Die Internationale Handelskammer: Wirtschaftspolitische Empfehlungen in Der Zeit Der Weltwirtschaftskrise 1929-1939 (German Edition) 3428104110, 9783428104116


122 30 46MB

German Pages 360 [361] Year 2001

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Internationale Handelskammer: Wirtschaftspolitische Empfehlungen in Der Zeit Der Weltwirtschaftskrise 1929-1939 (German Edition)
 3428104110, 9783428104116

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

MONIKA ROSENGARTEN

Die Internationale Handelskammer: Wirtschaftspolitische Empfehlungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929-1939

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte In Verbindung mit Rainer Fremdling, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hartmut Kaelble und Herbert Matis herausgegeben von Wolfram Fischer

Band 65

Die Internationale Handelskammer Wirtschaftspolitische Empfehlungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise

1929-1939

Von Monika Rosengarten

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Rosengarten, Monika:

Die Internationale Handelskammer : wirtschaftspolitische Empfehlungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 -1939/ Monika Rosengarten. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte ; Bd. 65) Zug!.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10411-0

Alle Rechte vorbehalten

© 200 I Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübemahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 3-428-10411-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Geleitwort Nichtregierungsorganisationen spielen seit den siebziger Jahren in der internationalen Politik eine zunehmend wichtige, deutlich sichtbare und anerkannte Rolle. Als Wirtschaftsverbände und-kammernhaben sie aber eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition. Sie waren traditionell als Vertreter der Interessen ihrer Mitglieder tätig und versuchten, in Fragen der Binnen- und Außenwirtschaftspolitik ihren Einfluss vor allem auf die Regierung (einschließlich des Gesetzgebers) in ihrem jeweiligen Land auszuüben. Nichtregierungsorganisationen mit weltweiter Mitgliederstruktur, die in internationalen Wirtschaftsfragen abgestimmte und gleichgerichtete Positionen gegenüber den staatlichen Stellen vertraten, waren im Vergleich zu heute selten. Und wenn sie aktiv waren, hat ihre Politik selten die Aufmerksamkeit von Historikern gefunden. Deren Studien zu binnen- und außenwirtschaftspolitischen Themen nahmen auf der Basis staatlichen Archivmaterials vor allem Regierungshandeln zur Kenntnis. Häufig wurde dabei die Verfolgung "nationaler Interessen" unterstellt. Es wurde zu wenig berücksichtigt, dass gerade im Feld der Außenwirtschaftspolitik auch "internationale Interessen" bestehen, deren gemeinsame Stoßrichtung in einer zersplitterten Staatenwelt in Regierungsdokumenten kaum sichtbar wird. Mängel der Wirtschaftspolitik, national und international, sind in vielen Studien als Ursachen für die unbefriedigende Entwicklung der Weltwirtschaft in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen identifiziert worden, insbesondere das Fehlen einer Bereitschaft zur internationalen Kooperation bei der Krisenbekämpfung. Monika Rosengarten untersucht in diesem Buch die handels-und währungspolitischen Empfehlungen der damals wichtigsten, weltweit operierenden Nichtregierungsorganisation, der Internationalen Handelskammer (ICC), während der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 und stellt sie der bereits bekannten Außenwirtschaftspolitik der Regierungen der größten Industrieländer gegenüber. Ihr Hauptziel ist es herauszufinden, inwieweit die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 hätte abgemildert werden können, wenn die Regierungen der wichtigsten Industrieländer diesen Empfehlungen gefolgt wären. Ihre Studie ist eine Pionierleistung. Erstmals werden die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der ICC in der Zwischenkriegszeit systematisch untersucht. Als Erste hat die Autorin die von ihr am Sitz der ICC in Paris gefundenen Dokumente ausgewertet sowie das Völkerbundsarchiv in Genf und staatliche Archive in Berlin, London, Paris und den USA nach Akten der ICC durchforstet.

6

Geleitwort

Die ICC, in der die führenden Köpfe der Wirtschaft der Industrieländer vertreten waren, spielte in der Zwischenkriegszeit als Interessenvertretung der Wirtschaft weltweit eine viel bedeutendere Rolle als in der Periode von 1945 bis zur Gegenwart. Sie (1920 gegründet) stellte damals eine Art Pendant der Geschäftswelt zum vorwiegend politisch orientierten Völkerbund dar. Sie war schon damals in Landesgruppen gegliedert, die ihrerseits Einfluß auf die Wirtschaftspolitik ihrer jeweiligen Regierungen zu nehmen versuchten. Auf ihren alle zwei Jahre stattfindenden Kongressen wurden gemeinsame Positionen zu wirtschaftspolitischen Fragen beschlossen, die die Landesgruppen und manchmal auch die Geschäftsführung in Paris gegenüber den Regierungen vertraten. Die Autorin stellt zu Recht fest, dass in der bisherigen Forschung zur Wirtschaftspolitik und zu internationalen Organisationen in der Zwischenkriegszeit die ICC, ihre Positionen und ihre politische Einflussnahme völlig vernachlässigt wurden. Die Studie liefert einige überraschende neue Erkenntnisse. So hat die ICC, in der Person des prominenten Vertreters der amerikanischen Landesgruppe Owen D. Young, mit ihrer Forderung nach einem Abbau der deutschen Reparationslast indirekt Einfluss auf die Entstehung des Young-Plans von 1929 genommen. Die Autorin weist auch nach, dass der entscheidende Anstoß zum Hoover-Moratorium vom Juni 1931 von dem Kongress der ICC in Washington, D.C., der kurz zuvor stattgefunden hatte, und von den dort vertretenen Positionen ausging. Auch der Reciprocal Trade Agreements Act von 1934, mit dem die amerikanische Regierung die Wende hin zu einem Abbau protektionistischer Handelsschranken einleitete, ist nach den Feststellungen der Autorin zum Teil auf wertvolle Anregungen der ICC zurückzuführen, die stets einen Abbau des Protektionismus als Bedingung für die Wiedergesundung der Weltwirtschaft gefordert hatte. Frau Rosengarten stellt allerdings auch fest, dass die ICC mit ihrer Forderung nach einer Beibehaltung bzw. Rückkehr zum Goldstandard der weltwirtschaftliehen Entwicklung keinen guten Dienst erwiesen hat. Denn die neuere Forschung (z. B. Peter Temin, Barry Eichengreen u. a.) hat nachgewiesen, dass diejenigen Länder aus der Weltwirtschaftskrise am besten herauskamen, die frühzeitig, wie Großbritannien, ihre Wechselkurse frei gaben, auf diese Weise ihre Währung abwerteten und sich dadurch den Restriktionen entziehen konnten, die der Goldstandard ihnen ansonsten auferlegt hätte. Die Studie wartet mit einer Reihe weiterer neuer Erkentnisse auf. Sie zeigt, wie fruchtbar Geschichtsforschung sein kann, wenn sie sich den internationalen Netzen von Nichtregierungsorganisationen zuwendet. FU Berlin

Carl-Ludwig Holtfrerich

Vorwort Diese Arbeit entstand im Rahmen eines Dissertationsprojekts am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Besonders danke ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Carl-Ludwig Holtfrerich, für seine wertvollen Anregungen, zahlreichen Hilfestellungen und sein großes Interesse an der Fragestellung. Von meinem Zweitgutachter, Prof. Dr. Wolfram Fischer, erhielt ich wichtige Verbesserungsvorschläge für die Veröffentlichung der Arbeit. Ohne die großzügige finanzielle Unterstützung des Senats von Berlin zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs wäre die Dissertation nicht so schnell vollendet worden. Erste Ergebnisse meiner Arbeit durfte ich 1999 auf dem Kolloquium des Historischen Kollegs in München vorstellen, das unter der Ägide von Prof. Dr. Harold James (Princeton) zum Thema "The Interwar Depression in an International Context" stattfand. In Zusammenarbeit mit meinem Doktorvater ist daraus ein Aufsatz entstanden, der in einem Sammelband des Historischen Kolleg abgedruckt wird. Dank der freundlichen Fürsprache von Herrn John H. Kraus aus Genf (Internationale Handelskammer) und Herrn Dr. Herbert Oberhänsli aus Vevey (Nestle, S. A.) erhielt ich die Erlaubnis, unveröffentlichte Dokumente der Internationalen Handelskammer aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise einzusehen. Die erfolgreiche Quellenrecherche am Hauptsitz der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris wäre ohne die Hilfe von Frau Marie-Helene Bauer nicht möglich gewesen. Eine besondere Stütze waren auch die kompetenten Ratschläge der Archivare in den National Archives in Washington. Ihnen allen übermittle ich hiermit meinen herzlichsten Dank. Großen Dank schulde ich auch all meinen Freunden, Kommilitonen und Verwandten, die mir stets mit Hilfsbereitschaft, Geduld und kritischen Anmerkungen zur Seite standen. Die Veröffentlichung ist meinen Eltern und Großeltern gewidmet. Berlin, im Juli 2000

Monika Rosengarten

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Institution Internationale Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beziehung zum Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ill. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Interne Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Tätigkeitsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Finanzgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Industrie- und Handelsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Transport- und Verkehrsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Juristische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer und die Weltwirtschaftskrise, 1929-1939.................................................. I. Wirtschaftspolitische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Binnenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Goldstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deflation und Zinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kreditprobleme und Wahnlogskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wertpapieremissionen und Staatsschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Import- und Exportbilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Welthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gold- und Silberhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fertigwarenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Regionale Struktur des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kapitalströme .. . .. .. ... . .. .. ................ . .......... . . . .. . . . .. .. ... . . . ... 3. Tarifare und nicht-tarifäre Handelshemmnisse ... . . .. . . . . .... . . . ........... . . II. Handelspolitische Empfehlungen ..... . ......... . ..... . ............. . . ... .. . . . ... I. Beseitigung der Handelshemmnisse .............. . ..... . ..................... 2. Stabilität durch Handelsverträge ....................................... . ...... 3. Reduzierung und Vereinheitlichung von Zollformalitäten .................... 4. Anwendung der Meistbegünstigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schaffung einer europäischen Wirtschaftsvereinigung . ....... . .... . ......... III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen ................................. I. Rückkehr zum Goldstandard .... . ............... ..... .......... . ...... . ...... 2. Wiederherstellung der Wahrungsstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wiederherstellung der Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lösung des internationalen Schuldenproblems .. . .... . .. .... . .. .. .. .. . . ...... 5. Förderung von Kapitalexporten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 31 31 33 37 41 48 49 51 52 53 54

62 65 65 65 70 73 79 82 84 84 90 91 93 101 104 120 121 141 146 152 158 166 168 178 199 214 226

10

Inhaltsverzeichnis

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer ............................................................... . ....... I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bewertung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit .... . ..............................................................

238 255 269 279 287 307 309 314

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unveröffentlichte Quellen...... . ... . .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Veröffentlichte Quellen .......................... . ......... . ......... . ............ 111. Zeitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

320 320 325 335 335

Sachwortverzeichnis............................................................. ........... 357

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Die Arbeitslosemate 1921-1938 (in%) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. .

68

Tabelle 2:

Der Prozentsatz des Rückgangs der Indizes der Groß- und Kleinhandelspreise von Dezember 1929 bis Dezember 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

Tabelle 3:

Die öffentlichen und privaten Wertpapierausgaben während der Weltwirtschaftskrise (1929-1934) .. ... . . . ... ...... . . . . . . . . ....... .. . . .. .. . . . . . ..... 82

Tabelle 4:

Die Entwicklung des Welthandels 1929-1938 (in Mio. Dollar) .. . . . . .. ..

85

Tabelle 5:

Der Wert vonWarenim-und -exporten 1929-1939 (in Mio. Dollar) . . ...

86

Tabelle 6:

Der Wert von Im- und Exporten von Gold und Silber 1929-1939 (in Landeswährung (Gold)/Mio.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Tabelle 7:

Der Anteil der kolonial und imperial verbundenen Gebiete i. v. H. der Gesamtausfuhr und -einfuhr des Mutterlandes (E= Exportanteil; I= Importanteil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

Tabelle 8:

Die Kapitalbewegungen in USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland 1928-1938 in Mio. $ (Kapitaleinfuhr (+)/Kapitalausfuhr (-)) 103

Tabelle 9:

Die Dauer der Verträge vor 1914 und nach 1918 im Vergleich . . . . . . . . . . . 142

Tabelle 10:

Die Dauer der Kündigungsfrist im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 142

Tabelle 11:

Der prozentuale Anteil des innereuropäischen Handels an der Gesamtausfuhr im Jahre 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Tabelle 12:

Der Anstieg der Industrieproduktion in Prozenten 1929-1936.. .. . . . . . . . . 190

Tabelle 13:

Die Zahlungsbilanz für Waren und Dienstleistungen 1931 und 1932 (in Mio. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

Tabelle 14:

Die Goldbestände der Welt 1928-1930 (in Mrd. Reichsmark).. . ......... 200

Abbildungsverzeichnis 66

Abbildung I:

Die industrielle Produktion zwischen 1929 und 1939 (1929= 100) . . . . .

Abbildung 2:

Die industrielle Produktion und die Exporte in der Welt 1929-1938 (100=1929) .............................................................. 69

Abbildung 3:

Goldreserven der Zentralbanken 1913--1935 in Millionen Gold-$ (1 Dollar= 1,50463 g Feingold) ... .. . .. . . . . ... . . . . .. .. ... .. . . .. . . . . .. . . . . . . .. . . 71

Abbildung 4:

Das Verhältnis zwischen der Golddeckung und den täglich fälligen Verbindlichkeiten einschließlich Notenumlauf (in%).................. . .... 73

Abbildung 5:

Das Preisniveau in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA 1929-1938 .. . .. .. .. . .. .. .. .. . .. . . . .. . .. . .. .. . .. . . .. . . .. .. .. . .. . . . . . 77

Abbildung 6:

Die Entwicklung des Wechselkurses in den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien 1929-1939 (im Verhältnis zur Goldparität) . . 81

Abbildung 7:

Der gesamte Außenhandel von Großbritannien, Deutschland, USA und Frankreich 1929-1939 (in Mrd. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Abbildung 8:

Der Anteil am Welthandel mit Fertigwaren 1926/29 und 1936/38 (in%)

Abbildung 9:

Der Prozentsatz der Zölle im Verhältnis zum Wert der Reineinfuhr 1912 und 1932 .. . .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. . .. . .. . . . . . . . .. . .. . .. . .. . .. . . . . . . . .. .. . . 108

93

Abbildung 10: Der Anteil der Zölle am öffentlichen Gesamthaushalt im Vergleich die Jahre 1912 und 1932 (in%) .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 111

Abkürzungsverzeichnis AD Anm. ASD BIS BIZ BSP BT CIF DIHT EAC EU EZU

FDR

Fed FO FOB GATT HHL HP

HR

ICC IHK IWF Mass. MFN MIT NA NGO No. OECD PRO RFC RM SDN

T UK UNCTAD UNEP Vol. WIPO WTO

Archives Diplomatiques Anmerkung Archiv der InternationJen Handelskammer in Saint Denis Bank of International Settlements Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Bruttosozialprodukt Board of Trade Costs, lnsurance and Fright Deutscher Industrie- und Handelstag Econornic Advisory Council Europäische Union Europäische Zahlungsunion Franklin D.Roosevelt Library Federal Reserve Bank Foreign Office Free on Board General Agreement on Tariffs and Trade Herbert Hoover Presidential Library Hauptsitz der Internationalen Handelskammer in Paris Hearing International Chamber of Commerce Internationale Handelskammer Weltwährungsfonds Massachusetts Most-favored-nation Massachusetts Institute of Technolgy National Archives Non Govemmental Organization Nummer Organization for Economic Cooperation and Development Public Record Office in Kew Reconstruction Finance Corporation Reichsmark Societ6 des Nations Unies Treasury United Kingdom United Nations Conference on Trade and Development United Nations Environment Progarn Volume World Intellectual Property Oganization World Trade Organization

A. Einleitung Die Internationale Handelskammer (ICC)1 wurde 1920 in Paris gegründet und ist ein weltweiter Verband von produktions-, finanz-, handels-und verkehrswirtschaftlichen Organisationen2 sowie von Firmen und Einzelpersonen des Wirtschaftslebens. Sie stellt eine private Körperschaft dar, die weder von politischen Richtlinien noch von finanziellen Subventionen der Regierungen abhängig ist. Ihre Finanzierung erfolgt ausschließlich durch die Beiträge ihrer Mitglieder. Der Beitragsanteil der körperschaftlichen Mitglieder wird nach der Zahl der zugelassenen Vertreter berechnet und von den Landesgruppen im Auftrag des Generalsekretariats eingezogen.3 Die Organisation Internationale Handelskammer umfaßt sowohl einen internationalen (Verwaltungsrat, Generalsekretariat, Präsidium, Mitgliederversammlungen) als auch einen nationalen Teil (Nationalkomitees).4 Erst das Zusammenspiel beider Ebenen macht den besonderen Charakter der Internationalen Handelskammer aus. Dadurch wurde die Möglichkeit geschaffen, internationale Aufgabenstellungen im wirtschaftlichen Bereich durch nationale Lösungsansätze zu bewältigen. Die Internationale Handelskammer versteht sich dabei nicht als Verfechterio einer politischen Doktrin, sondern als "Anwalt" und "Sprachrohr" der allgemeinen Interessen der Wirtschaft. 5 Die größte Herausforderung der Internationalen Handelskammer stellte die Weltwirtschaftskrise seit 1929 dar. Deshalb legt die vorliegende Untersuchung ihren Schwerpunkt auf die Haltung der Internationalen Handelskammer zur "Großen Depression". Die Unabhängigkeit der Kammer von jeglicher politischen Kontrolle erlaubte es der Organisation zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, an den handelshemmenden Aktionen der Regierungen öffentlich Kritik zu üben. Die wirtschaftliche Verständigung war und ist auch noch heute für die Internationale Handelskammer

ICC ist die heute geläufige Abkürzung für International Chamber of Cornmerce. Darunter fallen die Industrie- und Handelskammern, die Verbände der Industrie, des Großund Einzelhandels, des Bankwesens und der Verkehrswirtschaft 3 Artikel X der Satzung der Internationalen Handelskammer, angenommen auf der Gründungsversarnmlung zu Paris am 24. Juni 1920, geändert und ergänzt auf den Tagungen in London (1921), Rom (1923), Brüssel (1925) und Stockholm (1927), Berlin 1928, S.29 (fortan zitiert als Satzung der Internationalen Handelskammer). Die Leistungsfähigkeit eines Nationalkomitees wird berechnet durch die mengenmäßige Ein- und Ausfuhr, die Bevölkerungszahl, die Staatsfinanzen und den Tonnengehalt der Handelsflotte eines Landes. 4 Genauere Ausführungen über die Zusammensetzung der jeweiligen Landesgruppen bzw. Nationalkomitees finden sich im Kapitel über die interne Organisation der ICC (B. IV.). s Die Internationale Handelskammer, Paris 1934, S. 2. 1

2

16

A. Einleitung

die entscheidende Vorbedingung für den Weltfrieden. 6 Daher nennt Artikel I der Satzung der ICC als das vornehmliehe Ziel der Organisation, "die gemeinsame Ansicht aller am internationalen Geschäftsverkehr Beteiligten zu ermitteln und auszusprechen; um wirksame und zweckdienliche Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Völkern und zur Lösung internationaler Wirtschaftsfragen herbeizuführen; um zur Verständigung und Zusammenarbeit der Geschäftsleute und der Wirtschaftsorganisationen der verschiedenen Länder beizutragen und damit die Aufrechterhaltung des Friedens zwischen den Völkern zu fördern.'''

Um diesen Zielsetzungen nachzukommen, stand die Internationale Handelskammer stets vor zwei Problemen: die Regelung der internationalen Zusammenarbeit zwischen ihren Nationalkomitees einerseits und die Konsenstindung verschiedener Wirtschaftszweige innerhalb der Landesgruppen andererseits. Erst die Überwindung dieser zwei Hürden machte den Weg innerhalb der Internationalen Handelskammer zu offiziellen Stellungnahmen frei, für die letztlich dann aber immer noch die Zustimmung des Verwaltungsrates erforderlich war. Die Idee zur Errichtung einer umfassenden Internationalen Handelskammer bestand schon in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Bereits 1913 arbeitete der amerikanische Senator Edward Filene an den Statuten für eine sogenannte "Welthandelskammer". Durch den Krieg wurden die Arbeiten unterbrochen und erst im Jahre 1919 durch die Einberufung einer internationalen Wirtschaftskonferenz nach Atlantic City (New Jersey) wieder aufgenommen. Der in Atlantic City gewählte Organisationsausschuß unter dem Vorsitz des Amerikaners John H.Fahey legte am 21. Oktober 1919 die Richtlinien der zu errichtenden Kammer endgültig fest. Auf der Gründungsversammlung am 24. Juni 1920 in Paris wurde schließlich von den Wirtschaftsvertretern Belgiens, Frankreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Italiens die Satzung der neuen Organisation genehmigt und der frühere französische Handelsminister Etienne Clementel als erster Präsident der Kammer bestätigt. Paris wurde als Sitz der ständigen Geschäftsführung des Generalsekretariats gewählt. Etienne Clementel hatte klare Vorstellungen von der neuen Organisation. "Die Internationale Handelskammer muss ein ausgedehntes Netz der Freundschaft sein, das aus den festen Fäden von Meinungsaustausch, Interessenannäherung und einem grossen Wunsch nach Verständigung und Einigkeit gewebt ist", erklärte er am Schluß der Gründungskonferenz am 5. Juli 1920.8 6 Die Mitarbeiter der Organisation sehen sich heute gerne als "engineers of wealth". Unpublished ICC Congress Business Declaration and Resolution delivered by ICC President Helmut O.Maucher at the end ofthe 32nd ICC Congress in Shanghai 10 Aprill997, S.2. 7 Satzung der Internationalen Handelskammer, S. 19. s Zitiert nach: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Ansprache des Präsidenten der Internationalen Handelskammer Herrn Georges Theunis, Drucksache Nr. l6, Washingtoner Kongreß 1931, S. 52 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Ansprache Georges Theunis 1931).

A. Einleitung

17

Seit der Gründung stieg die Mitgliederzahl rasch. Auf dem ersten Kongreß der ICC in London im Jahre 1921 nahmen bereits wirtschaftliche Landesgruppen aus 23 Staaten teil, u. a. Österreich als ehemaliger Kriegsgegner der Gründerstaaten. 9 Im Jahre 1923 waren bereits 33 Länder- Deutschland ausgenommen- auf dem Kongreß in Rom vertreten und im Jahre 1931 hatten bereits 47 Länder Mitglieder auf den Kongreß nach Washington entsandt; 10 von den großen Ländern fehlte nur die Sowjetunion. 11 Die weltweite Ausdehnung der Kammer reicht bis in die Gegenwart: Auf dem 32. Weltkongreß der Internationalen Handelskammer in Schanghai im J ahre 1997 waren Delegierte aus 140 Ländern vertreten. Allerdings sind die Mitglieder der Internationalen Handelskammer nur in 58 Ländern in eigenständige Landesgruppen zusammengefaßt.I2 Die Gründungsversammlung in Paris war sich von vomherein über ihre Absicht klar, eine internationale Interessenvertretung zu schaffen, die im wirtschaftlichen Bereich eine ähnliche Aufgabe erfüllen sollte, wie sie dem Völkerbund auf politischem Gebiet zugedacht war. In der Zwischenkriegszeit stellte die Internationale Handelskammer damit eine Art Pendant der Geschäftswelt zum vorwiegend politisch orientierten Völkerbund dar ("a business men's League of Nations").B So schrieb das Berliner Tageblatt nach Abschluß des Washingtoner Kongresses der ICC im Jahre 1931: .,Die Internationale Handelskanuner ist heute die einflussreichste repräsentative Körperschaft der internationalen Wirtschaft. ... man möchte ihr den Platz eines Völkerbunds der Wirtschaft einräumen."14

Ein machtpolitischer Vorteil der Internationalen Handelskammer bestand im Vergleich zum Völkerbund darin, daß ihr auch die Wirtschaftsverbände der USA als Mitglieder angehörten. 15 Bekanntlich waren die USA dem Völkerbund nicht beige9 Siehe Internationale Handelskanuner (Hrsg.), Congr~s Constitutif, Paris 1920, S. 25 (fortan zitiert als Internationale Handelskanuner, Congres Constitutif). 10 Internationale Wirtschaft 11 (1931), S. 327. u China wurde nach dem Beschluß des Amsterdamer Kongresses im Juli 1929 Mitglied der Internationalen Handelskanuner und bildete eine Landesgruppe. 12 Neue Zürcher Zeitung vom 12/13. April1997. 13 George L. Ridgeway, Merchants of Peace. 1\venty Years of Business Diplomacy Through the International Chamber of Commerce 1919-1938, New York 1938, S. 15 (fortan zitiert als: Ridgeway, Merchants). Zur Geschichte des Völkerbundes siehe: George Scott, The Rise and Fall of the League of Nations, London 1973 (fortan zitiert als Scott, Rise) und Francis P. Walters, The History of the League of Nations, 2 Bd., Oxford 1952 (fortan zitiert als Wa/ters, League of Nations); Martin Hili, The Economic and Financial Organization of the League of Nations. A Survey of Twenty-Five Years' Experience, Washington 1946; Wallace McC/ure, World Prosperity as Sought Through the Economic Work ofthe League ofNations, New York 1933. 14 Zitiert nach: Internationale Wirtschaft 11 (1931), S. 330. 15 Die Bemühungen des Völkerbundes, die USA als Mitglied zu gewinnen, blieben umsonst: "To have continually recalled the fact that American abstention was weakening the League at

2 Rosengarten

18

A. Einleitung

treten. Den Grund für das amerikanische Engagement in der ICC nannte die ,,New York Times": "Die Amerikaner sind hier nur deswegen beteiligt, weil sie die unausweichliche Verflechtung der Völker in allem, was Fabrikation, Nahrungsmittel- und Rohstofferzeugung und deren Verkauf betrifft, anerkennen." 16 Die Präsenz der amerikanischen Wirtschaft in den Gremien der Internationalen Handelskammer verlieh der Organisation daher ein verstärktes Gewicht in der Weltöffentlichkeit. 17 Das ursprüngliche Projekt, eine Internationale Handelskammer zu gründen, hatte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Motive; sollte es sich doch zunächst nur auf die wirtschaftliche Vertretung und Förderung derjenigen Staaten beschränken, die aus dem Ersten Weltkrieg als Sieger hervorgegangen waren. 18 Auf dem Kongreß von Paris 1920 vertrat die Kammer daher auch vehement die Interessen der Alliierten. Sie machte darauf aufmerksam, daß Deutschland die Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles zu beachten habe. 19 Die Zulassung zur Kammer wurde zunächst abhängig gemacht von der Zugehörigkeit zum Völkerbund. Damit war der deutschen Wirtschaft anfangs der Beitritt verwehrt. Erst durch einen Beschluß desVerwaltungsratsam 27. Juni 1924, der auf englischen Druck20 und formalen Antrag der französischen und belgiseben Mitglieder zurückging, wurde der deutsche Beitritt ermöglicht. Die Richtlinien von 1919, die die Zulassung zur Internationalen Handelskammer von der Zugehörigkeit zum Völkerbund abhängig machten, wurden beseitigt. Die Deutschen traten der ICC aber nicht sofort bei. So stellte sich der Deutsche Industrie- und Handelstag im Septemevery point, and obstructing the chief purposes and interests of the United States itself, would have led to angry replies from Washington." Walters, League of Nations, Bd.1, S. 349. · 16 Zitiert nach: Internationale Wirtschaft 11 (1931), S. 330. 17 Die heutige Forschung übersieht, daß in der Zwischenkriegszeit ein weltweiter Verbund der Wirtschaft existierte. So z. B. Fritz Blaich, Staat und Verbände in Deutschland zwischen 1971 und 1945, Tübingen 1979. Auch Gian Trepp läßt die Internationale Handelskammer außer acht, wenn er die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als einzige internationale Organisation darstellt, in welcher auch noch nach dem deutschen und italienischen Austritt aus dem Völkerbund regelmäßig Kontakte zu den Achsenmächten möglich gewesen waren. Er vermittelt damit ein revisionsbedürftiges Bild von der historischen Wirklichkeit, denn auch im Rahmen der Internationalen Handelskammer fand zu dieser Zeit ein weltweiter Austausch zwischen Politik und Wirtschaft statt. Bester Beweis dafür sind die Kongresse der Internationalen Handelskammer in Washington D.C. 1931 und in Berlin 1937. Vgl. Gian Trepp, Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich im Zweiten Weltkrieg: Bankgeschäfte mit dem Feind. Von Hitlers Europabank zum Instrument des Marshallplans, Zürich 1993, S. 29 (fortan zitiert als Trepp, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich). 18 Wilhelm Nehring, Die Internationale Handelskammer. Ihre Geschichte, Organisation und Tätigkeit, Diss., Jena 1929, S. 21-24 (fortan zitiert als Nehring, Internationale Handelskammer). 19 Chambre de Commerce Internationale (Hrsg.), R~solutions Adopt~s et R~solutions Renvoy~s. Pour Examen au Conseil d' Administration par la Chambre de Comrnerce Internationale a son Congres Constitutif Tenu aParis du 23 au 30 Juin 1920, S. 3. 20 Die Bemühungen um eine deutsche Mitgliedschaft gingen vor allem von der britischen Seite aus. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 l/1171, S. 9/10.

A. Einleitung

19

ber 1924 auf den Standpunkt, daß der geeignete Zeitpunkt für eine deutsche Mitgliedschaft noch nicht gegeben sei - der Locamo-Vertrag war noch nicht unterschrieben und Deutschland besaß noch nicht die volle Autonomie in außenhandelspolitischen Angelegenheiten. Der Beitritt konnte nach DUlT-Ansicht auch nur dann in Frage kommen, wenn die Kriegsschuldfrage dabei unberührt bliebe. In dieser Hinsicht waren im DHIT Bedenken laut geworden, als in den Entschließungen der Tagung der Internationalen Handelskammer in Rom 1923 die Anerkennung des "moralischen Charakters" der Reparationsverpflichtungen verlangt wurde.21 Der Generalsekretär der ICC, Edouard Dolleans, hatte auf eine Anfrage des Deutschen Industrie- und Handelstages hin geantwortet, daß sich die Entschließung von Rom lediglich mit der internationalen Wirtschaftslage beschäftige, wie sie sich aus dem Kriege ergeben habe, und nicht mit dem Ursprung des Krieges selber. Er erklärte, daß die Internationale Handelskammer keinerlei politischen Charakter habe, da sie eine wirtschaftliche Organisation sei, die auf den gemeinsamen Interessen der verschiedenen Länder beruhe.22 Über die Erklärung der ICC, daß sie niemals die Frage der Schuld am Kriege berührt habe oder über den Inhalt des Dawes-Berichts hinausgegangen sei, zeigte sich der deutsche Industrie- und Handelstag beruhigt. Die endgültige Entscheidung über einen deutschen Beitritt sollte aber nur im Einvernehmen mit der Reichsregierung getroffen werden. Folgende Punkte sprachen nach Auffassung des Industrie- und Handelstages für eine deutsche Mitgliedschaft: erstens war die Internationale Handelskammer eine internationale Wirtschaftsorganisation, in der der angelsächsische (also nicht der französische), insbesondere der amerikanischeEinfluß überwog; zweitens war aufgrund der Satzung und der Geschäftsordnung die völlige Gleichberechtigung Deutschlands in der Internationalen Handelskammer und ihren Organen gesichert. Der deutsche Industrie- und Handelstag verfolgte den Beitritt mit dem - auch politischen -Ziel, "dort Gelegenheit zu finden, in engstem Meinungsaustausch für die deutsche Auffassung und für wirtschaftliche und politische Notwendigkeiten Deutschlands etwas durchzusetzen".23 Im Hinblick auf das Interesse der deutschen Wirtschaft, auf die Arbeit der Internationalen Handelskammer Einfluß zu nehmen und zu führenden Wirtschaftsvertretern anderer Staaten Kontakte zu knüpfen, ermächtigte der Vorstand des Deutschen Industrie- und Handelstages das Präsidium, Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 I/1171, S.I0/11. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R 43 1/1171, S. 11/12. Der Aussage Dolleans widerspricht Wilhelm Nehring. In seiner Dissertation stellt er die These auf, daß die Organisation vornehmlich einen politischen Charakter habe. SieheNehring, Die Internationale Handelskammer, S. 38. 23 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R431/l171, S.13/14. Das Auswärtige Amt unterstützte den Industrie- und Handelstag in seinem Beitrittsvorhaben. Der Reichswirtschaftsminister erhob dagegen Bedenken. Er hielt es aus politischen Gründen für unmöglich, daß Deutschland der Internationalen Handelskammer beitrete, solange die Frage der Ruhrräumung und des Truppenabzuges aus der Kölner Zone noch nicht gelöst worden sei. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 I/1171, S.25/26. 21

22

2*

20

A. Einleitung

eine deutsche Mitgliedschaft zu beantragen.24 Am 6. November 1925 wurde die Deutsche Gruppe schließlich vom Verwaltungsrat als ein weiteres ICC-Mitglied akzeptiert.25 Fortan war die Mitarbeit der deutschen Wirtschaft an den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer möglich.26 Willis H. Booth, Präsident der ICC von 1923 bis 1925, bewertete den Beitritt Deutschlands als einen "milestone in the problern of the world's restoration".27 Die nationalen Interessen auf internationalem Gebiet in Einklang zu bringen war nach Georges Theunis, dem Präsidenten der Internationalen Handelskammer von 1929 bis 1931, die Hauptaufgabe der Organisation. Um die unterschiedlichen Positionen innerhalb der ICC zu untersuchen, gilt es in der vorliegenden Arbeit zunächst die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Internationalen Handelskammer herauszuarbeiten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei in einer ausführlichen Darstellung der Arbeitsweise und der Beschlußfassung in den verschiedenen Ausschüssen der Organisation. Nicht behandelt wird die Tätigkeit der Internationalen Handelskammer im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit, ein Arbeitsfeld, das vor allem in der Rechtsforschung an Bedeutung gewonnen hat. Die Handelsschiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer beinhaltet die Beilegung internationaler Streitigkeiten zwischen fremden Firmen durch die Vermittlung eines kammerinternen Schlichtungsausschusses und Schiedsgerichtshofs. Die neuere Literatur behandelt fast ausschließlich die Schiedsgerichtsbarkeit der ICC in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.28 Dagegen ist die wichtige Frage ihrer wirtschaftspolitischen Stellungnahmen in der Zwischenkriegszeit bisher unzureichend beleuchtet worden. Für eine Behandlung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer zur Zeit der Weltwirtschaftskrise hat die Schiedsgerichtsbarkeit aber keinerlei Bedeutung. Auch eine detaillierte Darstellung der Ausschußarbeit wurde in der Literatur bisher vernachlässigt. In dem umfassendsten Werk über die Internationale Handelskammer von 1929 bis 1938 gibt George L. Ridgeway offen zu, "that the limitations 24 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 I/1171, S.11. Die Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer wurde arn 22. Oktober 1925 gegründet. Die Internationale Handelskammer und ihre Deutsche Gruppe, Berlin 1927, S. 5. 2S Ridgeway, Merchants, S. 191. Für Ridgeway bedeutet der deutsche Beitritt eine Stärkung der Internationalen Handelskammer. Ebenda, S. 192. Dem Völkerbund trat Deutschland dagegen erst arn 8. September 1926 bei. Seit seinem Austritt arn 14. Oktober 1933 war HitlerDeutschland nicht mehr in der Wirtschaftsorganisation des Völkerbundes vertreten, wohl aber in den Gremien der Internationalen Handelskammer. 26 Dieses Faktum ist insofern wichtig, da für die Erstellung dieser Arbeit auch auf nicht zerstörte Dokumente der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer (Mitteilungen der Deutschen Gruppe) zurückgegriffen werden kann. 27 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichswirtschaftsministerium, R 3101/1985, S. 144. 28 Für die Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer siehe: Frederic Eisemann/Ernst Metzger!D.J. Schottelius, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen, Frankfurt arn Main und Berlin 1958 sowie William Laurence Craig/William W. Park/Jan Paulsson, International Charnber of Commerce Arbitration, Paris 1990.

