden Fachgespräche und wertvollen Denkanstöße danken. Ein besonderer Dank geht an meine Interview- und Gesprächspartner aus dem Werbe- und Musikgeschäft: Felix Haaksman, Robin Hofmann, Georg von dem Bussche und James Hickey, deren branchenspezifische Kenntnisse ein essenzielles Gewicht im Gesamtkontext der vorliegenden Untersuchung besitzen. Darüber hinaus danke ich Dr. Yvonne Pröbstle und Dr. Tino Mager von ganzem Herzen für ihre Freundschaft, die ihren spezifischen Ausdruck im detaillierten Gegenlesen meiner Arbeit fand. Schließlich erfüllt mich die uneingeschränkte Liebe, Unterstützung und das vorbehaltlose Vertrauen meiner Familie mit tiefer Dankbarkeit. Selbiges gilt für meine Freundinnen und Freunde, die mir in zahlreichen Gesprächen geduldig neue Perspektiven aufgezeigt und damit einen Beitrag zum Gelingen des Vorhabens geleistet haben. Dieses Buch ist meinem Bruder Steffen Schoenrock gewidmet, dessen literarischer Geist mich nachhaltig geprägt hat. Ich bin ihm aus tiefstem Herzen dankbar.
Alle möglichen Bestrebungen, Erregungen und Aeußerungen des Willens, alle jene Vorgänge im Innern des Menschen, welche die Vernunft in den weiten negativen Begriff Gefühl wirft, sind durch die unendlich vielen möglichen Melodien auszudrücken, aber immer in der Allgemeinheit bloßer Form, ohne den Stoff, immer nur nach dem Ansich, nicht nach der Erscheinung, gleichsam die innerste Seele derselben, ohne Körper. Aus diesem innigen Verhältniß, welches die Musik zum wahren Wesen aller Dinge hat, ist auch Dies zu erklären, daß wenn zu irgend einer Scene, Handlung, Vorgang, Umgebung, eine passende Musik ertönt, diese uns den geheimsten Sinn derselben aufzuschließen scheint und als der richtigste und deutlichste Kommentar dazu auftritt; imgleichen, daß es Dem, der sich dem Eindruck einer Symphonie ganz hingiebt, ist, als sähe er alle möglichen Vorgänge des Lebens und der Welt an sich vorüberziehn: dennoch kann er, wenn er sich besinnt, keine Aehnlichkeit angeben zwischen jenem Tonspiel und den Dingen, die ihm vorschwebten. Denn die Musik ist, wie gesagt, darin von allen andern Künsten verschieden, daß sie nicht Abbild der Erscheinung, oder richtiger, der adäquaten Objektität des Willens, sondern unmittelbar Abbild des Willens selbst ist und also zu allem Physischen der Welt das Metaphysische, zu aller Erscheinung das Ding an sich darstellt. Man könnte demnach die Welt eben so wohl verkörperte Musik, als verkörperten Willen nennen: daraus also ist es erklärlich, warum Musik jedes Gemälde, ja jede Scene des wirklichen Lebens und der Welt, sogleich in erhöhter Bedeutsamkeit hervortreten lässt; freilich um so mehr, je analoger ihre Melodie dem innern Geiste der gegebenen Erscheinung ist. Hierauf beruht es, daß man ein Gedicht als Gesang, oder eine anschauliche Darstellung als Pantomime, oder Beides als Oper der Musik unterlegen kann. Solche einzelne Bilder des Menschenlebens, der allgemeinen Sprache der Musik untergelegt, sind nie mit durchgängiger Nothwendigkeit mit ihr verbunden, oder entsprechend; sondern sie stehn zu ihr nur im Verhältnis eines beliebigen Beispiels zu einem allgemeinen Begriff: sie stellen in der Bestimmtheit der Wirklichkeit Dasjenige dar, was die Musik in der Allgemeinheit bloßer Form aussagt. Denn die Melodien sind gewissermaaßen, gleich den allgemeinen Begriffen, ein Abstraktum der Wirklichkeit. Diese nämlich, also die Welt der einzelnen Dinge, liefert das Anschauliche, das Besondere und Individuelle, den einzelnen Fall, sowohl zur Allgemeinheit der Begriffe, als zur Allgemeinheit der Melodien, welche
beide Allgemeinheiten einander aber in gewisser Hinsicht entgegengesetzt sind; indem die Begriffe nur die allererst aus der Anschauung abstrahirten Formen, gleichsam die abgezogene äußere Schaale der Dinge enthalten, also ganz eigentlich Abstrakta sind; die Musik hingegen den innersten aller Gestaltung vorhergängigen Kern, oder das Herz der Dinge giebt. Dies Verhältniß ließe sich recht gut in der Sprache der Scholastiker ausdrücken, indem man sagte: die Begriffe sind die ›universalia post rem‹, die Musik aber giebt die ›universalia ante rem‹, und die Wirklichkeit die ›universalia in re‹. Dem allgemeinen Sinn der einer Dichtung beigegebenen Melodie könnten noch andere, eben so beliebig gewählte Beispiele des in ihr ausgedrückten Allgemeinen in gleichem Grade entsprechen: daher paßt die selbe Komposition zu vielen Strophen, daher auch das ›Vaudeville‹. Daß aber überhaupt eine Beziehung zwischen einer Komposition und einer anschaulichen Darstellung möglich ist, beruht, wie gesagt, darauf, daß Beide nur ganz verschiedene Ausdrücke des selben innern Wesens der Welt sind. Wann nun im einzelnen Fall eine solche Beziehung wirklich vorhanden ist, also der Komponist die Willensregungen, welche den Kern einer Begebenheit ausmachen, in der allgemeinen Sprache der Musik auszusprechen gewußt hat: dann ist die Melodie des Liedes, die Musik der Oper ausdrucksvoll. Die vom Komponisten aufgefundene Analogie zwischen jenen Beiden muß aber aus der unmittelbaren Erkenntniß des Wesens der Welt, seiner Vernunft unbewußt, hervorgegangen und darf nicht, mit bewußter Absichtlichkeit, durch Begriffe vermittelte Nachahmung seyn: sonst spricht die Musik nicht das innere Wesen, den Willen selbst aus; sondern ahmt nur seine Erscheinung ungenügend nach; wie dies alle eigentlich nachbildende Musik thut, z.B. ›Die Jahreszeiten‹ von Haydn, auch seine Schöpfung in vielen Stellen, wo Erscheinungen der anschaulichen Welt unmittelbar nachgeahmt sind; so auch in allen Bataillenstücken: welches gänzlich zu verwerfen ist. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung
Einleitung
Der Kontext, in dem populäre Musik und populäre Musikkulturen im jungen 21. Jahrhundert stattfinden, wird in signifikantem Ausmaß von einer zunächst fremdartigen Größe bestimmt: Marken. Diskotheken und Clubs sind ebenso mit quasi obligat gebrandmarkten Kühlschränken ausgestattet, wie Markenzeichen regelmäßig auf Konzerttickets und Werbemaßnahmen für Konzerte auftreten. Werbebanner respektive marketingbezogene Aktivitäten von Marken auf Live-Konzerten und Musikfestivals sind gleichermaßen symptomatische Bestandteile letzterer, wie auditive oder audiovisuelle Werbespots, in denen Musikwerke und Musikaufnahmen verwertet werden, eine medienübergreifende Omnipräsenz besitzen. Von der öffentlichen Aufführung popmusikalischer Inhalte in Ladengeschäften bis hin zu vielfältigen musikfremden Tätigkeiten der Interpreten populärer Musik, die auf Übereinkünften mit Marken basieren, der Etablierung markeneigener Musikmagazine, popmusikbezogener Nachwuchs- und Bildungsprogramme sowie der Ausgründung von Plattenlabels, Musikverlagen und Tonstudios – in ihrer Allgegenwärtigkeit sind Marken ein charakteristischer Bestandteil der gegenwärtigen Umgebung, in der populäre Musik hergestellt, vertrieben und angeeignet wird. Das offenkundig hohe Interesse werbetreibender Marken an den Inhalten und ausführenden Künstlern populärer Musikkulturen basiert mittelbar oder unmittelbar exklusiv auf ökonomischen Motiven. Ungeachtet wiederkehrender andersartiger öffentlicher Selbstdarstellungen sind etwa die Künstlerentwicklung, Musikvermarktung und -distribution oder gar die Kulturförderung bestenfalls Nebenprodukte der marketinggesteuerten Maßnahmen inhaltlich musikmarktfremder Marken, deren Zielsetzungen unausweichlich an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet sein müssen, da sie als maßgebliche Referenz den Rahmen vorgeben, in dem die Existenz von Marken ihre Legitimität erlangt. Die fundamentale Relevanz der Umgebungszusammenhänge, des Kontextes, in den die unter dem Begriff des Populären subsumierten Musikformen und -kulturen unweigerlich eingebettet sind, ist, hinsichtlich eines validen, reliablen und umfassenden Verständnisses letzterer, das der Komplexität der Realität gerecht zu werden versucht,
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Fremdbestimmte Freude
in entsprechenden akademischen Untersuchungen vielfach nachgewiesen.1 Neben den spezifischen technischen, sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen, die in ihrer engen Wechselbeziehung mit populärer Musik und populären Musikkulturen selbige ebenso konstituieren, wie sie von ihnen modifiziert werden, integriert dieser Gesamtkontext die konkreten Hörumgebungen bei der Rezeption popmusikalischer Inhalte, die einen in gleicher Weise grundlegenden Einfluss auf die im erlebenden Subjekt stattfindende Bedeutungskonstruktion und konnotative Verknüpfung der sinnlich erfassten Klangkonfigurationen wie der je momentane physiologische und psychologische Zustand sowie die individuelle Sozialisation eines Musikhörers besitzen.2 Der Popmusikforscher Peter Wicke, dessen Schaffen den musikwissenschaftlichen Diskurs um populäre Musikformen nachhaltig geprägt hat, erkennt in der prinzipiellen Instabilität und kennzeichnenden Kontextabhängigkeit der Gestaltkonfigurationen sinnlichen Materials wie der Musik eine der Ursachen für den hohen Grad von »Stereotypisierung und struktureller Redundanz in den populären Musikformen.«3 Er schlussfolgert weiterhin, dass »[d]ie Annahme, ›musikalische Fakten‹ seien objektive Gegebenheiten, die sich einem ›objektiven Hören‹ fraglos erschließen und also durch Analyse nur zu Bewusstsein gebracht werden müßten [sic!], […] angesichts der Vermittlung von Klang und seiner Wahrnehmung als Musik in komplexen, sozial bedingten, technologisch, ökonomisch und diskursiv geprägten kulturellen Zusammenhängen nicht haltbar«4 sei – »Popmusik ist eben keine klangliche Substanz, die als solche von den kulturellen, technologischen und kommerziellen Zusammenhängen abgehoben oder ihnen als mehr oder weniger in sich geschlossenes künstlerisches Ganzes gegenübergestellt werden könnte, sondern ihre klangliche Erscheinungsform ist das Medium, in dem sich diese Zusammenhänge auf je besondere Weise vermitteln.«5 In diesem Kontext erklärt der in der akademischen Auseinandersetzung mit populärer Musik nicht minder verdienstvolle britische Musikwissenschaftler Philip Tagg: »Such musical organisation [die Art und Weise, in der rhythmische, metrische, klangfarbliche, tonale, melodische und harmonische Parameter im musikalischen Diskurs miteinander in Beziehung gesetzt werden, A. S.] presupposes some sort of social organisation and cultural context before it can be created, understood or otherwise invested with meaning.«6 Demgemäß sind gleichfalls die Gestaltung und Herstellung, die kommerzielle Verbreitung und Verwertung wie auch die Verhandlung und Aneignung populärer Musikformen und die populären Musikkulturen insgesamt in hohem Maße kontextabhängig. »Popsongs […] verkörpern eine spezifische Kombination von klanglichen, technischen, ökonomischen, semiotischen, ideologischen und kulturellen Bedingungen und Wirkungen«7 und tragen, in ihrer wechselseitigen Beziehung mit ihren Umgebungs-
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Vgl. Tagg (2015); vgl. Wicke (2011); vgl. Wicke (2004a); vgl. Wicke (2004b); vgl. Wicke (2003); vgl. Wicke (1993), S. 66-90; vgl. Frith (1992); vgl. Wicke (1992). Vgl. Tagg (2015); vgl. Wicke (2011); vgl. Wicke (2004a); vgl. Wicke (2004b); vgl. Wicke (2003); vgl. Wicke (1993), S. 66-90; vgl. Frith (1992); vgl. Wicke (1992); vgl. Pekrun (1985). Wicke (1992), S. 17. Wicke (2003), S. 112. Wicke (1993), S. 66. Tagg (2015), S. 48. Wicke (1992), S. 13.
Einleitung
variablen, gleichzeitig zu Veränderungen dieser Kontexte bei. Die in der vorliegenden Arbeit durchgeführte systematische Analyse der Bedeutung werbetreibender Marken als allgegenwärtiger Faktor im Beziehungsgeflecht um populäre Musik und populäre Musikkulturen besitzt infolge ebendieser Kontextabhängigkeit eine hohe Relevanz im gegenwärtigen musikwissenschaftlichen Diskurs. Dessen ungeachtet hat in der dezidiert musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Popmusik und zugehörigen Kulturen bislang keine systematische und umfassende Auseinandersetzung mit dem Einfluss von Marken auf populäre Musikformen und -kulturen stattgefunden. Insofern verweist die bis dato defizitäre Integration dieser offensichtlich entscheidenden Kontextvariable in den musikwissenschaftlichen Diskurs um populäre Musik einerseits auf eine eingeschränkte Realisierung des bereits 1992 von Peter Wicke im Hinblick auf ein tiefgreifendes Verständnis der Funktion und Wirkung populärer Musikformen eingeforderten Paradigmenwechsels der Musikforschung, der vor allem die Befreiung von der dogmatischen musikwissenschaftlichen Praxis, isolierte Einzelwerke auf ihre vermeintlich inhärenten Bedeutungen hin zu analysieren, und die zentrale Einbeziehung der je spezifischen Kontexte in die Popmusikforschung beschreibt.8 Andererseits kann sie als ein Indiz für eine beschleunigte Ausweitung und Intensivierung markenseitiger popmusikbezogener Aktivitäten gedeutet werden, die zudem am etwa seit der Jahrtausendwende fortschreitenden Zuwachs von Musikagenturen und Publikationen ablesbar ist, deren Tätigkeiten respektive Inhalte exklusiv auf dem Feld der marketinggesteuerten Verwertung musikalischer, klanglicher und maßgeblich den populären Musikkulturen zugehöriger Inhalte durch werbetreibende Marken angesiedelt sind, das sie selbst vornehmlich unter den modisch anmutenden Anglizismen Audio Branding, Sound Branding, Acoustic Branding, Sonic Branding oder auch Corporate Sound zusammenfassen.9 Abgesehen von Abschlussarbeiten und Dissertationen an Hochschulen in überwiegend musikwissenschaftsfremden Disziplinen, wie etwa den Wirtschaftswissenschaften, schließen diese Publikationen eine Reihe ratgeberartige Werke von Praktikern ein, die entsprechende Agenturen gegründet haben oder in solchen tätig sind. Unabhängig von ihrem wissenschaftlichen oder praxisbezogenen Anspruch besitzen diese Arbeiten eine zentrale Gemeinsamkeit: Sie nehmen ausnahmslos eine markenorientierte Perspektive ein, die bereits an den marketingfreundlichen Bezeichnungen ihres thematischen Schwerpunktes ablesbar ist. Folgerichtig untersuchen beziehungsweise präsentieren sie im Wesentlichen Zugangswege zur marketingstrategischen Einbindung klanglicher, musikalischer und musikkultureller Inhalte in die Markenkommunikation wie auch damit verbundene Prozesse, die Wirksamkeit entsprechend funktionalisierter auditiver oder musikkultureller Elemente hinsichtlich marketingspezifischer Zielsetzungen sowie eine aus der Marketingpraxis abgeleitete, wenig konsistente und
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Vgl. Wicke (1992), S. 22. Vgl. Steiner (2014); vgl. Berg (2012); vgl. Ringe (2012); vgl. Götz (2011); vgl. Lusensky (2010); vgl. Roden (2009); vgl. Kastner (2008); vgl. Bronner, Hirt (2007a); vgl. Groves (2007); vgl. Straka (2007); vgl. Roth (2005); vgl. Langeslag, Hirsch (2004); vgl. Jackson (2003).
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Fremdbestimmte Freude
unscharfe Terminologie und Typologie.10 Es ist die Bedeutung klanglicher, musikalischer und musikkultureller Inhalte für werbetreibende Marken und nicht vice versa der Einfluss von werbetreibenden Marken auf die populäre Musik und die populären Musikkulturen der Gegenwart, die in der wissenschaftlichen und praxisorientierten Literatur zum Audio Branding behandelt wird. Des Weiteren implementieren diese Publikationen mehrheitlich ein unzureichendes und eindimensionales Musikverständnis, das wiederum auf die klassisch-romantische Musiktheorie zurückgeht und komplexe emotionale Qualitäten oder anderweitige rezipierte Bedeutungen musikalischer Inhalte vorrangig unter mehr oder weniger geringen Vorbehalten mit inhärenten akustischen oder musikalischen Eigenschaften derselben verknüpft.11 Diese Annahme wird wiederkehrend mit Verweisen auf empirische Untersuchungen der US-amerikanischen Psychologen Kate Hevner und Ralph Harrelson Gundlach aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, Aufsätze des Musikwissenschaftlers Helmut Rösing und eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse entsprechender Studien, die unter anderem die Studien Gundlachs und Hevners integriert, gestützt.12 Tatsächlich sind die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen Hevners und Gundlachs keineswegs generalisierbar und besitzen, im Hinblick auf die Bedeutungskonstruktion bei der Rezeption gegenwärtiger popmusikalischer Inhalte, keine Aussagekraft: Beide Psychologen verwendeten in ihren Studien ausschließlich Stimuli, die der europäischen Kunstmusik zuordenbar sind und mit der zeitentsprechenden Reproduktionstechnik phonografisch oder körperlich in den jeweiligen Hörversuchen in fragmentarischer oder vollständiger Länge aufgeführt wurden.13 Sie bezogen ferner keine kontextuellen Variablen in ihre Untersuchungen mit ein.14 Dergleichen sind die Aussagen Rösings in seinen vielzitierten Publikationen in keiner Weise objektivierbar, sondern haben, angesichts der generellen Abwesenheit empirischer und plausibler hermeneutischer Belege für seine Erkenntnisse, vielmehr den Charakter von Hypothesen, die auf der Expertenmeinung des Musikwissenschaftlers basieren.15 Als Symptom der gewachsenen Bedeutung werbetreibender Marken für zeitgenössische populäre Musik und populäre Musikkulturen bestätigt die Entstehung der Audio Branding-Branche und der Zuwachs an diesbezüglicher Literatur die Notwendigkeit, diesen Stellenwert und dessen Ursachen aus einer musikwissenschaftlichen Perspektive zu untersuchen. Der an den Publikationen zum Audio Branding ablesbare ungenügende Forschungsstand zu Musik in der Markenkommunikation verweist zudem auf die Dringlichkeit einer weitreichenden musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Themenbereich und dessen eigenständiger Terminologie, wie der Musikwissenschaftler Stefan Strötgen in seiner Dissertation 10
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Vgl. Steiner (2014); vgl. Berg (2012); vgl. Ringe (2012); vgl. Götz (2011); vgl. Lusensky (2010); vgl. Roden (2009); vgl. Kastner (2008); vgl. Bronner, Hirt (2007a); vgl. Groves (2007); vgl. Straka (2007); vgl. Roth (2005); vgl. Langeslag, Hirsch (2004); vgl. Jackson (2003). Vgl. Steiner (2014); vgl. Berg (2012); vgl. Ringe (2012); vgl. Götz (2011); vgl. Roden (2009); vgl. Bronner, Hirt (2007a); vgl. Bruhn (2007); vgl. Groves (2007); vgl. Straka (2007); vgl. Roth (2005); vgl. Langeslag, Hirsch (2004); vgl. Jackson (2003). Vgl. Steiner (2014), S. 26f.; vgl. Berg (2012), S. 35; vgl. Götz (2011), S. 12; vgl. Roden (2009), S. 36; vgl. Bruhn (2007), S. 23ff.; vgl. Roth (2005), S. 119ff. Vgl. Hevner (1937); vgl. Hevner (1936); vgl. Hevner (1935); vgl. Gundlach (1935). Vgl. Hevner (1937); vgl. Hevner (1936); vgl. Hevner (1935); vgl. Gundlach (1935). Vgl. Rösing (1985); vgl. Rösing (1975).
Einleitung
zur Markenmusik verifiziert.16 Ausgehend von der im Audio Branding-Diskurs als fundamental betrachteten Prämisse, der Erfolg musikbezogener Markenkommunikation sei grundlegend davon abhängig, dass die auditiven Inhalte zum jeweiligen Anwendungskontext passen würden, erarbeitet und evaluiert Strötgen ein plausibles Modell für dieses als Fit oder Passung bezeichnete Konzept und etabliert einen ausgeprägten musikwissenschaftlichen Qualitätsstandard in der Auseinandersetzung mit dem Feld des Audio Brandings, den oben genannte Publikationen vielfach vermissen lassen.17 Trotz dessen ausdrücklicher Relevanz in der sonstigen Literatur zum Audio Branding unterliegt das Passungskonzept darin keiner hinreichenden Begriffsbestimmung und theoretischen Auseinandersetzung. Da der Fit als Phänomen keinen zentralen Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit darstellt, kann Strötgens komplexes analytisches Konstrukt hierzu insgesamt nicht weiter diskutiert werden, soll aber als Referenz für die Verwendung dieser Begrifflichkeit dienen.18 Außerhalb der Musikwissenschaften ist die Bedeutsamkeit werbetreibender Marken im Beziehungsgeflecht um populäre Musik und populäre Musikkulturen zu diesem Zeitpunkt längst Bestandteil des akademischen Diskurses. So haben etwa die Medienund Kommunikationswissenschaftlerinnen Bethany Klein und Leslie M. Meier sowie der Kommunikationswissenschaftler Nicholas Carah umfangreiche interdisziplinäre und in ihrem methodischen Pluralismus von den Cultural Studies inspirierte Arbeiten zu diesem Thema vorgelegt, die den dominanten Einfluss von Marken auf die gegenwärtigen populären Musikformen und -kulturen nachdrücklich belegen.19 Während Carah den Themenkomplex in seiner Arbeit vor allem mittels der Untersuchung von Musikevents als Arenen der Markeninszenierung aufschließt, sind es bei Klein in erster Linie die Bedeutung audiovisueller Werbespots für die populären Musikkulturen und die Abwägung der Benefits diesbezüglicher unternehmerischer Tätigkeiten für Musikschaffende gegenüber den negativen Auswirkungen einer wachsenden Kontrolle der Werbetreibenden im populären Musiksegment, die den Schwerpunkt ihrer Untersuchung darstellen.20 Demgegenüber nimmt Meier in ihrer Publikation, die als jüngste der drei Forschungsarbeiten auf den Ergebnissen der beiden anderen Studien aufbaut, eine vergleichsweise ganzheitliche Perspektive ein und untersucht, neben dem Status Quo der Wechselbeziehung von Marken, populärer Musik und populären Musikkulturen, insbesondere die maßgeblich von der fortschreitenden Digitalisierung beherrschte globale Entwicklung der sozialen, kulturellen, gesellschaftspolitischen, medialen und ökonomischen Umgebungen seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert, die es Marken ermöglicht haben, eine einflussreiche Position im Beziehungsnetzwerk um populäre Musik einnehmen zu können.21 In der Summe weist der Forschungsstand zur Bedeutsamkeit werbetreibender Marken für populäre Musikformen und -kulturen gewichtige Defizite auf. Abgesehen von 16 17 18 19 20 21
Vgl. Strötgen (2014), S. 13. Vgl. Strötgen (2014); Vgl. Steiner (2014); vgl. Berg (2012); vgl. Ringe (2012); vgl. Kastner (2008); vgl. Bronner, Hirt (2007a); Groves (2007); vgl. Roth (2005). Vgl. Strötgen (2014). Vgl. Meier (2017); vgl. Carah (2010); vgl. Klein (2009). Vgl. Carah (2010); vgl. Klein (2009). Vgl. Meier (2017).
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der ökonomischen Relevanz marketingorientierter Marken innerhalb der Musikwirtschaft sowie deren Entwicklung seit dem Ende der 1990er Jahre, den rechtlichen Rahmenbedingungen für die markenseitige Verwertung musikalischer Inhalte wie auch der konzentrierten Verknüpfung von Marken und populärer Musik im digitalen Streamingsegment sind es insbesondere die konkreten musikalischen Auswirkungen des gewachsenen Markenmandats, der in den Gestaltformen gegenwärtiger populärer Musik manifestierte Einfluss von Marken, die bislang nur ungenügend Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung waren und folgerichtig Forschungslücken darstellen, zu deren Schließung mit der vorliegenden Arbeit ein Beitrag geleistet wird. Die daraus resultierenden Erkenntnisse dienen einerseits der Verbreiterung des wissenschaftlichen Fundamentes, auf dem die zukünftige akademische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex stattfindet, andererseits der kritischen Überprüfung und Evaluation der Validität der Untersuchungsbefunde vorheriger Forschungsarbeiten.
Hypothesenbildung, Aufbau und Methodik der Arbeit Aus den besprochenen Forschungsarbeiten und der erwähnten Audio BrandingLiteratur lassen sich folgende Hypothesen ableiten, deren Verifikation respektive Falsifikation im Fokus dieser Untersuchung steht: •
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Werbetreibende Marken haben sich im frühen 21. Jahrhundert zu einem allgegenwärtigen und entscheidenden Einflussfaktor innerhalb der populären Musikkulturen der Gegenwart entwickelt. Die Wirkkraft werbetreibender Marken auf die kontemporären populären Musikkulturen hat ein Niveau erreicht, das einen homogenisierenden Effekt auf die Gestaltformen populärer Musik impliziert, die in zunehmendem Ausmaß an den ökonomisch motivierten Marketingzielen der Markenkommunikation ausgerichtet sind.
Im Hinblick auf eine fundierte Einschätzung der Gültigkeit dieser Hypothesen ist es, infolge ihrer weitreichenden Konsequenzen, unabdingbar, die hierarchische Positionierung werbetreibender Marken im Machtgefüge der kommerziell ausgerichteten musikalischen Wirklichkeit verstehen und einschätzen zu lernen und ihren darauf basierenden Einfluss auf die Produktion und künstlerische Gestaltung, Distribution und gewinnorientierte Verwertung wie auch Rezeption und diskursive Verhandlung popmusikalischer Inhalte sowie popmusikkulturelle Wertesysteme und Strukturen zu dekodieren. Aus einer musikwissenschaftlich erkenntnisorientierten Perspektive ist es darüber hinaus unerlässlich, die Ursachen für die angewachsene Bedeutung marketingorientierter Marken im Gesamtzusammenhang um kontemporäre populäre Musikformen und -kulturen zu erforschen. Diese Arbeit untersucht die bislang akademisch kaum aufgearbeiteten Korrelationen »zwischen der [von werbetreibenden Marken dominierten, A. S.] medialen und institutionellen Infrastruktur des Musikprozesses und den hierin ausgebildeten ästhetischen Gestaltungsdimensionen des Musizierens«.22 Der erste Teil der vorliegenden Forschungsarbeit setzt sich dementsprechend mit den Bedingungen auseinander, unter denen Marken eine mutmaßlich einflussreiche 22
Wicke (1997), S. 1344.
Einleitung
Position im Gesamtgefüge um die populären Musikkulturen der Gegenwart erlangen konnten, untersucht deren ökonomische Relevanz innerhalb der Musikwirtschaft, diskutiert die vielfältigen marketingorientierten Tätigkeiten von Marken, in denen populäre Musikformen, ausübende Künstler oder andere Inhalte populärer Musikkulturen werblich verwertet werden und erörtert, auf der so geschaffenen erweiterten Wissensbasis, schließlich das Ausmaß der markenseitigen Wirkkraft auf die kontemporären populären Musikkulturen. Basierend auf Begriffsbestimmungen der im Rahmen dieser Arbeit relevanten Fachausdrücke aus der Marken-, Marketing- und Werbeterminologie werden zunächst die Entwicklung der Markenkommunikation und Werbeindustrie seit der Jahrtausendwende und jene damit einhergehenden Trends untersucht, die auf ein deutlich steigendes Interesse der werbetreibenden Industrie an populärer Musik und populären Musikkulturen hinweisen. Im Anschluss erfolgt eine Diskussion der für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Einfluss marketinggesteuerter Marken auf die populären Musikkulturen der Gegenwart bedeutsamen Begrifflichkeiten aus dem Audio Branding, der Defizite entsprechender Quellen nebst des darin verankerten Musikverständnisses und zugehöriger theoretischer Konzepte sowie eine Aufarbeitung des Forschungsstandes gleichermaßen wichtiger Einzelphänomene. Das Folgekapitel analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte in einer Gegenüberstellung des deutschen Urheber- und Leistungsschutzrechtes und des US-amerikanischen Copyrights und bildet damit ein essentielles Fundament für ein weitreichendes Verständnis der Wechselbeziehung populärer Musikkulturen und werbetreibender Marken. Darauf folgend werden die etwa mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts einsetzenden und andauernden tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der Musikwirtschaft an einer differenzierten Dekodierung der jüngeren Entwicklung der drei zentralen Wirtschaftszweige aufgearbeitet, in denen populäre Musik eine kommerzielle Verwertung findet: Dem Geschäft mit Musikaufnahmen sowie Musikwerken und dem Musikveranstaltungssektor. Dieses Kapitel integriert zudem eine umfassende Annäherung an den Fortgang der ökonomischen Relevanz eigentlich musikfremder Marken innerhalb der Musikwirtschaft, der anhand eines Vergleichs ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit ihrem heutigen monetären Gewicht erörtert wird. Kapitel 4 widmet sich der Genese des Musikstreamings, die exemplarisch am Aufstieg der Plattformen Spotify und YouTube diskutiert wird, und untersucht deren folgenschwere Konsequenzen für die populären Musikkulturen, die insbesondere die Implementierung einer neuartigen Qualität und Quantität der strukturellen Verknüpfung von Marken und populärer Musik umfassen. Das letzte Kapitel des ersten Teils der Arbeit präsentiert Strategien, die Musikfirmen und Musikschaffende in Anbetracht der verwandelten ökonomischen, musikmarketing- und vertriebsbezogenen Gesamtzusammenhänge in den populären Musikkulturen des jungen 21. Jahrhunderts entwickelt haben und analysiert den Einfluss werbetreibender Marken auf selbige. Auf der bis hierhin geschaffenen Grundlage wird im Folgenden die Bedeutung von Marken für das Marketing populärer Musik und entsprechender Interpreten sowie die hierarchische Positionierung marketingorientierter Marken in den populären Musikkulturen der Gegenwart an ausgewählten Beispielen ihrer dementsprechenden Tätigkeiten dokumentiert und verhandelt.
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Fremdbestimmte Freude
Der zweite Teil der Arbeit nimmt die, auf dem in Teil I nachgewiesenen gewachsenen Markenmandat basierende, Wirkkraft werbetreibender Marken auf die Gestaltformen kontemporärer populärer Musik in den Blick. Diesbezüglich befasst sich Kapitel 6 mit generellen Entwicklungstendenzen der Erscheinungsformen populärmusikalischer Inhalte im Gesamtkontext der im ersten Teil der vorliegenden Arbeit vorgestellten Umwälzungsprozesse, die demgemäß die gestiegene Bedeutung werbetreibender Marken integrieren. Das Folgekapitel ermittelt die spezifischen und in ihrer wiederkehrenden Dominanz normativen Gemeinsamkeiten der Anforderungen von Marken an populäre Musik in audiovisuellen Werbespots – an werblich verwertbare populäre Musik – die unter dem Begriff der Synchronisationsfreundlichkeit oder Werbesynchronisationsfreundlichkeit subsumiert werden. Die Arbeit schließt mit einem populärmusikalischen Fallbeispiel, dessen Gestaltform den Aussagen unabhängiger Experten zufolge prototypisch werbesynchronisationsfreundlich sei: Pharrell Williamsʼ Happy. So erlaubt die in Kapitel 8 durchgeführte umfassende Analyse der entsprechenden Musikaufnahme sowie deren Entstehungs-, Kommunikations- und Rezeptionskontexte die exemplarische Verknüpfung der vielfach abstrakten Erwartungen von Marken an werblich verwertbare Musik mit konkreten Inhalten, die Dekodierung einer beispielhaften Manifestation markenseitiger Anforderungen an Werbemusik. Die multimethodische Erschließung des Forschungsgegenstandes kann formal mit dem Begriff der Triangulation beschrieben werden, welche »die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen [beinhaltet, A. S.]. Diese Perspektiven können in unterschiedlichen Methoden, die angewandt werden, und/oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugängen konkretisiert werden, wobei beides wiederum mit einander [sic!] in Zusammenhang steht bzw. verknüpft werden sollte. Weiterhin bezieht sie sich auf die Kombination unterschiedlicher Datensorten jeweils vor dem Hintergrund der auf die Daten jeweils eingenommenen theoretischen Perspektive.«23 Der weit gefasste Themenkomplex wird in dieser Arbeit mittels der Kombination theoretisch-hermeneutischer Methoden und der Erhebung sowie Auswertung qualitativer empirischer Daten untersucht, die ein möglichst umfassendes Verständnis der Wechselbeziehung werbetreibender Marken und populärer Musikkulturen ermöglichen soll. Abgesehen von einem breiten Literaturspektrum basiert die vorliegende Analyse auf Daten, die aus Fallstudien, Experteninterviews und persönlichen Expertengesprächen extrahiert wurden. Die kritische Literaturauswertung und -diskussion berücksichtigt nicht allein relevante wissenschaftliche Publikationen zu den jeweilig untersuchten Phänomenen, also etwa Gesetzestexte, -kommentare und rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen, marketing- und markenkommunikationsbezogene akademische Schriften oder musik-, kultur- und kommunikationswissenschaftliche Werke, sondern integriert darüber hinaus insbesondere Publikationen von Industrieverbänden und Stakeholdern innerhalb der populären Musikkulturen sowie Beiträge in der internationalen Fachpresse, in Zeitungen und Magazinen, die sich mit den zentralen Themenbereichen der Dissertation auseinandersetzen. Wie auch Klein in ihrer Untersuchung feststellt, ist es ebenjene internationale Presse und nicht der wissenschaftliche Diskurs, in der die Diskus23
Flick (2004), S. 12.
Einleitung
sionen um werbetreibende Marken und populäre Musik bislang am kontinuierlichsten und deutlichsten stattgefunden haben.24 Im Hinblick auf eine weitreichende Erfassung des Themenfeldes ist die differenzierte Eingliederung entsprechender, akademisch belastbarer Artikel, die infolge ihrer verschiedenartigen motivationalen Hintergründe, Kommunikationskontexte und Autorenbiografien multiperspektivische Betrachtungsweisen auf den Forschungsgegenstand liefern, in den musikwissenschaftlichen Gesamtkontext der vorliegenden Arbeit folglich unerlässlich. Im Gegensatz zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zur werblichen Verwertung musikalischer Inhalte, deren Beschaffenheit mithilfe der Auswertung existierender Publikationen hinreichend determiniert werden konnte, war es, bezüglich eines Beitrages zur Behebung der weiteren, oben beschriebenen Forschungsdefizite und eines erweiterten Verständnisses der markenseitigen Wirkkraft auf populäre Musikkulturen unerlässlich, eigene empirische Daten zu generieren und zu evaluieren. Neben Einzelfallanalysen (Fallstudien) wurden diesbezüglich Experteninterviews und persönliche Expertengespräche durchgeführt, die einer problemorientiert qualitativen Auswertung unterzogen wurden. In ihrer Funktionalität, ein zeitgenössisches Phänomen in seinem realen Kontext gerade dann wissenschaftlich zugänglich machen zu können, wenn die Grenzen zwischen diesem Phänomen und seinem Kontext nicht eindeutig ersichtlich sind,25 dienen Einzelfallanalysen in dieser Forschungsarbeit einerseits der Erschließung des Musikstreamingsegmentes und der darin stattfindenden Verschränkung werblicher Kommunikation und populärer Musik, andererseits der Detektion einer spezifischen Manifestation der Wirkung werbetreibender Marken auf die Gestaltformen letzterer. Die zielgerichtete Analyse der musikwirtschaftlichen und -kulturellen Bedeutung der beiden weltweit wichtigsten Anbieter im Streamingbereich, Spotify und YouTube, die deren Lizenzierungspraktiken, Tantiemenkalkulation und -auszahlungsprozesse ebenso mit einschließt wie die systemrelevante Positionierung von Marken innerhalb dieses entscheidenden Vertriebsweges für populäre Musikformen und die damit einhergehenden zahlreichen Werbeformate auf den Plattformen, erlaubt eine exemplarische Annäherung an das Musikstreamingsegment und dessen Einordnung in das wissenschaftlichen Koordinatensystem dieser Arbeit. Gleichermaßen ermöglicht die systematische Analyse der produktionstechnisch-klanglichen und kompositorisch-musiktheoretischen Merkmale sowie der Herstellungs- und Kommunikationskontexte der Musikaufnahme des Titels Happy von Pharrell Williams, die gemäß Expertenaussagen einen prototypisch werbesynchronisationsfreundlichen Charakter aufweist, eine erste akademische Evaluation der spezifischen Wirkkraft marketingorientierter Marken auf die Gestaltformen gegenwärtiger populärer Musik. Das wissenschaftliche Fundament, auf dem die Selektion ebenjenes Musikstücks für die Einzelfallanalyse stattfinden konnte, wurde durch die Realisierung und Auswertung zweier leitfadengestützter Experteninterviews hergestellt.26 Die im Februar 2018 in Berlin persönlich durchgeführten Interviews mit zwei voneinander unabhängigen
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Vgl. Klein (2009), S. 6. Vgl. Yin (1994), S. 13 zit.n. Baur, Lamnek (2017), S. 290. Vgl. Hoffmann (2017), S. 313-320.
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Fremdbestimmte Freude
Komponisten und Musikproduzenten für Werbemusik, deren Kundenportfolio unter anderem die Marken Thomas Sabo, Migros, BMW, Toyota, Mercedes-Benz und Vodafone beinhaltet, dienten, aufbauend auf der diesbezüglichen Literaturarbeit, zum einen der Exploration autoritativer Gemeinsamkeiten der Anforderungen von Marken an werbliche verwertbare Musik, zum anderen der Ableitung eines konkreten Songs, der diese Gemeinsamkeiten maximal repräsentiert.27 Ferner wurde im August 2017 ein weiteres, ebenfalls leitfadengestütztes Experteninterview durchgeführt, das auf die Beseitigung der aus der entsprechenden Literaturauswertung abgeleiteten konkreten Wissenslücken abzielte, die im von Intransparenz geprägten Lizenzierungsmarkt für populäre Musikstücke determiniert wurden.28 Der Befragte betreibt einen Independent-Musikverlag und ist einer der Geschäftsführer einer international agierenden Audio Branding-Agentur mit Hauptsitzen in Berlin und Stuttgart, dessen Kompetenzen im Lizenzierungsgeschäft auf seiner über annähernd zwei Dekaden reichenden Berufserfahrung im Geschäft mit Verwertungslizenzen für musikalische Inhalte basiert. Die qualitative empirische Datenlage wurde zudem durch Informationen aus persönlichen Gesprächen mit beiden Geschäftsführern der eben beschriebenen Audio Branding-Agentur ergänzt, die im Verlauf des Jahres 2017 in Berlin und Stuttgart stattfanden und konkrete Einzelsachverhalte zum Thema hatten. Gleichwohl die Wissensproduktion innerhalb der vorliegenden Forschungsarbeit auf einer Vielzahl literarischer und qualitativer empirischer Quellen aufbaut, besitzt selbige insofern einen zumindest teilheuristischen Charakter, als dass die Komplexität der Wechselbeziehung werbetreibender Marken und populärer Musikkulturen in diesen Quellen keineswegs vollständig abgebildet und im zeitlich begrenzten Rahmen einer Dissertation untersucht wird. Diese Arbeit will in erster Linie einen Beitrag zur Schließung der detektierten Forschungslücken leisten und so eine erweiterte Basis für folgende wissenschaftliche Arbeiten schaffen – sie hat nicht den Anspruch, den Einfluss von Marken auf die populären Musikformen und -kulturen der Gegenwart abschließend und allumfassend bewerten zu können.
Begriffsbestimmungen: Populäre Musik und populäre Musikkultur Eine Begriffsbestimmung des Terminus populäre Musik muss unweigerlich von der bereits 1979 durch Philip Tagg geäußerten fundamentalen Einsicht ausgehen, dass »[p]opuläre Musik […] nicht als musikalisches Genre oder als Gruppe von Genres definiert werden [kann, A. S.]. […] Populäre Musik ist als Begriff nicht vermittels innermusikalischer Analyse zu definieren.«29 In eine Deutung des Ausdrucks muss weiterhin die gleichermaßen zentrale Erkenntnis einfließen, dass dieser, übereinstimmend mit einer Mehrheit der vermeintlich musikalische Gattungen beschreibenden Genrebezeichnungen, etwa Hip Hop, Indie-Rock oder House, keinen eindeutigen denotativen Gehalt besitzt, sondern zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Konfigurationen annimmt, die im vom Fach- und Fanjournalismus organisierten Diskurs zwischen Musikschaffenden, Industrie und Publikum in stetiger Verhandlung
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Interview: Hickey (2018); Interview: Bussche (2018). Interview: Haaksman (2017). Tagg (1979), S. 26 zit.n. Wicke (1992), S. 7.
Einleitung
neu arrangiert werden.30 »Selbst wenn die klanglichen Gebilde durch ihre strukturelle Beschaffenheit Wahrscheinlichkeiten implizieren, ob sie am Ende dann zu Pop, Rock, Folk, World Music etc. geworden sind, ist eine Frage, die sich immer nur retrospektiv beantworten lässt, dann nämlich, wenn die Soundtracks bereits in den Prozess ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Verwirklichung als Pop, als Rock etc. eingetreten sind.«31 Eine unerlässliche Bedingung für eine Eingliederung musikalischer Inhalte unter dem Etikett des Populären ist schließlich deren kommerzielle Organisation, die »die effiziente Verwertung von Kapital im Warenzusammenhang zu gewährleisten hat.«32 »Wenn sich durch Klang vermittelte soziale, kulturelle und ästhetische Praktiken, seien es Geselligkeitsformen, Freizeitaktivitäten oder auch die perzeptive Klangwahrnehmung selbst, über die Ware-Geld-Beziehung realisieren, zu einer kalkulierbaren Funktionale der Verwertung investierten Kapitals werden und sich an den Tonträger [die Musikaufnahme, A. S.] binden lassen, dann hat man es mit populärer Musik zu tun.«33 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit beschreibt der Begriff populäre Musik folgerichtig all diejenigen klanglichen Gestaltformen, die in den entsprechenden Diskursen der Vergangenheit und Gegenwart unter dieser Bezeichnung subsumiert wurden respektive werden. Der Terminus vereint in dieser weitestmöglichen Bestimmung eine Vielzahl verschiedenartiger musikalischer Gestaltformen und, gemäß deren diskursiv stattfindender Zuordnung zu weiteren generischen Bezeichnungen, Subkategorien. Die erhebliche Diversität der als populär zirkulierenden Musikformen wird, wenngleich keineswegs umfassend, beispielsweise von den 1001 Songs reflektiert, die unter Ausschluss instrumentaler Musik in einem Nachschlagewerk besprochen werden, das den Angaben des Herausgebers zufolge den Anspruch besitzt, die wesentlichen Musikstücke »aus dem reichhaltigen und unglaublich vielfältigen Erbe der Populärmusik« abzubilden.34 Das enzyklopädische Werk umfasst ein Spektrum populärmusikalischer Gestaltformen von den 1920er Jahren bis in die Gegenwart und integriert demgemäß Songs, die unter zahllosen generischen Begrifflichkeiten, etwa Blues, Jazz, Bossa Nova und Country, Rock’n’Roll, Soul, Reggae und Punk, Discomusik, House, Hip Hop oder Indie-Rock etc., klassifiziert werden.35 In Kombination mit vornehmlich instrumental realisierten klanglichen Formationen, wie sie beispielsweise innerhalb der kontemporären elektronischen Tanzmusik wiederum unter mannigfaltigen gattungserzeugenden Bezeichnungen, etwa Minimal Techno, Dubstep oder Deep House, verortet werden, ist populäre Musik also vor allem von einer ausgesprochenen Vielfalt gekennzeichnet. Der Musikbegriff und die endlos erscheinende Anzahl generischer Bezeichnungen besitzen diesbezüglich eine organisierende, strukturierende, normierende und konstituierende Wirkung, weil deren Formulierung »mit realen Interessen sowie der Macht verbunden ist, diese im Musikprozess als ihn klassifizierendes kategoriales Ordnungssystem auch durchzusetzen.«36 30 31 32 33 34 35 36
Vgl. Wicke (2004a); vgl. Wicke (2004b), S. 115-119. Wicke (2004b), S. 117f. Wicke (2004a), S. 166. Wicke (2004a), S. 167. Dimery (2011), S. 10; vgl. Dimery (2011). Vgl. Dimery (2011). Wicke (2004a), S. 165.
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Angesichts ihrer Funktionalität als Marketing-Instrumente und Marktkategorien zur Zielgruppenidentifikation sind die musikbezogenen Gattungs- und Genrebezeichnungen praktikable Werkzeuge für werbetreibende Marken, welche die zielgerichtete markenkommunikative Verwertung populärmusikalischer Inhalte erleichtern.37 Ausgehend von einem breiten Kulturverständnis umfasst die populäre Musikkultur in der vorliegenden Forschungsarbeit das vollständige Terrain, auf dem die kontinuierlichen Auseinandersetzungsprozesse mit den oben beschriebenen generischen Begrifflichkeiten stattfinden und bildet dementsprechend den jeweiligen zeitlichen Gesamtkontext ab, in dem die als populär bezeichneten klanglichen Gestaltformen hergestellt, verbreitet, verhandelt und rezipiert werden. Dessen ungeachtet können die populären Musikformen nicht allein als Ausdruck der populären Musikkulturen gedeutet werden: Erstere gehen gleichermaßen aus letzteren hervor, wie sie letztere determinieren. In dieser Wechselbeziehung repräsentiert die populäre Musikkultur die technischen, ökonomischen, sozialen, gesellschaftspolitischen und medialen Umgebungen, inklusive der damit jeweils verknüpften flexiblen Regelsysteme, in der die entsprechenden musikalischen Formen ihre Gestalt erhalten, Verbreitung finden und in Begrifflichkeiten gefasst werden. Sie beschreibt das dauerhaft veränderliche Koordinatensystem, in dem populäre Musik stattfindet, und schließt folglich ebenso die Tätigkeiten der Musikwirtschaft und Musikschaffenden mit ein, wie sie die fach- und fanjournalistische Praxis eingliedert und insbesondere den hörerseitigen Umgang mit populären Musikformen involviert, der spezifische und differenzierte, signifikant symbolisch und soziosentimental aufgeladene Lebenswelten generiert, die etwa in Subkulturen artikuliert werden. Der Plural des Begriffes, die populären Musikkulturen, verweist auf die vielgestaltigen Konfigurationen, die populäre Musikkultur zeitgleich annehmen kann – so unterscheidet sich etwa die Kultur der Herstellung und Rezeption elektronischer Tanzmusik von der Herstellungs- und Rezeptionskultur der Rockmusik.
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Vgl. Wicke (2004b), S. 118.
I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Like all good ad clichés, it manages to suggest everything and mean nothing. David Foster Wallace, String Theory
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
1.1
Terminologie und gesamtwirtschaftliche Bedeutsamkeit
Während die marketing- und markenbezogene Fachliteratur eine stetig wachsende und teilweise widersprüchliche Anzahl von Definitionen beziehungsweise Auslegungen des Begriffs Marke bereithält, woraus eine »regelrechte ›Sprachverwirrung‹«1 resultiere, wird der Begriff im deutschen Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz – MarkenG) folgendermaßen beschrieben: »Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.«2 Diese Definition bildet die grundsätzliche Identifizierungsund Differenzierungsfunktion einer Marke ab. Abgesehen von den genannten Markierungszeichen kann diese Funktion gleichermaßen von anderen Merkmalen, wie beispielsweise Gerüchen, haptischen Strukturen oder konkreten Ereignissen, etwa einem Konzert, übernommen werden. Neben den konkreten Zuweisungen physischer Merkmale können Marken demnach Träger verschiedenster abstrakter respektive symbolischer Charakteristika sein. Folglich ist eine Marke »ein Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht relevanter Zielgruppen nachhaltig differenziert.«3 Da diese Definition alle entscheidenden Dimensionen des Markenbegriffs in ausreichendem Maße abbildet, soll sie als Basis für die weiteren Erörterungen dienen. Der Anglizismus Brand wird im Folgenden synonym verwendet. Eine weitere Kategorisierung in verschiedene Markentypen (Herstellermarken, Handelsmarken, Unternehmensmarken etc.) ist im Kontext dieser
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Bruhn (2004), S. 5; zur Vielzahl an Definitionen des Begriffs Marke vgl. exemplarisch Esch (2014); Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012); Burmann, Meffert, Koers (2005). Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2018), S. 8. Burmann, Blinda, Nitschke (2003), S. 3.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Arbeit wenig sinnvoll – bleiben die grundsätzlichen Eigenschaften und Funktionen der Marke doch in allen Sparten erhalten. »Das gesamte Nutzenbündel sendet dabei unternehmensextern wahrnehmbare Signale aus, die sich im Markenimage der externen Zielgruppen widerspiegeln.«4 Als Markenimage oder Brand Image definieren Burmann, Meffert und Koers die »Wahrnehmung der Marke beim Nachfrager«,5 also das Fremdbild der Marke. Aufgrund seiner perzeptiven Qualität, die vor allem die primäre Reizaufnahme beziehungsweise erste Erkenntnisstufe im psychischen Verarbeitungsprozess externer Stimuli beschreibt, ist der Begriff Wahrnehmung jedoch nicht geeignet, das gesamte Spektrum derjenigen Parameter darzustellen, die dem Fremdbild einer Marke tatsächlich innewohnen. Eine passgenauere Definition, die auch die kognitiven und emotionalen Aspekte des Außenbildes einer Marke abbildet und so in dieser Arbeit verwendet werden soll, findet sich bei Burmann, Halaszovich und Hemmann: »Das Markenimage ist ein in der Psyche relevanter externer Zielgruppen fest verankertes, verdichtetes, wertendes Vorstellungsbild von einer Marke.«6 Die unternehmensseitig ausgesendeten Signale werden vom Selbstbild der Marke bestimmt: »Die Markenidentität umfasst diejenigen raum-zeitlich gleichartigen Merkmale der Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen.«7 Interne Zielgruppen sind dabei beispielsweise Mitarbeiter, Management, Eigentümer oder auch Absatzmittler.8 So konstituiere sich die Markenidentität (die Brand Identity) »als Folge der Wechselwirkung von Entscheidungen und Handlungen der Markenmitarbeiter und der Wahrnehmung dieser durch die Nachfrager und andere Anspruchsgruppen. Im Mittelpunkt steht somit die Wechselseitigkeit von Image (externe Wahrnehmung) und Identität einer Marke (interne Reflexion des eigenen Tuns).«9 In einer Art Endlosschleife würden sich Selbst- und Fremdbild einer Marke permanent gegenseitig beeinflussen und neu strukturieren.10 Um diejenigen Variablen festzuhalten, die eine konkrete Markenidentität ausmachen und so eine stringente Kommunikation derselben gewährleisten, haben sich Markenhandbücher, so genannte Brand Manuals oder auch Brand Guidelines etabliert. Dabei handelt es sich um Nachschlagewerke, die detaillierte Informationen zu Markenwerten, Markenversprechen, Markendifferenzierung etc. bereitstellen. Auf Basis der sozialwissenschaftlichen, psychologischen sowie interaktionistischen Identitätsforschung ließen sich »sechs konstitutive Komponenten identifizieren, die eine umfassende Beschreibung der Markenidentität ermöglichen«.11 Die Markenidentität sei demnach durch die Markenvision (Wohin wollen wir?), die Markenpersönlichkeit (Wie kommunizieren wir?), die Markenwerte (Woran glauben wir?), die Markenkompetenzen (Was können wir?), die Mar-
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Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 7. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 8. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 30. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 30. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 8. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 28. Vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 28ff. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 44.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
kenleistungen (Was vermarkten wir?) und die Markenherkunft (Woher kommen wir?) detailliert beschrieben.12 Im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung (dem identitätsbasierten Markenmanagement) wird in diesem Zusammenhang von der Ergänzung der Ausrichtung einer Marke am Markt, also der »Outside-In-Perspektive« (der Nachfrage- bzw. Imageorientierung), um eine gleichzeitige Ausrichtung der Marke an Mitarbeitern und Kompetenzen, der »Inside-Out-Perspektive«, gesprochen.13 Innerhalb des identitätsbasierten Markenmodells gilt »die Identität und als deren Kernbestandteil die Kompetenz einer Marke als wichtigste Voraussetzung, um das Vertrauen der Nachfrager zu gewinnen.«14 Die identitätsorientierte Markenführung könne »als ein Managementprozess verstanden werden, der die Planung, Koordination und Kontrolle aller Maßnahmen zum Aufbau starker Marken bei allen relevanten Zielgruppen umfasst.«15 Die Begriffe Markenführung und Markenmanagement (Brand Management) werden im Folgenden synonym zur identitätsbasierten Markenführung verwendet und unterliegen dieser Definition. Die Harmonisierung von Selbst- und Fremdbild ist dabei der »Imperativ einer zugleich innen- und außenorientierten Markenführung […], wobei der Übereinstimmungsgrad als Ausmaß für die Markenstärke dient«.16 So ist es das Ziel der identitätsbasierten Markenführung, eine möglichst hohe Kongruenz der Markenidentität mit dem Markenimage zu schaffen, um so eine leistungsstarke und robuste Marke zu erzeugen. Wegen der hohen Relevanz, die der Schaffung differenzierter und prägnanter Markenidentitäten im modernen Marketing zugeschrieben wird, besitzt die identitätsbasierte Markenführung im Kontext dieser Arbeit eine entsprechend hohe Bedeutung. Ist es doch ihr inhärentes Ziel »eine funktions- und unternehmensübergreifende Integration […] aller mit der Marke zusammenhängenden Entscheidungen und Aktivitäten zum Aufbau von langfristig stabilen und werthaltigen Marke-Kunde-Beziehungen im Sinne des Oberziels einer Maximierung des Markenwertes«17 zu schaffen. Der Begriff Marketing soll im Folgenden der Definition der AMA (American Marketing Association) unterliegen, die weltweit als Referenz für die entsprechende Fachterminologie gilt: »Marketing is the activity, set of institutions, and processes for creating, communicating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners, and society at large [Marketing beinhaltet die Tätigkeit, die Gruppe von Institutionen und die Prozesse, mit dem Ziel, Angebote, die einen Wert für Abnehmer, Kunden, Partner und die Gesellschaft als Ganzes besitzen, zu erzeugen, zu kommunizieren, zu liefern und auszutauschen. A. S.].«18 Aufgrund des ebenso inflationären wie unscharfen Gebrauchs des Begriffs Branding in der Fachliteratur sowie seiner ebenso uneinheitlichen Verwendung im alltäglichen Sprachgebrauch der Werbeschaffenden, soll an dieser Stelle näher auf dessen Bedeutung eingegangen werden. Die Bandbreite der Definitionen, im Englischen wie 12 13 14 15 16 17 18
Vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 44. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 28. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 28. Meffert, Burmann (2005), S. 32. Meffert, Burmann (1996), S. 38f. Meffert, Burmann (2005), S. 32. AMA (2013).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
im Deutschen, spielt sich dabei zwischen den Polen einer sehr weit gefassten Begriffsbestimmung und synonymen Verwendung zur Markenführung (zum Brand Management) und einer sehr engen Auffassung ab, die nicht mehr als die Namensfindung für ein Angebot beinhaltet. Während also beispielsweise Keller, Apéria und Georgson sowie Kapferer (im Englischen) oder auch Haedrich, Tomczak und Kaetzke sowie Einweiler (im Deutschen) Branding weitestgehend synonym zum oben eingeführten Begriff der Markenführung verwenden,19 steht Gottas Definition, die sich auf die »verbale Zusammenfassung einer Mixtur aus rationalen und nichtrationalen Werten, die durch den entwickelten und markenrechtlich schutzfähigen Namen in Deutschland, Europa oder weltweit identisch repräsentiert werden kann«20 beschränkt, exemplarisch für den gegensätzlichen Extremwert. In der Übersetzungspraxis der Fachliteratur hat sich, wie auch auf der Übersetzungsplattform dict.cc21 an oberster Stelle bei der Eingabe des Wortes abzulesen, die Übertragung von Branding aus dem Englischen zur Markenführung im Deutschen etabliert. Dementsprechend lässt sich am alltäglichen Gebrauch des Begriffs ebenfalls zumeist eine weit gefasste Begriffsbestimmung ablesen. Obwohl dies zunächst wenig problematisch zu sein scheint, sieht Esch darin eine Schwierigkeit, »weil diese [Begriffsdefinition, A. S.] alle Maßnahmen zur Markenführung umfasst, die auch nach der Einführung einer neuen Marke von Bedeutung sind.«22 Er nutzt demnach folgende Begriffsabgrenzung in seiner Publikation: »Branding umfasst alle konkreten Maßnahmen zum Aufbau einer Marke, die dazu geeignet sind, ein Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben und die eine eindeutige Zuordnung von Angeboten zu einer bestimmten Marke ermöglichen.«23 Der Vergleich mit obiger Definition der Markenführung zeigt, dass diese Begriffsbestimmung nur wenig zu einer Differenzierung der Begriffe beiträgt. So könnte doch der oben beschriebene Managementprozess (die Markenführung) selbst nach dieser Definition eine konkrete Maßnahme zum Aufbau einer Marke sein, die ja geradezu im höchsten Maß die Anforderungen von Eschs Branding-Definition erfüllt. Die Bezeichnung »alle konkreten Maßnahmen«24 ist dabei die Ursache der Unschärfe seiner Begriffsbestimmung. Vielmehr sind es die Manifestationen aller konkreten Maßnahmen zum Aufbau einer Marke, ihre konkrete Realisierung, die Branding im Unterschied zur Markenführung ausmachen. Im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Branding als Markierung und um damit eine konkrete Definition des Begriffs in Abgrenzung zur Markenführung zu erhalten, ist im Kontext dieser Arbeit folgende Modifikation von Eschs Definition notwendig: Branding umfasst den Prozess der Produktion der konkreten Umsetzungen und Inszenierungen, sowie die daraus resultierenden erfahrbaren Manifestationen aller Maßnahmen zum Aufbau einer Marke, die dazu geeignet sind, ein Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben und die eine eindeutige Zuordnung von Angeboten zu einer bestimmten Marke ermöglichen. Dementsprechend soll Branding 19 20 21 22 23 24
Vgl. Kapferer (2010), S. 31-49; vgl. Keller, Apéria, Georgson (2008), S. 10f., S. 30-40; vgl. Einweiler (2007), S. 113ff.; vgl. Haedrich, Tomczak, Kaetzke (2003), S. 16. Gotta (2004), S. 1162. dict.cc GmbH (2019). Esch (2014), S. 305. Langner (2003), S. 4ff. zit.n. Esch (2014), S. 305; Esch, Langner (2005), S. 577. Langner (2003), S. 4ff. zit.n. Esch (2014), S. 305; Esch, Langner (2005), S. 577.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
im weiteren Verlauf dieser Arbeit als ein Teilbereich der Markenführung, deren jeweils erlebbare Manifestation, verstanden werden. Während die Markenführung also einer Markenidentität beispielsweise das zunächst abstrakte Attribut Vertrauenswürdigkeit zuschreibt, setzt das Branding diese Eigenschaft als konkrete Realisation, zum Beispiel als Zeichen (eine Rüstung), über die Verpackungseigenschaften eines Produkts (nachhaltige Inhaltsstoffe) oder auch musikalische Mittel (bekannte und beliebte Melodien), um. Diese Unterscheidung zwischen Branding und Markenführung soll ebenfalls im auditiven Bereich des Marketings Anwendung finden, um die aktuelle Begriffsvielfalt sachlich einschätzen, die entsprechenden Begriffe deutlich voneinander abgrenzen und so den Fachbereich systematisch aufarbeiten zu können. Dabei lässt sich zunächst festhalten, dass die Terminologie aus der Markentechnik, mit entsprechenden Zusätzen versehen, scheinbar inhaltskongruent übernommen wurde. Aus dem allgemeinen Branding wird dementsprechend das Audio Branding, Sound Branding, Acoustic Branding oder auch Sonic Branding. Die Verwendung der meist aus der Akustik stammenden Begriffe unterliegt hier zunächst keinerlei Differenzierung und Definition – sie stehen für jeden physikalischen Klang, der durch den Wahrnehmungsapparat des Menschen erfahrbar wird. Aus der Markenführung wird folglich die akustische Markenführung, die auditive Markenführung oder auch die klangliche Markenführung. Obwohl sich für das Audio Branding häufig sehr weit gefasste Definitionen in der Fachliteratur finden lassen, die sowohl strategische Managementprozesse als auch die operative Umsetzung integrieren und damit synonym mit dem Begriff der akustischen Markenführung verwendet werden, ist eine Abgrenzung der beiden Termini im deutschen Sprachraum unerlässlich, um Begriffskonfusionen entgegen zu wirken. Demgegenüber steht der englischsprachige Raum, in dem sich ausschließlich der Begriff Audio Branding und dessen Synonyme Acoustic Branding, Sound Branding oder auch Sonic Branding als Begriffsklassen für alle Tätigkeiten im Rahmen der akustischen Markenführung konstituiert haben. Begriffe wie etwa Audio Brand Management oder auch Sound Brand Managament sucht man in der englischsprachigen Fachliteratur vergebens. In der ersten Monografie, die sich explizit dem Thema Sonic Branding widmet, bestimmt Jackson 2003 den Begriff folglich bereits sehr weit gefasst und ordnet ihm gleichermaßen strategische wie operative Inhalte zu.25 Ebenso weit gefasst, wenn auch auf rein musikalische Inhalte bezogen, ist Lusenskys Definition des Music Brandings: »it’s a way ›to increase brand equity and become more competitive by working strategically with music and artists.‹«26 Dementsprechend finden sich in der deutschen Fachliteratur eine Vielzahl gleichartig weitreichender Definitionen des Sound Brandings, die nicht geeignet sind, den Begriff von der akustischen Markenführung zu differenzieren. So erfreut sich beispielsweise die Begriffsbestimmung von Langeslag und Hirsch in einigen Publikationen großer Beliebtheit,27 nach der Audio Branding ein strukturierter Prozess ist »in dem ›das Auditive‹ Teil der Marke und ihrer Brand Identity wird:
25 26 27
Vgl. Jackson (2003), S. 9, S. 5-47. Lusensky (2010), S. 45. Vgl. Ringe (2012), S. 48; vgl. Roden (2009), S. 69.
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34
I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
•
•
die strukturierte Integration ›des Auditiven‹ in alle Maßnahmen, die getroffen werden, um für das Angebot Wiedererkennung, Differenzierung, Erinnerbarkeit und Bindung zu erzeugen, die Entwicklung und Integration aller hörbaren Elemente der Identifizierung und ihre Anwendung auf alle Arten der Kommunikation.«28
Weniger spezifisch, jedoch ebenso weit gefasst und demzufolge gleichermaßen ungeeignet, eine Begriffsdifferenzierung zwischen Audio Branding und akustischer Markenführung herzustellen, sind die Definitionen von Kastner: »Sonic Branding bezeichnet den Prozess der strategischen Planung und Kreation von kohärenten, einprägsamen und unverwechselbaren Klangereignissen für die Bezugsgruppe einer Marke«29 und Berg, nach dem »unter Sound Branding der operative sowie strategische Prozess zum Aufbau und zur Pflege einer auditiven Markenidentität, der in der Realisierung des Corporate Sound mündet, zu verstehen«30 ist. Bronner und Hirt unternehmen den Versuch, die Begrifflichkeiten zu unterscheiden. Für sie ist akustische Markenführung »[d]er Management-Prozess der akustischen Markenkommunikation. Die Hauptziele sind dabei Bekanntmachung, Differenzierung und Identifikation der Marke.«31 Audio Branding sei dagegen »[d]er Prozess des Markenaufbaus und der Markenpflege durch den Einsatz von akustischen Elementen (der Audio Branding-Elemente) im Rahmen der Markenkommunikation.«32 Obwohl diese Unterscheidung zunächst plausibel erscheint, ist sie hinsichtlich einer klaren Trennung der Begriffe doch zu ungenau. So könnte die akustische Markenführung nach dieser Definition ebenso ein Teil des Audio Brandings sein wie vice versa das Audio Branding als Teil der akustischen Markenführung verstanden werden könnte. Ist denn der Management-Prozess ein Teil des Prozesses des Markenaufbaus und der Markenpflege oder umgekehrt, der Prozess des Markenaufbaus und der Markenpflege ein Teil des Management-Prozesses? Auf Basis der oben eingeführten Begriffe aus der Markentechnik lässt sich diese Frage durch die analoge und erweiterte Verwendung ihrer Definitionen beantworten. Akustische Markenführung soll demnach, entsprechend der allgemeinen Definition der identitätsbasierten Markenführung nach Meffert und Burmann, im Folgenden als ein Managementprozess verstanden werden, der die Planung, Koordination und Kontrolle aller auditiven Maßnahmen zum Aufbau starker Marken bei allen relevanten Zielgruppen umfasst.33 Weiterhin soll Audio Branding (Acoustic Branding, Sonic Branding, Sound Branding etc.), gemäß der modifizierten Definition des Brandings nach Esch, den Prozess der Produktion der konkreten auditiven Umsetzungen und Inszenierungen umfassen, sowie die daraus resultierenden erfahrbaren Manifestationen aller akustischen Maßnahmen zum Aufbau einer Marke, die dazu geeignet sind, ein Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben und die eine eindeutige 28 29 30 31 32 33
Langeslag, Hirsch (2004), S. 236f. Kastner (2008), S. 4. Berg (2012), S. 43. Bronner, Hirt (2007b), S. 11. Bronner, Hirt (2007b), S. 11. Vgl. Meffert, Burmann (2005), S. 32.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Zuordnung von Angeboten zu einer bestimmten Marke ermöglichen.34 Somit ist das Audio Branding ein Teilbereich der akustischen Markenführung und wird von dieser koordiniert. Infolge ihres ausschließlichen Klangbezuges integrieren beide Begrifflichkeiten einerseits Inhalte, die in der vorliegenden Arbeit keine Relevanz besitzen, beispielsweise das gezielte akustische Produktdesign, die Verwertung musikalischer Inhalte, die nicht den populären Musikformen zugeordnet werden können oder referenzielle klangliche Objekte in der Onlinekommunikation, und schließen andererseits die vielfältigen marketingbezogenen Tätigkeiten werbetreibender Marken in den populären Musikkulturen aus, in denen keine klanglichen Gestaltformen verwertet werden, etwa außermusikalische Künstlerkooperationen oder die Etablierung institutioneller Einrichtungen innerhalb der populären Musikkulturen. Demgemäß ist der Stellenwert dieser kategorialen Bezeichnungen im Folgenden begrenzt – diese Forschungsarbeit untersucht die auf populäre Musikkultur bezogene Markenführung respektive das Popular Music Culture Branding, wenngleich diese Termini in der Praxis keine Anwendung finden. Aus der klassischen Marketingperspektive verstehe man unter dem Begriff Kommunikation »das Senden von verschlüsselten Informationen, um beim Empfänger eine Wirkung zu erzielen.«35 Eine solche One-to-many-Definition des Kommunikationsbegriffs ist in Zeiten des mobilen Internets und komplexer Netzwerke kaum noch ausreichend, die unternehmensseitigen Bemühungen zur Interaktion mit den Kunden abzubilden. Eine Erweiterung der Begriffsbestimmung muss folglich »dialog- und interaktionsorientierte Kommunikationsangebote«36 enthalten. Dementsprechend soll Markenkommunikation im Folgenden als »das Senden von verschlüsselten Informationen, um beim Empfänger eine markenrelevante Wirkung zu erzielen sowie dialog- und interaktionsorientierte Angebote im Sinne der Markenziele« verstanden werden. Aus der Unternehmensperspektive beschreibt Kommunikationspolitik »die systematische Planung, Ausgestaltung, Abstimmung und Kontrolle aller Kommunikationsmaßnahmen des Unternehmens im Hinblick auf alle relevanten Zielgruppen, um die Kommunikationsziele […] zu erreichen.«37 Der allgemein hohe Stellenwert von Marken und Markenführung ergebe sich aus ihren »Funktionen für den Nachfrager und andere Bezugsgruppen«38 sowie ihrem Wert aus der Anbieterperspektive.39 Aus der Konsumentenperspektive seien es ihre Orientierungs- und Informationsfunktion, ihre symbolische Funktion sowie ihre Vertrauensfunktion, die dabei die höchste Relevanz besäßen.40 Durch die Erhöhung der Markttransparenz und folglich erleichterte Identifikation von Produkten, die Aktivierung von Markenwissen, die Vereinfachung von Kaufentscheidungen durch eine Komplexitätsreduktion mittels komprimierter Information und in der Summe die Verringerung der Such- und Informationskosten eines Produktes, würden Marken 34 35 36 37 38 39 40
Vgl. Langner (2003), S. 4ff. zit.n. Esch (2014), S. 305; vgl. Esch, Langner (2005), S. 577. Meffert, Burmann, Kirchgeorg (2012), S. 606. Bruhn (2014), S. 1. Meffert, Burmann, Kirchgeorg (2012), S. 606. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 2. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12ff. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 10ff.
35
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
dementsprechend eine Orientierungs- und Informationsfunktion übernehmen.41 Weiterhin könne eine Marke »als Signal für eine bestimmte Leistungsqualität aufgefasst werden und trägt so zu einer Minderung des subjektiv empfundenen Risikos bei.«42 Sie könne, durch die Abgabe eines Qualitätsversprechens, den Nachweis von Sicherheit bieten und aufgrund ihrer Bekanntheit, ihrer Kompetenz und ihrer Identität Vertrauen erwecken.43 Die symbolische Funktion von Marken manifestiere sich auf verschiedenen Ebenen. So sei die Marke, in einem konkreten sozialen Umfeld, fähig eine Prestigefunktion für den Nachfrager zu übernehmen und damit ein Mittel der Kommunikation der eigenen Persönlichkeit gegenüber anderen Menschen zu werden.44 »Neben dieser Identitätsvermittlung können Marken identitätsstiftende Wirkung entfalten, indem der Nachfrager Attribute der Marke auf sich selbst überträgt und damit sein Eigenbild definiert. Neben der reinen Selbstverwirklichung kann hierdurch soziale Gruppenzugehörigkeit zum Ausdruck gebracht werden. […] In diesem Zusammenhang wird der Marke als Mythos in jüngster Zeit gar eine ›Religionsfunktion‹ oder, etwas abgeschwächt, eine sinnstiftende Wirkung zugeschrieben.«45 So stehe die Marke in allen diesen Fällen »symbolhaft für wichtige Motivatoren des Verhaltens der Nachfrager.«46 Marken ersetzten »zunehmend andere kulturelle Werte: Das Vertrauen in starke Marken ist oft größer als das in die Kirche.«47 Esch belegt diese Aussage mit einer Studie des Henley Centre, die er nach Pringle und Gordon (2002) zitiert.48 Mit einem prozentualen Vertrauenswert von 64 % (vermutlich besagt dieser Wert, das 64 % der Menschen die Kirche als vertrauenswürdig einschätzen) liege die Kirche in einer Vertrauensbewertung auf dem siebten Platz hinter dem Hausarzt (85 %), Kellogg’s (84 %), Cadbury (83 %), Heinz (81 %), der Hausbank (72 %) und Coca-Cola (65 %).49 Mutmaßlich bezieht sich die Studie auf Großbritannien und wurde 1998 durchgeführt. Obwohl Pringle und Gordon The Henley Centre, Planning for Social Change 1998 als Quelle angeben, gibt es in ihrer Publikation kein Literaturverzeichnis, das dieselbe ausführlich und nachvollziehbar ausweisen würde – sie ist nicht öffentlich verfügbar.50 Die irrationalen Wirkkräfte von Marken, die etwa zu ihrer präferenzgebenden Funktion führen könnten, benennt Esch als »eine besondere emotionale Schubkraft.«51 Vergleiche der Ergebnisse von Blindtests von Produkten mit den Ergebnissen von Tests mit Darbietung des jeweiligen Markenlabels würden zeigen: »Selten stimmen die Ergebnisse überein, meist wird das Produkt einer bekannten und beliebten Marke wesentlich besser in einem Test mit Markenname eingeschätzt als bei entsprechender Blinddarbietung.«52 Kroeber-Riel und Gröppel-Klein bezeichnen diesen Qualitäts-
41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 10ff. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 10ff. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12. Esch (2014), S. 8. Vgl. Esch (2014), S. 9. Vgl. Pringle, Gordon (2002), S. 147. Vgl. Pringle, Gordon (2002), S. 147. Esch (2014), S. 9. Esch (2014), S. 9.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
transfer als Halo-Effekt: »Ist ein Urteil über die Gesamtqualität [die Marke, A. S.] gebildet worden, so beeinflusst dieses wiederum die Wahrnehmung von einzelnen Eigenschaften [bspw. Produkteigenschaften, A. S.].«53 Dieser Effekt sei zudem »in allen Bereichen menschlicher Urteilsfindung zu beobachten: Das gleiche Lächeln eines Mannes wird bei negativer Einstellung zu diesem Mann als ›gemein‹ oder ›ironisch‹, bei positiver Einstellung als ›gewinnbringend‹ oder ›freundlich‹ wahrgenommen.«54 Der Wert oder Nutzen der Marke aus Anbietersicht ergebe sich aus diesen Funktionen der Abnehmerperspektive.55 So solle die Marke »durch ihre absatzfördernde Wirkung vor allem zu einer Steigerung des ökonomischen Markenwerts führen.«56 Mittels eines professionellen Markenmanagements könnten Präferenzen für das eigene Angebot geschaffen und dieses gleichzeitig von konkurrierenden Inhalten differenziert werden (in diesem Kontext würde auch von Profilierung gesprochen).57 Aufgrund ihrer Zufriedenheit und gefühlsmäßigen Verbundenheit sollten im Laufe der Zeit immer mehr Nachfrager die Marke wiederkaufen und weiterempfehlen – wodurch eine hohe Kundenbindung erreicht werden könne.58 Diese Risikoreduktion führe zu »niedrigeren Zinssätzen bei der Diskontierung zukünftiger Einzahlungsüberschüsse und damit zu einer Unternehmenswertsteigerung.«59 Außerdem würde dadurch die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert und die Fremdkapitalkosten würden gesenkt werden.60 Gleichzeitig vereinfache die Markenpolitik eine differenzierte Bearbeitung mehrerer Marktsegmente (mittels verschiedener zielgruppenspezifischer Marken können einzelne Marktsektoren optimal bedient werden) und eröffne langfristig attraktive Wachstumspotentiale durch Markenexpansionsstrategien.61 Erleichtert würde die Erschließung geografisch neuer Absatzregionen durch starke Marken – die gleichzeitig die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Einführung neuer Angebote erhöhen würden.62 Weiterhin solle die Marke dem Unternehmen einen preispolitischen Spielraum verschaffen – je besser es gelinge, eine Marke im Vergleich zur Konkurrenz als etwas Einzigartiges zu etablieren, desto größer sei dieser Spielraum.63 Die hohe generelle Bedeutung von Marken lässt sich zudem an ihrer ökonomischen Wertfindung ablesen. Nach der Berechnung von Interbrand war die Firma Apple als Unternehmensmarke, mit einem Markenwert von 118,86 Milliarden US-Dollar, im Jahr 2014 die wertvollste Marke der Welt.64 Den zweiten Platz in diesem Ranking belegt Google, mit einem Markenwert von 107,44 Milliarden, gefolgt von Coca-Cola, mit 81,56 Milliarden US-Dollar Markenwert.65 Für die Berechnung des Markenwertes gibt es eine
53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 403. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 403. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 12. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 13. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 13. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 13. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 15. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 15. Vgl. Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 15. Vgl. Interbrand (2014). Vgl. Interbrand (2014).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Vielzahl verschiedener Methoden und Algorithmen, die hier nicht im Detail vorgestellt werden sollen. Im Kontext dieser Arbeit ist einzig relevant, dass es sich dabei um einen abstrakten Vermögenswert handelt, der sich nicht rein auf Basis der materiellen Kennzahlen eines Unternehmens kalkulieren lässt. Marken sind dementsprechend »als mit Abstand wichtigste immaterielle Vermögenswerte immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses von Wissenschaft und Praxis gerückt«.66 Diese zentralen Funktionen und Wertpotentiale einer Marke lassen sich inhaltlich weitestgehend analog in einem Großteil der aktuellen Fachpublikationen zum Marketing und zur Markenführung wiederfinden und bilden das Fundament ihres grundlegenden Stellenwerts für Konsumenten und Unternehmen.67 So stehe die Marke »im Mittelpunkt des Interesses von Marketingpraktikern und -wissenschaftlern.«68 Sie sei als Thema »mega-in und gilt heute als der Erfolgsfaktor schlechthin.«69 »Die Führung von Marken ist bereits seit vielen Jahren ein Schlüsselthema der Unternehmensführung.«70 Dies spiegelt sich unmittelbar in den Gesamteinkünften der Medien aus Werbung wider, die bereits 2008 weltweit ein Volumen zwischen 419 Milliarden US-Dollar, berechnet mit dem vergleichsweise starken mittleren Dollarkurs von 2012, und etwa 455 Milliarden US-Dollar, berechnet mit dem eher schwachen mittleren Dollarkurs von 2009, besaßen.71 Im Jahr 2015 lagen die globalen Werbeeinnahmen der Medien zwischen rund 470 Milliarden US-Dollar72 und annähernd 513 Milliarden US-Dollar.73 Obwohl die Messung der weltweiten Medieneinnahmen aus Werbung ein guter Indikator für die Entwicklung der Werbebranche ist, lässt sie keine direkten Rückschlüsse auf die tatsächlich getätigten Gesamtausgaben der Unternehmen für die Markenkommunikation zu. Neben mutmaßlich geringen Aufwendungen für Werbemaßnahmen, die, wie etwa physische Werbegeschenke, außerhalb der Medienindustrie stattfinden, fehlen in diesen Statistiken die Kosten zur Entwicklung und Herstellung von Werbemitteln, die den Anteil für musikalische Inhalte umfassen und in der Regel über Werbeagenturen abgerechnet werden. Ausgehend von der herkömmlichen Agenturvergütung in Höhe von 15 % der Kosten für die Platzierung des Werbemittels in den entsprechenden Medien,74 hätten diese Ausgaben 2008 folgerichtig zwischen 63 und 68 Milliarden US-Dollar betragen. Die gängige Praxis, die weltweiten Einnahmen der Medienunternehmen aus Werbemitteln mit den weltweiten Werbeausgaben gleichzusetzen,75 weist auf eine allgemeine Unschärfe der Fachterminologie im Marketing hin und ist zugleich ein Indiz
66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
Burmann, Meffert, Koers (2005), S. 15. Vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012); vgl. Esch (2014); vgl. Gaiser (2005); vgl. Bruhn (2004). Esch (2014), S. 4. Gaiser (2005), S. 7. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 1. Vgl. McKinsey & Company (2013), S. 8; vgl. Ofcom (2010), S. 3, S. 23; vgl. Deutsche Bundesbank (2017); vgl. Bank Of England (2017). Vgl. Ofcom (2016), S. 28, Umrechnung in US-Dollar gemäß Referenzkurs der Bank of England: vgl. Bank Of England (2017). Vgl. Magna Global (2015); S. 10. Vgl. Kmiec (2014). Vgl. Knöpfli (2016); vgl. McKinsey & Company (2013), S. 8; vgl. Ofcom (2010), S. 25; vgl. Handelsblatt (2007).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
für eine teilweise höchst fragwürdige akademische Auseinandersetzung mit dieser Disziplin, die anhand des folgenden Beispiels exemplarisch veranschaulicht werden soll. In einer Publikation aus dem Jahr 2009 erwarteten Riesenbeck und Perrey weltweite Werbeausgaben (»global advertising spending«) von etwa 480 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2008.76 Dabei lieferten die Autoren weder eine Definition der Bezeichnung »global advertising spending« – aufgrund der branchenüblichen Verwendung dieses Begriffes handelt sich dabei mutmaßlich um die weltweiten Werbeeinnahmen der Medien – noch Belege hinsichtlich der Validität der von ihnen veröffentlichten Zahl. Dessen ungeachtet verweisen Burmann, Halaszovich und Hemmann in einem Fachbuch von 2012 auf ebendiese Aussage und vertausendfachen im Zuge dessen den Betrag zu 480 Billionen US-Dollar.77 In ihrem indirekten Zitat wird aus den weltweiten Werbeausgaben »[d]as klassische Werbebudget für die Markenkommunikation«.78 Die so bezeichneten Finanzmittel beinhalten per Definition die Gesamtheit aller Geldmittel, die innerhalb einer Planungsperiode zum Zweck der Werbung eingesetzt werden und damit neben dem Etat für die mediale Platzierung der Werbebotschaften vor allem auch das Kapital zur kreativen Schöpfung und Herstellung derselben.79 Ausgehend von einem ohne Nachweise präsentierten Betrag hinsichtlich des nicht näher spezifizierten »global advertising spending« reichen die, aus wissenschaftlicher Perspektive, irritierenden Defizite dieses Beispiels über ein Falschzitat und die Neuinterpretation der Botschaft bis hin zur gänzlichen Abwesenheit einer sachlichen Reflexion der Inhalte. Ob die spezifischen Ursachen für einen derartig unzureichenden Umgang mit Begrifflichkeiten und Inhalten beispielsweise in fehlenden wissenschaftliche Standards oder etwa reiner Unachtsamkeit zu suchen sind, ist im Hinblick auf dessen Wirkung irrelevant: Er erzeugt ein außerordentlich diffuses und häufig widersprüchliches Bild des globalen Werbegeschäftes. Auf der Grundlage dieses Markenverständnisses können folglich grundsätzlich alle Objekte, Personen, Handlungen und abstrakten Gestalten Markenstatus erlangen, solange sie die oben genannten Eigenschaften in sich tragen. Neben Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen werden im kontemporären Diskurs dementsprechend gleichermaßen Ideen, Städte, Organisationen, Vereine, politische Parteien wie auch populäre Musikstücke und Popstars als Marken besprochen. Da letztere in hohem Maße fähig sind, alle Eigenschaften von Marken in sich zu vereinen, sind sie geradezu prädestiniert entsprechende Funktionen auszufüllen. So nehmen sie, aus Konsumentensicht, neben einer Identifikations-, Differenzierungs- und Vertrauensfunktion insbesondere eine symbolische Funktion ein.
1.2
Entwicklungsprozesse und Trends zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Die seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert fortschreitende und alle Lebensbereiche durchdringende globale Digitalisierung hat auch in der Werbeindustrie zu weitreichen76 77 78 79
Riesenbeck, Perrey (2009), S. XII. Vgl. Riesenbeck, Perrey (2009), S. XII; vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 1. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 1. Vgl. Wirtschaftslexikon24.com (2017); vgl. Esch (2010).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
den Umwälzungsprozessen geführt. Im Kontext dieser Arbeit sind es dabei aus der Markenführungsperspektive vor allem zwei zentrale Trends, die zu einer wachsenden und immer enger werdenden Verflechtung von populärer Musikkultur und Markenmanagement führen: Individualisierung und Emotionalisierung. »Ein Marketing, das zukunftsfähig sein möchte, muss sich den Paradoxien und Überkomplexitäten des modernen Lebens aussetzen. Nur so ist es in der Lage, den Wandel zu gestalten und trendorientierte Kommunikation zu betreiben. Das Faktum der gesellschaftlichen Individualisierung ist hierbei der Dreh- und Angelpunkt.«80 Dziemba und Wenzel entwerfen in ihrer Publikation von 2009 ein neuartiges und individualistisch geprägtes Bild von Zielgruppen. So würden Alter, Einkommen, Bildung, Geschlecht und soziale Prägung an Bedeutung verlieren, während die persönliche Ausgestaltung der Lebensphasen und die spezifische Situation wichtiger für die Zielgruppenbestimmung würden.81 Der Begriff Individualisierung beschreibt also einerseits, als soziokulturelles Phänomen, die gesellschaftliche Ausrichtung hin zu Selbstbestimmung und -verwirklichung, beginnend mit der forcierten Pluralisierung der Lebensstile und Lebensentwürfe in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts und resultierend in einer Vielzahl verschiedener Identitätsentwürfe und Beziehungskonzepte.82 Die kritische Auseinandersetzung mit bekannten Wertesystemen und Institutionen, aber auch mit Unternehmen und Marken, potenziert durch die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung via Onlinemedien, kann so zu einem Verlust von Vormachtstellungen führen. Andererseits kennzeichnet der Begriff die Reaktion von Unternehmen, Marken und Werbeindustrie auf diese Änderung der Beschaffenheit ihrer Zielgruppen. Marken, Produkte und Werbemaßnahmen werden in zunehmendem Maße ebenfalls individualisiert, um so den neuen Anforderungen der Konsumenten gerecht zu werden. Dabei reicht das Spektrum der Individualisierung von der spezifischen Markenidentität, festgelegt durch Markenwerte, -emotionen, -elemente etc. und verankert in Brand-Manuals, über personalisierte Produkte, etwa die Gravur des Namens im iPhone oder die persönliche Farbkombination bei Turnschuhen, die aktive Integration von Konsumenten in markenkommunikativen Maßnahmen, hin zu zielgereichtet konsumentenselektiv platzierten Werbebotschaften in Onlinekanälen. »Die Individualisierung des Kaufverhaltens mit der Nachfrage nach individuellen Produkten bis hin zu Unikaten geht einher mit einer verstärkten Emotionalisierung der Konsumerlebnisse, die die marketingpolitischen Maßnahmen der Markenhersteller maßgeblich beeinflussen.«83 In diesem Kontext hält Jakob Lusensky es für fundamental, den klassischen Marketing-Mix, bestehend aus den vier P (Product, Price, Placement, Promotion), hin zu einem zeitgemäßen System der vier E (Emotion, Experience, Engagement, Exclusivity) zu verändern.84 Weiterhin sei die einzigartige Mischung dieser vier E [Emotion, Erfahrung bzw. Erlebnis, Teilnahme bzw. Teilhabe, Exklusivität, A. S.] dem Music Branding immanent, was es zu einem so leistungsstarken Marketing-Tool
80 81 82 83 84
Dziemba, Wenzel (2009), S. 14. Dziemba, Wenzel (2009), S. 15. Dziemba, Wenzel (2009), S. 17. Bruhn (2004), S. 24. Vgl. Lusensky (2011), S. 7f.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
mache.85 »Communicating with music is really communicating through emotions. Music engages people in conversation and creates memorable experiences. By doing so, music can help companies build an exclusive position in the audience’s mind.«86 Um in einem stetig unbeständigen Werbemarkt zu bestehen, müssten Kunden zu Fans einer Marke werden, so die These Lusenskys.87 Neben der erhöhten Komplexität und Geschwindigkeit des Lebens im 21. Jahrhundert sowie des zunehmend aufgeklärten und kritischen Umgangs von Individuen mit Marken und Werbemaßnahmen sind es vor allem drei Faktoren, auf denen der Trend zur Individualisierung und Emotionalisierung in der Werbeindustrie basiert: Die wachsende Vielzahl von Marken und Produkten und deren konvergierende Homogenität (der gesättigte Markt) sowie die Überflutung der Konsumenten mit Werbeinhalten auf allen Kanälen. Die Anzahl von Anmeldungen nationaler Marken beim Deutschen Patentund Markenamt befindet sich seit 2005 stetig in der oberen Hälfte fünfstelliger Beträge.88 2013 wurden 60 161 neue nationale Marken angemeldet (bei 690 Löschungsanträgen)89 und insgesamt mehr als 780 000 eingetragene (nationale) Marken festgestellt90 . Hinzu kommt eine immense und steigende Anzahl neuer Wettbewerber durch die zunehmende Internationalisierung und »eine Verschiebung der Grenzen […] durch neue Informations- und Kommunikationstechniken wie das Internet.«91 Weitere Gründe für die wachsende Produkt- und Markenvielfalt seien: »Die zunehmende Marktsegmentierung. Diese Anpassung von Angeboten an die zunehmend heterogenen Bedürfnisse von Konsumenten führt zur Explosion der Zahl der Produktvarianten und der Marken. […] Die drastische Verkürzung der Produktlebenszyklen und damit verbundene schnelle Veralterung der Produkte. Wildemann (1991) spricht von einer Verkürzung der Produktlebenszyklen um 60 bis 80 % in den 80er Jahren. Die Entwicklungszeit eines Handys dauert etwa 15 Monate, sein Produktlebenszyklus hingegen nur ein halbes Jahr. […] Die Produktlebenszyklen verkürzen sich dabei auch in anderen Branchen weiterhin. In den letzten 15 Jahren ist eine weitere Verkürzung über alle Branchen hinweg von 24 Prozent festzustellen. Im Konsumgüterbereich beläuft sich die Reduktion sogar auf 50 Prozent. […] Der Zwang zur Entwicklung neuer Produkte und Produktvarianten, da diese zur Sicherung des Unternehmenserhalts eine Schlüsselrolle spielen. In Deutschland waren es innerhalb von zwei Jahren fast 100 000 Produktinnovationen. Im Durchschnitt gelangen demnach 600 neue Produkte innerhalb einer Woche auf den Markt.«92 Bruhn spricht in diesem Zusammenhang von einer »kaum noch überschaubare[n] ›Markeninflationierung‹«,93 deren Ursachen in unzähligen Nachahmungen und Reproduktionen von Marken im Konsumgüterbereich, der Ausweitung von Markentechniken auf
85 86 87 88 89 90 91 92 93
Vgl. Lusensky (2011), S. 8. Lusensky (2011), S. 8. Vgl. Lusensky (2011), S. 8. Vgl. DPMA (2013a); vgl. DPMA (2006). Vgl. DPMA (2013a). Vgl. DPMA (2013b). Esch (2014), S. 25. Esch (2014), S. 25ff. Bruhn (2004), S. 23.
41
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
den Dienstleistungs- und Investitionsgüterbereich und im Vordringen internationaler Marken auf nationale Märkte liegen würden.94 Die Ursachen für die konvergierende Homogenität von Marken und Produkten detektiert Esch einerseits in der »technologischen Angleichung der Produkte« andererseits in der »Austauschbarkeit kommunikativer Auftritte unterschiedlicher Marken.«95 So wären beispielsweise bereits 1993 und 1994 von 102 Tests der Stiftung Warentest 85 % aller geprüften Produkte einheitlich mit gut bewertet worden und diese zunehmende Produktkonformität spiegele sich in aktuellen Testergebnissen aller Konsumbereiche wider.96 In der Brand Parity Studie 2009 von BBDO Consulting wurde die wahrgenommene Markengleichheit aus Sicht der Konsumenten in Deutschland (ab 14 Jahren) für 29 Branchen/Produktkategorien mit einer Stichprobengröße von N=1034 abgefragt. Im Durchschnitt nahmen 64 % der Konsumenten Marken und Dienstleistungen innerhalb der verschiedenen Kategorien als austauschbar wahr.97 Diese Angleichung der technisch-objektiven Produktqualitäten sei die Folge einer zunehmenden Standardisierung durch Modularisierung von Produktkonzepten, des Outsourcings (der Nutzung identischer Lieferanten und Einbauteile durch direkte Wettbewerber) und einer immer schnelleren Verbreitung neuen technologischen Know-hows durch die wachsende internationale Verflechtung und Globalisierung des Wettbewerbs.98 »Die zunehmende Qualitätsangleichung und Substituierbarkeit der Angebote erstrecken sich nicht nur auf Konsumgüter, sondern auch auf Dienstleistungen und Investitionsgüter.«99 Hinsichtlich des inflationären Gebrauchs kommunikativer Maßnahmen, lässt sich zunächst ein deutlicher Zuwachs des Bruttowerbevolumens in Deutschland beobachten. Lagen die Investitionen in Werbung 1991 bei 22,3 Mrd. Euro, so stiegen sie bis 2012 auf 29,74 Mrd. Euro an.100 Erwartungsgemäß lässt sich dieses Wachstum gleichermaßen an der gestiegenen Anzahl von Werbebotschaften ablesen. »Auch die Zahl der TVSpots hat sich stark erhöht: Wurden im Jahr 1991 ›nur‹ 404.924 Werbespots gezeigt, so waren es im Jahr 2012 bereits 3,5 Mio. Werbespots (ZAW, 2013, S. 333). Konnte man 1992 bereits 11 Stunden täglich Werbefernsehen schauen, so waren es 2012 beachtliche 75,7 Stunden pro Tag.«101 Hinzu komme eine Inflation der Medien selbst (TV-Programme, Hörfunkprogramme, Tageszeitungen, Magazine usw.), die durch das allgegenwärtige Internet noch potenziert würde.102 In einer aus dem Jahr 2001 stammenden Untersuchung zur audiovisuellen Industrie Europas wurden für das Jahr 2000 insgesamt etwa 1 731 europäische Fernsehsender ermittelt.103 Ende 2015 befanden sich bereits mehr als 11 000 TV-Kanäle in der MAVISE-Datenbank des durch die Europäische Kommission finanzierten European Audiovisual Observatory.104 Angetrieben vor allem durch 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104
Vgl. Bruhn (2004), S. 23. Esch (2014), S. 35. Vgl. Esch (2014), S. 33. Vgl. BBDO Consulting (2009). Vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 26. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 26. Vgl. Esch (2014), S. 27. Esch (2014), S. 27. Vgl. Esch (2014), S. 27f. Vgl. Debande, Chetrit (2001), S. 58. Vgl. Cabrera Blázquez et al. (2016), S. 9.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
die zunehmende Etablierung von Video-on-Demand-Diensten, wie etwa Netflix, Amazon Prime Video oder HBO Go, wurden in den USA 2015 etwa 421 fiktionale TV-Serien ausgestrahlt – im Jahr 2002 seien es ungefähr 182 derartige Produktionen gewesen.105 Dieses Wachstum sei auf den harten Wettbewerb im TV-Markt zurückzuführen, in dem sich Anbieter durch die Produktion exklusiver Originalserien behaupten könnten.106 Lag die Onlinewerbung in Deutschland 2006 mit 1 909 Mio. Euro Bruttowerbevolumen und damit einem Anteil von 8,7 % am Gesamtwerbemarkt noch auf dem vierten Rang der Werbeträger (hinter TV, Zeitung und Publikumszeitschriften),107 so konnte der Onlinewerbemarkt 2012 mit 6 470 Mio. Euro Bruttowerbevolumen und einem Anteil von circa 22 % am Gesamtwerbemarkt den zweiten Platz hinter TV (mit etwa 38 % Marktanteil) belegen.108 Magna Global zufolge betrugen die weltweiten Einkünfte der Onlinemedienunternehmen aus der Platzierung von Werbung im Jahr 2015 mit einem Volumen von rund 159 Milliarden US-Dollar bereits annähernd 31 % des gesamten Bruttowerbevolumens und nähern sich damit weiter den Ausgaben für Werbeplätze im Fernsehen an.109 Diese hätten ungefähr 38,6 % der globalen Ausgaben der Unternehmen zur Platzierung von Werbebotschaften ausgemacht.110 Bei derartigen Wachstumsraten ist die Allgegenwärtigkeit kommunikativer Maßnahmen in Onlinemedien unmittelbar nachzuvollziehen. Und die Prognosen für den Internet-Werbemarkt gehen weiter steil nach oben. Durch die noch relativ junge Erweiterung des Marktes auf den mobilen Sektor, der 2015 weltweit mit Werbeeinkünften von annähernd 50 Milliarden US-Dollar schon einen Marktanteil von fast 10 % belege,111 sind die Aussichten für ein weiteres Wachstum besser denn je. Die steigende Anzahl kommunikativer Maßnahmen in einer ebenfalls wachsenden Quantität medialer Formate führt zunehmend zu einer Informationsüberlastung der Rezipienten. So hat das Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes bereits 1987 eine medienübergreifende (Rundfunk, Fernsehen, Zeitschriften und Zeitungen) durchschnittliche Informationsüberlastung von 98 % errechnet.112 Dementsprechend wurden schon damals nur 2 % aller Informationen aus Medien überhaupt wahrgenommen – eine Zahl, die durch oben genannte Entwicklungen vermutlich weiter gesunken ist. Die kognitiven Kapazitäten der Menschen seien durch die allgegenwärtige mediale Präsenz demnach längst überschritten, was zu einer zunehmenden Überforderung und Desorientierung im Konsumbereich führe.113 Die Zahl der auf die Konsumenten einströmenden Impulse führe zu einer Überlastung und aufgrund dessen zu negativen Reaktionen.114 Daraus wiederum resultiere eine Verwirrung der Verbraucher durch die Angebote der Unternehmen, die auf diese einströmten – die 105 106 107 108
Vgl. Ryan (2016). Vgl. Cabrera Blázquez et al. (2016), S. 10. Vgl. Online-Vermarkterkreis im BVDW (2007), S. 5ff. Vgl. Online-Vermarkterkreis im BVDW (2013), S. 7; vgl. Online-Vermarkterkreis im BVDW (2012), S. 9. 109 Vgl. Magna Global (2015); S. 10. 110 Vgl. Magna Global (2015); S. 10. 111 Vgl. Magna Global (2015); S. 10. 112 Vgl. Esch 2014, S. 29. 113 Vgl. Esch 2014, S. 30. 114 Vgl. Esch 2014, S. 30.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
so genannte Consumer Confusion.115 Gehe diese Verwirrung von Marken aus, beispielsweise durch austauschbare Auftritte und kommunikative Maßnahmen oder die häufige Veränderung des Markenbildes, spreche man von einer Brand Confusion, die ihrerseits eine Orientierung der Kunden im Markenbereich erschwere.116 Hinzu komme »die sich insbesondere auf elektronische Medien beziehende Verweigerungshaltung bzw. Werbereaktanz«,117 die sich etwa als so genannte Banner-Blindness, das unmittelbare Ausblenden von Internet-Werbebannern aus dem Wahrnehmungsfeld, äußert, oder in spezifisch hergestellten Onlinetools, wie Pop-Up-Blockern, Anwendung findet. Letztere sind lernende Applikationen, die verhindern sollen, dass Onlinewerbebotschaften in sich automatisch öffnenden Fenstern bei Klick auf einen bestimmten Link oder Inhalt einer Webseite aktiviert werden. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein sprechen in diesem Kontext davon, dass Konsumenten bei hoher Informationsmenge darauf angewiesen seien, »der Informationsflut auszuweichen, sich abzuschotten, oder die Informationen sehr selektiv, vor allem in einer verdichteten Form aufzunehmen.«118 Hinsichtlich des Konsumverhaltens der Menschen und, damit verbunden, des Einzelhandels lassen sich ebenfalls deutliche Veränderungen feststellen, die vor allem auf die fortschreitende Digitalisierung zurückzuführen sind. So haben der allgegenwärtige Zugang zu Produkt- Preis- und Nutzerinformationen via Internet sowie die rapide Verbreitung von Onlineshops das Einkaufsverhalten der Abnehmer dramatisch verändert und damit dem stationären Einzelhandel einen Handlungszwang auferlegt. Lag der Umsatz des Onlineeinzelhandels in Deutschland 2005 bei 14,5 Milliarden Euro, so hat er sich bis 2013 mit 33,1 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.119 Damit besaß der Onlinehandel 2013 einen Anteil von 8,4 % (inkl. Gütern des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Lebensmitteln oder Drogeriewaren), respektive 14,9 % (exklusive Gütern des alltäglichen Bedarfs), am Gesamtvolumen des deutschen Einzelhandels.120 Laut einer Umfrage des Instituts für Handelsforschung aus Köln beklagen sich aktuell etwa drei Viertel der stationären Einzelhändler über sinkende Besucherzahlen.121 Folgerichtig ist die Anzahl der steuerpflichtigen Unternehmen im Einzelhandel bereits seit 2005 rückläufig und im Zeitraum bis 2010 um 9 % auf 375 577 gesunken (inkl. der Onlinehändler, exklusive des Handels mit Kraftfahrzeugen).122 Das gleichzeitige Umsatzwachstum der Einzelhändler, im selben Zeitraum etwa 15 %, sei im Wesentlichen auf Preissteigerungen zurückzuführen.123 Darüber hinaus trägt das oben genannte Wachstum des Onlinesegments maßgeblich zum Umsatzzuwachs bei. Der Handelsverband Deutschland warnt in seinem Geschäftsbericht 2014, dass ohne entsprechende Maßnahmen bis 2020 »rund 50.000 Standorte vom Markt verschwinden« könnten.124 2012 gab es 461 310 ört-
115 116 117 118 119 120 121 122 123 124
Vgl. Esch 2014, S. 30. Vgl. Esch 2014, S. 30. Bruhn (2004), S. 24. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 655. Vgl. HDE (2014), S. 10. Vgl. IFH (2014), S. 20. Vgl. HDE (2014), S. 11. Vgl. Nitt-Drießelmann (2013), S. 14. Vgl. Nitt-Drießelmann (2013), S. 14f. HDE (2014), S. 10.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
liche Einheiten des Einzelhandels (ohne den Handel mit Kraftfahrzeugen).125 Folglich würde der Rückgang um 50 000 Standorte bis 2020 einem Schrumpfungsprozess von etwa 10,84 % entsprechen. Auch das IFH sieht, in drei von vier vorgestellten Szenarien für 2020, den stationären Handel mit dramatischen Umsatzeinbußen konfrontiert.126 Hinzu kämen Konzentrationsprozesse, die zunehmend zur Entstehung von Handelsriesen führen.127 So generierten 2010 etwa 1 % aller Einzelhandelsunternehmen rund 63 % der gesamten Umsätze – demgegenüber standen ungefähr 40 % der Unternehmer (mit einem Umsatz unter 100 000 Euro), deren Anteil am Gesamtumsatz nur etwa 1,5 % ausmachte.128 Trotz der rückläufigen Anzahl von Einzelhandelsunternehmen ist die Größe der gesamten Verkaufsfläche in Deutschland weiter gewachsen. Einen entscheidenden Anteil am Flächenzuwachs zwischen 2005 und 2010 hatte dabei das Wachstum von Einkaufszentren, sodass sich 2010 mehr als ein Zehntel der gesamten Verkaufsflächen des Einzelhandels in Malls befanden.129 Rapide steigende Mieten für Ladenlokale in guten Einkaufslagen, steigend mit der Größe der Städte, würde es Händlern mit einem Umsatz unter 100 000 Euro in Zukunft weiter erschweren, in Konkurrenz zu Filial- und Franchiseunternehmen oder Shopping-Malls zu treten.130 Da sich zudem die Verbraucherpreise fest in der Hand von Discountern befänden, ließe sich über die Preispolitik kaum noch eine Profilierung der stationären Einzelhändler erreichen.131 Esch stellt weiterhin fest, dass die meisten Einkaufsstätten von Konsumenten als austauschbar wahrgenommen würden, »weil sie sich weder in Bezug auf die Ladengestaltung noch auf den Service oder auf andere Marketinginstrumente, mit denen der Konsument in Berührung kommt, unterscheiden.«132 Die Konsequenzen oben genannter Entwicklungen auf Unternehmen, die Werbeindustrie im Allgemeinen und die Markenführung im Besonderen sind beträchtlich. So gewinnen neue Strategien und Konzepte an Gewicht, die bislang nur unzureichend Inhalt einer systematischen Auseinandersetzung waren oder erst infolge der fortschreitenden Digitalisierung entstanden sind. Starke Marken lassen sich auf gesättigten Märkten nur noch in sehr geringem Ausmaß durch differenzierte Produkteigenschaften erzeugen. Vielmehr müssen sie dem Abnehmer einen Mehrwert bieten, der sie von konkurrierenden Angeboten abhebt. Im Folgenden werden die entscheidenden aktuellen Strategien und Methoden des Marketings und der Markenführung vorgestellt, die als Reaktion auf die beschriebenen Entwicklungen hinsichtlich der Erzeugung prägnanter Marken verstanden werden können und insgesamt auf die oben besprochene Individualisierung und Emotionalisierung abzielen. Sowohl in der Marken- und Produktkommunikation als auch in der kognitiven Hirnforschung habe bislang der visuelle Sinn dominiert, dessen Vormachtstellung aktuell durch die wachsende Gewissheit, unser Gehirn sei vor allem ein multisensorisches
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Statistisches Bundesamt (2015). Vgl. IFH (2014), S. 20f. Vgl. Esch (2014), S. 46. Vgl. Nitt-Drießelmann (2013), S. 13. Vgl. Nitt-Drießelmann (2013), S. 21. Vgl. Nitt-Drießelmann (2013), S. 20ff. Vgl. Esch (2014), S. 586f. Gröppel (1990) zit.n. Esch (2014), S. 587.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Gehirn, stetig abgebaut würde.133 »Die Zukunft gehört deshalb dem multisensorischen Marketing.«134 Obwohl also bei Konsumerlebnissen und durch Marketingaktivitäten grundsätzlich meist mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden, wäre die bereits »vor über 20 Jahren von der Forschungsgruppe um Kroeber-Riel (1985, 1986, 1989) geforderte systematische emotionale und multisensuale Gestaltung von Marken, um das Erleben von Marken zu vertiefen und [zu, A. S.] verstärken«, aufgrund der oben genannten Entwicklungen, erst in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand der internationalen wissenschaftlichen Auseinandersetzung geworden.135 Die Begriffe multisensorisch, multisensuell und multisensual werden diesbezüglich in der Literatur synonym verwendet und können sich sowohl auf die konkrete Produktgestaltung als auch auf Marken und deren Kommunikation beziehen.136 Hinsichtlich der multisensorischen Markenführung, also der »Gestaltung multisensualer Wirkungen von Marken«, würde davon ausgegangen, »dass das Erfahren und Erleben einer Marke über unterschiedliche Sinnesmodalitäten signifikante Wertschöpfungsbeiträge leisten kann.«137 So sei es möglich, »das gleiche Erlebnis mehrfach und damit wirksamer zu vermitteln oder mehrere modalspezifische Einzelerlebnisse zu einem Gesamterlebnis zu kombinieren.«138 Kroeber-Riel und Gröppel-Klein weisen in diesem Zusammenhang auf eine Vielzahl von Experimenten hin, die diese Wirkungen belegen. Exemplarisch sei auf die Untersuchung von Adt (1983) hingewiesen, die den Nachweis erbrachte, »dass die emotionalen Wirkungen eines Liebesliedes durch gleichzeitige Reizdarbietungen (eines Frauengesichts) verstärkt wurden.«139 Lindstrom spricht in diesem Kontext vom Multisensory Enhancement.140 Bei gleichzeitiger Wahrnehmung kongruenter Reize über verschiedene Sinneskanäle würde ein neuronaler Verstärkermechanismus einsetzen, der unser Bewusstsein das Ereignis mit bis zu zehnfacher Intensität erleben ließe.141 Dieses Phänomen werde Superadditivität genannt und habe bei inkongruenten Reizen den umgekehrten Effekt: Sie würden unterdrückt.142 Er belegt seine Aussagen nachvollziehbar mit Ergebnissen aus der Hirnforschung.143 Neben Kroeber-Riel und GröppelKleins Beispiel, ein Frischeerlebnis durch das Zusammenwirken von Reizen auslösen zu können, die alle Hauptsinne ansprechen,144 finden sich bei Lindstrom sachliche Nachweise, welche die Kombination von Einzelreizen unterschiedlicher Modalität hin zu einem Gesamterlebnis hinreichend belegen. Die primären Sinnsysteme würden sich sowohl auf unterster Stufe als auch auf höheren Verarbeitungsebenen durch starke Vernetzung gegenseitig beeinflussen. So würde das Gehirn permanent versuchen, aus al-
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Vgl. Häusel (2012), S. 171. Häusel (2012), S. 171. Esch (2014), S. 256. Vgl. Esch (2014); vgl. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013); vgl. Häusel (2012). Esch (2014), S. 256. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 160. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 160. Vgl. Lindstrom (2012), S. 182. Vgl. Lindstrom (2012), S. 182. Vgl. Lindstrom (2012), S. 182. Vgl. Lindstrom (2012), S. 182. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 161.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
len Informationen einen Sinn, eine Botschaft, zu extrahieren und jegliche Signale zu »einer ganzheitlichen emotionalkognitiven Wahrnehmungseinheit« zusammenzufassen.145 Entscheidend für eine maximale Wahrnehmungsverschmelzung scheint dabei wiederum die inhaltliche Kongruenz der Reize zu sein. Weiterhin könne durch Reize einer Modalität die Wirkung von Reizen anderer Modalitäten ausgelöst oder beeinflusst werden.146 Synästhetische Wirkungen seien vor allem interessant, wenn man in der Kommunikation auf eine einzelne Reizmodalität angewiesen sei: So könnten beispielsweise die Farbtöne der Verpackung von Speiseöl die Antizipation der Viskosität (Leichtoder Zähflüssigkeit) des Öls nachhaltig beeinflussen.147 Weitere Beispiele für die Beeinflussung der Wirkung von Reizen verschiedener Modalität finden sich bei Lindstrom, Esch und vielen anderen.148 Schon der Gang ins Kino belegt diesen Sachverhalt: Obwohl weder die Stereo- noch die Surroundwiedergabe fähig sind, Schallquellen einwandfrei an einer bestimmten Position auf der Leinwand zu positionieren, lokalisieren wir doch, am Beispiel gesprochener Sprache exemplarisch dargestellt, bei synchroner Lippenbewegung der Schauspieler und passender akustischer Attribute der Stimme, die Schallquelle eindeutig als den Mund des Sprechers.149 Werden darüber hinaus emotionale Inhalte eines Reizes auf die Wahrnehmung eines anderen Reizes übertragen, wird dies als emotionale oder affektive Konditionierung bezeichnet: »Wenn ein neutraler Reiz (Wort, Bild) wiederholt und stets gleichzeitig zusammen mit einem emotionalen Reiz dargeboten wird, so erhält auch der neutrale Reiz nach einiger Zeit die Fähigkeit (wenn er alleine dargeboten wird), die emotionale Reaktion hervorzurufen. Der neutrale Reiz wird dadurch zu einem ›konditionierten Reiz‹: Er löst eine konditionierte Reaktion aus, die er vorher nicht ausgelöst hat.«150 Hinsichtlich des Evozierens von Wirkungen andersartiger Reize durch Reize einer oder mehrerer Modalitäten, spricht Lindstrom davon, dass schon das Triggern eines Wahrnehmungskanals ausreichen könne, um ein gesamtes Markenbild entstehen zu lassen. Mittels einer multisensorischen Markengestaltung sei es möglich, eine wesentlich tiefere Speicherung der Marke im Gehirn zu erreichen und somit deren Image durch das Antippen nur einer Modalität auszulösen. Die oftmals automatisierte Verknüpfung von Emotion und Kognition sei darüber hinaus ein integratives Element, das die Verankerung der emotionalkognitiven Wahrnehmungseinheiten unterstütze.151 Kroeber-Riel und Gröppel-Klein sprechen der multisensorischen Markenführung, vor allem im Kontext gesättigter Märkte mit ausgereiften Produkten, eine wachsende Bedeutung zu. Außerdem würde die Existenz der oben angesprochenen Informationsüberlastung multisensuelle Angebote fördern. Sie belegen diese zunächst paradox erscheinende Aussage, der Informationsüberlastung mit einer Erhöhung der Informationsflut entgegen zu wirken, damit, dem Rezipienten stünden bei der Wahrnehmung und Erinnerung einer multisensorischen Marke mehrere Sinneskanäle 145 146 147 148 149 150 151
Lindstrom (2012), S. 181. Vgl. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 161. Vgl. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 161. Vgl. Lindstrom (2012); vgl. Esch (2014). Vgl. Lindstrom (2012), S. 180. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 163. Vgl. Lindstrom (2012), S. 181f.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
zur Verfügung, die in der Flut der Informationen wesentlich zur Markenidentifikation und -differenzierung sowie zur Markenbildung und Markenspeicherung beitragen würden. Da sich die Informationsüberlastung am Anteil der beachteten Informationen des gesamten Informationsangebots bemessen würde, seien multisensorisch vermittelte Marken fähig, sich so aus der Masse der Angebote hervorzuheben.152 Die grundsätzliche Forderung von Burmann, Halaszovich und Hemmann, dass multisensorische Markenerlebnisse immer möglichst viele Sinne ansprechen sollten, da dies zu höherer Aufmerksamkeit, Wiedererkennung, stärkerer Differenzierung sowie zu einer Erhöhung der Erinnerungswirkung und Emotionalität führe, muss negiert werden.153 Die Effekte können, bei Inkongruenz der Reize, gegenteilige Ausprägungen auf allen Dimensionen annehmen. Die multisensorische Markenkommunikation kann als Teilbereich der erlebnisorientierten Markenführung verstanden werden. Abgeleitet aus dem Erlebnismarketing, das sich bereits in den 1980er Jahren als ein zentraler Trend im Marketing etabliert hat, setzt die erlebnisorientierte Markenführung das Produkt- oder Markenerlebnis in den Fokus ihrer Bemühungen.154 Dies kann als Reaktion auf die gesellschaftliche Entwicklung in den Industrienationen seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, die einerseits vom »Bedeutungsverlust von Pflicht und Akzeptanzwerten zugunsten von Selbstverwirklichung und einer Hinwendung zum Hedonismus«, andererseits vom Trend »zur aktiven, kritischen und ökologieorientierten Gesellschaft« geprägt ist, verstanden werden.155 Basierend auf der Erkenntnis, dass »Menschen über emotionale Konditionierungsprozesse Präferenzen für Marken und Produkte aufbauen können« und dem grundsätzlichen Wunsch von Menschen nach emotionalen Erlebnissen, etwa »Abenteuern oder anrührenden Ereignissen« sowie der Verlagerung dieses Bedürfnisses in die Konsumwelt durch »den in den Industriestaaten vergleichsweise hohen Wohlstand sowie durch den […] skizzierten Wertewandel«, scheint die Erlebnisorientierung in der Markenführung eine logische Konsequenz dieser Entwicklungen zu sein.156 Sie integriert wiederum die zentralen Tendenzen des Marketings: Individualisierung und Emotionalisierung. Obwohl sich, ausgelöst beispielsweise durch die digitale Revolution, die Ereignisse im Kontext des 11. Septembers 2001 und die Finanzkrise von 2008 verschiedene, teilweise gegensätzliche gesellschaftliche Entwicklungen ablesen lassen, die das Konsumverhalten durch Multioptionalität und variierende Wertehierarchien prägen, »erweist sich das ›Erlebnismarketing‹ als stabiler Trend.«157 Der Erlebniskonsum würde nicht als materielle Bedürfnisbefriedigung betrachtet, sondern vielmehr »als Lebensqualität empfunden«, wodurch der Erlebniswert der Marken zu einem »besonders wichtigen Kaufkriterium« würde: »Man kauft Marken, die Erlebnisse und Gefühle vermitteln und weniger Produkte mit bestimmten funktionalen Eigenschaften.«158 Unter dem Erlebniswert einer Marke verstehe man »den subjektiv erlebten, durch die Kommunikation 152 153 154 155 156 157 158
Vgl. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 161. Vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 114. Vgl. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 148ff. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 148f. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 148f. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 151. Esch (2014), S. 36.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
oder das Produkt oder die Einkaufsstätte vermittelten Beitrag zur Lebensqualität der Konsumenten. Es handelt sich dabei um sinnliche Erlebnisse, die in der Gefühls- und Erfahrungswelt der Konsumenten verankert sind und einen realen Beitrag zur Lebensqualität leisten.«159 Auf Basis ihrer Forschungsergebnisse entwickeln Brakus, Schmitt und Zarantonello vier Dimensionen, auf denen sich ein solches Markenerlebnis abspiele: Eine sensorische (sensory) Dimension, eine affektive (affective) Dimension, eine verhaltensorientierte (behavorial) Dimension sowie eine intellektuelle (intellectual) Dimension.160 Neben der bereits erwähnten Ansprache der Sinne und emotionalen Wirkdimension seien also die physische Interaktion und intellektuelle Stimulation weitere Ebenen des Markenerlebnisses. Zur systematischen Entwicklung erlebnisorientierter Marken und Markenführung erscheint diese Kategorisierung durchaus plausibel. Dementsprechend sind musikalische Reize geradezu prädestiniert eine herausragende Rolle im Erleben von Marken zu spielen: Sie sprechen die Sinne an, können Emotionen auslösen, zur physischen Interaktion bewegen und, bei entsprechenden Inhalten, zum Nachdenken anregen. Den allgemeinen Entwicklungen im Marketing folgend, lässt sich eine zunehmende Erlebnisorientierung auch im Einzelhandel feststellen.161 Neben, vorzugsweise an exklusiven Standorten platzierten, Flagship Stores, deren primäre Funktion nicht der Verkauf von Produkten, sondern vielmehr das Erleben der Marke ist,162 haben sich so genannte Brand Lands, also markenspezifische Erlebniswelten etabliert, die ebenfalls hauptsächlich darauf abzielen, Marken ganzheitlich erlebbar zu machen.163 Durch die Interaktion der Anspruchsgruppen mit der Marke könne diese »intensiver erlebt werden, ein tieferes Verständnis zur Marke erreicht werden, eine größere Identifikation mit der Marke erfolgen als auch eine stärkere Markenbindung aufgebaut und Wechselbarrieren geschaffen werden.«164 In Flagship Stores, wie Niketown oder der Hugo Boss Verkaufsfläche in Berlin Mitte, sowie Markenthemenparks, wie den Kristallwelten von Swarovski oder der Autostadt der Volkswagen AG in Wolfsburg, sollen Marken folglich multisensorisch nachhaltig emotional aufgeladen werden, um damit fest im Gedächtnis der Menschen verankert und so maßgeblich zur Differenzierung von anderen Marken beizutragen.165 Die Bedingung hierfür sei die Existenz einer klaren Markenidentität.166 Als Konsequenz der veränderten Bedingungen im Einzelhandel ist folglich eine zunehmende Ausrichtung der gesamten Branche an der Erzeugung von Marken als zentrale Erfolgsfaktoren festzustellen.167 Um so genannte Storebrands zu schaffen und damit zukünftig erfolgreich am Markt bestehen zu können, müsse also zunächst eine Markenidentität erarbeitet, wenige relevante, autonome und aus Sicht 159 Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 155. 160 Brakus, Schmitt, Zarantonello (2009), S. 60. 161 Vgl. Esch (2014), S. 586-596; vgl. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 152ff.; vgl. Mei-Pochtler, Hepp (2013), S. 84f. 162 Vgl. Zentes (2002), S. 93. 163 Vgl. Esch (2014), S. 269f.; vgl. Mei-Pochtler, Hepp (2013), S. 84f.; vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 113. 164 Esch (2014), S. 268. 165 Vgl. Esch (2014), S. 269-272; Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 113. 166 Vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 113. 167 Vgl. Esch (2014), S. 586f.; vgl. Mei-Pochtler, Hepp (2013), S. 77-98.
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des Anbieters tragfähige Positionierungseigenschaften abgeleitet und schließlich die Positionierung des Storebrands wahrnehmbar, eigenständig und integriert durch die Marketing-Maßnahmen umgesetzt werden.168 Maßgeblich für den Erfolg sei dabei »der Transfer der durch die Kommunikation vermittelten Positionierungsbotschaft in eine wahrnehmbare, eigenständige und integrierte Umsetzung vor Ort.«169 Dementsprechend könne die Wahrnehmung diesbezüglich inkongruenter Eigenschaften ein diffuses Markenimage erzeugen, die Konsumenten verunsichern und so der gesamten Unternehmung schaden.170 Eine Dichotomie des Einkaufsereignisses aus Kundensicht in Versorgungs- und Erlebniskauf, wie Kroeber-Riel und Gröppel-Klein dies nahelegen, scheint in diesem Kontext zweckmäßig zu sein: »Beim Versorgungskauf möchten Konsumenten in einer angemessenen Zeitspanne ohne lästiges Suchen in einer orientierungsfreundlichen Umgebung und mit genügend persönlichem Freiraum geplante Produktkäufe tätigen und auf besondere Preisaktionen aufmerksam gemacht werden. Beim Erlebniskauf erwartet dagegen der Kunde eine besondere Ladenatmosphäre, die Aktivierung, Vergnügen und Dominanzgefühle auslöst, zum Stöbern und Bummeln anregt, oftmals alle Sinne anspricht und dem Kunden einen von ihm angestrebten Lebensstil visualisiert.«171 So sind der Aufbau und vor allem die konkrete und erlebbare Umsetzung von plausiblen und konsistenten Storebrands ohne Berücksichtigung dieser Zweiteilung nur schwer vorstellbar. Neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis und dem Einkaufserlebnis sei es der Service, der Konsumenten zum Kauf bei einem bestimmten Händler bewegen würde.172 Folglich gewinnen Multichannel-Strategien an Bedeutung, welche die Serviceleistung eines Anbieters erweitern und optimieren können. Empirische Untersuchungen würden belegen, »dass der parallele Einsatz von Offline- und Onlineabsatzkanälen nicht nur die Kundenzufriedenheit steigert, sondern der Einsatz verschiedener Kanäle für einen großen Anteil der Nachfrager kaufverhaltensrelevant ist.«173 Durch den Einsatz der neuen Technologien könne zudem der Service sowohl online als auch offline verbessert werden, indem Kunden beispielsweise differenzierte Produktinformationen zur Verfügung gestellt, ihnen das Finden spezifischer Produkte erleichtert oder auch der Kaufprozess schnell und unkompliziert abgewickelt würde.174 »Je mehr niedrigwertige Aufgaben automatisiert werden […], desto stärker können die Verkaufsmitarbeiter sich auf höherwertige Aufgaben konzentrieren, um das individuelle Kauferlebnis zu optimieren – ein entscheidender Differenzierungsfaktor.«175 Würden dabei jedoch die verschiedenen Kanäle inkonsistent genutzt und inkongruente Botschaften vermittelt, bestehe in hohem Maße die Gefahr, ein diffuses Markenbild abzugeben und damit zur Consumer Confusion beizutragen – was in einer Erosion der Markenpräferenz seitens des Nachfragers und dessen Wechsel zu klarer positionierten Angeboten enden könne.176 168 169 170 171 172 173 174 175 176
Vgl. Esch (2014), S. 589. Esch (2014), S. 589. Vgl. Esch (2014), S. 589-596. Kroeber-Riel, Gröppel-Klein (2013), S. 152. Vgl. Mei-Pochtler, Hepp (2013), S. 81. Vgl. Meffert, Burmann, Kirchgeorg (2012), S. 558. Vgl. Mei-Pochtler, Hepp (2013), S. 84. Mei-Pochtler, Hepp (2013), S. 84. Vgl. Meffert, Burmann, Kirchgeorg, (2012), S. 558.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Der seit dem beginnenden 21. Jahrhundert fortschreitende Anstieg des Interesses werbetreibender Marken an populären Musikformen und -kulturen liegt folgerichtig in den maßgeblichen gegenwärtigen Marketingtrends begründet, die ihren Ausdruck in den oben beschriebenen Strategieentwicklungen der werbetreibenden Industrie finden. In ihrer essenziell medialen Funktionalität, Rezipienten eine strukturierte Projektions- und Reflexionsfläche zu bieten, auf der die persönlich plausible Organisation und Strukturierung vielfach ambivalenter Alltagserfahrungen und emotionaler Zustände ermöglicht wird, sind es insbesondere die populären Musikformen, die der Markenkommunikation zu einer erhöhten Individualisierung und Emotionalisierung verhelfen können.177 Die populäre Musik sei besonders wichtig für die persönliche Positionierung innerhalb sozialer und gesellschaftlicher Umgebungen, weil sie eine direkte emotionale Intensität besitze, erläutert Simon Frith.178 »Angesichts ihrer abstrakten Eigenschaften (die ›seriöse‹ Ästheten immer hervorgehoben haben), ist [populäre, A. S.] Musik eine individualisierende Form. Wir absorbieren Songs in unser eigenes Leben und Rhythmen in unsere Körper; sie haben einen derart losen Bezug, der sie unmittelbar zugänglich macht. Popsongs bieten sich zur persönlichen Aneignung an, und zwar auf eine Weise, wie andere Formen der Populärkultur (Seifenopern im Fernsehen, zum Beispiel) nicht – letztere sind mit Bedeutungen versehen, die wir vielleicht ablehnen.«179 Peter Wicke, der die mediale Qualität populärer Musikformen in seinem Aufsatz »Populäre Musik« als theoretisches Konzept von 1992 zuerst theoretisch erschlossen hat, erläutert im Hinblick auf die emotionalisierenden und individualisierenden Wirkdimensionen populärer Musik, »[d]ie dabei [im kulturellen Gebrauch der Hörer aus den von ihnen jeweils rezipierten Songs, A. S.] gebildeten Bedeutungsmuster sind durch die spezifische Art ihrer Produktion, nämlich per Musik, mit einer Eigenschaft ausgestattet, die ein ganz wesentliches Moment ihrer, das kulturelle Verhalten strukturierenden Funktion ist – sie sind affektiv besetzt. […] In dieser integrierten Form der kulturellen Gestalt erfüllt die [populäre, A. S.] Musik nun eine entscheidende Funktion – sie fungiert als Medium für die Umsetzung sozialer Erfahrungen in ›persönlichen Sinn‹. Die Bedeutungsstereotype und affektiven Klassifizierungsstrategien liefern über die kulturellen Verhaltensweisen, die sie in Gang setzen, die Verknüpfungsregeln, nach denen die in den kulturell-symbolischen Formen des Alltags präsentierten gegenständlichen, sprachlichen und bildhaften Symbole zu einem sinn- und identitätsstiftenden Zusammenhang, zu einem kulturellen Text verbunden werden, der als gesellschaftlich produziertes individuelles Reflexionsmittel zur Verfügung steht.«180 Ein weiterer entscheidender Faktor hinsichtlich der steigenden Bedeutsamkeit populärer Musikformen und -kulturen für werbetreibende Marken ist die generelle Vertauschung von Ursache und Wirkung bei der Rezeption und Verarbeitung musikalischer Inhalte: Gleichwohl die konkrete Bedeutung, emotionale Wirkung und individualisierende Dimension populärer Musikformen exklusiv im persönlichen Erleben und kulturellen Gebrauch selbiger konstruiert wird, werden diese Qualitäten in der Regel den klanglichen Gestaltformen
177 178 179 180
Vgl. Frith (1992); vgl. Wicke (1992). Vgl. Frith (1992), S. 5f. Frith (1992), S. 6. Wicke (1992), S. 20f.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
selbst zugeordnet und vielfach auf die entsprechenden ausübenden Künstler respektive Interpreten übertragen, worauf etwa Aussagen wie »Das Lied ist traurig« oder »Ich liebe Adele« begründen. Es ist ebenjene Übertragung von Emotionalität und Individualität, die sich werbetreibende Marken von der Verwertung der Inhalte populärer Musikkulturen versprechen.
1.3
Audio Branding-Typologie
Im klangbezogenen Bereich des Markenmanagements haben sich zahlreiche Fachbegriffe etabliert, deren Definitionen in der Fachliteratur wenig systematisch stattfinden und dementsprechend häufig wenig konform ausfallen. Die folgende Diskussion der für die vorliegende Arbeit relevanten entsprechenden Begrifflichkeiten dient zum einen der Herstellung einheitlicher und valider Begriffsbestimmungen, zum anderen der exemplarischen akademischen Auseinandersetzung mit der defizitären diesbezüglichen Quellenlage sowie des darin verankerten Musikverständnisses, zugehöriger wiederkehrender theoretischer Konzepte und der Aufarbeitung des Forschungsstandes zu konkreten Einzelphänomenen, etwa der Sing- und Sprechstimme, die eine hohe Bedeutsamkeit hinsichtlich der zielgerichteten markenseitigen Verwertung populärer Musikformen besitzen. Durch den direkten Austausch des Begriffs Marke (bzw. Brand) durch den des Unternehmens (bzw. Corporate) lassen sich die folgenden Auslegungen inhaltlich analog für gesamte Unternehmen verwenden. So wird beispielsweise aus der akustischen Markenidentität (der Brand Sound Identity) die akustische Unternehmensidentität (die Corporate Sound Identity). Bei Unternehmensmarken (wie bspw. Coca-Cola) sind diese Begrifflichkeiten synonym zu verwenden.
