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German Pages 167 [180] Year 1980
Aus der Kölner Stadtgeschichte Heiko Steuer
Die Franken in Köln
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Greven Verlas Köln
Heiko Steuer Die Franken in Köln
• IQ. «MStadt< Köln«, außer der Kirche an Stelle des heutigen Doms.« Man kann sich Köln nicht bevölkerungsarm genug vorstellen; die Archäologen finden einfach kaum Spuren der frühen Franken. Im alten Kastell Deutz, dessen mächtige Mauern jahrhundertelang stehen blieben, scheinen die Kasernenbauten schon sehr bald verfallen und abgerissen worden zu sein. Denn dort sind die Spuren fränkischer Häuser ausgegraben worden, die anstelle der römischen Kasernen standen. Geschützt von mächtigen Mauern haben sich dort fränkische Familien niedergelassen.
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Fränkische Siedlungen und Gräberfelder
Seit dem 5. Jahrhundert ist das Kölner Gebiet eine fränkische Siedlungslandschaft, die sich, geht man von den Berichten in der schriftlichen Überlieferung aus, kontinuierlich während der karolingischen und ottonischen Zeit weiter entwickelt. Die archäologischen Funde jedoch lassen ein merkwürdiges Phänomen erkennen, nämlich einen Bruch im späten 5. Jahrhundert. Auf den spätrömischen Gräberfeldern sind Bestattungen von Germanen, sicherlich zumeist von Franken, gefunden worden, die in das 4. und S.Jahrhundert datiert werden. In einem Kapitel ist das ausführlich erörtert worden. Funde aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts aber, gerade aus der Zeit des Kölner Königtums, fehlen fast völlig. Einzig eine Fibel mit gelappter Kopfplatte und Tierkopffuß, gefunden im Kastell Deutz vor dem Osttor, stammt aus diesem Zeitraum (Abb. 15). Die wenigen Grabbeigaben, die vielleicht noch in diese Zeit gehören könnten, das sind Gläser, Keramikge-
15 Fibel aus dem Kastell Deutz, S.Jahrhundert 63
16 Verzierter Knochenkamm mit Futteral aus Köln, S.Jahrhundert
fäße und wenige Knochenkämme (Abb. 16), stehen m der Tradition der vorangehenden Jahrzehnte. Plötzlich setzen dann die Funde mit dem Anfang des 6. Jahrhunderts wieder ein. Waffen, Schmuck und Gefäße bilden nun aber ein Formengut, das allgemein das 6. und 7. Jahrhundert kennzeichnet. Nicht nur das Sachgut entwickelt sich neu; sondern zumeist fangen jetzt auch neue Gräberfelder an, abseits und unabhängig von den spätrömischen Friedhöfen. Da die Gräber bei den Franken immer nur wenige hundert Meter von ihren Höfen entfernt angelegt wurden, läßt sich folgern, daß das gesamte Besiedlungsgebiet sich grundlegend geändert hat. Alle neuen Gräberfelder setzen frühestens in den ersten Jahren des 6. Jahrhunderts ein. Auch im Bereich römischer Friedhöfe, auf denen die frühen Kirchen entstanden sind, 64
so bei St. Severin, St. Pantaleon, St. Gereon und vielleicht bei St. Ursula, wird nach einer Pause von mehreren Jahrzehnten wieder bestattet. Die Beseitigung des Kölner Königtums durch den Merowinger Chlodwig scheint demnach mehr bedeutet zu haben als nur die Auswechslung der Führungsspitze. König Chlodwig (gest. 511) oder sein Nachfolger im östlichen Reichsteil, in Austrasien, Theuderich I. (511—533) hat das Land des ehemaligen Kölner Königreichs neu verteilt, neue Landgüter seinen Gefolgsleuten zugewiesen. Mit der Bildung eines fränkischen Großreichs durch Chlodwig entwickelt sich zugleich eine neue Form des Totenkults, vor allem was die Anlage der Gräber und die Ausstattung mit Beigaben betrifft. Diesen neuen Totenkult des Merowingerreichs nennen die Archäologen Reihengräbersitte, weil die Gräber auf den Friedhöfen oftmals in Reihen und Gruppen angelegt worden sind und weil eine gewisse Normierung der Beigabenauswahl entwickelt wird, abhängig jedoch vom Reichtum der Familien. Der Mann bekam seine Waffen samt Gürteltracht mit ins Grab, außerdem des öfteren Trinkgeschirre; die Frau wurde mit ihrem Schmuck, mit hausfraulichen Geräten und ebenfalls mit Trink- und Eßgeschirr begraben. Über diese Fazetten des alltäglichen Lebens der Franken wissen wir recht gut Bescheid, da inzwischen im gesamten Bereich des ehemaligen Merowmgerreiches rund 100 000 Gräber erforscht sind. Die Siedlungen selbst sind fast noch unbekannt, jedenfalls kaum ausgegraben und harren noch der intensiven Erforschung. Auch im Kölner Gebiet gibt es eine große Zahl mehr oder weniger vollständig untersuchter fränkischer Friedhöfe, die uns auch Auskunft geben über Besiedlungsdichte und Siedlungsgröße. Denn aus der Zahl dt/ begrabenen Toten läßt sich die ehemalige Einwohnerschaft errechnen. Der Blick auf eine Karte, in der die bisher bekannten Gräberfelder eingetragen sind, zeigt, daß sie sich — betrachtet man das Kartenbild von Köln aus — gleichmäßig in alle Richtungen ausbreiten. Bis weit in die Eifel, in das Hohe Venn finden wir die Spuren der fränkischen Siedlung, die sich auch das ganze linksrheinische Gebiet nach Norden hinziehen, während jenseits des Flusses nur wenige Gräberfelder bekannt sind, die noch alle vor dem Bergischen Land in der Rheinniederung liegen.
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Domgräber Innerhalb der römischen Stadtmauer sind bisher nur unter dem Dom fränkische Bestattungen gefunden worden. Außer den beiden berühmten Fürstengräbern sind einige weitere Bestattungen nachgewiesen worden, die jedoch beraubt waren und nichts mehr über den Rang der Toten aussagen können. Eine größere leere Grabkammer legt jedoch die Vermutung nahe, daß mindestens eine weitere fürstliche Bestattung zu den Domgräbern gehörte. Schließlich wurde im Jahr 1978 noch ein leerer, zerstörter Kalksteinsarkophag gefunden, dessen leicht trapezförmiger Umriß sowie eingemeißelte Verzierung für eine Datierung in das späte 7. Jahrhundert sprechen. Ähnliche Sarkophage wurden unter dem Bonner Münster gefunden. Sie alle stammen aus Steinbrüchen in den Ardennen. Die beiden reich ausgestatteten Gräber blieben wohl deshalb ungestört, weil schon wenige Jahrzehnte nach Anlage der kleinen Kapelle, in denen die Gräber in die Erde gesenkt worden waren, das gesamte Atrium der alten Kirche eingeebnet wurde. Die etwa 28 Jahre alte Frau und der nur 6 Jahre alte Junge wurden um 540 beigesetzt, und schon unter Bischof Carentinus, der um 565 erwähnt wird, wurde das Atrium überbaut und die alte Kirche zu einer doppelchorigen Anlage von 85 m Länge ausgebaut. Es waren keine Familienmitglieder mehr am Ort, die sich um die Gräber in der kleinen Kapelle kümmerten. Nur für kurze Zeit hat also eine Familie versucht, ihre Gräber im Bereich der alten christlichen Kirche innerhalb der römischen Stadt anzulegen. Das geschah vielleicht während der Zeit, als es in Köln keinen Bischof gab, für die jedenfalls kein Bischof überliefert ist. Das antike Köln hatte Bischöfe, aber nach dem Tode des Bischofs Severin, der kurz nach 397 gestorben sein wird, reißen Erinnerung und Überlieferung ab. Für rund 150 Jahre fehlen Namen von Bischöfen; Carentinus ist der erste für die Merowingerzeit in Köln wieder erwähnte Bischof. Die beiden Toten, Thüringer, Langobarden oder Franken, waren jedoch Christen; das bezeugen die beiden prächtigen, ein großes Kreuz tragenden Scheibenfibeln der reichen Frauenbestattung. Zur Tracht der Frau gehören eine golddurchwirkte Stirnbinde, ein Paar goldene Ohrringe (Abb. 17) mit roten Almandinen eingelegt, zwei goldene Fingerringe und ein schwerer goldener Armring (Abb. 11). Auf der Brust der Toten lagen zwei prächtige Bügelfibeln (Abb. 14) aus Gold und Silber, mit eingelegten Almandinen und Filigranverzierung sowie zwei Rosettenfibeln aus Gold und Almandm 66
17 Ohrringe aus dem Frauengrab unter dem Kölner Dom, um 530/540
(Titelbild). Goldener Halsschmuck, goldbelegte Gürtelgehänge mit einem Messer (Abb. 18), dessen Griff mit Gold beschlagen ist und ebenfalls ein Kreuz trägt, und eine silberne, vergoldete Amulettkapsel aus dem Mittelmeergebiet gehören zur Tracht. Sogar die Schuhschnallen (Abb. 19), aus Gold und mit Almandin besetzt, sind von erlesener Qualität. Als weitere Beigaben standen im Sarg sechs kostbare Gläser, ein seltenes Bronzebecken, ein Holzeimer mit hervorragenden Bronzebeschlägen (Abb. 20) und noch ein Kasten mit ornamentierten Metallbeschlägen. Alle diese Schmucksachen sind qualitätvoller gearbeitet als die der fränkischen Königin Arnegundis, deren Sarg m der Kirche St. Denis bei Paris entdeckt worden ist. Diese um 565/570 verstorbene Königin trug ein Hemd aus feinem Leinen, darüber ein knielanges, violettblaues Seidenkleid. Über dem Kleid trug sie außerdem ein knöchellanges Gewand aus rotbrauner Seide, mit Leinen gefüttert, an den Ärmeln mit rotem Satin besetzt, der zusätzlich mit Goldstickerei geschmückt war. Auch die Dame aus Köln wird entsprechend kostbare Kleider getragen haben, die jedoch im Boden restlos vergangen sind. Der Knabe war als junger Krieger begraben. Als besonderes Zeichen hatte er einen gedrechselten Holzstab, gedeutet als Zepter, mitbekommen. Seine Hauptwaffe war ein Langschwert mit elfenbeinernem Griff, 94 cm lang, also für einen Erwachsenen gedacht. Zur Bewaffnung gehören weiterhin ein kleiner Sax mit zusätzlichem Messer in der gleichen Scheide, ein weiteres Messerpaar, dessen Scheiden mit Gold beschlagen waren (Abb. 13), eine 67
18 Messer mit Gehänge aus dem Frauengrab unter dem Kölner Dom und Messer aus Grab 217 bei St. Severin, erste Hälfte 6. Jahrhundert 68
19 Riemenzungen von den Schuh- oder Wadenbindenriemen aus Grab 135 von KölnJunkersdorf, 7. Jh., und aus dem Frauengrab unter dem Kölner Dom, 1. H. 6. Jh. 69
Lanze, ein Ango, die lange Reiterlanze, eine zierliche Franziska und drei Pfeilspitzen sowie ein Bogen. Hinzu kommen die Schutzwaffen Helm (Abb. 21), der speziell für das Kind hergestellt worden ist, und Schild. Als weitere Beigaben wurden gefunden drei Gläser (Abb. 22), ein Eimer, dessen Bronzebeschläge Menschenmasken tragen (Abb. 41), eine hölzerne Flasche, ein Trinkhorn mit silbernen Beschlägen, ein Trinkbecher, mehrere Schalen sowie eine Feldflasche, alle ebenfalls aus Holz. Spezielle Erhaltungsbedingungen unter dem Dom haben gerade die sonst immer verwitterten Holzteile gut erhalten. Ein sorgfältig gedrechseltes Totenbett aus Eiche und Pflaumenholz und ein ebenfalls gedrechselter und verzierter Stuhl wurden außerdem noch gefunden. Derartige Möbel sind sonst nur noch von einem Ort, dem alemannischen Gräberfeld von Oberflacht in Süddeutschland überliefert, wo die Gräber durch Zufall unter das Grundwasser gerieten und damit gewissermaßen konserviert wurden. Wären nicht diese Funde, so wüßten wir nichts über die Möbel der Franken. Die Lage der beiden Gräber unter der ehemaligen und zukünftigen Bischofskirche, die erlesenen Schmucksachen, der Goldreichtum und die Seltenheit einiger der Beigaben sprechen für den hohen Rang der Toten. Helme zum Beispiel sind selten überliefert, keine dreißig Exemplare sind bekannt, während Schwerter, darunter auch recht kostbare, zu Hunderten gefunden worden sind. Handelt es sich bei der Toten tatsächlich um Wisigarde, die zweite Gattin Theudeberts I. (König von 534—548), dann sind die prachtvollen Grabbeigaben nicht verwunderlich. Theudebert, ein Enkel Chlodwigs, war ein gewaltiger Herrscher, der im übrigen als erster sich das Recht der römischbyzantinischen Kaiser anmaßte, Münzen mit seinem Namen und der Frontansicht seines Antlitzes zu prägen, die zudem die provozierende Aufschrift Victoria Augustorum trugen. Es ist bezeugt, daß Theudebert derartige Münzen in Köln geprägt hat; denn eine der Münzen trägt die Buchstaben COL für Colonia (Abb. 1). Nach dem Tode Theudeberts übernahm sein Sohn Theudebald von seiner ersten Frau Deotima die Herrschaft über Austrasien. Es mag sein, daß er gewissermaßen aus Rache über die Verstoßung Deotimas durch Theudebert die Gräber seiner zweiten Frau und eines Sohnes hat verschwinden lassen. Doch sind das reine Vermutungen; fest steht, daß der vornehme Bestattungsplatz nicht mehr aufgesucht wurde. Im Abstand von nur wenigen hundert Metern liegen die nächsten fränkischen Gräberfelder wie ein Ring um die alte römische Stadt: Es sind die Friedhöfe um St. Severin, St. Pantaleon und St. Gereon. Bei St. Ursula und 70
20 Henkelattache vom Eimer aus dem Frauengrab unter dem Kölner Dom, um 530/40
7l
21 Helm aus dem Knabengrab unter dem Kölner Dom, um 530/540 72
22 Gläser, zwei Flaschen und ein Sturzbecher, aus dem Knabengrab unter dem Kölner Dom, um 530/540 73
23 Schwert aus Grab 205 von St. Severin mit silbertauschierter Parierstange und almandinverziertem Scheidenmundblech, frühes 6. Jahrhundert 74
St. Kunibert und auf der anderen Rheinseite bei Deutz können ebenfalls fränkische Gräberfelder gelegen haben.
Gräber um St. Severin Nur der Bruchteil eines großen römischen und fränkischen Friedhofes konnte von F. Fremersdorf in und um St. Severin ausgegraben werden. Immerhin zeigen die bisher bekannten 120 fränkischen Bestattungen aus einem Zeitraum vom frühen 6. Jahrhundert bis um 700, daß in der Nähe der Kirche eine fränkische Siedlung mit einigen größeren Höfen bestanden hat. Reich mit Beigaben ausgestattete Gräber belegen einen recht hohen Rang der Verstorbenen. Das Schwert (Abb. 23) aus Grab 205, mit silbertauschierter Parierstange und einem mit Gold und Almandin verzierten Scheidenmundblech, im frühen 6. Jahrhundert vergraben, stammt aus einem ausgeraubten »Fürstengrab«, von dem sonst nur noch ein eiserner Bratspieß übriggeblieben ist, wie er auch in anderen reichen Gräbern dieser Zeit gefunden worden ist. Grab Nr. 1782 von Krefeld-Gellep, ein prunkvoll ausgestattetes Fürstengrab mit goldenem Pferdezaumzeug, goldenem Sattelbeschlag, Helm und prächtigen Waffen enthält z. B. einen derartigen Bratspieß. Der Tote besaß zudem ein kostbares Schwert mit einem Knauf aus Gold und auf allen Seiten eingelegten roten Almandmen. Auffällig sind jedoch zwei massive goldene Ringe (Abb. 24), die auf der einen Seite des Knaufs ineinandergeschlungen angebracht sind. Diese Ringe haben keinen praktischen Sinn, sondern symbolisieren wohl eine Art Schwertbruderschaft. Derartige Ringknaufschwerter sind von Skandinavien bis Norditalien in meist gut ausgestatteten Gräbern gefunden worden und gehörten einst vornehmen Gefolgschaftskriegern, die diese Waffe vielleicht vom Gefolgsherrn, dem König verliehen bekommen haben. In Schweden, beim Ort Torslunda, sind Preßmodel (Abb. 25) gefunden worden, die zur Herstellung von Verzierungsblechen für Helme oder auch Schwertscheiden gedient haben. Sie gehören in die Zeit um 550; und eines dieser Bleche zeigt zwei Krieger, m gleicher Haltung, mit Helm, Lanze und Schwert bewaffnet. Beim Schwert des vorderen Kriegers handelt es sich — deutlich zu erkennen — um ein Ringknaufschwert. Helme und Ringknaufschwerter sind selten, wertvoll und die Hinterlassenschaft hoher Gefolgschaftskrieger. Auch die übrigen Beigaben ihrer Gräber, wofür das Grab von Krefeld-Gellep und auch die 75
24 Ringknauf des Schwertes aus dem Fürstengrab Nr. 1782 von Krefeld-Gellep, frühes 6. Jahrhundert
25 Model für Preßbleche aus Torslunda, Schweden, um 550
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26 Silberne Bügelfibeln aus Grab 217 von St. Severin, erste Hälfte 6. Jahrhundert
beraubte Bestattung von St. Severin Zeugnis ablegen, bilden zusammen einen ansehnlichen Schatz, der einst als Lohn für Dienst dem Königsschatz entnommen den hohen Gefolgschaftskriegern verliehen worden ist. Manches Gold in kostbaren Frauenschmuck umgewandelt stammt ebenfalls aus königlichen Schätzen, so daß auch die wertvollen Beigaben von Frauengräbern helfen, eine Vorstellung vom Inhalt eines Königsschatzes zu bekommen. Auch ein üppig ausgestattetes Frauengrab des frühen 6. Jahrhunderts konnte man bei St. Severin bergen. Sowohl die Schmuck-Kollektion als auch die übrige Beigabenzusammensetzung aus Grab 217 ähnelt der im Frauengrab unter dem Dom und gehört auch in die gleiche Zeit. Nur sind die Schmuckstücke nicht alle so prunkvoll gearbeitet, die meisten Stücke sind nicht wie beim Domgrab aus Gold, sondern aus Silber. Beim Wertverhältnis von 1:10 zwischen Silber und Gold drückt sich darin ein beträchtlicher Unterschied im absoluten Reichtum der beiden Familien aus. Statt des schweren Goldarmrings trug die Frau aus dem Grab von St. Severin einen 77
gleichartigen Ring aus Silber. Fast identisch ist demgegenüber das Messer mit goldenem Griff und wertvollem Gehänge (Abb. 18). Im Grab der Toten standen ebenfalls Tontöpfe, eine Bronzeschale und eine Glasflasche sowie ein mit Bronzeblech beschlagener Kasten. Zum Schmuck gehörten ein Bügelfibel- und ein Vogelfibelpaar (Abb. 26 und 27). Die Tote trug vielleicht wie die Dame aus dem Domgrab eine Art Diadem; denn umsponnene Goldfäden lagen auf ihrer Stirn. Nach Gregor von Tours galten derartige Stirnbinden als Abzeichen fränkischer Jungfrauen, die damit ihr lang wallendes Haar zusammenhielten. Die Deutung als Abzeichen der Braut wird ebenfalls erwogen. Vielleicht wurden dann die Stirnbinden erst den toten Frauen um den Kopf gelegt, um sie zu Bräuten Christi zu weihen. Wie dem auch sei, die große Übereinstimmung der Beigabenausstattungen in den beiden reichen Frauengräbern wirft ein klares Licht auf die Tracht der vornehmen fränkischen Frauen, die von der Schmuckkollektion über die magischen Gürtelanhänger bis hin zu ihren Gerätekästchen gleich war. Zwischen den beiden Frauen bestand daher wohl weniger ein grundsätzlicher Unterschied im Rang als vielmehr im Reichtum. Die Kästchen ließ man anscheinend, nach den Mustern der Beschläge zu urteilen, bei derselben Werkstatt arbeiten. Dem reich ausgestatteten Grab des frühen 6. Jahrhunderts entspricht eine ähnlich herausragende Bestattung aus dem 7. Jahrhunden; sie ist damit etwa 100 Jahre jünger als die beiden besprochenen Bestattungen, doch ist die Tote in der gleichen Tracht begraben worden. So trug sie ebenfalls ein Stirnband aus golddurchwirkter Seide, zwei große mit Almandin besetzte Scheibenfibeln und zwei schwere Bügelfibeln. Um den Hals lagen zwei Ketten, eine Perlenkette mit sehr großen Perlen und eine zweite Kette, zwischen deren kleine Perlen fünf Anhänger eingereiht sind, nämlich zwei kleine Rundscheiben mit Filigranbelag und drei kreuzförmige Anhänger. Am Kopf lagen zwei polyedrische Ohrringe und eine Haarnadel. Eine schlichte durchbrochene Gürtelschnalle war vom Gürtel übriggeblieben. Zwei Paar Schnallen und zwei mit Schlangen verzierte Riemenzungen, gefunden in der Beingegend, gehörten — ähnlich wie bei der Dame unter dem Dom — zur sog. Wadenbindengarnitur, mit der die Strümpfe oder Wadentücher an den Beinen festgeschnallt waren. Einziges Trachtenstück der späten fränkischen Zeit ist das Gürtelgehänge mit einer Zierscheibe aus Bronze, die einen Sonnenwirbel bildet (Abb. 28), sowie mit Schere und Messer. Am Fußende des Sarges standen eine Bronzeschale, eine Glasflasche, ein gläserner Sturzbecher und ein kleines, schön verziertes Kästchen. Die Tote aus Grab P 93, dem »Grab der Reichen Frau«, unterschied sich 78
27 Vogelfibeln aus Gold mit Almandineinlagen aus Grab 217 von St. Severin, erste Hälfte 6. Jahrhundert 79
28 Gürtel-Zierscheiben aus Grab 139 von Köln-Junkersdorf und aus Grab 73 von St. Severin, 7. Jahrhundert; die bronzene Zierscheibe von Köln-Junkersdorf ist in der Mitte kreuzförmig durchbrochen 80
jedoch im Reichtum der Beigaben von ihren beiden Standesgenossinnen. Denn aus Gold waren nur noch der Fingerring und die fünf Anhänger der Perlenkette, während die beiden Scheibenfibeln als Grundmetall Silber aufweisen und die beiden Bügelfibeln, das Ohrringpaar und ebenso die Schnallen aus Bronze waren und nur teilweise Spuren einer Vergoldung trugen. Da jedoch vom 6. zum 7. Jahrhundert überall der Metallreichtum des Schmucks zurückging, Gold von Silber und Bronze abgelöst wurde und sogar eiserne, wenn auch mit Silbereinlegearbeiten verzierte Gürtelgarnituren Mode wurden, entspricht die Ausstattung dieses Grabes vom Rang her sicherlich dem Status der Frau aus dem frühen 6. Jahrhundert. Beide Frauen aus St. Severin könnten durchaus zur selben Familie gehört haben. Eine weitere Bestattung aus der Kirche St. Severin, Grab P 100, das »Grab des Sängers«, ist erwähnenswert. Denn der Tote hatte eine Leier mitbekommen. Er trug ein kostbares Gewand, dessen Revers mit einer breiten Borte aus Goldbrokat und reiner Seide eingefaßt war. Im übrigen trug er zwei wollene Gewänder übereinander, Beinbinden aus zwei Lagen Stoff, die obere aus Wolle, die untere aus Leinen. Die Reste von Handschuhen und Schuhen aus Leder haben sich erhalten. Als Beigaben hatte er außerdem eine gedrechselte hölzerne Feldflasche mitbekommen, wie der Knabe aus dem Domgrab, und eine Tasche mit silbervergoldeten und im Flechtbandstil angloirischer Art verzierten Beschlägen. Diese Beschläge wurden im frühen 8. Jahrhundert hergestellt (Abb. 29). Das Grab des Sängers gehört also damit zu den jüngsten Bestattungen der Franken im Kölner Gebiet, die noch Beigaben enthalten. Das Musikinstrument zeichnet den vornehm gekleideten Toten als Sänger aus. Wir wissen nicht, ob er bei Köln ansässig war oder als fahrender Musikant am Hofe eines hohen Herrn hier Heldenlieder und Preisgedichte vorgetragen hat. Wie ein Goldschmied kostbare Geschmeide gegen Lohn aus geliefertem Edelmetall fertigte, so dichtete ein fahrender Sänger aus den bekannten Taten des Gastgebers Lieder zu dessen Ruhm. Sein Lohn waren Geschenke, Obdach und Beköstigung. Manch goldener Ring wanderte auf diese Weise aus dem Besitz eines Adligen in die Hand eines Sängers, der mit seiner Kunst handelte. So beweist dieses Grab des Sängers bei St. Severin den vermuteten Wohnsitz eines ranghohen Kriegers oder Adligen, wenn der Tote nicht selbst ein Adliger war. Denn nicht selten übten sich auch die vornehmen Herren in Dichtung und Gesang zur Leier.
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29 Riemenzungen aus dem Grab des Sängers von St. Severin, um 700
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30 Kleines Scheibenfibelpaar aus einem Grab in St. Pantaleon, um 700
Gräber um St. Pantaleon Auch auf dem Hügel von St. Pantaleon hat sich ein fränkisches Gräberfeld befunden, von dem bei Grabungen in der Kirche etwa zehn Bestattungen mit charakteristischen Beigaben ausgegraben werden konnten. Dazu gehörten die typisch fränkische Keramik, nämlich sog. Knickwandtöpfe, weiterhin bronzene Gürtelgarnituren und ein Paar kleiner goldener Scheibenfibeln mit einzeln gesetzten kreuzförmig angeordneten Almandinsplittern auf der sonst freien Goldfläche (Abb. 30). Derartige Scheibenfibeln, deren Fläche meistens jedoch zwischen dem roten Stein mit Filigranmustern besetzt zu sein pflegt, gehören in das 7. Jahrhundert. Irgendwann im 6., vielleicht aber auch erst im 7. Jahrhundert ist auf dem Gelände einer römischen Villa ein fränkischer Hof gegründet worden, dessen Bewohner im nahen Gräberfeld, auf dem sich später die Kirche erhob, begraben wurden.