A. Einleitung

21

of space have made it necessary to neglect many of the technical activities of the International Chamber of Commerce". 29 Forschungslücken in diesem Werk aus dem Jahre 1938 bestehen aber nicht nur in der Beschreibung und der Analyse der Ausschußarbeit,30 sondern beziehen sich auch auf ganze Zeitabschnitte. Die wirtschaftspolitisch interessanten Jahre der "Großen Depression" sind bei Ridgeway ausgeklammert. Die Weltwirtschaftskrise - obwohl für die Tätigkeit der ICC äußerst relevant - erwähnt er nur am Rande. Sein Augenmerk gilt eher der Gründungsgeschichte der Organisation, dem Einfluß der Internationalen Handelskammer auf die Verhandlungen über die Reparationsfrage, der Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbundes im Jahre 1927 und der Darstellung der Arbeit des Handelsschiedsgerichtshofs, der Streitigkeiten zwischen Firmen aus verschiedenen Ländern regelt. Sein Werk über die Internationale Handelskammer ist ausschließlich deskriptiver Natur, eine Eloge im Auftrag der Carnegie-Stiftung; was fehlt, ist eine profunde Analyse der wichtigsten wirtschaftspolitischen Positionen der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Auch andere Arbeiten, wie z. B. von Uon Magnier31 und von Joseph Fischer32 , sind eher als kritiklose Überblicksdarstellungen über die Tätigkeitsbereiche der Internationalen Handelskammer zu verstehen denn als wissenschaftliche Prüfung einer fundierten These über die Rolle der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Wilhelm Nehrings Werk ist ähnlich aufgebaut, versucht aber in einem Schlußkapitel die Durchsetzungsmöglichkeiten der ICC etwas kritischer zu beleuchten. 33 Auf die Jahre der "Großen Depression" gehen alle erwähn29 Ridgeway, Merchants, S. iV. Zwanzig Jahre später veröffentlichte Ridgeway ein zweites Buch über die Internationale Handelskammer, das- die Zwischenkriegszeit betreffend- ausschließlich ein Resümee des ersten Buches darstellt. George L.Ridgeway, Merchants ofPeace. The History of the International Chamber of Comrnerce, Boston 1959 (fortan zitiert als Ridgeway, The History). Der wissenschaftliche Wert dieser Bücher ist nicht nur durch eine rein deskriptive Darstellung gemindert, sondern auch dadurch, daß Ridgeway keine Bibliographie zusammengestellt hat. 30 In den dreißiger Jahren bestand eine Vielzahl von Ausschüssen. Zu nennen sind: Der Ausschuß für Produktions- und Marktregelung, der handelspolitische Ausschuß, der Ausschuß Europa- Vereinigte Staaten von Amerika, der Ausschuß für internationale Industriestatistiken, der Wahrungsausschuß, der Doppelbesteuerungsausschuß, der Ausschuß für Termingeschäfte, der internationale Ausschuß für Messen und Ausstellungen, der Internationale Ausschuß für Absatzorganisation, der technische Zentralausschuß, der Hauptausschuß für Transport und Verkehr, die Eisenbahn-, See- und Lufttransportausschüsse, die Ausschüsse für den internationalen Fernsprech- und Postverkehr, der ständige Ausschuß zum Schutz des gewerblichen Eigentums, der Studienausschuß für internationale Handels-schiedsgerichtsbarkeit. Vgl. Internationale Wirtschaft 2 (1939), S. 72. 31 Leon Magnier, La Chambre de Comrnerce Internationale, Paris 1928 (fortan zitiert als Magnier, Chambre). 32 Joseph Fischer, Die Internationale Handelskammer in Paris, Diss., Würzburg 1931 (fortan zitiert als Fischer, Handelskammer). 33 Nehring, Internationale Handelskammer, S.131.

22

A. Einleitung

ten Autoren nicht ein. Ein Grund liegt wohl in der Tatsache, daß diese Arbeiten zu früh, d. h. noch vor oder unmittelbar nach dem Ausbruch der Krise, verfaßt worden sind. Andererseits wird eine eingehende Analyse der Frage nach der Position der Internationalen Handelskammer zum Verfall der Weltwirtschaft nach 1929 auch in den bedeutenden Werken über die Weltwirtschaftskrise ausgeklarrunert.34 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß über die ICC in der Zwischenkriegszeit nur Arbeiten existieren, die nach den heutigen Maßstäben der wirtschaftshistorischen Forschung den zu untersuchenden Zeitraum keineswegs angemessen behandeln. Otto Büsch und Peter-Christian Witt bedauern, daß manche Autoren die Weltwirtschaftskrise immer wieder ausschließlich aus nationalstaatliehen Fragestellungen heraus zu erfassen suchen.35 Auch Brigitta Seidel weist darauf hin, daß in der Forschungsdiskussion bisher zu wenig auf die internationale Kooperationsversuche eingegangen worden ist, die zur Erhaltung eines stabilen Weltwirtschaftssystems beitragen sollten.J6

34 In seinem Buch "Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936" behauptet der amerikanische Historiker Harold James, daß sich die Wirtschaftswissenschaftler in der Zwischenkriegszeit ausschließlich um langfristige Erklärungsansätze für die Weltwirtschaftskrise bemühten. Ihre Rolle als ,,heilende Ärzte" sei dabei zu kurz gekommen. In seiner Aussage berücksichtigt James nicht die Arbeit der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Sie stellte eine entscheidende Institution dar, in der auch Wirtschaftswissenschaftler vertreten waren, die nach Wegen für einen Ausweg aus der Krise suchten. Harold James, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936, Stuttgart 1986, S. 313 (fortan zitiert als James, Deutschland). Auch in folgenden Werken über die Weltwirtschaftskrise werden die Aktivitäten der ICC nicht erwähnt: Edward W. Bennett, Germany and the Diplomacy of the Financial Crisis, 1931, (Harvard Historical Monographs 50), Harvard 1962 (fortan zitiert alsBennett, Germany). Christian Saint-Etienne, The Great Depression 1929-1938: Lessons for the 1980s, Stanford 1984 (fortan zitiert als Saint-Etienne, Depression). Michael A.Bernstein, The Great Depression. Delayed Recovery and Economic Change in America, 1929-1939, Cambridge 1987 (fortan zitiert als Bernstein, Depression). Barry Eichengreen, Golden Fetters. The Gold Standard and the Great Depression, 1919-1939, Oxford 1992 (fortan zitiert als Eichengreen, Golden Fetters). Charles P. Kindleberger, The World in Depression 1929-1939, (History ofthe World Economy in the Twentieth Century 4), Berkeley 19862 (fortan zitiert als Kindleberger, World in Depression). Peter Temin, Did Monetary Forces Cause the Great Depression?, New York 1976 (fortan zitiert als Temin, Monetary). Peter Temin, Lessons from the Great Depression, Cambridge (Mass.) 1989 (fortan zitiert als Temin, Lessons). John Kenneth Galbraith, The Great Crash 1929, Cambridge (Mass.) 19512 (fortan zitiert als Galbraith, Crash). Lionel C. Robbins, The Great Depression, London 1934 (fortan zitiert als Robbins, Depression). Js Otto Büsch/Peter-Christian Witt, Krise der Weltwirtschaft- Weltkrise von Wirtschaft und Politik: Aspekte eines Forschungsansatzes, in: Otto Büsch/Peter-Christian Witt u. a. (Hrsg.), Internationale Zusammenhänge der Weltwirtschaftskrise. Präsentationen aus Anlaß einer Fachkonferenz, (Studien zur Europäischen Geschichte Band XVI), Berlin 1994, S.15 (fortan zitiert als Büsch/Witt, Krise und Büsch/Witt, Internationale Zusammenhänge). 36 Brigitta Seidel, Internationale Kooperation und nationale Konzentration in der Weltwirtschaftskrise. Das Beispiel Deutschland und Großbritannien (1929-1934), in: Büsch/Witt, Internationale Zusammenhänge, S. 98/102 (fortan zitiert als Seidel, Kooperation). In ihrem Aufsatz findet die Internationale Handelskammer jedoch keinerlei Erwähnung.

A. Einleitung

23

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, der Haltung der Internationalen Handelskammer zur Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 ein besonderes Augenmerk zu schenken. Dies ist insofern wichtig, als öffentliche Erklärungen von wirtschaftspolitischen Organen "nicht nur Aussagen über die wirtschaftliche Lage und ihre Ursachen, sondern immer auch Mittel zur Beeinflussung der weiteren Entwicklung" sind.37 Zu prüfen sein wird die These, daß die Internationale Handelskammer mit ihren wirtschaftspolitischen Empfehlungen ein Programm verfolgte, das die Weltwirtschaftskrise tendenziell hätte mildem können und das ein Kontrastprogramm zur tatsächlich verfolgten Politik der Regierungen darstellte. Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet demnach: Welche wirtschaftspolitischen Positionen brachte die Internationale Handelskammer im Zusammenhang mit der Herausforderung durch die Weltwirtschaftskrise zum Ausdruck?38 Im Zentrum der Untersuchung steht daher die Reaktion der ICC auf die verschiedenen Arten der Einfuhrverbote und -beschränkungen verschiedener Länder, insbesondere die amerikanische Zollgesetzgebung, und auf den Zerfall der internationalen Währungsordnung. Dabei sollen vor allem die handels-, währungs-und finanzpolitischen Empfehlungen der ICC-Ausschüsse herausgearbeitet werden. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise war die Internationale Handelskammer eine wichtige Institution auf der Suche nach Lösungen für einen Ausweg aus der Krise. Zusammen mit der Camegie Endowment for International Peace richtete die Kammer 1936 einen Ausschuß (Joint Committee Camegie Endowment- International Chamber of 37 Carl-Ludwig Holtfrerich, Die deutsche Inflation 1914-1923. Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive, Berlin und New York 1980, S.169 (fortan zitiert als Holtfrerich, Inflation). 38 Knut Borchardt berücksichtigt in seiner Studie ,,Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Revision des überlieferten Geschichtsbildes", die im Jahre 1979 erstmals publiziert worden war, nicht die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Er moniert das Fehlen eines schlüssigen Konzeptes für die Lösung der damaligen Probleme, ohne aber auf alle Vorschläge einzugehen, die in der Zwischenkriegszeit von verschiedenen Organisationen bereits geäußert worden waren. Das Resümee seiner Studie lautet: "Ich habe darüber hinaus zu zeigen versucht, daß die seinerzeit diskutierten Konzepte der Konjunkturpolitik sehr wahrscheinlich ohnehin nicht hätten helfen können." (Hervorhebung durch die Verfasserin). Ganz vernachlässigt hat Borchardt die krisenmildernde Wirkung, die möglicherweise ein weltweiter Abbau tarifarer und nicht-tarifarer Handelshemmnisse gehabt haben könnte, wie er von der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftkrise empfohlen worden war. Die handelspolitischen Positionen der Kammer sollen daher Schwerpunkt dieser Arbeit sein. Knut Borchardt, Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften, Jahrbuch, München 1979, S. 1-47. Überarbeitete Fassung: Knut Borchardt, Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes, in: Knut Borchardt (Hrsg.), Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1982, S. 174/182 (fortan zitiert als Borchardt, Zwangslagen).

24

A. Einleitung

Commerce) ein, der Vorschläge zu einer Milderung der Krise ausarbeitete. Diesem Ausschuß gehörten 16 bedeutende Wissenschaftler aus der ganzen Welt an. 39 Bei der Beantwortung der Frage nach den wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftkrise von 1929 bis 1939 ist v. a. zu beachten, ob und in welcher Form Divergenzen in der Haltung der einzelnen Nationalkomitees zu bestimmten Sachkomplexen bestanden. Sogestand der Präsident der Internationalen Handelskammer von 1933 bis 1937, F. H. Fentener van Vlissingen, auf einem Jahrestreffen des britischen Nationalkomitees offen ein, daß auch innerhalb der ICC Meinungsunterschiede bestünden: "1 must admit that even we business men often differ about what ought tobe done."40 In der vorliegenden Arbeit soll zudem aufgeklärt werden, inwieweit die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeit die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Regierungen beeinflußen konnten. Die Untersuchung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der ICC muß auch um die Frage nach der Reaktion der nationalen Regierungen erweitert werden: Standen die Entschließungen der Internationalen Handelskammer im Gegensatz zu dem zentralen Kurs der Regierungen? Abschließend soll geprüft werden, inwiefern die wirtschaftspolitischen Empfehlungen, die die Internationale Handelskammer in der Zwischenkriegszeit ausgearbeitet hat, die Formierung internationaler Übereinkünfte nach dem Zweiten Weltkrieg beeinflußt haben. In diesem Zusammenhang ist die internationale Stellung der Kammer neu zu definieren und mit ihrer früheren Bedeutung zu vergleichen. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, die Behauptung des Völkerbundes noch im Jahre 1942, daß es zur Zeit der "Großen Depression" keinen Exekutivplan zur Beseitigung der Krise gegeben habe41 , kritisch zu beleuchten. Fraglich ist nur, ob die 39 Um nur einige Namen zu nennen: In dem "Gemeinsamen Ausschuß" waren vertreten: Professor Theodor Emanuel Gregory von der University of London, Professor Eugen Boehler von der Technischen Hochschule Zürich, Professor Bertil G. Ohlin vom College of Commerce in Stockholm, Professor Charles Rist von der Universität in Paris, Professor Ludwig von Mises von der Universität in Wien, Professor Andreas Predöhl von dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel, Professor Feliks Mlynarski von der Academy of Commerce in Warschau, Professor Giorgio Mortara (Milano). Aufiistung der Experten in: World Trade 9 (1936), S.19. Siehe auch: Joint Committee Camegie Endowment- International Chamber of Commerce (Hrsg.), Separate Memoranda from the Economists Consulted by the Joint Committee on the Improvement of Commercial Relations Between Nations and the Problems of Monetary Stabilization, Paris 19362 (fortan zitiert als Joint Committee on the Improvement). Einige Experten waren außerdem in einzelnen Komitees der Internationalen Handelskammer vertreten. So war beispielsweise Charles Rist gleichzeitig Mitglied des "Monetary Committee". 40 Rede von F. H. Fentener van Vlissingen auf dem Jahrestreffen des britischen Nationalkomitees am 11. Juli 1934. Siehe: Public Record Office in Kew (fortan zitiert als PRO) PRO/

BT209n6o, s . 2. 41 Ha/ B.Lary, The United States in the World Economy. The International Transattions of the United States During the Interwar Period, Washington 1943, S.180 (fortan zitiert als Lary,

World Economy).

A. Einleitung

25

wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ansatzweise eine Lösung für die wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten darstellten. In diesem Zusammenhang ist auch die Funktionalität der damaligen Ratschläge zu untersuchen, d. h. ob sie, gemessen an dem gegenwärtigen ökonomischen Wissen, zweckmäßig gewesen wären oder nicht. Um zu einer angemessenen Bewertung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der ICC zu kommen, müssen daher die damaligen handels-, finanz- und währungspolitischen Vorschläge auch an heutigen Beurteilungskriterien gemessen werden. So sind die Geschichtswissenschaftler aus reiner Mitverantwortung für die Gestaltung der Zukunft geradezu verpflichtet, "historische Entscheidungen im Lichte unseres heutigen Wissenstandes zu beurteilen, da ja auch dieses Wissen bei der Lösung aktueller Probleme eingesetzt würde." 42 Die vorliegende Arbeit ist eher thematisch als chronologisch strukturiert. Das zweite Kapitel beginnt mit einer Darstellung der Internationalen Handelskammer als Institution. Dabei wird zunächst die Gründungsgeschichte beschrieben, dann werden die Ziele dargelegt und abschließend wird auf die Organisation und die Arbeitsweise der Kammer eingegangen. Nachdem die Tätigkeitsbereiche und die Beziehung der Internationalen Handelskammer zum Völkerbund erläutert worden sind, folgt eine Analyse der Bedeutung der ICC vom Ausbruch der Weltwirtschaftskrise bis zu unserer heutigen Zeit. Das dritte Kapitel konzentriert sich auf die Darlegung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in den Jahren 1929 bis 1939. Nach einer Behandlung der binnen- und außenwirtschaftliehen Probleme Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA, also den wichtigsten Ländern der Weltwirtschaft, werden die handels-, währungs- und finanzpolitischen Empfehlungen der Organisation herausgearbeitet. Das vierte Kapitel untersucht die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Positionen der Internationalen Handelskammer auf die eben genannten vier Länder. Im fünften Kapitel wird abschließend Bilanz gezogen. Hier geht es darum, die Fragen zusammenhängend zu beantworten, die in dem ersten Kapitel aufgeworfen worden sind. Für die Analyse der Positionen der ICC in der Weltwirtschaftskrise sind die Sitzungsberichte des Ausschusses für die Ausweitung des zwischenstaatlichen Güteraustauschs, des zolltechnischen Ausschusses, des Ausschusses für Währungs- und Kreditpolitik, des Ausschusses für Termingeschäfte und des Ausschusses Euro42 Carl-Ludwig Holtfrerich, Alternativen zu Brünings Wirtschaftspolitik in der Weltwirtschaftskrise, (Frankfurter Historische Vorträge 9), Wiesbaden 1982, S. 14 (fortan zitiert als Holtfrerich, Alternativen). Auch Knut Borchardt sieht, daß der Geschichtswissenschaftler einen Nexus zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart herzustellen hat: "Aber man lernt nicht nur aus der Geschichte für die Gegenwart. Man lernt immer auch aus der Gegenwart für die Sicht der Geschichte." Knut Borchardt (Hrsg.), Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1982, S. 7 (fortan zitiert als Borchardt, Wachstum). John Kenneth Galbraith resümiert den Sinn der Krisenforschung als Waffe "against the recurrence". Galbraith, Crash, S.4.

26

A. Einleitung

pa- Vereinigte Staaten besonders wertvoll. In der Auswertung der Sitzungsprotokolle der Internationalen Handelskammer sah die neueste Forschung ein bisher noch nicht erfülltes "Desiderat" .43 Die vorliegende Arbeit setzte sich daher eine eingehende Quellenstudie zum Ziel, um Dokumente der ICC auszuwerten, die zum ersten Mal einem Forschungsvorhaben zugänglich gemacht worden sind. Dabei handelt es sich vor allem um Protokolle von Komitee- und Verwaltungsratssitzungen sowie um Umfragen zu handelspolitischen Fragen.44 Zusammen mit den Entschließungen, die auf den Kongressen der Internationalen Handelskammer formuliert worden sind, und den Veröffentlichungen in der Verbandszeitschrift "Internationale Wirtschaft" (World Trade) liefern vor allem auch die Sitzungsprotokolle ein authentisches Zeugnis für die Ansichten der Wirtschaft zum damaligen Zeitpunkt, das bisher unzureichend ausgewertet worden ist. Die Analyse der wirtschaftspolitischen Ratschläge der ICC soll zudem durch die Behandlung der Frage nach den Ursachen für die Weltwirtschaftskrise ergänzt werden. Im Sinne der Methode der ,,New Economic History" werden die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer bezüglich eines Abbaus der Handelshemmnisse in der Zeit der Weltwirtschaftskrise statistisch-empirisch geprüft.45 Die Untersuchung der Stellungnahmen der Internationalen Handelskammer wird daher durch eine umfangreiche Auswertung des statistischen Quellenmaterials über die Entwicklung der internationalen Handelsbeziehungen (Export/Import), der Zölle und der Preise erweitert, das von den einzelnen Landesgruppen der Internationalen Handelskammer mit Hilfe von arbeitsaufwendigen Enqueten zusammengestellt worden ist. Einen leichten Zugriff zu länderübergreifenden Zusammenstellungen von Außenhandelsentwicklungen bieten die umfangreichen statistischen Untersuchungen des Völkerbundes zur Entwicklung des Welthandels. Dazu gehören das jährlich publizierte "Statistical Yearbook", der "World Economic Report'', der "Economic Survey of Europe", die "International Trade Statistics" und die ,,Review of World Trade". Die statistischen Informationen über längere Zeiträume werden in den Memoranda on International Trade and Balance of Payments zusarnmengefaßt. Daneben gibt es noch viele im Auftrag des Völkerbundes durchgeführte wissenschaftli43 Matthias Schutz, Deutschland, der Völkerbund und die Frage der europäischen Wirtschaftsordnung 1925-1933, (Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte), Harnburg 1997, S. 345 (fortan zitiert als Schutz, Deutschland). 44 Das bisher unveröffentlichte Quellenmateriallagert sowohl in Paris als auch in Saint Denis. Der Zugriff auf die Dokumente der Internationalen Handelskammer aus der Zwischenkriegszeit ist nur mit einer persönlichen Referenz eines Mitglieds der Organisation möglich. Der größte Teil der Quellen befindet sich in Saint Denis. Hier wird er von dem Unternehmen ,,Locarchives" aufbewahrt. 4s Wolfram Fischer, Unternehmensgeschichte und Wirtschaftsgeschichte. Über die Schwierigkeiten, mikro- und makroökonomische Ansätze zu vereinen, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte Nr. 84 (1987), S. 70.

A. Einleitung

27

ehe Untersuchungen. 46 Auch nationale Behörden, wie beispielsweise das Statistische Reichsamt, das britische Department of Commerce und die amerikanische Tariff Commission haben Statistiken zum internationalen Handel gesammelt. Die amtlichen Veröffentlichungen der Tariff Commission enthalten sogar auch internationale Vergleiche von durchschnittlichen Zollbelastungen.47 Die wichtigste Monographie zur Statistik des Welthandels in den Zwischenkriegsjahren ist das Buch "World Commerce and Govemments. Trends and Oulook" von W. S. und E. W. Woytinsky aus dem Jahre 1955. Einen schnellen Überblick von der Entwicklung des Welthandels im ganzen und des Handels der einzelnen Länder seit dem Ausbruch der "Großen Depression" im Jahre 1929 vermittelt auch das "Statistische Handbuch des deutschen und internationalen Außenhandels 1936" von Ernst Hickmann und Karlheinrich Rieker. 48 Das umfangreiche Datenmaterial über Preise, Zinsen und Güterströme wird in bisher nicht dagewesener Form analysiert, was sich für die Einschätzung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der ICC als sehr wertvoll erwies. Es stellt sich die Frage, ob der Einbruch des Welthandels durch die Erhöhung der Zollabgaben (Smoot-Hawley Tariff Act) Ursache für die Weltwirtschaftskrise von 1929 war. Hätte ein frühzeitiger Abbau der tarifarenund nicht-tarifaren Hemmnisse, wie er von der Internationalen Handelskammer empfohlen worden war, den Produk46 Dazu zählen: Bertil Ohlins Werk über .,The Course and Phases of the World Economic Depression" (Genf 1931), das Werk über .,The Commercial Policy in theIntelWar Period: International Proposals and National Policies" (Genf 1942) sowie Folke Hilgerds Bücher über "The Network of World Trade" (Genf 1942), ,,Europe's Trade" (Genf 1943), "lndustrialization and Foreign Trade" (Genf 1945) und ferner die Studie über "International Capital Movements During the Inter-War Period" (Genf 1949). Außerdem ist das Werk von Ragnar Nurkse über "International Currency Experience. Lessons of the IntelWar Period" (Genf 1944) zu nennen. Alle diese Quellen sind aufMicrofiches in dem Archiv des Völkerbundes im Palais des Nations in Genf zu erhalten. 47 United States Tariff Commission (Hrsg.), Ad Valorern Tariff Rates in Certain European Countries and the United States, 71st Congress, Ist Session, Senate Document No.32, Washington D. C. 1929. United States TariffCommission (Hrsg.), Changes in Import Duties since the Passage of the TariffAct of 1930, Washington D. C. 1939. United States Tariff Commission (Hrsg.), Computed Duties and Equivalent and Ad Valorern Rates on Importsinto the United States from Principal Countries 1929 and 1931, Washington D. C. 1931 (fortan zitiert als United States Tariff Commission, Computed Duties). United States Tariff Commission (Hrsg.), Economic Analysis of Foreign Trade of the United States in Relation to the Tariff, Senate Doc. No.l80, 72d Congress, 2d Session, Washington D.C. 1933. United States TariffCommission (Hrsg.), Importsinto the United States from Principal Countries. Showing for Each Country Values and Percentage Dutiable Computed Duties and Equivalent Ad Valorern Rates by Commodity Groups and Principal Articles, Washington D. C. 1931 . United States Tariff Commission (Hrsg.), Regulation of Duties to Value of Imports, 72d Congress, Ist Session, Senate Document No. 91, Washington D. C. 1932. United States Tariff Commission (Hrsg.), TheTariff and lts History, Washington D. C. 1934. 48 Ernst Hickmann!Karlheinrich Rieker, (Hrsg.), Statistisches Handbuch des deutschen und internationalen Außenhandels 1936, Berlin 1936 (fortan zitiert als Hickmann!Rieker, Handbuch).

28

A. Einleitung

tionstiefstand im Jahre 1932 verhindern können? In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die Bedeutung des Außenhandels für den Verlauf der Weltwirtschaftskrise in der Literatur bisher kaum thematisiert worden ist.49 Folgende Ausnahmen gibt es: Abraham Berglunds Zeitschriftenartikel mit dem Titel "The TariffAct of 1930"50; seine Studie sagt aber nichts aus über die direkten Auswirkungen von tarifaren und nicht-tarifaren Zollbarrieren auf den Handel. Percy Wells Bidwell beschreibt zwar in seinem Aufsatz "Trade, Tariffs, The Great Depression"51 die Zollbarrieren als einen entscheidenden Grund für die Krise, aber auch er arbeitet nur unzureichend einen Zusammenhang zwischen Außenhandel und Zollschranken heraus. Sumner H. Slichter sieht den Abbau der Handelshemmnisse als ein entscheidendes Mittel zur Krisenbekämpfung. Seine Ausführungen bleiben aber nur sehr oberflächlich. Eine Untermauerung seiner Behauptungen mit Datenmaterialläßt er in seiner Studie mit dem Titel ,,Is the Tariff a Cause of Depression?" ganz außer acht. 52 Christoph Buchheim hat jüngst auf die Bedeutung der Ausfuhren für den Verlauf der Weltwirtschaftskrise aufmerksam gemacht: "The growth potential offered by the possibility of catching-up was thus realized mainly through buoyant exports. Seen from this perspective it is astonishing that slow export growth is rarely mentioned as a principal cause for the bad performance of European economies in the interwar period." 53 In seiner Untersuchung geht er aber zu wenig auf die zollpolitischen Maßnahmen der einzelnen Staaten ein, obwohl diese für die langsame Entwicklung des Außenhandels in der Zeit der Weltwirtschaftskrise eine bedeutende Rolle spielten. In dem von Hermann van der Wee herausgegebenen Buch mit dem Titel "Great Depression Revisited. Essays in the Economics of the Thirties" (Den Haag 1972)54 finden sich zwei Aufsätze, die Teilaspekte des internationalen Handels diskutieren: der Aufsatz von A. Coppe mit dem Titel ,,International Consequences ofthe Great Depression" (S. 13-33) und der Aufsatz von Michael Tracy über "Agriculture in the Great Depression. World Market Developments and European Protec49 V gl. dazu Werner Conze (Hrsg.), Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reiches 1929/33, Stuttgart 1967. Josef Becker/Klaus Hildebrand (Hrsg.), Internationale Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise 1929-1933, München 1980 (fortan zitiert als Becker!Hildebrand, Internationale Beziehungen). Kar/ Brunner (Hrsg.), The Great Depression Revisited, Den Haag 1981 (fortan zitiert alsBrunner, Depression). Heinrich August Wink/er (Hrsg.), Die große Krise in Amerika, Göttingen 1975. 50 Abraham Berg/und, The TariffAct of 1930, in: The American Economic Review 20 (1930), S. 467-479 (fortan zitiert als Berg/und, Tariff Act). 31 Percy Wells Bidwell, Trade, Tariffs, The Great Depression, in: Foreign Affairs 10 (1932), S. 391-401 (fortan zitiert als Bidwell, Trade). 52 Sumner H. Slichter, Is the Tariff a Cause of Depression?, in: Current History 35 (1931-1932), S.519-524 (fortan zitiert als Slichter, Tariff). S3 Christoph Buchheim, The 'Crisjs Before the Crisis'- The Export Engine out of Gear, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999, S.2 (in Druck/fortan zitiert alsBuchheim, Crisis Before the Crisis). 34 Hermann van der Wee (Hrsg.), Great Depression Revisited. Essays in the Economics of the Thirties, Den Haag 1972 (fortan zitiert als Wee, Great Depression).

