Die Geheimwissenschaften : Eine Kulturgeschichte der Esoterik


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Die Geheimwissenschaften : Eine Kulturgeschichte der Esoterik

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Von

stnrl Kiesewetter.

II. Thcil.

Die Geheimwissenschaslen.

icipsiÖ. Verlag voll Wilhelm Friedrich. 1895.

Die

Ravi Kiesewetter.

Seiriio. Verlag von Wilhelm Friedrich.

Alle Beds te Vorbehalten.

Vorwort. Mit diesem Buch übergebe ich den vor drei Jahren versprochenen zweiten Ceil meiner "Geschichte des neueren (Dccultismus" der Öffentlichkeit. £ide vorkomnu, mit welchen in späterer

Zeit so häufig die Alchymisten ihre Geheimnisse zn sichern suchten. Derselbe lautet in deutscher llbersetzung: "Jch schwöre beim liinnnel, bei der (Erde, dem seichte und der Finsternis ; ich schwöre dir bei Feuer und wasser, bei £uft und Crde, ich schwöre dir bei der Höhe des Himmels und der Ciefe der (Erde und des Tartarus, ich schwöre dir bei Hermes und Anubis, beim Geheul der Hollenhunde, bei dem den Orins bewachenden Drachen, ich schmore dir bet jenem Fährgeld und dem Schiffer Charon, ich schwöre dir bei den drei parzett, den Geiseln und Schwertern, lllit diesen Worten mich beschwerend, ermahnte mich Anrnael, daß ich das Geheimnis niemand offenbare außer meinem einzigen Sohn und geliebten Genossen." 1 2) Als Enthüllung des Geheimnisses der Goldbereitung giebt Jfis

an, daß jedes Ding nur aus Gleichartigem entstehe, und auch das

1) 01. Borricliius: Helllletis , Aegyptiorum et Cheniicoruln sapientia ab Herrn. Conringii animadversionibus vindicatu, Hafniae. 1674 4°. p. 53 il. -) Pgl. Kopp ll. li. G.

5. 524.

ll ©old Gold hervorbringe.

Darauf folgt eine Neihe alchymistischer

ÜOrschriften in einer ganz unverständlichen Terminologie,

Als letzte der mythischen Alchimisten führen wir (1)fth alles

und die Kleopatra an.

Bekanntlich unterscheidet Plinius zwei

©sthanes, einen im Gefolge des Zeerres befindlichen Magier, und einen Alexander den Großen begleitenden Mann dieses Namens, der sich gleichfalls mit Geheimkünften befaßte.

Südlich aber wurde

der Name (vsthanes im Altertum gleichbedeutend mit Zauberer

überhaupt gebraucht, wenn wir dem Zeugnis des Suidas Glauben

schenken wollen.

Unter diesen Umständen, und weil der Inhalt der

dein großen Magier zugeschriebenen Abhandlung dem gefeierten Kamen durchaus nicht entsprichst

haben wir alle Ursache, sie als

untergeschoben zu betrachten. Der Inhalt einer angeblich von Kleopatra, welche bald als die Gemahlin

eines Königs

Ptolemäus,

bald als die bekannte

lileopatra (69---3O v. Chn) bezeichnet wird, verfaßten Abhandlung,

welche man früher für alchemistisch hielt, behandelt nicht die Metall

veredlling, sondern Kosmetik, Maß und Gewicht. Als Lehrer der Kleopatra wird ein gewisser Komarios ge­ nannt, welcher nur insofern zu erwähnen ist, als in dem Titel der

angeblich von ihm herrührenden Schrift der Name "Stein

der

weisen“ zuerst vorkommt. Dieser Eitel wird in den meisten alten Handschriften folgendermaßen angegeben: Κομαζίου φιλοσόηου α^χιτρίως διδάβχοντος τήν Κλεοπάτραν ι ίμ· ίίτίαν χαι ίεράν

r'iXr'yn rost λίϋοι· τής q ιλοσοη icrc.1) r) l)gl. Kopp a. a. 0).

S.

Zweites Kapitel.

Die Alchymie bei den alten iuiltnrvölternWenden wir uns nun von den Fabeleien über den mythischen

oder gar göttlichen Ursprung der Alchvmie zur Untersuchung der Frage, in wie weit dieselbe den alten Kulturvölkern bekannt war,

so sehen wir, daß sich eine Kenntnis dieser Kunst in vorchristlicher Zeit nicht nachweisen läßt.