Gräber um St. Gereon Ein weiterer fränkischer Friedhof lag bei der Kirche St. Gereon, im Bereich des großen römischen Gräberfeldes, auf dem der spätantike Bau, m der heutigen Kirche bis zu 16 m Höhe erhalten, errichtet worden ist. In St. Gereon ließ sich der im Bruderkrieg von 612 siegreiche Theuderich von den ranghohen Gefolgschaftskriegern seines Bruders huldigen. In der Kirche 83
fanden die mittelalterlichen Reliquiensucher reiche fränkische Gräber mit Edelmetallbeigaben, Waffen und kostbaren Stoffen. Zwischen der Vorhalle von St. Gereon und dem alten Archivgebäude, also im Atrium der antiken Anlage, wurden schon 1898 mehrere Sarkophage mit fränkischen Beigaben gefunden, darunter eine Kriegerbestattung mit Schwert, Sax, Lanze und mehreren Gürtelgarnituren. Zu diesem Grab gehören auch die drei Riemendurchzüge vom Schwertgurt, geschmückt mit gegenständigen Gesichtsmasken (Abb. 31). Noch in größerer Entfernung von der Kirche fanden sich fränkische Plattengräber mit Waffen- und Schmuckbeigaben. Aber auch in der Vorhalle selbst wurden ähnliche fränkische Gräber entdeckt; in einem fand sich eine verzierte Riemenzunge, in einem anderen eine mit Almandin besetzte Scheibenfibel. Schließlich sind merowingerzeitliche Goldmünzen entdeckt worden. Die Streuung der Frankengräber läßt sich nur so deuten, daß ein recht großer Frankenfriedhof an verschiedenen Stellen angegraben worden ist, der sicherlich nicht viel anders als der bei St. Severin zu beurteilen ist und das Gräberfeld für eine fränkische Siedlung aus mehreren Höfen war. Bisher haben sich fränkische Friedhöfe bei St. Ursula und St. Kunibert nicht nachweisen lassen, wenn auch aus St. Ursula ein merowingerzeitliches Glassepulcrum überliefert ist und für St. Kunibert, der Überlieferung nach im Z.Jahrhundert gegründet, aus einer Grabung des 19. Jahrhunderts ein Sarkophag mit Schwertbeigabe bezeugt ist. Von der topographischen Situation her kann jedoch mit einem fränkischen Bestattungsplatz gerechnet werden. Der innere Ring fränkischer Friedhöfe um das römische Köln ist zugleich der Ring der älteren Kölner Kirchen, schon hervorgegangen aus spätantiken Memorialbauten auf römischen Gräberfeldern, oder erst später gegründet. Sie haben als Eigenkirchen des Kölner Bischofs oder fränkischer ranghoher Familien gedient, und in ihrer Nähe ist auch der zugehörige große Wirtschaftshof oder der kleine Weiler aus mehreren Höfen zu suchen. St. Maria im Kapitol wird Eigenkirche und Stift der Plektrudis. Dieser Vorgang zeigt sich schon im Licht der schriftlichen Überlieferung. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, daß bei dieser Kirche ebenfalls ein Hof, vielleicht gar ein kleiner Palast als Pfalz dieser frühen in Köln weilenden Mitglieder der austrasischen Hausmeier-Familie gebaut worden ist. Die Gräber auf den »stadtnahen« Friedhöfen heben sich durch Besonderheiten von anderen fränkischen Gräberfeldern ab. Nicht nur ist der überdurchschnittliche Reichtum mancher Beigabenausstattungen bemerkenswert. Auffällig ist vor allem die häufige Verwendung antiker Sarkophage durch 84
31 Schwertgurtdurchzüge (oben) aus einem Grab bei St. Gereon, 6. Jahrhundert, und von einem unbekannten Fundort; gegenständige Menschenmasken oder Strichmännchen zieren die Metallplatten
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die Franken. Da sie auf römischen Friedhöfen beerdigten, stießen sie auf diese Sarkophage, räumten sie aus und legten ihre Toten hinein. Eigene Sarkophage konnten die Franken nicht herstellen; erst beim Übergang zur Karolingerzeit wurden wieder Steinbrüche zu diesem Zweck erschlossen und Kalksteinsarkophage in die politischen und kirchlichen Zentren geschickt. Statt Steinsärge zu benutzen, umstellten die Franken die Holzsärge oftmals mit alten Steinplatten ganz verschiedener Herkunft und deckten sie auch mit Steinplatten ab. Steine aus der Römerzeit gab es im Weichbild der Stadt genug; deshalb herrschen dort auch die sogenannten Plattengräber vor, während weiter ab auf den ländlichen Friedhöfen dieser Bestattungsbrauch mit zunehmender Entfernung von der antiken Ruinenstadt immer seltener wurde.
Ländliche Gräberfelder Die nächsten Gräberfelder der Franken liegen im Abstand von drei bis fünf Kilometern vor der römischen Mauer. In regelmäßiger Streuung bedecken sie die Landschaft und markieren so das ländliche Besiedlungsbild. Natürlich sind längst nicht alle fränkischen Gräberfelder entdeckt und zudem sind die bekannten fast nie vollständig ausgegraben worden. Ein Dutzend Bestattungen ist zumeist nur bekannt. Jedoch ist in Junkersdorf und in Müngersdorf jeweils ein Frankenfriedhof vollständig untersucht worden. Da beide Gräberfelder benachbart liegen, in einem Abstand von nicht viel mehr als einem Kilometer, läßt sich aus diesem Befund ausschnitthaft die fränkische Besiedlung erschließen und als Schema auf die anderen Fundplätze übertragen. Auf dem fränkischen Gräberfeld von Müngersdorf sind 149 Menschen bestattet worden, in einem Zeitraum vom frühen 6. bis späten 7. Jahrhundert. Nur wenige Kindergräber konnten entdeckt werden, was sich bei merowingerzeitlichen Friedhöfen immer wieder bestätigt. Will man nicht annehmen, daß zu jener Zeit eine extrem niedrige Kindersterblichkeit geherrscht hat, dann bleibt nur die Annahme, daß man damals viele gestorbenen Kleinkinder nicht bestattet hat. Davon gehen auch die Anthropologen aus und berechnen die Anzahl der nicht beerdigten Kleinkinder und Jugendlichen, was für Müngersdorf eine Größenordnung von 84 ergibt. Die durchschnittliche Bevölkerungszahl, die gleichzeitig im zum Friedhof gehörenden Weiler gelebt hat, betrug nach Schätzung der Anthro86
pologen 23 Erwachsene und Jugendliche und 13 nicht beigesetzte Kinder. Diese Einwohnerzahl entspricht in jener Zeit — bei einer als Mittelwert angenommenen Zahl von 25 Menschen pro Hof — im 6. Jahrhundert gerade einem Hof, im 7. Jahrhundert zwei Höfen. Denn nicht die Kleinfamilie bestimmte die Siedlungsstruktur, sondern die größere Familie mit Elternpaar und verheirateten Söhnen samt ihren Kindern sowie gewissermaßen zur Familie gehörenden Bediensteten. Zum Gräberfeld von Junkersdorf mit etwa 543 Bestattungen aus rund zwei Jahrhunderten lauten die Bevölkerungszahlen rund 140 Einwohner im Durchschnitt bzw. fünf Höfe im 6. und sechs Höfe im 7. Jahrhundert. Somit gehörte zum Junkersdorfer Gräberfeld ein kleines Dorf. Kehren wir noch einmal zu den Gräberfeldern rund um die römische Stadt Köln zurück. Im Umkreis der Kirchen St. Severin und St. Gereon sind bei Bauarbeiten vereinzelt fränkische Gräber in verschiedenen Straßen und auf Grundstücken entdeckt worden, die insgesamt bei St. Severin ein Gebiet von etwa 350 zu 300 m umgrenzen und bei St. Gereon von 350 zu 220 m. Vergleicht man diese Flächen mit der Größe vom Junkersdorfer Gräberfeld von 120 zu 80 m, dann käme man für die anderen Friedhöfe im stadtnahen Gebiet auf die acht- bis zehnfache Größe und bei gleicher Belegungsdichte auf 4000 bis 5500 Gräber. Ein derartiges Gräberfeld wird nun seit Jahren in Krefeld-Gellep untersucht. Auf einer Fläche von 300 mal 200 m sind dort tatsächlich etwa 5000 Gräber entdeckt worden. Doch handelt es sich nicht nur um fränkische Bestattungen, sondern wie bei den Kölner Friedhöfen von St. Severin und St. Gereon wird dort seit der römischen Zeit bestattet. Mehr als die Hälfte der Gräber in Krefeld-Gellep gehört in die römische Zeit, wenige lassen sich in das 5. Jahrhundert datieren. Die fränkischen Gräber bilden nur innerhalb des gesamten großen Friedhofareals zwei getrennte Bezirke, die rund 120m weit auseinanderliegen, und jeder von ihnen hat nicht mehr als 100 m Durchmesser. Man darf daraus schließen, daß in Krefeld-Gellep zwei fränkische Gräberfelder von 500 bis 700 Bestattungen ausgegraben worden sind, die zu zwei Dörfern aus sechs bis acht Höfen gehört haben. Ähnlich hat man sich wohl auch die Gräberfelder der Frankenzeit um St. Severin und St. Gereon vorzustellen, wobei die Friedhofsteile sicherlich nicht so groß wie in Krefeld-Gellep sind. Denn sonst hätte man mehr Funde, wenn auch nur zufällig, entdeckt. Mit Siedlungen aus einigen Höfen jedoch wird in beiden Fällen zu rechnen sein. Die nur einen Kilometer voneinander entfernt liegenden Gräberfelder von Junkersdorf und Müngersdorf geben nicht die normale Besiedlungsdichte 87
zur fränkischen Zeit wieder, denn bei durchschnittlich 50—60 Erwachsenen in den Siedlungen ergäbe das für ein Gebiet von 10 mal 10 km, also von 100km2 auch schon 100 Friedhöfe und 5000 bis 6000 Einwohner im Erwachsenenalter. Im Durchschnitt sind heute jedoch am Rhein und im Eifelvorland auf einem Areal von 100 km2 nur 10 bis 15, in Ausnahmefällen 20 Gräberfelder entdeckt worden, was einer Bevölkerung von 750 bis 1000 Erwachsenen entspricht. Eine solche Einwohnerzahl könnte dann durchschnittlich 200 Krieger für die Gefolgschaft eines Königs stellen. Verfügt ein König jedoch über eine Kriegergefolgschaft von 5000 Mann, so rekrutiert sich diese nach den vorangegangenen Berechnungen aus einem Gebiet von etwa 2500 km2. Dem entspricht ein 20km breiter Streifen links des Rheins von 120km Länge zwischen Andernach und Krefeld-Gellep, womit ein großer Teil der ehemaligen Civitas Ubiorum, des römischen Kölner Stadtgebietes, erfaßt wird, das als Ganzes Siedlungsgebiet einer königlichen Gefolgschaft und zeitweilig das Kölner Königreich des Sigibert war. Auf allen fränkischen Gräberfeldern sind nun auch die meisten Männer mit ihren schweren Waffen, also als Krieger, bestattet worden. In Müngersdorf wurden 149 Gräber aus zwei Jahrhunderten gefunden. Im Durchschnitt liegen demnach dort 75 Männer und Jünglinge. Davon hatten mindestens 43 Waffen mit ins Grab bekommen, denn ein Teil der Gräber war gestört und beraubt worden. Acht Männer hatten ein Langschwert (Spatha) und meist auch das einschneidige Hiebschwert (Sax) sowie Lanze und Schild mitbekommen, elf weitere hatten den Sax bei sich und oft auch die Lanze, bei weiteren zehn hat man eine Lanze gefunden. Beim Gräberfeld von Junkersdorf sind weit mehr, nämlich 87% der Gräber gegenüber 31% bei Müngersdorf, ausgeraubt worden, so daß kein repräsentativer Überblick über die Bewaffnung der Krieger mehr gewonnen werden kann. Jedoch scheint mindestens jeder fünfte Mann eine schwere Bewaffnung aus zwei Hiebwaffen geführt zu haben, mehr noch Sax und Lanze. Über die Hälfte aller Männer führte also eine wirkungsvolle Bewaffnung, die sich aber nach Rang und Alter unterschied. Auf den ländlichen Friedhöfen ist die ganze Spannweite zwischen beigabenlosen und recht üppig mit Beigaben ausgestatteten Gräbern überliefert. Auch Gräber mit kostbaren Beigaben sind gefunden worden, wenn auch keine derart reichen Prunkbestattungen wie die Gräber unter dem Dom oder auch bei St. Severin und St. Gereon. Die nächstgelegenen vergleichbaren Gräber sind die »fürstlichen« Bestattungen von Krefeld-Gellep (knapp 50 km entfernt) aus der gleichen Zeit und von Morken an der Erft (etwa
m 32 Henkelattachen von verschiedenen Eimern, darunter von einem Stück aus einem Grab bei Godorf, 6. Jahrhundert
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30 km entfernt) aus dem 7. Jahrhundert. Doch besaßen auch andere Franken Waffen, Schmuck oder Gefäße der gleichen Qualität wie sie in den fürstlichen Gräbern gefunden worden sind. Nur treten dann diese wertvollen Stücke nicht so massiert bei einem Toten auf. Mit Bronzeblech verzierte kleine Eimer (Abb. 32), deren Zierbleche Masken tragen und deren Henkelattachen in Form von Tierfiguren ausgearbeitet sind, vergleichbar den Stücken aus den Domgräbern oder dem Fürstengrab von Krefeld-Gellep, gehören zu diesen kostbaren Dingen. In Junkersdorf Grab 159, das ausgeraubt war, fanden sich aber noch die Beschlagbleche eines derartigen Eimers und außerdem eine getriebene Bronzeschale sowie ein Sturzbecher. Dieses Frauengrab enthielt sicherlich einst auch kostbaren Schmuck. Auch in Godorf und in Schwarzrheindorf bei Bonn sind derartige Eimer gefunden worden. Angonen, das sind lange eiserne dünne Lanzenspitzen mit Widerhaken, entwickelt wohl aus dem römischen Pilum und als Reiterwaffe zu deuten, lagen im Knabengrab unter dem Dom, in den Fürstengräbern von KrefeldGellep und von Morken, aber auch im großen, völlig ausgeplünderten Grab 151 von Junkersdorf und im ebenfalls ausgeraubten Grab 92 von Müngersdorf, in dem jedoch noch Reste des Schwertes und der Schildbukkel gefunden werden konnten. Vielleicht lag auch in Grab 205 von St. Severin ein derartiger Ango. Die Reihe ließe sich fortsetzen. So wurden in Junkersdorf noch in vier Gräbern wertvolle Bronzeschalen (Abb. 33) und in Müngersdorf in drei Gräbern solche Gefäße entdeckt. In beiden Gräberfeldern liegen diese reich ausgestatteten Gräber dicht beieinander, so daß sie wohl zu einer Familie gehört haben. Fünf Gräber von Müngersdorf enthielten prächtige Paare von Bügelfibeln aus vergoldetem Silber (Abb. 12). Grab 149 ganz im Norden des Gräberfeldes barg zusätzlich zwei S-förmige Fibeln und einen schweren Amring aus Silber; das benachbarte Grab 105 zwei Vogelfibeln und ebenfalls einen Armring aus Silber und schließlich Grab 122, das sich nach Süden hin anschloß, zwei Almandinscheibenfibeln nebst Silberarmring. Diese gleichartige Schmucktracht des fortgeschrittenen 6. Jahrhunderts entspricht der im beschriebenen reichen Grab bei St. Severin. Beachtenswert sind schließlich noch die beiden Bügelfibeln aus Grab 127, nach nordischem Vorbild gefertigt (Abb. 12), sowie Bügelfibelpaar, Almandinscheibenfibelpaar und ein Perlenarmband aus Grab 91 b (Abb. 36). 90
33 Bronzeschüssel aus Grab 71 von Köln-Junkersdorf, 6. Jahrhundert
Dem Range nach und von gleicher Qualität sind die Ausstattungen zweier Gräber des 7. Jahrhunderts, die große goldene Scheibenfibeln, besetzt mit Filigranmustern und bunten Steinen, enthalten haben (Abb. 35). In Grab 78 standen außerdem ein Eimer und ein wertvolles Bronzegefäß. Auch auf dem Junkersdorfer Gräberfeld enthielten mehrere Gräber Bügelfibelpaare, teils silbervergoldet, teils aber auch nur bronzevergoldet. Häufig ist wiederum die Zweifibeltracht der Fränkinnen des 6. Jahrhunderts überliefert: Zum Bügelfibelpaar kommen ein Vogelfibelpaar oder zwei Scheibenfibeln (Abb. 34). Grab 30 enthielt außerdem ein Paar bronzene Zierschlüssel (Abb. 37), deren Symbolcharakter noch nicht recht gedeutet werden konnte. In einem gestörten Frauengrab wurde auch eine prächtige goldene Scheibenfibel des 7. Jahrhunderts gefunden (Abb. 35). Almandinbesetzte, in Tierköpfen endende große Taschenbeschläge wurden in Müngersdorf (Abb. 38), aber auch in einem Gräberfeld bei Rodenkirchen ausgegraben. Im 40 km von Köln entfernten Gräberfeld von Iversheim, Kreis Euskirchen, das erst in einer Phase des Landesausbaus im 7. Jahrhundert entstanden ist, wurden vier prächtige Goldscheibenfibeln, Kennzeichen des hohen Ranges der Besitzerinnen, gefunden. 91
34 Almandinscheibenfibel-Paar aus Grab 91b von Köln-Müngersdorf und darunter weitere Scheibenfibeln von Müngersdorf, Junkersdorf und Rodenkirchen, 6. Jahrhundert 92
35 Goldscheibenfibel aus Grab 78 von Köln-Müngersdorf (oben) und aus Grab 582 von Köln-Junkersdorf, 7. Jahrhundert
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36 Perlenarmband aus Grab 91 b von Köln-Müngersdorf, frühes 7. Jahrhundert
Otto Doppelfeld hat die These vertreten, daß — vom Zentrum Kölns ausgehend — der Reichtum der Franken und damit auch ihrer Grabbeigaben mit zunehmendem Abstand geringer würde: Prunkvolle Beigaben hätten die Mitglieder der königlichen Familie, die unter dem Dom bestattet worden sind, mitbekommen. Die ranghöchsten Gefolgschaftsmitglieder und ihre Familien hätten in unmittelbarer Nachbarschaft, so in St. Severin und bei St. Gereon, ihren Landbesitz zugewiesen bekommen. Deshalb fände man dort die nächstreicheren Grablegen. Weiter ab vor der alten Römerstadt und auf dem flachen Land wären die rangniederen Gefolgschaftskrieger angesiedelt worden, deren Grabbeigaben dementsprechend einfacher seien. Auf den ersten Blick leuchtet diese These durchaus ein und scheint von den lokalen Befunden gestützt zu werden. Im Vorangegangenen wurde jedoch versucht zu zeigen, daß ranghohe Familien überall im Lande ansässig waren und gleichmäßig verteilt ihre Wohnsitze hatten. Nur der Überlieferungsstand, verbunden mit der begrenzten Ausgrabung zahlreicher fränkischer Friedhöfe und der einschneidenden Grabberaubung, läßt diese Besiedlungs94
37 Zierschlüsselpaar, Bronze, aus Grab 30 von Köln-Junkersdorf, 6. Jahrhundert 95
38 Almandinbesetzter eiserner Taschenbeschlag aus Grab 70 von Köln-Müngersdorf, 6. Jahrhundert
Struktur des Kölner Umlandes nicht so deutlich erkennen. Die »Fürsten« bzw. hohen Gefolgschaftskrieger von Krefeld-Gellep oder von Morken sowie die reichen Damen aus Iversheim gehören zu dieser ranghohen Führungsschicht, die, gefunden durch Zufall, schlagartig einzelne Zentren auf dem Land markieren. Verschieden zahlreich waren jeweils die eigene Familie und die persönliche Gefolgschaft; daher entstanden auch unterschiedlich ausgedehnte Gräberfelder.
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Verbleib der Galloromanen
Was eigentlich aus der ehemaligen galloromanischen Bevölkerung geworden ist, haben Archäologen, Historiker und Sprachwissenschaftler noch nicht herausfinden können. Die Archäologen haben nachgewiesen, daß die meisten ländlichen Siedlungen gegen das Jahr 400 verlassen worden sind. »Der Glanz der römischen Sprache am Rhein ist dahin, das lateinische Recht am Limes ist gestürzt«, meint dann um 470 Sidonius Apollinaris in einem Brief (4, 17) an den Comes Arbogast von Trier. Man nimmt an, daß die Mehrzahl der Romanen in das südliche Gallien abgewandert ist und andere sich in die Städte zurückgezogen haben. Doch auch dort lassen sich Romanen nur in spärlichen Spuren nachweisen. Allein die Grabsteine sprechen eine eindeutige Sprache. Die Inschriftensteine, die nach Epigraphik und Ornamentik in das 5. und 6. Jahrhundert gehören und römische Namen tragen, wurden vor allem im Bereich des spätantiken Gräberfeldes um die Gereonskirche gefunden. Dort ist auch der erwähnte Viatorinusstein aus der Zeit um 400 entdeckt worden. Während sich die christlichen Grabsteine mit römischen Namen im 4./5. Jahrhundert noch gleichmäßig auf die Gräberfelder bei St. Severin, St. Ursula und St. Gereon verteilen, stammen die Steine des 5./6. Jahrhunderts alle aus dem Bereich von St. Gereon. Einer der spätesten Grabsteine ist im 6./7. Jahrhundert für einen Leo gesetzt worden; die Inschrift lautet:
IN OH tvmOLO REQVIESCET IN PAGE BONE MEMORIE LEO VIXET AN NVS XXXXXII TR ANSIET NO NO ID(u)S OHTVB ERES und übersetzt: »In diesem Grab ruht in Frieden guten Andenkens Leo. Er lebte 52 Jahre. Er verschied am 9. Tag vor den Iden des Oktobers« (also am 7. Oktober). 97
Wie die Bearbeiter der römischen Steininschriften Brigitte und Hartmut Galsterer erläutern, hat in dieser Inschrift die germanische Aussprache die lateinische Wortbildung und Schreibweise schon stark verändert. Aus »hoc« wurde OH, wohl »och« gesprochen und aus »octobres« wurde OHTVBERES. Aus dem 5./6. Jahrhundert stammt der Stein, der einer Frau mit Namen Fugilo gesetzt worden ist. Sie starb im Alter von 40 Jahren und hatte einen germanischen Namen, der wahrscheinlich Vögelchen bedeutet. Umstritten ist die Zuweisung eines Grabsteines, der vielleicht den Namen Rusufula trägt; dies wäre ein fränkischer Name, doch ist die Lesung leider unsicher. Auf dem Stein steht etwa folgendes: »Wenn jemand meinen Namen zu wissen wünscht: Rusufula (?) heiße ich, die vier Jahre und elf Monate lebte. Den heiligen Märtyrer(inne)n beigesellt.« Nach dem Schriftduktus gehört auch dieser Stein in das 6. Jahrhundert und spielt auf christliche Märtyrergräber an. Der Name des kleinen Mädchens wird verschieden gelesen: Rusufula, Rusuula, Rudufula, Rusuma. Der erste für die fränkische Zeit überlieferte Bischof Carentmus (erwähnt um 565) gehörte dem Namen nach noch zum romanischen Bevölkerungsteil, während der als nächster erwähnte Bischof (um 590) Eberigisel einen fränkischen Namen trägt. Um 614 heißt der Kölner Bischof Solatius, ein römisch klingender Name. Aber die Namen allein bestimmen noch nicht die Herkunft der Bischöfe, da es bald Mode wurde, daß romanische Familien sich germanische Namen zulegten, während in der Zeit der Landnahme oftmals die Germanen sich in römischer Weise benannten. Erst mit Bischof Kunibert (etwa 623—etwa 663) ist dann unzweideutig ein Franke oberster Kirchenherr in Köln. Inzwischen haben sich die Reste der romanischen Bevölkerung den neuen fränkischen Lebensformen so angepaßt, daß wir sie nicht mehr von diesen unterscheiden können. Nun ist interessant, daß manche Sprachwissenschaftler noch im 7. Jahrhundert gerade im Kölner Gebiet — ganz anders als etwa im Moseltal — mit erheblichen romanischen Resten rechnen. Geschlossen wird das daraus, daß bei vielen Ortsnamen die sog. zweite Lautverschiebung nicht stattgefunden hat, ein sprachlicher Wandel, der nur unter fränkischer Einwirkung hätte erfolgen können. Das Fränkische habe es im Raum mit Köln als Mitte besonders schwer gehabt, sich durchzusetzen. Vorerst ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen romanischem und fränkischem Bevölkerungsteil nicht abzuschätzen. Fest jedoch steht, daß die Franken — vielleicht noch nicht zur Zeit des Königtums von Sigibert um 500, aber sehr bald zu Anfang des 6. Jahrhunderts — im Totenbrauch98
turn so bestimmend wurden, daß die Romanen sich dieser Sitte weitgehend anschlössen, sofern sie tatsächlich noch in größerer Zahl in und um Köln lebten. Schließlich nahmen sie auch die fränkische Sprache an. Damit war Frankentum nicht mehr allein eine stammliche und sprachliche Herkunftsbezeichnung, sondern kennzeichnete ein neues Volk, das sich aus germanischen und romanischen Wurzeln zusammensetzte. Es entstand ein neues Staatsvolk im ganzen Frankenreich, das die Merowinger gegründet hatten, und damit auch im Kölner Gebiet.