A. Einleitung

29

tionism" (S. 91-119). Coppe behandelt aber die internationalen Handelsbeziehungen nur sehr oberflächlich. Einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Exporte und der Erhebung von Zöllen stellt er nicht her. Tracys Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf den Agrarsektor. Auch er konnte die vorhandene Forschungslücke nicht schließen. Die vorliegende Arbeit bezieht sich dagegen ausschließlich auf den Handel von Fertigwaren, denn die Internationale Handelskammer war ja Vertreterin der Industrie, des Handels sowie des Finanzdienstleistungssektors und nicht der Landwirtschaft. Wahrend Heywood Fleisig die sinkenden Importe mit dem Rückgang amerikanischer Anleihen begründet, denn "it would not seem that the decline in US exports was an important factor in explaining the US depression,"55 legt diese Arbeit den Schwerpunkt eher auf die Untersuchung der Zollpolitik. Der Grund: Die Zölle trugen erheblich zu einem Rückgang der Ex- und Importe bei. Forrest Capies Studie "Depression and Protectionism: Britain Between the Wars" bezieht sich ausschließlich auf Großbritannien.56 Die vorliegende Arbeit möchte aber auch die USA, Frankreich und Deutschland in eine zollpolitische Untersuchung einbeziehen; eine ähnliche Kritik ist anzuführen bei einem Aufsatz von Philip Friedman.57 Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Schutzmaßnahmen auf die Nationaleinkommen europäischer Länder schädigend gewirkt hätten. W. Artbur Lewis thematisiert in einem Kapitel den Zusammenhang zwischen der Weltwirtschaftskrise und dem internationalen Handel. Die zusätzlichen Handelsbelastungen des Smoot-Hawley Gesetzes vom Juni 1930 hält er aber für nicht so gravierend.58 Charles P. Kindleberger pflichtet dem bei: Die Zollerhebung sei nur ein Grund unter vielen gewesen. Er sieht den Schlüssel zur Erklärung der Weltwirtschaftskrise eher im internationalen Währungsmechanismus und dem Fehlen eines ",ender of last resort". Die Briten waren nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr in der Lage, diese Rolle fortzuführen, und die Vereinigten Staaten waren bis 1936 noch nicht bereit, die Verantwortung für die Stabilisierung des Wirtschaftssystems in den folgenden fünf Punkten zu übernehmen: Erhaltung eines offenen Marktes, antizyklische Bereitstellung langfristigen Kapitals, Überwachung eines relativ stabilen Wechselkurssystems, Koordination der Volkswirtschaften und Gewährung von Diskontmöglichkeiten bei Krisen. 59 ss Heywood Fleisig, The United States and the Non-European Periphery During the Early Years ofthe Great Depression, in: Wee, Great Depression, S. 150 (fortan zitiert als Fleisig, United States). 56 Fortan zitiert als Capie, Depression. Eine ähnliche Kritik ist anzuführen bei: Forrest Capie, Shaping the British Tariff Structure, in: Explorations in Economic History 18 (1981), S.155-173. S7 Philip Friedman, The ImpactofTrade Destruction on Nationallncome, Commercial PoJicy and the Level of International Trade, in: Journal of Economic History 28 (1978), S.148-180. ss W.Arthur Lewis, Economic Survey 1919-1939, London 19707 (fortan zitiert als Lewis, Economic Survey). S9 Kindleberger, World in Depression, S.289.

30

A. Einleitung

In dieser Arbeit wird dagegen der Zollgesetzgebung der wichtigste Stellenwert eingeräumt. Diesem Anliegen kommt noch am ehesten die Arbeit von Christian Saint-Etienne mit dem Titel "The Great Depression 1929-1938: Lessons for the 1980s" (Stanford 1984) entgegen. Auch er legt den Schwerpunkt auf die Untersuchung der ökonomischen Entwicklung der vier Hauptakteure in der Weltwirtschaftskrise: USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Meiner Meinung nach geht er aber zu wenig auf die tarifärenund nicht-tarifären Handelshemmnisse ein. Der Schwerpunkt liegt bei ihm doch eher bei der Geldpolitik, auch wenn er dem Smoot-Hawley Tariff Act eine entscheidende Bedeutung beimißt. Den gleichen Standpunkt nimmt auch Douglas A. Irwin ein.60

60 Douglas A.lrwin, The Smoot-Hawley Tariff: A Quantitative Assessment, in: The Review of Economics and Statistics 71 (1989), S. 326-334 (fortan zitiert als lrwin, Smoot-Hawley).

B. Die Institution Internationale Handelskammer I. Gründung Die Gründung der Internationalen Handelskammer knüpfte nach dem Ersten Weltkrieg an eine Entwicklung an, die im Jahre 1904 von der belgiseben Industrieund Handelskammer in Lüttich ins Leben gerufen und 1914 unterbrochen worden war: die Organisation von internationalen Wirtschaftstagungen. Auf die Konferenz in Lüttich folgten die Tagungen in Mailand (1906), Prag (1908), London (1910), Boston (1912) und Paris (1914). Sie wurden von Verbänden der Industrie, des Handels, der Industrie- und Handelskammern selbst und der Banken besucht. Es nahmen aber auch zahlreiche Einzelunternehmen teil, die an der Förderung einer internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein starkes Interesse hatten. 1 Die Kongresse waren zu lose organisiert, als daß sie ein greifbares Resultat ihrer Arbeiten erreichen konnten. Die Idee zur Gründung einer Internationalen Handelskammer als ständige Einrichtung mit einem Büro in Paris entstand auf der letzten Vorkriegstagung in Paris aus dem dringenden Bedürfnis heraus, der Wirtschaft eine starke Stimme in der Welt zu geben. Dieses Bestreben wurde auf die geringe Effektivität der Kongresse in der Vorkriegszeit zurückgeführt: "Between these congresses, little or nothing was accomplished, and such momentum as the congress bad developed was soon lost." 2 Auf der internationalen Wirtschaftskonferenz von Atlantic City vom 19. bis 25. Oktober 1919 wurde im Kreise der alliierten Staaten beschlossen, mit der Gründung der Internationalen Handelskammer ein effektives Instrument der Geschäftswelt zu schaffen;3 ein "continuously operating nucleus", wie beispielsweise Frederick Keppel feststellte. 4 Die amerikanischen Delegierten wollten eine politisch

1

Der Weg zum industriellen Spitzenverband, Frankfurt am Main 1956, S.259.

Frederick P. Keppel, The International Chamber of Commerce, New York 1922, S. 190 (fortan zitiert als Keppel, International Chamber of Commerce). 2

3 Die Konferenz in Atlantic City wurde von Alfred C. Bedford (Comite executif) und John F. Fahey (Comite du programme) vorbereitet. Es nahmen nur Vertreter der ehemaligen Alliierten teil, da es zunächst nur um die Fragen der Aufrechterhaltung und der Vertiefung der durch den Krieg begründeten wirtschaftlichen Bindungen ging. Eugene Schneider, Le Voyage des Missions Economiques des Pays Allies aux Etats-Uniset Je Congres d ' Atlantic-City OctobreN ovembre 1919, Paris 1920, S. 12 (fortan zitiert als Schneider, Voyage). Eugene Schneider war der französische Berichterstatter auf dem Kongreß. 4 Keppel, International Chamber of Commerce, S. 190.

32

B. Die Institution Internationale Handelskammer

unabhängige Institution konstituieren,s in welcher die Meinungen der Geschäftswelt zwar dominierten, die Ansichten der Regierungen aber trotzdem nicht ignoriert werden würden. 6 Als Vorbild diente die amerikanische Handelskammer. Das primäre Anliegen der Versammlung war, die Beziehungen zwischen den USA und Europa enger zu gestalten.? So definierte Edward E. Filene am 16. September 1919 das vorrangige Anliegen der Konferenz wie folgt: "Das Hauptziel der interalliierten Konferenz ist es, ein Programm zu einer wirksameren Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa vorzubereiten, die aktuelle weltwirtschaftliehe Probleme betrifft."8 Zur Erreichung dieses Vorhabens hatte die Versammlung in Atlantic City 1919 zwei Aufgaben zu lösen: Sie sollte erstens die amerikanische Geschäftswelt über die wirtschaftliche Situation in Europa informieren und zweitens verschiedene Wege für eine finanzielle Kooperation aufzeigen. Über die Notwendigkeit, ein internationales Kreditsystem zu errichten, herrschte allgemein Konsens: "Daß es ein Kreditsystem für Europa zu organisieren galt, darüber waren sie [die Delegierten) sich einig." 9 Meinungsunterschiede ergaben sich dann aber bei der Festsetzung des Zinssatzes. Zudem wollte W. P. C. Harding, Gouverneur des Federal Reserve Board, den amerikanischen Staat von jeglicher Verantwortung im Hinblick auf die Kreditpolitik befreien. Die Gewährung von Krediten sollte der Initiative privater Unternehmen obliegen. 10 Auf dem Congres Constitutif vom 23. bis 30. Juni 1920 in Paris wurde dann die Internationale Handelskammer als erste umfassende Organisation aller Kreise der Wirtschaft - mit Ausnahme der Landwirtschaft, des Handwerks und der Arbeitgeberverbände - aus der Taufe gehoben. Die Organisation sollte zu einer Art "think tank" der Regierungen werden. "Unsere Absicht ist es, eine Organisation zu gründen, die die Geschäftswelt in ihrer Bemühung um eine Lösung der großen Wirtschaftsfragen anspornt und die die Ergebnisse dieser Bemühung den Regierungen s Jean Meynaud gesteht der Internationalen Handelskammer eine "capacit~ internationale autonome" zu. Je an Meynaud, Les Groupes de Pression Internationaux, (Etudes de Science Politique 3), Lausanne 1961, S. 238 (fortan zitiert als Meynaud, Groupes). 6 Schneider, Voyage, S. 7. Daß das Schicksal der Welt zu einem großen Teil in den Händen der Wirtschaft lag, hatten auch Politiker wie Woodrow Wilson erkannt. Ebenda, S. 111. 7 Das war umso wichtiger, als in den USA die protektionistischen Tendenzen stark ausgeprägt waren. 8 Im Original heißt es: ,,L'objet primordial de la Conf~rence interalli~e est de pr~parer le programme d'une coop~ration plus efficace entre les Etats-Uniset l'Europe, pour ce qui touche aux problemes mondiaux ~conomiques actuels." Schneider, Voyage, S. 6. 9 Im Original heißt es: "Qu'il falh1t organiser un systeme de cr~its al'Europe, ils en furent vite convaincus." Schneider, Voyage, S. 29. 10 "Ich bin davon überzeugt, daß das Kreditproblem in Europa, in dem Maße wie es Amerika betrifft, im Zuständigkeitsbereich einer privaten Initiative liegt." Im Original heißt es: ,,Je suis donc convaincu que le problerne des cr~its a l'Europe, dans la mesure ou il concerne l'Am~­ rique, est du ressort de !'initiative et de l'entreprise priv~es." R~sum~ du discours prononc~ aIa Conf~rence Internationale d'Atlantic-City le 23 Octobre 1919 par !'honorable W. P. G. Harding, Gouverneur du Federal Reserve Board. Zitiert nach: Schneider, Voyage, S. 208.

II. Beziehung zum Völkerbund

33

präsentiert." So beschrieb John H. Fahey den Gründungszweck der ICC. 11 Nach dem Ersten Weltkrieg war die Schaffung einer derartigen Institution notwendiger denn je. Die Wiederherstellung der alten stabilen Verhältnisse erforderte ein verstärktes Engagement der Wirtschaft. Die Delegierten auf dem Pariser Kongreß hatten die Notwendigkeit eines gemeinsamen internationalen Vorgehens erkannt: "Eine Nation bildet keine unabhängige ökonomische Einheit. Die Tatsachen zeigen jeden Tag die Interdependenz aller Länder im wirtschaftlichen Bereich."12 Die Internationale Handelskammer brachte den Standpunkt eines wirtschaftlichen Gesamtinteresses zum Ausdruck.13 Immer wieder wurde ihr unparteiischer Charakter betont. "We speak for trade alone, and have no need to think of votes," sagte der ehemalige Präsident Walter Leaf.14

II. Beziehung zum Völkerbund Der Völkerbund wies nicht die gleiche politische Unabhängigkeit wie die Internationale Handelskammer auf. Dies wurde schon allein durch die Zusammensetzung seiner Ausschüsse deutlich. So setzten sich die Mitglieder des Steuerausschusses des Völkerbundes ausschließlich aus den Vertretern der Steuerbehörde der einzelnen Länder zusammen. Frei von partikularen Interessen auf nationaler Ebene war die Internationale Handelskammer aber trotzdem nicht. Der niederländische Außenminister F. Beelaerts van Blokland wies 1929 darauf hin, daß "selbst in der Internationalen Handelskammer es manchmal schwierig ist, die partikularistischen Tendenzen außer acht und einem internationalen Geist, der vorsichtig, aber aktiv ist, freien Lauf zu lassen." 15 Ein Konsens wurde auf den Kongressen der Internationalen Handelskammer daher oft nur nach langen Verhandlungen gefunden. Die Internationale Handelskammer arbeitete eng mit der Wirtschaftsorganisation des Völkerbundes, dem Wirtschaftsbeirat (Comite Consultatif Economique), zu11 Im Original heißt es: ,,Notre intention est de cr~er une organisation qui stirnule l'effort intellectuel des hornrnes d'affaires sur ces grandes questions ~onorniques, et qui offre les r~sul­ tats de cet effort aux gouvernernents." Charnbre de Cornrnerce Internationale (Hrsg.), Congres Constitutif, Paris 1920, S. 21. 12 Im Original heißt es: "Une nation ne constitue pas, en effet, une unit~ ~conomique ind~­ pendante. Les faits d~rnontrent chaque jour l'interd~pendance de tous les pays dans Je dornaine ~conornique." Charnbre de Cornrnerce Internationale (Hrsg. ), Congres Constitutif, Paris 1920, S.50. 13 So E. Heldring, in: Sitzungen und Arbeiten des Arnsterdarner Kongresses vorn Juli 1929, in: Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S. 6. Er verglich die Ziele der Internationalen Handelskammer mit denjenigen der Hanse im Mittelalter. 14 Zitiert nach: Ridgeway, Merchants, S. 235. 15 Im Original heißt es: " ... rnerne a Ia Charnbre de Cornrnerce Internationale i1 est parfois difficile de faire abstraction des tendances particularistes et de laisser libre cours a un ~sprit d'internationalisrne prudent, rnais actif." Rede des niederländischen Außenministers vorn 8. Juli 1929 auf dem Arnsterdarner Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Archives Diplornatiques in Paris (fortan zitiert als AD) AD B-Offices Internationaux 5, S. 24.

3 Rosengarten

34

B. Die Institution Internationale Handelskammer

sammen, der im Januar 1922 ins Leben gerufen wurde. 16 Dies wird zum einen durch die personellen Verflechtungen beider Organisationen deutlich: Alberto Pirelli war in den Jahren von 1927 bis 1929 beispielsweise nicht nur Präsident der Internationalen Handelskammer, sondern auch im Wirtschaftsausschuß des Völkerbundes vertreten. 17 Auf dem Kongreß in Amsterdam vom 8. bis 13. Juli 1929 wurde zudem der friihere belgisehe Ministerpräsident Georges Theunis, der zugleich Vorsitzender des Beratenden Ausschusses der Wirtschaftsorganisation des Völkerbundes war, zum Präsidenten der Internationalen Handelskammer gewählt. Zum anderen wird die Kooperation mit dem Völkerbund auch durch die beratende Tätigkeit der Internationalen Handelskammer auf Konferenzen deutlich (vgl. die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenzen von 1927 und 1933), die unter der Ägide des Völkerbundes stattfanden. 18 Für den Völkerbund, der vorwiegend politisch orientiert war und den Bedürfnissen der Handelswelt nicht genügte, stellte die Internationale Handelskammer eine Art Konsultativorgan dar.19 Zudem setzte sich die Internationale Handelskammer ftir eine möglichst umgehende Ratifizierung der verschiedenen Übereinkommen ein, die vom Völkerbund auf wirtschaftlichem Gebiet getroffen worden waren.2 Für Artbur Salter, Leiter des Wirtschaftsausschusses des Völkerbundes, hatte die Internationale Handelskammer die Aufgabe, als Sprecherin der Industrie aufzutreten; die Rolle des Völkerbundes sollte eher in der Umsetzung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Kammer liegen. Er definierte die Rolle der Internationalen Handelskammer folgendermaßen:

°

,.In the economic sphere, the League can do much to translate into action what the public wants; it can do little to initiate. The League can do little to secure the international agreements which the business world wants unless the business world itself, through its own organization, expresses its wishes and supplies its powerful motive force." 21

16 Als Beispiel siehe: Archiv der Internationalen Handelskammer in Saint Denis (fortan zitiert als ASD): BIB 42, Document No. 3936, Sous-Comite Mixte des Ententes Industrielles Internationales et des Tarifs Douaniers. Partiedurapport du Dr. Breitscheid, presentee au nom de la deuxieme Commission a1' Assemblee de la S.D.N. concemant les ententes industrielles internationales. 17 Ridgeway, Merchants, S.146. Alberto Pirelli war zudem der Chef der gleichnamigen Mailänder Reifenfabrik. 18 Andererseits war der Völkerbund auch bei Sitzungen der Internationalen Handelskammer (z. B. über Doppelbesteuerung) vertreten. Siehe Ridgeway, Merchants, S. 279. 19 Ridgeway bezeichnet die ICC auch als ,,machinery of unofficial business consultation". Siehe Ridgeway, Merchants, S. 279. 20 So das Übereinkommen zur Abschaffung der Ein- und Ausfuhrverbote und -beschränkungen vom 8. November 1927, die Zusatzvereinbarung vom 11. Juli 1928 und die zwei internationalen Vereinbarungen über die Ausfuhr von Knochen und Häuten vom 11. Juli 1928. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Handelspolitik und Handelshemmnisse, Drucksache Nr. 69, Paris 1929, S. 3 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929). 21 Journal of the International Chamber of Commerce 3 (1925), S. 1.

II. Beziehung zum Völkerbund

35

Die Internationale Handelskammer war von Anfang an auf eine gute Zusammenarbeit mit Völkerbund bedacht. Walter Leaf brachte die Bedeutung einer wechselseitigen Beziehung zwischen dem Völkerbund und der Internationalen Handelskammer auf den Punkt: "Es ist von großer Wichtigkeit für alle Beteiligten, daß zwischen dem Völkerbund, dem offiziellen Vertreter der Regierung, einerseits und der Internationalen Handelskammer, dem Organ der wirtschaftlichen Kräfte der Welt, andererseits solch geschlossene und freundschaftliche Zusammenarbeit besteht, die immer höher einzuschätzende Resultate erzielen wird."22

Dadurch, daß der Völkerbund im Rahmen seiner Arbeit zunehmend auch auf den wirtschaftlichen Bereich der ICC übergriff, kam die Internationale Handelskammer immer mehr in Zugzwang. Gustave L. Gerard vom belgischen Nationalkomitee machte sich deshalb 1931 Sorgen um die Vorreiterrolle seiner Organisation: "However, the International Chamber of Commerce should not be less progressive than the League ofNations."23 Die Internationale Handelskammer sah ihre Entscheidungsfreiheit zunehmend durch das wachsende Interesse des Völkerbundes an wirtschaftlichen Fragen eingeengt. Die Folge davon war, daß sich im Kreise der ICC Stimmen erhoben, die explizit im Jahre 1938 eine stärkere Unabhängigkeit der Internationalen Handelskammer vom Völkerbund forderten. 24 Zu dieser Einsicht kam auch Alexander Loveday vom Völkerbund, als er im Juni 1939 am Kongreß der Internationalen Handelskammer in Kopenhagen teilnahm. In einem vertraulichen Bericht nach Genf schrieb er: "So far as I could make out, the ICC is anxious to collaborate with the League on all other questions." 25 In diesem Zusammenhang ist die Bemerkung von Boguslaw Herse zu verstehen, als er 1930 vor einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der Internationalen Handelskammer und dem Völkerbund warnte: "lt would in any case be 22 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1359, S. 207. 23 ASD: BIB 43, Document No.4689, Joint Meeting for the Study of European Problems, December 8-9th 1931, S.3. 24 So schrieb der Generalsekretär der Internationalen Handelskammer, Pierre Vasseur, am 20.12.1938 an den Generalsekretär des Völkerbundes, Rene Charron: "Nichtsdestoweniger lege ich Wert darauf, ab sofort einen wichtigen Punkt in unserer Unterhaltung vom 24. Oktober klarzustellen. Ich hatte Ihnen damals gesagt, daß mir persönlich eine offizielle Repräsentation der ICC im Wirtschaftsausschuß aus den gegenwärtigen Umständen heraus und aus Gründen, die ich Ihnen in aller Offenheit dargelegt hatte, unmöglich zu sein schien." Im Original heißt es: "Neanmoins, je tiens a peciser des maintenant un point important de notre conversation du 24 octobre. Je vous ai dit ce jour-Ja qu'une representation 'officielle' de Ia C.C.I. au Comite Economique me semblait personnellement impossible dans !es circonstances presentes et pour !es raisons que je vous ai donnees en toute franchise." Völkerbundsarchiv in Genf: R4348/10N36211/357. 25 Bei "other questions" bezieht sich Loveday auf Steuer- und Kapitalbilanzfragen. Für eine Zusammenarbeit blieben damit nur die Bereiche des Handels übrig. Völkerbundsarchiv in Genf: R 4399/1 ON37460/2822, Report of the Tenth Congress of the International Chamber of Commerce at Copenhagen-June 1939, S. 3. 3*

36

B. Die Institution Internationale Handelskammer

dangerous to weak:en the link between the League of Nations and the International Chamber of Commerce."26 In der Zwischenkriegszeit wurde dem Anspruch der Internationalen Handelskammer, gute Beziehungen zum Völkerbund zu unterhalten, dadurch Nachdruck verliehen, daß die Beschlüsse der ICC auch von dem Völkerbund aufgegriffen und vehement unterstützt wurden.27 Bedeutende Vertreter des Völkerbundes nahmen regelmäßig an den Konferenzen der Internationalen Handelskammer teil. Auf dem siebten Kongreß der Internationalen Handelskammer in Wien waren beispielsweise der stellvertretende Generalsekretär des Völkerbundes, Ernst Trendelenburg, und der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Völkerbundes, Richard Schueller, anwesend. Auf der anderen Seite forderte auch der Völkerbund die Internationale Handelskammer auf, in beratender Funktion an seinen Wirtschaftskonferenzen teilzunehmen. Auf den Weltwirtschafts- und Finanzkonferenzen des Völkerbundes in den Jahren 1927 und 1933 kamen den von der Internationalen Handelskammer ausgearbeiteten Dokumenten eine besondere Rolle zu. In seiner Rede auf der Weltwirtschaftskonferenz im Jahre 1927 betonte Georges Theunis die Interdependenz von Politik und Wirtschaft und unterstrich dabei implizit die Bedeutung der Internationalen Handelskammer als Sprecherin der lndustrie28 : "Das politische Werk des Völkerbundes ist wertlos, wenn es nicht auf einem geeigneten wirtschaftlichen Unterbau ruht. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß die politische und wirtschaftliche Tätigkeit miteinander solidarisch sind, in nationaler wie in internationaler Hinsicht. Auf dem Gebiete der Politik wie auf demjenigen der Wirtschaft, und vielleicht noch stärker auf dem letzteren, besteht eine gegenseitige Abhängigkeit unter den Interessen. Es wäre zwecklos, diese Tatsache zu leugnen oder zu bekämpfen. Man muß sie im Gegenteil erforschen, benutzen und regeln."29

Die Weltwirtschaftskonferenz von 1927, an der insgesamt 50 Staaten teilnahmen, fand unter den Auspizien des Völkerbundes in Genf statt.30 Die entscheidenden Vorbereitungen wurden unter der Leitung des Vizepräsidenten des Wirtschaftsausschusses des Völkerbundes, des ehemaligen belgiseben Ministerpräsidenten und späteren Präsidenten der Internationalen Handelskammer, Georges Theunis, getroffen. Auf der Konferenz, die am 4. Mai 1927 eröffnet wurde, war auch die Interna26 Hauptsitz der Internationalen Handelskammer in Paris (fortan zitiert als HP): Docurnent No. 4204, Thirty-Third Meeting of the Council, June 27th 1930, S. 7. 27 So brachte die Internationale Handelskammer z. B. bei dem Vorbereitungstreffen für die Weltwirtschafts- und Währungskonferenz des Völkerbundes von 1927 einen Bericht über den Abbau von Zollschranken ein. Siehe: Meynaud, Groupes, S. 66. Meynaud geht davon aus, daß die Internationale Handelskammer einen gewissen Druck auf die verschiedenen Gremien des Völkerbundes ausübte. 28 Der Schlußbericht der Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbundes vom Mai 1927 ist aufbewahrt im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichswirtschaftsrat, R401/1522. 29 Zitiert nach: Erwin Respondek, Verlauf und Ergebnis der Internationalen Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes zu Genf, Berlin 1927, S.5. JO Sie stellte keine ständige Einrichtung des Völkerbundes dar.

III. Ziele

37

tionale Handelskammer vertreten. Dies wurde durch die Zusammensetzung der Teilnehmer besonders deutlich. Von den Verhandlungsteilnehmern waren eine ganze Reihe Mitglieder der ICC. Der Delegation gehörten u. a. Roland Boyden, Karl Kotzenberg, Gino Olivetti, Walter Runciman, Edouard Dolleans und Basil Miles an. 31 Für die Internationale Handelskammer stellte die Weltwirtschaftskonferenz einen erweiterten Aktionsradius dar, um die von ihr verfolgten Ziele stärker propagieren zu können. Die ICC war mit denselben Befugnissen und Rechten ausgestattet wie die Vertreter der einzelnen Staaten. Inmitten der finanz- und wirtschaftspolitischen Unsicherheit zur Zeit der Weltwirtschaftskrise tagte die erneut vom Völkerbund einberufene Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz vom 12. Juni bis zum 27. Juli 1933 in London. Sie stellte eine Zusammenkunft von Regierungsvertretern dar, auf der politische Erwägungen und administrative Routine das entscheidende Übergewicht erlangten.32 Im Gegensatz zur Weltwirtschaftskonferenz von 1927 nahm die Internationale Handelskammer an den Beratungen dieser Konferenz nicht teil. Wohl aber hatte sie- der Aufforderung des Völkerbundsrates folgend- nach gründlichen Beratungen auf dem 7. Kongreß in Wien 1933 einen Bericht und eine Reihe ergänzender Entschließungen angenommen, in denen die Ansicht von Handel und Industrie über die zur Behebung der Weltwirtschaftskrise geeigneten Maßnahmen niedergelegt war. Als Voraussetzung für die Genesung der Wirtschaft nannte die Internationale Handelskammer "das für jede wirtschaftliche Wiederbelebung erforderliche Vertrauen". Dieses könnte nur wiederhergestellt werden, "wenn die Regierungen auf politischem Gebiet das Erforderliche tun, um im Geist gegenseitigen guten Willens die Probleme der Gegenwart zu lösen. " 33

111. Ziele Die größte Herausforderung für die gerade erst neun Jahre bestehende Internationale Handelskammer stellte die Weltwirtschaftskrise dar. Das vorrangige Ziel der ICC in dieser Zeit bestand darin, praktische Wege zur Lösung der wirtschaftlichen 31 In der zweiten Sitzung der Konferenz, die unter der Leitung des schwedischen Wirtschaftswissenschaftlers Cassel stattfand, unterbreitete Walter Runeiman mehrere Vorschläge zur Beseitigung von Handelsbeschränkungen. Er forderte die Teilnehmer auf, bei den Regierungen vorstellig zu werden. Ger van Roon, Völkerbund und Weltwirtschaft, in: Christoph Buchheim/Michael Hutter/Harold James (Hrsg.), Zerrissene Zwischenkriegszeit Wirtschaftshistorische Beiträge. Knut Borchardt zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1994, S. 227 (fortan zitiert als Roon, Völkerbund). 32 V gl. dazu Patricia Clavin, Explaining the Failure of the London World Economic Conference, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999 (in Druck/fortan zitiert als Clavin, World Economic Conference). 33 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, Drucksache Nr. 84, Paris 1933, S. 3 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz).

38

B. Die Institution Internationale Handelskammer

Misere aufzuzeigen.34 Die Organisation sollte stets bereit sein, "sofort praktische Maßnahmen zu ergreifen, wenn eine Krise in dieser Größenordnung entstehen würde."35 Nicht die Verteidigung von Interessen einzelner Industrie- und Handelszweige, sondern vielmehr der Dienst an der Gemeinschaft der Produzenten, Verteiler und Verbraucher durch die Vorbereitung einer besseren internationalen Wirtschaftsordnung sollte Aufgabe der Organisation sein.36 Die Internationale Handelskammer vertritt auch noch heute Unternehmerinteressen gegenüber der staatlichen Gesetzgebung und Verwaltung. Durch eine zollfreie, gut funktionierende Wirtschaft soll nicht nur der allgemeine Wohlstand vermehrt, sondern auch der weltweite Frieden gewahrt werden. Die Internationale Handelskammer sieht daher ihr übergeordnetes Ziel darin, einen Beitrag zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stabilität zu leisten. Die Internationale Handelskammer sollte die ,,Avantgarde"37 auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet sein. Diesem Anspruch versuchte die Kammer gerecht zu werden, indem sie ihre Kontakte zu hervorragenden Wissenschaftlern auf der ganzen Welt nutzte. Diese übten einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Formulierung von Stellungnahmen der ICC aus. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise sah die Internationale Handelskammer ihr Engagement auf einer doppelten Ebene gegeben: die Formulierung einer allgemeinen Krisenpolitik einerseits und die Ausarbeitung von detaillierten Studien durch Spezialkomitees andererseits. Zur Krisenbewältigung richtete die Internationale Handelskammer im Oktober 1931 zwei Komitees ein: das "Committee of Five"38 und das "Committee of Ten"39. Das erstere hatte zur Aufgabe, für die Internationale Handelskammer einen Plan zur Milderung der Krise auszuarbeiten; letzteres sollte dem Verwaltungsrat eine Politik aufzeigen, die er im Rahmen des Krisenmanagements zu verfolgen hatte. Das Komitee der Zehn war vor allem mit der Ausarbeitung 34 Alan G. Anderson verglich die Aufgabe der Internationalen Handelskammer mit derjenigen eines Arztes: " ... the International Chamber of Commerce, as a good physician, seeks to remove the cause of disease." League of Nations (Hrsg.), Final Report of the Trade Bartiers Committee ofthe International Chamber of Commerce (C.E.I. 5(1)), Genf 1927, S.14. 3s Im Original heißt es:" ... a rendre promptement des services pratiques si une crise de cet ordre survenait". So Willis H. Booth, in: Chambre de Commerce Internationale (Hrsg.), Troisi~me Congr~s. Bruxelles 21-27 Juin 1925, S~ances Pl~ni~res, Brochure No.42, S.15. 36 So Pierre Vasseur, Möglichkeiten der Internationalen Handelskammer, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S. 34. 37 Zitiert nach: Franz von Mendelssohn, Der neue Präsident der IHK über ihre Aufgaben in der Weltkrise, in: Internationale Wirtschaft 11 (1931), S. 246. 38 Das Komitee hatte folgende Mitglieder: Henry Clay, Kar! Melchio, Wesley C. Mitchell, Giorgio Mortara, Charles Rist. 39 Folgende Mitglieder waren vertreten: Antonio Benni, Abraham Frowein, Gustave L. G~r­ ard, F. Hodac, Owen Jones, L. Marlio, G. Olivetti, A. Plate, B. Prytz, R. Ried!. Siehe: ASD: BIB 44 Document No. 4613, "Comit~ des Dix", Recommandations faites par Ia Commission r~unie a Berlin le 17 Octobre 1931 envue de Ia conclusion de F~d~rations ~conomiques en Europe,

S.l.

III. Ziele

39

eines Plans zur Gründung einer europäischen Föderation beschäftigt. Es hatte die Möglichkeit, die jeweiligen Ausschüsse mit der Ausarbeitung von Studien zu beauftragen.40 Die Internationale Handelskammer verfolgte das Ziel, die internationale Wirtschaftsabläufe zu rationalisieren. Dabei suchte sie vor allem nach Methoden der Effizienzsteigerung41, die zur Lösung der anstehenden wirtschaftlichen Probleme beitragen würden. Von einer Einmischung in politische Angelegenheiten wollte die Kammer dagegen entschieden Abstand nehmen.42 Eine Wiederherstellung der wirtschaftlichen Ordnung erforderte nach Willis H. Booth ein zweiseitiges Vorgehen: einerseits auf dem ideellen Niveau und andererseits auf der technischen Ebene. Der Erfolg der Arbeit der Internationalen Handelskammer unterlag aber zwei entscheidenden Beschränkungen: Sie war nicht nur abhängig vom Verhalten ihrer Mitglieder, sondern auch von den Handlungen der Regierungen. 43 Zwischen der wirtschaftlichen und der politischen Ebene bestand eine gewisse Interdependenz. Die Internationale Handelskammer konnte auf die Handlungen der Regierungen durch kompetente Ratschläge Einfluß nehmen.44 Die nationalen Regierungen hatten die Möglichkeit, sich auf die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der ICC zu stützen, um z.B. unpopuläre Maßnahmen zu legitimieren, die zu einer Milderung der Krise einen Beitrag leisten konnten. Die handels-, währungs-und finanzpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer gaben demnach den Regierungen die Gelegenheit, für eine Krisenbekämpfung - wie z. B. auf dem Gebiet der Zollpolitik -den entscheidenden Rückhalt in der Wirtschaft zu finden. Die Aufgabe der Kammer war es, als eine Art "Clearinghouse"45 zu fungieren, als eine Vermittlerstelle für die divergierenden Meinungen innerhalb der internationalen Wirtschaftswelt Das vornehmliehe Ziel der Kammer sollte daher sein, "to establish agreement among business interests and National Committees as to principles 40 Bezüglich Aufgaben des "Anti-Krisen-Komitees" siehe auch: HP, XXXVIth Meeting of the Council, October 23rd and 24th 1931, S. 3. 41 ASO: BIB 42, Document No.4148, Committee on International Industrial Ententesand Rationalization. Meeting of June 23rd 1930, S. 8. 42 So Louis Judas an den französischen Außenminister Aristide Briand über den Amsterdamer Kongreß der Internationalen Handelskammer vom 26. August 1929, in: AD, B-Offices Internationaux 5. 43 Chambre de Commerce Internationale (Hrsg.), Troisieme Congres Bruxelles 21-17 Juin 1925, S6ances Pl6nieres, Brochure No. 42, S. 274. 44 So sagte der französische Handelsminister Pierre-Etienne Flandin auf einer Sitzung des Verwaltungsrats am 4. April1930: ,Jt is partly your domain, for you are the most competent to deal with these problems, to prepare public opinion not by abstract and theoretical formulae, which are received with the more enthusiasm the more superficial they are, but by concrete proposals, worked out in their details, and thus to prepare the way for the work of governments." HP: Document No.4099, Thirty-Second Meeting of the Council, April4th 1930, in: Conseil F6vrier 1929-0ctobre 1931, S.lO. 4S Ridgeway, Merchants, S. 6.