1.3.1
Akustische Markenidentität, Markenklang und Sound Manual
Abgeleitet aus der Markenidentität und allen zugehörigen Attributen entspricht die akustische Markenidentität (Brand Sound Identity, Sound ID etc.) dem auditiven Selbstbild einer Marke. Sie ist »der markenkonforme Transfer der Markenidentität in ihr akustisches Äquivalent«181 und bildet damit die »Orientierungs-Grundlage für den akustischen Markenauftritt […] und den Einsatz akustischer Branding-Elemente.«182 Dabei gibt es hinsichtlich des Transfers von Markenidentitäten auf die auditive Ebene bislang weder eine einheitliche Methodik noch eine ausreichende Theoriebildung. Zudem sind die musikalischen, technischen, globalen und kontextabhängigen Variablen, die notwendig wären, um die konsistente klangliche Kommunikation einer Marke zu gewährleisten, wissenschaftlich weder typologisiert noch definiert. Je nach Agentur oder Anbieter findet die Übertragung von Markenattributen auf eine auditive Dimension folglich nach individuellen Maßstäben und Strategien statt, die wissenschaftlichen Standards häufig nicht oder nur sehr rudimentär genügen.183 Die audio consulting
181 182 183
Berg (2012), S. 50. Bronner, Hirt (2007b), S. 12. Vgl. Berg (2012), S. 50.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
group, eine Agentur für Audio Branding aus Hamburg, nutzt hierfür etwa das Acoustic Transfer Interface, dessen Methodik und Inhalte jedoch nicht weiter erläutert oder belegt werden.184 So besitzt das Interface die Kategorie Style/Genre, deren Ausprägungen, zum Beispiel Bar music, Jazz oder auch Pop, als diskursiv entstehende Begrifflichkeiten nur schwer definitorisch fassbar und durch rein musikalische Parameter schlichtweg nicht zu beschreiben sind. Eine weitere Klasse zur auditiven Definition einer Marke ist hierbei der Character, der beispielsweise mit Begriffen wie exhilarant (belebend, aufheiternd), lonely (einsam) oder carefree (unbekümmert) beschrieben werden könne.185 Die musikalischen Konnotationen solcher Adjektive besitzen keinerlei wissenschaftliche Fundierung und sind in hohem Maße von sozialen, intraindividuellen und situativen Parametern abhängig. Das Acoustic Transfer Interface verfügt demnach bereits auf diesen beiden Dimensionen über eine dermaßen hohe Komplexität und Unschärfe, die dessen Inhalte, Funktionalität, Systematik und Nachvollziehbarkeit aus wissenschaftlicher Sichtweise zumindest fragwürdig erscheinen lassen. Darüber hinaus bleibt völlig offen, welche Strategien und Methoden das Interface für den Transfer der Markenidentität auf die klangliche Ebene bietet. Der Markenklang (Brand Sound, auditiver Markenauftritt etc.) beinhaltet alle klanglichen Manifestationen einer akustischen Markenidentität. Unabhängig von der Art und Anzahl der Implementierungen (als Sound Logo, Brand Song, Produktklang, Soundscape usw.) ist der Brand Sound die hörbare Realisierung der Sound ID – die operative Umsetzung der Soll-Elemente der Sound Identity in ein akustisches Maßnahmenpaket.186 Bronner und Hirt sprechen von der akustischen Dimension des Brand Designs, welche die akustische Identität einer Marke widerspiegelt.187 Als Pendant zu den allgemeinen Brand Manuals oder Brand Guidelines auf der auditiven Ebene hält das Sound Manual (Acoustic Design Manual, Sound Styleguide, Brand Sound Guidelines, Sound ID Manual etc.) die akustische Markenidentität fest und definiert ihr Spektrum. Es ist ein »Regelwerk über alle Brand Sound-Elemente […] und Leitfaden für deren Anwendung.«188 Die damit festgelegten Richtlinien sollen den stringenten Einsatz der akustischen Markenelemente, einen hohen Fit (auditive Markenkongruenz), Prägnanz (klangliche Differenzierbarkeit und Wiedererkennungspotential bei den Zielgruppen) und Flexibilität bezüglich notwendiger Modifikationen durch eine sich mit der Zeit verändernde Umwelt sicherstellen.189 Form und Inhalt dieser Sound Styleguides unterliegen bislang keiner einheitlichen Theoriebildung und nehmen aufgrund der ungenügenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung dementsprechend verschiedenste Ausprägungen an.190
184 185 186 187 188 189 190
Vgl. Langeslag, Hirsch (2004), S. 241. Vgl. Langeslag, Hirsch (2004), S. 241. Vgl. Berg (2012), S. 50. Vgl. Bronner, Hirt (2007b), S. 11. Bronner, Hirt (2007b), S. 12. Vgl. Steiner (2014), S. 67. Vgl. bspw. Telekom und Siemens Fallanalysen in: Ringe (2012), S. 66-94.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
1.3.2
Brand Song und Werbelied
Als Brand Songs (Markenlieder, Brand Themes, Brand Anthems etc.) werden in sich geschlossene Liedeinheiten bezeichnet, welche die Markenidentität über einen längeren Zeitraum kommunizieren und damit selbst zu Markenzeichen werden sollen.191 Dabei kann es sich grundsätzlich um Neukompositionen und -produktionen, um Interpretationen oder Adaptionen existierender Werke sowie um lizenzierte Originalaufnahmen handeln. Gleichwohl die Bezeichnungen Lied und Song textlich-vokale Komponenten in entsprechenden musikalischen Inhalten implizieren, ist es in der Praxis durchaus üblich, auch instrumentale klangliche Gestaltformen unter den oben genannten Bezeichnungen zu subsumieren.192 Um eine möglichst prägnante und dauerhafte Verbindung zwischen Musikstück und Marke herstellen zu können, ist es aus Sicht der Markenführung zunächst zweckmäßig, Brand Songs exklusiv zu lizenzieren oder produzieren zu lassen. So lässt sich die Verwertung des entsprechenden Werks in anderem Kontext ausschließen und die damit einhergehende Rezeptionsunschärfe vermeiden. Brand Songs werden meist auf einer hohen Anzahl von Kommunikationskanälen genutzt, also neben der Verwendung für die Kino-, Radio- und Fernsehwerbung beispielsweise auch in Telefonwarteschleifen oder online eingesetzt, um den gewünschten Lerneffekt zu maximieren und so die oben genannte Verschmelzung zu unterstützen. Markenlieder besitzen häufig prägnante innermusikalische oder außermusikalische Eigenschaften, welche die Erinnerbarkeit erhöhen und Unterscheidung zu anderen Marken ermöglichen sollen. Dabei kann es sich zum Beispiel um spezifische Klangbilder, besondere Spielarten, rhythmische Muster, eine Melodie oder Referenzen zu einem bestimmten Interpreten respektive anderen nichtmusikalischen Variablen handeln. Brand Songs können, etwa durch ihre Zuordnung zu bestimmten Genres, Epochen oder Interpreten, die soziosentimentalen Wertesysteme entsprechender Zielgruppen oder ein assoziativ aufgeladenes Künstlerimage transportieren. Gelingt die Verknüpfung von Song und Marke in hohem Maße, werden diese Eigenschaften oder Images in der Wahrnehmung der Rezipienten auf die Marke übertragen und als markeninhärent interpretiert. Um also eine dauerhafte und starke Verbindung zwischen Marke und Musiktitel zu ermöglichen, ist es zweckmäßig, Musikstücke mit einer hohen Passung zur Markenidentität auszuwählen oder produzieren zu lassen. Nichtsdestotrotz findet deren Selektion oder Produktion häufig nach persönlichen Vorlieben von Entscheidungsträgern statt oder unterliegt anderen zufälligen Parametern (bspw. temporären Trends, der aktuellen Bildsprache einer Marke etc.).193 Die charakteristischen Attribute des Musikstücks müssen in kurzer Zeit transportiert werden können, um in Werbespots von 30 Sekunden (die durchschnittliche Länge von Werbespots im deutschen Fernsehen 2011)194 bis 89 Sekunden Länge ausreichenden Raum zu finden. Werbefilme mit einer Dauer von mindestens 90 Sekunden sind, gemäß den Werberichtlinien der 14 Landesmedienanstalten, im TV als Dauerwerbesen-
191 192 193 194
Vgl. Bronner, Hirt (2007b), S. 13; vgl. Götz (2011), S. 15; vgl. Steiner (2014), S. 75. Vgl. HearDis! GmbH (2019); vgl. TEDI_Channel (2019). Vgl. Kastner (2008), S. 68. Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2013).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
dungen einzuordnen.195 Sie müssen im Fernsehen »unmittelbar vor Beginn entsprechend einer Werbekennzeichnung (Werbelogo) als ›Dauerwerbesendung‹ angekündigt und während des gesamten Verlaufs mit dem Schriftzug ›Werbesendung‹ oder ›Dauerwerbesendung‹ gekennzeichnet werden«196 und kommen folglich nicht für die Verwendung in konventionellen TV-Werbeblöcken in Frage. »Die 14 Landesmedienanstalten in Deutschland sind für die Zulassung und Aufsicht, den Aufbau und die Fortentwicklung des privaten Hörfunks und Fernsehens in Deutschland zuständig.«197 So werden die Werberichtlinien nach § 46 RStV (Rundfunkstaatsvertrag) zur Durchführung der werberelevanten Paragraphen des Rundfunkstaatsvertrages erlassen, dienen der Konkretisierung der dort festgelegten »Regelungen zu den Werbe- und Sponsormöglichkeiten der privaten Rundfunkveranstalter zur Finanzierung ihrer Programme«198 und besitzen folgerichtig Rechtsgültigkeit. Da die Kosten für die Schaltung eines Werbespots im Fernsehen von dessen Länge, dem Sendeplatz sowie der Anzahl und Zusammensetzung der Zuschauer abhängt, werden 89 Sekunden nur äußerst selten ausgenutzt.199 Vielmehr haben sich im Fernsehen Werbespots etabliert, die in möglichst kurzer Zeit eine Geschichte erzählen und die Werbebotschaft vermitteln können. Dabei werden Werbefilme häufig so konzipiert, dass zunächst eine lange Version als Basis für alle kürzeren Fassungen produziert und geschnitten wird, die durchaus Kurzfilmcharakter besitzen kann. Daraus abgeleitet werden diejenigen Versionen geschnitten, die bestimmten Standardisierungen, wie der beschriebenen Fernsehpraxis, entsprechen müssen. Die langen Versionen der Werbefilme finden heute vor allem auf Onlinekanälen und im Kino ihren Einsatz. Brand Songs sollten folglich eine hohe strukturelle Flexibilität aufweisen, die sie mit einer ausgeprägten Anpassungsfähigkeit an die Limitierungen der verschiedenen Werbeformate ausstattet, in denen sie verwertet werden. Die Definition nach Bronner und Hirt, der zufolge Brand Songs grundsätzlich Musikstücke »nach klassischem Liedschema mit Strophe, Refrain etc.«200 seien, wie auch Steiner und Berg sie übernehmen,201 scheint nicht plausibel zu sein. Ebenso wenig nachvollziehbar ist die Aussage von Straka, Brand Songs seien »Prototypen der so genannten U-Musik [Unterhaltungsmusik, A. S.] […], einer Musik also, die ihrem Wesen nach eine massenhafte Verbreitung erfährt und von Massen gehört wird.«202 Die nur im deutschsprachigen Raum verbreitete Unterscheidung musikalischer Werke in U- und E-Musik (Ernste Musik) besitzt heute hauptsächlich im Verteilungsplan der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) Relevanz und sah sich auch in diesem Kontext bereits 2004 scharfer Kritik ausgesetzt.203 Obwohl die aus der Antike stammende Dichotomie von niedriger und hoher Kunst auch in anderen Sprachräumen zu verschiedenen Begriffsausprägungen geführt hat, ist das im deutschen Sprachgebrauch antithetisch 195 196 197 198 199 200 201 202 203
Vgl. LFK (2010), S. 7. LFK (2010), S. 7. ALM (2015). LFK (2010), S. 4. Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2013). Bronner, Hirt (2007b), S. 13. Vgl. Steiner (2014), S. 75; vgl. Berg (2012), S. 54. Straka (2007), S. 27. Vgl. Hagedorn (2004).
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intendierte Begriffspaar Unterhaltungsmusik und Ernste Musik einzigartig.204 Der tatsächliche Gebrauch dieser Begrifflichkeiten als Gegensatzpaar ist schon durch die sprachliche Unschärfe fragwürdig – sie liegen grammatikalisch und inhaltlich auf verschiedenen Ebenen. »Bezeichnet ›Unterhaltungsmusik‹ eine Musiksparte im Hinblick auf ihre Funktion, so beschreibt das Adjektiv ›ernst‹ einen bestimmten Ausdrucks- bzw. Stimmungswert.«205 Die von Dahlhaus formulierte These, es sei wahrscheinlich, dass »mit dem Ausdruck ›ernste‹ Musik ursprünglich gar nicht der Charakter der Stücke, sondern deren Anspruch gemeint war, ernst genommen zu werden«,206 ist insofern irrelevant, als dass ein solches Verständnis des Begriffs im aktuellen Diskurs zum Thema U- und E-Musik keine Rolle mehr spielt. »Kann eine funktionale Betrachtungsweise von Musik als objektivierbar gelten, so erscheint hingegen die Definition einer ganzen Musiksparte durch einen einzigen Stimmungswert als unangemessen. War die Differenzierung zwischen hoher und niedriger Kunst in der Geschichte zumindest stets philosophisch begründet, so entbehrt die mit Beginn der Expansion der Massenmedien in unserem Jahrhundert [dem 20. Jahrhundert, A. S.] zwecks Erleichterung marktspezifischer Kategorienbildung etablierte (Schein-)Polarität zwischen ›Unterhaltungs-‹ und ›Ernster‹ Musik jeglicher theoretischen Absicherung, es sei denn, man akzeptiert marktstrategisches Kalkül als solche.«207 Ob diese Differenzierung wirklich stets philosophisch begründet oder beispielweise im 17. und 18. Jahrhundert aus sozialen Hierarchien abgeleitet wurde und diese manifestierte, wie der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus es nahelegt, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.208 »Neben verwaltungstechnischem Schubladen-Denken mag für die unsinnige, weil ungenaue und unpraktikable [sic!] Kategorisierung von Musik in einen ›unterhaltenden‹ und einen ›ernsten‹ Bereich der Wunsch nach einem einfachen, klaren Weltbild verantwortlich sein, das sich politisch-ideologisch in konforme Gesinnung, ökonomisch in Mehrwert und wissenschaftlich in selbstgenügsamen Positionen- und Methodenstreit ummünzen lässt.«209 So hält die GEMA, unabhängig von der fundamentalen Fragwürdigkeit dieser Kategorisierung, an ihrer Praxis fest, Musik in einen Unterhaltungs- und einen Ernsten Bereich aufzuteilen. Diese Unterscheidung kann heute nur noch mit § 7 UrhWahrnG begründet werden, nach dem der Verteilungsplan [der GEMA, A. S.] dem Grundsatz entsprechen solle, »daß [sic!] kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern sind.«210 Eine spezifischere Definition kulturell bedeutender Werke und Leistungen lässt das Gesetz ebenso offen wie die Konkretisierung der Förderung. Da es seitens der GEMA ebenfalls keine konkrete Definition für die daraus abgeleiteten Kategorien der U- und E-Musik gibt, geht sie bei der Einordnung musikalischer Werke in diese Gattungen nach dem Nutzungszusammenhang vor.211 Musik, die massenhaft aufgeführt und verbreitet wird fällt demnach in die Sparte der U-Musik, während
204 205 206 207 208 209 210 211
Vgl. Schoenebeck (1987), S. 9f. Schoenebeck (1987), S. 10. Dahlhaus (1984), S. 19. Schoenebeck (1987), S. 10. Vgl. Dahlhaus (1984), S. 11f. Schoenebeck (1987), S. 10. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2013), S. 2f. Vgl. Hagedorn (2004).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Musikwerke, die wirtschaftlich nicht rentabel, aber in der Rezeption vieler Hörer relevant und erhaltenswert sind, der E-Musik zugeordnet werden.212 Diese Einstufung findet bei jeder Werkanmeldung durch einen Sachbearbeiter der GEMA zunächst in Unkenntnis der Partitur oder einer möglichen Aufnahme, alleine auf Basis der Angaben des Urhebers zum Werk, statt.213 Die Beurteilung des Nutzungszusammenhangs oder gar der künstlerischen Wertigkeit eines Musikwerks erscheint auf dieser Grundlage äußerst fragwürdig, wenn nicht willkürlich. Erhebt ein Komponist Einspruch gegen die Einstufung seines Werks, wird dieses beim so genannten Werkausschuss vorgelegt, der es anhand der Notation nach musikalischen Kriterien der Partitur neu zuordnet.214 Ob dieses Verfahren geeignet ist, die künstlerische Wertigkeit eines Musikwerks zu bestimmen, wird kontrovers diskutiert215 und unabhängig von den Kategorien U- und E-Musik auch zukünftig ein wichtiges Thema für Urheber und Verwertungsgesellschaften sein. Aktuell ist die Zuordnung musikalischer Werke in den U- oder E-Bereich vor allem hinsichtlich der GEMA-Ausschüttungen und Lizenzierungskosten interessant. »Die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik ist sowohl im Rahmen der Verteilung der GEMA-Einnahmen, als auch bei der Lizenzierung von Konzerten höchst bedeutungsvoll. So erhält aufgrund unterschiedlicher Verteilungspläne ein E-Komponist den bis zu achtfachen Betrag an Tantiemen im Vergleich zu einem U-Komponisten, wenn eines seiner Werke zur Aufführung gelangt.« Erhält der Urheber eines Werks der U-Musik beispielweise Tantiemen in Höhe von 5 Euro pro Sendeminute für die Aufführung seines Werks im Fernsehen, so könnte der Urheber eines Werks der E-Musik, bei hoher Bekanntheit und langer Mitgliedschaft bei der GEMA, Tantiemen in Höhe von etwa 40 Euro pro Sendeminute erhalten. Damit versucht die GEMA die Förderung kulturell bedeutender Werke und Leistungen zu gewährleisten. Abgesehen von intraindividuellen Parametern, die sich beispielsweise in der personenabhängigen Willkür widerspiegeln, mit der das Prädikat der kulturellen Wertigkeit aktuell bei der GEMA vergeben wird, unterlagen die Zuordnungen musikalischer Inhalte zur E- und U-Musik zu allen Zeiten maßgeblich temporären sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Wertesystemen und weisen dementsprechend eine hohe Variabilität über die Zeit auf. So ordnet etwa Adorno in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts der leichten Musik (U-Musik) unter anderem Werke von Jacques Offenbach, Johann Strauß (Sohn) oder auch Puccini, »der ihrer Sphäre halbwegs angehört«,216 zu, deren Kompositionen gemäß der Logik des Nutzungszusammenhangs der GEMA keineswegs Unterhaltungsmusik wären. Sie werden im Jahr 2015 weder massenhaft verbreitet noch von Massen gehört und wären folglich der E-Musik zuzuordnen. Während also vergleichbare Neukompositionen aktuell tendenziell der Ernsten Musik zugewiesen werden, lassen sich auf Basis des Nutzungszusammenhangs ebenfalls Werke aller Musikstile entsprechend einordnen, solange sie aus Sicht der GEMA einen nichtkommerziellen und kulturell wertvollen Charakter besitzen. Weiterhin wurde etwa die Jazzmusik aufgrund ihrer Popularität und ihrer initialen hedonistischen Qualität bis 212 213 214 215 216
Vgl. Bergner (2007). Vgl. Bergner (2007). Vgl. Bergner (2007). Vgl. Bergner (2007); vgl. Risch-Kerst, Kerst (2009), S. 293. Adorno (1973), S. 200.
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in die 1960er Jahre grundsätzlich als U-Musik kategorisiert,217 im weiteren Verlauf des Jahrhunderts, einhergehend mit ihrem kommerziellen Niedergang, mehr und mehr zur Kunstmusik erhoben und folglich vermehrt der E-Musik zugesprochen. Umgekehrt wurde ein Konzert der drei Tenöre, bei dem sie überwiegend »klassische Titel sangen, letztlich als U-Musik eingestuft, da die Aufführung in einem Stadion und die Höhe des Eintrittsgeldes bis 750 Euro nicht mehr mit dem E-Musik Tarif vereinbar schienen.«218 »Erkennbar ist, daß [sic!] die Debatte um ›Ernste‹ und ›Unterhaltungs‹-Musik insofern unfruchtbar geblieben ist – und aufgrund ihres begrifflichen Fundaments unfruchtbar bleiben musste –, als es ihr weder gelang, diese Terminologie zu präzisieren und zu systematisieren, noch eine andere, schlüssigere und wissenschaftlich handhabbare an deren Stelle zu setzen.«219 Diese Aussage von 1987 kann hinsichtlich der aktuellen Praxis der GEMA nicht angezweifelt werden. Dessen ungeachtet lässt sich, bereits seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, in allen anderen Bereichen der Auseinandersetzung mit Musik das Aussterben der Kategorisierung in U- und E-Musik feststellen. So scheint sich zumindest außerhalb der GEMA die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass diese Art des Schubladendenkens weder geeignet ist die Realität zeitgemäß abzubilden, noch eine systematische Annäherung an den Korpus der Musik zu ermöglichen. Abgesehen von der dargestellten grundsätzlichen Fragwürdigkeit einer Unterscheidung zwischen Unterhaltungs- und Ernster Musik, verliert dieses Begriffspaar im Kontext der markenseitigen Verwertung musikalischer Inhalte schließlich jegliche Relevanz. So dienen musikalische Mittel in Maßnahmen der Markenkommunikation weder der Unterhaltung noch der ernsthaften Auseinandersetzung. Ihr exklusiver Zweck liegt in der Emotionalisierung und Individualisierung der Marke respektive des jeweilig beworbenen Produktes. Dabei können sie jeden denkbaren musikalischen Ausdruck annehmen, also durchaus unterhaltenden oder ernsten Charakter besitzen, solange dieser den intendierten Funktionen dienlich ist. Brand Songs als Prototypen der Unterhaltungsmusik zu bezeichnen, ist also aufgrund der inhärenten Unschärfe des Begriffs selbst sowie dessen Bedeutungslosigkeit für die akustische Markenführung schlichtweg unmöglich. Straka bezieht sich im weiteren Verlauf seiner Publikation auf das U-Musik-Verständnis von Adorno, das nur sehr wenig mit der aktuellen Praxis der GEMA gemeinsam hat, ihr sogar in weiten Teilen widerspricht (s.o.).220 Unabhängig von der inhaltlichen Relevanz der Einsichten Adornos in die leichte Musik belegt der Autor damit, vermutlich ungewollt, die Divergenz der Definitionen von Unterhaltungsmusik und stellt so seine eigene Verwendung des Begriffs zur Disposition. Weiterhin zitiert Straka aus Adornos Aufsatz Leichte Musik, der in dessen Einleitung in die Musiksoziologie enthalten ist. Straka behauptet, die Konventionalität und Klischeehaftigkeit dieser Musik äußere sich, nach Adorno, vor allem in ihrer innermusikalischen Struktur.221 Tatsächlich aber sind es für Adorno gleichermaßen die innermusikalische Beschaffenheit, wie auch die Vereinheitlichung und Normierung zugehöriger soziologischer Prozesse, in denen sich die Banalität der leichten 217 218 219 220 221
Vgl. Adorno (1973), S. 212. Risch-Kerst, Kerst (2009), S. 293. Schoenebeck (1987), S. 10. Vgl. Straka (2007), S. 27. Vgl. Straka (2007), S. 27.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Musik manifestiere.222 Er betreibt keine Musiktheorie, sondern eine Musiksoziologie. »Die Standardisierung der leichten Musik ist aber, um ihrer kruden Simplizität willen, nicht sowohl [nicht nur, A. S.] innermusikalisch zu deuten wie [sondern auch, A. S.] soziologisch.«223 Im Anschluss daran erläutert Adorno eben diese zweipolige Interpretation, die unmittelbar ein Zitat beinhaltet, das Straka in seinem Text nutzt: »Manipuliert ist das Hören leichter Musik nicht erst von den Interessenten, die sie herstellen und verbreiten, sondern gleichsam von ihr selbst, ihrer immanenten Beschaffenheit. Sie etabliert in ihrem Opfer ein System bedingter Reflexe.«224 Noch dramatischer wird die Schieflage zwischen Original und Zitat beim Versuch Strakas, die innermusikalische Struktur der U-Musik nach Adorno wiederzugeben. So schreibt Adorno im Original: »Die Funktion des Ungleichzeitigen der Schlager, der Verbindung des Ausgekochten mit einem täppisch ungeschickten, halb dilettantischen Produzieren ist daraus zu begreifen, daß [sic!] die leichte Musik, die sich selbst an nichts mißt [sic!] als an ihrem sozialpsychologischen Effekt, um jenes Effekts willen einander widersprechende Desiderate erfüllen muß [sic!]. Auf der einen Seite will sie die Aufmerksamkeit des Hörers aufstacheln, von anderen Schlagern sich unterscheiden, wenn sie sich verkaufen lassen, den Hörer überhaupt erreichen soll. Andererseits darf sie über das Gewohnte nicht hinausgehen, damit sie ihn nicht zurückstoße: sie muß [sic!] unauffällig bleiben und jene Musiksprache nicht überschreiten, welche dem von der Produktion visierten [sic!] Durchschnittshörer natürlich dünkt, also die Tonalität der romantischen Epoche, allenfalls angereichert durch impressionistische und spätere Akzidentien [sic!]. Die Schwierigkeit, vor welcher der Hersteller leichter Musik steht, ist die, jenen Widerspruch auszugleichen, etwas zu schreiben, was einprägsam ist und allbekannt-banal zugleich.«225 Adornos zentralen Gedanken, die musikalische Beschaffenheit besitze vor allem eine paradoxe Natur, sie müsse gleichzeitig einzigartig sein und der Normierung entsprechen, enthält Straka seinen Lesern vor. Ohne auf den Kontext einzugehen, zitiert er lediglich jenen Teil des Textes, der die musikalische Vereinheitlichung betrifft (»sie muß [sic!] unauffällig bleiben […], allenfalls angereichert durch impressionistische und spätere Akzidentien [sic!]«) und verändert damit Adornos Aussage in höchstem Maße.226 Folglich sei diese Art der Musik hinreichend durch normierte Strukturen und eine vorgegebene und gewohnte Tonalität beschreibbar. Eine solch eindimensionale Betrachtung des Gegenstandes steht nicht nur im direkten Widerspruch zu Adorno. Sie steht der musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit leichter Musik diametral gegenüber und ist nicht fähig, diese auch nur rudimentär zu beschreiben.227 Darüber hinaus ist es bei aller Normierung und Standardisierung ja gerade das Spezielle, das Unterscheidung kreierende, was sich Werbeschaffende von musikalischen Mitteln in ihren Maßnahmen wünschen. So kann Adornos Aussage bezüglich der Anforderungen an die Komponisten von Schlagermusik analog für die Ansprüche von Marken an Brand Songs verwendet werden: »er solle zugleich das Allbekannte und 222 223 224 225 226 227
Vgl. Adorno (1973), S. 199-218. Adorno (1973), S. 208. Adorno (1973), S. 208. Adorno (1973), S. 210. Vgl. Straka (2007), S. 27. Vgl Schoenebeck (1987), vgl. Wicke (2004b), vgl. Hennion (1983).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
das zu Behaltende, also von allem Verschiedene schreiben, dann sind die qualitativ gelungenen Schlager wohl jene, in denen diese Quadratur des Zirkels geleistet ist«.228 Die Nutzung musikalischer Werke als Brand Songs, die, wie von Straka definiert, in ihrer innermusikalischen Struktur über das Gewohnte nicht hinausgehen229 und damit kein spezielles und differenzierendes Moment beinhalten, wird innerhalb der Markenführung demnach nur schwer zu vermitteln sein. Dasselbe gilt für die Aussage von Bronner und Hirt, der zufolge ein Brand Song grundsätzlich nach dem klassischen Liedschema mit Strophe und Refrain etc. aufgebaut sei,230 unabhängig von der Interpretation dieses Terminus. Die Autoren bleiben eine Definition des Begriffs schuldig. Sofern er als Normierung im Sinne populärer Liedformen des 20. Jahrhunderts gedeutet wird, ist es allerdings irreführend vom klassischen Liedschema zu sprechen: Der klassische Liedtyp bezeichnet eine konkrete Liedform der klassischen Musikepoche, deren Periodenbildung, Harmonik, Melodik und Rhythmik festen Regeln folgt, die nur sehr wenig mit der Struktur populärer Liedschemata des 20. Jahrhunderts gemeinsam haben.231 Eine umfangreiche und der Komplexität gerecht werdende empirische Beschreibung der Beschaffenheit und Elemente von Pop-Songs findet sich beispielsweise bei Hennion.232 Neben dieser Bestandsaufnahme befasst sich der französische Soziologe in seiner Publikation vor allem mit den Variablen und Prozessen, die den Erfolg oder Misserfolg eines Songs determinieren können – also eben mit jenen individuellen Charakteristika populärer Musik, die fähig sind Unterscheidung und Anziehungskraft zu erzeugen. Geht man also von einem formalisierten zeitlichen Aufbau nach Hennion aus, der vor allem auf dem Wechselspiel von Strophe und Refrain basiert, so besitzt die Mehrzahl von Brand Songs ein vergleichbares repetitives Arrangement. Nichtsdestotrotz finden sich, im Sinne entsprechender Markenkommunikationsziele, ebenfalls Titel, die andere zeitliche Merkmale aufweisen. Darüber hinaus wird die Strophen-Refrain-Struktur der klanglichen Gestaltformen populärer Musik in der jüngeren Geschichte vermehrt aufgebrochen, teilweise sogar obsolet. So besitzen populäre Musikformen wie etwa Dubstep, Deep House oder Techno häufig völlig andere repetitive Muster, die ihre grundsätzliche Verschiedenheit zu den Popsongs des prädigitalen Zeitalters manifestieren. Dass sie dabei selbst zu Popmusik werden, ändert nichts an dieser Tatsache. Aufgrund der hohen Beliebtheit solcher Stilarten bei urbanen Zielgruppen und ihrer Präsenz im kulturellen Diskurs sind sie für Marken, die sich als Trendsetter etablieren oder besonders zeitgemäß erscheinen wollen, ausgesprochen en vogue. Dementsprechend ist ein periodischer Aufbau nach Strophen-Refrain-Schema kein konstitutives Merkmal von Brand Songs und gerade das Ausklammern eines solchen Standards fähig, das individuelle Moment einer Marke zu transportieren und sie damit von Wettbewerbern abzugrenzen. Musikstücke, die nur über einen kurzen Zeitraum in Werbemaßnahmen Verwendung finden, werden als Werbelied (Commercial Song, Advertising Song, Ad Song etc.)
228 229 230 231 232
Adorno (1973), S. 217. Vgl. Straka (2007), S. 27. Vgl. Bronner, Hirt (2007b), S. 13. Vgl. Michels (2005), S. 107. Vgl. Hennion (1983).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
bezeichnet.233 Im Gegensatz zu Brand Songs sollen diese Stücke vor allem die Botschaften konkreter Maßnahmen kommunizieren, zum Beispiel die Kernaussage eines Werbespots oder die Leitidee eines Messeauftritts. Die Passung zur Markenidentität ordnet sich dementsprechend häufig dem Fit zur jeweiligen Maßnahme unter. So werden Werbelieder in erhöhtem Maße anhand inhaltlicher Nähe zu spezifischen Umsetzungen oder Events lizenziert oder komponiert und unterliegen damit ebenfalls verstärkt dramaturgischen Gesichtspunkten. Entgegen der Auffassung von Bronner und Hirt, Werbelieder dienten allein als Spotuntermalung und Hintergrundmusik,234 können diese Titel durchaus eine zentrale Funktion und dominante Position in kommunikativen Maßnahmen einnehmen. In Abhängigkeit von der Botschaft, Ästhetik und Dramaturgie der Werbemittel ist wiederum das gesamte Spektrum zwischen untergeordneter Hintergrundmusik und Musik als dominantem Hauptmotiv möglich. So besitzen beispielsweise manche Werbespots Qualitäten, die eher an die Ästhetik von Musikvideos erinnern, während andere audiovisuelle Umsetzungen mehr mit den verbalisierten Formen der Radiowerbung gemeinsam haben. Hat ein Werbemittel überdurchschnittlich hohen Erfolg, das darin verwendete Werbelied eine prägende Funktion und darüber hinaus eine hohe inhaltliche Nähe zur Marke, so kann das Musikstück zum Markenlied werden und längerfristig Verwendung zu Werbezwecken finden.
1.3.3
Brand Voice
Die menschliche Stimme lässt sich grundsätzlich in die Sprech- und Singstimme unterscheiden. Diese Dichotomie basiert auf graduellen Differenzen der Stimme in den entsprechenden Aggregatzuständen – so besitzen Sing- und Sprechstimme dieselben Eigenschaften in verschiedenen Ausprägungen. »Während beim Sprechen stetige, gleitende Bewegungen des Grundtones vorherrschen, bestimmen beim Gesang sprunghafte Änderungen mit festliegenden Tonhöhen und Intervallen den melodischen Ablauf. […] Der Sänger verharrt viel häufiger auf Vokalen oder stimmhaften Konsonanten, er nimmt also öfter nahezu konstante Stellungen der Ansatzräume ein, während ein Sprecher ständig umformt. […] Auch während des gespannten Sprechens ist der benötigte Tonumfang meist nicht so groß wie während des Singens und bewegt sich vorwiegend in der unteren Hälfte des Gesamtumfangs.«235 Weiterhin unterscheiden sich die Spektren gesprochener und gesungener Vokale ebenso wie der Frequenzgang der Umgangssprache, mit einem Maximum im Bereich 200-500 Hz bei gleichmäßigem Absinken hin zu höheren Frequenzen, von dem der Singstimme, der ein zusätzliches Maximum zwischen 2 000 und 3 500 Hz aufweist.236 Der wesentlichste Unterschied liege allerdings in der Steuerung durch das zentrale Nervensystem: »Während beim Gebrauch der Umgangssprache der sachliche Inhalt im Vordergrund steht und die stimmlichen Funktionen weitgehend unterbewußt [sic!] ablaufen, überwiegen beim Singen bewußt [sic!] gesteuerte Stimmbildung und Klangformung.«237 Dementsprechend wird eine durch 233 234 235 236 237
Vgl. Steiner (2014), S. 75; vgl. Kastner (2008), S. 68; vgl. Bronner, Hirt (2007b), S. 12. Vgl. Bronner, Hirt (2007b), S. 12. Wendler et al. (1996), S. 74. Vgl. Wendler et al. (1996), S. 75. Wendler et al. (1996), S. 74.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
die Stimmbildung professionalisierte Sprechstimme, die sich gerade durch »den bewußten [sic!] Einsatz stimmlicher Mittel, um bestimmte Wirkungen zu erreichen«238 auszeichnet, als Sprecherstimme, eine künstlerisch ausgebildete Singstimme als Sängerstimme bezeichnet.239 Da die grundlegenden Funktionen der Stimme beim Singen und Sprechen in keiner Relation zu ihrem Ausbildungsgrad stehen und darüber hinaus die Sprech- und die Sprecherstimme wie auch die Sing- und die Sängerstimme jeweils anhand derselben Kriterien beurteilt werden, wird im Folgenden lediglich zwischen der Sprech- und der Singstimme unterschieden, die wiederum unter dem Begriff der Stimme subsumiert werden. Die mittels der Stimme artikulierten Zeichen sind, als zentrales Instrument direkter menschlicher Kommunikation, fähig, sowohl rationale wie auch irrationale Inhalte zu transportieren. Bühler fasst diesen Sachverhalt im Organon-Modell der Sprache zusammen, demzufolge jede Äußerung drei semantische Funktionen einnimmt, die das jeweilige Schallphänomen als Sprachzeichen ausweisen: die Ausdrucksfunktion, die Darstellungsfunktion und die Appellfunktion.240 Darüber hinaus sind Sprech- und Singstimmen fähig, die Aufmerksamkeit von Hörern zu aktivieren und zu fokussieren, um auf diese Weise als dominierende Reize bewusst wahrgenommen zu werden. So können beispielsweise zunächst außerhalb der bewussten Aufmerksamkeit (in der peripheren Wahrnehmung) liegende Schlüsselwörter eine Neujustierung der Wahrnehmung hin zu deren Quelle verursachen. »Wenn wir uns mitten in einer lauten Party mit einem Freund unterhalten, ist unsere bewusste Aufmerksamkeit vollständig auf das Gespräch fokussiert, alles andere blendet unser Gehirn (vermeintlich) aus. Plötzlich ruft nun jemand unseren Namen. Die Konsequenz: Wir wenden sofort und ohne Nachdenken unseren Kopf in Richtung des Rufers.«241 Dieser als Cocktailparty-Effekt bezeichnete Vorgang basiert auf der Fähigkeit des menschlichen Gehörsinns, Informationen selektiv zu verarbeiten und so »aus einem Sprechergemisch die Sprachinformationen eines Sprechers zu extrahieren.«242 Dabei kommt es zu einer Verbesserung der Signaldetektion um bis zu 10 bis 18 dB, zu einer Verbesserung der Sprachverständlichkeit um 6 bis 9 dB und zu einer Verminderung der wahrgenommenen Reflexionen beziehungsweise des Nachhalls.243 Es handelt sich um einen binauralen Effekt, der mit zunehmendem Reflexions- und Nachhallanteil abnimmt. Befindet sich der Hörer außerhalb des Hallradius einer Quelle, »wo die Leistung des Direktschalls kleiner wird als die Leistung der Reflexionen«,244 nimmt die Fähigkeit des selektiven Hörens stark ab. Die gesungenen oder gesprochenen vokalen Anteile in populärer Musik besitzen in der Regel ebenfalls eine aufmerksamkeitsfokussierende Funktion. Sie erzählen die Geschichte eines Songs und singen, falls vorhanden, die Melodie. Während die Geschichte die Identifikation des Hörers mit dem singenden Ich ermöglicht, dient die Melodie,
238 239 240 241 242 243 244
Wendler et al. (1996), S. 74. Vgl. Wendler et al. (1996), S. 73f. Vgl. Krallmann, Ziemann (2001), S. 64ff. Scheier, Held (2012), S. 111. Slatky (1992), S. 8. Vgl. Slatky (1992), S. 8. Slatky (1992), S. 8.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
ein leicht erinnerbares und reproduzierbares Element, der Anregung der Hörerphantasie sowie als komplexitätsreduzierendes Assoziationsgefäß für die dahinter liegenden musikalischen Eigenschaften eines Musikstücks.245 Dementsprechend würden die Hörer bei der Rezeption eines entsprechenden Popsongs ihre Aufmerksamkeit vor allem der darin erzählten Geschichte und dessen Melodieführung, also der Stimme, zuwenden.246 Hennion betrachtet das Verhältnis von Geschichte und Liedtext analog zur Beziehung von Melodie und Arrangement. Während die Geschichte und Melodie eines Musikstücks bewusst wahrgenommen würden, seien es einerseits vor allem die zeitgemäße Auswahl der Worte und deren Korrelation mit der Musik, andererseits das Arrangement und die Begleitung, durch die diese Elemente erst Signifikanz erlangten.247 Diese, in der peripheren Wahrnehmung liegenden, Inhalte werden folglich simultan und implizit im Gehirn verarbeitet und beeinflussen die Richtung und Intensität der bewussten Aufmerksamkeit.248 Darüber hinaus würde der häufig eingesetzte direkte Erzählstil, ein Ich wendet sich an ein Du, den Hörer dazu einladen, einen Song als Repräsentation der eigenen Phantasien einzuordnen.249 Die aus der so erzeugten Intimität entstehende individuelle Interpretation der Inhalte und damit einhergehende emotionale wie auch assoziative Inhalte können als weiteres Indiz für die Ausrichtung der Aufmerksamkeit an der Stimme eines Musikstücks verstanden werden – sind es doch gerade die persönlichen Gefühle, Phantasien und Assoziationen, die ein Musikstück sowohl rezeptionsseitig wie auch senderseitig erzeugen soll. Neben dem Erzählstil, der Wortwahl und anderen textbezogenen Parametern kann diese Intimität mittels stimminhärenter Merkmale hervorgerufen werden, welche die Persönlichkeit und Authentizität eines Sängers transportieren würden.250 Abgesehen von der Stimmlage, die den Tonumfang einer Singstimme oder eines Musikinstruments kategorisiert, handelt es sich dabei vor allem um phonetische oder prosodische Attribute. Diese besitzen bei allen stimmlichen Artikulationsformen Wirksamkeit und damit sowohl für die Singstimme wie auch für die Sprechstimme prägende Relevanz. Phonetische Eigenschaften beschreiben die Beschaffenheit und Bildung einzelner Laute (Segmente), also zum Beispiel die spezifische Formantverteilung (das Obertonspektrum) von Vokalen oder die stimmhafte gegenüber der stimmlosen Lauterzeugung.251 »Ein segmentales Merkmal (z.B. [± stimmhaft]) kann (innerhalb einer Silbe) von einem Segment zum nächsten einen anderen Wert annehmen und ist folglich eine Eigenschaft eines Segments.«252 Demgegenüber beschäftigt sich die Prosodie, in einem weit gefassten Verständnis, mit den suprasegmentalen (den über den Segmenten liegenden) Phänomenen artikulatorischer Vorgänge.253 »Ein suprasegmentales Merkmal (z.B. [± akzentuiert]) kann innerhalb einer phonologischen Einheit, die größer als ein Segment ist, (also z.B. einer Silbe oder einem phonologischen Wort) nicht den Wert wechseln und 245 246 247 248 249 250 251 252 253
Vgl. Hennion (1983), S. 163, S. 171. Vgl. Hennion (1983), S. 163, S. 171, S. 177. Vgl. Hennion (1983), S. 171, S. 177. Vgl. Scheier, Held (2012), S. 111f. Vgl. Hennion (1983), S. 177, S. 180. Vgl. Hennion (1983), S. 182ff. Vgl. Barth-Weingarten, Szczepek Reed (2014), S. 7; vgl. Lehmann (2013), 4., 5. Lehmann (2013), 15. Vgl. Barth-Weingarten, Szczepek Reed (2014), S. 7f.; vgl. Lehmann (2013), 15.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
ist folglich eine Eigenschaft einer solchen größeren Einheit.«254 Unter der Bezeichnung Prosodie lassen sich also »alle syntagmatischen Beziehungen zwischen Silben, Wörtern und Äußerungen, die nicht von deren Struktur bestimmt und als kommunikative Signale genutzt werden«255 subsumieren. Dazu gehören Wahrnehmungsgrößen wie Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit und Lautheit, deren akustische Korrelate Grundfrequenz, Dauer und Lautstärke direkt messbar sind, der lexikalische Ton (Höhe und Verlauf der Grundfrequenz innerhalb einer Silbe), Pausen und die relative zeitliche Dauer sprachlicher Einheiten, aber auch abstraktere Phänomene, wie Satz- und Wortakzente, die Intonation und Satzmelodie, der Sprechrhythmus und das Timbre, dessen Wahrnehmung auf dem Zusammenwirken mehrerer akustischer Merkmale basiert.256 Abgesehen von den linguistischen Funktionen der prosodischen Eigenschaften eines gesprochenen Inhalts, »die den syntaktischen und semantischen Gehalt der Äußerung übermitteln«, besitzen diese suprasegmentalen Merkmale paralinguistische Funktionen, die Informationen über die Herkunft des Senders (bspw. anhand seines Dialektes), »das Geschlecht, das Alter, die physische Befindlichkeit, Emotionen und Stimmungen […] sowie die Einstellung […] zum Gesprächsinhalt und zu seinen Gesprächspartnern geben können.«257 Dementsprechend wird die Stimme einer Person bereits seit der Antike unter anderem als Ausdruck der Persönlichkeit eingeschätzt. So erklärt Aristoteles in seiner Schrift Peri Hermeneias: »Nun sind die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme ein Symbol für das, was (beim Sprechen) unserer Seele widerfährt«.258 Ferdinand de Saussure unterscheidet in seinem Standardwerk zur Sprachwissenschaft von 1916 grundsätzlich das Soziale (die Sprache) vom Individuellen (dem Sprechen).259 Die Sprecherin und Sprachtrainerin Ingrid Amon erläutert: »Über die Stimme offenbaren wir uns ganz. Sie verrät schonungslos unser tatsächliches Befinden, unsere Tagesverfassung, unsere Ängste, unsere Freude, im weitesten Sinn unsere seelische Gestimmtheit.«260 In Abhängigkeit von ihrer graduellen Intensität und Konventionalität machen die jeweils einzigartige Zusammensetzung und Ausprägung der phonetischen und prosodischen Eigenschaften die Stimme also zu einem mehr oder weniger unverwechselbaren auditiven Fingerabdruck eines Individuums, der Authentizität transportieren und Wiedererkennung erzeugen kann.261 Die professionelle Stimmbildung kann diesbezüglich zu gegensätzlichen Effekten führen. So kann die bewusste Steuerung der stimmlichen Merkmale zwar gezielt bestimmte Wirkungen im Rezipienten hervorrufen, ein angenehmeres Klangbild der Stimme, eine deutlichere Aussprache oder auch Dialektfreiheit erzeugen, gleichzeitig aber zu einem Verlust an Authentizität, Originalität und damit einer verringerten Anziehungskraft der Stimme – einer Identitätsunschärfe – führen.262 Hinsichtlich der Verwendung von Stimmen in der Markenkommu254 Lehmann (2013), 15. 255 Barth-Weingarten, Szczepek Reed (2014), S. 8. 256 Vgl. Barth-Weingarten, Szczepek Reed (2014), S. 8; vgl. Lehmann (2013), 15.; vgl. Paeschke (2003), S. 23-49. 257 Paeschke (2003), S. 23. 258 Aristoteles (1994), S. 3. 259 Vgl. Saussure (2001), S. 16. 260 Amon (2007), S. 24f. 261 Vgl. Wendler et al. (1996), S. 73. 262 Vgl. Amon (2007), S. 19; vgl. Wendler et al. (1996), S. 73ff.; vgl. Hennion (1983), S. 182ff.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
nikation verweist Jackson in diesem Kontext auf eine Marktstudie der Firma Orange, die sich mit denjenigen stimmlichen Inhalten befasst, die ihren Kunden begegnen würden. Neben den Stimmen, die sie selbst in ihren Dienstleistungen verwendeten, analysierte Orange die Stimmen ihrer Konkurrenz und grundsätzlicher Service-Angebote, die von ihren Kunden genutzt werden könnten. Den Ergebnissen zufolge, hätten die meisten Stimmen gleich geklungen und in ihren Qualitäten fast ausnahmslos auf andere Werte als diejenigen der dahinter stehenden Marken hingewiesen.263 Ob eine solche Standardisierung auch außerhalb des englischen Marktsegments der Firma Orange existiert, kann an dieser Stelle nicht empirisch nachgewiesen werden. Da in der Markenkommunikation jedoch größtenteils professionelle Sprecher und Sänger zum Einsatz kommen, lässt sich eine tendenzielle Stimmnormierung im Sinne eines angenehmen Klangbildes, der deutlichen Aussprache oder der Dialektfreiheit ebenfalls nicht leugnen. Die spezifische Sprechweise eines Individuums, die sich auch in seiner Singstimme widerspiegelt, wird als Idiolekt bezeichnet. Als Analogiebildung zum Terminus Dialekt, unter Verwendung des griechischen idios (eigen, eigentümlich), subsumiert der Begriff alle Eigenschaften, die den einzigartigen Sprachgebrauch eines Sprechers auszeichnen. Demnach beinhaltet der Idiolekt, neben allen genannten stimmlichen Merkmalen, den Wortschatz, die Wortwahl, das Sprachverhalten und die Ausdrucksweise einer Person und reflektiert damit deren psychische, kulturelle und soziale Geschichte sowie aktuelle Beschaffenheit.264 Empfängerseitig sind es gleichermaßen diese Charakteristika, die in hohem Maße die Rezeption und Interpretation eines stimmlichen Ausdrucks determinieren. »Die seelische Verfassung, ›die Stimmung‹, in der sich ein Mensch befindet, die Situation, in der eine Stimme erklingt, oder die gesellschaftliche Position, von der aus gesprochen wird, prägen den [wahrgenommenen, A. S.] Klang einer Stimme oft entscheidend.«265 Trotz dieser grundsätzlichen Kontextabhängigkeit der Stimmwahrnehmung lassen sich bestimmte Wahrnehmungsdimensionen feststellen, deren Ausprägungsrichtung vorwiegend von messbaren Stimmqualitäten bestimmt wird. So ist beispielsweise die Rezeption der Klangfarbe einer Stimme in hohem Maße abhängig von deren Obertonspektrum, Veränderungen dieser Teiltonstruktur über die Dauer eines Klanges (Frequenz- und Amplitudenschwankungen) sowie dessen Ein- und Ausschwingvorgängen.266 Je präziser sich die Obertonstruktur dabei einem ganzzahligen Verhältnis annähert, desto harmonischer ihr Klang. Die konkrete spektrale Lage der prägnanten Obertöne und der Konsonanz- oder Dissonanzgrad der zwischen diesen Partialschwingungen liegenden Intervalle fokussieren die Klangfarbenwahrnehmung weiterhin. Produziert etwa eine Stimme einen Laut, der nur in geringem Maße Frequenz- und Amplitudenschwankungen unterliegt, einen weichen Ein- und Ausschwingvorgang besitzt, dessen Grundfrequenz bei 100 Hz liegt und dessen prägnante Obertöne im Bereich bis 600 Hz ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind, so bilden diese Obertöne im warmen Frequenzbereich267 einen Durakkord und der Laut würde mit hoher Wahrscheinlichkeit 263 264 265 266 267
Vgl. Jackson (2003), S. 134. Vgl. Blum (2013), S. 22f.; vgl. Hennion (1983), S. 185. Wendler et al. (1996), S. 73. Vgl. Wendler et al. (1996), S. 98. Vgl. Katz (2010), S. 55.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
als angenehm und warm wahrgenommen werden. Insofern sich Amon mit ihrer Aussage, warme und tiefe Stimmen würden als eher angenehm, hohe und schrille Stimmen als eher unangenehm empfunden werden,268 auf Stimmen dieser Qualität beziehungsweise Stimmen gegensätzlicher Eigenschaften bezieht, ist diese Aussage zwar nachvollziehbar, jedoch nicht empirisch belegt. Dafür müssten weitere Stimmparameter, wie etwa die mittlere Stimmlage oder die Tonhöhe, mit in Untersuchungen einbezogen werden. Dessen ungeachtet können klischeehafte Stimmen ebenso stereotype Wahrnehmungen hervorrufen – Klein-Mädchen-Stimmen könnten Beschützerinstinkte bei Männern hervorrufen, angestrengt scharfe Stimmen als aggressiv, hart oder kalt empfunden werden.269 Darüber hinaus sind bestimmte senderseitig intendierte emotionale Qualitäten in Stimmen grundsätzlich sehr gut wahrnehmbar und werden folglich mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig interpretiert. Paeschke verifiziert die Ergebnisse vorangegangener Studien und belegt die sehr gute Erkennbarkeit der Emotionen Angst, Ekel, Freude, Langeweile, Trauer und Ärger in Stimmen, die in ihrer empirischen Untersuchung im Durchschnitt zu 80 % korrekt detektiert wurden.270 Situationsund kontextbezogene Einflussfaktoren wurden dabei nicht berücksichtigt. Wendler et al. stellen fest, dass die Vielzahl der möglichen Variationen und Kombinationen [aller Einflussfaktoren, A. S.] eine profunde Analyse der physikalischen, physiologischen und psychologischen Zusammenhänge [bei der Stimmwahrnehmung, A. S.] außerordentlich schwierig mache und es diesbezüglich neben fundierten Aussagen nicht selten zu Spekulationen komme, die leicht in mystische Regionen geraten könnten.271 So finden sich auch in der Literatur zur akustischen Markenführung zahlreiche Aussagen hinsichtlich der menschlichen Stimme, die keine empirische Fundierung besitzen, auf Vermutungen basieren oder kausale Zusammenhänge anhand unvollständiger Beobachtungen herstellen. Kastner und Berg erklären beispielweise, die Stimme würde, unabhängig von der Geräuschkulisse, grundsätzlich die Aufmerksamkeit des Hörers auf den Sprecher lenken – konkurrierende Geräusche wie Musik oder Verkehrslärm träten in den Hintergrund.272 Beide Autoren beziehen sich in dieser Aussage auf Michel Chion, einen ehemaligen Schüler Pierre Schaeffers, in dessen Originalquelle sich keine dementsprechende Darstellung finden lässt.273 Obwohl die Stimme, in Abhängigkeit von situativem Kontext und Inhalt, eine aufmerksamkeitsfokussierende Wirkung entfalten kann (s.o.), ist dies weder eine allgemeingültige Regel noch eine ausschließlich der Stimme vorbehaltene Funktion. Demgemäß können zum Beispiel alarmartige Signale (eine Polizeisirene) oder auch bekannte musikalische Inhalte gleichermaßen zur selektiven Ausrichtung des Gehörsinns führen und diesen von stimmlichen Inhalten ablösen. Bronner stellt fest, dass der Klang der Stimme bestimmte Assoziationen erzeuge und Emotionen wecke.274 Diese Hypothese belegt er mit dem Beispiel der Stimmen des 268 269 270 271 272 273 274
Vgl. Amon (2007), S. 29. Vgl. Amon (2007), S. 29. Vgl. Paeschke (2003), S. 73f., S. 111. Vgl. Wendler et al. (1996), S. 74. Vgl. Berg (2012), S. 56; vgl. Kastner (2008), S. 67. Vgl. Chion (1983). Vgl. Bronner (2007), S. 87.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
von der Biermarke Beck’s langjährig in der Werbung verwendeten Songs Sail Away. Die »rauen, markanten Stimmen« von Joe Cocker und Hans Hartz würden »in überzeugender Weise die für den Markenauftritt wichtigen Werte Männlichkeit, Freiheit und Abenteuer« transportieren.275 Ähnlich wie im vorangegangenen Beispiel ignoriert Bronner dabei die grundsätzliche Kontext- und Inhaltsabhängigkeit stimmlicher Signale. Schon die Veränderung der visuellen Komponente kann zu einer deutlich veränderten Wahrnehmung der Stimmattribute führen. Derselbe Titel und die zugehörige Stimme könnten beispielsweise bei der synchronen Darstellung eines Films über Obdachlose völlig andere Gedankenverbindungen wecken. Bei weiteren Modifikationen der Inhalte und des Kontextes könnte Joe Cockers Stimme möglicherweise Assoziationen wie Leiden, Trauer und Machtlosigkeit auslösen. Folglich ist es nicht der Klang der Stimme, der bestimmte Assoziationen erzeugt und Gefühle weckt, sondern der Klang der Stimme in einem konkreten Kontext sowie die semantischen Inhalte der Sprache, die intendierte Gedankenverbindungen und Emotionen erzeugen können. Aufgrund ihrer zahlreichen und vielfältigen oben genannten Qualitäten ist die menschliche Stimme ein zentrales Instrument der akustischen Markenführung. Als Brand Voice oder Markenstimme wird eine Sprech- oder Singstimme bezeichnet, die, in Abgrenzung zur Kampagnen- oder Spotstimme, über einen längeren Zeitraum für die Kommunikationszwecke einer Marke genutzt wird.276 Sie kann in allen audiovisuellen und auditiven Kanälen Einsatz finden, also neben der Verwendung in Kino-, Fernseh- oder Internetspots auch in der Radiowerbung oder etwa in Telefonsystemen verwertet werden. Der von einer Markenstimme artikulierte Markenname oder Claim einer Marke wird häufig mit dem entsprechenden Sound Logo kombiniert, um die Erinnerbarkeit und Zuordnung des abstrakten auditiven Zeichens zu erhöhen.277 Abgesehen von den semantischen Inhalten, den sprachlichen Botschaften, die sie überträgt, liegt die zentrale Funktion der Brand Voice in der Repräsentation und Kommunikation der Markenidentität und dementsprechenden emotionalen Inhalten.278 Die Brand Voice ist also ein weiteres Werkzeug, das Markenidentifizierung, -differenzierung und -wiedererkennung erzeugen soll. Dass die Persönlichkeit eines Sprechers dabei mit der Markenpersönlichkeit übereinstimmen sollte, wie Bronner dies nahelegt, ist nicht nachvollziehbar.279 So kann eine Person, deren identitätsstiftende Qualitäten weitestgehend mit den Attributen einer Marke übereinstimmen durchaus stimmliche Eigenschaften besitzen, die diesem Markenbild diametral widersprechen. Vielmehr sind es die oben genannten stimmlichen Merkmale, die im konkreten Kontext zur Marke in ihrer Wahrnehmung eine hohe Konvergenz zur Markenidentität, einen hohen Fit, besitzen sollten. Da es weiterhin, insbesondere beim Einsatz einer Off-Stimme, also einer Stimme ohne visuelle Identität, zu einem bidirektionalen Persönlichkeitstransfer zwischen Marke und Stimme kommen kann, ist es durch die Optimierung des Fits des Stimmcharakters mit der Markenpersönlichkeit möglich, Glaubwürdigkeit
275 276 277 278 279
Bronner (2007), S. 87. Vgl. Berg (2012), S. 57. Kastner (2008), S. 67. Vgl. Steiner (2014), S. 76; vgl. Berg (2012), S. 56; vgl. Bronner (2007), S. 87. Vgl. Bronner (2007), S. 87.
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und Akzeptanz einer Marke bei der Zielgruppe zu erzeugen.280 Umgekehrt könnte »eine nicht markenadäquate Stimme auch negative Folgen für die Marke haben«281 und etwa zu einer Markenunschärfe in der Wahrnehmung der Rezipienten führen. Dieser Effekt kann ebenfalls eintreten, wenn dieselbe Stimme von mehreren Anbietern zu Kommunikationszwecken genutzt wird. Exklusive Bindungen zwischen Stimmen und Marken sind in der gängigen Werbepraxis allerdings kaum auffindbar. Vielmehr belegen die Webseiten großer deutscher Sprecheragenturen die non-exklusive und möglichst facettenreiche Nutzung der Stimmen professioneller Sprecher für alle Arten von Auftraggebern.282 So lieh zum Beispiel Manfred Lehmann unter anderem den Schauspielern Bruce Willis, Gérard Depardieu und Willem Dafoe seine Stimme, die gleichermaßen als Brand Voice der ehemaligen Baumarktkette Praktiker diente und neben der Verwendung in der Werbung für Jamba, Nissan oder auch die Expo 2015 in zahlreichen Werbespots anderer Marken hörbar ist.283 Beim Einsatz der Stimmen von Synchronsprechern, die »den Markenkontaktpersonen aus andern Kontexten wie Spielfilmen oder Hörspielen vertraut sind«,284 kann es zu einem Imagetransfer synchronisierter Figuren oder Schauspieler auf die Marke und vice versa kommen. Dass es sich dabei um die Verknüpfung von Fremdbildern handelt, ändert nichts an der Wirksamkeit dieses Effektes, der sowohl positive wie auch negative Attribute in beide Richtungen transportieren kann. So liegt es zwar nahe, dass die aktuelle deutsche Markenstimme der Porsche AG aufgrund ihrer Nutzung als Synchronstimme von Daniel Craig als James Bond strategisch ausgewählt wurde, kann aber nicht verifiziert werden. Die gleichzeitige Synchronisation von Adam Sandler oder auch die Beisteuerung der Off-Stimme in einem Fernsehwerbespot für Duschgel, die neben einer Vielzahl anderer Sprechertätigkeiten ebenfalls durch den Schauspieler und Synchronsprechers Dietmar Wunder realisiert wurden, stehen im Widerspruch zu dieser Hypothese.285 Der Einsatz prominenter Stimmen berge zudem das Risiko des so genannten Vampireffektes, der die Ablenkung von der intendierten Werbebotschaft durch vordergründig aktivierende Reize bezeichnet.286
1.3.4
Corporate Song
Der Begriff Corporate Song bezeichnet zwei, hinsichtlich ihres Kommunikationszieles und ihrer Zielgruppe, unterschiedliche Arten von Musikstücken. Einerseits kann es sich dabei um Titel handeln, welche die Funktion von Brand Songs für ganze Unternehmen (bspw. Unternehmensmarken) ausfüllen sollen und dementsprechend an oben genannten Kriterien aus der Perspektive einer Unternehmensidentität gemessen werden können.287 Andererseits beschreibt der Begriff Musikstücke, die zur internen
280 281 282 283 284 285 286 287
Vgl. Steiner (2014), S. 76; vgl. Berg (2012), S. 57. Steiner (2014), S. 76. Vgl. Sprecherdatei.de (2019a); vgl. Agentur Stimmgerecht oHG (2019a). Vgl. Sprecherdatei.de (2019b); vgl. Agentur Stimmgerecht oHG (2019b). Straka (2007), S. 39. Vgl. Wunder (2019); vgl. Sprecherdatei.de (2019c). Vgl. Steiner (2014), S. 76; Berg (2012), S. 57. Vgl. Straka (2007), S. 26.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Unternehmenskommunikation genutzt werden und die Mitarbeiter von Unternehmen als Zielgruppe fokussieren. Letztere werden demgemäß unter anderem als Firmenbeziehungsweise Unternehmenslieder oder Firmen- beziehungsweise Unternehmenshymnen betitelt.288 Diese Firmenhymnen können beispielsweise bei »Firmenveranstaltungen, in PC- und Telefon-Sounddesigns oder unternehmensinterne[n] Präsentationen«289 genutzt oder den Mitarbeitern als Download zur Verfügung gestellt werden. Neben einer Mehrzahl von Neukompositionen finden sich darunter auch Coverversionen mit neuen Textdichtungen. »So ist es bei den meisten Firmenliedern: Sie werden von oben beauftragt, von außen professionell komponiert und sind nach innen gerichtet.«290 Demnach stellen die Nutzung des Gospelklassikers Oh Happy Day durch die Unternehmensgruppe Ernst & Young, die aus »When Jesus Washed My Sins Away« kurzerhand »When Ernst & Young Showed Me a Better Way« machten,291 sowie die Verwendung von Michael Jacksons We Are The World durch den Ölkonzern Royal Dutch Shell, der daraus einen Titel namens Growing And Winning machte,292 Ausnahmen im Bereich der Firmenlieder dar. Die Unternehmenshymnen sollen den Teamgeist stärken, die Arbeitsmotivation und -effizienz steigern sowie die Bindung an das Unternehmen festigen.293 »Die Songs wollen ein Wir-Gefühl erzeugen, auf ein gemeinsames Ziel einschwören und die Belegschaft da emotional packen, wo Motivation durch Gehalt nicht mehr weiterkommt. Ähnlich wie Nationalhymnen sollen Unternehmenshymnen ans Herz gehen – Gänsehaut inklusive.«294 So hat sich zum Beispiel Ernst Primosch, der ehemalige Leiter der Unternehmenskommunikation der Henkel-Gruppe, vom 2002 komponierten und produzierten Firmensong We Together erhofft, das gemeinsame Lied würde an unternehmenseigene Werte erinnern und den weltweit 50 000 Mitarbeitern, trotz kultureller und regionaler Unterschiede, die Identität des Unternehmens vermitteln.295 Hans-Dieter Huober, Leiter der internen Kommunikation von IBM Deutschland erklärt: »Jeder Fußballverein oder Kegelclub hat heute seinen Song. Das zeigt einfach, dass es ein Bedürfnis danach gibt. Je rationaler die Arbeitswelt wird, umso größer ist die Sehnsucht der Beschäftigten, auch mal auf der emotionalen Ebene angesprochen zu werden.«296 Der Kulturwissenschaftler Rudi Maier sieht Firmenlieder, in Abgrenzung zur Musik für Werbezwecke, an die kulturelle Praxis der traditionellen Werkschöre oder der Arbeitergesangsvereine anknüpfen.297 Sie sollen vor allem zum Mitsingen anregen und für Personen aller Schichten – alle Mitarbeiter eines Unternehmens – musikalisch gleichermaßen leicht verständlich sein. Der Gesang wirke, in die gesellschaftliche Praxis von Kollektiven integriert, bei der Gestaltung des individuellen und sozialen Lebens und 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297
Vgl. Berg (2012), S. 55. Berg (2012), S. 55. Uhtenwoldt (2012). Terpitz (2008), S. 3. Roth (2009). Vgl. Maier (2009), S. 117. Terpitz (2008), S. 1. Vgl. Roth (2005), S. 21. Terpitz (2008), S. 1. Vgl. Maier (2009), S. 121.
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der Herausbildung von Wertvorstellungen bei der Formierung von Wirklichkeit mit.298 Dementsprechend könne der Prozess des gemeinschaftlichen Singens das oben genannte Wir-Gefühl erzeugen und stärken.299 Hinsichtlich der musikalischen Verständlichkeit habe eine Recherche von 2008, die etwa 130 englisch- und deutschsprachige Titel umfasste, ergeben, dass die Firmenlieder »– von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – aus sehr eingängigen, einfachen Melodien und Rhythmen bestehen«.300 In den 1920er Jahren waren es zunächst US-amerikanische Firmen, die musikalische Inhalte als Instrument der internen Unternehmenskommunikation nutzten. So sangen zum Beispiel die Angestellten des New Yorker Kaufhauses Macy’s »täglich vor Ladeneröffnung zu Motivationszwecken die eigens komponierte Macy’s-Hymne.«301 1927 veröffentlichte IBM erstmals das Liederbuch Songs of the IBM, in dessen Liedern Mobilisierungs- und Aktivierungsabsichten sowie ein gewisser Stolz der Unternehmenszugehörigkeit nicht zu überhören sei.302 Am Ende der 1940er Jahre hätten zudem japanische Konzernlenker angefangen, ihre Mitarbeiter durch interne Firmenlieder auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören.303 Firmenhymnen würden in japanischen Betrieben als ein zentraler Baustein des Loyalitätsbekenntnisses von Beschäftigten gegenüber Unternehmen gelten.304 In Deutschland seien die Songs Are You Ready (HypoVereinsbank, 1998) und We Do Everything (Bosch, 1999) einige der ersten Firmenhymnen.305 Seither sei der unternehmensinterne Einsatz von Musik in Deutschland gewachsen.306 Dies sei, so die Hypothese Maiers, auf die »sich grundsätzlich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Erwerbsarbeit« zurückzuführen.307 »Mittlerweile habe der ›kognitive den industriellen Kapitalismus abgelöst‹, sagt Maier: Repräsentation und Kommunikation sind die globale Währung, die Kassiererin im Supermarkt muss so süß lächeln, wie die Stimme der Callcenter-Dame klingt.«308 Weiterhin würden der »stetig wachsende Prekarisierungsdruck unter dem neoliberalen Leitbild eines ›unternehmerischen Selbst‹« wie auch der »von Rolf Lindner (1995) als ›Kulturtransfer‹ beschriebene umfassende Kulturalisierungsprozess« zu diesen Veränderungen zählen.309 Eine ebenso bedeutende Rolle spiele dabei die »von Angela McRobbie analysierte Ästhetisierung des gesamten Alltagslebens als Ausdruck eines umfassenden gesellschaftlichen Prozesses. Von größter Bedeutung ist für sie dabei das ›neue kulturelle Triumvirat – Mode, Kunst und Popmusik‹. In anderen Worten kann auch von einer ›Kulturalisierung der Ökonomie‹ gesprochen werden: ›Kultur [dient] heute tatsächlich als Motor für das wirtschaftliche Wachstum‹.«310 So lässt sich
298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310
Vgl. Kayser (1976), S. 5 zit.n. Maier (2009), S. 119. Vgl. Maier (2009), S. 122. Maier (2009), S. 118f. Jackson (2003), S. 12 zit.n. Kastner (2008), S. 68. Vgl. Maier (2009), S. 123. Vgl. Maier (2009), S. 122f. Vgl. Maier (2009), S. 122f. Vgl. Maier (2009), S. 124. Vgl. Maier (2009), S. 133; Terpitz (2008), S. 1. Maier (2009), S. 133. Roth (2009). Maier (2009), S. 133. Maier (2009), S. 133f.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
auch für den Bereich der unternehmensinternen Kommunikation eine fortschreitende Verzahnung mit populären Musikkulturen feststellen. Während Unternehmen populäre Musik in diesem Kontext für oben genannte Zwecke instrumentalisieren, können Firmenhymnen andersherum Teil der Popkultur werden: »So wurde [bspw., A. S.] der Song ›Air Berlin‹ in einer HörerInnen-Hitparade des Münchner Lokalradios ›Radio Gong‹ im April 2007 auf Platz eins gewählt.«311 Bezüglich des Erfolgs oder Misserfolgs beziehungsweise des Grades der Akzeptanz oder Reaktanz von Firmenliedern seitens der Unternehmensmitarbeiter gibt es keine verlässlichen empirischen Befunde. Der kulturelle Kontext determiniert in hohem Maße die Rezeption einer solchen Firmenhymne. So könnte beispielsweise ein allzu patriotischer Inhalt, der in Amerika großen Anklang findet, in Deutschland auf eine hohe Ablehnungshaltung stoßen. Ebenso könnten zu stark auf Loyalität abzielende Inhalte, die in Japan positive Resonanz hervorrufen, in den USA als Widerspruch zum nationalen Freiheitsgedanken empfunden und damit zurückgewiesen werden. Die Führungskräftetrainerin Jacqueline Groher meint sogar, Firmenhymnen würden nicht in die deutsche Unternehmenskultur passen und seien eher in der japanischen oder amerikanischen Tradition plausibel.312 Sie wünscht sich von den Leitbildern Ecken und Kanten anstelle der Weichspülersongs. Ob die Mitarbeiter von Unternehmen tatsächlich die »nett verpackten Aufforderungen, noch mehr, besser und härter zu arbeiten« durchschauen,313 wie Rudi Maier dies in einem Interview nahelegt, kann ohne entsprechende Belege nicht eindeutig geklärt werden. Die nähere Betrachtung prägnanter Textstellen einiger Firmenhymnen legt dies allerdings ebenfalls nahe. So heißt es zum Beispiel bei Kaufland »Ein Lächeln ist mehr wert, als du denkst. Ein Lächeln ist Gold, das du verschenkst. Ein Lächeln ist billig, kostet gar kein Geld, und erobert dir trotzdem die Kundenwelt.«314 Air Berlin hatte dagegen »Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin. Kein Sturm hält uns auf, unsere Air Berlin. Die Nase im Wind, den Kunden im Sinn und ein Lächeln stets mit drin – Air Berlin.«315 Und schließlich sind bei Henkel alle Mitarbeiter »We together all together. That’s why the Henkel name will always stay. From beginning to end. A Brand like a Friend.«316 Folglich könne diese Art der obrigkeitsverordneten Fröhlichkeit tatsächlich Gemeinschaft stiften: »Dann nämlich, ›wenn man gemeinsam heimlich darüber lästert‹. Andernfalls schürt das oktroyierte Wir-Gefühl Misstrauen oder ist zumindest Anlass zum Fremdschämen.«317 Maier spricht in diesem Kontext von wenig nachhaltigen Top-Down-Forderungen.318 Noch kritischer betrachtet Tim Nudd das Thema, in einem Artikel für die amerikanische Onlineausgabe der Adweek 2006: »Another way to drive your employees slowly insane: Have a corporate song.«319 Er sieht eine grundsätzliche Schieflage in der allgemeinen Unternehmenskultur durch die Auszeichnung 311 312 313 314 315 316 317 318 319
Maier (2009), S. 133. Vgl. Uhtenwoldt (2012). Roth (2009). Roth (2009). Roth (2009). Roth (2009). Roth (2009). Roth (2009). Nudd (2006).
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der Firmenhymne We Together von Henkel mit dem Stevie International Business Award als bester Corporate Song für den besten Liedtext und die beste Komposition manifestiert. Der Song sei »aspirational light rock [dem sozialen Aufstieg verpflichteter, leichter Rock, A. S.]. Another name for it would be complete and utter shit [kompletter und vollständiger Schrott, A. S.].«320 Obwohl es sich dabei um rein individuelle und keineswegs wissenschaftliche Aussagen handelt, verdeutlicht dieses Beispiel, wie ablehnend die Haltung gegenüber solchen Unternehmenshymnen sein kann. Er belegt damit, dass einfache musikalische Muster in Verbindung mit sehr schlichten und manipulativen Texten bei der Nutzung als Firmenlied zu Abwehrhaltungen und Zurückweisung führen können. Rudi Maier erklärt, Firmenhymnen seien »in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs, ein kulturalisiertes Unterfangen, ihre Beschäftigten [die Mitarbeiter eines Unternehmens, A. S.] mittels derartiger Instrumente in motivierte, innovative und kreative Mitarbeiter zu verwandeln – die gebraucht werden, damit die Unternehmen in diesem Wandel bestehen können.«321 Der Kulturwissenschaftler stellt weiterhin fest: »Nicht wenige Unternehmen haben ihre Hymne inzwischen vom Netz genommen. Sie ist ihnen plötzlich zu peinlich.«322 Die Unternehmenslieder transportieren eine Gemeinschaftlichkeit, die vor allem aus der Perspektive der Unternehmensführung zur Erreichung oben genannter Ziele wünschenswert ist. Wird dieser Zweck und der Absender der Botschaft von den internen Zielgruppen identifiziert, manifestieren Firmenhymnen damit ungewollt eine soziale Hierarchie und damit verbundene Unternehmenskultur – die Divergenz zwischen imaginärer Unternehmensidentität und sozialer Realität. Werden die Inhalte der Musikstücke weiterhin durch konkrete Ereignisse unglaubwürdig, wie beispielsweise durch Entlassungen, verlieren sie jegliche Daseinsberechtigung und Relevanz. So ist es, nachdem Henkel, trotz Rekordgewinns 2007, zur Erreichung des Renditezieles von 12 % im Folgejahr 2008 weltweit mehrere Tausend Arbeitsplätze abgebaut hat,323 wenig überraschend, dass die Firmenhymne We Together aktuell nicht mehr über die Suchfunktion auf der Webseite von Henkel auffindbar ist. Die Textzeilen »We together all together. That’s why the Henkel name will always stay. From beginning to end. A Brand like a Friend«324 gewinnen in diesem Kontext eine andersartige Qualität. Sie offenbaren unfreiwillig die gleichzeitigen Absender und Adressaten des Wir, das von der Unternehmensführung, Entscheidungsträgern und Aktionären repräsentiert wird, und enthüllen ihren wahren Zweck: das Erreichen des Renditezieles.
1.3.5
Hörmarke
Grundsätzlich können alle klanglichen Elemente der akustischen Markenführung beim Deutschen Patent- und Markenamt als Hörmarken geschützt werden, sofern sie den Anforderungen zur Anmeldung gerecht werden. »Hörmarken sind akustische hörbare 320 321 322 323 324
Nudd (2006). Maier (2009), S. 135. Terpitz (2008), S. 3. Vgl. Focus (2008). Roth (2009).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Marken, also Töne, Tonfolgen, Melodien oder sonstige Klänge und Geräusche.«325 In den Richtlinien für die Prüfung von Markenanmeldungen heißt es weiterhin: »Hörmarken müssen nicht nur klanglich, sondern auch grafisch (zweidimensional) wiedergegeben sein. Der Anmelder muss die Marke durch ein in Takte gegliedertes Notensystem darstellen, das einen Notenschlüssel, Noten- und Pausenzeichen […], sowie gegebenenfalls Vorzeichen […] enthält […]. Die klangliche Wiedergabe einer Hörmarke muss auf einem Datenträger eingereicht werden […]. […] Für die Klangdauer einer Hörmarke gibt es keine allgemein gültige Obergrenze. Sie muss jedoch abstrakt noch die Eignung zur Unterscheidung besitzen und darf somit eine für den Charakter einer Marke angemessene Dauer nicht überschreiten […]. Die Einreichung eines Sonagramms als grafische Wiedergabe ist nicht zulässig.«326 Der Zwang zur Darstellung in einem Notensystem bei gleichzeitigem Ausschluss der Einreichung eines Sonagramms als Abbildung der Hörmarke erschwert die Anmeldung von Geräuschen und nicht tonalen Klängen ungemein. Obwohl diese also per Definition geschützt werden können, ist es in der Praxis häufig schwierig, sie per Notation grafisch zweidimensional ausreichend genau darzustellen. Darüber hinaus überlässt es die Richtlinie offenbar dem jeweiligen Sachbearbeiter, den Passus, die Hörmarke müsse »abstrakt noch die Eignung zur Unterscheidung besitzen« und dürfe »somit eine für den Charakter einer Marke angemessene Dauer nicht überschreiten«, zu interpretieren. Eine konkrete zeitliche Eingrenzung für die Dauer von Hörmarken gibt es demnach nicht – obwohl davon auszugehen ist, dass vollständige Musiktitel, etwa in Form von Popsongs, aufgrund ihrer Komplexität und zeitlichen Dauer nur in Ausnahmefällen als Hörmarken angenommen werden. Unter Einhaltung der Einreichungsvorgaben sind demgegenüber Jingles und Audio Logos aufgrund ihrer Beschaffenheit im höchsten Maße dazu geeignet, als Hörmarke geschützt zu werden.
1.3.6
Jingle
Um eine klare definitorische Abgrenzung zum Sound Logo herzustellen, soll der Jingle im Folgenden als eine gesungene oder gesprochene Vertonung eines Markennamens oder eines Werbeslogans verstanden werden, die meist eine melodische Struktur aufweist.327 So wird entweder der Markenname oder »die zentrale Werbeaussage, der Claim, gestützt durch Melodie, Klang und Rhythmus möglichst prägnant akustisch transportiert.«328 Dementsprechend sind Jingles meist etwas länger in ihrer zeitlichen Ausdehnung als Audio Logos.329 Damit lässt sich der Jingle, trotz seiner häufig sehr ähnlichen zeitlichen Integration in kommunikative Maßnahmen, klar vom Sound Logo unterscheiden. Neben den beiden Elementen gemeinsamen Funktionen, wie beispielsweise die Aufmerksamkeitserzeugung, Markenidentifikation und -differenzierung ergibt sich daraus zudem das zentrale funktionale Unterscheidungskriterium der beiden Begriffe: Der Jingle soll als Gedächtnisstütze für die konkreten verbalisierten
325 326 327 328 329
DPMA (2015). DPMA (2009), S. 7f. Vgl. Helms (1981), S. 41. Berg (2012), S. 53. Vgl. Ringe (2012), S. 40.
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Inhalte dienen, während das Sound Logo als Assoziationsgefäß komplexe Markenwerte vermitteln soll.330 Obwohl der Jingle in einigen Fachpublikationen als eine Sonderform des Audio Logos bezeichnet wird,331 ist diese Kategorisierung, aufgrund der konkreten sprachlichen Botschaften des Jingles, hinsichtlich einer klaren Begriffsbestimmung irreführend. Die Definition von Kastner, nach der Jingles auch »als reine Instrumental-Version bzw. ohne Verbalisierung des Claims auftreten«332 lässt zum Beispiel keine deutliche Abgrenzung zum Begriff des Sound Logos zu und macht eine systematische Auseinandersetzung mit diesen Begrifflichkeiten damit unmöglich. Der aktuelle Trend, bekannte und ausreichend konditionierte Jingles als Instrumentalversionen darzubieten, wie etwa in Werbespots von McDonalds, der Sparkasse oder auch Haribo hörbar, macht sie nach obiger Definition zu Sound Logos. Trotz fehlender Verbalisierung würde es dabei zu keinen signifikanten Verlusten bei der Recall-Wirkung kommen333 – die bereits erlernten sprachlichen und assoziativen Inhalte werden demnach von rein musikalischen Parametern (wie bspw. Rhythmik und Melodie) ausgelöst. Laut Helms‹ vielzitiertem Text von 1981334 besitzen Jingles »damit sie auffallen, gewöhnlich einen markanten oder gar eigenwilligen Rhythmus. Durch Anklänge an Volksund Kinderlieder, Dreiklangstruktur usw. erreichten diese Erkennungssignale meist eine hohe Bekanntheitsqualität.«335 Er belegt diese Aussagen mit Notenbeispielen bekannter Jingles aus dieser Zeit (Haribo, Mars, Smarties etc.). Darüber hinaus wären die Vorlagen (Volks- und Kinderlieder) zahlreicher Jingles durch »Leiermelodik, Pentatonik und ›Kuckucksterz‹ geprägt«.336 Die Leiermelodik bezeichnet ein dreitöniges System, das durch die Solmisationssilben la, so und mi – also die Intervalle große Sekunde und kleine Terz – beschrieben wird. Sie basiert auf der frühkindlichen schrittweisen Erweiterung des Tonraumes. »Nach der Rufterz (›Mama!‹) [so mi – kl. Terz, A. S.] folgt die Leiermelodik (›Fang mich doch du Eierloch‹), welche die Rufterz um einen Ton – la – nach oben ausbaut.«337 Die von Helms beschriebene Dur-Pentatonik ist eine »halbtonlose 5-tönige Leiter mit 3 Ganztönen und zwei kleinen Terzen, z.B. c-d-e-g-a-(c) mit einer Stufenfolge 1-1-11/2-1(11/2)«338 und die Kuckucksterz nichts anderes, als erneut die kleine, absteigende Terz. Aus der Schlichtheit dieser Systeme sowie deren Bezug auf frühkindliche Erfahrungen lässt sich die leichte Verständlichkeit und Memorierbarkeit dementsprechend gestalteter Melodien ableiten. Bereits seit dem Ende des 20. Jahrhunderts scheint der Jingle als Begriff sowie als Konzept bei den Werbebetreibenden aus der Mode gekommen zu sein. Jackson zitiert bereits 2003 einen Artikel aus der Financial Times vom 30. Januar 2000, demzufolge es Ermüdungserscheinungen der Rezipienten hinsichtlich Jingles gäbe, die so genannte
330 331 332 333 334 335 336 337 338
Vgl. Straka (2007), S. 25; vgl. Jackson (2003), S. 9. Vgl. Berg (2012), S. 53; vgl. Bronner, Hirt (2007b), S. 12. Kastner (2008), S. 66. Vgl. Berg (2012), S. 53; vgl. Straka (2007), S. 25. Vgl. Steiner (2014), S. 74; vgl. Berg (2012), S. 54; vgl. Straka (2007), S. 25. Helms (1981), S. 44f. Helms (1981), S. 48. Langer (2015). Michels, U. (2005), S. 87.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
»jingle fatigue«, die von den Werbeschaffenden diskutiert würde.339 In diesem Kontext sprechen Kastner (bezogen auf den deutschsprachigen Raum) und auch Steiner (ohne regionalen Bezug), trotz fehlender empirischer Fundierung, von einem Rückgang verwendeter Jingles.340 Obwohl diese Aussage, zumindest für den deutschsprachigen Raum, nachvollziehbar ist und vermutlich der Realität entspricht, kann sie ohne Belege nicht verifiziert werden. Als eine mögliche Ursache für diesen Rückgang nennen beide Autoren das von Jackson bereits 2003 in den Raum gestellte Argument, Jingles wären zu offensichtlich mit einer Werbebotschaft behaftet. Während Jackson die Konsequenz dessen, das erleichterte Ausblenden der Botschaft durch den modernen und mündigen Konsumenten, als unrealistisch verwirft, gehen Kastner und Steiner nicht weiter auf kausale Zusammenhänge ein.341 Dementsprechend sieht Jackson den Jingle auch zukünftig als ein wichtiges Element des Sound Brandings.342 Nichtsdestotrotz scheint ein Rückgang der Anzahl eingesetzter und neu komponierter Jingles einerseits aufgrund des wachsenden Wissens um die vielfältigen Einsatzund Wirkmöglichkeiten anderer auditiver Mittel und die modifizierten Ziele der Werbebetreibenden, andererseits durch die oben beschriebenen gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen und die damit einhergehenden differenzierten Erwartungen der Rezipienten grundsätzlich plausibel zu sein. Durch den Erfolg abstrakter Sound Logos (bspw. von Intel oder der Deutschen Telekom) und dem damit erbrachten Nachweis ihrer möglichen Wirkkräfte gewinnen instrumentale oder geräuschhafte klangliche Markierungen an Relevanz. Gleichzeitig wollen sich Marken als Trendsetter etablieren, cool sein und keine Kunden, sondern Fans gewinnen, was sich durch die Lizenzierung beliebter Titel und den damit erwünschten Imagetransfer, also die Übertragung des Fremdbildes eines Künstlers oder einer Band auf das Markenimage, realisieren lässt. Ein Artikel aus dem Economist vom 6. Februar 2003 beschreibt in diesem Kontext den explosiven Trend zur Synchronisation (Lizenzierung) in der Werbeindustrie. Diese These wird mit einer Aussage der Direktorin für kommerzielle Märkte der EMI Music belegt, nach der sich die Einnahmen aus Synchronisationsdeals innerhalb der letzten vier Jahre verdoppelt hätten. Gleichzeitig erkläre Ronnie Bond (ein JingleKomponist und Musikproduzent für Werbefilme) er habe früher fünf Jingles pro Woche geschrieben, heute sei es eine Übertreibung von einem im Monat zu sprechen. Ein Repräsentant der Association of Music Producers (AMP) in Amerika spreche von einem Rückgang der Umsätze um 25 % für den Kernmarkt New York im Jahr 2002. Während es in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgrund der Credibility unter Künstlern noch wenig verbreitet gewesen sei, ihre Musiktitel für Werbespots lizenzieren zu lassen, sei nun, vor allem durch drastisch gesunkene herkömmliche Umsätze (bspw. aus Tonträgerverkäufen), das Gegenteil der Fall: Die Musikindustrie versuche mit allen Mitteln Titel für Werbespots zu lizenzieren.343 Ein anderer Artikel aus dem Jahr 2003 belegt die Trendwende hin zu Lizenzierungen bei rückläufigen Neukompositionen von
339 340 341 342 343
Vgl. Jackson (2003), S. 9. Vgl. Steiner (2014), S. 74; vgl. Kastner (2008), S. 66. Vgl. Steiner (2014), S. 74; vgl. Kastner (2008), S. 66; vgl. Jackson (2003), S. 9-10. Vgl. Jackson (2003), S. 10. Vgl. The Economist (2003).
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Jingles ebenfalls plausibel und nachvollziehbar – betrachtet diese allerdings aus Markenführungssicht kritisch. Lizenzierte Songs würden zwar sofort erkannt und lieferten den häufig gewünschten Coolness-Faktor, seien aber nicht grundsätzlich dazu fähig, der Markenkommunikation im Sinne des Transports von Markenwerten etc. dienlich zu sein. Darüber hinaus seien Jingles oftmals deutlich günstiger (zwischen 10 000 USDollar und 50 000 US-Dollar) zu bekommen, als den Song eines bekannten Acts zu lizenzieren (alleine die Lizenzgebühr koste dabei häufig sechs bis siebenstellige Beträge) und ihr langfristiger Effekt, bei entsprechender Verankerung im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft, sei nicht hoch genug einzuschätzen.344
1.3.7
Sound Logo
Als auditives Gegenstück zum visuellen Logo ist das Sound Logo (Audio Logo, Sonic Logo, Tonsignet, Kennmotiv, Akustisches Logo, Kennmotiv, Akustische Signatur etc.) vor allem ein akustisches Markenzeichen – ein hörbares Identifikationselement. Dabei kann es sich um melodiehafte Tonfolgen, um Geräusche oder um Mischformen dieser akustischen Zeichen handeln.345 Das Audio Logo müsse vor allem kurz und prägnant sein.346 Dabei bewegen sich die Angaben, was kurz in diesem Kontext bedeute, je nach Publikation, auf einem Spektrum zwischen 0,5 bis 3 Sekunden347 , 1 bis 3 Sekunden348 oder auch 2 bis 4 Sekunden349 . Der Begriff prägnant wird in keiner dieser Publikationen näher spezifiziert. Darüber hinaus müsse ein Audio Logo wiederum einen hohen Fit, also eine unmittelbar verständliche inhaltliche Nähe, zur Marke besitzen (ihre Identität bestenfalls als Konzentrat widerspiegeln), unverwechselbar, einprägsam und flexibel sein.350 Durch die Positionierung von Sound Logos am Anfang oder Ende eines Werbespots wird versucht deren Recall (die Einprägsamkeit) zu erhöhen und gleichzeitig den Spot von vorherigen oder nachfolgenden Werbespots im Programm abzugrenzen.351 In der audiovisuellen Kommunikation könnten, durch die gleichzeitige Darbietung des (häufig animierten) visuellen und des auditiven Logos, zudem superadditive Effekte auftreten, die intendierte Markenwirkungen (bspw. die Markenverankerung im Gedächtnis des Rezipienten) um ein vielfaches verstärken könnten.352 Groves bezeichnet Audio Logos als Sonic Mnemonics, also als auditive Lernhilfen für das Gedächtnis, die Assoziationen und Verknüpfungen zu anderen Inhalten ermöglichen würden.353 Während Steiner das Sound Logo in diesem Kontext als auditiven Cue (kognitiven Anker) der Markenidentität bezeichnet354 spricht Jackson, der im Gegensatz zu
344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354
Vgl. Block (2003). Vgl. Berg (2012), S. 52; vgl. Ringe (2012), S. 40; vgl. Kastner (2008), S. 65. Vgl. Berg (2012), S. 52; vgl. Ringe (2012), S. 40; vgl. Kastner (2008), S. 66. Vgl. Berg (2012), S. 52. Vgl. Steiner (2014), S. 71. Vgl. Kastner (2008), S. 65. Vgl. Bronner, Hirt (2007b), S. 12; vgl. Groves (2007), S. 45ff. Vgl. Steiner (2014), S. 71; vgl. Ringe (2012), S. 40. Vgl. Steiner (2014), S. 71; vgl. Berg (2012), S. 52. Vgl. Groves (2007), S. 45. Vgl. Steiner (2014), S. 71.
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Groves nur den Jingle als mnemotechnisch bezeichnet (aufgrund seiner meist sprachlichen Botschaft), von einem Vessel for Associations – also einem reinen Assoziationsgefäß.355 Ähnlich der Informations- und Orientierungsfunktion von Marken selbst im Wettbewerb können auch Sound Logos eine, mittels komprimierter Information, komplexitätsreduzierende Wirkung entfalten, damit als Assoziationsanker, -auslöser und -gefäß fungieren und emotionale Reaktionen im Rezipienten hervorrufen. Neben der Erzeugung von Aufmerksamkeit sowie der Markendifferenzierung und -identifikation seien dies die entscheidenden Funktionen von Audio Logos.356 Um den Fit zur Marke zu erhöhen, würden Sound Logos strukturell häufig aus den visuellen Richtlinien für Marken abgeleitet.357 So lässt sich das Audio Logo der Deutschen Telekom AG sogar als direkte Übertragung ihres visuellen Logos auf die akustische Ebene verstehen. Das optische Logo besteht aus vier horizontal aufeinander folgenden und vertikal gleich ausgerichteten Quadraten, deren Reihe zwischen dem dritten und vierten Quadrat durch das signifikante T durchbrochen wird, dessen visuell dominanter horizontaler Balken das vertikale Maximum des Logos darstellt. Als auditive Übertragung dieser visuellen Eigenschaften besteht das Sound Logo ebenfalls aus vier gleichen Tönen, die zwischen dem dritten und vierten Ton von einer großen Terz nach oben durchbrochen werden. Das Audio Logo wird in der Notation mit einem weiteren liegenden Ton definiert, der eine reine Quarte unter den vier gleichen Tönen liegt – damit wird diese Tonfolge zum Quartsextakkord in Dur.358 Die Isolation des letzten Tons von den Tönen gleicher Tonhöhe wird zudem durch dessen vierfache Tondauer verdeutlicht.359 Bei gleichzeitiger Wiedergabe mit dem entsprechend animierten visuellen Logo kann dies zu einer hohen Verschmelzung der Reize durch inhaltliche Kongruenz führen. Der Konzern Siemens dagegen orientiert sein Design und entsprechende Layouts an der Fibonacci-Reihe und leitet daraus ebenfalls die Rhythmik seines Audio Logos (der akustischen Signatur) ab.360 Neben melodiehaften und tonalen Sound Logos, wie dem der Telekom, gibt es eine Reihe von geräuschhaften akustischen Signaturen. So nutzt beispielsweise Audi einen Herzschlag als Sound Logo, während BMW den Schlag auf einen Amboss als auditives Zeichen erklingen lässt.
1.3.8
Von Muzak zur Instore-Musik
George Owen Squier, ein US-amerikanischer Armeeoffizier und Doktoringenieur der Elektrotechnik, meldete im frühen 20. Jahrhundert ein System zum Patent an, das verschiedenartige Radiosignale über elektrische, telegraphische und telefonische Leitungen übertragen konnte und demnach unter anderem fähig war, musikalische Inhalte zu verbreiten. Nachdem er 1922 eine Lizenz zur Nutzung des Patentes an die North American Company, einen öffentlichen Versorgungsbetrieb, vergeben hatte, gründete 355 356 357 358 359 360
Vgl. Jackson (2003), S. 9. Vgl. Berg (2012), S. 51; vgl. Kastner (2008), S. 65; vgl. Groves (2007), S. 43ff.; vgl. Straka (2007), S. 23f. Kastner (2008), S. 65f. Vgl. Berg (2012), S. 53. Vgl. zum Telekom Sound Logo Berg (2012), S. 52f. Vgl. Ringe (2012), S. 86; vgl. Kastner (2008), S. 66.
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diese die Tochterfirma Wired Radio, um Squiers Idee weiterzuentwickeln.361 Durch die Kombination der Begriffe Kodak, der Phantasiename einer zum damaligen Zeitpunkt sehr erfolgreichen Marke, und Music, der essentielle Inhalt des Angebots, wurde daraus 1934 die Firma Muzak.362 Mit fortschreitender Verbesserung der Qualität und wachsender Quantität drahtloser Musikausstrahlung, die kabelübertragene Radioprogramme zunehmend überflüssig machten, konzentrierte sich das Unternehmen auf den Verkauf von Hintergrundmusik an Hotels, Restaurants und andere Ladengeschäfte.363 In den US-amerikanischen Stahlwolkenkratzern, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts alle bis dahin bekannten Höhenrekorde brachen, fand Muzak eine weitere Anwendungsform. Da die Menschen natürlicherweise Angst vor der Nutzung der neumodischen Fahrstühle dieser Gebäude gehabt hätten, sei Muzak in den Fahrstühlen abgespielt worden, um möglichst beruhigend und ablenkend auf die Fahrgäste einzuwirken.364 Dementsprechend entstand die Bezeichnung Fahrstuhlmusik aus dieser konkreten Nutzungsart. Der im Deutschen synonym verwendete Begriff Kaufhausmusik leitet sich vermutlich ebenfalls aus der intensiven Verwendung dieser Art der Musik in Kaufhäusern ab. Darüber hinaus wurde das musikalische Angebot von Muzak schon in den 1940er Jahren von der amerikanischen Industrie genutzt, um die Emotionen von Fabrik- und Büroarbeitskräften zu manipulieren – die Musik solle beruhigende und produktionssteigernde Wirkung entfaltet haben.365 Basierend auf großangelegten betriebseigenen Studien, die eine Vielzahl undurchsichtiger Ergebnisse und Schaubilder hervorgebracht hätten, entwickelte die Firma das Konzept der so genannten Stimulus Progression. Demzufolge erhöhe sich die Produktivität von Angestellten, wenn sie durch bestimmte musikalische Inhalte stimuliert würden, deren Intensität sich innerhalb fünfzehnminütiger Intervalle sukzessiv steigere. Dieser Prozess wurde als unterbewusst ablaufend dargestellt und determinierte in hohem Maß die Beschaffenheit der verwendeten Musik. Es wären nur gesäuberte instrumentale Arrangements verwendet worden, da die Musik durch die Abwesenheit des Gesangs mit geringerer Wahrscheinlichkeit die bewussten Gedanken der Hörer stören würde.366 So hat sich die Wortkreation Muzak nach dem zweiten Weltkrieg von der Firmenbezeichnung zu einem generischen Begriff entwickelt, der eine bestimmte Gattung der Easy-Listening-Musik beschreibt.367 Dabei handele es sich um zeitgemäße Instrumentalversionen populärer Musiktitel,368 die in ihrer Besetzung durch Streicher, Bläser, Klavier oder Orchester geprägt seien.369 Der »markante Streichersound«370 sei zudem gekennzeichnet durch Einfachheit, bekannte Melodien und rhythmische Variationen.371 Das musikalische Phänomen Muzak etablierte sich als Trend und wurde 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371
Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006), vgl. Jackson (2003), S. 13. Vgl. Owen (2006). Vgl. Jackson (2003), S. 13. Vgl. Jackson (2003), S. 13. Vgl. Owen (2006). Vgl. Jackson (2003), S. 13. Vgl. Owen (2006). Vgl. EDinformatics (1999). Fuss (2005), S. 3. Vgl. Spiegel Online (2009).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
damit zu einem Teil der populären Musikkultur. Bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts nahmen dieselben Big Bands, die auch die Hits im Radio spielten, etliche Muzak-Titel auf.372 »Die Musik galt als spritzig, kühl und erfrischend wie eine Mentholzigarette.«373 Sie sei etwas gewesen, das die Menschen zu Hause hören wollten.374 Dementsprechend habe die Musikindustrie bereits in den 1940er Jahren begonnen, diesen Musikstil in Form von Tonträgern kommerziell auszuwerten. Es wären zunehmend Alben mit weichen, melodischen Instrumentalversionen populärer Musiktitel auf dem Markt erschienen, die häufig von tragenden Streichern, Klavier, Gitarre und Bläsern umgesetzt gewesen seien.375 Eine zunächst für das passive Hören im nicht privaten Raum hergestellte Hintergrundmusik, die ausdrücklich und ausschließlich unterbewusst wirken sollte und deren Eigenschaften auf der Basis pseudowissenschaftlicher Erkenntnisse einzig hinsichtlich ihrer produktionssteigernden oder beruhigenden Wirkung definiert wurden, – eine durch ihre exklusiv aus der Perspektive von Wirtschaftsunternehmen generierten Funktionen determinierte Musik – konnte sich also erfolgreich als eigenständige Ausprägung populärer Musik durchsetzen. Bis in die späten 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wären die geballten Streicher eine Art musikalischer Währung vieler populärer Aufnahmen gewesen und vor allem die Filmmusik hätte sich ausgiebig des Genres bedient.376 Während die populäre Musik in den 1960er Jahren zunehmend differenzierte Manifestationen annahm und einen anwachsend reichhaltiger werdenden Assoziationsraum kultureller, politischer, sexueller, sozialer und soziosentimentaler Inhalte bedienen konnte, wurde der Begriff Muzak vermehrt negativ belegt. Die klinisch reinen Muzak-Hits wurden von den Musikhörern immer häufiger als ein Affront wahrgenommen, der im direkten Widerspruch zu Zeitgeist und Wertewandel der auslaufenden 60er Jahre stand.377 So setzte sich die Evolution des Terminus fort und Muzak wurde zu einem Oberbegriff für langweilige, ausdruckslose, seelenlose und uninspirierte Musik.378 Folgerichtig begann die Firma Yesco aus Seattle 1968 ein konkurrierendes Produkt im Geschäftskundenmarkt anzubieten. Dieses Musikprogramm bestand aus Originalaufnahmen populärer Titel, wurde Foreground Music (Vordergrundmusik) genannt und stand demnach in Opposition zur Idee der Stimulus Progression.379 Dessen ungeachtet überlebte dieses Konzept bei der Firma Muzak, trotz offenkundig pseudowissenschaftlicher Basis und starrer Struktur, bis in die späten 1990er Jahre. Dies hätte teilweise daran gelegen, dass es ein wirkungsvolles Marketinginstrument geworden wäre, teilweise aber auch daran, dass die Idee so plausibel erschienen sei: Die meisten Menschen wären wirklich glücklicher und produktiver, wenn im Hintergrund etwas summe.380 Darüber hinaus war das Konzept sehr erfolgreich und die Firma bis zum Ende des 20. Jahrhunderts Marktführer mit einem Marktanteil am Geschäftskundenmarkt von über 372 373 374 375 376 377 378 379 380
Vgl. Owen (2006). Fuss (2005), S. 3. Vgl. Baumgarten (2012). Vgl. Baumgarten (2012). Vgl. Baumgarten (2012). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006), vgl. EDinformatics (1999). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
80 %.381 Die mechanische und inflexible Systematik, die durchaus als Passivität bezeichnet werden kann, mit der das Unternehmen bis in die 1980er Jahre agierte, lässt sich an der äußerst gemächlichen und vor allem späten Anpassung seiner Geschäftsmodelle an kontextuelle Veränderungen ablesen. Erst 1984 wäre ein Musikprogramm für Ladengeschäfte mit Originaltiteln eingeführt worden, für dessen Produktion die Firma Yesco verantwortlich gewesen sei, erläutert der Journalist und Autor David Owen.382 Ein Kaufhauserbe aus Chicago kaufte beide Unternehmen und fusionierte sie 1987 zu einer Organisation unter dem Dach der Muzak Holdings LLC.383 So vergingen weitere zehn Jahre, in denen die Firma die widersprüchlichen Konzepte der Vorder- und Hintergrundmusik, in Form von Muzak und radioähnlichen Programmen mit Originaltiteln, verkaufte, bis sie 1997 die Idee eines freiberuflichen Mitarbeiters als Gesamtkonzept übernommen hat.384 Der Musiker und Tontechniker Alvin Collis, der den Einfluss musikalischer Inhalte auf die emotionale Wahrnehmung andersartiger Reize bereits aus seiner Arbeit an Filmen verinnerlicht gehabt hätte, – »if you watch the raw footage, with no music, you think, it’s going to tank [schaut man sich rohes Bildmaterial ohne Musik an, denkt man, es bricht in sich zusammen, A. S.]« – begann Ladengeschäfte als ebensolche zu verstehen und dementsprechend mit einem Soundtrack zu versehen – »[i]t was retail theatre«.385 Seiner Einschätzung nach gehe es im Geschäftsfeld der Instore-Musik – unter diesem Begriff werden etwa seit dem beginnenden 21. Jahrhundert in zunehmendem Ausmaß Musikprogramme subsumiert, die ausdrücklich zur Aufführung im kommerziellen öffentlichen Raum (bspw. in Ladengeschäften, Restaurants und Kaufhäusern) hergestellt werden – also nicht um den Verkauf von Musik, sondern vielmehr um den Verkauf von Gefühlen.386 Es müsse die jeweils richtige Musikzusammenstellung gefunden werden, um ein Geschäft oder Restaurant mit emotionaler Wertigkeit auszustatten. Collis nannte diesen Prozess Audio Architecture, den die Firma Muzak 1997 zum Fundament einer vollständigen Neuausrichtung ihrer Markenidentität machte.387 Dieses Rebranding sollte das Unternehmen von seiner schwerfälligen Vergangenheit lösen und den Begriff Muzak von seinen negativen Konnotationen befreien.388 Trotz starker Vorbehalte habe das Management am Markennamen festgehalten, erklärt Owen.389 Als Ausdruck des Wandels, weg vom Anbieter langweiliger Hintergrundmusik, hätte die Firma ihr neues und deutlich interessanteres Tätigkeitsfeld Audio Branding genannt.390 Ob das Unternehmen diesen Begriff tatsächlich zuerst eingeführt hat oder er zu diesem Zeitpunkt bereits von Konkurrenten oder anderen Werbetreibenden verwendet wurde, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Gleichwohl war die Muzak Holdings LLC eine der ersten Organisationen, die ihr Geschäftsfeld konkret mit diesem Begriff eti381 382 383 384 385 386 387 388 389 390
Vgl. Baumgarten (2012). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
kettierte und ihn damit inhaltlich auflud. Neben einer wachsenden Anzahl verfügbarer Standardprogramme spezialisierte sich das Unternehmen zunehmend auf maßgeschneiderte Musikprogramme, die vor allem der jeweiligen Markenidentität entsprechen sollten.391 Die so genannten Audio-Architekten (Audio Architects) hatten folglich die Aufgabe, Markenattribute auf musikalische Inhalte zu übertragen, damit konkrete Stimmungen in Ladengeschäften zu erzeugen und letztere mit musikalischen Mitteln emotional aufzuladen. So war es einerseits notwendig passende Titel für jeden Kunden zu selektieren, andererseits spezifische Wiedergabelisten zu entwickeln, die sowohl technischen als auch dramaturgischen Anforderungen genügen mussten.392 Demgemäß galt es beispielsweise Lautheitsunterschiede verschiedener Titel anzugleichen, Musikstücke mittels Beatmatching (Angleichung der Tempi) und Crossfades (Überblendung) zusammenzumischen oder auch Überleitungen zwischen Liedern verschiedener musikalischer Epochen oder Klangcharakteristika herzustellen.393 Hierfür wurden Musikstücke als Bridges funktionalisiert, die korrelierende Merkmale mit dem vorherigen und nachfolgenden Titel einer Wiedergabeliste besitzen und damit mögliche Oppositionen abschwächen sollten: »say, placing a Verve remix of a jazz standard between an Ella Fitzgerald classic and a recent release by Macy Gray [bspw. indem man einen Verve-Remix eines Jazz-Standards zwischen einem Ella Fitzgerald Klassiker und einer aktuellen Veröffentlichung von Macy Gray platziert, A. S.].«394 Basierend auf einer Musikdatenbank, die mehr als 1,5 Millionen kommerzielle Aufnahmen umfasste, bot die Firma Muzak im Jahr 2006 neben etwa einhundert vorgefertigten mehrere hundert maßgeschneiderte Programme an.395 Davon hätte einzig der Environmental-Kanal dem musikalischen Klischee von Muzak entsprochen, der zeitgemäße Instrumentalversionen populärer Songs enthielt und zu diesem Zeitpunkt lediglich in Japan sehr beliebt gewesen sei.396 Die Datenbank hätte eine Wachstumsrate von etwa 20 000 Titeln pro Monat gehabt und es hätte einige Plattenlabels gegeben, die neue Veröffentlichungen per Upload direkt in das Musikarchiv geladen hätten.397 Das Unternehmen bezahlte dafür Lizenzgebühren ähnlich einer Radiostation.398 Die musikalischen Inhalte wurden, bis zur Einführung kommerziell nutzbarer Satellitenfrequenzen, vor allem über sekundäre Trägerwellen konventioneller Radiosender distribuiert, die das Sendesignal modulierten und von herkömmlichen Radioempfängern nicht dekodiert werden konnten.399 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kamen die Programme über Satellit, auf Festplatten oder über das Internet zum Kunden.400 Satellitenkunden hätten eine aufwendige Empfangsanlage zur Verfügung gestellt bekommen, während Festplattenkunden »eine schlichte schwarze Kiste zum Ein- und Aus-
391 392 393 394 395 396 397 398 399 400
Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. Owen (2006). Vgl. EDinformatics (1999). Vgl. Owen (2006); Fuss (2005).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
schalten, die mit den Lautsprechern sowie mit dem Internet verbunden ist«401 erhalten hätten, die von der Firma Muzak per Upload mit Programminhalten gespeist worden wäre. Gegen die Bezahlung einer monatlichen Gebühr mieteten die Geschäftskunden die jeweiligen Geräte und das ausgewählte Programm. Die Preise hätten, je nach Inhalt und technischer Ausführung, zwischen 69 und 160 Euro pro Monat betragen.402 Trotz der inhaltlichen und formalen Neuausrichtung der Firmenidentität und des Angebots arbeitete das Unternehmen zunehmend verlustbehaftet.403 Das hyperkuratierte MusikBranding-Modell sei für eine Firma der Größenordnung von Muzak – die bereits 1999 etwa 3 000 Mitarbeiter hatte404 – wirtschaftlich unrentabel und nicht zukunftsfähig gewesen.405 Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, unternahm die Muzak Holdings LLC zahlreiche Versuche, ihr Geschäftsfeld zu erweitern – mit gemischten Resultaten. Während einerseits der großangelegte Versuch scheiterte, nach dem 11. September 2001 Videoüberwachungsanlagen zu verkaufen, konnte andererseits ein profitables Telefonwarteschleifengeschäft etabliert werden. Neben der Produktion und Auslieferung von Musik- und Sprachinhalten für kommerzielle Telefonsysteme stellte die Voice Division Werbedurchsagen für Ladengeschäfte her, die nahtlos in das jeweilige Musikprogramm eingebunden werden konnten.406 Hinsichtlich des erklärten Zieles, der Transformation des Anbieters fader Hintergrundmusik hin zum hippen Audio Branding-Dienstleister, hat das Unternehmen, aus der Perspektive der modernen Markenführung, mehrfach kontraproduktiv gehandelt. So war das Festhalten am Markennamen Muzak, dessen im direkten Widerspruch zu dieser Idee stehende Konnotationen, etwa langweilige und ausdruckslose Musik, sich über Jahrzehnte diskursiv entwickelt und dementsprechend tief im Bewusstsein der Menschen verankert waren, wenig nachvollziehbar. Einen derart weit verbreitet, prägnant belegten Begriff mit semantisch gegensätzlichen Bedeutungen auszustatten, ohne diesbezüglich mit einer breiten Öffentlichkeit in den Dialog zu treten, hatte geringe Erfolgsaussichten. Da die Instore-Musik ein reines Business-to-Business-Geschäft (B2B) ist, kommunizierte die Firma ausschließlich mit Geschäftskunden und ergriff keine strategischen Maßnahmen, die ihren Identitätswandel einer breiten Öffentlichkeit nähergebracht hätten. Stattdessen wurde die Marke Muzak, durch die vielgestaltigen Angebote in verschiedensten, teilweise inhaltsfremden, Geschäftsbereichen auch für die primäre Zielgruppe, die Geschäftskunden, zunehmend diffus und austauschbar. Das Unternehmen hat es weder geschafft, seiner Marke eine zeitgemäße und zukunftsfähige Identität zu verschaffen, noch das Image des Begriffs Muzak nachhaltig aufzubessern. Eine ehemalige Mitarbeiterin, Dana McKelvey, beschreibt die Firma als »slow to react to changing trends [langsam in der Reaktion auf sich verändernde Trends, A. S.].«407 McKelvey, die als Kreativmanagerin vor allem Audio-Architektin gewesen sei,
401 402 403 404 405 406 407
Fuss (2005). Vgl. Fuss (2005). Vgl. Owen (2006). Vgl. EDinformatics (1999). Vgl. Baumgarten (2012). Vgl. Owen (2006). Baumgarten (2012).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
erläutert weiter, das Unternehmen hätte versagt, als es mit der sich verändernden Technologie nicht mehr Schritt hielt: »[B]ecause they didn’t come up with unique solutions as the technology changed.«408 Diese Aussage lässt sich unter anderem mit der wenig zeitgemäßen Nutzung von Satellitentechnologien zur Auslieferung der musikalischen Inhalte belegen, während andere Unternehmen 2006 längst an flächendeckenden Onlinelösungen arbeiteten. In der Summe führten die betriebswirtschaftlichen Verfehlungen und Irrtümer der Markenführung zu einer erdrückenden Schuldenlast, die das Unternehmen 2009 in die Insolvenz trieb.409 Zu diesem Zeitpunkt versorgte die Firma allein in den USA etwa 300 000 Standorte, wie beispielsweise Ladengeschäfte, Restaurants, Kaufhäuser, Malls oder auch Hotels, mit Musik.410 Muzak-Kunden nutzten den Service im Durchschnitt 17 Jahre lang. Bei einem Branchenmittelwert von sechs Jahren belegt dieser Wert die sehr hohe Kundenloyalität gegenüber dem Unternehmen.411 Trotz der hohen Schuldenlast besaß das Unternehmen also einen entsprechend hohen Marktwert und erzielte beim Kauf durch die ursprünglich aus Toronto, Kanada, stammende Mood Media Corporation 2011 einen Preis von 345 Millionen US-Dollar.412 Um alle Geschäftsfelder unter einem Markennamen, Mood Media, zu subsumieren, wurde die Bezeichnung Muzak 2013 ausgemustert. Neben den Integrationsplänen, sei es der Ballast des Begriffs gewesen, der Mood Media zu diesem Schritt bewegt hätte: Er sei nicht mit Inhalten konnotiert, die den Erfolg von Mood Media reflektierten.413 Das 2004 als Fluid Music Canada Inc. gegründete Unternehmen ging 2008 an die Börse und hat sich auf multisensorisches Instore-Marketing spezialisiert.414 Nach dem Kauf der Mood Media Group SA übernahm die Aktiengesellschaft 2010 deren Handelsnamen und führte ihren Wachstumskurs fort.415 Durch den Erwerb verschiedener Musikdatenbanken, darunter zum Beispiel der immense Bestand der Plattform MP3.com, die aus der gleichnamigen Musiktauschbörse hervorging, besaß die Firma zu diesem Zeitpunkt bereits eine digitale Musikbibliothek von etwa fünf Millionen Titeln.416 Dabei handele es sich um Musik, für die keine oder nur sehr geringe Lizenzgebühren fällig würden, weil die Künstler ihre Rechte daran häufig abgetreten hätten.417 Aufgrund der weltweiten Verfügbarkeit und grundsätzlichen Funktionalität eines Onlinemusikhandels ist im Fall von MP3.com also davon ausgehen, dass zumindest das non-exklusive weltweite Aufführungs- beziehungsweise Übertragungsrecht der entsprechenden musikalischen Werke und Aufnahmen an den Anbieter abgegeben und mit dem Verkauf der Datenbank auf Mood Media übertragen wurde. Der Journalist Simon Houpt bezeichnet diese Musikbibliothek als »free of rights restrictions«,
408 409 410 411 412 413 414 415 416 417
Baumgarten (2012). Vgl. Spiegel Online (2009). Vgl. Das (2011). Vgl. Ladurantaye (2012). Vgl. Das (2011). Vgl. Sisario (2013). Vgl. Sisario (2013); vgl. Das (2011); vgl. Financial Post (2008). Vgl. Newswire (2010). Vgl. Houpt (2009). Vgl. Houpt (2009).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
wonach die Musikstücke für jegliche Nutzungsarten freigegeben wären.418 Obwohl die Plattform MP3.com vermutlich kein Recht zur physischen Vervielfältigung der Titel übertragen bekommen hat und eine exklusive Nutzung ebenfalls wenig plausibel erscheint, hat sie sich folglich möglichst weitreichende Nutzungsrechte an Werken und Aufnahmen abgesichert und vor allem äußerst geringe oder keine Tantiemen für das bloße Abspielen eines Titels, also dessen Aufführung, zur Auszahlung an die Künstler festgelegt.419 Welche Rechte inwieweit tatsächlich vollständig übertragen oder per Lizenz eingeräumt wurden, ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr eindeutig festzustellen. Sicher ist dagegen, dass Mood Media mit dem Kauf der Datenbank das weltweite non-exklusive Nutzungsrecht zur Aufführung der Musikstücke zu extrem günstigen Konditionen erworben hat. So kann das Unternehmen mehr oder weniger frei über die Aufnahmen verfügen und ist hinsichtlich der Übertragung und Aufführung der Titel im werblichen Kontext eines Ladengeschäfts nicht verpflichtet, Lizenzen von Urhebern oder Leistungsschutzberechtigten einzuholen. Der ehemalige Geschäftsführer von Mood Media bezeichnet dies als die geheime Zutat des Erfolgs, die dem Unternehmen einen großen Vorteil gegenüber Konkurrenten verschaffen würde, die für die Nutzungsrechte bezahlten.420 Das rapide Wachstum des Unternehmens basierte zudem auf gezielten Firmenübernahmen, die eine Erweiterung des Angebots ermöglichten und ehemalige Konkurrenten unter einem Dach vereinten. Abgesehen von Instore-Musikanbietern wie Trusonic Inc. oder Muzak kaufte Mood Media einen Musikvertrieb und Tonträgerproduzenten, Somerset Entertainment, der sich auf die Musikpräsentation via interaktiver Medien in Ladengeschäften spezialisiert hatte.421 Ihren vorläufigen Höhepunkt fand die Expansionsstrategie 2012 mit dem Erwerb der europäischen BIS-Gruppe und der US-amerikanischen Technomedia Solutions, zwei Technikdienstleistern, die vor allem auf innovative audiovisuelle und interaktive Installationen spezialisiert sind.422 Die im selben Jahr zuvor erfolgte Übernahme der Firma Digital Music Express (DMX) aus Austin, Texas, dem zuletzt größten Konkurrenten von Muzak im Bereich der Instore-Musik, machte Mood Media zum weltweiten Marktführer in diesem Geschäftsbereich.423 Der Jahresumsatz des Unternehmens betrug 2013 513 Millionen US-Dollar,424 die zu etwa 90 % aus dem Instore-Musiksegment generiert wurden.425 Im Jahr 2014 belieferte Mood Media weltweit ungefähr 408 000 Standorte mit Musik,426 während ihr größter Konkurrent, die Firma PlayNetwork aus Seattle, 2015 etwa 85 000 Standorte musikalisch versorgte.427 Nichtsdestotrotz arbeitet das Unternehmen ebenfalls verlustbehaftet und hat 2014 etwa 20 000 Standorte weniger mit Musik bespielt, als dies im Jahr 2013 der Fall war.428 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428
Houpt (2009). Vgl. Houpt (2009). Vgl. Houpt (2009). Vgl. Houpt (2009); vgl. Hefflinger (2007). Vgl. Newswire (2012); vgl. RTTNews (2012). Vgl. Lemaire (2012); vgl. RTTNews (2012). Vgl. Newswire (2015). Vgl. Sisario (2013). Vgl. Newswire (2015). Vgl. PlayNetwork (2015). Vgl. Newswire (2015).
1. Marken, Marketing und Werbeindustrie
Ähnlich des ehemaligen Geschäftsmodells von Muzak bietet Mood Media mehr als 150 vorgefertigte Musikkanäle, zum Beispiel Lounge, Latin oder auch Urban, sowie maßgeschneiderte Programme an, die hauptsächlich online distribuiert und über ein Empfangsgerät oder eine App auf mobilen Endgeräten abgespielt werden können.429 Der durchschnittliche Erlös pro Kunde (Standort) und Monat lag 2014 bei 44,57 US-Dollar.430 Alle Musikstücke im Katalog des Dienstleisters seien für die kommerzielle Nutzung in Ladengeschäften, also mutmaßlich hinsichtlich des Rechts zur mechanischen Vervielfältigung sowie Sende- beziehungsweise Aufführungsrechten, lizenziert.431 Darüber hinaus bietet das Unternehmen, neben relevanter Audio- und Videotechnik, der Sprachproduktion für Onlineanwendungen oder Telefonwarteschleifen und olfaktorischen Systemen, eine Vielzahl meist mobiler Marketingtools an. So ermöglicht etwa eine Kooperation mit dem Hersteller der App Shazam (eine Anwendung, die bspw. über das Mikrofon eines Smartphones Musikstücke identifizieren kann), bei entsprechender Nutzung dieser App in einem Ladengeschäft, das mit Musik von Mood Media bespielt wird, die Zustellung zielgerichteter Inhalte auf das mobile Endgerät des Kunden, die mit dem Ergebnis der eigentlichen Datenbankabfrage ausgeliefert werden.432 Gleichwohl es sich bei der Instore-Musik folgerichtig unweigerlich um den marketingstrategischen Einsatz musikalischer Inhalte zu Zwecken der Markenkommunikation handelt und dieses Geschäftsfeld beachtliche weltweite Umsätze generiert, wird es in der Audio Branding-Literatur weitestgehend vernachlässigt. Gleichzeitig werden die Royalties zur Vergütung der Rechteinhaber an den Musikaufnahmen und -werken, die in entsprechenden Musikprogrammen verwertet werden, auf der Grundlage kalkuliert, dass es sich dabei nicht um eine werbliche Nutzung, sondern lediglich um eine öffentliche Aufführung handelt. Ungeachtet etwa des deutschen Urheber- und Leistungsschutzrechtes, das für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte ausdrücklich eine Lizenzierung durch deren Rechteinhaber vorsieht, werden diesbezügliche Nutzungslizenzen in der Regel von Verwertungsgesellschaften vergeben, die ihr Gesamtrepertoire gegen die Bezahlung einer Gebühr zur Verfügung stellen. Die Urheber und verantwortlichen ausübenden Künstler haben folgerichtig keine Möglichkeit, gegen die Verwertung ihrer Werke respektive Musikaufnahmen in Instore-Musikprogrammen vorzugehen und erhalten eine Vergütung für diese Verwertungsform, deren geringfügige Höhe ihrem tatsächlichen Zweck, der Markenkommunikation, in keiner Weise gerecht wird. Dieser Sachverhalt verweist auf Defizite in der internationalen Gesetzgebung und Rechtsprechung bezüglich der werblichen Verwertung musikalischer Inhalte, deren Rahmenbedingungen im folgenden Kapitel untersucht werden.
429 430 431 432
Vgl. Mood Media (2015a). Vgl. Newswire (2015). Vgl. Mood Media (2015a). Vgl. Mood Media (2015b).
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2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
2.1
Deutsches Urheber- und Leistungsschutzrecht
In Deutschland lassen sich hinsichtlich der Nutzung, Veröffentlichung und Verwertung von Musik grundsätzlich zwei verschiedene Ebenen der Schutzrechte unterscheiden, die dementsprechend auch bei der Verwendung von Musik zu Werbezwecken Wirksamkeit besitzen: Die Urheberrechte am Musikwerk und die Leistungsschutzrechte (Verwandte Schutzrechte) an der Musikaufnahme.1 Während die Urheberrechte die geistige Entwicklung eines Werks, also die Komposition, Textdichtung und Bearbeitung (bspw. in Form eines Musikarrangements) schützen, beziehen sich die Leistungsschutzrechte auf die spätere Darbietung oder Produktion eines Werkes – sie schützen die Leistung der Beteiligten an Musikaufnahmen, Musikdarbietungen oder Musiksendungen.2 Dementsprechend müssen Lizenznehmer, die Musik für werbliche Zwecke nutzen wollen, generell sowohl die Rechte zur Nutzung des Musikwerks als auch die Rechte zur Nutzung der Musikaufnahme erwerben. Wird im Rahmen der Herstellung eines Werbemittels beispielsweise die Neuproduktion einer existierenden Komposition (etwa eine Coverversion) angestrebt, so müssen neben den Nutzungsrechten am zugrundeliegenden Musikwerk auch die Nutzungsrechte an der neu entstehenden Aufnahme erworben werden – die größtenteils bei Produktionsauftrag in einem entsprechenden Werkvertrag festgelegt und damit direkt von den Inhabern der Leistungsschutzrechte (Musiker und Musikproduzent) eingeholt werden. Die verschiedenen Typen musikalischer Erzeugnisse lassen sich grundsätzlich in Neukompositionen und -produktionen, Interpretationen existierender Titel, die keine Bearbeitung oder andere Umgestaltung darstellen (freie Benutzung), Adaptionen, also Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen existierender Musikstücke sowie lizenzierte Originaltitel einordnen. »Übernimmt ein Urheber Elemente aus dem Werk eines anderen Urhebers, kann entweder eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung nach
1 2
Vgl. Homann (2007), S. 299. Vgl. Homann (2007), S. 5f.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
§ 23 UrhG oder aber eine freie Benutzung nach § 24 UrhG vorliegen.«3 Die Unterscheidung der Neueinspielungen bestehender Titel in Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen und die freie Benutzung hat in Deutschland insofern rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen, als dass die Rechteinhaber beziehungsweise Rechteverwalter (die Urheber respektive Musikverlage) der Urheberrechte des Originalwerks, im Fall einer Bearbeitung oder anderen Umgestaltung, grundsätzlich um Freigabe des Titels angefragt werden müssen, eine Lizenzgebühr verlangen und dementsprechend die Nutzung des Titels in dieser Form verweigern können. Liegt eine Coverversion ohne Bearbeitung vor, so kann diese nach § 24 UrhG ohne die Zustimmung der Rechteinhaber des Originaltitels »veröffentlicht und verwertet werden.«4 Unter welchen Voraussetzungen eine Neueinspielung erlaubnisfrei genutzt werden kann oder sie eine zustimmungspflichtige Bearbeitung darstellt, ist in jedem konkreten Fall neu zu überprüfen und kann, aufgrund der hohen Anzahl und inhaltlichen Komplexität der wirksamen Parameter, erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen.5 Hinsichtlich der werblichen Nutzung eines Musikstücks verliert diese Klassifizierung insofern an Relevanz, als dass für alle genannten Arten von Titeln die Genehmigung der jeweiligen Rechteinhaber eingeholt werden muss. Handelt es sich darüber hinaus um die audiovisuelle Nutzung von Musik, müssen zusätzlich die Filmherstellungs- beziehungsweise Einblendungsrechte von den Rechteinhabern eingeräumt werden. Urheberrechtsseitig wird das Recht zur Nutzung eines Musikwerks in einem Film »als Filmherstellungsrecht oder Einblendungsrecht bezeichnet, im angloamerikanischen Sprachraum als Synchronization Right (oder kurz: Synch Right).«6 Das die Leistungsschutzrechte betreffende Recht zur Verwendung einer Musikaufnahme in audiovisuellen Inhalten »wird teilweise ebenfalls als Einblendungsrecht, im angloamerikanischen Recht als master-use right bezeichnet.«7 Die uneinheitliche Verwendung der deutschen Begrifflichkeiten hat mit der internationalen Etablierung der englischsprachigen Bezeichnungen zur Übernahme und Übertragung derselben ins Deutsche geführt. So wird neben der direkten Nutzung der englischen Begriffe zum Beispiel synonym von Synchronisationsrechten oder Sync(h)-Rechten beziehungsweise Masternutzungs- oder einfach nur Masterrechten gesprochen. Ungeachtet der durchaus zweckmäßigen semantischen Trennung der Einblendungsrechte an einem Musikwerk und der entsprechenden Rechte an einer Musikaufnahme, hat sich der Begriff Synchronisation oder schlicht Sync(h) im alltäglichen Sprachgebrauch gleichermaßen für die Rechte und Lizenzen an Musikwerken und Musikaufnahmen etabliert.8 In Bezug auf den Urheber eines Musikwerks (Komponisten, Textdichter und/oder Bearbeiter) unterscheidet das deutsche Urheberrechtsgesetz zwischen exklusiven (ausschließlichen) Verwertungsrechten, die untrennbar mit dem Urheber verknüpft sind, und exklusiven oder non-exklusiven (einfachen) Nutzungsrechten, die durch den Urheber gegenüber einem Lizenznehmer eingeräumt werden können und diesen
3 4 5 6 7 8
Homann (2007), S. 60. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S. 15. Vgl. Homann (2007), S. 60-69. Homann (2007), S. 299. Homann (2007), S. 299. Vgl. IFPI (2017b), S. 11f.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
autorisieren, »das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen«.9 Mit den Verwertungsrechten schützt das Gesetz die wirtschaftlichen Interessen der Urheber und verschafft ihnen das Mandat, an allen kommerziellen Auswertungen ihrer Werke beteiligt zu werden.10 Folglich beinhalten sie alle körperlichen und unkörperlichen wirtschaftlichen Verwertungsformen eines Werks, also unter anderem das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht (die zu den körperlichen Verwertungsrechten zählen), das Aufführungs- und Vorführungsrecht, das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung, das Senderecht, das Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger (die dem Recht der öffentlichen Wiedergabe, also den unkörperlichen Verwertungsrechten zugeordnet werden) sowie das Recht zur Bearbeitung und Umgestaltung.11 »Begrifflich sind die Verwertungsrechte unübertragbare Komponenten des Urheberrechts. Will der Urheber nun die Befugnis zur Verwertung einem Dritten einräumen, spricht das Gesetz von der Einräumung eines Nutzungsrechts. Achten Sie im Rahmen einer vertraglichen Gestaltung auf diese begriffliche Differenzierung, wobei natürlich im Einzelfall Verwertungs- und Nutzungsrechte inhaltlich übereinstimmen können.«12 »Das ausschließliche Nutzungsrecht gibt dem Inhaber das exklusive Recht, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen – einschließlich des Urhebers selbst – auf die erlaubten Nutzungsarten zu nutzen, § 31 Abs. III. UrhG. Nach § 31 Abs. III. S. 2 UrhG kann bestimmt werden, dass dem Urheber die Nutzung vorbehalten bleibt (so genannte eingeschränkte Ausschließlichkeit).«13 Außerdem kann der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts »seinerseits Dritten wieder weitere einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte einräumen, sofern der Urheber dem zustimmt, § 35 Abs. I. UrhG (in Ausnahmefällen bedarf es keiner Zustimmung, z.B. bei […], oder im Filmbereich, § 90 UrhG).«14 »Mit dem einfachen Nutzungsrecht gewährt der Urheber dem Berechtigten nur das nicht-exklusive Recht, das Werk – neben dem Urheber selbst und allen sonstigen Rechteinhabern – auf die erlaubte Art zu nutzen, § 31 Abs. II. UrhG.«15 Der Berechtigte kann also keine weiteren Nutzungsrechte vergeben. Hinsichtlich der Verwandten Schutzrechte nimmt das Urheberrechtsgesetz keine explizite Unterscheidung zwischen Verwertungs- und Nutzungsrechten vor. Obwohl Leistungsschutzberechtigte zunächst ein den Verwertungsrechten an einem Musikwerk weitestgehend analoges exklusives Rechtebündel an einer Musikaufnahme besitzen, können sie die darin enthaltenen Rechte und Ansprüche vollständig auf Dritte übertragen.16 So werden, seitens ausübender Künstler und Musikproduzenten, regelmäßig alle Rechte, die nicht die Künstlerpersönlichkeitsrechte nach §§ 74, 75 UrhG betreffen, mittels Bandübernahmeverträgen an Plattenlabels abgegeben. Diejenigen Rechte, die der Urheber eines Werks oder der Leistungsschutzberechtige an einer Musikaufnahme in Form von Nutzungslizenzen grundsätzlich selbst
9 10 11 12 13 14 15 16
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S. 17. Vgl. Böhm (2015); vgl. Gulden, Röttger (2015). Vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S. 12-15. Ellmer (o.J.), S. 1. Homann (2007), S. 172. Homann (2007), S. 173. Homann (2007), S. 173. Vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S. 37.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
vergeben können, werden als Erstverwertungsrechte bezeichnet.17 Dazu zählen sowohl urheberrechts- wie auch leistungsschutzrechtsseitig das Recht zur werblichen Nutzung, das Bearbeitungsrecht, das Synchronisations- beziehungsweise Masternutzungsrecht (mit Ausnahme der Einblendungsrechte für »Eigen- oder Auftragsproduktionen für eigene Sendezwecke und Übernahmesendungen« der Fernsehanstalten)18 sowie das Recht, ein Werk oder eine Aufnahme auf Tonträgern zu veröffentlichen.19 »Hiervon zu unterscheiden sind die Zweit- und Drittverwertungsrechte, die der Urheber [oder Leistungsschutzberechtigte, A. S.] in der Regel nicht selbst, sondern über eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt (die Zweitverwertung wäre z.B. die Sendung des Tonträgers im Radio, die Drittverwertung die Wiedergabe der Radiosendung in einer Kneipe).«20 »Die Rechteinhaber übertragen den Verwertungsgesellschaften durch einen Berechtigungs- oder Wahrnehmungsvertrag die Befugnis, bestimmte Rechte und Ansprüche an ihren Werken – ähnlich einem Treuhänder – wahrzunehmen. Die Verwertungsgesellschaften schließen dann ihrerseits wiederum Einzel- oder Gesamtverträge mit Nutzern oder Vereinigungen von Nutzern über diese Rechte und Ansprüche und führen die Abrechnung sowie das Inkasso für die Rechteinhaber durch.«21 In Deutschland sind die beiden wichtigsten Verwertungsgesellschaften die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) und die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Während die GEMA die Rechte der Urheber wahrnimmt, vertritt die GVL die Rechte ausübender Künstler und Produzenten. Beide Gesellschaften können Nutzungsrechte ausschließlich non-exklusiv vergeben.22 Der oder die Urheber eines Musikwerks (Komponisten, Textdichter und/oder Bearbeiter) sind also grundsätzlich die Rechteinhaber des Rechts zur Verwendung dieses Werks zu Werbezwecken sowie des Synchronisationsrechts. »Ist dieser [Urheber, A. S.] an einen Musikverlag gebunden, hat er diesem regelmäßig das Musikverfilmungsrecht [Synch Right, A. S.] exklusiv eingeräumt.«23 »Die entsprechenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte [zu Werbezwecken, A. S.] an der zugrundeliegenden geistigen Schöpfung […] sind vom Urheber selbst oder – in der Regel – von dessen zur Wahrnehmung seiner Rechte bestimmten Musikverlag sicherzustellen.«24 Die Musikverlage treten in diesem Fall als Verhandlungsberechtigte der Urheber hinsichtlich der werblichen Nutzung ihrer musikalischen Werke auf. Ob Urheber und Musikverlag Mitglieder der GEMA sind, spielt weder für die Werbenutzungsrechte noch für die Synchronisationsrechte von Musik eine Rolle: »Ebenfalls nicht von der GEMA wahrgenommen wird das Recht zur Verwendung von Musikwerken zur Herstellung von Werbespots, § 1 K) GEMABerechtigungsvertrag.«25 Nichtsdestotrotz nimmt die GEMA auch für Werbespots die
17 18 19 20 21 22 23 24 25
Vgl. Homann (2007), S. 52. Homann (2007), S. 103. Vgl. Passmann, Herrmann (2011), S. 192f.; vgl. Homann (2007), S. 52, S. 95f., S. 102f. Homann (2007), S. 52. Homann (2007), S. 81. Vgl. Homann (2007), S. 104. Homann (2007), S. 301. Schulz (2003), S. 1342. Homann (2007), S. 301.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
Vervielfältigungs- und Aufführungsrechte wahr und erhebt dementsprechende Gebühren beim Werbemittelhersteller beziehungsweise -vervielfältiger und jeweiligen Sender des Spots. Unabhängig von der Ausnahme nach § 90 UrhG, die dem Inhaber des exklusiven Nutzungsrechts für die Synchronisation erlaubt, weitere Nutzungsrechte an Dritte ohne die Zustimmung des Urhebers vergeben zu können, ist es im werblichen Kontext für Musikverlage unumgänglich, sich die Freigabe eines Musikwerks zum Zwecke der Werbung durch den Urheber zu sichern. Das Urheberrecht und die damit verbundenen Urheberpersönlichkeitsrechte sind in Deutschland untrennbar mit dem Schöpfer eines Werks bis zu dessen Tode verbunden.26 »Zu diesen Urheberpersönlichkeitsrechten gehören in erster Linie das Veröffentlichungsrecht, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft sowie das Recht auf die Wahrung der Integrität seines Werkes.«27 Hinsichtlich des eingeräumten Rechtes für die werbliche Nutzung eines Musikwerks sind dabei vor allem das Veröffentlichungsrecht und das Recht auf Wahrung der Integrität des Werkes interessant. »Nach § 12 Abs. I UrhG hat der Urheber das Recht, zu bestimmen, ob und wie, d.h. zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise, sein Werk veröffentlicht werden soll.«28 In § 14 UrhG heißt es bezüglich der Wahrung der Integrität des Werkes außerdem: »Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.«29 Im Filmbereich gibt es eine Sonderregelung bezüglich der Wahrung der Integrität eines Werkes nach § 93 UrhG, wonach »der Schutz des Urhebers auf ›gröbliche‹ Entstellungen beschränkt« sei.30 »Unter Heranziehung des Urheberpersönlichkeitsrechts in Verbindung mit der Anerkennung der Verwendung von Musiktiteln zu Werbezwecken als einer eigenständigen Nutzungsart im Sinne des § 31 UrhG ist der Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Urhebers bzw. Künstlers im Falle von werbemäßigen Nutzungen deren Schaffens von Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt.«31 Damit steht deutschen Urhebern ein breites und wirkungsvolles Instrumentarium zur Verfügung, um im konkreten Fall die Nutzung ihrer Werke zum Zwecke der Werbung zu verhindern. Unabhängig von der Art des Werbemittels halten Musikverlage bei entsprechenden Anfragen folglich zunächst Rücksprache mit dem Urheber und sichern dessen Freigabe seines Werks im jeweiligen Kontext ab, bevor sie weitere Verhandlungen mit Dritten aufnehmen. Diese Vorgehensweise erhält im Kontext von Werbefilmen eine besondere Relevanz. So könnte doch die Verknüpfung einer bestimmten Marke oder eines bestimmten Produkts mit einem Musikstück dramatische Folgen für die Fremdwahrnehmung des entsprechenden Interpreten oder auch Urhebers mit sich bringen. Musikverlage sind Rechteverwalter und -vermittler – sie können somit Rechte wahrnehmen, sind aber keine Rechteinhaber. Homann sieht die wesentliche Aufgabe von Musikverlagen im Bereich der populären Musik »in der Akquisition von Verwertungsmöglichkeiten für die unter Vertrag genommenen 26 27 28 29 30 31
Vgl. Homann (2007), S. 169. Homann (2007), S. 37. Homann (2007), S. 38. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S. 12. Homann (2007), S. 42f. Schulz (2003), S. 1345.