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Das Land Ribuarien
Die römische Civitas-Verfassung ging spätestens damals unter, als die letzten römischen Truppeneinheiten 402 die Stadt verließen. Der Vandale Stilicho (Abb. 3) zog damals als Oberbefehlshaber des Heeres unter Kaiser Honorius Truppeneinheiten vom Rhein und aus Gallien ab, um sie in Italien gegen den Westgotenkönig Alarich einzusetzen. Doch blieb das Gebiet der alten Kölner Civitas zwischen Andernach und Krefeld weiterhin die Basis der politischen Einheit. Um 480, als in Köln der König Sigibert herrschte und in Trier vielleicht noch der Comes Arbogast, wurden die gallorömischen Civitates der Ausgangspunkt für fränkische Teilreiche. Ob als römischer Beamter oder fränkischer König: die Herrschaft erstreckte sich über Leute, die Kriegergefolgschaften, welche eine alte Civitas besetzt hatten. Als König Chlodwig im ersten Jahrzehnt des 6. Jahrhunderts das Reich des Sigibert vereinnahmte, blieb weiter als Verwaltungseinheit die Kölner Civitas erhalten. Denn die Einwohner dieser Civitas werden im 8. Jahrhundert Ribuarii genannt; erstmals wird der Begriff im Liber Historiae Francorum, um 726/27 verfaßt, angeführt. Von dieser Zeit an bezeichnet Ribuarien bis weit ins Mittelalter hinein einen bestimmten Verwaltungsbezirk. Schon in der Zeit des Übergangs von der römischen zur fränkischen Verwaltung entstand ein neues Gliederungsprinzip, das auf Pagi, auf Gauen beruhte. Eine alte Civitas wurde in mehrere Gaue eingeteilt mit Verwaltungseinrichtungen in den jeweiligen Vororten dieser Gaue. Zugleich wurden im Nordosten des entstehenden fränkischen Reiches oberhalb der alten Civitates umfassendere Dukate, Herzogtümer, eingerichtet. Hier im Nordosten des Reiches gab es die Dukate Champagne, Moselland, Elsaß, Masuarien (das Maasland) und Ribuarien, das rheinfränkische Gebiet. Ribuarien bestand nur aus einer Civitas, der ehemaligen Kölner Civitas, und zusätzlich aus dem rechtsrheinischen Vorland. Das Herzogtum Ribuarien gliederte sich aber in mehrere Comitate, Grafschaften, bzw. Pagi, Gaue, und zwar in den Köln-, Bonn-, Jülich-, Zülpich- und Eifelgau. Auf der rechtsrheinischen Seite kam der Deutzgau hinzu. Berücksichtigt man, 100
daß der Eifelgau erst im 8. Jahrhundert dazugekommen ist, so bilden die übrigen Gaue zusammen das Territorium von Ribuarien und zugleich die alte Civitas Köln. Es war dieses Gebiet, das Sigibert beherrscht hat und welches Chlodwig seinem Reich einverleiben konnte. Unter seinem Sohn Theuderich I. (511—533) oder seinem Enkel Theudebert I. (534—548) wurde dann der ribuarische Dukat gegründet und damit die für die Zukunft gültige Verwaltungsgliederung geschaffen. Die dem austrasischen König nachgeordneten höchsten Gefolgsleute waren damit zugleich die obersten Verwaltungsleiter als Herzog in einem Dukat wie Ribuarien oder als Graf in einem Comitat oder Pagus. Der Frankenkönig Sigibert der Lahme, unabhängiger Herrscher, fand damit einen Nachfolger in einem Amtsträger und Gefolgsmann des Merowingerkönigs. Somit können die »fürstlichen« Bestattungen unter dem Dom und bei St. Severin auch zu Familien derartiger Amtsträger gehört haben. Köln war nicht mehr Hauptstadt oder Königssitz (sedis regia), sondern einerseits Amtssitz und andererseits Pfalz für vorübergehende Aufenthalte merowingischer Herrscher. Außerdem war und blieb Köln Bischofssitz. Ein Bischof konnte nach den Vorstellungen der Merowingerzeit nur in einer Civitas residieren, wie zu römischen Zeiten in einer Stadt, auch wenn der Platz keine Stadt mehr war, nur diesen Namen trug und wenigstens über eine Bischofskirche sowie eine Königspfalz verfügte. Köln besaß jedoch, zum einen wegen seiner Vergangenheit, zum anderen wegen seiner Lage ganz am Ostrand des fränkischen Machtbereichs, immer eine gewisse Bedeutung. Fränkische Könige hielten sich deshalb aus den verschiedensten Anlässen in Köln auf. Sigibert der Lahme (ca. 470—ca. 508) herrschte hier, sicherlich residierte er in einer Aula Regia. Chlodwig (geb. um 466, gest. 511) kam nach Köln, um die Huldigung der fränkischen Krieger nach Beseitigung der Kölner Könige entgegenzunehmen. Chlodwigs Sohn Theuderich I. (geb. um 486, gest. 533) hielt sich in Köln in einer Aula Regia auf, begleitet vom hl. Gallus, der einen heidnischen Tempel hier niederbrennen ließ. Theuderichs Sohn Theudebert I. (gest. 548) ließ in Köln Goldmünzen mit seinem Bild prägen (Abb. 1). Auch die kleinen Silbermünzen aus dem Knabengrab unter dem Chor des Domes können zu dieser Zeit in Köln geschlagen worden sein. Chlotar I. (geb. um 500, gest. 561, König des Gesamtreiches ab 558) kämpfte gegen die Sachsen, die um 555 plündernd bis Deutz vorgestoßen waren. Ob er in Köln gewesen ist, sagt die Überlieferung nicht. Da jedoch jeder König bei der Übernahme der Herrschaft einen Umritt durchs Land 101
vornahm, um sich von den Kriegern huldigen zu lassen und da er nach dem Tode Theudebalds, des Sohnes Theudeberts I. auch Austrasien, den östlichen Reichsteil übernahm, ist dies zu vermuten. Nach seinem Tod wird das Reich erneut geteilt, ein König mit Namen Sigibert I. (geb. um 535, gest. 575), der damit an die alte Tradition des Kölner Königshauses zumindest in der Namengebung anschließt, übernimmt Austrasien, residiert jedoch in Metz. Sein Sohn Childebert II. (geb. 571, gest. 595) hielt bei Köln zweimal ein Märzfeld ab, versammelte also die Kriegergefolgschaft seines Reichsteils hier. Neben Austrasien herrschte er seit 592/593 auch in Burgund, was schließlich Anlaß zum Bruderkrieg seiner beiden Söhne war. Theudebert II. bekam nämlich nach seinem Tod Austrasien, Theuderich II. Burgund. Letzterer siegte durch Verrat und Bestechlichkeit der Kölner Franken, ließ seinen Bruder und dessen Familie töten und nahm 612 in St. Gereon die Huldigung der ranghohen Gefolgsleute seines beseitigten Bruders entgegen. Aber schon mit 27 Jahren starb dieser skrupellose, aber tüchtige Frankenherrscher. Ihm folgte als König in Burgund und Austrasien Sigibert II., der jedoch noch im gleichen Jahr 613 starb. Austrasien fiel an Chlothar II. (geb. 584, gest. 629), der damit wieder Herrscher über das Gesamtreich wurde, gefolgt von seinem Sohn Dagobert I. (geb. 605/610, gest. 639). Dieser erhebt 633 den dreijährigen Sigibert III. zum Unterkönig von Austrasien und setzt den Kölner Bischof Kunibert sowie den in Metz amtierenden Herzog Adalgisel als Regenten ein (Fredegar 75): »Auch einen hinreichenden Schatz gab er seinem Sohn und stattete ihn mit allem aus, was seiner hohen Würde zukam.« In diesen Jahren scheint die Lex Ribuaria entstanden zu sein, ein Strafgesetzbuch, das erstmals wieder Faustrecht durch obrigkeitliche Rechtsprechung zu ersetzen versucht. Es war kein Volks- oder Stammesrecht, wie meist behauptet wird, sondern — nach E. Ewig — ein Gesetzbuch für ein Gebiet, nämlich für Ribuarien. Die Initiative mag dazu vom Kölner Bischof Kunibert ausgegangen sein, der das ältere Recht der salischen Franken, des fränkischen Stammes, aus dem das merowingische Königshaus hervorging, für die neuen Verhältnisse umgeformt hat. Straftaten vom Totschlag bis zur Vergewaltigung, vom Viehdiebstahl bis zum Grabraub sollten nicht mehr blutig gerächt, sondern durch Geldbußen an die geschädigten Familien abgegolten werden. Oberster Hofbeamter, Hausmeier, bei Dagobert I. war Pippin der Altere (gest. 640), ein hoher austrasischer Adliger, Vorfahr der die Merowmger ablösenden Karolinger, die seit Pippin sich Schritt für Schritt des Königstums bemächtigten. 102
39 Goldener Triens des Münzmeisters Rauchomaros, erste Hälfte 7. Jahrhundert 103
Nach dem Tode Dagoberts I. (639) war sein Sohn Sigibert III. König in ganz Austrasien (gest. 656) geworden. Seine alten Berater Bischof Kunibert von Köln und Pippin unterstützten ihn, als es um die Teilung des väterlichen Königsschatzes ging. Diese Teilung fand in der Pfalz Compiegne statt, wo vor der Königin Nantilde und ihrem Sohn Chlodwig II., seinem Stiefbruder, der über Neustrien herrschte, der Hausmeier von Neustrien den Schatz mit einer Waage in drei Teile gliederte. Sigiberts Schatzdrittel brachten die beiden Berater nach Metz, der austrasischen Hauptstadt. Sigibert beschenkte als Dank für Bischof Kuniberts Dienste die Kölner Kirche St. Peter — erstmals wird um oder kurz nach 640 also das Petruspatrozinium des Domes genannt — mit Grundbesitz. Ob und wann er selbst in Köln war, ist nicht überliefert. Daß Köln zur Zeit seines Vaters und zu seiner Zeit eine gewisse Bedeutung hatte, belegen Münzen, die in Köln geprägt worden sind, von sog. Monetären, Münzmeistern, die meist den König oder führende Amtsträger des Reiches bei ihren Fahrten begleiteten und dann an Ort und Stelle je nach Bedarf und Goldvorrat für den König Münzen prägten. Im Grab 170 von Junkersdorf ist eine Goldmünze, ein Triens, gefunden worden, geprägt vom Monetär Rauchomarus in Köln (Abb. 39). Der Name des Münzmeisters und die Ortsangabe Köln sind auf der Münze verzeichnet. Noch zwei weitere Münzmeister, Sunno und Gaucemarus, wirkten in Köln, wie ihre Münzen belegen. Alle drei haben in den Jahren um und nach 630 gearbeitet. Der Bericht eines Historikers aus dem 17. Jahrhundert muß noch erwähnt werden. Aegidius Gelenius schreibt 1645, bei der Kirche St. Cäcilien gäbe es eine Glocke, die vom Bischof Kunibert geweiht worden sei. Man läutete sie beim Feste des hl. Kunibert, bei Gewitter und beim Tod eines Klosterinsassen. Die Glocke sei auf wunderbare Weise von einer Wildsau aus einem Sumpfloch hervorgewühlt worden und trüge daher den Namen Saufang. Diese Glocke ist erhalten geblieben und heute im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen (Abb. 40). Der Bericht des Gelenius ist sicherlich eine Sage, jedoch ist die Glocke — hergestellt wie eine große Kuhglocke aus geschmiedetem und zusammengenietetem Blech — von sehr altertümlicher Form. Sie ist älter als die berühmten Theophilus-Glocken des 10. bis 12. Jahrhunderts, bei denen es sich um gegossene Stücke handelt, und mag in die spätfränkische oder karolingische Zeit gehören. Die verwirrenden Herrschaftsverhältnisse im späten Merowingerreich lassen sich kaum übersichtlich darstellen. Eins ist jedenfalls klar, daß zu Dagoberts I. und Sigiberts III. Zeit die einflußreichen austrasischen Adli104
40 Glocke des hl. Kunibert, sog. Saufang, 7./9. Jahrhundert, aus dem Köln. Stadtmuseum
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gen Kunibert, Adalgisel und später Pippin L, der Altere, zeitweilig die eigentlichen Regenten waren. Damit wurde Köln — wie Otto Doppelfeld formuliert — zu einer zweiten, einer heimlichen Hauptstadt Austrasiens. Austrasische Hausmeier versuchten, durch Staatsstreiche die schwachen Merowinger auszuschalten und die eigenen Söhne als Könige einzusetzen. Machtkämpfe entflammten zwischen den Hausmeierfamilien Austrasiens und Neustriens und zwischen den Angehörigen der austrasischen Hausmeier. Die Verhältnisse ähnelten sehr denen der fränkischen Frühzeit, ehe damals Chlodwig durch rigorose Beseitigung aller Konkurrenten aus der eigenen Merowingerfamilie eine stabile Herrschaft errichten konnte. Rigorose Macht- und Familienpolitik bahnte den Pippiniden und Karolingern ähnlich den Weg zur Herrschaft über das Reich. Die Familie der Karolinger löste die der Merowinger ab. Das fränkische Reich war und blieb gewissermaßen Familienbesitz; war die Zahl der herrschsüchtigen Familienmitglieder zu groß, so gab es Streit, vor allem wenn es um die Verteilung der Erbschaft ging. Auch Köln war Augenzeuge derartigen Streits. Der Bogen schließt sich zum Anfangskapitel: Als der Hausmeier Pippin II., der Mittlere, starb (714), rangen seine Witwe Plektrudis für den Merowingerkönig Dagobert III. und ihren Enkel Theudoald und ihr Stiefsohn Karl Marteil um die Herrschaft. Plektrudis zog sich nach Köln zurück mit der Grundlage aller Machtausübung, dem Schatz ihres Mannes. Karl Martell kam mit Heeresmacht, nachdem er die verschiedensten Widersacher im Felde geschlagen hatte, bemächtigte sich durch einen angezettelten Aufstand Kölns und zwang seine Stiefmutter, den Schatz herauszugeben. Damit hatte er die Herrschaft, doch machte er sich noch nicht selbst zum König, sondern sezte einen Merowinger, Chlothar IV., ein. So wie im Jahr 392 der Franke und römische Heerführer Arbogast zwar eigentlich Herrscher war, aber wegen des Augenscheins lieber den Römer Eugenius zum Kaiser einsetzte, bediente sich der Pippinide Karl Martell noch eines Merowingers. Erst sein Sohn, Pippin III., war um 750/751 König. Aber mit der Gründung des Stiftes Maria im Kapitol und dem Bau der Kirche durch Plektrudis um 715 endet die fränkische Zeit für Köln. In den archäologischen Befunden liegt das Ende schon früher. Die mit der Reichsbildung Chlodwigs einsetzende fränkische Reihengräberzivilisation erlischt schon im späten 7. Jahrhundert, die aufwendigen Grabbeigaben werden eingestellt, die Friedhöfe — auch im Kölner Gebiet — nicht weiter belegt und die Gräber ausgeplündert. Die Übereinstimmung zwischen der Zeit des merowingischen Machtverlustes und dem Erlöschen der Reihen106
gräbersitte ist nicht zufällig oder nur symbolischer Ausdruck eines epochalen Wandels. Die fränkische Gesellschaft erlebt tatsächlich insgesamt eine tiefgründige Umwälzung des sozialen Gefüges. Die drei Baukomplexe in Köln an der römischen Stadtmauer über dem Rhein veranschaulichen zur späten Frankenzeit die politische und gesellschaftliche Grundstruktur des Reiches: Der zentral gelegene Königspalast der Merowinger, das ehemalige Praetorium, verfällt endgültig. Die Karolinger benutzen diesen von Frankenkönigen besuchten Bau nicht mehr. In der Nordostecke der alten Stadt wächst durch Ausbau die alte Bischofskirche der Antike zum ersten frühmittelalterlichen Monumentalbau und zum eigentlichen Zentrum der neuen mittelalterlichen Stadt. Hier entsteht später die ottonische Pfalz, hier ist der Herrschaftsmittelpunkt der geistlichen Großen. In der Südostecke gründen die frühen karohngischen Hausmeier Kirche und Stift, hier mag eine Karolingerpfalz bestanden oder geplant gewesen sein. Die Karolinger sind Exponenten des emporkommenden Adels im Frankenreich, der die Macht des Königs zu beschränken weiß. Während die zentrale Königsmacht verfällt, steigen geistliche und weltliche Adelige zur Herrschaft auf. Bischof Kunibert und Plektrudis ebenso wie ihr Stiefsohn Karl Marteil verkörpern diese Emanzipation des hohen Adels. Zu Beginn der fränkischen Zeit auf den König eingeschworene Gefolgsleute bilden den Kern eines neu entstehenden Reichsadels, der am Ende der merowingischen Zeit die Bindung an die alte Königsfamilie abgeschüttelt hat. Die neue Königsdynastie hebt sich durch politischen und militärischen Erfolg aus einer Vielzahl ranggleicher Familien heraus, die zusammen jetzt erstmals eine geschlossene Gruppe, den Adelsstand, bilden, während die alte merowingische Königsfamilie die einzige »adlige« Familie war, von der alle anderen in — wenn auch unterschiedlichem Grad — abhängig waren. Es ist dieser Prozeß, der den revolutionären Wandel vom Völkerwanderungsreich der Franken zum Lehnsstaat der Karolinger bewirkt.
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Fränkischer Alltag
Mord, Intrigen, Rachedurst als politisches Handeln und politische Motivation schildern uns spannend und meist ohne moralisierenden Unterton die Schriftquellen der Frankenzeit. Blutrünstiger als die Frankengeschichte des Gregor von Tours (um 540—594) oder die Chronik des Merowmgerreichs vom hypothetischen Verfasser Fredegar (um 650) ist Machtpolitik selten dargestellt worden. Doch über das alltägliche Leben geben diese Schriften kaum und dann nebenher Auskünfte. Um mehr zu erfahren, sind die archäologischen Quellen zu befragen. Wir lesen von den Kriegen der Franken, aber ihre Bewaffnung kennen wir am besten aus den Funden in ihren Gräbern. Die Schriften sind voll von Kämpfen um Goldschätze; aber der kostbare Edelmetallschmuck der Fränkinnen ist als Beigabe in den Gräbern erhalten geblieben. Den Fundstücken selbst ist ganz unmittelbar abzulesen, welche Handwerkstechniken angewendet und weiterentwickelt wurden, wie das bei Waffen und Schmuck der Fall ist. Tongefäße und Gläser zeigen aber auch, daß andere handwerkliche Kenntnisse mehr und mehr in Vergessenheit gerieten. Manches konnten die Franken überhaupt nicht: Mit Stein als Baumaterial konnten und wollten sie nicht umgehen. Es dauerte Jahrhunderte, bis neue Steinbauten errichtet wurden; und zuerst waren das dann bauliche Veränderungen an alten Kirchen. Die Franken lebten im römischen Statthalterpalast in Köln, aber nicht ein einziger kleiner Mauerzug konnte gefunden werden, der in fränkischer Zeit als Reparatur oder Erweiterung des Baues errichtet worden ist. Demgegenüber waren die Franken wie alle Germanen außerordentlich geschickte Zimmerleute, wie ihre mächtigen dreischiffigen Bauernhäuser im rechtsrheinischen Germanien beweisen. Dort sind — in der Wurtenzone an der Nordseeküste — die Bauelemente derartiger Häuser aus Holz immer wieder ausgegraben worden. Den hohen Stand der Möbeltischlerei zeigen die erhaltenen Stücke — das Totenbett, der Stuhl, aber auch Eimer (Abb. 41) und andere Holzgefäße — aus den beiden Gräbern unter dem Domchor. 108
41 Getränkeeimer aus dem Knabengrab unter dem Kölner Dom, um 530/540 109
Alltagsleben Das Alltagsleben der Franken spielte sich überall in einem größeren Personenverband ab. Nicht unsere Kleinfamilie, sondern eine bedeutend zahlreichere Gemeinschaft, die »familia«, war Zentrum des Lebens. Zehn bis fünfzig und mehr Menschen gehörten zu einer Lebensgemeinschaft und wurden auch an einem Platz beerdigt. Reichtum und Menschenzahl begründeten den gesellschaftlichen Rang dieser Großfamilien, die nicht nur aus biologisch Verwandten bestanden, sondern auch aus Dienstpersonal-Familien und in manchen Fällen auch aus Sklaven. Vom einfachen Gefolgschaftskrieger bis zum Bischof reichte in Köln der Rang des Hauptes dieser »familiae«. Der geachtete Gefolgschaftskrieger, der bei seinem Tod mit den schweren Waffen begraben wurde, war Herr über seine Söhne und Knechte mit ihren Frauen und Kindern. Der Bischof verfügte über eine bedeutend größere Zahl von Abhängigen, unter denen Krieger und Bauern, aber bald auch Handwerker waren. Ihm gehörten als Eigenkirchen — sofern der König diese Kirchen nicht anderen ranghohen Gefolgschaftskriegern zu Eigen gegeben hat, was wir aber nicht wissen — die Kirchen um das römische Köln samt der zugehörigen Wirtschaftshöfe. Mancher Romane wird dieser oder jener »familia« sich mehr oder weniger freiwillig angeschlossen haben, um zu überleben. Wir kennen aus einem Brief des Salvian (um 460) das Schicksal einer Römerin aus Köln, die Hausangestellte in einer fränkischen »familia« werden mußte. Ihr Sohn hatte anderweitig in Gallien Aufnahme gefunden, während sie als Witwe in Köln zurückblieb. »Wie ich nun höre«, schreibt Salvian (Epist. 1,5—6), »ist sie in äußerste Armut und Not geraten. Es langt nicht aus, um wohnen zu bleiben und auch nicht, um wegzuziehen, weil einfach nichts mehr da ist, das Leben zu fristen oder die Flucht zu ermöglichen. Nur die eine Möglichkeit bleibt ihr, als Angestellte ihren Unterhalt zu verdienen und sich den Hausfrauen der Barbaren als Dienstmagd zu unterwerfen.« Das Alltagsleben der Franken wurde durch bäuerliches Wirtschaften bestimmt, so wie es schon seit Jahrhunderten war. Sie ließen sich auf den verlassenen römischen Landgütern nieder, um Rodungen zu sparen, bestellten das Land und züchteten Vieh wie auch schon vorher. Denn die sonst übliche Einquartierung bei römischen Grundherren, wie es in anderen Gebieten Galliens und auch in Italien und Spanien andere Germanenverbände bevorzugten, um sich aushaken zu lassen, war im Rheinland um Köln nicht möglich. Rechtzeitig hatten sich die einen Großgrundbesitzer auf andere Besitztümer abgesetzt und andere, die blieben, sich mit einer 110
42 Knickwandtöpfe, links Köln-Junkersdorf Grab 454, 6. Jahrhundert
schlagkräftigen Privatarmee unabhängig gemacht. Diese waren den fränkischen Kriegsherren mehr oder weniger gleichgestellt und verhielten sich auch wie sie. Wie die Höfe und Dörfer um Köln ausgesehen haben, wissen wir nicht; denn bisher hat man keine Ansiedlung der Franken ausgegraben. Im ehemaligen Deutzer Kastell sind die Grundrisse eines größeren Baues 111
und zwei kleiner, in die Erde eingetiefter Werkhütten, sog. Grubenhäuser, untersucht worden. Ähnliche Grubenhäuser wurden bei Köln-Porz ausgegraben und haben zumindest anhand der Abfallreste gezeigt, welchen Lebensstandard die dort einst im 6.17. Jahrhundert lebenden Franken besaßen. Man fand Scherben der sonst nur aus den Gräbern bekannten typischen fränkischen Knickwandtöpfe in so großer Zahl, daß nun nicht mehr angenommen werden kann, derartige Keramik wäre etwas Besonderes und vorwiegend für die Grabbeigaben ausgewählt worden. Knickwandtöpfe gehörten zum Alltagsgeschirr der Franken (Abb. 42). Es zeigte sich aber auch, daß noch von den Siedlern des 7./8. Jahrhunderts spätrömische Keramik im Alltagsleben verwendet wurde. Glasgefäße, vor allem Sturzbecher, gehörten ebenfalls zum Geschirr der Franken in Porz, Trinkbecher ohne Standfläche, die mit einem Zug ausgeleert werden mußten. Denn standesgemäßes Leben der Franken, die in den großen Bauernhäusern mit weiträumigen Hallen auch zu feiern wußten, war mit Trinkgelagen verbunden. Nicht von ungefähr wurden den reichen Toten immer Trinkgeschirre, nämlich schön mit Bronzebeschlägen verzierte Getränkeeimer (Abb. 32 und 41), Bronzeschalen (Abb. 33) und zahlreiche Gläser und Becher mitgegeben (Abb. 43 bis 45). Weiträumige Beziehungen lassen sich an den Grabbeigaben ablesen. So stammen Helm (Abb. 21) und Pfeile aus dem reichen Knabengrab unter dem Dom aus dem Osten, sind von den Awaren beeinflußt, während die Bügelfibeln aus dem Frauengrab (Abb. 14) in thüringischer Handwerkstradition stehen. Die große Amulettkapsel ist ein Import aus dem Mittelmeergebiet, ebenso wie ein großer Teil der Bronzegefäße aus den Gräberfeldern um Köln. Ein 1845 geborgenes Grab an der Severinstorburg enthielt eine ostgotische Almandinschnalle. Das Bügelfibelpaar aus Grab 127 von Müngersdorf (Abb. 12) verrät nordisch-skandinavische Stileinflüsse. Ob nun die Träger dieser Waffen und Schmucksachen aus fremden Ländern in das Kölner Gebiet gekommen sind, ob Handwerker zugewandert sind oder ob nur die Gegenstände als Erinnerungsstücke oder Beutegut mitgebracht worden sind, läßt sich im einzelnen nicht mehr entscheiden. Das Alltagsleben der Franken war jedoch ebenso — wie immer wieder in den vorangegangenen Zeilen anklang — bestimmt von Kampf und Krieg. So konnte ein Buch geschrieben werden über »den Krieger der Merowmgerzeit und seine Welt«, eine »Studie über Kriegertum als Form der menschlichen Existenz im Frühmittelalter« Q.-P. Bodmer 1957). Die Waffenbeigaben im Grab sind der Ausdruck für diese zentrale Rolle des ständigen 112
43 Fränkische Glasflasche, 16cm hoch, 6. Jahrhundert
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44 Verschiedene fränkische Trinkgefäße, Sturzbecher und Tümmler, 6. und 7. Jahrhundert
Kampfes im Leben der Franken. »Das Leben war ein Kampf, und das nicht nur im übertragenen Sinne; die Waffe war die stetige Begleiterin des Menschen«, schreibt Bodmer. Die Waffen wurden nicht aus der Hand gelegt, nicht einmal beim Besuch der Kirche. 114
45 Kleiner Tümmler aus Grab 403 und großer Tümmler aus Grab 411 von Köln-Junkersdorf, dahinter Glasflasche, um 600 und 7. Jahrhundert
Mord und Totschlag in der Kirche waren keine Seltenheit. Sogar Geistliche bis zum Bischof führten die Waffen bei sich. Auch geistliche Streitigkeiten wurden mit Gewalt ausgetragen. Die gewalttätige Lebensführung stellte geradezu den Lebensstil der führenden Kreise dar. Man durfte dem Begleiter eigentlich niemals den Rücken kehren. Als der hinterhältige Chloderich nach der Ermordung seines Vaters Sigibert den Gesandten Chlodwigs die Schatzkisten öffnete und hineinlangte, schlug ein Gesandter einfach mit der Axt zu. Als 612 im Bruderkrieg der unterlegene Theudebert in Köln von Kölnern verraten wurde, ging es ähnlich zu. Im Liber Historiae Francorum 38 heißt es: »(Theuderich) sagte: >Führt mir Theudebert lebend hierher oder bringt mir seinen Kopf, wenn ihr wollt, daß ich euch verscho ne!< Sie gingen daraufhin in die Stadt, brachten allerlei Lügen vor und sagten dem Theudebert: >Dein Bruder läßt dir sagen, gib den Schatz deines Vaters, den du behalten hast, heraus. Dann wird er mit den Seinen umkehren. < Als sie ihn so belegen hatten, ging er mit ihnen in sein 115
Schatzhaus (palatium thesauri: dazu brauchte ein Merowingerkönig also einen Palast und eine Hauptstadt), und als er die Truhen öffnete und die Kleinodien herausnahm, zog einer von ihnen sein Schwert und schlug ihm von hinten in den Nacken.« In den fränkischen Gräberfeldern gibt es immer wieder den Nachweis markanter Kampfverletzungen an den Skelettresten, an denen die Krieger aber nicht unmittelbar gestorben zu sein brauchen. Im Gräberfeld von Müngersdorf lag in Grab 81 ein Mann, bewaffnet mit Langschwert und Sax, dessen Schädel am Stirnbein gespalten war. Die Knochenränder sind vernarbt, der Krieger hat also diesen Schwerthieb auf den Kopf überlebt. Einem anderen Krieger fehlte der linke Arm, vielleicht ebenfalls die Folge eines Kampfes.