40

B. Die Institution Internationale Handelskammer

upon which negotiations may be based."46 Bestand doch ein wesentliches Anliegen der Internationalen Handelskammer darin, den Anhängern widerstreitender Anschauungen die Möglichkeit zu geben, sich zusammenzusetzen und auszusprechen. Die Internationale Handelskammer trug dazu bei, die Interessengegensätze zwischen den Branchen und Ländern zu überbrücken. Interessengegensätze bestanden nicht nur zwischen Gläubigerstaaten und Schuldnernationen, sondern auch zwischen einzelnen Industriezweigen. Wahrend beispielsweise die deutsche Elektroindustrie - weil exportorientiert - weitgehend auf den Freihandel ausgerichtet war, befürwortete die Eisen und Stahl verarbeitende Industrie eher eine staatliche Schutzzollpolitik. Selbst innerhalb der deutschen Chemieindustrie bestanden Meinungsunterschiede hinsichtlich einer einheitlichen Zollpolitik.47 Von einer "international business policy", wie sie von Ridgeway dargestellt wird, konnte zur Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht die Rede sein; denn dem Willen zur "economic disarmament" einiger Länder stand das Festhalten anderer Länder an der "industrial security" durch die Errichtung von Zollbarrieren entgegen.48 Die divergierende Haltung verschiedener Nationalstaaten veranlaßte den Verwaltungsrat der ICC, sich für einen internationalen Konsens auf wirtschaftlicher Ebene einzusetzen. Er sollte aber vor allem von dem Prinzip des "general interest" geleitet werden.49 Die Internationale Handelskammer trat somit als Anwalt der allgemeinen und nicht der spezifischen Interessen in der Weltwirtschaft auf. Ihr Ziel war die Förderung des allgemeinen Wohlstandes durch den Abbau von Zollbarrieren, der letztlich allen Industriezweigen zugute kommen sollte. In dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise sah die Internationale Handelskammer "ein Versagen der Regierungen"50• Die ICC erachtete es daher als ihre Aufgabe, Stellungnahmen der internationalen Unternehmerschaft im Hinblick auf die zu verfolgende Wirtschaftspolitik und die notwendigen Reformen herbeizuführen, auf die öffentliche Meinung einzuwirken und bei den Regierungen im Interesse der Wirtschaft vorstellig zu werden. Robert Alterman vom französischen Nationalkomitee sah die Internationale Handelskammer vor einer doppelten Aufgabe gestellt: " ... although it was important to intluence public opinion it was equally important tobring 46

HP: Docurnent No.5420, XLYeme Session du Conseil, 9 Mars 1934, S. 7.

4'

Dirk Stengmann, Deutsche Zoll- und Handelspolitik 1924/25-1929 unter besonderer Be-

rücksichtigung agrarischer und industrieller Interessen, in: Hans Mornmsen/Dietmar Petzina/ Bernd Weisbrod (Hrsg.), Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Bd. 2, Düsseldorf 1977, S. 508 (fortan zitiert als Mommsen!Petzina!Weisbrod, Industrielles System Bd. 2). 48 Ridgeway, Merchants, S. 177 und S. 244. 49 Dieses Ziel der Kammer hat sich bis in unsere Zeit nicht geändert. "Here we speak as international business cornmunity, taking into account the views of the National Cornmittees, but then defending the general interest." Preparing ICC for the 21st Century. Draft Dinner Address delivered by Herbert Oberhänsli, The Hague 28 October 1997, S.3. so Zur Wiederherstellung der Weltwirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1932), S.2.

IV. Interne Organisation

41

pressure to bear on the Governments."51 Auf der Verwaltungsratssitzung am 23. und 24. Oktober 1931 wurde die Zielsetzung der Organisation zur Zeit der Weltwirtschaftskrise auf den Punkt gebracht: "Der Weg der gemeinsamen Rettung müsse von der I. H. K. klar und eindeutig gewiesen werden." 52 Es konnte aber nicht ausreichen, daß die ICC nur Lösungsvorschläge zur Verwirklichung vorstellte. Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, die Staaten anzuhalten, die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auch wirklich umzusetzen. Erst dann war die Garantie für ein konzertiertes Handeln auf der Welt gegeben. Und gerade dieses- und nicht nationale Alleingänge- war für die Überwindung der Krise unbedingt notwendig und entscheidend.

IV. Interne Organisation Die Satzung der Internationalen Handelskammer von 192()53 unterschied zwischen ordentlichen (membre actif) und außerordentlichen Mitgliedern (membre individuel), die auch als körperschaftliche und einzelne Mitglieder bezeichnet wurden. Ordentliche Mitglieder waren alle wirtschaftlichen Vereinigungen der Industrie, des Handels und der Finanzwelt Zu den außerordentlichen Mitgliedern zählten Einzelpersonen, Firmen und Gesellschaften, die sich geschäftlich betätigten, und deren Spitzenverbände als körperschaftliche Mitglieder wählbar waren. 54 Den Aufnahmegesuchen aus der Industrie, den Handel, des Bank- und Transportwesen gab der Verwaltungsrat statt, wenn sie von der jeweiligen Landesgruppe unterstützt wurden. Beide Gruppen von Mitgliedern waren berechtigt, an den Kongressen der Internationalen Handelskammer teilzunehmen. Jedoch nahmen sie dabei unterschiedliche Rechte wahr: Wahrend die ordentlichen Mitglieder ein Stimmrecht besaßen, hatten die außerordentlichen Mitglieder lediglich eine beratende Funktion.55 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das Gros der außerordentlichen Mitglieder aus der Industrie kam. Im Dezember 1927 umfaßte die Organisation der Internationalen Handelskammer insgesamt 2309 außerordentliche Mitglieder: Der Industriesektor stellte mit 1140 (49%) den größten Anteil der "membres individuels". Ihm folgten der Bankensektor mit 556 (24%) Mitgliedern und der Handel mit 453 51 ASO: BIB 43, Document No.6427, Conunission on Trade Expansion. Meetingheldon the 14th January 1938, S. 3. 52 Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (1931), S.2. 53 Die Satzung von 1920 blieb- abgesehen von einigen wenigen Abänderungen- bis zum Jahre 1975 nahezu unverändert bestehen. Erst dann wurden entscheidende Satzungsänderungen vorgenonunen. Siehe: Jubiläumsschrift der Internationalen Handelskammer: Nigel Blackburn, World Peace Through World Trade. ICC 1919-1979, Paris 1979, S. 25 (fortan zitiert als Blackburn, World Peace). 54 Satzung der Internationalen Handelskammer, S. 20. 55 Satzung der Internationalen Handelskammer, Artikel II, Absatz 2b, S. 20.

42

B. Die Institution Internationale Handelskammer

(20%). Die Transportbranche bildete mit 160 (7%) außerordentlichen Mitgliedern das Schlußlicht.56 Auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Kopenhagen vom 26. Juni bis 1. Juli 1939 wurde die Bedeutung der ICC als Interessenvertreterin der Finanzbranche in einem Beitrag von Virgilio Dei Rio besonders offenbar. Danach vereinte die Kammer neben den nationalen Bankenverbänden und ihren Mitgliedern noch 330 Großbanken unmittelbar als Einzelmitglieder. Das Scheitern aller Versuche zur Gründung internationaler Bankenvereinigungen außerhalb des Rahmens der Internationalen Handelskammer kann darauf zurückgeführt werden, daß die Kammer als natürliches Vertretungsorgan der weltweiten Bankeninteressen betrachtet wurde. Die Kammer veranstaltete in regelmäßigen Zeitabständen "Internationale Bankiertagungen" zur Beratung bankenspezifischer Probleme. Mit ihrer Organisation war der Studienausschuß für Bankwesen betraut, dem drei Mitglieder des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer angehörten, und zwar Otto Christian Fischer, Leiter der Reichsgruppe Banken, Nelson Dean Jay, Teilhaber des Bankhauses Morgan & Cie. (Paris), und Robert Masson, Generaldirektor des Credit Lyonnais. Dieser Ausschuß stellte das Programm der "Bankiertagungen" auf, prüfte die Vorschläge der nationalen Bankenverbände und leitete die im Anschluß an diese Tagungen unternommenen Arbeiten.57 Wie die Internationale Handelskammer, so unterschieden auch die Landesgruppen58 zwischen ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern. Zu den ordentlichen Mitgliedern der Deutschen Gruppe, die erst im Jahre 1925 ins Leben gerufen wurde, gehörten die Gründerverbände (Zentralverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes, Deutscher Industrie- und Handelstag, Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, Reichsverband der Deutschen Industrie und Zentralverband des Deutschen Großhandels)59• Namhafte Vertreter des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, wie z. B. Paul Silverberg, waren von Anfang an im Präsidium, im Verwaltungsrat und in den Ausschüssen der Internationalen Handelskammer präsent. 60 Die Vielfalt der vertretenen Branchen machte eine einheitliche Repräsentation durch die Internationale Handelskammer nicht gerade einfach. Die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Positionen waren nicht national begründbar, sondern beruhten eher auf bestimmten funktionalen Interessen. Sie waren oft so komplex, daß ein für alle Mitglieder annehmbarer Konsens erst einmal gefunden werden muß56 Die Organisation und die Aufgabe der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Internationalen Handelskammer 16 (1928), S. 5. 51 Virgilio del Rio, Banken und Börsen, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939}, S. 37/38. 58 "Die Landesgruppen sind freigebildete Landesausschüsse der Verbände, die Mitglieder der Internationalen Handelskammer sind." E. Wendtland, Internationales Handbuch der Handelskammern. Die Handelskammer und Handelskammergesetze des Erdballs, Bd. 1, Leipzig 1929, S. 35 (fortan zitiert als Wendtland, Handbuch). s9 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichswirtschaftsrninisteriurn, R3101/1985, S. 101. 60 Der Weg zum industriellen Spitzenverband, Frankfurt arn Main 1956, S. 260.

IV. Interne Organisation

43

te. Und trotzdem stellte Eimer E. Schauschneider für den bestehenden Antagonismus eine bestimmte Regel auf: ,,Interests may be closely related without being harmonious, for example in tariff legislation competing interests tend to be parallel while complementary interests tend tobe opposed."61 Zu den außerordentlichen Mitgliedern der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer gehörten beispielsweise die A. E. G. A. G. Berlin, die Vereinigten Stahlwerke A. G., die I. G. Farbenindustrie A. G. Frankfurt am Main, die Friedrich Krupp A. G., die Hoesch A. G., die Wertheim G. m. b. H., die Deutsche Lufthansa A. G. und eine Reihe von privaten Personen. Darunter fielen der Bankier Franz von Mendelssohn, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), der zum ersten Präsidenten der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer gewählt wurde, der ehemalige Reichswirtschaftsminister und Generalsekretär des DIHT, Eduard Hamm, sowie der ehemalige Reichskanzler und Aufsichtsratsvorsitzender der HAPAG, Wilhelm Cuno.62 Herman J. Abs, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, war zur Zeit der Weltwirtschaftskrise sogar Mitglied des Ausschusses für Währungs- und Kreditpolitik.63 Von den außerdeutschen Firmenmitgliedern der Internationalen Handelskammer sind als wichtigste zu nennen: Die Banker Trust Company ofNew York, die Morgan-Bank, der Credit Lyonnais, die Banca Commerciale ltaliana, die American Trust Company und die Westinghouse Electric International Company.64 Am 1. Mai 1929 -kurz vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise- zählte die Internationale Handelskammer 2305 außerordentliche und 941 ordentliche Mitglieder. An der Spitze standen erstens die Vereinigten Staaten von Amerika mit 85 ordentlichen bzw. 781 außerordentlichen Mitgliedern und zweitens die Deutsche Gruppe mit 143 bzw. 254 Mitgliedern. Dann erst kamen England an dritter und Frankreich an vierter Stelle. In weitem Abstand folgte Italien.65 Die Mitgliederzahlen veranschaulichen ein deutliches Interesse der Unternehmerschaft an der Arbeit der Internationalen Handelskammer. Die starke Repräsentanz der internationalen Geschäftswelt in der Zwischenkriegszeit spiegelt nicht nur die positive Bewertung der Arbeit der Internationalen Handelskammer wider, sondern auch ihre besondere Stellung in der Weltwirtschaft. 66 61 Eimer E. Schattschneider, Politics, Pressures and the Tariff. A Study of Free Private Enterprise in Pressure Politics, As Shown in the 1929-1930 Revision of the Tariff, Harnden 19632 , S. 238 (fortan zitiert als Schattschneider, Politics). 62 Fischer, Handelskammer, S. 27 und 33. Wilhelm Cuno war im Jahre 1922 Reichskanzler. 63 ASD: BIB 44, Document No.6596, Ausschuß für Währungs- und Kreditpolitik, 13.6.1938, s. 2. 64 Magnier, Charnbre, S. 16. 65 Mitteilungen der Internationalen Handelskammer, 16 (1929}, S.5. 66 1929 gehörten der ICC Mitglieder aus 45 Ländern an, aber nur in 25 Staaten hatten sich auch Landesgruppen gebildet, so in den Vereinigten Staaten von Amerika, Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Indien, Indochina, Italien, Japan, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen,

44

B. Die Institution Internationale Handelskammer

Die internationalen Organe der Kammer standen an der Spitze der Verwaltungspyramide. Es waren: der Verwaltungsrat, das Generalsekretariat, das Präsidium, die internationalen Studienausschüsse und die Mitgliederversammlungen oder Kongresse.67 Dazu kamen die Organe der nationalen Landesgruppen. Der Verwaltungsrat war das ausführende Organ (Exekutivorgan) der Internationalen Handelskammer. Er leitete und überwachte die gesamte Tätigkeit der Organisation. Er trat dreimal jährlich in Paris unter dem Vorsitz des Präsidenten der Kammer zusammen. Unterstützt wurde die Arbeit des Verwaltungsrates durch einen engeren Ausschuß, den geschäftsführenden Ausschuß. Dieser trat auch zwischen den Sitzungen des Verwaltungsrates zusammen. In dem Verwaltungsrat waren jene Länder vertreten, die eine eigene Landesgruppe gebildet hatten. "Strictly speaking, countries or nations are not members of the International Chamber, but in order that any country may be represented in the directing body - the Council - that country must already have organized a national group, accepted by the Chamber as representative of its financial, industrial and commercial interests," resümierte Frederick P. Keppel, Administrative Commissioner for the United States, die Bedeutung der Landesgruppen für die Zusammensetzung der Kammer. 68 Jede Landesgruppe konnte höchstens drei Delegierte und drei Stellvertreter in den Verwaltungsrat entsenden. Die Anzahl der zugelassenen Vertreter richtete sich nach dem Umfang und der Bedeutung des Außenhandels eines Landes. Als Basis für die Berechnung wurde der Wert des Außenhandels der fünf Gründungsmitglieder (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, USA) genommen. Die niedrigste dieser Außenhandelsziffern wurde als Grenzwert für den Anspruch auf Haupt- und Nebenvertreter herangezogen. Allen Ländern, deren Außenhandel unter der Hälfte dieses Niveaus lag, standen je zwei Mitglieder im R~t zu. Die Verwaltungsratsmitglieder wurden von den einzelnen Landesausschüssen gewählt. 69 Die Aufgaben des Verwaltungsrates waren sehr umfassend: Er entschied über die Zulassung neuer Mitglieder, bereitete die Kongresse der Internationalen Handelskammer vor und bestimmte die Mitglieder der internationalen Studienausschüsse. Er besaß letztlich nicht nur die Entscheidungsgewalt, sondern auch das letzte Wort bei den verwaltungstechnischen Angelegenheiten. Eine besondere Bedeutung kam der Einstimmigkeit seiner Beschlußfassung zu. 70 Der Verwaltungsrat hatte die Aufgabe, im Zuge der Beschlußfassung der Internationalen Handelskammer, die "final decision" zu fällen. 71 Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechoslowakei, Ungarn. Siehe Wendtland, Handbuch, S. 11. 67 Als Vorbild für den verwaltungspolitischen Aufbau der Internationalen Handelskammer (Verwaltungsrat, Generalsekretariat) hat mit Sicherheit der Völkerbund gedient. 68 Keppel, International Charnber of Cornrnerce, S.192. 69 Satzung der Internationalen Handelskammer, Artikel III, S. 20. 70 Satzung der Internationalen Handelskammer, S. 21-23. 71 ASD: Docurnent No.4294, International Econornic Relations Group. Cornrnittee on Cornrnercial Policy and Trade Barriers, Report of the Meetingheldon October 23rd 1930, S.4.

IV. Interne Organisation

45

Das Generalsekretariat war eine der wichtigsten Einrichtungen der Internationalen Handelskammer. Es führte nicht nur im Einvernehmen mit dem Präsidium die Beschlüsse des Verwaltungsrates aus, sondern fungierte auch als Geschäftsstelle der Kammer und sammelte Unterlagen und Berichte über alle wirtschaftlichen und sozialen Fragen. Es schlug Richtlinien oder gesetzliche Maßnahmen vor, die geeignet waren, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern zu erleichtern. Das Sekretariat setzte sich aus Experten zusammen. Das Generalsekretariat hatte - anders als der Verwaltungsrat-einen ständigen Sitz in Paris und war die Verbindungsstelle der verschiedenen Organe der Internationalen Handelskammer. Durch seine Koordinations- und Öffentlichkeitsarbeit ermöglichte das Generalsekretariat eine planmäßige Durchführung der verschiedenen Projekte.72 Der Generalsekretär73 stand an der Spitze der Geschäftsstelle. Er wurde vom Verwaltungsrat bestellt und unterstand in jeder Beziehung den Anordnungen und der Kontrolle des Verwaltungsrates. Der Generalsekretär leitete eine Verwaltungskommission, die sich aus Vertretern der Nationalkomitees zusammensetzte. Diese Verwaltungskommissare hatten den Generalsekretär über alle Fragen in bezug auf ihre Länder zu unterrichten. Sie nahmen damit die Aufgaben einer Gesandtschaft im diplomatischen Verkehr wahr. Der Generalsekretär legte die schriftlichen Berichte der Landesvertreter den Verwaltungsratssitzungen vor, in denen über die Möglichkeiten einer von der Internationalen Handelskammer einzuschlagenden Politik beraten wurde. Das Präsidium wurde vom Verwaltungsrat alle zwei Jahre gewählt. Der erste Präsident der Internationalen Handelskammer war Etienne Clementel (Frankreich), ehemaliger Finanzminister im Kabinett Herriot, der nach seinem Rücktritt von der Leitung der Internationalen Handelskammer zu ihrem Ehrenpräsidenten ernannt wurde. Es folgten 1923 Willis H. Booth (USA), Vizepräsident der Guaranty Trust Co. New York und im Jahre 1925 Walter Leaf (Großbritannien), Präsident der Westminster Bank, der jedoch vor der Beendigung seiner Amtszeit verstarb. Leaf wurde bis zum Kongreß in Stockholm durch Sir Alan Anderson (Großbritannien), den ehemaligen stellvertretenden Direktor der Bank von England und früheren Vorsitzenden der Schiffahrtskammer, als geschäftsführenden Präsidenten vertreten. Das Amt übernahmen dann Alberto Pirelli (Italien) und später Georges Theunis (Belgien).74 Auf dem Kongreß in Washington 1931 wurde Franz von Mendelssohn (Deutschland) als erster Deutscher zum Präsidenten der Internationalen Handelskammer gewählt.75 Bezeichnend ist, daß als Präsidenten nur solche Persönlichkeiten gewählt wurden, die in der Handelswelt einen beachtenswerten Ruf genossen. Dem Präsidenten zur Seite standen höchstens zehn Vizepräsidenten und zwei Satzung der Internationalen Handelskanuner, Artikel VII, Absatz 5 und 6, S. 27 und 28. Als erster war mit diesem Amt Edouard Dolleans betraut. 74 Wendtland, Handbuch, S. 9. 15 Ihm folgten Abraham Frawein (1932-33), Frederick Fentener van Vlissingen (1933-1937), Sigfrid Edström (1937-39). 72 73

46

B. Die Institution Internationale Handelskammer

Schatzmeister.76 Der jeweilige Präsident der Internationalen Handelskammer pflegte nach Amtsantritt traditionsgemäß die wichtigsten Landesgruppen zu besuchen und dort mit den Wirtschaftskreisen und den Regierungen Verbindung aufzuneh~ men. So wurde Fentener van Vlissingen während seines Besuchs in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur von der amerikanischen Landesgruppe der Internationalen Handelskammer, sondern auch von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, Außenminister Cordeil Hull und Handelsminister D. C. Roper empfangen.77 In den internationalen Studienausschüssen wurde die Hauptarbeit der Internationalen Handelskammer geleistet. Entsprechend ihren Arbeitsgebieten wurden sie in ständige Ausschüsse und Sonderausschüsse unterteilt. Wahrend die Zusammensetzung der Sonderausschüsse dem Verwaltungsrat zustand, bestimmten die Landesgruppen grundsätzlich die Mitglieder der ständigen Komitees. Die Arbeitsergebnisse der Studienausschüsse wurden in schriftlichen Berichten zusammengestellt, die dem Verwaltungsrat zur Überprüfung vorgelegt wurden. Ein durch den Rat genehmigter Bericht wurde veröffentlicht und diente dem Kongreß nicht nur als Diskussionsgrundlage, sondern auch als Entscheidungsbasis für weittragende Beschlüsse. Die alle zwei Jahre tagende Mitgliederversammlung (Kongreß) bildete die höchste Instanz der Internationalen Handelskammer. Ihr kam die Funktion eines "Weltwirtschaftsparlaments"78 zu. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise sollte der Kongreß Wege zur Lösung von handels- und währungspolitischen Problemen aufzeigen. Er bot nach Ansicht von Pierre Vasseur, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer seit 1932, "eine ausgezeichnete Gelegenheit zu einer vom Geiste praktischer Verständigung getragenen Aussprache über die aktuellen Wrrtschaftsprobleme." 79 Die Berichte von angesehenen Wissenschaftlern im Vorfeld eines jeden Kongresses dienten in den Plenarsitzungen als Diskussionsgrundlage. Die Mitgliederversammlung veranschaulichte am deutlichsten den internationalen Charakter der Organisation. Jedes körperschaftliche Mitglied konnte sich auf dem Kongreß durch höchstens zehn Delegierte vertreten lassen. Die Zahl der Vertreter hing von der Größe der körperschaftlichen Organisation ab. Durch diese Einschränkung sollte verhindert werden, daß eine wirtschaftliche Vereinigung einen zu großen Einfluß erhielt, der ihrer globalen Bedeutung nicht entsprach. Dies war um so wichtiger, als jeder Delegierte bei der Abstimmung eine Stimme hatte. Neben den ordentlichen Mitgliedern wurden auch Regierungen sowie große internationale Organisationen zu den Kongressen eingeladen. Beide Gruppen konnten zwar an den Beratungen der Internationalen Handelskammer teilnehmen, durften aber nicht mit 76

Satzung der Internationalen Handelskammer, Artikel V, S. 23 und 24.

n Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R4311/327, S.48. 78 Der VII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (1933), S. 1. 79 Schreiben von Pierre Vasseur vom 18.12.1936 an die Mitglieder der Internationalen Handelskammer, Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S.23.

IV. Interne Organisation

47

abstimmen. Bei den Abstimmungen entschied in der Regel die Mehrheit der eingetragenen Vertreter der körperschaftlichen (ordentlichen) Mitglieder. Wichtige Entscheidungen durften nur per Zweidrittelmehrheit gefaßt werden. Grundsätzlich erfolgte die Abstimmung nach Köpfen. Auf besonderes Verlangen von Vertretern von mindestens zwei Ländern konnte auch nach Ländern abgestimmt werden. Die Ergebnisse der Kongresse wurden in Resolutionen und Beschlüssen zusammengefaßt, für die grundsätzlich Einstimmigkeit angestrebt wurde.S0 Sie stellten mit den Anweisungen des Verwaltungsrats für die ausführenden Organe der Kammer Richtlinien dar, in denen gleichzeitig die Wirkungsmöglichkeit der Kammer zum Ausdruck kam. Zu unterscheiden waren drei Arten von Entschließungen: erstens Beschlüsse, deren Verwirklichung von der Initiative der Institution selbst abhing (z. B. Definition von handelsüblichen Vertragsformeln); zweitens Beschlüsse, die auf den Entscheidungen der Regierungen basierten (z. B. Doppelbesteuerung) und drittens Beschlüsse, die bei der Durchführung u. a. auf die öffentliche Meinung angewiesen waren (z. B. handelspolitische Maßnahmen). Die entscheidende Grundlage für die Formulierung der Entschließungen waren die Beratungen von Fachkommissionen (Studien- oder Arbeitsausschüssen).S 1 Die Internationale Handelskammer verfolgte zudem den Grundsatz, den Tagungsort für den Kongreß jedesmal neu zu wählen. So fand der erste Kongreß 1921 in London, der zweite 1923 in Rom, der dritte 1925 in Brüssel, der vierte 1927 in Stockholm, der fünfte in 1929 Amsterdam und der sechste 1931 in Washington statt.82 Der Präsident der Internationalen Handelskammer von 1933 bis 1937, Frederick Fentener van Vlissingen, beschrieb die Rolle des Kongresses als die eines Leitsternes: "Der Kongress kann die Hauptlinien festlegen, denen unsere Aktion folgen soll; er kann nicht die Einzelheiten ausarbeiten." Gerade letzterem maß der Präsident der Internationalen Handelskammer eine entscheidende Bedeutung bei, was aber nur in Zusammenarbeit mit den Regierungen verwirklicht werden konnte.83 Die körperschaftlichen Mitglieder eines Landes waren in den Landesgruppen zusammengefaßt. Sie stellten das Rückgrat der Institution bei ihrer ausführenden Tätigkeit dar. Die Organisation der Landesgruppen -das Spitzenorgan der Mitglieder eines Landes - war nach demselben Muster aufgebaut, wie der internationale Teil der Kammer. Die Organe der Landesgruppen waren: das Präsidium, die Mitgliederversammlung und die Geschäftsstelle.84 Es konnte zudem ein besonderer Verwaltungs- oder Hauptausschuß eingeschaltet werden, der dem Verwaltungsrat auf inter80 81

Satzung der Internationalen Handelskammer, Artikel VI, S. 24- 26.

Nehring, Internationale Handelskammer, S. 37.

82 Die darauffolgenden Kongresse fanden 1933 in Wien, 1935 in Paris, 1937 in Berlin und 1939 in Kopenhagen statt. 83 Frederick Fentener van Vlissingen, Für die Wiederbelebung des Welthandels, Broschüre Nr. 1, Pariser Kongreß 1935, S. 3/4. 84 Siehe Satzung und Geschäftsordnung der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin 1928.

48

B. Die Institution Internationale Handelskammer

nationaler Ebene entsprach. Erst die Bildung einer nationalen Landesgruppe erlaubte die Aufnahme eines Landes in die Internationale Handelskammer.S5 Eine Ausnahmeregelung konnte gewährt werden, wenn die Bildung einer nationalen Landesgruppe nicht sofort möglich war. Jedes Nationalkomitee war verpflichtet, einen Repräsentanten in Paris zu bestellen, damit eine dauernde Verbindung zum Generalsekretariat gewahrt wurde. Die nationalen Organisationen hatten die Aufgabe, zwischen den Regierungen und der Kammer zu vermitteln, die auf den Kongressen gefaßten Entschließungen nach besten Kräften zu fördern und ihre Durchführung bei den Regierungen soweit wie möglich sicherzustellen.S6 Die Landesgruppen waren demnach der verlängerte Arm der Internationalen Handelskammer auf nationaler Ebene. Die gefaßten Beschlüsse sollten von ihnen praktisch umgesetzt werden. Dies war aber schwer durchzuführen, denn der ICC fehlte ein potentielles Exekutivorgan, das die Verwirklichung der Beschlüsse zu forcieren vermochte. Die Entschließungen der Internationalen Handelskammer hatten daher oft nur einen moralischem oder ideellen Wert und waren dann eher als Anregungen und Empfehlungen zu verstehen. Inwieweit die Ratschläge der Internationalen Handelskammer praktisch Anwendung fanden, hing letzten Endes von der Politik der Regierungen in den einzelnen Mitgliedsländern ab. Daher war es die wichtigste Aufgabe der Internationalen Handelskammer, die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der einzelnen Regierungen zu beeinflussen.

V. Tätigkeitsbereiche Die Arbeit der Internationalen Handelskammer stand im engen Zusammenhang mit den jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen des zu untersuchenden Zeitraums. Wahrend Nehring für die erste Hälfte der zwanziger Jahre-trotz der weltwirtschaftliehen Zielsetzung der Satzung- dem Wirken der Internationalen Handelskammer vorwiegend politische Motive attestiert87, wird in der vorliegenden Arbeit vor allem aus ökonomischer Perspektive argumentiert; denn kaum ein wirtschaftspolitischer Bereich von internationaler Bedeutung blieb von 8' 1938 besaß die Internationale Handelskammer Mitglieder aus 49 Länd~m; aber nur in 32 Ländern, auf die 75% des gesamten Welthandels entfielen, waren die Mitglieder in besonderen Landesgruppen zusammengefaßt. Seit 1929 waren sieben Landesgruppen hinzugekommen: Bulgarien, China, Estland, Lettland, Portugal, Rumänien, Türkei. Vgl. Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. XIII. 86 So hieß es in den Beschluß Nr. 2, der auf dem Kongreß in Washington 1931 angenommen worden war: ,,Es ist erforderlich, dass jede Landesgruppe, die in der Kammer vertreten ist, sich unablässig dahin bemüht, die allgemeine Annahme der Grundsätze zu erreichen, welche die Kammer beständig vertreten hat und jetzt wieder bekräftigt." Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Washington-Kongress 4. bis 9. Mai 1931, Drucksache Nr. 77, S. 11 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Beschlüsse des WashingtonKongresses). 87 Nehring, Internationale Handelskammer, S. 38.

V. Tätigkeitsbereiche

49

den Beratungen im Rahmen der Internationalen Handelskammer ausgeklammert. Als die zentrale Vertretung der Wirtschaft unterrichtete sie durch die Vermittlung ihrer Landesgruppen die Regierungen über die Interessen von Industrie, Handel und Finanzinstituten. Damit stand die ICC in einem ständigen Kontakt mit den Politikern. Ihre Meinung war aber nur eine unter vielen. Die Lobbyarbeit einer spezifischen Branche war mit der generellen Zielsetzung der Kammer nicht immer zu vereinbaren. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise gab es keine Versuche der Internationalen Handelskammer, "specific actions" zur Milderung der Krise zu unternehmen; der Kammer ging es vielmehr darum, die besten Lösungswege aufzuzeigen.88 Insofern versuchte sie, als eine Art "Erzieherin der internationalen öffentlichen Meinung"89 zu wirken. Immer wieder machte sie darauf aufmerksam, wie ungünstig sich administrative Maßnahmen auf dem Gebiet der Handelspolitik auf die weltwirtschaftliehen Bedingungen auswirkten. Satzungsgemäß verfügte die Kammer über verschiedene Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Diese reichten von Beratungen eines Sachverständigenausschusses bis hin zu Enqueten zu wirtschaftlichen Fragen. Die Arbeit der Internationalen Handelskammer läßt sich im wesentlichen in zwei Bereiche aufteilen: die internationale Selbstverwaltung mit einer großen Zahl von Fachausschüssen zum einen und die Wegbereitung von Regierungsvereinbarungen und überstaatlichen Abkommen zum anderen. Innerhalb der Kammer entstanden vier Tätigkeitsbereiche (Gruppen), unter deren Ägide einzelne Ausschüsse arbeiteten: erstens die Finanzgruppe, zweitens die Industrie- und Handelsgruppe, drittens die Transport- und Verkehrsgruppe und viertens die juristische Gruppe.