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Urheber (Vermittlung von Künstlerexklusivverträgen, Coverversionen, Kino-, Fernsehund Werbefilmmusikaufträgen etc.).«32 Darüber hinaus übernehmen sie die gesamte Kommunikation mit der GEMA (Werkanmeldungen, Abrechnungen etc.), führen Vertragsverhandlungen mit Dritten, definieren Vertragsinhalte im Sinne des Urhebers und stellen häufig Rechtssicherheit hinsichtlich der genannten Inhalte her. Das Recht zur Nutzung einer Aufnahme zu Werbezwecken liegt, wie auch das Einblendungsrecht (das Masternutzungsrecht), zunächst bei den ausübenden Künstlern sowie, falls vorhanden, dem Tonträgerhersteller. Letzterer lässt sich generell »im Künstlervertrag von den Künstlern sämtliche Leistungsschutzrechte unter Einschluss des Master-use Rights übertragen.«33 Trotz gängiger Praxis der Plattenfirmen, sich in Künstler- oder Bandübernahmeverträgen alle Leistungsschutzrechte übertragen zu lassen, wird beispielsweise das Masternutzungsrecht dem Rechtebündel der Künstlerpersönlichkeitsrechte zugeordnet und ist demnach gesetzlich nicht übertragbar. Ausübende Künstler genießen einen ähnlichen Schutz gegen Entstellungen ihrer Aufnahmen, wie die Urheber eines Musikwerks. So ist der § 75 UrhG (ehemals § 83 UrhG a.F.) »das leistungsschutzrechtliche Pendant zu den Regelungen der §§ 12, 14 UrhG zugunsten der Urheber.«34 »Der ausübende Künstler hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seiner Darbietung zu verbieten, die geeignet ist, sein Ansehen oder seinen Ruf als ausübender Künstler zu gefährden.«35 So sind das Recht zur werblichen Nutzung, das Bearbeitungsrecht, das Masternutzungsrecht und das Recht, eine Aufnahme auf Tonträgern zu veröffentlichen nicht übertragbar. Dementsprechend ist es, hinsichtlich der Nutzung einer Musikaufnahme zu Werbezwecken, zunächst irrelevant, ob die Leistungsschutzrechteinhaber Mitglieder der GVL sind. »Ebenfalls nicht von den Sendeverträgen umfasst ist die Nutzung von Musikaufnahmen zur Herstellung von […] sowie Werbefilmen.«36 »Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Zustimmungsrecht zur Werbenutzung nicht etwa den Verwertungsgesellschaften (z.B. GEMA oder GVL) übertragen ist.«37 Folglich müssen Tonträgerhersteller vor der Freigabe einer Aufnahme für die werbliche Nutzung, auch bei übertragenen Leistungsschutzrechten, grundsätzlich die Genehmigung der ausübenden Künstler einholen. Aus Sicht eines Lizenznehmers ist also »neben der Einholung der entsprechenden Verwertungs- oder sonstigen Nutzungsrechte von den Verwertungsgesellschaften die gesonderte Erteilung der Einwilligung des in seinen Persönlichkeitsrechten betroffenen Urhebers bzw. ausübenden Künstlers notwendig, da Verwendungen zu Werbezwecken stets das droit moral des Urhebers bzw. Künstlers berühren und dahingehende Nutzungen nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten durchgeführt werden dürfen.«38 Folgerichtig ist der Vertragsgegenstand entsprechender Lizenzierungen generell »die vom Rechteinhaber zugunsten des Lizenznehmers eingeräumte Erlaubnis, 32 33 34 35 36 37 38
Homann (2007), S. 155. Homann (2007), S. 302. Schulz (2003), S. 1345. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S. 36. Homann (2007), S. 303. Schulz (2003), S. 1345. Schulz (2003), S. 1345.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
einen bestimmten Musiktitel zum Zwecke der Werbung benutzen zu dürfen.«39 Unabhängig vom betroffenen Recht (Urheberrecht oder Leistungsschutzrecht) und den entsprechend unterschiedlichen Lizenzgebern (Urheber, Verlage, ausübende Künstler, Produzenten, Tonträgerhersteller oder Verwertungsgesellschaften) sei der Fluss der vertragsgegenständlichen Leistungen identisch und die Grundstruktur der Lizenzverträge stets gleich.40 Infolgedessen subsumiert der auf das Urheberrecht spezialisierte Anwalt Peter F. Schulz unter dem Begriff Musiktitel sowohl Musikwerke als auch Musikaufnahmen – je nach Bedarf könne der im individuellen Kontext richtige Terminus eingesetzt werden.41 Dieser Logik soll im weiteren Verlauf dieses Abschnitts gefolgt werden. Aufgrund der Vielzahl verschiedener Erscheinungsformen von Werbemaßnahmen (klassische Kino-, Fernseh-, Radiowerbespots, Sponsoring, Corporate oder Brand Image, Product Placement, Give aways, Onlinekommunikation etc.) sei es unabdingbar, »den tatsächlichen oder vorgeblichen Werbecharakter stets im Einzelfall präzise zu untersuchen.« Die Verwendung von Musik in Ladengeschäften, Restaurants oder auch Einkaufszentren (Instore-Musik) wird nicht als werbliche Nutzung eingestuft, sondern lediglich den Zweit- beziehungsweise Drittverwertungsrechten zugeordnet und folgerichtig größtenteils über die GEMA lizenziert, die im Auftrag der GVL gleichzeitig die notwendigen Lizenzen zur öffentlichen Wiedergabe der Musikaufnahmen vergibt und abrechnet.42 »Die Einräumung des Nutzungsrechts zu Werbezwecken stellt sich in der Praxis als ein komplexes Bündel von Rechteübertragungen und Leistungsbeschreibungen dar.«43 Nach §§ 31ff. UrhG gibt es dabei vor allem vier Variablen, die in Lizenzverträgen präzise bestimmt werden sollten, um Unsicherheiten beider Vertragsparteien (Lizenzgeber und Lizenznehmer) weitestgehend auszuräumen. »Die Nutzungsrechte können als einfaches [non-exklusives, A. S.] oder ausschließliches (exklusives) Nutzungsrecht eingeräumt werden (§ 31 Abs. 1 UrhG). Die Rechte können darüber hinaus räumlich begrenzt (z.B. auf bestimmte Länder), zeitlich (z.B. sechsmonatige Auswertungsfrist) oder inhaltlich (z.B. werbemäßige Verwendung nur in TV-Spots) beschränkt werden (§ 32 UrhG).«44 Das weite Spektrum an Möglichkeiten erfordert ein besonderes Augenmerk des Lizenzgebers auf die inhaltliche Determinierung der Nutzungsrechte und Leistungen. Neben der konkreten Bezeichnung genehmigter Nutzungsmedien (bspw. Einblendung in Kino-, Fernseh-, Radio- oder Internetwerbespot, Nutzung in Imagefilm am Point of Sale oder auf Messen, Einblendung auf CD als Werbegeschenk, Einblendung auf einer Webseite, Titelabdruck in Printmedien etc.) sollten an dieser Stelle die Musikspieldauer, die genutzte Version des Titels, die eingeräumten Bearbeitungsrechte, die Dauer der kommunikativen Maßnahme sowie die Bezeichnung des beworbenen Produktes und der Marke erfasst werden.45 Bei ausreichend genauer Definition der Inhalte kann sogar auf die explizite Erwähnung davon eingeschlossener Nutzungsrechte verzichtet werden. Wird neben der obligatorischen Generalklausel, die vor allem die 39 40 41 42 43 44 45
Schulz (2003), S. 1344. Vgl. Schulz (2003), S. 1344. Vgl. Schulz (2003), S. 1344. Vgl. GVL (2015). Schulz (2003), S. 1347. Schulz (2003), S. 1347. Vgl. Homann (2007), S. 305; vgl. Schulz (2003), S. 1348f.
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ausdrückliche Zustimmung des Lizenzgebers zur werblichen Nutzung eines Musiktitels durch den Lizenznehmer beinhaltet, der Lizenznehmer etwa berechtigt, diesen Musiktitel für einen Fernsehwerbespot zur Ausstrahlung auf bestimmten Sendern zu nutzen, so »räumt der Lizenzgeber gleichzeitig die denknotwendig hiermit verbundene Befugnis ein, den Musiktitel zur Herstellung des Werbefilms zu nutzen.«46 Damit wäre die konkrete Erwähnung des Synchronisations- oder Masternutzungsrechts hinfällig. Nichtsdestotrotz haben sich diese Begrifflichkeiten hinsichtlich der Lizenzierung von Musiktiteln für die audiovisuelle werbliche Nutzung in der branchenüblichen Kommunikation durchgesetzt und finden dementsprechend Anwendung im Gros der entsprechenden Lizenzvereinbarungen. Die möglichst exakte Beschreibung aller Nutzungsrechte und Leistungen kann spätere Rechtsstreitigkeiten verhindern und damit allen Vertragspartnern als Referenz und Diskussionsbasis in weiteren Verhandlungen dienen. Darüber hinaus bilden die so räumlich, zeitlich und inhaltlich festgelegten Nutzungsrechte die Grundlage für die Berechnung der jeweiligen Lizenzierungsgebühr (des Lizenzentgeltes). Diesbezüglich lässt sich generell festhalten, dass das Lizenzentgelt mit der Anzahl, Reichweite und dem inhaltlichen Ausmaß der eingeräumten Nutzungsrechte ansteigt. Nichtsdestotrotz gibt es, häufig in Abhängigkeit von der Bekanntheit eines Musiktitels oder Interpreten, teilweise dramatische Unterschiede in den Lizenzentgelten. Trotz des in Deutschland gültigen gesetzlichen Anspruchs auf angemessene Vergütung für die Einräumung von Nutzungsrechten nach §§ 32, 36 UrhG unterliegen Vertragsverhandlungen dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und sind damit vor allem Gegenstand der Verhandlungen zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer.47 Als Referenz für die Bemessungsgrundlage von Lizenzgebühren für die werbliche Nutzung von Musiktiteln haben sich in Deutschland die DMV-Erfahrungsregeln etabliert, die regelmäßig überarbeitet und in dementsprechend aktualisierter Form vom Deutschen Musikverleger-Verband e. V. veröffentlicht werden.48 Für Schulz gibt es keinen ersichtlichen Grund, Nutzungsrechte an Musikwerken wirtschaftlich anders zu behandeln als Nutzungsrechte an Musikaufnahmen – so könne für beide Leistungen derselbe Maßstab angelegt und folgerichtig die DMV-Erfahrungsregeln als Richtschnur verwendet werden.49 Diese Erfahrungsregeln beinhalten unter anderem durchschnittlich erzielte Lizenzentgelte der verschiedenen Nutzungsarten von Musiktiteln zum Zweck der Werbung. Eine ausführliche Übersicht der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen zur Berechnung dieser Lizenzgebühren »unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen, räumlichen und zeitlichen Beschränkung«50 findet sich bei Schulz.51 Im Bereich der audiovisuellen Werbung und, bei entsprechend groß angelegten Kampagnen, die Radiowerbung als Bestandteil integrieren, sogar im Hörfunkbereich, hat sich vor allem das Mediabudget als Bemessungsgrundlage für Lizenzentgelte durchgesetzt.52 Dabei handelt es sich 46 47 48 49 50 51 52
Schulz (2003), S. 1348f. Vgl. Schulz (2003), S. 1347ff. Vgl. Schulz (2003), S. 1363ff. Vgl. Schulz (2003), S. 1364. Schulz (2003), S. 1363. Vgl. Schulz (2003), S. 1349-1367. Vgl. Schulz (2003), S. 1351-1355, S. 1361.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
zunächst um den »Preis pro Einschaltung im jeweiligen Sender, den die Werbeagentur bzw. ihr Kunde als Gegenleistung für den Sendeplatz zu zahlen hat.«53 Schulz definiert die Summe der an alle ausstrahlenden Sender eines Werbespots zu zahlenden Beträge, nach Abzug üblicher Mengenrabatte, als Netto-Mediabudget.54 Die durchschnittlich erzielten Lizenzentgelte für die werbliche Nutzung von Musikwerken in TV-Werbespots bewegten sich, gemäß Schulz und DMV, in Deutschland 2003 zwischen ca. 3 und 5 % dieses Netto-Mediabudgets.55 In der Werbewirtschaft hat sich demgegenüber der Term Brutto-Mediabudget (auch: Brutto-Mediavolumen) etabliert, der ebendas werbeseitige Gesamtbudget für die Sendeplätze zur Schaltung eines Werbespots bezeichnet.56 Im Kinobereich habe sich gleichermaßen die Ermittlung der Lizenzgebühren nach dem Mediabudget etabliert.57 Die werbliche Nutzung von Musiktiteln im Internet ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage von Lizenzentgelten besonders problematisch. Da es mittlerweile üblich ist, audiovisuelle Werbespots großangelegter Kampagnen neben der Ausstrahlung in Fernsehen und Kino auch auf Onlinekanälen (bspw. der eigenen Webseite, YouTube etc.) zu nutzen, beinhalten entsprechende Musiklizenzierungsverträge häufig vor allem inhaltliche und zeitliche Beschränkungen dieser Nutzungsart sowie die damit anfallenden Lizenzgebühren.58 Neben Vereinbarungen zur Art der Bereitstellung (Streaming, Werbespot, Einblendung der Musik auf einer Webseite, Download-Möglichkeiten etc.) sollten die konkreten Internetadressen sowie die Dauer der Nutzung der Musik festgelegt werden. Aufgrund der allgegenwärtigen Abrufmöglichkeiten von Webseiten, werden Musiklizenzen für die werbliche Onlinenutzung weitestgehend weltweit vergeben. Während Schulz in seiner Publikation von 2003 Lizenzgebern dazu rät, die Download-Möglichkeit ihrer Musik grundsätzlich zu unterbinden,59 gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Kooperationen zwischen Unternehmen und Lizenzgebern, in denen gerade exklusive Downloads von Musiktiteln im Kontext der Markenkommunikation einerseits zu Strategien der Markenführung, andererseits zu neuen Vertriebs- und Kommunikationskanälen für Musikschaffende geworden sind.60 Handelt es sich um einen audiovisuellen Werbefilm, der bei verschiedenen externen Anbietern online gezeigt werden soll, bietet sich zur Berechnung des Lizenzentgeltes zunächst wiederum das entsprechende Mediabudget an, das sich in diesem Fall auf die jeweiligen Providerkosten des Werbenden bezieht.61 Sobald der Werbende selbst zum Provider wird (eigene Webseite) oder er Pauschalbeträge an andere Provider bezahlt, wird das Mediabudget als Kalkulationsbasis problematisch. Dementsprechend hat sich die Anzahl der Abrufe einer Webseite (Visits) als branchenübliche Bemessungsgrundlage etabliert.62 Für die Nutzung eines Musikwerks in einem Internet-Werbespot habe 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
Schulz (2003), S. 1352. Vgl. Schulz (2003), S. 1353. Vgl. Schulz (2003), S. 1353. Vgl. Theobald (2016); vgl. Saal (2011); vgl. Online-Vermarkterkreis im BVDW (2008). Vgl. Schulz (2003), S. 1355. Vgl. Schulz (2003), S. 1371, S. 1374. Vgl. Schulz (2003), S. 1371, S. 1360f. Vgl. Daimler AG (2014). Vgl. Schulz (2003), S. 1371, S. 1361. Vgl. Schulz (2003), S. 1371, S. 1361.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Abb. 1: Deutsche Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikwerken (bei GEMA-Mitgliedschaft des Urhebers)
Abb. 2: Deutsche Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikaufnahmen (bei GVLMitgliedschaft des Leistungsschutzberechtigten)
sich ein Lizenzentgelt von 0,10 € pro Seitenabruf als branchenüblich herausgebildet, auf das in der Regel eine Vorauszahlung erhoben würde, die sich an den zu erwartenden Abrufen oder an der Laufzeit der Lizenz orientiere.63 Eine detaillierte Analyse
63
Vgl. Schulz (2003), S. 1371, S. 1361.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
der gegenwärtig branchenüblichen Lizenzentgelte für die audiovisuelle Verwertung von Musikwerken findet in Kapitel 3.2 statt, das sich mit der Entwicklung des PublishingSegments seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert befasst. Die Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikwerken und Musikaufnahmen in Deutschland sind in den Abbildungen 1 und 2 zusammengefasst.
2.2
US-amerikanisches Copyright
Im Unterschied zum deutschen Urheber- und Leistungsschutzrecht kann das USamerikanische Copyright vollständig oder partiell abgetreten beziehungsweise übertragen und vom Empfänger weiterübertragen werden.64 Dies gilt sowohl für die Rechte am Musikwerk als auch für das Rechtebündel an der Musikaufnahme, die im US-amerikanischen Urheberrechtsgesetz (Copyright Law) getrennt geschützt und als zwei Gattungen des Copyrights bezeichnet werden.65 Die konstitutive Unterscheidung zwischen Rechten am Musikwerk und Rechten an der Musikaufnahme ist, ähnlich der Fixierung im deutschen Urheberrechtsgesetz, demgemäß im Copyright Law der USA verankert. Hat ein US-amerikanischer Eigentümer des Copyrights an einem Musikwerk oder Rechteinhaber an einer Musikaufnahme sein Copyright, das die im Folgenden definierten Nutzungsrechte beinhaltet, beispielsweise mit dem Upload seines Werks in eine Musikdatenbank teilweise oder vollständig an einen Dritten abgegeben, so kann dieser die übertragenen Rechte mit dem Verkauf der Musikbibliothek weiterveräußern. Der Inhaber des Copyrights an einem Musikwerk besitzt ein, mit den deutschen Verwertungsrechten eines Urhebers inhaltlich weitestgehend übereinstimmendes, exklusives Rechtebündel, das folglich das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht (diese beiden Rechte werden als mechanische Rechte bezeichnet), das Recht zur Herstellung abgeleiteter Werke (»the right to create derivative works«), das mit dem deutschen Recht zur Bearbeitung und Umgestaltung vergleichbar ist, das Aufführungs- und Vorführungsrecht (die das Senderecht beinhalten und als Public Performance Rights bezeichnet werden) sowie das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung einschließt.66 Obwohl es im Copyright Law keine ausdrückliche Erwähnung findet, wird das Synchronisationsrecht (Einblendungsrecht) diesen exklusiven Rechten, als Teilbereich des Vervielfältigungsrechts, der auch das Recht zur Herstellung abgeleiteter Werke betreffen könne, zugeordnet.67 Selbiges gilt für das Masternutzungsrecht, also das Recht zur Integration einer Musikaufnahme in audiovisuelle Werke, hinsichtlich derjenigen exklusiven Rechte, die der Eigentümer des Copyrights an einer Musikaufnahme besitzt.68 Dieser Eigentümer verfügt ferner über die exklusiven mechanischen Rechte an der Aufnahme, das Recht zur Herstellung abgeleiteter Werke sowie das erst 1995 durch den
64 65 66 67 68
Vgl. Passmann, Herrmann (2011), S. 217f.; vgl. Deterding, Otto (2008). Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 16ff. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 25; vgl. U.S. Copyright Office (2011), S. 16f. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 25. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 55f.
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US-Kongress eingeführte Recht zur öffentlichen Aufführung digitaler Audioübertragungen der Musikaufnahme (z.B. via Internet oder Satellitenradio).69 Demnach besitzt der Inhaber des Copyrights an einer Musikaufnahme kein Recht, Aufführungen dieser Musikaufnahme, die über analoge Radiowellen terrestrischer Sender stattfinden, zu verhindern oder wirtschaftlich an ihnen zu partizipieren. Da es infolgedessen in den USA keine entsprechenden Verwertungsgesellschaften gibt, die Tantiemen für die Aufführungen von Musikaufnahmen im terrestrischen Radio einziehen würden, beziehen auch diejenigen Leistungsschutzberechtigten, die nicht aus den Vereinigten Staaten stammen, in der Regel keine Royalties aus Aufführungen ihrer Musikaufnahmen im USamerikanischen Radio. Diese Art der öffentlichen Aufführung wird ausdrücklich aus dem Aufführungsrecht für Tonaufnahmen ausgeschlossen und ist damit kein Bestandteil des entsprechenden Copyrights.70 Der US-Kongress vollzog diese gesetzliche Unterscheidung basierend auf der Annahme, dass traditionelle Sender, im Gegensatz zu digitalen Übertragungsdiensten, keine Bedrohung für die Tonträgerindustrie darstellten. Terrestrische Radiosender und Plattenfirmen befänden sich in einer zum beidseitigen Vorteil gereichenden Wechselbeziehung, in der die Sender mittels der Verwertung der Aufnahmen Hörer gewinnen und so Werbeeinnahmen generieren, die Inhaber der Musikaufnahmen im Gegenzug eine breite Öffentlichkeit erreichen und damit die Verkäufe von Tonträgern fördern würden.71 Ob diese Argumentation noch Relevanz besitzt, wenn Tonträgerverkäufe nur noch einen vergleichsweise geringen Anteil am Einkommen der Künstler ausmachen (vgl. Kap. 3.1), die Tonträger selbst die terrestrischen Radiosender jedoch dabei unterstützen, jährlich Milliardenbeträge durch Werbung zu generieren, ist zumindest fragwürdig.72 2014 hätten die konventionellen Radiosender in den USA 298 Millionen aktive Zuhörer gehabt und damit mehr als die doppelte Menge an Menschen erreicht, als Pandora (79 Millionen), SiriusXM (27 Millionen) und Spotify (14 Millionen) gemeinsam.73 Aufgrund der Einschränkung des Rechts zur öffentlichen Aufführung würden den US-amerikanischen Plattenfirmen und ausübenden Künstlern jährlich etwa 70 bis 100 Millionen US-Dollar an Tantiemen, alleine aus der ausländischen Verwertung ihrer Aufnahmen, entgehen.74 So unterstütze das U.S. Copyright Office die Herstellung eines weniger lückenhaften Aufführungsrechts für Tonaufnahmen.75 Die relativ späte offizielle Anerkennung eines allgemeinen Copyrights an Musikaufnahmen durch den Kongress der Vereinigten Staaten 1971 beschränkt sich weiterhin auf Aufnahmen, die an oder nach dem 15. Februar 1972 hergestellt wurden (Stand: Januar 2017).76 Aufnahmen, die vor diesem Datum produziert wurden, genießen den Schutz der Gesetzgebung des jeweiligen Bundesstaates der USA. Dieser Schutz der Nutzungsrechte von Musikaufnahmen durch die bundesstaatlichen Gesetze sei inkonsistent, teilweise wenig präzise und schwer zu differenzieren – aus Sicht der Bundesgesetzgebung sei er
69 70 71 72 73 74 75 76
Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 43. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 43f. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 44. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 44. Vgl. Greenburg (2015). Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 45. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 45f. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 17.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
nicht ausreichend.77 Dementsprechend empfiehlt das Copyright Office die Integration aller Tonaufnahmen in das bundesgesetzliche Copyright-System, um so den gerechten und gleichwertigen Schutz aller Rechteinhaber zu gewährleisten.78 Während also der Inhaber des Copyrights an einem Musikwerk in den USA zunächst ähnlich umfangreiche exklusive Rechte besitzt, wie der Urheber eines solchen Werks in Deutschland, verfügt der Besitzer des Copyrights an einer Musikaufnahme über ein, vor allem die Rechte der öffentlichen Aufführung betreffend, deutlich weniger weit rechendes exklusives Rechtebündel, als dies Leistungsschutzberechtigte an Tonaufnahmen in Deutschland innehaben. Abgesehen vom Copyright an Musikaufnahmen gibt es in den Vereinigten Staaten von Amerika kein allgemeines Leistungsschutzrecht für ausübende Künstler, das beispielsweise auch Musiker bei einem Live-Konzert schützen würde.79 Nach § 201 (a) Copyright Law fällt das Copyright an einer Schöpfung, dabei kann es sich um ein Musikwerk oder eine Musikaufnahme handeln, initial dem Urheber oder den Urhebern dieser Schöpfung zu, die im Gesetzestext als Author beziehungsweise Authors bezeichnet werden.80 Im Fall von Musikwerken handelt es sich dabei also um Komponisten, Textdichter oder Bearbeiter, im Fall von Musikaufnahmen um ausübende Musiker, Produzenten oder Plattenlabels. Dementsprechend soll der Begriff Autor respektive Autoren in diesem Abschnitt synonym für den oder die ursprünglichen Inhaber beider Arten des Copyrights verwendet werden. Der Auftraggeber eines so genannten »works made for hire«, also einer Auftragsarbeit, wird zum Autoren dieser Schöpfung, insofern die daran beteiligten Parteien sich nicht schriftlich anderweitig geeinigt haben. So besitzt dieser Auftraggeber nach § 201 (b) Copyright Law das Copyright an der Schöpfung inklusive aller darin enthaltenen Rechte.81 Aufgrund der Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrechte ist diese Art der Rechteübertragung in Deutschland ausgeschlossen. Wie bereits erwähnt, kann der Besitzer des Copyrights an einer Schöpfung in den USA, wie auch in Großbritannien, dieses Copyright inklusive aller darin enthaltenen Rechte auf Dritte übertragen, die dieses Copyright dann ebenfalls weiterübertragen können.82 Hat ein Autor in den USA sein Copyright an einer Schöpfung vollständig abgegeben, so kann er, aufgrund der Abwesenheit eines vergleichbaren Passus im Copyright Law der USA, keinerlei Einfluss mehr auf die Verwertung derselben nehmen. Darüber hinaus gibt es in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Reihe so genannter Zwangslizenzen (»compulsory« oder »statutory licenses«), die grundsätzlich non-exklusiv vergeben werden und die Rechte der Copyright-Inhaber weiter einschränken.83 Hinsichtlich des Copyrights an einem Musikwerk ist dabei vor allem die Zwangslizenz zur Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung nicht-dramaturgischer Werke interessant, die ursprünglich Monopolbildungen von Tonträgerherstellern (bei Einführung des entsprechenden Gesetzes noch Hersteller von Notenrollen für automatisches Klavier) ver77 78 79 80 81 82 83
Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 53. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 53. Vgl. Passmann, Herrmann (2011), S. 194. Vgl. U.S. Copyright Office (2011), S. 126. Vgl. U.S. Copyright Office (2011), S. 126. Vgl. The Stationary Office (2003), S. 39. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 1ff.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
hindern sollte.84 Nachdem ein Musikwerk einmal aufgenommen und in den USA veröffentlicht wurde ist der Eigentümer des Copyrights an diesem Werk nach § 115 Copyright Law verpflichtet, jeder weiteren Person das Recht einzuräumen, diese Komposition auf einem Tonträger zu verwerten.85 Die Erstaufnahme und -veröffentlichung (»first use«) Werks fällt nicht unter diese Zwangslizenz – der Besitzer des Copyrights kann entscheiden ob und wie sein Werk zuerst vervielfältigt und verbreitet wird.86 Weiterhin gilt die Zwangslizenz nur, wenn die wesentliche Melodie und der fundamentale Charakter des Werks nicht verändert werden und sich die neue Verwertung auf phonographische Tonträger beschränkt.87 Neben physischen Tonträgern fallen DPDs, also zum Beispiel kostenpflichtige Downloads von Titeln im iTunes-Store, Music-on-DemandAnbieter (bspw. Spotify), deren Betrieb auf Serverkopien und andere Vervielfältigungen musikalischer Werke angewiesen ist, wie auch Klingeltöne unter diese mechanische Zwangslizenz.88 Die gesetzlichen Gebühren (»statutory rates«) für Lizenzierungen nach § 115 Copyright Law legt das Copyright Royalty Board fest, das diesbezüglich alle fünf Jahre tagt.89 Obgleich der Paragraph unmittelbar zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer auf dem freien Markt verhandelten Lizenzen Gültigkeit einräumt und diese anstelle der darin festgelegten Bestimmungen und Tarife anerkennt, schaffen die gesetzlichen Gebühren faktisch ein Limit für die maximalen Lizenzierungsentgelte, die ein Lizenzgeber für die mechanische Verwertung seiner Werke nach § 115 Copyright Law erzielen kann.90 Um gleichermaßen Monopolbildungen von Tonträgerherstellern zu unterbinden, verpflichtet das deutsche Urheberrechtsgesetz nach § 42a UrhG die Urheber eines Werks den Herstellern eine ähnliche Zwangslizenz zur Herstellung von Tonträgern einzuräumen.91 Dessen ungeachtet kann eine solche Lizenz in Deutschland, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika, nur mit dem Einverständnis des Urhebers vergeben werden, der darüber hinaus durch die mit ihm untrennbar verknüpften Urheberpersönlichkeitsrechte über ein breites Instrumentarium verfügt, eine solche Nutzung zu verhindern.92 Weiterhin werden die Lizenzierungsgebühren für eine solche mechanische Lizenz in Deutschland gesetzlich nicht präzise reglementiert und bei Mitgliedschaft des Urhebers in der GEMA von derselben festgelegt, erhoben und verteilt.93 Musikaufnahmen sind sowohl in Deutschland wie auch in den USA von dieser Zwangslizenz ausgenommen.94 Einzig non-interaktive Streaminganbieter sind in den USA berechtigt mechanische Lizenzen an Musikaufnahmen gemäß der Zwangslizenz nach §§ 112, 114 Copyright Law zu erwerben, ohne die Zustimmung
84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94
Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 26. Vgl. U.S. Copyright Office (2011), S. 66-72. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 29. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 29; vgl. U.S. Copyright Office (2011), S. 66. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 27f. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 29. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 29ff. Vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S. 22; vgl. Mestmäcker, Schulze, Kirchmaier (2009), S. 3. Vgl. Mestmäcker, Schulze, Kirchmaier (2009), S. 3, S. 7. Vgl. Mestmäcker, Schulze, Kirchmaier (2009), S. 3. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 43; vgl. Mestmäcker, Schulze, Kirchmaier (2009), S. 4.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
des Copyright-Besitzers einzuholen.95 Alle anderen Lizenzen zur entsprechenden mechanischen Nutzung einer Musikaufnahme werden folglich vom Leistungsschutzrechteinhaber (in Deutschland) oder dem Besitzer des Copyrights an dieser Tonaufnahme (in den USA) vergeben und frei zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer verhandelt. Gleichwohl unterliegen Musikaufnahmen in den USA einer Reihe anderer Zwangslizenzen, die das ohnehin vergleichsweise reduzierte Rechtebündel der CopyrightInhaber qualitativ weiter ausdünnen. Neben der bereits erwähnten mechanischen Zwangslizenz, die sich vor allem auf das Herstellen von Serverkopien bezieht, räumen die §§ 112, 114 Copyright Law verschiedenen non-interaktiven digitalen Musikanbietern – kostenlosen und kostenpflichtigen Internet-Radiosendern, Satellitenradiosendern sowie Musikabonnentendiensten – das Recht zur öffentlichen Aufführung von Musikaufnahmen, unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen zur Zwangslizenzierung, ein.96 Zur Unterscheidung interaktiver und non-interaktiver Anbieter beschreibt der Gesetzestext interaktive Musikanbieter als diejenigen Dienste, die ein Mitglied des Publikums befähigen würden, entweder die Übertragung eines speziell für diesen Empfänger entworfenen Programmes oder einer spezifischen Musikaufnahme zu empfangen, unabhängig von deren Programmzugehörigkeit, die von oder im Auftrag von diesem Rezipienten selektiert und angefragt wurde.97 Aufgrund eines Gerichtsurteils erhalten personalisierte Streaminganbieter wie Pandora Zwangslizenzen zur öffentlichen Aufführung als non-interaktive Dienste.98 Folglich profitieren auch die Anbieter von Instore-Musik von dieser Zwangslizenz, sofern sie die rechtlichen Bedingungen erfüllen und digital operieren. Die Bestimmungen und Gebühren für Lizenzierungen nach §§ 112, 114 Copyright Law legt wiederum das Copyright Royalty Board in fünfjährlichen Intervallen fest.99 Darüber hinaus unterliegen diese Zwangslizenzierungen einer Reihe spezifischer Konditionen. So dürfen Anbieter, die eine Lizenz nach §§ 112, 114 Copyright Law nutzen wollen, beispielsweise keine Vorankündigungen zu Programminhalten veröffentlichen und die Anzahl derjenigen Titel eines konkreten Künstlers oder Albums, die innerhalb dreistündiger Zeitintervalle gespielt werden dürfen, ist begrenzt.100 Streaminganbieter, die keine Berechtigung zur Nutzung einer solchen Zwangslizenz besitzen, müssen Lizenzierungen direkt mit dem Inhaber des Copyrights aushandeln. Dabei kann es zu erheblichen Abweichungen der Entgelte und Konditionen im Vergleich zu den gesetzlichen Gebühren und Anforderungen kommen. So erhielten etwa die drei Major-Labels (Majors) Universal Music Group (UMG), Sony Music Entertainment, Inc. (SME) und Warner Music Group (WMG), wenigstens teilweise basierend auf dem eingeräumten Nutzungsrecht an ihren Musikaufnahmen, Aktienbeteiligungen am Musikstreamingdienst Spotify in Höhe von insgesamt 18 %.101 Im Vergleich zum deutschen System besitzen die Inhaber des Copyrights an einem Musikwerk oder einer Musikaufnahme in den USA also ein weniger weitreichendes 95 96 97 98 99 100 101
Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 43. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 46. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 48. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 48f. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 46. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 46f. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 52.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Rechtebündel hinsichtlich der Nutzung ihrer Schöpfung. Darüber hinaus ist die staatliche Einflussnahme auf die Vergütung bestimmter Nutzungsarten von Musik, durch die Definition verbindlicher Gebührensätze, weitaus höher als dies in Deutschland der Fall ist. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung des Copyrights stellt die konsequente Trennung mechanischer Rechte von den Rechten zur öffentlichen Aufführung einen weiteren Unterschied zur deutschen Verfahrensweise dar. Während die GEMA und die GVL weitestgehend alle Zweit- und Drittverwertungsrechte, also gleichzeitig körperliche (mechanische) und unkörperliche (zu denen bspw. das Recht zur öffentlichen Aufführung gehört) Rechte, für ihre Mitglieder verwalten, werden diese Rechte in den USA, bei entsprechender Mitgliedschaft, von verschiedenen Organisationen wahrgenommen oder direkt von den Rechteinhabern vergeben. Im Folgenden soll von der Zugehörigkeit der jeweiligen Copyright-Besitzer bei den Verwertungsgesellschaften ausgegangen werden. Nichtsdestotrotz steht es Künstlern in den USA natürlich frei, Mitglied einer solchen Gesellschaft zu werden. Die Rechte der Copyright-Eigentümer zur öffentlichen Aufführung und Sendung ihrer Werke (Public Performance Rights) in nicht-dramaturgischer Form werden von Performing Rights Organizations (PROs) wahrgenommen und als Small Rights bezeichnet.102 Dramaturgische Sende- und Aufführungsrechte (Grand Rights), die also Kompositionen aus Opern oder Musiktheaterstücken oder die erzählerische Verwertung von Kompositionen im Rahmen dramaturgischer Werke beinhalten, gehören dagegen zu den Erstverwertungsrechten und werden folgerichtig direkt von den Rechteinhabern oder deren Musikverlagen lizenziert.103 Neben den beiden größten und gemeinnützig arbeitenden PROs, der American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP) und der Boradcast Music, Inc. (BMI), die gemeinsam über 90 % der in den USA zur Lizenzierung verfügbaren Titel repräsentieren, existieren einige kleinere Gesellschaften, wie zum Beispiel die Society of European Stage Authors and Composers, Inc. (SESAC), die gewinnorientiert arbeiten.104 Aufgrund der hohen verwaltungstechnischen Belastung, die eine Zwangslizenzierung für das Recht zur mechanischen Vervielfältigung von Musikwerken (das Recht zur Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung phonographischer Tonträger) nach § 115 Copyright Law impliziert, werden mechanische Lizenzierungen ebenfalls häufig von Drittanbietern verwaltet (Mechanical Rights Administrators, Verwertungsgesellschaften für mechanische Rechte) oder direkt zwischen Lizenzgeber (Copyright-Inhaber oder Musikverlag) und Lizenznehmer ausgehandelt.105 So vertritt die Harry Fox Agency, Inc. (HFA) beispielsweise mehr als 48 000 Musikverlage hinsichtlich mechanischer Lizenzierungen und dementsprechender InkassoTätigkeiten.106 Eine weitere Verwertungsgesellschaft für mechanische Rechte an Musikwerken ist die Music Reports, Inc. (MRI). Infolge der im Jahr 2015 stattgefundenen Übernahme der Harry Fox Agency durch die SESAC ist die erste US-amerikanische Verwertungsgesellschaft entstanden, die sowohl mechanische Rechte wie auch Rech-
102 103 104 105 106
Vgl. Hull et al. (2011), S. 130. Vgl. Hull et al. (2011), S. 130. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 20. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
te zur öffentlichen Aufführung für Urheber und Musikverlage wahrnimmt.107 Ob dies der Auslöser zu einem generellen Umdenken hinsichtlich des Umganges mit Zweitund Drittverwertungsrechten in den USA sein kann, lässt sich aktuell nicht beantworten. Eine 2015 an das US-amerikanische Justizministerium gerichtete Anfrage seitens der beiden großen PROs ASCAP und BMI, die eine Milderung des sie betreffenden gesetzlichen Regulariums vorschlägt, deren Umsetzung ihnen unter anderem ermöglicht hätte, mechanische Rechte von Musikwerken zu verwerten, wurde im Jahr 2016 abgewiesen.108 Aufgrund ihrer gemeinnützigen Unternehmensform unterliegen diese Verwertungsgesellschaften anderen rechtlichen Bedingungen als etwa die SESAC, die auf teilweise jahrzehntealten kartellrechtlichen Anerkenntnisurteilen beruhen.109 Mit der Ausnahme von Zwangslizenzen für non-interaktive Streaminganbieter nach §§ 112, 114 Copyright Law werden die Nutzungsrechte an einer Musikaufnahme in den USA grundsätzlich von den Copyright-Besitzern an dieser Musikaufnahme (häufig Plattenlabels) lizenziert.110 Die Umsetzung der oben genannten Zwangslizenzen, die sowohl die mechanischen Rechte wie auch die Rechte zur öffentlichen Aufführung an der Musikaufnahme betreffen, wird von einer gemeinnützigen Verwertungsgesellschaft durchgeführt: SoundExchange.111 Bei Nutzung einer Aufnahme durch non-interaktive Streamingdienste in den USA sammelt SoundExchange die fälligen Tantiemen ein, verteilt diese an ausübende Künstler und Plattenlabels und vertritt deren diesbezügliche Interessen.112 Weiterhin hat die Verwertungsgesellschaft Gegenseitigkeitsverträge mit Schwestergesellschaften in 35 Ländern abgeschlossen (Stand: Dezember 2017), wodurch sichergestellt würde, dass die Mitglieder von SoundExchange Tantiemen für non-interaktive Streamingvorgänge in Territorien außerhalb der USA erhielten.113 Andersherum können auch Leistungsschutzberechtigte, die nicht aus den Vereinigten Staaten stammen, einen Wahrnehmungsvertrag mit SoundExchange abschließen und so monetär an der non-interaktiven digitalen Aufführung ihrer Musikaufnahmen in den USA teilhaben. Musikproduzenten haben bislang keinen Eingang in die gesetzlich definierte Aufteilung der Tantiemen gefunden – demgemäß müssen sie ihre Beteiligung an möglichen Lizenzgebühren aus Lizenzierungen nach §§ 112, 114 Copyright Law vertraglich mit einer der in der Satzung festgelegten Parteien (ausübende Künstler und Plattenlabels) fixieren.114 Die zur Integration von Musik in ein audiovisuelles Werk notwendigen Synchronisationslizenzen am Musikwerk und der Musikaufnahme werden grundsätzlich von den jeweiligen Copyright-Inhabern vergeben.115 Filmtheater (Kinos) sind in den USA von der Abgabe von Tantiemen für die öffentliche Aufführung von Musik ausgenommen und können diesbezüglich nicht von den PROs belangt werden.116 Nichtsdestotrotz benöti107 108 109 110 111 112 113 114 115 116
Vgl. CISAC (2016), S. 33; vgl. Sisario (2015c). Vgl. CISAC (2016), S. 24; vgl. Sisario (2015c). Vgl. CISAC (2016), S. 24; vgl. Sisario (2015c). Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21ff., S. 43. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21ff., S. 47. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21ff., S. 22. Vgl. SoundExchange (2017f). Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21ff., S. 47. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21ff., S. 55. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21ff., S. 34; vgl. Northam (2009).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
gen sie das entsprechende Nutzungsrecht, um den rechtmäßigen Vorführungsbetrieb zu gewährleisten. Dementsprechend lizenzieren Film- oder auch Werbefilmproduzenten neben den Synchronisationsrechten unter anderem die Rechte zur öffentlichen Aufführung und geben diese an diejenigen Kinos weiter, die ihre Filme aufführen.117 Das US-amerikanische Copyright räumt den Autoren musikalischer Werke und den Schöpfern von Musikaufnahmen keine Persönlichkeitsrechte ein und ist charakterisiert durch eine an den Verwertern ausgerichtete Perspektive. Infolgedessen sind zur werblichen Nutzung von Musik lediglich die jeweils relevanten Nutzungsrechte gemäß der beschriebenen Rahmenbedingungen zu lizenzieren und die ursprünglichen Autoren nicht, wie es etwa im deutschen Urheberrecht verankert ist, zwingend um eine Nutzungslizenz anzufragen. Es sind der oder die Inhaber des Copyrights, die befugt sind entsprechende Nutzungslizenzen zu vergeben, nicht notwendigerweise die Urheber oder ausübenden Künstler. Die folgenden Abbildungen stellen die aktuellen Rahmenbedingungen für Lizenzierungen von Musikwerken (Abb. 3) und Musikaufnahmen (Abb. 4) in den USA dar.
Abb. 3: US-amerikanische Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikwerken118
117 118 119
Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 21ff., S. 34. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), Appendix D, Licensing and Ratesetting Charts. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), Appendix D, Licensing and Ratesetting Charts.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
Abb. 4: US-amerikanische Rahmenbedingungen zur Lizenzierung von Musikaufnahmen119
2.3
Exemplarische Gegenüberstellung der Implementierung beider Rechtstraditionen
Um die Unterschiede zwischen deutschem Urheber- und Leistungsschutzrecht und USamerikanischem Copyright exemplarisch zu veranschaulichen, wird im Folgenden die Lizenzierung einer bestehenden Musikaufnahme zur Verwendung in einem audiovisuellen Fernsehwerbespot in beiden Rechtstraditionen erörtert. In den USA muss der Lizenznehmer zunächst das Synchronisationsrecht für das Musikwerk und die Musikaufnahme von den jeweiligen Copyright-Inhabern erwerben. Die diesbezüglichen Lizenzverträge beinhalten zudem die zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Rahmenbedingungen zur Verwertung des Titels sowie die Einräumung eines exklusiven oder non-exklusiven Nutzungsrechts. Alle mechanischen Rechte, also unter anderem das Recht zur Herstellung von Kopien des Werbespots durch einen Fernsehsender, werden, das Musikwerk betreffend, von den Verwertungsgesellschaften (Harry Fox Agency, Music Reports) oder den Inhabern des Copyrights lizenziert. Hinsichtlich der Musikaufnahme werden diese Rechte direkt von den CopyrightBesitzern eingeräumt und abgerechnet. Die Rechte der öffentlichen Aufführung eines Musikwerks (die das Senderecht beinhalten) werden weitestgehend von den Verwertungsgesellschaften (ASCAP, BMI, SESAC etc.) wahrgenommen, die den Fernsehsendern die entsprechenden Nutzungsrechte non-exklusiv und überwiegend in Form von Pauschallizenzen (Blanket Licenses) einräumen. Gegen die Bezahlung einer Pauschalgebühr oder eines Prozentsatzes ihrer Gesamtumsätze erhalten die TV-Sender damit die Rechte der öffentlichen Aufführung für das gesamte Repertoire der jeweiligen Ver-
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
wertungsgesellschaft.120 So sammeln und verteilen die Verwertungsgesellschaften die Tantiemen für die öffentliche Aufführung von Musikwerken. Demgegenüber gibt es, in Bezug auf die Rechte der öffentlichen Aufführung einer Musikaufnahme, keine gesetzliche Verpflichtung der Fernsehsender, Lizenzen für die Ausstrahlung des Werbespots zu erwerben oder Tantiemen zu bezahlen. Aufgrund des beschränkten rechtlichen Schutzes der öffentlichen Aufführung einer Musikaufnahme haben die Copyright-Inhaber, in diesem konkreten Fall, kein Recht auf eine Vergütung ihrer Leistungen.121 Für die Nutzung eines existierenden Musiktitels in einem audiovisuellen TVWerbespot muss ein Lizenznehmer in Deutschland zunächst das Recht zur werblichen Nutzung der Urheber des Musikwerks und der Leistungsschutzrechteinhaber an der Musikaufnahme erwerben. In den entsprechenden Lizenzverträgen werden außerdem die notwendigen Synchronisationsrechte, die zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Rahmenbedingungen zur Verwertung des Titels sowie die Einräumung eines exklusiven oder non-exklusiven Nutzungsrechts festgelegt. Weiterhin werden die mechanischen Rechte (die körperlichen Rechte) am Musikwerk, die beispielsweise seitens der Fernsehsender notwendig sind, um Kopien des Werbespots herzustellen, von der GEMA lizenziert und abgerechnet. Dies gilt ebenfalls für die Rechte der öffentlichen Wiedergabe (die das Senderecht beinhalten), die für die TV-Sender gleichermaßen unerlässlich sind, um den Werbespot ausstrahlen zu können. Die GEMA hat mit den meisten öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern Gesamtverträge abgeschlossen, in denen die Rahmenbedingungen für spätere Einzellizenzen definiert sind und den Sendern häufig Rabatte gewährt werden.122 In Form von Einzelnutzerverträgen werden den Sendern schließlich Rechtebündel an den Musikwerken eingeräumt, die unter anderem das Senderecht und das Vervielfältigungsrecht beinhalten.123 Im Gegensatz dazu werden die zur Ausstrahlung des Werbespots durch einen Fernsehsender notwendigen Nutzungsrechte an der Musikaufnahme, die ebenfalls körperliche und unkörperliche Rechte einschließen, mittels Einzelverträgen von der GVL an die Fernsehsender vergeben.124 »Die Sendeunternehmen zahlen an die GVL einen prozentualen Anteil an den von ihnen eingenommenen Werbeerlösen sowie – im Fall der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten – auch der Rundfunkgebühren. Die Sendeunternehmen übermitteln der GVL ihre Sendeprotokolle mit der Auflistung des verwendeten GVL-pflichtigen Repertoirs [sic!].«125 Dabei dient der so genannte Labelcode (LC), der von der GVL an die Tonträgerhersteller vergeben wird, der Identifikation der verwendeten Musikaufnahmen im Sendeablauf und gewährleistet die Vergütung der Ansprüche der Plattenlabels und gegebenenfalls anderen Leistungsschutzberechtigten. Die deutschen und US-amerikanischen Verwertungsgesellschaften nehmen zunächst nur die Ansprüche ihrer Mitglieder im jeweiligen Inland wahr. »Um aber auch an den Vergütungsansprüchen für die Nutzung der Werke im Ausland zu partizipieren, schließen Verwertungsgesellschaften regelmäßig so genannte Gegenseitigkeitsverträge 120 121 122 123 124 125
Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 33. Vgl. Passmann, Herrmann (2011), S. 319f. Vgl. Homann (2007), S. 105f. Vgl. GEMA (2015), S. 3ff. Vgl. Homann (2007), S. 114f. Homann (2007), S. 115.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte
mit ihren dort ansässigen Schwestergesellschaften ab. Diese ziehen von den ausländischen Nutzern [bspw. Fernsehsendern, A. S.] die Vergütungen ein und führen diese – nach Abzug ihrer Verwaltungskommission – an die deutsche Verwertungsgesellschaft [diejenige Verwertungsgesellschaft, bei der eine Mitgliedschaft des Rechteinhabers existiert, A. S.] ab.«126
126
Homann (2007), S. 83.
107
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Die, seit dem ersten Auftreten des Begriffes der Musikindustrie in den 1920er Jahren durch verschiedenste Konnotationen über die Zeit und den »häufig ohnehin nur metaphorisch gemeinte[n] Gebrauch des Industriebegriffs«, wachsende definitorische Unschärfe dieses Ausdrucks, wird durch »teils überlagernde, teils synonyme verwandte Begriffsbildungen wie Musikwirtschaft, Musikgeschäft, Musikmarkt, Phonographische Industrie oder auch durch seine Verwendung als pauschale Bezeichnung für die Musikbranche insgesamt« noch gesteigert.1 So ist der Ärger des Präsidenten des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow, über die öffentliche Darstellung der Probleme der Musikindustrie, er bezeichnet diesen Wirtschaftszweig als den Bereich der Recorded Music, als die Probleme der gesamten Musikwirtschaft durchaus nachvollziehbar. Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des 3. Reeperbahn Festivals – Echo Edition (2014) erklärte er, man müsse »endlich damit aufhören, die Begriffe Musikindustrie und Musikwirtschaft als Synonym zu verwenden.«2 Dies schade allen anderen Branchen, die nicht zur Musikindustrie gehörten.3 Im wissenschaftlichen Diskurs verhindert der bedeutungsgleiche Gebrauch der genannten Bezeichnungen die systematische und präzise Auseinandersetzung mit den verschiedenen Untersuchungsgegenständen, die das Geschäft mit der Musik mit einbeziehen. Wenn beispielsweise in einer wissenschaftlichen Publikation, die sich ausschließlich mit der Tonträgerindustrie befasst, wahlweise von der Musikindustrie, der Musikwirtschaft, dem Musikmarkt oder dem Musikbusiness die Rede ist, kann dies einerseits den Eindruck vermitteln, die Tonträgerindustrie repräsentiere gleichermaßen die gesamte Musikbranche.4 Angesichts fehlender Definitionen und des scheinbar willkürlichen Einsatzes dieser Begriffe bleibt es andererseits der Interpretation durch den Leser überlassen, ob etwa die angespannte
1 2 3 4
Wicke (1997), S. 1343; vgl. Söndermann (2012), S. 1. Michow (2017). Vgl. Michow (2017). Vgl. Friedrichsen (2008), S. 19-38.
110
I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Lage auf dem Musikmarkt mutmaßlich die angespannte Lage auf dem Tonträgermarkt oder den prekären Zustand der Gesamtheit des Musikgeschäftes beschreibt.5 Um eine systematische Untersuchung des Geschäftes mit populärer Musik zu ermöglichen, die Rückschlüsse auf die Beschaffenheit deren Wechselbeziehung mit werbetreibenden Marken zulässt, ist es folglich unerlässlich, oben genannte Begriffe, soweit möglich, definitorisch voneinander abzugrenzen und damit inhaltlich greifbar zu machen. Die Musikwirtschaft (Musikbusiness, Musikgeschäft, Musikbranche, Music Business etc.) beschreibt nach Peter Wicke den übergeordneten Zusammenhang, »der alle Wirtschaftsbetriebe sowie öffentliche[n] und private[n] Aktivitäten umfaßt [sic!], die zum Zweck des Einkommenserwerbs im Rahmen der Schaffung, Verbreitung und Erhaltung von Musik Leistungen erbringen oder Produkte herstellen.«6 In dieser weit gefassten Definition schließt die Musikwirtschaft demnach, neben den im Folgenden ausgeführten Teilsektoren, unter anderem Musikveranstaltungen (Live Music), Musikverlage, Verwertungsgesellschaften, den Musikinstrumentenhandel und die Herstellung audiovisueller Medienprodukte (bspw. Werbespots) oder auch Audioprodukte der Unterhaltungselektronik (bspw. MP3-Player) ein. Eine ausführliche Beschreibung aller unter dem Begriff der Musikwirtschaft subsumierten Teilbereiche sowie deren volkswirtschaftlicher Bedeutung in Deutschland findet sich in der Studie Musikwirtschaft in Deutschland.7 Im Unterschied zur oben genannten breiten Definition des Ausdrucks grenzt die Publikation die Wirtschaftsbereiche der Unterhaltungselektronik, der audiovisuellen Medienproduktion sowie der Diskotheken, in denen Musik nicht regelmäßig Live oder von DJs wiedergegeben werde, von der Musikwirtschaft ab – obwohl Musik die Grundlage der wirtschaftlichen Aktivitäten dieser Branchen sei.8 Im Kontext dieser Arbeit ist eine Mischform dieser Begriffsbestimmungen zielführend, die all diejenigen umsatzgenerierenden Aktivitäten und Wirtschaftsbetriebe einschließt, an denen Musikfirmen und Künstler auf der Grundlage ihres Schaffens monetär partizipieren. Dementsprechend soll die Musikwirtschaft im Folgenden das Gesamtgeschäft mit Musikaufnahmen und Musikwerken wie auch den Sektor der Live-Musik beinhalten, wohingegen zum Beispiel der Musikinstrumentenhandel und das Segment der Unterhaltungselektronik außen vorgelassen werden. Der Musikmarkt beschreibt denjenigen Wirtschaftsraum, den die Gesamtheit der so definierten Musikwirtschaft ausfüllt. Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung wird die Musikindustrie im Folgenden als ein Teilbereich der Musikwirtschaft betrachtet, der seinerseits den Sektor der Recorded Music, wie auch sämtliche weitere »strikt auf die mediale Infrastruktur musikalischer Praxis«9 begrenzten wirtschaftlichen Tätigkeiten und Unternehmungen einschließt. »Das ist umfassender als lediglich die Tonträgerindustrie, weil es den gesamten Produktkreislauf medialer Träger in den Blick nimmt und damit die Massenmedien Rundfunk und Fernsehen [sowie das Internet, A. S.] mit ihrer absatzprägenden Funktion ebenso einbezieht wie den Handelssektor und die diversen Begleitmedien (Werbung,
5 6 7 8 9
Vgl. Friedrichsen (2008), S. 19. Wicke (1997), S. 1343. Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. et al. (2015). Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. et al. (2015), S. 68. Wicke (1997), S. 1343.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Zeitschriften usw.), ist andererseits aber deutlich von dem übergeordneten Zusammenhang der Musikwirtschaft abgegrenzt.«10 Aufgrund der zunehmenden Loslösung musikalischer Inhalte von konkreten Trägermedien und diesbezüglich, vor allem auf den Onlinemarkt bezogenen neuen Geschäftsmodellen der Rechteinhaber an Musikaufnahmen, soll das Segment der Tonträgerindustrie (Phonografische Industrie, Phonographic Industry, Record Industry, Recording Industry), das im 20. Jahrhundert im Wesentlichen die »industriell organisierte Herstellung musikbezogener Trägermedien und deren massenhafte Verbreitung«11 bezeichnete, in dieser Arbeit unter dem Bereich der Recorded Music beziehungsweise Musikaufnahmen subsumiert werden. Dieser beinhaltet folglich alle Verwertungsformen von Musikaufnahmen sowie die daran partizipierenden Unternehmungen. Dazu zählen, abgesehen von den herkömmlichen Verwertungsarten (in Form von Tonträgern), jegliche Lizenzgeschäfte mit den Nutzungsrechten an Musikaufnahmen, wie etwa das Vorführungsrecht zur öffentlichen Aufführung von Musikaufnahmen in Ladengeschäften (Instore-Musik) oder das Masternutzungsrecht zur Einblendung von Musikaufnahmen in audiovisuellen Produkten, die ausführenden Plattenlabels, Hersteller (Presswerke) und Vertriebe physischer Medien sowie Digitalvertriebe, Onlineplattformen zum Verkauf von DPDs (Digital Phonorecord Deliveries, bspw. der iTunes-Store) und Streaminganbieter.12 Neben der Offenheit gegenüber zukünftigen Nutzungsarten von Musikaufnahmen und dementsprechenden Geschäftstätigkeiten verhindert die Einführung der Kategorie der Recorded Music den offenkundigen semantischen Widerspruch, der entstünde, wenn der Absatz körperloser Musikdateien der Tonträgerindustrie nach obiger Definition zugeordnet würde. Da die einzelnen Wirtschaftsbereiche in vielfältigen und ausgeprägten Wechselbeziehungen zueinander stehen, lässt sich zwischen den verschiedenen Segmenten keine deutliche Trennschärfe erzeugen. So werden beispielsweise die Verwertungsgesellschaften in ihrer Gesamtheit der Musikwirtschaft zugeordnet, leisten aber gleichzeitig, etwa in Form von Tantiemen (Royalties) für Vervielfältigungsrechte, einen Beitrag zum Bereich der Recorded Music. Nichtsdestotrotz sind oben genannte, wenn auch nicht einwandfrei voneinander abgrenzbare, Begriffsbestimmungen unerlässlich für die strukturierte und sachliche Diskussion der mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen innerhalb der Musikwirtschaft. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind es die Entwicklungsverläufe des Verkaufs- und Lizenzgeschäfts mit Musikaufnahmen, aller ökonomischen Aktivitäten zur Verwertung von Musikwerken, des Bereichs der Live-Musik (Konzerte und Musikveranstaltungen), der Ausschüttungen und Aktivitäten der Verwertungsgesellschaften und insbesondere die Evolution der ökonomischen Bedeutung werbetreibender Marken innerhalb dieser Wirtschaftsbereiche seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert, die im Fokus der folgenden Analyse stehen.
10 11 12
Wicke (1997), S. 1343. Wicke (1997), S. 1343. Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. et al. (2015), S. 40f.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
3.1
Musikaufnahmen
Beim Versuch die globale ökonomische Entwicklung des Segments der Recorded Music seit den späten 1990er Jahren nachzuvollziehen, fällt zunächst auf, dass sich konkrete Zahlen zum weltweiten Geschäft mit Musikaufnahmen einzig kumuliert in jährlich erscheinenden Publikationen des internationalen Branchendachverbandes, der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI), finden lassen. Diese Jahresberichte besaßen von 1992 bis zur Ausgabe von 2015 (mit den Zahlen für 2014) den Titel Recording Industry in Numbers und werden seit 2016 als Global Music Report verkauft.13 Ein Preis von 750,00 britischen Pfund zzgl. Mehrwertsteuer (im Jahr 2017), alleine für die digitale PDF-Version eines Jahresreports,14 sowie die strenge Restriktion der damit verknüpften Nutzungsrechte seitens der IFPI,15 schränken die freie Verfügbarkeit der Berichte erheblich ein.16 Dadurch wird die Analyse und kritische Betrachtung der empirischen Daten, der bei der Datenerhebung angewandten Methodik sowie der Form der entsprechenden Berichte und vor allem deren Vergleichbarkeit auf allen genannten Ebenen in hohem Maße erschwert; was die systematische wissenschaftliche Untersuchung des weltweiten Geschäftes mit Musikaufnahmen und dessen Entwicklung gleichermaßen beeinträchtigt. So erfolgt die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex zum einen mittels der Auswertung der vorliegenden Publikationen der IFPI, inklusive deren kostenfrei verfügbarer und seit 2004 jährlich veröffentlichter Digital Music Reports (DMR, ehemals Online Music Reports), zum anderen per Analyse diesbezüglicher wissenschaftlicher Primär- und Sekundärliteratur, der Jahresabschlüsse großer Musikunternehmen, der Angaben in Marktforschungspublikationen, der Erhebungen anderer Industrieverbände sowie der internationalen Presse. Formal betrachtet bestechen die beiden verfügbaren globalen Jahresberichte der IFPI zunächst durch ihre Ostentativität: Zwischen Werbeanzeigen, plakativ aufbereiteten Zahlen und Diagrammen, die mit Kommentaren aus der Selbstsicht der IFPI versehen sind, werden die Superstars der Branche in immer wiederkehrenden Posen zur Schau gestellt.17 So scheinen die Publikationen, auf visuell gestalterischer Ebene, eher Werbebroschüren für das Geschäft mit Musikaufnahmen zu sein, als verlässliche Quellen zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Themenbereich. Bei näherer Betrachtung der Werbeanzeigen fällt zudem auf, dass beide Reports unmittelbar nach dem Deckblatt mit einer Anzeige für den Musikstreamingdienst Deezer beginnen und mit einer Annonce des Musikstreaminganbieters Spotify enden.18 Im Bericht von 2016 bedanken sich beide Dienstleister beim Leser und werben mit ihren Errungenschaften, etwa in Form von Wachstums- und Mitgliederzahlen oder auch der Höhe
13 14 15 16
17 18
Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. (2017a); vgl. Arditi (2013), S. 1. Vgl. IFPI (2017b). Vgl. Arditi (2013), S. 4f. So liefert etwa die Literatursuchmaschine »WorldCat«, welche die Bestände von mehr als 10 000 Bibliotheken weltweit integriert, bei der Suche nach »Recording Industry in Numbers« lediglich fünf Jahrgänge als Ergebnisse (am 23.03.2017). Vgl. IFPI (2016a); vgl. IFPI (2012). Vgl. IFPI (2016a); vgl. IFPI (2012).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
von Tantiemenauszahlungen an Rechteinhaber.19 Die Stichwortsuche nach diesen Anbietern in beiden Publikationen bestätigt das sich damit bereits aufdrängende Bild: Die IFPI sieht sich in Koalition mit diesen Unternehmen. Es lassen sich ausschließlich positive und zustimmende Aussagen bezüglich beider Anbieter finden.20 Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die aktuellen Geschäftsmodelle beider Musikdienstleister wenig Perspektive besitzen, in absehbarer Zukunft ein profitables und nachhaltiges Geschäft zu etablieren. Der Vergleich der Jahresabschlüsse beider Unternehmen von 2013 und 2014 belegt: Die Verluste wachsen an.21 Ein Faktor für diese Entwicklung sind die mit den Plattenlabels ausgehandelten mehrjährigen Lizenzverträge zur entsprechenden Verwertung von Musikaufnahmen durch die Musikstreamingdienste, welche die Machtposition der Tonträgerhersteller als Lizenzgeber manifestieren. So führen die darin getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich Vorschusszahlungen sowie garantierter Minimalzahlungen (»minimum guaranteed payments«) seitens der Streaminganbieter, neben der wachsenden Anzahl von Streamingvorgängen, zu jährlich steigenden Tantiemenauszahlungen an die Plattenlabels.22 Letztere erhalten, mit 80 bis 85 % der gesamten Tantiemenauszahlungen beider Anbieter (inkl. der Tantiemen für die Rechteinhaber an den Musikwerken), den Löwenanteil der Lizenzentgelte.23 Gleichzeitig stammen die Inhalte von ungefähr 67 % der tatsächlich getätigten Streams auf Deezer aus dem Katalog der drei Major-Labels: Universal Music Group (UMG), Sony Music Entertainment, Inc. (SME) und Warner Music Group (WMG),24 die zudem, aufgrund ihrer Unternehmensbeteiligungen (Spotify) und Aktienoptionen (Deezer), eng mit beiden Musikanbietern verflochten sind.25 Durch die im Jahr 2012 kartellrechtlich genehmigte Übernahme des ehemals vierten großen Plattenlabels und Musikverlages, der englischen EMI Group Ltd. (Electric and Musical Industries Limited), durch die Universal Music Group, die den Geschäftsbereich des Labels (der Recorded Music),26 sowie ein Konsortium angeführt von Sony Music Entertainment, welches das Verlagsgeschäft übernommen hat,27 beherrschen aktuell drei Konzerne einen Großteil des Geschäftes mit Musikaufnahmen. Gemäß einer Studie des auf Medien und Technik spezialisierten Marktforschungsunternehmens MIDiA Research, die sich auf die Umsätze aus dem Vertrieb von Musikaufnahmen bezieht und zu der keine Informationen hinsichtlich Methodik sowie Integration von Einkünften aus Synchronisationslizenzen und Aufführungsrechten vorliegen (die vollständige Studie ist nicht frei verfügbar), besaßen die Major-Labels 2016 weltweit einen Marktanteil von 68,7 % am gesamten Geschäft mit Musikaufnahmen – 2015 seien es 68,3 % gewesen.28 Dieser Wert ergäbe sich aus den Finanzberichten der Plattenlabels, der Untersuchung des weltweiten Independent-Label-Sektors sowie Berichten lokaler 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Vgl. IFPI (2016a), S. 2, S. 44. Vgl. IFPI (2016a); vgl. IFPI (2012). Vgl. Ingram (2015); vgl. Dredge (2015); vgl. Deezer S.A. (2015), S. 9. Vgl. Singleton (2015); vgl. Deezer S.A. (2015), S. 105f. Vgl. Deezer S.A. (2015), S. 80. Vgl. Deezer S.A. (2015), S. 79. Vgl. Deezer S.A. (2015), S. 42; vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 52. Vgl. Sweney (2012). Vgl. Christman (2012). Vgl. MBW (Music Business Worldwide) (2017).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Handelsorgane und PROs (Performing Rights Organisations).29 Weiterhin seien alle Zahlen aus lokalen Fremdwährungen zum (vermutlich gemittelten) Umrechnungskurs der entsprechenden Quartale in US-Dollar konvertiert worden.30 Im globalen Streaminggeschäft berechnet MIDiA Research im Jahr 2016 einen Marktanteil von 71,7 % für die Major-Labels – 2015 seien es 72,4 % gewesen.31 Die auf Basis des Vertriebes von Musikaufnahmen berechneten Marktanteile der großen Plattenlabels sind insofern kritisch zu betrachten, als dass 52 % der Independent-Labels (Independents, Indies) ihren Katalog über die Vertriebe der Major-Labels distribuieren und letztere damit monetär am Geschäft der kleineren Labels partizipieren.32 So hat sich die Bezeichnung unabhängiger Labels, »womit ursprünglich ihr von den Major-Firmen unabhängiger wirtschaftlicher Status gemeint war, […] bereits seit den 1970er Jahren überlebt, denn auch sie sind heute insbesondere durch Vertriebs- und Beteiligungsabkommen mit den marktbeherrschenden Firmenkonglomeraten als flexibel arbeitende Talentsucher und -entwickler verbunden.«33 Angesichts dieser Verzerrung hat das Worldwide Independent Network (WIN), eine Organisation, welche die weltweite Gemeinschaft der Independent-Labels repräsentiert, für das Jahr 2015 eine alternative Kalkulation der Marktanteile am Geschäft mit der Recorded Music durchgeführt, die sich auf die Eigentümerschaft der Rechte an Musikaufnahmen bezieht.34 Folgerichtig ermittelt das WIN eine andere Marktaufteilung: Im Jahr 2015 hätten die Indies einen Anteil von 37,6 %, die Major-Labels einen Anteil von 62,4 %, am weltweiten Geschäft mit Musikaufnahmen gehabt.35 Bei einem vom WIN angenommenen Gesamtvolumen des Geschäftes mit Musikaufnahmen von 14,9 Milliarden US-Dollar (dieser Wert wurde von der IFPI übernommen)36 entspräche dies Einkünften in Höhe von 5,6 Milliarden US-Dollar seitens der Indies und 9,3 Milliarden US-Dollar seitens der Majors.37 Bezieht man die oben geschilderte Marktaufteilung nach Vertrieb von Musikaufnahmen auf diese Referenzgröße, ergäben sich für 2015 Einnahmen von etwa 4,7 Milliarden US-Dollar vonseiten der Indies und 10,2 Milliarden US-Dollar vonseiten der Majors. Demgemäß partizipierten die drei großen Plattenlabels, in hohem Maße infolge ihrer globalen Vertriebstätigkeiten, im Jahr 2015 mit fast einer Milliarde US-Dollar am Geschäft der Independent-Labels. Beim Vergleich der entsprechenden Zahlen für die Marktsegmente physische Tonträger, Downloads und Streaming fällt weiterhin auf, dass die größte Divergenz tatsächlich umgesetzter Geldwerte und auf Basis der Rechteinhaberschaft berechneter Geldwerte im Streamingsegment existiert. So berechnet das WIN für das Streamingsegment im Jahr 2015 einen Marktanteil 29 30 31 32 33 34 35
36 37
Vgl. MBW (Music Business Worldwide) (2017). Vgl. MBW (Music Business Worldwide) (2017). Vgl. MBW (Music Business Worldwide) (2017). Vgl. Worldwide Independent Network Ltd (WIN) (2016), S. 8. Wicke (1997), S. 1345. Vgl. Worldwide Independent Network Ltd (WIN) (2016), S. 8f. Vgl. Worldwide Independent Network Ltd (WIN) (2016), S. 26; In der Publikation wird irrtümlich das Jahr 2014 als Referenz für diese Zahlen angegeben. Dieser Fehler wurde auf Nachfrage des Autors per E-Mail seitens des WIN eingeräumt (am 11.04.2017) – es handele sich um die Zahlen für 2015. Vgl. Worldwide Independent Network Ltd (WIN) (2016), S. 39. Vgl. Worldwide Independent Network Ltd (WIN) (2016), S. 26.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
von 39,4 % für die Independents (60,6 % für die Majors) nach Eigentümerschaft, gegenüber der auf Vertrieb basierenden Kalkulation von MIDiA Research, die den Indies einen Marktanteil von 27,6 % (den Majors dementsprechend 72,4 %) zuordnet.38 Dies ist neben dem digitalen Distributionsgeschäft der Major-Labels auf deren vorteilhafte Lizenzvereinbarungen mit den Streaminganbietern sowie die Variablen zur Kalkulation von Tantiemenauszahlungen der Musikstreamingdienste zurückzuführen. Während Deezer die Adressaten garantierter Minimal- und Vorschusszahlungen im firmeneigenen Finanzbericht nicht klar benennt (es wird von Record Labels gesprochen),39 sind es eben die Major-Labels, die, aufgrund der Relevanz und des Umfangs ihrer Musikkataloge und der daraus resultierenden Machtposition, derartig gewinnbringende Forderungen in ihren Lizenzverhandlungen mit den Streamingdiensten durchsetzen konnten.40 Weiterhin fließt sowohl bei Deezer als auch bei Spotify der jeweilige Marktanteil der Labels (Deezer) beziehungsweise Künstler (Spotify) in die Berechnung der individuellen Tantiemensätze mit ein.41 Der Begriff Marktanteil beschreibt hier das prozentuale Verhältnis gestreamter Musikaufnahmen eines konkreten Labels (Deezer) oder Künstlers (Spotify) zu der Gesamtzahl aller innerhalb eines bestimmten Zeitraumes abgespielter Titel auf der jeweiligen Plattform.42 Wie im Fall von Spotify und Sony Music Entertainment nachgewiesen,43 basiert dieser Popularitätsquotient,44 der faktisch eine monetäre Begünstigung erfolgreicher Künstler oder Labels darstellt, mutmaßlich auf den jeweiligen Lizenzvereinbarungen der Major-Labels mit den Streaminganbietern. Für Plattenlabels mit sehr großen Musikkatalogen erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, höhere Tantiemensätze als etwa Plattenlabels mit vergleichsweise sehr kleinem Repertoire zu erzielen. Trotz dieser, aus der Perspektive der Majors, äußerst profitablen Vereinbarungen mit den Musikstreaminganbietern, kommt nur ein geringer Prozentsatz der an die Labels ausbezahlten Tantiemen bei den Künstlern an – sie erhalten generell ungefähr 13 bis 22 % der Einnahmen der Major-Labels aus dem Musikaufnahmegeschäft.45 Somit lässt die oben geschilderte affirmative Perspektive der IFPI auf die beiden Musikstreaminganbieter vor allem eine Schlussfolgerung zu: Der Branchenverband vertritt in erster Linie die Interessen der drei Major-Labels. Gleichzeitig erzeugt die IFPI ein klares Feindbild, indem sie die vermeintlich Verantwortlichen für die Probleme des Geschäftsfeldes der Recorded Music innerhalb der letzten 20 Jahre eindeutig benennt: Raubkopierer (und entsprechende Dienstleister, die Piraterie ermöglichen) sowie uneingeschränkt kostenfreie Musikstreamingdienste beziehungsweise »user upload services« (etwa: Anwender-Upload-Dienste), insbesondere YouTube.46 Obwohl die im Bericht von 2016 beschriebene Wertigkeitsdifferenz (»value gap«), also das Ungleichgewicht der Höhe von Tantiemenauszahlungen verschiedener digitaler Musikanbieter an 38 39 40 41 42 43 44 45 46
Vgl. MBW (Music Business Worldwide) (2017); vgl. Worldwide Independent Network Ltd (WIN) (2016), S. 26. Vgl. Deezer S.A. (2015), S. 80. Vgl. Singleton (2015); vgl. Resnikoff (2016); vgl. Mulligan (2016). Vgl. Deezer S.A. (2015), S. 79f.; vgl. Nussmayr (2014). Vgl. Deezer S.A. (2015), S. 79f.; vgl. Nussmayr (2014). Vgl. Singleton (2015). Vgl. Raukamp (2015), S. 17. Vgl. Rethink Music (2015), S. 20. Vgl. IFPI (2016a), S. 22-24; vgl. IFPI (2012), S. 23-25.
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Rechteinhaber,47 sowie die im Report von 2012 dargestellte Piraterie48 unbestreitbar einen Einfluss auf das Geschäft mit Musikaufnahmen haben, blendet die IFPI eine Vielzahl anderer Einflussfaktoren aus und erzeugt damit eine stark vereinfachte eindimensionale Vorstellung des Geschäftsfeldes der Recorded Music. Abgesehen von den durch ein wenig zeitgemäßes Urheber- und Leistungsschutzrecht respektive Copyright determinierten rechtlichen Rahmenbedingungen, auf deren Grundlage die Wertigkeitsdifferenz entstanden ist und die Piraterie stattfindet, finden grundlegende globale und lokale wirtschaftliche Veränderungen sowie damit einhergehend modifizierte Geldwerte keine Erwähnung in den Jahresberichten des Industrieverbandes. Wesentliche soziale, kulturelle und politische Umwälzungen auf lokaler oder globaler Ebene, branchenübliche Verteilungssätze hinsichtlich der Tantiemen für die Aufführung von Musikaufnahmen oder etwa die Geschäftspraktiken der großen Tonträgerunternehmen werden von der IFPI ebenfalls weitestgehend ausgeklammert. Folgerichtig ist die Berufs- und Lebensrealität der Musikschaffenden, abgesehen von der sich scheinbar endlos wiederholenden Darstellung der Superstars der Branche, gleichermaßen kein Thema in den Jahresberichten der IFPI.49 Neben der augenscheinlichen Problematik, die eine Selbstdarstellung in ökonomisch motiviertem Kontext unweigerlich mit sich bringt – »we get only those statistics and ›facts‹ which this most secretive of industries wishes us to have«50 – ergeben sich, bei eingehender Untersuchung der Jahresreports, eine Reihe weiterer nicht unerheblicher Defizite. Die empirischen Daten dieser Publikationen basieren auf den Angaben der Mitglieder der IFPI – etwa dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI, Deutschland), der British Phonographic Industry (BPI, UK) oder der Recording Industry Association of America (RIAA, USA).51 So bestand die Welt der IFPI im Jahr 2011 aus 50 Ländern und hat den afrikanischen Kontinent, ausgenommen Südafrika, gänzlich ausgeblendet.52 Demgegenüber basiert der Bericht von 2016 auf den Zahlen der Landesverbände aus 49 Territorien, die vermutlich Länder repräsentieren.53 Um diejenigen Firmen in die Rechnung mit einzubeziehen, die nicht von den lokalen Mitgliedern der IFPI erfasst werden und damit, nach eigenen Angaben, 100 % des Marktes abzubilden, wendet der Verband einen »coverage factor« an, der nicht weiter erläutert wird.54 Schließlich werden die so hochgerechneten Einnahmen der Unternehmen auf Dollarbasis umgerechnet. Im Report von 2012 heißt es diesbezüglich, die historischen Beträge in lokalen Währungen seien mit dem Wechselkurs von 2011 neu kalkuliert worden.55 Um was für einen Wechselkurs es sich dabei konkret handelt, etwa einen Jahresmittelwert oder einen Momentanwert, wird nicht weiter ausgeführt. Der inhaltlich beschnittene,
47 48 49 50 51 52 53 54 55
Vgl. IFPI (2016a), S. 22-24. Vgl. IFPI (2012), S. 23-25. Vgl. IFPI (2016a); vgl. IFPI (2012). Harker (1997), S. 45. Vgl. IFPI (2012), S. 6; Vgl. Harker (1997), S. 45. Vgl. IFPI (2012), S. 39. Vgl. IFPI (2017a). Vgl. IFPI (2012), S. 6. Vgl. IFPI (2012), S. 6.
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öffentlich zugängliche Jahresbericht von 2016 macht zu dieser Problematik keine Angaben – alle Zahlen werden in US-Dollar angegeben.56 Weiterhin würden alle Analysen, Wachstumsraten und Trends (sofern nicht anders gekennzeichnet) im Report von 2012 auf dem Handelswert basieren.57 Dieser beziehe sich auf die Einnahmen der Plattenlabels aus dem Verkauf oder der Lizenzierung von Musikaufnahmeprodukten abzüglich Rabatten, Retouren und Steuern.58 Dabei wird nicht näher erläutert, weshalb die tatsächlichen Einkünfte der Labels als Handelswert, also »der im Geschäftsverkehr bei einem Verkauf zu erzielende Durchschnittspreis«,59 bezeichnet werden.60 Im Bericht von 2016 wird zu dieser Problematik keine Stellung bezogen. Die Einkünfte der Labels werden schlicht als »revenue« bezeichnet.61 Demnach handelt es sich in beiden Reports mutmaßlich um die Einnahmen der Unternehmen aus dem Geschäft mit Musikaufnahmen vor Steuern, Rabatten, Retouren und Betriebsausgaben. Zum Gewinn der Firmen finden sich in beiden Berichten keine Aussagen.62 Ein Vergleich der in beiden Jahresberichten publizierten historischen Umsatzzahlen der Plattenlabels seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert ist auf den ersten Blick irritierend: Die aufgeführten Jahreseinkünfte im Report für 2011 sind ausnahmslos bedeutend höher als diejenigen im Report für 2015.63 Dabei lassen sich etwa aus dem Vergleich der Verhältnisse der jeweiligen Jahresumsätze keine Rückschlüsse hinsichtlich der dem zugrundeliegenden Faktoren zu. Eine Gegenüberstellung der entsprechenden Zahlen zweier weiterer IFPIJahresberichte bestätigt diese Diskrepanz. So sind die jährlichen Einkünfte der Tonträgerunternehmen aus dem Verkauf oder der Lizenzierung von Musikaufnahmeprodukten im Bericht für das Jahr 2011 jeweils höher als diejenigen im Report für 2010.64 Nachdem diese Zahlen im Jahresbericht für 2015 deutlich nach unten korrigiert wurden, offenbart der Vergleich der darin vorgestellten Einkünfte mit denjenigen aus dem gekürzten und frei zugänglichen IFPI-Report für 2016 Schwankungen in beide Richtungen.65 Zu den Gründen für diese teilweise dramatischen Veränderungen der dargestellten Jahreseinkünfte der Unternehmen aus dem Musikaufnahmesegment sowie zur Frage nach der Zuverlässigkeit und Güte der jeweils publizierten Zahlen schweigt die IFPI.66 Im Jahresbericht von 2012 findet sich diesbezüglich lediglich die Angabe, einige der präsentierten Zahlen könnten sich von denjenigen vorhergehender Reports wegen Überarbeitungen, Aktualisierungen oder aufgrund besser verfügbarer Informationen unterscheiden.67 Aus der Arithmetik der vorliegenden Zahlen lassen sich diesbe-
56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66
67
Vgl. IFPI (2016a). Vgl. IFPI (2012), S. 6. Vgl. IFPI (2012), S. 6. Bibliographisches Institut GmbH, Duden (2017). Vgl. IFPI (2012), S. 6. Vgl. IFPI (2016a), S. 9. Vgl. IFPI (2016a); vgl. IFPI (2012). Vgl. IFPI (2016a), S. 9; vgl. IFPI (2012), S. 8. Vgl. IFPI (2011) zit.n. Marshall (2013), S. 54; vgl. IFPI (2012), S. 8. Vgl. IFPI (2017b), S. 11; vgl. IFPI (2016a), S. 9. Auf eine entsprechende persönliche Anfrage des Autors per E-Mail (23.11.2016) an die auf der Webseite der IFPI vorgestellten Verantwortlichen für die Jahresberichte wurde seitens der IFPI nicht reagiert. Vgl. IFPI (2012), S. 6.
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züglich ebenfalls keine plausiblen Rückschlüsse ziehen. Dementsprechend können nur Vermutungen darüber angestellt werden, ob diese Veränderungen etwa auf jeweils verschiedenen involvierten Ländern, Unterschieden in der Kalkulation, einer nachträglich veränderten Datenlage, uneinheitlich integrierter Medien oder jeglicher anderer Abweichung in Methodik, Datenerhebung, Datenlage und -evaluierung beruhen. Dessen ungeachtet werden die von der IFPI bereitgestellten Zahlen, Analysen und Prognosen weitestgehend kritiklos in den wissenschaftlichen, öffentlichen und politischen Diskurs getragen und damit eine Wirklichkeit konstruiert, die von der ideologischen und ökonomischen Perspektive der Major-Labels geprägt ist.68 So wird dieses Narrativ zu einer wesentlichen Grundlage der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenbereich,69 zur Basis der öffentlichen Wahrnehmung dieses Geschäftsfeldes70 und sogar zum Fundament für die internationale Rechtsprechung hinsichtlich des Marktsegments.71 Es handelt sich bei den Jahresberichten der IFPI keineswegs um neutrale ökonomische Darstellungen des Geschäftes mit Musikaufnahmen, sondern vielmehr um Machtinstrumente, die mittels der Wissensproduktion Einfluss auf die Gesamtheit der Kulturproduktion sowie die Reflexion dieses Feldes nehmen.72 Folglich müssen alle aus den IFPI-Jahresberichten stammenden Zahlen, Analysen und Prognosen äußerst kritisch hinterfragt werden und können in der wissenschaftlichen Diskussion lediglich als Annäherung an das Marktsegment betrachtet werden.
Abb. 5: Entwicklung der weltweiten Einnahmen der Tonträgerindustrie gemäß IFPI, alle Zahlen gerundet in Mrd. US-Dollar (1999-2016)73
68 69 70 71 72
Vgl. Arditi (2013), S. 1ff., S. 21f. Vgl. bspw. Clement, Schusser (2005). Vgl. bspw. Theurer (2007). Vgl. Arditi (2013), S. 2f.; vgl. IFPI (2017b), S. 27. Vgl. Arditi (2013), S. 21f.
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Die seitens der IFPI im Jahr 2017 vorgelegten Zahlen ergeben das in Abbildung 5 zusammengefasste Bild für die Entwicklung des Geschäftes mit Musikaufnahmen seit 1999. Unter dem Begriff Physical werden vermeintlich die Einkünfte aus dem Verkauf aller verfügbaren physischen Formate subsumiert. Gleichermaßen integriert die Sparte Digital mutmaßlich die Einnahmen der Platenlabels aus dem Verkauf von DPDs (Downloads), Klingeltönen sowie die Einkünfte aus dem Streamingsegment (Abonnementdienste und werbegestützte Anbieter), wie etwa im Jahresbericht von 2012 definiert.74 Die Kategorie Performance Rights (auch: Performing Rights) beinhalte die durch die Aufführung von Musikaufnahmen in Fernsehen, Rundfunk oder an öffentlichen Standorten (bspw. Restaurants, Diskotheken etc.) generierten Umsätze.75 Infolge der vermehrten Verwertung von Musikaufnahmen in der TV-Werbung, in Fernsehsendungen, in Filmen, in Videospielen oder für Markenpartnerschaften, so die IFPI, seien die Einkünfte aus dem Bereich der Synchronisation seit dem Jahr 2010 gemessen und erstmals im Report von 2012 publiziert worden.76 Synchronisation, also das Masternutzungsrecht zur Einblendung einer Musikaufnahme in einem audiovisuellen Werk, sei ein wirkungsvoller Weg für Musikfirmen neue Zielgruppen zu erschließen und ein Einnahmewachstum zu generieren.77 Den von der IFPI publizierten Zahlen zufolge, ist dieser Bereich seit dem Jahr 2010, mit Ausnahme des Jahres 2013, in dem ein Rückgang der Einnahmen um 3,4 % stattgefunden habe, stetig gewachsen und repräsentiere etwa 2 % des Gesamtmarktes.78 Das Gesamtvolumen der weltweiten Einnahmen von Plattenlabels aus Synchronisationslizenzen für Musikaufnahmen lag, gemäß IFPI, im Jahr 2016 zwischen 351 und 449 Millionen US-Dollar (gerundet auf 400 Millionen US-Dollar).79 Diejenigen Einkünfte, die aus der Vergabe von Masternutzungslizenzen ohne Beteiligung eines Plattenlabels, also beispielsweise mittels direkter Lizenzvergabe durch Künstler, erzielt wurden, finden keinen Eingang in die Darstellungen der IFPI. Insgesamt seien die Einkünfte der Plattenlabels zwischen 1999, mit Einnahmen von 23,8 Milliarden US-Dollar, und 2014, mit Umsätzen von 14,3 Milliarden US-Dollar, um rund 40 % geschrumpft.80 Das Jahr 2015 wird mit weltweiten Einkünften der Tonträgerindustrie von 14,8 Milliarden US-Dollar als die Rückkehr ins Wachstum dargestellt, das sich 2016, mit Einkünften von 15,7 Milliarden US-Dollar, beschleunigt habe.81 Bei einer derartigen Verringerung der Gesamtumsätze der Plattenlabels haben die wachsenden Einkünfte aus der Lizenzierung des Masternutzungsrechtes zur Einblendung von Musikaufnahmen in audiovisuellen Werken stetig an Relevanz gewonnen – ihr relativer Anteil an den Einnahmen der Tonträgerunternehmen ist gewachsen. Die bei Ausstrahlung entsprechender Filme abzuführenden Tantiemen für die erforderlichen Senderechte, die einen Teil der Einkünfte aus den Performing Rights re73 74 75 76 77 78 79 80 81
Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. IFPI (2012), S. 6. Vgl. IFPI (2017b), S. 12. Vgl. IFPI (2012), S. 6f. Vgl. IFPI (2012), S. 7. Vgl. IFPI (2017b), S. 12; vgl. IFPI (2016a), S. 9; vgl. IFPI (2015), S. 8; vgl. IFPI (2014), S. 7; vgl. IFPI (2013), S. 6; vgl. IFPI (2012), S. 7. Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. IFPI (2017b), S. 11.
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präsentieren, steigern die wirtschaftliche Bedeutung von Synchronisationslizenzen im Musikaufnahmegeschäft zusätzlich. Im Jahr 2016 beliefen sich die Auszahlungen der Verwertungsgesellschaften für Leistungsschutzrechte an die ausübenden Musiker und Plattenlabels aus Fernsehsenderechten approximiert auf mehr als 329 Millionen USDollar (s.u.). So hat sich das Geschäft mit Synchronisationslizenzen von einem untergeordneten Nebengeschäft der Plattenlabels zu einem Teil ihres Kerngeschäftes entwickelt. Parallel zu den Umsatzrückgängen der Plattenlabels aus dem Verkauf physischer Tonträger ist die Anzahl verfügbarer audiovisueller Medien und Medienproduktionen stark angestiegen. Wie oben gezeigt, ist in diesem Kontext vor allem die bereitgestellte Menge und Dauer audiovisueller Werbespots pro Zeiteinheit außerordentlich gewachsen. Weiterhin lagen die auf dem US-amerikanischen Markt durch die Einblendung von Musik in audiovisuellen Werbespots erzielten Lizenzentgelte, gemäß der durch das Film Music Magazine publizierten Zahlen, 2004 und 2011 durchschnittlich höher als die Nutzungsgebühren für die Einblendung in Film- und Serienproduktionen für Kino und Fernsehen mit vergleichbarem Budget.82 Die, nach Angabe des Magazins, repräsentativen Zahlen für die USA würden die Nutzungsgebühren für die Musikaufnahme und das Musikwerk integrieren.83 Diese Indizien legen nahe, dass die Mehrheit der Einkünfte der Plattenlabels aus der Lizenzvergabe zur Verwertung von Musikaufnahmen in audiovisuellen Werken aus der werblichen Nutzung der Aufnahmen stammt. Hinsichtlich des Anteils der unmittelbar auf der Einblendung in Werbespots beruhenden Tantiemen am Gesamtumfang der Royalties aus der Sendung und Aufführung audiovisueller Werke kann keine eindeutige Aussage getroffen werden – diesbezüglich existieren keine öffentlich zugänglichen Daten. Dennoch, die mit dem zunehmenden Anteil von Werbespots am Gesamtprogramm der Medien entstehende Allgegenwärtigkeit von Werbebotschaften, die in gleicher Weise vermehrt musikalische Inhalte aufweisen, deutet auf eine hohe Quote an diesen Tantiemen hin. Darüber hinaus wird das klassische Medium Fernsehen, abgesehen von Video-on-Demand-Anbietern und Pay-TV-Sendern, die keine Werbung zeigen, ohnehin weitestgehend durch Werbemittel finanziert, wodurch die Tantiemen für die Sendung und Aufführung von Musikaufnahmen etwa in einer TV-Serie oder einem Film mittelbar ebenfalls auf den Werbeausgaben marketingorientierter Marken basieren. Die Aussage der IFPI, für Musikfirmen sei die Wertschöpfung aus der Verknüpfung von Marken und Künstlern ein zentrales Thema, kann ebenfalls als Beleg für diese Annahme gedeutet werden.84 Anhand der veröffentlichten Zahlen der IFPI lässt sich für den Zeitraum zwischen 2008 und 2015 ein Rückgang der globalen Umsätze der Plattenlabels von etwa 12 % berechnen.85 Ein Vergleich der mit Musikaufnahmeprodukten erzielten Umsatzzahlen der Jahre 2008 und 2015 des nach Marktanteil größten Plattenlabels der Welt, der zum Mutterkonzern Vivendi gehörenden Universal Music Group,86 ist dementsprechend überraschend: sie konnten um etwa 6 % gesteigert werden.87 Obwohl diese Ge82 83 84 85 86 87
Vgl. Global Media Online (2011) S. 9; vgl. Film Music Media Group (2004), S. 9. Vgl. Global Media Online (2011) S. 8; vgl. Film Music Media Group (2004), S. 8. Vgl. IFPI (2009), S. 12. Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. MBW (Music Business Worldwide) (2017). Vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Vivendi (2009), S. 19.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
genüberstellung nur einen Einzelfall abbildet und das dargestellte Wachstum unter anderem auf einem Umsatzrückgang des Unternehmens im Jahr 2008 basiert,88 ist sie ein Beleg für die Divergenz des von der IFPI in die Öffentlichkeit transportierten Bildes des Geschäftes mit Musikaufnahmen mit der wirtschaftlichen Realität. Die beiden in den entsprechenden Bilanzen des Unternehmens von der Sparte der Recorded Music getrennt aufgeführten Posten weisen für denselben Zeitraum ein noch höheres Wachstum der Einkünfte auf: Der Konzern konnte die Umsätze aus dem PublishingSegment um annähernd 17 %, diejenigen aus dem Geschäft mit Fanartikeln, Künstlerdienstleistungen und anderem (»Artist services, merchandising and other«) um etwa 60 % vergrößern.89 So hat die Universal Music Group im Jahr 2015 insgesamt Umsätze von 5,108 Milliarden Euro erwirtschaftet, was einem Wachstum von etwa 9 % seit dem Jahr 2008 (4,65 Milliarden Euro) entspricht.90 Bei einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte (EBITA) von 593 Millionen Euro beträgt die Bruttogewinnspanne des Unternehmens im Jahr 2015 folglich 11,6 %.91 Dieser Wert bestätigt die, aus rein ökonomischer Perspektive, sehr guten vorliegenden Gewinnmargen anderer Jahre, die für die UMG ausnahmslos im niedrigen zweistelligen Prozentbereich liegen.92 Hinsichtlich der von Universal Music an die Künstler (Recorded Music) und Urheberrechtsinhaber (Publishing) ausbezahlten Tantiemen machen die Jahresabschlüsse von Vivendi keine konkreten Angaben. Beide Posten wären in den Umsatzkosten der UMG, neben beispielsweise den Herstellungs- und Vertriebskosten, den Aufnahmekosten oder auch den direkten Betriebskosten, enthalten.93 Abgesehen von den oben dargestellten Unterschieden der Umsatzentwicklung von Universal Music und der von der IFPI dargestellten Entwicklung der Gesamteinkünfte der Tonträgerunternehmen aus dem Geschäft mit Musikaufnahmen, belegen sowohl die Jahresberichte der IFPI wie auch die Jahresabschlüsse der UMG verschiedene Paradigmenwechsel, die den weltweiten Handel mit Musikaufnahmeprodukten seit dem Beginn der Digitalisierung nachhaltig verändert haben. Die augenscheinlichste Veränderung des Marktes ist zunächst der Rückgang der Einnahmen der Unternehmen aus dem Verkauf physischer Tonträger, der, gemäß IFPI, im Jahr 1999 den Gesamtmarkt für das Geschäft mit Musikaufnahmen ausgemacht hätte.94 Der damit einhergehenden Verkleinerung des Recorded Music-Segments insgesamt wirkt einerseits und vorrangig das stetig hohe Wachstum des digitalen Geschäftsbereiches, andererseits, und monetär bislang weniger stark ausgeprägt, das Wachstum der Sparten Performance Rights und Synchronisation entgegen.95 Als Konsequenz dieser Markttransformation erzielten die Plattenlabels 2015 erstmals höhere Umsätze aus dem digitalen Geschäftsfeld mit Musikaufnahmen als sie aus dem Verkauf physischer Tonträger erwirtschaften konnten.96 Im Folgejahr 2016 repräsentierten die Einnahmen aus dem digitalen Segment, mit einem 88 89 90 91 92 93 94 95 96
Vgl. Vivendi (2009), S. 19. Vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Vivendi (2009), S. 19. Vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Vivendi (2009), S. 19. Vgl. Vivendi (2017), S. 14. Vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Vivendi (2009), S. 19. Vgl. Vivendi (2017), S. 43; vgl. Vivendi (2009), S. 55. Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. IFPI (2017b), S. 11.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Volumen von etwa 7,8 Milliarden US-Dollar, bereits annähernd 50 % des globalen Gesamtumsatzes der Industrie, während die Einkünfte aus dem Geschäft mit physischen Tonträgern, mit einem Volumen etwa 5,4 Milliarden US-Dollar, nur noch ungefähr 34 % des Marktes ausmachten.97 Die Jahresabschlüsse der Universal Music Group unterstreichen diese Veränderung: Im Jahr 2008 wurden 2,589 Milliarden Euro Umsatz aus dem Verkauf physischer Tonträger erzielt, die 0,842 Milliarden Euro Einkünften aus digitalen Verkäufen gegenüber stehen.98 2016 beliefen sich die Einnahmen aus dem Geschäft mit physischen Tonträgern auf 1,225 Milliarden Euro, wohingegen 2,238 Milliarden Euro aus dem digitalen Segment umgesetzt werden konnten.99 So hat sich das Verhältnis der Einkünfte von Universal aus dem physischen Tonträgergeschäft mit denjenigen des digitalen Segments von etwa 3:1 im Jahr 2008 hin zu annähernd 1:2 im Jahr 2016 gedreht. Im Kontext der rapiden Entwicklung und schnell vor sich gehenden weitläufigen Netzabdeckung von Mobilfunknetzen mit hohen Übertragungsraten für Onlineanwendungen sowie der Markteinführung und stetigen Repertoireerweiterung des iTunesStores und weiteren Onlinemusikgeschäften seit 2003,100 waren es zunächst DPDs und Musikanwendungen für Mobilfunkgeräte, die das Wachstum des digitalen Geschäftes mit Musikaufnahmen befeuerten. Mit Anteilen von 64 % (DPDs) und 26 % (Musikanwendungen für Mobilfunkgeräte) hätten diese beiden Geschäftsfelder 2008 fast 90 % des etwa 3,7 Milliarden US-Dollar umfassenden gesamten Digitalmarktes für Musikaufnahmen belegt.101 Im selben Jahr hätten die Einkünfte aus abonnementpflichtigen Streamingdiensten 6 %, die Umsätze aus werbegestützten Streamingformaten lediglich 3 % des Digitalmarktes ausgemacht.102 Nachdem das Geschäft mit Musikanwendungen für Mobilfunkgeräte einen Schrumpfungsprozess durchlaufen hat und 2013 noch einen Anteil von 5 % am digitalen Umsatz mit Musikaufnahmen gehabt hätte, seien es 2014 lediglich 3 % gewesen.103 Im Jahresbericht der IFPI für das Jahr 2015 findet diese Sparte keine Erwähnung mehr.104 Demgegenüber befand sich das Geschäft mit Downloads (DPDs), gemäß IFPI, bis einschließlich 2012 in dauerhaftem Wachstum.105 Infolgedessen generierten DPDs 2013, dem ersten Jahr mit rückläufigen Umsätzen dieses Geschäftsfeldes, noch 67 % des Gesamtvolumens der Einkünfte aus dem digitalen Geschäft mit Musikaufnahmen.106 Verursacht durch die darauf folgende und mit sehr hohen Wachstumsraten des Streamingsegmentes einhergehende, von Jahr zu Jahr beschleunigte, Verkleinerung des Download-Geschäftes, überholte der Streamingsektor im Jahr 2016 erstmals den DPD-Bereich mit einem Anteil von 59 % am digitalen Gesamtmarkt.107 Demnach wurden, nach Angabe der IFPI, 2016 etwa 4,6 Milliarden US-Dollar von den Streaminganbietern an die Plattenlabels ausbezahlt. 553 Millionen 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107
Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. Vivendi (2009), S. 19. Vgl. Vivendi (2017), S. 14. Vgl. IFPI (2005), S. 8f., S. 16. Vgl. IFPI (2017b), S. 11; vgl. IFPI (2014), S. 9. Vgl. IFPI (2014), S. 9. Vgl. IFPI (2015), S. 7; vgl. IFPI (2014), S. 9. Vgl. IFPI (2016a). Vgl. IFPI (2014), S. 7; vgl. IFPI (2013), S. 7. vgl. IFPI (2014), S. 9. Vgl. IFPI (2017b), S. 6, S. 12; vgl. IFPI (2016a), S. 4, S. 8; vgl. IFPI (2015), S. 8; vgl. IFPI (2014), S. 7.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
US-Dollar dieses Betrages wären von ausnahmslos werbefinanzierten und kostenlosen »user upload streaming services«, wie zum Beispiel YouTube, an die Rechteinhaber ausbezahlt worden.108 Diejenigen Musikstreaminganbieter, die gleichermaßen ein kostenfreies und werbegestütztes sowie ein kostenpflichtiges und werbefreies Angebot besitzen, wie etwa Spotify, hätten Tantiemen in Höhe von 3,904 Milliarden US-Dollar an die Rechteinhaber entrichtet.109 Der aus Werbung stammende Anteil an diesen Tantiemen sei, mit nicht mehr als 10 %, marginal, erklärt die IFPI im Jahresbericht von 2016.110 Dieser Aussage steht das oben dargestellte und andauernde ausgeprägte Wachstum der Einkünfte von Onlinemedienunternehmen aus Werbung gegenüber. Alleine Spotify konnte seine Einnahmen aus Werbung in Höhe von etwa 102 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 295 Millionen Euro im Jahr 2016 annähernd verdreifachen.111 Sie lagen damit sowohl 2015 als auch 2016 jenseits der 10 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens.112 Bei einer konservativen Kalkulation mit einer Quote von 10 % hätten die auf Werbung beruhenden Auszahlungen von Musikstreaminganbietern mit kostenfreien und kostenpflichtigen Angeboten an die Rechteinhaber von Musikaufnahmen im Jahr 2016 etwa 390 Millionen US-Dollar betragen. Inklusive der Ausschüttungen ausschließlich werbefinanzierter Uploaddienste wären damit 2016 annähernd 943 Millionen US-Dollar an Tantiemen aus dem Streamingsegment durch Werbung finanziert gewesen. Da die IFPI keine Informationen darüber bereitstellt, ob diese Summen auf Grundlage der Einnahmen der Plattenlabels oder auf Basis der Gesamtausschüttungen der Streamingdienste an die Rechteinhaber von Musikaufnahmen kalkuliert wurden, kann keine Aussage darüber getroffen werden, welchen Anteil sie aus direkt durch ausübende Künstler vergebene Lizenzen ohne Plattenlabel enthalten. Zum verbleibenden Restbetrag in Höhe von 143 Millionen US-Dollar, der sich aus der Gesamtsumme von 4,6 Milliarden USDollar und der Summe ausgeschütteter Tantiemen der beiden von der IFPI dargestellten Streamingsparten ergibt, macht der Industrieverband gleichfalls keine Angaben.113 Diese jüngste Verlagerung des Geschäftsfeldes lässt sich in vergleichsweise erhöhtem Ausmaß am Jahresabschluss der Universal Music Group von 2016 ablesen. Die Einkünfte aus dem Streamingmarkt (1,483 Milliarden Euro) machten etwa 66 % der gesamten Umsätze aus dem digitalen Segment (2,238 Milliarden Euro) aus.114 Darüber hinaus besaßen die Einkünfte der Plattenfirmen aus Lizenzen zur Aufführung- und Sendung (Performance Rights) von Musikaufnahmen, mit einem Umfang von etwa 2,2 Milliarden US-Dollar, der IFPI zufolge im Jahr 2016 bereits einen Anteil von 14 % am Gesamtmarkt.115 Dabei handele es sich um die Einkünfte aus der Nutzung von Musikaufnahmen durch Sendeanstalten und an öffentlichen Standorten.116 Hinsichtlich der konkreten darunter subsumierten Einnahmearten macht die IFPI im frei zugänglichen Report von 2017 keine Angaben – so handelt es 108 109 110 111 112 113 114 115 116
Vgl. IFPI (2017b), S. 25. Vgl. IFPI (2017b), S. 25. Vgl. IFPI (2016a), S. 15. Vgl. Ingham (2017a). Vgl. Ingham (2017a). Vgl. IFPI (2017b), S. 11f., S. 25. Vgl. Vivendi (2017), S. 14. Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. IFPI (2017b), S. 12.
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sich mutmaßlich um alle Einnahmen aus Lizenzgeschäften hinsichtlich des Sendeund Aufführungsrechts. Zu den Gründen für die erstmalige Kalkulation der Umsätze aus diesem Segment im Jahr 2001 schweigt die IFPI gleichermaßen. Obwohl die gemeinnützige US-amerikanische Verwertungsgesellschaft SoundExchange, welche die Aufführungs- und Senderechte an Musikaufnahmen zur digitalen, non-interaktiven Nutzung wahrnimmt, ihre erste Tantiemenausschüttung, in Höhe von 4 Millionen US-Dollar, im Jahr 2001 tätigte,117 wurden in anderen Teilen der Welt bereits deutlich früher Tantiemen für die Zweitverwertung von Musikaufnahmen an Rechteinhaber ausbezahlt. Basierend auf einem im Vergleich zum US-amerikanischen Copyright an Musikaufnahmen deutlich umfassenderen Leistungsschutzrecht wurden zum Beispiel in Deutschland bereits seit den 1960er Jahren Gebühren für die Sendung und öffentliche Aufführung von Musikaufnahmen durch die GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten) erhoben und in Form von Tantiemen an die Berechtigten verteilt (sofern ein Wahrnehmungsvertrag mit der GVL existierte).118 Über die Gründe für das von der IFPI dargestellte Wachstum dieses Geschäftsfeldes im Zeitraum zwischen 2001 und 2008 lassen sich ohne ausgiebige Auseinandersetzung mit den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften aller involvierten Länder sowie den Geschäftsabschlüssen der Plattenlabels der korrespondierenden Jahre nur Vermutungen anstellen. Demgegenüber lässt sich die abgebildete Steigerung der Einkünfte aus den Performing Rights seit 2008 vor allem auf die immense Zunahme der Ausschüttungen von SoundExchange zurückführen. Die Verwertungsgesellschaft zahlte im Jahr 2008 insgesamt etwa 100 Millionen US-Dollar an die Rechteinhaber von Musikaufnahmen aus – 2016 waren es annähernd 884 Millionen US-Dollar.119 Gemäß des Verteilungssatzes von SoundExchange wurden im Jahr 2016 demzufolge etwa 398 Millionen US-Dollar (45 %) an Musiker, die einen bedeutenden Anteil an der Herstellung entsprechend verwerteter Musikaufnahmen besitzen (bspw. die Mitglieder einer Band), oder diejenigen Parteien ausbezahlt, die entsprechende Rechte an SoundExchange übermittelt haben (bspw. Plattenlabels).120 Weitere 442 Millionen US-Dollar (50 %) gingen an die Rechteinhaber der Musikaufnahmen, also vorwiegend Plattenlabels oder ausübende Künstler, die ihre Masterrechte selbst verwalten, während die übrigen 44 Millionen US-Dollar (5 %) in einen Fond zur Verteilung an Studiooder Ersatzmusiker einbezahlt wurden, deren Mitwirkung an non-interaktiv, digital genutzten Musikaufnahmen weniger bedeutend sei.121 Nach eigenen Angaben ist die IFPI 2015 dazu übergegangen, die Gesamtausschüttungen von SoundExchange in ihre Berichte aufzunehmen. In einer Fußnote des Digital Music Reports 2015 erklärt der Industrieverband, der Künstleranteil der SoundExchange-Tantiemen werde in die für das Jahr 2014 dargestellten Einkünfte der Plattenlabels aus Performing Rights integriert und historische Zahlen würden dementsprechend angepasst.122 Ein Vergleich der von der IFPI in den Jahren 2012 und 117 118 119 120 121 122
Vgl. Goetz (2010). Vgl. Homann (2007), S. 110. Vgl. Ingham (2017b). Vgl. SoundExchange (2017c); vgl. SoundExchange (2017d); vgl. SoundExchange (2017e). Vgl. SoundExchange (2017c). Vgl. IFPI (2015), S. 8.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
2017 publizierten Zahlen hinsichtlich der Entwicklung der Einkünfte aus Aufführungsund Senderechten bestätigt diese Veränderung und legt zudem nahe, dass die IFPI nach 2014 gleichermaßen die Anteile der ausübenden Künstler und die Anteile der Plattenlabels an den Tantiemen anderer Verwertungsgesellschaften für Musikaufnahmen in ihren Berichten zusammenfasst.123 Die Gesamtausschüttungen von SoundExchange waren in keinem der vergleichbaren Jahre ausreichend, um die Differenz der Tantiemen zwischen den Jahresberichten vollständig zu erklären.124 In Übereinstimmung mit dem Report von 2012 hätten die Plattenlabels im Jahr 2011 beispielsweise etwa 0,9 Milliarden US-Dollar aus Performing Rights eingenommen.125 Die Publikation aus dem Jahr 2017 dagegen beziffert die entsprechenden Einkünfte im Jahr 2011 auf circa 1,4 Milliarden US-Dollar.126 Der Differenzbetrag zwischen den Gesamtausschüttungen von SoundExchange (293 Millionen US-Dollar) und den Verteilungen an die Plattenlabels (annähernd 131 Millionen US-Dollar) im Jahr 2011 in Höhe von 162 Millionen US-Dollar macht demnach nur etwa ein Drittel des Unterschiedes der von der IFPI abgebildeten Einkünfte aus.127 Bei einem Vergleich der von der IFPI in den Jahren 2012 und 2017 publizierten Zahlen hinsichtlich der 2011 erzielten Einkünfte aus Performing Rights mit gleichbleibendem Dollarkurs – im Bericht von 2012 hat die IFPI den Dollarkurs des Jahres 2011 zur Währungsumrechnung verwendet, im Bericht von 2017, konform der Praxis des Industrieverbandes, mutmaßlich den Kurs aus dem Jahr 2016 – vergrößert sich die Differenz der dargestellten Einnahmen.128 Unter Verwendung des vergleichsweise schwachen mittleren Dollarkurses aus dem Jahr 2011 würden die im Jahresbericht von 2017 dargestellten Erträge, die mit dem relativ starken mittleren Wechselkurs des Dollars 2016 berechnet wurden, folglich anwachsen.129 Vice versa würden die 2012 publizierten Zahlen unter Einsatz des Kurses von 2016 abnehmen. Folgerichtig handelt es sich bei den von der IFPI im Bericht für 2016 dargestellten Einkünften aus Aufführungs- und Senderechten mitnichten um die Einnahmen der Plattenlabels, sondern vielmehr um einen Großteil der gesamten aus diesem Segment generierten Tantiemen inklusive direkter Einkünfte ausübender Künstler. Im General Music Report von 2016 bestätigt die IFPI diese Annahme – unter den Perfoming Rights würden die Einnahmen der Produzenten (Plattenlabels) und Künstler aus diesem Geschäftsbereich subsumiert.130 Dennoch verzichtet die IFPI im Jahresbericht von 2017 gänzlich darauf, diese wichtige Veränderung mitzuteilen und erzeugt damit den Eindruck, es handele sich bei den dargestellten Einnahmen aus Aufführungsund Senderechten, in Übereinstimmung mit den anderen von der IFPI dargestellten Sparten, um die Einkünfte der Plattenlabels.131 Im Hinblick auf eine realitätsnahe Abbildung der Gesamteinkünfte der Tonträgerindustrie respektive Plattenlabels müssen die von der IFPI 2017 publizierten Zahlen demzufolge um etwa 50 % der aufgeführten 123 124 125 126 127 128 129 130 131
Vgl. IFPI (2017b), S. 11f.; vgl. IFPI (2012), S. 8. Vgl. IFPI (2017b), S. 11f.; vgl. IFPI (2012), S. 8; vgl. SoundExchange (2014), S. 5. Vgl. IFPI (2012), S. 8. Vgl. IFPI (2017b), S. 11. Vgl. SoundExchange (2014), S. 5; vgl. IFPI (2012), S. 41. Vgl. IFPI (2012), S. 6, S. 91; vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. IFPI (2017b), S. 11; vgl. Deutsche Bundesbank (2017); vgl. IFPI (2012), S. 8. Vgl. IFPI (2016a), S. 9. Vgl. IFPI (2017b).
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Einkünfte aus den Performing Rights (der branchenübliche Anteil ausübender Künstler an entsprechenden Tantiemen),132 etwa 1,1 Milliarden US-Dollar, nach unten korrigiert werden. So betrugen die Gesamtumsätze der Plattenlabels im Jahr 2016 nicht die von der IFPI vorgestellten 15,7 Milliarden US-Dollar, sondern vielmehr circa 14,6 Milliarden US-Dollar. Weiterhin ist die von der IFPI genutzte Bezeichnung Performing Rights insofern irreführend, als dass etwa die kontinentaleuropäischen Verwertungsgesellschaften für Leistungsschutzrechte neben Aufführungs- und Senderechten auch die Herstellung privater Kopien von Musikaufnahmen oder die Vermietung derselben vergüten.133 Gemäß der US-amerikanischen Rechtsprechung, die, in Abhängigkeit der anbieterseitigen Eigenschaften, differierende Tarife zur non-interaktiven digitalen Musiknutzung festgelegt hat, teilt SoundExchange seine Lizenznehmer drei verschiedenen Gruppen zu: Kommerzielle Internetradiosender, nicht-kommerzielle Internetradiosender, die beispielsweise von Regierungsstellen betrieben werden, und andere Anbieter, wie etwa Satellitenradiobetreiber oder Dienstleister, die Audio-Programme an Geschäftsorte senden (z.B. Restaurants, Ladengeschäfte).134 Die SoundExchange-Ausschüttungen basieren zu einem hohen Anteil auf der Verwertung von Musikaufnahmen in kommerziellen Webradios und werden damit in erster Linie durch Werbung finanziert. Alleine der kommerzielle US-amerikanische Internetradiosender Pandora hätte im Jahr 2013 mehr als 50 % der SoundExchange-Tantiemen entrichtet.135 Obwohl etwa der WebradioAnbieter, der folglich die mit Abstand größte Einnahmequelle der Verwertungsgesellschaft darstellt,136 steigende Einkünfte aus kostenpflichtigen Kundenabonnements verzeichnen kann (im Jahr 2015 konnten immerhin etwa 20 % der Einkünfte aus Mitgliederbeiträgen erzielt werden)137 ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der über 3 000 (Stand: Dezember 2017) hauptsächlich Webradios darstellenden Anbieter, die Tantiemen an SoundExchange abführen, im Wesentlichen durch Werbemittel finanziert werden.138 Eine englische Firma, die sich auf infrastrukturelle Dienstleistungen für Internetradiostationen spezialisiert hat, erklärt diesbezüglich, die Einkünfte von Webradios würden grundsätzlich aus Werbung und Sponsoring stammen.139 In gleicher Weise sind die Abgaben für die non-interaktive Verwertung von Musik in Ladengeschäften (Instore-Musik) auf Werbemittel zurückzuführen. Dementsprechend basieren etwa die von der Firma Mood Media an SoundExchange abgeführten Lizenzgebühren ausschließlich auf der werblichen Verwertung von Musik. Das Unternehmen hat im ersten 132
133 134 135 136 137 138 139
Aus den Aussagen des auf internationales Urheberrecht spezialisierten Blogs »Music & Copyright« lässt sich ein mittlerer Künstleranteil an Tantiemen aus Aufführungsrechten von Musikaufnahmen von etwas mehr als 46 % ableiten während bspw. bei der deutschen GVL und SoundExchange 50 % der Ausschüttungen an ausübende Künstler verteilt werden. Vgl. SoundExchange (2017c); vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. et al. (2015), S. 66; vgl. Music & Copyright (2012); vgl. Music & Copyright (2010). Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. et al. (2015), S. 66. Vgl. SoundExchange (2017a); vgl. Copyright Royalty Board (2017). Vgl. MacDonald (2014). Vgl. Ingham (2017b). Vgl. Trefis Team (2015). Vgl. SoundExchange (2017b). Vgl. Cretney (2017).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Quartal 2017 weltweit 398 440 Standorte mit Musik versorgt.140 Im Hinblick auf die Anteile der verschiedenen Einnahmequellen an den Gesamtausschüttungen der anderen Verwertungsgesellschaften für Leistungsschutzrechte, die im Jahr 2016 etwa 1,316 Milliarden US-Dollar betrugen (Gesamteinkünfte nach IFPI abzgl. der Tantiemenzahlungen durch SoundExchange), ergibt sich eine ähnlich starke Quote der werbefinanzierten Lizenznehmer. Die an Ausschüttungen im Jahr 2016 gemessen weltweit viertstärkste Verwertungsgesellschaft für Leistungsschutzrechte, die deutsche GVL, hat im Jahr 2014 beispielsweise 163,4 Millionen Euro eingenommen.141 Diese Einkünfte stammten zu annähernd 50 % aus Radio- und Fernsehsenderechten sowie Rechten zur Kabelfernsehweiterleitung und zu etwa 24 % aus Rechten für die öffentliche Wiedergabe von Tonträgern.142 Damit beruht die Hälfte der GVL-Tantiemen auf der Verwertung von Musikaufnahmen in primär werbefinanzierten Medien (Radio und TV), während sich weitere 24 % derselben aus werblicher Verwertung (bspw. Instore-Musik), teilweise werbegestützter Nutzung (bspw. Sponsoring im Diskotheken-Segment) und werbefreier Darbietung (bspw. in alternativen soziokulturellen Zentren) zusammensetzen. Mit Ausnahme der japanischen CPRA, die vergleichsweise höhere Einkünfte aus dem Verleih von Tonträgern erzielt, kann die dargestellte Einnahmeverteilung der GVL, auf Basis vergleichbarer Rechtstraditionen, tendenziell auf die anderen Verwertungsgesellschaften in Europa übertragen werden. So ist die deutliche Mehrheit der an Leistungsschutzberechtigte weltweit ausbezahlten Tantiemen aus Werbemitteln finanziert. Unter Anwendung der 50-prozentigen Quote, der aus Radio- und Fernsehsenderechten stammenden Tantiemenausschüttungen der GVL, auf die Gesamtheit der im Jahr 2016 an Leistungsschutzberechtige ausbezahlten Lizenzentgelte exklusive der SoundExchange-Royalties, wären weltweit etwa 658 Millionen US-Dollar aus Sendelizenzen für die Aufführung von Musikaufnahmen in Radio und TV an die entsprechenden Rechteinhaber ausbezahlt worden. Bei gleichwertiger Zuweisung dieser Tantiemen auf ihren Ursprung in Radio- und Fernsehlizenzen wären demnach 2016 jeweils circa 329 Millionen US-Dollar aus beiden Segmenten an die Leistungsschutzberechtigten entrichtet worden. Da die Gebühren aus Fernsehsenderechten mutmaßlich insgesamt höher ausfallen, als diejenigen aus Radiosenderechten, können die weltweiten Tantiemen aus der Aufführung von Musikaufnahmen im TV auf mehr als 329 Millionen US-Dollar, diejenigen aus der Aufführung im Radio auf weniger als 329 Millionen US-Dollar, angenähert werden. Die GVL hat diesbezüglich bis dato keine detaillierten Informationen publiziert. Aufgrund oben genannter Defizite der IFPI-Jahresberichte ist nicht einwandfrei feststellbar, ob es, abgesehen von den zunehmenden SoundExchange-Ausschüttungen, ein generelles globales Wachstum im Bereich der Performing Rights seit 2001 gegeben hat. Aus den Jahresabschlüssen der UMG lassen sich diesbezüglich ebenfalls keine Rückschlüsse ziehen. Die Einkünfte aus den Sende- und Aufführungsrechten werden darin unter der Kategorie »License and other(s)« aufgeführt, die folglich alle Einnahmen aus Lizenzgeschäften, zum Beispiel auch mechanische Rechte oder Masternutzungs-
140 Vgl. Mood Media (2017a), S. 6. 141 Vgl. IFPI (2017b), S. 12; vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. et al. (2015), S. 66. 142 Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. et al. (2015), S. 66.
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rechte, integriert.143 Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Lizenzbereiche und anderen involvierten Einnahmearten bleibt der Konzern schuldig. Der Vergleich der in den Jahresabschlüssen von 2008 und 2016 aufgeführten Umsätze aus der »License and other(s)«-Sparte kann folgerichtig nur als Hinweis auf die Entwicklung des gesamten Lizenzgeschäftes der Universal Music Group gedeutet werden. Bei Einnahmen von 725 Millionen Euro im Jahr 2016, gegenüber 448 Millionen Euro im Jahr 2008, steigerte das Unternehmen die Umsätze des »License and other(s)«-Bereiches in diesem Zeitraum um etwa 62 %.144 Seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert unterlag das globale Geschäft mit Musikaufnahmen einer Reihe schwerwiegender Umwälzungsprozesse. Nach starken Umsatzeinbrüchen aus dem Verkauf physischer Tonträger, der bis dahin maßgeblichen Einnahmequelle der Plattenlabels, hat sich der Markt zunächst hin zu einem Absatzgeschäft mit digitalen Downloads (DPDs) entwickelt. Im Kontext der flächendeckenden Etablierung von Mobilfunknetzen mit hohen Datendurchsatzraten für Onlineanwendungen und schnellen Internet-Zugängen per LAN und WLAN (DSL) sowie entsprechenden Endnutzergeräten, konnten sich, parallel zum expandierenden Download-Bereich, vermehrt Streaminganbieter am Markt positionieren. Neben den so geschaffenen technischen Voraussetzungen für zeit- und ortsunabhängige Abspielvorgänge der auf Servern gespeicherten Musikaufnahmen, mussten die Streamingdienste ihr musikalisches Repertoire stetig erweitern, um dauerhaft konkurrenzfähig zu sein. Während 2003 insgesamt etwa 1 Million lizenzierter Titel bei legalen Onlinediensten (inkl. der Anbieter von DPDs) zur Verfügung standen, waren es 2007 bereits mehr als 6 Millionen Titel und im September 2015, alleine beim Streamingdienst Spotify, mehr als 30 Millionen Musikaufnahmen.145 Aufgrund des so geschaffenen und für den Endkunden äußerst attraktiven Angebotes der Streaminganbieter, für vergleichsweise niedrige monatliche Abonnementgebühren oder in werbegestützten Formaten kostenfrei Zugriff auf diese umfassenden lizenzierten Musikkataloge zu erhalten, besaß das Streamingsegment 2016 den höchsten Anteil an den Einnahmen der Plattenlabels aus digitalen Quellen.146 Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Umsätze aus Synchronisationen sowie Sendeund Aufführungsrechten haben die Plattenlabels im Jahr 2016 insgesamt etwa 6,1 Milliarden US-Dollar aus Lizenzgeschäften eingenommen, was einem Anteil von annähernd 42 % am Gesamtmarkt für Musikaufnahmen entspricht, exklusive der Tantiemen aus Sende- und Aufführungsrechten, die direkt an ausübende Künstler ausgeschüttet werden.147 In diesen Lizenzeinkünften sind, gemäß obiger konservativer Approximation, etwa 943 Millionen US-Dollar aus der werbefinanzierten Verwertung von Musikaufnahmen auf Musik- und Videostreamingplattformen enthalten. Weiterhin umfassen die Lizenzeinnahmen der Plattenlabels Tantiemen aus Sende- und Aufführungsrechten in TV und Radio, die ebenfalls weitestgehend auf Werbemittel zurückzuführen sind. Auf Basis der oben durchgeführten Kalkulation können die labelseitigen Umsätze aus diesem Segment auf einen Betrag von ungefähr 329 Millionen US-Dollar angenähert wer143 144 145 146 147
Vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Vivendi (2009), S. 19. Vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Vivendi (2009), S. 19. Vgl. Spotify (2015a); vgl. IFPI (2008), S. 6. Vgl. IFPI (2017b), S. 12. Vgl. IFPI (2017b), S. 11f.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
den. Die direkten Einkünfte der Plattenlabels aus der Vergabe von Masternutzungslizenzen (Synchronisationslizenzen) sowie deren Beteiligung an den Ausschüttungen von SoundExchange integrieren ferner einen aus Werbung finanzierten Bestandteil. Unter diesbezüglicher Verwendung einer zurückhaltenden Quote von 60 % hätten die Labels circa 240 Millionen US-Dollar aus der Vergabe von Lizenzen zur Nutzung von Musikaufnahmen in Werbefilmen und rund 265 Millionen US-Dollar aus der Verwertung von Musikaufnahmen in werbefinanzierten, digitalen und non-interaktiven Medien umgesetzt. In der Summe führt diese sehr konservative Annäherung an die ökonomische Bedeutung werbetreibender Marken für das Geschäft mit Musikaufnahmen zu Gesamteinkünften der Plattenlabels aus Werbemitteln in Höhe von etwa 1,777 Milliarden US-Dollar. Damit wären im Jahr 2016 bereits ungefähr 29 % der Lizenzeinkünfte und rund 12 % der Gesamteinnahmen der Labels werbefinanziert gewesen, ohne beispielsweise den nicht kalkulierbaren werbegestützten Anteil an den Umsätzen aus der öffentlichen Wiedergabe von Tonträgern oder etwa Einnahmen aus anderweitigen Markenkooperationen mit einzubeziehen. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der direkt an die ausübenden Künstler ausbezahlten Tantiemen aus Sende- und Aufführungsrechten und ansonsten gleichbleibender Kalkulation verdoppeln sich die entsprechen Einkünfte aus Werbemitteln auf 530 Millionen US-Dollar (SoundExchange) und 658 Millionen US-Dollar (sonstige Tantiemen aus Sende- und Aufführungsrechten). Hinsichtlich der von der IFPI vorgelegten Gesamteinkünfte der Musikaufnahmeindustrie in Höhe von 15,7 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2016, die ebendiesen Künstleranteil beinhalten, erhöht sich die Quote werbefinanzierter Einkünfte dementsprechend auf annähernd 15 %. Eine Kalkulation, welche die Gesamtheit der auf Musikaufnahmen basierenden Einkünfte entsprechender Rechteinhaber aus Werbemitteln, also beispielsweise zusätzlich direkte Lizenzeinnahmen ausübender Künstler aus Masternutzungslizenzen oder etwa Entgelte zur werblichen Verwertung von Production Music, integrierte, würde folgerichtig zu einer weiteren Steigerung dieser Quote führen. Die auf Werbung zurückzuführenden Einnahmen der Plattenlabels, welche die IFPI bis ins Jahr 2000 für so marginal hielt, dass sie keine Erwähnung in den entsprechenden Jahresberichten finden, haben sich, zusammengefasst zu einem Geschäftsbereich, demnach zu einem wichtigen Bestandteil des stark diversifizierten Marktes für Musikaufnahmen entwickelt, der sich in zunehmendem Maße auf verschiedenartige Wertschöpfungssegmente verteilt. Im Gegensatz zu den rückläufigen Umsätzen aus dem Verkauf physischer Tonträger und digitaler DPDs bieten vor allem die wachsenden Einkünfte aus denjenigen Geschäftszweigen eine Zukunftsperspektive für die Plattenlabels, die, neben dem ausschließlich abonnementpflichtigen Musikstreaming, teilweise oder insgesamt aus Werbemitteln finanziert werden. So ist es wenig verwunderlich, wenn die IFPI im Jahr 2016 erklärt, die Herstellung und Ausgestaltung von Markenkooperationen seien zentrale Bestandteile der Dienstleistungen, die Plattenlabels für ausübende Künstler erbringen würden.148 Nachdem sich das Geschäft mit Musikaufnahmen vom Verkauf physischer Tonträger hin zum Absatz digitaler Downloads entwickelt hat, befindet es sich folglich aktuell in einer weiteren Transformation
148 Vgl. IFPI (2016a), S. 31.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
in Richtung eines dominanten Lizenzgeschäftsbereiches – der produktbezogene Verkaufsmarkt entwickelt sich hin zu einem Handel mit Nutzungslizenzen: einem Lizenzmarkt. Somit erwirbt auch der Musikkonsument, zum Beispiel mit einem Abonnement bei Spotify, lediglich ein personenbezogenes privates Nutzungsrecht für den entsprechenden Musikkatalog, im Gegensatz zum physischen oder digitalen Eigentum beim Erwerb eines Tonträgers oder Downloads.