Bewaffnung Vornehmste Waffe des fränkischen Kriegers ist das Langschwert, die Spatha. Die bis zu 90 cm lange Klinge, oftmals aus gutem damasziertem Stahl, macht die Spatha zur Hauptwaffe im Zweikampf. Die Waffen der Vornehmen sind mit Gold und rotem Halbedelstein, dem Almandin, geschmückt. Gutes Beispiel ist das Schwert (Abb. 23) aus Grab 205 bei St. Severin. Andere Schwerter weisen goldplattierte Griffe auf und werden danach Goldgriffspathas genannt. Wieder andere sind zusätzlich mit schweren ineinander gewundenen Goldringen am Griff geschmückt, die sog. Ringknaufschwerter, von denen das nächste im »Fürstengrab« von KrefeldGellep (Abb. 24) gefunden worden ist, oder haben Elfenbeingriffe. Als gefährliche, typisch fränkische Waffe war die Franziska, eine Wurfaxt (Abb. 9), sehr gefürchtet. Geschwungenes Axtblatt und ein weiter stumpfer Winkel zwischen Blatt und Schäftung machen diese Waffe als Werkzeug völlig unbrauchbar, und besser als zum Hieb ist sie für den Wurf geeignet. Fränkische Truppenteile haben in entscheidenden Augenblicken der Schlacht gemeinsam auf ein Kommando die Wurfaxt gegen den Feind geschleudert. Im 6. Jahrhundert wurde diese Waffe ergänzt und ersetzt durch eine zweite Hiebwaffe, den einschneidigen Sax (Abb. 46 und 47). Im Verlauf der Zeit wird dieses große Messer immer länger, breiter und schwerer, mit Blutrinnen verstärkt und eignet sich damit zu außerordentlich brutalen Hieben. Der Sax ist damit wie der frühere römische Gladius eine Waffe, die man im Verband kämpfend verwendet. 116
46 Sax vom Severinsheim, 6. Jahrhundert 117
47 Saxe mit Zierbeschlägen der Lederscheide 118
48 Gürtelschnallen-Garnitur aus Grab 84 von St. Severin, Bronze, 7. Jahrhundert
Auch diese Hiebwaffe ist oftmals sehr kostbar verziert. Almandin und Gold trägt schon der Sax des Königs Childerich. Später wird die Blutrinne mit eingelegten Silbermustern bedeckt. Die Lederscheide trägt gepreßte Muster (Abb. 46), die großen Zierknöpfe aus Bronze, die die Scheide zusammenhalten, sind mit Ornamenten, meist im germanischen Tierstil verziert (Abb. 46, 47 und 49). Über und über verziert sind auch alle Beschläge der Waffengürtel. Manchmal hat ein Franke drei geschmückte Gürtel mit ins Grab bekommen, einen für die Hose, einen Schultergurt für das Schwert und einen breiten Saxgürtel (Abb. 48). Weitere Waffen sind schwere Lanzen und leichte Wurfspeere, während Pfeil und Bogen keine große Rolle gespielt zu haben scheinen. Auch die Lanzenspitzen sind manchmal mit Ziernieten und Silbertauschierung geschmückt. Eine seltene Waffe, Kennzeichen vornehmer und meist berittener Krieger, ist der Ango, das ist eine bis l m lange Eisenspitze, sehr dünn, aber mit Widerhaken versehen. Die lange Lanzenspitze sitzt auf einem hölzernen Schaft. Auf Bilddarstellungen erkennt man den Sinn dieser Waffe: Sie soll durch ihre schlanke Form den Schild oder Kettenpanzer des Gegners durchschlagen, dann wegen des Widerhakens hängen bleiben und damit den 119
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49 Grabstein von Niederdollendorf, Kr. Bonn: Der Krieger trägt einen Sax mit verzierter Scheide, kämmt das »Heil« enthaltende Haar, und neben ihm steht eine hölzerne oder tönerne Feldflasche, 7. Jahrhundert (vgl. dazu Abb. 50) 120
50 Feldflasche, Ton, aus dem Rheinischen Landesmuseum Bonn, 7. Jahrhundert
Gegner zwingen, den Schild wegzuwerfen. Ungeschützt oder in der Bewegung gehindert, war er dann leicht zu überwinden. Die Hauptschutzwaffe ist der Schild, aus Holz und mit Eisenbeschlägen an den Rändern und über dem Handgriff. Der runde Schild hat einen Durch121
messer von 0,80 bis l m. Der schwere eiserne Buckel (Abb. 51) als Handschutz ist manchmal ebenfalls mit silbernen oder gar goldenen Ziernieten geschmückt. Kettenpanzer sind selten, ebenso Helme aus Metall. Sie gehören wahrscheinlich eher mit den prächtigen goldverzierten Schwertern zu einer Paraderüstung als zur tatsächlichen Kampfbewaffnung. Insgesamt bestand die Rüstung der Franken aus sehr wirkungsvollen Waffen für den Zweikampf, aber auch für den Kampf in der Gruppe. Aber über den reinen funktionalen Zweck hinaus dienten die Waffen immer auch zur Repräsentation. Am Metall oder dem Lederzeug wurde keine Möglichkeit ausgelassen, die Waffen mit blinkender Bronze und prächtigen Verzierungen zu versehen. Ließ es das Vermögen zu, so kamen Silber, Gold und Edelsteine hinzu. Derartige Waffen waren begehrter Lohn des Kriegers, den er bei siegreichem Kampf vom Gefolgsherrn erwartete. Die Prunksucht der Franken ging so weit, daß auch das Pferdezaumzeug und der Sattel mit Edelsteinen und Gold geschmückt wurden. Die Funde aus dem Fürstengrab von Krefeld-Gellep sind bestes Beispiel: Manch eine Fränkin wäre stolz gewesen, die Scheibenfibeln aus Almandin und Gold zu tragen, die zu mehreren auf dem Zaumzeug des Pferdes aufmontiert waren. Wieder ist eine Episode aus dem Kölner Bruderkrieg zwischen Theuderich und Theudebert (612) aufschlußreich. Fredegar berichtet (4,38): »Am gleichen Tag kam er nach Köln und nahm dort alle Schätze des Theudebert in Empfang. Dann ging Theuderich über den Rhein und verfolgte den Theudebert. Besonders eifrig verfolgte sein Freund Bertharius den Theudebert, der mit geringer Begleitung entkommen war. Er brachte den Gefangenen nach Köln vor Theuderich. Die königlichen Gewänder wurden Theudebert ausgezogen und ebenso wie sein Pferd mit dem königlichen Zaumzeug dem Bertharius geschenkt.«
Barbarische Prunksucht Noch ein weiterer Aspekt des merowingerzeitlichen Alltags fällt auf. Die Franken liebten und begehrten wie alle Germanen Gold und prächtigen Schmuck. Zierten die Männer ihre Waffen mit Gold und Edelsteinen, so behängten sich die fränkischen Frauen mit auffallendem, üppigem und schwerem Schmuck. Ein Vergleich fränkischen und römischen Schmucks läßt spüren, daß eine ganz andere Stilauffassung und ein anderes Schmuck122
51 Schildbuckel, 6. Jahrhundert 123
empfinden die germanischen Frauen beseelte. Die Schmuckstücke mußten möglichst groß und möglichst schwer an Edelmetall sein. Darin gingen die königlichen Frauen der übrigen Bevölkerung beispielhaft voran. Reiche Damen trugen den Inhalt eines ganzen Schmuckkastens gleichzeitig am Leibe, zumindest ruft die Grabausstattung diesen Eindruck hervor. Nicht alle besaßen zwar so viel oder bekamen von ihren Verwandten so viel Schmuck mit ins Grab gelegt wie die reiche Frau in dem Grab unter dem Kölner Dom oder wie die fränkische Königin Arnegundis, die in St. Denis bei Paris bestattet worden ist. Aber ihre Ausstattungen mit Juwelen zeigen, wohin das Schmuckbedürfnis bei vornehmen Fränkinnen führen konnte. Je nach Vermögen eiferten die anderen germanischen Frauen dem königlichen Vorbild nach. Die Dame aus dem Grab unter dem Kölner Dom trug z. B. Ohrringe aus Gold mit Almandinsteinen (Abb. 17). Der Ring der Ohrringe hatte fast 5 cm Durchmesser, die angehängten Zierwürfel fast 2 cm. Die goldenen Bügelfibeln (Abb. 14) auf der Brust waren 7,5 cm lang und die zwei Rosettenfibeln, ebenfalls aus Gold und mit Edelsteinen besetzt, hatten mehr als 4 cm Durchmesser (Titelbild). Die Dame aus Grab 217 bei der St.Severins-Kirche, die eine ähnliche Schmuckausstattung trug wie die Dame unter dem Dom, hatte statt der Scheibenfibeln zwei kleine Vogelfibeln (Abb. 27) auf der Brust, beide aber immer noch 3,5 cm lang, und statt der goldenen Bügelfibeln zwei silberne, aber vergoldete Bügelfibeln (Abb. 26), die sogar 10 cm lang waren. Königin Arnegundis hatte zusätzlich eine vergoldete Gürtelgarnitur, deren Metallteile des Verschlusses immerhin 23 cm in der Länge maßen und fast 6 cm breit waren. Über der Brust trug sie zusätzlich eine Nadel ins Kleid gesteckt, die über 26 cm lang war. Dieses
52 Gürtelschnallen-Beschlag aus Bronze mit markanten Tierköpfen aus Grab 308 von KölnJunkersdorf und Scheibenfibel mit vier im Wirbel angebrachten Tierköpfen, 7. Jahrh. 124
prächtige Schmuckstück aus Gold und Edelsteinen war fast zu einer Waffe geworden. Die Dame aus Grab 127 von Müngersdorf besaß zwei silbervergoldete Fibeln (Abb. 12), die eine Größe von über 12 cm Länge und 6 cm Breite erreichten. Die prächtige Bügelfibel aus einem süddeutschen Grab m Wittislingen war 16 cm lang, die Scheibenfibel maß 8 cm im Durchmesser. Eine der prunksüchtigen Frauen schildert Gregor von Tours (Hist. 9,9). Es ist die Frau des gerade erschlagenen Herzogs Rauching (587), die durch die Straßen von Soissons reitet, »hoch zu Roß, mit prächtigem Geschmeide und kostbaren Edelsteinen geziert und bedeckt mit schimmerndem Golde« (compta grandibus ornamentis ac gemmarum praetiositatibus vel aun fulgore obtecta, ascensu aequo). Die Größe der Schmuckstücke hing nicht allein von der sozialen Stellung ab, sondern im Laufe der Zeit wurde es Mode, immer größere Bügelfibeln und Scheibenfibeln zu tragen. Erst als im 7. Jahrhundert die Mehrfibeltracht unter byzantinischem Einfluß abgelöst wurde von einer neuen Schmucktrageweise, wurde diese barocke, übertriebene Entwicklung wieder zurückgeschraubt. Manches spricht dafür, daß man zu Anfang des 7. Jahrhunderts die immer größer gewordenen Bügelfibeln wegen des übermäßigen Gewichts nicht mehr am Oberkörper trug, sondern einen neuen Platz am Rock oder an herabhängenden breiten Stoffstreifen suchte. Barbarischer Geschmack ließ diese Bügelfibeln derart barocke Ausmaße annehmen, daß sie schließlich zweckentfremdet nur noch zur Darstellung von Reichtum am Körper aufgehängt wurden. Die größten Scheibenfibeln, z. B. die berühmte Kingston-Brosche aus England, erreichen gar Durchmesser von über 8 cm, mehr als das Doppelte der relativ »feinen« Scheibenfibeln aus dem Frauengrab unter dem Kölner Dom. Das Gewicht der mächtigen, aus purem Gold gegossenen Gürtelschnalle des Königs Redwald aus dem Grab von Sutton Hoo beträgt fast ein halbes Kilogramm. In der Lebensbeschreibung des fränkischen Goldschmieds und Bischofs Eligius romanischer Herkunft heißt es (12): »Anfangs trug er an seinen Kleidern Gold und Edelsteine, er hatte Gürtel, die mit Gold und Edelsteinen geschmückt waren, und Taschen daran, welche in feiner Weise mit Gestein geziert waren, auch Linnengewand mit Goldstickerei und die Säume seiner Kleider glänzten von Gold; alle seine Gewänder waren von hohem Werte und einige davon ganz von Seide.« Die Textilspuren und Reste von Goldbrokat im Grab des Sängers von St. Sevenn werden im Vergleich mit dieser Erzählung verständlich; in mehreren Gräbern von Müngersdorf wurden metallene Taschenbeschläge gefunden, darunter in Grab 70 ein Beschlag mit flächendeckender Almandinverzierung (Abb. 38). 125
53 Schnallenbeschläge, Bronze und verzinnte Bronze, mit (oben) Ritzzeichnung eines Kriegers, der Schild und Lanze trägt, und (unten) menschlichem Gesicht, um 600
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54 Knickwandtopf mit Männchen als Verzierung, 6. Jahrhundert
Die merowingerzeitlichen Prunkgräber spiegeln deutlich den Glanz des Königshofes auch im fernen Umland und damit die erstrebte Position der Bestatteten. Das Leben am Königshof färbt ab. Die dort entwickelten Kunststile und die dort herrschende Prunksucht werden je nach Vermögen in der übrigen Reichsbevölkerung nachgeahmt. Der Königsschatz, in künstlerische Form gebrachtes Gold und zu Schmuck verarbeitete Edelsteine, bildet nicht nur die Machtbasis der Königsherrschaft, was in zahllosen Erwähnungen nicht nur bei Gregor von Tours in seiner Frankengeschichte deutlich wird, sondern ist zugleich Ausgangspunkt des Kunsthandwerks. In der Nachfolge reiternomadischer Vorbilder, der Hunnen und Goten, werden nicht nur Bewaffnung und prunkvolles Reitzeug 127
übernommen, sondern auch Symbolik und farbiger Stil auf dem Hintergrund des massiv verwendeten Goldes. Vorher im 4. und frühen 5. Jahrhundert gibt es eigentlich kein Gold in der Trachtausstattung. Der germanische Schmuck jener Zeit charakterisiert die Geisteshaltung in vielen Facetten. Da ist die Prunksucht, die Vorliebe für Tiersymbolik und schließlich auch die Übernahme des christlichen Symbolguts in die Zeichensprache (Abb. 13 und 28). Der Tierstil wird überall dort angewendet, wo er repräsentativ wirken kann. Dadurch erklärt sich auch die Verzierung im Tierstil z. B. an den Trinkeimern, die in den Gräbern vornehmer Adliger gestanden haben. Menschenmasken (Abb. 53 und 54) und christliche Symbolik dringen sehr früh in den germanischen Tierstil ein und werden vollständig als zusätzliche Elemente integriert. Während der sogenannte Tierstil (Abb. 52 und 56) zugleich mit der Reichsbildung Chlodwigs zu entstehen scheint und damit für zwei Jahrhunderte zum Symbol des Merowingerreiches und seiner Zeit wird, mit Ausstrahlungskraft überall dorthin, wo Franken Einfluß hatten, wandelt sich mit Aufkommen der Karolinger der europaweite Tierstil II zum Tierstil III — unter angloirischem Einfluß (Abb. 29) — und übernimmt damit vielleicht eine neue Propagandafunktion.
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Rohstoffe aus Ruinen
Für die wirkungsvollen Waffen und den prächtigen Schmuck brauchten die fränkischen Handwerker Rohstoffe. Tribute und Beute, der Raub fremder Königsschätze und Soldzahlungen stellten zwar Edelmetalle als Rohstoff zur Verfügung. Doch im eigentlichen Sinne war das immer nur eine interne Umverteilung, die die Gesamtmaterialmenge nicht erweiterte. Vielmehr hat die Reihengräbersitte mit dem extensiv gepflegten Beigabenbrauch zu einem andauernden Abfluß des Edelmetalls in die Erde geführt. Blickt man über das Kölner Gebiet hinaus und bezieht das ganze fränkische Reich ein, so kann man sich vorstellen, welch unglaubliche Mengen das waren. Geht man davon aus, daß im Bereich der Reihengräberzivilisation, zu dem in Mitteleuropa neben Franken auch Thüringer, Alemannen und Bajuwaren gehörten, etwa drei Millionen Menschen gelebt haben, die nach dem geschilderten Brauch begraben worden sind, berücksichtigt man, daß der Brauch wiederum 200 Jahre lang gepflegt worden ist (etwa von 500 bis 700 n.Chr.), dann kann man ungefähr ermessen, welch gewaltige Mengen an Schmuck und qualitätvollen Waffen hergestellt worden sein müssen, um den Verlust an »Volksvermögen« auszugleichen, der durch diesen Beigabenbrauch entstanden ist. Berücksichtigt man die viel geringere Lebenserwartung jener Zeit und die entsprechende Sterblichkeit, dann hat es einst 25—30 Millionen Gräber gegeben, von denen wir heute insgesamt höchstens 120 000 ausgegraben haben! Um all diese Gräber standesgemäß mit Beigaben auszustatten, reichten die Tribute aus Byzanz und die Schätze des Nachbarn kaum aus. Wenn auch nur zehn Prozent der merowingerzeitlichen Damen Fibeln aus Edelmetall oder Bronze mit ins Grab bekommen haben, davon vielleicht die Hälfte aus Silber, so würden das insgesamt bei einem Gewicht von nur 50 Gramm pro Schmuckausstattung rund 37 500 kg Metall ausmachen. Pro Jahr mußte dann allein für die Grabausstattung eine Silbermenge von fast 180kg beschafft werden. Das spätantike Silbergeschirr im Grab des angelsächsischen Königs Redwald bei Sutton Hoo macht ein Gewicht von fast 10 kg aus, das für die Herstellung von 100 bis 200 Fibelpaaren ausreichen würde. Der 66g schwere Goldarmring im Grab der Dame unter dem Dom, 129
gewissermaßen ein Edelmetallbarren, entspricht beim Wertverhältnis von Gold zu Silber von 1:10 rund 660 g Silber. Das würde für 13 Paar Silberfibeln reichen, wie sie die mit ähnlicher Tracht ausgestattete Dame bei St. Severin Grab 217 trug. Die 50 000 Gold-Solidi, die der byzantinische Kaiser Mauricius 584 dem Frankenkönig Childebert für die Vertreibung der Langobarden aus Italien (Gregor von Tours 6, 42) zukommen ließ, machten 225 kg Gold aus. Waren die fränkischen Krieger aus Köln nicht an der Verteilung einer derartigen Beute beteiligt, dann mußten sie nach anderen Rohstoffquellen ausschauen. Sie saßen gewissermaßen unmittelbar auf ihnen. Das waren die alten römischen Siedlungen und Gräberfelder. Eine römische Stadt wie Köln, einst von 20 000—40 000 Menschen bewohnt, stellte massenhaft Ruinen aller Größenordnungen für nur einige tausend Franken, die im weiteren Umland von Köln siedelten. Baumaterialien wurden aus den verfallenen Ruinen der römischen Stadt Xanten noch in der Neuzeit verkauft. Baumaterialien wurden aber von den Franken nicht benötigt; die Kölner Römerbrücke, nach 310 errichtet, lieferte erst im 10. Jahrhundert Steine für den Bau der Kirche St. Pantaleon. Die mächtigen Mauern der Speicherbauten in der Rheinvorstadt dienten erst im 10./1 I.Jahrhundert als Grundmauern für die Kirche Groß-St.-Martin. Was die Franken aus den Ruinen gewannen, waren Metalle. Eisen, Bronze und Blei dienten zum Zusammenhalten der Steinblöcke, zur Verkleidung von Denkmälern. Dieses Metall wurde herausgebrochen und als Rohstoff für die Weiterverarbeitung genutzt. Noch unerschöpflicher, das können die heutigen Archäologen bestätigen, waren aber die Gräberfelder der römischen Stadt. Aus den drei Jahrhunderten römischer Zeit müssen etwa 150 000 Bestattungen rund um Köln vorhanden sein. Vielen Toten gab man zur Römerzeit kostbaren Schmuck, vor allem aber Tongeschirr und Glasgefäße mit, einen gedeckten Tisch zum reichen Mahl im Jenseits. Wieviel einfacher war es für die Franken in Köln, aus diesen Gräbern die Luxusgüter herauszuholen, die Gläser und Bronzegefäße für die eigene Tafel zu verwenden, als mühsam aus Byzanz derartige Dinge einzukaufen oder sie gar selbst herzustellen zu versuchen. Ein blühender Handel mit Kulturgut aus Ruinen und Gräbern muß existiert haben, dafür sprechen die zahlreichen Gegenstände aus römischer Zeit in fränkischen Gräbern, aber auch Nachrichten in der schriftlichen Überlieferung. Kirchliche Segensformeln, überliefert aus dem S.Jahrhundert, sogenannte Benediktionen, nennen antike Gefäße, die für den neuen Gebrauch erst geweiht werden 130
müssen. Es gibt die »Benedictio vasorum veterum (der alten Gefäße)« oder die »Benedictio super vasa reperta in antiquis locis (über Gefäße, die an alten Siedlungsplätzen gefunden worden sind)«. Die Überreste heidnischer Ansiedlungen, Ruinen von Mauern und Häusern sowie Gräberfelder wurden als Sitz des Teufels betrachtet und gemieden. Damit waren auch alle Dinge aus heidnischen Ruinen und Gräbern unrein, dämonisch und vom Teufel beherrscht, mußten also erst geweiht werden, um sie dem Einfluß des Teufels zu entziehen. Die häufige Aufzeichnung der Segensformeln seit dem S.Jahrhundert spricht für eine entsprechend häufige Anwendung noch m dieser späten Zeit. Im oftmals erwähnten »Fürstengrab« von Krefeld-Gellep wurden eine Bronzekanne und zwei römische Gläser, aus dem 4. Jahrhundert stammend und damit etwa 200 Jahre alt, gefunden. Auch die vornehme Frau aus dem Grab unter dem Chor des Domes hatte »Altmaterial« bei sich. Sie trug einen prächtigen römischen Fingerring (Abb. 11), der für ihre Hand extra enger gemacht worden ist. Unter den Goldmünzen des Colliers befanden sich fast hundert Jahre alte Stücke, so Solidi des Kaisers Valentinian I. (364—375). Diese brauchen nicht ausgegraben worden zu sein, da sich solche Münzen anscheinend immer noch im Umlauf befanden. Römische Schmucksteine, Gemmen, zieren sehr häufig fränkische Ringe und auch Scheibenfibeln. Der schwere mit kunstvollem Filigran verzierte Ring des Herrn aus dem Krefelder Fürstengrab trägt eine solche Gemme in einer prunkvollen Fassung. Ähnlich wie die Kölner Franken kam auch der berühmte Goldschmied der Renaissance Benvenuto Cellini (1500—1571) zu manchem Rohstück für seine Schmuckarbeiten; in Goethes Übersetzung seiner Selbstbiographie heißt es: »Bei dieser Gelegenheit hatte ich auch die Bekanntschaft mit Antiquitätensuchern gemacht, die den lombardischen Bauern aufpaßten, welche zu bestimmten Zeiten nach Rom kamen, um die Weinberge zu bearbeiten, und im Umwenden des Erdreichs immer alte Medaillen, Achate, Prasem, Karniole und Kameen fanden. . . Ich verhandelte diese Dinger wieder, und so ... machte ich mir doch dadurch fast alle Kardinale zu Freunden.« An anderer Stelle fährt er fort: »Auch begab sich's, daß in dieser Zeit in einigen alten Graburnen unter der Asche gewisse eiserne Ringe gefunden wurden, von den Alten schön mit Gold eingelegt. In jedem war ein kleiner Onyx gefaßt. .. Darauf machte ich verschiedene solche Ringe auf Verlangen einiger Herren, die meine großen Freunde waren . . .« Aber auch schlichte spätrömische Keramik, vor allem Teller und Känn131
chen, wanderten aus den Gräbern über den fränkischen Haushalt — wie nun auch die Funde in der Siedlung bei Porz bezeugen — erneut in jetzt fränkische Bestattungen. Wozu sollte man eigene Keramik herstellen, wenn genug recht einfach auszugraben war. Schließlich mag manches prächtige Glas der frühen Frankenzeit noch aus spätrömischen Glaswerkstätten stammen und wieder ausgegraben worden sein, nicht etwa entstanden in eigener fränkischer Produktion. Denn nicht zu verkennen ist eine stetige Qualitätsabnahme der Gläser in fränkischen Reihengräbern. Klingt es nicht überzeugender anzunehmen, daß nach und nach die guten römischen Gläser aus Gräbern seltener wurden und schließlich nicht mehr zur Verfügung standen, als daß man annehmen soll, die Handwerker des späten 5. und frühen 6. Jahrhunderts, vielleicht noch Romanen, wären nicht in der Lage gewesen, ihre Kenntnisse an Gesellen weiter zu vermitteln, so daß stufenweise die Beherrschung der besonderen Handwerkstechniken verloren gegangen sei. Als die guten Gläser verschwunden waren, begannen fränkische Handwerker mühsam, die Glasherstellung wieder zu lernen. Spätrömische Silberlöffel (Abb. 55), die nicht selten in fränkischen Gräbern gefunden werden, oftmals mit römischer Inschrift, werden auf gleichem Wege vom römischen wieder in ein fränkisches Grab gewandert sein. Auch die kleinen römischen Schnellwaagen, die in manchen Frankengräbern vorkommen und zum Abwiegen von Edelmetall gedient haben, sind aus römischer Zeit herübergerettet worden. Als die auszugrabenden Vorräte um 600 verbraucht waren, verschwand dieser kleine Gerättyp aus dem Gebrauchsmaterial. In der Veröffentlichung über das fränkische Gräberfeld von Köln-Junkersdorf hat P. La Baume eine lange Liste von römischen Fundgegenständen in fränkischen Gräbern aufgeführt. In 65 Gräbern wurden römische Sachen, oft Münzen, aber auch Schmuckperlen und Keramikgefäße gefunden. In Grab 135 lagen ein Anhänger aus opakschwarzem Glas und ein Fingerring mit römischer Gemme. Ein gleichartiger Anhänger in Kännchenform stammt auch aus Grab 527. Andere Fundstücke kamen im Gräberfeld von Müngersdorf zutage, die F. Fremersdorf aufgelistet hat; es sind neben römischen Münzen Spielsteine, Schlüssel, Perlen und ein Glöckchen. Im Gräberfeld von Schwarzrheindorf bei Bonn wurden zahlreiche römische Tongefäße in den Bestattungen gefunden. Auf dem Areal der römischen Gräberfelder um Köln wird das Verfahren der fränkischen Materialsucher besonders deutlich. Dort räumte man die römischen Sarkophage aus und verwendete sie sekundär für die eigenen Toten. Was man beim Ausräumen fand, wurde weiterverarbeitet. Manch132
55 Römische Silberlöffel, die beiden unteren aus dem römischen Gutshof bei Köln-Müngersdorf, 4. Jahrhundert
mal dienten auch römische Tuffsteinplatten und Ziegelsteine zum Schutzbau für fränkische Gräber. Die Franken brauchten die römische Stadt nicht und lebten nicht in ihr, aber sie nutzten sie! Manches zerbrochene römische Glas wird umgeschmolzen sein und dann diente seine Form aus der Erinnerung als Vorbild für neu geblasene fränkische Glasgefäße.