1. Finanzgruppe Zu Beginn ihrer Tätigkeit lag der Arbeitsschwerpunkt der Internationalen Handelskammer bei der Finanzgruppe. Es waren vor allem die Fragen der Reparationen, der interalliierten Schulden und der Währungsstabilisierung, die einer wirtschaftlichen Regelung bedurften. Die Internationale Handelskammer hatte einen ersten Erfolg zu verzeichnen, als das schwierige Reparationsproblem aus der politischen Sphäre herausgenommen und einer objektiven Behandlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterzogen werden sollte.90 Die Empfehlungen der Internationalen 88 Herbert Hoover Presidential Library West Branch (= HHL), Brief von John P. Gregg (American Section der Internationalen Handelskammer) an George Akerson (Secretary of the President) vorn 15. November 1930, in: Presidential Subject, International Charnber of Cornrnerce 1929-31, Box No.l77. 89 Nehring, Internationale Handelskammer, 5.132. 90 Um eine ,.Entpolitisierung" der Reparationsfrage war auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich seit ihrer Gründung bemüht. Harold James, A Creation of a World Central Bank? The Early Years ofthe Bank for International Settlements, Paper für das Kolloquium des

4 Rosengalten

50

B. Die Institution Internationale Handelskammer

Handelskammer wurden von zwei Sachverständigenkomitees im Jahre 1924 aufgegriffen, die für die Reparationskommission ein Gutachten erstellen sollten: dem Dawes-Ausschuß und dem McKenna-Ausschuß. Drei Mitglieder des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer (Alberto Pirelli, Henry M. Robinson und Owen D. Young) waren im Rahmen beider Ausschüsse tätig. Alberto Pirelli und Owen D. Young gehörten dem Dawes-Ausschuß an, der die jährlichen Höchstbeträge für die deutschen Reparationsleistungen nach Maßgabe der deutschen Zahlungsfähigkeit festsetzen sollte.91 Henry M. Robinson arbeitete dagegen im parallel wirkenden McKenna-Ausschuß.92 Im Zuge der Weltwirtschaftskrise richtete die ICC das Comite Monetaire zur Lösung von währungspolitischen Problemen ein.93 Unter der Ägide der Kammer waren auch noch andere Ausschüsse tätig. Der Ausschuß für den wirtschaftlichen Wiederaufbau bemühte sich beispielsweise um die notwendigen Voraussetzungen für eine Rückkehr zu normalen Verhältnissen auf finanziellem Gebiet, nämlich die Einführung einer stabilen Währung auf der Grundlage eines gemeinsamen Standards und den Ausgleich der Staatsbudgets durch eine Verringerung der Staatsausgaben. Er wurde auf dem Kongreß in Brüssel im Jahre 1925 aufgelöst. An seine Stelle traten der Ausschuß für Internationalen Zahlungsausgleich sowie der Ausschuß für die großen Vorhaben auf dem Gebiet der öffentlichen Arbeiten und der internationale Ausschuß zur Beseitigung der Handelshemmnisse. Dem Ausschuß für Internationalen Zahlungsausgleich wurde das Transferproblem deutscher Reparationszahlungen und interalliierter Schulden zur Begutachtung überwiesen. Nach und nach konzentrierte sich seine Arbeit nur noch auf die Transferfragen. Der Schwerpunkt der Beratungen lag bei der Untersuchung der Rückwirkungen, die sich als eine Folge aus den Staatszahlungen und auch den privaten internationalen Kapitaltransaktionen ergaben. Zur praktischen Durchführung dieser Aufgabe wurde der Unterausschuß für Internationale Zahlungsbilanzen gegründet, der ein internationales Schema für eine einheitliche Zahlungsbilanz vorlegte. Der Ausschuß für Währungs- und Kreditpolitik war unter der Ägide von Winthrop W. Aldrich, Präsident des Verwaltungsrats der Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999 (in Druck), S. 1 (fortan zitiert als James, World Centtal Bank). 91 Die Sachverständigen-Gutachten von Dawes und McKenna nebst allen Anlagen, Berlin 1924, S. 81 (fortan zitiert als Sachverständigen-Gutachten). Unter der Ägide von Charles G. Dawes waren auch ein Unterausschuß für die Stabilisierung der Währung und ein Unterausschuß für den Ausgleich des Reichshaushalts tätig. 92 Sachverständigen-Gutachten, S. 164. Der McKenna-Ausschuß war mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, besonders in Frankreich verbreitete Vermutungen über deutsches Vermögen im Ausland zu überprüfen. Dieses sollte wieder nach Deutschland zurückgebracht werden. Holtfrerich, Inflation, S. 283. Siehe auch: Carl-Ludwig Holtfrerich, Methods for Calculating the Net International Investment Position of Germany During the Weimar Republic, in: Jürgen Kocka/Hans-Jürgen Puhle/Klaus Tenfelde (Hrsg.), Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. Festschrift für Gerhard A. Ritter, München 1994, S. 741. 93 ASD: BIB 44, Document No. 5426, Comite Monetaire, Proces-verbaide la reunion tenue les 7, 8 et 9 mars 1934.

V. Tätigkeitsbereiche

51

Chase National Bank von New York, tätig. Er untersuchte, ob ein Zusammenhang zwischen der Gewährung von Anleihen und der Erhöhung der Kaufkraft im Empfangerland bestünde und ob eine Erhöhung der Kaufkraft nicht nur zu einer Steigerung des inländischen Konsums, sondern auch zu einer Erhöhung der Einfuhr von Fertigwaren aus dem Ausland führen würde. Die Internationale Handelskammer beschäftigte sich zudem mit dem Phänomen der Doppelbesteuerung. Der extra dafür eingerichtete Ausschuß sah in der Doppelbesteuerung ein handelspolitisches Hemmnis mit dem Ziel, die ausländische Konkurrenz vom inländischen Markt zu verdrängen.

2. Industrie- und Handelsgruppe Ein besonderes Augenmerk verdient die Industrie- und Handelsgruppe. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf den Warenaustausch, sondern auch auf den internationalen Kapital- und Dienstleistungsverkehr. Das Hauptziel der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise bestand in der Förderung des internationalen Wirtschaftsverkehrs durch die Beseitigung von tarifären und nicht-tarifären Hemmnissen. Hieraus resultierte auch die scharfe Absage an die Einund Ausfuhrverbote sowie -beschränkungen. Neben der Frage der Ein- und Ausfuhrverbote war das Problem der Höhe der Zollsätze von besonderer Wichtigkeit. Die Notwendigkeit einer Zollsenkung kam in allen Verhandlungen und Erörterungen deutlich zum Ausdruck. Zur Behandlung der zolltechnischen Fragen richtete die Internationale Handelskammer einen speziellen Ausschuß ein.94 Er sollte untersuchen, mit welchen praktischen Mitteln die einzelnen Länder den gesetz- und vertragsmäßig festgelegten Schutz der heimischen Industrie durchführten und ermitteln, auf welcher Weise die Schwierigkeiten für den internationalen Handelsverkehr beseitigt, werden konnten. Der Ausschuß bemühte sich vor allem um die Verbesserung~ Verwaltungspraktiken. Aus diesem Grunde machte er sich ein genaues Bild von den Erhebungsmethoden in den verschiedenen Ländern und suchte nach Lösungswegen für die Beseitigung des staatlichen Verwaltungsprotektionismus (inkl. Subventionspolitik). Die verschiedenen Methoden, die sich bei den Zollverwaltungen der einzelnen Länder herausgebildet hatten, erfuhren manche Kritik von seiten der Geschäftswelt. Die Empfehlungen des Ausschusses erstreckten sich auf eine Reihe von Fragen, und zwar: die Anwendung des Kontingentsystems, die Definition der Nationalität von Fertigwaren, die Methoden der Wertbestimmung bei ad-valorem-Zöllen, die Veröffentlichung von Zollniveaus und die Vereinfachung von Zollförmlichkeiten. Die Kammer bildete zudem einen Unterausschuß für lndustrievereinbarungen. Die nationalen Gesetzgebungen sollten sich fortan der Formierung nationaler Zusammenschlüsse nicht hemmend entgegenstellen. Die Gründung von Kartellen soll94

4•

Zolltechnische Fragen, in: Internationale Wirtschaft 4 (1936), S. 3.

52

B. Die Institution Internationale Handelskammer

te ein Mittel zur Schaffung stabilerer Wirtschaftsverhältnisse sein. 95 Aus diesem Grund rief die Internationale Handelskammer auch einen Kartellausschuß unter dem Vorsitz des deutschen Delegierten Clemens Lammers ins Leben. Gerade die Kartelle wurden als Beispiel für eine wirksame internationale Zusammenarbeit gesehen. Vor Augen hatte die Internationale Handelskammer den Verhandlungserfolg · kontinentaler und britischer Stahlerzeuger, der zu einer stufenweise Herabsetzung der englischen Eisenzölle, die Mitte der 30er Jahre auf 50% erhöht worden waren, zunächst- im Mai 1935- auf 33 1/3, dann- im August des gleichen Jahres- auf 20% des Wertes der eingeführten Waren. 96 Das Problem vergleichbarer Statistiken in Industrie und Handel war von der Internationalen Handelskammer seit ihrer Gründung erkannt worden. Sie bildete daher einen Studienausschuß für Statistiken, der mit seinen Arbeiten aber nie besonders hervorgetreten ist. Die Kammer war der Ansicht, daß eine nach klaren, einheitlichen und allgemein verbindlichen Prinzipien aufgestellte Statistik für einen Einblick in den Verlauf wirtschaftlicher Erscheinungen von größter Bedeutung sei. Der praktische Wert einer internationalen Statistik hing aber von der Vergleichbarkeit des von den verschiedenen Ländern gelieferten Datenmaterials ab. Folgende Punkte sollten allgemein berücksichtigt werden: die Bestimmung der Waren als Grundlage der Statistiken, die Zeitspanne für die Zugrundelegung einer einheitlichen statistischen Erhebung, einheitliche Maße und Gewichte. rn Das Europakomitee der Internationalen Handelskammer trat unter der Leitung von Henri de Peyerimhoff de Fontenelle zusammen. In Zusammenarbeit mit dem Committee on Commercial Policy wurde in der Zeit der Weltwirtschaftskrise über die Möglichkeit einer europäischen Wirtschaftsvereinigung diskutiert. 98 3. Transport- und Verkehrsgruppe Das Transport- und Verkehrswesen war ein weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld der Internationalen Handelskammer, womit sie den Handelsaustausch fördern wollte. 99 Die Transport- und Verkehrsgruppe war mannigfach unterteilt, z. B. in den Ausschuß für Eisenbahntransporte, Ausschuß für Lufttransporte, Ausschuß für Seetransporte, Ausschuß für Überlandtransporte, Ausschuß für internationalen Fernsprechverkehr und den Ausschuß für internationalen Postverkehr. 95 ASD: BIB 43, Document No.4689, Joint Meeting for the Study of European Problems, December 8-9th 1931, S.4. 96 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichswirtschaftsministerium, R 3101/9366, S. 27. 97 Nehring, Internationale Handelskammer, S.49-51. 98 Der Vorsitzende des Committee on Commercial Policy war Josef Sachs. ASD: BIB 43, Document No.4689, Joint Meeting for the Study of European Problems, December 8-9th 1931. 99 Magnier, Chambre, S. 105.

V. Tätigkeitsbereiche

53

Ihre Aufgaben wurden durch die reformbedürftigen und zum Teil unwirtschaftlichen europäischen Transportverhältnisse bestimmt. Folgende Probleme waren von Interesse: die Schaffung handelsfähiger Frachtdokumente, die einheitliche Warenbezeichnung in den Tariflisten, die Herstellung durchgehender Transporte zwischen Flugzeug, Schiff, Kraftwagen und Eisenbahn. Auf dem Gebiete des internationalen Seetransportwesens traten die Fragen des Flaggenprivilegs (Diskriminationen), der Zoll- und Konsularförmlichkeiten, der reinen Konnossemente und der Beförderung von Postsachen per Schiff in den Vordergrund. Durch die Tätigkeit der Kammer wurden beispielsweise Flaggenvorrechte und Flaggendiskriminationen allmählich beseitigt, was für den Welthandel von Bedeutung war. Auch auf dem Gebiet der Abkürzungen war die Kammer um die Normierung handelsüblicher Vertragsformeln und Abkürzungen bemüht. Dadurch wollte sie alle MißverStändnisse im zwischenstaatlichen Handel ausräumen, die auf unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten zurückzuführen waren. 4. Juristische Gruppe

Nach dem Stockholmer Kongreß im Jahre 1927 nahm die Kammer auch die Regelung des internationalen Messe- und Ausstellungswesens in ihr unmittelbares Arbeitsgebiet auf. Ziel des Ausschusses war es, die Zahl der allgemeinen internationalen Messen und Ausstellungen zu vermindern ("Messerationalisierung"), die den Aussteller betreffenden juristischen und technischen Fragen für eine Standardisierung vorzubereiten und eine enge Zusammenarbeit zwischen den internationalen Vertretungskörperschaften der Veranstalter auf den von der Internationalen Handelskammer angenommenen Grundlagen zu sichern.100 Die Schiedsgerichtsbarkeil nahm innerhalb der Organisation der Internationalen Handelskammer eine hervorragende Stellung ein. Die Kammer schuf mit dem Schiedsgerichtshof ein außergerichtliches Forum für die Beilegung geschäftlicher Streitigkeiten, die zwischen den Angehörigen verschiedener Länder entstanden waren. Wegen der Vorteile dieser freiwillig übernommenen Schiedsgerichtsbarkeil gegenüber den Verfahren vor ausländischen Gerichten mit ihren Verzögerungen, Zufallen, Kosten und Komplikationen nahmen die Firmen aller Länder eine Klausel in die Verträge auf, derzufolge Streitigkeiten vor der Internationalen Handelskammer entschieden werden sollten. Laut Schiedsgerichtsordnung vom 1. Januar 1928 bestanden zwei Wege zur Beilegung eines Streitfalls: der Weg des Vergleichsverfahrens und der Weg des ordentlichen Schiedsverfahrens. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten konnten die Parteien den Verwaltungsausschuß zur Vermittlung anrufen. Dieser arbeitete einen Vergleichsvorschlag aus, dessen Anerkennung empfohlen wurde. Bei Ablehnung dieses Vorschlags ging die Sache wieder an die ordentlichen Gerichte zurück, vor•oo Nehring. Internationale Handelskammer, S.45.

54

B. Die Institution Internationale Handelskammer

ausgesetzt, die Parteien hatten sich nicht durch die Schiedsklausel zur Anrufung des Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer, dem Träger des eigentlichen Schiedsverfahrens, verpflichtet. Der Schiedsgerichtshof bestand aus acht bis zehn Mitgliedern eines jeden Landes, das der Kammer angehörte. Ein Mitglied jeder nationalen Delegation gehörte dem Vollzugsausschuß des Schiedsgerichtshofs an und mußte daher ständig in Paris anwesend sein. Der Vollzugsausschuß bearbeitete die Anträge, bestimmte die Schiedsrichter- diese waren ehrenamtlich tätig- und prüfte deren Entscheidungen. Das Urteil wurde im Namen des Schiedsgerichtshofs gefällt und unverzüglich rechtskräftig. Die Gesamtzahl der dem Schiedsgerichtshof unterbreiteten Handelsstreitigkeiten belief sich bis Ende Mai 1929 auf 337 Fälle. 101 Die Durchführung des Schiedsspruchs durch Anrufung der ordentlichen Gerichte war in keinem der Fälle notwendig. Ein Grund könnte dabei gewesen sein, daß der Völkerbund die Arbeit der juristischen Gruppe der Kammer nachhaltig unterstützte. Durch internationale Übereinkommen suchte er die Handelsschiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer zu erleichtem: Ein Protokoll aus dem Jahre 1923 sicherte die Vollstreckung der im eigenen Land gefällten Schiedssprüche. Dieses wurde im September 1927 durch eine Konvention zur Erleichterung der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche erweitert.102

VI. Bedeutung Über die Frage nach dem Bedeutung der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeit bestehen in der Literatur divergierende Meinungen. Cheng-Wen Tsai beurteilt das Gewicht der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeitals "assez modeste". 103 Nigel Blackbum bezweifelt sogar in seinem Werk, das er im Auftrag der Internationalen Handelskammmer schrieb, "that the ICC was successful in pressurizing govemments or indeed much of its own membership ... during the 1930's."104 Joseph Fischer geht noch weiter, wenn er die Bemühungen der Internationalen Handelskammer auf dem handelspolitischen Gebiet pauschal als Mißerfolg bewertet, "weil ihre privaten Bestrebungen gegenüber den politischen Faktoren machtlos" waren. 10s Damit negiert Fischer jeglichen Einfluß der ICC auf die politischen Entscheidungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. 106 Internationale Wirtschaft 1 (1929), S. 534. Fischer, Handelskammer, S. 74-78. 103 Die Rolle der Internationalen Handelskammer in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bewertet er dagegen positiver. Chen-Wen Tsai, La Ch.ambre de Commerce Internationale- Un Groupe de Pression International. Son Action et Son Röle Dans L'Elaboration,la Conclusion et L' Application des Conventions Internationales Etablies au Sein des Organisations Intergouvernementales aVocation Mondiale (1945-1969), Diss. masch., Löwen 1972, S. 50/59 (fortan zitiert als Tsai, Ch.ambre de Commerce Internationale). 104 Blackburn, Wor1d Peace, S. 8. 10S Fischer, Internationale Handelskammer, S. 80. 106 Fischer, Internationale Handelskammer, S. 81. 101

102

VI. Bedeutung

55

Die These von der Bedeutungslosigkeit der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeit ist jedoch fragwürdig. So wurde in der Forschung bisher nicht untersucht, ob sich in dieser Zeit die protektionistischen Tendenzen bei Nichtexistenz der Internationalen Handelskammer nicht in viel stärkerem Maße ausgewirkt hätten. Obwohl die Zollsätze nach den zollpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer im Jahre 1929 weiter anstiegen, 107 kann anhand von Quellenmaterial aufgezeigt werden, daß sie in den USA auf einem niedrigeren Niveau festgesetzt wurden, als dies ursprünglich von den Regierungen geplant worden war. Zudem wird in dieser Arbeit versucht, einen Einfluß der Internationalen Handelskammer auf die Entstehung des amerikanischen Reciprocal Trade Agreements Act von 1934 aufzuzeigen, welches einen ersten Schritt hin zu einem effektiven Zollabbau - wenn auch auf bilateraler Basis- darstellte. George L. Ridgeway geht von weitreichenden Einflußmöglichkeiten der Internationalen Handelskammer auf die politischen Entscheidungsträger aus, genauer gesagt einem "powerful nonpolitical influence upon the international aspects of the vast and complex systems of technical and business law-making and administration centered at Geneva" .108 Er faßt die Rolle der Internationalen Handelskammer als die eines "economic parliament" 109 auf, das mit der Regierung auf einer gleichen Ebene stehe. 110 Mit der Gründung der ICC im Jahre 1920 wurde ein internationaler Handlungsmechanismus auf Unternehmerebene errichtet, der zwar außerhalb des politischen Aktionsfeldes lag, gleichzeitig aber Möglichkeiten bot, die Entscheidungen der Regierungen in gewissem Maße zu beeinflussen. 111 107 Auf dem Kongreß in Amsterdam im Jahre 1929 betonte Alberto Pirelli, daß seit zwei J ahren keine merkliche Zollsteigerung in Kraft getreten sei; wohl aber hätten Ägypten, die Vereinigten Staaten von Amerika, Finnland, Mexiko, Portugal und Spanien Pläne für neue Zolltarife angekündigt. Sitzungen und Arbeiten, in: Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S. 11/12. 108 Ridgeway, Merchants, S. 5. Diese Aussage wird durch ein Zitat des Präsidenten der Internationalen Handelskammer, Georges Theunis, unterstützt, der seiner Organisation die Rolle eines .,Parlaments der Geschäftswelt" zusprach. Ansprache von Georges Theunis 1931, S. 53. 109 Ridgeway, Merchants, S. 208. 110 Ridgeway spricht von einer .,fair and equitable partnership between govemment and business". Ridgeway, Merchants, S. 391 . 111 So schrieb die britische Zeitung .,The Times": .,lt is now generally realized that international relations are no Ionger the exclusive business of govemments and diplomats; and that commerce, having woven a network of trade connections over the whole world, is now creating a body of non-govemmental machinery of safeguard and defend these relations." Nicht umsonst bezeichnete .,The Times" 1925 die Gründung der Internationalen Handelskammer als eine der wichtigsten Entwicklungen in der Nachkriegsära. Siehe Memorandum on the International Chamber of Commerce vom 24. Oktober 1925, Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1359, S. 246. Die Bedeutung der Internationalen Handelskammer stieg umso mehr, als der Völkerbund nach dem Scheitern der Konferenzen von 1927 und 1933 als Diskussions- und Aktionsforum im Bereich der Handelspolitik in den Hintergrund gedrängt wurde. Über die Einflußmöglichkeiten der Internationalen Handelskammer siehe: Meynaud, Groupes, S. 371.

56

B. Die Institution Internationale Handelskammer

Der Generalsekretär der Internationalen Handelskammer, Edouard Dolleans, ging in der Zeit der Weltwirtschaftskrise von der dominierenden Stellung der Ökonomie gegenüber der Politik aus. Die Geschäftswelt würde daher den Hauptteil der Verantwortung in der Welt tragen. Die Tätigkeit der Internationalen Handelskammer sei nicht auf die einer reinen Beratungsstelle für die Regierungen beschränkt. "The Chamber was made for action, not for discussion," erklärte er auf der Verwaltungsratssitzung im Oktober 1931.112 Trotz der Einflußmöglichkeiten gab es auch Stimmen, die andere Akzente setzten: "Selbstverständlich ist auch die Tätigkeit der Internationalen Handelskammer dem Primat der Politik untergeordnet. Aber sie kann die Erkenntnis der Tatsache verbreiten helfen, dass eine schlechte Verfassung der internationalen Wirtschaft die Aufgaben der Staatsmänner sehr erschwert und dass umgekehrt eine gute Wirtschaftsverfassung und ein gesunder, auf wirklicher Leistung und Anerkennung der Leistung beruhender Wettbewerb sehr dazu beitragen kann, den Staatsmänner ihre schwere politische Aufgabe zu erleichtern," erklärte Otto Fischer, Mitglied des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, im Jahre 1934.113 Giorgio Mortara vom italienischen Nationalkomitee gestand der Internationalen Handelskammer nur ein beschränktes Wirkungsfeld zu. Ihre Tätigkeit würde sich ausschließlich auf den wirtschaftlichen Bereich beziehen.114 Trotz der politischen Unabhängigkeit der Organisation gab es aber auch- aus evidenten politischen Gründen - Versuche, die Arbeit der Kammer zu blockieren. So äußerte sich beispielsweise Alexander Loveday, Delegierter des Völkerbundes auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Kopenhagen 1939, in einem vertraulichen Bericht enttäuscht über das unkooperative Verhalten der deutschen und italienischen Mitglieder der Organisation: "In all cases that came before my notice, when any question of not purely technical character came up for discussion, the Germans and the ltalians worked together, their intent always being to prevent something being said or done. lt was wholly apparent that the presence of these two countfies in the ICC Iimits and does not augment the powerofthat body to do or say anything. " 115

Insgesamt kann gesagt werden, daß das Machtpotential der Internationalen Handelskammer neben der globalen wirtschaftlichen Lage (Struktur) auch von der Bereitschaft ihrer Mitglieder (Personen) abhängig war, miteinander zu kooperieren. Sobald einzelne Landesgruppen oder Branchen versuchten, ihre eigenen spezifischen Interessen durchzusetzen, konnten die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer nicht mehr mit derselben Durchsetzungskraft aufwarten. Aus diesem Grunde äußerte sich Melvin A. Traylor, Präsident der First National Bank in 112 HP: Document No.4649, XXXVIth Meeting of the Council, October 23rd and 24th 1931,5.8. 113 Internationale Wirtschaft 6 (1934), S.5. 114 ASD: BIB 43, Document No. 4599 bis, La crise ~conomique, 17 Octobre 1931, S. 7. m Völkerbundsarchiv in Genf: R4399/10N37460/2822, Report of the Tenth Congress of the International Chamber of Commerce at Copenhagen- June 1939, S. 4.

VI. Bedeutung

57

Chicago, 1932 skeptisch gegenüber der Wirksamkeit der Internationalen Handelskammer und ihrer amerikanischen Landesgruppe: ,,As to their effective use, I arn frankly skeptical, because of the weaknesses of human nature and the inclination of each industry and each nation to pursue its own course, as, at the moment, seems best calculated to serve its own interests. " 116

Im Zuge des Washingtoner Kongresses 1931 äußerte auch die internationale Presse teilweise ihre Zweifel an den Einflußmöglichkeiten der Kammer auf die Regierungsebene.117 Inwieweit die Internationale Handelskammer Einfluß auf die Politik in der Zwischenkriegszeit hatte, ist daher nicht ganz einfach zu bestimmen. Die Schwierigkeit, die Urheberschaft von Ideen auszumachen, gesteht Nigel Blackburn in der Jubiläumsbroschüre für die Internationale Handelskammer offen ein: "Nothing is so contested as the patemity of an idea. Throughout the ICC's history this has been a major difficulty in any attempt to quantify its influence. The organization could often claim to be the most widely representative or most experienced voice advocating a given policy, but rarely the only such voice." 118

Dieses Urteil hat Blackburn mit dem Wissen um das Engagement des Völkerbundes auf dem wirtschaftlichen Gebiet gefallt. Es ist offenbar, daß Industrievereinigungen wie die Internationale Handelskammer Entscheidungen von demokratischen Regierungen beeinflussen können. In der Regel ist im Rahmen einer Lobbyarbeit von seiten der Wirtschaft zwischen Gruppierungen von eng definierten Einzelinteressen (z. B. Protektionisten) und denjenigen von aufgeklärten Gesamtinteressen (z. B. Freihändler) zu unterscheiden. Erstere sind eher national organisiert und vertreten nicht nur ein wichtiges Wählerpotential im Inneren des Landes, sondern leisten vielfach auch aufgrund einer vereinfachten internen Konsenstindung erhebliche finanzielle Unterstützungen zur Durchsetzung von besonderen Interessen. Nicht zuletzt weil an bestimmte Wirtschaftszweige eine Vielzahl von Arbeitsplätze gekoppelt sind, deren Bestand allein schon aus wahltaktischem Kalkül ganz im Sinne der herrschenden Partei liegt, sind die Politiker darauf bedacht, die Anliegen der heimischen Industrie in ihrem wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm zu berücksichtigen. Die Einflußmöglichkeiten von internationalen Wirtschaftsvereinigungen, die Gesamtinteressen vertreten, sind dagegen beschränkter: Sie vertreten eher national schwer zu realisierende Kollektivinteressen, die von Grund auf über ein ver116 National Achives in Washington D. C. (fortan zitiert als NA 1): Rede von Melvin A. Traylor, Präsident der First National Bank of Chicago und Mitglied der American Section der Internationalen Handelskammer, in: Hearings Before the Subcommittee of the Committee on Manufactures United States Senate. Establishment of National Economic Council, 72d Congress, Ist Session on S.6215, Washington D.C. 1932, S.670. In Krisenzeiten ist dieses auf die eigenen Interessen konzentrierte Verhalten immer besonders stark. 117 So Telegramm des deutschen Botschafters v. Prittwitz in Washington vom 11 . Mai 1931 über die Washingtoner Konferenz, Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R 43 1/1171, S. 188. 118 Blackburn, World Peace, S.19.

58

B. Die Institution Internationale Handelskammer

gleichsweise geringfügiges Durchsetzungspotential verfügen. Bei der Internationalen Handelskammer kam in der Zeit der Weltwirtschaftskrise noch erschwerend hinzu, daß die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Organisation durch vielfach diametral entgegengesetzte Partikularinteressen im Inneren der Körperschaft- welche sich durch die Krise auch noch verschärften -an Stärke gegenüber den nationalen Regierungen verloren. Trotzdem dürfen ihre Möglichkeiten, auf die Entscheidungen der Regierungen Einfluß zu nehmen, nicht unterschätzt oder gar ausgeklammert werden. Mit großer Sicherheit kann zunächst jedenfalls davon ausgegangen werden, daß die Internationale Handelskammer zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in der Öffentlichkeit erheblich an Bedeutung gewann. Sie wurde vor allem ob ihrer Empfehlungen zur Milderung der Krise konsultiert. "A great many people are desirous of knowing the opinion of business men as to the causes for the present crisis and the remedies that are possible to apply," erklärte Georges Theunis in einer Rede am 10. Mai 1931. 119 Frederick Fentener van Vlissingen bedauerte indessen vier Jahre später, daß die besondere Bedeutung der Internationalen Handelskammer teilweise sogar verkannt werde. 120 Die Kammer war allerdings nicht nur von der Unterstützung durch die Öffentlichkeit abhängig, 121 sondern auch von der Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen. In den Augen offizieller Stellen gewann die Internationale Handelskammer als "autorisierter Sprecher der Wirtschaftswelt" an Bedeutung. 122 Deramerikanische Präsident Franklin D.Roosevelt bewertete in einem Telegramm von 1939 die Existenz der Internationalen Handelskammer und ihr Streben nach einem Ausbau der internationalen Wirtschaftsbeziehungen als "eine grosse Ermutigung" für alle, die davon überzeugt seien, daß ein stetig zunehmender Welthandel- eingebunden in ein gesundes internationales Finanzsystem- zu sicheren politischen Beziehungen führen werde. 123 Der Generalsekretär der Internationalen Handelskammer, Pierre Vasseur, maß den Entschließungen, die auf den Kongressen der Internationalen Handelskammer verabschiedet worden waren, für die Beilegung der Weltwirtschaftskrise eine erhebliche Bedeutung bei: "Die ,platonischen' Beschlüsse unserer Ausschüsse und Kongresse tragen jedenfalls auch weiterhin die Lösung der Krise in sich, und sie werden notwendigerweise an dem Tag Anwendung finden müssen, an dem man bereit sein wird, aufzubauen statt sich zu bekämpfen." Selbst bedeutende Staatsmänner würden nach Auffassung von Vasseur den Kongressen der Internationalen Han119 HHL, Rede von Georges Theunis vom 10. Mai 1931, in: Presidential Subject, International Chamber of Commerce, Box No. 177. 120 Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Bericht über die Thgung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin 1935, S. 11. 121 Vgl. dazu: Internationale Handelskammer, Ansprache von Georges Theunis 1931, S. 33. 122 Alberto Pirelli, in: Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S.l3. 123 Internationale Wirtschaft 4 (1939), S.19.

VI. Bedeutung

59

delskammer eine größere Bedeutung zugestehen als denjenigen auf Regierungsebene.124 Im Hinblick auf die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer plädierte Frederick Fentener van Vlissingen für eine größere Flexibilität bei der Formulierung und eine stärkere Differenzierung bei der Anwendung: "Die Wirtschaft befindet sich in ständiger Bewegung. Lösungen, die gestern noch gut waren, können morgen verhängnisvoll sein. Heilmittel, die sich in manchen Ländern bewährt haben, erweisen sich in anderen als unheilvoll. Deshalb muß man sich bei wirtschaftlichen Erörterungen von aller Dogmatik fernhalten," erklärte er 1937. 125 Die internationale Lage bewertete er zu diesem Zeitpunkt als günstig für einen Vorstoß auf dem Gebiet der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Staaten, nicht zuletzt auch weil sich in der amerikanischen Handelsvertragspolitik eine Wandlung vollzogen habe. In der Zwischenkriegszeit nahm die Internationale Handelskammer auf dem Gebiet der Wirtschaft die Rolle eines Primus sine Pares ein: sie stellte eine internationale Wirtschaftsvereinigung dar, deren Machtstellung im wirtschaftlichen Bereich erst nach dem Zweiten Weltkrieg ins Wanken geriet. In den zwanziger und dreißiger Jahren verstand sich die Internationale Handelskammer als alleinige VertreteTin der Interessen der Wirtschaft auf der ganzen Welt. Pläne für konkurrierende Wirtschaftsorganisationen, auch wenn sie nur regional begrenzt waren, lehnten die Mitglieder zunächst rigoros ab. Auf den Vorschlag von Alfred Nossig zur Gründung eines Europäischen Komitees für Wirtschaftliche Kooperation reagierte der Generalsekretär der Internationalen Handelskammer, Edouard Dolleans, ablehnend. Über die Verhandlungen mit Dolleans am 24. Dezember 1924 in Paris schrieb Nossig an die Reichswirtschaftskammer: "Ich will nun nicht verheimlichen, daß Herr Doll~ans durch einige Zeit erhebliche Anstrengungen machte, um darzutun, dass neben der I. H. [Internationale Handelskammer] keine andere überstaatliche Wirtschaftsorganisation mehr nötig sei, dass sie bereits sämtliche Zwecke, die das Europäische Wirtschaftskomitee sich setzen könnte, erfüllen, usw., Behauptungen, welche, wie er übrigens zugab, sämtlich dem Bestreben entsprangen, das Entstehen einer anderen Körperschaft, die vielleicht nicht völlig in der Einflussphäre der I. H. aufgehen und deren Zentrum vielleicht gar nicht in Paris sein würde, zu verhindem." 126

Während des Zweiten Weltkrieges ging die Bedeutung der Internationalen Handelskammer zurück: Die ICC unterbrach die regelmäßige Einberufung von Kongressen, verlegte ihren Sitz nach Stockholm und kehrte erst nach der Beendigung des Krieges nach Paris zurück. Im Juni 1947 fand ihr erster Nachkriegskongreß in Montreux statt. 124 Pierre Vasseur, Möglichkeiten der Internationalen Handelskammer, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S. 35. 12S Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichswirtschaftsministerium, R 3101/9366, S. 24. 126 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1353, S. 74n5.