3.2
Musikwerke
Im Geschäft mit Nutzungslizenzen für musikalische Werke, etwa zur mechanischen Vervielfältigung, für die Aufführung oder die werbliche Verwertung derselben, die entweder von Musikverlagen, direkt von den Urhebern oder, durch entsprechende Wahrnehmungsverträge berechtigt, von Verwertungsgesellschaften vergeben werden, hat es im Zeitraum zwischen 1999 und 2015 keine Umsatzeinbrüche ähnlich denjenigen aus dem Geschäft mit Musikaufnahmen gegeben. Im Gegenteil: Die Einnahmen aus der Lizenzierung musikalischer Werke sind in diesem Zeitraum stetig gewachsen. Einzig die Umsätze aus mechanischen Rechten, also unter anderem den Lizenzen für die Vervielfältigung von Tonträgern sowie die Einkünfte aus dem Notendruckgeschäft, sind im Kontext der Digitalisierung und des allgemeinen Rückganges des Tonträgerverkaufs gesunken.149 Ferner führt die in der Literatur zu diesem Thema vielfach vorgefundene Gleichsetzung des Lizenzgeschäftes zur Nutzung musikalische Werke mit dem Musikverlagsgeschäft (Publishing) zu einer semantischen Unschärfe und damit unweigerlich zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen hinsichtlich Umfang und Inhalt des Marktsegments. Das Geschäft der Musikverlage ist ein Teilbereich des Gesamtmarktes für die Verwertung musikalischer Werke und wird im Rahmen dieser Arbeit dementsprechend behandelt. In entsprechendem Kontext (etwa hinsichtlich der Auszahlung von Tantiemen durch Verwertungsgesellschaften) wird die Gruppe der Urheber und Musikverlage überdies nach angloamerikanischem Vorbild unter dem Begriff der Rechteinhaber zusammengefasst. Obwohl sich die konkreten Zahlen aus den im Folgenden ausgewerteten Quellen bezüglich der Entwicklung der weltweiten Umsätze des Publishing-Segments aufgrund verschiedener Erhebungsmethoden und Stichproben nicht unmittelbar vergleichen lassen, belegen sie allesamt das robuste Wachstum dieses Geschäftsbereiches seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert. So beschreibt etwa die Confédération Internationale des Sociétés d’Auteurs et Compositeurs (CISAC), der internationale Dachverband, der 239 Verwertungsgesellschaften für Urheber (Autorengesellschaften) aus 123 Ländern vertritt (Stand: Juni 2017),150 das globale Wachstum der Einnahmen ihrer Mitglieder von 5,506 Milliarden Euro im Jahr 1999 auf 8,642 Milliarden Euro im Jahr 2015.151 Da die CISAC Verwertungsgesellschaften für Urheber aus den fünf Sparten Musik, Film, Theater (Drama), Literatur und Bildende Künste vertritt,152 müssen die Einnahmen der Verwer149 150 151 152
Vgl. CISAC (2015), S. 8; vgl. Patissier (2012), S. 38. Vgl. CISAC (2017). Vgl. CISAC (2016), S. 33; vgl. CISAC (2013), S. 5; vgl. Patissier (2012), S. 15. Vgl. CISAC (2017).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
tungsgesellschaften für nicht-musikalische Inhalte von den oben genannten Gesamtumsätzen abgezogen werden, um die entsprechenden Umsätze aus dem Musikbereich abzuleiten. Infolge der mangelhaften Quellenlage – seitens der CISAC gibt es bis einschließlich 2006 keine Informationen zu den Anteilen der verschiedenen Sparten am Gesamtumsatz – können die Einnahmen der Verwertungsgesellschaften für Musikwerke vor dem Jahr 2007 nur approximiert dargestellt werden. Im Zeitraum von 2007 bis 2015 repräsentierte das Musiksegment zwischen 86 % und 88 %, im Durchschnitt etwa 87 %, der gesamten Umsätze aus allen Sparten.153 Unter Anwendung dieses gemittelten Anteils auf die von der CISAC publizierten Zahlen, wären die weltweiten Einnahmen der Verwertungsgesellschaften aus dem Musiksegment 1999 etwa 4,79 Milliarden Euro gewesen. Für das Jahr 2015 berechnet die CISAC globale Einkünfte der Verwertungsgesellschaften aus der Musiksparte von annähernd 7,498 Milliarden Euro.154 Die Umsätze der Musikverlage und Urheber aus Erstverwertungsrechten, also auf dem freien Markt zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer verhandelten Lizenzgeschäften, wie beispielsweise Synchronisationslizenzen für audiovisuelle Werke, werden in den Berichten der CISAC nicht abgebildet. Ebenso finden die Erträge der US-amerikanischen Verwertungsgesellschaften für mechanische Rechte an Musikwerken (bspw. die Harry Fox Agency) bis einschließlich 2014 keinen Eingang in die Erhebungen des Dachverbandes. Darüber hinaus ist die Arbeit der Verwertungsgesellschaften mit Kosten verbunden, die, in Abhängigkeit von der jeweiligen Rechtslage, Unternehmensform und entsprechender Wahrnehmungsverträge etc., vor der Verteilung der Tantiemen an die Rechteinhaber von den Einkünften abgezogen werden. Bei der deutschen GEMA lag dieser Kostensatz zwischen 1990 und 2010 bei etwa 15 %.155 Die US-amerikanischen PROs ASCAP und BMI berechnen etwa 13 %, während die britischen Mechanical Copyright Protection Society (MCPS) und Performing Rights Society (PRS) im Jahr 2009 11,8 % der Einnahmen als Kosten geltend machten.156 Dementsprechend wird nur ein Anteil der Einnahmen der Verwertungsgesellschaften für musikalische Werke an die Musikverlage und Urheber ausbezahlt. Subtrahiert man einen mittleren Kostensatz der Verwertungsgesellschaften von 13 % von den oben genannten Einkünften derselben, wären weltweit 1999 in etwa 4,167 Milliarden Euro, 2015 ungefähr 6,523 Milliarden Euro aus Zweit- und Drittverwertungsrechten an die Rechteinhaber musikalischer Werke ausbezahlt worden. Die CISAC-Autorengesellschaften für musikalische Werke verteilen ihre Tantiemen gewöhnlich direkt nach Verleger- und Urheberanteil an die jeweiligen Berechtigten gemäß der lokalen Standards und Rechtsprechung des entsprechenden Staates. Insofern bilden die Auszahlungsmodalitäten der Verwertungsgesellschaften für Einkünfte aus der mechanischen Vervielfältigung an US-amerikanische Musikverlage und Urheber eine Ausnahme: Diese Tantiemen werden pauschal an die Verlage ausgeschüttet, die den Urheberanteil an die Berechtigten weitergeben.157 Der Verlegeranteil an Einkünften aus Zweit- und Drittverwertungen musikalischer Werke liegt in 153 154 155 156 157
Vgl. CISAC (2016), S. 33f.; vgl. CISAC (2015), S. 9; vgl. CISAC (2013), S. 11; vgl. Patissier (2012), S. 41; vgl. Patissier (2011), S. 38. Vgl. CISAC (2016), S. 34. Vgl. Schweda (2010), S. 21. Vgl. U.S. Copyright Office (2015), S. 97; vgl. Cumberland (2013). Vgl. Hull et al. (2011), S. 135.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
der Regel zwischen 40 % (bspw. in Deutschland) und 50 % (bspw. in den USA).158 Obwohl das Urteil des Berliner Kammergerichtes, das am 14. November 2016 entschieden hat, »dass die GEMA ihre Musikverleger nicht mehr wie bisher an den Einnahmen beteiligen darf«,159 eine öffentliche Diskussion über die Verlegerbeteiligung ausgelöst hat, besitzt es rückwirkend keinen Einfluss auf Verteilungen und kann auch in Zukunft, durch eine ausdrückliche Zustimmung des Urhebers zur Beteiligung der Verleger an Tantiemen aus Nutzungsrechten und gesetzlichen Vergütungsansprüchen, umgangen werden.160 Eine Studie, die sich auf die gesamten weltweiten Einkünfte der Rechteinhaber an Musikwerken bezieht, wurde für die Jahre 1995 bis 2001 von der National Music Publishersʼ Association, Inc. (NMPA), dem Fachverband US-amerikanischer Musikverleger und Urheber, vorgelegt.161 Obwohl die Umsätze in der Untersuchung als »music publishung revenues« bezeichnet werden, sind darin gleichermaßen die Einnahmen der Musikverleger wie auch der Urheber enthalten, wie ein Vergleich mit den von der CISAC veröffentlichten Zahlen belegt. Auf der Basis von Daten aus 53 Territorien (Ländern oder in Gruppen zusammengefassten Ländern, bspw. Australien und Neuseeland) ermittelt die NMPA für das Jahr 1999 ein Gesamtvolumen der Einkünfte der Rechteinhaber von etwa 6,429 Milliarden US-Dollar.162 Dies entspricht einem Wert von circa 6,032 Milliarden Euro, bei einer Umrechnung gemäß des von der Europäischen Zentralbank publizierten durchschnittlichen Euro zu Dollar Referenzkurses von 1:1,0658 für das Jahr 1999.163 In der Studie werden alle Einkunftsarten der Rechteinhaber berücksichtigt, also gleichermaßen die Einnahmen aus Erst-, Zweit- und Drittverwertungsrechten inklusive der Ausschüttungen der US-amerikanischen Verwertungsgesellschaften für mechanische Rechte. Die Differenz aus den oben kalkulierten Tantiemenausschüttungen der Mitglieder der CISAC und den Einnahmen der Musikverlage und Urheber lag im Jahr 1999 demnach bei annähernd 1,865 Milliarden Euro und repräsentiert dementsprechend deren weltweite Einkünfte aus Erstverwertungsrechten, mechanischen Rechten in den USA sowie Ausschüttungen anderer, nicht von der CISAC vertretener Autorengesellschaften und sonstigen Geschäften. Angesichts der ungenügenden Quellenlage hinsichtlich der Anteile der verschiedenen darin enthaltenen Einkunftsarten im Jahr 1999, wird dieser Wert im Folgenden durch einen Vergleich der von der CISAC und der NMPA für das Jahr 2001 publizierten Zahlen auf Plausibilität überprüft. Die globalen Einkünfte der Verwertungsgesellschaften (aus allen Sparten) lagen 2001 bei 6,495 Milliarden Euro.164 Abzüglich des mittleren Anteils aus nicht-musikalischen Segmenten (13 %) sowie des mittleren Kostensatzes der Verwertungsgesellschaften für musikalische Werke (13 %) ergibt dies Ausschüttungen an die Musikverlage und Urheber in Höhe von etwa 4,916 Milliarden Euro. Demgegenüber kalkuliert die NMPA für das Jahr 2001 weltweite Einkünfte der Rechteinhaber an
158 159 160 161 162 163 164
Vgl. Hull et al. (2011), S. 132; vgl. GEMA (2016a), S. 391-406. GEMA (2016b). Vgl. GEMA (2017). Vgl. NMPA (2003). Vgl. NMPA (2003), S. 4. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. Patissier (2012), S. 15.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Musikwerken von circa 7,399 Milliarden Euro.165 Dieser Betrag enthalte etwa 859 Millionen Euro aus dem Notendruckgeschäft, circa 691 Millionen Euro aus Synchronisationslizenzen und annähernd 252 Millionen Euro aus Finanzgeschäften und anderen Einkünften.166 Folgerichtig haben die Urheber und Musikverlage 2001 etwa 1,802 Milliarden Euro aus Geschäften eingenommen, die nicht mit Zweit- und Drittverwertungsrechten zusammenhängen. Die Subtraktion dieses Betrages von den Gesamteinkünften der Rechteinhaber gemäß NMPA ergibt schließlich Einnahmen selbiger in Höhe von annähernd 5,597 Milliarden Euro für letztere Geschäftsfelder. Darin sei ein Anteil von etwa 3,547 Milliarden Euro aus Aufführungs- und Senderechten enthalten, der sich in einen Beitrag von circa 1,429 Milliarden Euro aus der öffentlichen Aufführung von Musikaufnahmen, Radio- oder Fernsehsendungen (bspw. in Diskotheken oder als Hintergrundmusik in Restaurants etc.) sowie Live-Konzerten, eine Rate von annähernd 1,26 Milliarden Euro aus Lizenzen für das Fernsehen und einen Anteil von rund 858 Millionen Euro aus Radiolizenzen aufteilen würde.167 Aus mechanischen Rechten zur Herstellung und Reproduktion von Tonträgern und privaten Kopien seien etwa 2,008 Milliarden Euro an die Musikverlage und Urheber geflossen.168 Der letzte und im Wesentlichen in Japan generierte Anteil der Einnahmen aus Zweit- und Drittverwertungsrechten stammt mit einem Betrag von annähernd 42 Millionen Euro aus dem öffentlichen Verleih von Ton- und Bildtonträgern.169 Zieht man wiederum die Ausschüttungen der durch die CISAC vertretenen Verwertungsgesellschaften (4,916 Mia. Euro) von den Einnahmen der Musikverlage und Urheber aus Zweit- und Drittverwertungsrechten ab, entsteht ein Rest von etwa 681 Millionen Euro. Unter Berücksichtigung des globalen Rückganges der Einnahmen der Verwertungsgesellschaften aus mechanischen Rechten, der im Zeitraum zwischen 2001 und 2003 etwa 9,5 % betrug,170 und der erst für das Jahr 2003 publizierten Einkünfte der Harry Fox Agency von mehr als 500 Millionen US-Dollar,171 lagen die durch die HFA eingesammelten Tantiemen im Jahr 2001, ausgehend von Einnahmen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar im Jahr 2003, bei etwa 552 Millionen USDollar (etwa 616 Millionen Euro). Die Harry Fox Agency berechnet einen Provisionssatz von 8,5 % auf alle Einkünfte172 und hat demgemäß 2001 etwa 564 Millionen Euro an die Rechteinhaber von Musikwerken ausbezahlt.173 So ergeben sich für das Jahr 2001 Einnahmen der Rechteinhaber an Musikwerken in Höhe von insgesamt 114 Millionen Euro, die ohne Vorbehalte den Ausschüttungen anderer Verwertungsgesellschaften, die keine CISAC-Mitglieder sind (bspw. die US-amerikanische MRI), zugeordnet werden können. 165
166 167 168 169 170 171 172 173
Vgl. NMPA (2003), S. 4. Die Umrechnung der in US-Dollar publizierten Beträge seitens der NMPA in Euro ist gemäß des durchschnittlichen Euro zu Dollar Referenzkurses der Deutschen Bundesbank für das entsprechende Jahr (2001: 1 Euro zu 0,8956 US-Dollar) erfolgt. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. NMPA (2003), S. 8f., S. 14, S. 15. Vgl. NMPA (2003), S. 13. Vgl. NMPA (2003), S. 13. Vgl. NMPA (2003), S. 15. Vgl. Patissier (2012), S. 38. Vgl. Hull (2004), S. 91. Vgl. HFA (2013). Die Umrechnung in Euro ist gemäß des durchschnittlichen Euro zu Dollar Referenzkurses der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2001 erfolgt. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Das überzeugende Ergebnis dieser Berechnung belegt zunächst die Plausibilität der Approximation an die Einnahmen und Ausschüttungen der CISACVerwertungsgesellschafen aus dem Musiksegment für das Jahr 1999, die auf denselben Annahmen basiert und eine ähnliche Differenz zu den Umsätzen der Rechteinhaber aufweist. Gleichzeitig stützt es die Hypothese, die von der NMPA als »music publishing revenue« bezeichneten Einkünfte subsumierten sowohl Musikverlags- wie auch Urheberanteile. Wären die oben berechneten Einnahmen aus Zweit- und Drittverwertungsrechten in Höhe von 5,599 Milliarden Euro ausschließlich durch Musikverlage umgesetzt worden, so hätte die Gesamtheit aller Verwertungsgesellschaften für musikalische Werke im Jahr 2001, bei einem mittleren Verlegeranteil von 45 %, etwa 12,44 Milliarden Euro an die Rechteinhaber ausgeschüttet – ein Betrag, der bereits durch den Vergleich mit den Angaben der CISAC jedwede Glaubwürdigkeit verliert. Darüber hinaus festigt es die Annahme eines mittleren Kostensatzes der Verwertungsgesellschaften von 13 % und damit deren oben kalkulierte Ausschüttungen an die Musikverlage und Urheber im Jahr 2015. Gemäß einer Kalkulation von Will Page, dem Leiter der Finanzen bei Spotify, die in Kooperation mit der CISAC entstanden sei, stammen diese Auszahlungen zu 82,7 % aus Senderechten und Rechten zur öffentlichen Aufführung, zu 14,6 % aus mechanischen Rechten sowie zu verbleibenden 2,7 % aus Rechten zur Herstellung privater Kopien, die ebenfalls den mechanischen Rechten zugeordnet werden können.174 Der SpotifyÖkonom erläutert, die CISAC-Verwertungsgesellschaften für musikalische Werke hätten 2015 eine Summe von etwa 8,26 Milliarden US-Dollar an die Rechteinhaber ausbezahlt.175 Tatsächlich entspricht dieser Wert vielmehr den Einnahmen der durch die CISAC repräsentierten Autorengesellschaften vor Abzug ihrer Kostensätze nach einer Umrechnung gemäß des Euro-Referenzkurses für 2015.176 Die Addition dieses Wertes zu den Direkteinnahmen der Musikverleger und Urheber ergibt ein verfälschtes Bild des Marktsegments. Unter Berücksichtigung der für das Jahr 2015 oben angenäherten tatsächlichen Ausschüttungen der CISAC-Verwertungsgesellschaften in Höhe von etwa 6,523 Milliarden Euro, ergibt die Anwendung der von Page vorgelegten Quote Auszahlungen der Mitglieder der CISAC an die Urheber und Musikverlage in Höhe von etwa 5,395 Milliarden Euro aus Aufführungs- und Senderechten, annähernd 959 Millionen Euro aus mechanischen Rechten (inkl. der Auszahlungen der Harry Fox Agency, die seit 2015 zur SESAC gehört)177 und circa 176 Millionen Euro aus Rechten zur Herstellung privater Kopien. Eine spezifischere Aufteilung der Tantiemen hinsichtlich der Lizenznehmer und medialen Verwertung der Musikwerke, die allerdings keine direkten Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden Lizenzen zulässt – Fernsehsender benötigen zur Ausstrahlung eines Werbespots beispielsweise sowohl die mechanischen Rechte zur Vervielfältigung wie auch die Senderechte am verwerteten musikalischen Werk – findet sich im Jahresbericht der CISAC von 2016 (für die Daten des Jahres 2015). Demzufolge wurden 2015 etwa 3,020 Milliarden Euro aus der Verwertung in TV und Radio,
174 175 176 177
Vgl. Ingham (2016a). Vgl. Ingham (2016a). Vgl. CISAC (2016), S. 34. Vgl. CISAC (2016), S. 33.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
annähernd 2,058 Milliarden Euro aus der Nutzung für Live-Konzerte und Background (bspw. die öffentliche Aufführung von Musikaufnahmen, Radio- oder Fernsehsendungen), circa 541 Millionen Euro aus der digitalen Verwertung (bspw. Downloads, Streaming und Multimedia) sowie rund 402 Millionen Euro aus der Nutzung für physische Tonträger an die Musikverlage und Urheber ausbezahlt.178 Die restlichen Tantiemenauszahlungen stammen aus den bereits erwähnten Rechten zur Herstellung privater Kopien, den mechanischen Rechten zur Herstellung audiovisueller Produktionen auf DVD (etwa 132 Millionen Euro), den Lizenzen für Kinos (ca. 80 Millionen Euro), Synchronisationslizenzen (in einigen wenigen Ausnahmefällen werden Synchronisationslizenzen über Verwertungsgesellschaften vergeben und abgerechnet; annähernd 28 Millionen Euro), Lizenzen für den öffentlichen Verleih von Ton- und Bildtonträgern (etwa 24 Millionen Euro) und sonstigen Verwertungsformen (rund 65 Millionen Euro).179 Auf der Basis nicht-öffentlicher Daten des Marktforschungsunternehmens MIDiA Research kalkuliert Will Page für das Jahr 2015 darüber hinaus Einnahmen der Musikverlage und Urheber in Höhe von etwa 1,504 Milliarden Euro aus Erstverwertungsrechten.180 Dieser Betrag setze sich aus etwa 765 Millionen Euro aus Synchronisationslizenzen und rund 739 Millionen Euro aus anderen Lizenzen zusammen.181 Letztere integrierten alle Einkünfte der Musikverleger und Urheber, die nicht durch Synchronisationen oder Verwertungsgesellschaften generiert würden (also u.a. Einnahmen aus dem Notendruckgeschäft und durch Grand Rights sowie Umsätze aus Finanzgeschäften).182 Angesichts der im Folgenden dargestellten immanenten Widersprüche und methodischen Mängel der von Page vorgelegten Kalkulation des globalen Wertes des Publishing-Segments im Jahr 2015, kann dieselbe nur als grobe Annäherung an diesen Geschäftsbereich bewertet werden. Dennoch ist sie, zieht man die mangelhafte Daten- und Quellenlage in Betracht, ein wertvoller Beitrag zu einer Evaluierung des Feldes. Page gibt an, die Berechnungen für die Jahre 2014 und 2015 auf Grundlage des Euro zu Dollar Wechselkurses von 2015 gemacht zu haben, um so eine bessere Vergleichbarkeit der Werte herzustellen (der mittlere Dollarwert ist von 2014 auf 2015 stark angestiegen) – den tatsächlich eingesetzten Wechselkurs bleibt er schuldig.183 Darüber hinaus ist weder ersichtlich, weshalb der Autor die unter der Kategorie »Non-CISAC publishing mechanicals« zusammengefassten und dementsprechend branchenüblich durch Verwertungsgesellschaften erhobenen Gebühren als unmittelbare Einkünfte der Musikverlage einstuft, noch um welche konkreten Einnahmen es sich dabei handelt (ob bspw. die Umsätze der Harry Fox Agency, die ja bereits in den Zahlen der CISAC für 2015 enthalten sind, fälschlicherweise dieser Kategorie zugeordnet wurden).184 Neben weiteren unmittelba-
178 179
Vgl. CISAC (2016), S. 2f., S. 34. Vgl. CISAC (2016), S. 2f., S. 34. Alle Einkünfte der CISAC-Mitglieder wurden aufgrund des mittleren Faktors der Kostensätze der Verwertungsgesellschaften mit 0,87 multipliziert. 180 Vgl. Ingham (2016a). Die Umrechnung der in US-Dollar publizierten Beträge Pages in Euro ist gemäß des durchschnittlichen Euro zu Dollar Referenzkurses der Deutschen Bundesbank für das entsprechende Jahr (2015: 1 Euro zu 1,1095 US-Dollar) erfolgt. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). 181 Vgl. Ingham (2016a). 182 Vgl. Ingham (2016a). 183 Vgl. Ingham (2016a); vgl. Deutsche Bundesbank (2017). 184 Vgl. Ingham (2016a).
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ren Widersprüchen im Fließtext, die Einnahmen beziehungsweise Ausschüttungen der CISAC-Autorengesellschaften aus Aufführungs- und Senderechten betragen zum Beispiel an einer Stelle 6,6 Milliarden US-Dollar, an einer anderen Stelle 6,828 Milliarden US-Dollar, sind die berechneten Werte bezüglich der Einnahmen des Publishings aus Erstverwertungsrechten insofern nicht auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, als dass sie auf nicht-öffentlichen Studien der Firma MIDiA Research basieren.185 Während der US-amerikanische Dachverband der Musikverleger im Jahr 2001 weltweite Publishing-Einkünfte in Höhe von 619,2 Millionen US-Dollar aus Synchronisationslizenzen kalkuliert, lagen diese, gemäß der Berechnung Pages, 2015 bei 849 Millionen US-Dollar.186 Angesichts des historisch einmalig schlechten Wechselkurses des, damals lediglich als Buchgeld gehandelten, Euros von 2001,187 und der daraus resultierenden Verzerrung eines Vergleichs dementsprechend umgerechneter Werte mit Daten, die konform der Referenzkurse anderer Jahre aus Fremdwährungen übertragen wurden, sind diese sowie nachfolgende Einkünfte in ihrer Originalwährung, US-Dollar, angegeben. Ausgehend von dieser Grundlage wäre das Synchronisationsgeschäft mit Musikwerken im Zeitraum zwischen 2001 und 2015 um rund 37 % angewachsen. Gleichzeitig hat die Inflation von 2002, dem Folgejahr der Datenerhebungen der NMPA, bis einschließlich 2015 in Deutschland zu einer allgemeinen Preissteigerung von etwa 22,3 % geführt.188 Ein Wert, der in der Gegenüberstellung mit der von der Weltbank gemittelten globalen Teuerungsrate von jenseits der 70 % in dieser Zeitspanne vergleichsweise moderat ausfällt.189 Die tatsächliche Wertigkeit des, in der Literatur wie auch im öffentlichen Diskurs weitläufig als erheblich eingeschätzten Wachstums der Einnahmen von Musikverlagen und Urhebern aus Synchronisationslizenzen seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert, das häufig mit einer übertreibenden Rhetorik beispielsweise als exponentiell dargestellt wird,190 vermindert sich dementsprechend auf lokaler wie auch auf globaler Ebene. Eine der verbreiteten Annahme hohen Wachstums näher liegende Zahl hinsichtlich der Einkünfte aus Synchronisationen hat Dave Laing vorgelegt. Er kalkuliert bereits 2006 Umsätze der Musikverlage und Urheber in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar aus der Vergabe von Synchronisationslizenzen für Musikwerke, liefert jedoch keine weiteren Informationen zur diesbezüglich genutzten Datenbasis und angewandten Systematik.191 Bezieht man diesen Wert wiederum auf die von der NMPA für 2001 publizierten Einkünfte aus dem Synchronisationsgeschäft, 619,2 Millionen US-Dollar, so wäre dieses Feld innerhalb von nur fünf Jahren um rund 78 % angewachsen. Unter Anwendung der daraus resultierenden durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von etwa 12,2 % auf den Ausgangswert der NMPA von 2001, hätten sich die Umsätze der Musikverlage und Urheber aus Synchronisationslizenzen im Jahr 2015 auf rund 3,103 Milliarden US-Dollar belaufen. Eine ähnliche Tendenz lässt sich aus den Angaben
185 186 187 188 189 190 191
Vgl. Ingham (2016a). Vgl. Ingham (2016a); vgl. NMPA (2003), S. 14. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. Statistisches Bundesamt (2017). Vgl. World Bank Group (2017a). Vgl. Williamson, Cloonan (2013), S. 19. Vgl. Laing (2009), S. 18.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
der NMPA hinsichtlich der Einnahmen US-amerikanischer Musikverleger und Urheber aus Synchronisationsrechten für die Jahre 2001 und 2014 ableiten. Während die entsprechenden Umsätze 2001 etwa 102,3 Millionen US-Dollar betragen hätten, wären sie 2014, mit einem Anteil von rund 20,4 % am Gesamtumsatz US-amerikanischer Urheber und Musikverleger, bei rund 439 Millionen US-Dollar gelegen.192 Legt man den US-amerikanischen Anteil am globalen Publishing-Markt für Synchronisationen von circa 17 % im Jahr 2001193 auf das Jahr 2014 um, ergäben sich daraus weltweite Umsätze von rund 2,582 Milliarden US-Dollar aus Synchronisationslizenzen. Ein diesem immensen Wachstum der Einnahmen von Musikverlagen aus Synchronisationslizenzen deutlich widersprechendes Bild ergibt die Auswertung der Geschäftsberichte der Warner Music Group, die, entsprechend der Geschäftspraktiken der Mutterkonzerne der beiden anderen Major-Labels, ebenfalls ein Publishingsegment unter ihrem Dach beherbergt. Während die Vivendi SA (Universal Music Publishing) und die Sony Corporation (Sony/ATV Music Publishing LLC) in ihren Jahresberichten lediglich Gesamtumsätze ihrer Musikverlage preisgeben und keine weiteren Angaben zu den verschiedenen Quellen dieser Einkünfte machen,194 veröffentlicht die Warner Music Group in ihren Jahresabschlüssen seit 2005 neben den Gesamteinnahmen aus dem Publishing (Warner/Chappell) gleichermaßen die Anteile der verschiedenen Verwertungslizenzen an diesen Erträgen.195 Der in Bezug auf die Höhe der Gesamtumsätze drittgrößte Musikverlag der Welt, Warner/Chappell,196 hat demzufolge im Geschäftsjahr 2004 79 Millionen US-Dollar und 2015 103 Millionen US-Dollar aus der Vergabe von Synchronisationslizenzen eingenommen.197 Für das Jahr 2015 entspricht dies etwa 21,4 % der gesamten Einkünfte des Verlages (482 Millionen US-Dollar).198 Weiterhin unterlagen die Einkünfte von Warner/Chappell aus Synchronisationen in diesem Zeitraum starken Schwankungen – 2006 wurden beispielsweise 83 Millionen US-Dollar, 2011 113 Millionen US-Dollar aus der Vergabe von Einblendungsrechten erwirtschaftet.199 Der für das Jahr 2015 aus den verschiedenen verfügbaren Quellen gemittelte Umsatzanteil von Warner/Chappell am gesamten Publishing-Markt betrug 10,5 %.200 Demnach wären, nutzt man die Umsätze des Musikverlages als Datenbasis, im genannten Jahr weltweit etwa 4,59 Milliarden US-Dollar (rund 4,137 Milliarden Euro)201 von Musikverlagen durch die Lizenzierung von Verwertungsrechten an musikalischen Werken eingenommen worden. Unter Verwendung des Umsatzanteils von Synchronisationslizenzen an den gesamten Einkünften US-amerikanischer Musikverleger im Jahr 2015 (20 %),202 er-
192 193 194 195 196 197
198 199 200 201 202
Vgl. NMPA (2003), S. 8; vgl. Nicholson (2015). Vgl. NMPA (2003), S. 8. Vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Vivendi (2009), S. 19; vgl. Sony Corporation (2016), S. F-90. Vgl. Warner Music Group Corp. (2016), S. 41; vgl. Warner Music Group Corp. (2005), S. 48. Vgl. MBW (2017); vgl. Music & Copyright (2017). Vgl. Warner Music Group Corp. (2016), S. 41; vgl. Warner Music Group Corp. (2005), S. 48. Die Geschäftsjahre der Warner Music Group enden jeweils am 30. September eines Kalenderjahres und beginnen dementsprechend am 01. Oktober des Vorjahres. Vgl. Warner Music Group Corp. (2016), S. 41. Vgl. Tschmuck (2016); vgl. Warner Music Group Corp. (2011), S. 50. Vgl. MBW (2017); vgl. Music & Copyright (2017). Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. Christman (2016b).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
gäbe dies globale Publishing-Einkünfte von etwa 918 Millionen US-Dollar, die im Jahr 2015 von Musikverlagen mit Einblendungsrechten für Musikwerke erzielt worden wären. Wendet man gleichermaßen den von der NMPA für US-amerikanische Musikverleger 2015 kalkulierten Anteil der anderen Erstverwertungsrechte und weiterer Geschäfte (6 %) am Gesamtumsatz derselben auf die weltweiten Einkünfte der Musikverlage im Jahr 2015 (4,59 Milliarden US-Dollar) an, wären aus diesen Geschäftsbereichen etwa 275 Millionen US-Dollar eingenommen worden.203 Damit ergäben sich für das Jahr 2015 weltweite Einkünfte der Musikverlage von rund 1,193 Milliarden US-Dollar (1,075 Milliarden Euro) aus Erstverwertungsrechten und weiteren unmittelbar durch die Verleger getätigten Geschäften sowie Umsätze aus Zweit- und Drittverwertungsrechten in Höhe von rund 3,397 Milliarden US-Dollar (3,062 Milliarden Euro).204 Diese Approximation gewinnt durch den Abgleich mit den von der CISAC für das Jahr 2015 publizierten und oben dargestellten Zahlen und die Berücksichtigung der branchenüblichen Auszahlungsmodalitäten der Verwertungsgesellschaften ein hohes Maß an Validität, ohne dabei eine Aussage über die Plausibilität der Aufteilung der globalen Einnahmen der Musikverlage aus Erstverwertungsrechten und weiteren unmittelbar durch die Verleger abgewickelten Geschäften nach US-amerikanischer Quote zuzulassen. Von den oben kalkulierten Ausschüttungen der CISAC-Verwertungsgesellschaften in Höhe von rund 6,523 Milliarden Euro im Jahr 2015 wären mit einem Betrag von etwa 3,062 Milliarden Euro folglich annähernd 46,9 % an die Musikverleger ausbezahlt worden. Die hohe Übereinstimmung des so ermittelten Verlegeranteils mit der Erwartung aus den oben beschriebenen branchenüblichen Aufteilungssätzen der Tantiemen aus Zweit- und Drittverwertungsrechten (40-50 % Musikverlagsanteil) belegt die Plausibilität der Gesamtkalkulation. Gleichwohl, die Validität der Aufteilung der Umsätze der Musikverlage aus Erstverwertungsrechten auf die verschiedenen zugehörigen Geschäftsbereiche (Synchronisationen, Notendruck und -verkauf, Grand Rights) lässt sich anhand dieser Kongruenz nicht belegen. Diesbezüglich lassen sich jedoch Indizien aus der Untersuchung der Entwicklung der Einnahmen der Musikverlage aus dem Notendruck und -verkauf ableiten, dem ehemals umsatzstärksten Segment der Erstverwertungsrechte.205 Die öffentlich zugänglichen Daten einer Studie des Marktforschungsinstituts IBISWorld hinsichtlich des Musiknotendruckgeschäftes legen nahe, dass 2015 weltweit etwa 273 Millionen US-Dollar von den Musikverlagen aus diesem Segment eingenommen wurden.206 Eine US-amerikanische Rechtsberatung geht davon aus, dass dieser Bereich weniger als 5 % der gesamten mit einem Musikstück zu erzielenden Publishing-Einkünfte generiert.207 Diese Aussage korrespondiert mit den Angaben der NMPA für das Jahr 2014, gemäß derer in den USA 5,7 % der Einkünfte der Musikverleger aus Erstverwertungsrechten (ohne Synchronisationsrechte) und anderen Geschäften gestammt hätten.208 Hull et al. beziffern die Umsätze der Musikverlage
203 204 205 206 207 208
Vgl. Christman (2016b). Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. NMPA (2003), S. 8f. Vgl. IBISWorld (2016). Vgl. Jacobson (2010). Vgl. Nicholson (2015).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
aus sonstigen Geschäften, Geschäften also, die nicht auf die Lizenzierung musikalischer Werke zurückzuführen sind, im Jahr 2011 auf 1 %.209 Umgelegt auf den US-amerikanischen Musikverlegermarkt im Jahr 2014 würde dies zu einem Anteil der Einnahmen aus dem Notendruckgeschäft von 4,7 %, rund 101 Millionen US-Dollar, am Gesamtumsatzvolumen führen.210 Unter der Prämisse, dass US-amerikanische Musikverlage mehr als 40 % des weltweiten Umsatzes aus Notendruckgeschäften generieren,211 wären demzufolge 2014 insgesamt mindestens 253 Millionen US-Dollar von den Musikverlagen aus diesem Publishing-Segment eingenommen worden. Sowohl diese Berechnung wie auch die von IBISWorld für das Jahr 2015 vorgelegten Zahlen hinsichtlich des Notendruckgeschäftes festigen die Annahme, die obige Aufteilung der Umsätze der Musikverlage aus Erstverwertungsrechten auf die verschiedenen zugehörigen Geschäftsbereiche besitze eine hohe Validität und verifizieren damit gleichermaßen die weltweiten Einkünfte der Musikverleger aus Synchronisationslizenzen im Jahr 2015 in Höhe von ungefähr 918 Millionen US-Dollar. In diesem Betrag sind folgerichtig diejenigen Einnahmen aus Synchronisationslizenzen für musikalische Werke nicht enthalten, die außerhalb des klassischen Musikverlagsmarkts generiert wurden. Dazu zählen die Umsätze aus unmittelbar durch die Urheber vergebenen Einblendungslizenzen sowie die Erlöse aus Synchronisationslizenzen, die durch Musikfirmen erzielt werden, die keine konventionellen Musikverlage sind und deren Angebot sich vor allem an Lizenznehmer aus der audiovisuellen Industrie richtet. Zum einen werden sogenannte Royalty-free oder GEMA-freie Musiktitel zur Lizenzierung angeboten. Dabei handelt es sich um Musikaufnahmen von Werken, deren Urheber weder Mitglieder von Verwertungsgesellschaften sind noch vertragliche Bindungen zu Musikverlagen besitzen. Dementsprechend übertragen die Urheber die Wahrnehmung aller Verwertungsrechte an diesen Werken auf spezialisierte Musikfirmen, die kostengünstig entsprechende Nutzungslizenzen vergeben.212 Obwohl also keine Tantiemen durch Zweit- oder Drittverwertungsrechte generiert werden, bietet etwa die Plattform Jamendo eine nonexklusive Full Scale License zu einem Preis von 299 € zzgl. MwSt. an, mit der quasi alle Nutzungsrechte an einem Musikstück (die Musikaufnahme und das Musikwerk betreffend) ohne zeitliche, räumliche und inhaltliche Beschränkungen erworben werden.213 Zum anderen wird die als Production Music (auch: Stock Music oder Library Music) bezeichnete Musik auf dem Lizenzmarkt gehandelt, deren Urheber in der Regel Mitglieder von Verwertungsgesellschaften sind.214 Diese »speziell für den Einsatz in Audio- und audiovisuellen Produktionen«215 hergestellte Musik ist ebenfalls eine preiswerte Alternative zur Lizenzierung von Originaltiteln. Wenn die Urheber derartiger Werke nicht an einen Musikverlag gebunden sind, können sie die Erstverwertung ihrer Kompositionen durch entsprechende Musikunternehmen wahrnehmen lassen. So lassen sich etwa die zeitlich unbegrenzten non-exklusiven Rechte zur Nutzung eines Musikstücks 209 210 211 212 213 214 215
Vgl. Hull et al. (2011), S. 113. Vgl. Nicholson (2015). Vgl. Hull et al. (2011), S. 137. Vgl. Jamendo (2017a). Vgl. Jamendo (2017a). Vgl. Talmon (2015). Talmon (2015).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
(die Musikaufnahme und das Musikwerk betreffend) im Rahmen eines nationalen TVWerbespots bei PremiumBeat, einem Anbieter für Production Music, für 199 US-Dollar erwerben.216 Darin nicht enthalten sind die Aufführungs- und Senderechte sowie die Rechte zur mechanischen Vervielfältigung etwa bei Fernsehsendern.217 Ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht wird folglich unter dem Kalkül eingeräumt, hohe Tantiemen aus Aufführungsrechten erzeugen zu können. Weiterhin gibt es keine klare Trennschärfe zwischen den Bezeichnungen der beiden Musikformen. PremiumBeat benennt seine musikalischen Inhalte zum Beispiel als Royalty-free, obwohl sie bei Verwertungsgesellschaften gemeldet und damit tantiemenpflichtig sind.218 Die Musikkataloge werden in der Regel online mit Such- und Abhörfunktionen zur Verfügung gestellt.219 Bei Lizenzierung eines Titels wird dieser sowohl in datenkomprimierten wie auch in hochauflösenden gängigen Audio-Formaten (MP3, FLAC, WAV, AIF) zum Download bereitgestellt.220 Die großen Musikverlage haben gleichermaßen Komponisten und Textdichter unter Vertrag, die Production Music für die jeweiligen Plattformen oder Tochterfirmen der Unternehmen herstellen221 – entsprechende Einkünfte aus Synchronisationen sind bereits im oben kalkulierten Betrag enthalten. Im Gegensatz dazu müssen diejenigen Einnahmen aus Einblendungsrechten, die durch neuartige Musikfirmen, wie beispielsweise TuneCore, administriert werden, obigem Betrag hinzugefügt werden. Das Angebot dieses Unternehmens, das exemplarisch für alle Firmen mit ähnlich progressiven Geschäftsmodellen steht, die seit der fortschreitenden Digitalisierung zunehmend Marktanteile für sich beanspruchen, richtet sich an ausübende Künstler und Urheber und reicht von herkömmlichen Labeldienstleistungen über den digitalen Vertrieb von Musikaufnahmen bis hin zur Verwertung von Rechten an Musikwerken.222 Gegen Bezahlung einer Pauschalgebühr können Urheber die Publishing-Dienstleistungen der Firma in Anspruch nehmen, die weitestgehend mit den Tätigkeiten konventioneller Musikverlage übereinstimmen, jedoch mit der etablierten Verlegerbeteiligung brechen.223 Für Tantiemen aus Zweit- und Drittverwertungsrechten, die durch Verwertungsgesellschaften eingesammelt und verteilt werden, berechnet TuneCore einen Provisionssatz von 10 %, für Einkünfte aus Erstverwertungsrechten – also vor allem Synchronisationsrechten – eine Quote von 20 %.224 Die Publishing-Einnahmen des Unternehmens aus Synchronisationslizenzen seien 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 57 % angewachsen.225 Der Anteil dieser Lizenzgeschäfte am Gesamtmarkt für Verwertungsrechte zur Einblendung von Musikwerken ist, ausgenommen die Synchronisation von Production
216 217 218 219 220 221 222 223 224 225
Vgl. Shutterstock Music (2016). Vgl. Shutterstock Music (2016). Vgl. Shutterstock Music (2016). Vgl. Talmon (2015). Vgl. Shutterstock Music (2017); vgl. Jamendo (2017b). Vgl. Universal Production Music (2017a); vgl. Warner/Chappell Production Music (2017a); vgl. EMI Production Music (2017a). Vgl. TuneCore (2017a). Vgl. TuneCore (2017a). Vgl. TuneCore (2017a); vgl. TuneCore (2017b). Vgl. Cornell (2016).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Music, deren Nutzungsrechte von Musikverlagen wahrgenommen werden, mutmaßlich gering. Gemäß der Einschätzung eines Lizenzierungsexperten, der sowohl Geschäftsführer einer Agentur für die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte als auch Inhaber eines Indie-Musikverlages ist, bestehe der Synchronisationsmarkt aktuell, gemessen an der Anzahl vergebener Lizenzen, zu jeweils etwa 30 % aus der Lizenzierung von Originaltiteln und Auftragskompositionen, sowie zu ungefähr 35 bis 40 % aus der Verwertung von Production Music. Von diesen 35 bis 40 % würden annähernd 80 % der Lizenzen durch Musikverlage realisiert. Lediglich etwa ein Fünftel der in Synchronisationsgeschäften genutzten Production Music – die folglich zwischen 7 und 8 % aller Einblendungslizenzen repräsentiere – sei GEMA-freie Musik, deren Urheber nicht durch Musikverlage vertreten werden. Die Quote direkt durch die Urheber vergebener Synchronisationslizenzen am Gesamtvolumen dieses Geschäftsfeldes liege zwischen etwa 1 und 5 %, schätzt der Lizenzierungsexperte Felix Haaksman.226 Obwohl die durchschnittlich erzielten Lizenzentgelte der letztgenannten beiden Geschäftsbereiche deutlich hinter denjenigen der anderen Segmente zurückbleiben, lagen die weltweiten Gesamteinkünfte der Rechteinhaber aus dem Synchronisationsgeschäft im Jahr 2015 folglich eher bei etwa 1 Milliarde US-Dollar, als bei oben kalkulierten 918 Millionen US-Dollar. Das überzeugende Ergebnis dieser Annäherung belegt, dass das Geschäft mit Synchronisationslizenzen zur Verwertung musikalischer Werke seit dem beginnenden 21. Jahrhundert insgesamt gewachsen ist. Gleichzeitig widerlegt es die Annahme, die Einnahmen der Rechteinhaber aus diesem Marktsegment hätten im Jahr 2015 bereits mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar betragen. Ihre entscheidende Relevanz erhält die Kalkulation im Kontext der weltweiten Werbeeinnahmen der Medien und der Frage nach der Entwicklung der durchschnittlich erzielten Synchronisationslizenzentgelte seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert. Im Jahr 2015 lagen die globalen Werbeumsätze der Fernsehsender zwischen ca. 162 Milliarden und etwa 198 Milliarden US-Dollar,227 die Einnahmen der deutschen TV-Sender aus Werbung bei etwa 13,8 Milliarden Euro.228 Im privaten deutschen Fernsehen lag der Anteil der Erlöse durch den Verkauf von Sendeplätzen für Werbespots an den gesamten Werbeerträgen der Sender im Jahr 2014 bei etwa 95 %.229 Aus Sponsoring-Geschäften hätten etwa 2 %, aus der Internetwerbung etwa 3 % der Gesamteinnahmen durch Werbung gestammt.230 Unter Verwendung dieser Aufteilung hätten die TV-Sender weltweit 2015 zwischen etwa 154 Milliarden und ungefähr 188 Milliarden US-Dollar, die deutschen Fernsehsender annähernd 13,1 Milliarden Euro, durch Verkauf von Sendeplätzen für Werbespots eingenommen. Während eine in den USA durchgeführte Untersuchung von insgesamt 336 Fernsehspots im Jahr 1996 ergeben hatte, dass 84,5 % derselben Musik enthiel-
226 Interview: Haaksman (2017). 227 Vgl. Ofcom (2016), S. 28; vgl. Magna Global (2015), S. 10. Die Umrechnung der in britischen Pfund publizierten Beträge in US-Dollar ist gemäß des Referenzkurses der Bank of England für das Jahr 2015 erfolgt. Vgl. Bank Of England (2017). 228 Vgl. Die Medienanstalten (2016), S. 83. 229 Vgl. Die Medienanstalten (2016), S. 81. 230 Vgl. Die Medienanstalten (2016), S. 81.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
ten,231 hätten im Jahr 2004 weltweit bereits etwa 90 % der TV- und Radiowerbespots musikalische Inhalte integriert.232 Auf Basis dieser eher konservativen Quote aus dem Jahr 2004 – der Anteil audiovisueller Werbespots mit musikalischen Inhalten an der Gesamtheit aller Spots ist angesichts der gestiegenen Bedeutung des Audio Brandings innerhalb der werbetreibenden Industrie seit 2004 vermeintlich ebenfalls gewachsen – wären die globalen Werbeeinkünfte der TV-Sender aus dem Verkauf von Sendeplätzen für Werbespots mit Musik im Jahr 2015 zwischen circa 139 und etwa 169 Milliarden US-Dollar gelegen, die Umsätze deutscher Fernsehsender bei ungefähr 11,8 Milliarden Euro. Den DMV-Erfahrungsregeln zufolge lagen die durchschnittlichen Lizenzentgelte für die Synchronisation musikalischer Werke in nationalen Fernsehwerbespots 2003 zwischen 3 und 5 % des Brutto-Mediabudgets. Bei Verwendung dieser Quote hätten alleine durch die Synchronisation musikalischer Werke zur Verwertung in deutscher TVWerbung im Jahr 2015 zwischen 354 und 590 Millionen Euro (ca. 393 bzw. 655 Millionen US-Dollar)233 , also bereits etwa zwei Fünftel beziehungsweise zwei Drittel der weltweiten Gesamteinnahmen aus Synchronisationslizenzen, umgesetzt werden müssen. Die weltweiten Umsätze der Rechteinhaber aus Lizenzen zur Einblendung ihrer Werke in TV-Werbung hätten sich, unter Berücksichtigung der DMV-Erfahrungsregeln, 2015 zwischen 4,17 und 8,45 Milliarden US-Dollar bewegt – ein Spektrum, dass die tatsächlichen Einkünfte der Rechteinhaber aus der Gesamtheit aller Synchronisationslizenzen bei weitem übersteigt. Felix Haaksman bemisst den monetären Anteil von Synchronisationslizenzen zur werblichen Verwertung von Musik an den Gesamtumsätzen aus Einblendungsrechten weltweit auf etwa 60 bis 65 %.234 Ausgehend von den oben kalkulierten Gesamtumsätzen der Rechteinhaber aus diesem Segment, wären dementsprechend 2015 zwischen etwa 600 und 650 Millionen US-Dollar aus Einblendungslizenzen für die werbliche Nutzung musikalischer Werke umgesetzt worden. Folglich blieben die Entgelte für Synchronisationslizenzen zur Verwertung musikalischer Werke in TVSpots 2015 global betrachtet deutlich hinter den vom DMV 2003 herausgegebenen Erfahrungsregeln zurück. Wären die Gesamteinkünfte der Rechteinhaber von Musikwerken aus Synchronisationslizenzen für die werbliche Verwertung 2015 einzig durch TVWerbespots generiert worden, so hätten diese lediglich zwischen etwa 0,35 und 0,47 % des weltweiten Brutto-Mediabudgets betragen. Tatsächlich stammt ein Teil dieser Einkünfte jedoch aus Synchronisationslizenzen für die werbliche Verwertung musikalischer Werke in anderen audiovisuellen Medien. Während die Sendung von Kinospots, die in hohem Maße synchronisierte Musik enthalten, den Lichtspielhäusern 2015 weltweite Werbeeinnahmen in Höhe von etwa 2,85 Milliarden US-Dollar beschert haben, lagen die Einkünfte von Internetfirmen aus Onlinewerbung, die partiell synchronisierte Musik integriert, bei etwa 159 Milliarden US-Dollar.235 Demgemäß lagen die Umsätze aus der Synchronisation musikalischer Werke zur werblichen Verwertung insgesamt entschieden unter der exklusiv für das Fernsehen kalkulierten Spanne von ca. 0,35 bis 231 232 233 234 235
Vgl. Roth (2005), S. 4. Vgl. Kastner (2008), S. 68. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Interview: Haaksman (2017). Vgl. Magna Global (2015); S. 10.
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0,47 % der Werbeeinnahmen der Medien. Diesbezüglich erläutert der Experte, eine Orientierung der Entgelte an den DMV-Erfahrungsregeln, die aktuell 2 bis 5 % des BruttoMediabudgets für Synchronisationslizenzen in nationalen TV-Werbespots nahelegten, würde meist nur durch die großen Musikverlage zur Lizenzierung von Originaltiteln in Deutschland realisiert.236 Die große Mehrzahl der Lizenzen für Werbefilme werde weit unter diesem Niveau vergütet.237 Dessen ungeachtet, würden Synchronisationslizenzen zur werblichen Verwertung musikalischer Werke vergleichsweise am höchsten entlohnt.238 So lägen die Entgelte für Lizenzen zur Synchronisation von Musikwerken in Kinofilmen ungefähr zwischen 1/12 und 1/10, in Fernsehserien oder -filmen sowie Videospielen etwa bei 1/24 bis 1/20 einer in räumlichem, zeitlichem und inhaltlichem Umfang entsprechenden Lizenz zur werblichen Verwertung derselben.239 Musikwerke zur Nutzung in Onlinevideos würden häufig sogar im dreistelligen Eurobereich lizenziert.240 Demgegenüber lägen die Lizenzgebühren zur Verwertung in audiovisuellen Onlinewerbespots aktuell bei etwa 50 % eines vergleichbaren TV-Spots.241 Diese beiden Sparten würden sich, hinsichtlich der zu erzielenden Lizenzierungsentgelte, einander zunehmend annähern.242 Die vom Berufsverband der Auftragskomponisten in Deutschland (CC Composers Club e.V.) für ihre Mitglieder veröffentlichten Honorarrichtlinien für Werbung stellten, obwohl sie sich in erster Linie auf Neukompositionen und -produktionen beziehen, Musikaufnahmen also integrieren, gleichermaßen eine gute Referenz bezüglich der Kalkulation entsprechender Gebühren für die Nutzungsrechte bei der Lizenzierung von Originaltiteln dar.243 Der Composers Club gibt Faktoren für die konkrete räumliche, zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung von Lizenzvereinbarungen heraus, mit denen ein festgelegter Basispreis zur Einräumung von werblichen Nutzungsrechten für ein Jahr individuell multipliziert wird.244 Diese Faktoren seien in Bezug auf die Gebührenkalkulation zur Lizenzierung bereits existierender Musikwerke zur werblichen Verwertung ebenfalls relevant. Der Basispreis dagegen, den der Berufsverband mit 3 500 € für die Rechte am Musikwerk und der entstehenden Musikaufnahme als durchschnittlich üblichen Preis bezeichnet,245 kann im Lizenzgeschäft bereits existierender Titel stark variieren. Auf Basis eines Ausgangswertes, etwa des Basispreises, sowie der Länderund Nutzungsrechtelisten, die räumliche, zeitliche und inhaltliche Faktoren beinhalten, können folgerichtig Lizenzgebühren zur werblichen Nutzung einer Musikaufnahme für eine Vielzahl von Szenarien kalkuliert werden. Für eine einjährige Nutzungslizenz zu werblichen Zwecken im deutschen Fernsehen gibt der Composers Club beispielsweise den Faktor 2 für die Nutzung in Deutschland sowie den Faktor 0,6 für die Nutzung im
236 237 238 239 240 241 242 243 244 245
Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Vgl. CC Composers Club e.V. (2013a), nur zugänglich für Mitglieder des Berufsverbandes. Vgl. CC Composers Club e.V. (2013a), nur zugänglich für Mitglieder des Berufsverbandes.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
TV an, wodurch sich, geht man von einem Basispreis von 3 500 € aus, eine Lizenzgebühr von 4 200 € ergeben würde.246 Im Fall einer Auftragskomposition und -produktion wären zudem die Honorare zur Herstellung des Musikstücks zu entrichten, die der Berufsverband bezüglich Werbespots mit einem Mindestbetrag von 6 900 € ansetzt.247 Weiterhin seien die Preise für Synchronisationslizenzen bereits existierender Titel in höchstem Maße vom Marktwert der jeweiligen Komposition abhängig.248 Dieser lasse sich vor allem aus Quantität, Höhe und Dauer erzielter Chartsplatzierungen, Anzahl der Länder, in denen diese Platzierungen erreicht wurden sowie der Anzahl etablierter Musikaufnahmen einer Komposition (Coverversionen) ableiten.249 Unbekannte Kompositionen seien folgerichtig austauschbar und besäßen einen erheblich geringeren Marktwert.250 Die Medienwissenschaftlerin Leslie M. Meier belegt diese Aussage nachdrücklich mit einer Reihe von Beispielen und Expertenaussagen.251 In der auf ihrer Doktorarbeit basierenden Publikation Popular Music as Promotion. Music and Branding in the Digital Age erklärt sie: »Because fees are directly tied to the celebrity status of the recording artist or the hit status of the song, stars can still earn big paydays, however.«252 Wie die Entgelte für Synchronisationslizenzen zur Verwertung musikalischer Werke positiv mit dem Marktwert der Komposition korrelierten, so sei die Höhe der Vergütung für Masternutzungslizenzen zur Einblendung von Musikaufnahmen unmittelbar an die Bekanntheit des Interpreten (der ausübenden Künstler) geknüpft. Wenn Marken Werbeverträge mit Stars abschlössen, würden sie weniger deren Musik als vielmehr deren Ruhm kaufen, illustriert der Musiker und Musikberater Barry Coffing aus Los Angeles.253 Populäre Musik gebe es heute im Überfluss, während Stars rar gesät seien und gleichzeitig ein beträchtliches Maß an Medieninteresse erzeugten, ergänzt Meier.254 Superstars könnten einer Marke zu unmittelbarer Wiedererkennung verhelfen und zugleich eine beträchtliche Bekanntheit erzeugen.255 Der Kreativdirektor einer Werbeagentur erläutert: »If you work with Madonna, you are banking that the commercial you spent $1 million [on] is going to get $10 million in added value from P. R. and that’s why you pay Madonna 5 [million dollars]«.256 Neben den bereits genannten Faktoren sei der Marktwert eines Stars abhängig von der Größe seiner Fangemeinde sowie der Beschaffenheit seiner Beziehung mit dieser Gemeinschaft, veranschaulichen ein Projektmanager für digitales Marketing und der Werbeexperte Mike Tunnicliffe.257 Gemäß John Campanelli, dem Vizepräsidenten für Marketing beim Musikverlag Sony/ATV, würden die Preise für Nutzungslizenzen, aus der Perspektive der großen Mu-
246 Vgl. CC Composers Club e.V. (2013a); vgl. CC Composers Club e.V. (2013b), nur zugänglich für Mitglieder des Berufsverbandes. 247 Vgl. CC Composers Club e.V. (2013c), nur zugänglich für Mitglieder des Berufsverbandes. 248 Interview: Haaksman (2017). 249 Interview: Haaksman (2017). 250 Interview: Haaksman (2017). 251 Vgl. Meier (2017), S. 112-119. 252 Meier (2017), S. 113f. 253 Vgl. Meier (2017), S. 116. 254 Vgl. Meier (2017), S. 116. 255 Vgl. Meier (2017), S. 116. 256 Meier (2017), S. 116. 257 Vgl. Meier (2017), S. 117.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
sikfirmen, den Marktwert eines Künstlers widerspiegeln.258 Wenn ein Künstler keinen Marktwert in populärer Musikkultur besäße, würde er von jedweder durch Marken ermöglichten Publicity profitieren.259 Gleichwohl Meier den Unterschied zwischen Synchronisationslizenzen zur Verwertung musikalischer Werke und Masternutzungslizenzen zur Verwertung von Musikaufnahmen an anderer Stelle erläutert, versäumt sie es im diesbezüglichen Abschnitt ihrer Publikation eine klare Trennschärfe zwischen Urhebern und ausübenden Künstlers beziehungsweise den Lizenzentgelten für die Verwertung von Musikaufnahmen und Musikwerken herzustellen.260 Dessen ungeachtet verifizieren die von ihr vorgelegten zahlreichen Nachweise die Abhängigkeit branchenüblicher Vergütungssätze für die werbliche Verwertung von Musik im Allgemeinen sowie die audiovisuelle Nutzung im Besonderen vom vermeintlichen Marktwert eines Titels oder Interpreten. Im Jahr 2007 hätten TV-Produzenten teilweise mehr als 50 000 US-Dollar für die Nutzung eines Musikstücks eines etablierten Künstlers auf einem Major-Label bezahlt, für die gleichwertige Verwertung eines Titels eines unbekannten Talents zuweilen nur wenige hundert USDollar.261 Die zwischen den Jahren 2000 und 2011 jährlich durch das Film Music Magazine realisierte Studie Film and TV Music Salary and Rate Survey hinsichtlich repräsentativer Honorare und Preise auf dem US-amerikanischen Markt für Film- und Fernsehmusik, ermittelt 2011 Lizenzgebühren zwischen 125 000 und mehr als 150 000 US-Dollar für die Verwertung eines sehr populären Songs oder Instrumentalhits in einem hoch budgetierten Kinofilm.262 Für die deckungsgleiche Nutzung eines weitgehend unbekannten Titels seien demgegenüber Lizenzgebühren im Spektrum von 2 000 bis über 15 000 US-Dollar üblich.263 Diese Zahlen wären die Summen aus Synchronisations- und Masternutzungslizenzgebühren und würden keine Extremwerte einschließen.264 So seien extrem niedrige wie auch sehr hohe Lizenzgebühren – in manchen Fällen könne die Superstarlizenzierung von extrem bekannten und wertvollen Songs für nationale Werbespots mehr als 1 000 000 US-Dollar kosten – nicht in die Kalkulation eingegangen.265 Die Datenerhebung hätte vor allem in Los Angeles und New York stattgefunden.266 Im Jahr 2010 erklärte Josh Rabinowitz, Leiter der Musikabteilung der Grey Group, einer der größten Werbeagenturen der Welt, manche Marken verträten den Standpunkt, für unbekannte Künstler sei es ein Privileg einen Song in einem Werbespot unterzubringen. Die werbetreibenden Marken würden diesen Künstlern demgemäß überhaupt keine Lizenzierungsgebühren ausbezahlen.267 Dem mit der steigenden Anzahl audiovisueller Medien und Produktionen einhergehenden allgemeinen Zuwachs der Anzahl von und Einkünfte aus Synchronisationslizenzen stünde deren individuel-
258 259 260 261 262 263 264 265 266 267
Vgl. Meier (2017), S. 117. Vgl. Meier (2017), S. 117. Vgl. Meier (2017), S. 47f., S. 112-119. Vgl. Hau (2007) zit.n. Meier (2017), S. 113. Vgl. Global Media Online (2011), S. 2, S. 9. Vgl. Global Media Online (2011), S. 9. Vgl. Global Media Online (2011), S. 2, S. 8. Vgl. Global Media Online (2011), S. 2, S. 9. Vgl. Global Media Online (2011), S. 2. Vgl. Rabinowitz (2010) zit.n. Meier (2017), S. 114.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
ler Preisverfall gegenüber.268 So erklärt der Journalist Will Hodgkinson in einem Artikel zum Stand der Dinge im Musikgeschäft, der im Mai 2015 im Wirtschaftsmagazin brand eins erschienen ist, dass alle Künstler versuchen würden, ihre Werke oder Aufnahmen in Filmen oder der Werbung unterzubringen, was sie in eine schwache Verhandlungsposition bringe.269 Demgemäß wäre das Angebot stärker gewachsen, als die Nachfrage, was bekanntlich zu sinkenden Preisen führen müsse. Simon Wheeler, der Digitalchef der Beggars Group, zu der die Labels XL (Adele, Vampire Weekend) und Rough Trade (The Libertines, The Smiths) gehören, teilt mit: »Wenn ich nicht die Bedingungen eines Deals akzeptiere, gibt es hundert andere, die das tun werden.«270 Campanelli erläutert diesbezüglich, seit 2005 seien die Einkünfte des Musikverlages aus Synchronisationen und das entsprechende Lizenzvolumen jedes Jahr gewachsen – die Preise würden sinken, die Anzahl der Möglichkeiten steigen.271 Die Preise für Synchronisationslizenzen seien seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert insgesamt gesunken, bestätigt der Lizenzierungsexperte Felix Haaksman. Dies sei in erster Linie auf eine Überschwemmung des Marktes mit Musikstücken zurückzuführen. In der Vergangenheit sei die professionelle Produktion eines Titels sehr kompliziert und mit immensen Kosten verbunden gewesen.272 Durch extrem vereinfachte und verbilligte Produktionsbedingungen könne heutzutage mit minimalem Budget ein passabler Top-10-Hit hergestellt werden.273 Im Kontext der Digitalisierung verringere sich zudem der Einfluss großer Labels und Musikverlage zunehmend, die ehemals eine Filterfunktion übernommen und den Synchronisationsmarkt damit auf eine begrenzte Anzahl von Titeln beschränkt hätten.274 Das Angebot sei heute größer als die Nachfrage, erklärt Campanelli in diesem Kontext.275 Es gebe eine Unmenge kleiner Künstler, die bereit seien ihre Musik für sehr wenig Geld zu lizenzieren.276 Dies sei auf der Lizenznehmerseite hinreichend bekannt und hätte in der Konsequenz den allgemeinen Preisverfall von Synchronisationslizenzen mitverursacht.277 Der durch seine Arbeit als Musikverantwortlicher bei den US-amerikanischen TV-Serien CSI: Miami, Nip/Tuck und Glee in der Unterhaltungsbranche bekannt gewordene P. J. Bloom konstatierte im Jahr 2013: »Fees have systematically gone down and down over the years and that’s going to continue to happen.«278 Josh Rabinowitz von der Grey Group veranschaulicht diesen Gedanken: In den glanzvollen Tagen hätte ein Künstler 30 000 US-Dollar mit der Lizenzierung von Musik in einem 30-sekündigen nationalen Werbespot machen können, wohingegen es 2010 eher zwischen 5 000 und 15 000 US-Dollar gewesen seien.279 Insgesamt gebe es eine Vielzahl von Musikern ohne Plattenvertrag, die nach der Platzierung ihrer Musik im Fernsehen hungerten, was
268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279
Vgl. Meier (2017), S. 64. Vgl. Hodgkinson (2015), S. 109. Hodgkinson (2015), S. 109. Vgl. Meier (2017), S. 64. Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Vgl. Meier (2017), S. 100. Vgl. Meier (2017), S. 100. Interview: Haaksman (2017). Pakinkis (2013). Vgl. Rabinowitz (2010) zit.n. Meier (2017), S. 114.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
zu einem starken Preisverfall, wenn nicht sogar zu kostenfreien Lizenzen geführt hätte, ergänzt Ari Martin, der ehemalige Vizepräsident für Künstlermanagement bei der Nettwerk Music Group.280 Neben einem inflationären musikalischen Angebot hätte sich die Anzahl der Akteure auf dem Markt (der Indie-Musikverlage) vervielfacht.281 Die oben erwähnte Studie Film and TV Music Salary and Rate Survey aus dem Jahr 2011 beziffert die in den USA üblichen Lizenzierungsgebühren zur Verwertung eines Musikstücks in Werbespots mit mittelhohem Budget auf 10 000 bis 175 000, die gängigen Entgelte zur Nutzung in Werbespots mit hohem Budget auf 100 000 bis mehr als 250 000 US-Dollar.282 Demgegenüber ermittelt das Film Music Magazine in der hinsichtlich Methodik und Stichprobe kongruenten Untersuchung aus dem Jahr 2004 Gebühren von 50 000 bis 200 000 US-Dollar für die Nutzung eines Titels in Werbespots mit mittelhohem Budget und 500 000 bis deutlich über 1 000 000 US-Dollar für die Verwertung in Werbespots mit hohem Budget.283 Alle Angaben würden sich aus den Entgelten für Synchronisations- und Masternutzungslizenzen zusammensetzen und Extrema ausschließen.284 Diesem Vergleich zufolge haben sich die gemittelten unteren Grenzen der Gebühren zur Verwertung von Musik in US-amerikanischen Werbespots innerhalb von nur sieben Jahren auf ein Fünftel des Ausganswertes reduziert. Im Kontext des andauernden Rückganges der Einkünfte aus Tonträgerverkäufen sowie der zugehörigen verlagsseitigen Tantiemen für die mechanische Vervielfältigung von Musikwerken, habe sich der Handel mit Synchronisations- und Masternutzungslizenzen von einem Nebengeschäft zu einem Kerngeschäft entwickelt, stellt Haaksman dar.285 Dies lasse sich an deutlich gestiegenen Mitarbeiterzahlen in den Lizenzierungsabteilungen der Musikverlage und Labels sowie neuartigen Berufsbildern, wie etwa dem des Sync-Managers, ablesen.286 Während in der Vergangenheit eher passiv auf Synchronisationsanfragen gewartet worden wäre, werde seit etwa 2008, »als praktisch auch der Letzte gemerkt hat, dass mit dem Tonträgerverkauf nicht mehr allzu viel Geld zu machen ist«, zunehmend aktiv um Synchronisationslizenzen gerungen.287 Neben dem gestiegenen Gesamtumfang der Umsätze aus Synchronisationslizenzen spielen diesbezüglich die auf audiovisuellen Werken basierenden Tantiemen aus Zweit- und Drittverwertungsrechten eine entscheidende Rolle. Im Zeitraum zwischen 2001 und 2015 sind die weltweiten Werbeerlöse der Fernsehsender um etwa 25 % gewachsen, wohingegen die Umsätze der Radiosender aus Werbung sich lediglich um annähernd 8 % steigern konnten.288 Parallel dazu hat sich die Anzahl der Fernsehsender und fiktionalen Eigenproduktionen derselben vervielfacht.289 Alleine die Pay-TV-Sender konnten 280 281 282 283 284 285 286 287 288
Vgl. Meier (2017), S. 118. Interview: Haaksman (2017). Vgl. Global Media Online (2011), S. 9. Vgl. Film Music Media Group (2004), S. 9. Vgl. Global Media Online (2011), S. 2, S. 8; vgl. Film Music Media Group (2004), S. 2, S. 8. Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Interview: Haaksman (2017). Vgl. Ofcom (2016), S. 28; vgl. Ofcom (2010), S. 23; vgl. PricewaterhouseCoopers LLP (2002), S. 28. Die Kalkulation basiert auf der Umrechnung der in anderen Währungen publizierten Beträge in Britische Pfund gemäß der Referenzkurse der Bank of England. Vgl. Bank Of England (2017). 289 Vgl. Ryan (2016); vgl. Cabrera Blázquez et al. (2016), S. 9.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
ihre Einkünfte aus Kundenabonnements zwischen 2004 und 2015 auf annähernd 210 Milliarden US-Dollar steigern und damit quasi verdoppeln.290 Im Jahr 2001 wurden seitens der Rechteinhaber an Musikwerken insgesamt etwa 2,118 Milliarden Euro aus der Zweitverwertung ihrer Werke in TV und Radio umgesetzt.291 Dieser Betrag setzt sich mit rund 858 Millionen Euro zu etwa 41 % aus Radiolizenzen, mit annähernd 1,26 Milliarden Euro zu etwa 59 % aus Fernsehlizenzen zusammen.292 Da es hinsichtlich der Höhe der Vergütung für die Sendung und Aufführung von Musikwerken im Radio seit Beginn des 21. Jahrhunderts keine weitreichenden gesetzlichen oder brancheninternen Veränderungen gab, kann die Gebührenquote aus dem Jahr 2001 auf das Jahr 2015 übertragen werden. Bei einem Wachstum von 8 % wären 2015 demnach etwa 927 Millionen Euro von den Rechteinhabern aus der Zweitverwertung von Musikwerken im Radio eingenommen worden. Im selben Jahr haben die CISAC-Verwertungsgesellschaften einen Betrag von annähernd 3,020 Milliarden Euro aus der Verwertung musikalischer Werke in TV und Radio ausgeschüttet.293 Folgerichtig wäre die Nutzung von Musikwerken im TV seitens der Verwertungsgesellschaften mit annähernd 2,093 Milliarden Euro vergütet worden. Darüber hinaus wurden 2015 Tantiemen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro aus anderen Zweitverwertungsformen an die Rechteinhaber ausbezahlt, die vollständig oder teilweise auf der Synchronisation musikalischer Werke basieren.294 Das indirekt aus Synchronisationslizenzen generierte Einkommen der Rechteinhaber bewegte sich 2015 dementsprechend zwischen zwei und drei Milliarden Euro – das Gesamtvolumen des Geschäftsfeldes, unter Berücksichtigung der direkten Einkünfte durch die Lizenzvergabe, zwischen drei und vier Milliarden Euro. Aus dem geschilderten Wachstum der mittelbaren Einkünfte durch die Zweitverwertung synchronisierter Musikwerke, dem allgemeinen Preisverfall der Synchronisationsentgelte sowie der gestiegenen Anzahl audiovisueller Kanäle lässt sich des Weiteren die gestiegene Präsenz der drei großen Musikverlage auf dem Markt für Production beziehungsweise Stock Music ableiten. Diese lässt sich unter anderem an den umfangreichen und progressiven Webseiten und der starken Präsenz der Unternehmen auf Social Media-Kanälen ablesen. So vereinte Warner/Chappell 2012 die mehr als 70 dem Unternehmen angehörigen Production Music-Anbieter unter dem Dach der Warner/Chappell Production Music und ging im selben Jahr mit der zugehörigen Webseite online.295 Das 2011 zu EMI Production Music umfirmierte und zu Sony/ATV gehörende Unternehmen repräsentiert mehr als 40 zugehörige Labels und startete 2014 seine neue Internetpräsenz.296 Der 2017 mit neuem Webportal ausgestattete und aus der
290 Vgl. Ofcom (2016), S. 125; vgl. Ofcom (2010), S. 114. Die Umrechnung der in britischen Pfund publizierten Beträge in US-Dollar ist gemäß der Referenzkurse der Bank of England für die entsprechenden Jahre erfolgt. Vgl. Bank Of England (2017). 291 Vgl. NMPA (2003), S. 13. 292 Vgl. NMPA (2003), S. 13. 293 Vgl. CISAC (2016), S. 34. 294 Vgl. CISAC (2016), S. 2f., S. 34. Alle Einkünfte der CISAC-Mitglieder wurden aufgrund des mittleren Faktors der Kostensätze der Verwertungsgesellschaften mit 0,87 multipliziert. 295 Vgl. Billboard (2012). 296 Vgl. EMI Production Music (2014); vgl. EMIPM_UK (2014).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Universal Publishing Production Music hervorgegangene Anbieter Universal Production Music integriert ebenfalls alle entsprechenden zu Universal Publishing gehörenden Tochterfirmen.297 Neben stark bespielten Facebook-Seiten298 betreiben diese Unternehmen Marketing per LinkedIn299 , YouTube300 und Twitter301 . Die Webseiten der Production Music-Sparten der großen Musikverlage besitzen funktional kaum Unterschiede: Sie gewähren dem Nutzer Onlinezugriff auf das jeweilige Repertoire, erlauben die Musiksuche mit individuellen Filterfunktionen und ermöglichen, bei kostenfreier Mitgliedschaft, eine unkomplizierte Lizenzierung der Titel.302 Entsprechende Lizenzen werden grundsätzlich zeitlich unbegrenzt und non-exklusiv gleichermaßen zur Nutzung des musikalischen Werkes wie auch der Musikaufnahme vergeben.303 Folgerichtig werden die Lizenzentgelte auf Basis der räumlichen Ausdehnung der Verwertung sowie der medialen Nutzungsarten berechnet. Insgesamt sind die Gebühren zur audiovisuellen Nutzung der angebotenen Musikstücke sehr preiswert. Bei Universal Production Music kostet die Lizenz zur Verwendung eines Titels in einem deutschlandweiten TVWerbespot (inkl. der Internetnutzung) 2 500 € netto.304 Warner/Chappell Production Music bietet die Verwertung ihrer Titel in TV-Werbespots (inkl. Internet) für Deutschland, die Schweiz und Österreich für 1 900 € zzgl. Mehrwertsteuer an.305 Die EMI Production Music verlangt zur Nutzung ihrer Titel in 30-sekündigen nationalen Werbespots (ebenfalls inkl. Internet) 2 400 Britische Pfund – zur gleichartigen Verwendung eines gesamten Musikstücks 3 750 Britische Pfund.306 Damit reagieren die Major-Labels und zugehörige Musikverlage auf die veränderten Bedingungen am Markt. Bei ohnehin inflationären Lizenzgebühren zur audiovisuellen Verwertung von Musik und gleichzeitiger Vervielfachung der Platzierungsmöglichkeiten zielt dieses Geschäftsmodell auf eine möglichst hohe Anzahl günstig vergebener Lizenzen und insbesondere die dadurch generierten Tantiemen aus der Zweitverwertung ab – daher die generelle Einräumung non-exklusiver und zeitlich unbegrenzter Nutzungsrechte. Das starke Wachstum der Video-on-Demand- und Pay-TV-Segmente, in denen in erhöhtem Maß Production Music für Eigenproduktionen eingesetzt würde, führe in der Konsequenz zu einer zunehmenden Nachfrage und folglich steigenden Einkünften entsprechender Anbieter – der Markt für Production Music sei dementsprechend ein Wachstumsmarkt.307 Mit umfangreichen Katalogen spezifisch zur Verwertung in Medienproduktionen hergestellter Stücke, die im Jahr 2017 über 180 000 (Warner/Chappell Production Music), mehr als
297 Vgl. Universal Production Music (2017a); vgl. Universal Production Music (2017b). 298 Vgl. Universal Production Music UK (2017); vgl. EMI Production Music (2017b); vgl. Warner/Chappell Production Music (2017b). 299 Vgl. Universal Production Music (2017c). 300 Vgl. Warner/Chappell Production Music (2017c). 301 Vgl. EMI Production Music UK (2017). 302 Vgl. Universal Production Music (2017d); vgl. Warner/Chappell Production Music (2017a); vgl. EMI Production Music (2017a). 303 Vgl. Universal Production Music (2017e); vgl. Warner/Chappell Production Music (2015); vgl. PRS for Music (2017), S. 2, S. 13. 304 Vgl. Universal Production Music (2017e). 305 Vgl. Warner/Chappell Production Music (2015). 306 Vgl. PRS for Music (2017), S. 3. 307 Interview: Haaksman (2017).
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125 000 (EMI Production Music) und etwa 179 000 (Universal Production Music) Titel enthalten, können die großen Labels und Verlage eine entsprechend hohe Quantität von Lizenzanfragen bedienen.308 Obwohl es sich beim Ausbau der Production MusicSparten der großen Labels und Verlage zunächst um eine Reaktion auf sich verändernde Bedingungen des Lizenzgeschäftes handelt, konsolidiert die Preisgestaltung der Anbieter den Niedergang der Gebühren für die audiovisuelle Verwertung von Musik. »Wieso sollte ich 50 000 € [zur Lizenzierung eines Musikstückes, A. S.] ausgeben, wenn ich nach etwas Recherche einen Song für weniger als 5 000 € einkaufen kann?« erläutert Felix Haaksman die Perspektive vieler Lizenznehmer.309 Im Zeitraum zwischen 2001 und 2015 haben sich die Einkünfte der Rechteinhaber musikalischer Werke durch die Vergabe mechanischer Lizenzen nahezu halbiert. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf den schrumpfenden Markt für physische Tonträger und DPDs zurückzuführen, für deren Herstellung und Vervielfältigung eine vergleichsweise teure und vor allem stückzahlabhängige (physische Tonträger) respektive absatzabhängige (DPDs) mechanische Lizenz erworben werden muss. Dementsprechend sind die Kosten für mechanische Verwertungslizenzen in denjenigen Fällen besonders gering, in denen ein Werk nur in geringer Anzahl vervielfältigt wird. Dazu zählen unter anderem der Betrieb von Fernsehsendern, Radiostationen, Streamingdiensten oder anderen Webseiten, die auditive oder audiovisuelle Inhalte darbieten sowie alle anderen Verwertungsformen, die theoretisch auf Basis einer einzelnen Kopie, etwa auf einem Server, oder vergleichsweise geringen Anzahl von Vervielfältigungen eines Werkes beruhen. Weiterhin sind die Einnahmen der Rechteinhaber aus den Geschäftsfeldern des Notendrucks und -verkaufs sowie des Verleihs von Ton- und Bildtonträgern ebenfalls rückläufig, was im Kontext der progressiven Digitalisierung und des damit einhergehenden freien Zuganges zu Musikdatenbanken, audiovisuellen Werken und auch Notentexten kaum überrascht. Der kostenfreie Zugriff auf diese Daten wird primär durch werbliche Maßnahmen auf den entsprechenden Webseiten ermöglicht, wodurch die Anbieter derselben monetär, und die Werbetreibenden durch die Reichweite der Plattformen profitieren – die Musikschaffenden selbst erzielen damit kaum nennenswerte Erträge. Andererseits konnten die Musikverlage und Urheber starke Zuwächse ihrer Einnahmen aus allen weiteren Geschäftsfeldern, vor allem aus der Lizenzierung von Sendeund Aufführungsrechten, verzeichnen. Somit sind diejenigen Erlöse, die direkt durch die Konsumenten musikalischer Produkte (exklusive Live-Konzerte), Plattenlabels oder Musik- beziehungsweise Musikalienzwischenhändler finanziert werden, zurückgegangen und diejenigen Einkünfte angestiegen, die mittelbar oder unmittelbar, in hohem Maße oder teilweise durch Mittel zur Markenkommunikation finanziert werden. Bei Ersteren handelt es sich maßgeblich um die Erträge der Musikverlage und Urheber aus mechanischen Lizenzen, die beispielsweise im Fall physischer Tonträger stückzahlabhängig direkt von den Labels, im Fall von DPDs pro Kaufvorgang durch den Konsumenten, finanziert werden, sowie deren Bezüge aus dem Musiknotengeschäft. Wäh308 Vgl. Warner/Chappell Production Music (2017d); vgl. EMI Production Music (2014); vgl. Universal Production Music (2017f), Leersuche. 309 Interview: Haaksman (2017).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
rend die Gesamtheit aller mechanischen Lizenzentgelte und die Tantiemen aus dem Notendruckgeschäft im Jahr 2001 annähernd 39 % aller Einkünfte der Rechteinhaber ausmachten,310 besaßen diese im Jahr 2015 nur noch einen Anteil von etwa 17 % an den Einnahmen der Musikverlage und Urheber.311 Demgegenüber offenbart die Gegenüberstellung der zusammengefassten Tantiemenquoten aus TV, Radio und Synchronisationen, die überwiegend durch werbliche Maßnahmen finanziert werden, ein konträres Bild: Im Jahr 2001 trugen diese Bereiche insgesamt circa 38 %, im Jahr 2015 rund 47 % zu den Einkünften der Rechteinhaber bei. Wenngleich diese Erlöse Anteile enthalten, die nicht durch werbetreibende Marken finanziert sind, wie etwa die Ausschüttungen aus der Sendung und Aufführung musikalischer Werke auf abonnementpflichtigen Fernsehsendern oder den Synchronisationslizenzentgelten, die für die Nutzung in fiktionalen Inhalten erhoben werden, reflektieren diese Quoten die gewachsene Bedeutung der Markenkommunikation für das Geschäft mit Musikwerken. Infolge steigender Sponsoring-Beteiligungen im Live-Segment, rapide anwachsender Werbeausgaben für digitale Medien sowie der ebenfalls vergrößerten Bedeutung der Instore-Musik für marketingorientierte Marken, basiert das Wachstum der Bereiche Live & Background sowie Digital teilweise auf Ausgaben von Unternehmen zum Zweck der Markenkommunikation und sie müssen dementsprechend, wenn auch in erheblich verminderter Quote, in eine Einschätzung des markenseitigen Anteils an der Finanzierung von Tantiemen für die Nutzung musikalischer Werke mit einfließen. Insgesamt wurde 2015 folglich eine deutlich höhere Quote der Gesamteinkünfte der Musikverlage und Urheber aus Werbemitteln von Marken und Unternehmen finanziert, als dies im Jahr 2001 der Fall war. Vorsichtig abgeschätzt wurden 2015 mehr als 50 % aller Einkünfte der Musikverlage und Urheber durch Mittel zur Markenkommunikation finanziert – 2001 waren es weniger als 40 %. Die Ergebnisse der Geschäftsfeldanalyse für die Jahre 2001 und 2015 sind in Abbildung 6 als grafische Gegenüberstellung zusammengefasst. Die dargestellten Einkünfte der Rechteinhaber musikalischer Werke aus den verschiedenen Lizenzbereichen sind dabei ausdrücklich als Approximationen zu verstehen, die auf Basis der intensiven Literaturrecherche und -auswertung sowie obiger Kalkulationen entstanden sind. Die Tantiemen aus TV und Radio integrieren gleichermaßen die deutlich überwiegenden Lizenzentgelte für die Sendung und Aufführung musikalischer Werke sowie die Ausschüttungen für deren mechanische Vervielfältigung (durch die für den Fernseh- und Radiobetrieb in der Regel notwendigen Kopien). Selbiges gilt für die Sparte Digital, die sowohl mechanische als auch aufführungsabhängige Tantiemen aus Streaming, Downloads und Multimedia-Produktionen umfasst. Folgerichtig enthält die Kategorie Mechanische alle anderen Einkünfte der Rechteinhaber, die auf der Reproduktion von Musikwerken basieren (u.a. durch physische Tonträger, private Kopien und audiovisuelle Produktionen auf DVD). Im Live & Background-Segment findet sich die Summe der Erlöse aus der öffentlichen Aufführung von Musikaufnahmen, Radio- oder Fernsehsendungen
310 Die Einkünfte aus dem Notendruckgeschäft lagen 2001 bei etwa 859 Millionen Euro (gemäß EuroReferenzkurs von 2001). 311 Bei optimistischer Einschätzung der Einkünfte aus dem Notendruckgeschäft von 300 Millionen Euro im Jahr 2015.
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(bspw. in Diskotheken oder Restaurants etc.) sowie anderer Medien, die Musikaufnahmen integrieren, und Live-Konzerten. Der Bereich Sonstige beinhaltet alle Einkünfte der Rechteinhaber, die keinem der anderen Segmente zuordenbar sind. Dabei handelt es sich unter anderem um die Einnahmen aus Grand Rights, dem Notendruck und -verkauf, dem Verleih von Ton- und Bildtonträgern sowie Finanzgeschäften.
Abb. 6: Relativer Anteil der Lizenzierungssegmente am weltweiten Gesamtumsatz der Rechteinhaber musikalischer Werke in den Jahren 2001 und 2015
Bei einer Umrechnung der Beträge in Euro gemäß der Jahresdurchschnitte der Euro-Referenzkurse für die entsprechenden Jahre, wären 2001 etwa 7,399 Milliarden Euro, 2015 circa 8,483 Milliarden Euro aus der Lizenzierung von Musikwerken umgesetzt worden.312 Da die Datenbasis für die Kalkulation der Einkünfte im Jahr 2001 hauptsächlich auf Werten in US-Dollar beruht und der Jahresdurchschnitt des EuroReferenzkurses im selben Jahr historisch niedrig war (1 Euro = 0,8956 US-Dollar) – der Euro existierte lediglich als Buchgeld – befindet sich dieser Vergleich in einer Schieflage.313 Eine Währungskonvertierung unter Anwendung eines einheitlichen Wechselkurses, des Euro-Referenzkurses für das Jahr 2015 (1 Euro = 1,1095 US-Dollar bzw. 1 USDollar = 0,9013 Euro), ergibt ein anderes Bild: Im Jahr 2001 wären damit nur annähernd 5,9728 Milliarden Euro aus Lizenzen zur Verwertung musikalischer Werke eingenommen worden.314 So lässt sich das absolute Wachstum dieses Geschäftsfeldes im Zeitraum von 2001 bis 2015, in Abhängigkeit der jeweils berücksichtigten Wechselkurse, auf zwischen etwa 1 Milliarde und fast 2,5 Milliarden Euro schätzen. Diese Problematik 312 313 314
Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). Vgl. Deutsche Bundesbank (2017).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
hat keinen Einfluss auf die relative Verteilung der Einkünfte auf die verschiedenen Lizenzsparten in den beiden Jahren. Auf Basis des Geschäftsfeldwachstums, das mit dem Kollaps des Absatzmarktes von Musikaufnahmen einhergeht, lässt sich die gestiegene Relevanz des Absatzes von Verwertungslizenzen für Musikwerke aus der Perspektive von Musikschaffenden und Musikunternehmen erklären. Im Gegensatz zum Geschäft mit Musikaufnahmen, das im 20. Jahrhundert hauptsächlich durch den Verkauf physischer Produkte gekennzeichnet war, ist das Geschäft rund um musikalische Werke von jeher ein Lizenzgeschäft, das mit Nutzungsrechten handelt. Dementsprechend konnte dieser Bereich von der oben geschilderten Transformation des Gesamtmarktes, weg von einem produktbezogenen Verkaufsmarkt hin zu einem Handel mit Nutzungslizenzen, profitieren – die erhöhte Nachfrage auf einem stark vergrößerten Markt, repräsentiert durch eine Vielzahl neuer Lizenznehmer, hat die Erlösrückgänge der Musikverlage und Urheber durch einen stark verkleinerten Tonträgermarkt mehr als kompensiert. Der entscheidende Faktor hinsichtlich des gewachsenen Stellenwertes marketingorientierter Marken im Gesamtgefüge des Geschäftes mit Verwertungsrechten musikalischer Werke, ist die oben geschilderte Entwicklung der Synchronisationssparte. Mit der Entscheidungsgewalt über die, aus werblicher Verwertung stammenden, etwa 60 bis 65 % der gesamten im Synchronisationsgeschäft umgesetzten monetären Mittel sowie der zugehörigen Tantiemen aus der Zweit- und Drittverwertung, beherrschen Marken und Werbeagenturen einerseits bereits einen bemerkenswerten Anteil des gesamten Marktes für Musikwerke und Musikaufnahmen und bestimmen andererseits über die darin eingesetzten musikalischen Inhalte. Weiterhin besitzen Marken und Werbeschaffende die Autorität über die Preisgestaltung entsprechender Synchronisationslizenzentgelte. Im Zusammenspiel mit den insgesamt deutlich gesunkenen Einnahmen der Plattenlabels und Musikschaffenden aus dem Geschäft mit Musikaufnahmen sowie der in diesem Segment gleichermaßen gewachsenen Bedeutung der Markenkommunikation besetzen werbetreibende Marken demgemäß eine dominante Machtposition im gegenwärtigen Markt für Musikaufnahmen und Musikwerke.
3.3
Live-Musik
Im Unterschied zu den besprochenen Marktsegmenten Musikaufnahmen und Musikwerke existiert für den dritten, im Rahmen dieser Arbeit wichtigen Bestandteil der Musikwirtschaft, dem Geschäft mit öffentlich live aufgeführter Musik, kein globaler Dachverband, der umfassende Statistiken und Informationen zur Entwicklung des Bereiches bereitstellen könnte.315 Gleichwohl erheben die beiden Fachmagazine Pollstar und Billboard kontinuierlich Daten hinsichtlich der ökonomischen Entwicklung dieses Segmentes und publizieren selbige in regelmäßigen Intervallen. Dementsprechend basiert die folgende Approximation der weltweiten Entwicklung des Geschäftsfeldes der Live-Musik seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert, neben der Auswertung entsprechender wissenschaftlicher Publikationen, Geschäftsabschlüssen und internationaler
315
Vgl. Laing (2012).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Presse, auf der Analyse dieser Veröffentlichungen, statistischer länderspezifischer Daten und daraus abgeleiteter Hochrechnungen. Sofern nicht anders ausgewiesen, stammen die vorgebrachten Umsätze aus dem gesamten Marktsegment live aufgeführter Musik und beziehen damit das volle Spektrum aller musikalischen Gattungen und Aufführungsformen mit ein – sie stammen ebenso aus der Darbietung von Opern oder Symphonien wie aus Auftritten von Rockbands, Jazzensembles oder DJs. Dabei lassen sich die verschiedenen, aus der öffentlich-physischen Aufführung von Musik geschöpften, Einkunftsarten in folgenden Kategorien zusammenfassen: Ticketverkäufe, Sponsoring und Werbekooperationen, Merchandising und weitere Nebengeschäfte am Veranstaltungsort (etwa der Getränkeverkauf) sowie die Vergabe von Lizenzen für die mediale Verwertung einer Veranstaltung.316 Die Auswertung der Literatur zu diesem Themenbereich hat ergeben, dass die innerhalb der verschiedenen Publikationen synonym verwendeten Begrifflichkeiten Live-Musik, Konzerte oder auch Touring jeweils kontextabhängigen Definitionen unterliegen und mehrheitlich insofern unpräzise bestimmt wurden, als dass nicht eindeutig feststellbar ist, was sich dahinter verbirgt. In Anbetracht der ohnehin nur fragmentarisch zugänglichen Daten erschwert dieser Umstand die systematische Auseinandersetzung mit diesem Themenbereich erheblich, wie folgende Beispiele verdeutlichen sollen. Die regelmäßig durch das Fachmagazin Pollstar veröffentlichte Rangliste der an Bruttoeinnahmen aus Ticketverkäufen gemessen weltweit erfolgreichsten Touren eines Kalenderjahres (oder Kalenderhalbjahres) integriert gleichermaßen Tourneen von Musikern und Komikern (Comedians) sowie Zirkusvorstellungen und Inszenierungen anderer Unterhaltungsprogramme, bei denen Musik keine zentrale Bedeutung besitzt.317 Dennoch ordnet Pollstar diese Sparten der Konzertindustrie zu – einer Industrie, die per Definition des Konzertbegriffes an die Aufführung musikalischer Inhalte geknüpft ist.318 Folgerichtig ist es nicht die nordamerikanische Konzertindustrie, wie in der durch das Fachmagazin veröffentlichten Jahresabschlussanalyse 2016 dargestellt, die ihre Umsätze aus Ticketverkäufen von 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 1999 auf 6,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 steigern konnte, sondern vielmehr das diffuse Konglomerat aus Aufführungen verschiedenster Sparten, das in die Pollstar-Ranglisten mit eingeht.319 Dessen ungeachtet finden die Angaben der Handelszeitschrift Eingang in eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten, in denen die beschriebene Problematik häufig ignoriert oder nur fragmentarisch diskutiert wird.320 Ohne diesen Sachverhalt zu erwähnen, bauen etwa Black et al. ihren Artikel zum Wachstum des Geschäftes mit Konzerten in den USA zwischen 1997 und 2005 einzig auf den Pollstar-Daten auf und konstruieren damit ein verfälschtes Bild des Marktsegmentes.321 Die durch das Billboard-Magazin zyklisch durchgeführte Datenerhebung, die ähnlich der Vorgehensweise bei Pollstar die Bruttoeinnahmen aus Ticketverkäufen einzelner
316 317 318 319 320 321
Vgl. Laing (2012); vgl. Laing (2009). Vgl. Pollstar, Inc. (2017a); vgl. Pollstar, Inc. (2014). Vgl. Pollstar, Inc. (2017a); vgl. Pollstar, Inc. (2014). Vgl. Pollstar, Inc. (2017b). Vgl. Black et al. (2007), S. 149f.; vgl. Gamal (2012), S. 61-66; vgl. Hull et al. (2011), S. 143f. Vgl. Black et al. (2007), S. 149f., S. 156.
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Konzerte und Tourneen misst, dabei allerdings ausschließlich musikalische Aufführungen involviert, ist der sogenannte Boxscore, der ebenfalls in Form einer Rangfolge der diesbezüglich umsatzstärksten Veranstaltungen publiziert wird.322 Sowohl die Pollstarwie auch die Billboard-Erhebungen lassen demnach langfristig etablierte und in gleichmäßigen Intervallen wiederkehrende Musikaufführungen, wie zum Beispiel langjährige Shows in Las Vegas oder Musicals, außen vor. Ausgehend von den so gewonnenen Informationen schätzt das Billboard-Magazin die weltweiten Einkünfte der TouringIndustrie im Jahr 2015 auf annähernd 20 Milliarden, im Jahr 2016 bereits auf etwa 25 Milliarden US-Dollar.323 Eine Erläuterung, was der Begriff Touring-Industrie konkret bedeutet, also welche der oben genannten Einkunftsarten er einschließt, bleibt Billboard schuldig – es handelt sich mutmaßlich um die Gesamtheit aller Einnahmen aus dem Geschäft mit Live-Konzerten. Der auf die Geschichte und Entwicklung populärer Musik spezialisierte Wissenschaftler Dave Laing dagegen beziffert die Summe aller Erlöse der Live-Industrie aus Aufführungen populärer Musik schon für das Jahr 2010 auf grob 25 Milliarden USDollar.324 Seine Hochrechnung basiert auf Untersuchungen in sechs Ländern (USA/Kanada, Großbritannien, Italien, Deutschland, Frankreich und Australien), die den jeweiligen Umfang des Live-Geschäftes zwischen 2009 und 2011 in unterschiedlich detaillierter Form gemessen haben. Laing veranlagt den Anteil von Ticketverkäufen (inkl. des Weiterverkaufs von Karten) an den Gesamtumsätzen des Konzertgeschäftes mit populärer Musik im Jahr 2010 auf 62 %. Merchandising und weitere Nebengeschäfte am Veranstaltungsort hätten 16,4 %, Sponsoring und Werbekooperationen 13,2 %, die Lizenzvergabe für die mediale Verwertung von Veranstaltungen 8,4 % zu den weltweiten Einkünften aus der Live-Aufführung populärer Musik beigetragen.325 Abgesehen von der Versäumnis, den Terminus populäre Musik insofern zu definieren, als dass ersichtlich würde, welche Art von Musik damit konkret gemeint ist – ob etwa Jazz ebenso zu dieser Kategorie gehöre wie möglicherweise Rockmusik – erklärt der Autor einerseits, seine Hochrechnung beziehe sich auf die Summe aller Erlöse der Live-Industrie aus Aufführungen populärer Musik und betitelt diese Einkünfte andererseits als den globalen Umsatz der Live-Musikindustrie.326 Anlässlich dieser fundamentalen Ungenauigkeit ist nicht einwandfrei zu klären, ob die Kalkulation beispielsweise auch Einnahmen aus der Aufführung von Opern oder Symphonien umfasst. Trotz der dargestellten Schwachstellen in Datenerhebung, -evaluation, -transparenz und Präsentation der Resultate bilden diese Beispiele das tendenziell starke Wachstum des Live-Musikgeschäftes insgesamt seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert ab, das im Diskurs zu diesem Thema weithin als Tatsache angenommen wird. Die Konzerteinnahmen in Nordamerika wären zwischen 2011 und 2015 um ein Drittel gewachsen, berichtet etwa das Wall Street Journal.327 Mit dem Wachstum des Konzertgeschäftes seit Mitte der 1990er Jahre habe sich das Machtverhältnis zwischen der Musikaufnahme322 323 324 325 326 327
Vgl. Billboard (2017a). Vgl. Waddell (2016); vgl. Waddell (2015). Vgl. Laing (2012). Vgl. Laing (2012). Vgl. Laing (2012). Vgl. Karp (2016).
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und der Live-Industrie in zunehmendem Maße zugunsten letzterer verschoben, erläutern Williamson und Cloonan in ihrem Beitrag zur Fachpublikation The International Recording Industries.328 Hull et al., die sich in ihrem Artikel auf die Datenerhebungen von Pollstar beziehen, führen aus, die Einkünfte aus Tourneen seien zwischen 1998 und 2008 dramatisch angestiegen.329 Im Kontext der steigenden Relevanz des Internets seien die Erlöse aus der Aufführung von Musik signifikant angewachsen, erklärt Gamal.330 Der Beratungsgigant PricewaterhouseCoopers (PwC) beziffert alleine die Umsätze aus Ticketverkäufen für Musikkonzerte im Jahr 2014 weltweit auf 20,51 Milliarden US-Dollar.331 Dieser Wert repräsentiere ausschließlich die Einkünfte aus Kartenverkäufen für Musikveranstaltungen aller Größenordnungen und musikalischen Genres.332 Im Jahr 2017 hätten das Geschäft mit Konzerttickets sowie das Sponsoring von Musikevents einen Anteil von 55 % an den Gesamterlösen der US-amerikanischen Musikindustrie gehabt, schreibt Resnikoff, der sich in seinem Artikel auf Zahlen von PwC bezieht.333 Ohne den Begriff der US-amerikanischen Musikindustrie näher zu bestimmen lässt er dabei etwa das gesamte Publishing-Segment sowie die anderen Einnahmen aus Live-Konzerten außen vor. Ein weiterer Beleg für das andauernde Wachstum des Live-Musikgeschäftes ist die Entwicklung der Umsätze des Marktführers für die Promotion und Durchführung von Konzerten sowie den Verkauf von Tickets. Ähnlich der Marktkonsolidierung im Geschäft mit Musikaufnahmen konnte vor allem ein Unternehmen seine Umsätze aus Live-Konzerten seit dem Ende des 20. Jahrhunderts derartig steigern, dass es eine zunehmende Machtposition im globalen Geschäft mit Konzerten einnimmt: Live Nation Entertainment (LNE).334 Obwohl die Anschutz Entertainment Group (AEG) in einer Vielzahl von Publikationen nach Live Nation als zweitgrößtes Unternehmen am Markt positioniert wird,335 existieren diesbezüglich keine ausreichenden Nachweise – die AEG befindet sich in Privatbesitz und publiziert keine Umsatz- oder Gewinnzahlen. Live Nation Entertainment teilt seine Tätigkeiten in vier Kernsegmente auf: die Promotion und Realisierung von Konzerten, Sponsoring und Werbung, den Ticketverkauf via Ticketmaster sowie das Künstlermanagement in Form einer eigenen Tochterfirma, Artist Nation.336 Der Marktführer für das Geschäft mit Konzertkarten, Ticketmaster, fusionierte 2010 mit dem bis zu diesem Zeitpunkt als Live Nation, Inc. bekannten Unternehmen, das daraufhin seinen Namen in Live Nation Entertainment, Inc. änderte.337 Im Jahr 2003 konnte LNE insgesamt 2,3 Milliarden US-Dollar aus dem Geschäft mit Live-Musik umsetzen, im Jahr 2016 lagen die Einkünfte des Unternehmens bei etwa 8,355 Milliarden US-Dollar.338 Die beiden größten Musikkonzerne für die Verwertung 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338
Vgl. Williamson, Cloonan (2013), S. 16-19. Vgl. Hull et al. (2011), S. 145. Vgl. Gamal (2012), S. 65. Vgl. PricewaterhouseCoopers LLP (2015a). Vgl. PricewaterhouseCoopers LLP (2017). Vgl. Resnikoff (2017). Vgl. Meier (2017), S. 71; vgl. Osazuwa (2013), S. 1; vgl. Williamson, Cloonan (2013), S. 17f. Vgl. Meier (2017), S. 71; vgl. Hu (2016a); vgl. Osazuwa (2013), S. 1; vgl. Holt (2010), S. 249. Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 28f. Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 4. Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 26; vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 9.
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von Musikaufnahmen und Musikwerken, Sony Music Entertainment und die Universal Music Group, verzeichneten 2003 Gesamteinnahmen in Höhe von 5,384 (SME) und annähernd 5,627 (UMG) Milliarden US-Dollar und übertrafen damit jeweils den Umsatz von Live Nation um mehr als das Doppelte.339 Dieses Verhältnis hat sich im Jahr 2016 vollständig umgekehrt: Während die Musiksparte der Sony Corporation insgesamt rund 5,65 Milliarden US-Dollar und die Universal Music Group circa 5,83 Milliarden USDollar eingenommen haben, konnte Live Nation Entertainment Umsätze in Höhe von etwa 8,355 Milliarden US-Dollar verbuchen und die beiden Major-Labels inklusive ihrer Musikverlagssparten damit deutlich distanzieren.340 An der dargestellten Transformation lässt sich eine Trendwende im Gesamtgefüge des Geschäftes mit Musikaufnahmen, Musikwerken und Konzerten ablesen, die in den verfügbaren Umsatzzahlen aller Segmente Bestätigung findet. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts stellte die Verwertung von Musikaufnahmen das wirtschaftliche Zentrum der drei Geschäftsbereiche dar. Mittels der zur Herstellung von Tonträgern notwendigen mechanischen Vervielfältigungsrechte hinsichtlich der festgehaltenen Musikwerke generierte sie einen wesentlichen Teil der Tantiemen für Musikverlage und Urheber, indes das Live-Musikgeschäft, bis in die 1980er Jahre, grundsätzlich keine Gewinne erwirtschaftet hätte.341 Tourneen seien, bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, hauptsächlich Werbung für neue Tonträgerveröffentlichungen gewesen und hätten darüber hinaus der Zielgruppenbildung gedient.342 Für die Mehrheit der Musikschaffenden, abgesehen von den Topstars der Branche, seien Live-Konzerte ein Minusgeschäft gewesen.343 Im alten industriellen Modell wären Konzerte als Werbemittel betrachtet worden – wenn Live-Auftritte einen monetären Beitrag zum Einkommen von Künstlern beigetragen hätten, sei dieser als Nebenverdienst eingeordnet worden.344 Anders im gegenwärtigen und stark diversifizierten Musikmarkt, in dem die Umsätze aus dem Geschäft mit Live-Musik die Einkünfte aus der Verwertung von Musikaufnahmen deutlich überbieten – das Konzerterlebnis kann nicht raubkopiert, reproduziert oder allgegenwärtig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.345 So würden Musikaufnahmen in zunehmendem Maße als Mittel zur Bewerbung von Live-Konzerten und anderen Produkten betrachtet.346 Obwohl die Major-Labels, aufgrund ihres ureigenen Interesses,
339 Vgl. Sony Corporation (2004), S. 92; vgl. Vivendi Universal, S.A. (2005), S. 27. Der dargestellte Umsatz der Sony Corporation bezieht sich auf das Geschäftsjahr vom 01. April 2003 bis zum 31. März 2004. Die Umrechnung der in Euro publizierten Beträge (UMG) in US-Dollar ist gemäß des durchschnittlichen Euro zu Dollar Referenzkurses der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2003 erfolgt. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). 340 Vgl. Ingham (2017c); vgl. Vivendi (2017), S. 14; vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 26. Die Umrechnung der in Euro publizierten Beträge in US-Dollar ist gemäß des durchschnittlichen Euro zu Dollar Referenzkurses der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2016 erfolgt. Vgl. Deutsche Bundesbank (2017). 341 Vgl. Goodwin (1992), S. 27 zit.n. Meier (2017), S. 69. 342 Vgl. Shuker (2002), S. 305 zit.n. Meier (2017), S. 69. 343 Vgl. Frith (2001), S. 45 zit.n. Meier (2017), S. 69. 344 Vgl. Meier (2017), S. 69; vgl. Shuker (2002), S. 305 zit.n. Meier (2017), S. 69; vgl. Goodwin (1992), S. 27 zit.n. Meier (2017), S. 69. 345 Vgl. Meier (2017), S. 68. 346 Vgl. Meier (2017), S. 69.
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Profite aus der Verwertung aller musikbezogenen Produkte zu erwirtschaften, versuchten, die kostenfreie Abgabe von Musikaufnahmen als Werbemedium zu vermeiden, sei die Ansicht weit verbreitet, Aufnahmen seien Werbeträger für die vielfältigen anderen musikalischen Dienstleistungen und Produkte.347 MP3s und CDs würden als Werbeinstrumente verstanden, die Fans zum Besuch von Live-Konzerten bewegen und damit in Bezahlkunden transformieren sollen, indem sie Geld für entsprechende Tickets sowie Merchandising-Artikel ausgeben, wie etwa das klassische T-Shirt oder auch Tonträger.348 In der Logik dieses Modells würde der direkte Verkauf von Musikaufnahmen an Konsumenten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.349 Dennoch besäßen Musikaufnahmen in ihrer Werbefunktion eine hohe Relevanz und würden dementsprechend weiterhin von Musikschaffenden hergestellt werden.350 So hat innerhalb des wirtschaftlichen Geflechtes aus dem globalen Geschäft mit Musikaufnahmen, Musikwerken und LiveKonzerten eine Drehung der Korrelation zwischen der Musikaufnahmesparte und dem Konzertsegment stattgefunden. Der Gesamtmarkt für Musikaufführungen nimmt, bezogen auf die erzielten Bruttoeinnahmen, die führende Position in diesem Wirtschaftsraum ein. Dieser Paradigmenwechsel manifestierte sich demonstrativ im Jahr 2007, als der Superstar Madonna seine Plattenfirma Warner Music Group für einen mutmaßlich 120 Millionen US-Dollar schweren 10-Jahresvertrag mit Live Nation Entertainment verließ.351 Madonna hätte ihr Plattenlabel, nach eigenen Angaben, wegen der Veränderungen im Musikgeschäft verlassen und eine alles umfassende Übereinkunft mit Live Nation getroffen, die folglich, abgesehen von der Musik Madonnas, die Verwertung der Marke Madonna und damit neben Musikaufnahmen und Live-Konzerten auch Merchandising, Webseiten, Fanclubs, DVD-Produktionen, Sponsoring oder Fernsehauftritte integriere.352 Sie sagte sich bewusst von dem auf Musikaufnahmen konzentrierten Know-how und der diesbezüglichen Infrastruktur ihres ehemaligen Major-Labels los, um all ihre Geschäftsbereiche von einem auf Live-Musik spezialisierten Unternehmen verwerten zu lassen. Das starke und andauernde Wachstum der Gesamtumsätze aus dem LiveMusikgeschäft kann zunächst und unmittelbar nur auf zwei Faktoren basieren: auf ansteigenden durchschnittlichen Ticketpreisen oder einer zunehmenden Anzahl verkaufter Konzertkarten beziehungsweise einer Mischform dieser Aspekte. Auf Basis der jährlichen Pollstar-Daten weist Krueger nach, dass die durchschnittlichen Ticketpreise für Konzerte in den USA zwischen 1997 und 2003 um annähernd 82 % angewachsen sind, während die Inflation in diesem Zeitraum etwa 17 % betragen hat.353 Demgegenüber hat sich die Preissteigerung für Konzertkarten in den USA von 1981 bis 1996 nur geringfügig über der allgemeinen Teuerungsrate befunden.354 Für seine Untersuchung hat der Wirtschaftswissenschaftler nichtmusikalische Aufführungen,
347 348 349 350 351 352 353 354
Vgl. Meier (2017), S. 69. Vgl. Young, Collins (2010), S. 352 zit.n. Meier (2017), S. 69f. Vgl. Schultz (2009), S. 697 zit.n. Meier (2017), S. 70. Vgl. Schultz (2009), S. 697 zit.n. Meier (2017), S. 70. Vgl. Mayerowitz (2007). Vgl. Mayerowitz (2007). Vgl. Krueger (2005), S. 7. Vgl. Krueger (2005), S. 7.
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die etwa 9 % der verfügbaren Daten ausmachten, sowie Konzerte, die außerhalb der USA stattfanden, aus der Stichprobe entfernt.355 Weiterhin bezögen sich die durchschnittlichen Preisangaben für Konzertkarten auf Listenpreise und ließen eventuelle Gebühren durch Tickethändler außen vor – diese seien in den letzten Jahren (vor 2005) rapide angestiegen, was die Beschleunigung des Wachstums der Ticketpreise in Kruegers Kalkulationen möglicherweise abschwächen würde.356 Um eine bessere Vergleichbarkeit der heterogenen Stichproben verschiedener Jahre herzustellen, hat Krueger die Daten der Pollstar-Listen für einen Teil seiner Analysen auf diejenigen Künstler beschränkt, die in der Rolling Stone Encyclopedia of Rock & Roll aus dem Jahr 2001 Erwähnung finden und damit einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben müssen.357 Diese 1 275 Künstler seien für 75 % der Umsätze aus Ticketverkäufen für Live-Konzerte im Zeitraum von 1981 bis 2003 verantwortlich.358 Gleichzeitig sind die durchschnittlichen Konzertkartenpreise der Encyclopedia-Künstler schneller angestiegen, als dies bei der Gesamtstichprobe der Fall ist: Während sich das Preiswachstum der Tickets für Konzerte der Encyclopedia-Musiker in den USA zwischen 1981 und 1996 nur marginal über demjenigen aller Pollstar-Konzerte befand, seien Konzerttickets für deren Auftritte von 1996 bis 2003 um annähernd 109 % teurer geworden.359 Der Ökonom bezweifelt, dass gestiegene Kosten auf der Anbieterseite die Ursache für die Preissteigerung von Konzerttickets nach 1996 sind.360 Obwohl einige Konzertanbieter diese als Begründung für gestiegene Konzertpreise anführten, sei ein im Vergleich zu anderen Bereichen der Unterhaltungsindustrie eigenständiger Kostensprung unwahrscheinlich.361 Tatsächlich hätten sich die Kosten in einigen Bereichen, etwa für tontechnisches und audiovisuelles Equipment, reduziert, und seien in anderen Bereichen, beispielsweise für Arbeitsstunden oder Versicherungen, möglicherweise gestiegen. Insgesamt könnten gestiegene anbieterseitige Kosten nur einen kleinen Teil des Wachstums der Ticketpreise bedingen.362 Des Weiteren ist die Anzahl innerhalb der USA gespielter Konzerte der Encyclopedia-Künstler zwischen 1996 und 2003 um 17 % gesunken.363 Ebenso hat sich die Summe verkaufter Konzertkarten dieser Künstlergruppe in den Vereinigten Staaten seit den späten 1980er Jahren bis in das Jahr 2000 stetig um einen Wert von jährlich etwa 30 Millionen bewegt, um dann steil auf annähernd 22 Millionen verkaufte Tickets im Jahr 2003 abzufallen.364 Unter Berücksichtigung des gesamten Pollstar-Datensatzes sei, im Gegensatz dazu, sowohl die Anzahl der Konzerte wie auch die Anzahl verkaufter Tickets gestiegen.365 Krueger vermutet, Pollstar hätte im Laufe der Zeit eine wachsende Anzahl kleiner Konzerte unbekannterer Künstler in seine Berichte integriert, was die dargestellten Entwicklungen mutmaßlich verzerren 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365
Vgl. Krueger (2005), S. 5. Vgl. Krueger (2005), S. 6. Vgl. Krueger (2005), S. 6. Vgl. Krueger (2005), S. 6. Vgl. Krueger (2005), S. 7. Vgl. Krueger (2005), S. 10. Vgl. Krueger (2005), S. 10. Vgl. Krueger (2005), S. 10. Vgl. Krueger (2005), S. 12. Vgl. Krueger (2005), S. 12. Vgl. Krueger (2005), S. 10.
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würde.366 So kann nicht einwandfrei festgestellt werden, ob und in welchem Maß die weltweite Anzahl gespielter Konzerte und verkaufter Tickets über die Zeit gestiegen ist. In einer Selbstdarstellung aus dem Jahr 2010 erklärt das Konzertunternehmen Live Nation Entertainment diesbezüglich, die Anzahl tourender Bands würde grundsätzlich zunehmen.367 Diese Aussage stützt der Konzern auf eine Studie von Goldman Sachs, die mutmaßlich ausschließlich Veranstaltungen integriert, die von Live Nation selbst durchgeführt wurden. So sei die Anzahl der Konzerte zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2007 jährlich um 17 % angewachsen, die Anzahl von Bands auf Tour hätte sich per annum um 16 % gesteigert.368 Der Konzertgigant zitiert weiter, im Jahr 1993 hätte es etwa 3 000 Konzertveranstaltungen und weniger als 500 tourende Musikgruppen gegeben; im Jahr 2007 seien es mehr als 14 000 Konzerte und annähernd 2 200 Bands gewesen.369 Hinsichtlich Methodik, Stichprobe und Evaluation der Datenerhebung macht LNE keine weiterführenden Angaben – das Original der Studie ist ebenfalls nicht verfügbar. Ein Vergleich mit den durch das Billboard-Magazin publizierten Zahlen legt nahe, dass die dargestellten Zahlen nur einen fragmentarischen Ausschnitt der globalen Konzertanzahl widerspiegeln. Nach eigenen Angaben bilden die Boxscore-Charts der Musikzeitschrift lediglich einen Bruchteil des Gesamtgeschäftes mit Live-Musik ab, da sie ausschließlich auf den Meldungen teilnehmender Konzertorganisatoren, Spielstätten, Agenten und Manager beruhen.370 Es würden vor allem die erfolgreichsten und umsatzstärksten Tourneen und Konzerte in die Datenerhebungen einfließen.371 Im Jahr 2000 wären etwa 8 000 Konzerte im Boxscore-System gemeldet worden, im Jahr 2010 seien es 14 795 Live-Shows gewesen.372 Wie verschwindend geringfügig diese Ausschnitte gemessen an der Gesamtzahl weltweit stattfindender Konzerte tatsächlich sind, lässt sich an regionalen Statistiken spezifischer Spielstätten ablesen. Alleine in den soziokulturellen Zentren Deutschlands wurde im Jahr 2006 eine Anzahl von 12 711 Konzerten gespielt, 2010 waren es 13 604 Live-Musikveranstaltungen.373 Mit einer diesem lokalen Nischenmarkt ähnlichen Anzahl öffentlicher Musikaufführungen integriert die Goldman Sachs-Studie folglich einen sehr geringen Anteil der globalen Gesamtmenge aller Konzerte. Folglich liegt der Verdacht nahe, dass sich die Einschätzungen der Investmentbank ausschließlich auf das Konzertvolumen von Live Nation Entertainment beziehen, obwohl sie als allgemein anwachsende Zahl von Bands und Konzerten betitelt werden.374 Die Wissenschaftler Anheier und Raj Isar, die ihre Ausführungen aus dem Magazin Amusement Business (Dez. 2004) zitieren, beziffern die Anzahl der vor allem durch Live Nation, das zu diesem Zeitpunkt noch zu Clear Channel Communications gehört
366 367 368 369 370 371 372 373 374
Vgl. Krueger (2005), S. 10. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 11. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 16. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 16. Vgl. Waddell (2013). Vgl. Waddell (2014). Vgl. Waddell (2010), S. 56; vgl. Waddell (2000), S. 78. Vgl. Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. (2013), S. 10; vgl. Krimmer, Ziller (2008), S. 6. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 16.
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hätte, beworbenen und durchgeführten Konzerte im Jahr 2004 auf etwa 7 000.375 Demgegenüber hätte das Unternehmen 2016 etwa 26 000 Konzerte veranstaltet und mit 3 000 Künstlern zusammengearbeitet, erklärt der leitende Geschäftsführer Joe Berchtold.376 Live Nation Entertainment verknüpft das Wachstum des Geschäftsfeldes mit der Öffnung neuer Märkte und Veranstaltungsorte sowie fortschreitender technologischer Entwicklung, die sowohl das Marketing verbessern, wie auch die Auffindbarkeit von Konzerten und deren Zugänglichkeit erhöhen würden.377 Weiterhin gäbe es veränderte Bedingungen am Markt für Live-Musik, die sich an stark verkürzten Zeitintervallen zwischen der Veröffentlichung von Musik und Auftritten auf großen Bühnen ablesen ließen.378 Nach dem alten Geschäftsmodell sei zwischen ersten Veröffentlichungen einer Band und großen Live-Konzerten eine Zeitspanne mehrerer Jahre gelegen, in denen die Musiker diverse Alben veröffentlicht, Musikvideos gedreht und kleinere Konzerte gespielt hätten. Im stark vereinfachenden und plakativ dargestellten neuen Geschäftsmodell dagegen könnten Künstler, nachdem sie ihre Musik online zur Verfügung gestellt und einen Promoter-Deal mit einer Konzertagentur unterschrieben hätten, in wenigen Monaten große Konzerte ausverkaufen.379 Dementsprechend wären mehr Bands auf Tour; damit würde das Geld verdient.380 Diese Aussage belegt der Konzern mit einer Gegenüberstellung der Einkünfte der bestverdienenden Musiker des Jahres 2009 aus Tonträgerverkäufen und Live-Konzerten. Acht der neun umsatzstärksten Interpreten hätten demnach den Großteil ihres Einkommens aus Live-Auftritten generiert. Wiederum sieben dieser Künstler gehörten 2009 bereits mindestens ein Jahrzehnt (Britney Spears) oder mehrere Dekaden (etwa U2 oder Bruce Springsteen) zum Starsegment des Musikgeschäftes.381 Einzig die 2005 gegründeten Jonas Brothers konnten als relativ junge Band die deutliche Mehrheit ihrer Einkünfte aus Live-Aufführungen ihrer Musik einspielen.382 Diese Tatsache steht im direkten Widerspruch zur oben dargestellten Aussage von LNE, Nachwuchskünstler könnten in nur wenigen Monaten große Konzerte ausverkaufen. Vielmehr deutet sie auf einen linearen Zusammenhang der Etablierungsdauer musikalischer Interpreten, sozusagen ihr Alter im Markt, mit der Höhe ihrer Einkünfte aus Live-Auftritten hin, der beispielsweise auch von Simon Frith hergestellt wird.383 Die vom Pollstar-Magazin publizierte und auf Umsätze aus Ticketverkäufen bezogene Top-20 weltweit stattfindender Tourneen im Jahr 2009 bestätigt diese Hypothese: Unter Ausschluss nichtmusikalischer Veranstaltungen finden sich, abgesehen von den Jonas Brothers, ausschließlich langjährig etablierte Stars auf dieser Liste.384 Obwohl der durch Live Nation vorgestellte Vergleich also einzig die Einnahmen der absoluten Superstars der Branche und damit einen sehr kleinen, in seiner Dynamik und ökonomischen Reichweite einzigartigen Bereich des Live-Musikgeschäftes ab375 376 377 378 379 380 381 382 383 384
Vgl. Anheier, Raj Isar (2008), S. 573. Vgl. DiMartino (2017). Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 11. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 17. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 17. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 18. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 18. Vgl. Live Nation Entertainment (2010), S. 18. Vgl. Frith (2007), S. 5f. Vgl. Pollstar (2009a).
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bildet, schlussfolgert Live Nation daraus, Musiker würden Geld grundsätzlich in erster Linie mit Konzerten verdienen. Hinsichtlich der Verteilung der aus Konzertticketverkäufen erzielten Umsätze auf Musikstars und andere Interpreten, die nicht zur global agierenden Künstlerelite zählen, kann Krueger eine aussagekräftige Analyse vorlegen. Diesbezüglich hat der Ökonom die Encyclopedia-Künstler in eine jährliche Rangliste nach ihren Umsätzen aus Ticketverkäufen in den USA gebracht und diese schließlich in Relation zu den entsprechenden Gesamtumsätzen des US-amerikanischen Konzertticketgeschäftes gesetzt.385 Im Jahr 1981 hat das umsatzstärkste 1 % dieser Künstler 26 % der Gesamteinnahmen aus Ticketverkäufen in den USA generiert, im Jahr 2003 waren es bereits 56 % der Gesamtvolumens.386 Die wachsende Schieflage zwischen den Einnahmen weniger bekannter Musiker und den Stars der Branche aus Ticketverkäufen lässt sich darüber hinaus an den umsatzstärksten 5 % der Künstler ablesen, die 1982 einen Beitrag von 62 % zu den Gesamtumsätzen aus Verkäufen von Konzertkarten in den USA lieferten und das Geschäft 2003 mit einem Anteil von 84 % dominierten.387 Diese Entwicklung hat sich, gemäß Schultz, der sich in seinen Aussagen auf die Billboard-Tourstatistiken für Nordamerika bezieht, im Jahr 2007 weiter verschärft – die nach Umsätzen aus Ticketverkäufen gemessenen oberen 0,76 % der Künstler wären für 53 % der Gesamteinkünfte verantwortlich gewesen, wogegen die unteren 99,24 % der Musiker die verbleibenden 47 % der Einnahmen aus Ticketverkäufen unter sich aufgeteilt hätten.388 Tatsächlich würden die meisten unbekannten Künstler, die in einer Vielzahl kleiner Veranstaltungsorte, Clubs und Bars aufträten sehr wenig oder kein Geld mit ihren Konzerten verdienen, erläutert ein auf die Unterhaltungsindustrie spezialisierter Anwalt.389 Es gäbe nur eine sehr kleine Gruppe von Musikern, die, im Gegensatz zum sehr langen Long Tail Millionen anderer Musikschaffender, von ihren Live-Auftritten leben könne, zitiert Rochell Abonalla vom Musiknewsportal Digital Music News den Sänger und Songwriter David Lowery.390 Die regelmäßig angeführten Zuwächse in den Einkünften aus Musiktourneen würden, anstelle des aussagekräftigen Medians, einen signifikant irreführenden Mittelwert widerspiegeln.391 Meiers Kritik an der allgegenwärtigen Darstellung der Umsätze aus Konzerten ist berechtigt – wenn ein sehr kleiner Teil der Musiker den Großteil der Einkünfte generiert, müssen die entsprechenden Datensätze extreme Ausreißer beinhalten, die den arithmetischen Mittelwert in hohem Maß verzerren. Folglich gilt Meiers Aussage gleichermaßen für die vielfach zitierten steigenden Konzertkartenpreise, die im Median mutmaßlich deutlich moderater ausfallen würden. Im Konzertmarkt gäbe es zudem einen wachsenden Konkurrenzkampf sowie sinkende Garantiezahlungen und Ticketpreise bei Künstlern, die keine Stars sind.392 Die Kosten für Transportmittel, Benzin,
385 386 387 388 389 390 391 392
Vgl. Krueger (2005), S. 13ff. Vgl. Krueger (2005), S. 15. Vgl. Krueger (2005), S. 15. Vgl. Schultz (2009), S. 733ff. zit.n. Meier (2017), S. 70. Vgl. Litwak (2010) zit.n. Meier (2017), S. 70. Vgl. Abonalla (2012). Vgl. Meier (2017), S. 71. Vgl. Meier (2017), S. 71.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Unterbringung und Mitarbeiterlöhne seien weitestgehend unveränderlich und würde es Konzerten in Veranstaltungsorten mit einer maximalen Kapazität von unter 2 500 Besuchern erschweren, erwähnenswerte Profite zu erzielen.393 Folglich sei das Geschäft mit Live-Musik von älteren, sehr bekannten und etablierten Künstlern abhängig und würde zunehmend Star-Tourneen begünstigen, die in großen Spielstätten zu hohen Eintrittspreisen stattfänden.394 Der Modus Operandi der Live-Musikindustrie würde jährlich wiederkehrende Rekordumsätze mittels des Verkaufs einer jeweils geringeren Anzahl ausgeprägt teurer werdender Tickets erzielen, teilt das Pollstar-Magazin mit.395 Die großen Touren in großen Veranstaltungsorten beanspruchten den Löwenanteil aller Einkünfte aus dem Live-Geschäft für sich, erklären Hull et al.396 Demgemäß sind es vor allem diese Stadion-Events, auf die der gestiegene durchschnittliche Ticketpreis zurückzuführen ist. Der mittlere Konzertkartenpreis der 100 umsatzstärksten Tourneen in den USA lag, gemäß Pollstar, 1996 bei etwa 26 US-Dollar und hat sich bis zum Jahr 2016 auf circa 77 US-Dollar annähernd verdreifacht.397 Im globalen Kontext sei der durchschnittliche Eintrittspreis der 100 einnahmereichsten Touren 2016 bei fast 81 US-Dollar gelegen.398 Die Veranstalter und Organisatoren von Touren und Konzerten hätten mit vergrößerten Spielstätten, räumlichen Erweiterungen von Tourneen und vor allem der zunehmenden Etablierung von Musikfestivals auf die geringe Rentabilität kleiner Konzerte reagiert, erläutert der Musikwissenschaftler Simon Frith.399 Bis 2015 habe es, der ehemaligen Anwältin und Journalistin Trips Reddy zufolge, eine Dekade gleichmäßigen Wachstums im Musikfestivalgeschäft gegeben.400 Gemäß des Marktforschungsunternehmens Nielsen Music hätten 2014 alleine in den Vereinigten Staaten 32 Millionen Menschen zumindest eines der mehr als 800 dort stattfindenden Musikfestivals besucht.401 Annähernd die Hälfte der Besucher (14,7 Millionen) seien Millennials, also junge Menschen gewesen, die etwa im Zeitraum zwischen den frühen 1980er Jahren und dem beginnenden 21. Jahrhundert geboren wurden.402 Diese seien die attraktivste demografische Zielgruppe für Werbeschaffende, was die Allgegenwärtigkeit von Werbemitteln auf Festivals erklären würde.403 Auf der FestivalWebseite eFestivals, die eine Datenbank weltweit stattfindender Musikfestivals enthält, sei die Anzahl der Veranstaltungen von 496 im Jahr 2007 auf 1 070 im Jahr 2015 gesprungen, veranschaulicht Sam Dean für den englischen Telegraph.404 Unter Berufung auf Informationen des Deutschen Musikinformationszentrums erklärt die Süddeutsche Zeitung, im Zeitraum zwischen 1994 und 2014 habe sich die Summe der in Deutschland
393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404
Vgl. Meier (2017), S. 71. Vgl. Meier (2017), S. 71. Vgl. Pollstar (2009b). Vgl. Hull et al. (2011), S. 144. Vgl. Pollstar (2017b); vgl. Pollstar (2009b). Vgl. Pollstar (2017b). Vgl. Frith (2007), S. 4. Vgl. Reddy (2015). Vgl. Lynch (2015); vgl. Reddy (2015). Vgl. Lynch (2015). Vgl. Lynch (2015). Vgl. Dean (2016).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
veranstalteten Musikfestivals auf mehr als 500 Events vervierfacht.405 Die Zunahme der weltweiten Festivalanzahl geht mit der stetigen Vergrößerung ihrer Zuschauerkapazitäten einher. Während 2001 etwa 25 000 Fans das Coachella-Festival besuchten, kamen im Jahr 2016 circa 180 000 Menschen, um am kalifornischen Event teilzunehmen.406 Mit Ticketpreisen beginnend bei 325 US-Dollar wurden beim Coachella-Festival 2016, das an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden im April stattfand, insgesamt 704 Millionen US-Dollar durch Konsumenten- und Geschäftsausgaben umgesetzt.407 Das in Barcelona ansässige Musikfestival Primavera Sound hätte seine Besucherzahlen von annähernd 8 000 im Jahr 2001 auf ein Publikum von etwa 190 000 Menschen im Jahr 2005 gesteigert.408 Musik würde innerhalb der kommenden 10 Jahre den Grad der Verfügbarkeit von fließendem Wasser oder Elektrizität erreichen, erklärte der Sänger David Bowie 2002 in einem Gespräch mit der New York Times.409 Dementsprechend wären Musiker gut beraten, sich auf ein erhöhtes Touring-Volumen einzustellen – nur Live-Konzerte würden als unverwechselbare und einmalige Situation übrig bleiben, ergänzt Bowie.410 Damit hat der Musiker einerseits die Entwicklung des Geschäftes mit Musikaufnahmen, respektive deren allgegenwärtige Zugänglichkeit einhergehend mit ihrem Exklusivitätsverlust vorweggenommen, andererseits den hohen individuellen, aber auch kulturellen und sozialen Wert von Konzerterlebnissen angedeutet. Der Forschungsleiter des Aktienmarktanalysten Albert Fried & Co., Rich Tullo, teilt diesbezüglich mit, es gäbe etliche Studien, die belegen würden, dass Konsumenten im Allgemeinen und junge Konsumenten im Besonderen es vorziehen würden, Geld für Erlebnisse auszugeben, anstatt für Produkte.411 Es seien vor allem die Millennials, die verfügbares Einkommen lieber für Erlebnisse als für Dinge ausgäben.412 Sie würden Zugehörigkeit und Gemeinschaftlichkeit höher bewerten, als den persönlichen Besitz und es lieben, neue und einzigartige Erlebnisse zu haben, die sie auf Social Media-Kanälen teilen könnten.413 So liegt die Ursache für die Bereitschaft des Publikums, sehr hohe Eintrittspreise für Konzertbesuche zu bezahlen, nicht ausschließlich in der Monopolstellung, die Live-Aufführungen, als letzte verbliebene Möglichkeit Musik in unverwechselbarer und nicht reproduzierbarer Form zu erleben, im Geflecht des gesamten Musikmarktes einnehmen, wie Simon Frith argumentiert,414 sondern gleichzeitig in einer Veränderung des Konsumentenverhaltens. Musikkonzerte sind in höchstem Maße fähig, die zunehmende hedonistische Erlebnisorientierung der Menschen in Industrienationen zu befriedigen und stehen somit im Fokus von Marken und Unternehmen, die ihrerseits mit dem Dogma der erlebnisorientierten Markenkommunikation auf den angesprochenen gesellschaftlichen Wandel reagiert haben. Die Relevanz von Musikveranstaltungen für Werbeschaffende 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414
Vgl. Süddeutsche Zeitung (2014). Vgl. Ruiz (2016). Vgl. Ruiz (2016); vgl. Hu (2016b), S. 1. Vgl. Giovarruscio (2016). Vgl. Pareles (2002). Vgl. Pareles (2002). Vgl. Waddell (2016). Vgl. DiMartino (2017); vgl. Giovarruscio (2016). Vgl. Giovarruscio (2016). Vgl. Frith (2007), S. 6.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
wird durch die enger werdende Verflechtung ersterer mit den Massenmedien zusätzlich gesteigert. Für die musiknutzenden Medien, wie etwa Radio und Fernsehen, würde die Zweitverwertung von Live-Konzerten ebenso wichtig werden, wie die Zweitverwertung von Musikaufnahmen.415 Aus der Perspektive der Plattenlabels hätten die Konzerte ihrer Künstler so ein neues Produkt geschaffen, was beispielsweise den Vertrag der ehemaligen EMI mit Robbie Williams erkläre, in dem den Rechten an der Markenidentität des Künstlers dieselbe Bedeutung beigemessen wird, wie den Rechten an seinen Musikaufnahmen.416 Der Wert von Live-Musikveranstaltungen für die Medien und die Werbeindustrie liege in ihrer Fähigkeit Zuschauer anzulocken und gleichzeitig eine bestimmte Gruppe von Menschen zu repräsentieren.417 Eine erhöhte Reichweite von Konzerten, etwa durch die Ausstrahlung derselben im Fernsehen oder die Kommunikation über dieselben auf Social Media-Kanälen durch das Publikum vor Ort, steigert deren Attraktivität für die Marken- und Unternehmenskommunikation zusätzlich. Hinzu kommt eine gestiegene positive Bewertung der Präsenz von Marken auf LiveMusikveranstaltungen durch die Millennials, wie eine Studie des Konzertpromoters AEG in Kooperation mit der auf Musikerlebnisse spezialisierten Marketing-Agentur Momentum Worldwide belegt.418 In der Untersuchung, die als Onlineversuch stattgefunden hätte, seien 1 048 Konsumenten mit einem Alter von mindestens 18 Jahren befragt worden. Die Stichprobe hätte zu 75 % aus Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, den Millennials, bestanden.419 Unter denjenigen Millennials, die publikumsseitig bereits in Kontakt mit Mitteln der Markenkommunikation bei Konzerten gewesen wären, würden 93 % Marken gut finden, die Live-Musikveranstaltungen sponserten.420 80 % der Menschen dieser Teilstichprobe erklärten, der effektivste Weg für Marken eine Verbindung mit ihnen herzustellen seien markengestützte Live-Musikerlebnisse.421 Die coolsten Markenerlebnisse, die ihnen bekannt wären, fänden rund um Live-Events statt, teilten darüber hinaus 81 % aller Millennials mit.422 Live-Musik sei der entscheidende Faktor für Marken, um ihre Wirkkraft auf die Millennials zu verstärken, interpretieren AEG und Momentum Worldwide diese Ergebnisse.423 Aus der Gesamtstichprobe würden 83 % der Befragten, die schon an markengestützten Konzerten teilgenommen hätten, Marken Vertrauen, die Live-Events sponserten. 80 % derselben würden Produkte dieser Marken kaufen, wiederum 80 % diese Marken weiterempfehlen und 89 % die entsprechenden Marken als authentischer wahrnehmen.424 Die wichtigsten Inhalte, die Millennials auf Social Media-Kanälen sehen und teilen wollten seien Bilder und Videos von Musikern und Freunden – 68 % dieser Teilstichprobe würden Musikmomente in sozialen Medien teilen, während sie an Live-Konzerten teilnähmen.425 Diese Aussage 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425
Vgl. Frith (2007), S. 6. Vgl. Frith (2007), S. 6. Vgl. Frith (2007), S. 7. Vgl. Momentum Worldwide (2015); vgl. McIntyre (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
findet in den Erhebungen der Firma Nielsen Music exemplarische Bestätigung: Während des ersten Wochenendes des Coachella-Festivals 2015 wären 3,5 Millionen Tweets registriert worden, die sich auf die Veranstaltung bezögen.426 Da AEG und Momentum Worldwide nur fragmentarische Ergebnisse ihrer Studie frei verfügbar publiziert haben, kann diese nicht auf die wissenschaftlichen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität hin überprüft werden. Gleichzeitig reflektieren die oben dargestellten Ergebnisse der Erhebung in annähernd idealer Weise das Eigeninteresse der AEG, ihren Geschäftsbereich des Sponsorings möglichst attraktiv für Marken und Unternehmen, also potentielle Kunden, aufzustellen. Die zunehmend hohe Relevanz von Werbekooperationen für Musikfirmen aus dem Live-Segment wird in den Jahresabschlüssen der Firma Live Nation Entertainment nachdrücklich belegt. So sind die Umsätze des Unternehmens aus Sponsoring und Werbung von annähernd 159 Millionen US-Dollar im Jahr 2008 auf circa 378 Millionen US-Dollar im Jahr 2016 gestiegen.427 Dabei handelt es sich einerseits um Sponsoring-Einkünfte, die unmittelbar mit Live-Konzerten verknüpft sind, andererseits um Einnahmen aus Werbung, die nur mittelbar mit Musik in Verbindung gebracht werden kann, wie etwa Onlinespots auf den Webseiten des Unternehmens.428 Trotz des hohen Wachstums erscheinen diese Einkünfte, im Angesicht der milliardenschweren Umsätze von Live Nation Entertainment aus der Veranstaltung von Konzerten und Ticketverkäufen,429 zunächst als unwesentlich. Ihr hoher Stellenwert im ökonomischen Gesamtgefüge des Unternehmens lässt sich erst aus der Analyse der Gewinne beziehungsweise Verluste, respektive der Gewinnmargen der einzelnen Geschäftsbereiche ableiten. In den Jahren 2008, 2009 und 2010 konnte Live Nation, mit einer Gewinnspanne zwischen 59 und 66 %, die im Vergleich zu den anderen Geschäftssparten mit Abstand höchsten operativen Gewinne aus Werbekooperationen erzielen, während der Konzertbetrieb verlustbehaftet arbeitete und der Verkauf von Tickets einzig im Jahr 2010 Nettoerträge einbrachte.430 Für die Jahre 2014, 2015 und 2016 ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Gewinnspanne der Einkünfte aus Werbekooperationen lag zwischen 60 und 70 %, wohingegen die Ausrichtung von Veranstaltungen Verluste erwirtschaftete und der Ticketverkauf Gewinnmargen von 7,5 bis 9,7 % aufwies.431 Mit operativen Gewinnen zwischen etwa 208 und 228 Millionen US-Dollar hatte die Werbesparte erneut den höchsten Anteil am operativen Gewinn des Unternehmens.432 Dementsprechend bilden die Ergebnisse der AEG/Momentum-Studie ein wertvolles Instrument zur Stärkung des, hinsichtlich gewinnorientierten unternehmerischen Handelns, mutmaßlich wichtigsten Geschäftsbereiches großer LiveMusikunternehmen und müssen in der Folge – eines dieser Unternehmen hat die Studie durchgeführt – kritisch behandelt werden. Dennoch reflektieren die veröffentlichten Resultate der Studie eine Tendenz, die auf tiefgreifende gesellschaftliche 426 427 428 429 430 431 432
Vgl. Lynch (2015). Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 33; vgl. Live Nation Entertainment (2011), S. 53. Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 33. Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 32, S. 34; vgl. Live Nation Entertainment (2011), S. 53. Vgl. Live Nation Entertainment (2011), S. 53, S. 65. Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 32ff. Vgl. Live Nation Entertainment, Inc. (2017), S. 31.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Veränderungen in der Rezeption der Wechselbeziehung von Marken und populärer Musik hinweisen. Ein ebenfalls 2015, durch die zum Marktforschungsunternehmen Nielsen gehörende Firma Repucom, veröffentlichter Bericht zum Status des Sponsoring-Geschäftes im Live-Musikbereich bekräftigt diese Annahme. Die Fans von Live-Musik würden sich an Marken erinnern, die mit Künstlern werben und starke Präsenzen auf Konzerten oder Festivals besäßen, und diese wiedererkennen.433 Marken mit Rock’n’Roll zu verknüpfen, sei zunächst als kommerzieller Ausverkauf beziehungsweise Verrat künstlerischer Ideale wahrgenommen worden, erklärt LarsOliver Vogt, Geschäftsführer einer Sponsoring-Agentur, im Repucom-Report.434 Vogt erläutert weiter, dies habe sich in den letzten Jahren geändert: Musikfestivals würden nun einzigartige Möglichkeiten für Marken bereitstellen, um Millennials auf direktem Wege zu erreichen.435 Das in der Etablierung und kategorialen Anwendung der vermeintlichen Gegensatzpaare Subkultur vs. Mainstream, Ehrlichkeit vs. Ausverkauf und Authentizität vs. Angepasstheit manifestierte, für die Produktion, Rezeption und Vermarktung populärer Musik bis zum Ende des 20. Jahrhunderts gleichermaßen wichtige Element des Andersseins, der Abgrenzung zur etablierten Gesellschaftsordnung, hat im 21. Jahrhundert demnach an Relevanz verloren. Für die Millennials werden Kooperationen von Musikern und Marken im Rahmen von Live-Konzerten als Teil eines Gesamterlebnisses vermehrt positiv wahrgenommen. Sie stellen dementsprechend tendenziell keinen Sell-out mehr dar. Die Konsumenten würden Marken für Interaktionen im Live-Musiksegment belohnen, die ihr Erlebnis verbessern oder ihm einen Mehrwert hinzufügen würden.436 Dies gäbe Marken die Gelegenheit, eine Hauptrolle in Momenten persönlicher Veränderung zu spielen, die für viele Menschen eben auf Live-Konzerten stattfinden würden, ergänzt Scott Carlis, ein führender Mitarbeiter der AEG.437 Aus der Künstlerperspektive würde der zunehmend mit Marken verknüpfte Charakter von Konzerten weitestgehend als unumgängliche Realität akzeptiert, erklärt Meier.438 Zack O’Malley Greenburg vom Forbes-Magazin beobachtet diesbezüglich, die Musiker, die bei einem von Marken dominierten Festival aufgetreten wären, schienen von der Vorstellung des kommerziellen Ausverkaufs keineswegs beunruhigt gewesen zu sein.439 Vielmehr würde eine große Anzahl von Künstlern behaupten, das negativ besetzte Konzept des Sell-outs gäbe es heutzutage nicht mehr.440 Der Leadsänger der Band The Hives ergänzt, vor etwa zehn Jahren (circa 2002) hätte seine Gruppe auf Tournee gehen können, ohne dabei auch nur ein gesponsertes Konzert zu spielen.441 Würde die Band demgegenüber gegenwärtig (2012) die Meinung vertreten, auf markengestützte Veranstaltungen verzichten zu können, so würde sie überhaupt keine Konzerte
433 434 435 436 437 438 439 440 441
Vgl. Repucom (2015), S. 16. Vgl. Repucom (2015), S. 22. Vgl. Repucom (2015), S. 22. Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Momentum Worldwide (2015). Vgl. Meier (2017), S. 110. Vgl. Greenburg (2012). Vgl. Greenburg (2012). Vgl. Greenburg (2012).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
mehr spielen, so der Sänger.442 So hat der erhöhte wirtschaftliche Druck auf und Konkurrenzkampf unter Künstlern, gepaart mit einer gestiegenen Akzeptanz von Marken im Live-Musikkontext durch das Publikum, das ehemals vorherrschende Konzept der Verwerflichkeit des kommerziellen Ausverkaufs und damit einhergehenden Authentizitätsverlustes populärer Musik weitestgehend annulliert. Die Abgrenzung vom Anderen mit dem Ziel der Herstellung von Individualität und Authentizität findet heute vor allem in der Markenkommunikation statt. Wie Peter Wicke bereits 2004 festgestellt hat, sind es ebendie vormaligen Strategien der Musikindustrie, Dissidenz durch Differenz beziehungsweise Subversion durch Anders-Sein zu produzieren, »die heute die Imperative des Zielgruppen-Marketings bilden und das Credo der Werbung ausmachen (›if you want to be different‹ – Pepsi; ›designed to make a difference‹ – BMW).«443 Mehr als ein Jahrzehnt später muss festgehalten werden, dass Marken zur Umsetzung dieser Strategien im Hinblick auf die Erzeugung von Authentizität erfolgreich vermehrt populäre Musikkulturen und zugehörige Interpreten verwerten. Der Transfer damit verbundener Erlebnisse, Werte und Emotionen auf Marken wird von den Millennials, der AEG/Momentum-Studie zufolge, weitestgehend unreflektiert akzeptiert. Während Musiker und Künstler in der Beziehung zu Marken vielfach aus einer Position ökonomischer Notwendigkeit heraus agieren und, abgesehen von monetärer Entschädigung, in den wenigsten Fällen nachhaltig davon profitieren, gewinnen Marken durch ihre Verbindung mit glaubwürdigen Inhalten, etwa Live-Konzerten, ein hohes Maß an dauerhafter positiver Ladung. Abgesehen von hochdotierten Übereinkünften mit den Stars populärer Musik besäßen nachdrücklich die Marken die Entscheidungsgewalt über derartige Kooperationen.444 Demgemäß sei der Begriff eines partnerschaftlichen Verhältnisses diesbezüglich irreführend – Kooperationen zwischen Marken und Musik hätten primär den Zweck, Marken tiefer in populären Musikkulturen zu verankern und die Kolonisierung populärer Musik durch Marken damit zu beschleunigen.445 Die immens gestiegene Bedeutung von Live-Konzerten für Marken, wie auch die zunehmende Machtposition letzterer in dieser Beziehung, kann weiterhin am starken Wachstum der Einkünfte des Konzertsektors aus dem Sponsoring seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert abgelesen werden. Neben dem oben dargestellten Anstieg der Einkünfte von Live Nation aus diesem Geschäftsbereich hätten sich die Umsätze aus Sponsoring-Kooperationen auf dem gesamten US-amerikanischen Konzertmarkt von 574 Millionen US-Dollar im Jahr 2003 auf 1,17 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 etwa verdoppelt, teilt Chris Parker für das Magazin L.A. Weekly mit.446 In einem Bericht zum Status des internationalen Medien- und Unterhaltungsmarktes beziffert das Handelsministerium der Vereinigten Staaten den Umfang der Sponsoring-Einkünfte des LiveMusiksektors in den USA 2015 auf annähernd 2,1 Milliarden US-Dollar.447 Die weltweiten Einnahmen aus Markenkooperationen im Konzertbereich hätten 2015 bei 3,2 Mil-
442 443 444 445 446 447
Vgl. Greenburg (2012). Wicke (2004b), S. 132. Vgl. Meier (2017), S. 112. Vgl. Meier (2017), S. 112. Vgl. Parker (2013). Vgl. U.S. Department of Commerce (2016), S. 73.