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Kunsthandwerk
Die Verarbeitung von Gold, Silber und Bronze sowie von Eisen, weiterhin die Verbindung verschiedenster technischer Methoden setzt ein durchgebildetes kenntnisreiches Handwerk voraus. Silberne Schmuckstücke zu gießen war noch recht einfach, aber die Model für die Verzierungen zu schneiden, verlangte schon besondere Geschicklichkeit. Ebenso war es sehr viel schwieriger, m eiserne Gürtelschnallen silberne Verzierungen einzulegen und durch das Zusammenspiel der verschiedenen Metalle einen besonderen Eindruck hervorzurufen. Entscheidend waren die technischen Kenntnisse, der Aufwand an Werkzeug und Gerät war außerordentlich spärlich. Das sind Erfahrungen der Archäologen, die sie aus dem Nachvollziehen gewonnen haben: Versuche haben gezeigt, daß man qualitätvolle Schmuckstücke mit einem Minimalbestand an Werkzeugen und einem geringsten Aufwand von Feuerstellen und Blasebälgen herstellen konnte. Dem entsprechen die wenigen, kaum sehr differenzierten Werkzeuge, die man in sogenannten Schmiedegräbern gefunden hat. Denn das Erstaunliche ist, von den Werkstätten selbst wissen wir heute immer noch so gut wie nichts. Dabei belegen die Zahlen, daß allein um jeden jungen Mann oder jede junge Frau der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit mit Schmuck und Waffen zu versorgen, ununterbrochen produziert werden mußte. Da alle Gegenstände mit ihnen in das Grab wanderten, wurde wenig vererbt, und jeder brauchte eine neue, seine eigene Ausstattung. Wer produzierte wo, und wie war die Produktion organisiert? Wie wurde die Verteilung, der Handel gehandhabt von der Werkstatt bis hin zum Bauern in einem abgelegenen Seitental der Eifel, und wer profitierte von dem ganzen Unternehmen? Es soll versucht werden, aufgrund der wenigen Entdeckungen der Archäologen ein Bild von dieser Organisation der Kunstindustrie zu entwerfen. Es ist bemerkenswert, daß in den Gräbern ganz selten Werkzeuge oder andere Gegenstände aus dem Bereich des Handwerks gefunden worden sind. Obwohl alle auf Handwerk angewiesen waren und es allein aufgrund der Masse an Waffen und Schmuck eine so große Rolle gespielt haben muß, war die Wertschätzung dieses Zweiges des täglichen Lebens wohl geringer. Reichtum und Kampf bestimmten das Weltbild der Menschen jener Zeit. 134
Doch das bäuerliche Element und fast ebenso der handwerkliche Bereich des täglichen Lebens wurden in der Grabsitte nicht berücksichtigt. Dabei war gerade Kunsthandwerk ein Bereich, der mehr als das tägliche Leben ausmachte. Dafür spricht, daß auch ein Merowingerkönig wie Chilperich (561—584) stolz darauf war, eine Goldschmiedearbeit anfertigen zu können, wie es in der Frankengeschichte des Gregor von Tours heißt (6,2). Den schriftlichen Quellen ist zu entnehmen, daß der Handwerker, auch der Schmied zumeist nicht zu den freien Menschen gehörte, aber es war nicht so, daß der Goldschmied unfrei war, weil er Schmied war, sondern Unfreie wurden oftmals von ihren Herren zu Schmieden ausgebildet, weil sie zur Vergrößerung des Reichtums beitragen konnten und als Personen wertvoller wurden — wegen ihrer Kenntnisse —, wie das recht hohe Wergeid, die Buße für ihren Totschlag, beweist. Dieses Wergeid für Goldschmiede ist das höchste für Handwerker, aber zugleich doch immer niedriger als die Buße für Totschlag eines freien Mannes. Den besten Einblick in das Leben und die soziale Rolle eines Goldschmiedes gibt das Schicksal des späteren Bischofs von Noyon, Eligius (etwa 588—660): Anfang des 7. Jahrhunderts kam er in die Lehre beim Münzmeister und Goldschmied Abbon, führte sich später erfolgreich am Hofe des Königs Chlothar II. (gest. 629) ein, stattete dann unter der Regierungszeit des Königs Dagobert I. (629—639) zahlreiche Kirchen, darunter St. Denis bei Paris, mit liturgischen Geräten aus Edelmetall aus, gründete bei Limoges ein Kloster mit einer Werkstatt für zahlreiche Handwerker und unterhielt dann eine Werkstatt in Noyon, nachdem er dort Bischof geworden war. Die Beschaffung des Rohstoffs war ein Grundproblem der merowingerzeitlichen Kunstindustrie. Silber und Gold konnten — vielleicht bis auf geringe Mengen an Flußgold — nicht im Lande gewonnen werden, weil dazu die technischen Kenntnisse nicht mehr und noch nicht wieder ausreichten. Silberbergwerke werden für Deutschland erst wieder in der Karolingerzeit überliefert. Bronze gab es als Abfall der Römerzeit im Westen und im Rheinland; aber Gold und Silber wurden von außen ins Land geholt und gelangten in Form von Tributen oder Beute zuerst in die Hand der Könige. Somit wurden die Edelmetalle letztendlich aus dem Mittelmeergebiet bezogen. Auf dem Weg über die königlichen Schätze kamen sie ms Land, wurden m den Werkstätten am Königshof verarbeitet und dann in Form von Geschenken an die königliche Gefolgschaft verteilt und Schritt für Schritt an andere Gefolgsleute auf nächst niederer Rangstufe weitergegeben, als Bezahlung für 135
Leistungen und Erfolge im Kampf. Der Frankenkönig Childerich hatte neben seinen Prunkwaffen und anderen Beigaben allein ein halbes Kilogramm Goldmünzen im Grab, dazu einen schweren goldenen Kolbenarmring von 66 Gramm Gewicht. Die Bestattung eines germanischen, wohl gepidischen Gefolgschaftsführers, das zweite Grab von Apahida in Siebenbürgen enthielt neben anderen Goldsachen drei Schnallen von zusammen 360 Gramm Gewicht. Insgesamt lagen 2—3 Kilogramm Gold in diesem Grab. Der Schatz von Pietroassa, ebenfalls m Rumänien gelegen, enthielt eine spätrömische Goldschale und einen riesenhaften, für die Beutevergabe schon viergeteilten Teller aus purem Gold und weitere derartige Prunkstücke, so daß insgesamt fast 18 kg Gold ausgegraben werden konnten. Der angelsächsische König Redwald trug unter anderem eine goldene Gürtelschnalle mit mehr als 400 Gramm Gewicht. Die Dame im Grab unter dem Chor des Domes, deren goldene Beigaben leider noch nicht exakt durchgewogen sind, hat rund 360 Gramm Gold in Form von Beigaben mitbekommen. Edelmetallmengen waren also in königlicher Hand über Jahrhunderte ausreichend vorhanden. Es zeigt sich aber auch, daß die genannten Gräber durchaus unmittelbar Teile der herrschaftlichen Schätze enthielten. Werkstätten für Kunsthandwerk konnten also nur dort entstehen, wo Auftraggeber auch das Rohmaterial zu stellen in der Lage waren. Das waren in erster Linie die Königshöfe, darüber hinaus die Sitze der ranghohen Gefolgschaftsführer des Königs, wohin ein Teil des Königsschatzes zuerst abfloß. Die meisten Handwerker waren noch in der Lage, alles — nämlich Eisen, Buntmetall und Edelmetall — selbständig und allein zu verarbeiten. Fast jedes Schmuckstück oder Fibelpaar war eine Einzelanfertigung nach den Vorstellungen des Handwerkers und sicher auch nach dem Geschmack des Auftraggebers. Aus dem Rheinland sind bisher keine Werkstätten der Frankenzeit bekannt. Die Konzentrierung des Handwerks an zentralen, überregional wirkenden Werkplätzen ist jedoch anderwärts zu beobachten. Beim Herrensitz auf dem Runden Berg bei Urach auf der Schwäbischen Alb sind Waffenteile, Schwertgurte und Fibeln zentral für ein größeres Gebiet produziert worden. Im schwedischen Helgö, gelegen in der Inselwelt des Mälar, wurde bisher die einzige Siedlung ausgegraben, bei der es sich um eine reine Handwerker- und Handelssiedlung des 5. bis 10. Jahrhunderts handelt, wobei fränkische Funde in den Häusern, darunter vor allem rheinländische Gläser, enge Beziehungen während des 5. und 6. Jahrhunderts wohl auch in das Kölner Gebiet belegen. 136
Dort in Helgö wurden zahlreiche Gußformen aus Ton für skandinavische Bügelfibeln und andere Schmuckstücke gefunden, die Hunderte von Kilometern weit verhandelt worden sind. Bei Huy in Belgien ist eine fränkische Siedlung teilweise ausgegraben worden; in einigen der zahlreichen Grubenhäuser wurden Fragmente von Gußformen für sog. Fünfknopffibeln gefunden. Ähnliche Bügelfibeln mit geriffelter Kopfplatte (Abb. 57) lagen auch in den Gräbern des Kölner Gebiets. Vom Petersberg bei Bonn stammt ein Preßmodel für die Herstellung von Schmuckplatten für Scheibenfibeln; Schmuckstücke, die nach diesem Model angefertigt worden sein können, sind m einem Gebiet von 100 km Durchmesser beiderseits der Mosel gefunden worden. Unter der Regie eines Königs oder anderer Großer als Unternehmer arbeiteten Werkstätten für den Hof, aber auch für den Handel in ganz bestimmte begrenzte Absatzgebiete. Was zur römischen Zeit die Städte als Zentren der Wirtschaft bedeuteten, wurden als neuer Ansatz nach der Zerschlagung der alten Wirtschaftsstrukturen in der Völkerwanderungszeit die zentralen Königshöfe, die Pfalzen, und auch die Klöster. Unter fränkischen Königen, unter dem Bischof oder einem hohen Beamten des Königs wird Köln eine vergleichbare Rolle gespielt haben. Die Organisation zentraler, eigener Werkstätten war ein erster neuer Weg, über die Einnahmen aus Ackerbau und Viehzucht einerseits und Kriegsbeute andererseits hinaus, den vornehmen Herren an den Burg- bzw. Pfalzorten ein weiteres Einkommen zu sichern. Sie hatten Zugang zum Edelmetall und konnten daher die Wünsche der Franken nach Schmuck und Prunkwaffen befriedigen. Auf dem Areal der großen Höfe im Ring um die alte Römerstadt Köln werden die königlichen, bischöflichen oder anderweitig herrschaftlichen Werkstätten gelegen haben, die Schmuck und Waffen produzierten. Dorthin werden sich auch die Handwerker gezogen haben, die als Romanen spezielle antike Techniken, die den Germanen völlig unbekannt waren, wie die Glasherstellung, überliefern konnten. Köln könnte ein besonderes Zentrum für die Glasherstellung geblieben sein, wenn die Werkstätten auch nicht mehr als städtische Produktionsplätze anzusprechen sind, gleich ob sie auf dem Territorium der alten Römerstadt lagen, auf dem Hofgelände der neuen Herren oder gar in den Waldgebieten, wo die Rohstoffe unmittelbar bei der Hand waren. Gläser scheinen jedenfalls über all die Jahrhunderte hin aus ganz wenigen Spezialwerkstätten im Rheinland und in Südrußland verhandelt worden zu sein. 137
Die Verlagerung der Werkstätten für die Glasproduktion in ländliche Gebiete entspricht der gesamten Umstrukturierung des frankenzeitlichen Siedlungsbildes, das Städte überhaupt nicht mehr kennt. Man vermutet, daß die Kölner Werkstätten der römischen Glasmacher in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts ihre Arbeit eingestellt haben. Im Bereich von Namur in Belgien scheinen noch im 5. Jahrhundert Gläser produziert worden zu sein, während danach sich diese Werkstätten in die Ardennen, in das Gebiet zwischen Sambre und Maas zurückgezogen haben. Ganz allgemein läßt sich feststellen, daß die technischen Kenntnisse rapide zurückgehen. Mit dem Untergang des römischen Reiches war auch zugleich die Kenntnis des Glasschliffs total verschwunden. Dann ist ein Absinken von Qualität und auch Menge des produzierten Glases von Jahrhundert zu Jahrhundert bis weit m die Karolingerzeit hinein zu beobachten, ehe dann erst im hohen Mittelalter ein neuer Aufschwung einsetzt. Im Gegensatz zur merowingerzeitlichen Metallkunstindustrie für Schmuck und Waffen, die teilweise von hervorragender Qualität ist, scheinen andere Handwerksbereiche, zu Anfang noch in römischer Tradition stehend, nach und nach an Bedeutung zu verlieren. So setzt auch die Produktion eigener getriebener Bronzegefäße aus, und an ihre Stelle tritt im 7. Jahrhundert die Importierung sog. koptischen gegossenen Bronzegeschirrs aus den südöstlichen Mittelmeerländern. Auch Glas wird aus dem byzantinischen Gebiet im 6. und 7. Jahrhundert nach Deutschland eingeführt. Was aus der hochstehenden Kölner Glasindustrie der Römerzeit in fränkischer Zeit geworden ist, bleibt trotz all dieser Theorien weitgehend unbekannt. Schwedische Forscher haben festgestellt, daß nach Skandinavien importierte spätmerowingerzeitliche und frühkarolingerzeitliche Gläser unmittelbar an römische Formen anknüpfen. In der Zeit um 700 erscheinen in wenigen Funden sogenannte Glastummler mit Inschriften, die römische Vorbilder des 4. Jahrhunderts nachahmen. Haben — zumeist unbemerkt von den kritischen Augen der Archäologen — Glaswerkstätten m gleichbleibender antiker Tradition irgendwo im Merowmgerreich, vielleicht bei Köln, weitergearbeitet oder wie läßt sich die Anknüpfung an die antiken Formen erklären? Man stößt beim Erklärungsversuch wieder auf die römischen Ruinenstädte und Gräberfelder mit ihrem unerschöpflichen Reservoir für antike Kulturgüter. Der Formenkatalog der merowingerzeitlichen fränkischen Gläser ist außerordentlich gering. Dazu zählen kleine Glasschalen, sogenannte Tümmler, weiterhin Sturz- und Spitzbecher (Abb. 44 und 45). Die prachtvollen Rüsselbecher oder Flaschen (Abb. 10 138
und 43) stellen eine Seltenheit dar und gehören zumeist noch ins 5. Jahrhundert. Aber immer wieder werden in merowingerzeitlichen Gräbern Glasgefäße gefunden, die die Archäologen nicht recht einordnen können und zu der Verlegenheitslösung greifen lassen, daß es sich wahrscheinlich um antike Stücke handelt. Es hat wirklich den Anschein, als ob die Vornehmen der Frankenzeit Spaß an Antiquitäten hatten und römisches Glas sammelten. Der fortgesetzte Qualitätsabfall der eigenen Glasproduktion konnte ein solches Interesse durchaus steigern.
Goldschmiede-Techniken Die Techniken des merowingerzeitlichen Kunsthandwerks zur Schmuckherstellung sind außerordentlich mannigfaltig und stellen an den Kunsthandwerker ganz unterschiedliche Anforderungen. Das einzelne Schmuckstück oder die einzelne Waffe sind oft erst im Schritt von 20—30 abweichenden Arbeitsgängen entstanden. Viele Spezialtechniken gehen zurück auf Kenntnisse der Römer, andere sind aus dem südrussisch-orientalischen Bereich übernommen worden, und schließlich darf man den merowingerzeitlichen Kunstschmieden auch eigene Erfindungen zutrauen. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Aufwand, der zur Herstellung eines Schmuckstückes erforderlich war, seinem Wert und damit auch der rechtlichen und sozialen Position des Kunstschmiedes. Komplizierte Herstellungsverfahren mit der Zusammensetzung verschiedenartiger Techniken erfolgten nur im Auftrage der Mitglieder der Oberschicht, während serienweise produzierbare Gegenstände billiges Massengut für die Allgemeinheit waren. Wertvolle Schmuckstücke wie Bügelfibeln waren gegossen, einfachere Schmucksachen nur getrieben. Im Folgenden beschreibe ich, welche verschiedenen technischen Arbeitsschritte bei der Herstellung einer Bügelfibel möglich waren. Um eine Fibel zu gießen, brauchte man ein Muster. Ausgangspunkt war daher ein sogenanntes Model, ein zumeist aus Bronze, aber auch aus Blei oder Knochen bestehendes Grundmodell des geplanten Schmuckstückes. Dieses Model wurde in Ton abgedrückt und auf diese Weise eine zweischalige Gußform hergestellt. Diese wiederum wurde mit Wachs — so nahm man früher an — oder öfter mit Blei ausgegossen, damit ein weiteres Model geschaffen, das jedoch wegen des weichen Materials leicht zu bearbeiten war. Es wurde dadurch möglich, von einem beliebig verzierten ersten Muster Sekundärmodelle zu gewinnen, die mit neuen 139
Verzierungen versehen wurden, ohne die Grundform wesentlich zu verändern. Dieses technische Verfahren erklärt die unerhörte Vielfalt der merowingerzeitlichen Schmuckstücke und zugleich den weiträumigen Transport von Kunstgegenständen und Kunststilen, da nicht nur Model, sondern auch reguläre Schmuckgegenstände immer wieder Ausgang neuer Schmuckherstellung geworden sind. Es war aber nicht nur möglich, auf diesem Wege neue Verzierungen zu schaffen, sondern sogar eine notwendige Folge des technischen Vorgangs: Da die Gußform aus Ton nur zu einem Guß verfahren verwendet werden konnte (Guß in verlorener Form), wurde jedes Schmuckstück individuell gefertigt. Auch bei Bügelfibel- oder Scheibenfibelpaaren unterscheiden sich die beiden Stücke jeweils in Details. Das kann man sogar bei den Prunkstücken aus dem Grab der fürstlichen Dame unter dem Kölner Dom oder auch bei den Fibeln der Königin Arnegundis beobachten. Die in der ersten Gußform hergestellten Bleimodelle dienten zur Herstellung einer zweiten Gußform, aus der dann wie seit der Bronzezeit beim Wachsausschmelzverfahren und beim Guß in verlorener Form das Blei wieder ausgeschmolzen und die leere Form dann mit Bunt- oder Edelmetall ausgegossen worden ist. Nach Überarbeitung des Rohgusses war die Fibel oder Gürtelschnalle aus Bronze, Silber oder selten aus Gold fertig. Dieses Gußverfahren erklärt leicht, wie bestimmte Fibeltypen über größere Entfernungen verbreitet worden sein können: Die Stücke brauchten nicht selbst alle verhandelt zu werden, sondern die Model wurden vom Handwerker weitergetragen oder die Fibeln dienten selbst einem anderen Handwerker als Model für die Nachbildung oder die Herstellung einer ähnlichen neuen Form. Dem relativ einfachen Gußverfahren, mit dem die Gegenstände aus Buntmetall hergestellt worden sind, folgt manchmal das Vergolden der silbernen oder ab und zu auch der bronzenen Schmuckgegenstände. Die meisten Bügelfibeln aus St. Severin, von Junkersdorf oder von Müngersdorf (Abb. 12) sind aus Bronze gegossen und anschließend vergoldet worden. Vergoldung setzt bei weitem mehr technisches Können voraus, das Wissen um chemisch-physikalische Vorgänge, mag aber auf einfacher Erfahrung beruhen. Doch zur Feuervergoldung, so bezeichnet man das Verfahren gegenüber dem heutigen elektrolytischen, benötigte man Quecksilber, das die merowingerzeitlichen Kunstschmiede im Handel aus dem Mittelmeergebiet bezogen haben müssen. Bei der Feuervergoldung wird zuerst Quecksilber mit Gold zusammengeschmolzen und der entstehende Goldamalgambrei auf das Schmuckstück aufgerieben. Nach Erhitzung verdampft das Quecksilber, und zurück bleibt der hauchdünne, noch zu polierende 140
Goldüberzug. Das Verfahren war im übrigen notwendig, weil nur durch das Verhältnis von einem Teil Gold zu sechs bis neun Teilen Quecksilber im Amalgambrei die verbrauchte Goldmenge minimal gehalten werden konnte. Die Vergoldung gab nicht nur dem Silberschmuckstück ein besseres Aussehen, sondern schützte das Metall auch vor dem schwarzen — oder bei Kupferzusatz grünen — Anlaufen des Silbers. Die Vergoldung von Bronze, noch während des 4. und 5. Jahrhunderts bei den Kerbschnittgegenständen angewendet oder auch in karolmgischer und späterer Zeit bei Sporen und Pferdegeschirrteilen, war sonst verpönt und schien den Anstrich des versuchten Betruges zu haben. Als der Merowingerkönig Chlodwig (Gregor von Tours 2, 42) den fränkischen König Ragnachar von Cambrai beseitigen wollte, bestach er die Gefolgsleute dieses Königs mit goldenen Armspangen und Wehrgehängen, die jedoch nur wie Gold aussahen und dabei einfach aus vergoldeter Bronze bestanden. Wollte man ein vergoldetes Silberschmuckstück noch wertvoller gestalten, so wendete man weitere Goldschmiedetechniken an: Man setzte Almandinsteine, plan geschliffen in einem Zellenwerk (Cloisonne) aus Goldstegen in geschlossenen Mustern auf. Vom Fibelschmuck bis zu den Waffen und dem Pferdezaumzeug sind da die Techniken gleich. War der Untergrund der kleinen aufgelöteten Goldzellen mit einer Feile aufgerauht, so leuchteten die roten Almandine durch die Lichtreflektion wie glühend auf (Abb. 34). Es setzte Können voraus, die Almandine eben zu schleifen und sie in Form von Quadraten, Rhomben, Schuppen, Herzen oder Kleeblättern zu brechen. Konnte man zuerst die Steine nur grob zurechtgeschlagen einzeln in Fassungen auf den Schmuckstücken aufbringen, so lernten die Goldschmiede später, ein geschlossenes, flächendeckendes Muster zu gestalten. Um die Mühe, die Steine mit überlappenden winzigen Goldrändern zwischen den Stegen zu befestigen, zu überwinden und einen noch perfekteren Eindruck hervorzurufen, erfanden sie schließlich einen Klebstoff, mit dem die Almandine eingepaßt wurden. Erst jetzt, als Gold in der späteren Merowingerzeit seltener wurde, war es möglich, Almandin auch in einem bronzenen Zellenwerk festzuhalten. Das Schwert aus Grab 205 von St. Severin (Abb. 23), aber auch die Schmuckstücke aus dem reichen Frauengrab unter dem Dom (Abb. 14) sind prachtvolle Beispiele für die flächendeckende Verwendung des glutroten Almandin. Reichte der Almandinbesatz nach der Vorstellung des Auftraggebers für das Schmuckstück noch nicht aus, so wußte der Goldschmied die großen Fibeln mit Goldblech zu plattieren, das zumeist ein Muster aus Goldfili141
gran trug. Den Halt für die Goldauflage erreichten die Juweliere durch sorgfältiges Aufrauhen und Punktieren des Untergrundes, auf den dann das Blech aufgetrieben wurde. Filigran entsteht, wenn feine Gold- oder Silberdrähte durch Einkerbungen mit feinen Zangen gegliedert werden und so den Eindruck winziger aneinandergereihter Perlen hervorrufen. Diese Drähte wurden dann auf der Goldunterlage einfach aufgelötet. Die großen Scheibenfibeln (Abb. 35) von Müngersdorf und Junkersdorf sind Beispiele für diese Technik. Die germanischen Edelschmiede der römischen Kaiserzeit beherrschten auch die hohe Kunst der Granulation. Granulation entsteht, wenn winzige Goldkörnchen in Mustern auf einer Goldunterlage aufgelötet werden. Das erfordert aber wiederum ganz besondere Fähigkeiten, die nicht jeder Goldschmied besaß, der Silber- oder Golddraht ziehen und dann mit einer Zange zu Filigran kerben konnte. Bringt man winzige Drahtstückchen oder andere Goldsplitter in Holzkohlestaub zum Glühen, schmelzen diese Teilchen zu regelmäßigen kleinen Kügelchen zusammen. Ein spezieller Trick, nämlich diese Goldkügelchen längere Zeit unterhalb des Schmelzpunktes zum Glühen zu bringen, erlaubt es dann, sie auf einer anderen Goldunterlage gewissermaßen — ohne Lot — anzukleben. Doch diese Technik der Granulation war bei den Germanen während der Völkerwanderungszeit verlorengegangen und erscheint nicht im Schmuckrepertoire. Nur aus dem byzantinischen Reich importierte Gegenstände zeigen, daß dort Granulation beliebt war. Aber noch mehr Verzierungstechniken konnte der Goldschmied auf einem Schmuckstück anbringen. Um Silberflächen abwechslungsreicher zu gestalten, schmückte man sie mit Niello. In eingekerbte und unterschnittene Verzierungsmuster wurde eine schwarze Paste aus Silber, Kupfer, Blei und Schwefel eingerieben. Den Schwefel mußte man übrigens wie Quecksilber auch einführen. Niello-Verzierung tragen zahlreiche Bügelfibeln (Abb. 12, 26 und 57). Selten wurden all die bisher beschriebenen Goldschmiedetechniken an einem Stück angewendet. War schon die qualitätvolle Ausführung jedes einzelnen dieser Arbeitsschritte eine Kunst, so erforderte die Kombination aller Verfahren vollkommene Beherrschung aller Kunstgriffe, wollte man nicht ein Verzierungselement bei der Anbringung des anderen zerstören. So wirken die prächtigen Fibeln der Dame aus dem Grab unter dem Dom (Abb. 14) wie ein »Meisterstück«, bei dem Gußtechnik, Almandineinlegearbeiten und Filigranverzierung kombiniert angebracht worden sind. Edelmetallgegenstände konnte sich nicht jeder leisten, andere mußten sich 142
mit Bronzeschmuck begnügen, der jedoch die germanische Tierornamentik in jeder Qualität und Präzision tragen konnte. Um einen qualitätvolleren, besseren Eindruck hervorzurufen, konnte man derartige Stücke aus Bronze auch verzinnt anfertigen lassen. Als Buntmetalle im Laufe der Merowingerzeit kostbarer wurden und viele Trachtteile, vor allem Gürtelgarnituren, aus Eisen geschmiedet wurden, besann man sich auf eine altbekannte Ziertechnik, die schon auf den frühesten Schwertern der Zeit des Childerich und Chlodwig und auch beim Schwert aus Grab 205 von St. Severin, oft an nebensächlicher Stelle, z. B. an den Riemendurchzügen der Scheide, angebracht wurde. Durch ein Muster aus Silberdraht bekamen die eisernen Gürtelbeschläge ein prächtiges Aussehen (Abb. 58). Diese sogenannte Tauschiertechnik ermöglichte die Einlegearbeit von unterschiedlichsten Mustern. In die unterschnittenen feinen Kerben im Eisen trieb man Silberdraht, Golddraht oder manchmal auch Bronzedraht ein, der dann flach poliert seinen Glanz entfalten konnte. Tauschieren kommt übrigens von dem arabischen Wort für Färben (tauchija). Je nach Wunsch und Vermögen konnte die Mischung der Drahtsorten von Bronze bis Gold vielfältig kombinierte und bunt wirkende Ornamente auf dem dunklen Eisen erzielen. Auch diese Verzierungstechniken findet man auf allen Gegenständen, die den Franken lieb und teuer waren, nicht nur auf Schmuck und anderen Trachtteilen, sondern auch auf Waffen und auf den Beschlägen des Pferdezaumzeugs. Die hölzernen Schilde wurden mit bronzenen Beschlägen versehen, die eisernen Beschlagteile mit Silbertauschierung oder Silberplattierung geschmückt, die Hälse der Lanzenspitzen zeigten oftmals kunstvolle Ornamente in eingelegter Silberarbeit. In Zeiten, als Metall gespart werden mußte, und für Leute geringeren Vermögens entwickelten die merowingerzeitlichen Werkstätten die sogenannte Preßblechtechnik. Mit Modeln konnte man in Buntmetallbleche Verzierungen einpressen. Diese Model gestatteten denn auch zugleich eine schnelle Serienproduktion von Schmuckblechen, die auf einem Träger aus Eisen oder Bronze durch einfaches Umbörteln des Randes aufgearbeitet wurden. Model für den Guß oder für die Preßblechtechnik wurden, wenn auch nur vereinzelt, von Skandinavien bis Norditalien gefunden. Die Fundorte dieser Stücke geben zugleich Hinweise auf die Lokalisation von Werkstätten. Schmuckstücke und verzierte Preßbleche, die man bestimmten Modeln zuordnen kann, lassen in günstigen Fällen auch den Ausstrahlungsbereich einer Werkstatt nachweisen. 143
Derartige Model stammen aus Höhenburgen, wie dem Runden Berg bei Urach oder dem Petersberg bei Bonn, die als Herrensitze gedeutet werden, aus normalen Siedlungen und schließlich aus Grabfunden. Model sind sehr viel leichter nachzuweisen, da sie zumeist aus unvergänglichem Material wie Bronze bestehen. Demgegenüber ist es bisher kaum gelungen, Gußformreste zu entdecken. Bruchstücke von derartigen Gußformen aus Ton, die den technischen Vorgang beweisen, liegen — wie erwähnt — für Fünfknopffibeln aus einer Siedlung bei Huy in Belgien vor. Außerdem gibt es ganze Schutthalden derartiger Bruchstücke von Gußformen in der mittelschwedischen Siedlung Helgö. Belege für ein arbeitsteiliges Gewerbe der Kunstindustrie gibt es nicht. Alle Indizien weisen darauf hin, daß der merowingerzeithche Kunstschmied sehr vielseitig war. Die Kombinationen aller Techniken auf allen Metallgegenständen sprechen dafür, daß die Werkstätten und damit die Kunstschmiede auch alle diese Techniken beherrschten und einerseits feine Schmuckstücke und andererseits sogar wirkungsvolle Waffen herstellen konnten. Noch die berühmten Goldschmiede Theophilus und Benvenuto Cellini beherrschten alle Techniken vom Bronzeguß bis zur Granulation. Der Schmied, der die Fibeln aus dem reichen Grab unter dem Dom angefertigt hat, ist Beweis genug, daß es solche Künstler gegeben hat. Direkte Beweise aber liegen auch als Grabbeigaben in den Bestattungen merowingerzeitlicher Goldschmiede. Im Grab des awarischen Goldschmiedes von Kunszentmarton an der Theiß fand man neben seinem umfangreichen Werkzeug über 40 Model für die Beschläge verschiedener Gürtelarten. Dieser Schmied hatte zudem noch Waffen und einen Panzer im Grabe, der aus 220 Schmiedeeisenplättchen bestand, die auf Leinen aufgenäht waren. Man vermutet, daß Waffen und dieser Panzer nicht unbedingt zur eigenen Ausrüstung gehörten, sondern dem Warenlager des Schmiedes entstammten. Im germanischen Schmiedegrab von Mezöband in Ungarn, das im übrigen das reichste Grab auf dem gesamten Gräberfeld mit fast 200 Bestattungen war, lagen neben Werkzeugen auch Waffen, darunter Lanzenspitzen und ein Helm. Wiederum ist die Frage nicht geklärt, ob es sich dabei um die eigene Ausrüstung oder um Teile des Warenlagers handelt. Das erst vor kurzem entdeckte Schmiedegrab auf dem Gräberfeld von Herouvillette in der Normandie ist ebenfalls die reichste Bestattung des gesamten Gräberfeldes. Neben einem umfangreichen Satz an Werkzeugen für die Metallund Holzbearbeitung führte dieser Mann eine schwere Bewaffnung aus Schwert, Lanze, Axt und Schild. Derartige Grabfunde werfen noch einmal die Frage nach der sozialen 144
Position der Edelmetallschmiede auf. Wir wissen, daß der Goldschmied Eligius, später ein Bischof, frei geboren war. Andererseits gibt es viele Hinweise in den sogenannten Stammesrechten dafür, daß Schmiede zur abhängigen Bevölkerung gehörten. Die genannten Bestattungen aber sprechen eigentlich vom Gegenteil. Es wird so sein, daß die soziale Stellung des Kunstschmiedes nicht von seiner Tätigkeit her bestimmt wird, sondern daß Freie wie Abhängige das Schmiedehandwerk erlernen konnten oder auch sollten. Wendete sich der Freie dem Schmiedehandwerk zu, dann weil es eine hochgeschätzte und anerkannte Tätigkeit war. Sogar Könige rühmten sich dieser Fähigkeiten. Andererseits wird mancher Adliger dafür gesorgt haben, daß geschickte Sklaven die Schmiedetechnik erlernten, um durch kunstvolle Arbeiten den Reichtum des Herrn zu vermehren.