Zwar haben die Heroen der griechischen Philosophen, Plato

und Aristoteles, lange Zeit für Alchemisten gegolten, allein mit Unrecht denn Plato spricht nur einmal hypothetisch aus, daß ohne die rechte Anwendung selbst ein Wissen, die Felsen der Hrde in Gold zu verwandeln, nichts nutzen könne.1)

Aristoteles dagegen spricht

nur von den physikalischen Veränderungen, welche zwei verschiedene Metalle durch Zusammenschmelzen erleiden.’)

J) Plata itli Cnthydemos. ll). U). übers, von Hieronymus illiiller, lfeipz. (85i. Sd, 2, 5. 50: „Aber das haben wir schon früher erwiesen, daß es uns nicht frommte, wenn uns auch ohne ’Tliihe und ohne Nachgraben in der Crde alles Gold zu Teil würde, so daß, wenn wir selbst alle Felsen zu verwandeln wußten, dieses wissen für uns von feinem Wert wäre; denn wenn wir das Gold nicht zu brauchen wissen, würde es uns offenbar feinen Nutzen bringen." ?) „Vier Bücher über das Himmelsgebände und zwei Bücher über Cntstehen und nergehen.“ Griechisch und deutsch von C. prantl, Leipzig (857. 5. 427 ff.: "wenn der eine von beiden Körpern ausschließlich oder in sehr

l3 Auch Plinius spricht nicht von der "jungfräulichen Grde" der

Alchymisten, wenn er sagt1): Jam regnaverant in Colchis Salauces et Iisubopes, qui terram virginem uactus, plurimum argenti aurique eruisse dicitur iu Samnonim gente et aiioquin velleribus aureis inclyto regno“, sondern Schmieder bemerkt in seiner Geschichte der AlchYmie bereits ganz richtig2),

Gebirge" ,

daß terra virgo "nnverntztes

in

welchem

noch kein Bergbau getrieben wurde, bedeute. Mehr Anlaß, den Betrieb alchymistischer Künste bei den Römern

im ersten christlichen Jahrhundert anzunehmen, giebt folgende Stelle des Plinius3): ,,Aurum faciendi est etiam nuln una ratio ex auripigmento, quod in Syria sodiiur pictoribus, in summa tellure, auri colore, sed fragili, lapidum specularium modo, Invitaveraique spes Cajum (Caligulam) principem avidissimum auri: quamobrem jussit excoqui magnum pondus: et plano fecit aurum excellens, sed ita parvi ponderis, ut detrimentum sentiret, illud propter avaritiam exper­ tus ; quamquam librae XIV permutarentur; nec postea tentatum ab ullo est/1

Jn diesem Citat wird nun allerdings von „aurum lacere“ und „permutare“ gesprochen, was in Verbindung mit dem Um-

stand,

daß

die ägyptischen Alchymisten

im

hundert mittelst Schwefelarsen allerdings

auf alchYmistische Künste schließen ließe.

4.

christlichen

Gold machen

Jahrwollten,

Tiber ein Nachweis des

Betriebes der eigentlichen AlchYmie in Agypten im s. Jahrhundert

fehlt gänzlich, und so wird auch die Annahme hinfällig, daß Galigula vielleicht mit Hilfe eines ägvüschen Alchymisten --- Gold habe

machen wollen,

(offenbar bezieht sich die Stelle des Plinius auf

Versuche, dem Schwefelarsen beigemengtes Gold abzuscheiden, welche

hohem Grade ein sehr empfänglicher fiir (Einwirkungen ist, der andere aber dies nur in unmerklichem Grade ist, so wird das ans beiden Gemischte um nichts oder nur um weniges großer, wie dies bei Zinn- und Kupfer stattsindet; einige Dinge nämlich haben wechselseitig keine feste Stellung und schwanken zwischen einem zweifachen Sein hin und her, denn es zeigt sich, daß sie gewisfrrmaßen sowohl in iinmerklicheni Grade mischbar sind, als auch das Sine von ihnen der ausnehmende Stoff und das andere die Form ist, wie dies eben bei jenen stattsindet; nämlich das Zinn verschwindet fast gänzlich, wie wenn es ein stoffroser Instand des Kupfers wäre, und entweicht bei der mifchung, nachdem es dem Kupfer nur Färbung gegeben hat. *) Plinius: Historia naturalis. L. XXXIII. cap. z. 2) A. a. ®. 5. 55 3) Plinius: Historia naturalis. L. XXXlll. cap. g.