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
liarden US-Dollar gelegen, ermittelt die Firma Nielsen.448 Davon seien etwa 1,54 Milliarden US-Dollar (48 %) in die nordamerikanische und annähernd 864 Millionen USDollar (27 %) in die europäische Musiklandschaft geflossen.449 Das Marketing- und Beratungsunternehmen IEG, LLC, dessen Fokus auf Markensponsoring liegt, erklärt, im Jahr 2007 hätten nordamerikanische Firmen etwa 1 Milliarde US-Dollar für das Sponsoring von Live-Konzerten ausgegeben.450 Die im Sponsoring-Berater ESP Properties aufgegangene Firma stellt weiter dar, im Jahr 2011 hätten die in Nordamerika ansässigen Unternehmen circa 1,17 Milliarden, im Jahr 2016 ungefähr 1,47 Milliarden US-Dollar für die Markenkommunikation auf Live-Musikveranstaltungen ausgegeben.451 Wenngleich eine exakte Bestimmung der Sponsoring-Einkünfte des Konzertsegments nicht einwandfrei realisierbar ist, belegen die angeführten Quellen ausnahmslos, dass der Zuwachs der Umsätze aus Markenkooperationen respektive die Steigerung der Ausgaben von Unternehmen für das Sponsoring von Live-Musik weit über der allgemeinen Preissteigerung in entsprechenden Zeiträumen liegt. Die kumulierte Inflation in den USA betrug im Zeitraum zwischen 2007 und 2016 ungefähr 19 %,452 wohingegen nordamerikanische Unternehmen ihre Ausgaben für das Sponsoring von Live-Musikveranstaltungen um annähernd 47 % gesteigert hätten.453 In Abhängigkeit der referenzierten Quelle sind die Einkünfte des US-amerikanischen Konzertbereiches aus Markenkooperationen zwischen 2003 und 2015 um fast 300 % beziehungsweise annähernd 400 % gewachsen. Die weltweiten Umsätze aus dem Geschäft mit Live-Musik sind seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert stark angewachsen und haben, nach Angabe des BillboardMagazins, die Einkünfte aus den Sparten Musikaufnahmen und Musikwerke im Jahr 2016 mit einem Volumen von etwa 25 Milliarden US-Dollar weit hinter sich gelassen.454 Bei der durchaus naheliegenden Annahme, die Steigerung der Einnahmen aus dem Live-Musikgeschäft hätte die Umsatzeinbußen aus dem Bereich der Musikaufnahmen für eine breite Gruppe von Künstlern kompensieren können, handelt es sich um einen Trugschluss. Tatsächlich ist ein wesentlicher Teil der mit Live-Musik erzielten Einkünfte auf die stetig hohe Teuerungsrate der Tickets für größer werdende Konzerte eines elitären und sehr kleinen Ensembles etablierter Superstars zurückzuführen. Während die Live-Auftritte weniger berühmter oder aufstrebender Musiker in kleineren Veranstaltungsorten häufig wenig profitabel sind und die deutliche Mehrheit der Künstler demnach Probleme hat, Gewinne aus diesem Segment zu erwirtschaften, sind es vorwiegend die Stars der Branche, die hohe Erträge aus allen Wertschöpfungsbereichen des Geschäftes mit Live-Konzerten und Tourneen erzielen – abgesehen von der Ticketverkaufssparte umfasst dies vor allem den Sektor des Merchandisings und anderer Nebengeschäfte an Veranstaltungsorten, den Lizenzbereich für die mediale Verwertung von Veranstaltungen sowie das Sponsoring- und Werbekooperationssegment. 448 449 450 451 452 453 454
Vgl. Nielsen Sports (2016). Vgl. Nielsen Sports (2016). Vgl. Waddell (2008). Vgl. ESP Properties (2017); vgl. ESP Properties (2014). Vgl. World Bank Group (2017b). Vgl. ESP Properties (2014); vgl. Waddell (2008). Vgl. Waddell (2016).
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Weiterhin ist die wirtschaftliche Relevanz von Sponsoring und Werbekooperationen für den Live-Musiksektor seit Beginn des 21. Jahrhunderts stetig gewachsen. Nach Angabe des Pollstar-Magazins konnte die nordamerikanische Konzertindustrie ihre Umsätze aus Ticketverkäufen von 2,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2003 auf 4,25 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 um einen Faktor von etwa 1,7 steigern.455 Im selben Zeitraum haben sich die Einkünfte aus Sponsoring-Kooperationen auf dem US-amerikanischen Konzertmarkt, unter Berufung auf die oben genannte Publikation des Magazins L.A. Weekly, von 574 Millionen US-Dollar auf 1,17 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt.456 Unter Berücksichtigung des in den Pollstar-Daten enthaltenen Umsatzanteils aus Ticketverkäufen für Veranstaltungen, bei denen Musik keine zentrale Bedeutung besitzt, und der mutmaßlich ebenso darin integrierten Einkünfte der kanadischen Konzertwirtschaft, erhöht sich der relative Anteil des Konzertsponsorings am USamerikanischen Gesamtmarkt für Live-Musik zusätzlich. Auf dem kumulierten Markt für Konzerttickets und Sponsoring wurden 2003 in den USA demgemäß weniger als 3,074 Milliarden US-Dollar, 2010 weniger als 5,42 Milliarden US-Dollar, umgesetzt. Folgerichtig machten die Einnahmen aus Sponsoring und Werbekooperationen im Jahr 2003 eine Quote von mehr als 18,7 %, im Jahr 2010 einen Anteil von über 21,6 % an den Gesamteinkünften der US-amerikanischen Konzertindustrie aus. Dave Laing beziffert die aus Sponsoring und Werbekooperationen weltweit umgesetzten Geldmittel 2010 auf 13,2 % der gesamten aus Live-Musik erzielten Einkünfte (inkl. Merchandising, Nebengeschäfte am Veranstaltungsort und medialer Verwertung von Veranstaltungen).457 Im Vergleich dazu lagen die Einnahmen des Live-Musiksektors aus Markenkooperationen, wie die Firma Nielsen erklärt, im Jahr 2015 weltweit bei 3,2 Milliarden US-Dollar, was bei einem Gesamtvolumen des Konzertmarktes von rund 20 Milliarden US-Dollar, gemäß des Billboard-Magazins, etwa 16 % des Wirtschaftsbereiches ausmacht.458 Sowohl die absoluten Ausgaben von Marken und Unternehmen für Werbekooperationen im Rahmen von Veranstaltungen der Live-Musik, als auch deren relative Bedeutung für die Konzertwirtschaft, haben demnach zugenommen und besitzen eine weiterhin steigende Tendenz. Selbiges gilt für die Aufwendungen der Massenmedien hinsichtlich der weiteren Verwertung von Live-Konzerten, die zudem in hohem Maße aus Werbeeinkünften finanziert werden. Der Musikwissenschaftler Dave Laing veranlagt den aus der Lizenzvergabe für die mediale Verwertung von Veranstaltungen stammenden Anteil an den Gesamteinkünften auf dem weltweiten Konzertmarkt im Jahr 2010 auf 8,4 %.459 Bei vorsichtiger Einschätzung des Wachstums dieses Geschäftsfeldes im Vergleich zum Zuwachs der anderen Marktsegmente kann, ausgehend von Laings Bewertung, dessen Quote am gesamten Konzertmarkt im Jahr 2015 auf 9 % approximiert werden. Da die Angaben von Dave Laing nicht verifiziert werden können und keine öffentlich zugänglichen Daten zur Entwicklung der weltweiten medialen Verwertung von Live-Musik existieren, handelt es sich dabei ausdrücklich um eine Schätzung. 455 456 457 458 459
Vgl. Pollstar (2017b). Vgl. Parker (2013). Vgl. Laing (2012). Vgl. Nielsen Sports (2016); vgl. Waddell (2015). Vgl. Laing (2012).
3. Evolution der ökonomischen Relevanz werbetreibender Marken in der Musikwirtschaft
Die Addition des so ermessenen Anteils der Einnahmen aus Lizenzen zur medialen Verwertung von Live-Musik mit der Quote der Einkünfte aus Markenkooperationen an den globalen Gesamtumsätzen der Konzertindustrie ergibt, dass 2015 ein Viertel dieser Erträge mittelbar oder unmittelbar aus Mitteln der Markenkommunikation finanziert waren. Selbst bei schrumpfenden Einnahmen aus den genannten Lizenzgeschäften läge der auf Werbung zurückzuführende Anteil am Gesamtmarkt für Live-Musik noch jenseits der 20 %. Folglich stellt die Zusammenarbeit mit kommerziellen Sponsoren, die, für die Möglichkeit eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen oder ihre Marke mit einem spezifischen Künstler assoziiert zu wissen, bereit wären gut zu bezahlen, zwar eine maßgebliche Lösung für das Kostenproblem im Live-Geschäft dar, wie Simon Frith richtig einschätzt,460 führt aber gleichzeitig zu einem einseitig dominierten Abhängigkeitsverhältnis, das vor allem markenseitig profitabel ist. Wenn ein großer Teil von Konzertveranstaltungen, ausgenommen die Aufführungen aus dem Superstar-Segment, in zunehmendem Ausmaß erst durch Markenkooperationen und/oder die mediale Zweitverwertung profitabel wird, sind es in gleicher Weise vermehrt werbetreibende Marken, die determinieren, welche populären Musikformen durch welche Künstler bei LiveMusikevents aufgeführt werden. Mit dieser ökonomisch bedingten Autorität bezüglich der Künstler- beziehungsweise Konzertauswahl für ihre marketinggesteuerten Tätigkeiten verfügen Marken und Werbeagenturen zudem indirekt einerseits über einen Teil der an die Rechteinhaber aufgeführter Musikwerke ausgeschütteten Tantiemen aus dem Live-Segment, einem wichtigen Wachstumsbereich der Einkünfte von Urhebern und Musikverlagen, andererseits über die Tantiemen aus der möglichen medialen Verwertung entsprechender Veranstaltungen. Demgemäß nehmen werbetreibende Marken und die im Auftrag derselben handelnden Werbeagenturen eine ihren Wirkungsradius betreffend größer werdende Machtposition im Geflecht des Geschäftes mit LiveMusik ein, aus der heraus sie einen erhöhten Einfluss auf die gelebte populäre Musikkultur der Gegenwart nehmen.
460 Vgl. Frith (2007), S. 7.
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4. Streaming
In den folgenden Einzelfallanalysen der Streamingdienste Spotify und YouTube werden die gegenwärtigen Praktiken der Musikverwertung im Streamingsegment sowie die Tätigkeiten werbetreibender Marken in selbigem untersucht. Sie dienen nicht allein der Feststellung der weitreichenden Konsequenzen des wachsenden Streaminggeschäfts für die populären Musikkulturen der Gegenwart, sondern darüber hinaus der Evaluation der Bedeutung der Markenkommunikation innerhalb des Streamings und insbesondere der Diskussion der Relevanz des Streaminggeschäfts hinsichtlich der generellen Positionierung werbetreibender Marken innerhalb der kontemporären Musikkulturen.
4.1
Spotify
Spotify ist der aktuelle Marktführer im Musikstreamingbereich1 und verfügt über einen der umfangreichsten Musikkataloge in diesem Tätigkeitsfeld.2 Neben einem kostenfreien und werbefinanzierten Freemium-Service bietet das Unternehmen werbefreie Premium-Abonnements an, die gegen eine monatliche Gebühr von 9,99 € erworben werden können. Der Anbieter erklärt, Tantiemen an die Rechteinhaber der Musikwerke und Musikaufnahmen auszubezahlen. Damit seien die Besitzer der Musik – Plattenlabels, Musikverlage, Vertriebe und, mittels bestimmter Digitalvertriebe, auch Künstler selbst – gemeint.3 Aus welchen Gründen der Dienstleister mit keinem Wort die Verwertungsgesellschaften erwähnt, die, etwa im kontinentaleuropäischen Raum, die Lizenzvergabe zur Verwertung von Musikstücken aus ihrem Repertoire im Streamingbereich vornehmen und diesbezüglich verbindliche Tarife festgelegt haben, kann hier nicht erörtert werden.4
1 2 3 4
Vgl. Oenning (2015). Vgl. Bonset (2015), S. 1. Vgl. Spotify (2013). Vgl. exemplarisch die entsprechenden Tarife der deutschen Verwertungsgesellschaften: GEMA (2019); GVL (2019).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Der ursprünglich aus Schweden stammende Streamingdienst war nach eigenen Angaben Ende 2014 in 58 Ländern verfügbar, hatte mehr als 60 Millionen Nutzer, von denen über 15 Millionen Premium-Nutzer (Bezahlkunden) waren, stellte seinen Kunden einen Katalog von über 20 Millionen Titeln zur Verfügung5 und hätte im gesamten entsprechenden Jahr eine Milliarde US-Dollar an Tantiemen ausbezahlt. Grundsätzlich würde Spotify etwa 70 % seiner Einnahmen, die einerseits durch Abonnementkunden (9,99 €/Monat), andererseits durch Werbung generiert werden, den Rechteinhabern der verwerteten Musik zuführen.6 In Abhängigkeit von der Popularität der Musikstücke auf der Plattform würden diese 70 % zwischen den jeweiligen Rechteinhabern aufgeteilt.7 Weiterhin würde die Tantiemenrate pro Stream von Variablen wie dem Land des Hörers oder auch dem Verhältnis von Gratis- und Bezahlkunden auf dem Portal abhängen und hätte sich 2014 im Durchschnitt zwischen 0,006 und 0,0084 US-Dollar befunden, sofern ein Titel im kostenlosen wie auch im Premium-Bereich gehört worden wäre.8 Die ausschließlich durch Premium-Kunden generierte tatsächliche Gewinnausschüttung pro Stream sei im Mittel erheblich höher, als es diese Spanne reflektiere.9 Demgegenüber berechnet die Rethink Music Initiative des Berklee Institute of Creative Entrepreneurship durchschnittliche Tantiemenzahlungen von 0,0065 US-Dollar im Premium-Segment und 0,0012 US-Dollar im kostenfreien Bereich, die der Streaminganbieter an die Rechteinhaber von Musikaufnahmen und -werken ausbezahlen würde.10 Ein Musikstück müsse grundsätzlich mindestens 30 zusammenhängende Sekunden lang abgespielt werden, um in der internen Datenerfassung des Musikanbieters als Stream registriert zu werden und damit Tantiemen für die Musikschaffenden zu erzeugen.11 Diese Einschränkung in der Feststellung von Abspielvorgängen sei für das Streamingsegment insgesamt kennzeichnend und finde demgemäß gleichermaßen bei der Erhebung von Daten zur Herstellung diesbezüglicher Hitlisten Anwendung.12 Ausgehend vom bisherigen Wachstumskurs prognostiziert das Unternehmen eine Steigerung seiner Tantiemenzahlungen um das Fünffache, wenn eine Anzahl von 140 Millionen Gesamtkunden und 40 Millionen Abonnementkunden erreicht würde.13 Die Aufteilung der Tantiemen zwischen den Rechteinhabern an einem Musikwerk und den Rechteinhabern an einer Musikaufnahme sei abhängig vom jeweiligen Territorium und der lokalen Gesetzgebung. In den USA würden Musikverlage etwa 21 % des Betrages erhalten, den die Rechteinhaber an der Musikaufnahme bekämen.14 Auf dieser Grundlage wird im Folgenden eine beispielhafte Kalkulation der Einkünfte der Rechteinhaber von Musikaufnahmen und -werken aus der Verwertung ihrer Schöpfungen auf Spotify mit deren Umsätzen aus dem Verkauf von DPDs, physischen Tonträgern und der Aufführung im
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Vgl. Schirrmacher (2014). Vgl. Spotify (2013). Vgl. Spotify (2013). Vgl. Spotify (2013). Vgl. Spotify (2013). Vgl. Rethink Music (2015), S. 19. Vgl. Hogan (2017); vgl. Jonze (2014). Vgl. Hogan (2017). Vgl. Spotify (2013). Vgl. Spotify (2013).
4. Streaming
deutschsprachigen terrestrischen Radio verglichen, um die quantitativen Unterschiede dieser Einnahmequellen herauszuarbeiten. Würde ein Musikstück, das 0,007 US-Dollar (als mittlere Rate) an Tantiemen pro Stream generiert, 1 000 000 Mal abgespielt, so würden insgesamt 7 000 US-Dollar an Tantiemen ausbezahlt. Der oben dargestellten Quote zufolge würde Spotify für die Rechte an der Musikaufnahme demgemäß 5 785 US-Dollar, für die Rechte am Musikwerk etwa 1 215 US-Dollar, an die Rechteinhaber ausbezahlen.15 Diese Tantiemen würden in Deutschland zunächst an die rechtewahrnehmenden Instanzen (Plattenlabels, Musikverlage, Verwertungsgesellschaften) entrichtet, sofern die Rechteinhaber vertraglich an diese gebunden sind. In Abhängigkeit von den jeweiligen Konditionen dieser Verträge erhalten die ausübenden Künstler und Urheber schließlich einen prozentualen Anteil der Tantiemen ausbezahlt. Ist der Rechteinhaber am Musikwerk gleichzeitig der Rechteinhaber an der Musikaufnahme, so würde er, bei dem in Deutschland branchenüblichen 60:40-Split mit dem Musikverlag, ungefähr 729 US-Dollar an Tantiemen für seine Rechte am Musikwerk, sowie bei einem optimistisch kalkulierten 20:80-Split mit dem Plattenlabel (die Major-Labels bezahlen im Allgemeinen circa 13 bis 22 % der umgesetzten Tantiemen aus Downloads und Streams an die Künstler aus),16 etwa 1 157 USDollar für seine Rechte an der Musikaufnahme erhalten. Damit wäre der Künstler, ohne die Bearbeitungsgebühren der Verwertungsgesellschaften mit einzubeziehen, mit 1 886 US-Dollar (circa 1 662 € am 22. Oktober 2015) an den Tantiemen für 1 000 000 Streams seines Titels beteiligt. Die geringe prozentuale Beteiligung der ausübenden Künstler an den Einnahmen aus Musikaufnahmen wurde von den großen Labels folglich deckungsgleich aus der branchenüblichen Quote für physische Tonträger übernommen, die von den Plattenlabels hergestellt, vermarktet und verkauft wurden.17 Da diese Leistungen im Streaminggeschäft nicht mehr existieren, die Major-Labels anwachsende Vorschusszahlungen von Spotify erhalten (bspw. Sony Music)18 und Unternehmensbeteiligungen am Streamingdienst besitzen, ist eine derartig niedrige Beteiligung der Künstler an den Einkünften der Plattenlabels aus dem Streamingsegment wenig plausibel und stellt sich als Teil der Gesamtproblematik des Geschäftsbereichs dar. Würde oben genanntes Musikstück, bei einem Verkaufspreis von 0,99 €, die gleiche Anzahl von Downloads (DPDs) im iTunes-Store erreichen, so würde die GEMA, nach Abzug ihrer Bearbeitungsgebühr, alleine für die mechanischen Rechte etwa 7 Eurocent pro Download an die Rechteinhaber des Musikwerks ausbezahlen.19 Bei entsprechender Bindung an einen Musikverlag und dem in Deutschland verbreiteten 60:40-Split würde der Urheber folglich etwa 42 000 € für die mechanische Vervielfältigung seines Werks erhalten. Der Verkaufspreis von 0,99 € setzt sich folgendermaßen zusammen: Das Plattenlabel verkauft den Titel zum Vertriebsabgabepreis (VAP, bspw. 0,51 €) an einen Digitalvertrieb, der wiederum, nach Addition seiner Marge (etwa 25 % des VAPs, also bspw. 0,13 €), das Stück zum Händlerabgabepreis (HAP) von 0,64 € an iTunes verkauft, die ebenfalls ihren Anteil von etwa 55 % (also z.B. 0,35 €) des HAPs hinzufü15 16 17 18 19
Vgl. Spotify (2013). Vgl. Rethink Music (2015), S. 20 (Case Study, Royalty Rates). Vgl. Rethink Music (2015), S. 14. Vgl. Rethink Music (2015), S. 16; vgl. Singleton (2015). Vgl. Haaksman (2014).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
gen.20 Von diesem Gewinn muss die Firma Apple unter anderem 0,08 € für die oben genannten mechanischen Rechte an die GEMA abführen.21 Handelt es sich wiederum um einen 20:80-Deal des Künstlers mit dem Tonträgerhersteller, so erhält der Künstler etwa 0,10 € pro Download (20 % des VAPs), insgesamt also circa 102 000 €. Verfügt der Künstler wiederum über die Rechte am Musikwerk und der Musikaufnahme, so hätte er mit 144 000 € etwa den 87-fachen Betrag des oben berechneten Streamingverdienstes (in Euro) eingenommen.22 Der ausschließlich quantitative Vergleich der Streamingeinnahmen mit dem Einkommen aus dem Verkauf physischer Tonträger stellt sich ähnlich dramatisch dar. Bei einem Herstellungspreis von 3,00 € und einer labelseitigen Marge von 3,50 € wäre der Vertriebsabgabepreis eines Albums auf CD etwa 6,50 €.23 Wenn das Plattenlabel etwa 1,00 € für die mechanischen Rechte an die GEMA abführt, so würden davon (beim 60:40-Split mit dem Musikverlag und nach Abzug der GEMA-Bearbeitungsgebühren) ungefähr 0,51 € pro Tonträger an den Künstler ausbezahlt. Befänden sich zehn Titel auf dem Tonträger, die alle nahezu die gleiche Spielzeit besitzen, so wäre der quantitative Anteil eines Musikstücks an den Tantiemen, bei 1 000 000 Tonträgerkopien, circa 51 000 €. Nachdem der Vertrieb ebenfalls 3,50 € an den Tonträgern verdienen will, ergäbe sich ein Händlerabgabepreis an den Einzelhandel von 10,00 €, was, bei einer Marge des Einzelhandels von 6,00 € (60 % des HAPs), zu einem Verkaufspreis von 16,00 € führen würde.24 Der Künstler würde wiederum zwischen 18 und 22 % des VAPs vom Tonträgerhersteller ausbezahlt bekommen – was bei einem Mittelwert von 20 % (1,30 €) und 1 000 000 verkauften Tonträgern einen Verdienst von 1 300 000 € ergeben würde. Inklusive der Tantiemen von der GEMA wäre damit durch einen Titel – rein mathematisch betrachtet – ein Einkommen von 181 000 € generiert worden, das in dieser vereinfachten Berechnung dem 109-fachen des Verdienstes aus dem Streaming entspricht. Vergleicht man die Einkünfte aus der Wiedergabe eines Titels im deutschsprachigen terrestrischen Radio mit denjenigen aus dem Streaming, so werden die Unterschiede noch markanter. Je nach Reichweite, Größe der Hörerschaft, Musikanteil am Gesamtprogramm, Werbeeinnahmen, vertraglicher Vereinbarungen mit der GEMA und anderen Variablen führen die Radiosender in etwa zwischen 1,50 € und 15 € pro Sendeminute an die GEMA ab. Die GEMA behält 15 % des Betrages für ihren Verwaltungsaufwand ein und bezahlt folglich 85 % der erhobenen Gebühren an die Urheber aus.25 Würde ein Musikstück also 1 000 000 Mal auf Radiosendern abgespielt, die dafür pro Sendung einen mittleren Betrag von 2,50 € an die GEMA abführen, so erhielte der Künstler (beim 60:40-Split mit dem Musikverlag) etwa 1,28 €/Sendung und damit 1 280 000 € an Tantiemen alleine von der GEMA, was dem 770-fachen der Einkünfte aus dem SpotifyStreaming entspricht – ohne die Ausschüttungen der GVL zu berücksichtigen.
20 21 22 23 24 25
Vgl. Haaksman (2014). Vgl. Haaksman (2014). Vgl. Haaksman (2014). Vgl. Haaksman (2014). Vgl. Haaksman (2014). Vgl. MDR (2015).
4. Streaming
Zweifelsohne lassen sich der Verkauf eines physischen Tonträgers oder DPDs im iTunes-Store sowie die Sendung eine Musiktitels im terrestrischen Radio, bei der in der Regel eine breite Öffentlichkeit erreicht wird, die keinen Einfluss auf das ausgestrahlte Programm besitzt, zunächst nur sehr ungenügend mit dem Music-on-DemandStreaming vergleichen, bei dem ein gezielter Abspielvorgang (Stream) von einer oder mutmaßlich wenigen Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt getätigt wird. Wenn allerdings die traditionellen Medien (Tonträger, Radio, Fernsehen etc. aber auch DPDs), die bereits seit dem Beginn der Digitalisierung deutlich an Relevanz verlieren, durch das Angebot der Streamingdienste, die es dem Hörer ermöglichen zu jeder Zeit und an jedem Ort gewissermaßen auf das gesamte existierende Musikrepertoire der Welt zuzugreifen (im September 2015 waren bereits mehr als 30 Millionen Titel auf Spotify verfügbar)26 , hinfällig werden und es folgerichtig rational betrachtet weder einen Grund gibt Radio zu hören, noch Tonträger oder DPDs zu besitzen, werden die obigen Vergleiche der Einkünfte von Musikschaffenden notwendig und besitzen, trotz ihrer simplifizierten Form sowie der Verschiedenartigkeit der besprochenen Medien, eine hohe Relevanz. So wird auch das von Spotify prognostizierte Wachstum ihrer Tantiemenauszahlungen um das Fünffache nicht ausreichen, um die Einkommensausfälle der Musikschaffenden zu kompensieren. Spotify und alle anderen Music-on-Demand-Streamingdienste sind also eine der Ursachen des Problems, für das sie sich selbst als Lösung präsentieren. Marc Ribot, ein angesehener Jazz-Gitarrist aus New York, der ehemals mittlere Einkommen aus seiner Musikertätigkeit erzielt hätte, erklärt im Interview mit dem Magazin The New Yorker: »Here’s the simple fact that no one wants to talk about. Spotify says it pays out seventy per cent of its revenues to rights holders. Well, that’s very nice, that’s lovely. But if I’m making a shoe, and it costs me a hundred dollars to make it, and the retailer is selling that shoe for ten dollars, then I don’t care if he gives me seventy per cent, I don’t care if he gives me one hundred per cent – I’m going out of business. Dead is dead.«27 Folgerichtig haben bereits eine Reihe namhafter Künstler, unter anderem Prince, Taylor Swift oder auch Neil Young, ihr gesamtes Repertoire oder Teile dessen aus den Datenbanken der Streamingdienste entfernen lassen.28 »Artists of all kinds have been evaluating and debating the market and in some cases deciding that the economics do not work.«29 Obwohl die obigen Berechnungen das schwerwiegende Missverhältnis der Einkünfte der Urheber und Künstler aus traditionellen und neuen Medien sowie damit einhergehend den massiven Exklusivitäts- und Wertverlust von Musik widerspiegeln, betrachtet Spotify seinen Dienst als wirkungsvolles Instrument gegen Piraterie und sich selbst als Wohltäter im Musikgeschäft.30 Aus dieser Perspektive ist das Musikstreaming ein Wachstumsmarkt, der den ohnehin bestehenden signifikanten Einkommensverlusten der Musiker und Songwriter entgegenwirkt. Die Mehrheit des heutigen Musikkonsums
26 27 28 29 30
Vgl. Spotify (2015a). Seabrook (2014). Vgl. Sisario (2015a). Sisario (2015a). Vgl. Spotify (2013).
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würde nur wenig bis gar kein Geld für Künstler generieren.31 Spotify sieht sich als die Lösung dieses Problems: »We are working hard to fix this, and are proud to offer music fans a legal and paid service capable of generating for artists the royalties that they deserve.«32 Die Firmenbeteiligungen der Major-Labels an Spotify und die geringfügigen Tantiemenauszahlungen lassen sich mit dieser Selbstdarstellung nur schwer vereinen. In den vertraulichen und der strengen Geheimhaltung unterliegenden vertraglichen Übereinkünften von Spotify mit den Major-Labels hinsichtlich der Konditionen des Erwerbs der erforderlichen Nutzungsrechte für das musikalische Repertoire der Plattenfirmen33 sind unter anderem Unternehmensbeteiligungen von und ansteigende Vorschusszahlungen an die großen Plattenfirmen festgelegt.34 So bekommt vor allem der letzte Teil der Aussage einen sarkastischen Charakter: Künstler, deren Musik millionenfach gehört wird, hätten es demgemäß einfach nicht verdient, mehr Geld als die sehr geringen von Spotify ausbezahlten Tantiemen für ihre Leistungen zu erhalten. Obwohl sich das Unternehmen in seiner Außendarstellung große Mühe gibt, die Vorteile seines Systems für Musikschaffende darzustellen und es nicht zu leugnen ist, dass die Künstler, im Vergleich zu illegalen Tauschbörsen und Downloads, die bekanntlich keine Einnahmen generieren, wie auch zum Videostreamingportal YouTube oder Radiostreamingdiensten, einen Zuwachs an Einnahmen verbuchen können,35 bleiben diese Einkünfte so niedrig, dass sie in keiner Relation zum Verdienst der Musikschaffenden aus traditionellen Medien stehen. Da es selbst bei derartig geringen Tantiemenauszahlungen aus unternehmensökonomischer Betrachtungsweise äußerst zweifelhaft ist, ob Streamingdienste nach dem Spotify-Modell überhaupt dazu geeignet sind, profitabel zu arbeiten, erscheint dies bei deutlich erhöhten Lizenzgebühren seitens der Lizenzgeber schlichtweg unmöglich.36 Trotz des stetigen und rapiden Wachstums von Spotify, hat es das Unternehmen bislang nicht geschafft, Gewinne zu erwirtschaften. Im Gegenteil: die Nettoverluste wuchsen im Vergleich zu 2013 im Jahr 2014 schneller an, als die Jahresumsatzsteigerung. Während der Jahresumsatz 2013 bei 746,9 Millionen Euro lag, konnten 2014 rund 1,08 Milliarden Euro umgesetzt werden, was einer Wachstumsrate von etwa 45 % entspricht. Davon würden etwa 91 % (982,9 Millionen Euro) durch die monatlichen Gebühren der Abonnementkunden generiert, die restlichen 9 % (98,8 Millionen Euro) durch Werbung erwirtschaftet. Demgegenüber wuchsen die Nettoverluste von 55,9 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 162,3 Millionen Euro im Jahr 2014 an – sie haben sich also annähernd verdreifacht.37 Hierzu tragen, neben steigenden Vorschusszahlungen an MajorLabels38 gestiegene Personal- und Vertriebskosten39 , vor allem aber die 75 % aller Nutzer bei, die den Service umsonst in Anspruch nehmen und damit nur mittelbar, durch Werbung, mit 9 % zum Umsatz beitragen. 31 32 33 34 35 36 37 38 39
Vgl. Spotify (2013). Spotify (2013). Vgl. Rethink Music (2015), S. 14, S. 16; vgl. Singleton (2015). Vgl. Rethink Music (2015), S. 16f. Vgl. Spotify (2013). Vgl. Brustein (2014). Vgl. Dredge (2015). Vgl. Singleton (2015). Vgl. Dredge (2015).
4. Streaming
Solange nur etwa ein Viertel der Kunden des Anbieters bereit ist, für die Nutzung des Streamingdienstes zu bezahlen, kann Spotify wirtschaftliche Rentabilität nur erlangen, wenn die Werbeeinnahmen aus dem Geschäft mit den so genannten FreemiumKunden, die keine monatliche Gebühr für den Service bezahlen, aber drei Viertel aller Nutzer ausmachen, deutlich ansteigen und das Unternehmen andersartige Kooperationen mit Marken eingeht. Die am schnellsten wachsende Einnahmequelle der Musikindustrie seien Werbeeinkünfte aus Streamingdiensten, die, einer Vorhersage des Instituts Juniper Research zufolge, bereits 2017 mehr als eine Milliarde US-Dollar betragen würden.40 Die Wachstumsraten der Werbeeinnahmen bei Spotify belegen diesen Trend: Im ersten Quartal 2015 hätten diese, im Vergleich zum selben Quartal 2014, insgesamt um 53 % zugenommen – die Einkünfte aus dem Werbegeschäft für mobile Endgeräte sogar um 380 %.41 Nachdem Spotify im Herbst 2014 die beiden ersten audiovisuellen Werbeprodukte, Video Takeover und Sponsored Sessions, eingeführt hat,42 kündigte Daniel Ek, der Geschäftsführer des Unternehmens, im Mai 2015 an, Podcasts und weitere Videoinhalte in den Service zu integrieren, um so die Werbeeinnahmen weiter steigern zu können.43 Die Werbebetreibenden würden mehr Geld für audiovisuelle Spots bezahlen, als sie vergleichsweise in Audio-, Druck-, Bild- oder Textanzeigen investierten.44 Ek erklärt weiter, die großen Vorteile des Unternehmens gegenüber seinen Konkurrenten seien vor allem die riesige Menge an Informationen über Musikkonsumenten, die der Konzern seit seinem Bestehen gesammelt habe, sowie die Fähigkeit, diese Daten auszuwerten,45 die mit dem Kauf der auf musikalische Informatik und Big Data spezialisierten Firma Echo Nest weiter ausgebaut wurde.46 Eine 2015 eingeführte Änderung der Datenschutzbestimmungen hinsichtlich mobiler Endgeräte, der die Kunden zustimmen mussten, um den Service weiterhin nutzen zu können, erlaube es dem Unternehmen darüber hinaus weitaus detailliertere, spezifischere und differenziertere Kundendaten zu gewinnen, als dies bislang möglich gewesen wäre.47 Neben persönlichen Informationen, die auf Mobilgeräten gespeichert sind (wie bspw. Kontakte, Fotos oder Mediendateien) greift Spotify sensorische Daten (bspw. die Bewegungsgeschwindigkeit) sowie, in Abhängigkeit der Einstellungen des Nutzers, Ortungsdaten ab.48 Dies ermöglicht dem Dienst einerseits eine enorme Verbesserung der Personalisierung der jeweiligen Song- oder Playlist-Vorschläge für den Kunden, andererseits eine deutlich genauere Identifikation der Nutzer zu Werbezwecken und damit höhere Einnahmen aus diesem Geschäftsfeld. »Our new targeting solutions based on rich behavioural insights combined with our global footprint in 58 markets give brands unprecedented ways to reach streaming consumers«, sagt Jeff Levick, der Verantwortliche für alle umsatzgenerierenden Prozesse (»Chief Revenue Of-
40 41 42 43 44 45 46 47 48
Vgl. Willens (2015). Vgl. Ingham (2015). Vgl. Ingham (2015). Vgl. Shaw (2015). Vgl. Shaw (2015). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Murphy Kelly (2014). Vgl. dpa-AFX (2015a). Vgl. dpa-AFX (2015a).
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ficer«) bei Spotify.49 So findet eine Verknüpfung der zeit- und ortsbezogenen sowie sozialen Daten, die durch eine seit 2011 bestehende Kooperation mit Facebook ergänzt werden, mit den Informationen zur konsumierten Musik, die von einer Art künstlicher musikalischer Intelligenz der Firma Echo Nest klassifiziert wird, statt.50 Spotify wisse wann und in vielen Fällen auch wo bestimmte Titel oder Playlisten gehört würden, woraus die Programmierer ableiten könnten, was die Menschen mutmaßlich gerade täten (bspw. Studieren, Trainieren oder zur Arbeit fahren).51 Durch die Berücksichtigung von Daten wie dem Wetter oder dem Beziehungsstatus auf Facebook erhofften sich die Programmierer noch mehr über die Hörer zu erfahren, erklärt Brian Whitman, einer der Gründer von Echo Nest.52 Man hätte die Nuss geknackt, so viele Informationen aus der Musik auszulesen, wie es automatisiert möglich sei – der nächste Schritt wäre es, so viel wie möglich über die Hörer herauszufinden.53 Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussage, so viele Informationen aus der Musik auslesen zu können, wie es automatisch möglich sei, der zumindest angezweifelt werden kann, ist die Verwendung und Verknüpfung von nur etwa 50 Variablen, wie etwa Sprachhaftigkeit (»speechiness«) oder Akustikartigkeit (»acoustic-ness«), keinesfalls ausreichend, musikalische Inhalte hinreichend genau beschreiben zu können.54 Das große Interesse des Unternehmens an den personen-, orts- sowie zeitbezogenen Daten der Nutzer belegt, dass die Kontextabhängigkeit der Musikwahrnehmung und -selektion nun auch systematisch in die ökonomische Verwertung musikalischer Inhalte einbezogen wird. Die musikanalytischen Informationen und die Nutzerdaten dienen sowohl realen Kuratoren wie auch intelligenten Programmen, die als Kurator fungieren, die richtigen Titel für bestimmte Aktivitäten oder Stimmungen auszuwählen und in entsprechenden Playlisten zusammenzufassen.55 In Abhängigkeit vom konkreten Geschmacksprofil eines Nutzers könnten diese Playlisten schließlich individuell angepasst werden.56 Abgesehen von kuratierten Wiedergabelisten, die das Unternehmen selbst generiert, bietet der Streamingdienst den Nutzern die Möglichkeit, selbst Playlisten aus dem vorhandenen Repertoire zu erstellen und mit der Spotify-Community zu teilen. Die Playlist sei das Album der Streamingwelt.57 Im April 2015 wären bereits mehr als 1,5 Milliarden Wiedergabelisten auf Spotify gezählt worden.58 Es ist folgerichtig wenig überraschend, dass der Streaminganbieter dieses Format in erheblichem Ausmaß zu Werbezwecken einsetzt. Das Angebot der Branded Playlists befähigt werbetreibende Marken individuelle Wiedergabelisten zu erstellen, die mit ihrem visuellen Logo und textlichen Inhalten verknüpft, mit externem Onlinecontent verlinkt oder auf Social Media-Kanälen geteilt wer-
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Ingham (2015). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Seabrook (2014). Vgl. Ingham (2015).
4. Streaming
den können.59 Diese Playlisten müssen nutzergeneriert sein (die Marke kann sich als Nutzer registrieren), mindestens 40 Titel umfassen und dürfen dabei nur einen Titel pro Künstler enthalten.60 Weiterhin heißt es in den Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen des Dienstes im Abschnitt 11.4 zu den Markenplaylisten, diese dürften keine Partnerschaft oder Beziehung »zwischen der Marke und einem Künstler oder einer anderen Partei nahelegen, es sei denn, die Marke hat eigenständig und unabhängig die Rechte zur Voraussetzung einer solchen Partnerschaft erworben.«61 Damit sichert sich die Firma unter anderem gegenüber Klagen von Rechteinhabern an Musikwerken oder Musikaufnahmen nach dem deutschen Urheber- und Leistungsschutzrecht ab, nach dem die Verwertung eines Musikstücks in einer Markenplaylist durchaus eine werbliche Nutzung darstellt, und überträgt die Pflicht, dementsprechende Rechte zu lizenzieren, an diejenigen Marken und Unternehmen, die das Angebot der Branded Playlists in Anspruch nehmen. Gäbe es Grund zu der Annahme, »dass ein bestimmter Künstler Probleme mit Ihrer Marke hat«, so solle man »vielleicht besser die Finger davon lassen«, erklärt ein Artikel im Kundenservicebereich von Spotify.62 Das Unternehmen ist sich folglich der aus rechtlicher Sicht fragwürdigen Verwertung von Musikstücken in Markenplaylisten durchaus bewusst. Während die Rechteinhaber nach dem Urheber- und Leistungsschutzrecht beispielsweise gegen die Verwertung ihres Titels zur werblichen Nutzung vorgehen könnten, ist nach dem US-amerikanischen Copyright eine Klage gegen die Herstellung abgeleiteter Werke denkbar. Letzteres legt der 2014 außergerichtlich und einvernehmlich beigelegte Rechtsstreit des englischen Plattenlabels Ministry of Sound mit Spotify nahe. Der Tonträgerhersteller hatte Spotify beschuldigt, nutzergenerierte Playlisten bereitzustellen und zu verbreiten, die nach Meinung des Labels auf ihren hauseigenen Compilations basierten, welche aufgrund ihrer spezifischen Titelauswahl und Arrangements zum Schutz durch das Copyright berechtigt seien.63 Durch die außergerichtliche Einigung, die Spotify etwa zur Entfernung der entsprechenden Wiedergabelisten aus den Suchergebnissen verpflichtet, verhinderte das Unternehmen die mögliche rechtskräftige Einordnung von Playlisten als unter dem Dach des Copyright geschützte Werke durch ein offizielles Gericht.64 Eine solche Bewertung würde Branded Playlists (wie auch alle anderen Wiedergabelisten von Streaminganbietern) mit hoher Wahrscheinlichkeit zu abgeleiteten Werken aus den jeweiligen Musikstücken machen, die gleichermaßen im deutschen Urheber- und Leistungsschutzrecht wie auch im US-amerikanischen Copyright nicht ohne entsprechende Lizenzen der Rechteinhaber hergestellt werden dürften. Ob die Kombination von Musikstücken mit optischen Markenzeichen (Logos), textlichen Botschaften und Hyperlinks zu weiteren markenverknüpften Inhalten darüber hinaus ebenfalls ein abgeleitetes Werk darstellt, müsste ebenso diskutiert werden. Aus musikrechtlicher und ökonomischer Perspektive stellt sich schließlich die Frage, auf welcher Grundlage Spotify Streamingvorgänge aus Branded Playlists mit denselben Tantiemenbeträgen vergütet, wie es nicht markenbezoge59 60 61 62 63 64
Vgl. Spotify (2015l); vgl. Markowski (2013). Vgl. Spotify (2015l). Vgl. Spotify (2012). Vgl. Spotify (2015b). Vgl. Dredge (2014). Vgl. Dredge (2014).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
ne Abspielvorgänge kompensiert. Allein die oben fragmentarisch dargestellten, durch die Markenplaylisten betroffenen Nutzungsrechte, verdeutlichen die Unangemessenheit der verschwindend geringen Tantiemenzahlungen für diese Art der Musikverwertung. So sind die gesetzgebenden Gewalten, Verwertungsgesellschaften und Stakeholder innerhalb der Musikwirtschaft gefragt, diese neuartigen Verwertungsformen von Musik realitätsnah in eine transparente, plausible und zukunftsorientierte Lizenzierungssystematik zu überführen und die Urheber und ausübenden Künstler adäquat für ihre Leistungen zu vergüten. Das Playlist Targeting erlaubt es dem Anwender, seine Werbebotschaften auf Basis der Verwendung und Auswertung der durch die Hörer von Playlisten generierten Daten sowohl inhaltlich und zeitlich als auch hinsichtlich der verwendeten Endgeräte zielgerichtet einzusetzen.65 Hierfür leitet Spotify aus den reichhaltigen Nutzerdaten zunächst den Kontext ab, in dem die Playlisten gehört würden – ob die Nutzer beispielsweise Sport machten, ein Barbecue gäben oder glücklich seien.66 Die Playlisten wären demnach Stellvertreter für Aktivitäten oder Stimmungen, in denen sich die Menschen beim Hören befänden.67 Auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse klassifizierte Spotify zum Start des Programms im Mai 2014 alle verfügbaren Playlisten in zunächst 15 Kategorien, die zum Beispiel Workout, Pendeln oder Party hießen.68 Durch die Ermittlung derjenigen Nutzer, die regelmäßig Wiedergabelisten aus diesen Kategorien hören, erstellt Spotify Zielgruppensegmente, die täglich aktualisiert würden.69 So ermöglichten die Aktivitätskategorien etwa einem Sportwarenhersteller seinen Werbespot während des morgendlichen Jogging-Laufs eines Hörers zu platzieren, wohingegen die Stimmungskategorien eine Marke wie Coca-Cola dazu befähigten, etwa ihre Open Happiness-Kampagne zielgenau unterzubringen, wenn Menschen stimmungsfördernde Musik hörten.70 Die musikalischen Inhalte, zusammengefasst in Playlisten, erfüllen dabei also einzig den Zweck, Rückschlüsse auf die Aktivitäten und Stimmungen der Hörer zu ermöglichen, die sie zum Zeitpunkt des Musikkonsums ausführen beziehungsweise in denen sie sich befinden, um Werbebotschaften zielgerichtet platzieren zu können. Dies gilt gleichermaßen für alle anderen Angebote des Unternehmens, wie etwa das Genre-Targeting, die demografische Zielausrichtung oder die zeit- und endgerätebezogene Zielgruppeneinordnung,71 die auf eine spezifische Zielgruppenansprache abzielen. Wenn nun Musik als Werkzeug zur Kundendatengewinnung dient und diese Informationen letztlich an Werbetreibende zur zielgenauen Positionierung ihrer Anzeigen verkauft werden, drängt sich auch in diesem Kontext die Frage auf, inwiefern es sich dabei um die werbliche Nutzung musikalischer Inhalte handelt, die eine entsprechenden Lizenzierung erfordert. So stehen die ausgeschütteten Tantiemen der Rechteinhaber in keinem Verhältnis zu den, vor allem durch flächendeckendes mobiles
65 66 67 68 69 70 71
Vgl. Peterson (2015). Vgl. Peterson (2015). Vgl. Peterson (2015). Vgl. Peterson (2015). Vgl. Spotify (2015c). Vgl. Peterson (2015). Vgl. Spotify (2015c).
4. Streaming
Internet und Smartphones sowie die immense Steigerung der Rechnerleistungsfähigkeit und -kapazität ermöglichten, neuen Qualitäten der Kundendatengewinnung und -auswertung, für welche die musikalischen Werke und Aufnahmen genutzt werden. Diese bislang unbekannte Art der Musiknutzung fand bis dato keinen Eingang in die öffentliche Diskussion zu einer zeitgemäßen Anpassung des Urheber- und Leistungsschutzrechts und folgerichtig auch keine Aufnahme in den gesetzlich geschützten Musikverwertungskatalog. Nachdem Spotify sich Anfang 2015 zum insgesamt siebten Mal externe finanzielle Mittel gesichert hatte, in diesem Fall etwa 400 Millionen US-Dollar durch die Goldman Sachs Gruppe und einen Staatsfonds aus Abu Dhabi, schätzte das Wall Street Journal den Wert des Unternehmens auf 8,4 Milliarden US-Dollar ein.72 Bei einem Jahresumsatz 2014 von rund 1,3 Milliarden US-Dollar, dramatisch wachsenden Verlusten und wenig Aussicht, ein profitables Geschäft zu etablieren, muss die Einschätzung des Wall Street Journals auf anderen als den monetären Parametern basieren. Neben dem umfangreichen Musikrepertoire respektive den diesbezüglichen Nutzungslizenzen sind es vor allem die immense Kundenanzahl (im September 2015 waren mehr als 75 Millionen aktive Nutzer bei Spotify registriert)73 sowie die dadurch verfügbaren riesigen Mengen an Kundendaten, deren Qualität und die Möglichkeiten, diese Daten auszuwerten, die eine derart hohe Werteinschätzung der Marke legitimieren. Während die USamerikanische Musikwirtschaft 2014 etwa 6,97 Milliarden US-Dollar aus dem Verkauf von Tonträgern umgesetzt hat und alleine an diesen Zahlen gemessen wird, könnte man schlussfolgern, Spotify besitze einen höheren Wert als die gesamte amerikanische Musikindustrie.74 Dessen ungeachtet gibt es keine Möglichkeit für Urheber und Künstler an diesem hohen Markenwert zu partizipieren – die Aktiengesellschaft wird bislang (Stand 2015) nicht an der Börse gehandelt.75 Aus diesem Grund sind es einzig die Anteilseigentümer, zum Beispiel die drei Major-Labels oder die Goldman Sachs Gruppe, die vom hohen Wert des Unternehmens profitieren, obwohl das gesamte Geschäftsmodell letztlich auf der Bereitstellung eines breiten musikalischen Repertoires, den Werken und Aufnahmen der Künstler, beruht. Aus den Umsätzen der Musikindustrie durch Tonträgerverkäufe lassen sich reale Einkommen von Musikern und Urhebern ableiten, wogegen der Wert des Unternehmens Spotify aktuell weitestgehend keine Bedeutung für die Einkünfte der Künstler besitzt. Eine weitere Dimension der Aktivitäten von Spotify, die dringend der kritischen wissenschaftlichen Auseinandersetzung bedarf, allerdings ihm Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich diskutiert werden kann, ist die Methodik, mit der das Unternehmen sowohl die Kunden- als auch die musikalischen Daten erhebt, auswertet und veröffentlicht. So muss etwa der Algorithmus hinterfragt werden, den Spotify nutzt um Tonarten von Musikstücken zu identifizieren wie auch die Schlussfolgerungen, die das Unternehmen daraus zieht. Demzufolge seien Durtonarten im Vergleich zu Molltonarten deutlich häufiger im Repertoire des Streamingdienstes vertreten, was Sinn mache, weil
72 73 74 75
Vgl. Macmillan, Demos (2015). Vgl. Spotify (2015a). Vgl. Sheffield (2015). Vgl. dpa-AFX (2015b).
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dies die glücklich klingenden Tonarten seien und die Menschen gerne glücklich klingende Musik hören würden.76 Dass Durtonarten die glücklich klingenden Tonarten seien entbehrt nicht nur jeglicher Basis – diese Aussage ist im musikwissenschaftlichen Diskurs bereits vielfach widerlegt worden.77 Ferner muss beispielsweise die künstliche Intelligenz hinterfragt werden, die musikalische Genres definiert und Titel in diese einordnet. Im September 2015 arbeitete das von Echo Nest implementierte System bereits mit 1 369 Genres, in die Musikstücke automatisiert kategorisiert wurden.78 Obwohl es dabei innerhalb der Genres Unterschiede in der Zuordnung macht (bspw. ob sich ein Titel eher im Kern des Genres oder an dessen Grenze befindet), Musikstücke auch in mehrere Kategorien einordnen kann und ein lernendes System ist,79 kann es doch die diskursive und damit soziale Komponente der Entwicklung von Musikgenres und der Lokalisierung einzelner Musikstücke innerhalb dieser Genres nicht integrieren und muss dadurch entscheidende Faktoren dieser generischen Begrifflichkeiten vermissen lassen.80 In diesem Kontext stellt sich zudem die Frage, ob man die mit der Definitionsgewalt über populärmusikalische Gattungsbegriffe einhergehende Macht dem lernenden Algorithmus einer Aktiengesellschaft überlassen sollte. Diese beiden Beispiele sollen exemplarisch für eine Vielzahl von Vorgängen und Aktivitäten des Unternehmens im Bereich der Datenerhebung und -auswertung stehen, die der weiterführenden wissenschaftlichen Diskussion außerhalb der vorliegenden Arbeit bedürfen.81 Abgesehen von den Standard-Werbeformaten, die Spotify seinen Geschäftskunden anbietet,82 geht das Unternehmen häufig individuelle Kooperationen mit Marken ein, um innovative Marketingformate umzusetzen. Dabei werden beispielsweise eigenständige Apps programmiert, die es den Nutzern ermöglichen aktiv Warm-Up-Playlisten für Konzerte mitzugestalten und angesichts ihrer Partizipation die Chance auf den Gewinn exklusiver Karten für die entsprechende Show zu erhalten.83 In einem anderen Format, den Crew-Playlisten, müssen die Konsumenten ihre Clique auf Facebook mit ihrer entsprechenden individuellen Playliste per Markierung respektive Tagging verknüpfen, um wiederum beispielsweise Einkaufsgutscheine gewinnen zu können.84 Weiterhin ist Spotify bereits bei einer Reihe von Automobilherstellern (bspw. BMW, Ford, Volvo) in die digitale Bedienoberfläche und die Musikanlage der Fahrzeuge integriert und ermöglicht so, vorausgesetzt der Hörer besitzt ein Nutzerkonto, auch in dieser Umgebung den mühelosen Zugriff auf das gesamte Musikrepertoire des Streamingdienstes.85 Selbiges gilt für die Spielkonsolen PlayStation 3 und PlayStation 4 der Firma Sony Network
76 77 78 79 80 81
82 83 84 85
Vgl. Spotify (2015d). Vgl. Schoenrock (2009), S. 101. Vgl. Spotify (2015e). Vgl. Richmond (2014). Vgl. Echo Nest (2013a). Weiterführende Informationen zu den Veröffentlichungen, der Methodik und Ergebnissen der Datenerhebungen und Algorithmen von Spotify und Echo Nest: vgl. Spotify (2015d); vgl. Echo Nest (2013b). Vgl. Spotify (2015f). Vgl. Spotify (2015g). Vgl. Spotify (2015h); vgl. Spotify (2015i). Vgl. Spotify (2015j).
4. Streaming
Entertainment International LLC (SNEI), die den Streamingdienst seit März 2015 in das interne Musiksystem (PlayStation Music) der Geräte eingebettet hat.86 Einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Rentabilität des Unternehmens könnte zukünftig ein eigenständiges Start-up nehmen, das eng mit Spotify verknüpft ist: Soundtrack Your Brand.87 Das Unternehmen wurde 2013 vom ehemaligen Leiter der Unternehmensentwicklung (Head of Business Development) bei Spotify, Andreas Liffgarden, und dem Mitbegründer des mittlerweile in Apple Music integrierten Streamingdienstes Beats Music, Ola Sars, ins Leben gerufen und bietet Geschäftskunden in einem ausschließlichen Business-to-Business-Modell spezifische Abonnements an, die konzeptionell und rechtlich auf Abspielsituationen in Ladengeschäften, Restaurants, Bars und anderen kommerziellen öffentlichen Standorten ausgerichtet sind.88 Gemäß Liffgarden sei die Idee hinter dem Start-up, sich der Popularität von Spotify aus dem Musikstreaming zu bedienen, um damit den aktuellen Markt für Musik in Ladengeschäften – den Instore-Musikmarkt – zu erschüttern.89 Abgesehen von einem Anteil an den monatlichen Einnahmen aus den Abonnements der Geschäftskunden, respektive der inhärenten Nutzungslizenzen hinsichtlich des Musikkatalogs, profitiert Spotify, aufgrund seiner finanziellen Beteiligung an Soundtrack Your Brand als Investor, ebenfalls vom Wachstum und Gewinn der Neugründung.90 Im Vergleich zum verlustbehafteten Streaminggeschäft mit Privatkunden, das auch perspektivisch nur geringe Aussichten auf Rentabilität besitzt, könnte sich das B2B-Produkt von Soundtrack Your Brand für Spotify ökonomisch langfristig auszahlen. »Denn während die Zurückhaltung bei Privatnutzern sowie die Fragmentierung des Marktes aufgrund unzähliger Konkurrenten die Aussichten auf einen nachhaltigen Betrieb eines on-DemandAngebots trübt, könnte mit der aktiven Umwerbung von Firmen ein enormer Markt erschlossen werden. Ein Markt, in dem es weitaus weniger vergleichbare Rivalen gibt, und in dem die Kunden nicht jeden Euro dreimal umdrehen.«91 Das Gründer- und Unternehmerportal Förderland bezeichnet gewerbliches Musikstreaming folgerichtig als potenziellen Milliardenmarkt.92 Dieser Geschäftsbereich sei bislang weitestgehend unberührt und einer der wenigen, die noch nicht digitalisiert seien, erklärt Ola Sars.93 Nachdem sich das Unternehmen in den skandinavischen Ländern etabliert habe, werde man den weiteren europäischen Markt erschließen sowie in die USA und darüber hinaus expandieren.94 Das Interesse der Kunden sei sehr hoch und die Möglichkeiten groß, erläutert Andreas Liffgarden.95 Demgemäß habe man die ursprüngliche Idee, eines Tages von Spotify übernommen und in das Unternehmen integriert zu werden, mittlerweile verworfen – »We are looking to go long and big.«96 Sollte die Entwicklung 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96
Vgl. Spotify (2015k). Vgl. Weigert (2014). Vgl. Bloomberg Business (2015); vgl. Lunden (2014). Vgl. Lunden (2014). Vgl. Lunden (2014); vgl. Weigert (2014). Weigert (2014). Vgl. Weigert (2014). Vgl. Lunden (2015). Vgl. Lunden (2015). Vgl. Lunden (2015). Vgl. Lunden (2015).
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des Instore-Musikanbieters den Erwartungen entsprechen, so wird Spotify, auf die eine oder andere Weise, am Erfolg des Start-ups teilhaben. In Abhängigkeit von der Höhe der Einnahmen könnte das defizitäre Streaminggeschäftsmodell für Privatkunden damit querfinanziert und möglicherweise langfristig etabliert werden. Angesichts der öffentlichen Aufführung ihrer Titel würden ausübende Künstler und Urheber höhere Tantiemen erhalten, als dies beim privaten Streaming der Fall ist, und damit ebenfalls am B2B-Geschäft partizipieren. Dessen ungeachtet ist es seitens der gesetzgebenden und rechtsprechenden Institutionen dringend notwendig zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß es sich bei der Musiknutzung in Ladengeschäften um eine werbliche Verwertungsform handelt. Vor dem Hintergrund der erklärten Ziele der Instore-Musik, etwa die Kunden zu animieren, länger am Standort zu bleiben und mehr Geld auszugeben oder die Marke plausibel und konsistent zu repräsentieren,97 wird die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung deutlich. Eine offizielle juristische Beurteilung der Instore-Musik als werbliche Verwertungsform musikalischer Inhalte würde die entsprechende Lizenzierungspraxis und die monetären Ansprüche der betroffenen Urheber und Künstler grundlegend verändern: Die Lizenznehmer müssten die Nutzungsrechte zur entsprechenden Verwertung für jedes Musikstück einzeln und direkt von den jeweiligen Rechteinhabern (Urheber und ausübende Künstler) oder deren Musikverlagen beziehungsweise Plattenlabels gegen eine frei verhandelbare Gebühr erwerben. Infolge der administrativen Aussichtslosigkeit die Nutzungsrechte dementsprechend umfangreicher musikalischer Repertoires in Einzellizenzierungen zu erwerben, würde die damit gestärkte Positionierung der Musikschaffenden in der Konsequenz eine Anpassung der gängigen Lizenzierungssystematik erfordern. So könnten beispielsweise die Verwertungsgesellschaften ihre Wahrnehmungsverträge mit den ausübenden Künstlern und Urhebern optional um das Musikstreaming zur werblichen Nutzung in Ladengeschäften erweitern und dementsprechende Lizenzen zu adäquaten Tarifen vergeben. Der Streamingdienst Spotify setzt hochmoderne Technologien und Algorithmen ein, um einerseits sein Angebot zu verbessern, andererseits neue Werbeformate zu entwickeln und Werbekunden durch detaillierte Zielgruppeninformationen zu gewinnen. Weiterhin geht Spotify innovative Marketingkooperationen mit werbetreibenden Marken ein98 und partizipiert am Instore-Musikgeschäft. In seiner Fortschrittlichkeit reflektiert das Unternehmen exemplarisch die Entwicklungen auf dem gesamten Streamingmarkt, der neben interaktiven Anbietern auch die radioähnlichen Angebote noninteraktiver Streamingdienste umfasst.99 Ähnlich des Konzeptes von Spotify, versuchen auch non-interaktive Dienste, wie etwa das US-amerikanische Radiostreaming Pandora oder der Mediengigant iHeartMedia, der über 850 Radiostationen (Online und Offline) in etwa 150 verschiedenen Märkten betreibt und mit mehr als 245 Millionen Hörern im Monat Marktführer in den USA ist,100 Technologien zu entwickeln, die auf Basis von Kundendaten, wie etwa dem Musikgeschmack, zielgerichtete Werbemaßnahmen 97 98 99
Vgl. Soundtrack Your Brand (2015f). Vgl. Spotify (2015i). Weiterführende Informationen zu den verschiedenen Streamingformaten: vgl. Rethink Music (2015), S. 7. 100 Vgl. Hoover’s Inc (2015).
4. Streaming
ermöglichen.101 Nachdem Spotify die Firma Echo Nest übernommen hatte, kaufte Pandora 2015 diesbezüglich den Onlinemusikanalysedienstleister Next Big Sound und die Firma Apple, die im selben Jahr mit Apple Music den Betrieb eines Streamingdienstes startete, das ebenfalls auf Big-Data im Unterhaltungssegment spezialisierte Unternehmen Semetric.102 So versuchen all diese Anbieter Erkenntnisse aus dem musikbezogenen Verhalten der Hörer zu gewinnen, die sie einerseits zur stetigen Verbesserung ihrer Produkte, andererseits zur zielgerichteten werblichen Kommunikation nutzen können. Während einige Musikstreamingdienste, wie zum Beispiel Pandora, iHeartRadio, Rdio, Deezer oder auch Google Play Music, die kostenfreie und werbegestützte Nutzung ihrer Plattform, ähnlich des Fremium-Modells bei Spotify, anbieten, setzen andere Dienstleister, wie etwa Apple Music, Tidal oder auch Rhapsody und Napster, die ehemalige illegale Musiktauschbörse wurde 2012 von der Firma Rhapsody übernommen,103 auf ein reines Abonnenten-Bezahlmodell.104 Die Tantiemenauszahlungen der kostenpflichtigen Abonnementdienste sind dabei weitaus höher als die Ausschüttungen der werbegestützten und ausschließlich kostenlosen Angebote (vgl. Abb. 7). Die Unterschiede der Tantiemenraten innerhalb der entgeltlichen Dienste seien wahrscheinlich auf die verschiedenen Abonnementpreise zurückzuführen – während Spotify für seinen Premium-Dienst monatlich 9,99 US-Dollar berechne, lägen etwa die Preise von Deezer und WiMP, das nun zu Tidal gehöre, im Jahr 2015 zwischen 15 und 20 US-Dollar im Monat.105
Abb. 7: Durchschnittliche Tantiemenrate pro Stream nach Anbietern (2015)106
*Spezielles Angebot in Verbindung mit dem mobilen Internetanbieter Orange, der jetzt unter dem Namen EE Limited arbeitet.
101 102 103 104 105 106
Vgl. Sloane (2015). Vgl. Sisario (2015b). Vgl. Barnes (2012). Vgl. Alexander (2015); vgl. Bonset (2015), S. 1; vgl. Google Play Music (2015); vgl. Rdio (2015). Vgl. Rethink Music (2015), S. 20. Vgl. Rethink Music (2015), S. 19
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
4.2
YouTube
Derjenige kostenfreie Dienst, dessen ausschließlich werbefinanziertes audiovisuelles Angebot weltweit als beliebtester Zugangsweg zu Musik gilt,107 bezahlt also im Mittelwert die vergleichsweise geringsten Tantiemen pro Stream an die Rechteinhaber aus: YouTube. Der 2005 gegründete Onlinevideodienstleister gehört bereits seit 2006 zum Internetgiganten Google.108 Das Videoportal stellt Onlinespeicherplatz und -infrastruktur sowie eine Benutzeroberfläche für das Streaming audiovisueller Inhalte zur Verfügung (Video-hosting). So können die Nutzer des Dienstes kostenfrei alle Videos auf der Webseite anschauen, ihre eigenen Inhalte uploaden und teilen (Videosharing), Videos bewerten und kommentieren sowie favorisierte Kanäle abonnieren.109 Da die Inhalte auf dem Portal also von den Nutzern selbst stammen, hat sich diesbezüglich der Begriff User-Generated Content (UGC) etabliert.110 Gleichwohl dieser Ausdruck im öffentlichen Diskurs vielfach zur Klassifizierung amateurhaft produzierter Videos verwendet wird,111 schätzt die Firma YouTube alle Videos, die nicht von ihr selbst produziert wurden oder Werbefilme sind, als User-Generated Content ein. Das Unternehmen unterscheidet lediglich zwischen Herstellern von Originalinhalten und Werbetreibenden.112 Im Kontext dieser Arbeit erscheint eine Unterscheidung von User-Generated Content und Professionally-Generated Content (PGC),113 also professionell und fachkompetent hergestellten Inhalten gegenüber amateurhaft produzierten Videos von Privatpersonen, hilfreich zu sein. So lässt sich anhand dieser Differenzierung die inhaltliche Entwicklung des Videodienstleisters ablesen und der Einfluss dieses Prozesses auf die populären Musikkulturen der Gegenwart abbilden. Während Burgess und Green in ihrer Publikation zum Thema Onlinevideos und partizipative Kultur 2009 noch eine gewisse Dominanz von UGC auf YouTube nachweisen können,114 kommt Kim in seiner Publikation von 2012 bereits zur Schlussfolgerung, YouTube habe sich von einer Videoseite für vornehmlich UGC zum Anbieter von überwiegend PGC verwandelt.115 Ein weitaus dramatischeres Fazit zieht Rosenbaum 2014 für das Forbes-Magazin – amateurhafte Inhalte seien auf YouTube nun wenig mehr als Hintergrundrauschen.116 Liikkanen und Salovaara können in einer 2015 publizierten Studie zu musikalischen Inhalten auf YouTube belegen, dass professionell geführte Kanäle und Videos ein deutlich höheres Gewicht besitzen, als die von Nutzern generierten Inhalte.117 Gemäß einer Studie der Tubular Labs, einem auf Onlinevideos spezialisierten Informations- und Analysedienstleister, welche die Hersteller beziehungsweise Uploader der 100 beliebtesten Videos ermittelt und analysiert, die innerhalb eines Monats, 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117
Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 109. Vgl. Karch (2016). Vgl. Rosenbaum (2014). vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 123; vgl. Rosenbaum (2014); vgl. Kim (2012), S. 53f. Vgl. YouTube (2016). Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 123; vgl. Kim (2012), S. 53. Vgl. Burgess, Green (2009). Vgl. Kim (2012), S. 53f. Vgl. Rosenbaum (2014). Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 112.
4. Streaming
zwischen dem 04. Januar 2015 und dem 02. Februar 2015, auf YouTube geladen wurden, seien 32 % dieser Videos UGC gewesen.118 30 % der populärsten Videos stammten von Medienfirmen (etwa Plattenlabels, TV-Sender oder Filmproduktionsfirmen), 17 % von werbetreibenden Marken und 21 % von so genannten einflussreichen Sendern (Kanäle oder Sender, die mehr als 250 000 Abonnenten haben).119 Diese Stichprobe belegt einerseits Kims Folgerung von 2012, PGC dominiere auf YouTube, und widerspricht andererseits Rosenbaums Feststellung, UGC sei wenig mehr als Hintergrundrauschen. Mit einem Anteil von etwa einem Drittel am Gesamtvolumen der beliebtesten Videos im genannten Zeitraum kann den von Anwendern hergestellten Videos eine gewisse Relevanz nicht abgesprochen werden. Gleichzeitig verweisen die Zahlen aus der Untersuchung auf die herrschaftsorientierte Spannung zwischen einer von Laien geleiteten, individuell gesteuerten alternativen und einer professionell geleiteten, institutionell gesteuerten traditionellen Medienlandschaft.120 YouTube habe die traditionelle Medienlandschaft verändert und gleichzeitig die Regeln der alten Medien nachgeahmt – inklusive des legalen Vertriebs von Sendeinhalten und der geschmeidigen Verknüpfung dieser Inhalte mit Werbung.121 Das Finanzierungsmodell des Videodienstes, das annähernd ausschließlich auf Werbeeinnahmen basiert, ist ebenfalls von den herkömmlichen Medien übernommen. So konstituiere YouTube vielmehr die Entwicklung des aktuellen Medienmilieus, als es zu revolutionieren.122 Der Videodienstleister hatte bereits 2014 weltweit mehr als eine Milliarde aktive Nutzer, die jeden Monat über sechs Milliarden Stunden Videomaterial abspielten.123 YouTube sei, mit großem Abstand, die Nummer 1 im Onlinevideogeschäft.124 Das Portal befand sich im Jahr 2016 auf dem zweiten Platz der weltweit beliebtesten Webseiten und wird in dieser Kategorie nur von Google selbst geschlagen.125 Die oben erwähnte Studie von Liikkanen und Salovaara aus dem Jahr 2015 belegt, dass dieser Erfolg in hohem Maße auf musikalische Inhalte zurückzuführen ist.126 Hinsichtlich der Fragestellung nach der relativen Beliebtheit von Musik im Vergleich zu anderen Inhaltskategorien auf YouTube (z.B. Humor oder Gaming) untersuchten sie die Entwicklung der beliebtesten Suchbegriffe, die 20 meistgeschauten Videos sowie die Statistiken der beliebtesten Kanäle des Videoportals.127 Im Zeitraum von Januar 2008 bis Oktober 2013 waren 70 % der beliebtesten Suchbegriffe auf Google und 86 % der beliebtesten Suchbegriffe auf YouTube musikbezogen.128 Am 30. September 2013 waren 19 von 20 der bis dahin meistgesehenen Videos offizielle Musikvideos.129 Eine Analyse
118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129
Vgl. Tubularlabs.com (2015), S. 5. Vgl. Tubularlabs.com (2015), S. 5. Vgl. Andrejevic (2009) zit.n. Kim (2012), S. 54. Vgl. Kim (2012), S. 53. Vgl. Kim (2012), S. 53. Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 4. Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 3. Vgl. Alexa Internet, Inc (2016); vgl. eBizMBA Inc. (2016). Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015). Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 112. Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 112. Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 112f.
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der 20 populärsten Kanäle auf YouTube (die am 29. September 2013 die höchste Anzahl von Abonnenten besaßen) ergab, dass die Hälfte dieser Kanäle (10 von 20) Musik darboten.130 Nachdem eine inhaltliche Klassifizierung der Kanäle in die Kategorien Gaming, Humor, Musik: Künstler, Musik: Labels und Bildung durchgeführt wurde, besaßen die beiden Musikkategorien zusammengefasst die höchste Anzahl von Abonnenten.131 Die Anzahl der durchschnittlichen Betrachtungsvorgänge der Videos der Künstlerkanäle übertraf zudem den Mittelwert der Betrachtungsvorgänge aller anderen Kategorien um das Zehnfache.132 Liikkanen und Salovaara konnten somit nachweisen, dass musikalische Inhalte im Vergleich zu allen anderen Inhaltskategorien die höchste relative Beliebtheit auf YouTube besitzen – die Kategorie Musik dominierte alle ausgewerteten Bereiche. Der zweite Teil ihrer Studie stellt eine Typologie der verschiedenen musikalischen Inhalte auf YouTube her, während der dritte Teil die verschiedenen Aktivitätsarten und -grade der Nutzer einerseits zwischen den Inhaltskategorien, andererseits zwischen den Musikvideotypen vergleicht.133 Gleichwohl die letzten beiden Teile der Studie eine hohe Relevanz für den aktuellen musikwissenschaftlichen Diskurs zum Thema Streaming besitzen, können sie im Kontext dieser Arbeit nicht weiter erörtert werden. Der globale Erfolg von YouTube sei vor allem durch die Einfachheit des Zugriffs auf musikalische Inhalte und die Bequemlichkeit der Konsumenten zu erklären, erklärt Dan Rayburn, Chefanalyst für digitale Medien beim Marktforschungsinstitut Frost & Sullivan.134 YouTube-Videos seien häufig der schnellste und verlässlichste kostenfreie Weg ein Musikstück zu hören: »Pick any song right now. I can type it into Google and a video will pop up instantly. That’s much easier than having to find it on Pandora or iTunes and then asking yourself: ›Do I download it? Can I stream it? Is it free?‹«135 Während konkurrierende Streamingdienste hinsichtlich ihres Repertoires auf die Kataloge der Plattenlabels und Künstler beschränkt sind, mit denen sie vertragliche Vereinbarungen getroffen haben, könnten die Hörer auf YouTube nahezu jedes existierende Musikstück finden, da die Nutzer selbst eine Vielzahl der Titel uploaden würden.136 Gemäß des Nielsen Music U.S. Mid-Year Reports fanden im ersten Halbjahr 2015 auf dem US-amerikanischen Markt 135,2 Milliarden Musikstreams on demand (Audio und Video) statt, von denen 76,6 Milliarden (56,7 %) Videostreams gewesen seien, die über YouTube oder Vevo (eine Musikvideo- und Unterhaltungsplattform, die sich im Besitz von Universal Music, Sony Music Entertainment, Google und der Abu Dhabi Media Group befindet)137 abgerufen worden wären.138 Während die Anzahl der Audiostreams on demand im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr (2014) um 74,2 % auf 58,6 Milliarden angestiegen sei, entspräche dies einem Wachstum von 109,2 %.139 Die vom Verband 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139
Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 112f. Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 112f. Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 112f. Vgl. Liikkanen, Salovaara (2015), S. 109. Vgl. Heyman (2015). Heyman (2015). Vgl. Geddes (2015). Vgl. Atkinson (2014). Vgl. Nielsen Music (2015). Vgl. Nielsen Music (2015).
4. Streaming
der britischen Musikindustrie (BPI, British Phonographic Institute) herausgegebenen Zahlen für den britischen Markt weisen auf eine ähnliche Entwicklung hin: Im ersten Halbjahr 2015 wurden 11,5 Milliarden Abspielvorgänge über Audiostreamingplattformen getätigt, wohingegen im selben Zeitraum bereits 12,5 Milliarden musikbezogene Videostreams stattgefunden hätten, was einem Wachstum von 98,2 % bezogen auf das Vorjahreshalbjahr entspricht.140 Folglich übertreffen die von YouTube dominierten Videodienste ihre rein auditive Konkurrenz im musikbezogenen Streamingsegment gleichermaßen in den USA und in Großbritannien, sowohl was ihren Marktanteil, als auch was ihre Wachstumsraten angeht.141 Ein Autor der New York Times, der sich in seinen Aussagen auf den Musikanalysedienst Next Big Sound bezieht, spricht gar davon, dass weltweit etwa zwei Drittel aller Musikstreamingvorgänge über Videoplattformen, angeführt von YouTube, stattfinden würden.142 In der Quelle, die der Autor hinsichtlich dieser Darstellung angibt, findet sich zwar die imposante Anzahl von weltweit mehr als einer Billion gemessener Abspielvorgänge von Musik über Streamingdienste (Audio und Video, on demand und non-interaktiv) im ersten Halbjahr 2015, allerdings keine Auskunft über die Anteile der verschiedenen Anbieter an diesen Streams.143 Ungeachtet der globalen Dominanz der Videoanbieter im Musikstreaming, betrugen die weltweiten Einnahmen der Plattenfirmen aus den ausnahmslos kostenfreien und werbegestützten Streamingdiensten, die überwiegend Videoplattformen seien, 2014 lediglich 641 Millionen US-Dollar.144 Demgegenüber bezahlten die Abonnementstreamingdienste 2014 weltweit einen Betrag von 1,6 Milliarden US-Dollar an die Tonträgerindustrie aus.145 Somit entrichteten die ausschließlich kostenlosen und werbefinanzierten Streaminganbieter, von denen bereits die Videoplattformen, ohne Berücksichtigung der entsprechenden Musikdienste, in den USA und Großbritannien 2015 einen Marktanteil von über 50 % im Musikstreaming besaßen,146 nur etwa 40 % desjenigen Betrages an die Tonträgerhersteller, den die Abonnementdienste bezahlten. Diese Diskrepanz der an die Rechteinhaber von Musikaufnahmen ausbezahlten Tantiemen bezeichnet die IFPI als »value gap«, also Wertigkeitsdifferenz.147 Während YouTube 2014 weltweit von mehr als einer Milliarde Menschen genutzt wurde, besaßen die abonnementpflichtigen Streaminganbieter etwa 41 Millionen Bezahlkunden und rund 100 Millionen aktive Kunden, die ihr kostenfreies werbegestütztes Angebot nutzten.148 Geht man nun davon aus, dass YouTube den weitaus größten Anteil an den weltweiten Umsätzen der Tonträgerindustrie aus ausschließlich kostenfreien Streamingdiensten liefert, ergibt sich folgendes Bild im Hinblick auf das Nutzerverhältnis zwischen den verschiedenen Geschäftsmodellen und die je erzeugten Umsätze der Tonträgerindustrie im Jahr 2014. 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149
Vgl. BPI (2015a). Vgl. MBW (2015). Vgl. Heyman (2015). Vgl. Next Big Sound (2015a). Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. IFPI (2015), S. 15, S. 23. Vgl. MBW (2015). Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. IFPI (2015), S. 23.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Abb. 8: Verhältnis von Nutzerzahlen und Tonträgerindustrieumsätzen 2014 (YouTube vs. abonnementpflichtige Streamingdienste)149
Diese Darstellung ist insofern ungenau, als dass einerseits nicht nachgewiesen werden kann, dass die Gesamtheit der Nutzer auf YouTube musikalische Inhalte abruft, andererseits die Erträge der Tonträgerindustrie aus der Musiknutzung auf YouTube, infolge nicht zugänglicher Informationen, nur kumuliert mit den von allen uneingeschränkt kostenfreien Anbietern generierten Umsätzen illustriert werden können. Dessen ungeachtet bildet sie die Tendenz der Wertigkeitsdifferenz der verschiedenen Streamingformate anschaulich ab. Der von der IFPI herausgegebene Global Music Report 2016 weist darauf hin, dass dieses Ungleichgewicht von Nutzerzahlen und generierten Umsätzen aus den verschiedenen Streaminggeschäftsmodellen anwachsen würde.150 In diesem Kontext spricht die IFPI nicht mehr von uneingeschränkt kostenfreien Musikstreamingdiensten, wie noch im Digital Music Report vom Vorjahr, sondern von »user upload services«, die, YouTube inbegriffen, im Jahr 2015 mit mehr als 900 Millionen Nutzern die weltweit größte on-Demand-Musikhörerschaft besessen hätten.151 Alleine auf YouTube hätten 2015 monatlich mehr als 800 Millionen Konsumenten Musikvideos geschaut.152 Während die Gesamtheit der ausschließlich kostenfreien Streaminganbieter, inklusive der Uploaddienste, 2015 lediglich 634 Millionen US-Dollar an Einkünften für die Tonträgerindustrie erzeugt hätten, wären die Einnahmen durch die weltweit etwa 68 Millionen Nutzer kostenpflichtiger Abonnementmusikdienste bei ungefähr 2 Milliarden US-Dollar gelegen.153 Weiterhin seien die Einnahmen der Tonträgerindustrie durch die Nutzer
150 151 152 153
Vgl. IFPI (2016a), S. 23. Vgl. IFPI (2016a), S. 23. Vgl. IFPI (2016a), S. 23. Vgl. IFPI (2016a), S. 23.
4. Streaming
werbegestützter Freemium-Angebote der Abonnementdienste marginal.154 Ungeachtet der hohen Kundenanzahl betrügen die weltweiten Umsätze aus diesem Segment 2015 nicht mehr als 10 % der gesamten durch Abonnementdienste generierten Einkünfte.155 So hätte die Tonträgerindustrie im Jahr 2015 weltweit insgesamt Einnahmen in Höhe von 2,89 Milliarden US-Dollar aus dem Streaminggeschäft erzielt.156 Insgesamt habe der Anteil der uneingeschränkt kostenfreien werbegestützten Streamingdienste an den Umsätzen der Tonträgerindustrie aus digitalen Einnahmequellen im Jahr 2014 nicht mehr als 9 % betragen.157 Obwohl Verbraucherbefragungen, die 2015 in 13 der weltweit wichtigsten Musikmärkte durchgeführt wurden, ergaben, dass 57 % der Internetnutzer in den letzten sechs Monaten auf Musik oder Musikvideos über Videostreamingseiten wie YouTube zugegriffen hätten, demgegenüber 38 % der Konsumenten über Musikstreaminganbieter wie Spotify musikalische Inhalte abgerufen und nur 26 % der Anwender DPDs über Dienste wie iTunes erworben hätten, stammte der Löwenanteil der Einnahmen der Tonträgerindustrie aus digitalen Geschäftsfeldern 2014 mit 52 % (etwa 3,56 Milliarden US-Dollar) aus dem Segment der bezahlten Downloads (DPDs).158 Weiterhin würden 27 % der Internetnutzer Musik auf YouTube hören, ohne die zugehörigen Videoclips anzuschauen.159 Die Vormachtstellung und das immense Wachstum des ausschließlich kostenfreien und werbegestützten Streamings stehen demnach im direkten Widerspruch zu den daraus generierten und an die Tonträgerindustrie respektive ausübenden Künstler ausbezahlten Tantiemen. Bei audiovisuellen Inhalten muss hinsichtlich der Auszahlung und Höhe von Royalties zudem ein weiterer Faktor berücksichtigt werden: Die Rechte an den Bildinhalten eines Videos. Während sich die Tantiemen beim rein auditiven Musikstreaming auf die Rechteinhaber an der Musikaufnahme und die Rechteinhaber am Musikwerk aufteilen, werden die Ausschüttungen durch Videos auf YouTube dreigeteilt – der Rechteinhaber an den Bildinhalten erhält ebenfalls einen Anteil an den Ausschüttungen.160 Dadurch reduzieren sich die im Vergleich ohnehin geringsten Vergütungen pro Stream für die Musikschaffenden zusätzlich. Würde eine Person oder Institution alle drei Rechte an einem Video für sich beanspruchen, so bekäme sie, gemäß obiger mittlerer Tantiemenrate, bei 1 000 000 Abspielvorgängen auf YouTube etwa 1 110 US-Dollar ausbezahlt. Sofern es keine Ansprüche Dritter auf die anteiligen Werbeeinnahmen gibt, werden die Tantiemen seitens YouTube zunächst an den jeweiligen Hersteller beziehungsweise Uploader eines Videos ausbezahlt.161 YouTube, DailyMotion und ähnliche Anbieter betrachten sich selbst als neutrale Dienstleister, die lediglich digitalen Raum für Inhalte bereitstellen würden und demgemäß berechtigt seien, von denselben Ausnahmen im deutschen Urheberrechtsgesetz
154 155 156 157 158 159 160 161
Vgl. IFPI (2016a), S. 15. Vgl. IFPI (2016a), S. 15. Vgl. IFPI (2016a), S. 15. Vgl. IFPI (2015), S. 7. Vgl. IFPI (2015), S. 7. Vgl. IFPI (2015), S. 7. Vgl. The Trichordist (2015). Vgl. Google (2016d).
193
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
(und im US-amerikanischen Copyright Law) zu profitieren, die für Internetanbieter gelten.162 Diese Haftungsfreistellungen, die auch als »safe harbours« bezeichnet werden, waren ursprünglich zum Schutz passiver und tatsächlich neutraler Internetdienstanbieter vor Haftungsansprüchen Dritter eingeführt worden.163 Sie erlauben es den entsprechenden Dienstleistern, ihre Plattformen ohne die notwendigen Lizenzen, etwa für musikalische Inhalte, zu betreiben und die Verantwortung hierfür auf ihre Kunden zu übertragen.164 Die Anbieter müssten nicht lizenzierte Inhalte nur dann eliminieren, wenn Rechteinhaber einen Antrag auf Entfernung ihres Eigentums stellten.165 Im Fall von YouTube kann dies entweder auf manuellem Wege, mittels eines Onlineformulars,166 oder automatisiert, durch die Nutzung des Content ID-Systems, realisiert werden.167 Dabei werden die Videos auf der Plattform automatisch mit Audio- und Videodateien verglichen, die von den Inhabern der jeweiligen exklusiven Rechte an YouTube übermittelt und zur Nutzung im Rahmen von Content ID freigegeben wurden.168 »Urheberrechtsinhaber entscheiden darüber, was geschieht, wenn Inhalte in einem Video auf YouTube mit einem ihrer eigenen Werke übereinstimmen.«169 Kommt es zu einer Übereinstimmung, würde das entsprechende Video umgehend mit einem Content ID claim (Content ID-Anspruch) versehen und dem Rechteinhaber folgende Möglichkeiten eingeräumt: das Stummschalten von Audioinhalten, die vollständige Sperrung des Videos, die Monetarisierung des Videos durch die Schaltung von Werbung oder die Beobachtung der Zuschauerzahlen des Videos.170 In Anbetracht der sehr geringen Tantiemen, die YouTube an die Rechteinhaber ausbezahlt, schlägt ihnen der Trichordist in einem Artikel von 2015 vor, solange auf diese Tantiemen zu verzichten und stattdessen alle Videos, die einen Content ID claim auslösen weltweit zu blockieren, bis YouTube faire Lizenzgebühren für die Verwertung geistigen Eigentums bezahle.171 YouTube überträgt die Verantwortung zur Lizenzierung verwerteter musikalischer Werke und Aufnahmen folglich auf die Hersteller respektive Uploader entsprechender Videos. Diese Haftungsfreistellungen bilden gleichermaßen das Fundament für den Umgang YouTubes mit Tantiemenforderungen der Urheber und Musikverlage für die Verwertung ihrer Musikwerke auf der Streamingplattform, der im Folgenden exemplarisch an den Verhandlungen und Übereinkünften des Videostreamingdienstes mit der deutschen GEMA dargestellt wird. Nachdem die Verwertungsgesellschaft seit 2006 vergeblich versucht hatte, die Ansprüche ihrer Mitglieder auf eine Vergütung der Nutzung ihrer Werke gegenüber YouTube rechtlich durchzusetzen, und das Oberlandesgericht München noch im Januar 2016 entschieden hatte, dass der Anbieter mit seinem Dienst nicht für Urheberrechtsverletzungen in die Pflicht genommen werden kann, kam es am 01. November 2016 zu einer überraschenden Übereinkunft beider Parteien, die in einem 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171
Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. IFPI (2015), S. 23. Vgl. Google (2016a). Vgl. Google (2016b). Vgl. Google (2016b); vgl. Google (2016c). Google (2016b). Vgl. Google (2016b). Vgl. The Trichordist (2015).
4. Streaming
Lizenzvertrag festgehalten wurde, der rückwirkend bis einschließlich des Jahres 2009 Geltung besitze.172 Da YouTube dem Urteil des Oberlandesgerichts München zufolge keiner generellen Lizenzverpflichtung gegenüber der GEMA unterliegt, beruhen die Vereinbarungen im entsprechenden Lizenzvertrag folgerichtig auf Freiwilligkeit seitens des Streamingdienstes.173 Gleichwohl weiterhin »unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen YouTube und der GEMA darüber [bestehen, A. S.], ob YouTube oder die Uploader für die Lizenzierung der genutzten Musikwerke verantwortlich sind«, so die GEMA, würde der Vertrag eine sichere Grundlage für die Mitglieder der GEMA und die YouTube-Nutzer schaffen und stelle einen »Meilenstein für eine faire Vergütung der Musikurheber im digitalen Zeitalter« dar.174 Auf einem unternehmenseigenen Blog teilt YouTube diesbezüglich mit, die Lizenzvereinbarungen mit der GEMA spiegelten »die seit langer Zeit bestehende Verpflichtung [von YouTube, A. S.] wider, sich für eine faire Bezahlung von Komponisten, Songwritern und Musikverlegern einzusetzen und gleichzeitig sicherzustellen, dass Fans auf YouTube ihre Lieblingssongs genießen und neue Musik entdecken können. Diese Verpflichtung hat es YouTube ermöglicht, sich als eine bedeutende Werbe- und Einnahmequelle für Musiker zu etablieren, die es ihnen erlaubt, neue und bestehende Fans zu erreichen und mit Werbung in ihren Videos gleichzeitig Geld zu verdienen.«175 Eine Bedingung für den Vertragsabschluss mit YouTube sei das beidseitige Stillschweigen hinsichtlich der Konditionen der Lizenzvereinbarung gewesen, erklärt die GEMA-Sprecherin Ursula Goebel.176 Demgemäß publiziert die GEMA keine Informationen zu den Details der vertraglichen Übereinkunft mit YouTube, ist allerdings, angesichts ihrer Rechtsform als wirtschaftlicher Verein, verpflichtet, ihre Mitglieder über die Beschaffenheit derartiger Lizenzvereinbarungen zu informieren. Folgerichtig hat die GEMA in einer ausschließlich für ihre Mitglieder durchgeführten Informationsveranstaltung zu den Themen YouTube und Verlegerbeteiligung, die am 27. Februar 2018 in Berlin stattfand und gleichzeitig per Live-Stream übertragen wurde, gleichwohl zurückhaltend, wesentliche Aspekte des Vertrages mit YouTube offengelegt.177 So umfasse die Lizenzvereinbarung mit YouTube exklusiv Streamingvorgänge, die in Österreich, Deutschland und der Schweiz getätigt würden beziehungsweise worden wären – alle Abspielvorgänge des GEMA-Repertoires auf YouTube, die in anderen Ländern stattfänden, wären nicht Teil des Vertrages.178 Die jeweilige Abspieldauer hätte ebenfalls keine Bedeutung für die nach Klickzahlen kalkulierten Tantiemenzahlungen YouTubes an die GEMA, die pro Stream durchschnittlich im niedrigen Hundertstelbereich eines Eurocents [also zwischen etwa 0,0001 und 0,0003 €, A. S.] lägen.179 Weiterhin würde die Aufführung von Werbespots, die das Repertoire der GEMA integrier-
172 173 174 175 176 177 178 179
Vgl. Bager, Zota (2016); vgl. GEMA (2016c); vgl. GEMA (2016d); vgl. Steinhau (2016). Vgl. Steinhau (2016). GEMA (2016d). YouTube Creator Blog (2016). Vgl. Steinhau (2016). Vgl. GEMA (2018). Der Autor ist Mitglied der GEMA und konnte dementsprechend an der Veranstaltung teilnehmen. Vgl. GEMA (2018). Vgl. GEMA (2018).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
ten, auf dem Streamingportal grundsätzlich nicht vergütet.180 Unter Berücksichtigung der noch im Jahr 2011 seitens der GEMA von YouTube eingeforderten Lizenzgebühren für die Verwertung ihres Repertoires in Höhe von zwischen 0,6 Cent (0,006 €) und 0,48 Cent (0,0048 €)181 pro Stream sowie die territoriale Begrenzung der vertraglichen Übereinkunft erscheint deren Glorifizierung durch die GEMA als ein Meilenstein wenig glaubwürdig, wird doch nur ein geringfügiger Bruchteil dieser Gebühren durch Abspielvorgänge in einem territorial auf lediglich drei Länder begrenzten Gebiet erzielt. Selbiges gilt für das Selbstbild und die Integrität des Streamingdienstes, wenn er kommuniziert, sich für eine faire Vergütung der Künstler einzusetzen und eine bedeutende Werbe- und Einnahmequelle für Musiker darzustellen. Die grundlegende Exklusion von Tantiemen für die Aufführung von Werbespots auf YouTube aus dem Vertrag verringert die ohnehin äußerst minimalen Tantiemenzahlungen des Streamingdienstes an die Urheber und Musikverlage zusätzlich und verweist einerseits auf die Machtposition YouTubes in den Verhandlungen mit der GEMA, andererseits auf Veränderungen im Geschäft mit Nutzungslizenzen für Musikwerke, die, in Kombination mit sinkenden Entgelten für Synchronisationslizenzen, weitreichende Konsequenzen für die Musikschaffenden implizieren, sind es doch im Fernsehsegment ebenjene Royalties aus der Sendung und Aufführung audiovisueller Werbespots, die eine maßgebliche Einnahmequelle für die Rechteinhaber an Musikwerken darstellen. Angesichts der Firmenpolitik des Mutterkonzerns Google, keine Umsatzzahlen des Tochterunternehmens YouTube zu veröffentlichen,182 lassen sich hinsichtlich der werblichen Einkünfte des Streamingdienstes lediglich die Kalkulationen und Schätzungen von Finanzanalysten und Forschungsdienstleistern heranziehen. So berechnet etwa die Investmentbanking-Firma Jefferies Group LLC einen Bruttoumsatz von etwa 3,95 Milliarden US-Dollar, den YouTube 2013 aus Werbeeinahmen generiert haben soll.183 Demgegenüber hat der auf Marktforschung im digitalen Raum spezialisierte Dienstleister eMarketer 2013 bereits einen Bruttoumsatz von 5,6 Milliarden US-Dollar aus Werbeeinnahmen für das Videoportal kalkuliert und damit die vergleichsweise höchste Einschätzung der Einnahmen YouTubes abgegeben.184 Die Jefferies Group LLC wie auch eMarketer schätzen das Wachstum des Bruttoumsatzes der Plattform im Jahr 2015 mit 25 % deckungsgleich ein.185 So lägen die Bruttoeinkünfte aus Werbeeinnahmen 2015 bei circa 7,4 Milliarden US-Dollar (Jefferies), beziehungsweise etwa 9,5 Milliarden USDollar (eMarketer).186 Gemäß der Einschätzung der Jefferies Group LLC würden etwa 53 % dieser Einnahmen an die Hersteller der Inhalte ausbezahlt, was zu einem Nettoumsatz, nach den Kosten für den Erwerb der Inhalte (»Content Acquisition Costs, CAC«), von 3,471 Milliarden US-Dollar führt.187 eMarketer dagegen kalkuliert mit einer Abgabe von etwa 55 % an die Erzeuger der Inhalte188 und berechnet folglich einen Net180 181 182 183 184 185 186 187 188
Vgl. GEMA (2018). Vgl. Bager, Zota (2016); vgl. Zota (2011). Vgl. Dredge (2013); vgl. Sloane (2014). Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 26. Vgl. eMarketer (2013). Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 26; vgl. eMarketer (2015a). Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 26; vgl. eMarketer (2015a). Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 26. Vgl. eMarketer (2015b).
4. Streaming
toumsatz nach CAC von 4,28 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2015.189 Weiterhin geht die Jefferies Group LLC davon aus, dass YouTube 2014 erstmals Gewinne erwirtschaftet hätte,190 während das Wall Street Journal, unter Berufung auf Insider, die mit den Finanzen des Unternehmens vertraut seien, berichtet, YouTube hätte bis einschließlich 2014 verlustbehaftet gearbeitet.191 Dessen ungeachtet attestierte die Jefferies Group LLC YouTube im genannten Jahr einen fiktiven Börsenwert (als Tochterunternehmen von Google ist YouTube Teil der Google-Aktie) von 26 bis 40 Milliarden US-Dollar.192 Diese Einschätzung basiert auf der Annahme, YouTube würde 2016 bereits 878 Millionen USDollar Gewinn vor Steuern und Zinsen machen sowie im Zeitraum von 2014 bis 2017 eine kumulierte jährliche Wachstumsrate von 57 % erreichen.193 So könne der imaginäre Gewinn von 2016 mit einem Multiplikator von 30 bis 45 versehen werden, was zu oben genannter Bewertung führe.194 Ein Unternehmen, dessen tatsächliche Geschäftsergebnisse unbekannt sind und bislang weitestgehend als verlustbehaftet eingeschätzt wurden, wird also auf Basis eines imaginären zukünftigen Gewinnes in seinem Börsenwert derartig hoch eingestuft, dass es im Jahr 2016 etwa den Wert des Automobilherstellers Audi besitzt.195 Das Angebot des Streamingdienstes für Werbetreibende ist zunächst an den klassischen Werbeformaten aus dem TV ausgerichtet. So können werbetreibende Marken audiovisuelle Werbespots unmittelbar vor oder innerhalb der Ausspielung anderer Videoclips auf YouTube platzieren.196 Das TrueView-Format erlaubt es Nutzern, diese Werbespots nach einer Spieldauer von fünf Sekunden zu überspringen, wohingegen Nonskippable InStream-Spots in ihrer Gesamtlänge abgespielt werden.197 So sei TrueView konsumentenseitig das vergleichsweise beliebtere audiovisuelle Werbeformat auf YouTube, weil es die Möglichkeit des Überspringes biete, aus der Perspektive der Werbeschaffenden besonders beliebt, weil sie erst für die Schaltung bezahlen müssten, wenn ein Nutzer den Spot bis zu einem bestimmten Grad der Vollständigkeit betrachtet hätte und generell fünf Freisekunden zur Werbekommunikation nutzen könnten, teilt die Jefferies Group mit.198 Neben den audiovisuellen Formaten bietet YouTube seinen Werbekunden klassische Bannerwerbung (Traditional display) außerhalb des jeweiligen Videofensters auf der Benutzeroberfläche und gleichermaßen werbliche Textfelder innerhalb der Videofenster (InVideo) an.199 Mittels TrueView Search ist es Werbetreibenden weiterhin möglich, ihre audiovisuellen Werbespots an prominenter Stelle in den konsumentenbezogenen Videoempfehlungen des Streamingdienstes, die dauerhaft auf der Bedienoberfläche YouTubes integriert sind, und den Suchergebnissen von Nutzern
189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199
Vgl. eMarketer (2015a). Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 26. Vgl. Winkler (2015). Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 27. Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 27. Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 27. Vgl. Audi AG (2016). Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 10-22. Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 14, S. 21. Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 14f. Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 22.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
zu positionieren.200 Darüber hinaus könnten Werbetreibende dem Streamingdienst die Bausteine ihrer audiovisuellen Spots, also beispielsweise verschiedene Voice-Overs, Bildquellen und Kopien zur Verfügung stellen, die im Director Mix automatisiert zu tausenden unterschiedlichen Versionen zusammengestellt würden, um so die diversen Zielgruppen individualisiert ansprechen zu können.201 Das Ad Sequencing erlaube es zudem, spotübergreifende und gleichermaßen individualisierte Geschichten zu erzählen, indem dramaturgische Zusammenhänge zwischen verschiedenen Werbefilmen am Konsumentenverhalten ausgerichtet und zielgenau platziert würden.202 Die zielgerichtete Platzierung markenkommunikativer Inhalte auf YouTube wird zum einen vermittels plattformintern erhobener Kundendaten, zum anderen und insbesondere durch die Integration der weitreichenden Konsumenteninformationen ermöglicht, die der Mutterkonzern Google über seine Nutzer respektive Kunden sammelt.203 Unter der Voraussetzung, dass die Konsumenten in ihren jeweiligen GoogleAccount eingeloggt wären, könnten etwa die Daten aus Suchanfragen und der Nutzung der zahllosen Google-Apps, etwa Google Maps, verknüpft werden, um aussagekräftige Kundenprofile für den zielgenauen Einsatz werblicher Kommunikation auf YouTube herzustellen.204 So würde es zum Beispiel für eine Outdoor-Marke möglich, ihre Werbung punktgenau bei Skifahrern unterzubringen, indem sie diese Zielgruppe durch skisportbezogene Suchanfragen auf Google, deren in Google Maps aufgezeichnete Aufenthalte in Skiregionen oder den Download spezifischer Apps von Skigebieten, eingrenzten.205 Auf der Grundlage des Erfolgs von über 1 000 Werbetreibenden erläutert der Google-Konzern, diese Art der interessenbezogenen Zielgruppendefinition würde im mobilen Sektor, im Vergleich zur exklusiven Zielgruppenbeschreibung durch demografische Daten, die Erinnerungsquote an Werbespots um 20 %, die bewusste Wahrnehmung einer Marke um 50 % steigern.206 Die Informationen hinsichtlich der Aktivitäten auf den Google-Accounts der Nutzer könnten zur zielgenauen Werbeschaltung auf YouTube verwertet werden, teilt die Direktorin des Produktmanagements beim Streamingdienst im Jahr 2017 mit.207 Den Werbetreibenden stehen auf YouTube also eine enorme Anzahl personenbezogener Nutzerdaten in Form zielgruppenspezifischer Filter zur Verfügung, die sie mit der Fähigkeit ausstatten, ihre Werbebotschaften außerordentlich zielgenau und individualisiert unterzubringen. Abgesehen von der Festlegung notwendiger zeitlicher Eckdaten einer Kampagne und der Auftrittsfrequenz zugehöriger Werbemittel können die Werbeschaffenden die Platzierung ihrer kommunikativen Maßnahmen auf YouTube unter anderem durch die Definition und Verknüpfung detaillierter demografischer Daten, der spezifischen Interessen ihrer Zielgruppe(n), ob diese etwa Rockmusik, Oldtimer oder Leichtathletik mögen, der Länder oder Regionen, in denen sich die Empfänger der Werbebotschaft befinden, der Sprachen, die selbige
200 201 202 203 204 205 206 207
Vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 20. Vgl. Jolly (2017). Vgl. Jolly (2017). Vgl. Google (2019a); vgl. Google (2019b); vgl. Perez (2017); vgl. Sloane (2017); vgl. Braun (2017). Vgl. Google (2019a); vgl. Google (2019b); vgl. Perez (2017); vgl. Sloane (2017). Vgl. Perez (2017). Vgl. Perez (2017). Vgl. Sloane (2017).
4. Streaming
sprechen, der Endgeräte, die sie nutzen, von Schlüsselwörtern, die in Suchanfragen vorkommen oder einen engen Bezug zu Videoclips aufweisen sowie die Auswahl konkreter Videos und Videokanäle determinieren.208 Gleichwohl in deutlich gesteigertem Ausmaß – der Videodienstleister verwertet neben eigenen Kundendaten die Konsumentendaten des Mutterkonzerns Google – nutzt YouTube folglich die digital und mobil generierten Zielgruppeninformationen zur individualisierten Platzierung von Werbebotschaften, wie es auch der Musikstreamingdienst Spotify tut. Im Unterschied zu Spotify, dessen Abonnementkunden das Musikstreamingangebot werbefrei nutzen können, ist YouTube ein ausschließlich werbefinanzierter Kanal. Demgemäß ist die Bedienoberfläche des Videoportals bei Such- und Abspielvorgängen generell mit Werbebotschaften ausgestattet, die sich unter den Suchergebnissen, den Videoempfehlungen und, unter der Voraussetzung, der Hersteller respektive Uploader eines Videos hat der Werbeschaltung in selbigem zugestimmt, innerhalb der Videoclips befinden.209 Als wichtigster weltweiter Zugangsweg zu Musik hat YouTube eine derartig hohe Bedeutung für Labels, Musikverlage und vor allem Musikschaffende erlangt, dass diese, hinsichtlich der Verbreitung und Bewerbung ihrer Inhalte, kaum auf die dortige Bereitstellung derselben verzichten können. Im Zusammenspiel mit dem gestiegenen ökonomischen Druck innerhalb der Musikwirtschaft hat dies zu einem Klima geführt, in dem die Musikfirmen und -schaffenden mehrheitlich nicht auf die Monetarisierung via Werbeschaltung in ihren Inhalten verzichten können. So ist es kaum möglich, populäre Musik auf YouTube zu hören beziehungsweise eingebettet in Musikvideos zu rezipieren, ohne gleichzeitig von Werbespots und anderen markenkommunikativen Maßnahmen angesprochen zu werden.
4.3
Streaming und werbetreibende Marken
Die oben durchgeführten Einzelfallstudien des weltweit wichtigsten Zugangsweges zu Musik, YouTube, und größten Musikstreamingabieters, Spotify, reflektieren die gegenwärtigen branchenüblichen Standards im Musikstreaminggeschäft. In ihrer Publikation Fair Music: Transparency and Payment Flows in the Music Industry approximiert die Initiative Rethink Music, dass insgesamt 20 bis 50 % der sich im Umlauf befindenden Geldmittel zur Vergütung der Nutzung musikalischer Werke und Aufnahmen nicht bei den rechtmäßigen Eigentümern dieser Einkünfte – den Urhebern und ausübenden Künstlern – ankommen.210 Der Bericht belegt nachhaltig, worin die Ursachen für diese wirtschaftliche Schieflage liegen: Sie basieren auf Defiziten des US-amerikanischen Copyrights, die teilweise auch im deutschen Urheber- und Leistungsschutz existieren, fehlenden Gegenseitigkeitsverträgen zwischen den verschiedenen nationalen Verwertungsgesellschaften hinsichtlich der Onlineverwertung ihrer Repertoires, den vorwiegend ökonomisch ausgerichteten Interessen der großen Plattenlabels und insbesondere
208 Vgl. Google (2019a); vgl. Google (2019b); vgl. Google (2019c); vgl. Google (2019d); vgl. Perez (2017); vgl. Sloane (2017); vgl. Braun (2017); vgl. Pham (2014). 209 Vgl. Oetting (2019); vgl. Google (2019e); vgl. Jefferies Group LLC (2014), S. 20ff. 210 Vgl. Rethink Music (2015), S. 26.
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200
I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
der Musiknutzung im Streamingsegment sowie der daraus resultierenden nachhaltigen und grundlegenden Veränderungen des Gesamtgeschäftes mit Musikaufnahmen und -werken.211 Aktuell würden beispielsweise Tantiemenzahlungen aus dem Streaming, die aufgrund falscher Lizenzierungsinformationen oder Unkenntnis der rechtmäßigen Empfänger nicht einwandfrei zuordenbar sind, von den Verwertungsgesellschaften und anderen Dienstleistern zunächst auf Treuhandkonten verwaltet und schließlich an Plattenlabels und Musikverlage auf Basis ihres Marktanteils ausgeschüttet.212 Seitens der Künstler gäbe es zudem keine Möglichkeit, die tatsächlichen Zahlungen von Streamingdiensten an Plattenfirmen zu kontrollieren und anhand der Lizenzierungsgeschäfte auf Plausibilität zu überprüfen – es wären mittlerweile möglicherweise mehrere hundert Millionen US-Dollar Vorschusszahlungen an die Major-Labels geflossen, die sie einbehalten und bis ins Jahr 2015 nicht mit den Musikschaffenden geteilt hätten.213 Die gängigen Auszahlungsraten der großen Plattenfirmen an ausübende Künstler für Royalties aus der Nutzung ihrer Aufnahmen im Streaming lägen bei ungefähr 13 bis 22 % der entsprechenden Labeleinkünfte.214 Weiterhin existiert bislang weder in den USA noch in Deutschland ein gesetzlicher Standard, der einen Rahmen für diesbezügliche vertragliche Vereinbarungen zwischen Labels und Künstlern schaffen würde und angemessene Tantiemenauszahlungen der Plattenfirmen an ihre Interpreten hinsichtlich der Verwertung von Musikaufnahmen im Musikstreaming sicherstellen könnte. Infolge des auf der fortschreitenden globalen Verbreitung des Streamings basierenden Rückgangs der Einkünfte von Musikschaffenden aus dem Verkauf von Tonträgern, DPDs und zugehörigen mechanischen Rechten, der gleichzeitig äußerst geringfügigen Tantiemenauszahlungen der Streaminganbieter an die Rechteinhaber der entsprechend verwerteten Musikwerke und -aufnahmen sowie der branchenüblichen Anteile von Plattenfirmen und Musikverlagen an diesen Royalties tragen insbesondere die beiden großen Streaminganbieter Spotify und YouTube dazu bei, dass Urheber und ausübende Künstler in zunehmendem Maß auf Einnahmequellen angewiesen sind, die nicht durch die Endkonsumenten der Musik erzeugt werden. Im Zusammenspiel mit dem parallel zu dieser Entwicklung fortschreitend steigenden Bedarf werbetreibender Marken an populärer Musik werden diese Einkunftsarten in gleichermaßen anwachsender Tendenz mittels Markenkooperationen, die Komposition und Produktion von Werbemusik sowie Musiklizenzierung zur werblichen Verwertung realisiert. Demgemäß zählen die Tätigkeiten und der weltweite Erfolg der Streamingdienste, wie auch der diesbezüglich ungenügende internationale rechtliche Schutz der Urheber und Leistungsschutzberechtigten, zum einen zu den Ursachen für die erhöhte Bedeutung werbetreibender Marken innerhalb der populären Musikkulturen der Gegenwart, die an ihrer gestiegenen ökonomischen Relevanz in den oben beschriebenen Bereichen der Musikwirtschaft ablesbar ist. Zum anderen findet im Musikstreaming der Anbieter Spotify und YouTube, also dem weltweit größten Musikstreamingdienst und wichtigsten Zugangsweg zu populä-
211 212 213 214
Vgl. Rethink Music (2015). Vgl. Rethink Music (2015), S. 16. Vgl. Rethink Music (2015), S. 16. Vgl. Rethink Music (2015), S. 20.
4. Streaming
rer Musik, deren Wirtschaftlichkeit gleichermaßen von ihren Einkünften aus der Markenkommunikation abhängt, eine strukturelle Verknüpfung werblicher und populärmusikalischer Inhalte statt, die in Qualität und Quantität ein Novum innerhalb der populären Musikkulturen darstellt. Während es auf Spotify etwa die Branded Playlists, Video Takeover oder Sponsored Sessions sind, in denen das musikalische Repertoire des Streamingdienstes an Marken angedockt wird, ist es auf YouTube vor allem die allgegenwärtige Integration audiovisueller Werbespots in die entsprechende mediale Gestalt populärer Musik, die ein dauerhaftes Höchstmaß der Verschmelzung markenkommunikativer und populärmusikalischer Inhalte erzeugt. Dessen ungeachtet werden diese strukturellen Verknüpfungen musikalischer und werblicher Inhalte juristisch bislang nicht als werbliche Verwertung von Musikaufnahmen und -werken eingeschätzt und folgerichtig kaum vergütet. Selbiges gilt für die Verwertung musikalischer Inhalte im Rahmen der Instore-Musik, wie sie etwa die Firma Soundtrack Your Brand anbietet, an der Spotify unmittelbar beteiligt ist. Beide Streaminganbieter bezahlen dementsprechend äußerst geringfügige oder, wie etwa an der oben dargestellten Praxis YouTubes ablesbar, die Aufführung der in Werbespots verwerteten Musikwerke nicht zu vergüten, keine Tantiemen für die Sende- und Aufführungs- respektive Bereitstellungsrechte der in den spezifischen Werbemitteln verwerteten und mit diesen Instrumenten der Markenkommunikation verknüpften Musikwerke und -aufnahmen. Es ist demnach dringend notwendig, die Rechte der Urheber und ausübenden Künstler weltweit zu stärken und ihnen flächendeckend ein möglichst einheitliches Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, dass sie befähigt, gegen unangemessen vergütete Verwertungsformen sowie die Entstellung ihrer Schöpfungen im Kontext der werblichen Nutzung vorzugehen. Beide Fallstudien verweisen folglich auf eine Veränderung der Machtverhältnisse wie auch einen Paradigmenwechsel innerhalb der populären Musikkulturen der Gegenwart, die in den folgenden Kapiteln thematisiert werden: Werbetreibende Marken haben ein steigendes Maß an Verfügungsgewalt über populäre Musikformen erlangt, gleichzeitig sind die ehemals als Sell-out empfundenen Künstlerkooperationen mit Marken und die werbliche Verwertung musikalischer Inhalte zu einem weitestgehend akzeptierten und omnipräsenten Bestandteil der kontemporären populären Musikkulturen geworden, dessen vielfältige Gestaltformen im populärmusikalischen Diskurs kaum noch hinterfragt werden.
201
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
5.1
Von Plattenlabels zu Musikfirmen: Das Markendogma im Musikgeschäft
Der Geschäftsführer der ehemaligen EMI Electrola GmbH Deutschland erklärte auf einer Vertriebstagung seines Unternehmens im Jahr 1989: »Die letzte EMIVertriebstagung der 80er Jahre ist meines Erachtens dazu angetan, unsere langfristige Aufgabe neu zu definieren. Das magische Wort heißt RECHTE! Ganz gleich welche Tonträger uns die Zukunft bringen wird, solange wir die Rechte an den Künstlern und deren Musik haben, ist unsere Zukunft gesichert.«1 Obwohl die konkreten Entwicklungen im Geschäft mit Musik bis in die Gegenwart 1989 schwerlich vorhersehbar waren, formulierte Helmut Fest damit eine zentrale Strategie der Tonträgerunternehmen, mit den Veränderungen des Musikmarktes seit dem beginnenden 21. Jahrhundert umzugehen. In Form von Rechteübertragungen oder der Einräumung von Wahrnehmungsrechten mit vorzugsweise langer Geltungsdauer, die in sogenannten 360-Grad-Verträgen, im englischsprachigen Raum auch als Multiple Rights Deals bezeichnet, verankert werden, versuchen vor allem die Major-Labels ihre Partizipation an einer möglichst hohen Anzahl aller Wertschöpfungsbereiche langfristig zu sichern, die in direktem Zusammenhang mit den entsprechenden Künstlern stehen.2 Neben dem Segment der Musikaufnahmen, inklusive zugehörigem Lizenzgeschäft und Vertrieb derselben, handelt es sich dabei beispielsweise um die Konzertsparte, das Merchandisinggeschäft, den Bereich der Marken- beziehungsweise Werbekooperationen einschließlich des Sponsorings, die Verwertung von Bildrechten, Künstler- und Fanwebseiten, mobiles Marketing, Videostreaming sowie das Management all dieser Geschäftsfelder.3 Bereits im Jahr 2008 habe sich der 360°-Vertrag bei den Major-Labels als Standard etabliert, der Künstlern üblicherweise angeboten würde.4 Edgar Bronfman, zu diesem Zeitpunkt Geschäftsleiter der Warner Music Group, gab 2011 bekannt,
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Show (1989) zit.n. Wicke (1993), S. 64. Vgl. Meier (2017), S. 75. Vgl. Meier (2017), S. 76; vgl. Tschmuck (2013). Vgl. Stahl, Meier (2012) zit.n. Meier (2017), S. 76.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
fast die Hälfte der gesamten Umsätze des Unternehmens wären auf Geschäftsfelder zurückzuführen, die 2004 noch nicht existiert hätten. Weiterhin seien mehr als 60 % der aktiven Künstler im Repertoire des Labels durch Verträge an die Warner-Gruppe gebunden, welche die Verwertung eines umfassenden Paketes erweiterter Rechte für das Unternehmen ermöglichten.5 Mit der darauf basierenden Einführung und Auswertung einer Vielzahl neuartiger Produkte und Dienstleistungen haben sich die Plattenfirmen profitable Einnahmequellen außerhalb ihres ehemaligen Kerngeschäftes mit Musikaufnahmen erschlossen, die in der Summe einen stark diversifizierten Musikmarkt abbilden. Die Führungskräfte von Plattenlabels würden ihre Tätigkeiten nicht länger dem Tonträgergeschäft zuordnen, was, so die Medienwissenschaftlerin Meier, vor dem Hintergrund der digitalen Turbulenzen im Musikaufnahmegeschäft, wenig überraschend sei.6 Infolgedessen hätten selbige ihre Betriebe vermehrt von den produktbezogenen Bezeichnungen Plattenlabel oder Tonträgerhersteller gelöst und würden diese stattdessen schlicht Musikfirmen oder Musikunternehmen nennen.7 Der Vorstandsvorsitzende des Bundeverbandes Musikindustrie e.V. Dieter Gorny und dessen Geschäftsführer Stefan Michalk erklären diesbezüglich im Jahresbericht des Verbandes aus dem Jahr 2008: »Ob Künstler- und Konzertmanagement, Merchandising und Vertrieb oder die Diversifikation in musiknahe Geschäftsfelder: Mit Hochdruck arbeiten sie [die Plattenlabels, A. S.] daran, die Abhängigkeit vom klassischen Tonträgergeschäft zu verringern. Aus den früheren Plattenfirmen werden so Musikunternehmen, die Künstlern entweder spezialisierte Dienstleistungen oder gleich das 360°-Rundum-Sorglos-Paket anbieten können.«8 Aus der Künstlerperspektive ist die letzte Aussage Gornys und Michalks wenig nachvollziehbar, bieten die 360°-Verträge doch weniger die Befreiung von allen Sorgen als vielmehr eine ausgeprägte meist langfristige und einseitig dominierte Abhängigkeit von Musikfirmen, deren oberstes Interesse die Maximierung der eigenen Profite darstellt. Für die große Mehrheit der Musikschaffenden, ausgenommen die Stars der Branche und weitreichend etablierte Künstler, sind die Konditionen solcher Übereinkünfte zur Verwertung multipler Rechte nachteilig – sie werden aus einer Machtposition der Musikunternehmen heraus verhandelt.9 Parallel zur oben dargestellten und in allen drei Bereichen der Musikwirtschaft fortschreitenden Konsolidierung – eine geringer werdende Anzahl von Unternehmen beherrscht einen wachsenden Anteil am jeweiligen Markt – haben insbesondere die großen Plattenlabels einen Prozess der inneren Neuorganisation durchlaufen. Durch Stellenkürzungen und die Ausweitung ihrer Kompetenzen auf neue Betätigungsfelder sind sie, gemessen an der Anzahl der Mitarbeiter, insgesamt kleiner und flexibler geworden.10 Dabei ist die Anzahl der Arbeitsplätze unter anderem in denjenigen Bereichen stark zurückgegangen, die unmittelbar mit der Herstellung und dem Vertrieb von Musikaufnahmen zusammenhängen. Die Erweiterung der angebotenen Produkt- und 5 6 7 8 9 10
Vgl. Seeking Alpha (2011) zit.n. Meier (2017), S. 76. Vgl. Meier (2017), S. 77. Vgl. Meier (2017), S. 77. Bundesverband Musikindustrie e.V. (2008), S. 3. Vgl. Meier (2017), S. 76-80. Vgl. Meier (2017), S. 72ff.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
Dienstleistungspalette sowie die gewachsene Bedeutung ehemals weniger relevanter Geschäftsbereiche haben gleichzeitig zu Veränderungen der strukturellen Beschaffenheit der Belegschaft von Musikunternehmen geführt. Abgesehen von der Etablierung neuer Berufsbilder, wie etwa dem des Sync-Managers oder dem des OnlinecontentManagers, ist dies an gewachsenen Rechtsabteilungen und vor allem einer zunehmend dominanten Rolle des Marketings im Gesamtgefüge der Musikfirmen ablesbar, was, im Kontext der rein ökonomischen Motive ihrer Neustrukturierung, die eine Reaktion auf monetäre Einbußen aus dem Rückgang des Geschäftes mit Musikaufnahmen und die fortschreitende Digitalisierung darstellen, kaum verwunderlich ist. In einer Darstellung aus dem Jahr 2014 stellt der Bundesverband Musikindustrie das Marketing und die Promotion als zentrale und anteilig wichtigste Kernkompetenzen der Musikfirmen dar.11 Demzufolge ist das Marketing, das obiger weitgefasster Definition zufolge die Promotion, die ausschließlich werbliche Maßnahmen integriert, einschließt, aus der Perspektive des Industrieverbandes das maßgebliche Tätigkeitsfeld von Musikunternehmen. Im Jahr 2015 hätten die Plattenlabels/Musikfirmen mit weltweit mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar etwa 27 % ihrer Umsätze in die Bereiche Artist und Repertoire (A&R) sowie Marketing investiert, erklärt die IFPI.12 Davon seien 2,8 Milliarden US-Dollar in das A&R-Segment geflossen, das unter anderem die Bereiche Künstlermanagement, grafische und kreative Dienstleistungen (bspw. durch Grafikdesigner oder Fotografen), Kreation respektive Produktion, Studioaufnahmen, Tour Support und Musikvideos umfasse, und folgerichtig nur noch fragmentarisch der künstlerischen Entwicklung musikalischer Interpreten dient, die den Schwerpunkt des klassischen A&R-Bereichs gebildet haben.13 Diese Ausgaben würden unter der Zielvorgabe getätigt, kommerziellen Erfolg mit den geförderten Künstlern zu erreichen.14 So werden die Entscheidungen über den Einsatz entsprechender Budgets und die damit einhergehende Auswahl von Künstlern auf Basis einer ökonomisch motivierten Marketingsystematik getroffen, die weniger das künstlerische Potential oder Talent als vielmehr den unten erläuterten Markenwert von Musikern berücksichtigt. Die verbleibenden 1,7 Milliarden US-Dollar wären direkt für das Marketing der Musikunternehmen aufgewendet worden.15 Bei den typischen Kosten zum Aufbau eines international erfolgreichen Künstlers belegt das Marketingsegment, mit einem Anteil zwischen 35 und 42 % an den Gesamtkosten, den Spitzenplatz – die großen Musikfirmen würden üblicherweise Beträge zwischen 200 000 und 700 000 US-Dollar, bei Gesamtkosten zwischen 475 000 und 2 000 000 US-Dollar, für das Marketing und die Promotion ausgegeben.16 Das Marketingteam eines Major-Labels könne weltweit bis zu 1 500 interne und externe Marketing-Experten involvieren.17 Dies spiegelt sich unmittelbar in einem veränderten Selbstbild der Ver-
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Vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. (2014), S. 24. Vgl. IFPI (2016b), S. 3f. Vgl. IFPI (2016b), S. 10; vgl. Bundesverband Musikindustrie e.V. (2017b), S. 22. Vgl. IFPI (2016b), S. 10. Vgl. IFPI (2016b), S. 11. Vgl. IFPI (2016b), S. 6. Vgl. IFPI (2016b), S. 6.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
antwortlichen bei den Musikfirmen wider. Meier zeigt ausführlich auf, dass diese sich selbst vermehrt als im Marketinggeschäft tätig betrachten.18 Der gängigen Marketingpraxis folgend sind die Herstellung und die Aufrechterhaltung starker Marken, die den kommerziellen Erfolg der verbreiterten Produktpalette ermöglichen sollen, demnach ein zentraler Aufgabenbereich der Musikunternehmen. Aus dieser, für die Gesamtheit im ökonomischen Wettbewerb tätiger Akteure, normativen Marketingperspektive, repräsentieren Künstler Marken, wohingegen Musikaufnahmen, Live-Konzerte, Musikwerke, Werbekooperationen und die Vielzahl weiterer Angebote der Musikfirmen Produkte darstellen. Die auf dem Fundament realer Künstlerpersönlichkeiten stattfindende Konstruktion eindeutiger und plausibler Markenidentitäten steht, manifestiert in 360°-Verträgen, in denen die Verwertung ebendieser Künstlermarken und nicht etwa deren Musik das Zentrum der Wertschöpfung bildet, folgerichtig im Fokus der Musikunternehmen. Derartig produzierte Künstlermarken bilden das Koordinatensystem, in dem sich alle wirtschaftlichen Tätigkeiten der ehemaligen Plattenlabels abspielen. Ihre zielgruppenorientierte Identität determiniert die angebotenen Produkte, Dienstleistungen und kommunikativen Maßnahmen und wird gleichzeitig durch selbige stetig modifiziert. Dieser fortwährende Prozess der wechselseitigen Justierung steht zudem unter dem Einfluss moderierender Variablen, wie etwa dem sich verändernden Zeitgeist oder soziosentimentalen Wertesystemen konkreter Zielgruppen. In einer Art Endlosschleife wird versucht, das Selbstbild der Künstlermarke mit deren Fremdbild zu harmonisieren und dabei eine möglichst hohe Anziehungskraft zu erzeugen, die sich auf die zugehörigen Produkte übertragen soll. Innerhalb der Marketingsystematik besitzen letztere also insbesondere zwei Funktionen: Sie dienen der breitgefächerten Erzeugung von Einkommen und sind gleichzeitig Werbemittel für die dahinter stehende Künstlermarke. Nach dem Vorbild von Musikvideos, die durch ihre Sendung und Aufführung einerseits Tantiemen für die Rechteinhaber produzieren, andererseits, seit der Einführung von MTV 1981, ein wichtiges Instrument zur Vermarktung von Tonträgern und Künstlern sind,19 unterliegen gegenwärtig alle Produkte und Dienstleistungen der Musikfirmen, so auch die Musikaufnahme, diesem Mandat. Aus dem Blickwinkel der Konsumenten füllen die Angebote der Musikunternehmen freilich gänzlich andere Funktionen aus: Sie dienen beispielsweise der Unterhaltung oder stellen eine Projektionsfläche für emotionale Inhalte zur Verfügung. Selbiges gilt für das aus der multimedialen Verbreitung kommunikativer Maßnahmen sowie der differenzierten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bestehende, um Musik und Musiker herum arrangierte, vielschichtige Referenzsystem, das im Werbeprozess insofern kulturelle Wertigkeit entwickelt, als dass es Sinn- und Bedeutungszusammenhänge vermittelt und Vergnügen produziert.20 Trotz der marketingstrategischen Ausrichtung der Musikunternehmen, der damit einhergehenden Akquise diesbezüglichen Know-hows und den vergleichsweise höchsten Aufwendungen für das Marketing von Künstlern, die allesamt auf eine Risikominimierung abzielen, bleibt die Etablierung neuer Künstler im Markt ein Vabanquespiel.