Fränkisches Kunstempfinden Gestaltungswille und Prunksucht sind der Grund dafür, daß die germanische Kunstindustrie auch die alltäglichen Dinge geschmückt hat und so über ihren rein funktionalen Aspekt hinaus zu Kleinkunstwerken werden ließ. Während Bronzegefäße, Glas und Keramik wegen ihrer Formund Herstellungsqualität Aufmerksamkeit verdienen, kennzeichnet alle Stücke der Tracht und der Bewaffnung die Verzierung: zur Zeit der Foederatenzivilisation bedecken Kerbschnittmuster und noch fast naturalistisch wirkende Tierfiguren neben einfacher geometrischer Ornamentik alle diese Gegenstände, während zur Zeit der Reihengräberzivilisation der voll entwickelte germanische Tierstil alle Flächen an Tracht- und Waffenteilen aus Metall und Leder überzieht. In der Frühzeit der noch naturalistischen Figuren (Abb. 7 und 8) als Tierstil I bezeichnet, wird er in abstrakter Form als Tierstil II zum künstlerischen Ausdruck des Merowingerreiches (Abb. 52 und 56). Vom Bronzeknopf an einer Saxscheide bis zum Riemenverteiler am Pferdezaumzeug, von der Wadenbindenschnalle bis zur Henkelattache am Holzeimer füllt dieser Tierstil, eingerahmt von geometrischer Ornamentik, alle Metalloberflächen, wobei der Tierstil selbst aus vereinfachten, bandförmigen, ineinander verschlungenen Tierleibern besteht und oft nur noch nach intensivem Betrachten die Struktur der Verzierung erkennen und verstehen läßt. Der geistige Gehalt bleibt uns jedoch weitgehend verborgen. Man hat die verschachtelten Tiermuster mit der skandinavischen Skaldendichtung des 8./9. Jahrhunderts verglichen, deren Verwen145
56 Riemenzunge aus Grab 73 von St. Severin, frühes 7. Jahrhundert 146
düng von sogenannten Kenningar (Metaphern, gewissermaßen Abkürzungen) und verschlungenem Satzbau das Verständnis der Gedichte nur dem ermöglicht, der sich lange mit der geistigen Welt jener Menschen beschäftigt und hinter dem bloßen Wort und Muster die tieferliegenden Ausdrucksschichten freilegt. Zwei Wurzeln vereinigen sich m diesem Tierstil. Einerseits geht er zurück auf die Tierfiguren der Kerbschnitt-Gürtelgarmturen und Fibeln des Foederatenhorizontes und auf andere ältere germanische Traditionen, andererseits auf die jahrhundertealte südrussische Tradition der Tierornamentik. Von dort kommen auch die Adlerfibeln, die das zweite Kennzeichen der germanischen Kunstindustne mitbringen, den roten Almandinstein. Auf parthisch-sassanidische Vorbilder im Iran, aber auch auf spätrömische Vorbilder in Ägypten und der Levante führt man die Herkunft dieses farbigen Stils zurück: die Verwendung bunter Halbedelsteine und Edelsteine auf Gold und Silber. Werden am Anfang die Steine rund geschliffen, in sogenannter Cabochon-Technik einzeln auf die Edelmetallfläche gesetzt, später plan geschliffene einzelne Almanchnsplitter verwendet, so wird der rote Almandin von den Germanen im 5. Jahrhundert als flächendeckende Zier übernommen. Der Steinschmuck an den Waffen des Königs Childerich, an seinem Schwert und seinem Sax wird Vorbild oder ist Paradestück einer ganzen Gruppe von Goldgriffspathen und anderen Schwertern, die mit Almandin bedeckte Knäufe, Parierstangen und Schneidenbeschläge haben. Der flächendeckende Almandin wird erst im 7. Jahrhundert wieder von einzeln gesetzten Edelsteinen abgelöst, wobei die großen Goldscheibenfibeln (Abb. 35) jetzt zusätzlich Filigranverzierung tragen, die früher nur auf besonders prunkvollen Stücken wie z. B. den Bügel- und Scheibenfibeln aus dem Grab der Dame unter dem Kölner Dom vorkommen (Abb. 14 und Titelbild). Die Verwendung des Almandin auf Waffen und Pferdezaumzeug sowie auf dem Frauenschmuck, die Anbringung von Tierstil auf Schmuckstücken und Gürtelschließen, m der Blutrinne der Saxe oder auf den Scheidenknöpfen dieser Waffe spricht für einheitliche Arbeit der handwerklichen Produktionswerkstätten (Abb. 47). Während einfache Lanzen, Äxte und Schwerter — ohne Damaszierung der Klinge — auch von Dorfschmieden angefertigt worden sind, kann die Vereinheitlichung des Stils nur in zentralen, als Vorbild wirkenden Werkstätten erfolgt sein, die man an den königlichen Höfen zu suchen hat. Die Kunstindustrie ist daher auf dieser Ebene nicht zu trennen in Waffenschmiede, Gürtelhersteller und Goldschmiede für den Schmuck. Die Werkstätten wendeten alle Techniken an — wie erläutert —, wobei im Laufe der Zeit bestimmte Modenchtungen tonangebend wurden. Der in 147
engem Zellenwerk gesetzte Almandin auf goldenen Scheibenfibeln steht neben dem Guß von Bügelfibeln größter Variationsbreite in Form und Verzierung (Abb. 34, 12, 14, 26 und 57). Silbertauschierung in Eisen findet man um 500 an Schwertgurtdurchzügen und Gürtelschnallen; diese Ziertechnik wird im späten 6. Jahrhundert wieder aufgegriffen, als Gold und Silber knapper wurden. Derartige die Jahrhunderte überspannende Traditionen im Kunsthandwerk zeigen sich auch an anderen Gegenständen. So tragen manche bronzene Eimer-Attachen, z. B. die aus dem Knabengrab unter dem Kölner Dom, randlich angebrachte Tierfiguren, die nahe Verwandtschaft mit den Figuren des frühesten Stils I auf Gürtelbeschlägen der spätrömischen Zeit aufweisen, rund 100 Jahre früher (Abb. 8). Auch der Kerbschnitt verschwindet nicht mit den Waffengürtelbeschlägen des 4. und 5. Jahrhunderts, sondern erscheint auf Bügelfibeln des 6. Jahrhunderts wieder (Abb. 57), teilweise mit unmittelbarer Beziehung zu einem bedeutend älteren Vorbild. Gleichbleibend ist jedoch das grundlegende Stilempfinden, was berechtigt, tatsächlich von einem Stil zu sprechen, der bewußt verwirklicht worden ist. Wie beim Jugendstil der Jahrhundertwende bewußt — ausgehend von wenigen Zentren — die gesamte Umwelt vom Bauwerk bis zum Klingelschild und Lichtschalter, vom Eßbesteck bis zur Schmuckbrosche unter einem Stilgesetz gestaltet worden ist und einzelne Künstler vom Haus bis zum Messer die Muster entwarfen, so schufen während der Merowingerzeit Werkstätten Schmuck und Waffen unter dem gleichen Stilgesetz und darüber hinaus all das aus Holz und aus anderen organischen Stoffen, die nicht erhalten geblieben sind. Die langobardische und westgotische frühe Kirchenbaukunst zeigt zu Genüge, daß Tierstil und geometrische Ornamentik auch bei den Bauwerken eine entscheidende Rolle spielten. Drei Elemente kennzeichnen also die merowingerzeitliche fränkische Kunstindustrie. Während viele Kenntnisse der Herstellung von Keramik-, Glas- und auch Bronzegefäßen mit dem Untergang des römischen Reiches verlorengegangen sind und nur mühsame Traditionsstränge sich erhalten haben, entfalteten sich die technischen Kenntnisse der Kunstschmiede in dem Bereich der Schmuckindustrie im weitesten Sinne sowie der Waffenherstellung zu ungeahnter Perfektion. Doch war der fränkische Edelmetallschmied nicht nur ein hervorragender Techniker, sondern zugleich auch ein erfindungsreicher Künstler. Die Entwicklung und Umgestaltung des germanischen facettenreichen Tierstils geht auf seine schöpferische Kraft zurück, ebenso auch all das, was an 148
57 Silbernes Bügelfibelpaar mit Niello und geriffelter Kopfplatte aus Grab 20 von St. Severin, 6. Jahrhundert 149
Umformung antiker Bildmotive in neue Bildprogramme entstanden ist. Zugleich war der germanische Kunstschmied Träger und Vermittler symbolischer Aussagen im weiteren Sinne; denn der germanische Tierstil birgt nicht nur, was jeden überzeugt, Teile der Weltanschauung, sondern auch der rote Almandin ist Träger symbolischer Kraft des Heils und Glücks. Schließlich ist auch die Reihenfolge in der Wertschätzung der Metalle von Gold über Silber und Bronze zum Eisen nicht einfach eine Selbstverständlichkeit, die allein auf dem materiellen Wert begründet ist. Symbolische Bedeutung hatte diese Rangfolge schon in der pythagoreischen Philosophie der Antike und dann auch wieder im frühen Christentum, als Gold zum Beispiel Ausdruck des reinen Lichts des Himmlischen Jerusalem war. In mehrfacher Weise manifestiert sich in den Arbeiten der merowingerzeitlichen Kunstschmiede auch die gesellschaftliche Struktur jener Zeit. Das Metall der Schmucksachen unter den Grabbeigaben gibt nicht nur die Rangabfolge zwischen Königsfamilie, anderen Großen und dem einfachen Volk an, sondern auch innerhalb der Familie und Sippe wird damit der Abstand vom Sippenoberhaupt zu den anderen Familienmitgliedern gekennzeichnet. Nicht jeder konnte goldene Schmucksachen mit in das Grab bekommen, aber manche hatten gewissermaßen Anspruch darauf. Schließlich ist die Organisation des merowingerzeitlichen Kunsthandwerks zugleich Manifestation der Struktur des gesamten Staatsgebildes, das auf der persönlichen Beziehung in hierarchischer Rangabfolge aller Menschen des Merowingerreiches beruhte. Über die Freude an der prachtvollen Schönheit merowingerzeitlicher fränkischer Schmuckstücke hinaus gewinnen wir damit Einblick in die Lebenshaltung einer ganz andersartigen Gesellschaft, die nur wenig mit dem antiken Staat der Römer oder mit unserer Gegenwart gemein hatte.
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Das Ende der Frankenzeit
Der Grabbrauch der Franken, ihre Toten mit wertvollem Schmuck und zahlreichen Waffen zu bestatten, führte dazu, daß ungeheure Mengen an Volksvermögen dem Wirtschaftskreislauf entzogen wurden und in der Erde verschwanden. Deshalb schreibt man die Wandlungen in der Schmuckgestaltung nicht nur einem geänderten Geschmack oder einer neuen, aus Byzanz oder anderswoher kommenden Mode zu, sondern dem seltener und damit teurer werdenden Rohmaterial. Gold wird weniger häufig verwendet, und dann meist nur als dünne Plattierung von Scheibenfibeln. Die schweren Bügelfibeln der Frühzeit werden durch Scheibenfibeln ersetzt, die einzeln getragen wurden. Ihre Grundplatten waren nicht mehr aus Gold, Silber oder Bronze, sondern bald nur noch aus Eisen, ebenso wie die schweren Gürtelgarnituren nicht mehr aus Bronze, sondern aus Eisen (Abb. 58) gefertigt wurden. Edelmetall diente nur noch in geringen Mengen zur Tauschierung dieser Eisenbeschläge, und wurde in Form feiner Drähte in eingetiefte Verzierungsmuster eingelegt. Offensichtlich mußte man sparen, konnte jedoch nicht darauf verzichten, eine standesgemäße Schmuck- und Gürteltracht zu erwerben, die dann den Toten auch mit ins Grab gelegt wurde.
Grabräuber in Köln So nimmt es eigentlich nicht wunder, daß schließlich während der späten Jahrzehnte der fränkischen Zeit Leute dazu übergingen, die kostbaren Totenbeigaben wieder auszugraben. Mit den römischen Grabstellen wurde seit langem doch ähnlich verfahren. Aber mit der Beraubung fränkischer Gräber nahm diese Handlungsweise mehr die Rolle eines Verbrechens an. Denn mit den römischen Gräberfeldern, den Friedhöfen einer ganz anderen Bevölkerungsgruppe, die man besiegt und verdrängt hatte, verband die Franken keine näheren Beziehungen. Die Kontinuität der Nutzung dieser Gräberfelder war abgebrochen: Ob uralte prähistorische Bestattungen oder 151
58 Gürtelschnallen-Beschläge aus Eisen mit Silbertauschierung, 7. Jahrhundert 152
römische Gräber, die Toten waren Fremde. Nun setzte aber die Ausplünderung von Gräbern der eigenen Stammesgenossen ein, und es waren nicht nur lichtscheue Abenteurer, die sich heimlich an die Bestattungen heranmachten, um sich auf bequeme Weise in den Besitz von Edelmetall und guten Waffen zu setzen. Der Befund macht den Eindruck, daß Grabräuber zu sein fast schon ein Beruf war oder daß alle an dieser ungewöhnlichen Praxis beteiligt waren. Denn die fränkischen Grabräuber wußten, wo sie graben mußten. Sie tieften in die alten Grabgruben nur dort Löcher ein, wo die Beigaben lagen, bei den Frauengräbern im Bereich des Oberkörpers, bei den Männergräbern im Bereich des Waffengürtels und dort, wo die Schwerter zu finden waren. Die Räuber haben also nicht nur gewußt, wo ein Grab zu finden war. Das hätten sie am Grabhügel oder an anderen oberirdischen Zeichen wohl erkennen können. Sie mußten auch wissen, wer dort begraben war, nämlich eine Frau oder ein Mann. Meistens sind die ersten Bestattungen eines Gräberfeldes, die oftmals besonders reich mit Beigaben versehen sind und in denen die Siedlungsgründer begraben liegen, nicht ausgeraubt worden. In vielen Fällen sind auch nicht alle Gegenstände von Wert mitgenommen worden, sondern man beließ — so im Gräberfeld von Köln-Junkersdorf — wenigstens eine Waffe im Grab. All das spricht dafür, daß noch bekannt war, wer begraben war, und daß nicht etwa Fremde, sondern Angehörige der Gemeinschaft die Räuber waren. Es ist auch nachzuweisen, daß die Räuber nicht erst nach Jahrhunderten, sondern sehr bald oder nur wenige Jahrzehnte nach dem Tod die Gräber wieder geöffnet haben. Trotz Zerrüttung der Skelette bei der Beraubung waren die Knochen im Verband geblieben, ein Hinweis, daß noch Sehnen vorhanden waren und die Bestattungszeit erst wenige Jahre zurücklag. Es gibt auch Beispiele, daß ein neu angelegtes Grab des 7. Jahrhunderts eine ältere, beraubte Bestattung überschneidet. Also wurden nicht nur aufgelassene Friedhöfe ausgeplündert. Die Ausplünderung betrifft zum größten Teil relativ reiche Gräber des späten 6. und 7. Jahrhunderts und geschah durch Leute, die in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts gestorben sind. Ihre Gräber blieben ungestört, obwohl sehr bald die Friedhöfe selbst aufgelassen wurden. Grabberaubung war teilweise eine ganz systematische Handlung, die jedoch nicht alle Gräberfelder gleich stark betraf. Es gibt durchaus unberaubte Friedhöfe der Merowingerzeit, aber die fränkischen Gräberfelder um Köln sind alle stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Von den rund 150 Bestattungen auf dem Gräberfeld von Müngersdorf sind etwa 30 Pro153
zent durch Räuber zerstört worden, auf dem Gräberfeld von Junkersdorf mit 541 Gräbern sind nur 21 nicht gestört worden. Insgesamt also 87 Prozent sind ganz oder teilweise ausgeraubt. Auch die fränkischen Gräber bei der St.-Severins-Kirche sind häufig geplündert. Daß die »Fürstengräber« unter dem Chor des Kölner Doms den Grabräubern entgangen sind, liegt vielleicht nur daran, daß die Grabkapelle nach wenigen Jahrzehnten niedergelegt und das Gelände für die Erweiterung des Kirchenbaus planiert wurde. Die Bestattungen wurden vergessen. Ein drittes, weit größeres Grab in der Nähe ist nämlich beraubt worden. Ebenso wurden auch im Gräberfeld von Krefeld-Gellep mehrere große Grabanlagen, sog. Kammergräber, aufgebrochen und ausgeraubt. Es wird sich um ähnliche Fürstengräber gehandelt haben wie das bekannte Prunkgrab. Auch die schriftliche Überlieferung berichtet von der Unsitte des Grabraubes. Da aus der fränkischen Zeit nur unzureichende Quellen für das Kölner Gebiet vorliegen, müssen zur Verdeutlichung Nachrichten aus entfernteren Gegenden herangezogen werden. Gregor von Tours berichtet in seiner Frankengeschichte (8, 21), daß sogar ein fränkischer Herzog seine Knechte zur Grabberaubung verleitet hat, und zwar hat Herzog Gunthram Boso durch seine Diener eine reiche Verwandte berauben lassen, die in einer Metzer Kirche mit reichem Goldschmuck begraben worden war. Auf einer Synode auf dem Hofe Nieder-Besslingen in Luxemburg wurde die Gerichtsverhandlung gegen Herzog Gunthram Boso durchgeführt. Es heißt bei Gregor von Tours: »Denn wenige Tage vorher war eine Verwandte semer Ehefrau ohne Kinder gestorben und samt großem Geschmeide und vielem Gold in einer Kirche der Stadt Metz bestattet worden (ähnlich wie die Dame unter dem Chor des Kölner Doms). Zufällig kam wenige Tage nachher das Fest des heiligen Remigius heran, das im Anfang des Monats Oktober gefeiert wird. Dabei zogen viele aus der Stadt mit dem Bischof, besonders auch die Großen mit dem Herzog, hinaus; indessen aber kamen die Diener des Gunthram Boso zu der Kirche, in welcher die Frau begraben lag. Sie drangen ein, schlössen die Pforten hinter sich, deckten das Grab auf und beraubten den Leichnam allen Geschmeides, dessen sie habhaft werden konnten. Die Mönche bei der Kirche merkten aber, was vorging.. . Gunthram sollte wegen dieser Sache Rede stehen, aber er gab keine Antwort und machte sich heimlich davon. Darauf wurde ihm alles genommen, was er im Gebiet von Clermont durch königliche Gunst erhalten hatte.« In diesem Fall des Grabraubes auf Anstiften eines fränkischen Großen war die Verstorbene also bekannt und man wußte, was sie mit ins Grab bekommen hatte. 154
Auch der Geschichtsschreiber Paulus Diaconus weiß Ähnliches zu berichten, und er schreibt darüber in seiner Geschichte der Langobarden (2,28 und 4,47). Der Herzog Gisilbert von Verona beraubt die Gräber der Langobarden-Könige Rothari und Albuin. So ist es kein Wunder, daß diese Untaten, von Herzögen angezettelt, von anderen Franken auf dem flachen Lande ebenfalls praktiziert wurden. Grabraub muß ein ganz gewöhnliches Verbrechen geworden sein, denn alle germanischen Territorial- oder Stammesgesetzbücher enthalten Paragraphen über diesen Tatbestand. Die Strafen waren außerordentlich streng. Aber auch harte Gesetze verhindern Straftaten nur selten. In der Lex Ribuaria, dem Gesetz für das Gebiet der ribuarischen Franken, heißt es in beiden Fassungen des 7. Jahrhunderts: (55.1) Wenn jemand einen toten Menschen, bevor er begraben ist, ausplündert, . .. werde er mit 60 Solidi bestraft. (55.2) Wenn jemand sich unterfängt, einen Toten auszugraben, werde er mit 200 Solidi bestraft. In anderen, jüngeren Paragraphen heißt es ähnlich: (88.1) Wenn jemand einen Leichnam, bevor er bestattet ist, ausplündert, werde er mit 100 Solidi samt Wertersatz .. . bestraft. (88.2) Wenn er ihn jedoch aus der Erde herausholt und ausplündert, bekommt er 200 Solidi Strafe. Diese Strafen waren hoch; andernorts und zu anderen Zeiten stand sogar die Todesstrafe darauf. Doch nach Einführung der Wergeldbußen versuchte man neue Wege der Strafregelung. Wenn ein freier Franke aus Ribuarien einen anderen Freien erschlug, wurde er zu 600 Solidi Strafe verurteilt, die der Familie des Erschlagenen zu zahlen waren. Ein Solidus hatte immerhin das Gewicht von 4,55 Gramm Gold. Totschlag wurde also nur dreimal so hart bestraft wie Grabplünderung. Die Strafe entsprach fast dem Wert eines Kilogramms Gold. Der Umfang des Strafmaßes ergibt sich aus anderen Passagen des Gesetzes, die den Wert von Waffen, Reitpferden und Kühen benennen. Etwa 20 Reitpferde kostete die Strafe für eine Grabberaubung. Vielschichtige Ursachen haben zu diesem in der germanischen Vorzeit einmaligen Plünderungszug durch die Gräber der eigenen Vorfahren geführt. Im einzelnen gab es seit der Bronzezeit immer wieder Beraubungen und Ausplünderungen von Bestattungen. Gräberfelder und Grabbräuche brachen in früheren Zeiten einfach ab, wenn politische und soziale Veränderungen zu einem tiefgreifenden Wandel der Gesellschaftsordnung führten. Niemals jedoch war damit die Ausplünderung der Friedhöfe verbunden. 155
Edelmetallverknappung wird in manchen Fällen die Ursache für Grabraub gewesen sein, zumal die Gier nach Gold bei den Franken sprichwörtlich war und die historischen Nachrichten vom Grabraub zum Zweck der Bereicherung berichten. Es kann auch der Zwang mitgespielt haben, seinen Familienmitgliedern eine standesgemäße Bestattung ausrichten zu können. Schmuckbeigaben waren ein teurer Verlust am Familienbesitz. Konnte man solchen Schmuck nicht entbehren oder hatte man einfach keinen, so war der erste Schritt zum Eingriff in fremde oder alte Gräber getan. Man wird das nicht selbst unternommen haben, über Hehler war an Grabgut heranzukommen. Es gibt mehrfache Belege dafür, daß geraubtes Grabgut erneut als Grabbeigabe in die Erde gelangte. Im schweizerischen Alemannenfriedhof von Bülach wurde in einem Grab eine Gürtelschnalle gefunden, die vorher aus einem anderen Grab geraubt worden war, wo sie zu einem Paar Schuhschnallen gehört hat. Das Beutegut ist also in derselben Gemeinde verblieben und erneut als Beigabe verwendet worden. In Gräberfeldern des Eifelvorlandes um Mayen zeigt sich im 7. Jahrhundert, daß anscheinend oft gute Schmuckstücke zurückgehalten wurden und billige, nicht immer zusammengehörende Trachtenschmuckteile als Beigaben ausgesucht wurden. Heterogen zusammengesetzte Schnallengarnituren von Gürteln, Schuhen und Wadenbinden, ungleiche Fibelpaare und bruchstückhafte, nicht mehr funktionsfähige Schmuckbestandteile als Beigaben könnten — aus Plünderungsgut zusammengesetzt — dazu gedient haben, eine einigermaßen traditionelle Grabausstattung zusammenzustellen, auch wenn eigentlich die Möglichkeiten dazu schon erschöpft waren. Ein bronzenes Bügelfibelpaar, das schon lange in der Erde gelegen hat, war nicht mehr unbeschädigt bei einem Plünderungszug zu bergen. So wie es war, mit den Bergungsschäden, legte man es dem Nächsten ins Grab. Die Beigabensitte war schon fast zu einer sinnentleerten formelhaften Handlung geworden. Oftmals wird das Christentum als Ursache dafür ins Feld geführt, daß die fränkischen Reihengräber aufgelassen und ausgeplündert wurden. Aber nicht einmal die goldgierigen Wikinger Skandinaviens verfielen darauf, ihre reich mit Beigaben versehenen Toten auszuplündern, nachdem sie zum Christentum bekehrt worden waren und die alte Bestattungssitte aufgegeben hatten. Außerdem war gerade die christliche Kirche strikt gegen diese Unsitte, und auch die von christlichen Franken verfaßten fränkischen Rechtsaufzeichnungen, die so drakonische Strafen für Grabraub vorsehen, sprechen eindeutig gegen diese These. Außerdem waren die Franken, 156
zumindest dem Namen nach, alle schon seit dem frühen 6. Jahrhundert Christen. Chlodwig, der Begründer des fränkischen Großreiches, ließ sich nach seinem Sieg über die Alemannen 497 mitsamt seiner Kriegergefolgschaft taufen. Mit Chlodwig breitete sich auch erst die Reihengräberzivilisation mit der extensiven Beigabensitte aus. Die reichen Kölner Bestattungen vom Anfang des 6. Jahrhunderts, unter dem Domchor, bei St. Severin und auch bei St. Gereon sind nicht nur christlich, weil sie bei diesen Kirchen liegen, sondern auch die Beigaben zeugen vom Christentum der Gestorbenen, denn mehrfach erscheint auf den Schmuckstücken das Kreuzsymbol an hervorragender Stelle. Christliche Symbole erkennen wir auf vielen fränkischen Gerätschaften, vom Tontopf bis zur Waffe. Im Römisch-Germanischen Museum gibt es einen Knickwandtopf, auf dessen Schulter eine
59 Knickwandtopf mit Arkaden- und Kreuzverzierung, 6. Jahrhundert 157
interessante Verzierung mit Rollstempeln eingedrückt ist (Abb. 59): Romanisch wirkende Arkaden ziehen sich um den Topf, und in den Arkaden ist jeweils ein Kreuz hineingesetzt. Es könnte sich um die Wiedergabe eines Kirchenraums auf einem Tongefäß handeln. Die Helme aus den Fürstengräbern von Krefeld-Gellep und von Morken tragen auf dem vergoldeten Stirnband Weinranken mit traubenpickenden Vögeln, im frühen Christentum symbolische Darstellung für das Paradies, und eine Menschenmaske zwischen Ungeheuern, eine vielfach in der völkerwanderungszeitlichen Kunst wiederkehrende Darstellung des Daniel in der Löwengrube. In einer alten Liturgie heißt es: »Befreie, Herr, seine Seele, wie Du Daniel befreit hast aus der Grube des Löwen!« Die Symbolik dieser Helme, die oftmals — wie der Helm von Morken — markante Schwerthiebe aufweisen, verheißt den Trägern das himmlische Paradies! Es läßt sich verallgemeinern: In fast allen Gräbern der fränkischen Reihengräberzeit werden Christen bestattet sein.