60

B. Die Institution Internationale Handelskammer

Lehnte die Internationale Handelskammer in der Zwischenkriegszeit die Gründung konkurrierender Wirtschaftsorganisationen ab, stand sie nach dem Zweiten Weltkrieg der amerikanischen Initiative zur Gründung des GATI (General Agreement on Tariffs and Trade) aufgeschlossen gegenüber. In einer Analyse des William L. Clayton Center for International Economic Affairs für den United States Council der Internationalen Handelskammer heißt es: .,The Agreement has bad an important stabilizing effect on our trade relations with most of the world" .127 Die handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeit sollten im Rahmen des GATI 1944 ihre Verwirklichung finden. In den GAlTVerhandlungsrunden über Zollsenkungen wurde der Weg, den die Internationale Handelskammer zwischen den beiden Weltkriegen aufgezeigt hatte, konsequent verfolgt. Die von der Kammer erarbeiteten Methoden wurden sogar noch verfeinert und konkretisiert. Die Internationale Handelskammer unterstützte nach Kriegsende die Arbeit der Vereinten Nationen von Anfang an. Nachdem sie am 1. Oktober 1946 als Nichtregierungsorganisation (NGO) den höchsten Konsultativstatus (Kategorie A) bei dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen erhalten hatte, nahm sie regelmäßig an den UN-Sitzungen teil. Auch in den zahlreichen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen (z. B. UNCTAD, UNEP, WIPO) tauchte sie immer häufiger als die VertreteTin der Wirtschaft auf. Für die Mitglieder der ICC liegt der Arbeitsschwerpunkt der ICC heute aber eher in den verschiedenen Gremien der Welthandelsorganisation (WT0). 128 Heute wie damals in der Zeit der Weltwirtschaftskrise erhebt die Internationale Handelskammer ihre Stimme vor allem gegen jede Form des Protektionismus. 129 Trotz der gleichbleibenden Zielsetzung der Kammer hat sich jedoch ihr Bild in der Öffentlichkeit erheblich verändert: In den neunziger Jahren sehen Kritiker die Kammer vielfach nur noch als eine Art .,ineffizienten Honoratiorenclub". Im Zusammenhang mit wirtschaftspolitischen Debatten wird der Unternehmensverband kaum mehr genannt und findet dementsprechend wenig Aufmerksamkeit in der Tagespresse. Das vornehmliebste Ziel von Helmut Maucher, Präsident der Internationalen Handelskammer von 1997 bis 1999, war es daher, die Institution stärker zu aktivie127 International Chamber of Cornrnerce/United States Council (Hrsg.), GA1T. An Analysis and Appraisal ofthe General Agreement on Tariffs and Trade, New York 1955, S.17. 128 Gespräch mit Herrn Dr. Herbert Oberhänsli am 24. Februar 1998 bei Nestle in Vevey (Schweiz). Neben seiner Tätigkeit als Assistant Vice President der Firma Nestle arbeitete Oberhänsli auch noch als persönlicher Referent von Helmut 0. Maucher, Präsident der Internationalen Handelskammer in Paris von 1997-1999. Über vier Jahre stand er der "Corporate Economy Advisory Group" vor, die sich mit den grundsätzlichen ökonomischen Entscheidungen der Staaten befaßt. Desweiteren war er in einer Kornmission der ICC tätig, die sich unter der Leitung von Artbur Dunkel mit den Veränderungen in der internationalen Handels- und Investitionspolitik beschäftigt. 129 Jahresbericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1996, S.4.

VI. Bedeutung

61

ren.' 30 Um ihren Zugang zu anderen internationalen Organisationen, wie der Welthandelsorganisation (WTO), zu verbessern, plante Maueher eine protokollarische Aufwertung der Kammer. Seinen Plänen zu einem "substantiellen Dialog mit der WTO" versuchte er schon allein dadurch stärkeren Nachdruck zu verleihen, daß er den ehemaligen GATI-Generaldirektor Artbur Dunkel zum Vorsitzenden der Handelskommission berief.l31 Im Laufe ihrer Geschichte hat die Kammer einen entscheidenden Bedeutungswandel durchgemacht. Von einer engagierten Institution, die in der Zwischenkriegszeit im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand, entwickelte sie sich zu einer Organisation, deren Reputation eher nur noch vom Konsultativstatus in den Gremien der Vereinten Nationen lebt. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit einer internationalen Wirtschaftsvereinigung für die Lösung aktueller Probleme, wie sie durch die Globalisierung und den Protektionismus aufgeworfen werden. Den Bedeutungswandel beschreibt Nigel Blackburn treffend in einer Jubiläumsbroschüre, ein Auftragswerk der Internationalen Handelskammer: "The roJe and significance of the ICC in the future might be different in important respects from that in the past. But there could be no doubt as to the businessman's and the world's need for such an organization in the difficult years of the 1980's and beyond." 132

t3o Seit Januar 1999 ist der Libanese Adnar Kassar Präsident der Internationalen Handelskammer. 13 1 Konrad Mrusek, Die Globalisierung verlangt eine kräftige Stimme der Wirtschaft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Februar 1997. 132 Blackburn, World Peace, S. 33.

C. Die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer und die Weltwirtschaftskrise, 1929-1939 Auf dem Kongreß der ICC in Washington 1931 stellte Eduard Harnm vom Deutschen Nationalkomitee die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in den dreißiger Jahren in einen engen Zusammenhang zu den Ereignissen der Weltwirtschaftskrise: " ... wir müssen alle kommenden Fragen auf dem Hintergrund jener Krise sehen, die die Schwierigkeiten, zugleich aber auch die Verantwortlichkeit und Dringlichkeit unserer Aufgabe vervielfältigt." 1 Die wirtschaftspolitischen Vorschläge der Internationalen Handelskammer zur Milderung der "Großen Depression" können nicht nur anhand von veröffentlichten Kongreßbeschlüssen der ICC und ihren wirtschaftspolitischen Ratschlägen im Vorfeld der Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz von 1933 eindeutig rekonstruiert werden, sondern vor allem auch mittels ihrer unveröffentlichten Protokolle von Verwaltungsrats- und Komiteesitzungen. Die ICC hatte die Schwierigkeit erkannt, die handels- und währungspolitischen Empfehlungen auch wirklich umsetzen zu können. In einem Interview im Juni 1933 gab der Präsident der Internationalen Handelskammer, Frederick Fentener van Vlissingen, offen zu: "Wir alle wissen, daß es leichter ist, eine Denkschrift auszuarbeiten oder einen Beschluß zu fassen, als die darin enthaltenen Empfehlungen zu verwirklichen."2 Die Internationale Handelskammer war seit 1929 darum bemüht, die Ursachen der Weltwirtschaftskrise und die Mittel zu ihrer Milderung bzw. Behebung auszumachen. Die alle zwei Jahre stattfindenden Konferenzen der ICC besaßen zwar keine Vollmachten zur Formulierung verbindlicher Beschlüsse, sie vermochten aber in Hinblick auf den internationalen Güteraustausch, die öffentlichen Finanzen, die Schuldzahlungen und die Währungsordnung Grundsätze aufzustellen, die einen gewissen Einfluß auf die praktischen Maßnahmen der Regierungen hatten. Auf den Sitzungen des Kopenhagener Kongresses im Jahre 1939 wies die Internationale Handelskammer erneut auf den Zusammenhang zwischen einer Währungs- und Finanzreform und einem gründlichen Wiederaufbau der internationalen Handelsbeziehungen hin. J 1 2

S.4.

Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 I/1171, S. 297. Fentener van Vlissingen, Autarkie oder Welthandel, in: Internationale Wirtschaft 7 (1933),

3 lohn B . Condliffe, Die Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur, Drucksache Nr. 1, Kopenhagener Kongreß 1939, S. 3 (fortan zitiert als Condlijfe, Veränderungen).

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

63

Das britische Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer schrieb sich 1932 die Initiative zur Formulierung krisenmildernder Empfehlungen zu: " ... we have now succeeded in persuading the Chamber to examine the economic depression from the point of view of trying to find out what immediate measures of international collaboration will meet the situation. The Council was not willing to commit itself to ready made solutions but machinery has been established which justifies us in hoping more from the October Council Meeting. "4

Im Jahre 1935 gründete die Internationale Handelskammer zusammen mit der Carnegie Stiftung für den Weltfrieden einen "Gemeinsamen Ausschuß", der die Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Stabilisierung der internationalen Wirtschaftslage prüfen sollte.5 Der Ausschuß widmete sich den Problemen der Handelshemmnisse und der Wahrungsstabilität. Von deutscher Seite gehörten dem "Gemeinsamen Ausschuß" Ernst Trendelenburg, Leiter der Reichsgruppe Industrie, und Otto Christian Fischer, Leiter der Reichsgruppe Banken, an. Als besonderer Experte wurde Andreas Predöhl, Leiter des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, hinzugezogen. Mit der Untersuchung der handels-und währungspolitischen Fragen im einzelnen wurde außerdem ein internationales Gremium von siebzehn Wirtschaftssachverständigen aus verschiedenen Ländern beauftragt. Es bildete den sogenannten "Sachverständigenausschuß". Im Juni 1936 unterbreitete er dem "Gemeinsamen Ausschuß" eine Reihe einstimmig gefaßter Empfehlungen. Diese beruhten auf der Annahme, "daß der Weltfriede und die Rückkehr zum Wohlstand durch den Wiederaufbau des Welthandels unlöslich miteinander verknüpft sind." Unter Zugrundelegung rein praktischer Gesichtspunkte kam der "Sachverständigenausschuß" zu der Schlußfolgerung, daß die Beseitigung der Welthandelshemmnisse weitgehend von der Stabilität der Wahrungen, der Anpassung der Wechselkurse und der Lösung des internationalen Schuldenproblems abhing.6 Der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer griff in seinen Empfehlungen vom 16. Oktober 1936 auf den Bericht der Sachverständigen zurück. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise sprach die Internationale Handelskammer weitreichende wirtschaftspolitische Empfehlungen aus. So zählte zu ihren wichtigsten Zielsetzungen: die Beseitigung der Handelshemmnisse und -beschränkungen, die Stabilität der Währungen, die Regelung des internationalen Schulden- und Reparationenproblems, die Ausgeglichenheit der Budgets, die Annahme von Waren- und Dienstleistungen zur Abtragung der Schulden und eine Ausweitung der Kapitalaus4 International Chamber of Commerce (Hrsg.), British National Committee, Annual Meeting of the British National Committee vom 28. Juni 1932, Report of Proceedings, S. 2. s Auf seinen Sitzungen waren sechzehn Vertreter der ICC als Ausschußmitglieder vertreten (z. B. Alan Anderson, Rene Duchemin, Peter Molyneaux, Gino Olivetti, James T. Shotwell, Ernst Trendelenburg, Thomas James Watson u. a.). Außerdem nahmen sechs Experten teil (E. Böhler, T.E. Gregory, Bertil G. Ohlin, Leo Pasvolsky, Charles Rist). ASO: BIB 44, Comite Camegie/C.C.I. 6 Sitzung des Verwaltungsrats vom 16. Oktober 1936. Siehe: Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 30.

64

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

fuhren von seiten der Geberländer.7 Ob diese Vorschläge der Internationalen Handelskammer auch wirklich zu einer Milderung der Krise beitragen konnten, hing im wesentlichen auch von einem gemeinsamen Vorgehen aller Nationalkomitees ab. Alan Anderson vom britischen Nationalkomitee konstatierte: ,.Wenn wir dabei nur eine Sprache sprechen und allen unseren Ländern das gleiche Heilmittel empfehlen, wird man uns vielleicht Gehör schenken; schlagen wir jedoch lauter verschiedene Heilmittel vor, werden wir nichts erreichen."8

Über die Frage, ob man einer handels- oder einer währungspolitischen Stabilisierung Priorität bei der Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise einräumen sollte, bestanden in der Internationalen Handelskammer divergierende Meinungen. In der Pressemitteilung vom 4. Februar 1936 brachte Fentener van Vlissingen diese Kontroverse auf den Punkt, als er sagte: "Man befindet sich augenblicklich vor einem schwierigen Dilemma: soll zuerst die Währung stabilisiert werden, oder ist es nicht richtiger, vorerst die Handelshemmnisse zu verringern?" Der Präsident der Internationalen Handelskammer gab der Währungsstabilisierung die Priorität. In einem gemeinsamen Währungsstandard sah er eine entscheidende Voraussetzung für den Abbau von Zollbarrieren.9 Meines Erachtens hätte dagegen dem Abbau der Zollbarrieren absolute Priorität eingeräumt werden sollen; die Bemühungen der Internationalen Handelskammer um eine Stabilisierung der Währungen sollten sich nämlich nicht gerade als krisenmildernd erweisen. Wohl aber hätten die Auswirkungen der handelspolitischen Empfehlungen der ICC durch eine gleichzeitige Ausweitung geldpolitischer Instrumente erheblich unterstützt werden können; ein Zusammenspiel von handelspolitischen und monetären Instrumenten wäre zur Milderung der Krise notwendig gewesen: Der Abbau von tarifarenund nicht-tarifaren Handelshemmnissen hätte seine Wirkung nur dann voll entfalten können, wenn damit eine Ausweitung der Liquidität einhergegangen wäre. 7 Frederick Fentener van Vlissingen, Wirtschaft von Heute, Broschüre Nr. 2, Pariser Kongreß 1935, S. 1. Charles P. Kindleberger sieht diese Empfehlungen zum Teil als ein Produkt politischer Klischeevorstellungen. Kindleberger, World in Depression, S. 7. a Alan G.Anderson, Das Problem der Schuldentilgung. Gläubiger- und Schuldnerländer in der Weltkrise, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S. 13. 9 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 75. Der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer hatte bereits 1933 die Notwendigkeit einer de-facto-Stabilisierung der Währungen als Grundlage für die Wiederherstellung des internationalen Warenaustauschs bestätigt. Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S.143/44. Siehe auch ASD: BIB 44 Document No.5426, Comite Monetaire, Proces-verbaide Ia reunion tenue les 7, 8 et 9 mars 1934, S.3/4. Dagegen gaben Owen Jones (Großbritannien) und Carl Trygger (Schweden) dem Abbau der Handelshemmnisse die Priorität. Ebenda, S. 5. Der ehemalige ungarische Staatssekretär Elemer Hantos sah dagegen den Ausweg in einem gleichzeitigen Vorgehen im Bereich der Handels- und Währungspolitik. Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Internationalen Handelskammer 5 (1935), S.5.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

65

Im folgenden werden zunächst die wirtschaftspolitischen Probleme im Bereich der Binnenwirtschaft und der Außenhandelspolitik dargelegt. Die Untersuchung beschränkt sich auf die vier Hauptakteure in der Weltwirtschaftskrise: die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Sie stellten stellen die größten Im- und Exporteure der damaligen Zeit dar. Im Anschluß an die Darlegung der wirtschaftlichen Lage werden die handelspolitischen und schließlich die währungspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer vorgestellt und auf ihre Bedeutung für eine Milderung der Krise unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse über die Weltwirtschaftskrise untersucht und diskutiert.

I. Wirtschaftspolitische Probleme 1. Binnenwirtschaft a) Produktion Die allgemein verbreitete Annahme, daß der Protektionismus für die nationale Wirtschaft förderlich sei, versuchte die Internationale Handelskammer mit den Hinweis auf sinkende Indexzahlen im Bereich der industriellen Produktion seit dem Jahr 1929 zu widerlegen. Die Errechnung dieser Indexzahlen erfolgte zwar nach verschiedenen Grundsätzen, das Ergebnis zeigte aber deutlich, daß in allen vier Staaten (USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich) die industrielle Produktion stark abgenommen hatte.1o Abbildung 1 veranschaulicht die Entwicklung der Weltwirtschaftskrise anband des Verlaufs der aggregierten Produktionskurve von Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den USA. Der Produktionsrückgang fiel in allen vier Ländern unterschiedlich aus. Folglich waren die Auswirkungen der Krise in einigen Ländern stärker und in anderen Ländern schwächer: Wahrend die USA einen rapiden Produktionseinbruch erlebten, waren in Großbritannien die Folgen der Krise am schwächsten zu spüren. Der besonders hohe Produktionsrückgang in den USA zu Beginn der Krise lag zum Teil an der Entwicklung im Automobilsektor. 11 Daß die beiden wichtigsten Abnehmerländer (Frankreich und Italien) im März 1929 ihre Internationale Wirtschaft 6 (1934), S. 2. L. J. Williams zählt die Automobilindustrie zu den sogenannten ,,new industries", deren Entwicklung erheblich zu einem Aufschwung in Großbritannien beigetragen habe. L. J. Williams, Britain and the World Economy 1919-1970, London 1971, S. 93 (fortan zitiert als Williams, Britain). Zur Entwicklung der Automobilproduktion in Europa und den USA zwischen 1923 und 1950 siehe: United Nations Economic Commission for Europe (Hrsg.), Growth and Stagnation in the European Economy, Genf 1954, S. l49 (fortan zitiert als United Nations Economic Commission, Growth). 10 11

S Rosengarten

66

C . Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Automobilzölle erhöht hatten, spielte für diese Entwicklung eine entscheidende Rolle. 12 130

120

..n .

110

Frankreich

100

-o-

90

Deutsch1and

80

-IrGroßbritannien

70

-+-

60

USA

50 40+---.----.---.---.----.---.---~---.---.---.

1929

1930

1931

1932

1933

1934

1935

1936

1937

1938

Quelle: B. R. Mitchell, International Historical Statistics. Europe 1750-1988, New York 19923, S. 411/412. B. R. Mitehe II, International Historical Statistics. TheAmericas 1750-1988, New York 19932, S. 302. Siehe auch: Temin, Lessons, S. 2. Eigene Umsetzung. Abbildung I: Die industrielle Produktion zwischen 1929 und 1939 (1929 = 100)

Zusammenfassend kann gesagt werden: Der Produktionsrückgang setzte kurz vor dem Zusammenbruch der New Yorker Börse am 26. Oktober 1929 ein; die volle Wirkung trat aber erst danach auf.U Daß die Produktion bereits vor dem Börsencrash abnahm, hing möglicherweise auch mit den bereits Ende 1928 angekündigten Verhandlungen über das Smoot-Hawley-Zollgesetz in Amerika zusammen. 14 Die 12 Kindleberger stellt dagegen den Produktionsrückgang in den USA und die Erhebung von Zöllen in Italien und Frankreich als zwei voneinander unabhängige Entwicklungen dar. Charles P. Kindleberger, Die Weltwirtschaftskrise 1929-1939, (Geschichte der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert Bd.4), München 1973, S.I38 (Kindleberger, Weltwirtschafskrise). 13 Der Börsenkrach darf folglich nicht isoliert betrachtet werden. DetlefJunker, Der unteilbare Weltmarkt. Das ökonomische Interesse in der Außenpolitik der USA 1933-1941, (Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik Bd.8), Stuttgart 1975, S. 37/38 (fortan zitiert als Junker, Weltmarkt). Al/an H. Meltzer, Comments on ,,Monetarist Interpretations" of the Great Depression, in: Karl Brunner (Hrsg.), The Great Depression Revisited, Boston u. a. 1981, S. 157 (fortan zitiert als Meltzer, Comments). 14 Vgl. auch Jude Wanniski, The Way the World Works, New Jersey 19893 (fortan zitiert als Wanniski, The Way).

I. Wirtschaftspolitische Probleme

67

Aussicht auf eine Erhöhung tarifarer Handelshemmnisse in den USA rief einen Vertrauensvertust an den internationalen Kapitalmärkten hervor, der schließlich zum Platzen der Spekulationsblase führte. Als die Krise im Jahre 1932 ihren Höhepunkt erreichte, war die Industrieproduktion in den USA auf 45 Indexpunkte zurückgegangen. Deutschland erreichte dagegen immerhin noch 65, im weiten Abstand folgte Großbritannien mit 92 Punkten. Frankreich erreichte dagegen sein absolutes Tief erst im Jahre 1935. Der Rückgang der industriellen Produktion in Deutschland blieb 1932 weit unter dem Wert, der zum gleichen Zeitpunkt in den Vereinigten Staaten von Amerika verzeichnet wurde.1s Abbildung 1 zeigt, daß der Aufschwung am stärksten in Großbritannien und Deutschland einsetzte, während er wegen des erneuten Einbruchs 1937/38 in den USA und Frankreich relativ schwach war. 16 In Deutschland stieg die Produktion seit 1932 und besonders seit der "Machtergreifung" Hitlers im Jahre 1933 (Rüstungsindustrie & Steuervergünstigungen) wieder kontinuierlich an, wohingegen sie in Frankreich und Großbritannien 1937/38 noch einmalleicht zurückging und in Amerika sogar vergleichsweise stark zusarnrnenbrach. 17 Deramerikanische Anteil an der Weltproduktion blieb aber trotzdes erneuten Produktionseinbruchs immer noch dominierend: Für Fertigwaren sank er von 42% in den Jahren 1926/29 auf 32% in den Jahren 1936/38. Die Anteile Deutschlands, Großbritanniens und Frankreich betrugen 1926/29 dagegen nur 11,6%, 9,4% und 6,6%. Sie sanken 1936/39 auf 10,7%, 9,2% und 4,5%. 18 Noch stärker als die Produktion sanken die Gewinne; die Zahl der Bankrotte stieg und damit auch der Arbeitslosen. Dieses Ergebnis wird durch die Tabelle 1 verdeutlicht. Sie zeigt die Arbeitslosenraten während zweier Perioden: den Jahren 1921 bis 1929 einerseits und den Jahren 1930 bis 1938 andererseits. In den USA betrug die Arbeitslosenrate 5,1% in der ersten Periode und 14,5% in der zweiten. In Großbritannien konnte ein Anstieg von 8, 3% auf 11,7% verzeichnet werden. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise war in Deutschland die höchste Arbeitslosenrate festzustellen. 1s Dazu siehe: Gerd Hardach, Deutschland in der Weltwirtschaft 1870--1970. Eine Einführung in die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Frankfurt am Main 1977, S. 53 (fortan zitiert als Hardach, Deutschland). 16 Siehe auch: Williams, Britain, S. 73. 17 In den USA wies der Rückgang von Einkommen und Produktion von September 1937 bis Juni 1938 eine bis dahin noch nicht dagewesene Schnelligkeit auf. Kenneth D. Roose, The Economics of Recession and Revival. An Interpretation of 1937-38, New York 1954, S. 3 (fortan zitiert als Roose, Economics). 18 League of Nations (Hrsg.), lndustrialization and Foreign Trade, Genf 1945, S.13 (fortan zitiert als League ofNations, Industrialization). Für 1937 siehe: W. S. Woytinsky/E. S. Woytinsky, World Population and Production, Trendsand Outlook, New York 1953, S.1000 (fortan zitiert als Woytinsky, World Population). Danach hatten die USA einen Anteil von 34,4% an der Weltproduktion, Großbritannien von 10,4 %, Deutschland von 10, 3% und Frankreich von 5 %.

68

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Sie betrug für die Jahre 1930 bis 1938 im Durchschnitt 15,2%. Die geringste durchschnittliche Arbeitslosenrate wies Frankreich mit 3,8% in den Jahren 1921 bis 1929 und 10,2% in den Jahren 1930 bis 1938 auf.19 Tabelle 1

Die Arbeitslosenrate 1921-1938 (in%) Länder

1921-29

1930-38

USA

5,1

14,5

Großbritannien

8,3

11,7

Frankreich

3,8

10,2

Deutschland

6,5

15,2

Quelle: Andrew Newell/J. S. V. Symons, The Macroeconomics of the Interwar Years: International Comparisons, in: Barry Eichengreen{fimothy J. Hatton (Hrsg.), Interwar Unemployment in International Perspective, Dordecht 1988, S. 70.

Die Weltwirtschaftskrise war gekennzeichnet durch eine drastische Schrumpfung des Welthandelsvolumens, da die einzelnen Länder durch tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse ihre Volkswirtschaften voneinander abschirmten. Von besonderer Tragweite war die amerikanische Schutzzollpolitik, denn die US-Untemehmer hatten in den zwanziger Jahren teilweise einen Anteil von mehr als 50% an der Weltproduktion inne. Europäische Repressalien infolge von amerikanischen Schutzzollmaßnahmen mußten daher verstärkt zu einer Behinderung des Welthandels und damit auch zu einer Verringerung der Produktion führen. Der Grund für diese Entwicklung lag in einer vehementen Abhängigkeit der exportstarken Staaten, vor allem der USA, von leicht zugänglichen Absatzmärkten. Ein Vergleich zwischen der partiellen und der globalen Perspektive im Hinblick auf eine Formulierung von wirtschaftspolitischen Empfehlungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise läßt die Schwächen einer national beschränkten Sichtweise zutage treten. Diese war vor allem in Amerika festzustellen: Wahrend die Politiker auf einer beschränkt-nationalen Basis Entscheidungen trafen, hätte die wirtschaftliche Situation eine Berücksichtigung der globalen Verhältnisse erfordert. "As is frequently the case in govemment policies, there was a long interval between the need

19 Andrew Newel/11. S. V. Symons, The Macroeconomics of the Interwar Years: International Comparisons, in: Barry Eichengreen/Tunothy J. Hatton (Hrsg.), Interwar Unemployment in International Perspective, Dordecht 1988, S. 70.

69

I. Wirtschaftspolitische Probleme

foradifferent policy and the recognition of this need and change in policy." 20 Die republikanische Regierung unter Herbert C. Hoover hat ihre Fehler aber nie erkannt.21 110

..... . ......... ................................ ..... .... ... .......... .......... . . I 0

0 0

t

I I

I I

I 0

0

I

o

I I

I I

:

:

:

:

:

:

:

:

:

0

I

0

I

0

t

0

I

I

-------:------ --:--------r------ --:---··---:--------r--------:--- --- --· --- --- -:

105 100

: : .. .... . .. .......... -......... -.... ... ........ -- .... . . .. . .. .... . .......... ° : : : : : : : •



:

:





0









0

0



o

o

I

I

0

~•

o

95

.



0

:

. I

.. :

.



'

0

90 85 --{J-

Exportmenge

80

El---[;;,,,,,,r--- -- -~- ------:------ -~ - --- -- --~ -------:

75 70 65

.

------:--------:----- - - i-

:

:



0

'



0

0

0



:

:

·

:

: Weltproduktion

:

:

. :

1933

1934

1935

.

__.__

0

.

------:-- - .----:-------- ~-- -·--- -:--------:-

0

.

-·.----!

:

:

1936

1937

:

60+---4---~--~---+--~----~--+---+---~

1929

1930

1931

1932

1938

Quelle: W. S. Woytinsky/E. S. Woytinsky, World Commerce and Govemments. Trendsand Outlook, New York 1955, S. 43. Eigene Umsetzung. Abbildung 2: Die industrielle Produktion und die Exporte in der Welt 1929-1938 (100 = 1929)

Abbildung 2 zeigt, daß seit 1930 sowohl die industrielle Produktion als auch der Welthandel kontinuierlich abnahmen. Dabei ist zu beobachten, daß die Menge der produzierten Industriegüter zunächst stärker zurückging als der Welthandel und sie ihren absoluten Tiefpunkt im Jahre 1932 in zeitlicher Übereinstimmung mit den Exporten erreichte. Die Güterproduktion sank von 100% im Jahre 1929 auf 63% im Jahre 1932, wohingegen der Welthandel nur bis auf 75% abfiel. Nach 1933 nahm 20 William B. Kelly, Antecedents of Present Commercial Policy, 1922-1934, in: W. B. Kelly (Hrsg.), Studies in United States Commercial Policy, Chapel Hill1963, S.6 (fortan zitiert als Kelly, Antecedents). 21 Herbert Hoover, Memoiren, Die große Wirtschaftskrise 1929-1941, Bd. 3, Mainz o. J., S. 285/286 (fortan zitiert als Hoover, Memoiren Bd. 3).

70

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

dann die Outputmenge erheblich schneller zu als der Welthandel.22 Im Jahre 1937 überstieg die Weltproduktion mit 104% bereits das Niveau von 1929 während das Handelsvolumen mit 97% noch unterhalb dieser Meßlatte lag.23 Der Wirtschaftsdienst der Internationalen Handelskammer interpretierte den langsameren Anstieg des Welthandels im Vergleich zur Weltproduktion als Folge eines Antagonismus zwischen der Wirtschafts- und Welthandelspolitik der einzelnen Nationen.24 Eine Ausweitung des internationalen Handels wurde durch eine Vielzahl tarifärer und nicht-tarifärer Maßnahmen behindert. 25 In dem vergleichsweise gering anwachsenden Handel kann ein entscheidendes Hindernis für den wirtschaftlichen Aufschwung in der Zwischenkriegszeit gesehen werden. Nicht umsonst erstreckte sich die Dauer der Weltwirtschaftskrise über einen derartig langen Zeitraum: "The lag in international exchange of goods seemed to be a major obstacle to the further increase of production and improvement in the standard of living, especially in Western Europe."26

b) Goldstandard Die gesamten Weltgoldvorräte erfuhren seit 1929 eine immer stärkere Zunahme: Im Jahre 1929 wuchsen sie um 2,1 %, im Jahre 1930 um 2,2% und im Jahre 1931 um 2, 3 %. 1935 erreichte das Wachstum einen vorläufigen Höhepunkt mit einem Wert von 2, 7 %. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Goldbestände der Zentralbanken an den gesamten Goldvorräten in der Welt, ohne daß sich aber das Angebot von Krediten erhöhte. Im Jahre 1929 hielten die Zentralbanken 52, 1% der gesamten Weltgoldvorräte, im Jahre 1930 54,2% und 1931 54,6%.27 22 Vgl. auch: A. G. Kenwood!Alan Leslie Lougheed, The Growth of the International Economy 1820-1960. An Introductory Text, London 19923, S. 222/223 (fortan zitiert als Kenwood, Growth). 23 W.S. Woytinsky/E.S. Woytinsky, World Commerce and Govemments. Trendsand Outlook, New York 1955, S.43 (fortan zitiert als Woytinsky, World Commerce). Nach W.Arthur Lewis wies der Welthandel einen stärken Rückgang auf als die Produktion, und zwar 59, 5 Indexpunkte zu 70 Indexpunkten (wenn 1929= 100). Eine Ausnahme stellte aber der Handel mit Rohstoffen dar. Lewis, Economic Survey, S. 58/59. Über die Diskontinuität des Anstiegs von Handel und Produktion nach 1932, siehe auch: Alfred Maizels, Industrial Growth and World Trade. An Empirical Study of Trends in Production, Consumption and Trade in Manufactures from 1899-1959 with Discussion of Probable Future Trends, Cambridge 1963, S. 79/80 (fortan zitiert als Maizels, Production). 24 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Wirtschaftliche Entwicklung. Statistische Angaben, Paris 1937, S.4 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Wirtschaftliche Entwicklung). 2S Vgl. Kenwood, Growth, S. 235. 26 Woytinsky, World Commerce, S.43. 27 Internationale Handelskammer, Wirtschaftliche Entwicklung, S.41. Die gesamten Weltgoldvorräte betrugen 1929 19.986 Millionen Dollar. Der Anteil der Zentralbanken machte 10.405 Millionen Dollar aus.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

71

12000

10000

II

8000

Deutschland

D

6000

GB

4000

Frankreich

2000

USA

c



0

1913

1929

1930

1931

1932

1933

1934

1935

Quelle: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Wirtschaftliche Entwicklung. Statistische Angaben, Paris 1937, S. 42.'

Abbildung 3: Goldreserven der Zentralbanken 1913-1935 in Millionen Gold-$ (1 Dollar= 1,50463 g Feingold)

Abbildung 3 zeigt einen stetigen Anstieg des Anteils der USA, Frankreichs und Großbritanniens an den gesamten Goldbeständen auf der Welt. Die Vereinigten Staaten verfügten 1935 über annähernd die Hälfte der Weltgoldbestände. Die Überlegenheit der Vereinigten Staaten als Exportrnacht, unterstützt durch einen traditionellen Protektionismus, bedeutete für das Land einen ständigen Goldzufiuß. Die amerikanischen Handelspartner verschuldeten sich dagegen immer weiter. Die Goldreserven der deutschen Reichsbank sank beispielsweise von 340, 6 Millionen Golddollar im Jahre 1913 auf 37 Millionen Golddollar im Jahre 1935.28

• Vgl. auch Charles O.Hardy, Is Here Enough Gold? Washington D.C. 1936, S. 92/93 und Eichengreen, Golden Fetters, S. 192. 28 Internationale Handelskammer, Wirtschaftliche Entwicklung, S.42.