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Vgl. Meier (2017), S. 74-84. Vgl. Meier (2017), S. 37; vgl. Wicke (1993), S. 85. Vgl. Wicke (1993), S. 83.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
Der IFPI zufolge würden manche Labels das Verhältnis kommerziell erfolgreicher und gescheiterter Projekte auf 1:4 schätzen, während andere die Erfolgsaussichten mit einer Quote von weniger als 1:10 deutlich geringer bezifferten.21 Die Produktion von Erfolg im Musikgeschäft basiert demnach keineswegs ausschließlich auf der Herstellung plausibler Künstlermarken, strategischer Kommunikation kongruenter Identitäten und dem Angebot adäquater Produkte, sondern ist darüber hinaus abhängig von der Güte einer vorausschauenden Einschätzung einer Vielzahl verschiedenster Variablen mit divergierenden Komplexitätsgraden. Das Spektrum dieser Einflussfaktoren reicht von konkreten musikalischen Inhalten, zum Beispiel deren Innovationspotential oder Klangbild über die Fähigkeit eines Künstlers, eine Marke zu personifizieren, soziale und kulturelle Themen, etwa Wertesysteme von Zielgruppen oder allgemeine Veränderungen im Lebensstil der Menschen, bis hin zu Gegenständen politischer Auseinandersetzung, zum Beispiel der Umgang der Europäischen Union mit Flüchtlingen, und steht immer in direktem Zusammenhang mit temporären rationalen oder irrationalen gesellschaftlichen Schwerpunkten. Angesichts eines derartig komplexen Beziehungsgeflechtes wirkungsstarker Komponenten für die Fabrikation von kommerziellem Erfolg im Musikgeschäft, das in der obigen exemplarischen Darstellung nur eine Auswahl möglicher Faktoren enthält, erscheinen die von den Plattenlabels genannten Trefferquoten bei der Etablierung von Künstlern in einem vorteilhafteren Licht. Gleichwohl reflektieren diese Quoten das bereits besprochene Superstarproblem: Um ökonomisch erfolgreich zu sein, müssen die Musikfirmen mit einer kleinen Anzahl von Künstlern Umsätze in solchem Ausmaß generieren, dass sie die monetären Verluste aus einer hohen Anzahl kommerzieller Fehlschläge kompensieren respektive übertreffen. Dementsprechend finden Abschlüsse von Verträgen zur Verwertung von Rechten an Superstars und zugehörigen Musikaufnahmen beziehungsweise Musikwerken und die jeweiligen Topseller gar Eingang in die Geschäftsberichte der großen Musikunternehmen, während die immense Vielzahl unbekannterer und vor allem wenig rentabler Künstler darin unerwähnt bleibt.22 Das Ausmaß der durch die Stars der Branche für die Musikfirmen eingespielten Umsätze und die hohe Bedeutung von 360°-Verträgen kann am Beispiel Lady Gagas abgelesen werden. Gemäß der Angaben von Führungskräften, die mit den Zahlen vertraut wären, hätte die Sängerin bis Mai 2011 in weniger als drei Jahren – ihr Debütalbum wurde im August 2008 veröffentlicht – annähernd 200 Millionen US-Dollar für die zur Universal Music Group gehörende Plattenfirma Interscope Records eingespielt.23 Etwa die Hälfte dieser Einkünfte sei auf den Verkauf von Musikaufnahmen zurückzuführen, während der Rest der Umsätze aus dem Live-Geschäft, Markenkooperationen mit Polaroid, Estée Lauders MAC, Virgin Mobile und anderen sowie sonstigen Zusatzgeschäften stamme.24 Der Vorstandsvorsitzende des Kosmetikriesen Estée Lauder prognostizierte im März 2010, 3 bis 4 % des Unternehmenswachstums würden in diesem Jahr auf
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Vgl. IFPI (2016b), S. 10. Vgl. Vivendi (2017), S. 14f.; vgl. Sony Corporation (2016), S. 56; vgl. Warner Music Group Corp. (2012), S. 7, S. 9. Vgl. Meier (2017), S. 76; vgl. Roberts (2013). Vgl. Roberts (2013).
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der Kooperation mit Lady Gaga beruhen.25 Die Künstlerin selbst hat, nach der Einschätzung des Forbes-Magazins, seit dem 1. Mai 2010 in nur einem Jahr 92 Millionen US-Dollar verdient.26 Abgesehen von den Musikfirmen existiert also ein kleiner elitärer Kreis von Stars, die gleichermaßen von 360°-Übereinkünften profitieren, wohingegen die große Mehrheit der Musiker keine Vorteile von derartigen Bindungen hat. Im Gegenteil: bleibt der kommerzielle Erfolg aus, haben Künstler häufig keine Möglichkeit, aus diesen Verträgen auszusteigen und die umfangreichen abgegebenen Rechtebündel zurückzuerlangen, um diese etwa anderweitig verwerten zu können. Historisch betrachtet stellt die Herstellung von Künstlermarken keineswegs eine Innovation dar und ist, zumindest seit dem Beginn der industriellen Herstellung und massenhaften Verbreitung von Tonträgern, ein zentrales Element der Wertschöpfung aus populären Musikkulturen.27 Das konstruierte Fremdbild der Künstler, ihr Image, war zu jedem Zeitpunkt ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Vermarktung und den Verkauf von industriell hergestellter, populärer Musik. In seinem vielbeachteten Aufsatz zur Produktion von Erfolg im Popmusikgeschäft erklärt beispielsweise der Soziologe Antoine Hennion 1983, die Herstellung und Kommunikation einer Persona sei essentieller Bestandteil wirtschaftlich profitabler Tätigkeiten auf diesem Feld.28 Vermittelt durch einen Song, eine Stimme und ein visuelles Erscheinungsbild würde der Öffentlichkeit eine Lebensgeschichte, eine Persönlichkeit verkauft.29 Auf Basis einer Neuerzählung der realen Lebensgeschichte eines Künstlers im sozialen Bezugssystem der Popmusik, einer Neuformulierung dessen persönlicher Problemstellungen, seien es die Künstler, die einem Song Persönlichkeit verleihen müssten und nicht umgekehrt die Songs, die einem Künstler selbige gäben.30 Der Terminus Persona bezeichne die kollektive Projektion der Lebensrealitäten des Künstlers und der Öffentlichkeit auf den Schirm der populären Musik.31 So beschreibt der Ausdruck die Harmonisierung eines Selbstbildes (die Künstlerrealität) mit einem Fremdbild (die Realität der Öffentlichkeit) in einem konkreten Medium (populäre Musik) und ist damit, aus der Perspektive der identitätsbasierten Markenführung, nichts anderes als ein spezieller Fall einer Marke: die Personen- beziehungsweise Künstlermarke. Es sind folglich nicht die Konstruktion von und Wertschöpfung aus Künstlermarken, die eine Neuerung hinsichtlich der Produktion von Erfolg im Musikgeschäft darstellen, als vielmehr deren hierarchische Spitzenposition als zentrales Wirtschaftsgut der Musikunternehmen, ihr dominanter Einfluss auf alle ökonomisch orientierten Tätigkeiten derselben, die mit der Produktdiversifikation und damit sinkender wirtschaftlicher Bedeutung der Musikaufnahme einhergehen. Diese Fokus- und Kompetenzverlagerung bei den Musikfirmen, die auch viele Independent-Labels durchdrungen habe,32 und die damit korrelierende inhaltli-
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Vgl. Roberts (2013). Vgl. Roberts (2013). Vgl. Wicke (2004b); vgl. Wicke (1993); vgl. Frith (1992); vgl. Hennion (1983). Vgl. Hennion (1983). Vgl. Hennion (1983), S. 186. Vgl. Hennion (1983), S. 184f. Vgl. Hennion (1983), S. 185. Vgl. Meier (2017), S. 80.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
che Restrukturierung dessen, was Künstlermarken ausmacht, implizieren weitreichende Konsequenzen. Die Labels hätten heutzutage stark verringerte Mitarbeiterzahlen im klassischen und auf die künstlerische Entwicklung musikalischer Interpreten abzielenden A&RSegment und würden kaum noch in den häufig zeitaufwendigen Aufbau und die musikalische Entwicklung unbekannter Künstler investieren, erklärt Don Grierson, ehemaliger Vizepräsident der Artist und Repertoire Abteilungen bei Capitol Records, EMI Amerika und Epic Records im Jahr 2010.33 Der Markenwert aufstrebender Künstler speise sich nicht ausschließlich beziehungsweise vorwiegend aus musikalischem Talent, sondern liege eher im erzeugten Buzz derselben, also dem Maß der in der Öffentlichkeit erzielten, die Anziehungskraft eines Künstlers reflektierenden, Begeisterung, begründet.34 Um einen Plattenvertrag von den Musikunternehmen angeboten zu bekommen, müssten die Künstler bereits über eine messbare öffentliche Wirkung verfügen – etwas müsse passieren, es müsse eine Geschichte existieren.35 Auf diese Weise hätten die Plattenlabels einen wesentlichen Teil der Arbeit klassisch ausgerichteter A&R-Abteilungen auf die Künstler selbst ausgelagert, schlussfolgert Meier.36 Das mögliche kommerzielle Potential neuer Künstler würde an der Anzahl von YouTube-Klicks, Facebook-Freunden, Twitter-Followern und ihresgleichen beurteilt.37 Unter Verwendung der durch die sozialen Medien geschaffenen Infrastruktur könne die soziale Gesamtwirkung einer Person rationalisiert, gemessen und als deren digitales Renommee zusammengefasst werden.38 Das zentrale Kriterium für die Vergabe von Verträgen ist für die Labels folglich ebendiese digitale Reputation der Künstler, nicht etwa deren Musik oder kreatives Potential. Vom Standpunkt der Künstler aus betrachtet impliziert dies, dass die Stärke ihrer Position bei entsprechenden Vertragsverhandlungen unmittelbar vom Maß ihrer bereits erzielten digitalen Gesamtwirkung respektive ihrem Berühmtheitsstatus abhängt.39 Nachwuchskünstler würden mittels ungünstiger Vertragskonditionen für ihren mangelhaften Markenwert abgestraft, wohingegen etablierte Künstler und die Stars der Branche zunehmend hohe Vorschusszahlungen und hohe Beteiligungsquoten an allen Verwertungsformen in 360°-Verträgen zugesichert bekämen.40 Eine derartige Fokussierung der Musikfirmen auf das digitale Renommee von Künstlern führt unternehmensseitig unweigerlich zu einem Bedeutungsverlust musikalischer Leistungen. Wenn der Wert von Musikern an deren bereits existierender digitaler Reputation festgemacht würde und nicht an deren Talent, untergrabe dies die Fähigkeit der Verantwortlichen bei den Musikfirmen, das Potential unbekannter Künstler erkennen zu können, erklärt Meier diesbezüglich.41 Tatsächlich sind die Wirkungen dieser Entwicklung vielfältig und weitreichend, wenn musikalisch-künstlerisches Schaffen in der Wertschöpfungshierarchie der Labels 33 34 35 36 37 38 39 40 41
Vgl. Meier (2017), S. 77f. Vgl. Meier (2017), S. 78. Vgl. Meier (2017), S. 78. Vgl. Meier (2017), S. 78. Vgl. Meier (2017), S. 78. Vgl. Hearn (2010), S. 429f. zit.n. Meier (2017), S. 78. Vgl. Meier (2017), S. 78f. Vgl. Meier (2017), S. 78f. Vgl. Meier (2017), S. 79.
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weitestgehend durch lebensstilbezogene Faktoren ersetzt wird und letztere über den zielgerichteten Zugang von Künstlern zu einer breiten Öffentlichkeit entscheiden. In diesem Sinne sind Künstlermarken gegenwärtig mehr Lifestyle-Marken als musikalische Marken – sie beziehen ihre Wertigkeit weniger aus den musikalischen Tätigkeiten der Künstler, als vielmehr aus deren, in sozialen Medien aufbereitetem und reorganisiertem, Lebensstil. Das selbstauferlegte Markendogma der Musikfirmen, der damit verknüpfte Rückgang musikalischen Know-hows und sinkende finanzielle Mittel für die Künstlerentwicklung, bedingen zudem veränderte Rahmenbedingungen die publizierte Musik betreffend. Mit der Verminderung der musikalischen Innovationskraft von Musikfirmen greifen diese in zunehmendem Maßstab auf erwiesenermaßen erfolgreiche musikalische Konzepte, Formen und Inhalte zurück. Sie referenzieren in Neuveröffentlichungen auf bereits Funktionierendes, imitieren das bereits erprobt Verwertbare in neuer Form. Darin liegt einer der Gründe für einen alle populärmusikalischen Gattungen und Medien durchdringenden fortschreitenden Konformismus, der, neben einer Reihe übergeordneter Konventionen, etwa die Lautheit vom Musikstücken oder deren harmonische Entwicklung betreffend, innerhalb der verschiedenen in Gattungsbegriffen zusammengefassten musikalischen Gestaltformen, in Abhängigkeit der jeweiligen als kommerziell wertvoll eingeschätzten musikalischen, klanglichen und textlichen Merkmale, eine gewisse Eigenständigkeit besitzt. Die übergeordnete Wertigkeit von Künstlermarken im Gesamtgeflecht der Musikwirtschaft kann exemplarisch an einem anderen Phänomen der audiovisuellen Medienkultur abgelesen werden: den musikalischen Castingshows. In den meist international im TV verwerteten Franchiseshows, die grundsätzlich vorgeben, den nächsten Star der Branche zu suchen, ist es weniger das gesangliche Talent der Teilnehmer, das über den Gewinn der jeweiligen Sendestaffel entscheidet, als vielmehr deren Fähigkeit, im Staffelverlauf ein positives beziehungsweise attraktives Image in der Öffentlichkeit, eine Personenmarke, zu erzeugen. Obwohl dieses Konzept ohne eine gewisse gesangliche Qualifikation der Teilnehmer nicht funktionieren könnte, steht diese keineswegs im Mittelpunkt der Sendungen. Das maßgebliche Ziel derselben sei die kommerzialisierte Unterhaltung, die von Medienwissenschaftlern auch als performatives Realitätsfernsehen bezeichnet würde.42 Dabei würde in das Leben realer Menschen eingegriffen, wodurch das Format dokumentarisch wirke, ohne es zu sein: »Die ›echten‹ Talente werden gezielt nach Typen ausgewählt und im Verlauf der Sendungen systematisch Stresssituationen ausgesetzt. Skandalträchtige Provokationen werden dabei bewusst in Kauf genommen. Drehbuchartig wird eine Geschichte von Aufstieg und Fall erzählt, bei der die Grenze zwischen Realität und Fiktion, zwischen Authentizität und Inszenierung für die Zuschauer(innen) – und wohl auch für die Akteure – verschwimmt.«43 Die Entscheidungsgewalt über Erfolg oder Misserfolg der Akteure im Rahmen der Castingshows liege letztendlich bei den Zuschauern. Nachdem es bis zu einem gewissen Stadium der Sendestaffeln, einer Vorauswahl entsprechend, eine Jury sei, die über das Weiterkommen der Kandidaten entscheide, wäre es am Ende das Publikum, das in verschiedenen,
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Vgl. Lünenborg et al. (2011) zit n. Mekonet (2011), S. 1. Kurotschka (2007) zit n. Mekonet (2011), S. 1.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
zumeist kostenpflichtigen, Formen über das Verbleiben der Teilnehmer im Feld beziehungsweise den Gewinn einer Show bestimme.44 Dieser Vorgang besitzt eine multiple Funktionalität: Abgesehen von den damit generierten Einkünften der Sender, etwa aus den Gebühren für die Stimmabgabe per SMS, und der so geschaffenen Partizipationsmöglichkeit an der Sendung, die Zuschauer können sich als Teil des Ganzen verstehen, bilden die damit gewonnenen Daten die Akzeptanz der Show-Teilnehmer in der Öffentlichkeit und damit deren kommerzielles Potential für die Musikfirmen ab. In der besonders werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen würden Castingshows regelmäßig hohe Marktanteile (Einschaltquoten) erreichen und vor allem auf die jugendliche Zielgruppe im Alter zwischen 12 und 19 Jahren eine große Faszination ausüben.45 Das in den Sendungen angebotene musikalische Repertoire setzt sich weitestgehend aus den Hits der Vergangenheit zusammen, deren Gemeinsamkeiten also in kommerziellem Erfolg und breitgefächerter Bekanntheit liegen und deren Verwertungsrechte sich vornehmlich im Besitz der großen Musikfirmen und -verlage befinden. Derjenige Teilnehmer der Konkurrenz, der es bestmöglich schafft, seine medial konstruierte Identität im Verlauf der Sendestaffel positiv aufzuladen und diese bei seinen Auftritten mittels der bereits erprobten und nachgewiesenen emotionalen Qualität der Songs performativ zu transportieren, hat demnach gute Erfolgschancen bei Castingshows. Die etwa seitens des Verbraucherschutzes geäußerte Kritik, selbige seien Dauerwerbesendungen, ist durchaus nachvollziehbar.46 Neben den, auf Basis diesbezüglicher Angaben von Media Control kalkulierten, zwischen 17 und 27 % der Gesamtsendezeit einnehmenden Werbepausen für klassische TV-Spots implementiert etwa die Show Deutschland sucht den Superstar (DSDS) Werbebotschaften aller denkbaren Formate – vom Sponsoring und Product Placement über eingeblendete Werbebotschaften bis hin zu E-Commerce-Optionen beim Zuschauen via des RTL-Internetauftritts – und sei damit für RTL ein Zugpferd in der Werbeplatzvermarktung, erklärt der Chef des Marketing-Beratungsunternehmens Ebiquity.47 Im Jahr 2015 hätte RTL mehr als 60 Millionen Euro brutto alleine aus klassischer Fernsehwerbung im Rahmen der Castingshow umgesetzt, was bereits mehr als 2 % der Jahresgesamteinkünfte aus Werbung ausmachte.48 Aus der Perspektive der ausstrahlenden Sender respektive der dahinter stehenden Medienkonzerne werden musikalische Castingshows folglich als Marken verstanden, die helfen sollen, eine Vielzahl von Produkten zu verkaufen und eigene Inhalte, sich selbst, zu bewerben. Die Produktpalette schließt die genannten Werbeformate und zugehörige Werbeplätze, Merchandising-Artikel, Onlinekommunikation und Print-Medien mit ein, die ihrerseits, beispielsweis in Form gesponserter Trailer anderer Sendungen, eines gedruckten Logos etc. weitestgehend als Werbemittel für den jeweiligen Sender eingesetzt werden.49 So können Castingshows selbst als Werbemittel verstanden werden, die eine inszenierte Realität und künstlich erzeugte Identitäten realer Menschen sowie die, bestenfalls im musikalischen Auftritt und der zugehörigen 44 45 46 47 48 49
Vgl. Mekonet (2011), S. 2. Vgl. Mekonet (2011), S. 2. Vgl. Mekonet (2011), S. 4. Vgl. Sanchez (2017); vgl. Pohlgeers (2016); vgl. Schwegler (2015). Vgl. Schwegler (2015); vgl. ARD (2016). Vgl. Kaiser (2008).
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Musik konvergierende, emotionale Wirkkraft selbiger zum Zwecke der Werbung verwerten. Für die Plattenfirmen und Musikverlage sind die Castingsendungen ebenfalls gleichzeitig Werbe- und Wertschöpfungsinstrumente. Einerseits generieren sie Umsätze, etwa in Form von Tantiemen für die Aufführung der Musikwerke, Downloads von Aufnahmen der Performances oder Kompilationen dieser Coverversionen und die auf sie folgenden Veröffentlichungen des jeweiligen Gewinners, andererseits bieten die Shows den Labels und Verlagen eine ideale Möglichkeit, ihr jeweiliges Repertoire zu bewerben und bei einer jüngeren Zielgruppe bekannt zu machen. Vermittels der multimedial ausgewerteten Aufführung von Coverversionen bestehender Musiktitel und Gastauftritten bereits etablierter Künstler in den Castingshows erreichen die Musikfirmen eine hohe öffentliche Präsenz für ihre Kataloge, die sowohl auf Musikwerke als auch auf die verschiedenen Musikaufnahmen dieser Kompositionen referenziert und zudem der Bewerbung einer aktuellen Tournee dienen kann. In diesem Kontext sei darauf verwiesen, dass beispielsweise die Firma Bertelsmann nicht nur Sendergruppen (die RTL-Gruppe) und Produktionsfirmen (Grundy Light), die musikalische Talentshows ausstrahlen und herstellen (DSDS), besitzt, sondern gleichermaßen Musikfirmen unter ihrem Dach beherbergt (BMG Rights Management).50 Darüber hinaus hat der Erfinder und Lizenzgeber des FranchiseFormats Pop Idol, das in Deutschland DSDS genannt wird, Simon Fuller festgelegt, dass alle Gewinner der jeweiligen Shows bis 2010 eine exklusive und umfassende vertragliche Bindung mit der Firma Sony Music eingehen mussten, die, beginnend mit dem Jahr 2011, von der Universal Music Group abgelöst wurden.51 Ob und inwieweit die Verwertung der jeweiligen hauseigenen Musikkataloge im Rahmen von Castingshows Gegenstand von Verträgen zwischen Medienunternehmen, Musikfirmen und Lizenzgebern der Sendungen ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Schramm et al. erklären diesbezüglich, die Kandidaten von The Voice, einem weiteren musikalischen Castingformat, könnten meist nur zwischen Songs zur Aufführung wählen, die über das Label Universal Music erschienen seien oder zum Repertoire des Verlags Universal Publishing gehörten.52 Eine vorzugsweise Aufführung von Musikstücken aus den Katalogen der Musikfirmen, die in der einen oder anderen Form an den jeweiligen Castingshows beteiligt sind, erscheint, im erweiterten Bezugsrahmen des oben dargestellten ökonomischen Handelns der Musikunternehmen, naheliegend. Der geringe langfristige Erfolg des größten Teils der Gewinner musikalischer Castingshows verweist auf eine Reihe tiefgreifender Probleme und Widersprüchlichkeiten, die mit der verstärkten Fokussierung von Musikfirmen auf Personenmarken und deren zunehmend lifestyleorientierter Ausrichtung einhergehen.53 Im Hinblick auf das Markenidentitätsmodell von Burmann et al. findet dabei eine ausgeprägte inhaltliche Verschiebung der Markenkompetenzen (Was können wir?) von musikalischen Qualitäten hin zu zeitgenössischen Lebensstilen und der Markenleistungen (Was vermarkten wir?) von Musikstücken hin zu einer Vielzahl personenbezogener Produkte statt.54 Da50 51 52 53 54
Vgl. Bertelsmann SE & Co. KGaA (2018); vgl. Kaiser (2008). Vgl. Weis (2011); vgl. Castingshow-News (2010). Vgl. Schramm et al. (2017), S. 96. Vgl. Axel Springer SE (2015); vgl. Schröder (2012). Vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann (2012), S. 44.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
mit wird das grundlegende Konzept zur Erzeugung starker Marken, das sich ja gerade durch die Schärfung der Markenidentität mittels eindeutiger und plausibler Markenattribute auszeichnet, ad absurdum geführt. Eine derartige Loslösung der Künstler von ihren eigentlichen Kernkompetenzen, der Komposition und Aufführung von Musik sowie der Textdichtung, fördert unweigerlich die Erzeugung von unscharfen und wenig überzeugenden Künstlermarken, erschwert folgerichtig eine dauerhafte Etablierung derselben und verringert ihre Aussichten auf nachhaltigen kommerziellen Erfolg. Dieser Zusammenhang kann unmittelbar an einem Großteil der Karrieren von Castingshow-Gewinnern abgelesen werden, die, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, mehrheitlich kurze Zeit nach dem Finale des jeweiligen Formats beendet waren.55 Die im Rahmen musikalischer Castingshows aufgebauten Künstlermarken beziehen ihren Wert zu weiten Teilen aus den, im Verlauf einer entsprechenden Sendestaffel, allgegenwärtig medial verbreiteten inszenierten Geschichten und gefilterten Lebensstilen der Teilnehmer. Der offenbar mit dem Abschluss einer Sendestaffel und dem zugehörigen Übergang auf den Musikmarkt einhergehende Verlust von Relevanz und Anziehungskraft dieser Personenmarken ist zum einen auf die damit erzeugte und oben dargestellte Markenunschärfe zurückzuführen. Zum anderen verlieren die vermeintlichen neuen Stars die formale Grundlage ihrer bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Prominenz, die nur peripher mit musikalischen Qualitäten zusammenhängt: ihre dauerhafte und allgegenwärtige Präsenz in den Massenmedien. Das übergeordnete Ziel der identitätsbasierten Markenführung, die das gegenwärtige Marketing-Credo repräsentiert, ist der Aufbau starker Marken, die einen langfristigen ökonomischen Erfolg zugehöriger Produkte oder Dienstleistungen sicherstellen sollen. Die verstärkte Ausrichtung der Musikfirmen an diesem Paradigma ist, hinsichtlich des Erfolges auf einem ausgeprägt diversifizierten Markt, der sich zudem durch die zeit- und ortsunabhängige, vielfach kostenfreie, Bereitstellung von Musikaufnahmen für die Konsumenten auszeichnet, zunächst nachvollziehbar. Demgegenüber stellt die inhaltliche Ausgestaltung und strukturelle Umsetzung der identitätsbasierten Markenführung durch die Musikunternehmen, in Bezug auf die oben aufgeführten fundamentalen Konzepte derselben, ein Paradoxon dar, das die Erfolgsaussichten der nachhaltigen Etablierung von Künstlern geradezu vermindert. Die am Marketing ausgerichtete Kompetenz- und Kapitalverlagerung bei den Musikfirmen sowie der damit einhergehende Verlust von musikalischem und musikkulturellem Know-how haben den Nährboden für die Konstruktion von Künstlermarken ohne musikbezogenen Markenkern geschaffen, die ihre Identität vielmehr aus der stilorientierten medialen Personeninszenierung schöpfen. Damit ignorieren die Unternehmen die Tatsache, dass starke musikalische Künstlermarken ohne eindeutige und möglichst unmittelbar nachvollziehbare musikbezogene Markenattribute, die klanglicher, textlicher oder kompositorischer Natur sein können und insgesamt bestenfalls ein musikalisch innovatives Image erzeugen, nur schwerlich langfristig positive Resonanz bei einem Publikum herstellen können, dass dieselben insbesondere in einem musikalischen Kontext betrachtet. Eine nachhaltige Künstlerentwicklung auf dem Musikmarkt müsste, im Sinne der identitätsbasierten Markenführung, immer alle diesbezüglich konstitutiven Aspekte, also unter 55
Vgl. Axel Springer SE (2015); vgl. Schröder (2012).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
anderem künstlerische, personen- beziehungsweise lebensstilbezogene und die Kommunikation betreffende Eigenschaften, berücksichtigen, die in Quantität und Qualität in jedem Einzelfall individuell zusammengesetzt würden. Die zu dominante Ausrichtung an lebensstilbezogenen Faktoren besitzt innerhalb dieses Modells demnach ebenso geringe Erfolgsaussichten, wie eine zu starke Fokussierung auf musikalische Inhalte. Darüber hinaus steht der, mit dem musikalischen Kompetenzrückgang bei den Musikfirmen einhergehende, Verlust von musikalischer Innovationsfähigkeit ebenfalls im direkten Widerspruch zur Produktion von nachhaltigem kommerziellem Erfolg auf dem Musikmarkt. Wie bereits Adorno feststellte, liegt eine der Voraussetzungen für den ökonomischen Erfolg populärer Musikstücke in der Verknüpfung des Konventionellen und Bekannten mit dem Besonderen und Innovativen.56 Entgegen der grundsätzlich langfristigen Ausrichtung des markenbezogenen Marketings sowie der Kenntnis um die ökonomische Wertigkeit dauerhaft etablierter Stars, scheinen die Strategien der Musikunternehmen auf kurzfristig zu erzielende Erfolge ausgerichtet zu sein.
5.2
Werbetreibende Marken als omnipräsenter Einflussfaktor in den populären Musikkulturen der Gegenwart
Direkte Kooperationen mit Marken, die Vergabe von Synchronisations- und Masternutzungslizenzen zur werblichen Verwertung von Musik und das Sponsoring von Konzerten versprechen einerseits lukrative Erträge für Künstler und Musikfirmen, andererseits, infolge körperlicher oder medialer Präsenz, die zielgerichtete Verbreitung und Bewerbung der Musik und Interpreten. Innerhalb dieser werblichen Übereinkünfte, die sich monetär und marketingstrategisch zu einem wesentlichen Bestandteil der populären Musikkultur entwickelt haben, sind es die Marken und die in ihrem Auftrag handelnden Agenturen, welche die Entscheidungsgewalt hinsichtlich zugehöriger Inhalte besitzen. Abgesehen von der Disposition über die Einkünfte von Musikschaffenden aus entsprechenden Verwertungsformen und damit einhergehenden Zweit- und Drittverwertungsrechten, beherrschen Marken und Werbeagenturen damit den Zugang zu maßgeblichen Vermarktungstools für musikalische und künstlerbezogene Inhalte auf dem Musikmarkt. Meier, die letzteren Sachverhalt ausführlich in ihrer Doktorarbeit untersucht, bezeichnet Marken demgemäß adäquat als die neuen Gatekeeper des Musikgeschäftes.57 Ihre Analyse der einseitig dominierten Beschaffenheit derartiger Markenkooperationen basiert weniger auf deren wirtschaftlicher Bedeutung für die Gesamtheit des Musikgeschäftes, die in ihrer Arbeit keine ausführliche Diskussion erfährt, als vielmehr auf Nachweisen, die deren Stellenwert für das Marketing der Musikschaffenden belegen. So ist ihre Studie als wertvolle Ergänzung der vorliegenden Untersuchung zu verstehen, die einen zweiten fundamentalen Zusammenhang abbildet, der, in der Summe mit dem gewachsenen ökonomischen Einfluss von Marken auf das Musikgeschäft, entscheidend zur Konstituierung deren weitreichender Machtposition in den populären kontemporären Musikkulturen beigetragen hat. 56 57
Vgl. Adorno (1973), S. 210, S. 217. Vgl. Meier (2017), S. 85-125.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
Markenkooperationen und die Platzierung von Musikstücken in Werbung und populären Medien würden innerhalb der gegenwärtigen Musikwirtschaft als übliche Methoden der Musikvermarktung verstanden.58 Die Vorstellung, gezielte Musikpositionierungen in audiovisuellen Medien seien das neue Radio, hätte sich, etwa im Zeitraum zwischen 1998 und 2008, von einer jungen Idee zur etablierten Konvention entwickelt.59 Mit dem Begriff der audiovisuellen Medien bezieht sich die Medienwissenschaftlerin vorwiegend auf Werbespots, Filme, Videospiele und Fernsehprogramme.60 In Übereinstimmung mit den zentralen Forschungsfragen dieser Arbeit werden Musikplatzierungen in Filmen, Videospielen und Fernsehprogrammen im Folgenden weitestgehend vernachlässigt. Sie liefern keine Erkenntnisse hinsichtlich der Beschaffenheit der Wechselbeziehung zwischen Marken, Künstlern und populärer Musikkultur. Aus der Perspektive werbetreibender Marken liegt der hohe Wert von Kooperationen mit Musikern und der Verwertung populärer Musik in deren Qualität begründet, die ihnen immanente Individualität, Emotionalität und ihren Erlebnischarakter auf andere Inhalte übertragen zu können – sie eignen sich ideal, die aktuellen Anforderungen der Markenkommunikation zu erfüllen. Ihr Zweck sei es, positive Gefühle und Assoziationen auf Marken oder Medieninhalte zu transferieren, um diese von ihrer Konkurrenz abzugrenzen und ihnen Unverwechselbarkeit sowie Glaubwürdigkeit zu verleihen.61 Es findet folglich eine Instrumentalisierung von populärer Musik und Künstlern statt, die, vom Standpunkt der Marken aus betrachtet, in erster Linie der Markendifferenzierung und Markenstärkung, deren Wertsteigerung und darauf basierend der Zunahme von Einkünften, dient. Marken hätten in der Regel ein weitaus höheres Interesse daran, was musikalische Inhalte und Künstler unter dieser Prämisse leisten könnten – sie ermöglichen die Emotionalisierung und Individualisierung markenkommunikativer Maßnahmen – als an den musikalischen Inhalten beziehungsweise Künstlerpersönlichkeiten als solchen.62 Die Affekterzeugung unterliege der Zielsetzung, die kulturelle Relevanz von Marken zu steigern und emotionale Bindungen mit den Konsumenten herzustellen.63 Ungeachtet der markenseitigen Entscheidungsgewalt über die werblich verwerteten Inhalte, die Instrumentalisierung derselben und die, nachfolgend diskutierten, daraus resultierenden Konsequenzen für die Musikschaffenden, würden es die Führungskräfte aus der Werbe- und der Musikindustrie kaum versäumen, die Beziehung von Marken und Musikern als beidseitig vorteilhaft oder symbiotische Bindung darzustellen, wie Meier ausführlich nachweist.64 Diesbezügliche Aussagen implizieren ein quasi gleichberechtigt partnerschaftliches Verhältnis zwischen Marken und Musikern respektive deren Musik, das keineswegs die Wirklichkeit abbildet. Sie reflektieren ausschließlich den Blickwinkel derjenigen Parteien, die, bei geringstmöglichem Einsatz, den höchsten Nutzen aus entsprechenden Verbindungen ziehen, die Bedingungen für
58 59 60 61 62 63 64
Vgl. Meier (2017), S. 85. Vgl. Meier (2017), S. 87. Vgl. Meier (2017), S. 85. Vgl. Meier (2017), S. 85. Vgl. Meier (2017), S. 85f. Vgl. Meier (2017), S. 86. Vgl. Meier (2017), S. 85f.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
selbige bestimmen und deren Inhalte determinieren. Vermittels der dauerhaften öffentlichen Kommunikation der positiven Effekte von Markenkooperationen für Musikschaffende durch werbetreibende Marken und Musikfirmen, die auf einer vergleichsweise geringen Anzahl von Fallbeispielen basiert, in denen nachweislich ein einträglicher Marketingeffekt für die Künstler stattgefunden hat, konstruieren diese Unternehmen ein Bild der Realität, das ohne Weiteres als Werbemaßnahme verstanden werden kann, die Musiker von der Vorteilhaftigkeit der Zusammenarbeit mit Marken überzeugen soll. Die seitens der IFPI bereits im Jahr 2009 propagierte hohe wirtschaftliche Relevanz der markenseitigen Verwertung von Musik und Künstlern für die Musikfirmen – »[g]enerating value from the links betweenartists and brands is a key area of focus for music companies« – sowie deren verstärkte Marketingausrichtung haben weiterhin zu einer perspektivischen Verschiebung bei den Musikunternehmen geführt, die ihr Repertoire zunehmend unter Aspekten der werblichen Instrumentalisierung betrachten.65 Mark Piibe, Vorsitzender der globalen Geschäftsentwicklung der zu Universal Music gehörenden EMI Music, erklärte 2012 gegenüber der IFPI, Musik sei ein exzellentes Mittel, Konsumenten in die Ökosysteme von Unternehmen einzubinden. Die [in Form von Künstlerkooperationen oder Musikplatzierungen kommunizierte, A. S.] Leidenschaft für Musik würde die Kundenakquise und die Kundenbindung vorantreiben, was einen immensen Wert besäße.66 Der globale Leiter des Bereichs »new business« der Universal Music Music Group, Olivier Robert-Murphy, erläutert diesbezüglich im Jahr 2016: »Entertainment in general and music in particular not only provides access to audiences but also helps brands become culturally relevant and meaningful across the board. The best marketers today know that loyalty is in short supply and so they have to deliver experiences and emotions that tap right into people’s desires and aspirations. Those brands that successfully create emotional engagement are the ones that succeed in turning customers into fans.«67 Der an diesen Aussagen ablesbare paradigmatische Einfluss marketingorientierter Marken auf die populäre Musikkultur ist das Ergebnis einer zunehmenden Abhängigkeit der Musikunternehmen und Musikschaffenden von Musiklizenzierungen zu Werbezwecken und Markenkooperationen hinsichtlich der Erzeugung von Einkommen und zu Zwecken der Selbstvermarktung. Meier bezeichnet diese Entwicklung als Kolonisierung populärer Musik durch die neuen Gatekeeper des Musikgeschäftes: Marken.68 Verbraucher- und Medienmarken seien, im Besonderen gegenüber aufstrebenden und weniger bekannten Künstlern, mit einem Übermaß an Macht ausgestattet, das sie in eine Position versetze, aus der heraus sie zum einen eine erhebliche Definitionsgewalt darüber besäßen, was attraktive populäre musikalische Inhalte ausmache und zum anderen Lizenzgebühren auf ein niedriges Niveau beschränkten.69 Nichtsdestoweniger hat sich die, bis in die 1990er Jahre weit verbreitete Haltung unter Künstlern, Markenkooperationen hätten einen besonders verwerflichen Charakter, im jungen 21. Jahrhundert, aus genannten ökonomischen und marketingtechnischen Gründen, zu einer affir65 66 67 68 69
IFPI (2009), S. 12. Vgl. IFPI (2012), S. 8. IFPI (2016a), S. 31. Vgl. Meier (2017), S. 86. Vgl. Meier (2017), S. 86.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
mativen Wahrnehmung derselben gewandelt. Die erste Dekade des neuen Jahrtausends habe eine neuartige Offenheit von Musikern gegenüber Markenkooperationen mit sich gebracht, erläutert Bill Nygren, eine Führungskraft im Bereich der akustischen Markenführung.70 Neben der Erosion des Tonträgergeschäftes erachtet Meier den US Telecommunications Act von 1996 als eine weitere Ursache für diese Entwicklung.71 Das Bundesgesetz habe Wettbewerbsbeschränkungen auf dem Telekommunikationsmarkt aufgehoben, was im Zeitraum zwischen 1996 und 2002 zu einer erhöhten Marktmacht einzelner Anbieter geführt habe. In den USA sei die Anzahl verschiedener Inhaber von Radiostationen um 33,6 % gesunken und die beiden größten Unternehmen, die zuvor gemeinsam nur 65 Stationen besessen hätten, wären durch Übernahmen schnell auf ein Volumen von mehr als 1 400 Stationen angewachsen.72 Diese oligopolistische Marktsituation sei mit einem stetig kleiner werdenden musikalischen Senderepertoire einhergegangen und habe den Zugang von Musikern zu Radio-Airplay erschwert.73 Der Musiker und Journalist Sean Nelson erklärt etwa, das Musikprogramm auf den Sendern der iHeartMedia-Gruppe, dem Marktführer im US-amerikanischen Radiogeschäft, würde einen Rahmen von lediglich 50 bis 100 verschiedenen Titeln in einem gegebenen Zeitraum nicht überschreiten.74 Infolgedessen sei es künstlerseitig zu einer grundlegenden Neubewertung des Konzeptes des Selling-out gekommen und das der werblichen Verwertung musikalischer Inhalte anhaftende Stigma habe sich quasi über Nacht in Luft aufgelöst.75 Die von den beiden größten Anbietern auf dem Radiomarkt in den USA dominierten Homogenisierungsprozesse sind mit dem Ende des Jahres 2017 zu einem vorläufigen Ende gekommen: iHeartMedia und Cumulus Media haben Insolvenz angemeldet.76 Das auf aggressives Wachstum ausgerichtete Geschäftsmodell der Medienunternehmen ist mit der konformistischen inhaltlichen Ausrichtung ihrer Sender demgemäß vorerst gescheitert. Ob der Bankrott von iHeartMedia und Cumulus Media langfristig zu einer Erhöhung der musikalischen Diversität im Radio führen wird, kann zu diesem Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Hinter Musikplatzierungen in audiovisuellen Medien identifiziert Meier eine besitzergreifende Logik: Mittels der Erzeugung unverwechselbarer klanglicher Identitäten würden Verbraucher- und Medienmarken versuchen, die symbolische Kraft und Credibility der verwerteten Musik und Künstler für sich zu beanspruchen.77 Tatsächlich unterliegen die vielgestaltigen werblichen Verwertungsformen der Inhalte populärer Musikkulturen aus der Perspektive werbetreibender Marken grundsätzlich dieser Zielsetzung, unabhängig davon, ob es sich dabei beispielsweise um Werbepartnerschaften mit Künstlern, die Synchronisation populärer Musik in audiovisuellen Werbespots,
70 71 72 73 74 75 76 77
Vgl. Meier (2017), S. 87. Vgl. Meier (2017), S. 89f. Vgl. Meier (2017), S. 52. Vgl. Meier (2017), S. 89f. Vgl. Nelson (2018). Vgl. Taylor (2009), S. 408 zit.n. Meier (2017), S. 90. Vgl. Flanagan (2018), vgl. Billboard (2017b). Vgl. Meier (2017), S. 88.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
Instore-Musikprogramme oder Live-Konzerte handelt. Der dabei möglicherweise entstehende Werbeeffekt für die entsprechenden musikalischen Inhalte und Musiker ist deren markenseitigem Nutzen untergeordnet. Innerhalb des, vielfach als beidseitig vorteilhaft beschriebenen und demzufolge mit dem Reziprozität implizierenden Begriff der Cross-promotion betitelten, Systems aus Lizenzvereinbarungen zwischen Marken und Künstlern hätten Musikbetreuer, die für die Auswahl und Rechteklärung musikalischer Inhalte zur Platzierung in audiovisueller Werbung verantwortlich seien, eine Schlüsselrolle inne.78 Diese Spezialisten werden, übereinstimmend mit der US-amerikanischen Film- und Fernsehproduktionsbranche, in der werbetreibenden Industrie vielfach als Music Supervisor (Musiksupervisor) bezeichnet, aber auch mit anderen Titeln, wie etwa dem des Musikberaters oder Musik Consultants innerhalb der Audio Branding-Branche versehen. Das Ohr eines gut vernetzten Musikberaters zu erreichen sei nicht nur wichtig geworden, es habe sich zu einem wesentlicher Faktor für den Durchbruch neuer Musik entwickelt, erläutert der Kultur- und Medienwissenschaftler Tim J. Anderson. Dies sei ein Indikator für drei konkrete Veränderungen in musikindustriellen Systemen: das Erstarken der Rolle des Publishings in der Musikindustrie, die Reorganisation von Plattenlabels und die strategische Notwendigkeit der medialen Markenbildung in der Umgebung neuer Medien.79 Meier schlussfolgert, wenn Musikplatzierungen [in audiovisuellen Medien, A. S.] das neue Radio seien, so scheine es, wären Musikberater die neuen A&R-Manager.80 Ein Problem dieser Rollenverschiebung liege in der Verschiedenheit der Interessenlagen und Zielvorgaben A&R-Verantwortlicher und Musikberater begründet: Während das klassische A&R-Personal für die Entwicklung von Künstlerkarrieren verantwortlich sei, hätten Musik Consultants keine derartigen Pflichten; ihre Beziehung mit den Künstlern ende in der Regel mit Lizenzabschluss und Zulieferung des musikalischen Materials an den Endkunden, so eine Musikberaterin aus Toronto.81 Die Künstler- und Musikauswahl der Musikberater im werblichen Kontext findet folglich vorwiegend unter oben genannten funktionalen Gesichtspunkten statt. Eine nachhaltige Künstlerentwicklung oder Werbeeffekte für die verwertete Musik können bei derartigen Kooperationen zwar eintreten, besitzen bei der Musiksuche, -auswahl und -platzierung jedoch nur dann ein Gewicht, wenn sie der strategischen Markenkommunikation dienen. Des Weiteren ist das Berufsbild von Musiksupervisoren in der Werbeindustrie deutlich weniger fest verankert, als dies in der Film- und Fernsehbranche der Fall ist. Trotz der fortschreitenden Beanspruchung popmusikalischer und -kultureller Inhalte durch werbetreibende Marken und der damit einhergehenden vermehrten Berücksichtigung professioneller Musikberater ist deren Integration in entsprechende Projekte, über die gesamte Bandbreite existierender Marken- Künstlerkooperationen betrachtet, weit davon entfernt, einen Standard darzustellen. Im Beziehungsgeflecht zwischen Marken und Musikschaffenden sind es häufig die Kreativabteilungen von Werbeagenturen oder Produktionsfirmen, die eine musikalische Vorauswahl oder
78 79 80 81
Vgl. Meier (2017), S. 88. Vgl. Anderson (2014), S. 120. Vgl. Meier (2017), S. 88. Vgl. Meier (2017), S. 88.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
Künstlerselektion für werbliche Produkte vornehmen. In Ermangelung musikalischer Kompetenzen unterlägen diese Auswahlvorgänge, abgesehen von den dominanten marken- und werbemittelspezifischen Anforderungen, einem vergleichsweise erhöhten Maß intraindividueller Referenzen zu Inhalten, die in der Vergangenheit in vergleichbarer Umgebung erfolgreich verwertet wurden, sowie verstärkt Parametern der Valenz und dem persönlichen Musikgeschmack, erklärt Robin Hofmann, Kreativdirektor der Musikagentur HearDis!. Selbiges gelte für die, prinzipiell mit der finalen Entscheidungsgewalt über werblich verwertete musikalische Inhalte und Übereinkünfte mit Künstlern ausgestatteten, Marketing- oder Kommunikationsverantwortlichen seitens der Marken.82 Das in Markenkooperationen abgebildete musikalische und künstlerbezogene Spektrum definiert sich also einerseits über die allgemeine Zielsetzung von Marken, bei anvisierten Zielgruppen eine positive Resonanz und Wertigkeit zu erzielen, und wird andererseits durch mehr, unter Beteiligung professioneller Musikberater, oder weniger, unter Ausschluss derselben, innovationsfähige Filterungsprozesse begrenzt. Es unterliegt zudem, vor allem in der abschließenden Auswahl der Inhalte, einer, in Abhängigkeit der graduell verschiedenen musikalischen Kompetenz und Professionalität der Verantwortlichen, unterschiedlich stark ausgeprägten willkürlichen Komponente. Ein Geschäftsbereich, der sowohl ökonomisch als auch marketingstrategisch von hoher Bedeutung für die Musikschaffenden ist, zeichnet sich demnach durch eine starke und primär an den Zielen der Markenführung ausgerichtete Eingrenzung des darin verwerteten musikalischen oder personenbezogenen Repertoires aus. Im Vergleich zur, aus der erhöhten Marketing- und Künstlermarkenausrichtung bei den Musikfirmen resultierenden, lifestylebezogenen Verengung deren gegenwärtiger Kataloge, ist die inhaltliche Ausgestaltung markenkommunikativer Maßnahmen mit den Inhalten populärer Musikkulturen folglich einer erhöhten Einschränkung ausgesetzt. Obwohl Marken, in Abhängigkeit ihrer Zielgruppen und angesteuerten Marktpositionierung, grundsätzlich Musikstücke und Musiker aller musikalischen Gattungen verwerten,83 bewegen sich diese werblichen Übereinkünfte in einem markenseitig festgelegten Rahmen, der sich unter anderem an der Etablierung des Begriffes sync-friendly (synchronisationsfreundlich) im Musikgeschäft ablesen lässt. Diese Bezeichnung wird gleichermaßen von Marken, Musikfirmen und Musikverlagen für musikalische Inhalte verwendet, die mutmaßlich Qualitäten besitzen, die ihnen eine hohe Eignung zur Einblendung in audiovisuellen Medien, maßgeblich in Werbespots, verleihen und in keinem direkten Zusammenhang mit kulturellen Kategorien der Musikklassifizierung stehen.84 Wenngleich der Begriff zunächst impliziert, sich auf alle denkbaren Einblendungsszenarien zu beziehen, werden insbesondere diejenigen Musikaufnahmen als synchronisationsfreundlich bezeichnet, die den Anforderungen von Marken und Werbeschaffenden bei der Synchronisation von Musik in Werbespots entsprechen.85
82 83 84 85
Persönliche Mitteilung: Robin Hofmann. Stuttgart: 05. Dezember 2017. Vgl. Meier (2017), S. 89-112. Interview: Hickey (2018); Interview: Bussche (2018); vgl. Farrell (2016). Interview: Hickey (2018); Interview: Bussche (2018); vgl. Meier (2017), S. 119-125; vgl. Farrell (2016).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
So besitzen die Filterungsprozesse zur Auswahl werblich verwertbarer Musik beziehungsweise deren medial sicht- und hörbare Ergebnisse eine, im abstrakten Ausdruck der Sync-Friendliness manifestierte, Rückwirkung auf die Komposition und Produktion derselben. Obwohl eine große Vielfalt von Musik in populären Medien zirkulieren würde, sei die zur Einblendung in audiovisueller Werbung lizenzierte Musik durch eine Homogenität oder Gleichförmigkeit in Bezug auf die Bandbreite der, konsumentenseitig hervorzurufenden, von den Werbetreibenden intendierten, Gefühle charakterisiert. Gleichwohl etwa nischenspezifische traurige, aggressive oder sexuell aufreizende Songs bis zu einem gewissen Grad in Werbespots verwertet werden könnten, existiere diesbezüglich eine übergeordnete Orientierung an musikalischen Inhalten, die als glücklich oder fröhlich (happy) wahrgenommen würden.86 Der Kultursoziologe Andrew Wernick argumentiert, Werbung sei grundsätzlich positiver und aktivierender Natur, sie standardisiere, was eigentlich vielfältig sei, und blende aus, was antagonistisch oder bedrückend wirke.87 Angesichts der zentralen Bedeutung von werblichen Lizenzierungen für Musikschaffende hat die normative Wirkung von Marken das gesamte Musikgeschäft – von den großen Musikfirmen über Indie-Labels und Musikverlage bis hin zu Komponisten und Musikern – durchdrungen.88 Auch bei den kleineren Labels würde ein starkes Interesse an Musik bestehen, die synchronisationsfreundlich sei, so der Lizenzverantwortliche eines Indie-Labels.89 Viele Labels und Musikverlage würden mit Vorliebe diejenigen Künstler unter Vertrag nehmen, die markenkompatible Songs schrieben, ergänzt Meier.90 Ein kanadischer Musikverleger äußert diesbezüglich, er würde seinen Künstlern die Nutzung bestimmter Trigger, etwa textlichen Referenzen zu Sonnenschein, Lachen, Freude, Glückseligkeit etc., in ihren Songs nahelegen, die insbesondere in der Werbebranche gefragt seien.91 Angesichts der besonderen Relevanz des werblichen Synchronisationssegmentes im Gesamtkontext der Wechselbeziehung werbetreibender Marken und populärer Musikkultur – einerseits besitzen Marken die unmittelbarste und weitreichendste Entscheidungsgewalt über die musikalischen Inhalte, andererseits handelt es sich für die Musikschaffenden um einen ökonomisch und im Hinblick auf die Verbreitung von Musik entscheidenden Geschäftsbereich – werden die spezifischen, im Terminus der Sync-Friendliness kumulierten, autoritativen Übereinstimmungen in den Anfragen Werbetreibender hinsichtlich der audiovisuellen Verwertung populärer Musik sowie deren symptomatische Qualitäten systematisch in Kapitel 7 untersucht. Dessen ungeachtet nehmen Marken in allen Formen der werblichen Verwertung populärer Musik und marketingbezogener Künstlerkooperationen, ausgenommen Übereinkünfte mit den Superstars des Musikgeschäftes, eine Machtposition ein, aus der heraus sie, mittelbar oder unmittelbar, auf die inhaltliche Ausgestaltung derselben einwirken. Felix Haaksman teilt beispielsweise mit, im Instore-Musiksegment sei es für Marken, sofern sie keine ausgesprochen kleine Nische bedienten, durchaus üblich, keine 86 87 88 89 90 91
Vgl. Meier (2017), S. 120. Vgl. Wernick (1991), S. 42. Vgl. Meier (2017), S. 121-124. Vgl. Meier (2017), S. 121. Vgl. Meier (2017), S. 121. Vgl. Meier (2017), S. 121.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
Musikstücke in das Programm aufzunehmen, die musikalisch oder textlich zu weit von einer massenkompatiblen Konsensmusik entfernt seien, also etwa in Form von Explicit Lyrics allzu offensive, möglicherweise nicht jugendfreie, Texte enthielten.92 Der weltweit größte Instore-Musikanbieter Mood Media bestätigt dies, wenn auch eingeschränkt: Bei der Kuratierung von Musik für den Mode- und Lebensmitteleinzelhandel würden Songs mit Explicit Lyrics nach Möglichkeit ausgeschlossen.93 Es wäre darüber hinaus keine Seltenheit bei der Herstellung von Musikprogrammen für Ladengeschäfte, dass Musikstücke markenkonform an die spezifische Abspielsituation angepasst würden. Derartige Bearbeitungen könnten zum Beispiel das Abschneiden allzu langer und leiser Intros beziehungsweise Outros oder das Entfernen aggressiv-obskurer Passagen aus Songs beinhalten, erläutert Haaksman.94 Weiterhin unterliegt der Instore-Musikbereich gleichfalls dem an positiven Emotionen ausgerichteten Markendogma, wie an einer Aussage des Kreativdirektors des deutschen Unternehmensarmes von Mood Media, Stefan Gill, abgelesen werden kann: Die Konsumenten in eine gute Stimmung zu versetzen sei entscheidend [die entscheidende Aufgabe der InstoreMusik, A. S.], »da Kauflust und Verweildauer im Geschäft dadurch positiv beeinflusst werden.«95 Der auf globaler Ebene leitende Vizepräsident der Sektionen Programmerstellung und Produktion des Musikanbieters, Danny Turner, ergänzt, die großen Marken hätten erkannt, dass positive emotionale Bindungen [zu ihren Kunden, A. S.], die Musik herstellen könne, notwendig seien, um in der Zukunft voranzukommen.96 Gemäß einer Erhebung des Unternehmens, die 14 000 Standorte in Deutschland integriert hätte, die Musikprogramme des Anbieters nutzten, sei der meistgespielte Titel im Modeeinzelhandel des Jahres 2017 Luis Fonsis Despacito gewesen.97 Tempo und Stimmung des Titels seien, so Gill, »ein Garant für gute Laune. Sogar diejenigen, die den Song wegen seiner eingängigen Machart eher ablehnen, können sich der Wirkung kaum entziehen.«98 Die von Mood Media ermittelte Top-10 der meistgespielten Instore-Hits 2017 im deutschen Einzelhandel setzt sich weitestgehend aus Stücken zusammen, die sich gleichzeitig in der Top-20 der deutschen Singlejahresverkaufscharts befinden.99 Demgemäß sind die Musikprogramme von Mood Media, die weltweit täglich etwa 150 Millionen Menschen erreichen würden,100 einerseits durch Musikstücke geprägt, die vermeintlich positive Gefühle evozieren, andererseits, zumindest in Deutschland, stark am erfolgreichen Mainstream zeitgenössischer populärer Musik ausgerichtet. Der Einfluss von Marken auf die Ausgestaltung von Musikprogrammen für Ladengeschäfte, Restaurants etc. hat also eine tendenziell homogenisierende Wirkung auf dieselben, die, wie auch im Lizenzierungssegment zur audiovisuellen werblichen Verwertung von Musikstücken, an der Übertragung freudiger Gefühle orientiert ist. Die vom Weltmarktführer für Instore-Musik für Deutschland vorgelegten Daten legen darüber hinaus nahe, dass 92 93 94 95 96 97 98 99 100
Persönliche Mitteilung: Felix Haaksman. Berlin: 09. November 2017. Vgl. Mood Media (2017b). Persönliche Mitteilung: Felix Haaksman. Berlin: 09. November 2017. Mood Media (2017b). Vgl. Lazarus (2017). Vgl. Mood Media (2017b). Mood Media (2017b). Vgl. Mood Media (2017b); Chartsurfer (2018). Vgl. Mood Media (2018).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
die Musikauswahl für derartige Programme in hohem Maß von den Verkaufscharts des jeweiligen Landes beziehungsweise globalen Trends beeinflusst werden, was zusätzlich zum musikalischen Konformismus selbiger beiträgt. Der kulturelle und musikökonomische Stellenwert von Musik in Ladengeschäften speist sich aus der schieren Größe des Publikums, das tagtäglich mit der von Marken getroffenen Instore-Musikauswahl erreicht wird und dem daraus, in Form von Tantiemen, erzielten Einkommen der Musikschaffenden. Infolge der Verfügungsgewalt über die Gestaltung der Musikprogramme für den kommerziellen öffentlichen Raum entscheiden Marken, welche musikalischen Inhalte in diesem Wirkungsfeld aufgeführt werden und welche darin nicht stattfinden. An dieser Stelle sei erneut auf die, nach kontinentaleuropäischem Recht, diesbezüglich fragwürdige Lizenzierungspraxis hingewiesen. Wenn es sich bei der InstoreMusik um eine werbliche Verwertung musikalischer Inhalte handelt, worauf die dahinter stehende Zielsetzung von Marken und Geschäftsbetreibern verweist, wären Verwertungsgesellschaften wie die GEMA und die GVL keineswegs berechtigt, entsprechende Lizenzen zu vergeben und zugehörige Tantiemen einzusammeln. Auf Grundlage der im kontinentaleuropäischen Raum mehrheitlich verankerten Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrechte,101 die im Fall der Nutzung von Musik zu Werbezwecken Wirksamkeit besitzen, wären diesbezügliche Nutzungslizenzen nur direkt von den Rechteinhabern der Aufnahmen und Werke zu vergeben. Infolge der Kontrolle über den Zugang einer Mehrheit ausübender Künstler zu einem einträglichen Geschäft aus der Aufführung von Live-Musik determinieren Marken zudem einen bedeutsamen Teil öffentlich inszenierter Musik. Im Unterschied zur Verwertung von Musik in audiovisueller Werbung besitzen Marken bei ihren Engagements im Bereich der Musikveranstaltungen keinen unmittelbaren Einfluss auf die künstlerische, inhaltliche und formale Gestaltung der aufgeführten Stücke. Dennoch bestimmen Marken, ähnlich ihrer Autorität über die in Ladengeschäften gespielte Musik, vermittels der Künstlerselektion für markengestützte oder insgesamt von Marken durchgeführte Musikevents indirekt über die dabei präsentierten musikalischen Inhalte. Obwohl die grundsätzlichen Ziele der Markenkommunikation bei der Ausrichtung von Musikveranstaltungen oder dem Sponsoring selbiger mit denjenigen bei der Schaltung audiovisueller Werbung oder der Musiknutzung in Ladengeschäften übereinstimmen, sind es bei Live-Musikevents, in vergleichsweise erhöhtem Ausmaß, außermusikalische Faktoren, die positive Assoziationen und Bindungen zu Marken herstellen sollen. In Werbespots und Instore-Musikprogrammen werden Musikaufnahmen verwertet, die für gewöhnlich ohne visuelle Anwesenheit der Interpreten und damit losgelöst vom Aufführungskontext respektive den Künstlern dargeboten werden. Diese Aufnahmen werden, bei Werbespots in hohem Maß, bei der Gestaltung von Programmen für Ladengeschäfte in geringerer gradueller Ausprägung, an ihre mediale Umgebung, dramaturgische Aspekte, Abspielsituationen und die übergeordneten Markenziele angepasst. Eine derartig direkte Einflussnahme von Marken auf musikalische Inhalte ist bei Live-Konzerten ausgeschlossen, die naturgemäß durch den konkreten Akt der Aufführung gekennzeichnet sind. Die markenseitige Selektion und Gestaltung der musikalischen Inhalte ist bei Werbespots und der Instore-Musik verstärkt an der intendierten Wirkung der Musik 101
Vgl. Deterding, Otto (2008).
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
selbst ausgerichtet, wohingegen sich die Künstlerauswahl für Live-Konzerte vielfach an anderen Faktoren, beispielsweise der Relevanz eines Interpreten bei anvisierten Zielgruppen oder dessen performativer Wirkkraft, orientiert. Gleichwohl kann Musik für Werbespots oder Instore-Musikprogramme in spezifischen Szenarien unter Aspekten ausgewählt werden, die den Status eines Künstlers in bestimmten sozialen Milieus und weniger dessen Musik betreffen, wie es umgekehrt beim Sponsoring oder der Durchführung von Konzerten möglich ist, dass die musikalischen Qualitäten von Interpreten den Ausschlag für ein Markenengagement geben. Darüber hinaus besitzen einige der Wirkmechanismen und Faktoren, die für alle Formen der Verwertung von Musik und Künstlern im Rahmen der Markenkommunikation eine grundsätzliche Bedeutung innehaben können und in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu musikalischen Inhalten stehen müssen, ein dominantes Gewicht für Investitionen von Marken in LiveMusik. So sind es zum einen personenbezogene inszenierte Qualitäten, die sich etwa in emotional konnotierten, öffentlich wahrgenommenen Künstlerimages widerspiegeln, die in konkreten körperlichen Auftritten resonieren und Anziehungskraft fokussieren, sowie der inhaltliche Transfer dieser fremdrezipierten und affektgeladenen Eigenschaften auf Marken, die eine zentrale Rolle bei deren Engagement im Konzertsektor spielen. Zum anderen basiert das große Interesse werbetreibender Marken an Live-Konzerten auf deren soziokultureller Bedeutung bei jungen Erwachsenen, den Millennials. In Bezug auf das seit 2012 jährlich durch die Biermarke Budweiser ausgerichtete Musikfestival Budweiser Made In America erklärt der Vizepräsident des Unternehmens, die Veranstaltung repräsentiere einen Vermögenswert, der die kulturelle Diversität junger Erwachsener sowie das Erlebnis als solches feiere.102 Als Ausdruck des allgemeinen Marketingtrends der erlebnisorientierten Markenführung dient die Präsenz von Marken bei Live-Konzerten der Besetzung eines kulturell bedeutsamen Raumes, die mit der Vereinnahmung der zugehörigen Gesamterlebnisse einhergeht und in der Konsequenz eine positive emotionale Verankerung der Marken beim Publikum erzeugen soll. Im Rahmen einer Untersuchung der Markenkommunikation auf Musikfestivals beschreibt die Mediensoziologin Elizabeth Moor, erlebnisorientierte Markentaktiken würden eine sehr enge Beziehung zwischen Konsumenten und Marken herstellen.103 Innerhalb derartiger Strategien, die auf die Sozialisierung der Verbindungen zwischen Marken, Erlebnis und Erinnerung abzielten und einen Raum für selbige schafften, sei Musik, die möglicherweise das beweglichste und gleichzeitig affektvollste aller Kulturprodukte darstelle, von besonderem Nutzen.104 Die gestiegene künstlerund konsumentenseitige Akzeptanz von Marken im Konzertkontext hat es werbetreibenden Marken ermöglicht, eine zentrale Position Geschäft mit Live-Musik einzunehmen, aus der heraus sie die beim Ereignis des Auftritts rezeptionsseitig erlebte Authentizität der Künstler für sich beanspruchen und mäzenartige Kuratoren personifizieren, die sich vermittels spezifischer Künstlerauswahl für und Realisierung von Musikveranstaltungen eine Etablierung als Trendsetter bei ihren Zielgruppen erhoffen. Unter
102 Vgl. Logan (2012). 103 Vgl. Moor (2003), S. 45. 104 Vgl. Moor (2003), S. 50.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
marketingbezogenen Gesichtspunkten würde die Kuratierung von Musikfestivals Marken die Gelegenheit geben, sich selbst als Headliner derselben zu positionieren, erklärt Meier diesbezüglich.105 In der Publikation seiner Doktorarbeit erläutert der australische Kommunikationswissenschaftler Nicholas Carah, dessen Analyse verschiedener Musikfestivals auf Interviews mit jungen Festivalbesuchern, Musikern und Marketingverantwortlichen basiert, das Festivalerlebnis des Publikums erzeuge Markenwert.106 Populäre Musik sei dabei in ein Netzwerk musikkultureller Erlebnisse eingebettet, die von Zuschauern als authentisch wahrgenommen würden.107 Die Vermittlung des auf Musikfestivals entfalteten sozialen Lebens würde Marken in alltäglichen kulturellen Praktiken und Bedeutungsgeflechten verankern, so Carah.108 Infolge ihrer Platzierung im Zentrum eines Raumes der gemeinschaftlichen Bedeutungskonstruktion [Live-Konzerte und Musikfestivals, A. S.] seien Marken in die Lage versetzt, Wertigkeit aus den darin handelnden Akteuren [Besucher, Musiker, Beschäftigte etc., A. S.] zu extrahieren.109 Der künstlerseitige Nutzen von Kooperationen mit Marken im Hinblick auf die Aufführung von Live-Musik beschränkt sich dagegen auf die grundsätzliche Möglichkeit auftreten zu können, den gegebenenfalls damit einhergehenden Werbeeffekt und monetäre Werte. Gleichzeitig ist der Inhalts- oder Imagetransfer ein bidirektionaler Effekt. Ausübende Künstler, die bei markenfinanzierten oder -gesponserten Konzerten spielen, werden vom Publikum in gleicher Weise mit den Marken verknüpft, wie dies vice versa geschieht – ein Vorgang, der bei allen Formen der werblichen Verwertung von Musik und markendominierten Kooperationen mit Musikern stattfindet und durchaus problematische Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit einer Künstlerkarriere haben kann. Investitionen von Marken in Live-Konzerte sind dementsprechend vor allem einseitig profitabel: für die Marken. Mit der Kontrolle über den Zugang zu den hochbegehrten Medienrezipienten hätten Marken ein neues Druckmittel gegenüber Künstlern entwickelt, stellt Meier fest.110 Entgegen der in der Vergangenheit unter Musikschaffenden weitverbreiteten Vorbehalte würden diese in zunehmendem Ausmaß ebenjene Verbindung zu Marken suchen, die den inhaltlichen Transfer von Markenqualitäten auf künstlerische Inhalte oder die Künstler selbst impliziert, um vom öffentlichen Image der Marken und deren medialer Allgegenwärtigkeit zu profitieren, erläutert die Medienwissenschaftlerin weiter.111 In dieser Veränderung detektiert Meier einen der Hauptgründe für das entstandene Machtgefälle zwischen werbetreibenden Marken und Musikschaffenden.112 Sie referenziert diesbezüglich auf die Aussage Tunnicliffes, mit der steigenden Akzeptanz von Markenkooperationen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit für die Musik- und Künstlervermarktung hätten Künstler, Plattenlabels, Künstlermanager und Musikverlage angefangen, selbige aktiv anzuvisieren, sowie die Schlussfolgerung Campanellis,
105 106 107 108 109 110 111 112
Vgl. Meier (2017), S. 108. Vgl. Carah (2010), S. 122. Vgl. Carah (2010), S. 123. Vgl. Carah (2010), S. 122. Vgl. Meier (2017), S. 109; vgl. Carah (2010), S. 143. Vgl. Meier (2017), S. 100. Vgl. Meier (2017), S. 100. Vgl. Meier (2017), S. 100.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
dies habe in der Konsequenz zu einem höheren Angebot geführt, als es eine Nachfrage gäbe.113 Im Zusammenspiel mit dem erhöhten ökonomischen Druck, der infolge der globalen Veränderungen des Musikgeschäftes auf einer Mehrheit der Musikschaffenden lastet, hat dies, den Gesetzen der freien Marktwirtschaft folgend, zu einem Preisverfall auf dem Markt für Kooperationen zwischen Künstlern und Marken geführt. Diese Schieflage hat es Marken zudem ermöglicht, die Preisgestaltung werblicher Übereinkünfte mit Musikschaffenden weitestgehend zu beherrschen. Die beschleunigte Verbreitung der Auffassung, Musikplatzierungen [in audiovisuellen Medien, A. S.] würden eine effektive Cross-Promotion bieten und seien damit beidseitig vorteilhaft, habe geholfen, das Machtgefälle zwischen einer erheblichen Anzahl aufstrebender Künstler und vergleichsweise wenigen Marken zu verstärken.114 Anders als die Handvoll ausgedehnt öffentlich propagierter Fälle suggeriere, läge der Fokus bei der großen Mehrheit derartiger Musikpositionierungen keineswegs ausdrücklich auf der Bewerbung musikalischer Inhalte. Es sei üblicherweise weniger ein strategisch geplantes Resultat als vielmehr eine glückliche Fügung, wenn Musikschaffende kommerziellen Erfolg aus der Verwertung ihrer Musik in Werbespots, Fernsehprogrammen oder Videospielen schöpfen könnten, schließt Meier.115 In der werblichen Kommunikation spielen mögliche Vermarktungseffekte für Musik und Künstler markenseitig nur dann eine Rolle, wenn sie deren spezifischer Zielsetzung dienlich sind. Folglich kann Meiers Aussage ohne weiteres auf die Gesamtheit der werblich motivierten Übereinkünfte zwischen Marken und Musikschaffenden übertragen werden. Im Wesentlichen besitzt die Bewerbung künstlerischer Inhalte kein Gewicht bei der Planung, Herstellung und Ausrichtung beziehungsweise Ausstrahlung von Werbemaßnahmen. Obgleich die Markenkommunikation in ihren Versuchen, positive Gefühlsbindungen bei ihren Zielgruppen zu erzeugen, mit populärer Musik verknüpfte soziokulturelle Räume einzunehmen und die Authentizität zugehöriger Inhalte für sich zu beanspruchen gleichermaßen in körperlichen, etwa bei der Durchführung von Live-Konzerten, wie auch in unkörperlichen, etwa bei der Herstellung audiovisueller Werbespots, Maßnahmen auf musikalische Inhalte respektive ausübende Künstler und Urheber angewiesen ist, besitzen Marken die Hoheit über Form und Inhalt diesbezüglicher Übereinkünfte und Werbemittel. Mit den vermehrt gezielt stattfindenden werblichen Übereinkünften zwischen Marken und Musikschaffenden ist die darin verwertete künstlerische Bandbreite stark angewachsen. Neben dem gleichbleibenden Interesse von Marken an Kooperationen mit den Stars populärer Musikkulturen greifen diese in ihren kommunikativen Maßnahmen zunehmend auf unbekanntere musikalische Inhalte und Künstler zurück, die nach Einschätzung der werbetreibenden Unternehmen in der Wahrnehmung bestimmter Zielgruppen eine hohe Authentizität besitzen, wie Meier, auf der Grundlage von Interviews mit Verantwortlichen aus der Werbe- und Musikbranche, nachweisen kann.116 So würden die Werbeschaffenden versuchen, die Glaubwürdigkeit beziehungsweise Credibility von Marken zu erhöhen, indem sie diese mit authentisch wirkenden Inhalten ver-
113 114 115 116
Vgl. Meier (2017), S. 100. Vgl. Meier (2017), S. 100. Vgl. Meier (2017), S. 100. Vgl. Meier (2017), S. 89ff, S. 101ff.
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
knüpften und/oder in spezifischen Bereichen populärer Musikkulturen verankerten.117 Diese Vorgehensweise diene darüber hinaus der Kaschierung der ökonomischen Motive von Marken.118 So könne der eigentlich offensichtlich kommerzielle Hintergrund werblicher Maßnahmen verschleiert werden und seien die Menschen subversiv davon zu überzeugen, deren Inhalte seien cool, erklärt der Leiter der Lizenzierungsabteilung der Musikagentur Jingle Punks.119 In Musik- und Künstleranfragen würden die Verantwortlichen von Marken vermehrt Inhalte verlangen, die den musikalischen Zeitgeist repräsentierten, also eine temporäre Relevanz in der Öffentlichkeit besäßen, die sich aus ebenjener Authentizität, Coolness und Glaubwürdigkeit speise, bestätigt Robin Hofmann.120 Die vergrößerte Diversität der im Rahmen der Markenkommunikation verwerteten Musik und Künstler ist allerdings vorwiegend formaler Natur: Zwar schöpfen Marken in werblichen Maßnahmen aus nahezu allen musikkulturellen Gattungen, die genutzten Inhalte unterliegen jedoch grundsätzlich den strategischen Markenzielen und damit mehrheitlich der Maxime, positive Emotionen bei den Konsumenten hervorzurufen und diese Wirkung auf die jeweilige Marke zu übertragen. Für alle an der Herstellung von Werbemitteln beteiligten Akteure, insbesondere Werbeagenturen, Filmproduktionsfirmen und spezialisierte Musikagenturen, die im Auftrag von Marken handeln, ist die musikalische Ausrichtung der Inhalte an der Evokation positiver Gefühlsregungen demgemäß gleichfalls von übergeordneter Bedeutung. Obwohl das Gewicht anderer Faktoren, wie etwa die inhaltliche Passung musikalischer Inhalte zur Dramaturgie eines Werbespots oder der Fit eines für das Sponsoring einer Tournee auszuwählenden Künstlers zur Markenidentität, in Abhängigkeit der spezifischen Ziele einer werblich motivierten kommunikativen Maßnahme sowie der jeweiligen medialen oder körperlichen Umgebung fallweise variiert und durchaus prägend für die Herstellung beziehungsweise Auswahl von Musik respektive Künstlern für werbliche Zwecke sein kann, definiert die positive Emotionalisierung, als eine der grundlegenden gegenwärtigen Markenstrategien, weitestgehend den Raum, in dem sich selbige bewegen. Da weder professionelle Musikberater noch die kreativen Mitarbeiter dienstleistender Agenturen oder Markenverantwortliche ein ureigenes Interesse an einer dauerhaften Künstlerentwicklung besitzen, spielt der künstlerseitige Nutzen bei entsprechenden werblichen Übereinkünften kaum eine Rolle. Darüber hinaus besitzt die Mehrheit der an der Planung und Herstellung werblicher Maßnahmen beteiligten Akteure, abgesehen von, im besten Falle, hochspezialisierten Audio Branding-Agenturen, in der Regel keine musikalischen und musikkulturellen Kompetenzen und handelt vor allem aus wirtschaftlichen Motiven. Dieser Mangel an musikbezogenen Kenntnissen bildet einen starken Kontrast zur hohen Bedeutsamkeit werblicher Kooperationen mit Marken für die Musikschaffenden, die auf der Allgegenwärtigkeit der musikgestützten Markenkommunikation, ihrer Reichweite und Periodizität sowie ihrer ökonomischen Relevanz innerhalb der Musikwirtschaft beruht. In den Prozessen zur Auswahl von Künstlern und
117 118 119 120
Vgl. Meier (2017), S. 101ff. Vgl. Meier (2017), S. 89. Vgl. Meier (2017), S. 102. Persönliche Mitteilung: Robin Hofmann. Stuttgart: 05. Dezember 2017.
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
Musik für die werbliche Verwertung sind es zielgruppenorientierte und marketingstrategische Gesichtspunkte, nicht die musikalische oder kulturelle Qualität der Inhalte, die einen dominanten Stellenwert besitzen. Darin liegt eine der Ursachen für die oben dargestellte Neuausrichtung der Musikfirmen am Marketinggeschäft. Musikverlage würden auf ihren Webseiten etwa Werkzeuge zur Verfügung stellen, die der Effizienzsteigerung bei der Vergabe von Synchronisationslizenzen dienten und Plattenfirmen ganze Abteilungen entwickeln, die sich ausschließlich Markenkooperationen widmeten, wie Meier anhand der Beispiele von Warner Music Canada und dem UMG-Ableger Universal Music & Brands aufzeigen kann.121 Der IFPI-Jahresbericht von 2016 liefert weitere Belege für diese Entwicklung, die gleichermaßen bei Sony Music Entertainment, der Universal Music Group und der Warner Music Group alle Geschäftstätigkeiten durchdrungen hat.122 Auf der anderen Seite besetzen werbetreibende Marken in steigendem Ausmaß Bereiche der Musikwirtschaft, die in der Vergangenheit vor allem von Musikfirmen ausgestaltet wurden, eine hohe Autorität über Inhalte implizieren und eine tiefe Verankerung von Marken in den populären Musikkulturen der Gegenwart ermöglichen.123 In einer Kooperation des Kaugummiherstellers Wrigley mit dem R&B-Sänger Chris Brown, die auf Marktforschungsergebnissen beruhe, die besagt hätten, dass afroamerikanische Konsumenten die hausinterne Marke Doublemint anderen Marken bevorzugten, hat das Unternehmen die Aufnahme und Veröffentlichung von Browns Titel Forever beauftragt und kuratiert, dessen Text im Refrain folgerichtig die bereits 1960 eingeführte Doublemint-Werbeparole »double your pleasure, double your fun« enthält.124 Das Stück wurde ein Hit, bevor es in Werbespots respektive Jingles der Firma Wrigleys verwertet wurde.125 Diese Strategie lege nahe, dass es für die Firma Wrigley wichtig gewesen wäre, dass der Song der populären Musikkultur entstamme und das Unternehmen gleichzeitig einen direkten Einfluss auf dessen inhaltliche Gestaltung besessen hätte.126 Dies sei der erste Fall, in dem ein Musikstück markenstrategisch motiviert in der Pop-Kultur ausgesät worden wäre, bevor es in einem Werbespot verwendet wurde.127 Die Erwähnung von Marken in populären Musikstücken stellt dagegen keine Neuerung dar. Das von der Werbeagentur Agenda Inc. ins Leben gerufene Forschungsprojekt American Brandstand hat ermittelt, dass in den Texten von 37 aller 106 Titel, die es im Jahr 2005 in die Top-20 der US-amerikanischen Billboard-Single-Charts geschafft hätten, Markennamen vorkämen, was einer Quote von 35 % entspricht.128 Die meistgenannten Marken in diesen Musikstücken wären Mercedes-Benz, Nike und Cadillac, gefolgt von weiteren Automobilmarken sowie je einer Cognac-, Mode- und Champagnermarke.129 Weiterhin könnten die Musikstücke überwiegend der Sparte Hip-Hop zugeordnet werden, deren markenaffinste Vertreter 50 Cent, Ludacris und The Game in 121 122 123 124 125 126 127 128 129
Vgl. Meier (2017), S. 104. Vgl. IFPI (2016a), S. 33. Vgl. Meier (2017), S. 106ff. Vgl. Smith, Jargon (2008). Vgl. Smith, Jargon (2008). Vgl. Meier (2017), S. 106. Vgl. Tunnicliffe (2008). Vgl. Agenda Inc. (2006), S. 1, S. 24. Vgl. Agenda Inc. (2006), S. 4.
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ihren Veröffentlichungen des Jahres 2005 insgesamt 46 Mal auf Marken verweisen würden.130 Inwieweit die von Agenda Inc. angegebenen Markenerwähnungen in populären Musikstücken auf Basis von Übereinkünften zwischen Musikschaffenden und Marken basieren oder unter künstlerischen Aspekten getätigt wurden, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Nichtsdestotrotz sind sie ein weiteres Indiz für die grundsätzlich gestiegene Bedeutung von Marken in den populären Musikkulturen der Gegenwart. Der auf Markenkooperationen spezialisierte Werbeexperte Mike Tunnicliffe und Ben Sisario, ein Journalist der New York Times, haben bereits im Jahr 2008 (Tunnicliffe) beziehungsweise 2010 (Sisario) eine Reihe von Beispielen zusammengetragen, in denen Marken Funktionen besetzen, die im 20. Jahrhundert traditionell Plattenlabels oder anderen musikbezogenen Unternehmungen vorbehalten waren.131 Die seit dem Jahr 2003 zum Sportartikelkonzern Nike gehörende Schuhmarke Converse hat beispielsweise das großräumige Tonstudio Converse Rubber Tracks in Williamsburg/Brooklyn gebaut, das Musiker kostenfrei nutzen können.132 Nachdem Bands sich online beworben hätten, könnten diejenigen Interpreten, deren Engagement und Bedürftigkeit von der Marke als ausreichend hoch eingeschätzt würden, aufnehmen was immer sie wollten. Converse habe diesbezüglich erklärt, es würde markenseitig kein Einfluss auf die Musik genommen, die Musiker behielten alle Urheber- und Leistungsschutzrechte und es gäbe keine Intention, die Musikstücke werblich zu verwerten.133 Dennoch besitzt die Marke die Verfügungsgewalt über die Auswahl der Künstler, die im Rubber Tracks Studio Unterstützung finden. So liegt die Vermutung nahe, dass die tief in der USamerikanischen Indie-Rockkultur verankerte Marke – ihre Sneakers wären, von den Ramones bis hin zu den Strokes, generationsübergreifend von [Rock-, A. S.]Bands getragen worden – einen dementsprechenden Fokus bei der Künstlerselektion nur schwerlich ablegen kann. Converse wolle sich als Förderer der Kunstform Rock etablieren, erläutert Sisario.134 Aufstrebenden Bands zu helfen würde das Wohlwollen der Zielgruppen für die Marke erhöhen, den zukünftigen Absatz fördern und der Marke einen Vorteil gegenüber den anderen Unternehmen verschaffen, die um die jungen Konsumenten konkurrierten.135 Mit dieser Strategie könne Converse die jungen und coolen Bands erreichen, bevor sie öffentlich sichtbar seien, meint Geoff Cottrill, der Marketingdirektor des Sportschuhherstellers, und ergänzt, er wage zu behaupten, die Gruppen würden bereits Converse-Schuhe tragen, wenn sie noch in ihren Garagen probten.136 Darüber hinaus würde Converse, wie auch zahlreiche andere Marken, darunter zum Beispiel Levi’s, Dr. Martens und Nike, die Veröffentlichung und das Marketing der Musik von Bands sponsern, die in Musikblogs wie Pitchfork oder The Village Voice besprochen würden, sich davon abgesehen aber noch unter dem Radar befänden, und die Blogosphäre dabei mit Werbebudgets überschwemmen, die weit über den Möglichkeiten der
130 131 132 133 134 135 136
Vgl. Agenda Inc. (2006), S. 5. Vgl. Sisario (2010); vgl. Tunnicliffe (2008). Vgl. Sisario (2010); vgl. Converse Inc. (2017). Vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010).
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
meisten Plattenlabels lägen.137 Mountain Dew und Red Bull hätten gar eigene Plattenlabels gegründet, die über ernstzunehmende Kataloge verfügten und der zu Procter & Gamble gehörende TAG Body Spray habe 2008 ein Joint Venture mit dem Label Def Jam ins Leben gerufen, Tag Records, das allerdings nach weniger als einem Jahr wieder von der Bildfläche verschwunden sei.138 Ebenfalls im Jahr 2008 sei Bacardi eine einjährige Partnerschaft mit der zu diesem Zeitpunkt bereits etablierten britischen Band Groove Armada eingegangen, die unter anderem die Veröffentlichung einer EP, Live-Auftritte und audiovisuelle Inhalte umfasse, die Rechte an Musikaufnahmen und -werken jedoch bei den Künstlern belassen hätte.139 Hinter den plattenlabelartigen Engagements von Marken steht deren Bestreben, sich mittels kuratorischer Tätigkeiten tief in den populären Musikkulturen der Gegenwart zu verankern, deren als authentisch wahrgenommene Inhalte für sich zu beanspruchen, die Markenkredibilität dadurch zu erhöhen und das von den Musikfans hergestellte soziale, emotionale und kulturelle Bedeutungsnetzwerk zu durchdringen.140 Die mit den musikunternehmerischen Aktivitäten werbetreibender Marken verknüpften vertraglichen Übereinkünfte mit Musikschaffenden ermöglichen darüber hinaus die markenseitige Beteiligung am eigentlichen Geschäft mit Musikaufnahmen und -werken. Der österreichische Konzern Red Bull betreibt beispielsweise sowohl ein Plattenlabel, als auch einen Musikverlag unter seinem Markennamen, deren Künstlerverträge sich nicht maßgeblich von denen traditioneller Labels und Verlage unterscheiden und die folgerichtig ein Interesse daran haben, an möglichst vielen Wertschöpfungsbereichen zu partizipieren.141 Dennoch, aus der Markenperspektive stellen musikunternehmerische Profite aus derartigen Geschäftserweiterungen lediglich einen positiven Nebeneffekt und nicht deren zentralen Zweck dar, der in ihren oben beschriebenen Marketingfunktionen begründet liegt. Unmittelbare Investitionen von Marken in das äußerst risikobehaftete Musikgeschäft, in dem eine monetäre Rendite vorausschauend kaum kalkulierbar und nur in Einzelfällen erreichbar ist, gewinnen erst durch Berücksichtigung marketingstrategischer Faktoren an Plausibilität. Als Marketinginstrument bieten die musikunternehmerischen Tätigkeiten von Marken weiterhin eine Möglichkeit, die gewachsene Werbereaktanz der Konsumenten auf mehr oder weniger subtile Weise zu umgehen. Der Markenführungsexperte Michael Bayler erläutert in diesem Kontext, glaubwürdige und bedeutungsvolle Übereinkünfte [zwischen Marken und Künstlern, A. S.] würden Marken befähigen, hinter die [werbebezogene, A. S.] Firewall der Verbraucher zu gelangen.142 Im Fall von Red Bull Records soll Glaubwürdigkeit offenbar durch die öffentlich kommunizierte Unabhängigkeit des Labels von der Marke Red Bull generiert werden. Der Geschäftsführer des Plattenlabels, Greg Hammer, erklärte im Jahr 2012, es sei die Aufgabe von Red Bull Records Musiker aufzuspüren und deren Künstlerkar-
137 138 139 140 141
Vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010); vgl. Tunnicliffe (2008). Vgl. Brandle (2008) zit.n. Meier (2017), S. 107; vgl. Meier (2017), S. 107; vgl. Tunnicliffe (2008). Vgl. Meier (2017), S. 106ff. Vgl. Red Bull Media House GmbH (2017a); vgl. Red Bull Media House GmbH (2017b); vgl. Conniff (2012). 142 Vgl. Tunnicliffe (2008).
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rieren aufzubauen.143 Die allzu offensichtliche Verwertung des Labelkatalogs im Rahmen der Markenkommunikation werde bewusst vermieden – es gehe ausschließlich um die Künstler und deren Musik.144 Tatsächlich ist die Musikfirma Teil eines Tochterunternehmens des Red Bull Konzerns, der Red Bull Media House GmbH,145 und agiert mutmaßlich ohne direkte Einflussnahme der Dachmarke. So kann das Plattenlabel eine öffentlich transportierbare Autonomie erlangen, die sich in Hammers Wahrnehmung und Aussagen widerspiegelt, gleichwohl sie aus den Marketingzielen Red Bulls abgeleitet ist, einem Unternehmen, das mit einem Volumen von etwa einer Milliarde Euro im Jahr 2009 annähernd ein Drittel seines weltweiten Gesamtumsatzes (inkl. der Abschlüsse aller Tochtergesellschaften) in Marketingaktivitäten investiert hat.146 Red Bull gebe mehr Geld für das Marketing und Events aus, als für die Herstellung seines Getränks und sei demnach »eigentlich kein Getränkehersteller, sondern eine Verkaufsmaschine: Die weltweit 7 000 Mitarbeiter in 160 Ländern arbeiten fast ausschließlich im Marketing und im Vertrieb; Produktion, Abfüllung und Logistik erledigen externe Dienstleister«, erklärt Patricia Döhle vom Wirtschaftsmagazin brand eins.147 Vom Standpunkt der Marke Red Bull aus betrachtet, deren Markenname das vermeintlich eigenständige Plattenlabel trägt, kann selbiges folgerichtig nur Zweckmäßigkeit besitzen, wenn es dem Erreichen der beschriebenen Marketingziele dienlich ist. Die seitens des Geschäftsführers von Red Bull Records gefühlte Unabhängigkeit vom Mutterkonzern verdankt ihre Existenz der marketingbezogenen Bedeutung des Labels für die Dachmarke und korreliert demnach mit deren gradueller Ausprägung. Hinsichtlich einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit ihrer musikunternehmerischen Tätigkeiten überlassen werbetreibende Marken, im Gegensatz zu den Standards herkömmlicher Musikfirmen, den Künstlern in entsprechenden Übereinkünften vielfach die Rechte an ihren Werken, was zudem das geringe markenseitige Interesse an direkten finanziellen Profiten aus diesen Aktivitäten bestätigt.148 Künstler und Musikmanager wären der Meinung, teilt Sisario mit, Verträge von Musikern mit musikunternehmerischen Markenablegern könnten fairer gestaltet und künstlerseitig vorteilhafter sein, als traditionelle Labelverträge, die mit größtmöglichen Rechteübertragungen einhergingen.149 Der Frontsänger der Band Chromeo, die Musik auf der Labeltochter der Marke Mountain Due, Green Label Sound, veröffentlicht und dabei alle Urheber- und Leistungsschutzrechte behalten hat, argumentiert, die 360-Grad-Deals der großen Labels seien vielmehr Sell-out, als Kooperationen mit Marken, bei denen man umfassende künstlerische Freiheiten genieße und seinen Fans kostenfreie Inhalte zur Verfügung stellen könne.150 Vergleichbar mit der Veränderung bei den traditionellen Musikfirmen, die in zunehmendem Ausmaß Marketingaktivitäten nachgehen, sind Marken vermehrt im Musikgeschäft tätig, wodurch die Grenzen zwischen diesen beiden Geschäftsbereichen
143 144 145 146 147 148 149 150
Vgl. Conniff (2012). Vgl. Conniff (2012). Vgl. Red Bull Media House GmbH (2017a). Vgl. Döhle (2011). Vgl. Döhle (2011). Vgl. Meier (2017), S. 106ff.; vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010).
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zunehmend verschwimmen. Die Essenz dieser Entwicklung kann an der Aussage des Chromeo-Sängers abgelesen werden: Während es beim direkten Vergleich der Übereinkünfte zwischen Künstlern und Plattenlabels oder Künstlern und werbetreibenden Marken in der Vergangenheit vor allem die Markenkooperationen waren, die mit dem Begriff des Sell-outs belegt wurden, findet diese vermeintlich eindeutige Etikettierung im gegenwärtigen diesbezüglichen Diskurs kaum noch statt. Der ohnehin widersprüchliche Sell-out-Ausdruck verliert dadurch weiter an Definitionsschärfe, was seinem allgemeinen Relevanzverlust zuträglich ist. Ferner wird der, bei den traditionellen Musikfirmen durch die beschriebene Geschäftsfeldverlagerung vorangetriebene, musikalische und musikkulturelle Kompetenzverlust im Gesamtgeflecht populärer Musikkulturen angesichts der marketingstrategisch motivierten musikunternehmerischen Markenaktivitäten weiter gesteigert. Marken besitzen kein unmittelbares Interesse an der kulturellen Bedeutung musikalischer Inhalte oder nachhaltiger Künstlerentwicklung. Sportschuh- oder Getränkehersteller seien schließlich daran interessiert Turnschuhe beziehungsweise Getränke zu verkaufen, keine Musik, schlussfolgert Sisario.151 Er stellt daraufhin die Frage zur Diskussion, inwieweit Bands politische Inhalte vermeiden würden, wenn ihre Anziehungskraft für amerikanische Marken ein Gewicht bei ihrer Entwicklung besäße.152 Der Vorstand des Musikblogs Pitchfork, Chris Kaskie, stellt in diesem Zusammenhang einen Mangel an Diskussionen in der Musikszene fest, die sich mit den Auswirkungen der Zusammenarbeit von Musikern und Marken auseinandersetzten. Junge Bands würden in einer Kultur aufwachsen, die aus Markenkooperationen entstehende Probleme kaum thematisierten.153 Eine daraus ableitbare gewisse Naivität unter jungen Musikschaffenden kann am Kommentar des Mitglieds einer aufstrebenden Band aus Los Angeles hinsichtlich eines für die Marke Converse hergestellten Songs abgelesen werden: »We just made something that is a fun song, that will hopefully make people dance around in their Converse during the summer.«154 Die aus Übereinkünften zwischen Marken und Musikern entstehenden Frage- und Problemstellungen finden im Diskurs der ausübenden Künstler ebenso wenig ausreichend statt, wie dies bei den Musikkonsumenten der Fall ist. Indessen existiert vonseiten der Marken und Werbetreibenden kaum ein Bewusstsein für die weitreichenden Konsequenzen ihres Einflusses auf die populären Musikkulturen der Gegenwart – dieses Thema besäße in der internen Kommunikation zu Marketingmaßnahmen keine Relevanz, erläutert Felix Haaksman,155 und ist in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Markenkommunikation gleichermaßen kaum existent. Diese Art der Ignoranz reflektiert in hohem Maße das eigentliche Desinteresse werbetreibender Marken an der umfassenden kulturellen und gesellschaftlichen Bedeutsamkeit populärmusikalischer Inhalte. Es ist ausschließlich deren marketingstrategischer Nutzen, der im Aufmerksamkeitsfokus werbetreibender Marken steht. Das Interesse von Marken an Musik unterscheide sich entschieden von demjenigen der Plattenlabels, erläutert Meier: Mu-
151 152 153 154 155
Vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010). Vgl. Sisario (2010). Sisario (2010). Persönliche Mitteilung: Felix Haaksman. Berlin: 09. November 2017.
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sikfans wären für Marken einzig als zukünftige Käufer ihrer Produkte und nicht als Abnehmer von Tonträgern oder anderen musikbezogenen Inhalten relevant.156 Infolge der Aktivitäten von Marken im erweiterten popkulturellen Kontext, die etwa das Betreiben von Musikblogs, Radiostationen und anderer musikjournalistischer Medien oder auch musikalische Bildungsangebote einschließen und in gleicher Weise marketingstrategisch motiviert sind, wie es bei unmittelbar musik- oder künstlerbezogenen markenkommunikativen Maßnahmen der Fall ist, besetzen die werbetreibenden Unternehmen überdies Felder, in denen die popmusikalische Realität konstruiert und kulturelle Bedeutung generiert wird. Die Unabhängigkeit redaktioneller musik- oder künstlerbezogener Inhalte in marketingmotivierten medialen Geschäftserweiterungen werbetreibender Marken, wie sie beispielsweise auf der von der Deutschen Telekom AG geführten Onlineplattform Electronicbeats angeboten werden, reicht dabei ebenso weit, wie diese nicht geschäftsschädigend für den Konzern und dessen Marketingzielen dienlich sind. Das im Jahr 2000 von der Telekom AG ins Leben gerufene musikbezogene Marketingprogramm Telekom Electronic Beats ist, dem Namen und eigenen Angaben nach, auf das Spektrum zeitgenössischer elektronischer Musik spezialisiert, und umfasst, neben der zentralen Onlineplattform, einen YouTube-Sender, Podcasts und die Veranstaltung europaweiter Live-Events.157 Mittels dieses Instrumentariums platziert sich die Marke Telekom unmittelbar in die öffentliche Auseinandersetzung mit elektronischer Musik und den innerhalb dieses Diskurses stattfindenden Prozess der Bedeutungskonstruktion. Angefangen bei der marketingstrategischen Entscheidung des Konzerns, sich im musikalischen Marketingprogramm auf elektronische Musik zu konzentrieren, über die redaktionell besprochenen und audiovisuell angebotenen Inhalte bis hin zur Auswahl von Künstlern für Live-Events wirkt die Marke damit nachhaltig auf die populären Musikkulturen der Gegenwart ein. Wenn der größte europäische Telekommunikationsanbieter sich mit elektronischer Musik verknüpft und dies derartig ausgeprägt kommuniziert, wird diese Verbindung ein Teil der Musikkultur und entfaltet eine dementsprechend normative Wirkung: Elektronische Musik müsse eine Gemeinsamkeit mit der Telekommunikation und der Telekom AG besitzen. Des Weiteren übt das Marketingprogramm, durch die Selektion darin stattfindender Künstler und Musik, einen Einfluss darauf aus, was in der öffentlichen Wahrnehmung als elektronische Musik eingeschätzt und somit schließlich zu selbiger wird, was wiederum eine Wirkung auf die Herstellung der Musik selbst entfaltet. Im Jahr 1998 hat die Agentur Yadastar, die sich selbst als im Brand Consulting tätig sieht, die Red Bull Music Academy für den marketinggetriebenen Getränkehersteller ins Leben gerufen, aus der bis dato eine Vielzahl musik- und musikkulturbezogener Aktivitäten entstanden sind, die dem Markennamen Red Bull untergeordnet sind und in der Breite ihrer Aufstellung sowie zugehöriger, durch den Konzern bereitgestellter, Budgets ihresgleichen suchen.158 Das Angebot der Musikakademie des österreichischen Unternehmens richtet sich, nach eigenen Angaben, an alle Musikschaffenden, die Mu-
156 157 158
Vgl. Meier (2017), S. 108. Vgl. Telekom Electronic Beats (o.J.). Vgl. Yadastar GmbH (o.J.); vgl. Red Bull (2017a); vgl. Red Bull (2017b).
5. Werbetreibende Marken, Musikfirmen und Künstler in der Streaming-Ära
sik lieben und an deren Evolution teilhaben wollten.159 Unter welchen Kriterien die etwa 60 internationalen Teilnehmer der jährlich über mehrere Wochen in einer anderen Metropole der Welt ausgerichteten Akademie von deren Repräsentanten, die allen musikbezogenen Bereichen entstammten, ausgewählt werden, ist nicht bekannt.160 Das Akademieprogramm besteht aus Vorlesungen und Seminaren von Persönlichkeiten aus der Musikwelt, Studiosessions und Musikveranstaltungen.161 Es gehe dabei nicht darum, zu lernen, wie man es in der Musikindustrie weit bringen oder von einem Label entdeckt werden könne, sondern vielmehr darum, den Teilnehmern ein einzigartiges Erlebnis zu bieten, das sie bis unter die Hutkrempe ausfülle.162 Die Flüge und Unterbringung der Akademieteilnehmer werden, wie auch das Gesamtprogramm der Veranstaltung, von Red Bull finanziert, was das Unternehmen nicht daran hindert, auf der offiziellen Webseite des Events zu erklären: »The Red Bull Music Academy is not a sponsored event«.163 Der logische Widerspruch dieser Aussage – eine gänzlich von Red Bull finanzierte, von einer Werbeagentur im Auftrag des Unternehmens entwickelte Veranstaltung, die den Markennamen prominent im Titel trägt, kann nur schwerlich als nicht gesponsert bezeichnet werden – wird daraufhin unter den Deckmantel gehüllt, es handele sich bei der Academy um eine langfristige Musikinitiative, die sich dem kreativen Austausch von Musikschaffenden verpflichtet fühle, die einen Unterschied in der Welt der Musik gemacht hätten und auch weiterhin machen würden.164 Mit der Red Bull Music Academy habe Yadastar die »Infrastruktur für Red Bulls Transformation von einer rein auf Sport ausgerichteten hin zu einer kulturell vernetzten Marke, tief verwurzelt in Musik, Kunst und Medien« geschaffen, teilt die Agentur mit.165 So ist es tatsächlich die Verwurzelung der Marke in relevanten gegenwärtigen Musikkulturen, der die Akademie verpflichtet ist und der zugehörige kreative Austausch von Musikschaffenden dient. Dieser Zielsetzung unterliegen gleichermaßen die weiteren musikbezogenen Kanäle des Unternehmens, die unter anderem einen Radiosender (Red Bull Radio), eine eigenständige Musiksektion auf der Webseite von Red Bull (Red Bull Music), einen Musikblog (RBMA Daily) sowie weltweit stattfindende Veranstaltungen umfassen und in der Peripherie der Red Bull Music Academy entstanden sind.166 Im Fokus des folgenden zweiten Teils dieser Forschungsarbeit stehen zum einen allgemeine Entwicklungstendenzen der Gestaltformen populärer Musik, die synchron mit der fortschreitenden Digitalisierung verlaufen und unter anderem auf die gewachsene Machtposition werbetreibender Marken in den populären Musikkulturen, respektive deren ausgeweitete Verfügungsgewalt über öffentlich oder medial stattfindende populäre Musik, sowie die verstärkte Marketingausrichtung von Musikfirmen, zurückzuführen sind. Zum anderen sind es die spezifischen markenseitigen Anforderungen
159 160 161 162 163 164 165 166
Vgl. Red Bull (2017c). Vgl. Red Bull (2017c); vgl. Khanna (2007). Vgl. Red Bull (2017b); vgl. Red Bull (2017c); vgl. Khanna (2007). Vgl. Red Bull (2017c). Red Bull (2017c). Vgl. Red Bull (2017c). Yadastar GmbH (o.J.). Vgl. Red Bull (2017a); vgl. Red Bull (2017d); vgl. Red Bull (2017e); vgl. Red Bull (2017f); vgl. Yadastar GmbH (o.J.).
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I. Teil: Werbetreibende Marken und populäre Musikkulturen
an werblich verwertbare Musik in audiovisuellen Werbespots, die im Begriff der SyncFriendliness konvergieren, sowie die Analyse einer konkreten exemplarischen Manifestation selbiger, die den zweiten Schwerpunkt des auf die Gestaltkonfigurationen kontemporärer populärer Musikformen ausgerichteten zweiten Teils darstellen.
II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat In the instability of his emotions man resembles deplorably a monkey. Joseph Conrad, A Smile of Fortune
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
Auf die Frage eines Journalisten, ob es in gegenwärtiger populärer Musik noch Innovationen gäbe, antwortet die Musiker- und Produzentenlegende Quincy Jones: »Hell no. It’s just loops, beats, rhymes and hooks. What is there for me to learn from that? There ain’t no fucking songs.«1 Die Ursache für diese Entwicklung identifiziert Jones in fehlender musikalischer Bildung und Fachkenntnis seitens der Musikproduzenten und Musiker sowie deren Gleichgültigkeit gegenüber dieser Ignoranz: Es sei ihnen egal, dass sie kein formales musikalisches Wissen besäßen.2 Ohne ausreichende musikhistorische, handwerkliche und popmusikalische Gattungen betreffende Fachkenntnisse sei es nicht möglich, gute Songs zu schreiben und Musik zu produzieren, die Menschen [emotional, A. S.] berühre.3 Zudem seien die Musikschaffenden der aktuellen populären Musikkulturen zunehmend von ökonomischen Interessen getrieben, was insofern einen negativen Einfluss auf den Prozess der Herstellung von Musik habe, als dass Gott den Raum verlasse, wenn man an Geld denke.4 Der nicht minder bedeutsame Musikproduzent Rick Rubin erklärt diesbezüglich, unter kommerziellen Erwägungen und Zeitdruck könne keine großartige Musik entstehen.5 Die Produktion von zeitloser und bedeutsamer Musik erfordere vor allem einen hohen Zeitaufwand und die Vernachlässigung erfolgsbezogener Variablen.6 Mit dieser Aussage bringt Rubin indirekt zum Ausdruck, dass er dem zuvor in selbigem Interview besprochenen Album Yeezus, dessen Titel wenig Spielraum zur Interpretation der Selbstsicht des Künstlers Kanye West zulässt,7 kaum einen nachhaltigen Wert zuschreibt. West sei mit der Bitte an Rick Rubin herangetreten, ihm dabei zu helfen, aus ungefähr dreieinhalb Stunden unfertigen Materials, weitestgehend ohne Vocals, 1 2 3 4 5 6 7
Marchese (2018). Vgl. Marchese (2018). Vgl. Marchese (2018). Vgl. Marchese (2018). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Es handelt sich dabei um ein Kompositum aus dem Spitznamen des Rappers, Yeezy, und dem Wort Jesus.
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
besagtes Album herzustellen, das fünf Wochen später veröffentlicht werden würde.8 An diesem Tag hätte Rubin sich nicht gut gefühlt und darüber nachgedacht, ob es wohl diese Musik sei, die ihn krank mache.9 Dennoch habe er zugesagt und das Album mit Kanye West in einem äußerst kurzen Zeitfenster von 15 bis 16 Tagen fertiggestellt, in dem er unter einem dauerhaften Panikgefühl gelitten hätte, so Rubin.10 Die drei Tage vor dem Abgabetermin des Albums noch fehlenden Sprach- beziehungsweise Gesangsaufnahmen für fünf der Titel und die zu diesem Zeitpunkt gleichermaßen ausstehenden Texte für zwei der Songs hätte Kanye West in einer zweistündigen Session, zwischen einer Babyparty und einem Trip nach Mailand, abgeliefert.11 Auch ohne das, mutmaßlich hohe, Gewicht der kommerziellen Motive Kanye Wests für sein musikalisches Schaffen zu kennen, steht diese Arbeitsweise in direktem Widerspruch zur zentralen Relevanz, die Rubin einem großzügigen Zeitrahmen respektive zeitlicher Freiheit bei der Herstellung von Musik, im Hinblick auf deren langfristige Bedeutung, einräumt. Mit dem rasanten technologischen Fortschritt [im Tonstudiobereich, A. S.] sei es leicht geworden, formal hochwertige Musikstücke anzufertigen, legt Rubin dar.12 Musik würde heutzutage mehrheitlich aus vielen perfekt eingespielten Einzelteilen per Copy-andPaste zusammengesetzt.13 Wenn man sich bei Musikproduktionen in diesem Ausmaß auf die Technik verlasse, gehe das gesamte menschliche Drama verloren, das den spezifischen Sound einer Band erst entstehen lasse.14 Im Prozess des gemeinsamen Spielens würden Musiker auf ihre jeweils eigentümliche Weise interpretieren, was die jeweils anderen spielten, und mit diesen Reaktionen Spannungen erzeugen, die schließlich ein klanglich charakteristisches Gesamtbild produzierten, wie Rubin exemplarisch am Beispiel der Band Black Sabbath dokumentiert.15 Aktuelle Musikproduktionen wiesen ein einwandfreies und punktgenaues Timing sowie technisch präzise getroffene Tonhöhen, eine hohe Stimmungstreue, auf, würden die genannten performativen Qualitäten jedoch vermissen lassen.16 Die Verantwortlichen im Musikgeschäft seien zunehmend an der Erzielung kurzfristiger Erfolge orientiert und würden dabei in Kauf nehmen, wenn Künstlerkarrieren dadurch langfristig betrachtet Schaden nähmen.17 Rubin stellt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Qualitätsverlust von Musik und der gesunkenen Bereitschaft von Konsumenten her, für diese Musik Geld auszugeben: Es müsse bessere Musik gemacht werden, um wieder ein besseres Geschäft mit selbiger machen zu können.18 Jones und Rubin attestieren gegenwärtiger populärer Musik demnach ein Gütedefizit, die Verminderung musikalischer Qualität, und benennen verschiedene Ursachen
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013). Vgl. Romano (2013).
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
für diese Entwicklung, die in Wechselbeziehung zueinander und weiteren Einflussvariablen, wie etwa der verstärkten Marketingausrichtung der Musikfirmen und der Machtposition von Marken im Musikgeschäft, stehen. Der rapide Fortschritt in der digitalen Studiotechnik seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert hat nicht nur die Prozesse innerhalb der Musikproduktion verändert, wie Rubin es schildert, sondern gleichzeitig einen derartigen Wandlungsprozess und Preisverfall der Werkzeuge zur professionellen Herstellung von Musik hervorgerufen, dass diese kostengünstig für jedermann erwerb- und verwertbar wurden. Während die technisch hochwertige Produktion von Musik bis in die 1990er Jahre ohne fachgerecht ausgestattete, akustisch optimierte und sachkundig betriebene Tonstudios kaum realisierbar und folgerichtig mit sehr hohen Kosten verbunden war, die eine kaum zu überwindende Barriere für Amateurmusiker darstellten, hat es die mit hoher Geschwindigkeit fortlaufende Entwicklung leistungsstarker und preiswerter Soft- und Hardwareprodukte musikalischen Laien ermöglicht, mit minimalem finanziellem Aufwand Zugang zu einem Instrumentarium zu erhalten, dass es ihnen erlaubt, umfangreiche Musikproduktionen an ihrem Laptop durchführen zu können. Mit stark angewachsenen Rechnerleistungen und Speicherkapazitäten wurde es möglich, leistungsfähige Digitale Audio Workstations (DAWs), die den Signalfluss und die Funktionen eines Mischpults reproduzieren, mit umfassenden Automatisierungsmöglichkeiten ausgestattet sind und gleichzeitig Sequenzer und Mehrspurrekorder ersetzen, Plugins, die externe Effektgeräte emulieren, und Software-Synthesizer, die neben der Modellierung jeglicher analoger Instrumente ein nahezu unerschöpfliches klangliches Repertoire verfügbar machen, auf mobilen Computern einzusetzen und vermittels zugleich erschwinglicher sowie umfassend ausgestatteter Mehrkanalwandler, die das Ein- und Ausspielen von Signalen realisieren, mit der analogen Welt zu verbinden. So suggerieren der ausgeprägt vereinfachte Zugang zu den für die Anfertigung von Musikaufnahmen, die den technischen Standards auf dem Musikmarkt entsprechen, benötigten Werkzeugen und die vermeintlich verminderte Komplexität der Verwendung selbiger, es sei möglich, ohne das ehemals notwendige Know-how in den Bereichen der Tontechnik, Akustik und Musikproduktion sowie ausreichende Kenntnisse im Songwriting und formale musikalische Bildung populäre Musik herstellen zu können, die eine ausreichend hohe Qualität besitze. Parallel zu dieser Entwicklung hat die Etablierung und flächendeckende Verfügbarkeit digitaler Streaming- und Verkaufsplattformen für musikalische Inhalte zur Absenkung einer weiteren Hürde geführt, die den Zugang musikalischer Amateure zum Musikmarkt des 20. Jahrhunderts verhindert hat: Die Verfügungsgewalt von Musikfirmen über den Vertrieb und die mediale Verbreitung von Musik. Der Streaminganbieter Spotify und der auf den Verkauf elektronischer Musik spezialisierte Onlineshop Beatport legitimieren beispielsweise grundsätzlich jede Person, ihre Musik über einen mit dem Unternehmen kooperierenden Digitalvertrieb auf der Plattform zu veröffentlichen, wohingegen etwa YouTube oder der digitale Musikdienstleister Bandcamp jedem Menschen, der über die entsprechenden Urheber- und Leistungsschutzrechte verfügt, unmittelbar und ohne Zwischenhändler gestattet, seine Musik anzubieten und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
machen.19 In welchem Umfang das Versprechen der digitalen Möglichkeiten, Musik ohne Fachkenntnisse in den oben genannten Disziplinen herstellen und im Eigenvertrieb verbreiten zu können, von der Allgemeinheit angenommen wurde, ist an der fortdauernden Steigerung der Anzahl neuer Veröffentlichungen pro Zeitraum ablesbar, mit deren gegenwärtigem Ausmaß eine Flut von Musik auf den Markt gespült wird, die als musikalische Inflation bezeichnet werden kann. Der auf Urheber- und Patentrecht spezialisierte Juraprofessor Glynn S. Lunney Jr. erklärt in einer Publikation aus dem Jahr 2014, auf Basis von Untersuchungen der Major-Labels hätte etwa die Firma Nielsen ermittelt, die das Informations- und Datenerfassungssystem SoundScan betreibt, das unter anderem die Datenbasis für die US-amerikanischen Billboard-Charts liefert, im Jahr 1999 seien in den Vereinigten Staaten von Amerika annähernd 40 000 neue Musikalben erschienen.20 Nach einer relativ stabilen Phase zwischen den Jahren 1996 und 2003, in der sich das Veröffentlichungsvolumen auf dem US-amerikanischen Markt zwischen etwa 30 000 und 40 000 neuer Alben pro Jahr bewegt habe, sei dieses anschließend auf einen Höhepunkt von mehr als 100 000 verschiedener Alben im Jahr 2008 angewachsen und schließlich wieder etwas gesunken, sodass im Jahr 2011 ungefähr 80 000 neue Alben auf den amerikanischen Markt gebracht worden wären.21 Gemäß Nielsen hat sich die Anzahl der in den USA veröffentlichten neuen Alben zwischen 1999 und 2011 folgerichtig etwa verdoppelt. Der nach 2008 stattfindende Rückgang neuveröffentlichter Musik im Albumformat in den Vereinigten Staaten fällt zeitlich in ebendie Periode, in der das fortschreitende Wachstum des Musikstreamings seinen Anfang nahm. Meier legt diesbezüglich dar, auf dem Endverbrauchermarkt für Musikaufnahmen würde heutzutage hauptsächlich ein Geschäft mit digitalen Singles und Streaming gemacht – das Musikalbum sei weitestgehend entbündelt worden. Das Produkt sei dabei ein einzelnes digitales Musikstück oder eine Lizenz, für das Streaming dieses Titels.22 Das Phänomen der Entbündelung von Musikalben in digitalen Kanälen wird ausführlich in einer Publikation der Betriebswirtschaftsprofessorin Anita Elberse besprochen.23 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, unter Berufung auf Angaben der Firma Spotify, im Jahr 2015 seien 6 210 002 neue Songs veröffentlicht worden.24 Johan Seidefors, Leiter der skandinavischen Abteilung für Content-Partnerschaften, Künstler, Labeldienstleistungen und Tonstudios bei Spotify, hat auf der Slush Music Konferenz 2017 erklärt, es würden täglich etwa 20 000 neue Musikstücke auf Spotify veröffentlicht und damit nicht nur die enorme Höhe der Angaben der FAZ verifiziert, sondern eine weitere Steigerung der Neuveröffentlichungen pro Jahr bestätigt.25 In der Summe wären demgemäß im Jahr 2017 alleine auf Spotify insgesamt ungefähr 7 300 000 neue Musikaufnahmen veröffentlicht worden. Felix
19 20 21 22 23 24 25
Vgl. Spotify (2018); vgl. Ditto Music (2018); vgl. Kane (2012). Vgl. Lunney (2014), S. 292. Vgl. Lunney (2014), S. 292f. Vgl. Meier (2017), S. 62-68. Vgl. Elberse (2010). Vgl. Rosling (2018). Vgl. Seidefors (2017).
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
Haaksman ergänzt, auf der ausschließlich elektronische Musik anbietenden Verkaufsplattform Beatport würden gegenwärtig wöchentlich circa 10 000, jährlich folglich annähernd 520 000, neue Titel veröffentlicht.26 Wenngleich für den Zeitraum, in dem physische Tonträger das zentrale Wertschöpfungsgut der Musikindustrie darstellten, keine Daten hinsichtlich der weltweiten Anzahl neu veröffentlichter Musikstücke pro Jahr existieren, liefern die, für den größten Musikmarkt der Welt erhobenen und auf Musikalben beschränkten, Daten der Firma Nielsen einen validen Anhaltspunkt für das einzeltitelbezogene Gesamtvolumen des globalen musikalischen Outputs. Weiterhin integrieren die Angaben von Nielsen, die Auskünfte des Streamingdienstes Spotify und die Aussagen Felix Haaksmans mutmaßlich alle neu veröffentlichten Musikstücke respektive Alben, also auch Neuauflagen alter Aufnahmen und, ausschließlich die Onlinedienste betreffend, die Lizenzierung von Titeln aus den Backkatalogen von Musikfirmen – diesbezüglich existieren keine weiterführenden Informationen. So ist die Menge tatsächlich neuer Musikstücke pro Zeitraum und Markt auf dieser Datenbasis nicht einwandfrei zu bestimmen. Im Gegensatz zur Problematik bei den Erhebungen zur Anzahl veröffentlichter Longplayer in den USA, die keine unmittelbaren Rückschlüsse auf den Umfang darin enthaltener Einzeltitel zulässt und Musikaufnahmen außen vor lässt, die nicht auf Alben, sondern beispielswiese auf EPs publiziert wurden, sind es bei den Angaben von Spotify Mehrfachzählungen von Musikstücken, etwa aufgrund verschieden hinterlegter Metadaten oder falscher Dateikennzeichnungen, sowie die Titel fingierter Interpreten und die Unmenge ausschließlich auf der Plattform veröffentlichter Coverversionen, die kritisch in deren Kalkulationen mit einbezogen werden müssen.27 Dennoch, trotz aller Mängel der Datenlage, Erhebungsmethoden und Evaluierung sind die oben dargestellten Quoten ein aussagekräftiger Beleg für das grundlegend hohe Wachstum der Anzahl veröffentlichter Musikaufnahmen pro Zeitraum im Musikmarkt, wie folgende Beispielrechnung weiter veranschaulicht. Elberse hat für ihre Studie der Konsequenzen der Entbündelung von Musik alle Alben von 224 Künstlern untersucht, die zufällig aus der Gesamtpopulation aller Interpreten gezogen worden seien, die in den Nielsen SoundScan Charts der Jahre 2005 und 2006 vorgekommen seien.28 Für die 2 549 Alben umfassende Stichprobe ermittelt die Betriebswirtschaftlerin eine durchschnittliche Anzahl von zwölf Musikstücken pro Album.29 Unter Verwendung dieser Quote wären, bei einer Menge von 40 000 Alben, im Jahr 1999 ungefähr 480 000 Musikstücke auf Longplayern in den USA veröffentlicht worden. Demzufolge läge bereits die jährliche Anzahl veröffentlichter Musikaufnahmen auf der Verkaufsplattform Beatport, die nach eigenen Angaben ausschließlich Musik einer populärmusikalischen Gattung, der elektronischen Tanzmusik, anbietet, mit einem Volumen von etwa 520 000 Titeln, gegenwärtig über der Gesamtheit aller im größten Musikmarkt der Erde auf Alben veröffentlichten Titel des Jahres 1999.
26 27 28 29
Persönliche Mitteilung: Felix Haaksman. Berlin: 09. November 2017. Vgl. Raymond (2017). Vgl. Elberse (2010), S. 112. Vgl. Elberse (2010), S. 112, S. 114.
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
Gleichwohl das beträchtliche Gesamtvolumen der derzeitig pro Zeitraum auf Spotify neu veröffentlichten Musikstücke nicht auf seine inhaltliche Beschaffenheit überprüft werden kann und etwa gleichermaßen neu produzierte Musikaufnahmen sowie Titel aus Backkatalogen von Labels enthält, liefert es einen weiteren Beleg für den, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemachten, stark vergrößerten Gesamtoutput der Musikschaffenden in kürzer werdenden Zeiträumen. Der vereinfachte Zugang zum globalen Musikmarkt hat es, neben den mit professionellen Produktionsmitteln ausgestatteten musikalischen Laien, auch Interpreten und Musikfirmen kleiner Nischengattungen oder regionaler Musikstile ermöglicht, ihr Repertoire gewissermaßen weltweit verfügbar zu machen. Im April 2018 registrierte das oben besprochene Kategoriensystem von Spotify 1 669 musikalische Genres und enthielt zum Beispiel Gattungen wie den brasilianischen Baile Funk, angolanischen Kuduro, kolumbianischen Cumbia, bretonische Volksmusik oder Chinese Experimental.30 Unter weiterer Berücksichtigung des Google-Dienstes YouTube, der, abgesehen von den Bewohnern derjenigen Länder, die den Kanal blockieren, grundsätzlich jedem Menschen mit Internetzugang sowohl die Verbreitung musikalischer Inhalte als auch die Rezeption selbiger erlaubt, hat eine sehr hohe Population Zugriff auf eine bemerkenswerte Anzahl verschiedener Musikstücke, die eine, in den Binnenmärkten des 20. Jahrhunderts undenkbare musikalische Bandbreite und musikkulturelle Diversität abbilden. Gleichzeitig ist das allgemein verfügbare musikalische Spektrum vermehrt von Musikaufnahmen durchdrungen, die von Menschen ohne Fachkenntnisse in den für die Komposition und Produktion von Musik traditionell bedeutsamen Disziplinen hergestellt wurden. Ungeachtet der Verfügbarkeit einer derartigen musikalischen Vielfalt, ist es eine relativ geringe Anzahl von Künstlern und Musikaufnahmen, die einen Großteil aller im Musikstreaming getätigten Abspielvorgänge verursachen. Der auf den nordamerikanischen Musikmarkt spezialisierte und zum Musiktechnologieunternehmen Border City Media gehörende Datenanalyse- und Informationsdienstleister BuzzAngle Music hat 2017 in den USA alleine im on-Demand-Musiksegment annähernd 377 Milliarden Streamingvorgänge registriert.31 In diesem Bereich seien insgesamt 33 232 798 verschiedene Musikstücke gestreamt worden.32 Mit einer Quote von 0,015 % an der Gesamtanzahl abgespielter Musikaufnahmen hätten 2017 nur 5 000 Titel bereits 40,3 % des gesamten on-Demand-Musikstreamingaufkommens in den Vereinigten Staaten verursacht. 73,2 % aller Audiostreamings seien auf die meistgespielten 0,15 % aller ausgespielten Aufnahmen (50 000 Musikstücke) zurückzuführen, indessen 1,5 % der Gesamtheit verschiedener gestreamter Musikaufnahmen (500 000 Titel) hinter 93,6 % der 377 Milliarden verzeichneten Musikstreams stehen würden.33 Weiterhin stammten die Musikaufnahmen von rund 81 % der 2017 in den USA stattgefundenen on-DemandMusikstreamingvorgänge aus dem Repertoire der drei großen Musikfirmen: Universal, Sony und Warner.34 Unter Berufung auf Aussagen von Medienwissenschaftlern erklärte
30 31 32 33 34
Vgl. EveryNoise (2018). Vgl. BuzzAngle Music (2018), S. 20. Vgl. BuzzAngle Music (2018), S. 39. Vgl. BuzzAngle Music (2018), S. 39. Vgl. BuzzAngle Music (2018), S. 111.
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
der freie Autor und Journalist Derek Thompson im Jahr 2014, 1 % der ausübenden Künstler würde 77 % des Gesamtvolumens aller seitens der Interpreten aus Musikaufnahmen generierten Erträge einnehmen.35 Die Explosion des relativen Wertes eines Hits sei zudem daran ablesbar, dass die zehn meistverkauften Musikstücke pro Zeitraum ihren Marktanteil zwischen 2004 und 2014 um 82 % steigern konnten.36 »The advent of do-it-yourself artists in the digital age may have grown music’s long tail, but its fat head keeps getting fatter.«37 Gleichzeitig hätten die Radiosender die Wiederholungshäufigkeit der populärsten gesendeten Musikstücke stetig erhöht. Einer Tochterfirma von iHeartMedia zufolge wären die zehn erfolgreichsten Songs auf den chartorientierten Top-40-Stationen in den USA 2013 etwa doppelt so häufig gespielt worden, wie dies im Jahr 2003 der Fall gewesen sei. Nicht nur würden wir die gleichen Hits in erhöhter Frequenz hören, die Hits selbst würden zunehmend ähnlicher klingen, so Thompson.38 Er führt diese Entwicklung in erster Linie auf allgemeine Hörpräferenzen von Musikkonsumenten und die mit der fortschreitenden mobilen Digitalisierung deutlich verbesserten Möglichkeiten von Musikfirmen zurück, diese zu erfassen und auszuwerten.39 Grundsätzlich würden die Menschen bevorzugt Musikstücke hören, die ihnen bereits bekannt wären. Dies sei insbesondere durch einen Prozess bedingt, der in der Psychologie als Fluency (etwa: Verarbeitungsflüssigkeit) bezeichnet würde und den negativen linearen Zusammenhang zwischen dem Komplexitätsgrad der Verarbeitung eines Reizes und der affirmativ-emotionalen Bewertung desselben beschreibt. Je geringer Aufwand und innerer Widerstand bei der Verarbeitung von Reizen seien, desto stärker würden wir dazu tendieren, diese zu mögen: »[W]hen a piece of information is consumed fluently, it neatly slides into our patterns of expectation, filling us with satisfaction and confidence.«40 Der Musikwissenschaftler David Huron schätzt demgemäß, in mindestens 90 % aller Fälle würden Hörer in ihrer Musikauswahl auf Altbewährtes zurückgreifen und Musikstücke suchen, die ihnen bereits bekannt seien.41 Abgesehen von intraindividuellen Faktoren besitzen externe und kontextbezogene Metainformationen zu Musikaufnahmen, etwa ihre Positionierung in Verkaufs-, Download-, oder Streamingcharts, eine prägende Wirkung auf die Hörpräferenzen von Musikkonsumenten. In zwei wegweisenden Untersuchungen konnten Wissenschaftler der Columbia University nachweisen, dass die Kenntnis von Song-Ranglisten eine signifikante Rückwirkung auf die Musikauswahl von Hörern besitzt.42 Beide Studien wurden als Onlineversuche in künstlich hergestellten Musikmärkten durchgeführt, in denen 14 341 (Experiment 1) respektive 12 207 (Experiment 2) Probanden die Möglichkeit hatten, 48 ihnen unbekannte Musikstücke zu hören und herunterzuladen.43 Die Versuchsteilnehmer beider Untersuchungen wurden per Zufallsverfahren verschiedenen in sich geschlossenen Welten zugeteilt, die keine (independent) oder graduell und in ihrer 35 36 37 38 39 40 41 42 43
Vgl. Thompson (2014). Vgl. Thompson (2014). Thompson (2014). Vgl. Thompson (2014). Vgl. Thompson (2014). Thompson (2014). Vgl. Thompson (2014). Vgl. Salganik, Watts (2008); vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006). Vgl. Salganik, Watts (2008); vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
Darstellung variierende sowie invertierte Informationen (social influence) über vorhergehende Downloads anderer Probanden bereitstellten.44 In denjenigen Umgebungen, die den Hörern Metainformationen hinsichtlich der bisherigen Downloadanzahl der Titel bereitstellten, konnten die Forscher einen, im Vergleich zu den Teilexperimenten ohne weiterführende Informationen, signifikanten Zuwachs der Abspielvorgänge und Downloads ebenjener Musikstücke beobachten, die sich, gemessen an der Anzahl ihrer dargestellten Downloads, bereits erfolgreich im künstlichen Markt durchgesetzt hatten.45 Eine Verstärkung der sozialen Zusatzinformationen mittels ihrer Darstellung in Form einer Rangliste führte zudem zur Erhöhung des beschriebenen Effektes.46 Im Vergleich zur Umgebung, in der die Musikstücke inklusive ihrer Downloadanzahl zufällig in einer rechteckigen Tabelle platziert wurden, ist die Ungleichheit – erfolgreiche Stücke gewinnen an Popularität, erfolglose Aufnahmen verlieren an Beliebtheit – in der Versuchsanordnung mit einer nach Anzahl der Downloads sortierten Titelliste signifikant gewachsen.47 So konnten die Forscher den Einfluss der wahrgenommenen Popularität von Musikstücken auf die Hörpräferenzen der Grundgesamtheit belegen.48 Die Ergebnisse der ersten beider Studien legen zudem nahe, dass die graduelle Einflussnahme sozialer Informationen mit deren erhöhter Quantität ansteigt.49 Folgerichtig gehen die Forscher davon aus, dass soziale Metainformationen in der realen Welt, die von Marketing und Produktplatzierungen über Musikkritiken bis hin zu den allgegenwärtigen Medien reichen würden, in deutlich höherer Dichte und Menge aufträten und eine dementsprechend verstärkte Wirkung auf die Vorlieben der Musikhörer besäßen.50 In der Folgeuntersuchung haben die Wissenschaftler, neben der Umgebung ohne weiterführende Informationen und der Versuchsanordnung mit den Angaben zur tatsächlichen Anzahl vorheriger Downloads der Musikstücke, weitere in sich geschlossene Musikmärkte erzeugt, in denen sie die Rangliste der Titel nach Downloads umgekehrt haben.51 Diejenige Musikaufnahme mit der geringsten Anzahl von Downloads wurde folglich mit der höchsten Downloadrate versehen und vice versa, das Stück mit den meisten Downloads mit der geringsten Downloadanzahl verknüpft.52 Gemäß ihrer realen Positionierung im Download-Klassement vertauschten die Forscher die Downloadzahlen des Titels auf Platz 47 mit denjenigen des auf Platz 2 positionierten Stückes, die Zahlen der auf Rang 46 stehenden Aufnahme mit der Downloadanzahl des auf Platz 3 stehenden Titels usw., bis die gesamte Rangliste invertiert war.53 Es stellte sich heraus, dass der Einfluss der wahrgenommenen Popularität von Musikstücken auf die Hörpräferenzen der untersuchten Population in den Umgebungen mit invertierten Ranglisten,
44 45 46 47 48 49 50 51 52 53
Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 340-344; vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006), S. 854. Vgl. Salganik, Watts (2008); vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006). Vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006). Vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006), S. 854f. Vgl. Salganik, Watts (2008); vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006). Vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006), S. 855. Vgl. Salganik, Dodds, Watts (2006), S. 855f. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 341. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 341. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 341.
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
im Vergleich zur Versuchsanordnung mit den realitätsgetreuen Downloadcharts, nahezu unverändert hoch blieb.54 Unabhängig davon, dass die Beliebtheit der Musikstücke in den manipulierten Musikmärkten nur vorgetäuscht war, wurden vorwiegend die als erfolgreich wahrgenommen Titel gehört und heruntergeladen, während niedrig platzierte Aufnahmen geringe Hör- und Downloadquoten erreichten.55 Die zunächst fingierte Popularität hat sich für eine große Mehrheit der 48 Musikstücke als Self-fulfilling Prophecy herausgestellt und über die Zeit demnach in reale Beliebtheit verwandelt.56 Der durch den US-amerikanischen Soziologen Robert K. Merton geprägte Ausdruck beschreibt eine anfänglich falsche Definition einer Situation, die ein verändertes Verhalten auslöse, dass die ursprüngliche Fehlannahme Wirklichkeit werden lasse.57 Die Umkehrung der Downloadcharts habe jedoch nicht auf dem gesamten künstlichen Musikmarkt zu diesem Effekt geführt, so die Forschergruppe.58 So konnten die erfolgreichsten Stücke aus der unabhängigen Umgebung, die keine Informationen über vorherige Downloads bereitstellte, ihre Popularität auch in den Versuchsanordnungen mit invertierter Downloadanzahl der Titel auf lange Sicht wiederherstellen.59 Des Weiteren hat die Verfälschung der Informationen die Korrelation zwischen Popularität (dargestellte Downloadanzahl) und tatsächlicher Attraktivität der Musikaufnahmen, gemessen als Marktanteil der Downloads eines Stückes in der unabhängigen Versuchsanordnung, vermindert.60 In der Tatsache, dass die Versuchsteilnehmer in den Umgebungen mit manipulierter Rangliste vorwiegend Musikstücke hörten, die nach obiger Definition eine geringe Attraktivität besitzen – die hochplatzierten Titel waren in der unabhängigen Versuchsvariante wenig erfolgreich – sehen die Forscher die Ursache für den wesentlichen Rückgang der Gesamtheit aller Abspielvorgänge und Downloads.61 Bei annähernd gleichbleibender Stichprobengröße in den verschiedenen Umgebungen wurden im Experiment mit den realen Downloadcharts 2 898, in den Versuchsanordnungen mit invertierten Ranglisten 2 197 respektive 2 160 Downloads getätigt.62 Die Ergebnisse der Studie würden darauf verweisen, dass jede einzelne Band, unabhängig von ihrer tatsächlichen Anziehungskraft und den Strategien konkurrierender Künstler, erwarten dürfe, von der künstlichen Steigerung ihrer wahrgenommenen Popularität profitieren zu können.63 Gleichzeitig führe die übermäßige Anwendung dieser Strategie durch zu viele Bands zur Verminderung der Korrelation zwischen augenscheinlicher Popularität und Attraktivität, wodurch der Gesamtmarkt schrumpfe, so die Forschergruppe.64 Derek Thompson fasst die Ergebnisse beider Studien in einem Artikel für das Magazin The Atlantic prägnant zusammen: »The Hot 100 matters because it doesn’t just reflect 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 344-347. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 344-347. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 338. Merton (1948) zit.n. Salganik, Watts (2008), S. 338. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 338. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 338, S. 344-347. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 349f. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 350f. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 345, S. 350f. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 351. Vgl. Salganik, Watts (2008), S. 351.
245
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
listener preferences, it also shapes them.«65 In der Realität ist die Rückwirkung von Metainformationen hinsichtlich der Popularität von Musikstücken in Form von Verkaufs-, Download- oder Streamingcharts auf die Präferenzen von Hörern bei ihrer Musikauswahl Teil eines komplexen und kaum quantifizierbaren Geflechtes interagierender Einflussvariablen, das gleichermaßen das soziale Umfeld der Menschen, Informationen aus sozialen Netzwerken und traditionellen Medien, institutionelle Akteure, wie etwa die Verantwortlichen bei Musikfirmen, Musikjournalisten und -kritiker sowie die alle Lebensbereiche durchdringende Markenkommunikation integriert. Weil nun die Musikindustrie immer genauer wisse, was der Hörer will und dieser sich sehr stark am schon Populären und Bekannten orientiere, werde immer mehr von dem produziert, was er schon kenne, erklärt der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Brendan Erler in der Publikation seiner Dissertationsschrift.66 Wenngleich das, angesichts stark verbesserter Marktforschungstools zur Erfassung und Auswertung digitaler Daten, deutlich gewachsene Know-how von Musikfirmen hinsichtlich der Hörpräferenzen von Musikkonsumenten und die Ausrichtung selbiger am bereits Bekannten und wahrgenommen Populären zweifellos zu Homogenisierungsvorgängen in populärer Musik beitragen, sind sie keineswegs deren exklusive Ursache. Vielmehr wird die, vorwiegend in kommerziell erfolgreicher populärer Musik auftretende, verstärkte Gleichförmigkeit, nur als Ergebnis einer Gesamtentwicklung verständlich, die neben Erlers und Thompsons Darstellungen sämtliche oben genannte Prozesse einschließt. Diese reichen vom Verlust musikalischer Bildung und Fachkenntnis bei Musikern und Musikproduzenten, die zunehmend aus ökonomischen Motiven handelten, wie Quincy Jones feststellt, über Rick Rubins Verweis auf ungenügend kurze Zeitintervalle, in denen Musikproduktionen durchgeführt würden, und den negativen Einfluss von standardisierenden Produktionsprozessen, die auf einer zunehmenden Technikhörigkeit beruhten, bis hin zur klangliche Monotonie erzeugenden Normierung von Software-Instrumenten und digitalen Produktionsmitteln. Die allgemeine und kostengünstige Verfügbarkeit der für die Herstellung technisch professioneller Musikaufnahmen notwendigen Werkezuge und der Zugang zum globalen Musikvertrieb via Onlineplattformen hat zudem dazu geführt, dass musikalische Amateure den Musikmarkt mit Inhalten überschwemmen, deren künstlerisches Innovationspotential im Allgemeinen zumindest in Frage gestellt werden muss. Hinzu kommt die zunehmende Marketingausrichtung bei Musikfirmen, die mit deren verstärkter Fokussierung auf Künstlermarken, musikalischen und musikkulturellen Kompetenzverlusten sowie einem Gewinn markentechnisch wirtschaftlich orientierten Sachverstandes einhergeht. Weiterhin wurde ein wesentlicher Faktor im Diskurs um die wachsende Konformität in erfolgreicher populärer Musik bislang kaum beachtet: werbetreibende Marken. Diese besetzen eine Schlüsselposition in den populären Musikkulturen der Gegenwart, ohne über entsprechende musikalische oder musikkulturelle Kompetenzen zu verfügen. Das Interesse von Marken an musikalischen Inhalten und ausübenden Künstlern ist ausschließlich ökonomischer Natur – sie sind Marketinginstrumente und werden als solche in Abhängigkeit ihrer Funktionalität für das Erreichen von Marketingzielen 65 66
Thompson (2014). Vgl. Erler (2016), S. 52.