14

die Kosten nicht deckten, weshalb auch schon Boerhave unsere Stelle als einen Beweis

"peritiae rei docimasticae" bei den

Römern anfieht.1)

Nicht besser steht es mit der von Schmieder in seiner Ge­ schichte der Alchymie aufgestellten Behauptung, daß der um 360 lebende griechische Nhetor Chemistios Huphrades in seiner achten Nede der Verwandlung des Kupfers in Silber und des Silbers in Gold als ganz bekannter Dinge gedenke.2)

Die be­

treffende Stelle befindet sich überhaupt nicht in der nach gewöhnsicher Anordnung — achten Nede des Chemistios, sondern in der Valente imperante in betitelt und lautet3):

neunten, welche Petavius „cle his qui calamitatem inciderunt“

,,Ννν όλ

τον χαλκόν μεν

τον τό άργύρίον

εις χρνΰιον,

είς

άργνριον μεταβαλεϊν καϊ

άσμένος αν

τινα

ίξεύρα μεν

ιεχνην, oder wie Petavius übersetzt: „Jam vero libenter quidem

artem inveniremus, qua in argentum aes, aut argentum in aurum convertere possemus.“

Ορωτΐθς usw. gedeutetes

Nätsel ausdrücklich für die Alchemie in Anspruch nimmt. Dasselbe lautet:

:) Vgl. Friedlieb: Die sibyllinischen lUeisfagungen. 5. 15 ff.

Leipzig (952

25 ‘Κννέα γράμματ 'έχω " τετρασύλλαβος είμι ' νοεί y(c. -7ί τρεις αι πρώτοι Svo γράμιιατ έ'χονοιν έκαστη, Η Λοιπή St τα λοιπά, καί είσίν άφωτε St πέντε * Tot παντός S* άρι&μον εκατοντάδες είσι Sii οκτώ, Kai τρεις τρις δεκάδες, συν γ επτά ‘ Γτονς (V τις, είαί, Οίκ αμύητος b'o/t της παρ' έμοί σογίης.

Friedlieb übersetzte diesen Originaltext folgendermaßen; Buchstaben zähle ich neun: viersilbig bin ich; Nun erkenn mich welche von dreien zuerst, hat zwei der Buchstaben jede. Und was übrig die andern faßt; aber fünfe sind lautlos. Aber die Summe der zahlen enthält Achthunderte zweimal, Dreimal dreißig dazu mit sieben. Und weißt du wer ich bin. dann bist du nicht uneingeweiht in die göttliche Wahrheit."

Wir werden auf dieses Nätsel mehrfach zurückkommen. Nach den ältesten Annahmen waren die richtigen Losungen .1ιί)άγιρος, Quecksilber, oder Κινάβαρις, Zinnober; Nanconet, Cardanus, Go-

hory, Borrich, Neyher, Morchof und Leibniz hielten

ι/ρσίτικό),

Arsenik, für das gemeinte Wort, welche Annahme in Hinblick auf die von Stephanos mit Arsenik ausgeführte

wahrscheinlichste

ist.

Der

(72(

gestorbene

Metallfärbung Jenenser

die

Mediziner

G. W. Wedel entschied sich für κασσίΐίρος, Zinn, und K. A.

Kortüm, der Verfasser der Jobsiade, für ίιμπίλΐιις, welches, ein bituminöses Gestein bedeutendes Wort er auf die Steinkohle an-

wandte, in der er samt der von ihm gestifteten hermetischen Ge-

sellschaft eifrig laborierte. Von untergeordneter Bedeutung sind die drei hinterlassenen

alchvmistischen Gedichte von den hinsichtlich Zeit und Persönlichkeit unbekannten christlichen „Poeten“, wie man damals die AlchYmisten

nannte1), Theophrastos, Hierotheos und A r ch e l a o s; nur

sei bemerkt, daß das in Handschriften vorkommende Gedicht des Hierotheos ilt manchen Codices den tritel führt: Tuv ‘ΐίροίίίοιπερί Zieeou τά. ν