72

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Die Internationale Handelskammer reihte die ungleichmäßige Goldverteilung in das Ursachenbündel für die "Große Depression" ein.29 Dadurch sei den Ländern die Grundlage für die Ausweitung der Kredite entzogen worden. Diese wäre für eine Steigerung der wirtschaftlichen Aktivität notwendig gewesen. Das Gold als der wichtigste Bestandteil der Währungsdeckung in der Zwischenkriegszeit wurde den Ländern entzogen, die einer Ausdehnung von Kreditmöglichkeiten am dringendsten bedurft hätten. Diese Entwicklung wurde auch noch dadurch verstärkt, daß Zahlungsverpflichtungen an die USA in Gold zu leisten waren.lo Es erschien äußerst zweifelhaft, daß angesichts dieser ungleichen Verteilung der Goldvorräte ein ernsthafter Versuch von seiten der Internationalen Handelskammer, ein ausgewogenes Goldstandardsystem wiederherzustellen, ohne amerikanische Goldexporte Erfolg haben würde. Diese hätten nur mit Defiziten in der US-Handels- bzw. Kapital- und Dienstleistungsbilanz staffinden können. Abbildung 4 zeigt für die Jahre zwischen 1928 und 1934 auf, inwieweit die Einlagen bei den Notenbanken- einschließlich Notenumlauf- in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika prozentual durch Gold gedeckt waren. In allen vier Ländern kann eine erhebliche Entwicklung in der Golddeckung von Einlagen und Verbindlichkeiten bei den Notenbanken konstatiert werden. Während in Frankreich und Großbritannien ein prozentualer Anstieg der Golddeckung der Einlagen und täglich fälligen Verbindlichkeiten zu verzeichnen war, wies Deutschland sinkende Prozentzahlen auf. Die Golddeckungsquote seiner Zentralbankeinlagen, die im Jahre 1928 47, 5 % markiert hatte, betrug im Jahre 1934 nur noch 1, 6%. In den Vereinigten Staaten von Amerika konnte bis 1930 eine Zunahme der Golddeckung beobachtet werden. Nachdem mit 60,3% der Höhepunkt erreicht worden war, nahm der prozentuale Goldanteil stetig ab und erreichte 1934 einen Wert von 48 %. In Großbritannien konnte nach einem erheblichen Fall der Kurve von 30,3% im Jahre 1928 auf 22,4% im Jahre 1931 ein langsamer Anstieg bis auf 35,6% im Jahre 1934 verzeichnet werden. Den steilsten Anstieg der Verhältniskurve konnte Frankreich aufzeigen. Das Verhältnis zwischen der Golddeckung und den täglich fälligen Verbindlichkeiten erhöhte sich zwischen den Jahren 1928 und 1934 um41,7%.31 29 Robert Masson, Generaldirektor des CrMit Lyonnais und Mitglied des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, richtete sein Augenmerk dagegen eher auf eine ungleiche Kapitalverteilung: ,,Es gibt keine schlechte Goldverteilung, wohl aber eine sehr ungleiche Kapitalverteilung. Schließlich ist das Gold nur das letzte Mittel, um Kapital, das transferiert werden möchte, zu transferieren." Kann man ohne Goldstandard auskommen? Ein Interview über die Goldfrage, in: Internationale Wirtschaft 1 (1931), S. 7. 30 Bericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer zur allgemeinen Lage der Wirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1931), S.3. Jl Internationale Handelskammer (Hrsg.), Währungsprobleme, Drucksache Nr. 3, Pariser Kongreß 1935, S. 4 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Währungsprob1eme).

73

I. Wirtschaftspolitische Probleme

90

%

. ........,.............. .. --------- ....................... ... ..... ' ' '

80

--------- --- - ------

70

- - ------- ----- - -- --

'

-oFrankreich

60

-+-

USA

50

40

-{)-

Deutschland

10

'

'

....... . ....... ~- .... .. ......... -:- . ............. ~ .......... .... .... ·:· ...... . ....... ;::::;. I

0

I

'

I

'

0+-----~------~----~------~----~------~

1928

1929

1930

1931

1932

1933

1934

Quelle: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Währungsprobleme, Drucksache Nr. 3, Pariser Kongreß 1935, S. 4. Abbildung 4: Das Verhältnis zwischen der Golddeckung und den täglich falligen Verbindlichkeiten einschließlich Notenumlauf (in%)

c) Deflation und Zinssätze Eine besondere Bedeutung in der Zeit der Weltwirtschaftskrise kam dem sinkenden Preisniveau (Deflation) zu. Peter Temin betrachtet die Wirtschaft in der Zeit der Weltwirtschaftskrise als ein "subject to major detlationary shocks". 32 Nicht nur in Deutschland und Frankreich, sondern auch in Großbritannien und den USA sanken die Preise. Dabei ist zu beachten, daß in den Industrieländern die Preise für importierte Güter stärker zurückgingen als die Preise für exportierte Güter. Das Gegenteil war der Fall in den rohstoffproduzierenden Ländern. Für dieselben Einheiten an ex-

32

Temin, Lessons, S. 6.

74

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

portierten Rohstoffen konnten diese nur noch eine geringere Menge an verarbeiteten Gütern importieren.33 Für die weltweite Nachfrage nach Fertigwaren sollte sich dies als nachteilig erweisen. Trotz der relativ hohen Preismarge zwischen Rohstoffen und Fertigwaren in den Industriestaaten konnten die Unternehmer zur Zeit der Weltwirtschaftskrise keine höheren Gewinne verzeichnen. In Deutschland sanken beispielsweise die unternehmerischen Profite in den Jahren 1929-30 um 25% verglichen mit den Jahren 1928-29, in den Vereinigten Staaten von Amerika sogar um 40%. Der Grund dafür lag in einer Verteilung der "overhead costs" auf eine geringere Produktion. Dadurch stiegen die Herstellungskosten pro Einheit. Damit einher ging ein Rückgang der Investitionen. In Deutschland verringerten sich die Investitionen allein im Jahre 1930 um 7, 3%.34 Die Investitionsbereitschaft ging zurück, obwohl die nominalen Zinssätze Anfang der dreißiger Jahre ein relativ niedriges Niveau aufwiesen. Zum einen war dieses zurückhaltende Verhalten auf die pessimistischen Erwartungen der Unternehmer zurückzuführen; der nachfragebedingte Produktionsrückgang stellte keinen Anreiz für neue Investitionen dar. Zum anderen herrschtetrotz niedriger Nominalzinssätze ("period of cheap money"35) eine Knappheit bei der Kreditvergabe vor.36 Anna J. Schwartz bestätigt, "that the decline in interest rateswas not equivalent to monetary ease". Der Grund dafür muß vor allem in steigenden Realzinsen, die durch das sinkende Preisniveau hervorgerufen wurden, und den zahlreichen Bankenzusammenbrüchen gelegen haben.37 Anna Schwartz meint daher, daß eine erhöhte Offenmarkt-Politik einen Ausweg aus der Krise gewesen wäre,38 was aber in einer Bankenkrise problematisch war.39

33 Zur Verschlechterung der Terms of Trade, siehe: League of Nations (Hrsg.), The Course and Phases of the World Economic Depression. Report presented to the Assembly of the League of Nations, Genf 1931, S.170 (fortan zitiert als League of Nations, Course). 34 League of Nations, Course, S. 174. Die Auswirkungen, die gestiegene Reallöhne auf die unternehmefischen Profite gehabt haben könnten, wurde dagegen von der Völkerbundsstudie ausgeklammert, da von einem äquivalenten Lohn- und Produktivitätsanstieg ausgegangen wurde. 35 League of Nations (Hrsg.), International Currency Experience. Lessons of the Inter-War Period, Genf 1944, S.19/20 (fortan zitiert als League of Nations, Currency Experience). 36 Über die Auswirkungen der Finanzkrise (1930-33) und besonders einer verringerten Bereitstellung von Krediten auf die aggregierte Produktionsfunktion, siehe: Ben Bernanke, Nonmonetary Effects of the Financial Crisis in the Propagandation of the Great Depression, in: The American Economic Review 73 (1983), S. 257-276. 37 Genaue Zahlen über Bankenzusammenbrüche sind zu finden in: US Department of Commerce. Bureau of Census (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1970, Washington D.C. 1975, S. 1023. 38 Anna J. Schwartz, Unterstanding 1929-1933, in: Brunner, Depression, S. 42. 39 Dasselbe Problem stellt sich in den neunziger Jahren in Japan.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

75

In Deutschland sank die Diskontrate der Zentralbank von 7,1% im Jahre 1929 auf 4,9% im Jahre 1930,40 in den USA von 5,2% im Jahre 1929 auf 3% im Jahre 1930. In Großbritannien und Frankreich sanken die Diskontraten von 5, 5% bzw. 3, 5 % auf 3, 4 % bzw. 2, 7 %.41 Am 14. Mai 1931 verringerte die Bank von England ihren Diskontsatz sogar bis auf 2, 5 %, um ihn dann aber infolge der deutschen Bankenkrise im Juli 1931 wieder heraufzusetzen.42 Der Grund für den erneuten Anstieg lag darin, daß die Bank of England ein Viertel ihrer offiziellen Reserven verloren hatte.43 Auch unmittelbar vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise am 24. Oktober 1929 war kurzzeitig eine Erhöhung der Diskontsätze zu beobachten: Die Federal Reserve Bank in New York erhöhte am 8. August 1929 ihren Leitzins von 5 auf 6%, die Bank of England am 26. September 1929 auf 6,5%.44 Nach dem Zusammenbruch der Österreichischen Creditanstalt am 11. Mai 1931 mit ihren schweren Auswirkungen auf die Darmstädter und Nationalbank (Danat, einer der vier deutschen Großbanken), erreichte die Weltwirtschaftskrise mit dem Bankenkrach in Deutschland am 13. Juli ihren Höhepunkt. Insgesamt gesehen war der Diskontsatz in Deutschland vergleichsweise hoch: Die Reichsbank wartete beispielsweise am 1. bis 11. August 1931 mit einem Diskontsatz von 15% auf; der Lombardsatz wurde sogar auf 20% erhöht.45 Am 10. Dezember kam es dann zu einer Senkung des Diskontsatzes auf 7 %. In der Folge ging der Diskontsatz weiter zurück (9.3.1932 auf 6%; 9.4.1932 auf 5,5%; 28.4.1932 auf 5%).46 1933 überragte der deutsche Leitzinssatz immer noch alle europäischen: In Deutschland betrug der Diskontsatz jetzt 4%, während er in den USA auf 2, 6 %, in Frankreich auf 2, 5 % und in Großbritannien auf 2% gesunken war. 47 Der deutsche Sonderweg im Bereich der Zinspolitik war vor allem auf die Bemühungen der deutschen Wirtschaft zurückzuführen, ausländisches Kapital für Investitionen anzuziehen. Aufgrund des hohen Zinssatzes sank aber der Anteil der Investitionstätigkeit am Bruttosozialprodukt. 40 V gl. Heinrich Irmler, Bankenkrise und Vollbeschäftigungspolitik (1931-1936), in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt am Main 19762, S. 292 (fortan zitiert als Irmler, Bankenkrise). 41 League of Nations (Hrsg.), Statistical Year-Book of the League of Nations 1930/31, Genf 1931, S.296. 42 Richard Sidney Sayers, The Bank of England 1891-1944, Volume 2, Cambridge 1976, S. 389 (fortan zitiert als Sayers, Bank). 43 Susan Howson/Donald Winch, The Economic Advisory Council1930-1939. A Study in Economic Advice During Depression and Recovery, Carnbridge 1977, S. 85 (fortan zitiert als Howson, Economic Advisory). 44 Dies war unter anderem ein auslösender Faktor für die Krise. Herold Bierman, The Causes ofthe 1929 Stock Market Crash. A Speculative Orgy or a New Era?, Westport 1998, S.138. 4' Irmler, Bankenkrise, S. 292. 46 Otto Veit, Grundriß der Währungspolitik, Frankfurt arn Main 19612, S. 552 (fortan zitiert als Veit, Währungspolitik). 47 In den USA sank der Diskontsatz sogar bis auf 1 %. League of Nations (Hrsg.), Statistical Year-Book of the League of Nations 1939!1940, Genf 1940, S. 221.

76

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Die durchschnittliche Nettoinvesitionsquote betrug 1910/13 16 %, 1925/29 10,5%.48 1932 waren die Nettoinvestitionen in Deutschland sogar negativ.49 Seit dem 4. Quartal desselben Jahres erholten sich die Investitionen und stiegen wieder an.so Die Entwicklung der deutschen Diskontrate blieb nicht ohne Wirkung auf die Geldmarktsätze. Sie waren bis zur Jahreswende 1931/32 mehr als doppelt so hoch wie die vergleichbaren ausländischen Sätze. Eine aktive Konjunkturpolitik ging von der Reichsbank folglich nicht aus.51 Geldmarktzinsen zwischen 7 und 10% sollten sich vor allem für Unternehmerische Investitionen nicht gerade als Vorteil erweisen; sie hatten aber als Lockmittel für den Zutluß von Krediten aus dem Ausland zu dienen.52 Die entscheidenden Gründe für den Liquiditätsmangel in Deutschland waren vor allem der Schuldendienst für die Kriegsanleihen und die zu entrichtenden Wiedergutrnachungsleistungen in Form von Reparationen. Sie zogen teilweise das auf dem Kreditwege zugeführte Kapital wieder ab.s3 Die Leistungen im Rahmen des DawesPlans betrugen knapp 8 Milliarden und im Rahmen des Young-Plans (bis Ende Juni 1931) rund 3 Milliarden Goldmark, wovon der Hauptanteil auf Frankreich entfiel.S4 Die Tilgung der Kriegsschulden und insbesondere die hohen Transferzahlungen auf Grund der deutschen Reparationsverpflichtungen stellten insofern eine Belastung für die internationale Wahrungsordnung dar, als damit umfangreiche Transaktionen verbunden waren, die sich in der Zahlungsbilanz bemerkbar machten. Diese erwiesen sich als gravierend, weil ihnen kein ausgleichender Güterstrom als realer Transfer entgegengesetzt wurde. Die deutsche Wirtschaft war demnach vor und in der Zeit der Weltwirtschaftskrise auf einen Zustrom von Auslandskrediten, insbesondere aus den USA, angewiesen. Die meisten Anleihen waren aber nur kurzfristig, wurVgl. BorcluJrdt, Zwangslagen, Anm.67. V gl. Knut BorcluJrdt, Wandlungen des Konjunkturphänomens in den letzten hundert Jahren, in: Knut Borchardt (Hrsg.), Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1982, S. 90. Er stützt sich auf die Daten von W. G. Hoffmann. 50 MicluJel EI/am u. a., Quarterly National Income Accounts or Interwar Germany 1925-1938, Cambridge 1992, S. 7 ff. Für Investitionen in Deutschland siehe auch: Albrecht Ritsch/, Über die Höhe und Struktur der gesamtwirtschaftlichen Investitionen in Deutschland 1935-38, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 79 (1992), S.159 (fortan zitiert als Ritsch/, Höhe und Struktur). st Veit, Wlihrungspolitik, S. 551. 52 Siehe: League of Nations (Hrsg.), Statistical Year-Book of the League of Nations 1939/40, Genf 1940, S. 220. 53 Gerd Hardach, Weltmarktorientierung und relative Stagnation. Währungspolitik in Deutschland 1924-1931, (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 27), Berlin 1976, S. 87 (fortan zitiert als Hardach, Weltmarktorientierung). S4 Hans J. Jarchow/Peter Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft. II. Internationale Wlihrungspolitik, Göttingen 19974, S. 85 (fortan zitiert JarcluJw/Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft). 48

49

I. Wirtschaftspolitische Probleme

77

den jedoch von den Banken häufig langfristig vergeben und oft auch für sogenannte "unproduktive" Zwecke verwendet, wodurch die Krise nicht eben gemildert werden konnte. 110

-{)-

Deutschland 90

-o-

Frankreich -AGroßbritannien

70

-+USA 50 +---~--~--~---+--~--~----~--+-~

1929

1930 1931

1932

1933

1934

1935

1936

1937

1938

Quelle: B. R. Mitchell, International Historical Statistics. Europe 1750-1988, New York 19923, S. 841/842. US Bureau of Census (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1957, Washington D. C. 1960, S. 691. Eigene Umsetzung.

Abbildung 5: Das Preisniveau in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA 1929-1938

In den Jahren 1929 bis 1931 wiesen die vier Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA eine ähnliche Deflationsrate auf (vgl. Abbildung 5). Kindleberger hat einen Zusammenhang zwischen den sinkenden Preisen, dem Kreditstopp von seiten Amerikas und der Weltwirtschaftskrise herausgearbeitet: "The decline in prices and the halt of the precarious revival of long-term Jending in the spring of 1930 are critical to the length and depth of the depression, as they led to the financial crisis 1931. "55 Wahrend in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1933 aber erneut ein langsamer Preisanstieg zu verzeichnen war, wies Frankreich, das zum Goldblock gehörte, immer noch fallende Preise auf. Für den wirtschaftlichen Aufschwung blieb die Zugehörigkeit zum

55

Kindleberger, World in Depression, S.141.

78

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Goldblock nicht ohne Folgen: "In short, world recovery in 1934 and 1935 was limited and fragmented. It excluded the gold bloc."S6 Die Überproduktion in der Welt und die ungleiche Verteilung der Goldvorräte in der Zeit der Weltwirtschaftskrise riefen einen verhängnisvollen Sturz der Großhandelspreise hervor, der nach Ansicht der Internationalen Handelskammer das entscheidende Kennzeichen der weltwirtschaftliehen Krise war.57 Unterschiede konnten zwischen der Senkung der Großhandels- und Kleinhandelspreise festgestellt werden (vgl. Tabelle 2). Tabelle 2 Der Prozentsatz des Rückgangs der Indizes der Groß- und Kleinhandelspreise von Dezember 1929 bis Dezember 1930

Land

Großhandelspreise

Kleinhandelspreise

Frankreich

15,31

8,77

Deutschland

12,29

11,43

England

17,81

11,33

Holland

20,74

5,48

USA

17,19

13,16

Schweiz

15,30

5,10

Belgien

17,30

4,24

Italien

18

9,96

Quelle: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Ansprache des Präsidenten der Internationalen Handelskammer Herrn Georges Theunis, Drucksache Nr. 16, Washingtoner Kongreß 1931, S. 16.

Tabelle 2 zeigt, daß die Baisse der Kleinhandelspreise außer in Deutschland schwach war im Vergleich zu derjenigen der Großhandelspreise. Aus dieser Disproportionalität ergaben sich schwerwiegende Folgen für die Übereinstimmung von Produktion und Verbrauch. Der Grund dafür war folgender: Für die Produzenten sind die Großhandelspreise maßgebend und für die Konsumenten die Kleinhandelspreise. Wenn die Lebenshaltungskosten nicht so schnell fallen wie die Produktionskosten, fallt auch die Neigung zum Konsum geringer aus; die Nachfrage sinkt. Der Völkerbund riet daher zu einer Anpassung der Einzelhandelspreise an die Großhan56

Kindleberger, World in Depression, S. 245.

Memorandum über die Überwindung der Krise von Lord Luke of Pavenham, Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 1/1171, S. 247. 57

I. Wirtschaftspolitische Probleme

79

delspreise, um den "depressing tendencies" durch eine stärkere Kautkraft entgegenzuwirken.58 d) Kreditprobleme und Währungskrise

In dem Bericht der Internationalen Handelskammer über die Wirtschaftslage im Jahre 1931 wurde auch auf die Bedeutung der fixen Lasten für den Staatshaushalt hingewiesen. Die Zinszahlungen und Amortisationen nahmen einen großen Teil der im Budget vorgesehenen Ausgaben ein. In Großbritannien betrug der Anteil 1929 43% und in den Vereinigten Staaten von Amerika 32%. In Frankreich machten die fixen Lasten 1928 33% der gesamten Staatsausgaben aus. In Großbritannien ging die starke Belastung besonders auf die Rückzahlung der Kriegsschulden zurück, die die USA als Hauptgläubiger von ihren Verbündeten erwartete.59 Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftkrise setzte eine Phase der währungspolitischen Desintegration ein, deren Ursache in den strukturellen Schwächen des Währungssystems lag und in der mangelnden Bereitschaft von seiten der USA, dieser Dysfunktionalität durch erhöhte Kapitalexporte entgegenzuwirken.60 Die Währungskrise nahm ihren Anfang im Deutschen Reich, als vor allem die amerikanischen Auslandsgläubiger ihre Kredite zurückzogen. Die deutsche Bankenkrise im Juli 1931 und das Ende der Reichsmark-Konvertibilität im August 1931 standen in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rückzug des amerikanischen Geldes. Die Währungskrise sprang daraufhin auf Großbritannien über: Da Deutschland seine Reparationszahlungen nicht mehr leisten konnte, war auch London nicht mehr imstande, seine Kriegsschulden gegenüber den USA zu tilgen. Die Folge davon war ein regelrechter Ansturm von Pfundgläubigem auf die Bank von England, dem Großbritannien im September 1931 nur noch durch die Suspendierung der Goldeinlösepflicht Herr wurde. Dies bedeutete den Anfang vom Ende des Goldstandards. Es setzte ein regelrechter Abwertungswettlauf ein, in dessen Verlauf der Dollar und auch die restlichen beim Goldstandard verbliebenen Währungen eine starke Aufwertung erfuhren.6I Darauf reagierten dann die USA mit einer Abwertung des amerikanischen Dollar: Im April1933 gaben die Vereinigten Staaten von Amerika trotz eines Überschusses in der Leistungsbilanz und eines hohen Goldbestandes ihre Bindung an das Gold League of Nations, Course, S. 170. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Wirtschaftslage. Berichte der Landesgruppen, Washington-Kongreß 1931, S.68. 60 Jarchow!Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, S. 91-107. 61 Um fast 30% war der Dollar bis Ende 1932 gegenüber dem britischen Pfund gestiegen. Lutz Frühbrodt/Carl-Ludwig Holtfrerich, Die Neugestaltung der US-Wirtschaftspolitik nach 1945. Die Erfahrungen der Zwischenkriegszeit als Argument, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 38 (1998), S. 30 (fortan zitiert als Frühbrodt/Holtfrerich, Die Neugestaltung der USWirtschaftspolitik). 58

59

80

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

auf, indem sie den für die Kursstabilität einer Goldwährung erforderlichen freien Goldverkehr unterbanden. Das Goldausfuhrverbot verhinderte, daß die Goldabitrage eine Abwertung der heimischen Währung abstoppte. Der Abwertung lag die Auffassung zugrunde, daß sie zu einem preisbedingten Konkurrenzvorsprung auf den Exportmärkten führen und gleichzeitig das Preisniveau im eigenen Land erhöhen würde. 62 Kurz, sie erfolgte aus binnenwirtschaftlichen Gründen.63 Betrug der GroShandelspreisindex im März 1933 60,2Punkte, stieg er im Oktober 1933 bis auf71,2 Punkte an.64 Im Januar 1934 erreichte er 72,2 Punkte.6s In der Zeitschrift des Völkerbundes "Review of World Trade" wurde die Abwertung der amerikanischen Währung als ein Indiz für die Gewichtsverlagerung der Krise interpretiert: "The depreciation of the currencies of the two main creditor countries of the world-the United Kingdom and the United States- is a sign of the gradual change of the centre of gravity of the trade depression from debtors to creditors, from non-industrial to industrial countries."66

Am 31. Januar 1934 kehrten die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem "Gold Reserve Act" dann in einer modifzierten Fonn zum Goldstandard zurück. Die Festsetzung der neuen Goldparität auf 35 $ pro Feinunze bedeutete eine Verminderung des Goldgehalts des Dollar um etwas mehr als die Hälfte. Sie kam einer Abwertung gegenüber den Goldblockländern in etwa der gleichen Größenordnung gleich.67 In der Zeit der Weltwirtschaftskrise wurde gern von der "endgültigen Enthronung" des Goldes und der Aufgabe des Goldstandards gesprochen. Theodor Emanuel Gregory von der Internationalen Handelskammer widersprach dieser Auffassung. Das Gold spielte seiner Meinung nach selbst bei den offiziell vom Gold losgelösten Währungssystemen noch eine bedeutende Rolle, so lange das Währungsgesetz einen Ankaufs- und einen Verkaufspreis für Gold festsetze. 68 Ein Jahr nach der Londoner Konferenz 1933 war das Nebeneinanderbestehen von drei Währungs62 Vom Goldzufluß wurde eine direkte Auswirkung auf das Preisniveau vermutet. Amerika kaufte große Mengen an Gold, um den Zinssatz zu senken, was wiederum zu erhöhten Krediten und steigenden Preisen führen sollte. Dieser Zusammenhang ist beschrieben in: Arthur Satter, Some Reflections on The World Economic Depression, Washington D.C. 1931, S.6. 63 Die Experten des Camegie/IHK-Ausschusses waren der Meinung, daß der Wettlauf um die Währungsabwertung weitgehend zum Sturz der Weltpreise beigetragen habe. Die Arbeit des Camegie/IHK-Ausschusses. Das Problem der Währungsstabilisierung, in: Internationale Wirtschaft 9 (1936), S.4. 64 Das ist ein hoher Sprung, der wohl dem Ausmaß der Abwertung entspricht. 65 N. F. Hall/Harold Barger, Die Auswirkungen der Währungsabwertung, in: Internationale Wirtschaft 5 (1936), S. 8. 66 League of Nations (Hrsg.), Review ofWorld Trade 1932, Genf 1933, S. l3. 67 Jarchow/Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, S. 92. 68 Theodor Emanuel Gregory, Gegenwartsprobleme der Währungspolitik, Drucksache Nr. 2, Berliner Kongreß 1937, S. 3 (fortan zitiert als Gregory, Gegenwartsprobleme).

81

I. Wirtschaftspolitische Probleme

gruppen für die internationale Wirtschaft charakteristisch: Die erste und zahlenmäßig größte Gruppe bestand aus den Abwertungsländem, darunter fielen Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika (Gläubiger). Im allgemeinen war eine Abwertung um 40% erfolgt. Die zweite Gruppe war die der Länder mit Devisenbewirtschaftung und umfaßte hauptsächlich die mitteleuropäischen (z. B. Deutschland) und die lateinamerikanischen Staaten (Schuldner). Die dritte Gruppe bildeten die Goldblockländer Belgien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen und die Schweiz. 120

......... .. ....... .. .................. . .... ... .. .

-oDeutschland

-+USA

40

............................................. .

........ GB

20

·················································

-oFrankreich

0+--.--,--.---.--.--.--.--.--,--. 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 Quelle: League of Nations (Hrsg.), Statistical Year-Book ofthe League ofNations 1939/40, Genf1940,S. 202-204.

Abbildung 6: Die Entwicklung des Wechselkurses in den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien 1929-1939 (im Verhältnis zur Goldparität)

Die Aufrechterhaltung der alten Paritäten zwang die Goldblockländer zu einer deflatorischen Wirtschaftspolitik. Mit der Abwertung des französischen Franc im Jahre 1936 war das Ende des Goldblocks besiegelt (vgl. Abbildung 6).69 Abbildung 6 zeigt, daß Deutschland das einzige der vier großen Länder war, das keine einschneidende Abwertung durchführte. Die Goldparität der Währung wurde zunächst von Großbritannien, dann von den USA und abschließend von Frankreich 69

Frühbrodt/Holtfrerich, Die Neugestaltung der US-Wirtschaftspolitik, S. 30.

6 Rosengarten

82

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

entscheidend gelockert. Während die amerikanische Währung seit Mitte der dreißiger Jahre eine Stabilisierung erfuhr, kam es in Großbritannien und Frankreich zu weiteren Währungsabwertungen. Die französische Währung erreichte 1939 mit 37,8 Indexpunkten (1929= 100) einen historischen Tiefstand. e) Wertpapieremissionen und Staatsschulden Die Höhe der Wertpapieremissionen auf den bedeutendsten Kapitalmärkten der Welt bewertete die Internationale Handelskammer als ein aufschlußreiches Barometer für die Entwicklung der Wirtschaft, da es Anstieg und Fall des Vertrauens der Investoren genau anzeigte. Während der Krise war ein starker Rückgang der Kapitalemissionen und ein fast gänzlicher Stopp der Auslandsemissionen zu verzeichnen. In Großbritannien erreichten die privaten Emissionen ihren Tiefpunkt bereits im Jahre 1932, in den Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland und Frankreich erst im Jahre 1933. Tabelle 3

Die öffentlichen und privaten Wertpapierausgaben während der Weltwirtschaftskrise (1929-1934) Jahre

USAMio. $

GBMio. i

Fr.Mio. Fr.

Deut. Mio . RM

öffentl.

privat

öffentl.

privat

öffentl.

privat

öffentl.

privat

1929

1.543

8.639

108

177

4.460

18.256

1.677

987

1930

2.079

4.944

181

87

6.034

24.460

2.891

590

1931

1.352

1.763

51

51

8.948

19.690

1.337

636

1932

867

325

155

33

16.264

10.516

814

160

1933

549

161

205

40

18.225

7.738

1.421

93

1934

1.241

178

89

80

-- --

--

--

Quelle: Öffentliche und private Emissionen während der Krise, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S. 15.

Aus Tabelle 3 geht hervor, daß die Emissionen der öffentlichen Hand in den USA, Großbritannien und Deutschland im Verhältnis zu denjenigen der Privatunternehmen von 1929 bis 1930 stark zugenommen hatten. Nur Frankreich bildete eine Ausnahme: Hier war für den gleichen Zeitraum ein größerer Anstieg der privaten Emissionen zu verzeichnen. Diese Entwicklung kehrte sich. aber seit 1931 in das Gegenteil um.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

83

Betrachtet man den gesamten Zeitraum der Weltwirtschaftkrise, kommt man zum Ergebnis, daß in den USA der prozentuale Anteil der staatlichen Emissionen am nationalen Volkseinkommen von 4% im Jahre 1929 auf 15% im Jahre 1938 angestiegen war, in Frankreich von 19% auf 28 %. 70 Wegen der Einführung des ,,New Deal" erlebten die Vereinigten Staaten von Amerika seit 1934 einen rasanten Anstieg ihrer Staatsschuld: Sie wuchs von 27,7 Milliarden Dollar im Jahre 1934 auf 45,9 Milliarden Dollar im Jahre 1939. In Frankreich konnte dagegen ein Rückgang der Staatsschuld von 21,3 Milliarden Dollar auf 10,7 verzeichnet werden. Während sich in Deutschland die Schulden der öffentlichen Hand von 5, 7 Milliarden Dollar im Jahre 1929 auf 12,4 im Jahre 1939 erhöhten, operierte der britische Staat auf einem höheren Schuldenniveau, d. h. 40,2 Milliarden Dollar im Jahre 1929 und 39, 1 Milliarden Dollar im Jahre 1939.71 Im Laufe der zwanziger Jahre nahm die Steuerquote in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika zu. Ein Vergleich ergab jedoch, daß die deutschen Steuersätze sowohl bei den persönlichen Steuern wie bei den Körperschaftsteuern stets höher lagen als die amerikanischen, britischen und französischen. 72 Die Besteuerung trug wesentlich zu einer erhöhten Kostenbelastung der Unternehmen bei. In Deutschland wirkten sich die Steuersätze auch auf die Finanzstruktur der Unternehmen aus. Gerade die Körperschaftssteuer hatte besonders schädliche Folgen. Da Gewinne eine höhere Besteuerung nach sich zogen als Zinszahlungen, erschien es vielen Unternehmen lukrativer, Kredite selbst zu hohen Zinssätzen aufzunehmen, anstatt den eigenen Kapitalbestand aufzustocken. Im Verlauf der Weltwirtschaftskrise erwies sich der starke Fremdkapitalanteil an der Kapitalausstattung der Unternehmen als eine fundamentale Schwäche des Systems.73 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Internationale Handelskammer die binnenwirtschaftlichen Probleme, die zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA existierten, erkannt hatte. Ihr besonderes Augenmerk richtete die ICC auf den Zusammenhang zwischen den sinkenden Produktionszahlen und dem Rückgang des Welthandelsvolumens. Sie war sich der Bedeutung bewußt, die der Lösung des fallenden Preisniveaus sowie der Kredit-, Goldverteilungs- und Währungsprobleme für eine Milderung der Weltwirtschaftskrise zukam.

°

7 Für Deutschland liegen für das Jahr 1938 keine Zahlen vor. Siehe: League of Nations (Hrsg.), World Econornic Survey 1938/39, Genf 1939, S.58. 71 Woytinsky, World Comrnerce, S. 744. 72 Für den Vergleich zwischen den USA und dem Deutschen Reich siehe auch Susanne Schröder, Steuerlastgestaltung der Aktiengesellschaften und Veranlagung zur Körperschaftsteuer im Deutschen Reich und den USA von 1918 bis 1936. Ein Beitrag zum Problern der Besteuerung in der Demokratie, (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 47), Berlin 1996, S. 26/30/62/64/68 (fortan zitiert als Schröder, Steuerlastgestaltung). Sie berücksichtigt auch die höheren Abschreibungsmöglichkeiten in Deutschland. 73 James, Deutschland, S.137.