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
ausgewählt und platziert. Dabei besitzen künstlerische, soziale, politische und gesellschaftliche Qualitäten populärer Musikformen, wie etwa deren kreatives Potential, nur dann ein Gewicht, wenn sie den Zielvorgaben der Markenkommunikation dienlich sind. Eine mit Kernkompetenzen in Marketing und Ökonomie ausgestattete Population, die in der Regel keine weiterführenden musikalischen und musikkulturellen Kenntnisse besitzt, verfügt also über einen weitreichenden Einfluss auf die live und medial stattfindende populäre Musik sowie den öffentlichen Diskurs über selbige und erlangt damit gleichzeitig ein entscheidendes Mandat im Hinblick auf die Erzeugung von Bekanntheit konkreter Musikaufnahmen oder Künstler sowie deren wahrgenommene Popularität. Die Ergebnisse der Studien von Salganik et al. belegen, dass Musikkonsumenten in ihren musikbezogenen Präferenzen in hohem Maß von als erfolgreich wahrgenommener Musik beeinflusst werden und der Gesamtmarkt schrumpft, wenn die darin angebotene Musik wenig tatsächliche Anziehungskraft und intrinsische Qualität besitzt. Unter Berücksichtigung des allgemeinen musikalischen und musikkulturellen Kompetenzrückganges bei Musikfirmen und Künstlern sowie grundsätzlich fehlendem diesbezüglichem Know-how bei werbetreibenden Marken ist folgerichtig davon auszugehen, dass die Herstellung, Förderung und Verbreitung respektive Verwertung musikalischer Inhalte in verstärktem Ausmaß vom individuell Bekannten und als populär wahrgenommenen beeinflusst werden. Dies sei insbesondere in denjenigen Teilmärkten erkennbar, die, wie beispielsweise das Segment der elektronischen Tanzmusik, durch populärmusikalische Gestaltformen geprägt sind, die annähernd ausschließlich mit digitalen Tools hergestellt werden können, wie der Journalist Thomas Cox in einem Artikel für das Attack Magazine herausarbeitet.67 So ist es, neben der verbesserten Kenntnis der Hörerschaft seitens der Musikfirmen, vor allem der gestiegene Einfluss einer gewachsenen Anzahl musikalischer und musikkultureller Laien bei Marken, Musikfirmen und unter Künstlern, durch den die nichtprofessionelle, vornehmlich am Bekannten und Populären orientierte, Perspektive von Musikkonsumenten einen prägenden Stellenwert im Kreislauf wechselseitiger Beeinflussung musikalischer Präferenzen von Rezipienten und Produzenten respektive Musikfirmen und Marken erlangen konnte. Der referenzielle Rahmen großflächig medial und körperlich verbreiteter Musik hat sich dementsprechend verkleinert und bietet weniger Spielraum für musikalisches Experimentieren und klangliche Innovationen. Diejenigen Repräsentanten der Musikindustrie, mit denen er gesprochen habe, befürchteten übereinstimmend eine Agglomeration musikalischer Stilrichtungen und Genres, die eine entmutigende Einförmigkeit in populärer Musik begünstige, erklärt Thompson.68 Obwohl digitale Plattformen den Zugang zu einer enormen Menge von Musikaufnahmen ermöglichen, deren heterogenes Spektrum von lokalen Musikstilen über subkulturelle Mikrogenres bis hin zu den Hits der Branche reicht, ist es in zunehmendem Maßstab das Vertraute und Wiederholende, sind es Derivate bekannter Musikstücke und das als populär Wahrgenommene, die vorwiegend gehört werden. Demgemäß ist es wenig verwunderlich, dass Today’s Top Hits die meistgehörte Play-
67 68
Vgl. Cox (2015). Vgl. Thompson (2014).
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list auf Spotify und Today’s Hits die populärste Sendesparte auf Pandora ist.69 Die Demokratisierung des Konsums münde in einer steten Monotonisierung der Produktion, schlussfolgert Erler, deren konkrete Manifestationen im Folgenden exemplarisch festgehalten werden.70 Eine Forschergruppe aus Spanien hat die zunehmende klangliche Homogenität populärmusikalischer Gestaltformen eindrucksvoll nachgewiesen. Mit Werkzeugen des Music Information Retrievals haben die Wissenschaftler insgesamt 464 411 verschiedene Titel aus dem Zeitraum zwischen 1955 und 2010 auf den drei musikalisch klanglichen Dimensionen Lautheit, Tonalität und Timbre analysiert und diese auf chronologische Veränderungen hin überprüft.71 Der Begriff Lautheit beschreibe die wahrgenommene Lautstärke einer Musikaufnahme, die Tonalität deren harmonischen Inhalt (inkl. der Akkorde, Melodie und Beziehung der Töne zueinander) und das Timbre die Klangfarbe der Stücke, ihre klangliche Qualität, die grundsätzlich mit Instrumententypen, Aufnahmetechniken und Aufführungsqualitäten zusammenhängen würde.72 Die Stichprobe decke eine Vielzahl populärer Genres wie etwa Rock, Pop, Hip Hop, Metal oder Electronic ab.73 Auf der Lautheitsdimension konnten die Forscher einerseits die Existenz des sogenannten Loudness Wars (Lautheitskrieges) wissenschaftlich belegen, andererseits keine signifikanten Veränderungen der absoluten Dynamik der Stücke über die Zeit feststellen. Der Begriff Loudness War beschreibt die, durch digitale Produktionsmittel und Medien ermöglichte, stetige Erhöhung der Lautheit veröffentlichter Musikaufnahmen, die deren Durchsetzungsvermögen gegenüber konkurrierenden Produkten und Präsenz im Markt erhöhen soll.74 Diesbezüglich erläutern die spanischen Forscher, der empirische Median der, mutmaßlich als RMS gemessenen, Lautheitswerte sei von -22 dBFS75 in den 1950er Jahren auf -13 dBFS im Jahr 2010 angewachsen. Gleichzeitig hätte sich der Abstand zwischen lauten und leisen Passagen der Titel, ihr Dynamikumfang in dBFS, kaum verändert.76 Obschon in der Studie nicht weiter erörtert, sind es vorwiegend der als Hyperkompression bezeichnete übermäßige Einsatz meist digitaler Kompressoren und Limiter sowie die Erhöhung der Energieanteile im mittleren, vom menschlichen Wahrnehmungsapparat ohnehin am lautesten rezipierten Frequenzbereich zwischen etwa 1 kHz und 5 kHz, und oberen Frequenzspektrum jenseits der 5 kHz, die zur Erreichung entsprechend hoher messbarer und wahrgenommener Lautheiten bei Musikaufnahmen eingesetzt werden.77 Die Prozesse zur Steigerung der wahrgenommenen Lautheit von Musikstücken würden unweigerlich auch andere akustische Parameter der Aufnahmen verändern, erklärt der Mastering-Ingenieur Barry Gardner.78 In Abhängigkeit der Intensität tontechnischer Einflussnahme könne es zu Verzerrungen, Detailver69 70 71 72 73 74 75 76 77 78
Vgl. Thompson (2014). Vgl. Erler (2016), S. 52. Vgl. Serrà et al. (2012), S. 1. Vgl. Serrà et al. (2012), S. 1. Vgl. Serrà et al. (2012), S. 1. Vgl. Robjohns (2014); vgl. Malt (2013). Full Scale, 0 dBFS entspricht digitaler Vollaussteuerung. Vgl. Serrà et al. (2012), S. 5. Vgl. Robjohns (2014). Vgl. Gardner (2012).
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
lusten, erhöhter Rauigkeit, klangbildlichen Veränderungen oder Transientenverlusten kommen.79 Der Mastering-Ingenieur Bob Katz erläutert, die zur Erzielung gegenwärtig gängiger Lautheiten notwendige digitale Bearbeitung würde eine hohe Menge von Verzerrungen erzeugen.80 In vielen Fällen habe die stetige Erhöhung der Lautheit von Musikaufnahmen zu einem aggressiven und ermüdenden Klangbild geführt, ergänzt der auf Tontechnik spezialisierte Journalist Hugh Robjohns in einem Artikel, der sich ausführlich mit dem Thema des Lautheitskrieges auseinandersetzt.81 Die gängige Praxis der Lautheitsmaximierung verweist demgemäß bereits auf eine klangfarbliche Gleichrichtung in populärer Musik, wie sie in der Untersuchung von Serrà et al. bestätigt wird. Abgesehen von der nachgewiesenen Steigerung der mittleren Lautheit der untersuchten Musikstücke über die Zeit sind die Erkenntnisse der Wissenschaftler bezüglich der Veränderung der Aufnahmen in Tonalität und Timbre aussagekräftig. Die Vielfältigkeit der in Popsongs vorkommenden Intervalle, Akkorde und Melodien habe innerhalb der letzten 50 Jahre abgenommen.82 Diese Entwicklung würde einem progressiven Verlauf folgen und habe sich demnach mit der Zeit beschleunigt.83 Ähnlich einer zunehmenden Gleichheit von Melodien und einem kleiner werdenden harmonischen Repertoire, wiesen die untersuchten Popmusikstücke eine wachsende Homogenität ihrer klangfarblichen Palette auf.84 Die in populärer Musik vorkommende Timbre-Bandbreite hat also progressiv abgenommen. Dies deute auf eine Tendenz hin, in populärmusikalischen Inhalten verstärkt massenkompatible und -erprobte Klangbilder zu erzeugen.85 Folglich haben sich die spezifischen Unterscheidungsmerkmale der in populärer Musik vorkommenden Instrumente und Stimmen, wie etwa deren Obertonstruktur, Hüllkurvenverläufe oder Transientenbeschaffenheit, sowie die Attribute der produktionstechnischen Erzeugung von Stereomischungen, wie beispielsweise der Frequenzgang, die inneren Lautheitsverhältnisse der einzelnen Elemente oder die Räumlichkeit, in ihren Ausprägungen zunehmend vereinheitlicht. Eine der Ursachen für diese Entwicklung findet sich in der, mit der Digitalisierung einhergehenden und omnipräsenten, Verwendung synthetisierter Instrumente in Popmusik, die mit dem Verlust klangbildender aufnahmetechnischer Variablen, etwa dem verwendeten Mikrofontyp, der Mikrofonpositionierung oder dem Raumklang, vor allem aber einem Defizit klanglicher Unterschiede physischer Instrumente und individueller Spielarten einhergeht. Ein weiterer Grund für die Monotonisierung des Timbres in erfolgreicher populärer Musik liegt in der oben beschriebenen Erhöhung der mittleren Lautheit von Musikstücken. Die fortschreitende Verringerung der harmonischen Diversität in populären Musikstücken kann an einer Reihe weiterer Beispiele belegt werden. Der US-amerikanische Journalist, Musiker und Produktmanager Patrick Metzger hat eine sehr schlichte melodische Phrase identifiziert, die in einer hohen und steigen-
79 80 81 82 83 84 85
Vgl. Gardner (2012). Vgl. Malt (2013). Vgl. Robjohns (2014). Vgl. Serrà et al. (2012), S. 2ff.; vgl. Michaels (2012). Vgl. Serrà et al. (2012), S. 4. Vgl. Serrà et al. (2012), S. 4. Vgl. Serrà et al. (2012), S. 4.
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den Anzahl erfolgreicher Musikstücke des jungen 21. Jahrhunderts vorkommt.86 Dieser sogenannte Millennial Whoop ist eine Sequenz von Noten, die typischerweise auf der fünften Stufe einer Durskala beginnt, um dann, vorwiegend in geraden Achtelnoten, zwischen der dritten und der fünften Stufe dieser Skala hin- und herzuspringen.87 Er kann zwischen oder auf den Zählzeiten der jeweiligen Taktart beginnen und wird regelmäßig in der melodieführenden und dominanten Singstimme mittels des Phonems »Oh« beziehungsweise einem »Wa-oh-wa-oh«-Schema ausgeführt, erläutert Metzger.88 Die so entstehende melodische Figur kann als Essenz der sogenannten Leiermelodik gedeutet werden und ist per se keine neue Schöpfung. Unter Auslassung der in der Leiermelodik fest verankerten Verwendung der sechsten Skalenstufe, die, in Form einer großen Sekunde zur fünften Stufe häufig funktional als Wechselnote stattfindet, beschränkt sich der Millennial Whoop in rhythmisch geradliniger Ausführung auf die Verwertung der kleinen Terz zwischen dritter und fünfter Stufe einer Durskala. Seine vielfach prägende Verwendung in einer zunehmenden Anzahl populärer Musikstücke dagegen ist Ausdruck eines wachsenden musikalischen Konformismus und Indiz einer fortschreitenden musikalischen Trivialität. Der in der Vergangenheit vor allem aus Volks- und Kinderliedern bekannte dominante Gebrauch melodischer Sequenzen mit initial fallender kleiner Terz zwischen fünfter und dritter Stufe einer Durskala, die in der abendländischen Hemisphäre weitestgehend als erstes frühkindlich gelerntes Intervall anerkannt und dementsprechend auch als Rufterz bezeichnet wird, hat im Verlauf des 20. Jahrhunderts insbesondere einen Typus funktionaler musikalischer Inhalte geprägt: den Jingle.89 Ein medial aus der Markenkommunikation bekanntes, hinsichtlich leichter Verständlichkeit und Erinnerbarkeit erprobtes, musikalisches Stilmittel findet demzufolge in einer steigenden Anzahl populärer Musikstücke Anwendung. In Anbetracht der fortschreitenden Marketingausrichtung der Musikfirmen stellt diese Entwicklung keine Überraschung dar – das auf Marketing spezialisierte Personal greift auf ihm bereits bekannte musikalische Strukturen zurück. So besitzt ein größer werdendes Segment der populärmusikalischen Landschaft jingleartige Qualitäten, die in ihrer rudimentären Schlichtheit musiktheoretisch auf eine rückwärtsgewandte Entwicklung hinweisen. Während sowohl die große Mehrheit berühmter Kinderund Volkslieder, als auch der überwiegende Teil erfolgreicher Jingles, neben dritter und fünfter Skalenstufe in ihrer zentralen Melodieführung größtenteils weitere Töne einer, meist pentatonischen, Skala verwenden und rhythmisch etwa Synkopen oder Triolen einsetzen, verzichtet der Millennial Whoop gänzlich auf derartige Stilmittel und ist damit harmonisch und rhythmisch auf jeweils einfachste Inhalte, ein Intervall und gerade Achtelnoten, reduziert. Ein weiterer Grund für den progressiven Aufstieg dieser Figur liege in der Tatsache, dass die Wiederholung zweier verschiedener Noten, im Gegensatz zu melodischen Sequenzen mit mindestens drei verschiedenen Noten, keinen rechtlichen Schutz genieße und folgerichtig frei verwertet werden könne.90
86 87 88 89 90
Vgl. Metzger (2016). Vgl. Metzger (2016). Vgl. Metzger (2016). Vgl. Langer (2015); vgl. Helms (1981), S. 44-48. Vgl. Metzger (2016).
6. Allgemeine Entwicklungstendenzen populärer Musikformen im frühen 21. Jahrhundert
Im Hinblick auf eine zunehmende Gleichförmigkeit der Harmonik kommerziell erfolgreicher Musikstücke hat der Musiktheoretiker Mark Richards im Jahr 2017 eine aussagekräftige Studie vorgelegt. Darin befasst sich der Wissenschaftler einerseits mit der tonalen Ambiguität, andererseits mit der Auftrittshäufigkeit der leitereigenen Stufenakkordsequenz I-V-vi-IV und ihrer nächsten Verwandten, beginnend auf der fünften (V-vi-IV-I), sechsten (vi-IV-I-V) oder vierten (IV-I-V-vi) Stufe, in populären Musikstücken.91 Ausgehend von einem der vier möglichen Akkorde werden die jeweils anderen drei Akkorde innerhalb dieser Sequenzen in gleichbleibender Reihenfolge durchlaufen. Aus funktionstheoretischer Perspektive handelt es sich dabei um die Akkordfolgen TD-Tp-S, D-Tp-S-T, Tp-S-T-D und S-T-D-Tp. Obwohl die generelle Verwendung dieser Akkordzyklen in einer hohen Anzahl kommerziell erfolgreicher Popmusiktitel bereits dutzendfach nachgewiesen wurde weist Richards darauf hin, ihre Häufigkeit in einem eindeutigen Musikkorpus über die Zeit sei bislang unbekannt, was eine Einschätzung ihrer tatsächlichen Relevanz erschwere.92 Folgerichtig hat er alle Titel der Billboard-Top100-Single-Jahresendcharts von 1990 bis 2016 auf das Vorkommen der genannten harmonischen Sequenzen sowie deren Häufigkeit hin überprüft.93 Diejenigen Akkordfolgen, die keine ausreichende Dominanz und Eigenständigkeit besäßen, also nicht in ein hörbar abgeschlossenes Segment passten, das üblicherweise durch zusammenhängende viertaktige Gruppen repräsentiert würde, deren Anfang und Ende nicht klar von sie umgebenden anderen harmonischen Verläufen abgrenzbar seien, hat Richards aus seiner Analyse ausgeschlossen.94 Die Gegenwart der Sequenzen in Musikstücken, die in den Charts aufeinanderfolgender Jahre vorhanden seien, nimmt der Wissenschaftler in seine Kalkulation auf, um so eine Annäherung an deren Auftrittsfrequenz in der Gesamtheit populärer Musik zu ermöglichen.95 Mit einem Anteil von etwas mehr als 12 % enthalte der 2 715 Musikstücke umfassende Untersuchungskorpus 332 Musikstücke, die eine der vorgestellten Akkordentwicklungen aufweisen würden.96 Die I-V-vi-IV-Form käme in 146, die vi-IV-I-V-Variante in 129 und die IV-I-V-vi-Abfolge in 47 Titeln vor, wohingegen die V-vi-IV-I-Sequenz in nur zehn Stücken aufträte.97 Weiterhin seien sich die Kurvenverläufe der Häufigkeiten der drei meistgenutzten Akkordfolgen im untersuchten Zeitraum auffallend ähnlich: Nach relativ niedrigen Auftrittshäufigkeiten in den frühen 1990er Jahren würden diese, bis zu einer Spitzenperiode zwischen 2008 und 2012, allgemein ansteigen, um daraufhin wieder eine sinkende Tendenz bis ins Jahr 2016 aufzuweisen.98 Während im Jahr 1992 lediglich vier der 100 kommerziell erfolgreichsten Popmusikstücke in den USA eine der harmonischen Sequenzen enthalten hätten, sei dies im Jahr 2009 bei 28, im Jahr 2013
91 92 93 94 95 96
97 98
Vgl. Richards (2017). Vgl. Hooktheory (2018a); vgl. Richards (2017); vgl. Gianan (2016); vgl. Chapman (2014). Vgl. Richards (2017). Vgl. Richards (2017). Vgl. Richards (2017). Vgl. Richards (2017). Die Berücksichtigung 15 zusätzlicher Titel sei der Tatsache geschuldet, dass die entsprechenden Charts in den1990er Jahren insgesamt 15 Singles mit zwei Musikstücken enthalten hätten. Vgl. Richards (2017). Vgl. Richards (2017).
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bei 24 Titeln der Fall gewesen.99 Trotz des abnehmenden Trends der Häufigkeiten nach 2013 erklärt Richards, die leitereigenen Akkordfolgen I-V-vi-IV, vi-IV-I-V und IV-I-V-vi hätten sich, seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert, zu einem weit verbreiteten Element in Musikstücken des Mainstream-Popsegmentes entwickelt.100 Eine Untersuchung des Informatikers Oamar Gianan bestätigt diese Aussage, gleichwohl das von ihm ausgewertete Musikrepertoire keine historische und inhaltliche Konsistenz aufweist. Die Stichprobe besteht aus einer durch das Internetportal Hooktheory publizierten Liste von annähernd 2 000 Musikstücken und der mutmaßlich darin vorkommenden, meistverwendeten Akkordfolgen in populärer Musik.101 Dieser Katalog enthält eine sehr hohe Anzahl von Titeln, die nach dem Jahr 2000 veröffentlicht wurden und eine sehr geringe Anzahl von Stücken, die davor auf dem Markt waren, was eine Einschätzung der zeitbezogenen Nutzungshäufigkeit der Sequenzen erschwert.102 Weiterhin unterliegt die inhaltliche Beschaffenheit desselben keiner transparenten und kohärenten Methodik. Eine stichprobenartige Überprüfung der öffentlich zugänglichen Datenbank legt nahe, dass der Korpus weitestgehend aus kommerziell erfolgreichen Musikstücken der Periode zwischen 2005 und 2016 besteht.103 Gianan hat die Verteilung der 17 vermeintlich meistverwendeten harmonischen Sequenzen innerhalb der Stichprobe gemessen und festgestellt, dass die I-V-vi-IV-Akkordfolge in mehr als 400 Songs vorkommt und die zweithäufigste Abfolge (I-V-IV-I), die in weniger als 250 Titeln auftaucht, damit weit hinter sich lässt.104 Die dritthäufigste Sequenz besteht aus einer iv-V-IV-V-Verbindung, direkt gefolgt vom oben genannten vi-IV-I-V-Verlauf, wohingegen die beiden anderen von Richards untersuchten Akkordfolgen (IV-I-V-vi und V-vi-IV-I) keine Erwähnung in Gianans Studie finden.105 So belegt Gianans Ergebnis – die Sequenzen I-V-vi-IV und vi-IV-I-V treten in etwa 600 der 2 000 Titel auf – deren weite Verbreitung in populärer Musik, ohne eine Aussage hinsichtlich der Entwicklung ihrer Auftrittshäufigkeit über die Zeit zuzulassen. Ein Mitbegründer des Portals Hooktheory, der nach eigenen Angaben 1 300 Musikstücke analysiert hat, die weitestgehend aus den Billboard-Charts der Jahre 2010 bis 2012 stammten und populäre Musik repräsentierten, lokalisiert ebenfalls die Sequenz der Stufenakkorde I-V-vi-IV als die am häufigsten vorkommende Harmoniefolge in seiner Stichprobe, die allem Anschein nach einem Teil des untersuchten Repertoires von Gianan entspricht.106 In seiner Studie ermittelt der promovierte Informatiker Dave Carlton darüber hinaus die relativen Häufigkeiten der in allen Akkordsequenzen des Musikkorpus vorkommenden Einzelakkorde und liefert damit ein weiteres Indiz für die Homogenität der Harmonik gegenwärtiger populärer Musik, ohne dabei eine Aussage über die Reihenfolge der Akkorde innerhalb der Abfolgen zuzulassen. Carlton macht keine
99 100 101 102 103 104 105 106
Vgl. Richards (2017). Vgl. Richards (2017). Vgl. Gianan (2016). Vgl. Gianan (2016). Vgl. Hooktheory (2018b). Vgl. Gianan (2016). Vgl. Gianan (2016). Vgl. Carlton (2012a); vgl. Carlton (2012b).
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weiteren Angaben zu seiner Methodik hinsichtlich der Abgrenzung einzelner Sequenzen von anderen Sequenzen und gibt an, alle untersuchten Musikstücke in die Tonart C-Dur transponiert zu haben.107 Es seien ebendie Stufenakkorde I, IV, V und iv, die signifikant häufiger in allen Sequenzen auftreten würden, als alle anderen einbezogenen Akkorde. So kämen die Akkorde der vierten und fünften Skalenstufe jeweils in 73 %, derjenige der ersten Skalenstufe in 68 % und der Akkord auf der sechsten Skalenstufe in 56 % der Sequenzen vor, wohingegen der nächsthäufige Akkord der zweiten Skalenstufe in 26 % der harmonischen Abfolgen auftrete.108 Mittels einer Fallstudie dokumentiert Carlton weiterhin das enge tonale Korsett kommerziell erfolgreicher Popmusik. Würde der dritte Stufenakkord in einem Stück vorkommen, so folge in 59 % aller Fälle der Akkord der vierten Skalenstufe, in 34 % aller Fälle der Akkord der sechsten Skalenstufe.109 Die Wahrscheinlichkeit in populärer Musik nach dem leitereigenen dritten Stufenakkord den vierten oder sechsten Stufenakkord aufzufinden liegt demnach bei 93 %. Beide Folgeakkorde besitzen einerseits eine tonale Nähe zum dritten Stufenakkord und bilden andererseits einen spannungsgeladenen Kontrast zu selbigem. In Abhängigkeit der Akkordstellungen dominieren bei der iii-IV-Verbindung die dissonanten Intervalle Sekunde oder Septime gegenüber der unvollkommen konsonanten Terzen oder Sexten, bei der iii-vi-Verbindung die konsonanten Intervalle Prime oder Oktave sowie Terzen oder Sexten gegenüber den dissonanten Sekunden oder Septimen. Die iii-IV-Abfolge besitzt also eine hohe innere Spannung und strebt in hohem Maß auf eine Auflösung, etwa die Tonika einer Skala, zu, die iii-vi-Verbindung dagegen weist eine vergleichsweise abgeschwächte dissonante Qualität auf und läuft damit eher einem Spannungshöhepunkt, etwa der Subdominante einer Skala, entgegen. Welche spezifischen Ausprägungen Monotonisierungsprozesse in einzelnen Gattungen populärer Musik annehmen können, ist am Beispiel der Country-Musik ablesbar. Anhand einer Analyse der höchstbewerteten, auf der Onlineplattform UltimateGuitar.com von Nutzern in Gitarrentabulaturform bereitgestellten, Akkordnotationen konnte der Datenforscher Mathew Moocarme feststellen, dass alleine die drei Akkorde G-Dur, C-Dur und D-Dur bereits 45 % aller in der untersuchten Stichprobe von CountryStücken auftretenden Akkorde ausmachten.110 Die acht Akkorde G-Dur, C-Dur, D-Dur, A-Dur, F-Dur, a-Moll, e-Moll und E-Dur würden 75 % aller Akkorde der Stichprobe repräsentieren.111 In der Country-Musik würden wenige Akkorde in vielen verschiedenen Kombinationen vorkommen, worin, abgesehen davon, dass eine Vielzahl von CountrySongs Gitarren und Gesang beinhalten würden, ein Grund für die Gleichartigkeit des Klangs verschiedener Country-Stücke liegen könne.112 Eine Untersuchung der Texte von 443 Titeln des Genres hätte zudem ergeben, dass 40 Worte etwa 22,5 %, 1 000 Worte ungefähr 80 % der gesamten Liedtexte repräsentierten.113 Inhaltlich würden sich die 40
107 108 109 110 111 112 113
Vgl. Carlton (2012a). Vgl. Carlton (2012a). Vgl. Carlton (2012a). Vgl. Moocarme (2016). Vgl. Moocarme (2016). Vgl. Moocarme (2016). Vgl. Moocarme (2016).
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meistverwendeten Begriffe durch ihren engen Bezug zu Liebe und gebrochenen Herzen auszeichnen – es existiere eine geringe sprachliche Varianz in den untersuchten Musikstücken.114 Wenngleich die Ergebnisse dieser Untersuchung, aufgrund der Stichprobenquantität und -qualität, keine allgemeinen Rückschlüsse zulassen und im Hinblick auf ihre Reliabilität, Objektivität und Validität nicht ausreichend belastbar sind, liefern sie doch Indizien, die in verschiedenen audiovisuellen Zusammenschnitten populärer Country-Stücke Bestätigung finden. Die klangliche Ähnlichkeit zwischen sechs der erfolgreichsten Country-Songs der Jahre 2011 bis 2014, die der Songwriter Gregory Todd in einem Video zusammengeschnitten hat, ist etwa derartig groß, dass sie nahtlos ineinander übergehen und vielfach ausschließlich durch den Fortgang des Textes unterschieden werden können.115 Der Kommentar des Journalisten Elias Leight, der für das Billboard-Magazin schreibt, die Gleichförmigkeit sei in diesem Fall darauf zurückzuführen, dass diese Songs von einer kleinen und eng verbundenen Gruppe von Songwritern geschrieben worden seien, beschreibt zwar eine mögliche Ursache des konkreten Phänomens, ändert jedoch nichts an der Repräsentativität der Titel für erfolgreiche Country-Musik. Ein weiterer Zusammenschnitt, in dem kurze Ausschnitte einer Vielzahl von Country-Stücken aneinandergereiht sind, belegt eindrücklich die repetitive und inflationäre Verwendung von Schlüsselbegriffen innerhalb des Genres.116 So wird in dieser Selektion vorzugsweise der Truck besungen, mit dem dirt Roads befahren werden und in den man gerne Girls in Jeans einlädt, die dann in die Natur, etwa an einen River, gebracht werden, wo im Sunset ein vorzugsweise alkoholisches Getränk geteilt wird.117 Die besprochenen Videos beinhalten zwar nur einen Ausschnitt aus der Welt der Country-Musik und sind damit keineswegs in der Lage, das gesamte musikalische und textliche Spektrum der Gattung abzubilden – dennoch, sie reflektieren Homogenisierungstendenzen, die vor allem an erfolgreichen Musikstücken des Genres ablesbar sind.
114 115 116 117
Vgl. Moocarme (2016). Vgl. Thornton (2015); vgl. Leight (2015). Vgl. Leight (2015); vgl. Smith (2013). Vgl. Smith (2013).
7. Sync-Friendliness: Spezifische Markenanforderungen an werblich verwertbare Musik
Die Synchronisation populärer Musik in audiovisuellen Werbespots ist einerseits derjenige Bereich der markenseitigen Verwertung der Inhalte populärer Musikkulturen, in dem die Werbeschaffenden den größtmöglichen Einfluss auf die Musik selbst besitzen, andererseits, aus der Perspektive von Songwritern und ausübenden Künstlern betrachtet, ein, ökonomisch wie auch im Hinblick auf die mediale Verbreitung ihrer Musik, zentrales Wertschöpfungssegment. Folgerichtig erzeugen die Übereinstimmungen in konkreten Anforderungen von Marken an die in Werbespots verwerteten musikalischen Inhalte eine ausschließlich marketingorientierte und werblich-funktionale Einschränkung des grundsätzlich für entsprechende Synchronisationen in Frage kommenden musikalischen Spektrums, deren normative Wirkkraft auf die Musikschaffenden an der Etablierung des Begriffes der Sync-Friendliness ablesbar ist. Im Unterschied zu anderen markenkommunikativen Maßnahmen, die Inhalte populärer Musikkulturen verwerten, sind es im werblichen Synchronisationssegment unweigerlich die spezifischen Eigenschaften der Musikstücke, die positive emotionale Reaktionen beim Rezipienten hervorrufen sollen. Infolge der zentralen Bedeutung dieses Geschäftsbereiches für Musikfirmen, ausübende Künstler und Urheber hat die markenseitige Verfügungsgewalt über die Beschaffenheit der musikalischen Inhalte audiovisueller Werbespots eine konstitutive und standardisierende Wirksamkeit in den populären Musikkulturen der Gegenwart erlangt, auf die der besondere Stellenwert von Marken im Zusammenhang mit Homogenisierungsprozessen in populärer Musik zurückzuführen ist. Demgemäß sind es zunächst vor allem die überwiegenden Gemeinsamkeiten markenseitiger Musikanfragen für die Synchronisation in audiovisuellen Medien, die im Folgenden untersucht werden, sowie abschließend deren musikalische Manifestation, die aus der Analyse eines populären Musikstücks abgeleitet wird, das die markenseitigen Anforderungen bestmöglich erfüllt. Der Songwriter, Musiker und Musikproduzent Jim Hickey, dessen überwiegendes Einkommen auf der Herstellung von Musik für die werbliche Verwertung basiert, erklärt, es existierten eindeutige Übereinstimmungen zwischen den Anfragen verschiedener Marken respektive Werbeschaffender zur Lizenzierung oder Produktion musi-
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kalischer Inhalte für audiovisuelle Werbespots.1 Die Musik müsse grundsätzlich einen bestimmten Drive besitzen, der einen Spannungsaufbau und eine Auflösung enthalte: »There’s always this aspect of wanting to have resolution. So you want to create excitement, tension and then release and happiness«.2 Im Allgemeinen würden Marken und Werbetreibende von der Musik in Werbespots die Übertragung von drei Hauptemotionen erwarten: Begeisterung, Optimismus und Glück beziehungsweise Fröhlichkeit.3 Werbliche Anfragen für Musik, die negativ bewertete Emotionen wie etwa Trauer oder Zorn transportieren solle, seien äußerst selten und kämen nur dann vor, wenn sie in einen erweiterten Kampagnenkontext, etwa als Teil einer Maßnahme mit verschiedenen Spots, die eine Storyline verfolgten, eingebettet wären.4 Weiterhin würde mutmaßlich jedes Briefing den Begriff edgy beinhalten.5 Für die jeweilige musikalische Umsetzung sei es von essentieller Wichtigkeit zu verstehen, was die Werbetreibenden damit meinten.6 In der Regel beschreibe das Wort die Kredibilität, Progressivität und Coolness von Songs – Marken würden gerne als cool wahrgenommen.7 Von zentraler Bedeutung für die Markenkommunikation seien ein bestimmtes Maß an Positivität und Energie, die Musik in Werbespots transportiere.8 Bei der Herstellung von Musik für Werbespots habe die Produktionsweise eine höhere Relevanz als kompositorische Aspekte, da der Brand-Fit häufig durch die Imitation der Klanggestaltung eines Referenztitels etabliert würde.9 Die textliche Gestaltung von Musikstücken für Werbespots sei generell möglichst unspezifisch und unaufdringlich.10 Solange sie keine Extreme enthielten, möglichst subtile Zusammenhänge mit der jeweiligen Marke oder dem Produkt aufwiesen und freundlich seien, wären Songtexte im Kontext von Werbespots von untergeordneter Bedeutung.11 Musikalisch würden sich populärmusikalische Songs in audiovisueller Werbung in ihrer treibenden und temporeichen Rhythmik sowie der überwiegenden Verwendung stark standardisierter Akkordfolgen gleichen.12 Es kämen vielfach I-III-V-, I-IV-V- oder V-II-VIVerbindungen als einfache Dreiklangskombinationen zum Einsatz, die eher selten mit großen oder kleinen Septimen im Hintergrund verziert würden.13 Hickey bezeichnet die Komposition und Produktion von Musik für audiovisuelle Werbung als harmonisches Klangdesign: »Because you know that you’re playing a certain chord progression and that if you use certain cadences, not even cadences, but if you add a seventh for example, before moving back to the fifth or to the root chord in a progression, then you’re going to have more emotional impact.«14 Zudem müssten die Songs von den Rezipien-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018).
7. Sync-Friendliness: Spezifische Markenanforderungen an werblich verwertbare Musik
ten leicht mitzusingen sein.15 Die werbetreibenden Kunden würden dazu tendieren, Sänger für entsprechende Werbetitel auszuwählen, die einen großen Stimmumfang oder eine hohe Stimmlage besitzen.16 Sie erwarteten einen großen Refrain und starke Melodien mit maximaler Wirkung, so Hickey.17 Der Komponist und Musiker ergänzt, die gegenwärtige populäre Musik erwecke in ihm den Eindruck, dass viele Künstler von Labels und Musikverlagen in diese Richtung gelenkt würden: »It feels like they’re actually writing music with either advertising or movie sync, television sync, […] in mind«.18 Georg von dem Bussche, Kreativdirektor der Musikagentur PlayDis!, bestätigt diese Aussagen weitestgehend. Bei Anfragen durch Kunden aus der Werbeindustrie für Musik in Werbespots würden sehr häufig die Adjektive emotional, modern und edgy genannt.19 Die Musik für die Synchronisation audiovisueller Werbung solle meistens positiv, kraftvoll und energetisch sein.20 Von zentraler Bedeutung sei die grundsätzliche Übertragung von Gefühlen durch die musikalischen Mittel, die durchaus zweideutig sein könnten, allerdings am Ende der Spots positiv aufgelöst würden.21 Weiterhin müsse die Musik für audiovisuelle Werbung einen bestimmten Drive, ablesbar etwa an treibenden Rhythmen, besitzen und einen hohen Fit mit dem jeweiligen Bildmaterial aufweisen – sie sei prinzipiell den visuellen Inhalten untergeordnet.22 In Übereinstimmung mit den Angaben Hickeys attestiert von dem Bussche der Soundqualität eine hohe Relevanz bei Musikstücken für die werbliche Synchronisation. Neben Bezügen zu aktuellen Musiktrends würde die von Marken vielfach eingeforderte Modernität in Musik oftmals durch eine hohe produktionstechnische Wertigkeit hergestellt.23 Insgesamt sei Musik in audiovisueller Werbung tendenziell optimistisch und an der Übertragung positiver Emotionen ausgerichtet.24 Die Songtexte dürften nicht allzu offensichtlich sein und sollten möglichst bestimmte Schlüsselbegriffe beinhalten, wenngleich die textliche Gestaltung von Musikstücken für die Verwertung in Werbespots generell von untergeordneter Bedeutung sei.25 Im Hinblick auf die Verwendung von Schlüsselbegriffen ergänzt Lynn Grossmann, die eine Firma für Musikdienstleistungen und Künstlermanagement betreibt, ihre Werbekunden würden in der Regel nach positiven Botschaften in Songs suchen, die etwa an Textstellen wie »I feel good«, »Life is great«, »I’m the man« oder etwas über das Nach Hause kommen beziehungsweise sich zu Hause fühlen festzumachen seien.26 Synchronisationsfreundliche Songs wären dadurch gekennzeichnet, dass sie gleichermaßen bei Werbeschaffenden, Filmproduzenten und dem Publikum gut ankämen und besäßen demgemäß konsensbildende Qualitäten mit Hitcharakter.27 Ein synchronisa-
15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Bussche (2018). Interview: Bussche (2018). Interview: Bussche (2018). Interview: Bussche (2018). Interview: Bussche (2018). Interview: Bussche (2018). Interview: Bussche (2018). Vgl. Sanburn (2012). Interview: Bussche (2018).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
tionsfreundliches Musikstück in Bezug auf dessen Verwertungschancen in Werbespots würde »upbeat happiness for fifteen or thirty seconds« [etwa: mitreißende/tanzbare Fröhlichkeit/Glücksgefühle für fünfzehn bis dreißig Sekunden, A. S.] bieten und dabei textliche Referenzen zu heiteren Begriffen, wie etwa dem des Sonnenscheins, einsetzen, fasst der Lizenzierungsverantwortliche eines Indie-Labels zusammen.28 Der Synchronisationsmanager der Musikplattform TuneCore, Liam Farrell, hat gar eine Top-10 mit Tipps zusammengestellt, deren Berücksichtigung bei der Komposition und Produktion von Musikstücken die Chancen zur Erzielung von, in erster Linie werblichen, Synchronisationslizenzen erhöhen soll.29 Da die meisten Werbespots eine Länge von 30 oder 60 Sekunden besäßen, sei es, hinsichtlich der Platzierung von Musik in audiovisueller Werbung, ein gravierender Vorteil, wenn Musikstücke in diesen Zeitintervallen als geschlossene Einheiten aufgebaut wären, lautet eine der Empfehlungen Farrells. Innerhalb der vorgegebenen Zeiträume sollten Titel eine stetige dramaturgische Steigerung, ein Crescendo, enthalten, dessen Höhepunkt möglichst auf Sekunde 27 (bei 30-sekündigen Spots) respektive Sekunde 54 (bei 60-sekündigen Spots) liegen solle, um den Rezipienten genügend Zeit einzuräumen, die Auflösung des Spannungsaufbaus genießen zu können.30 Dieser Ratschlag ist aus der grundlegenden Notwendigkeit der Anpassung musikalischer Inhalte an die formale zeitliche Begrenzung audiovisueller Werbespots auf eine Dauer von vorwiegend 30, weniger häufig 45, 60 oder sogar 90 Sekunden, abgeleitet. In dementsprechenden Spots werden folgerichtig keine vollständigen Musikstücke verwertet, sondern vielmehr Ausschnitte oder Zusammenschnitte existierender Titel respektive zielgerichtet hergestellte Neuproduktionen synchronisiert, die, im Zusammenspiel mit den jeweiligen visuellen Stimulus, innerhalb der normierten Intervalle einen möglichst starken positiven emotionalen Effekt erzielen sollen. Dieser Sachverhalt steht im direkten Widerspruch zur Aussage, Musikplatzierungen in audiovisuellen Medien im Allgemeinen und in Werbespots im Besonderen seien das neue Radio und insofern ein mit dem herkömmlichen Radio gleichzusetzendes Marketinginstrument für die musikalischen Inhalte. Auf Radiostationen werden ganze Musikstücke oder Radio Edits derselben gespielt, keine daraus abgeleiteten, zeitlich verdichteten und vermeintlich affektschwangeren Konzentrate, die in Werbespots zudem mit optischen Reizen, Handlungssträngen, Markenbotschaften und Dialogen um die Aufmerksamkeit des Publikums konkurrieren.31 Farrell erklärt weiter, Künstler sollten ausnahmslos Instrumentalversionen ihrer Stücke bereitstellen, die für Werbespots mit den jeweiligen Gesangsversionen zusammengeschnitten werden könnten, um so Raum für Voice Over-Elemente zu schaffen.32 Es wäre zudem ratsam, so genannte Clean Versions von Songs zur Verfügung zu stellen, in denen allzu explizite Texte bereinigt worden wären, die Marken abschrecken würden.33 Möglichst unspezifische Songtexte oder gar die Substitution von textlichen Sinneinheiten durch »Oooo«s, »Whoa«s
28 29 30 31 32 33
Meier (2017), S. 120. Vgl. Farrell (2016). Vgl. Farrell (2016). Vgl. Meier (2017), S. 88. Vgl. Farrell (2016). Vgl. Farrell (2016).
7. Sync-Friendliness: Spezifische Markenanforderungen an werblich verwertbare Musik
oder »Ahh«s, wie sie etwa im oben besprochenen Millennial Whoop stattfindet, würden die Chancen von Musikstücken auf Synchronisationslizenzen zusätzlich erhöhen.34 Während wenig signifikante Texte für eine höchstmögliche Bandbreite werblicher Inhalte verwendet werden könnten, hätten gesungene Laute den Vorteil, nicht mit gesprochenen Markenbotschaften in Spots zu konkurrieren und Songs gleichzeitig eine gewisse Legitimität zu geben.35 Mit seinem abschließenden Tipp, es sei bezüglich der Erzielung werblicher Synchronisationslizenzen für Künstler sehr wichtig, sich selbst treu zu bleiben, relativiert Farrell seine oben dargestellten Aussagen.36 Seine stark romantisierte Annahme, Bands aus Nischengenres wie etwa dem mexikanischen Mariachi hätten, würden sie nur hart genug arbeiten und bei dem bleiben, was sie gut könnten, in Bezug auf die audiovisuelle Verwertung ihrer Musik, dieselben Erfolgschancen wie alle anderen Künstler, steht im direkten Widerspruch zu den Erkenntnissen aus der vorliegenden Arbeit.37 Die Musiksuche auf den Onlineportalen der großen Production Music-Anbieter bestätigt die oben dargestellten Expertenaussagen hinsichtlich der autoritativen Bedeutung positiv konnotierter Emotionen in den Anfragen der Werbeschaffenden zur Synchronisation populärer Musik in Werbefilmen. Wie bereits Meier feststellen konnte, existiert dort ein ausgeprägtes Übergewicht an Musikstücken, die seitens der Musikdienstleister als positiv, optimistisch oder fröhlich eingeschätzt werden.38 Bei der Universal Production Music sind es beispielsweise 76 935 Titel, die einer der, unter der Bezeichnung happy/positive subsumierten, Kategorien zugeordnet wurden, während die Sparte sad lediglich 11 589 Musikstücke enthält. Insgesamt sind 20 225 Songs als energetic/lively, 17 871 Titel als driving und 6 430 Stücke als edgy gekennzeichnet. Im Vergleich dazu hat der Universal-Ableger 6 287 Musikstücke als fearful/uneasy, 2 699 Songs als scary und 1 225 Titel mit dem Begriff Sorrow markiert.39 Die Indexierung der Musik auf den Webseiten der Warner/Chappell Production Music sowie der EMI Production Music offenbart ein ähnliches Ungleichgewicht. So werden bei Warner/Chappell 21 032 Titel mit dem Ausdruck Fun, 14 345 Songs als happy/positive/bright, 12 986 Stücke als driving und 7 702 Aufnahmen als edgy gekennzeichnet. Demgegenüber seien 7 372 Musikstücke aggressive, 5 363 Musikstücke melancholisch und 1 481 Songs sad/depressing.40 Im Fall der EMI Production Music sind 43 390 Musikaufnahmen mit dem Attribut positive versehen, denen lediglich 6 609 Stücke gegenüberstehen, die als sad markiert sind. Weiterhin seien 23 502 Songs des Repertoires peaceful und 4 860 Stücke aggressive.41 So ist es offenbar jene Musik, die möglichst optimistische, fröhliche und aktivierende Qualitäten besitzt, die von den Kunden und Lizenznehmern der Anbieter von Production Music in hohem Maß präferiert wird. Werbeschaffende wären üblicherweise daran
34 35 36 37 38 39 40 41
Vgl. Farrell (2016). Vgl. Farrell (2016). Vgl. Farrell (2016). Vgl. Farrell (2016). Vgl. Meier (2017), S. 120. Vgl. Universal Production Music (2017f), Leersuche, Filter anzeigen. Vgl. Warner/Chappell Production Music (2017f), Refine, Mood. Vgl. EMI Production Music (2017c), Refine your search, Mood.
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
interessiert, populäre Musik als Werkzeug zur Erzeugung freundlicher beziehungsweise erfreulicher Gefühle zu nutzen und selbige mit ihren Produkten oder Marken zu verknüpfen, schlussfolgert Meier. Fröhliche Musik helfe, die Selbstverständlichkeit des lifestyleorientierten Konsums zu steigern und diesen zu einer natürlichen und alltäglichen Erscheinung zu machen.42 Die im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprojektes ABC_DJ hergestellte und von Marketingexperten als unerlässlich für die Kommunikation von Markenidentitäten und gleichzeitig geeignet zur Abbildung musikalischer Ausdrucksdimensionen eingeschätzte Terminologie des General Music Branding Inventories (GMBI) reflektiert die dominante Ausrichtung werblicher Kommunikationsmaßnahmen an weitestgehend positiv bewerteten Begrifflichkeiten und Emotionen gleichermaßen. Abgesehen von den adjektivischen Beschreibungen ausschließlich positiver Emotionen, wie etwa loving, friendly, happy oder exciting, umfasst das Inventar eine große Mehrheit von Begriffen, beispielsweise unique, authentic, fresh oder playful, die von einer breiten Population mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv konnotiert werden. Daneben enthält das Inventar einige wenige Adjektive, die eine breite Palette, von positiven bis hin zu negativen, Interpretationsmöglichkeiten eröffnen und Beschreibungen wie etwa serious oder intellectual beinhalten – negativ besetzte Gefühlszustände, wie etwa Traurigkeit oder Angst, kommen im Inventar nicht vor.43 In Bezug auf die Gestaltung von Songtexten kann die normalisierende Wirkung des Dogmas der Synchronisationsfreundlichkeit auf ausübende Künstler und Songwriter respektive die Herstellung von populärer Musik am Beispiel des Titels Waving Flag abgelesen werden, den die Marke Coca-Cola in ihrer Kampagne zur Fußballweltmeisterschaft 2010 verwertet hat.44 Um den zunächst durchaus politischen Titel mit der Kampagne der Marke in Einklang zu bringen, habe der Künstler K’Naan zugestimmt, einen entsprechenden »Coca-Cola celebration mix« aufzunehmen, wie der beim Billboard-Magazin tätige Journalist David Prince erläutert.45 Coca-Cola habe den Song zwar gemocht, aber darauf hingewiesen, dass dessen textliche Bezüge zu gewalttätigen Neigungen, Armenviertel und dem dortigen Überlebenskampf nicht zur Kampagne passen würden.46 Daraufhin hätte K’Naan erklärt, er könne den Text des Titels entsprechend überarbeiten und eine exklusive Version für die Bedürfnisse der Marke herstellen.47 Um den Song Waving Flag also zur Werbemusik zu machen, wurden diejenigen Teile des Textes entfernt, die das Vorhandensein eines sozialen Bewusstseins reflektieren.48 »In order to effectively serve the purposes of advertising, threatening political content must be scrubbed and muted, resulting in an edgy vibe, aethetic or feel that is devoid of specific referents.«49 Werbetreibende Marken hätten Interesse an einem größeren Spektrum musikalischer Genres als es etwa typischerweise bei Major-Labels der Fall
42 43 44 45 46 47 48 49
Vgl. Meier (2017), S. 120. Vgl. Steffens et al. (2017), S. 3. Vgl. Meier (2017), S. 122. Vgl. Meier (2017), S. 122; vgl. Prince (2010). Vgl. Prince (2010). Vgl. Prince (2010). Vgl. Meier (2017), S. 122. Meier (2017), S. 122.
7. Sync-Friendliness: Spezifische Markenanforderungen an werblich verwertbare Musik
sei, weil sie die Fähigkeit besäßen, Musikstücke oder ganze Genres ihrer spezifischen Inhalte zu entleeren und sie in eine authentisch klingende Ästhetik zu überführen, konkludiert Meier.50 Gleichwohl die populärmusikalischen Gestaltformen in Werbespots eine große Variationsbreite hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zu vermeintlich musikalischen Genres populärer Musikkulturen aufweisen, sind sie vornehmlich durch eine Homogenität der zu vermittelnden Emotionen und semantischen Aussagen geprägt, die als fröhlicher, optimistischer, aktivierender und unkritischer Konformismus mit individueller Note bezeichnet werden kann. Der am Allbekannten und Allgemeinverständlichen ausgerichteten, auf die Erzeugung positiver Emotionen abzielenden, textlichen und musikalischen Uniformität der Musik in Werbespots wirken Marken mit der normativen Forderung nach Edginess entgegen, die das spezifisch Besondere, das Unterscheidung kreierende beschreibt. So ist es wenig verwunderlich, dass der Songwriter und Musikproduzent Jim Hickey erklärt, der Titel Happy von Pharrell Williams fühle sich an, als sei er explizit für die Verwertung in Werbespots hergestellt worden. Der Text sei allgemein gehalten ohne konkrete Bezüge herzustellen und der Song vermittle das Gefühl auszugehen und einen guten Tag zu haben, ohne einem zu sagen, warum dies so sei.51 Happy würde zielgenau und idealtypisch synchronisationsfreundliche Musik verkörpern.52 Der Kreativdirektor der Musikagentur PlayDis! teilt diesbezüglich mit, abgesehen von der stark »souligen« Komponente, die zumindest in Deutschland weniger synchronisationsfreundlich sei, integriere das Stück alle Attribute, die er mit dem Begriff der Sync-Friendliness verknüpfe – es mache einfach happy.53 Einen großen Anteil an der evozierten Fröhlichkeit hätten die aktivierende Rhythmik und das Tempo des Songs, die den Hörer dazu animierten, sich zur Musik zu bewegen und ihm gleichzeitig die Möglichkeit gäben, dies wahlweise langsam oder schnell zu tun.54 Williamsʼ Happy wurde unter anderem in einer weltweiten Werbekampagne des italienischen Automobilherstellers Fiat, einem Werbefilm des US-amerikanischen Kopfhörer- und Lautsprecherproduzenten Beats Electronics sowie einem TV-Spot der niederländischen Fluglinie Transavia verwertet.55 Eine systematische Analyse des Titels ermöglicht demnach die Detektion der inner- und außermusikalischen Faktoren, die der Musikaufnahme ihren prototypisch werbesynchronisationsfreundlichen Charakter verleihen – sie gestattet eine exemplarische Konkretisierung der prävalenten Anforderungen von Marken an werblich verwertbare Musik.
50 51 52 53 54 55
Vgl. Meier (2017), S. 123f. Interview: Hickey (2018). Interview: Hickey (2018). Interview: Bussche (2018). Interview: Bussche (2018). Vgl. Adams (2014); vgl. Cobo (2014); vgl. Theneptunes.org (2013).
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8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
8.1
Herstellungsbedingungen und Verbreitung des Songs
Pharrell Williamsʼ Happy entstand zunächst als Auftragsarbeit für die Verwertung im Animationsfilm Despicable Me 2 (deutscher Titel: Ich – Einfach unverbesserlich 2), dessen Weltpremiere im Juni 2013 auf dem Champs-Élysées Film Festival in Paris gefeiert wurde.1 Der Film wurde von der US-amerikanischen und auf 3-D-Filme spezialisierten Produktionsgesellschaft Illumination Entertainment hergestellt, deren Projekte im Rahmen einer exklusiven Partnerschaft ausschließlich von den am Unternehmen beteiligten Universal Studios finanziert und vertrieben werden.2 Williams erklärt, Chris Meledandri, Gründer und CEO von Illumination Entertainment, sei hinsichtlich der Komposition eines Musikstückes für den Film mit folgender Anfrage an ihn herangetreten: »Hey, I know we have this big, huge thing we have created called Despicable Me, where the character is always upset and really grumpy – so this time he’s gonna be happy. OK? Cool.«3 Der aus dem ersten Teil der animierten Filmreihe als dauerhaft gereizter, mürrischer und gemeiner Bösewicht bekannte Protagonist Gru entwickelt sich in Despicable Me 2 zu einer fröhlichen und glücklichen Figur.4 Eine Schlüsselszene des Films, die diese Transformation sichtbar macht, zeigt den frischverliebten Gru, der seiner unbändigen Freude Ausdruck verleiht, indem er glücklich durch die Straßen tanzt.5 Im Auftrag der Filmproduktionsfirma erhielt Williams die konkrete Aufgabe, einen Song zur Einblendung in ebendieser Szene zu schreiben, der die kompromisslose und zügellose Freude, das unbeschwerte Glück des Momentes, musikalisch transportieren sollte.6 »[T]hey’re asking for a song that’s happy. They’re asking for something where Gru is in a good mood«7 fasst Williams die Anforderungen
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. IMDb.com, Inc. (2018); vgl. McLean (2014a); vgl. Michaels (2014). Vgl. LIMA (2015); vgl. Fleming (2008). NPR (2013). Vgl. Songfacts, LLC (2018); vgl. Dunne (2014). Vgl. Songfacts, LLC (2018); vgl. Jazzy J (2013). Vgl. Songfacts, LLC (2018); vgl. Gibsone (2014); vgl. Dunne (2014); vgl. NPR (2013). NPR (2013).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
der Produktionsfirma zusammen. Basierend auf seinem persönlichen Erfahrungswissen und Verständnis der Anforderungen des Filmstudios sowie seiner Interpretation der Hauptfigur, habe Pharrell alle musikalischen Möglichkeiten ausgelotet, die er in diesem Kontext als passend einschätzte – und keine davon habe funktioniert.8 Jedes der so entstandenen, neun vollständig ausgearbeiteten Musikstücke habe auf einer eigenständigen Idee basiert, von der Williams zum jeweiligen Zeitpunkt gedacht habe, sie würde zur idealen musikalischen Umsetzung der Szene führen.9 Das Studio habe alle neun Titel abgelehnt: »No, it’s not good enough. No, it’s not good enough.«10 Infolge der Zurückweisungen, so Pharrell, sei er an einem absoluten Nullpunkt angelangt und habe versucht, das Projekt aus einer neuen Perspektive zu betrachten, die sein Ego weitestgehend außen vorlassen sollte.11 Er habe aufgehört die Frage, wie sich das Glück der Hauptfigur in der entsprechenden Szene anfühle, rational beantworten zu wollen und stattdessen begonnen, Grus Empfindungen auf einer emotional irrationalen Ebene nachzuvollziehen.12 So habe der Künstler, nach eigenen Angaben, einen transzendenten Raum der Leere und vollständigen Ruhe erreicht, in dem Individualität und Persönlichkeit keine Relevanz mehr besäßen und sich die Antworten auf alle Fragen fänden.13 Aus diesem Zustand innerer Ruhe, der dem Besten, was man im Leben erreichen könne am nächsten sei – also mit einem Gefühl höchstmöglicher Zufriedenheit einhergeht – sei der Song Happy entstanden.14 Der Liedtext, die Akkordfolgen, der gesamte Titel sei ausschließlich diesem Momentum zu verdanken, dessen emotionale Qualitäten Williams mit den Hörern habe teilen wollen.15 All dies wäre nie passiert, wenn die Produktionsfirma nicht unbeirrbar alle Vorgängerversionen des Stücks als nicht gut genug abgelehnt hätte, teilt Pharrell mit.16 Nachdem die Verwertung der ersten, vom US-amerikanischen Künstler Cee-Lo Green eingesungenen Version des Musikstücks von dessen Management abgelehnt wurde, das den Titel als unpassend für den Künstler einschätzte und ihn im Konflikt mit dem bevorstehenden neuen Album des Interpreten sah, habe Illumination Entertainment darauf bestanden, dass Williams den Song selbst singe.17 Ohne die äußeren Einflussfaktoren und Umstände, insbesondere die Entscheidungsgewalt der Filmproduktionsfirma, hätte Happy in dieser Form nicht entstehen können, erläutert Pharrell: »I would have never written that song on my own.«18 Er schulde den Song und seinen Moment innerer Ruhe Illumination Entertainment und Chris Meledandri.19 Letzterer sei sich beim ersten Hören des Titels sicher gewesen, Pharrell habe einen Hit geschrieben und hätte das Stück folgerichtig unmittelbar zur Einblendung in der beschriebenen Szene des Films
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
Vgl. NPR (2013). Vgl. Gibsone (2014); vgl. Dunne (2014); vgl. NPR (2013). NPR (2013). Vgl. Gibsone (2014); vgl. Dunne (2014); vgl. NPR (2013). Vgl. Gibsone (2014); vgl. Dunne (2014); vgl. NPR (2013). Vgl. NPR (2013). Vgl. NPR (2013). Vgl. Dunne (2014); vgl. NPR (2013). Vgl. NPR (2013). Vgl. Michaels (2014). NPR (2013). Vgl. NPR (2013).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
akzeptiert.20 Der Name des Musikstücks habe zudem eine sehr schöne Verbindung zur Fastfoodkette McDonald’s hergestellt, die, als ein Lizenz- und Werbepartner des Films, bereits vor dem Kinostart sammelbare Spielfiguren der kleinen gelben, als Minions (etwa: Handlanger) bezeichneten, Filmcharaktere in ihre Happy Meals für Kinder integriert hätten.21 Ob und inwieweit dieser Sachverhalt einen Einfluss auf die Herstellung, Bezeichnung und Lizenzierung des Songs hatte, kann nicht abschließend geklärt werden, da diesbezüglich keine weiteren Informationen auffindbar sind. Insgesamt habe die verantwortliche Firma Universal Partnerships & Licensing (UP&L) Übereinkünfte mit über 100 Lizenz- und Werbepartnern getroffen, die schon vor der Veröffentlichung des Films einen bis dahin beispiellosen Mediabudgetgegenwert von etwa 250 Millionen US-Dollar repräsentiert hätten.22 Das hohe Maß an Fremdbestimmung sowie die eng gesteckten Rahmenbedingungen bei der zielgerichteten Herstellung des Songs für die Einblendung bei Grus visuellem Tanzauftritt hätten einen äußerst positiven Einfluss auf seinen kreativen Schaffensprozess gehabt und die Beschaffenheit des finalen Musikstücks entscheidend geprägt, resümiert Williams.23 Der Komponist, Produzent und Interpret des Titels erläutert weiter, hätte er das Stück eigenverantwortlich geschaffen, wäre es eher Musik für Trendsetter geworden, die der Aufgabenstellung nicht gerecht geworden wäre.24 Die Zielsetzung der Filmproduktionsfirma, ein Musikstück zur audiovisuellen Synchronisation herstellen zu lassen, das unbändige Freude und zügelloses Glück transportieren soll, beschreibt die Essenz der oben dargestellten markenseitig prominenten Anforderungen an Musik in Werbespots. Gleichzeitig entspricht das Machtgefälle zwischen Illumination Entertainment und Pharrell Williams im Hinblick auf die Entscheidungsgewalt über die musikalische Gestaltung des zu verwertenden Stücks weitestgehend selbigem im Verhältnis zwischen Künstlern und Marken beziehungsweise Werbeagenturen bei der Synchronisation von Musik in Werbung: Es sind die Auftraggeber, die in derartigen Übereinkünften determinieren, ob ein Musikstück gut oder schlecht ist respektive Verwertung findet oder keine Verwertung findet. Der Herstellungsprozess von Happy, bei dem die Beschaffenheit des musikalischen Ergebnisses durch die Trial-and-Error-Methode eingegrenzt und bestimmt wurde, korrespondiert dementsprechend bezüglich Fremdbestimmungsgrad und konkretem Verlauf mit den Produktionsprozessen bei der Kreation von Musik für Werbespots. Weiterhin implizieren die gezielte Herstellung des Titels zur Verwertung in einem US-amerikanischen, von einem der großen Hollywoodstudios finanzierten Kinder- beziehungsweise Familienfilm, der ausdrücklich massenkompatibel sein muss, sowie dessen Einbettung in ein Werbeund Lizenzgeflecht, das aus über 100 Partnerfirmen besteht, einen unkritischen, wenig konkreten und konformistischen Ton des Songs, den Marken vielfach gleichermaßen von Musik in ihren kommunikativen Maßnahmen einfordern. Schließlich hat Illumination Entertainment einen der einflussreichsten und erfolgreichsten Songwriter, Musikproduzenten und Interpreten des 21. Jahrhunderts mit der Herstellung des Stücks 20 21 22 23 24
Vgl. Hirschberg (2014). Vgl. Songfacts, LLC (2018); vgl. Magazinos (2018); vgl. Goldman Getzler (2013). Vgl. Goldman Getzler (2013). Vgl. McLean (2014b); vgl. NPR (2013). Vgl. McLean (2014b).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
beauftragt, der seit den auslaufenden 1990er Jahren an zahllosen Hits der Musikbranche beteiligt war und dessen unverkennbar minimalistischer Stil neue Maßstäbe in der kommerziellen Musikproduktion gesetzt hat.25 Die übereinstimmende Einschätzung der beiden Werbemusikexperten, Happy würde geradezu archetypisch werbesynchronisationsfreundliche Musik verkörpern, ist demgemäß wenig überraschend. Die Erstveröffentlichung des Titels erfolgte im Juni 2013 in einer editierten Version als Einblendung im Kinofilm Despicable Me 2 sowie in vollständiger Fassung auf dem zugehörigen Soundtrack, der am 18. Juni 2013 von Back Lot Music, einem Tochterunternehmen von Universal Pictures, herausgebracht wurde.26 Der Zusammenschnitt des Musikstücks zur Anpassung an die entsprechende Szene im Animationsfilm beginnt mit dem Anfang der Gesamtversion und entspricht dieser bis zum Ende des ersten Refrains, um dann zur zweiten Bridge der Vollversion zu springen und im Anschluss daran acht Takte des Refrains mit komplettem Chor zu spielen, die mit einem Schnitt auf das Ende der vollständigen Fassung ausklingen.27 In der Vollversion besitzt die Musikaufnahme von Happy eine Spieldauer von 3:53 Minuten, indessen die geschnittene und im Film synchronisierte Fassung lediglich eine Länge von etwa 1:15 Minuten aufweist.28 Während die Rechte an der Musikaufnahme des Titels bei Back Lot Music respektive den Universal Studios liegen, werden die Rechte am Musikwerk von Pharrells eigenverantwortlich geführtem Musikverlag More Water From Nazareth, der zu Sony/ATV Music Publishing gehörenden EMI April Music und Universal Pictures Music verwaltet.29 Der Film Despicable Me 2 erzielte weltweit die dritthöchsten Einnahmen aller Kinofilme des Jahres 2013 und spielte insgesamt mehr als 970 Millionen US-Dollar an den Kinokassen ein, die einem Produktionsbudget von nur 76 Millionen US-Dollar gegenüberstehen.30 Alleine den Universal Studios brachte der Film einen Gewinn von 394,5 Millionen USDollar ein und ist damit die profitabelste Produktion der Unternehmensgeschichte.31 Mit dem enormen Erfolg des Animationsfilms erreichte Happy zwar eine große Hörerschaft und einen hohen Bekanntheitsgrad, die unter Marketingaspekten betrachtet allerdings nicht ausreichten, um den Song selbst zum Kassenschlager zu machen.32 Die Kreativdirektorin und Vizepräsidentin der von Pharrell Williams im Jahr 2011 gegründeten Firma i am OTHER, die in der Außenkommunikation als kreatives Multimediakollektiv dargestellt wird und zudem als Plattenlabel tätig ist, erklärt diesbezüglich, einige wenige Radiostationen hätten den Song gespielt, wohingegen die große Mehrheit der Sender Happy kein Hitpotential zugesprochen und den Titel folgerichtig nicht aufgeführt hätten.33 Um das Stück besser zu vermarkten habe man bei i am OTHER die
25 26 27 28 29 30 31 32 33
Vgl. Theneptunes.org (2018); vgl. Recording Academy (2018); vgl. Patrick (2017); vgl. Hattenstone (2014); vgl. Shetler (2014). Vgl. IMDb.com, Inc. (2018); vgl. Discogs (2018a); vgl. Discogs (2018b); vgl. Intrada (2018). Vgl. Jazzy J (2013); vgl. Williams, P. (2014). Vgl. Discogs (2018c); vgl. Jazzy J (2013); vgl. Williams, P. (2014). Vgl. Discogs (2018a); vgl. Discogs (2018c); vgl. Discogs (2018d); vgl. Corporation Wiki (2018); vgl. Williams, P. (2014). Vgl. Magazinos (2018); vgl. Penske Business Media, LLC (2018). Vgl. Magazinos (2018); vgl. Penske Business Media, LLC (2018). Vgl. Hirschberg (2014); vgl. Dunne (2014). Vgl. Dunne (2014); vgl. O’Neal (2012); vgl. Graser (2011).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
Idee gehabt, ein eigenständiges Video für Happy zu produzieren, das kein klischeehafter spielfilminspirierter Clip mit Szenen aus dem Animationsfilm werden sollte, führt Mimi Valdés weiter aus.34 Nachdem sie die Szene aus dem Film gesehen habe, in der Gru in ausgelassener Freude zu Happy die Straße herunter auf die Kamera zu tanzt, sei ihr der Einfall gekommen, Pharrell könne im Musikvideo schlicht den kauzigen Gru aus ebendieser Passage imitieren.35 Dies stellte eine großartige Gelegenheit dar, der Öffentlichkeit die bis dahin wenig bekannte alberne Seite der Persönlichkeit des Künstlers zu vermitteln, so Valdés.36 Man habe versucht Yoann Lemoine, auch bekannt als Woodkid, für die Regie des Videos zu engagieren, der den Auftrag nicht annahm, Valdés jedoch ein Konzept der unter dem Namen We Are From L.A. agierenden Regisseure zukommen ließ, das deutlich radikaler mit dem gängigen Stereotyp von Soundtrackvideoclips brach: Sie schlugen die Herstellung eines interaktiven 24-Stunden-Musikvideos vor.37 Williams und Valdés seien unmittelbar begeistert gewesen.38 Aufbauend auf der Grundidee, die besprochene Szene aus Despicable Me 2 nachzuahmen, hätte man einen Moodboardfilm ausgearbeitet, der Szenen aus zahllosen Filmklassikern collagierte, in denen die Protagonisten frech-tanzend auf die Kamera zugehen.39 Würde das Musikvideo ähnlich des Moodboards gelingen, so sei sich Valdés zu diesem Zeitpunkt sicher gewesen, könne es als getanzte Hommage an die Glückseligkeit dem Song wahrhaftiges neues Leben einhauchen.40 Das Video sollte familientauglich werden sowie Darsteller aller ethnischen Gruppen und Altersstufen abbilden, solange ihre Darbietung keinen anzüglichen Charakter hätte.41 Abgesehen von einigen Stars, wie etwa Steve Carell, Jimmy Kimmel und natürlich Pharrell Williams, handle es sich bei den 400 für das Musikvideo gecasteten Darstellern nicht um professionelle Schauspieler oder Models – die Prämisse sei es gewesen, Menschen zu finden, denen man auf der Straße begegnen könne und die Spaß vor der Kamera hätten.42 Im Musikvideo sollte der zeitliche Verlauf eines Tages kohärent abgebildet werden. Demzufolge wurden 360 4-minütige Clips zu entsprechenden Tages- beziehungsweise Nachtzeiten an verschiedenen Locations in Los Angeles gedreht, in denen die jeweiligen Darsteller aufgefordert waren Spaß zu haben und völlig frei zu Happy zu tanzen.43 Alle Clips seien in jeweils einem Take gedreht worden, in dem die Performer die Energie hochhalten und einen bestimmten Abstand zur Kamera einhalten sollten.44 Die so entstandenen Unvollkommenheiten, lustigen Pannen und Mängel würden dem Video seinen Charakter und Charme verliehen, er-
34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
Vgl. Dunne (2014). Vgl. Dunne (2014). Vgl. Dunne (2014). Vgl. Dunne (2014); vgl. Schilling (2013a). Vgl. Dunne (2014); vgl. Schilling (2013a). Vgl. Dunne (2014). Vgl. Dunne (2014). Vgl. Dunne (2014); vgl. Schilling (2013a). Vgl. Dunne (2014); vgl. Schilling (2013a). Vgl. Dunne (2014); vgl. Schilling (2013a). Vgl. Dunne (2014); vgl. Schilling (2013a).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
klärt Pharrell.45 Er tanzt im Video 24 Mal zum Song und bezeichnet seine Auftritte als Wechselspiel aus semi-choreographierten und improvisierten Performances.46 Der aus dem chronologischen Zusammenschnitt der Einzelclips bestehende Film wurde mit einer interaktiven 24-Stunden anzeigenden Uhr überlagert am 21. November 2013 auf der eigens dafür eingerichteten und gegenwärtig nicht mehr aktiven Webseite 24hoursofhappy.com veröffentlicht.47 Neben der Möglichkeit, die Uhr als Bedienelement zu nutzen, um etwa zu bestimmten Zeitpunkten im Film zu springen, konnten die Nutzer Kommentare hinterlassen, die mit den zugehörigen Szenen im Film verknüpft und in zeitlicher Abfolge sichtbar gemacht wurden oder spezifische Momente des Films auf sozialen Medien teilen.48 Jede volle Stunde des Films beginnt mit einem Auftritt Pharrells, gefolgt von 14 weiteren Performances, in denen eine oder mehrere Personen zu Happy tanzen.49 Der Song wird im Film demgemäß in einer 24stündigen Dauerschleife 360 Mal mit den unterschiedlichen Tanzauftritten aufgeführt. Das offizielle Musikvideo zum Titel, ein 4:06 Minuten langer Zusammenschnitt des 24Stunden-Films, der den Song einmal in seiner Gesamtspielzeit integriert, wurde, zeitgleich mit der Live-Schaltung von 24hoursofhappy.com, zunächst exklusiv auf der Webseite des US-amerikanischen Einzelhandelsgiganten Target präsentiert, um den interaktiven Film respektive das Musikstück zu promoten.50 Die mit den Bildrechten am 24-stündigen Film und dem daraus abgeleiteten Musikvideo ausgestatteten Universal Studios hätten sich die Kosten für das Projekt mit i am OTHER und der Produktionsfirma Iconoclast geteilt.51 Während das Stück auf allen als Soundtrack des Animationsfilms Despicable Me 2 gekennzeichneten Tonträgerveröffentlichungen schlicht als Happy betitelt wird, ist die offizielle Bezeichnung der am 21. November 2013 als DPD und im Streamingformat von der Universal-Tochter Back Lot Music durchgeführten Neuveröffentlichung sowie aller darauf folgenden Reissues des Songs Happy (From Despicable Me 2).52 Als Inhaber der Rechte an der Musikaufnahme haben die Universal Studios damit eine Werbebotschaft für ihren Animationsfilm im Namen des Songs platziert, die mutmaßlich auf eine dauerhafte Verknüpfung von Musikstück und Kinofilm in der Wahrnehmung der Konsumenten abzielt. Wenngleich die Idee, die kleinen Helfer aus dem animierten Kinofilm auch im 24-Stunden-Video unterzubringen von Pharrell gestammt habe,53 handelt es sich dabei aus der Perspektive der Universal Studios ebenfalls um Werbung für ihren Animationsfilm. Die entsprechenden Szenen beinhalten tanzende Minions, zwei junge
45 46 47 48 49 50 51 52
53
Vgl. Schilling (2013a). Vgl. Schilling (2013a). Vgl. Dunne (2014); vgl. Schilling (2013a). Vgl. Schilling (2013a); vgl. Toor (2013). Vgl. Schilling (2013a). Vgl. Schilling (2013a); vgl. iamOTHER (2013a). Vgl. Schilling (2013a); vgl. iamOTHER (2013a); vgl. iamOTHER (2013b). Vgl. Theneptunes.org (2018); vgl. iTunes Store (2018a); vgl. iTunes Store (2018b); vgl. Baker (2013); vgl. Williams, P. (2014); vgl. Marcor International (2014); vgl. iamOTHER (2013a). Alternative Schreibweisen: »Happy From Despicable Me 2«, »Happy (From ›Despicable Me 2‹)«, »Happy from Despicable Me 2«. Vgl. Schilling (2013a).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
Mädchen, die sich Despicable Me 2 auf einem Fernsehbildschirm ansehen, und eine Tänzerin, die ein T-Shirt mit Minion-Motiv trägt.54 Der Kommerzialisierungsgrad des 24stündigen Films sei augenscheinlich, erklärt die Journalistin Alva Noe – Produktplatzierungen seien im Video allgegenwärtig.55 Unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells der maßgeblich auf Sozialen Medien agierenden Firma i am OTHER, die sich selbst in der Außenkommunikation als philanthropisch und altruistisch darstellt, ist diese Feststellung wenig überraschend.56 Entgegen der Selbstdarstellung ist das Unternehmen im Content-Marketing beziehungsweise dem Branded Entertainment-Sektor tätig und generiert Einkünfte demgemäß überwiegend aus Kooperationen mit Marken.57 i am OTHER nutzt die enorme Beliebt- und Bekanntheit von Pharrell Williams zur Platzierung von Marken und Produkten in medialen Inhalten.58 Die Selbstbeschreibung der Unternehmung, man sei eine Kulturbewegung für Denker, Innovatoren und Außenseiter, die das Streben nach Individualität, die Ablehnung äußerer Erwartungen und eine neue Art von Visionären reflektiere,59 erhält demnach eine, vermeintlich nicht intendierte, spezifische Bedeutung: i am OTHER ist eine Bewegung der dominanten Markenkultur, die ebenjene Zielgruppen ansprechen will, die für Verbrauchermarken nur schwer erreichbar sind. Ein im Hinblick auf Produktplatzierungen im 24-Stunden-Film aussagekräftiges Beispiel findet sich in einer Szene, die in den ersten Minuten nach Mitternacht (12AM) spielt.60 Williams betritt eine Tankstelle und bewegt sich, vorbei an einer Vielzahl von Produkten und visuellen Markenzeichen, auf einen Kühlschrank zu, aus dem er eine große Dose Red Bull entnimmt, diese mit einer eindeutigen Drehbewegung seiner Hände derartig in Position bringt, dass der Markenname beziehungsweise das Markenlogo auffällig prominent sichtbar sind, um dann weitere Produkte einzukaufen, die nicht im Kamerafokus stehen und damit nicht eindeutig zu identifizieren sind.61 Während die anderen Produkte nach ihrem Erwerb in einer Papiertüte verschwinden, verbleibt die Red Bull-Dose, vom Zeitpunkt ihrer ersten Präsentation bis zum Ende des vierminütigen Clips, deutlich sichtbar in Pharrells Händen, der sie in diesem Zeitraum mehrfach aktiv ausdrucksvoll im Bildausschnitt platziert.62 Abgesehen von seinen eigenverantwortlichen musikfremden Unternehmungen, wie etwa der Modemarke Billionaire Boys Club (BBC), ist Williams Übereinkünften mit Marken gegenüber offenbar sehr aufgeschlossen: Im Jahr 2014 besaß er unter anderem werbliche Verträge mit Adidas, Comme des Garçons, G-Star und Uniqlo.63 Das weitreichende Geflecht aus Markenkooperationen hat der öffentlichen Wahrnehmung des 24-Stunden-Videos nicht geschadet. 24hoursofhappy.com wurde bereits
54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
Vgl. Nagle (2014). Vgl. Noe (2014). Vgl. i am OTHER (2018); Schilling (2013a); vgl. Schilling (2013b); vgl. O’Neal (2012); vgl. Graser (2011). Vgl. O’Neal (2012); vgl. Graser (2011). Vgl. O’Neal (2012); vgl. Graser (2011). Vgl. iamOTHER (2018); vgl. O’Neal (2012). Vgl. iamOTHER (2013b). Vgl. iamOTHER (2013b). Vgl. iamOTHER (2013b). Vgl. Hirschberg (2014); vgl. McLean (2014a).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
wenige Stunden nach der Onlineschaltung der Webseite mehrere tausend Mal in Sozialen Medien geteilt und entwickelte sich in der Folge zum viralen Internethit.64 Der Film wurde nicht nur millionenfach von Internetnutzern angeschaut und in sozialen Netzwerken geteilt, sondern hat die Menschen weltweit in hohem Ausmaß dazu animiert, eigene Videos, die den Film imitieren, zu drehen und diese im Netz zu veröffentlichen.65 Dabei hat sich vor allem der Trend etabliert städtebezogene vierminütige Clips herzustellen und auf YouTube zu teilen, in denen die Protagonisten, abgeleitet aus dem 24-Stunden-Film, zum Musikstück durch die Straßen ihrer Heimatstadt tanzen.66 Ende März 2014 zählte die eigens dafür eingerichtete Webseite We Are Happy From… bereits 847 solcher Videos – gegenwärtig (am 13. November 2018) listet die Seite 1 950 städtebezogener Nachahmervideos aus 153 Ländern auf.67 Das offizielle Musikvideo von Happy lag im Dezember 2014 bei einer Anzahl von 137 Millionen Klicks auf YouTube und wurde bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt (November 2018) dort häufiger als eine Milliarde Mal angeschaut.68 Der in 24 einstündige, nach vollen Stunden benannte Clips und auf dem YouTube-Kanal von i am OTHER bereitgestellte Gesamtfilm kam im November 2018, in Abhängigkeit der spezifischen Uhrzeit, auf Klickzahlen, die zwischen wenigen Hunderttausend und dreistelligen Millionenbeträgen liegen.69 Die Marketingstrategie der Verantwortlichen bei i am OTHER erwies sich als äußerst wirksam und gewinnbringend: Happy wurde zu einem der erfolgreichsten Songs in der Geschichte der Musikindustrie.70 Im Jahr 2014 konnte der Titel, dem Rolling Stone Magazin zufolge, in 40 Ländern die Spitzenposition der wöchentlichen Singlecharts erreichen und führte unter anderem die Single-Jahresendcharts der USA und Großbritanniens an.71 Mit weltweit 13,9 Millionen verkauften Einheiten war Happy der meistverkaufte Song des Jahres, wie die IFPI berichtet.72 In dieser Zahl wären physische Tonträgerverkäufe, DPDs und sogenannte »track-equivalent streams« enthalten.73 Die Kalkulation dieser, einem Kauf der Musikaufnahme vermeintlich äquivalenten, Streamingvorgänge erfolgte individuell von den einzelnen Landesverbänden, auf deren Informationen die Angaben der IFPI beruhen. Während sie 2014 in den USA etwa mit einer Quote von 150:1 berechnet wurden, entsprachen in Großbritannien beispielsweise 100 Abspielvorgänge auf einer Streamingplattform dem Kauf eines Songs.74 Abgesehen vom doppelten Grammy-Gewinn für die beste Pop Solo Live Performance und das beste Musikvideo bei den 57. Grammy Awards brachte Happy, beziehungsweise die Synchronisation des Songs im Animationsfilm Despicable Me 2, Pharrell im Jahr 2014 eine Nominierung für den Oscar in der Filmmusikkategorie 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74
Vgl. Berger (2014); vgl. Gasteiger (2014); vgl. Hemmes (2013). Vgl. Berger (2014); vgl. Gasteiger (2014); vgl. Tuned Global (2014); vgl. Hemmes (2013). Vgl. Gasteiger (2014). Vgl. Berger (2014); vgl. We Are Happy From… (2018). Vgl. iamOTHER (2013a). Vgl. iamOTHER (2014). Vgl. Hoard et al. (2018); vgl. Billboard (2018a); vgl. Michaels (2014); vgl. Gibsone (2014); Franklin (2014). Vgl. Hoard et al. (2018); vgl. Billboard (2018b); vgl. BPI (2015b), S. 15. Vgl. IFPI (2015), S. 12. Vgl. IFPI (2015), S. 12. Vgl. BPI (2015b), S. 12; vgl. Sisario (2014).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
Original Song ein.75 Nachdem Williams bereits 2013 an zwei der größten Hits des Jahres beteiligt war – er ist Co-Autor, Produzent und Gastinterpret bei Robin Thickes Blurred Lines sowie Co-Autor und Gastinterpret bei Daft Punks Get Lucky – hat ihn Happy endgültig zum Superstar gemacht.76 Im Rahmen von Pharrells Vertragsunterzeichnung bei den zum Sony-Konzern gehörenden Columbia Records im Dezember 2014 hat das Label Happy von Back Lot Music beziehungsweise den Universal Studios lizenziert und erneut herausgebracht.77 Diese Veröffentlichung hat die mit dem 24-Studen-Film im November 2013 von Back Lot Music publizierte Vorgängerversion inklusive der grafischen Gestaltung des Covers im gesamten Onlinebereich ersetzt.78 Als Single-Auskopplung und Bestandteil von Pharrell Williamsʼ Album G I R L, das am 03. März 2014 erschien, wurde der Song erneut als physischer Tonträger, DPD und im Streamingformat von den Columbia Records veröffentlicht.79
8.2
Analyse
Die folgende Analyse der musikalischen und klanglichen Qualitäten des, von Experten als prototypisch für synchronisationsfreundliche Musik eingeschätzten, Titels Happy dient der exemplarischen Dekodierung der markenseitig dominanten gegenwärtigen Anforderungen an Musik in audiovisuellen Werbespots. Dabei werden zum einen die strukturellen und kompositorischen Eigenschaften des Musikstücks untersucht, die neben der Rhythmik, Harmonik, Melodik und formalen Aspekten den Songtext integrieren. Zum anderen sind es die produktionstechnischen und akustischen Merkmale von Happy, die klanglichen und den Sound betreffenden Attribute des Titels, die determiniert und spezifiziert werden. Infolge der naturgemäß hohen Korrelation zwischen diesen Bereichen sind Überschneidungen in den einzelnen Teilen der Analyse unvermeidlich. Während die kompositorischen und textlichen Eigenschaften der Musikaufnahme vorwiegend mit einem musiktheoretischen und linguistischen Instrumentarium entschlüsselt werden, sind es bei den produktionstechnischen und akustischen Zusammenhängen maßgeblich tontechnische und akustische Werkzeuge, die der Veranschaulichung der klanglichen Merkmale von Happy dienen. Der Untersuchungsgegenstand der Analyse ist die Originalmusikaufnahme des Songs, die dementsprechend als DPD in CD-Qualität (in 16-bit Auflösung) online erworben wurde. Zur Ermittlung und notentextlichen Darstellung der rhythmischen, melodischen und harmonischen Merkmale des Songs wurde zunächst eine Coverversion von Happy im MIDI-Format eingespielt, die eine, hinsichtlich der genannten Attribute, präzise Nachbildung der Musikaufnahme darstellt und alle darin auftretenden Instrumente als einzelne Spuren integriert. Diese Vorgehensweise ermöglicht einerseits die isolierte musiktheoretische Analyse und Veranschaulichung einzelner Elemente des Stücks, etwa einer Basslinie oder 75 76 77 78 79
Vgl. Recording Academy (2018); vgl. Academy of Motion Picture Arts and Sciences (2015). Vgl. Discogs (2018e); vgl. Discogs (2018f); vgl. IFPI (2014); vgl. Hirschberg (2014). Vgl. Baker (2013); vgl. Marcor International (2014). Vgl. iTunes Store (2018a); vgl. iTunes Store (2018b). Vgl. iTunes Store (2018a); vgl. Discogs (2018g); vgl. Williams, P. (2014).
271
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
des rhythmischen Schlagzeuggrooves, andererseits die Herstellung einer akkuraten Gesamtpartitur der Musikaufnahme, die den Blick auf strukturelle und harmonische Charakteristika selbiger freigibt. Da es sich bei der offiziellen und im Handel verfügbaren Partitur des Musikstücks um eine Transkription für Klavier handelt, die folgerichtig wesentliche Elemente der Musikaufnahme, beispielsweise die gesamte Rhythmussektion oder harmonische Unterschiede in den über die Zeit auftretenden Chorussen, ignoriert, respektive in Akkorden zusammenfasst, ist sie zur weiterführenden Analyse von Happy ungeeignet.80 Zur detailgenauen und fachgerechten Herstellung des Nachbaus der Musikaufnahme wurde die Expertise eines Berufsmusikers und -komponisten hinzugezogen. Die Nutzung eines akustisch optimierten Tonstudios, dessen räumliche Beschaffenheit und hochwertiges Wiedergabesystem einen weitestgehend linearen Frequenzgang über das gesamte hörbare Spektrum an der Abhörposition bei geringer Nachhallzeit gewährleisten und den in einer Tonaufnahme tatsächlich fixierten Klang damit erst originalgetreu erfahrbar machen, hat das analytische und kritische Hören der Musikaufnahme von Happy ermöglicht, das die Basis der gesamten Untersuchung darstellt.81 Unter zweckmäßiger und professioneller Verwendung erstklassiger DAWs, digitaler Tonstudiotools und Klangerzeuger konnten sowohl der Nachbau des in der Aufnahme festgehaltenen Musikstücks realisiert, als auch die signifikanten Qualitäten von Happy determiniert werden. Diesbezüglich wurde die Originalaufnahme in ihrer unbearbeiteten Form sowie verschiedenartig bearbeitete Versionen derselben genutzt, die einerseits per Gehör, andererseits unter Verwendung von Sonagrammen und Spektrogrammen untersucht wurden. Bei den Bearbeitungen handelte es sich um die dekodierten und individuell ausgespielten Mitten- und Seitensignale der Stereoaufnahme sowie neue Ausgaben bestimmter Passagen des Songs, die durch das samplegenaue Anlegen taktweise verschobener Teile der phasengedrehten Aufnahme an Teile der Originalaufnahme mit der ursprünglichen Phasenlage hergestellt wurden. Bei der Mischung zweier identischer und zeitlich exakt synchronisierter Musikaufnahmen mit entgegengesetzter Phase löschen sich die Signale der Aufnahmen aus. Die Nutzung dieses Effekts diente einerseits der Identifikation deckungsgleicher Passagen in der Musikaufnahme, andererseits der eindeutigen Detektion von Instrumenten, Harmonien und Melodien, die durch Teilauslöschungen von Elementen bei der samplegenauen Verschiebung taktweise versetzter und phasengedrehter Teile des Songs in der Mischung mit der Originalaufnahme ermöglicht wird. Weiterhin kamen hochwertige Filter und Equalizer zum Einsatz, die es erlaubten, bestimmte Frequenzbereiche oder Einzelfrequenzen der Aufnahme detailliert zu analysieren.
8.2.1
Instrumentierung, produktionstechnische und klangliche Aspekte
An der Herstellung der Musikaufnahme des Hits mit großer Wirkung war eine vergleichsweise kleine Gruppe von Mitwirkenden beteiligt. Neben Pharrell Williams, alleiniger Urheber und Produzent des Stückes, der darüber hinaus als ausübender Künstler 80 81
Vgl. Williams (2013). Tonstudio: Studio Schoenrock, Berlin.
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
alle Instrumente für die Aufnahme eingespielt beziehungsweise programmiert und die melodieführende Stimme sowie Teile der Hintergrundstimmen eingesungen hat, ist ausschließlich ein Backgroundgesangsensemble auf der Aufnahme von Happy zu hören.82 Diese sechsköpfige Chorgruppe besteht aus Rhea Dummett, Trevon Henderson, Ashley L. Lee, Shamika Hightower, Jamine Murray und Terence Rolle.83 Die Tonaufnahmen für den Song hat Mike Larson mit seinem Assistenten Matthew Desrameaux in den Circle House Studios (Miami, FL) durchgeführt.84 Der digitale Schnitt und das Arrangement des Titels wurden von Andrew Coleman und ebenfalls Mike Larson realisiert, wohingegen die Mischung von Happy in den Music Box Studios (Atlanta, GA) von Leslie Brathwaite hergestellt wurde.85 Die Instrumentierung der Musikaufnahme stellt sich ähnlich minimalistisch dar. Happy besteht aus programmierten Rhythmuselementen – zwei Bassdrums und eine Snaredrum, eine offene und eine geschlossene Hi-Hat, Handclaps und Percussion – Live-Händeklatschen, einer elektrischen Bassgitarre, einem Rhodes-Piano, den Vocals von Pharrell und mehrstimmigem Backgroundgesang. Außerdem komme ein HmmmSample im Song vor, erklärt der Journalist Paul Tingen in einem für das Musiktechnologiemagazin Sound On Sound verfassten Artikel, der sich ausführlich mit der Mischung des Songs auseinandersetzt.86 Tingen hat diesbezüglich ein Gespräch mit dem MixEngineer Brathwaite geführt und in diesem Rahmen offenbar Zugriff auf die OriginalSession zur Abmischung des Songs in Pro Tools erhalten.87 Infolge der, mutmaßlich auf Maskierung beruhenden, Unhörbarkeit des Hmmm-Samples im veröffentlichten Musikstück besitzt es in der vorliegenden Analyse von Happy kein Gewicht. Das primäre Drumset des Songs besteht aus einer Kickdrum (Bassdrum I), der Snaredrum sowie den Hi-Hats und ist, abgesehen von einem Spannung aufbauenden CTeil, den Brathwaite in seinem Arrangement als Breakdown bezeichnet und der im Song einmal in seiner 16-taktigen Gesamtlänge und einmal in einer auf acht Takte gekürzten Version auftritt,88 über die gesamte Dauer der Musikaufnahme zu hören. Es besitzt die Klangeigenschaften eines echten und neutral abgemischten Schlagzeugs, das gesampelt und schließlich programmiert wurde. Die Bassdrum dieses Sets besitzt einen tonalen Charakter und ist prägnant auf das F der großen Oktave (englischsprachige Notation: F2; ca. 87,3 Hz) gestimmt. Ihre Tonhöhe entspricht damit einer tiefen Oktavlage des tonalen Zentrums von Happy, das, unabhängig von dessen Tonlage, durch das F repräsentiert wird. Demgegenüber sind die Hi-Hats und die, im Chorus des Songs von den Handclaps maskierte, Snaredrum des Schlagzeugs geräuschhaft, verfügen also über eine homogenere Energieverteilung in breitbandigen Frequenzspektren, die keine dominanten Resonanzfrequenzen aufweisen. Insgesamt besitzt das Drumset im Mix keine störenden Anteile, wie etwa zur Harmonik des Songs dissonante Frequenzbereiche mit ausgeprägtem Energieanteil, sowie keine prägnanten Qualitäten, die es in 82 83 84 85 86 87 88
Vgl. Williams, P. (2014); vgl. Discogs (2018g). Vgl. Williams, P. (2014); vgl. Discogs (2018g). Vgl. Williams, P. (2014); vgl. Discogs (2018g). Vgl. Williams, P. (2014); vgl. Discogs (2018g). Vgl. Tingen (2014). Vgl. Tingen (2014). Vgl. Tingen (2014).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
den Vordergrund rücken würden – es bildet ein sachliches rhythmisches Fundament der Musikaufnahme, das maßgeblich durch Konsonanz und Schlichtheit gekennzeichnet ist. Die zweite und ausschließlich in den Breakdown-Teilen des Titels eingesetzte Kickdrum (Bassdrum II) entspricht klanglich weitestgehend einer synthetischen Bassdrum, die mit der klassischen Drum Machine Roland TR-808 beziehungsweise deren digitalen Nachfolgemodellen oder Imitationen hergestellt und programmiert wurde. Das wiederum auf dem tiefen F der großen Oktave markant resonierende Rhythmuselement ist durch schwache Transienten, also Einschwingvorgänge mit geringer impulshafter Energie, und lange energiereiche Decay- respektive Ausschwingphasen charakterisiert. Aufgrund seines wenig aufdringlichen wirklichkeitsgetreuen Timbres fügt sich das, aus programmierten und Live aufgenommenen Elementen bestehende, vielstimmige geräuschhafte Händeklatschen, das in den Strophen des Musikstücks ausgeklammert ist, ähnlich nahtlos in die Gesamtmischung der Musikaufnahme ein, wie das oben beschriebene Drumset. Die Schlagwerksektion des Titels wird von der programmierten Percussion vervollständigt, die aus zwei Congas mit signifikanter Tonalität sowie einer besonders impuls- und geräuschhaften Bongo besteht, deren klangliche Eigenschaften weitestgehend denjenigen ihrer physischen Vorbilder entsprechen. Folgerichtig beinhalten die drei perkussiven Elemente hörbare Anschlaggeräusche und, in Abhängigkeit von ihrer Spielart, deutliche (Congas) und weniger akzentuierte (Bongo) Nachschwingphasen. Eine Conga ist auf das g der kleinen Oktave (englischsprachige Notation: G3; ca. 196 Hz), die andere auf deren a (englischsprachige Notation: A3; ca. 220 Hz) gestimmt. Unter Ausschluss des eintaktigen Intros sowie des jeweils letzten Taktes vor dem dritten und dem vierten Refrain der Musikaufnahme ist die sparsame Anordnung der Percussion in einer zweitaktigen Sequenz über die gesamte Dauer von Happy geloopt. Während die Röhren- (Bongo) und Fasstrommeln (Congas) in den Breakdown-Teilen der Musikaufnahme eine deutliche Präsenz in deren Mischung besitzen und damit einen prägnanten Einfluss auf den Höreindruck nehmen, sind sie in den anderen Songparts nur subtil wahrnehmbar. Beim Bassinstrument, das für die Aufnahme von Happy verwendet wurde, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine elektrische Bassgitarre, die Live eingespielt wurde. Wenngleich es sich theoretisch um ein hochwertig gesampeltes Instrument handeln könnte, sind unter anderem der volle Sound, der Klangcharakter der zielgerichtet harmonisch endenden Glissando-Bewegungen (Slides) sowie die hörbar unterschiedlichen Anschlaggeräusche starke Indizien für das Spielen einer körperlichen elektrischen Bassgitarre. Die klanglichen Eigenschaften der Bassgitarre im Mix können, ähnlich des Sounds der bereits beschriebenen Instrumente, als organisch und wenig verfälscht respektive nachbearbeitet beschrieben werden. Sie besitzt keine hörbaren Qualitäten, die sie allzu dominant und tonangebend in der Mischung machen würden und komplettiert die Rhythmussektion des Songs. Die gleichbleibenden Basslinien in den Strophen des Songs können als riffartige Motive bezeichnet werden, wohingegen der Bass in den Chorussen von Happy Teil einer viertaktigen Kadenz ist. In den Breakdown-Teilen des Titels kommt keine Bassgitarre vor. Im Hinblick auf die Spielart und ihre akustischen Besonderheiten stehen die Bassriffe der Strophen in Opposition zur Basslinie der Chorusse des Titels: Im Gegensatz zur offenen Spielweise in den Strophen, die ihren Tonvorrat aus annähernd drei Oktaven schöpft (vom F der großen
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
Oktave bis zum zweigestrichenen c = c’’) und überwiegend durch ausklingende Töne in legato gekennzeichnet ist, ist die Basslinie in den Refrains der Musikaufnahme, deren Tonrepertoire aus eineinhalb Oktaven (vom c der kleinen Oktave bis zum eingestrichenen f = fʼ) stammt, vor allem durch eine Performance in staccato und abgedämpfte Tonausschwingvorgänge definiert. Diese Divergenz stellt sich beim Rhodes-Piano, das klanglich gleichermaßen die Eigenschaften eines realen physischen Instrumentes besitzt und ebenfalls nicht in den C-Teilen der Musikaufnahme vorkommt, in umgekehrter Ausprägung dar. In den Strophen des Songs zeichnen sich die Motive des elektrischen Pianos insbesondere durch deutliche Trennungen zwischen den aufeinanderfolgenden Tönen und Akkorden aus und liegen in der Spielart zwischen staccato und non legato, indessen die RhodesKadenz der Refrains, abgesehen von Verzierungen, insgesamt in legato gespielt ist. Der Klangcharakter des Rhodes-Pianos ist puristisch und entspricht in hohem Maße dem unbearbeiteten elektrischen Output eines entsprechenden Instrumentes. Der MixEngineer des Titels bestätigt diesen Befund: Er habe das E-Piano nicht bearbeitet.89 Demgemäß besitzt es in der Gesamtmischung des Songs keine besondere Durchsetzungsfähigkeit und ist nur in den Strophen, in denen die Motive des elektrischen Pianos ein Call and Response-Schema mit dem Gesang bilden und folgerichtig die Zeiträume ohne Vocals ausfüllen, deutlich hörbar. Angesichts der, aus einer stufen- beziehungsweise funktionstheoretischen Perspektive betrachtet, kongruenten Kadenz von Rhodes-Piano und Chören, sowie seines mit geringem Durchsetzungsvermögen im Mix einhergehenden naturbelassenen Klangbildes, wird das elektrische Instrument in den Chorussen von Happy entscheidend vom dominanten Gesang maskiert. In seiner Eigenschaft als stilprägendes Element in Fusion, Funk, modernem Soul und elektrischem Jazz90 stellt das Rhodes-Piano zudem eine Verbindung zu afroamerikanisch geprägter Musik her. Die branchenüblich als Playback bezeichnete Gestalt des Songs ohne Vocals schließt mit dem Rhodes-Piano lediglich ein tonales Instrument ein, dessen Motive dauerhaft Stimmen im Tonhöhenbereich des Gesangs integrieren. Weiterhin besitzen das elektrische Piano, die Congas und die Bassdrum II, die keine raumakustischen Signalanteile einschließen, nur äußerst geringfügige Energieanteile in den Seitensignalen des Playbacks und sind in unmittelbarer Nähe zur Mitte des Stereobildes der Musikaufnahme positioniert. Die ebenfalls ohne Nachhall gestaltete Bassgitarre befindet sich exakt in diesem Zentrum und besitzt keine Stereoanteile in der Mischung des Songs. Wenngleich die mittels ihrer Platzierung außerhalb des Brennpunktes der Stereobasis und der Zumischung künstlichen Nachhalles erzeugte Energie der Instrumente des primären Drumsets in den Seitenkanälen graduell höher als bei den eben beschriebenen Instrumenten ist, spannen sie ein sehr begrenztes Stereobild auf: Die Hi-Hat ist auf der linken Seite des Stereobildes lokalisiert und hat einen Abstand von etwa 10 bis 20 % zur Mitte der Stereobasis, die Snare-Drum befindet sich, mit einem Abstand von etwa 20 bis 30 % zur Mitte der Stereobasis, auf der rechten Seite der Stereoabbildung, die Bassdrum bewegt sich in einem Lokalisationsspektrum zwischen dem Zentrum der Stereo89 90
Vgl. Tingen (2014). Vgl. Schaal (2016).
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breite und einer minimalen Verschiebung nach links.91 Gleichzeitig bildet der künstlich erzeugte und zugemischte Nachhall des Drumsets die akustischen Eigenschaften eines sehr kleinen Raumes mit auffällig kurzer Nachhallzeit ab. Das mehrstimmige Händeklatschen setzt sich in den Chorussen des Titels aus drei aufgenommenen Spuren physischen Händeklatschens und einer programmierten Spur zusammen, die synthetische Claps der Roland 808 enthält. In den Breakdown-Teilen des Songs wird das Klatschen um fünf zusätzlich beigemischte Spuren Live-Claps erweitert.92 Die Positionierung der Handclaps auf der Stereobasis und deren Leistungspegel in den Seitenkanälen der Aufnahme bewegen sich in den Chorussen in den Bereichen, die auch das Drumset kennzeichnen. Neben überwiegend im Zentrum des Stereobildes lokalisierten Claps beinhalten die Refrains Klatschanteile, die einen beidseitigen Abstand von circa 30 % zur Mitte des Stereobildes nicht überschreiten. Demgegenüber erstrecken sich die Claps in den Breakdown-Teilen von Happy über einen weitaus größeren Teil der Stereobasis, der von der Mitte der Abbildung beidseitig bis zu einem Abstand jenseits der 50 % reicht. Bei gleichzeitig verstärkten Energieanteilen in den Seitenkanälen der Aufnahme, die sich überwiegend im Spektrum zwischen 1,6 und 12 kHz befinden, spannen die Claps in den Breakdown-Parts ein, im Verhältnis zu den anderen Songteilen des Playbacks, vergrößertes und präsenteres Stereobild auf. Davon abgesehen besitzt das Playback des Songs, mit insgesamt geringen Stereoanteilen, einen ausgeprägt monoartigen Charakter. Darüber hinaus weisen die Harmonie- und Melodieinstrumente (Rhodes-Piano und Bassgitarre), über die gesamte Dauer der Musikaufnahme betrachtet, nur verschwindend geringe Energieanteile im Frequenzbereich zwischen etwa 1 und 8 kHz auf, der für die Präsenz und das Durchsetzungsvermögen von Vocals entscheidend ist. Lediglich ein Teil der impulshaften Instrumente des Playbacks (Hi-Hats, Claps und Snare-Drum) zeichnet sich, in entsprechend kurzen Zeitintervallen, durch hohe Pegelwerte in einzelnen Segmenten dieses Spektrums aus. So bietet das minimalistisch instrumentierte Playback ausreichend Raum für eine durchschlagende und prävalente Platzierung des von Pharrell Williams und einer vergleichsweise großen, aus den sechs oben genannten Backgroundsängern bestehenden, Chorgruppe aufgeführten Gesangs in der Gesamtmischung der Musikaufnahme. Williamsʼ einstimmige und melodieführende Hauptgesangslinie ist in den Strophen und ersten beiden Chorussen des Titels durch eine Realisierung im ausgeprägten Falsett, das in dieser Arbeit die Kopfstimme ohne Brustresonanz, nicht das Pfeifregister, beschreibt, und dementsprechend eine im Vergleich zur Bruststimme vor allem oberhalb der dritten Teiltöne (zweiten Obertöne) geringer ausgebildete Obertonstruktur gekennzeichnet.93 In den Breakdown-Parts besitzt die Hauptstimme dagegen in erster Linie den modalen Charakter des Bruststimmengesangs, der sich durch ein stärker akzentuiertes und energiereiches Obertonspektrum jenseits der 3. Harmonischen auszeichnet.94 Selbiges gilt für den letzten Chorus des Songs sowie die Takte 17 bis 20
91 92 93 94
Bei der prozentualen Einteilung der Stereobasis werden die beiden Strecken zwischen der Mitte des Stereobildes und dem linken respektive rechten Lautsprecher linear in Prozenten angegeben. Vgl. Tingen (2014). Vgl. Hammer, Teufel-Dietrich (2017), S. 29f.; vgl. Hähnel (2015), S. 254. Vgl. Hammer, Teufel-Dietrich (2017), S. 29f.; vgl. Hähnel (2015), S. 254.
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
des zweiunddreißigtaktigen dritten Refrains, in denen die modal gesungenen Anteile überwiegen. Von maßgeblicher Bedeutung für die Klangfarbe und wahrgenommene Tonhöhe der Gesangsstimme Williamsʼ ist die, über die gesamte Spieldauer der Musikaufnahme betrachtet, signifikant hohe Energie ihrer ersten Obertöne. Wenngleich die Obertonstruktur der verschiedenen gesungenen Laute der Hauptgesangsstimme naturgemäß starke Schwankungen im Verlauf des Titels aufweist, bewegen sich die Energiepegel der 2. Harmonischen in Williamsʼ Gesang mehrheitlich in unmittelbarer Nähe zum Energieniveau ihrer jeweiligen Grundtöne und übersteigen dieses regelmäßig (vgl. Abb. 9).
Abb. 9: Exemplarische Obertonstruktur einer Gesangspassage Williamsʼ aus Happy
Dieses spezifische Energieverhältnis zwischen Grundtönen und ersten Obertönen ist nicht allein ein wesentlicher Faktor für das markant hohe Timbre von Williamsʼ Gesangsstimme, sondern führt, infolge des außerordentlich hohen relativen Energieniveaus der 2. Harmonischen, zu einer tonhöhenbezogenen Ambivalenz derselben – es begünstigt eine nach oben oktavierte und damit fehlerhafte Wahrnehmung der Tonhöhe des Gesangs, deren tatsächliche Lage durch die Frequenz des Grundtons definiert ist. Angesichts der ohnehin geschwächten Grundtonbindung im Kopfstimmengesang, die in der vergleichsweise geringen Energie der ganzzahligen Vielfachen des jeweiligen Grundtons oberhalb dessen dritten Teiltons begründet liegt, ist dieser Effekt in den falsettgeprägten Gesangsteilen Williamsʼ von kennzeichnender Bedeutung, wohingegen er umgekehrt in Pharrells weniger häufigen bruststimmendominierten Gesangspassagen der Musikaufnahme an Relevanz verliert. Die Harmonik der Chorusse wird von einem autoritativen mehrstimmigen Chorgesang bestimmt, der in den ersten beiden Refrains, mittels Mehrspurtechnik, exklusiv aus Williamsʼ Performance besteht und in den letzten beiden Hooks durch das Backgroundensemble Erweiterung findet. Der viertaktig wiederkehrende Auftakt des ausschließlich von Williams aufgeführten Chores ist mehrstimmig in unisono eingesun-
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gen und hat die Klangeigenschaften der Bruststimme, während seine jeweils darauf folgende vierstimmige Chorlinie in den oberen Tönen die Merkmale des Kopfgesangs, in den unteren Tönen die Eigenheiten des Brustgesangs besitzt. Im Gegensatz dazu ist der zusätzliche Chorgesang des Backgroundensembles in den letzten beiden Refrains durch das offene Timbre des Brustgesangs gekennzeichnet und integriert den viertaktig wiederkehrenden Auftakt gleichermaßen in unisono. Die Singstimmen aller an der Musikaufnahme beteiligten Künstler, inklusive Williams, bewegen sich ausschließlich in der Altlage. Im Vergleich zur geringen tontechnischen Einflussnahme in der Mischung des Playbacks weisen die Gesangsstimmen der Musikaufnahme eine verstärkte Nachbearbeitung auf. Pharrells Lead-Vocals wurden bei der Abmischung des Songs mit insgesamt drei seriell verschalteten digitalen Dynamikprozessoren, zwei Kompressoren zur Erzeugung eines gleichbleibend hohen Energieniveaus und einem Limiter (ein Kompressor mit einer hohen Ratio und sehr kurzer Ansprechzeit) zur Erhöhung der Präsenz, sowie je einem digitalen Equalizer zur frequenzselektiven Modifikation und einem De-Esser zur Abschwächung allzu energiereicher Sibilanten in Form gebracht.95 Abgesehen vom Einsatz eines zusätzlichen EQs sowie eines digitalen Prozessors zur realitätsgetreuen automatisierten Tonhöhenkorrektur, der keine hörbaren künstlichen Artefakte im Mix erzeugt hat, wurde Williamsʼ mehrstimmiger Backgroundgesang mit derselben seriellen Verschaltung digitaler Plugins bearbeitet.96 Der gesamte Gesang des Künstlers wurde zudem über Aux-Kanäle mit einem deutlichen Nachhall versehen, der die akustischen Eigenschaften eines großen Raumes und eine hohe klangliche Transparenz besitzt, sowie mit zwei sehr subtil zugemischten Delays (Echos) ausgestattet, die synchron zum Tempo des Songs mit abgeschnittenem tiefem Frequenzbereich jeweils auf die erste, zweite und vierte Viertelnote nach dem Eingangssignal auftreten.97 Im Mix sollten die bassfreien Delays wie ein Flüstern aus großer Entfernung wirken und das Gehirn der Hörer beschäftigen, ohne dass sich diese dessen bewusst sein sollten, erklärt der Mix-Engineer Brathwaite.98 Mit ihrer Positionierung außerhalb der Mitte der Stereobasis – das erste verzögerte Signal ist leicht nach rechts verschoben, die anderen beiden Echos sind weit links lokalisiert – tragen die Delays außerdem zum Stereobild der Musikaufnahme bei. Gleichwohl werden sie in der Gesamtmischung des Songs weitestgehend von anderen Elementen verdeckt und sind, ausgenommen ihre alleinstehende Positionierung am Ende des Titels, demgemäß nur an denjenigen Stellen der Aufnahme eindeutig wahrnehmbar, die eine geringe klangliche Dichte aufweisen. Die melodieführende und mit hoher Aussteuerung in die Mischung des Songs integrierte Hauptgesangslinie des Künstlers ist in der Mitte der Stereoabbildung platziert und füllt mit ihrem künstlichen Nachhall das räumliche Stereobild. Sie besitzt die höchsten Energieanteile in ihren Grundtönen sowie den ersten beiden Obertönen und insgesamt hohe Pegel im Frequenzspektrum zwischen 1 und 3 kHz sowie dem Bereich zwischen etwa 6 und 12 kHz, die, neben der mehrfachen Kompression, entscheidend zu ihrer Prägnanz im Mix beitragen und frequenzselektiv mittels Equalizern verstärkt wurden.
95 96 97 98
Vgl. Tingen (2014). Vgl. Tingen (2014). Vgl. Tingen (2014). Vgl. Tingen (2014).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
Der mehrstimmige Backgroundchor Pharrells ist dagegen vor allem von einer hohen Energie in den Grundtönen und dem Frequenzbereich zwischen 2 und 3 kHz gekennzeichnet und kollektiv mit einer, im Verhältnis zu den Lead-Vocals, geringeren Aussteuerung in den Mix von Happy eingepasst. Im Zentrum der Stereobasis befindet sich ein dreistimmiger Chor des Künstlers, der die Kadenz der Chorusse des Songs ohne melodische Verzierungen aufführt, indessen an den äußeren Rändern der stereofonen Abbildung jeweils vierstimmige von Williams eingesungene Chöre positioniert sind, welche die Kadenz um ein melodisches Motiv erweitern. Alle Backgroundstimmen Pharrells wurden, obschon in hörbar geringerem Ausmaß, in der Mischung der Musikaufnahme mit demselben künstlichen Nachhall und den Delays versehen, die auch seiner Hauptgesangslinie zugemischt sind.99 Williamsʼ Backgroundgesang besitzt einen homogenen Klangcharakter, der von einer stark bearbeiteten Dynamik, hohen Präsenz und, relativ zur Hauptgesanglinie betrachtet, geringeren Transparenz respektive Brillanz geprägt ist. Infolge ihrer Verteilung über die Stereobasis, die hohe Stimmenanzahl und ihre künstlich erzeugten raumakustischen Anteile verleihen Pharrells Backgroundvocals den Chorussen der Musikaufnahme eine räumliche Ausdehnung, die einen starken Kontrast zum schmalen Stereobild und der geringen Räumlichkeit in den Strophen des Songs bildet. Die Polarität der verschiedenen Teile der Musikaufnahme wird von der gegensätzlichen klanglichen Dichte einerseits der Strophen und BreakdownTeile, andererseits der Refrains des Titels verstärkt: Während die Chorusse, mit kontinuierlich spielenden Harmonie- und Melodieinstrumenten, dauerhaft inszeniertem Backgroundchor und durchgehender Hauptgesangsstimme, eine hohe klangliche Dichte aufweisen, verfügen die Breakdown-Parts, in denen weder Bassgitarre noch E-Piano auftreten, und die Strophen, die den Backgroundchor wie auch die Harmonie- und Melodieinstrumente nur minimalistisch einbeziehen, über große Freiräume in der stereofonen Abbildung, der Energieverteilung über das hörbare Frequenzspektrum sowie der räumlichen Ausdehnung. Durch die Einbindung des erweiterten Backgroundchores in den letzten beiden Refrains von Happy wird der wahrgenommene räumliche Umfang und das klangliche Volumen der Aufnahme in diesen Liedteilen zusätzlich erweitert und die beschriebene Opposition weiterhin intensiviert. Der weibliche Chor singt dabei dieselbe vierstimmige Kadenz mit melodischem Motiv, die in den Seitenkanälen der Aufnahme von Williams aufgeführt wird, der männliche Chor eine einstimmige melodische Sequenz in der Harmonik der Kadenz. Die Stimmen der Backgroundsängerinnen sind in den Chorussen über die gesamte Breite der Stereobasis verteilt, und besitzen in den Seitenkanälen höhere Energieanteile, als dies im Mittenkanal der Aufnahme der Fall ist – sie sind also verstärkt in den äußeren Bereichen der Abbildungsbasis hörbar. Im Vergleich dazu ist der männliche Backgroundchor, mit seiner verschwindend geringen Energie im Mittenkanal der Aufnahme, noch deutlicher an den Rändern der Stereobasis positioniert. Alle Einzelspuren der Backgroundchorsektion exklusive Williams wurden im Mix jeweils mit einem Kompressor, einem De-Esser, einem Equalizer, die als Plugins eingeschliffen wurden, sowie einem digitalen Prozessor zur automatisierten Tonhöhenkorrektur bearbeitet.100 Ausgenom99 Vgl. Tingen (2014). 100 Vgl. Tingen (2014).
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men drei gleichartige und einstimmige »Yeah«-Einwürfe des weiblichen Backgroundchores in der zweiten Strophe des Songs, ist die Backgroundchorsektion (ohne Pharrell) nicht mit künstlichem Nachhall ausgestaltet worden. Verglichen mit den erheblich bearbeiteten Vocals von Pharrell besitzen die Stimmen des Backgroundgesangsensembles ein weitestgehend natürliches und homogenes Klangbild, das den Backgroundchor zu einer klanglichen Einheit verschmelzen und die individuellen Stimmeigenschaften der Performer, vor allem durch starke Verdeckungseffekte, in den Hintergrund treten lässt. Angesichts der Größe des Backgroundchores, der hohen eingesetzten Stimmenanzahl sowie der hohen Aussteuerungspegel des Chorgesangs im Mix verlieren die Backgroundstimmen Pharrells in den letzten beiden Chorussen gleicherweise ihre Prägnanz und gehen im Gesamtchor auf. Bei der Mischung des Songs sei es eine grundlegende Idee gewesen, den Backgroundvocals einen dermaßen übereinstimmenden Sound zu verleihen, sodass sie nahezu nach nur einem Musikinstrument klängen, erläutert Brathwaite.101 Neben der harmonischen Kadenz in den letzten beiden Refrains der Musikaufnahme und den bereits beschriebenen »Yeah«s führen die Backgroundsängerinnen in den Breakdown-Teilen des Songs eine melodische Sequenz auf, wohingegen die Backgroundsänger ausschließlich in den beschriebenen Chorussen auftreten. Die Positionierung der Sängerinnen auf der Stereobasis und die Lautstärke der Stimmen entsprechen dabei der oben beschriebenen Lokalisierung und den Pegeln des weiblichen Chores in den Refrains des Stücks. Mit ihrer konstitutiv dominanten Platzierung in der Gesamtmischung und elementaren Bedeutung für die Harmonik und Melodik des Songs sind die Vocals das nachhaltig prägende Element von Happy. Die klanglichen Qualitäten des vollständig in-thebox,102 also ausschließlich unter Verwendung digitaler Software-Tools auf einem Rechner, hergestellten Mixes verleihen der Musikaufnahme einen demoartigen Charakter: Ihr Sound erinnert weniger an das zumeist differenzierte Klangbild gängiger populärer Musikproduktionen auf den oberen Positionen der Charts, als vielmehr an das weniger ausgefeilte Timbre von Roughmixes, die zu Demonstrationszwecken und nicht für die Veröffentlichung auf dem Musikmarkt hergestellt werden. Zu diesem Höreindruck tragen gleichermaßen die verhältnismäßig geringe tontechnische Nachbearbeitung des Playbacks sowie dessen, das Händeklatschen nicht inbegriffen, vergleichsweise schmales und räumlich schwach ausgeprägtes Stereobild, das mit erheblichen Maskierungseffekten einhergehende bescheidene Durchsetzungsvermögen der einzelnen Instrumente und Hintergrundstimmen sowie die relativ zurückhaltend ausgebildete Brillanz und Transparenz der Gesamtmischung des Songs bei. Demgegenüber ist der mittels graduell hoher tontechnischer Einflussnahme erzeugte Klangcharakter der Stimmen Pharrells eher mit dem Vocal-Sound kontemporärer populärer Musikproduktionen vergleichbar. In Übereinstimmung mit seiner tendenziell puristischen Herangehensweise hat Brathwaite die Stereosumme der Aufnahme im Rahmen der digitalen Mischsession mit einem Equalizer, der ausschließlich zur Pegeländerung einer spezifischen hohen Frequenz eingesetzt wurde, und einem oberhalb von 1 kHz aktiven psychoakustischen Prozessor zur Erhöhung der wahrgenommenen Helligkeit und Präsenz nur geringfügig 101 Vgl. Tingen (2014). 102 Vgl. Tingen (2014).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
bearbeitet.103 Wenngleich aufgrund mangelhafter Quellenlage nicht eindeutig feststellbar, legt die hohe Korrelation der subjektiven Hörempfindung mit den ausführlichen Angaben Brathwaites zur Mischung des Songs nahe, dass die veröffentlichte Musikaufnahme im abschließenden Mastering, ausgenommen die lautheitsbezogene Dynamikbearbeitung, kaum weiterführend modifiziert wurde. Bei einer nach der EBU-Empfehlung R128 ermittelten durchschnittlichen Programmlautheit von -9,5 LUFS (Loudness Units bezogen auf digitale Vollaussteuerung) besitzt die Musikaufnahme von Happy eine hohe Lautheit. Sie ist damit zwar deutlich leiser, als die beispielsweise in Veröffentlichungen aus dem Bereich der Electronic Dance Music (EDM) regelmäßig auftretenden extremen durchschnittlichen Lautheitswerte von bis zu -4 LUFS (EBU-R128), gleichzeitig aber eindringlich lauter, als die, von den verschiedenen Streaminganbietern zur Ausspielung von Musik individuell definierten, Lautheitswerte nach der EBU-R128-Empfehlung. So spielt etwa Spotify seine Streams mit einer mittleren Lautheit von -14 LUFS aus, wohingegen der auditive Anteil von YouTube-Videos auf einen Zielwert von -13 LUFS eingepegelt wird.104 Zur Erreichung einer gemittelten Ausgabelautheit von -14 LUFS wird die Aufnahme von Happy bei einem Streamingvorgang auf Spotify folglich um 4,5 dBFS im Pegel abgesenkt. Um eine der EBU-Empfehlung R128 für Hörfunk- und Fernsehprogramme entsprechende durchschnittliche Lautheit von -23 LUFS ± 1 LU zu erzielen, die von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern in Deutschland, teilweise auch den terrestrischen Radiostationen, für ihre Tonausgabe genutzt wird, müsste die Musikaufnahme um 13,5 dBFS im Pegel abgesenkt werden.105 Die hohe Lautheit der Aufnahme impliziert eine ähnlich starke Pegelabsenkung bei der Synchronisation des Zusammenschnitts von Happy im Kinofilm Despicable Me 2 – sie liegt weit jenseits jeglicher Lautheitsstandards für den Ton in Kinofilmen.106 Hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Wiedergabe in branchenüblichen Umgebungen muss der Pegel der Musikaufnahme des Songs demgemäß verringert werden. Trotz der offenbar geringen Zweckmäßigkeit einer derartig starken Kompression der Musikaufnahme zur Erhöhung ihrer Lautheit, die unausweichlich auf dem Einsatz eines oder mehrerer Limiter beruht, reflektieren Kompressionsgrad und Lautheit von Happy weitestgehend die gängige Praxis in gegenwärtigen Musikproduktionen. Die klanglichen Auswirkungen intensiver Dynamikbearbeitung mit Limitern, die vor allem durch den Verlust von Transienten impulshafter Signalanteile, Verzerrungen im hochfrequenten Spektrum, eine erhöhte Lautheit und klangliche Verdichtung charakterisiert werden, haben sich, infolge ihrer Allgegenwärtigkeit in populären Musikproduktionen des 21. Jahrhunderts, längst zu einem in die Hörgewohnheiten des globalen Publikums integrierten und sozialisierten Phänomen entwickelt, das eine normative Bedeutung für den soundästhetischen Status quo populärer Musik besitzt. Musikaufnahmen, welche die omnipräsent in kommerziell vertriebener populärer Musik vorherrschenden, oben beschriebenen, Klangeigenschaften, die den Sound professionell
103 104 105 106
Vgl. Tingen (2014). Vgl. Tépper (2018); vgl. Mastering The Mix (2016). Vgl. SWR (2019); vgl. EBU (2014). Vgl. Bonse (2013).
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hergestellter Popmusik folgerichtig definieren, nicht integrieren, stehen im direkten Widerspruch zu den auditiven Erwartungen insbesondere der jungen Hörerschaft an populäre Musik und referenzieren in der öffentlichen Wahrnehmung indirekt auf Amateurhaftigkeit. Mit dem im zeitlichen Verlauf der Aufnahme quasi stationären Spitzenpegel von -0,3 dBFS, der den Ausgangspegel des in der seriellen Masteringbearbeitungskette letzten Limiters darstellt, und der durchschnittlichen Lautheit von -9,5 LUFS besitzt Happy in hohem Maße den charakteristisch komprimierten Sound moderner populärer Musikproduktionen und entspricht demnach signifikant den diesbezüglichen Publikumserwartungen. Die klangästhetischen Artefakte der ausgeprägten Kompression via Limiter sind erwartungsgemäß in denjenigen Teilen der Musikaufnahme am deutlichsten wahrnehmbar, die ohnehin die graduell höchste Lautheit innerhalb des Songs aufweisen: den Chorussen. Sie sind durch eine prägnante klangliche Verdichtung geprägt, die mit einem immensen Transientenverlust einhergeht, der etwa das Durchsetzungsvermögen von Bass- und Snaredrum im Mix minimiert, und beinhalten hörbare Verzerrungen im oberen Frequenzbereich. Der angenäherte mittlere Abstand zwischen gemessenen Spitzenpegeln und RMS-Pegeln, der ein Maß für die Dynamik einer Musikaufnahme darstellt, bewegt sich in den ersten beiden Chorussen des Stücks zwischen etwa 11 und 12 dBFS, in den letzten beiden Refrains in einem Rahmen von ca. 10 und 11,5 dBFS. Im Gegensatz dazu befindet sich diese Distanz in den Strophen von Happy durchschnittlich in einem Bereich von ungefähr 13 bis 15 dBFS. Die BreakdownTeile des Titels weisen einen approximierten durchschnittlichen Abstand von Spitzenzu RMS-Pegeln zwischen ungefähr 12 und 15 dBFS auf. Dementsprechend besitzen die Strophen und Brekadown-Parts eine erhöhte Dynamik und geringere klangliche Dichte, als die Chorusse der Musikaufnahme.
8.2.2
Formaler Aufbau und strukturelle Aspekte
Die digital veröffentlichte Aufnahme des im 4/4-Takt komponierten Songs besitzt eine Länge von 3:53:305 (m:s:ms) und mit 160 BPM (Beats per minute, Viertelnoten pro Minute) ein hohes Tempo. Abzüglich der etwa 1,5 Sekunden andauernden Stille am Ende der Musikaufnahme umfasst das tatsächliche Programmaterial eine Spieldauer von etwas weniger als 3 Minuten und 52 Sekunden. Somit besteht Happy aus annähernd 154,5 4/4-Takten, die, ausgenommen das 1-taktige Mini-Intro und den 1,5 Takte andauernden, in Form einer Delayfahne gestalteten Schlusspunkt der Aufnahme, in 8-, 16und 32-taktige Segmente aufgeteilt sind (vgl. Abb. 10). Im Hinblick auf eine verbesserte Nachvollziehbarkeit und Anschaulichkeit dieses zeitlichen Schemas wurde das eintaktige Mini-Intro (MI), gemäß seiner prologartigen Funktion, in Abbildung 10 unmittelbar vor den ersten Takt platziert, der folgerichtig den Beginn der ersten Strophe, des ersten 16-taktigen Segments, der Musikaufnahme markiert. Alle im Folgenden erwähnten Taktzahlen beziehen sich, sofern nicht anderweitig ausgewiesen, auf diese zeitliche Einteilung des Titels, die konsequenterweise nach dem zweiten Grundschlag des 154. Taktes endet. Die vier gleichartigen und auf die betonten Zählzeiten gesetzten Schläge des MiniIntros, die neben geschlossener Hi-Hat die Bassdrum und einen auf dem Rhodes-Piano gespielten F7> -Akkord integrieren, werden im Englischsprachigen als Stabs bezeichnet
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
Abb. 10: Formaler Aufbau Happy (Zeitachse: Takte)
und können als harmonische Vorzähler interpretiert werden, die gleichermaßen Tempo und tonales Zentrum des Songs vorwegnehmen. Das kurze Delay-Outro (DL) besteht dagegen ausschließlich aus dem oben beschriebenen, hochpassgefilterten Echo, das mittels eines vokalen »Come On«-Einwurfs auf der vierten Zählzeit des 152. Taktes ausgelöst wird und eineinhalb Takte lang hörbar ist. Unter Ausschluss der harmonischen Vorzähler sowie des kurzen Echo-Schlusspunktes ist die Aufnahme von Happy formal aus drei verschiedenen Teilen zusammengesetzt, die im zeitlichen Verlauf des Titels in unterschiedlich ausgeprägten Variationsgraden wiederholt werden. Die beiden, mit dem identischen Playback ausgestatteten, sechzehntaktigen Strophen des Songs differieren ausschließlich in Text und Melodik der Hauptgesangslinie Pharrells sowie drei mehrstimmig unisono vorgetragenen »Yeah«s des weiblichen Backgroundchores, die in einem viertaktigen Schema jeweils auf der vierten Zählzeit des 36., 40. und 44. Taktes in Strophe II auftreten. Demgegenüber trägt Pharrells melodieführende Stimme in allen Chorussen des Titels denselben sechzehntaktig aufgebauten Text vor, der in den 32-taktigen Chorussen III und IV demgemäß zweimalig wiedergegeben wird. In Bezug auf den jeweils vorherigen Chorus kommt es in den Refrains der Musikaufnahme zu minimalen zeitlichen Verschiebungen verschiedener Instrumentengruppen zueinander, die bei einer Abtastrate von 44,1 kHz zwei oder vier Abtastzeitpunkte, also 1/22050 Sekunde beziehungsweise 1/11025 Sekunde, betragen, und damit keine hörbare Wirkung besitzen. Diese Zeitdifferenzen sind mutmaßlich durch die ungenaue Platzierung von Kopien der digitalen Refrain-Einzelspuren des Arrangements im jeweils nachfolgenden Chorus entstanden und werden in der weiteren Analyse der Musikaufnahme, aufgrund ihrer nicht wahrnehmbaren Wirkung, nicht berücksichtigt. Insofern sind Chorus I und Chorus II des Songs, abgesehen von Adlibs der Hauptstimme, die am Ende des zweiten Refrains in den Takten 62 und 64 hinzukommen, identisch. Bei gleichbleibender viertaktiger Kadenz integriert der Hintergrundchor des dritten Refrains, als Erweiterung des
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exklusiv von Williams performten Hintergrundgesangs der ersten beiden Chorusse, erstmals das gesamte an der Musikaufnahme beteiligte Backgroundgesangsensemble. Ein weiterer Unterschied zwischen den ersten beiden Chorussen des Songs und dessen drittem Refrain liegt in zwei kurzen Wechselnoten, die der im E-Piano aufgeführten viertaktigen Kadenz einen geringfügig melodiehaften Charakter verleihen. Darüber hinaus sind es leidglich die Melodie und das Timbre der Hauptgesangslinie zu Beginn der Wiederholung des sechzehntaktig vorgetragenen Textes, die vier Takte lang (Takt 97 bis 100) eine im Vergleich zu den vorherigen Chorussen andersartige Gestalt besitzen. Die im zweiten Chorus eingeführten Adlibs erscheinen in kongruenter Ausprägung und rhythmischer Platzierung am Ende des 32-taktigen dritten Refrains. Der vierte und letzte Chorus ist im Hinblick auf Playback und Backgroundchor deckungsgleich mit dem dritten Refrain des Titels. Während die zweifach aufgeführte sechzehntaktige Hauptgesangslinie im 32 Takte umfassenden letzten Refrain weitestgehend deren Verlauf in Chorus I und II entspricht – sie wird einzig in den Takten 132 und 148 durch euphorisiert anmutende, harmonische »Ey-ey-ey«- respektive »Hey-hey«-Ausrufe ergänzt und in ihren finalen Phrasen des 132., 147. und 148. sowie 151. Taktes moduliert – ist es vor allem die verstärkt von Brustresonanzen geprägte Klangfarbe der melodieführenden Stimme, die einen Unterschied zu den anderen Chorussen der Aufnahme darstellt. Die in der Mischung der Musikaufnahme mit dem Beginn des dritten Refrains in Takt 81 einsetzende und bis zum Ende derselben gleichbleibende Pegelerhöhung der Hauptgesangsstimme um etwa 1,2 dBFS markiert eine globale Veränderung des Titels über die Zeit, die Pharrells melodieführendem Gesang ein erhöhtes Durchsetzungsvermögen in den infolge des vergrößerten Backgroundchores klanglich verdichteten letzten beiden Chorussen verschafft, die allgemeine Lautheit und Präsenz des Songs steigert und den Eindruck einer insgesamt gestiegenen Intensität der Aufnahme ab Takt 81 verstärkt. Gleichzeitig konsolidiert die Pegelerhöhung der melodieführenden Stimme den Kontrast zwischen dem klanglich weniger dichten und vergleichsweise leiseren ersten Breakdown-Teil, in dem keine Harmonie- respektive Melodieinstrumente vorkommen und das primäre Drumset durch die zweite Kickdrum substituiert wird, und dem dritten Chorus der Aufnahme. Der erste Breakdown-Teil des Titels (Takt 65 bis 80) besteht aus zwei achttaktigen Sequenzen, die sich in erster Linie im weiblichen Hintergrundgesang unterscheiden. Bei übereinstimmender Gesangslinie Pharrells und identischen Adlibs weicht das Playback der zweiten Sequenz ausschließlich durch einen Break im letzten Takt vor dem darauffolgenden Chorus vom Playback der ersten Sequenz des Breakdowns ab, der durch schlichte Auslassung des rhythmischen Motivs der Kickdrum und Percussion nach der ersten Zählzeit in Takt 80 erzeugt wird und ebenbeschriebene Opposition zusätzlich intensiviert hervortreten lässt. Der zweite Breakdown-Teil des Songs (Takt 113 bis 120) verkörpert eine Wiederholung der zweiten achttaktigen Sequenz des ersten Breakdowns, deren ansonsten deckungsgleiche Beschaffenheit exklusiv im erhöhten Pegel der melodieführenden Stimme des zweiten Breakdown-Teils divergiert. In ihrer einfachen dreiteiligen Form besitzt die Musikaufnahme einen ausgeprägt repetitiven Charakter, der durch die oben beschriebenen Veränderungen innerhalb der wiederholt auftretenden Sinneinheiten abgeschwächt wird. Mit seiner 16-taktig wie-
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derkehrenden Form sowie einem 96 Takte umfassenden vergleichsweise sehr hohen Anteil von mehr als 62 % an der Gesamtspielzeit der Aufnahme nimmt der, maßgeblich durch den vielstimmigen Chorgesang gekennzeichnete, Refrain eine autoritative Funktion innerhalb des Songs ein. Es ist auffällig, dass der Song, in Abwesenheit eines ausgiebigen Intros, quasi unmittelbar mit der ersten Strophe beginnt und der erste Chorus bereits nach etwas weniger als 25 Sekunden Spieldauer mit einem Auftakt in Takt 16 eröffnet wird. Die anfänglich alternierende Strophen-Chorus-Form des Arrangements der Musikaufnahme wird, mittels des in Takt 65 einsetzenden ersten Breakdown-Teils, nach dem Ende des zweiten Refrains schematisch und inhaltlich durchbrochen. Gleichzeitig enden die im Song aus der Ich-Perspektive erzählten und im Wesentlichen den persönlichen Glückszustand schildernden Ausführungen mit dem Schlusspunkt der zweiten Strophe in Takt 48 – in den Breakdown-Teilen der Aufnahme wiederholt Williams als Ich-Erzähler lediglich die Aussage, es könne ihn nichts von seinem emotionalen Hoch herunterholen, da die Liebe des Gegenübers dafür zu groß sei.107 Unter Ausschluss dieser fragmentarischen lyrischen Progression findet nach weniger als einem Drittel der Spieldauer des Titels folglich keine textliche Weiterentwicklung mehr statt und die gesungenen Inhalte wiederholen bereits Gehörtes. Darüber hinaus nimmt die repetitive Qualität der Musikaufnahme mit fortschreitender Dauer zu: Die schematische Struktur des Songs besteht nach Takt 72 allein aus der zweiten achttaktigen Sequenz des ersten Breakdown-Teiles und zweier nahtlos aneinander anschließender sechzehntaktiger Chorusse, die in der Folge wiederholt werden und damit den in Takt 81 auftretenden Klimax reproduzieren. Mit der seriellen Verdoppelung des sechzehntaktigen Refrains erlangen die beiden Chorusse im zweiten Teil der Musikaufnahme eine Dauer von jeweils 32 Takten und nehmen damit einen Anteil von mehr als 80 % der Spieldauer der zweiten Hälfte des Titels ein.