Wandel der Gesellschaftsordnung Die Ausplünderung der eigenen Fnedhöfe und damit die offenbare Mißachtung der Totenruhe der eigenen Vorfahren in einem Ausmaß wie nie zuvor in der Geschichte der Germanen spiegelt einen Bruch mit der eigenen Vergangenheit. Wenn mit der Völkerwanderungszeit, die die Franken nach Köln gebracht hat, ein revolutionär wirkender Wandel der älteren gesellschaftlichen Verhältnisse verbunden ist, dann müßten die Veränderungen, die zur Aufgabe der Reihengräbersitte und zur Ausbreitung der Grabberaubung geführt haben, noch stärker gewesen sein. Sie setzen nämlich voraus, daß Familien den Wunsch oder auch das Recht verlieren, die Grabruhe ihrer Vorfahren zu wahren und die Toten an ihren Grabstellen zu ehren. Verwandtschaftsbeziehungen müssen unwichtig werden und abreißen, stärker als je zuvor in 1000 Jahren mitteleuropäischer Geschichte. Bis zu diesem entscheidenden Einschnitt in der gesellschaftlichen Entwicklung des Frankenreichs, markiert durch den Grabraub, lassen Grabbeigaben und Grabbrauch gesellschaftliche Rangabstufungen erkennen. Königsnah und zu den gesellschaftlich oberen Rängen gehören die Toten in den Gräbern unter dem Chor des Doms, im Fürstengrab von Krefeld-Gellep und dem Grab von Morken. Ihre Grabbeigaben sprechen deutlich davon. Die abhängige ärmere Bevölkerung hat geringere wirtschaftliche Möglichkeiten, ihre Toten mit besonderen Beigaben zu versehen. Wenige Liebesgaben genügen. Die ganze Palette gesellschaftlicher Rangunterschiede wird 158
von den Beigabenkollektionen der fränkischen Reihengräber um Köln veranschaulicht. Zur fränkischen Reihengräberzeit gab es Rangunterschiede in der Gesellschaft, basierend auf unterschiedlicher Macht, verschiedenem Reichtum und wechselnder Tüchtigkeit. Schichten, Klassen oder Stände gab es zur Frankenzeit noch nicht. Aber sie entstehen; und das Ende der Reihengräberzeit symbolisiert das Ende der Entwicklung zur ständischen Gliederung der fränkischen Gesellschaft. Die Territorial- und Stammesrechte, zum Beispiel auch die Lex Ribuaria, beschreiben eine ständisch gegliederte Bevölkerung vom Adel über Freie bis zu den Unfreien und Sklaven. Andere Schriftquellen des 7. und 8. Jahrhunderts sprechen von einer in überwiegender Zahl abhängigen Bevölkerung und einer nur kleinen Adelsschicht. In den ältesten fränkischen Rechts auf Zeichnungen fehlt dieser Adel noch. Er ist das Ergebnis der Konsolidierung der politischen und sozialen Verhältnisse im fränkischen Reich. Sein Auftreten markiert das Ende der Völkerwanderungszeit, die gesellschaftliche Abhängigkeiten vorübergehend aufgebrochen hatte. Adlige oder freie Familien, deren rechtlicher Stand gesetzlich garantiert ist, brauchen ihre gesellschaftliche Rolle nicht mehr durch Grabbeigaben auszudrücken. Das war eher sinnvoll, als in einer noch nicht ständisch gegliederten Gesellschaft hoher Rang durch Reichtum und damit kostbare Grabausstattung gegenüber den Nachbarn zur Schau gestellt werden mußte. Abhängige Familien, die nicht mehr über Besitz frei verfügen konnten, die von adligen Herren verpflanzt, umgesiedelt und getrennt werden konnten, waren nicht mehr in der Lage, über Generationen hin einen Friedhof für ihre Familie zu pflegen und ihre Toten mit wertvollen Beigaben auszustatten. Als die ranghöchsten Franken, die merowingischen Könige, ihr Herrschaftsrecht nicht mehr durchsetzen konnten, als fränkische Adlige wie der Bischof Kunibert von Köln statt ihrer die Regentschaft übernahmen (633), da begann sich die ständische Gliederung der fränkischen Gesellschaft durchzusetzen. Als schließlich Karl Martell, der fränkische Hausmeier, als einflußreicher Adliger in Austrasien (um 718) — wie es im Liber Historiae Francorum, geschrieben um 726/27, (51—53) heißt — »für sich einen König mit Namen Chlotar« bestimmte, ist diese Entwicklung abgeschlossen. Gegen Mitte des 7. Jahrhunderts nimmt der Grabraub in ungeahntem Maße zu, an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert ist die Reihengräbersitte verschwunden. 159
Die Frankenzeit auch in Köln ist beendet, die Zeit der Karolinger hat für die Stadt eine neue Rolle bereit. Mit der Gründung des Erzbistums Köln erst für Bonifatius, um 745, der jedoch diese Aufgabe in Köln nicht übernehmen kann, dann durch Karl den Großen für Hildebold ist die neue Bedeutung Kölns umrissen. Köln vertauscht die Randlage im fränkischen Großreich mit der zentralen Lage im Erzbistum, dessen Einflußgebiet weit über den Rhein nach Osten reicht. Als Kaiser Otto d. Gr. seinen Bruder Bruno (953—965) zum Erzbischof von Köln und zum Herzog von Lothringen ernennt, ihm geistliche und weltliche Macht verleiht, wird aus der ehemaligen Königs- und Bischofspfalz Köln erstmals seit dem Untergang der römischen Colonia Claudia Ära Agrippinensium, der Civitas Ubiorum, wieder eine Stadt. Die fränkische Zwischenzeit ist nun längst Vergangenheit, die Aurelius Augustinus (354—430), Vom Gottesstaat (De civitate dei) 4. Buch, 4. Kapitel beschrieben hat: »Was anders sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden? Sind doch auch Räuberbanden nichts anders als kleine Reiche. Auch da ist eine Schar von Menschen, die unter Befehl eines Anführers steht, sich durch Verabredung zu einer Gemeinschaft zusammenschließt und nach fester Übereinkunft die Beute teilt. Wenn dies üble Gebilde durch Zuzug verkommener Menschen so ins Große wächst, daß Ortschaften besetzt, Niederlassungen gegründet, Städte erobert, Völker unterworfen werden, nimmt es ohne weiteres den Namen Reich an, den ihm offenkundig nicht etwa hingeschwundene Habgier, sondern erlangte Straflösigkeit erwirbt.«
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Zum größten römisch-fränkischen Gräberfeld: Renate Pirling, Das römisch-fränkische Gräberfeld von Krefeld-Gellep. GDV Serie B, Bd. 2, Berlin 1966, und Das römisch-fränkische Gräberfeld von Krefeld-Gellep 1960—1963. GDV Serie B, Bd. 8, Berlin 1974. Weitere wichtige Gräberfelder in der Nachbarschaft von Köln: H. Ament, Die fränkischen Grabfunde aus Mayen und der Pellenz. GDV Serie B, Bd. 9, Berlin 1976; Christiane NeufferMüller, Das fränkische Gräberfeld von Iversheim, Kreis Euskirchen. GDV Serie B, Bd. 6, Berlin 1972; H. Hinz, Das fränkische Gräberfeld von Eick, Gemeinde Rheinkamp, Kreis Moers. GDV Serie B, Bd. 4, Berlin 1969.
Siedlungsbild W.Jamsen, Zur Differenzierung des früh- und hochmittelalterlichen Siedlungsbildes im Rheinland. Festschr. f. Edith Ennen, Bonn 1972, S. 235—277; K. Böhner, Zur frühmittelalterlichen Besiedlungsgeschichte im Niederrheingebiet zwischen Krefeld und Kleve, Führer 14, 1969, S. 75—99; K. Böhner, Siedlungen des frühen Mittelalters am Nordostrand der Eifel. Führer 25, 1974, S. 111—150; P. Donat und H. Ullrich, Einwohnerzahlen und Siedlungsgröße der Merowingerzeit. Zeitschrift für Archäologie 5, 1971, S. 234—265.
Nachbar-»Städte« K. Böhner, Bonn im frühen Mittelalter. Bonner Jahrb. 178, 1978, S. 395—426; K. Böhner, Trier zwischen Altertum und Mittelalter. Führer 32,1, 1977, S. 29—42; R. Schindler, Trier in merowingischer Zeit. In: H.Jankuhn, W. Schlesinger, H. Steuer (Hrsg.), Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter I, 2. Aufl. Göttingen 1975, S. 130—151; E. Ewig, Trier im Merowingerreich. Civitas, Stadt, Bistum. Trierer Zeitschr. 21, 1952, S. 5—367.
Schriftquellen zur Geschichte Kölns in fränkischer Zeit O. Doppelfeld, Römische und fränkische Zeit. Ausgewählte Quellen zur Kölner Stadtgeschichte I, Köln 1958; Übersetzungen frankenzeitlicher Historiker: W. Seyfarth (Bearb.), Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, 4 Bände, Berlin 1968, 1970, 1971, auch als Lizenzausgabe bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt; R. Buchner (Bearb.), Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten. 2 Bände, Darmstadt 1970, 1972; O. Abell W. Wattenbach (Bearb.), Die Chronik Fredegars und der Frankenkönige. Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit Bd. 11, 4. Aufl. Leipzig, Johnson Reprint 1970; K. H. Eckhardt, Die Lex Ribuaria. Germanenrechte Bd. 2, 3, 1935.
Von der römischen zur fränkischen Zeit M. Grant, Der Untergang des Römischen Reichs, Bergisch Gladbach 1977; A. Sterzl, Der Untergang Roms an Rhein und Mosel, Köln 1978; H. v. Petrikovits, Urgeschichte und 162
römische Epoche (bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts n. Chr.). Rheinische Geschichte Bd. 1,1, Düsseldorf 1978; K. Böhner, Die Frage der Kontinuität zwischen Altertum und Mittelalter im Spiegel der fränkischen Funde des Rheinlandes. Aus der Schatzkammer des römischen Trier, 1959. Nachdruck: Kulturbruch oder Kulturkontinuität von der Antike zum Mittelalter, hrsg. von P. E. Hübinger. Wege der Forschung Bd. 201, Darmstadt 1968, S. 287—319; H. Schönberger, Das Ende oder das Fortleben spätrömischer Städte an Rhein und Donau. In: H.Jankuhn, W. Schlesinger, H. Steuer (Hrsg.), Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter I, 2. Aufl. Göttingen 1975, S. 102—109; E. Ennen, Das Städtewesen Nordwestdeutschlands von der fränkischen bis zur salischen Zeit. Die Stadt des Mittelalters I, Wege der Forschung Bd. 243, Darmstadt 1969, S. 139—195; H. Ament, Mayen und Andernach im Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter. In:/. Werner, E. Ewig (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter. Vorträge und Forschungen 25, Sigmaringen 1979, S. 347—356; K. F. Stroheker, Germanentum und Spätantike, darin u. a.: Zur Rolle der Heermeister fränkischer Abstammung im späten vierten Jahrhundert, S. 9—29, Zürich und Stuttgart 1965.
Die Übergangszeit in Köln O. Doppelfeld, Köln als Brücke zum Abendland. Das erste Jahrtausend Bd. 2, Düsseldorf 1964, S. 616—633, mit älterer Lit. des Verf.; O. Doppelfeld, Das Fortleben der Stadt Köln vom 5. bis 8. Jahrhundert. Early Medieval Studies l, Antikvarisk Arkiv 38, Stockholm 1970, S. 35—42; O. Doppelfeld, Kölner Wirtschaft von den Anfängen bis zur Karolingerzeit. Zwei Jahrtausende Kölner Wirtschaft, Bd. l, Köln 1975, Die Merowingerzeit S. 71—82; O. Doppelfeld, Köln von der Spätantike bis zur Karolingerzeit. Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter I, 2. Aufl. Göttingen 1975, S. 110—129; O. Doppelfeld, Vom römischen Praetorium zur fränkischen Königspfalz. Das Rathaus zu Köln, hrsg. von P. Fuchs, Köln 1973, S. 23 ff.; E. Ewig, Die Civitas Ubiorum, die Francia Rinensis und das Land Ribuarien. Rheinische Viertel]ahrsbl. 19, 1954, S. l—29, wieder abgedruckt in: Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich. Wege der Forschung Bd. 49, Darmstadt 1973, S. 403—446. F. Fremersdorf, Gräber der einheimischen Bevölkerung in römischer Zeit. Prähist. Zeitschrift 18, 1927, S. 255 ff.; F. Fremersdorf, Zwei germanische Grabfunde des frühen 5. Jahrhunderts aus Köln. Germania 25,1941, S. 180—188; W. Binsfeld, Eine Brunnenverfüllung in Köln aus den Jahren 355—360 n.Chr. Kölner Jahrb. 5, 1960/61, S. 73—79; W. Binsfeld, Neuere Funde aus dem vierten Jahrhundert in Köln. Kölner Jahrb. 6, 1962/63, S. 89—97; W. Schneider, Ein römischer Brunnen, ergraben unter dem südlichen Querhaus des Kölner Doms. Kölner Domblatt 40, 1975, S. 157—171, mit Beiträgen von E. Hollstein zur dendrochronologischen Untersuchung an den Hölzern des Brunnens (S. 172—174) und von G. Biegel zu den Fundmünzen und dem Verschüttungsdatum des Brunnens (S. 175 f.); G. Precht, Baugeschichtliche Untersuchungen zum römischen Praetorium in Köln. Rheinische Ausgrabungen 14, Köln 1973; Brigitte und H. Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln. Wiss. Kataloge aus dem RGM Köln Bd. 2, Köln 1975. 163
Fränkische Funde Die Gräber unter dem Dom: O. Doppelfeld, Das fränkische Frauengrab unter dem Chor des Kölner Doms. Germania 38, 1960, S. 89—113; O. Doppelfeld, Die Rosettenfibeln aus dem Kölner Dom. Mouseion, Köln 1960, S. 168—173; O. Doppelfeld, Das fränkische Knabengrab unter dem Chor des Kölner Doms. Germania 42, 1964, S. 156—188, und als Heft 11 der Schriftenreihe der archäologischen Gesellschaft Köln, S. l—36 mit Anhang: Einordnung des Helmes. Kölner Domblatt 20, 1960/61, S. 118—126; O. Doppelfeld und Renate Pirling, Fränkische Fürsten im Rheinland, Düsseldorf 1966; K. Böhner, Zur Zeitstellung der beiden fränkischen Gräber im Kölner Dom. Kölner Jahrb. 9, 1967/68, S. 124—135; /. Werer, Frankish royal tombs in the Cathedrals of Cologne and Saint Denis. Antiquity 38, 1964, S. 201—216; W. Weyres, Die Domgrabung XVIII. Kölner Domblatt 33/34, 1971, S. 79—108. Die Gräber um St. Severin: F. Fremersdorf, Zwei wichtige Frankengräber aus Köln. IPEK 15/16, 1941/42, S. 124—139; F. Fremersdorf, Ergebnisse der Forschungen bei der St.-Severins-Kirche in Köln. Neue Ausgrabungen in Deutschland, Berlin 1958, S. 329—339; F. Fremersdorf, Ältestes Christentum (mit besonderer Berücksichtigung der Grabungsergebnisse unter der Severinskirche in Köln). Kölner Jahrb. 2,1956, S. 7—26; J. Werner, Eine ostgotische Prunkschnalle von KölnSeverinstor (Studien zur Sammlung Diergardt II). Kölner Jahrb. 3, 1958, S. 55—61. — Weiterhin Tätigkeitsberichte des RGM in den Kölner Jahrbüchern für Vor- und Frühgeschichte. Die Gräber um St. Gereon: G. Binding u. a., Das spätrömische Atrium und mittelalterliche Stift von St. Gereon in Köln. Kölner Jahrb. 13, 1972/73, S. 140—171 mit älterer Lit.; K. H. Krüger, Königsgrabkirchen der Franken, Angelsachsen und Langobarden bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts, München 1971, S. 88—96 mit älterer Literatur. Fränkische Altertümer in St. Ursula: O. Doppelfeld, Ein merowingisches Glas-Sepulcrum von der Kölner Ursula-Kirche. Miss. pro Arte, Festschr. H. Schnitzler, Düsseldorf 1965, S. 44 ff. Die Gräber von Müngersdorf: F. Fremersdorf, Das fränkische Gräberfeld Köln-Müngersdorf. GDV Serie A, Bd. 6, Berlin 1955; F. Fremersdorf, Zu dem blauen Glasbecher aus dem Reihengräberfeld von Pfahlheim (Kr. Ellwangen) im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Kölner Jahrb. l, 1955, S. 33—35. Die Gräber von Junkersdorf: P. La Baume, Das fränkische Gräberfeld von Junkersdorf bei Köln. GDV Serie B, Bd. 3, Berlin 1967. Frankengräber rechts des Rheins: F. Fremersdorf, Das fränkische Gräberfeld Köln-Müngersdorf, Berlin 1955, S. 11—14; 164
F. Fremersdorf, Frankengräber des 7./S.Jahrhunderts in Köln-Poll. In: A. Marshall, K.J. Narr, R. v. Uslar, Die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung des Bergischen Landes. Zeitschr. des Bergischen Geschichtsvereins 73, 1954, S. 153—159; P. La Baume, Ein Frankengrab von Köln-Deutz. Kölner Jahrb. 5, 1960/61, S. 89—90; S. Gollub, Zur älteren Besiedlung der Stadt Porz und ihrer näheren Umgebung. Unser Porz 8, 1966, S. l—73; J. Huck, Im Frankenreich. In: Die Bürgermeisterei Merheim im Wandel der Zeit Bd. l, 2. Aufl. Köln 1974, S. 44—48; W.Janssen, Ausschnitte aus einer fränkischen Siedlung in Köln-Porz. Bonner Jahrb. 178, 1978, S. 427—478. Neue Übersicht über die fränkischen Fundstellen in und um Köln jetzt von Elisabeth M. Spiegel in: E. M. Spiegel und H. Steuer, Fränkische Altertümer im Kölner Raum. Führer 37, Mainz 1980, im Druck.
Kultur- und Sozialgeschichte Adel und Kriegertum: /. P. Bodmer, Der Krieger der Merowingerzeit und seine Welt. Eine Studie über Kriegertum als Form der menschlichen Existenz im Frühmittelalter, Zürich 1957; A. Bergengruen, Adel und Grundherrschaft im Merowingerreich. Siedlungs- und standesgeschichtliche Studie zu den Anfängen des fränkischen Adels in Nordfrankreich und Belgien, Wiesbaden 1958; F. Irsigler, Untersuchungen zur Geschichte des frühfränkischen Adels. Rheinisches Archiv 70, Bonn 1969; H. Grahn-Hoek, Die fränkische Oberschicht im 6. Jahrhundert. Studien zu ihrer rechtlichen und politischen Stellung. Vorträge und Forschungen Sonderband 21, Sigmaringen 1976; W. Schlesinger und/. Werner, Über den Adel im Frankenreich. Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich. Wege der Forschung Bd. 49, 1973, S. 545—550; Frauke Stein, Adelsgräber des achten Jahrhunderts in Deutschland. GDV Serie A, Bd. 9, Berlin 1967; R. Christlein, Besitzabstufungen zur Merowingerzeit im Spiegel reicher Grabfunde aus West- und Süddeutschland. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 20, 1973, S. 147—180; O. Doppelfeld und R. Pirling, Fränkische Fürsten im Rheinland, Düsseldorf 1966. Bewaffnung: H. Steuer, Zur Bewaffnung und Sozialstruktur der Merowingerzeit. Nachr. aus Niedersachsens Urgeschichte 37, 1968, S. 18—87; /. Werner, Bewaffnung und Waffenbeigabe in der Merowingerzeit, 1968. Nachdruck: Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich. Wege der Forschung 49, Darmstadt 1973, S. 326—338; K. Böhner, Das Langschwert des Frankenkönigs Childerich. Bonner Jahrb. 148,1948, S. 218—248; /. Werner, Zu fränkischen Schwertern des S.Jahrhunderts. Germania 31, 1953, S. 38—44; I.Ottinger, Waffenbeigabe in Knabengräbern. Festschr. J. Werner, Bd. l, München 1974, S. 387—410; U. D ahmlos, Francisca — bipennis — securis. Bemerkungen zu archäologischem Befund und schriftlicher Überlieferung. Germania 55, 1977, S. 141—165. Frühe Kirchen und frühes Christentum: H. Borger, Die Abbilder des Himmels in Köln. Kölner Kirchenbauten als Quelle zur Siedlungsgeschichte des Mittelalters Bd. l, Köln 1979, mit umfangreichen Literaturanga-
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ben; O. Doppelfeld (Hrsg.), Frühchristliches Köln, Köln 1965; E. Hegel, Die rheinische Kirche in römischer und frühfränkischer Zeit. Das erste Jahrtausend Bd. l, Düsseldorf 1962, S. 53 ff.;/. Torsy, Die kirchliche Erschließung der Landbezirke im Raum um Köln. Das erste Jahrtausend Bd. 2, Düsseldorf 1964, S. 711—733; K. H. Krüger, Königsgrabkirchen der Franken, Angelsachsen und Langobarden bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts, München 1971; B. Young, Paganisme, christianisation et rites funeraires merovingiens. Arch. Medievale 7, 1977, S. 5—81; W. Binsfeld, Zu den frühchristlichen Grabinschriften Kölns. Germania 45, 1967, S. 105—109; K. Böhner, Rheinische Grabdenkmäler der Merowingerzeit als Zeugnisse frühen fränkischen Christentums. Das erste Jahrtausend Bd. 2, Düsseldorf 1964, S. 653—678. Kunstgeschichte: H. Steuer, L'industrie d'art a l'epoque merovingienne. Tresors romains — Tresors barbares. Une exposition des Musees d'Histoire de la ville Cologne et du Credit Communal de Belgiques, Bruxelles 1979, S. 37—61; G. Behm-Blancke, Gesellschaft und Kunst der Germanen. Die Thüringer und ihre Welt, Berlin 1973; H. Roth (Hrsg.), Kunst der Völkerwanderungszeit. Propyläen-Kunstgeschichte, Supplementband IV, Frankfurt am Main—Wien—Berlin 1979; G. Haseloff, Kunststile des Frühen Mittelalters (Völkerwanderungs- und Merowingerzeit) dargestellt an Funden des Württemberg. Landesmuseums Stuttgart, Stuttgart 1979; F. Fremersdorf, Goldschmuck der Völkerwanderungszeit. Katalog, Köln 1953; S. Gollub, Köln. Germanischer Goldschmuck. Rheinische Kunststätten 4, 1966; W. Janssen, Fränkischer Schmuck. Rheinisches Landesmuseum Bonn, Kleine Museumshefte 6, Düsseldorf 1967;/. Werner, Katalog der Sammlung Diergardt, Bd. 1: Die Fibeln, Berlin 1961; B. Arrhenius, Zum symbolischen Sinn des Almandin im frühen Mittelalter. Frühmittelalterliche Studien 3, 1969, S. 47—59. Königsschätze: D. Claude, Beiträge zur Geschichte der frühmittelalterlichen Königsschätze. Early Medieval Studies 7, Antikvarisk Arkiv 54, Stockholm 1973, S. 5—24. Fränkische Söldner in römischem Dienst: /. Werner, Bemerkungen zur mitteldeutschen Skelettgräbergruppe Haßleben-Leuna. Zur Herkunft der ingentia auxilia Germanorum des gallischen Sonderreichs in den Jahren 259—274 n.Chr. Mitteldeutsche Forschungen Bd. 74/1, Festschr. W. Schlesinger, Köln —Wien 1973, S. 1—30; H. W. Böhme, Germanische Grabfunde des 4. bis S.Jahrhunderts zwischen unterer Elbe und Loire, München 1974; F. Laux, Sachsen und Römer. In: Sachsen und Angelsachsen, Ausstellung Hamburg-Harburg, Hamburg 1978, S. 51—57. Wirtschaft: O. Doppelfeld, Die Merowingerzeit. Zwei Jahrtausende Kölner Wirtschaft Bd. l,Köln!975, S. 71—86; O. Doppelfeld, Römisches und fränkisches Glas in Köln. Schriftenreihe der archäologischen Gesellschaft Köln 13, Köln 1966; C. Neuffer-Müller, Fränkische Rüsselbecher aus Württemberg. Festschr. f. W. Haberey, Mainz 1976, S. 89—94; H. G. Ran, Konische Glasbecher mit schrägen Wandrillen als Beleg frühfränkischer Glasproduktion. Festschr. f. W. Haberey, Mainz 1976, S. 111—120; P. Pauken und H. Schack-Dörges, Holzhandwerk der Alemannen, Stuttgart 1972; J. Werner, Zur Ausfuhr koptischen Bronze-
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geschirrs im Abendland während des 6. und 7. Jahrhunderts. Vierteljahresschr. für Sozialund Wirtschaftsgeschichte 42, 1955, S. 353 ff.; O. Doppelfeld, Der teure Theudebert. Bulletin Museen in Köln 1964; O. Doppelfeld, Theudebert für Köln. Vom Bauen, Bilden und Bewahren. Festschr. W. Weyres, Köln 1965, S. 139 ff.; H. Rotb, Handel und Gewerbe vom 6. bis 8. Jahrhundert östlich des Rheins. Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 58, 1971, S. 323—358. Grabräuber: H.Jankuhn, H. Neblsen, H. Roth (Hrsg.), Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, Göttingen 1978; W. Krämer, Zur Wiederverwendung antiker Gefäße im frühen Mittelalter. Germania 43, 1965, S. 327—329; H. Ament, Glockentummler mit Inschrift. Germania 45, 1967, S. 154—158. Gesellschaftsordnung: H. Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa. In: Geschichtswissenschaft und Archäologie. Vorträge und Forschungen Bd. 22, Sigmaringen 1979, S. 596—633; Th. Zote, Adel, Oberschicht, Freie. Zur Terminologie der frühmittelalterlichen Sozialgeschichte. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 125, 1977, S. 3—20.
Bildnachweis Der Bildnachweis gibt zugleich den Aufbewahrungsort der archäologischen Altertümer an. Rheinisches Bildarchiv Römisch-Germanisches Museum Köln: l, 5, 9,16,18 (z. T.), 19 (z. T.), 26, 28—39, 46—48, 51—56, 58 Erzbischöfliches Diözesan-Museum Köln: 14, 16, 18 (z. T.), 19 (z. T.), 21, 41 Kölnisches Stadtmuseum: 40 Wolfgang F. Meier Römisch-Germanisches Museum Köln: 4, 5,7,10,12,15,23,27,32,42—45,57, 59, EinbandRückseite Erzbischöfliches Diözesan-Museum Köln: Einband-Vorderseite, 8, 11, 13, 20, 22 Weitere Bildquellen Rheinisches Landesmuseum Bonn: 6, 49, 50 Niederrhein. Museum Krefeld-Linn: 24 Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Abt. Urgeschichte: 2 Nationalmuseum Stockholm: 25 Domschatz von Monza: 3 167
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Kc-sprcth un^cn uiul An/ducn
h.ihrik;itionspl,u/ in cindcutin smiiifi/iiTtein Zusammenhang mir mediterranen Amphoren verschiedener ß-Kl;isscn angetroffen wurde. Was die C,-HiMn Nr. 124 und I2.S betrifft, so teilt der Ausgräber mit, diese Fibeln seien nicht Teil der Werkstatt gewesen, sondern stammten aus den „gencral Kater Iron Age Levels", die ins 4. K. Jahrhundert datiert werden sollten. Die Herstellung dieser beiden Fibeln in Cloghcr kann Jcr Ausgräber weder ausschließen, noch hat er für eine lokale Herstellung einen endgültigen Beweis; das Verhreitungsbild scheint jedoch auf Clogher hinzudeuten. Warner teilt mit, daß die Ausgrabung selbst keinerlei Hinweise für die Annahme von zwei Perioden der Fibelhersteüung - wie sie Kilbride-Jones postuliert liefere, noch könne von einer Wiederbesiedlung des Platzes im 5./6. Jahrhundert - wie Kilbride-Jones annimmt - gesprochen werden. Vielmehr gäbe es eine kontinuierliche Belegung zwischen dem 4, und 8. Jahrhundert, Während dieser Zeit zeigten sich trotz gröferer Veränderungen an den Verteidigungsanlagen keinerlei Anzeichen für irgendeinen Bruch in der Besiedlung oder gar einen Wechsel im kulturellen Erscheinungsbild. Nach seinen Gruppeneinteilungen der I'enannular-Fiheln, verschen mit Verhreitungskarten und einer Chronologietabelle, geht Verf. noch kurz auf Nadeln und pseudozoomorphe Penannular-Fibeln ein und twschließt den analysierenden Teil seiner Abhandlung mit einem Nachwort. Daran nun schließt sich der Katalog an, der alle Fibeln enthält, untergliedert in die oben genannten Gruppen und durchnumeriert entsprechend der vom Verf. aufgestellten chronologischen Reihenfolge. Im beschreibenden Text des Kataloges wird jeweils erst der Fundort der Fibel genannt, es folgen die formale Beschreibung, Maße, Aufbewahrungsort und Literaturangaben. Bei den Referenzen fällt auf, daß Verf. -etwa beiden Exemplaren vonTraprain Law - sich auf die Erstpuhlikation der Objekte beschränkt, nicht aber die spätere Bearbeitung durch Fowler nennt; ebenso vermißt man die Nennung der Fundkategorie, d. h. unter welchen Umständen eine Fibel gefunden wurde, und oh sie etwa mit anderem Material zusammen zutage getreten ist. Gelegentlich vergißt Verf. den Aufbewahrungsort zu nennen; im Falle der Fibel Nr. 19 (Pike Hall, Derbyshirt) wird überhaupt kein Zitat gegeben, so daß dieses Objekt gänzlich unauffindbar bleiben mitfs. Innerhalb des Kataloges werden Strichzeichnungen aller IVnantuilar-Fiheln gebrjcht, wobei der Leser wünscht, da K sich wenigstens einige Tjfeln mit fotografischen \Vialcrgiihcn angeschlossen hätten; nur auf dem SchutzumM;hb|> K'tindet sich eine kolorierte Zeichnung zweier I'enamuil.ir-Kihcln. Vergleicht ni.m .ihsirbliefvcnd die vorlic^cndi.- Abhandlung: KilhriJe-Joncs mit der zwischen 193" und 19HO crschicncntn Literatur 7.11111 Thema, so wird mau wohl den tuithternen Ahhundlunjicn von Savory und Kowler den Vnr7.ni; jiclx'ii müssen; \\.is Jic Vollständigkeit Jcr Krt",i>snnn Jcr I>cnknialcrj;ruppc angeht, so gcHihrt hin^c^n Kilbridc-Joncs Jcr Vorr.nig. VC'ill man die /iHnnorphen l'cnaniHilar-Hilx'In Ix'i diesem l'orschuiigsst.inj bvtirtciIcn.so wird nun \nm vpatriinuschcii Kormeiischat/ in Bririinnk-n ansuchen nuis-cn. Hic genannten astragaliertcn Gegenstände dürften knntiiK-nt.ilcn A n ;i lobten folgend in der /.weiten Hälfte des 4. und m der ersten Hälfte des >. Jahrhundtris für die Kunstcnrwicklung ausschhiggcK'iid ticwcscn sein. Ein weiterer Punk: in der Km\\ icklung jener Fihcln ist dann gegeben durch die mit Millefiori besetzte l'rnchtfitx;! aus Bnllindcrry Cr;inm>^2, die zweifelsohne mit den um 625 ms (.irahnclan^tcn final 11 icricn Kscutchcons der großen Hanging ßowl von Summ Hon zusammenheilt. Mit der l i bei von B.illiiulcrry Ojiinog ist die Entwicklung der zoumorphen Pfiianiiul.u-Kilvln Ix-rcits in ihrer Haupttcndcn/ sichtbar, nämlich der Verbreiterung der Hndcn /u tachi/rtörmi^eu Ciehildcn, eine Tendenz, die auch Kilhride-Jones anerkennt. Will in.in Jic weitere
IW-spivchimjwn und An/eint-n
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Kntwkklung verfolucn, M> steht ein recht um J^tic-rKircs Stück /.ur Verfügung, nämlich die Tarafihel. die um 7(K) d.uien werden kann. Die dort sichtbare Ausforiming fuhrt dann /.u Jen im 9. Jahrhundert sich fortsei/enden hypertrophen Formen, die £ut daticrhar, vor allem durch die WikinpLTsnle, £cprii£i sind. Die von Kilbride-Jones aufgestellten Gruppen sollten sich u. E. auf Grund der genannten Tendenzen zwischen die zweite Hälfte des 4. bzw. erste Hälfte des 5. Jahrhunderts und die von Ballinderry Cranmig 2 abhängigen Millcfioristücke eingliedern lassen; d. h.: spätestens um 650 dürfte die Entwicklung jener speziellen PenannularFibel-Gruppc beendet gewesen sein. Diese Ansicht bedarf selbstverständlich einer genauen Überprüfung, die erst dann durchgeführt werden kann, wenn der gesamte spätkeltische Formenschat/, einer strengen Analyse unterzogen sein wird, wie sie Jacobsthal in vorbildlicher Weise für die frühkcltische Kunst erarbeitet hat. Man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, daß im insularen Bereich in den ersten Jahrhunderten n. Chr. nichts da ist, was an keltischem Formenscharz wirklich datiert werden könnte. Die Lücke, die zwischen solchen Stücken wie den zoomorphen Penannular-Fibeln mit keltischem Ornament und solch „frühen" Stücken, wie etwa der Petrie Crown, noch vorhanden ist, wird vielleicht übcrbrückbar durch die Aufarbeitung dessen, was in der mittleren Kaiserzeit in römischen Zusammenhängen an keltisierender Ornamentik zu finden ist. Zweifelsohne verbirgt sich hinter jener Handwerkskunst eine Strömung, die dann den traditionstrafenden Kern abgegeben hat für das Wiederaufleben der kettischen Ornamentik im frühchristlichen Bereich Irlands. M a r b u r g s , d. Lahn
Uta Roth
Heiko Steuer, Die Franken in Köln. Aus der Kölner Stadtgcschictue. Greven Verlag, Köln 1980. 167 Seiten, 59 teils farbige Abbildungen und 2 Karten auf den Umsfhlaginnenseitcn. Es ist gewiß kein Zufall, d;il> bei Wissenschaftlern und Laien der Name Köln fast autom.uisirh die antike Vergangenheit dieser Stadt assoziiert. Die alte Co/oirw Claudia ,\rj Aggriftpincnsiutn bezieht ihr besonderes Flair auch heute noch in erster Linie von ihrer Bedeutung in römischer Zeit. Als Hauptort der römischen Provinz Germanin Inferior, als Verwaltiingsmirtelpunki, Mittelpunkt von Handwerk, Handel und Gewerbe, .ils Verkehrsknorenpunkr und Zielpunkt eines weitverzweigten Stra&nnetzes .im Nicdcrrhfin und schließlich .ils AiiN^.tiigNpunkt des Vordringens g.illo-röniischcr und fränkischer Kultur über den Rhein hinweg nach Osten steht die alte Metropole vor allem während der ersten fünf Jahrhunderte unserer Zciircchnunn im Mittelpunkt des Interesses. Besucht nun heute das wichtigste .nvhänlogisi'hc .Museum Kölns, d;\s Römisch-Gcrnianischc Muwitm. NO dominiert hier die römische Amikc in einer \\cise, die jllcs andere, was d.ivor, dancKru und t);in,ich w.ir, verblassen läist. In Volkshrauch und Kjrncvalswcscn erscheint immer wieder der Römer als Sinnbild st,ulfkölnischer Existenz. Auf dem Hintergrund einer solchen Gcisteslapc in der Betrachtung der Geschichte von Köln muß cm Buch mit dem Titel „Die Franken in Köln" von selbst Neugier und Interesse erwecken, bcfaist es sich doch mir einer F.poche, die, was den chronologischen Ablauf der Ereignisse .mpeht, einwandfrei in nach römische Zeit fällt. Selbstverständlich hat es im wissenschaftlichen Schrifmim schon vor Erscheinen dieses Buches eine Fülle von Abhandlungen gegeben, die archäologischen Zeugnisse gerade dieser Fpoche 7,um Gepcnstand h.mcn. Zu erinnern isl in diesem Zusammenhang an den unvergessenen
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Besprechungen und An/cißcn
früheren Direktor des Rom i seh-Germanischen Museums, Prof. Dr. Otto Doppelfcld, dessen Ausgrabungen unter dem Kölner Dom der fränkischen Epoche zu Geltung und neuer Bewertung verholfen haben. Seine gesammelten Schriften sind soeben in Band l der Kölner Forschungen (Mainz 1980) der Verstreutheil schwer zugänglicher Zeitschriften entrissen und, zusammen mit Arbeiten von Willy Wcyres und einer Reihe weiterer Autoren, in einem Sammelband leichccr zugänglich gemacht worden. Und gleichwohl entbehrte Köln bisher einer handlichen Zusammenfassung seiner Geschichte in fränkischer Zeit. Dieses nun hat Heiko Steuer mit dem hier zu besprechenden Buch unternommen. Sein Buch gliedert sich in zwölf Sachkapitel, die in lockerer Folge die Themen „Römer-Staat und Franken-Reich", „Fränkische Barbaren*4, „Fränkische Landnahme im Kölner Gebiet", „Machtgrundlagen der fränkischen Könige", „Der Stadtraum zur Frankenzeit", „Fränkische Siedlungen und Gräberfelder", „Verbleib der Gallo-Romanen", „Das Land Ribuarien", „Fränkischer Alltag", „Rohstoffe aus Ruinen", „Kunsthandwerk", „Das Ende der Frankenzeit" behandeln. Literaturverzeichnis und Bildnachweis schließen sich den Sachkapiteln an. Seinem Charakter nach ist das Buch offensichtlich dazu bestimmt, auch breitere Leserschichten anzusprechen. Darüber hinaus dürfte aber auch mancher Fachwissenschaftler zu diesem Werk greifen, das erstmalig überhaupt in zusammenhängender Form die Geschichte Kölns während der Merowingerzeit behandelt. Die Zielrichtung auf eine breitere Leserschafc verrät sich gelegentlich in der Sprache des Autors, etwa, wenn er die gegen das römische Reich vorstoßenden Barbaren „die damalige ,Dritte Wclr'" nennt (S. 9) oder wenn er auch sonst in der sprachlichen Gestaltung des Buches um leichte Verständlichkeit bemüht ist. Im 1. Abschnitt seines Buches arbeitet der Autor sehr schön die Unterschiede zwischen römischen und fränkischen Lebensformen als Alternativen vornehmlich des 5. Jahrhunderts heraus. Seit 256 n. Chr. mußten die Römer sich mit den Franken, die in diesem Jahre erstmalig erwähnt werden, auseinandersetzen. Der heterogene Charakter dessen, WAS sich um jene Zeit Franken nannte, wird vom Autor recht gut aufgezeigt: Bei den Franken handelte« sich nicht um einen alten Stammesverband, sondern um zusammengewürfelte Scharen aus verschiedenen stammlichen Einheiten, die im 3. Jahrhundert rechts des Rheins bis nach Mitteldeutschland hinein wohnten. Mit einigem Recht wird hier die Frage gestellt, ob die ungewöhnlich reich ausgestattete Gruppe von Körpergräbern im Gebiet von Leun a-Ha ssleben in Thüringen, die einen engen Zusammenhang mit den inner römischen Auseinandersetzungen um das Kaisertum besitzt, nicht einen Teil dessen darstellt, was zur gleichen Zeit als Franken erwähnt wird. Das bestimmende Thema des 3. Abschnitts sind die Chronologie und der Umfang der fränkischen Landnahme im Kölner Gebiet. Hier kann man die Darstellung nicht erst im» die Mitte des 5. Jahrhunderts beginnen, als Köln endgültig in fränkische Herrschaft üluTging, sondern man nuils folgerichtig, wie der Autor es ;iuch tut, auf das 4. Jahrhundert zurückgreifen. Die fränkischen Vorstöße der Zeit um .Vv> und um 390 sind durch Münzschatzhortzonte in der Provinz Gerni.inu Prima belegt. Steher wird man, wieder Autor dieses S. 3438 tut, die Frage stellen dürfen, oh Köln zwischen 350 und 450 eine römische oder eine fränkische Stadt war. Wenn man diese Fnigc stellt, so sollte man sie allerdings nicht unbeantwortet lassen. Zur Beantwortung müßte berücksichtigt werden, daß schließlich durch Kaiser Julian in den Jahren um 360 die alte Ordnung am Niederrhein weitgehend wieder hergestellt wurde. Siedlungsfunde, gerade auch aus der Kölner Gegend, belegen, daß in jener Zeit zahlreiche neue römische Vilbe rusticne gegründet wurden. Wenn nicht alles täuscht, so sind Köln und sein Umland im 4. Jahrhundert und insbesondere in dessen zweiter Hälfte noch weitgehend von der römischen Zivilisation geprägt. Das schließt
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nicht aus, daß sich bereits um diese Zeit fränkische Sicdlerschübe links des Rheinstromes niederließen. Und selbst wenn der Franke Arbogast gegen Ende des Jahrhunderts in Köln als Bauherr auftritt, so erscheint er doch in jener Zeit als Beauftragter des römischen Kaisers. Am Schluß dieses Abschnitts befaßt sich Verf. mit der Entstehung des Kölner Königtums des Franken Sigibert gegen Ende des 5. Jahrhunderts. Hier wird man die S. 41 angenommenen genealogischen Zusammenhänge zwischen dem für 469 bezeugten fränkischen Königssohn Sigismerus und dem Kölner Frankenkönig Sigibert mit einiger Vorsicht betrachten müssen, selbst wenn dergleichen Zusammenhänge auf Ergebnisse von Eugen Ewig gestützt werden. Die Frage der Namensähnlichkeit und der Wiederkehr von Namensbestandteilen bei germanischen Adeligen- und Königssippen bedarf einer grundsätzlichen Neuerörterung, da sie mit dem von Eugen Ewig gegebenen Forschungsstand keineswegs als erledigt zu betrachten ist. Der 4. Abschnitt behandelt die Machtgrundlagen der fränkischen Könige. Vornehme Abstammung, Verfügungsgewalt über eine möglichst große Kriegergcfolgschaft, ein Königsschatz, bestehend aus barer Münze und Gegenständen aus edlen Metallen, vor allem aus Gold, Grundbesitz und ein Charisma als politischer und militärischer Führer sind die wesentlichen Grundlagen, auf denen sich das Königtum nicht nur der Franken, sondern auch anderer germanischer Stämme aufbaute. In der Würdigung der Königsschätze aus Gold und anderen Kostbarkeiten folgt der Verf. weitgehend einer Arbeit von D. Claude zu diesem Thema aus dem Jahre 1973. Ob die Mischung zwischen heidnischgermanischem Heldenethos und neuer christlicher Gesinnung für alle behandelten fränkischen Persönlichketten in der geschilderten Weise zutrifft, läßt sich nicht abschließend beurteilen (S. 52). Für Chlodwig jedenfalls ist immer wieder diskutiert worden, inwieweit sein Übertritt zum katholischen Christentum ausschließlich politischer Raison folgte oder auch eine Glaubensüberzeugung zum Hintergrund hatte. Steuer läßt uns die germanischen Fürsten in seltener Brutalität, Habgier und Streitsucht erscheinen, und man fragt sich unwillkürlich, wie dünn oder wie stark im Einzel fall eine charakterliche Formung durch das antike Vorbild oder durch christliche Gesinnung vorhanden war. Auf den Seiten 55 ff. bemüht sich der Autor, die Königssippe des Sigibert von Köln gewissermaßen zu einer Lokaldynastie zu stilisieren: Von einer Anwesenheit einer auch nur geringen Gefolgschaft dieses Sigibert in Köln ist archäologisch nichts zu vermelden. Überhaupt lag Köln, und dieser Gesichtspunkt mag hei einer Arbeit mit stark lokalgcstrhichrlichem Kolorit etwas verlorengegangen sein, an der Grenze der d.imals zivilisierten Welt, in einer Gegend, in der die fränkische Macht nach der Rcichsgründung auf Jahrhunderte hinaus schwach und von äußeren Feinden ständig bedroht war. Leider bleibt die Darstellung der rechtsrheinischen Welt seltsam beziehungslos und bljls in ihrem Verhältnis zu Köln. Hier härten, zumindest für die Zeit des Bischofs Kunibert, Versuche der Kölner Franken Erwähnung finden müssen, das rechtsrheinische Germanien zu missionieren und 7.11 durchdrinpcn. Die westfälische Archäologie h;it m Form fränkisch beeinflußter Reihengräherfelder, in Form von mit fränkischer Keramik ausgestatteten Siedlungsplätzen und einem mcrowingisehen Töpfcmfen .uis Ge^cke zu zeigen vermocht, daß durchaus intensive Kulturbeziehungen, wenn nicht gar politische Beziehungen, zwischen dem Nicderrhein und Westfalen bestanden haben. Mit einiger Freude hat der Rez. das Kapitel über den Stadtraum Köln zur Frankenzeit gelesen. Hier wird klar ausgesprochen, was sich nicht hinwegdiskutieren läßt: Das vollständige Fehlen nuchantiker Profanbauten aus der Merowingerzek, das vollständige Fehlen merowingerzeitlieber Siedlungsrcste in den Altstadtschichten von Köln, kurz: Die Abwesenheit fränkischer Siedler während des ausgehenden 5./6. und weitgehend auch des 7. Jahrhunderts. Diese Fundlage zwingt dazu, von einer Weiternut-
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zung römischer Staatsschätze, etwa des l'raetoriums, durch die nachfolgende fränkische Königssippe zu sprechen, deren einzigen archäologischen Niederschlag man in den reich ausgestatteten Gräbern unter dem Kölner Dom aus der Zeit um 530 gefunden zu haben glaubt. Mit Recht charakterisiert der Verf. das nach römische Köln als eine einzige riesige Ruinensrätte, in der kaum noch jemand wohnen konnte, in der sich die Trümmer mit Busch- und Strauchwerk bestockten und die nur noch von geringer Restbevölkerung bewohnt wurde. Hier wird ein völlig anderes Bild von einer einstigen römischen Großstadt gezeichnet, als dies beispielsweise K. Weidemann für Mainz in nachrömischer Zeit getan hat. Bei der Abschnittsüberschrift „Fränkische Siedlungen und Gräberfelder" ertappen wir den Autor, wie so manchen Wissenschaftler, der sich mit der Merowingcrzeit befaßt, ein wenig beim Mogeln: Von fränkischen Siedlungen kann im Kölner Raum einfach nicht die Rede sein, weil deren Nachweis mir archäologischen Mitteln bisher so gut wie gar nicht gelungen ist. Wenn es um die räumliche Verteilung fränkischer Siedlungsplätze im Kölner Raum geht, so erscheint - und dafür kann man den Autor nicht verantwortlich machen - immer wieder die gleiche Quellcngruppc: Die fränkischen ReihengräberFriedhöfe. Sie nun werden in richtiger Würdigung ihres Aussagewertes für die frühe Stadrgcschiche vorgestellt: Das einzige Reihengräberfeld intra muros ist das unter dem Kölner Dom mit seinen zwei fürstlichen Bestattungen; einen der römischen Stadtumwehrung noch recht nahegelegenen Ring von Gräberfeldern um antike Kultbauten oder frühe christliche Kirchen beschreibt der Verf. mit den Gräberfeldern um St. Scvcrin, St. Pantaleon, St. Gereon, St. Ursula und St. Kunibert. Der dritte, weir ins Kölner Umland ausgreifende Ring von Gräberfeldern ist etwa durch die Gräberfelder von KölnJunkersdorf und von Köln-Müngersdorf charakterisiert, überall weisen die wertvollen Grabbeigaben eine sozial reich gegliederte Bevölkerung aus, aus der sich die sozial und politisch führenden Familien durch einzelne besonders kostbar mit Edelmetallen ausgestattete Grablagcn herausheben. Hier geht das Buch nach traditionellem und vielfach bewährtem Muster vor. Gedacht wird auch des Verbleibs der Gallo-Romancn, die vor allem an den romanische» Personennamen auf Grabsteinen des 5.-7. Jahrhunderts zu erweisen sind. Freilich wird man im einen oder anderen Fall, nicht nur in Köln, den Verdacht nicht los, daß auch Germanen, im Laufe einer stärkeren Assimilation an die romanische Zivilisation, lateinische Namen übernommen haben könnten. Weshalb Verf. auf S. 98 hinsichtlich der llewjhrung romanischer Sprachresre einen Gegensatz des Kölner Raumes zum Moselt:il Mehr, wird nicht ganz kl;ir. Im Abschnitt über das Land Rihuarien stützt sich der Verf. weitgehend auf Arbeiten von Eugen Ewig. Den fränkischen Allrag, S. lOSff., beschreibt der Verf. wiederum ausschließlich nach Gräberfunden. Auf S. 111 f. folgt d;is Eingeständnis, daß eben bis heute zu wenige Siedlungen bekannt sind. Der Verf. ist sich .ilso der herrschenden Qncllcnlagc, die auch er nicht überspringen kann, vulkiuf bewußt. Das Kapitel „Rohstoffe aus Ruinen" geht der Leser mit besonderen Krwammgen an: Hier wäre es vielleicht interessant gewesen, zu erfahren, wo im einzelnen das frühe, aber auch das hohe Miaelalrer sich römischer Baureste und Ruinen bedient hat. Sicher wird man hier die Betrachtung nicht auf die Merowmgerzeit einschränken dürfen, da offensichtlich die erste große nachrömische Neugestaltung Kölns in ottonischer Zeit stattfand. Interessant, wenn auch nicht neu, sind die Ausführungen des Verf. zur Ausbeutung römischer Gräberfelder in luchrömischer Zeit, wobei allerdings der Bericht des Benvcnuto Cellini (1500-1571) über die Gewinnung antiker Schmuckstücke einen Glanzpunkt darstellt. Wer fränkisches Kunsthandwerk darstellen will, gerät zwangsläufig in Zusammenhänge, die über Köln hinausweisen. Obgleich auch die Gräber der sozial führenden Leute des 7. Jahrhunderts noch mit reichen Edelmerallbeigahen und handwerklich ausgezeich-
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netem Gerät ausgestattet sind, ist doch über die Lage und Arbeitsweise rheinischer Werkstätten der Merowtngerzeit so gut wie nichts bekannt. Man hätte vielleicht die Verbreitung bestimmter Goldscheiben fi bei n im Rheinland dazu heranziehen können, den Standort der Werkstätren, die diese Schmuckstücke hervorbrachten, wenigstens ungefähr zu charakterisieren; zu einer exakten Ortsbestimmung reicht die gegenwärtige Kenntnis aber nicht hin. Was S. 137 über die Verlagerung der Glasproduktion aus der Stadt Köln auf das Land von der römischen Zeit in der Merowingerzeil gesagt wurde, läßt sich in dieser Form nicht halten. Es liegt in der Kölner Forschungstradition begründet, daß die Existenz der stadtsässigen Kölner Glas Werkstätten erheblich überbewertet wurde. Die Tatsache, daß in Köln Glasproduktion archäologisch nachgewiesen ist, besagt noch keineswegs, daß dies immer und zu jeder Zeit in den Städten der Fall gewesen sein müsse, besagt auch nicht, daß es daneben nicht auf dem Lande Glasproduktion gegeben hat. Die jüngsten Forschungen des Bonner Landesmuscums im sogenannten Ha m Bacher Forst, nur 50km westlich von Köln, haben ausgedehnte Glasmanufakrurcn des 3. und 4. Jahrhunderts zu Tage gefördert, die zcitgleich mit den stadtkölnischen Werkstätten gearbeitet haben müssen. So läßt sich das sauber gemalte Bild von der stadtsässigen römischen und der landsässigen nachrömischen Glasproduktion nicht länger aufrechterhalten. Neue Forschungen müßten hier durchgeführt werden. Spätestens auf S. 145 fällt dem Leser der sehr häufig im Buch verwendete Ausdruck der „Prunksucht" der Germanen besonders auf. Er wird hier im Zusammenhang mit der Darstellung fränkischen Kunstempfindens verwendet und befindet sich im ausgesprochenen Gegensatz zu dieser ästhetischen Kategorie. Die Reduktion germanischen Schmuckbedürfnisses auf die nackte Prunksucht trifft nicht in allen Fällen die wahre Natur fränkischen Kunsthandwerks und fränkischer Gestaltungskraft. Hier müssen die Dinge wohl etwas differenzierter gesehen werden, sowohl was die Abhängigkeit fränkischer Kunsterzeugnisse vom römischen Kunstschaffen angeht als auch, was die überregionalen Verbindungen des fränkischen Kunsthandwerks betrifft. Zum Schluß behandelt der Verf. die Frage, weshalb gegen Ende des 7. Jahrhunderts die Grabbeigabensitte im Kölner Gebiet langsam aufhört. Er verknüpft sie mit dem sich in jener Zeit unerhört steigernden Grabraub, dem wesentliche Teile der Grahinvent.ire aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts zum Opfer fallen. Wenn der Verf. nicht der Meinung ist, das Vordringen christlicher Anschauungen sei für die Änderungen der Beigaben s nie und ihr Aussterben verantwortlich, so kann man ihm darin nur beipflichten. Ansprechend ist seine These, daß der Wandel der Gesellschaftsordnung sowohl die massenhafte Beraubung von Gräbern als auch das allmähliche Ausstcrben der Beig:ilx:iisittc bewirkt habe. Fragt man aber danach, welche Wandlungen dieses im cin/elnen gewesen sind, so überzieht eine solche Fragestellung zweifellos den engen Rahmen, den sich der Archäologe auf Grund seines spezifischen QueÜenstoffes selbst setzen muß. Fach Wissenschaftler und interessierte Öffentlichkeit sollten Heiko Steuer für das Buch „Die Franken in Köln" dankbar sein. Mag man auch in einzelnen Punkren mir einigen von ihm vorgetragenen Thesen differieren, so ist Joch insgesamt ein guter XX'urf gelungen: Das Buch ermöglicht es zum ersten Mal, sich in rci.uiv umfassender Weise über die fränkische Epoche in Köln zu informieren. Die reichlich Ix: i gegebenen Literaturhinweise ermöglichen eigenes Weiterarbeiten. Von besonderem Wert sind auch die beiden Karten auf den Um seh laginnen Seiten, deren erste die fränkischen Fundstellen im Umland von Köln darstellt, während die zweite das Stadtgebiet von Köln zur Merowingcrzeit veranschaulicht. Würzhurg
W a l t e r Jansscn
'•••.\
-v-.-
Fränkische Fundstellen im Umland von Köln 1 2 3 4 5
Köln - Worringen Köln - Blumenberg Köln - Langel Köln - Rheinkassel Köln - Merkenich
6 Köln-Niehl 7 Köln-Riehl 8 Köln - Ossendorf 9 Köln - Ehrenfeld 10 Köln - Junkersdorf 11 Köln - Müngersdorf 12 Köln-Deutz 13 Köln - Bayenthal 14 Köln-Poll 1 5 - 1 6 Köln - Rodenkirchen 17 Köln-Rondorf 18 Köln - Rodenkirchen - Weiß 19 Köln - Porz - Grengel 20 Köln - Porz - Zündorf 2 1 - 2 2 Köln - Meschenich 23 Köln-Godorf 24 Köln - Porz - Langel 25 Köln - Porz - Lind 26 Köln - Merheim
Siedlungsreste
Rheinaue
1-9 Gräber
Niederterrasse
10-100 Gräber
unterste Mittelterrasse
mehr als 100 Gräber
untere Mittelterrasse
•
Einzelfunde
obere Mittelterrasse
A
Grabstein
jüngere Hauptterrasse
Stadtgrenze
vorpleistozäner Untergrund
Kartenentwurf und Fundstellenverzeichnis: Elisabeth M. Spiegel Kartographie: Schwyter
Köln zur Merowingerzeit 1 Kirche St. Ursula 2 Gereonstraße 19-21 3 Spiesergasse 4 Am Römerturm 5 5 Helenenstraße 10 6 Am Domhof 7 An Groß St. Martin 8 Deutz, Siegesstraße l 9 Judengasse 10 LintgasseSO 11 Deutz, Urbanstraße, innerhalb des konstantinischen Kastells Divitia 12 Gülichplatz 13 Aachener Straße 14 Kirche St. Caecilien 15 Pipinstraße 4 16 Hohe Straße 14 17 Follerstraße 18 Weyerstraße 19 Kirche St. Pantaleon 20 Achterstraße 21 Luxemburger Straße 22 Brunostraße
+ + Gräber • Einzelfunde A Grabinschriften
Kartenentwurf und Fundstellenverzeichnis: Elisabeth M. Spiegel Kartographie: Herwagen