8.2.3
Rhythmik
Die Rhythmik der Musikaufnahme ist vorwiegend durch das Zusammenspiel eines mit dem primären Drumset und der Bongo aufgeführten eintaktigen Motives und einer parallel dazu verlaufenden zweitaktigen Figur der Congas geprägt. Im zeitlichen Verlauf des Titels wird die dauerhafte Wiederholung dieser rhythmischen Sequenz ausschließlich in den Breakdown-Teilen unterbrochen. Ihre in Abbildung 11 notentextlich dargestellte Grundform, wie sie in den Strophen der Aufnahme zum Einsatz kommt, wird in den Chorussen des Songs durch ein achttaktig wiederkehrendes rhythmisches Motiv mehrstimmigen Händeklatschens und eine viertaktig wiederholte Basslinie mit markanter rhythmischer Funktionalität erweitert. Die rhythmische Basissequenz ist zunächst von auf den Grundschlägen liegenden Hi-Hats – geschlossene Hi-Hats auf der ersten, zweiten und vierten Zählzeit, offene Hi-Hat auf der dritten Zählzeit – und einer auf den zweiten und vierten Zählzeiten angeschlagenen Snaredrum, die auf der
107 Im Widerspruch zur offiziellen Klavierpartitur des Songs, die den Text an den entsprechenden Stellen mit »My love is too high« kennzeichnet, singt Williams in der Musikaufnahme unmissverständlich »Your love is too high«. Vgl. Williams (2013).
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zweiten Viertelnote von der Bongo gedoppelt wird, gekennzeichnet. Das so entstehende starre eintaktige Muster wird durch die synkopiert pulsierende rhythmische Figur der Bassdrum aufgebrochen, die, im Anschluss an ihren betonten Schlag auf der ersten Zählzeit, zwischen den Grundschlägen auf der vierten, sechsten und achten Achtelnote des 4/4-Taktes auftritt und damit eine ausgeprägte Offbeat-Akzentuierung besitzt.
Abb. 11: Rhythmische Basissequenz Happy
Mit ihren jeweils auf dem vierten Grundschlag und der darauf folgenden Achtelnote platzierten Anschlägen stärken die Congas den beschleunigenden Effekt der Bassdrumschläge und tragen durch ihr mittels alternierender Tonhöhe erzeugtes zweitaktiges Muster zudem dazu bei, den repetitiv-monotonen Charakter der ansonsten eintaktigen rhythmischen Sequenz abzuschwächen. Weiterhin sind es die für die gesamte Rhythmussektion der Musikaufnahme kennzeichnenden, im primären Drumset viertaktig widerkehrenden, minimalen zeitlichen Abweichungen der Schlagpositionen von ihrer auf die Notenwerte des 4/4-Taktes bei 160 BPM bezogenen Ideallage, die der rhythmischen Gleichförmigkeit entgegenwirken. Die vielfach als Groove bezeichneten Schwankungen im Mikrotimingbereich der Schlagwerksektion reflektieren die unverfälschte und naturgemäß fehlerbehaftete Spielweise der Rhythmusinstrumente durch den ausübenden Künstler Williams und erhöhen damit auf subtile Weise den in der Mischung erzeugten organischen Charakter der Musikaufnahme. Demgegenüber existieren im Betonungsgefüge der rhythmischen Basissequenz kaum Schwankungen: Trotz der offenbar viertaktigen Performance im primären Drumset besitzen die einzelnen Schläge der Hi-Hat, Snaredrum und Bassdrum I, wie auch die individuellen Perkussionsschläge, eine durchgehend homogene Beschaffenheit in Bezug auf ihre Lautheit und Einschwingphasen. Die Sequenz des Drumsets ist dauerhaft stark betont, wohingegen die Figur der Percussion eine beständig geringe Intensität aufweist. So erzeugt die maskierte Bongo allein eine geringfügige
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Modulation des Timbres der Snaredrumschläge auf der jeweils zweiten Zählzeit und vermindert auf diese zurückhaltende Weise zusätzlich den Eindruck einer schablonenhaften Rhythmik. Es ist einerseits das in der rhythmischen Grundsequenz einmalige Auftreten von Bassdrum und Hi-Hat zur gleichen Zählzeit, andererseits die konstante Aussparung des Schlages auf der taktweise zweiten Achtelnote, die dem eintaktig wiederkehrend kontinuierlichen ersten Grundschlag eine im Verhältnis erhöhte Akzentuierung respektive Betonung verleiht und in seiner Funktionalität als zeitbezogenen Ankerpunkt in Erscheinung treten lässt. Neben dem gleichermaßen singulären Auftreten der offenen Hi-Hat ist es deren vergleichsweise gesteigerte klangfarbliche Intensität sowie die schlichte Länge ihres Notenwertes, die der taktbezogen jeweils dritten Zählzeit ein verhältnismäßig gesteigertes Gewicht im rhythmischen Betonungsmuster der Basissequenz verschafft. In ihrer Verknüpfung mit relativ langen Notenwerten entwickeln die Akzentuierungen der ersten und dritten Zählzeiten eine verlangsamende Wirkung, die eine Interpretation des Tempos der Musikaufnahme auf halbierte 80 BPM begünstigen, in der die zweitaktige Rhythmussequenz in ein eintaktiges Motiv mit entsprechend halbierten Notenwerten umgedeutet wird: Die dritte Zählzeit des ersten Taktes wird zum zweiten, die erste Zählzeit des zweiten Taktes zum dritten und die dritte Zählzeit des zweiten Taktes zum vierten Grundschlag umfunktioniert. Im Gegensatz dazu besitzen die synkopische Figur der Bassdrum und die Achtelphrase der Congas einen beschleunigenden Effekt, der eine Interpretation des Songtempos auf 160 BPM fördert. In ebendieser rhythmischen Ambivalenz liegt eine wesentliche Ursache für die Aussage des Werbemusikexperten von dem Bussche, Happy ermögliche es dem Hörer, sich wahlweise schnell oder langsam zur Musik zu bewegen.108 Die gleichbleibende rhythmische Basissequenz wird in den Chorussen des Titels mittels einer achttaktigen Figur in den Handclaps und einer viertaktig wiederkehrenden Basslinie weiterentwickelt. Das Händeklatschen doppelt und maskiert dabei kontinuierlich die Snaredrumschläge auf den ersten und dritten Zählzeiten, verdeckt damit überdies die Bongo auf den zweiten Zählzeiten und imitiert gleichzeitig fragmentarisch das synkopische Bassdrummotiv (vgl. Abb. 12). Das Händeklatschen ist lückenlos mehrstimmig und variiert in den Einzelschlägen der achttaktigen Sequenz in Klangfarbe, Timing und Akzentuierung. Im Vergleich zu den ausschließlich aus körperlichem Klatschen bestehenden Live-Claps besitzen die künstlichen Synth-Claps ein gleichbleibendes Timbre, das eine ausgeprägte Räumlichkeit einbezieht und eine deutlich stärkere Betonung innerhalb der rhythmischen Sequenz herstellt. Das insgesamt heterogene Timbre und die differenzierte Akzentuierung der einzelnen Handclapschläge entsteht folgerichtig vor allem durch die andauernde Verwertung physischen Händeklatschens, das naturgemäß klangliche, zeitliche und intensitätsbezogene Schwankungen zwischen den individuellen Schlägen impliziert. Die achttaktig periodisch auftretenden Veränderungen im Mikrotiming der mehrstimmigen Handclapschläge führen zudem zu einem uneinheitlichen Transientengefüge, das von wahrnehmbar zeitlich versetzten Anschlägen bis hin zu in einer Wahrnehmungseinheit verschmolzenen Einschwingvorgängen reicht. Angesichts ihres achttaktigen Schemas mit klangfarblich und timingbezogen abwechslungsreicher Binnenstruktur weichen die Handclaps in den Chorussen 108 Interview: Bussche (2018).
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der Musikaufnahme das unbewegliche Schema der rhythmischen Basissequenz weiter auf und stärken damit den Eindruck einer organischen Rhythmussektion.
Abb. 12: Rhythmussektion Chorusse Happy
Der viertaktige und, abgesehen von seiner Endnote fʼ, in staccato eingespielte Basslauf verhält sich rhythmisch komplementär zur Bassdrum: Bei teilweiser Nachbildung des synkopischen Kickdrummotivs erweitert er selbiges um Achtel- und Viertelnoten, die zwischen den Schlägen der Bassdrum liegen. Die rhythmisch implementierte Bin-
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dung zwischen Bassdrum und Basslinie wird von den konsonanten Intervallen zwischen der auf das F gestimmten Bassdrum und den Tonhöhen der Basssequenz auf den schweren Zählzeiten zusätzlich gefestigt, die im ersten Takt eine kleine Sexte betragen, im zweiten und dritten Takt eine reine Quinte darstellen und im vierten Takt, in Form einer Oktave, ein Höchstmaß an Zusammengehörigkeit erzeugen. In Bezug auf die Ausgangstöne der vier Takte strebt der Bass zur jeweils auf der vierten betonten Zählzeit auftretenden Oktave, die eine rhythmische Phrase mit den sie unmittelbar umgebenden Schlägen der Bassdrum bildet. Während diese Bassdrumschläge im ersten und dritten Takt der Sequenz von der Bassgitarre gedoppelt werden, enden der zweite und vierte Takt der Basslinie auf der entsprechenden Oktave, die als Viertelnote auf dem vierten Grundschlag ausgeführt wird. Die Achtelphrase am Ende des ersten und dritten Taktes der Basslinie führt über die reine Quinte und Oktave der taktweisen Ausgangstöne zum tonalen Zentrum der nachfolgenden Takte, das mit der Bassdrum auf der letzten Achtelnote der beiden Takte vorweggenommen wird. Der grundlegend beschleunigende Charakter der rhythmischen Figur in Bassdrum und Bassgitarre erreicht im vierten Takt der Sequenz, in dem Kickdrum und Bass ausschließlich auf der vierten Achtelnote gleichzeitig auftreten, die vollkommene Konsonanz zwischen den Instrumenten eine maximale Verschmelzung selbiger fördert und alle Achtelnotenwerte des Taktes, ausgenommen die dritte Achtel, alternierend von Bassgitarre und Bassdrum ausgefüllt werden, seinen wiederkehrenden Höhepunkt. Das rhythmische Motiv in den Chorussen der Musikaufnahme wird weiterhin von synkopierten Einwürfen und Wechselnoten in der Kadenz des Rhodes-Pianos unterstützt (s.u.). Das mittels Händeklatschen verwirklichte achttaktige rhythmische Schema der Schlagwerksektion in den Breakdown-Teilen des Titels integriert neben der oben beschriebenen zweitaktigen Perkussionssequenz die zweite synthetische Bassdrum, die das synkopierte eintaktige Motiv der ersten Bassdrum, unter Auslassung des Schlages auf der letzten Achtelnote, imitiert (vgl. Abb. 13). Im Gegensatz zur rhythmischen Sequenz der Chorusse von Happy involvieren die Breakdown-Teile ausschließlich körperliches Händeklatschen, das in einer erhöhten Anzahl von Stimmen vorgetragen eine vergrößerte Breite der Stereobasis abdeckt. Die Einzelschläge der wesenhaft synkopierten Achtelfiguren der Handclaps, die eine Erweiterung des Klatschmotivs aus den Chorussen darstellen, besitzen wiederum eine achttaktig wiederkehrend heterogene Beschaffenheit. Eine verstärkte Betonung der zweiten und vierten Zählzeiten innerhalb der rhythmischen Breakdown-Sequenz wird zunächst durch eine im Verhältnis zu den anderen Achtelnoten erhöhte Stimmenanzahl der Handclaps nahe des Zentrums der Stereoabbildung realisiert. In ihren graduell unterschiedlichen Intensitäten werden die Akzente des Händeklatschens auf den jeweils zweiten Zählzeiten von der Bongo, auf den jeweils vierten Grundschlägen von den Congas gestärkt. Die Abwesenheit des primären Drumsets und der fehlende Schlag der Kickdrum auf der taktweise letzten Achtelnote verschafft der Percussion in den Breakdown-Teilen der Aufnahme ein deutlich gesteigertes Durchsetzungsvermögen. Wenngleich die einzelnen Schläge der zweiten Bassdrum, der Congas und der Bongo ein- beziehungsweise zweitaktig wiederkehrende Schwankungen im Mikrotimingbereich aufweisen, bilden sie, aufgrund ihrer nahezu gleichbleibenden Klangfarben und Intensitäten, ein relativ starres rhythmisches Muster, das erneut durch das achttaktige Motiv des dominanten
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Abb. 13: Rhythmussektion Breakdown-Passagen Happy
Händeklatschens aufgebrochen wird. Ähnlich ihrer Gestalt in den Chorussen variieren die in Achtelnotenwerten mehrstimmig aufgeführten Einzelclaps in Timbre, Betonung und Positionierung und verleihen der Rhythmussektion der Breakdown-Teile des Songs somit eine natürlich erscheinende Komponente. Selbiges gilt für Pharrells mehrstimmige rhythmische Adlibs in den Breakdown-Teilen, die naturgetreue Schwankungen in Timbre, Timing und Akzentuierung aufweisen. Die vorwiegend aus »Uh«s und »Ha«s bestehenden vokalen Impulse sind in mehreren klanglichen Schichten übereinander angeordnet und führen neben verschiedenen, meist synkopierten, rhythmischen Achtelmotiven, die unaufdringlich in die Gesamtmischung eingefügt sind, freistehende, stärker betonte Ausrufe auf, die maßgeblich auf den Grundschlägen des 4/4-Taktes platziert sind. Einige der Adlibmotive sind durch diatonische Tonhöhenverläufe gekennzeichnet, indessen andere Figuren keine tonalen Qualitäten besitzen. Jeweils auf der zweiten Zählzeit des vierten und achten Taktes der achttaktig angelegten Adlibsequenz wird selbige zudem durch die Einwürfe »Say Whaaat?« (Takt 4) und »Let me tell you now« (Takt 8) ergänzt. Abgesehen von der Stärkung des organisch anmutenden Anteils der Rhythmussektion stützen die Adlibs die rhythmische Struktur und das ansonsten vergleichsweise gering ausgeprägte Klangvolumen der Breakdown-Teile des Songs. Sie
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können ferner funktional als Verzierungen und subtile Spielereien, als Gimmicks,109 interpretiert werden, die der Passage einen individuell abwechslungsreichen Charakter verleihen. Infolge der, in den anderen Songteilen konstant auf den Grundschlägen pulsierenden, fehlenden Snaredrum- und Hi-Hat-Schläge, der Absenz von Bassgitarre und Rhodes-Piano sowie der verhältnismäßig geringen Akzentuierung auf den zweiten und vierten Zählzeiten besitzt die rhythmische Sequenz der Breakdown-Teile des Titels einen vergleichsweise instabilen Charakter, der die bruchartige Qualität der BreakdownPassage im Gesamtgefüge der Musikaufnahme – die Opposition zwischen Chorussen und Breakdown-Parts – stärkt. Diese Polarität wird des Weiteren von der Unterbrechung der rhythmischen Sequenz intensiviert, die in Form der vollständigen Aussparung des Percussionmotivs und der Ausklammerung der Bassdrumschläge nach der ersten Zählzeit im jeweils letzten Takt der zweiten Sequenz des ersten Breakdown-Teiles und der zweiten Breakdown-Passage realisiert wurde. In ihrer Platzierung unmittelbar vor den Chorussen erhöhen die, im Gesamtverlauf der Musikaufnahme exklusiven, Breaks die Wirkung des Choruseinsatzes. In ihrer Gesamtheit betrachtet integriert die Rhythmusgruppe der Musikaufnahme von Happy zum einen Elemente, die eine hohe Korrelation zur nahezu ausschließlich analog und körperlich hergestellten Funk- und Soulmusik aus den Sechziger- und Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts besitzen, die ihrerseits vorwiegend aus den rhythmisch durch akzentuierte Offbeats gekennzeichneten afroamerikanischen Musikrichtungen Blues und Jazz und deren musikalischen Derivaten wie Rhythm’n’Blues oder Swing hervorgegangen ist,110 zum anderen Komponenten, die einen engen Bezug zu gegenwärtiger populärer Musik aufweisen. Während der mittels synkopischer Bassdrumfigur durchbrochene Rhythmus, die prinzipiellen Schwankungen in der grundschlagbezogenen Positionierung der einzelnen Schlagimpulse und vor allem das in Mikrotiming, Akzentuierung und Timbre organisch wirkende physische Händeklatschen afroamerikanischer Funk- und Soulmusik der oben genannten zeitlichen Periode nahestehen, sind der simple periodische ein- beziehungsweise zweitaktige Aufbau der rhythmischen Motive des primären Drumsets, der Perkussion und der zweiten Bassdrum sowie deren synthetisch homogene Beschaffenheit im Hinblick auf die konstante Intensität ihrer individuellen Schläge, wie auch der annähernd vollständige Verzicht auf rhythmische Breaks oder Drumfills, Kennzeichen kontemporärer populärer Musikproduktionen. Die infolge der schlichten Einfachheit und des ausgeprägt repetitiven Charakters der rhythmischen Sequenzen hergestellte leichte Verständlichkeit der Rhythmik wird in den Chorussen und Breakdown-Passagen des Songs von der Bassfigur und den Handclaps, respektive dem physischen Händeklatschen und den Adlibs, aufgebrochen und bezüglich Abwechslungsreichtum und Beweglichkeit angereichert. Mit ihrem hohen Tempo von 160 BPM besitzt die Musikaufnahme eine antreibende Qualität, die von der richtigen Mischung aus gleichbleibenden Impulsen auf den Zählzeiten und synkopierten Anschlägen zwischen den Grundschlägen verstärkt würde, wie die Musikwissenschaftlerin Maria Witek erläutert.111 In einer gemeinschaftlich mit wei-
109 Vgl. Hennion, S. 173. 110 Vgl. Roxikon (2011a); vgl. Roxikon (2011b); vgl. Gasser (2009). 111 Vgl. Doucleff (2014).
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teren Forschern weltweit durchgeführten Onlinestudie hat Witek den Zusammenhang von rhythmischer Komplexität, repräsentiert durch den Synkopierungsgrad der zeitlichen Struktur von synthetisch hergestellten Schlagzeugloops, und graduell erzeugtem Bewegungsdrang sowie wahrgenommenem Vergnügen untersucht und eine umgekehrt u-förmige Wechselbeziehung selbiger nachgewiesen.112 Es waren folgerichtig diejenigen rhythmischen Stimuli mit einem mittelhohen Synkopierungsgrad – die also gleichermaßen stetige Impulse auf den Grundschlägen und Akzente auf den Offbeats integrieren – die bei den Probanden der Studie gleichermaßen das höchste Vergnügen erzeugten und den größten Bewegungsdrang auslösten.113 Williamsʼ Happy sei ein sehr gutes Beispiel für einen Song, der das diesbezüglich optimale rhythmische Komplexitätsgefüge aufweise, erklärt Witek.114 Die Musikaufnahme integriere neben vorhersehbaren Schlägen das richtige Maß komplexerer synkopierter rhythmischer Motive und würde damit die maximale Tanzlust bei den Hörern evozieren.115 Infolgedessen besitzt die Rhythmik des Songs in hohem Maße Qualitäten, die Marken von Musik in Werbespots erwarten: Sie müsse aktivierend sein, einen gewissen Drive besitzen und begeistern. Ein diesbezüglich weiterhin signifikantes rhythmisches Element ist das in den Chorussen und Breakdown-Teilen der Aufnahme dominante vielstimmige Händeklatschen, das insofern eine integrative Wirkung besitzt, als dass seine organische und von natürlichen Timingschwankungen geprägte Form Nähe zum Hörer erzeugt, die eine Inklusion und Partizipation desselben als Teil des vermeintlichen Klatschensembles und damit die Evokation eines Gefühls der Zugehörigkeit begünstigt.
8.2.4
Harmonik und Melodik
Das Tongeschlecht der Musikaufnahme verkörpert eine Synthese von Dur- und Molltonalität, die der Professor für Musiktheorie David Temperley als Supermodus bezeichnet.116 Die Verbindung der auf dem tonalen Zentrum des Titels, dem F, aufgebauten diatonischen ionischen (Dur) und äolischen (Natürlich Moll) Skalen erzeugt eine 10-stufige Tonleiter, die den Tonvorrat und die Tonalität des Songs determiniert (vgl. Abb. 14). Es sind folgerichtig lediglich die auf den Grundton bezogen kleine Sekunde (Fis/Ges) sowie die auch als Tritonus bezeichnete übermäßige Quarte (H), die nicht in der Musikaufnahme vorkommen. Im Hinblick auf eine Steigerung der Übersichtlichkeit und Konsistenz sind alle notentextlichen Ausführungen zur Aufnahme des Songs in f-Moll notiert.
Abb. 14: Supermodus in F
112 113 114 115 116
Vgl. Witek et al. (2014). Vgl. Witek et al. (2014), S. 7. Vgl. Doucleff (2014). Vgl. Doucleff (2014). Vgl. Temperley (2011), S. 3f.
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Aufgrund des in Harmonik und Melodik der Musikaufnahme gleichermaßen dauerhaft hohen Bindungsgrades an das tonale Zentrum F sowie der Verwendung und Verschmelzung leitereigener Akkorde beider diatonischer Skalen (vgl. Abb. 15) ist eine stufen- und funktionstheoretische Analyse des Songs dennoch zweckmäßig.
Abb. 15: Leitereigene Dreiklänge Supermodus in F
Mit ihrem erweiterten Tonvorrat grenzt sich die Musikaufnahme einerseits von Titeln ab, die exklusiv in Dur oder Moll komponiert sind, entfernt sich andererseits nicht allzu weit von der kulturell verankerten diatonischen Norm in populärer Musik. Wenngleich diese Qualität von Hörern ohne musikalische Fachbildung nicht eindeutig identifiziert respektive benannt werden kann, stellt sie, in ihrer Verschiedenartigkeit zur Diatonik, ein subtil aufmerksamkeitserzeugendes Merkmal dar und korrespondiert demgemäß mit den Ansprüchen von Marken an Musik in Werbespots.
8.2.4.1
Strophen
Der im Mini-Intro eingeführte und auf dem Grundton der Supermodus-Skala aufgebaute F7> -Akkord repräsentiert den tonalen Bezugspunkt der beiden, mit einem identischen Playback ausgestatteten, Strophen des Songs und erscheint jeweils auf der ersten Zählzeit des ersten und dritten Taktes des viertaktig wiederkehrenden Motivs im elektrischen Piano (vgl. Abb. 16). Dieses harmonisch geprägte Motiv stellt den Antwortteil auf den, in Williamsʼ Hauptgesangslinie realisierten, melodischen Ruf innerhalb der viertaktigen Call and Response-Sequenz dar, die den formalen Aufbau der Strophen von Happy determiniert. Infolge der Verbindung von Tonika der Durskala mit kleiner Septime der Mollskala besitzt der F7> -Vierklang die Form eines Dominantseptakkordes: Die auflösende Qualität der Durtonika wird maßgeblich von der für Dominantseptakkorde charakteristischen Dissonanz, der kleinen Septime, abgeschwächt, sodass die Strophen der Musikaufnahme keinen eindeutigen harmonischen Schlusspunkt besitzen und damit von einer konstanten Spannung geprägt sind. In seiner vertikalen Verknüpfung leitereigener Tonstufen der F-Dur- und f-Moll-Skalen manifestiert der F7> -Akkord die allgemeine harmonische Ambivalenz des Musikstücks, die in den Strophen der Aufnahme vor allem als tonale Polarität zwischen Singstimme in f-Moll und Rhodes-Piano in F-Dur zutage tritt.
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Abb. 16: Hauptgesangsstimme, E-Piano und Bass (Happy Strophe I)
So bewegen sich die innerhalb des viertaktigen Schemas jeweils abgeschlossenen, schlichten und leicht memorierbaren melodischen Rufmotive der Singstimme annähernd ausnahmslos auf den Tonstufen des f7 -Akkords und bilden folglich funktional die Tonika der Mollskala mit kleiner Septime ab (t7 ). Die im geringen Tonvorrat verankerte Homogenität der gesanglichen Rufe wird in beiden Strophen der Musikaufnahme durch den ungleichen melodischen Aufbau der vier Gesangsmotive sowie den punktu-
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ellen Einsatz weiterer Tonstufen in der jeweils dritten und vierten Sequenz (Takt 9-10, Takt 13-14, Takt 41-42, Takt 46) abgemildert (vgl. Abb. 16 & 17). Das gʼ in den Takten 910, 41-42 und 46 wie auch das b in Takt 14 können gleichermaßen Dur- und Mollskala zugeordnet werden, wohingegen das einmalig in Takt 13 auftretende dʼ ausschließlich Teil der F-Dur-Skala ist. Unter Ausnahme der Töne G und D stammt der Tonvorrat der Rufmelodien aus der f-Moll-Pentatonik, die die Tonstufen F, As, B, C und Es integriert.117 Mit ihrem jeweils über das esʼ zum fʼ aufsteigenden Ende besitzen die ersten drei Rufmotive beider Strophen gleichartig nach oben gerichtete Schlussformeln, die, in Übereinstimmung mit aufsteigenden Intonationsmustern in gesprochener englischer Sprache, eine tendenziell aktivierende und Erwartung erzeugende Wirkung besitzen. Der horizontale Verlauf dieser Schlussfiguren ist von den Intervallabfolgen aufwärtsgerichtete kleine Terz und große Sekunde (Takt 2, 6 und 34) oder liegende Prime und aufsteigende große Sekunde (Takt 10, 38 und 42) bestimmt. Unter ausschließlicher Verwendung der Tonstufen des f7 -Akkords etablieren die ersten beiden melodischen Rufmotive beider Strophen die pentatonische Molltonalität der Hauptgesangslinie, indessen der gebrochene und unvollständige f7 -Akkord in den je dritten Rufmotiven durch die Integration des gʼ (Takt 9-10 und 41-42) an innerer Spannung gewinnt, die innerhalb der 16-taktigen Strophen einerseits ein abwechslungserzeugendes Element darstellt, andererseits auf ein darauf folgendes gesangliches Motiv mit verstärkt abschließender Wirkung referenziert. Dementsprechend sind die, im Ambitus erweiterten und mit einem ausgeprägt eigenständigen melodischen Charakter versehenen, jeweils letzten Gesangslinien der Strophen des Songs (Takt 12-15, Takt 45-47) mit absteigenden Schlussfiguren ausgestattet, die in der ersten Strophe auf dem f der kleinen Oktave, in der zweiten Strophe auf dem cʼ enden. So bilden die gesanglichen Rufmotive in den Strophen von Happy schematisch eine A-Aʼ-B-C-Form. Während die vermehrte Verwendung dissonanter Intervalle und Tonstufen vor dem Erreichen des tonalen Zentrums dem finalen gesanglichen Motiv der ersten Strophe eine ausgebildete Schlusswirkung verleiht, besitzt die letzte Gesangslinie der zweiten Strophe, die sich im Wesentlichen als gebrochener f7 -Akkord darstellt, der auf der Quinte (Dominante) endet, halbschlussartige Qualitäten. Der im Hinblick auf die Hauptgesangslinie abschließende Charakter der melodischen Schlussformeln wird zudem von der, innerhalb der Strophen des Songs, exklusiven Dopplung von Williamsʼ Gesang gesteigert, die eine erhöhte Intensität der entsprechenden Gesangslinien impliziert. Im Gegensatz dazu verweisen die textlichen Schlusspunkte der Strophen von Happy: »Here’s why« und »by the way« unmittelbar auf die nachfolgenden Inhalte und sind demnach ein verbindendes Element – sie schwächen den melodisch schlussartigen Charakter der finalen Gesangsmotive ab und leiten über zu den anschließenden Chorussen. Selbiges gilt für das im Rhodes-Piano ausgeführte und vorwiegend in F-Dur stehende harmonische Antwortmotiv der Call and Response-Sequenz, das innerhalb des viertaktig wiederkehrenden Schemas jeweils mit dem Ende der melodischen Rufe der
117
Entgegen der Systematik der klassischen Harmonielehre, in der die Dur-Pentatonik als einzige pentatonische Skala Verwendung findet und demgemäß als »pentatonische Tonleiter« bezeichnet wird, existiert auch bei pentatonischen Skalen eine Dur-Moll-Parallelität, aus der pentatonische Mollskalen abgeleitet werden können. Vgl. Haunschild (1998), S. 105ff.
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Abb. 17: Hauptgesangsstimme und Chor (Happy Strophe II)
Gesangsstimme auf der ersten Zählzeit des dritten Taktes auf dem ambivalenten F7> Akkord beginnt und über die Gesamtheit beider Strophen in identischer Beschaffenheit periodisch wiederholt wird (vgl. Abb. 16). Dieses Motiv besteht aus der Akkordfolge F7> -As-B-C-B-F7> und integriert demzufolge ausschließlich Durakkorde, die, ausgenommen den Dreiklang auf dem As und die Septime im F7> -Akkord, uneingeschränkt Tonstufen der F-Dur-Skala verwerten. Gleichzeitig repräsentieren die Grundtöne der Akkorde des Antwortmotivs Tonstufen der f-Moll-Pentatonik (F-As-B-C-Es), wodurch die tonale Opposition zwischen Gesangslinie und Rhodes-Figur abgeschwächt wird. In seiner funktionalen Form T7> -tP-S-D-S-T7> , die stufentheoretisch einen I7> -III-IV-V-IVI7> -Verlauf repräsentiert, besitzt das harmonische E-Piano-Motiv einen kadenzartigen Charakter ohne über eine eindeutige Schlusswirkung zu verfügen. Die Bindung der Ruf- und Antwortmotive wird ferner durch die zu Beginn des Rhodes-Motivs stattfindende Imitation der jeweils unmittelbar vorhergehenden Intervallfolgen der Schlussfiguren der ersten drei Rufmelodien beider Strophen realisiert: Das Intervall zwischen den Akkorden T7> und tP kann sowohl als aufwärtsgerichtete kleine Terz im Grundton als auch als liegende Prime von Quinte und Septime des T7> -Akkords zu Terz und Quinte der Molltonikaparallele interpretiert werden, auf die eine aufsteigende große Sekunde zwischen den Akkorden tP und S folgt. Angesichts der vergleichsweise indi-
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viduellen Gestaltung der jeweils vierten und letzten Rufmelodien beider Strophen, die sich maßgeblich von den anderen Gesangslinien unterscheiden, wird die Korrelation zwischen Ruf und Antwort innerhalb der letzten Call and Response-Sequenzen beider Strophen maßgeblich abgeschwächt und deren aufmerksamkeitserzeugende Qualitäten gestärkt, die als Hinweis auf das Ende eines Songteiles beziehungsweise einen Übergang zwischen zwei Songparts gedeutet werden kann. Weiterhin wird die harmonische Antwortsequenz des elektrischen Pianos von der Bassgitarre unterstützt, die der gleichbleibenden Form des Rhodes-Motivs verschiedenartige Basslinien zur Seite stellt und damit für Abwechslung in der ansonsten starren Figur sorgt (vgl. Abb. 16). Die in beiden Strophen der Musikaufnahme identischen Bassläufe bewegen sich exklusiv in der Tonalität der f-Moll-Pentatonik und stärken insofern weiterführend die Bindung der Antwortsequenzen mit den Rufmotiven. Sie spiegeln in der jeweils ersten und dritten Call and Response-Sequenz den Grundtonverlauf des harmonischen Piano-Motivs wider und reichern diesen mit angesprungenen Nebennoten und Antizipationen an. Dieses Schema wird im jeweils vierten Takt der Sequenzen auf dem B-Dur-Akkord des Rhodes-Motivs durchbrochen, indem der Bass die kleine Septime zum Dreiklang spielt, dem Akkord mit dem As eine dissonante Qualität verleiht und gleichzeitig den folgenden F7> -Akkord antizipiert. Abgesehen von drei auf unbetonten Zählzeiten platzierten Grundtönen, die als vorzählerartige Anschläge unmittelbar vor der Basslinie der jeweils dritten Call and Response-Sequenz auftreten, unterscheiden sich die ebenbeschriebenen Läufe im Bass nur durch ihre Lage: Das hohe auf dem fʼ beginnende initiale Motiv ist in der dritten Sequenz nach unten oktaviert und startet folgerichtig auf demf. Demgegenüber besitzen die kurzen absteigenden Bassphrasen in der jeweils zweiten und vierten Sequenz eine übereinstimmende Beschaffenheit und repräsentieren einen gebrochenen f7 -Akkord mit einer zusätzlichen Durchgangsnote (B). So besitzen diese Phrasen eine vorwiegend überleitende Funktion, die von den zum B-Dur-Akkord dissonanten Tönen Es und C intensiviert wird. Innerhalb der Strophen des Songs besitzt der Bass demgemäß unterstützende und abwechslungserzeugende Eigenschaften hinsichtlich des Antwortmotivs im Rhodes-Piano, eine in der pentatonischen Tonalität verankerte unifizierende Qualität und etabliert im jeweils letzten Takt der viertaktigen Call and Response-Sequenzen spannungsgeladene Dissonanzen, die einer Auflösung entgegenstreben. Es ist zudem bemerkenswert, dass der Bass seinen Tonvorrat aus annähernd drei Oktaven schöpft und im ersten Motiv Tonhöhen erreicht, die in populärer Musik nur selten auf Bassinstrumenten gespielt werden. Die rhythmische Beschaffenheit der Call and Response-Sequenzen ist in ihrer Mischung aus auf den Grundschlägen liegenden und synkopierten Elementen sowie der Verwendung verschiedenartiger Notenwerte von einer mittleren Komplexität, die mit den entsprechenden Qualitäten der Rhythmusgruppe des Songs weitestgehend übereinstimmt. Während die Gesangslinien einen ausgeprägten Offbeat-Charakter besitzen, ist das Antwortmotiv im Rhodes-Piano von Anschlägen auf den Zählzeiten bestimmt, die von der synkopierten Dominante und nachfolgenden Subdominante auf dem Offbeat unterbrochen werden. Da sich der Gesang Pharrells nur auf der ersten Zählzeit des jeweils dritten Taktes der Sequenzen mit dem Rhodes-Piano überschneidet sind die Strophen des Musikstücks von einer hohen Offenheit geprägt. Der repeti-
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tive Charakter der im Playback identischen Strophen wird in der zweiten Strophe einerseits von den veränderten Gesangslinien mit verschiedenartigem Text, andererseits von gleichbleibenden Einwürfen des weiblichen Chores aufgebrochen, der ein unisono auf dem fʼ liegendes »Yeah« auf den vierten Zählzeiten der jeweils letzten Takte der ersten drei Call and Response-Sequenzen singt (vgl. Abb. 17). Diese »Yeah«s sind zeitlich so positioniert, dass sie mit einer Pause im Rhodes-Piano zusammenfallen und damit einen in der ersten Strophe des Titels existierenden Freiraum besetzen. In der Verwendung des »als formbildendes Prinzip zu den elementaren Gestaltungsmitteln afro-amerikanischer [sic!] Musik«118 gehörenden Call and Response-Schemas werden die Strophen von Happy in einen eindeutigen Kontext gerückt, der darüber hinaus eine kulturell verankerte Bindung zwischen den Strophen und dem dominanten gospelartigen Chorgesang der darauffolgenden Chorusse herstellt. Der enge Bezug der Strophen des Songs zu afroamerikanischer Musik spiegelt sich zudem gleichermaßen in ihrer rhythmischen, harmonischen und melodischen Beschaffenheit wider. Die synkopierten Notenwerte und Akzentuierungen auf den Offbeats repräsentieren ein aus dem Blues und Jazz abgeleitetes fundamentales Merkmal afroamerikanischer Musik, das in allen entsprechenden Stilrichtungen von prägender Bedeutung ist.119 Selbiges gilt für die, in der prinzipiell auf Vierklängen basierenden Jazz-Harmonik begründete, Ausgestaltung der Durtonika als Septakkord, die damit einhergehende verringerte innere Stabilität des Mehrklangs auf dem tonalen Zentrum der Musikaufnahme und Ablösung der Dominantseptakkordform von ihrer funktionalen Bedeutung in der klassischen Harmonielehre.120 Angesichts der Verknüpfung der drei im harmonischen Antwortmotiv des Rhodes-Pianos dominanten Hauptakkorde der F-Dur-Skala mit der f-Moll-Pentatonik, die den Tonvorrat der Rufmelodie bestimmt, besitzen die Strophen des Songs zudem eine enge Verwandtschaft zur Blues-Musik, dessen schlichteste Grundform von ebendieser Kombination aus Hauptakkorden in Dur und Melodielinie in pentatonischer Molltonleiter mit gemeinsamem Grundton definiert ist.121 Ferner erzeugt der pentatonische Charakter der Strophen eine, wenngleich weniger bezeichnende, Verbindung zum Jazz, in dem pentatonische Skalen zur Improvisation über Akkorde genutzt werden, um, mittels ihrer inhärenten klanglichen Eigenschaften, die der Musiktheoretiker und Professor für Jazzgitarre Frank Haunschild als »natürlich, klar, einfach, übersichtlich, konsonant« beschreibt, »trotz atonal oder dissonant erscheinenden Tonmaterials die Verbindung zur Konsonanz nicht zu verlieren.«122
8.2.4.2
Chorusse
Die Harmonik der Chorusse des Titels ist von einer viertaktigen Kadenz in Chor, Rhodes-Piano und Bass geprägt, die innerhalb der jeweiligen Refrains in gleichbleibender Form kontinuierlich wiederholt von komplementären Melodielinien in der Hauptgesangsstimme ausgestaltet wird (vgl. Abb. 18). In seiner Zugehörigkeit zur
118 119 120 121 122
Jost (2003), S. 592f. Vgl. Dallmann (2015), S. 106f.; vgl. ARD (2015); vgl. Roxikon (2011a); vgl. Sutro (2007), S. 31. Vgl. Haunschild (1992), S. 10f. Vgl. Haunschild (1998), S. 110f. Haunschild (1998), S. 107.
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Chorkadenz eröffnet das in einem Auftakt angelegte aufsteigende melodische Gesangsmotiv »Because I’m« alle Chorusse der Musikaufnahme und Wiederholungen der Gesamtkadenz innerhalb der Refrains. Das in unisono von der fünften über die siebte Stufe der Mollskala führende gesangliche Motiv geht im Des7 -Akkord auf und behält, angesichts der drei darüber liegenden oberen Stimmen dieses Vierklangs, seine aufwärtsgerichtete Form. Dieser Des7 -Akkord markiert gleichzeitig den Beginn der Choruskadenz, die im Chor aus der Akkordfolge Des7 -c7 -F, im Rhodes-Piano aus der Entwicklung Des7 -c7 -F7> besteht und damit funktional die Subdominantparallele und Dominante der Mollskala integriert, die sich in der Tonika der Durskala auflösen. Wenngleich der Schlussakkord der Kadenz im Rhodes-Piano die kleine Septime enthält und folglich den in den Strophen des Songs etablierten F7> -Vierklang bildet, ist dessen ambivalente Wirkung, bedingt durch die geringe Durchsetzungsfähigkeit des elektrischen Pianos in den Chorussen der Musikaufnahme sowie den dominanten Chorgesang, auf ein Minimum reduziert und die kleine Septime innerhalb der Gesamtkadenz vielmehr eine subtile harmonische Verzierung der Durtonika, als ihr funktional fundamentaler Bestandteil. Dementsprechend verknüpft die formal eine VI7 -v7 -I-Verbindung beziehungsweise sP7 -d7 -T-Progression darstellende Gesamtkadenz leitereigene Akkorde der f-Moll- und F-Dur-Skalen und besitzt in ihrer ganzschlussartigen Qualität eine ausgeprägt abschließende und auflösende Wirkung, der die rhythmische Spannung der synkopiert platzierten Tonika auf unbetonter Zählzeit gegenübersteht. In den ersten beiden Chorussen der Musikaufnahme wird die mehrstimmige Chorkadenz exklusiv von Williams aufgeführt. Dabei schafft der in der Mitte der Stereoabbildung platzierte Chorgesang (Pharrell Chor M) durch die Aussparung der Terzen in Subdominantparallele (Des7 ) und Molldominante (c7 ) sowie die unbeweglich liegende Form der Kadenz Raum für die ebenfalls zentral auf der Stereobasis lokalisierte Hauptgesangslinie (vgl. Abb. 18). Williamsʼ Chorgesang in den Seitenkanälen der Aufnahme (Pharrell Chor S) trägt die Septakkorde dagegen vollständig vor und durchbricht den c7 Akkord im zweiten Takt der Kadenz (Takt 18 in Abbildung 18) zudem mit einem eigenständigen Anschlag des c-Moll-Akkordes auf unbetonter Zählzeit, um auf dem ersten Grundschlag des dritten Taktes erneut zum c7 -Akkord zurückzukehren. Dieser Choranteil implementiert also ein melodisches Motiv in der sich über zwei Takte der Kadenz erstreckenden Molldominante, das aus der Abfolge von abwärts- und aufwärtsgerichteter kleiner Terz zwischen der Septime (dem bʼ) und der Quinte (dem gʼ) des c7 -Akkords besteht und demzufolge als gedehnter Millennial Whoop bezeichnet werden kann. Angesichts der verstärkten Betonung der wiederkehrenden Septime des c7 -Akkords, die gleichzeitig die Quinte des darin enthaltenen Es-Dur-Akkords bildet, im abseits der Mitte des Stereobildes platzierten Chorgesang Williamsʼ, gewinnt der Akkord vor der Auflösung in die Tonika durartige Qualitäten. Im Zusammenspiel verleihen die verschiedenartig ausgestalteten und unterschiedlich im Stereobild positionierten Chöre Williamsʼ der Kadenz ein interessant gestaffeltes und melodisch angereichertes Klangbild, das in der deckungsgleich beschaffenen Durtonika beider Chorbestandteile mündet. Mit ihren im Wesentlichen zeitgleich mit der Bassdrum auftretenden Einsätzen besitzt die Chorkadenz einen kennzeichnend synkopischen Charakter, der exklusiv mit dem Anschlag des c7 -Akkords auf der ersten Zählzeit des dritten Taktes (Takt 19
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Abb. 18: Hauptgesangsstimme, Chor, E-Piano und Bass (Happy Chorus I und II)
in Abbildung 18) durchbrochen wird. Infolge der in Grundstellung auftretenden Des7 und c7 -Akkorde und des als Quartsextakkord gestalteten F-Dur-Dreiklangs bewegt sich die Oberstimme des Chores in Sekundschritten abwärts und verleiht der Kadenz eine insgesamt absteigende melodische Qualität. Dies gilt gleichermaßen für die harmonisch angereicherte Kadenz im RhodesPiano, die den finalen F7> -Vierklang als Terzquartakkord integriert und der relativ starren Struktur des prävalenten Chorgesanges ausgebildete rhythmische und melodi-
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
sche Motive zur Seite stellt. Abgesehen von der kleinen Septime im Schlussakkord ist die initiale Subdominantparallele der Rhodes-Kadenz mit einer großen Sexte, der Sixte ajoutée, ausgestattet, welche die tonale Instabilität des Septakkordes erhöht und die, vermittels der engen Verwandtschaft zum leitereigenen Akkord der vierten Stufe ohnehin bestehende, subdominantische Wirkung des Mehrklangs verstärkt. Der markant dissonante Charakter des Akkords steigert darüber hinaus die wahrgenommen tonale Stabilität des darauffolgenden kleinen Mollseptakkords, dessen zwei Takte umfassende Dauer mittels maßgeblicher melodischer Brechung eine lebhafte Variabilität gewinnt, die in der liegenden Durtonika mit kleiner Septime aufgeht. Die Bassstimme des E-Pianos erweitert die Beweglichkeit der Rhodes-Kadenz, indem sie die Grundtöne der Akkordfolge in einer rhythmisierenden Figur vorträgt, die aus musiktheoretischer Perspektive eine unvollständige Quintfallsequenz der Form VI-II-V-I darstellt, in der die zweite leitereigene Stufe, auf der in Moll ein verminderter Akkord gebildet würde, auslässt und im Anschluss an den Sekundfall von sechster zu fünfter Stufe einen Quartanstieg zum f vollzieht. Das final aufsteigende Intervall in der Bassstimme des elektrischen Pianos repräsentiert eine Gegenbewegung zur fallenden Oberstimme der Kadenz und verleiht der Auflösung eine aktivierende Qualität. Weiterhin besitzt die, wiederum mit dem Motiv der Bassdrum korrelierende, synkopierte rhythmische Beschaffenheit der unteren Rhodes-Stimme einen beschleunigenden Effekt, der in der Basslinie der Kadenz bestätigt wird. Der in den ersten drei Takten der Kadenz vom jeweiligen Grundton der Stufenakkorde über die synkopiert angesprungene Quinte auf dem fünften Achtelnotenwert, der gleichzeitig einen Schlag der Bassdrum und den Grundton der zugehörigen Akkorde im Bass des elektrischen Pianos einschließt, zum oktavierten Grundton laufende Bass endet im vierten Takt der Kadenz mit der oben besprochenen rhythmisch antreibenden Bassdrum-Bass-Figur, die ihrerseits von der Unterstimme des Rhodes-Pianos komplementiert wird. Die Gesamtentwicklung der Basslinie folgt dementsprechend ebenfalls der unvollständigen Quintfallsequenz mit abschließendem Quartanstieg. Die in den ersten beiden 16-taktigen Chorussen in identischer Form wiederholte Kadenz wird in den letzten beiden Refrains der Musikaufnahme, die mit 32 Takten eine verdoppelte Länge besitzen, im Rhodes-Piano mit periodisch wiederkehrenden punktuellen melodischen Motiven verziert und erfährt im Chor, infolge der Einbindung des gesamten Backgroundensembles, eine nachdrückliche Intensitätssteigerung. Bei den melodischen Verzierungen in der Oberstimme des elektrischen Pianos handelt es sich einerseits um die viertaktig wiederkehrende Wechselnote im Motiv gʼ-asʼ-gʼ, das im ersten Takt der Kadenz auftritt (Takt 81 und 85 in Abb. 19), andererseits um die achttaktig auftretende Durchgangsnote im Motiv bʼ-asʼ-gʼ, die zunächst im dritten Takt der ersten Wiederholung der Kadenz erscheint (Takt 87 in Abb. 19). Der gleichbleibende Chorgesang Williamsʼ wird im dritten und vierten Chorus des Titels um den dominant in Erscheinung tretenden weiblichen Backgroundchor erweitert, der in seiner Imitation des in den Seitenkanälen der Stereoaufnahme platzierten Chorgesangs Williamsʼ (Pharrell Chor S) den melodischen Charakter der Kadenz, inklusive des gedehnten Millenial Whoops, stärkt und ihren Tonumfang, mittels des subtil zugemischten und über die Gesamtdauer der Kadenz gehaltenen f’’, nach oben ausdehnt (vgl. Abb. 20). Im Unterschied zum mehrstimmigen weiblichen Chor etabliert der
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
ferner in den letzten beiden Chorussen der Aufnahme hinzukommende, sehr zurückhaltend zugemischte männliche Chor eine eigenständige und in unisono vorgetragene Melodielinie in der Kadenz, die von der Septime der Des7 - und c7 -Akkorde über die Sexte und Quinte des letzteren zu dessen Terz verläuft und schließlich in der Quinte des F-Dur-Akkords endet (vgl. Abb. 20).
Abb. 19: Hauptgesangsstimme, E-Piano und Bass (Happy Chorus III und IV)
Mit dem Verlauf von Dissonanz über vollkommene und unvollkommene Konsonanz hin zur ausschließlich vollkommenen Konsonanz bekräftigt die männliche Chorlinie die Progression von hoher Akkordinstabilität in der Subdominantparallele über mittle-
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re Stabilität in der Molldominante hin zur hohen Stabilität und Auflösung in der Durtonika der Kadenz.
Abb. 20: Hauptgesangsstimme und Chor (Happy Chorus III und IV)
Die Hauptgesangslinie innerhalb der Chorusse bewegt sich, wie bereits in den Strophen des Songs, in erster Linie auf den Tonstufen der pentatonischen f-Moll-Tonleiter, die neben dem F, As, C und Es des f7 -Akkords das B umfasst. Weiterhin besitzt der melodieführende Gesang eine vergleichsweise überdimensionierte Bindung zum tonalen Zentrum der Aufnahme: Annähernd die Hälfte aller gesungenen Notenwerte der Hauptstimme in den Refrains liegen auf dem fʼ. Abgesehen von ihren bereits erwähnten Veränderungen über die Zeit – eine alternative Melodie in den ersten vier Takten
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
der Wiederholung des sechzehntaktig vorgetragenen Textes im dritten Chorus (Takt 97 bis 100) der Musikaufnahme, die Anreicherung mit Adlibs am Ende des zweiten und dritten Chorusses sowie in den Takten 132 und 148 des dritten Refrains, die, wie das Finale des Songs in Takt 151, zudem modifizierte Auflösungsmotive einschließen – besitzt die in vier viertaktigen Motiven angelegte Melodielinie der Hauptstimme in den Chorussen von Happy die in Abbildung 21 dargestellte Form. Der repetitive Charakter der Gesangslinie wird außerdem durch die oben beschriebene klangfarbliche Veränderung von Williamsʼ Gesang im dritten und vor allem vierten Refrain des Songs abgemildert. Die viertaktigen Gesangsmotive der Chorusse lösen sich konsonant in der Tonika der Kadenz auf und können schematisch als eine Sequenz der Form A-B-C-Bʼ beschrieben werden. Während die A- und C-Motive der Gesangslinie einen je eigenständigen Verlauf besitzen und vor ihrer Auflösung insgesamt überwiegend dissonante Intervalle zu den Stufenakkorden der Choruskadenz bilden, sind die von hoher melodischer Übereinstimmung geprägten B-Motive von vornehmlich konsonanter Qualität und nehmen nur im jeweils dritten Takt, unmittelbar vor ihrer Auflösung, wiederholt dissonante Intervalle zum c7 -Akkord der Kadenz ein. Die erhöht konsonante Beziehung der B-Motive zur Gesamtkadenz wird unter anderem durch die Integration des mit dem Beginn des c7 -Akkords je einmalig auftretenden eingestrichenen g erreicht (Takt 21-22, Takt 29-30, Abb. 21), das gleichzeitig den einzigen Ton innerhalb der Hauptgesangslinie der Chorusse darstellt, der nicht zur pentatonischen f-Moll-Tonleiter gehört und, über die Gesamtheit der Refrains betrachtet, außerhalb der B-Motive exklusiv in der variierten Auflösung in Takt 147-148 und den zugehörigen Adlibs auftritt. Demgegenüber besitzen die Schlussphrasen der viertaktig organisierten Gesangsmelodien in den Chorussen eine weitestgehend übereinstimmende Beschaffenheit: Das zunächst auf den Grundschlägen platzierte fʼ bildet eine dissonante Quarte zur Molldominante und wird in großen Sekundschritten über das als Wechselnote eingesetzte, eine kleine Terz zum Vierklang darstellende, esʼ mit dem synkopierten Einsatz des FDur-Akkords erneut erreicht, um die Auflösung in den ersten drei Motiven (A, B und C) in der auf unbetonter Zählzeit in legato nach unten angesprungenen Quinte der Tonika (cʼ) abzuschließen oder, im finalen melodischen Motiv Bʼ, auf dem Grundton zu enden. Mit ihrem 4-3-1-Verlauf bilden die finalen Phrasen der Melodielinien ein klassisches Schlussmotiv, dessen prägnante Dissonanz über die unvollkommene Konsonanz zur Auflösung in der vollkommenen Konsonanz strebt und innerhalb der Kadenz folgerichtig eine komplementäre Funktion einnimmt. In ihrer vollkommenen Konsonanz zur Durtonika lösen die finalen Töne der Gesangsmotive die Gesangslinie der Chorusse im F-Dur-Akkord zudem von ihrer ansonsten ausgeprägten Molltonalität und verstärken damit die ganzschlussartige Qualität der Kadenz. Das Schlussmuster der melodieführenden Stimme wird lediglich in den Abwechslung erzeugenden variierten Gesangsmotiven durchbrochen, die im Schlussakkord von der kleinen Septime zur Quinte führen (Takt 99-100) oder, in Verbindung mit den jeweiligen Adlibs, vom Grundton über die kleine Septime zurück zum Grundton (Takt 131-132) respektive von der großen Sekunde (gʼ) über die kleine Septime zur Quinte (Takt 147-148) verlaufen. Die Gesangslinie am Ende des vierten Chorusses, mit dem das Finale der Musikaufnahme eingeleitet wird, implementiert mit dem unmittelbar vor der Tonika platzierten fʼ eine weitere Dissonanz, die in der Quinte (cʼ) des F-Dur-
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Abb. 21: Hauptgesangsstimme und Pharrell Chor Seitenkanäle (Happy Chorus I)
Akkords aufgelöst wird. Im Gegensatz zur bezeichnenden und mit den Strophen des Songs vergleichbaren tonalen Einfachheit der Gesangslinie in den Chorussen von Happy besitzen deren viertaktige Motive eine mittlere rhythmische Komplexität. Die von ausgeprägten Synkopierungen gekennzeichneten ersten beiden Takte der Gesangsmotive stehen dabei betonten vollen Zählzeiten innerhalb ihres jeweils dritten Taktes gegenüber, die in einer wiederum synkopierten kurzen Phrase zum folgenden Schlusstakt
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überleiten (Motive A, B und C) oder auf der letzten Achtelnote des dritten Taktes enden (Motiv Bʼ). Mit ihrer charakteristisch pentatonischen Gesangslinie, von Septakkorden dominierten Harmonik und gleichermaßen in Kadenz und Melodie markanten Synkopierung bestätigen die Chorusse der Musikaufnahme die in den Strophen etablierte, signifikant afroamerikanische Prägung des Songs. Im Unterschied zu den Strophen, in denen nur die Tonika als Septakkord ausgeführt und damit eine tonal ambivalente Wirkung erzeugt wird, sind es in den Chorussen die Subdominantparallele und die Dominante, die als Septakkorde in Erscheinung treten und sich in der Durtonika auflösen, die in ihrer eindeutigen Schlusswirkung die Verständlichkeit der Kadenz erhöht. Die Korrelation des Titels zu afroamerikanischen musikalischen Gattungen wird in den Chorussen zudem durch den bezeichnend gospelartigen Chorgesang verstärkt. Wenngleich ein formbildendes Element des Gospel, das Call and Response-Schema,123 nur fragmentarisch und punktuell zu Beginn der Chorkadenzen ausgeführt wird und die melodieführende Stimme weitestgehend parallel zur Chorlinie verläuft, besitzt der Chorgesang des Titels ein Höchstmaß anderer Qualitäten, die ihm einen gospelartigen Charakter verleihen. Abgesehen von einer hohen klangfarblichen Intensität und ausdrucksstarken Expressivität im Gesang handelt es sich dabei vor allem um die auf den Blues und Jazz zurückgehenden starken Synkopierungen und Akzentuierungen auf den Offbeats, die Integration von Septakkorden und dominante Verwendung der drei Hauptakkorde einer Skala, eine auf pentatonischen Skalen aufgebaute Melodieführung (die gleichermaßen in der Hauptstimme wie auch im Sopran des Chors existiert) sowie das Verkünden einer positiv-optimistischen Botschaft (»Because I’m happy«).124 Im Zusammenspiel mit dem Händeklatschen auf den zweiten und vierten Zählzeiten, das ein stilbildendes Element von Gospelmusik darstellt und darüber hinaus mit Offbeat-Klatschen angereichert ist,125 wird der gospelartige Eindruck des Chores hinzukommend gestärkt und gleichzeitig eine Verbindung der Chorusse der Musikaufnahme zu den zwischen ihnen platzierten Breakdown-Teilen hergestellt, in denen das ausgeweitete Klatschmotiv eine dominante Position einnimmt.
8.2.4.3
Breakdown-Teile
In Opposition zu den von ihrer Harmonik und melodischen Gesangslinie geprägten Chorussen ist es in den Breakdown-Teilen der Musikaufnahme, die im Playback ausschließlich mit Schlaginstrumenten ausgestattet sind, die oben beschriebene aktivierende Rhythmik, die eine übergeordnete Bedeutung gewinnt. Die eine achttaktige Sequenz bildenden zweitaktigen Mini-Motive der Hauptgesangsstimme in den Breakdown-Passagen bewegen sich exklusiv auf den Tonstufen des f7 -Akkords und integrieren folglich nur Töne der pentatonischen Skala in f-Moll (vgl. Abb. 22). Trotz ihrer insgesamt hohen Übereinstimmung, die der, in den Breakdown-Teilen des Songs in identischer Form wiederkehrenden gesanglichen Sequenz einen bezeichnend repetitiven Charakter verleiht, können die Mini-Motive schematisch als eine
123 Vgl. Roxikon (2011c); vgl. Fiehl (2008); vgl. Keding (2001), S. 15. 124 Vgl. Roxikon (2011c); vgl. Fiehl (2008); vgl. Keding (2001), S. 14-19. 125 Vgl. Keding (2001), S. 15.
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
Abfolge der Form A-B-Aʼ-C beschrieben werden. So verfügen die melodischen Motive der Hauptstimme über eine deckungsgleiche Anfangsformel, die in unterschiedliche Schlussteile übergeht. Während die textlich identischen A-Teile lediglich im finalen Intervall voneinander abweichen, das im A-Teil von einer absteigenden großen Sekunde vom fʼ zum esʼ, im Aʼ-Motiv von der Prime auf dem fʼ verkörpert wird, bildet der zweite Teil des B-Motivs eine aufsteigende Melodielinie, die in enger Korrespondenz zum gesungenen Text, »Your love is too high«, mit einer aufwärtsgerichteten kleinen Terz vom fʼ zum asʼ endet. Das C-Motiv endet dagegen unmittelbar nach dem vom fʼ abwärts in legato angesprungenen cʼ – diese Bewegung kennzeichnet das Ende der Anfangsformel der Mini-Motive – in einer Prime und gewinnt, mittels der abwärtsgerichteten Quarte und fehlender Bewegung, an Schlusswirkung. Die Anfangsformel der gesanglichen Motive in den Breakdown-Passagen des Songs imitiert damit den melodischen Verlauf der Abschlüsse der ersten drei Hauptgesangsmotive in den Chorussen, der durch den großen, nach oben gerichteten Sekundschritt vom esʼ zum fʼ und den beschriebenen, darauf folgenden und nach unten gerichteten Quartsprung zum cʼ definiert ist. Ähnlich der in der Rhythmik und dem Händeklatschen implementierten Bindung der Breakdown-Teile zu den Chorussen der Musikaufnahme, schwächt diese melodische Kongruenz den bruchartigen Charakter der C-Teile ab. Selbiges gilt für die Gegenüberstellung der synkopischen und offbeatgeprägten Anfangsformeln der Mini-Gesangsmotive und ihrer, von binären Achtelnoten und Schlägen auf den Zählzeiten gekennzeichneten, Schlussteile, die der rhythmischen Beschaffenheit der Hauptgesangslinie in den Chorussen des Songs nachgebildet ist. In Kombination mit der, infolge ihrer gleichbleibenden Anfangsformel erzeugten, Repetitivität der Gesangslinien bedingt die ausgesprochene Einfachheit der gesungenen Melodien, die, ausgenommen der in jedem Mini-Motiv einmalig auftretende Quartsprung, im Wesentlichen große Sekunden, kleine Terzen und Primen verknüpfen, eine leichte Memorierbarkeit der Hauptgesangslinie in den Breakdown-Passagen des Songs. Die initiale achttaktige Sequenz des ersten Breakdown-Teils ist zudem mit einem in unisono auf dem c’’ vorgetragenen Happy des weiblichen Chors ausgestattet, das in gleichbleibender Form im ersten, dritten, fünften und siebten Takt des C-Teils als Achtelnote auf der zweiten Zählzeit und der darauf folgenden punktierten Viertelnote auf dem Offbeat in Erscheinung tritt und den zu diesen Zeitpunkten pausierten zweitaktigen Mini-Motiven der Hauptgesangslinie ein andersartiges Motiv gegenüberstellt. In seiner periodisch identischen Wiederholung vor dem Beginn der jeweiligen Hauptgesangslinien stärkt das jeweils auf der dritten Zählzeit des entsprechenden Taktes mit der Hauptstimme zusammentreffende Chormotiv die formal zweitaktige Struktur der Passage. Angesichts seiner hohen Tonlage, klangfarblichen Beschaffenheit, liegenden Form und zur Hauptgesangslinie konsonanten Qualität verleiht es der ersten Breakdown-Sequenz darüber hinaus einen schwebenden Charakter, der horizontal betrachtet vor allem auf der reibungslosen Überschneidung der zwischen den Zählzeiten gesungenen punktierten Viertelnoten mit dem beginnenden Mini-Motiv der Hauptgesangslinie beruht. Bei gleichbleibender Gesangslinie in der Hauptstimme wird das Chormotiv in der zweiten Sequenz der ersten Breakdown-Passage (Takt 73-80 in Abb. 22), die in identischer Form den zweiten Breakdown-Teil des Titels bildet, zunächst zu einer zweitakti-
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Abb. 22: Hauptgesangsstimme und Chor (Happy Breakdown-Passage)
gen Sekundfallsequenz ausgebaut, die in der Folge in stufenweise harmonisierter Form auftritt. Die Sekundfälle werden mit dem Chormotiv der ersten Breakdown-Sequenz eingeleitet, das vorgezogen auf die erste Zählzeit des Anfangstaktes der achttaktigen Passage aufgeführt und darauffolgend, auf den entsprechend absteigenden Tonstufen, in rhythmisch übereinstimmender Form – die Silbe »Hap-« erscheint auf einem Grundschlag, die Silbe «-py« zwischen den Zählzeiten – aneinandergereiht wird. Während der
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weibliche Chor seine Freude in den ersten drei Motiven der Sequenz als Prime auf dem c’’, dem bʼ und dem asʼ vorträgt, vollzieht er den finalen Sekundschritt vom gʼ zum fʼ innerhalb der letzten rhythmischen Einheit der Sequenz, die, im Unterschied zu ihren Vorgängern, ein zur Achtelnote verkürztes Ende aufweist. In ihrer Bewegung von der Quinte der f-Moll-Skala zu ihrem Grundton verändert die Sekundfallsequenz folglich an ebenjener Stelle ihre Form, die mit dem gʼ einen Ton einführt, der nicht zur f-MollPentatonik der Hauptgesangslinie gehört und ein dissonantes Intervall zum tonalen Zentrum der Musikaufnahme bildet. Das verkürzt auf betonter Zählzeit auftretende und in einem Sekundschritt abwärts zum Grundton aufgelöste und gʼ besitzt demnach die Eigenschaften eines Vorhalts. Nachdem die zweitaktige Sekundfallsequenz einmalig durchlaufen wurde, findet ihre erste Harmonisierung statt, die dem c’’ ein fʼ und dem bʼ ein gʼ zur Seite stellt, das asʼ nochmalig in unisono integriert und dem darauffolgenden gʼ, wie auch dem finalen fʼ, das bʼ hinzufügt und das bereits im ersten Durchlauf der Sequenz etablierte Schema eines periodischen Wechselspiels konsonanter Qualitäten mit weniger konsonanten respektive dissonanten Charakteristika bestätigt. Im Kontext der f-Moll-Pentatonik und Melodieführung der Hauptgesangslinie besitzt das intiale Motiv der Sequenz (c’’ bzw. c’’ und fʼ) eine konsonante Beschaffenheit, die darauffolgende Phrase (bʼ bzw. bʼ und gʼ) eine dissonante Gestalt, das anschließende Motiv (asʼ) ein wiederum konsonantes Profil und die Schlussphrase eine wechselhafte Qualität von ausgeprägt instabiler (gʼ bzw. gʼ und bʼ) hin zu verstärkt stabiler Tonalität (fʼ bzw. fʼ und bʼ). Die anfänglich in der Unterstimme stattfindende Harmonisierung bildet demgemäß eine Gegenbewegung zur Sekundfallsequenz, die nach der Stimmkreuzung auf dem asʼ zur Oberstimme wird und das abschließende Motiv so von seinen Vorgängern abhebt. In der finalen Harmonisierungsstufe werden den Tonstufen des ersten harmonischen Erweiterungsschritts weitere leitereigene Töne der f-Moll-Skala hinzugefügt, sodass die dritte Verkörperung der Sekundfallsequenz in eine Akkordfolge eingebettet ist, in der die Sekundfälle, im Anschluss an die ebenbeschriebene Stimmkreuzung, von der Oberstimme in die mittlere Stimmlage abfallen. Des Weiteren verleiht die Akkordform dem Wechselzyklus zwischen Konsonanz und Dissonanz eine gesteigerte Differenziertheit in der dritten Sequenz und stärkt den individuellen Charakter des zugehörigen Abschlussmotivs, das in einem unvollständigen Mehrklang aufgeführt wird. Infolge seiner insgesamt instabilen Tonalität, des auf der Zählzeit mittels des b verdoppelten und auf dem Offbeat wiederholten bʼ, des gleichermaßen in beiden Choreinsätzen auftretenden as, sowie des gʼ als in der Binnenstruktur des Akkords fremd wirkendem und dissonant wahrgenommenem Vorhalt, der sich in das konsonant und akkordzugehörig erscheinende fʼ auflöst, besitzt dieser unvollständige Mehrklang, trotz fehlender Terz, vor allem die Qualitäten des kleinen b-Moll-Septakkords, der die Subdominante der fMoll-Skala mit kleiner Septime repräsentiert (Takt 78, Abb. 22). Dieser unvollständige kleine Mollseptakkord bildet den Abschluss der Akkordfolge f-Es-f-b7 , welche die ersten beiden Dreiklänge in ihrer Grundstellung und den folgenden f-Moll-Dreiklang als Quartsextakkord mit nach unten verdoppelter Terz integriert. Demgegenüber besitzt der kleine Septakkord eine Disposition, die von fehlender Terz, Grundton im Sopran und Septime im Bass gekennzeichnet ist und mit der Substitution der Quinte (fʼ) durch
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die Sixte ajoutée (gʼ), der charakteristischen Dissonanz der Subdominante,126 zunächst einen Vorhalt bildet, der in der Quinte des ansonsten deckungsgleich beschaffenen Akkords aufgelöst wird. So bildet die mehrstimmige dritte Sequenz des weiblichen Chores im zweiten Teil der ersten Breakdown-Passage und dessen Wiederholung (Breakdown II) funktional eine Progression der Form t-dP-t-s7 beziehungsweise eine i-VII-i-iv7 Verbindung, deren instabiler und spannungsgeladener Schlussakkord eine Weiterführung des Songs impliziert, wohingegen der im Schlussakkord enthaltene und aufgelöste Vorhalt das Ende der Sequenz bekräftigt. Die finale Chorsequenz der Breakdown-Teile des Songs erscheint als Wiederholung des ersten Taktes der ebenbeschriebenen vorhergehenden Sequenz, die gleichzeitig das Ende des Chorgesanges markiert. Demzufolge schließt die Akkordfolge t-dP die gesamte Chorsequenz der Breakdown-Passagen mit dem Es-Dur-Akkord ab, dessen instabile Qualität im harmonischen Gesamtgefüge von Happy den spannungsaufbauenden Charakter der rhythmisch dominierten und zugleich bruchartigen wie auch überleitenden C-Teile verstärkt. Das Auslassen des vom Hörer antizipierten Schlussmotivs verleiht der letzten Chorsequenz eine formale Unvollständigkeit, die eine gleichartige Wirkung besitzt und den nachfolgenden Choruseinsätzen, im Zusammenspiel mit der jeweils zeitgleich ausgedünnten Rhythmusgruppe (s.o.), darüber hinausgehend eine gesteigerte Intensität verschaffen und deren klimaxartiges Wesen damit signifikant konsolidieren. In ihrem auf die Hauptgesangslinie der Chorusse bezogenen melodischen Verlauf und ihrer f-Moll-Pentatonik besitzt Williamsʼ Gesangslinie in den Breakdown-Teilen des Songs einen überbrückenden und verbindenden Charakter, der in der harmonischen Sequenz des gleichbleibend gospelartigen Chores Bestätigung findet. Der ausschließlich aus leitereigenen Tönen beziehungsweise Akkorden der f-Moll-Skala aufgebaute Verlauf der gospelartigen Chorsequenz spart den innerhalb der Strophen und Chorusse von Happy als zentralen tonalen Anker respektive Auflösungsakkord implementierten F-Dur-Akkord aus und besitzt folgerichtig eine spannungserzeugende Wirkung im Gesamtkontext des Titels – die harmonische Sequenz der Breakdown-Teile steht in einer Wechselbeziehung mit der harmonischen Kadenz der Chorusse des Titels. Gleichzeitig stärkt die harmonische Instabilität den namensgebend bruchartigen Charakter der Breakdown-Passagen im zeitlichen Fortgang der Musikaufnahme, der vor allem durch die mit der Einführung einer andersartigen Bassdrum einhergehende ausgeprägte Reduzierung der Schlagwerksektion (s.o.) und den vollständigen Verzicht auf Harmonieund Melodieinstrumente hergestellt wird. Weiterhin bleibt die in den anderen Songteilen etablierte rhythmische, tonale, klangfarbliche und komponentenbezogene enge Relation zu afroamerikanischen Musikgattungen in den Breakdown-Teilen des Songs erhalten.
8.2.5
Songtext
Der sehr kurze und aus der Perspektive eines Ich-Erzählers gesungene Text der Musikaufnahme besteht in der Hauptgesangslinie aus den im Folgenden dargestellten Segmenten, die, abgesehen von den je einmalig auftretenden Strophen, im weiteren zeit126
Vgl. Michels (2005), S. 97.
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lichen Verlauf des Titels an den entsprechenden Stellen in gleichbleibender Form wiederholt werden. Strophe I It might seem crazy what i’m ’bout to say. Sunshine she’s here you can take a break. I’m a hot air balloon that could go to space, with the air, like i don’t care, baby by the way. Chorus Clap along if you feel like a room without a roof. Clap along if you feel like happiness is the truth. Clap along if you know what happiness is to you. Clap along if you feel like that’s what you wanna do. Strophe II Here come bad news talking this and that. Well give me all you got ’n don’t hold it back. Well i should prob’bly warn you I’ll be just fine. No offence to you don’t waste your time. Here’s why. Breakdown Bring me down, can’t nothinʼ, bring me down, your love is too high. Bring me down, can’t nothinʼ, bring me down, i said (let me tell you now). So integrieren die ersten beiden Chorusse des Titels den zugehörigen Textabschnitt je einmal, wohingegen er in den letzten beiden Refrains zweifach aufgeführt wird. Andersherum wird das Textsegment der Breakdown-Passagen im ersten C-Teil der Musikaufnahme doppelt performt und im zweiten Breakdown-Abschnitt einfach inszeniert. Die Textanteile der Hauptgesangsstimme werden hinzukommend von den simultan aufgeführten Formulierungen im Chor ergänzt, die sich dergestalt darstellen: Chorus Because I’m happy. (Chorus I und II: x4, Chorus III und IV: x8) Strophe II Yeah. (x3) Breakdown Happy. (Breakdown I Sequenz 1: x4, Breakdown I Sequenz 2 und Breakdown II: x14).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
Der in einer Versform arrangierte Text der Hauptgesangsstimme ist den Strophen und Refrains von Happy als Paarreim angelegt, wohingegen er in den Breakdown-Teilen kein Reimschema besitzt und im Wesentlichen aus Wiederholungen besteht, die in der Linguistik als Rekurrenz bezeichnet werden.127 Im Zusammenspiel mit weitestgehend kurzen Sätzen stattet das neben der vielfachen Anwendung in populärer Musik vor allem in Kinderreimen und Kinderliedern vorkommende,128 äußerst schlichte Reimschema die formale Beschaffenheit der textlichen Komponente des Titels mit einer hohen allgemeinen Verständlichkeit aus, die im repetitiven Charakter der Breakdown-Passagen Bestätigung findet. Die gleichermaßen hohe Allgemeinverständlichkeit des Textinhalts wird dagegen zunächst durch die spezifische Wortwahl hergestellt, die ausschließlich aus dem eingeschränkten Wortschatz der zeitgenössischen alltäglichen US-amerikanischen Umgangssprache schöpft, überwiegend auf neutrale Begrifflichkeiten zurückgreift, keine Fremdwörter, obszönen Ausdrücke, fachsprachlichen Termini oder exklusiv bestimmten Soziolekten zugeordneten Begriffe integriert und lediglich in der konkreten Aufführung durch Williams eine leichte afroamerikanische Prägung gewinnt, die beispielsweise durch den Wegfall des finalen Plosivs [g] im nothinʼ der Breakdown-Passagen abgebildet ist. Infolge des exklusiven Einsatzes von Begriffen, die eine wortschatzbezogene Schnittmenge in der englischsprachigen Grundgesamtheit bilden, wird der textliche Inhalt des Songs von einer größtmöglichen Anzahl demographischer und sozialer Gruppen – von Kindern bis zu Menschen hohen Alters aller sozialer Milieus – interpretierbar und entwickelt damit eine integrative Wirkung. Weiterhin sind die Strophen- und Chorustexte als Assonanzen, also unvollständige Halbreime, deren Reimsilben jeweils nur im betonten vokalischen Laut übereinstimmen,129 ausgestaltet, verleihen dem Text damit die von Spontaneität und Intuition geprägten Qualitäten gesprochener Sprache und entschärfen das ansonsten bezeichnend konstruiert wirkende Schema der Paarreime. In ihrer Reflexion der Imperfektion gesprochener Sprache übertragen die Halbreime dem Songtext einen natürlich wirkenden Ausdruck, der als Authentizitätsmerkmal oder Individualitätsindikator interpretiert werden kann und auf eine unmittelbare, ungefilterte persönliche Mitteilung des Ich-Erzählers verweist. Während der simple und repetitive formale Aufbau der Textpassagen eine enge Bindung zur Schlichtheit und Eindimensionalität der übermittelten Botschaft besitzt, korreliert die imperfekte Gestalt der Halbreime in hohem Maße mit der ausschließlich emotionalen Aussage des Textes. In einer über die Gesamtheit des Songtextes beibehaltenen direkten Ansprache an den Hörer beschreibt der Ich-Erzähler in den Strophen des Titels die Auswirkungen seines, bereits im Songtitel manifestiert, offenkundig positiven Gefühlszustandes in sehr allgemein gehaltenen Kontexten und stellt selbigen in kindlich und offen anmutenden Allegorien dar. So eröffnet der Ich-Erzähler die Musikaufnahme in der ersten Strophe mit der Aussage, verrückterweise sei die Sonne angekommen und der Hörer
127 128 129
Vgl. Brinker (1996), S. 1516. Vgl. Geldschläger (o.J.a). Vgl. Geldschläger (o.J.b); vgl. Langenscheidt (2018).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
könne eine Pause machen, ferner sei er selbst ein Heißluftballon und würde unbekümmert mit der Luft ins All fliegen. Im Verlauf der zweiten Strophe von Happy schildert der Ich-Erzähler seinen Umgang mit unerfreulichen Neuigkeiten – man könne ihm alle schlechten Nachrichten der Welt überbringen, warnt er, es würde ihm weiterhin gut gehen. Diese Warnung sei nicht beleidigend gemeint, sondern solle dem Überbringer schlechter Nachrichten deutlich machen, die Mitteilung negativer Botschaften habe auf den Ich-Erzähler keinerlei Effekt und sei demgemäß Zeitverschwendung. Beide Strophentexte des Songs enden in Überleitungen (»übrigens«, »aus folgendem Grund«), die auf die in den anschließenden Chorussen durch den Chor mitgeteilte Ursache für das innerhalb der Strophen dargestellte Wohlbefinden des Ich-Erzählers verweisen: »Because I’m happy«. Parallel zu dieser periodisch wiederholten Aussage animiert der IchErzähler in der Hauptgesangsstimme der Chorusse den Zuhörer unmittelbar zum Mitklatschen, wenn er sich wie ein Zimmer ohne Dach fühle, er das Gefühl habe, dass Glückseligkeit die Wahrheit sei, er wisse, was Glück für ihn bedeute oder er schlicht das Gefühl habe, dies tun zu wollen. Die Verbindung der jeweils mit einem »Clap along« beginnenden Textzeilen mit dem gleichzeitig auftretenden Händeklatschen erinnert bezeichnend an das US-amerikanische Kinderlied If You’re Happy and You Know It, wie auch die Journalistin Anne Hemmes für die Süddeutsche Zeitung feststellt,130 und stattet die Chorusse der Musikaufnahme mit einer kindgerechten aktivierenden Simplizität aus, die ein hohes Maß an Trivialität integriert. In Übereinstimmung mit dem schlichten kausalen Zusammenhang zwischen Chorpassagen in den Chorussen und Hauptgesangsstimme in den Strophen der Musikaufnahme beschreibt der Chor in den Breakdown-Teilen des Songs die Ursache für die in der Hauptstimme geschilderte Wirkung, es könne den Ich-Erzähler nichts von seinem emotionalen Hoch herunterholen, was zudem darauf beruhe, dass die Liebe des Gegenübers zu groß sei. Der am Ende der achttaktigen Textpassage der Hauptstimme in den C-Teilen als Adlib zugemischte Ausruf »Let me tell you now« deutet auf nachfolgende textliche Inhalte hin, wohingegen die periodische Wiederkehr der Textinhalte in Chor und Hauptgesangsstimme den Breakdown-Teilen die oben erwähnte, ausgeprägt repetitive Qualität verleihen. Im Gegensatz zur gleichbleibend wiederholten Aussage in der Hauptgesangsstimme steigert der Chor seine vierfach innerhalb der ersten Sequenz des ersten Breakdown-Teils gesungenen »happy« auf eine Tirade von 14 »happy« in der zweiten Sequenz des ersten Breakdown-Teils und der zweiten Breakdown-Passage. Als zentrales Schlüsselwort des Textes wird das Adjektiv »happy« (glücklich, fröhlich) im zeitlichen Verlauf der Musikaufnahme insgesamt 56 Mal im Chor gesungen, wohingegen die gleichermaßen relevante substantivierte Form des Begriffs, »happiness« (Glück, Glückseligkeit, Fröhlichkeit), zwölf Mal in der Hauptgesangsstimme zur Aufführung kommt. Der innere Zusammenhang der, abgesehen vom textlichen Inhalt der zweiten Strophe des Titels, von einer geringen wechselseitigen Bindung geprägten emotionalen Zustandsbeschreibungen und animierenden Aufforderungen des gesungenen Textes in der Hauptstimme wird vorwiegend durch die wiederholte Verwendung dieses Adjektivs und seiner substantivierten Form, in ihrer Funktion als gemeinsame Ursache der
130 Vgl. Hemmes (2013).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
Aussagen, hergestellt. In der Kombination mit ihrer sehr neutralen und allgemein gehaltenen sprachlichen Ausführung, die keine konkreten Bezüge herstellt, verleiht der geringe innere Zusammenhang zwischen den textlichen Sinneinheiten selbigen einen unabhängigen und austauschbaren Charakter. So könnten beispielsweise die Texteinheiten »Sunshine she’s here you can take a break«, »Bring me down, can’t nothinʼ«, oder »Clap along if you feel like happiness is the truth« ebenso in isolierter und alleinstehender Form in Erscheinung treten, wie sie, im Kontext des Songs, durch inhaltsähnliche Aussagen oder andere Textpassagen der jeweiligen Songteile ersetzbar wären. Der Liedtext von Happy ist demgemäß von einer außerordentlichen Repetitivität geprägt, die sich sowohl aus der sprachlichen Beschaffenheit der Breakdown-Passagen und der wiederkehrenden Aussage des Chores in den Chorussen, als auch aus der schematischen Wiederholung dieser Songteile speist – nach weniger als einem Drittel ihrer Gesamtspieldauer besteht die Musikaufnahme ausschließlich aus Chorussen und Breakdown-Teilen. Überdies ist der Text formal und inhaltlich von einer erheblichen, kindlichen Schlichtheit gekennzeichnet, die ihm eine hohe Allgemeinverständlichkeit und, in Interaktion mit seinem wiederholenden Wesen, Memorierbarkeit überträgt. Der in hohem Maße neutrale Ton des Songtextes ist einerseits auf die Verwendung sehr sachlicher Begrifflichkeiten, andererseits die fehlende Verknüpfung mit konkreten Ereignissen und eine maßgebliche Political Correctness zurückzuführen. Es ist zudem die nichtlineare Erzählstruktur, – der Text erzählt keine zusammenhängende Geschichte, sondern reiht allgemeine gefühlsbezogene Zustandsbeschreibungen und Aussagen sowie freundliche Aufforderungen zum Mitklatschen aneinander – die den Sinneinheiten des Liedtextes eine autonome und substituierbare Eigentümlichkeit übertragen. Im Zusammenspiel dieser Eigenschaften besitzt der Songtext eine ausgesprochen zugängliche Offenheit, die im dauerhaften Auftreten der Schlüsselbegriffe einem permanent positiven Kontext zugeordnet ist.
8.3
Eine musikalische Gestaltform der Werbesynchronisationsfreundlichkeit
In Übereinstimmung mit den markenseitig normativen Anforderungen an Musik in werblichen Maßnahmen wird Happy im öffentlichen Diskurs weitestgehend einvernehmlich ein unbeschwert fröhlicher und aktivierender Ausdruck zugesprochen: Williams habe die Essenz der Glückseligkeit eingefangen, der Song sei die weltweite Hymne für unbekümmerte Freude, er sei ansteckend fröhlich und würde einen zum Tanzen und Mitsingen bringen.131 Die Musikaufnahme besitzt formal und inhaltlich eine höchstmögliche Übereinstimmung mit den oben beschriebenen prävalenten Erwartungen von Marken an werblich verwertbare Musik, die im Folgenden kursiv dargestellt sind, und integriert darüber hinaus Elemente, die im Allgemeinen maßgeblich positiv attribuiert werden. Der formale Aufbau des Songs ist zunächst von der Alternation spannungsaufbauender und spannungsauflösender wiederkehrender Passagen geprägt. So stellt die schema131
Vgl. McLean (2014a); vgl. Gibsone (2014); vgl. Williams, H. (2014); vgl. Woodward (2014).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
tische Beschaffenheit des Titels den harmonisch aufgelösten Kadenzen der Chorusse spannungsgeladene sequenzartige Strophen und verstärkt verschiedenartige, mit vergleichsweise erhöhter innerer Reibung ausgestattete, rhythmisch geprägte BreakdownPassagen gegenüber. Dieses kompositorisch und produktionstechnisch implementierte Wechselspiel findet in der textlichen Gestaltung der Songteile Bestätigung: Während der Ich-Erzähler in den Strophen und C-Teilen der Musikaufnahme die Wirkung seines äußerst positiven Gemütszustandes darstellt, erläutert er in der Chorkadenz der Chorusse dessen Ursache. In Interaktion mit der grundlegenden Polarität zwischen den Chorussen und den anderen Segmenten des Titels sind es vor allem die erhöhte harmonische und klangliche Dichte, der wesentlich dazu beitragende gospelartige Chor und die mit klarer Schlusswirkung ausgestattete Gesamtkadenz, die den Refrains eine begeisternde und höhepunktartige Qualität verleihen, deren Wirksamkeit in den letzten beiden Chorussen der Aufnahme, infolge ihres Einsatzes nach den bruchartigen und in ihrem Finale klanglich ausgedünnten Breakdown-Teile sowie ihrer in Form des kennzeichnend vergrößerten Chores und der verstärkten Hauptgesangsstimme erhöhten Intensität, eine graduelle Steigerung erfährt. Weiterhin ist die Musikaufnahme in ihrem globalen Aufbau wie auch in der musikalischen und textlichen Binnenstruktur ihrer verschiedenen Songteile von einer erheblichen Repetitivität charakterisiert, die in derartigem Ausmaß als fundamentale Werbestrategie insbesondere in der Markenkommunikation auftritt, – audiovisuelle und auditive Werbemaßnahmen erlangen ihre Relevanz maßgeblich durch ihre regelmäßige Wiederholung – ein gattungsdefinierendes Merkmal von Werbespots darstellt und dem Song folglich insgesamt eine inhärente Werbeartigkeit überträgt. Von signifikanter Bedeutung für die werbekohärente Eigenart des Titels ist sein ausnahmslos freundlicher, unspezifischer und unaufdringlicher Text, der die positiven Schlüsselbegriffe »happy« und »happiness« in Addition und einer beispiellosen Dichte insgesamt 68 Mal wiederholt, nach dem Ende der zweiten Strophe keine weiterführende inhaltliche Entwicklung mehr aufweist, mehrheitlich aus der wiederkehrenden Choruspassage besteht und, infolge der geringen inneren Bindung zwischen den leicht verständlichen und keine konkreten Bezüge herstellenden, je vielfach auftretenden Aussagen, von einer hohen Austauschbarkeit gekennzeichnet ist. In seiner direkten, heiteren, unkritischen, kindlich schlichten und von Eingängigkeit bestimmten Ansprache an den Hörer besitzt der Songtext zudem eine wesenhaft konformistische Eigenart, eine integrative, Gemeinsamkeit erzeugende Wirkung und ausgesprochene Verständlichkeit in einer größtmöglichen Zielgruppenanzahl. Die gesangliche Organisation inhaltlich und melodisch austauschbarer respektive wiederholter Textabschnitte in den viertaktgien Call and Response-Sequenzen der Strophen, die eine hohe Übereinstimmung im Playback besitzen, den viertaktigen Kadenzen der Chorusse, die eine ausgeprägte Gleichartigkeit in Playback und Chor aufweisen, sowie den harmonisch zweitaktig angelegten, rhythmisch dominierten Sequenzen der Breakdown-Teile des Songs, deren ausschließlich aus Schlaginstrumenten bestehendes Playback eine eminente Substituierbarkeit auszeichnet, stattet die Musikaufnahme mit einer bezeichnenden Editierbarkeit aus. Im Zusammenspiel mit den schlichten und gleichermaßen von hoher Auswechselbarkeit charakterisierten Melodielinien der Hauptgesangsstimme sowie dem hohen Tempo erlangt Happy folglich eine demonstrative Flexibilität, die es ermöglicht, den Song kom-
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fortabel an die zeitlichen Vorgaben der verschiedenen werblichen Verwertungsformen anzupassen. Ähnlich der im Animationsfilm Despicable Me 2 synchronisierten Fassung, die eine Spieldauer von etwa 1:15 Minuten umfasst, können mit einfachsten Schnitten zielgerichtet neue Versionen aus der Musikaufnahme extrahiert werden, die auch in kürzesten Zeiträumen – etwa zur Einblendung in einem 30-sekündigen audiovisuellen Werbespot – einen Spannungsbogen mit zugehöriger Auflösung integrieren und in sich geschlossene Sinneinheiten bilden. Auf der Makroebene wird das formbildend repetitive Wesen der Musikaufnahme durch den Einsatz und die ungleiche Länge der Breakdown-Teile aufgebrochen, die anstelle der Strophen zwischen den Chorussen platziert sind. Demgegenüber sind es auf der Mikroebene innerhalb der Songparts die melodisch und textlich verschiedenartig gestalteten Gesangslinien der Strophen, die Progression der weiblichen Chorsequenz in den Breakdown-Passagen sowie die klangfarblichen und melodischen Unterschiede der Hauptgesangsstimme, die graduell veränderte Kadenz im Rhodes-Piano und die Vergrößerung des Chores in den Chorussen der Musikaufnahme, die der starren Repetitivität gegenüberstehen und Abwechslung im zeitlichen Verlauf des Song erzeugen. In der maßgebenden Homogenität und kontinuierlichen Wiederholung der Chorusse, die mit einem Anteil von mehr als 62 % an der Gesamtspieldauer eine autoritative Funktion innerhalb des Songs einnehmen, und Breakdown-Passagen liegt zudem eine der Ursachen für die außerordentlich Sangbarkeit von Happy. Die periodische Wiederkehr der sehr einfachen Melodielinien und leicht verständlichen Textabschnitte überträgt den einzelnen Songteilen eine enorme Memorierbarkeit, die den Hörer bereits bei erstmaligem Hören des Titels befähigt, entsprechend wiederholte Passagen im zeitlichen Verlauf des Songs mitsingen zu können. Das mühelose Mitsingen wird zudem durch den vielstimmigen Chor angeregt, dessen Auftreten in den Breakdown-Passagen und Chorussen der Musikaufnahme gemeinschaftliches Singen impliziert. Gleichzeitig trägt die im Chorgesang ermutigte bequeme Sangbarkeit zum insgesamt animierenden, aktivierenden und partizipativen Charakter des Songs bei, der, davon abgesehen, vor allem in dessen hohem Tempo, seiner von der spezifischen Parallelität gleichbleibender Impulse auf den Zählzeiten und synkopierter respektive auf den Offbeats platzierter Einsätze bestimmten Rhythmik und deren mittlerer Komplexität, dem schlagkräftigen Händeklatschen und der unmittelbaren textlichen Aufforderung, aktiv zu diesem Klatschen beizutragen sowie der hohen Intensität und Ausdruckskraft des Chorgesanges begründet liegt. In der Summe mit der grundsätzlich hohen Klangfarbe von Williamsʼ Gesangsstimme, der vergleichsweise hohen Stimmlage und Prägnanz der oberen Stimmen des Chorgesangs, der Gegenüberstellung spannungsaufbauender und spannungsauflösender Passagen und Elemente sowie dem in der Geschichte populärer Musik überwiegend eine Intensivierung von Gefühlen anzeigenden, in afroamerikanisch geprägter Soulmusik vor allem als Ausdrucksmittel für expressive Zäsuren, wie etwa Momente höchsten Glückes, eingesetzten Falsettgesang132 verleihen ebengenannte Merkmale der Musikaufnahme ferner ein hohes Maß an Energie und kraftvoller Wirkung. Die Schlichtheit und Trivialität der weitestgehend pentatonischen und von den Intervallen der Leiermelodik, der großen Sekunde und kleinen Terz, dominierten Me132
Vgl. Bernays (2010).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
lodielinien der Hauptgesangstimme verstärken die im Songtext manifestierte, kinderliedartige Ausdrucksqualität der Musikaufnahme. Unter weiterer Berücksichtigung des ausnahmslos freundlichen und neutralen Tons, der kennzeichnenden Allgemeinverständlichkeit sowie der prägnant kurzen Form und mehrheitlichen Unabhängigkeit der einzelnen Sinneinheiten des Liedtextes gewinnt der Song eine geradezu jingleartige Prägung. In seiner Neutralität, direkten Ansprache an den Hörer und das persönliche Glück des Ich-Erzählers in allgemeinverständlichen und interpretationsoffenen Einzelaussagen schildernden Form stellt der Songtext eine transparente Projektionsfläche für die emotionalen Werte der Hörer zur Verfügung, die sich in einem Rahmen der Positivität und des Optimismus befindet und damit die Reflexion der je individuellen Definition von Glück begünstigt. Der spielerische Umgang mit Konsonanzen und Dissonanzen, die klangliche Offenheit der Strophen wie auch der schwebend-intensive Charakter des Chorgesangs übertragen der Musikaufnahme eine Leichtigkeit, die in ihrer Konvergenz eine enge Bindung zu den Aussagen des Liedtextes besitzt. Es ist diese Synthese ein wesentlicher Faktor im Hinblick auf die konsensbildende Qualität des Songs, – das Streben nach Glück und Leichtigkeit verbindet alle Menschen – die überdies auf der hohen musikalischen und textlichen Verständlichkeit, dem klaren schematischen Aufbau und der mittleren rhythmischen Komplexität des Titels basiert. Wenngleich die konkrete Zusammensetzung der oben beschriebenen, weitestgehend allbekannten und kulturell verankerten klanglichen, musikalischen, textlichen und formalen Merkmale, die in ihrer jeweiligen Beschaffenheit vornehmlich von einer maßgeblichen Konventionalität geprägt sind, unweigerlich zur Individualität der Musikaufnahme beiträgt, sind es in erster Linie die in der Marketing- beziehungsweise Werbeterminologie unter dem Begriff der Edginess subsumierten inner- und außermusikalischen Faktoren, die den Song mit seiner spezifischen und unverwechselbaren Eigenart versehen. Das Timbre der Singstimme Williamsʼ stellt insofern einen Sonderfall dar, als dass es neben seiner bereits erläuterten Wirkung eine besondere Relevanz für die Einzigartigkeit des Titels aufweist. Als Teil des Idiolekts, der alle Eigenschaften umfasst, die den einzigartigen Sprachgebrauch eines Sprechers respektive Sängers auszeichnen, trägt die an der charakteristischen Obertonstruktur ablesbare hohe Klangfarbe entscheidend zur außerordentlichen Unverwechselbarkeit und hochgradigen Wiedererkennbarkeit der Singstimme Williamsʼ bei. Angesichts des immensen Bekanntheitsgrades des Superstars, der seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert als Songwriter, Musikproduzent und Interpret eine beispiellose Allgegenwärtigkeit in der populären Musikkultur vorzuweisen und mit seinem dauerhaften Erfolg einen prägenden Einfluss auf selbige gewonnen hat,133 ist die Gesangsstimme Pharrells untrennbar mit dessen öffentlich wahrgenommenem Image verknüpft, das mit der Überschrift Everybody’s Darling betitelt werden kann. Die annähernd ausnahmslos positive Attribuierung Williamsʼ im öffentlichen Diskurs korrespondiert etwa in Begriffen wie Erfolg, Unternehmergeist, Glück, Freude, Demut und Bescheidenheit – der Künstler sei stets entspannt, freundlich und von einer optimistischen Neugierde
133
Vgl. Theneptunes.org (2018); vgl. Recording Academy (2018); vgl. Patrick (2017); vgl. Hattenstone (2014); vgl. Shetler (2014).
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II. Teil: Populäre Musik unter dem gewachsenen Markenmandat
geprägt, die seinen dauerhaften Wissensdurst reflektiere.134 Der Tausendsassa mit Vorbildcharakter stehe nicht alleine wie kein anderer für moderne Musik, sondern sei, infolge seiner vielfältigen Tätigkeiten, längst zum Inbegriff von Coolness und Style geworden.135 Die kennzeichnende Positivität des öffentlichen Künstlerimages besitzt eine derartige Wirkkraft, das selbst die Markenkooperationen Williamsʼ, wie etwa der Entwurf einer Sneaker-Kollektion für die Firma Adidas, die unter dem Namen Human Race der Menschheit gewidmet sei, als selbstloser Akt der Philanthropie dargestellt werden.136 Abgesehen von der grundlegenden erheblichen Übereinstimmung der ausschließlich positiven Attribute des öffentlichen Künstlerfremdbildes mit den abstrakten vorwiegenden Erwartungen von Marken an werblich verwertbare Musik konvergieren folgerichtig ebenjene Eigenschaften im Image Willams, die das markenseitige Verständnis des Edginess-Begriffs definieren: Kredibilität, Progressivität beziehungsweise Modernität und Coolness. Es sind zudem die ebenfalls auf Williams referenzierenden Positionsschwankungen der Rhythmusgruppenanschläge und die spezifische Spielart der Instrumente, die den Groove der Musikaufnahme bestimmen, sowie die an der mehrheitlichen klangfarblichen Natürlichkeit, dem Roughmixcharakter und dem wesenhaften Minimalismus der Musikaufnahme ablesbare produktionstechnische Handschrift des Künstlers, die, in Interaktion mit der ambivalenten Tonalität des Titels und der darin verdichteten Verwendung von Septakkorden, die Kredibilität respektive Glaubwürdigkeit des Songs stärken. Während Williamsʼ enge musikalische, klanggestalterische und kulturelle Bindung zum Hip-Hop wie auch sein unverkennbar minimalistischer Produktionsstil Happy gleichermaßen mit allen oben genannten Merkmalen der Edginess verknüpft, steigern die umfassende und markant hörbare studiotechnische Bearbeitung der Hauptgesangsstimme, der abrupte Beginn, die gleichbleibende Intensität der Rhythmusinstrumentenanschläge, der Einsatz des langgezogenen Millennial Whoops in der Choruskadenz, die hohe Lautheit, das innovative Wesen des 24-StundenMusikvideos sowie der dominante Falsettgesang, dessen bis dato anhaltendes vermehrtes Auftreten in zeitgenössischer populärer Musik vom Historiker und Philosophen Ueli Bernays in einem Artikel für die Neue Züricher Zeitung bereits 2010 als popmusikalischer Trend erkannt wurde,137 den Progressivitäts- beziehungsweise Modernitätsgrad der Musikaufnahme hinzukommend. Demgegenüber besitzt der Titel keine inhärenten Merkmale, die unmittelbar mit dem Begriff der Coolness in Verbindung gebracht werden können, der demgemäß eine vergleichsweise schwächere Korrelation zum Song aufweist. Dennoch, das Image Williamsʼ und die unübersehbare inhaltliche Nähe des Songs zur Musik Marvin Gayes und Curtis Mayfields, deren öffentlich wahrgenommene Coolness, die zunächst auf ihrer repräsentativen Bedeutung für die Soulmusik der
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135 136 137
Vgl. Pirelli & C. S.p.A (2017); vgl. Andralemarie.com (2016); vgl. McLean (2014a); vgl. McLean (2014b); vgl. Milord (2014); vgl. Gallo (2014); vgl. Hirschberg (2014); vgl. Schilling (2013b); vgl. Tupponce (o.J.). Vgl. Pirelli & C. S.p.A (2017); vgl. Hirschberg (2014); vgl. Milord (2014); vgl. Schilling (2013b); Tupponce (o.J.). Vgl. Andralemarie.com (2016). Vgl. Bernays (2010).
8. Pharrell Williams’ Happy (From Despicable Me 2)
späten sechziger und jungen siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts basiert,138 durch die fundamentale Relevanz ihrer Musikaufnahmen als omnipräsente Samplequelle im HipHop eine erhebliche Steigerung erfahren hat, verbinden die Musikaufnahme mittelbar mit einer gewissen Coolheit. Gemessen an der für gängige populäre Musikproduktionen kennzeichnenden ausgeprägten tontechnischen Einflussnahme, die vielfach an der gesteigerten klanglichen Transparenz und Klarheit insgesamt profiliert künstlicher Klangbilder ablesbar ist, besitzt Happy eine geringe produktionstechnische Wertigkeit. In Bezug auf die prototypische werbliche Synchronisationsfreundlichkeit des Songs ist es folglich dessen ansonsten vollständige und individuelle Integration der prävalenten Anforderungen von Marken an werblich verwertbare Musik sowie dessen unmissverständlich und unauflöslich mit dem Image Williamsʼ, und damit moderner Musik, verbundene, spezifische Produktionsweise, die ein höheres Gewicht als die produktionstechnische Wertigkeit des Titels besitzen. Des Weiteren konsolidiert die konkrete Implementierung der Septakkorde in den standardisierten Akkordfolgen des Songs einerseits den Effekt der Choruskadenz, andererseits die Opposition aus spannungsgeladenen Strophen und spannungsauflösenden Chorussen. So steigert die nachdrücklich erhöhte innere Reibung in Subdominantparallele und Molldominante die auflösende Wirkung der nur im Rhodes-Piano subtil mit einer Septime verzierten Durtonika der Choruskadenz (sP7 -d7 -T), wohingegen die kleine Septime den auflösenden Charakter der Durtonika in der kadenzartigen Rhodes-Sequenz der Strophen des Songs (T7> -tP-S-D-S-T7> ) deutlich vermindert. In ihrer gezielten Platzierung sind die Septakkorde demzufolge der kulturell verwurzelten unmittelbaren Verständlichkeit der normierten Akkordfolgen untergeordnet und besitzen, außerhalb ihrer diesbezüglichen Funktionalität, einen weitestgehend verzierenden Charakter, der die auf afroamerikanische Musik referenzierende Eigenart des Titels festigt. Gleichwohl gemäß der beiden Werbemusikexperten synchronisationsfreundliche Musik für die werbliche Verwertung überwiegend auf Septakkorde verzichte beziehungsweise der »soulige« Anteil in Happy, der unter anderem in der deutlichen Verwendung von Septakkorden begründet liegt, die Werbetauglichkeit des Songs zumindest in Deutschland verringere,139 ist es Williams gelungen, der bezeichnenden inneren Reibung der Septakkorde eine eindeutige funktionale Bedeutung zuzuordnen und ihnen damit einen unterstützenden Ausdruck zu verleihen, der ihre markant dissonanten, wenig werbegeeigneten Qualitäten im Gesamtkontext des Songs abschwächt. Darüber hinaus steht die hohe formale und inhaltliche Nähe der Musikaufnahme zu afroamerikanischer Funk-, Soul- und Gospelmusik im Allgemeinen und dem musikalischen Schaffen Curtis Mayfields im Besonderen, dessen Songs, trotz ihrer mehrheitlich vergleichsweise gesteigerten Komplexität, in ihrer harmonischen Beschaffenheit, ihrem formalen Aufbau, ihrer treibenden Rhythmik und vor allem dem kennzeichnenden Falsettgesang Mayfields eine insgesamt außerordentliche Kongruenz zu Happy aufweisen,140 global betrachtet keineswegs im Widerspruch zu ihrer werbebezogenen Synchronisationsfreundlichkeit. Vielmehr integriert der Song gerade infolge seiner
138 Vgl. Brown (2016); vgl. Bradley (2011); vgl. Davis (2000). 139 Interview: Hickey (2018); Interview: Bussche (2018). 140 Vgl. Bernays (2010).
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eben beschriebenen Relationen eine Vielzahl von Elementen, die eine hohe Übereinstimmung mit den vornehmlichen Anforderungen von Marken an werblich verwertbare Musik besitzen. Neben den bereits ausgiebig besprochenen Merkmalen des Titels, wie etwa der antreibenden Rhythmik, sind es diesbezüglich der in populärer Musik vielfach zum Ausdruck euphorischer Freude genutzte Falsettgesang, den Bernays im Kontext der Funkmusik als Signet hedonistischer Euphorie bezeichnet und dem er bei Curtis Mayfield einen expressiven Hochdruckcharakter zuschreibt,141 sowie die maßgeblich positive Attribuierung von Gospelchören, deren emotionsgeladene Verkörperung von Hoffnung, Optimismus, Fröhlichkeit und Freude in Anbetracht ihres Ursprungs in der leidvollen Geschichte afroamerikanischer Sklaven mit einem Höchstmaß an Authentizität verbunden würde,142 die den markenseitig prävalenten Ansprüchen an Werbemusik entsprechen. Der in ihrem immensen kommerziellen Erfolg verifizierte Hitcharakter der Musikaufnahme kann in der theoretischen Auseinandersetzung etwa durch eine Evaluierung der maßgeblichen inner- und außermusikalischen Songeigenschaften anhand des ausführlichen Kriterienkatalogs bestätigt werden, den der Soziologe Antoine Hennion aus der dreijährigen Untersuchung des französischen Popmusikmarktes abgeleitet und in seinem hinsichtlich der Erfolgsproduktion in populärer Musik Maßstäbe setzenden Aufsatz von 1983 formuliert hat:143 Happy verbindet einen Großteil der Erfolgsfaktoren Hennions in bemerkenswerter Deutlichkeit. Abgesehen von der Identifikation und markenterminologischen Klassifizierung der musikalischen, klanglichen, text- und kontextbezogenen Eigenschaften der Musikaufnahme, die dem Song seinen prototypisch werbesynchronisationsfreundlichen Charakter übertragen, erlaubt das vorliegende Fallbeispiel Rückschlüsse hinsichtlich der fortgeschrittenen kulturellen Verankerung des signifikanten Einflusses von Marken und Werbetreibenden auf die Produktion und Rezeption zeitgenössischer populärer Musik. Der kolossale Erfolg des Songs reflektiert die progressive Inklusion entsprechender musikalischer Inhalte in Sozialisationsprozessen: Ein in seiner Herstellung autoritativ fremdbestimmtes Musikstück, das unter normativen und mit den dominanten Anforderungen von Marken an werblich verwertbare Musik übereinstimmenden Vorgaben explizit zum Zweck der audiovisuellen Synchronisation gefertigt wurde, kennzeichnend werbeartige Qualitäten besitzt, eine Werbebotschaft für ein anderes Medienprodukt im offiziellen Titel trägt und dessen Marketingstrategie ein vielfältiges Geflecht aus Markenkooperationen integriert, repräsentiert einen der größten Hits des 21. Jahrhunderts. Die mit der Digitalisierung fortschreitende dauerhafte Allgegenwärtigkeit werblicher Maßnahmen, in denen Musik vornehmlich der Erzeugung eindimensional positiver Emotionen, der Herstellung einer Wohlfühlumgebung, dient und einer diesbezüglich zunehmenden Standardisierung unterliegt, hat derartige populärmusikalische Gestaltformen zu einem festen Bestandteil der populären Musikkulturen der Gegenwart gemacht, der eine in ansteigendem Ausmaß konstitutive Bedeutung für die Hörgewohnheiten der Menschen besitzt – in der Rezeption der Musikhörer definieren sie vermehrt die prinzipielle Erscheinungsform populärer Musik. Gleichwohl es sich
141 Vgl. Bernays (2010). 142 Vgl. Fiehl (2008); vgl. Keding (2001), S. 15. 143 Vgl. Hennion (1983).
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bei diesem konditionierungsartigen Prozess dem Anschein nach um einen nicht intendierten Nebeneffekt der werblichen Tätigkeiten von Marken handelt, ist er dennoch ein Beleg für das ausgesprochene Gewicht der Markenkommunikation in den kontemporären populären Musikkulturen. Folgerichtig sind nicht alleine die spezifischen innerund außermusikalischen Attribute von Happy Ausdruck eines von Marken geprägten Zeitgeistes, sondern auch der enorme Erfolg der Musikaufnahme: In einer beschleunigend komplexer werdenden Welt ist es ebendie schlichte, neutrale, repetitive und allgemeinverständlich kindlich-emotionale Leichtigkeit, die Einfachheit des Songs, die, analog zur komplexitätsreduzierenden Funktion effektiver Marken, einen entscheidenden Anteil an der Anziehungskraft des Titels besitzt. Die archetypisch werbesynchronisationsfreundliche Eigenart der Musikaufnahme liegt in der konkreten Organisation und Wechselbeziehung ihrer mit den vornehmlichen Anforderungen von Marken an werbetaugliche Musik hoch korrelierenden kennzeichnenden Merkmale begründet, deren fragiles und sinnstiftendes Gleichgewicht schon durch die Modifikation eines Parameters elementar gestört werden kann. Gleichzeitig sind, ausgenommen die unmittelbar in singulären Qualitäten der Musikaufnahme repräsentierten Ansprüche der Werbetreibenden, weder die isolierten inner- und außermusikalischen Eigenschaften des Titels noch deren spezifische Zusammensetzung exklusive Manifestationen der dominanten markenseitigen Erwartungen an Werbemusik und demgemäß von einer beschränkten Generalisierbarkeit determiniert, deren jeweiliges konkretes Ausmaß eine umgekehrte Proportionalität mit dem Abstraktionsgrad der Begrifflichkeiten aufweist, denen die Songattribute funktional zugeordnet werden können. Im Gegensatz zu denjenigen Eigenschaften der Musikaufnahme, die, wie etwa der Einsatz hoher Singstimmen und standardisierter Akkordfolgen, als direkte und eindeutige Kriterien für werbesynchronisationsfreundliche Musik eine höchstmögliche Objektivierbarkeit besitzen, sind bereits diejenigen Songcharakteristika, welche die prävalenten Markenanforderungen an Werbemusik mit mittlerem Komplexitätsgrad verkörpern, wie beispielsweise die bevorzugten animierenden und anregenden Qualitäten, die ausgeprägte Sangbarkeit oder die Opposition spannungsaufbauender und spannungsauflösender Sequenzen, nur noch als Tendenzen verallgemeinerbar und die spezifischen Merkmale, die den Song mit den ausgeprägt abstrakten Markenerwartungen an werblich verwertbare Musik, etwa der Edginess oder der übergeordneten fröhlichen Glückseligkeit, verbinden keinesfalls mehr generalisierbar. So ist etwa die Alternation zwischen spannungsaufbauenden und spannungsauflösenden Sequenzen keineswegs ausschließlich mit den in Happy eingesetzten Mitteln realisierbar und kann ein fröhlich glückseliger musikalischer Ausdruck durchaus ohne die 68-fache Wiederholung der Begriffe »happy« und »happiness« erzielt werden. Hinzukommend unterliegen vor allem diejenigen Attribute der Musikaufnahme, die ihr einen modernen Charakter übertragen, naturgemäß einer zeitgebundenen Flüchtigkeit, und erlangen bestimmte Songeigenschaften, etwa der dominante Falsettgesang, ihre spezifische Bedeutung hauptsächlich durch ihren Kontext, der in diesem Fallbeispiel durch den ostentativen Bezug zu afroamerikanischen Musikstilen, in erster Linie der Soulmusik, das öffentliche Image des Künstlers, die Beschaffenheit der Musikaufnahme und den Songtext definiert wird. Erwartungsgemäß bilden die oben beschriebenen werbesynchronisationsfreundlichen inner-
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und außermusikalischen Qualitäten der Musikaufnahme sowie deren spezifisches Arrangement und ihre vielfältigen Wechselwirkungen eine wesentliche Grundlage für weiterführende Forschungsarbeiten, die den empirischen Nachweis ihres hypothetisch hohen Verbreitungsgrades in werblich verwerteter Musik erbringen und ihre generelle Relevanz in populärer Musik verifizieren müssen.
Schlussbetrachtung
Das Interesse werbetreibender Marken an der Verwertung populärer Musik und populärer Musikkultur ist seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert progressiv angestiegen. Auf dem Nährboden der fortschreitenden Digitalisierung sowie der lückenhaften und wenig zeitgemäßen internationalen Urheberrechts- und Copyrightsysteme haben werbetreibende Marken zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine derart hohe ökonomische und die Verbreitung von Musik betreffende Relevanz für Musikschaffende und Musikfirmen entwickelt, dass sie eine allgegenwärtige Präsenz und autoritative Machtposition in den populären Musikkulturen der Gegenwart einnehmen konnten. In Zusammenarbeit mit markenbeauftragten Agenturen und Produktionsfirmen determinieren sie, welche Künstler, Musikwerke und Musikaufnahmen in markenkommunikativen Maßnahmen verwertet, im Rahmen der Instore-Musik ausgespielt und bei gesponserten oder insgesamt durch Marken durchgeführten Konzertveranstaltungen stattfinden und besitzen damit die Verfügungsgewalt über weite Bereiche medial und live aufgeführter Musik, die eine breite Öffentlichkeit erreichen. Folgerichtig definieren werbetreibende Marken in zunehmendem Ausmaß, wie die Erscheinungsformen populärer Musik gestaltet sind, respektive was populäre Musik ist. Marketingorientierte Marken sind ebenso zunehmend im Musikgeschäft tätig, sie betreiben Musikfirmen, Musikverlage oder auch Tonstudios, wie sie sich, etwa mittels der Ausrichtung von Akademien für Musikschaffende, des Betreibens von Musikblogs, Radiosendern und anderen musikjournalistischen Medien, im öffentlichen Diskurs um populäre Musik platziert haben. Die gestiegene Anzahl werbefinanzierter Medien und der Zuwachs audiovisueller und auditiver Werbebotschaften, die Musik beinhalten, haben die Verankerung von Marken in den gegenwärtigen populären Musikkulturen weiter intensiviert und maßgeblich zu deren Omnipräsenz in letzteren beigetragen. Innerhalb dieser Entwicklung besitzen ausschließlich werbefinanzierte und werbegestützte Streamingdienste, insbesondere YouTube, das den weltweit wichtigsten Zugangsweg zu Musik darstellt, und Spotify, der größte Musikstreaminganbieter mit kostenfreiem werbegestütztem und kostenpflichtigem werbefreien Angebot, ein besonderes Gewicht, das auf deren außerordentlichen Wirkungsradius, die geringe Höhe ihrer Tantiemenauszahlungen an die Rechteinhaber der verwerteten Musikwerke und Musikaufnahmen und die, in Form verschiedenster Werbeformate, auf den Streaming-
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plattformen stattfindende umfassende strukturelle Verknüpfung von Marken und dem angebotenen musikalischen Repertoire respektive der zugehörigen Interpreten zurückzuführen ist. Mit der hohen Auftrittsfrequenz und Vielfalt werblicher Maßnahmen im Streaming hat die Verschränkung von populärer Musik mit werbetreibenden Marken eine neue Qualität und Quantität gewonnen, die in der Rückwirkung auf die Musikkonsumenten eine normative Wirkung besitzt und Marken rezipientenseitig als Teil der populären Musikkultur konditioniert. Dies gilt in gleicher Weise für alle anderen Bereiche populärer Musikkulturen, etwa Musikveranstaltungen, in denen die prominente Anwesenheit der Markenkommunikation die Regel darstellt. Dessen ungeachtet wird die Musikverwertung auf Streamingplattformen juristisch nicht als werbliche Verwertung eingeordnet. Das vornehmliche Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen Marken und Musikschaffenden konvergiert darüber hinaus nachdrücklich in der, durch die mangelhafte internationale Gesetzgebung ermöglichten, Praxis der Streaminganbieter, keine respektive unzureichende Tantiemen für die Aufführung auditiver und audiovisueller Werbung an die Verwertungsgesellschaften der Rechteinhaber darin verwerteter Musik auszubezahlen. Während die Vergütung der Sendung respektive Aufführung von Werbespots, die musikalische Mittel beinhalten, im klassischen Radio oder TV ein relevantes Einkommen für die beteiligten Musikschaffenden generiert, beschränkt sich deren Ertrag aus dem Streaming entsprechender werblicher Maßnahmen auf die vage Aussicht, ihren Bekanntheitsgrad steigern zu können und bildet somit einen starken Kontrast zum vielfältigen Benefit, den Marken aus der musikgestützten Kommunikation auf Streamingplattformen ziehen. Wenngleich die Aufführung von Musik in Ladengeschäften mit Tantiemen für die Musikschaffenden vergütet wird, reflektiert deren geringe Höhe, die auf der Annahme basiert, es handele sich bei der Instore-Musik nicht um eine werbliche Verwertungsform musikalischer Inhalte, dieses Missverhältnis in ähnlicher Weise. An dieser Stelle ist es notwendig erneut darauf hinzuweisen, dass die Gesamtheit der gegenwärtig durch Verwertungsgesellschaften eingesammelten Lizenzentgelte für die Zweit- und Drittverwertung musikalischer Werke und Aufnahmen in klassischen Medien wie Radio und TV, in Ladengeschäften, bei Musikveranstaltungen und im Streaming, mehrheitlich werbefinanziert ist. Werbetreibende Marken sind das wirtschaftliche Rückgrat der Zweit- und Drittverwertung musikalischer Inhalte, die, neben ihrer ökonomischen Bedeutung für die Musikschaffenden, ein zentrales Marketinginstrument für populäre Musik und ausübende Künstler darstellen. Unter weiterer Berücksichtigung der unmittelbaren wirtschaftlichen Relevanz werbetreibender Marken für Musikschaffende, die aus der gewachsenen künstlerseitigen Notwendigkeit hervorgeht, alternative Einnahmequellen, etwa Entgelte aus direkten Übereinkünften mit Marken, zu erschließen, nehmen letztere demgemäß eine Rolle im ökonomischen Gesamtgeflecht des Musikgeschäftes ein, die als systemrelevant bezeichnet werden muss: Die Musikwirtschaft ist, in ihrer gegenwärtigen Form, ohne sie nicht funktions- und überlebensfähig. Ohne die Entwicklung einer solch dominanten ökonomischen Bedeutsamkeit im Musikmarkt wäre die Machtposition, die Marken zum aktuellen Zeitpunkt gegenüber einem Großteil ausübender Künstler und Urheber, ausgenommen die Stars der Branche, aber auch Musikfirmen und -verlagen, einnehmen, und ihnen einen tief in die populären Musikkulturen reichenden Einfluss verleiht, undenkbar. Abgesehen von ihrer
Schlussbetrachtung
Autorität über die Konditionen marketingmotivierter Übereinkünfte mit Musikschaffenden, die an stetig sinkenden Lizenzentgelten ablesbar ist, besitzen Marken die Entscheidungsgewalt über die von ihnen, zum Zwecke der Markenkommunikation, verwerteten musikalischen Inhalte und Künstler. Als Ausdruck der globalen Marketingtrends der Individualisierung und Emotionalisierung ist die Künstlerauswahl, Musikselektion, Musikbearbeitung und -herstellung unter diesem Mandat vor allem an der Herstellung beziehungsweise Übertragung von Authentizität und Glaubwürdigkeit sowie der Erzeugung positiver Gefühlsregungen ausgerichtet. In Abhängigkeit der spezifischen Beschaffenheit einer markenkommunikativen Maßnahme sowie deren Zuordnung zu einer markentechnischen Kategorie, spannt der vermittels dieser Zielsetzungen definierte Rahmen verschiedenartige Räume auf, die graduell und inhaltlich unterschiedliche Restriktionen für die Ausgestaltung zugehöriger Übereinkünfte zwischen Musikschaffenden und Marken implizieren. Die vorwiegend kuratorischen, also die Musik- beziehungsweise Künstlerauswahl umfassenden, Tätigkeiten werbetreibender Marken in denjenigen Bereichen der Markenkommunikation, die ihnen keine oder nur geringfügige Einflussmöglichkeiten auf die konkreten musikalischen Inhalte einräumen, wie es etwa beim Sponsoring oder der Durchführung von Konzerten der Fall ist, besitzen, in Korrelation mit der verstärkten Marketingausrichtung der Musikfirmen, eine Rückwirkung auf die Musikschaffenden, die an deren steigender Bereitschaft ablesbar ist, markenstrategische Faktoren in die Herstellung populärer Musik einfließen zu lassen. Jede Entscheidung, die Marken für oder gegen die Verwertung eines bestimmten musikalischen Repertoires oder Künstlers in diesbezüglichen Maßnahmen treffen, trägt zu einem Gesamtbild bei, das eine Orientierungsfunktion für Musikschaffende einnimmt und folgerichtig ein maßgebliches Gewicht in den populären Musikkulturen der Gegenwart besitzt. In Ermangelung musikbezogener Handlungsoptionen werbetreibender Marken und ihrer erhöhten Fokussierung auf künstler- oder erlebnisbezogene Variablen findet in diesen Segmenten der Markenkommunikation eine deutlich weniger ausgeprägte musikalische Einschränkung des genutzten Repertoires statt, als dies in denjenigen Sparten geschieht, die Marken eine weitreichende Einwirkung auf die Musik gestatten. Derjenige Bereich der Markenkommunikation, in dem Marken die umfangreichste Kontrolle über die darin verwertete Musik besitzen – sie nehmen einen direkten Einfluss auf Form und Inhalt musikalischer Komponenten – weist, aufgrund seiner musikökonomischen Bedeutung und medialen Omnipräsenz, gleichzeitig die am stärksten ausgeprägte Rückwirkung auf die Musikschaffenden auf: audiovisuelle Werbung. Während die ungebrochen zentrale Relevanz audiovisueller Werbespots für Marken an deren weltweiten Ausgaben für Sendeplätze abgelesen werden kann, hat die, überwiegend auf die Erzeugung positiver Emotionen abzielende sowie an Länge und Dramaturgie der jeweiligen Werbefilme ausgerichtete, markenseitige Selektion und Manipulation der musikalischen Spotinhalte eine derart prägende Wirkkraft auf die Herstellung von Musik entwickelt, dass sie zur Etablierung einer populärmusikalischen Kategorie geführt hat, die als sync-friendly bezeichnet wird und maßgeblich werbesynchronisationsfreundliche Musik beschreibt. Wenngleich die populärmusikalischen Gestaltformen in audiovisuellen Werbespots ein denkbar breites Spektrum populärer Musikformen abbilden, also beispielsweise eine Vielzahl entsprechender Gattungen reflektieren, un-
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terliegen sie vornehmlich den unter dem Begriff der Synchronisationsfreundlichkeit subsumierten prävalenten Anforderungen werbetreibender Marken an werblich verwertbare Musik, die unter diesem Mandat fröhliche, optimistisch-freudige Emotionen evozieren und aktivierende Qualitäten besitzen wie auch einen unkritischen Konformismus implementieren und gleichzeitig individuelle Merkmale, die markenseitig wiederholt als Edginess bezeichnet werden, integrieren soll. Die gestiegene Autorität werbetreibender Marken innerhalb der populären Musikkulturen der Gegenwart besitzt folglich eine homogenisierende und standardisierende Wirkung auf die Gestaltformen populärer Musik. Zum einen trägt die, maßgeblich an Marketingzielen ausgerichtete und in hohem Maß der individuellen Verfügungsgewalt vornehmlich musikalischer Laien ohne populärmusikalisches oder die populären Musikkulturen betreffendes Fachwissen unterliegende und damit entscheidend vom persönlich Bekannten und Bewährten sowie als erfolgreich wahrgenommenen geprägte, Musik- und Künstlerauswahl für markenkommunikative Maßnahmen, in denen die Werbetreibenden keinen direkten Einfluss auf die integrierten klanglichen Gestaltformen nehmen können, beispielsweise beim Sponsoring von Konzerten oder der InstoreMusik, zu allgemeinen Homogenisierungstendenzen populärmusikalischer Gestaltformen bei, die etwa am zunehmenden Auftreten bestimmter Akkordprogressionen, einer steigenden klangfarblichen Übereinstimmung oder auch verstärkt vereinheitlichten Lautheiten in populären Musikformen ablesbar sind. Zum anderen entfaltet die normative Forderung werbetreibender Marken nach synchronisationsfreundlicher Musik zur werblichen Verwertung in audiovisuellen Werbespots eine spezifisch standardisierende Wirkkraft auf die Gestaltformen populärer Musik, deren klangliche und musikalische Bedeutung in dieser Forschungsarbeit exemplarisch vermittels der Einzelfallanalyse des Titels Happy von Pharrell Williams dekodiert werden konnte, der, unabhängigen Experten zufolge, eine prototypisch werbesynchronisationsfreundliche populärmusikalische Gestaltform repräsentiert. In der Fallstudie konnten die vielfach abstrakten dominanten markenseitigen Erwartungen an werblich verwertbare Musik mit den innerund außermusikalischen Eigenschaften des Songs verknüpft werden. Gleichwohl Happy die prävalenten Anforderungen werbetreibender Marken an werblich verwertbare Musik idealtypisch reflektiert, stellt das Musikstück nur eine konkrete Manifestation der Synchronisationsfreundlichkeit dar, die eine Vielfalt anderer Gestaltformen annehmen kann. Dennoch haben die aus der exemplarischen inhaltlichen Bestimmung der Sync-Friendliness gewonnenen Erkenntnisse, etwa die mittlere rhythmische Komplexität und das hohe Tempo des Songs, dessen Melodieführung auf einer vorwiegend pentatonischen Skala oder die Integration kulturell mit Lebensfreude verknüpfter Elemente, wie beispielsweise der gospelartige Chorgesang oder das markante Händeklatschen, eine erste akademische Evaluation der konkreten Anforderungen werbetreibender Marken an die Gestaltformen kontemporärer populärer Musik zur Einblendung in Werbespots erlaubt, die nachfolgenden Forschungsarbeiten als Grundlage zur weiterführenden Exploration dieses Themenfeldes dienen soll. Die eingangs formulierten Hypothesen konnten in der vorliegenden Arbeit demgemäß verifiziert werden:
Schlussbetrachtung
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Werbetreibende Marken haben sich im frühen 21. Jahrhundert zu einem allgegenwärtigen und entscheidenden Einflussfaktor innerhalb der populären Musikkulturen der Gegenwart entwickelt. Die Wirkkraft werbetreibender Marken auf die kontemporären populären Musikkulturen hat ein Niveau erreicht, das einen homogenisierenden Effekt auf die Gestaltformen populärer Musik impliziert, die in zunehmendem Ausmaß an den ökonomisch motivierten Marketingzielen der Markenkommunikation ausgerichtet sind.
Wenngleich die Omnipräsenz und Machtposition werbetreibender Marken in den populären Musikkulturen der Gegenwart auf eine große Reichweite ihrer homogenisierenden Wirkung auf die Gestaltformen populärer Musik hindeuten, erlauben die Ergebnisse dieser Untersuchung keine validen Aussagen hinsichtlich der Dimensionierung selbiger, die, aufbauend auf den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit, etwa in Form empirischer Studien in nachfolgenden Forschungsarbeiten determiniert werden muss. Der enorme Erfolg des Songs Happy verweist zudem auf eine konsumentenseitige Verankerung und Akzeptanz klanglicher Repräsentationen der Werbesynchronisationsfreundlichkeit, die eine fortgeschrittene entsprechende Konditionierung indiziert. In ihrer medialen Funktionalität kann populäre Musik als kultureller Text verstanden werden, der maßgeblich als individuelles Reflexionsmittel zur persönlichen Organisation der vielfach paradoxen oder ambivalenten Alltagserfahrungen in einer komplexen Welt dient und konkrete subjektive Weltbilder produziert.1 Demgemäß trägt die Autorität werbetreibender Marken innerhalb der kontemporären populären Musikkulturen im Allgemeinen, die dominante Ausrichtung werblich verwerteter populärer Musikformen an der Synchronisationsfreundlichkeit im Besonderen, zur gesellschaftlichen Prägung einer Anschauung der Welt bei, die als kritik- und inhaltloser ichbezogener Hedonismus bezeichnet werden kann, der vermittels massenmedial prävalenter klanglich authentisch erscheinender Wohlfühlumgebungen stimuliert wird. Eingebettet in einen zeitgenössischen Gesamtkontext, in dem werbetreibende Marken einen alle Lebensbereiche durchdringenden allgegenwärtigen Einflussfaktor darstellen, impliziert die markenseitig erlangte Kontrolle über die Gestaltformen populärer Musik und deren Verbreitung nicht allein diesbezügliche Homogenisierungsprozesse, sondern fördert ein standardisiertes, akritisches und am persönlichen Lustgewinn ausgerichtetes Weltverständnis, welches das gesellschaftliche, kulturelle, soziale und politische Leben derjenigen Gemeinschaften nachhaltig verändert, in denen populäre Musikformen eine charakteristische Bedeutung besitzen. Die Konsequenzen der Kolonisierung populärer Musik durch werbetreibende Marken, wie Meier die seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert fortschreitend anwachsende Verfügungsgewalt von Marken über populäre Musikformen und -kulturen adäquat beschreibt,2 sind demgemäß weitreichend. Im Hinblick auf eine reichhaltige in den populären Musikformen der Zukunft abgebildete Diversität und die mit deren gradueller Ausprägung verknüpften individuellen Reflexionsmöglichkeiten, die diese klanglichen Gestaltformen in ihrer medialen
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Vgl. Wicke (1992), S. 21f. Vgl. Meier (2017), S. 86.
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Operationalisierung bieten, erscheint die Erhaltung und Förderung künstlerischer Freiheitsgrade populärmusikalischer Musikschaffender folgerichtig notwendig zu sein. So sind zum einen die internationalen gesetzgebenden und gesetzsprechenden Institutionen gefordert, einen ausreichenden und zeitgemäßen Schutz der Urheber und Leistungsschutzberechtigten sicherzustellen, der sie gegen die unrechtmäßige Nutzung ihrer Werke absichert, eine angemessene Vergütung der Zweit- und Drittverwertung ihrer musikalischen Schöpfungen gewährleistet und ihre Position im Gesamtzusammenhang der Musikwirtschaft stärkt. Als Grundlage für künstlerische Freiheit ist die Herstellung ökonomischer Unabhängigkeit und Überlebensfähigkeit der Musikschaffenden zum anderen auf eine Überwindung des insbesondere durch das Streaming vorangetriebenen Wert- und Exklusivitätsverlustes populärer Musikformen angewiesen, der eine künstler-, anbieter- und konsumentenseitige Sensibilisierung bezüglich eines hinreichenden monetären Gegenwertes der jeweiligen Nutzungsform populärer Musik voraussetzt. Schließlich ist es diesbezüglich seitens der großen Musikfirmen erforderlich, ihre Tätigkeiten verstärkt an den Bedürfnissen ihrer Künstler auszurichten und vor allem ein Verständnis bei werbetreibenden Marken und Werbeschaffenden hinsichtlich ihrer Machtposition in den populären Musikkulturen sowie die darauf basierenden schwerwiegenden Auswirkungen ihrer vielgestaltigen Verwertung populärer Musikformen und Musikschaffender zu etablieren, das bislang kaum existent ist und wenigstens potentiell dazu beitragen kann, zukünftig ein breites Spektrum populärmusikalischer Gestaltformen in der Markenkommunikation vorzufinden und damit die popmusikalische Vielfalt insgesamt zu stärken. In Anbetracht der geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten der genannten Veränderungsprozesse wird es zukünftig vermehrt bedeutsam werden, ein Bewusstsein für die umfassenden Konsequenzen einer zunehmenden Homogenität und Konformität in populären Musikformen in den nationalen und internationalen politischen Institutionen zu schaffen, die, etwa in Form des Aufbaus umfangreicher Fördersysteme für die Künstler der populären Musikkulturen, wie sie in anderen Bereichen der Künste, beispielsweise den darstellenden oder bildenden Künsten, aber auch der europäischen Kunstmusik, unter anderem in Deutschland längst verwirklicht sind, einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung klanglich und inhaltlich unabhängiger Mannigfaltigkeit in populären Musikformen, die der Bildung einer kritikfähigen, offenen und heterogenen Gesellschaft zuträglich ist, leisten müssen. Abgesehen von ihrer Kontribution zum musikwissenschaftlichen Diskurs ist es ein Anliegen der vorliegenden Arbeit, ebenjene Sensibilisierungsprozesse voranzutreiben und so möglicherweise an einer Neuausrichtung der populären Musikkulturen mitwirken zu können, die auf die Realisierung populärmusikalischer Vielfältigkeit und nicht die Gewinnmaximierung eigentlich musikfremder Marken abzielt.
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Rap – Text – Analyse Deutschsprachiger Rap seit 2000. 20 Einzeltextanalysen Februar 2020, 282 S., kart., 24 SW-Abbildungen 34,99 € (DE), 978-3-8376-4628-3 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4628-7
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Wagner – Weimar – Eisenach Richard Wagner im Spannungsfeld von Kultur und Politik Januar 2020, 220 S., kart., 6 SW-Abbildungen, 5 Farbabbildungen 34,99 € (DE), 978-3-8376-4865-2 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation, ISBN 978-3-8394-4865-6
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