6*

84

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

2. Import- und Exportbilanzen

a) Welthandel Für die Zeit der Weltwirtschaftskrise kann ein bedeutender Rückgang des Welthandels festgestellt werden. Er führte zu erheblichen Einkommenseinbußen, welche wiederum die Nachfrage auf den Weltmärkten zurückschraubten. Dieser Effekt war in den Industriestaaten und besonders stark in den Rohstoffländern wie Australien, Kanada und Indien zu spüren.74 Daß speziell in den dreißiger Jahren der Welthandel mit Industrieprodukten zurückging hatte einen triftigen Grund: Die protektionistischen Maßnahmen der einzelnen Länder hatten infolge des amerikanischen Zollgesetzes von 1930 noch einmal erheblich zugenommen. Sie trugen zu einer Beschleunigung des Nachfragerückgangs auf den Exportmärkten bei.7s Der in Golddollar ausgedrückte Welthandel war bis 1932-verglichen mit 1929-um 60,8% gesunken.76 Statt dessen wies die quantitative Menge der ausgetauschten Güter für den gleichen Zeitraum einen Rückgang von 25 % auf, während die Weltproduktion um 37% gesunken war.77 Im Zuge des Aufschwungs im Jahr 1933 erholte sich die industrielle Produktion dann erheblich schneller als der Welthandel (vgl. Abbildung 2). Dadurch kam es zu erneuten Absatzschwierigkeiten. Mit diesem Problem beschäftigte sich ein speziell für seine Untersuchung eingerichteter Ausschuß der Internationalen Handelskammer. 78

74 Über den Zusammenhang von rückläufigem Handel und sinkendem Einkommen, siehe: Philip Friedman, The hnpact of Trade Destruction on National Incomes. A Study of Europe 1924-1938, Gainesville 1974, S. 94/98/107. Er sieht in den Handelsbarrieren einen entscheidenden Grund für die Dauer der Krise. Für die Rohstoflländer: Dietmar Rothermund, The Global Impact of the Great Depression 1929-1939, London 1996 (fortan zitiert als Rothermund, Global Impact). 75 League of Nations, lndustrialization, S. 96. Siehe dazu auch: Saint-Etienne, Depression, 5.11-15. 76 League ofNations (Hrsg.), Review ofWorld Trade 1938, Genf 1939, S.8. Eigene prozentuale Berechnung. n Woytinsky, World Commerce, S. 42. Der Rückgang des europäischen Handels für diese Zeit fiel mit 40% überdurchschnittlich hoch aus. Hermann Van der Wee!Erik Buyst, Europe and the World Economy During the Inter-War Period, in: Carl-Ludwig Holtfrerich (Hrsg.), Interactions in the World Economy. Perspectives from International Econornic History, Exeter 1989 (fortan zitiert als Holtfrerich, Interactions), S. 255. Die Differenz zwischen dem wert- und mengenmäßig berechneten Güteraustausch ist auf den mit der "Großen Depression" einsetzenden Preisverfall zurückzuführen. Eine Untersuchung der mengenmäßigen Veränderungen der Handelsströme ist daher für analytische Zwecke eher geeignet. 78 Jules Menken, Arbeiten und Ziele des Internationalen Ausschusses für Absatzorganisation, WienerKongreß 1933, S.8/12.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

85

Tabelle 4 Die Entwicklung des Welthandels 1929-1938 (in Mio. Dollar)

Mio. US-$

1929

1932

1934

1936

1937

1938

Importe

35.595

13.968

11.981

13.142

16.342

14.319

Exporte

33.024

12.885

11.333

12.581

15.427

13.417

Ex.menge

= 100

74,5

78,2

85,8

96,5

89

Total

68.619

26.853

23.314

25.723

31.769

27.736

Quelle: League ofNations (Hrsg.), Review ofWorld Trade 1938, Genf 1939, S. 8. W. S. Woytinsky/E. S. Woytinsky, World Commerce and Governments. Trends and Outlook, New York 1955, S. 39.

Tabelle 4 zeigt, daß der in US-Dollar ausgedrückte Welthandel seit dem Jahre 1929 einen kontinuierlichen Abstieg erfuhr. Exporte und Importe gingen zurück. Der Welthandel sank von 68.619 Millionen US-Dollar im Jahre 1929 auf 23.314 Millionen im Jahre 1934 (um 66, I%). Danach stieg er 1937 wieder bis auf 31.769 Millionen US-Dollar an und sank in der US-Krise 1938 erneut auf 27.736 Millionen ab. Die wertmäßigen Importe auf der Welt verliefen kontinuierlich etwas oberhalb des Wertes der gesamten Exporte.79 In den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien ging folglich seit 1929 der Wert des weltweiten Warenhandels stark zurück (vgl. Tabelle 5). Tabelle 5 zeigt, daß der größte Rückgang im Außenhandel in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verzeichnen war. Im Vergleich zu 1929 war im Jahre 1932 der Wert der amerikanischen Importe von 4.463 auf 1.342 Millionen Dollar gesunken (um 70%) und die Exporte von 5.324 auf 1.624 Millionen Dollar (um 69%).80 1928 ging das Gros der US-Exporte (18,2 %) nach Kanada, dicht gefolgt von Großbritannien mit 16,5 %. In Deutschland wurden 9, I% und in Frankreich 4, 7% der amerikanischen Ausfuhren abgesetzt.81

79 League of Nations (Hrsg.), Review of World Trade 1938, Genf 1939, S. 8. so Der Anteil der amerikanischen Importe an den weltweiten Gesamteinfuhren betrug 1934 nur 7 %. Woytinsky, World Commerce, S. 262. 81 Douglas A.lrwin, From Smoot-Hawley to Reciprocal Trade Agreements: Changing the Course in the 1930s, in: Michael D. Bordo/Claudia Goldin/Eugene N. White (Hrsg.), The Defining Moment: The Great Depression and the American Economy in the TWentieth Century, Chicago 1998, S . 339 (fortan zitiert als Jrwin, Smoot-Hawley und Bordo/Goldin/White, Defining Moment).

86

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise Tabelle 5

Der Wert vonWarenim-und -exporten 1929-1939 (in Mio. Dollar) Land

1929

1930

1932

1933

1934

1935

1937

1938

USAI

4.463

3.108

1.342

1.509

1.757

2.402

3.175

2.191

USAE

5.324

3.897

1.624

1.694

2.149

2.301

3.361

3.101

Deut. I

3.203

2.476

1.108

996

1.045

1.681

2.205

2.440

Deut.E

3.212

2.867

1.363

1.155

991

1.728

2.384

2.266

Fran. I

2.282

2.058

1.171

1.117

905

1.398

1.703

1.333

Fran. E

1.965

1.680

774

724

700

1.034

960

881

UKI

5.407

4.568

2.276

2.073

2.044

3.925

5.185

4.585

UKE

3.549

2.777

1.279

1.220

4.189

2.641

2.999

2.744

Quelle: W. S. Woytinsky!E. S. Woytinsky, World Commerce and Governments. Trendsand Outlook, New York 1955, S. 48/50 und League ofNations (Hrsg.), Statistical Year-Book ofthe League of Nations 1939/40, Genf 1940, S. 182-186. Dabei ist zu beachten, daß der Ein- und Ausfuhrwert sich natürlich infolge der Abwertung erhöhte.

Nachdem der absolute Tiefpunkt im Jahre 1932 erreicht worden war, stieg der wertmäßig berechnete Außenhandellangsam wieder an. Erst nach der Verabschiedung des Reciprocal Trade Agreements Act von 1934, das Zollbarrieren auf bilateraler Basis abbaute, nahmen die amerikanischen Im- und Exporte wieder stärker zu. Mit dem US-Konjunk:tureinbruch kam es 1938 wieder zu einem Rückgang des amerikanischen Außenhandels. Der US-Anteil am gesamten Welthandel sank zwischen 1929 und 1932 von 17,8% auf 14,2%82 und erreichte im Jahre 1938 mit 12,1% seinen Tiefstand.83 Vor allem die amerikanischen Ausfuhren nach Europa hatten unter den dortigen Zollanhebungen gelitten. Sie sanken um 36 %, dicht gefolgt von den Exporten nach Lateinamerika. Es war vor allem die verarbeitende Industrie, die unter dem Han82 Woytinsky, World Commerce, S. 44/45. Der britische, französische, belgische, niederländische, japanische, italienische und russische Anteil am Welthandel verzeichnete dagegen einen Anstieg. The Department of State (Hrsg.), Radio Address by Francis B.Sayre, Washington D. C. 1934, S. 2. 83 Carl-Ludwig Holtfrerich, US Economic (Policy) Development and World Trade During the IntelWar Period Compared to the Last 1\venty Years, in: Ivan T. Berend/Knut Borchardt (Hrsg.), The Impact of the Depression of the 1930's and Its Relevance for the Contemporary World. Comparative Studies Prepared for the A/5 Session of the 9th International Economic History Congress, 24-29 August, 1986, Bem, Switzerland, Budapest 1986, S. 62 (fortan zitiert als Holtfrerich, US Economic (Policy) und Berend!Borchardt, Impact of the Great Depression).

I. Wirtschaftspolitische Probleme

87

delsrückgang litt. Ihre Produkte machten nämlich 42% der gesamten Exporte aus.84 Vor allem die Maschinen- und Automobilindustrie war von dem Exportrückgang betroffen, da die Amerikaner normalerweise zwischen 20 und 40% ihrer Produktion im Ausland absetzten. Umso negativer wirkte sich der Nachfragerückgang Europas aus: Der Verkaufvon amerikanischen Kraftfahrzeugen (inklusive Exporte) sank um 77,7% seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, genauer von 4, 5 Millionen im Jahre 1929 auf 1 Million im Jahre 1932.85 Dieser Absatzverlust führte zu starken negativen Rückkopplungseffekten auf die Binnenwirtschaft, denn die Autoproduktion war zum Motor des wirtschaftlichen Wachstums geworden. In den USA entwickelte sich das Automobil zu einem Massenkonsumgut Es war für die Entstehung ganzer Industrien, wie die Gummiindustrie, und den Ausbau der Infrastruktur verantwortlich.S6 Carl-Ludwig Holtfrerich hat den Einfluß der amerikanischen Wirtschaftsentwicklung auf die weltweite ökonomische Aktivität nachhaltig betont: "lt is especially noteworthy that throughout the whole interwar period big slumps in the US economy coincided with big declines in US imports and with depression of world exports and world economic activity, as in the crisis years 1921, 1930 and 1938."87

Im Vergleich zu den anderen Industrieländern war der Anteil des US-Außenhandels am Bruttosozialprodukt jedoch sehr gering: Machten die Exporte von Fertigwaren 1929 einen Anteil von 5,1% am Bruttosozialprodukt aus, erreichten sie im Jahre 1932 mit einem Anteil von 2, 8% ihren absoluten Tiefpunkt, die Importe mit 2, 3 %. Bis 1937 trat mit der Erhöhung des Anteilsam BSP bis auf 3, 7% für Exporte und 3, 4% für Importe eine leichte Erholung ein.S8 Trotz des relativ geringen Anteils der amerikanischen Exporte am US-Bruttosozialprodukt lag die prozentuale Bedeutung des Außenhandels für einzelne Produkte der amerikanischen Wirtschaft erheblich höher. Winthrop W. Aldrich vom amerikanischen Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer folgerte daraus: ,,No percentages can take adequate account of the organic interdependence offoreign and domestic business."89 Bereits ein generelles 84 Note vom 1. Apri11933, in: AD B-Information Economique 34, S. 9. Wie unterschiedlich sich die Wachstumsraten von amerikanischen Im- und Exporten in den USA für die Zeit von 1921 bis 1938 entwickelten, wird besonders deutlich aufgezeigt bei Holtfrerich, US Economic (Policy), S. 78. 85 Stewart Ross, Causes and Consequences ofthe Great Depression, Austin 1998 (fortan zitiert als Ross, Causes). 86 Note vom 1. April1933, in: AD B-Information Economique 34, S.10. Siehe auch HHL: Report of Subcommittee of American Section. International Chamber of Commerce on Thirty Years of Europe- United States Trade, S. 3. 87 Holtfrerich, US Economic (Policy), S. 65. 88 US Department of Commerce. Bureau of the Census (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1970, Washington D. C. 1975, S. 887. 89 NA 1: Statement ofWinthrop W. Aldrich, Präsident der Chase National Bank in New York, in: Hearings Before the Committee on Finance United States Senate. Investigation of Econo-

88

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Einfuhrverbot für das wichtigste Produktionsgut eines Landes hätte seiner Meinung nach zum Zusammenbruch der Binnenwirtschaft führen können, zumal der Anteil von amerikanischen Produkten an den europäischen Einfuhren relativ hoch war: So machte beispielsweise die amerikanischen Produkte 1930 12,6% der deutschen Importe aus. 90 Insgesamt gesehen, nahmen die Exporte auch in der europäischen WJ.rtschaft eine wichtige Stellung ein: Im Jahre 1929 betrug der Anteil von Exporten am britischen BSP 24,2%, am deutschen BSP 14,4% und am französischen BSP 13,8 %. Großbritannien und Frankreich erreichten 1936 mit einem Exportanteil von 7, 5 % bzw. 5, 3% am BSP den Tiefstand, Deutschland mit 5,1% zwei Jahre später.91 In Deutschland fielen die Einfuhren von 3.203 Millionen Dollar im Jahre 1929 auf 996 Millionen Dollar im Jahre 1933 bzw. auf 1.045 im Jahre 1934; die Ausfuhren von 3.212 Millionen Dollar im Jahre 1929 auf 991 Millionen Dollar vier Jahre später. 92 Der Grund für einen Rückgang der deutschen Importe lag vor allem darin, daß Deutschland in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ein Land mit scharfer Devisenbewirtschaftung war93, d. h. einer auf partielle oder totale Regelung der Verwendung der Deviseneinnahmen gerichtete Politik. Im Jahre 1937 entfiel mehr als 50% des deutschen Außenhandels auf Verrechnungsabkommen. Diese schlossen jeden Devisentransfer aus. Die Zahl der in Deutschland bestehenden Verrechnungsabkommen erhöhte sich von vierzehn im Jahre 1936 auf einundzwanzig im Jahre 1939.94 Die französischen Exporte sanken von 1.965 Millionen Dollar im Jahre 1929 auf 700 Millionen Dollar im Jahre 1934. Wahrend des gleichen Zeitraums erlebten auch die Importe ihren stärksten Rückgang, und zwar von 2.282 Millionen Dollar im Jahre 1929 auf90S Millionen Dollar im Jahre 1934. Nach einem Abfall des Außenhandels stiegen die französischen Im- und Exporte erst wieder 1935 an, und zwar die Einfuhren um 54,4% und die Ausfuhren um 47,4%. Die Unausgeglichenheit zwischen Ein- und Ausfuhren führte zu einem beträchtlichen Handelsbilanzdefizit mic Problems, 72d Congress, 2d Session pursuant toS. Res. 315, Washington D. C. 1933, S. 533. 1929 lag beispielsweise der von den USA exportierte Anteil der gesamten Baumwollproduktion bei 55 %, der gesamten Tabakproduktion bei 41 %, der gesamten Schmierölproduktion bei 31 %, der gesamten Schreibmaschinenproduktion bei 40%, der gesamten Nähmaschinenproduktion bei 28% und der gesamten Autoproduktion bei 14%. 90 Statistisches Reichsamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1933, Berlin 1933, S.221. 9 1 Saint-Etienne, Great Depression, S. 32. 92 Woytinsky, World Commerce, S. 48/50 und League of Nations (Hrsg.), Statistical YearBook of the League ofNations 1939/40, Genf 1940, S.182-186. 93 Hauptmerkmal eines Systems der Devisenbewirtschaftung ist ein Monopol des Staates bzw. der Notenbank. Exporteure müssen Deviseneinnahmen an den Staat abführen, der diese dann den Importeuren zuteilt. Durch die Einschränkung der internationalen Kapitalverkehrsströme kommt es zu einer Verzemmg der internationalen Handelsströme. Gabler Wirtschafts Lexikon, Bd. 2, Wiesbaden 199313, S. 775. 94 Der Verrechnungsverkehr im Welthandel, in: Internationale Wirtschaft 1 ( 1939), S. 12/13.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

89

Die britischen Importe, die im Jahre 1929 noch 5.407 Millionen Dollar betragen hatten, erreichten 1934 mit 2.044 Millionen Dollar ihren Tiefpunkt; die Exporte bereits im Jahre 1933 mit einem Wert von 1.220 Millionen Dollar. Die Importe verzeichneten dann für die Zeit bis 1935 eine Zunahme um 92%, während die Exporte wieder im Begriff waren abzunehmen. Sie hatten bereits 1934 mit 4.189 Millionen Dollar ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.95 Vergleicht man die Entwicklung des gesamten Außenhandels von Großbritannien, Deutschland, den USA und Frankreich, so kann folgendes festgestellt werden: Seit dem Jahre 1929 erlitten alle vier Länder einen rasanten Abstieg ihres wertmäßigen Außenhandels. Seit dem Jahre 1933 verzeichnete der britische Außenhandel den größten Anstieg. Von 3, 2 Milliarden Dollar im Jahre 1933 erhöhte sich der britische Außenhandel auf 6,2 Milliarden Dollar im Jahre 1934 und 8,1 Milliarden Dollar im Jahre 1937. Danach ging er leicht wieder zurück (vgl. Abbildung 7). Der Wert des amerikanischen Außenhandels entwickelte sich seit 1934 parallel zum britischen, nur auf einer darunter gelegenen Stufe: Betrug der Handel im Jahre 1933 wertmäßig 3, 2 Milliarden Dollar, stieg er im Jahre 1934 auf 3, 9 Milliarden Dollar an und erreichte im Jahre 1937 einen Wert von 6,5 Milliarden Dollar.96 Der deutsche Handel erreichte erst im Jahre 1934 seinen Tiefpunkt mit 2 Milliarden Dollar und zog dann wieder an, bis er im Jahre 1938 einen vorläufigen Höhepunkt mit 4, 7 Milliarden Dollar erreichte. Daß der deutsche Außenhandel trotz der Krise von 1937/38 anstieg,97 hing mit einer Produktions- und Exportförderung durch eine Vielzahl undurchschaubarer Kreditversicherungen, Kurssicherungen und Subventionen zusammen.98 Der außen- und handelspolitische Kurs der nationalsozialistischen Regierung fand seinen Ausdruck 1934 im sogenannten ,,Neuen Plan", 1936 im "Vierjahresplan". Trotz umfangreicher Exportsubventionen blieb 1937 der Außenhandelsüberschuß aber um 100 Millionen RM hinter dem des Jahres 1936 zurück.99 Das Schlußlicht im Bereich des Außenhandels bildete Frankreich: Mit 1,6 Milliarden Dollar erreichte der französische Außenhandel im Jahre 1934 sein Krisentiefund mit 2,6 Milliarden Dollar im Jahre 1937 seinen höchsten Wert (vgl. Abbildung 7). 100 Von 1933 auf 1934 waren die britischen Exporte um 243,3% gestiegen. Trotz der bilateralen Handelsabkommen seit 1934 erholte sich der amerikanische Außenhandel nur langsam. 97 Gottfried Haber/er, Die Weltwirtschaft und das internationale Währungssystem in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt am Main 1976, S.213 (fortan zitiert als Haber/er, Weltwirtschaft und Deutsche Bundesbank, Währung und Wirtschaft). 98 Eckart Teichert, Autarkie und Großraumwirtschaft in Deutschland 1930-1939. Außenwirtschaftspolitische Konzeption zwischen Weltwirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg, (Studien zur modernen Geschichte Bd. 30), München 1984, S.42 (fortan zitiert als Teichert, Autarkie). 99 Teichert, Autarkie, S. 46. •oo Woytinsky, World Commerce, 5.48/50. 9S

96

90

C . Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

.. .... ... . ..... . ..... " ... .. ...... . .. . . ....................... . ...... ... .

12

I

0







I

o

I

I

I

0

I

I

0

..... .

0

0

0

I







0

0



o

o

I

o

I

I

0

I

0

0

I

0

I

I

I

0

I

0

I

o

...... , ...... , . ... ..........., .......................,.... ...,........ I

10

0

I

I

I

I

I

I

I

I

0

0

I

I

I

I

I

0

0

0

I

0

I

I

0

0

0

0

0

0

0

I

.

I

t t

'

. I

I

I

0

0

0

0

I

. I

0

0

0

I

. 0

0

0

I

0

I

I

0

0

0

I

I

I

.

.. .... ' ...... " ...... " ... .. . . .. . - ,.._.. . .. ·'·. .. . . 0

0

0

I

I

I

I

I

I

0

.

. 0

0

0

'

I

I

~-

0 I

0

0

0

......... GB

-+-

USA

-0Deutsch1and

4

• • J • • - • • • - · - • • - • • -·- • • • • •

L..J:' , .,..,,- " '

I

I

I

0 0

I I

0 I

I

I

0

I

I

I

I

I

0

I

0

0

I

I

I

0

I

I I

-oFrankreich

o+---~---4----~--4----+--~----+---~---+--~

1929

1930

1931

1932

1933

1934

1935

1936

1937

1938

1939

Quelle: W. S. Woytinsky und E. S . Woytinsky, World Commerce and Govemments. Trends and Outlook, New York 1955, S. 48/50. Abbildung 7: Der gesamte Außenhandel von Großbritannien, Deutschland, USA und Frankreich 1929-1939 (in Mrd. Dollar)

b) Gold- und Silberhandel Tabelle 6 zeigt den Wert von im- und exportiertem Gold und Silber in der Welt. Im Vergleich zum übrigen Gütermarkt stieg der Gold- und Silberhandel zu Anfang der Krise in den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien vehement an, um dann langsam wieder abzunehmen. Im Vergleich zu 1929 nahmen die amerikanischen Gold- und Silberimporte 1930 um 80,2% zu, die Gold- und Silberexporte um 146,6%. In der darauffolgenden Zeit gingen die amerikanischen Goldexporte kontinuierlich zurück, bis sie im Jahre 1939 einen Wert von 15 Millionen US-Golddollar erreichten. Darunter litten vor allem die deutschen Gold- und Silbereinfuhren: Während Deutschland im Jahre 1929 noch 551 Millionen Goldmark importierte, schrumpfte der Betrag bis zum Jahre 1939 auf 87 Millionen Goldmark. Zur seihen Zeit sanken auch deutschen Gold- und Silberexporte, und zwar von 973 Millionen Goldmark auf 82 Millionen.101 Für die Gesundung der deutschen Wirtschaft waren die geringen Gold- und Silberimporte nicht eben förderlich; vor allem weil die Währung auf einer Goldbasis beruhte- seit Sommer 1931 war sie aber nicht mehr konvertibel. Die französischen Gold- und Silberimporte stiegen von 8. 704 Millio1°1 League of Nations (Hrsg.), Statistical Year-Book of the League ofNations 1939/40, Genf 1940, S. 182-186. Eigene prozentuale Berechnung.

91

I. Wirtschaftspolitische Probleme

nen Gold-Francs im Jahre 1929 auf 23.601 Millionen im Jahre 1932 an, und auch die britischen Gold- und Silberimporte verzeichneten einen Aufwärtstrend: Betrugen sie 1929 70 Millionen Gold-Pfund, verzeichneten sie 1936 einen Wert von 331 Millionen. Gleichzeitig war in Frankreich und Großbritannien aber auch ein Anstieg der Gold- und Silberexporte festzustellen; diese Entwicklung schien mit der Abzahlung der Kriegsschulden an die USA zusammenzuhängen. 102 Tabelle 6 Der Wert von Im- und Exporten von Gold und Silber 1929-1939 (in Landeswährung (Gold)/Mio.)t03 Land

1929

1930

1932

1933

1934

1935

1936

1939

USA I

355

640

383

253

1.289

2.095

1.326

3.660

USAE

200

493

823

385

69

20

39

15

Deut. I

551

416

363

406

282

151

111

87

Deut.E

973

1.423

451

833

500

49

102

82

Fran. I

8.704

21.820

23.601

17.579

6.665

12.697

6.937

Fran. E

197

3.278

2.470

11.342

12.805

25.028

26.160

---

UKI

70

106

160

262

284

284

331

165

UKE

86

139

140

65

141

228

104

461

Quelle: League of Nations (Hrsg.), Statistical Year-Book of the League of Nations 1939/40, Genf 1940, S. 182-186.

c) Fertigwarenhandel

Die Fertigwarenindustrie stellte den von der Krise am schwersten betroffenen Produktionszweig dar. 104 Das war für den Verlauf der Krise von erheblicher Bedeutung, denn Deutschland, Frankreich und Großbritannien waren Länder mit überwiegender Fertigwarenausfuhr. 1929 machten sie in Deutschland und Großbritannien einen Anteil von 69 %, in Frankreich 66% an den Gesamtausfuhren aus. In den USA 102 League ofNations (Hrsg.), Statistical Year-Book of the League ofNations 1939/40, Genf 1940, s. 182-186. 103 Hier wird Gold auch als Ware berucksichtigt. Siehe: Woytinsky, World Commerce, S. 48. 104 Weltwirtschaftlicher Wiederaufbau. Professor Ohlin über die Zukunft des Welthandels, in: Internationale Wirtschaft 9 ( 1936), S. 16.

92

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

verzeichneten dagegen die Fertigwaren zur selben Zeit einen Anteil von 44%.IOs Damit repräsentierte die Internationale Handelskammer eine Körperschaft, deren Mitglieder besonders stark von der Krise betroffen waren. Dadurch kamen ihren Empfehlungen zur Milderung der Krise erhebliche Bedeutung zu. Abbildung 8 zeigt den Rückgang des französischen, britischen und deutschen Anteils am Welthandel mit Fertigwaren von 6,6%, 9,4% bzw. 11,6% in den Jahren 1926/29 auf 4,5%, 9, 2% bzw. 10,7% in den Jahren 1936/39. Die Zahlen erscheinen relativ gering. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der wertmäßige Anteil von Fertigwaren z. B. an britischen Exporten zwischen den Jahren 1935 und 1937 72% der gesamten Ausfuhren ausmachte, erhält man ein ganz anderes Bild von ihrer Bedeutung. Der Anteil der westlichen Industriewelt am Handel mit Fertigwaren nahm ab. Dies war insofern von Bedeutung, als 57% aller Exporte der europäischen Länder auf Fertigwaren entfielen.106 Wegen der großen Bedeutung der Fertigwarenindustrie Europas im Vergleich zum Agrarsektor und dem Rohstoffmarkt konzentriert sich die vorliegende Arbeit ausschließlich auf die Fertigwarenindustrie. Auch die amerikanische Beteiligung am Welthandel von Fertigwaren sank. 107 Sie zeigte einen Rückgang von 42, 2% (1926/29) auf 32,2% (1936/38). Der amerikanische Verlust kam dem russischen Anteil am Welthandel an Fertigwaren zugute. Dieser stieg von 4, 3% in den Jahren 1926/29 auf 18,5% in den Jahren 1936/39.108 In der Weltwirtschaftskrise änderte sich die regionale Struktur des Welthandels stark. Europa war von dem Rückgang des Welthandels prozentual gesehen weniger stark betroffen als die Vereinigten Staaten von Amerika. Von 1929 bis 1932 fiel der amerikanische Anteil am Welthandel bei den Einfuhren von 23% auf 16, 9% und bei den Ausfuhren von 28, 6% auf 24,5 %. Während des gleichen Zeitraums stieg der Anteil Europas bei den Einfuhren von 56% auf 61,4% und bei den Ausfuhren von 49,4% auf 52,7%. 109 In Hinblick auf diese unterschiedliche Entwicklung in Europa und den USA macht Carl-Ludwig Holtfrerich auf ein Forschungsdesiderat aufmerksam: Er stellt die Frage, ob für den gestiegenen europäischen Anteil am Vgl.: Hicknumn/Rieker, Handbuch, S.S/9. League of Nations (Hrsg.), Europe's Trade. A Study of European Countries with Each Other and with the Restofthe World, Genf 1941, S.6 (fortan zitiert als League ofNations, Europe's Trade). 10 7 League of Nations, Industrialization, S.l3. Auf den gesamten Welthandel bezogen stellt Woytinsky fürdas Jahr 1932 einen im Vergleich zu 1929 gestiegenen Anteil Europas am Welthandel fest: ,,Europe regained its predominant position during the depression in the early 1930's, which almost paralyzed economic life in the United States but was less severe in most of the old countries." Wahrend der amerikanische Anteil am gesamten Außenhandel von 17,7% im Jahre 1929 auf 14,2% im Jahre 1932 sank, stieg dereuropäische Anteil von 51,1% im Jahre 1929 auf 53, 7 % im Jahre 1932 an. Danach verzeichnete er wieder einen Rückgang. Woytinsky, World Commerce, S.44/45. ws League of Nations, Industrialization, S.l3. 109 Hickmann!Rieker, Handbuch, S. l6/17. 10'

106

93

I. Wirtschaftspolitische Probleme

Welthandel ein im Vergleich zu Amerika geringerer Protektionismus beigetragen habe oder aber die Tatsache, daß ein Großteil des innereuropäischen Außenhandels seinem Charakter nach dem "interstate commerce" der USA entsprach.110

m 1926/29

Frankreich

II 1936/38

GB

Deutschland

USA

32,2 %

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

Quelle: League of Nations (Hrsg.), Industrialization and Foreign Trade, Genf 1945, S. 13. Abbildung 8: Der Anteil am Welthandel mit Fertigwaren 1926/29 und 1936/38 (in%)

d) Regionale Struktur des Handels Zu Beginn der Weltwirtschaftskrise stellte der innereuropäische Handel eine wichtige Komponente dar. 111 Erst der britische Import Duties Act von 1932 wirkte

°

11 Carl-Ludwig Holtfrerich, Weltwirtschaftskrise und Außenhandel. Forschungsstand und Forschungsaufgaben, in: Büsch/Witt, Internationale Zusammenhänge, S. 55/56 (fortan zitiert als Holtfrerich, Weltwirtschaftskrise und Außenhandel). tll Siehe dazu: United Nations Economic Commission, Growth, S. 170. Für Deutschland siehe: Theo Balderston, The Origins and Course of the German Economic Crisis. November 1929 to May 1932, Berlin 1993, S.122/123 (fortan zitiert als Balderston, Origins). Auch wenn sich der Anteil des französischen Handels mit Europa innerhalb eines Jahrzehntes minimal verringerte, und zwardie Exporte von 64% im Jahre 1928 auf 55% im Jahre 1938, die Importe von 43% im Jahre 1928 auf 34% im Jahre 1938, blieben die europäischen Staaten stets als wichtige Handelspartner bestehen. Die französische Handelsbilanz mit den europäischen Staaten wies auch in der Zeit der "Großen Depression" einen Überschuß auf. Nur mit Großbritannien bestand ein Handelsbilanzdefizit Ganz anders verlief der britische Handel mit dem europäischen Kontinent: Für den gleichen Zeitraum wies er ein Defizit auf. Eine Ausnahme bildete nur der Handel mit Deutschland, der für Großbritannien einen Überschuß in der Handelsbilanz erbrachte. Die britischen Im- und Exporte nach Europa überschritten im Gegensatz zu Frankreich nicht die 30%-Grenze, gemessen am gesamten Außenhandel des Vereinig-

94

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

sich negativ auf die europäischen Exporte aus; diese Abnahme des innereuropäischen Handels wurde wenige Jahre später noch durch eine auf Autarkie gerichtete Wirtschaftspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands verstärkt. 112 In der Zwischenkriegszeit war vor allem Deutschland mehr als alle anderen wirtschaftlich entwickelten Staaten von Exportüberschüssen im Handel mit den anderen europäischen Ländern abhängig; nur damit war es in der Lage, sein Handelsdefizit mit nichteuropäischen Ländern auszugleichen und den Reparationsverpflichtungen nachzukommen.t 13 Setzte Deutschland im Jahre 1927 bereits 75% seiner Exporte in Europa ab, stieg der Anteil im Jahre 1931 sogar auf81 %. VorderKrise waren Großbritannien, Frankreich, Holland und die skandinavischen Staaten die wichtigsten Abnehmer für die deutschen Produkte. Aufgrund der Abwertung des Pfundes und der Erhebung von Zöllen wendete sich dann das Blatt: Verglichen mit den Ausfuhren im Jahre 1931 sanken die deutschen Exporte in das Vereinigte Königreich 1934 beispielsweise um 66% (verglichen mit den Ausfuhren im Jahre 1929 sogar um 81 %).1 14 Der Anteil Westeuropas und der USA an den deutschen Importen sank in den Jahren 1932 bis 1938 von 33,3% auf 24, 5 %, an den deutschen Exporten von 45,6% auf30, 3%. Der Anteil Südost- und Nordeuropas, Ägyptens, der Tii'rkei, Vorderasiens und Lateinamerikas stieg andererseits im gleichen Zeitraum von 23,5% auf39,5% für die deutschen Importe und von 18,3% auf 40,3% für die Exporte.t 15 Die Verteilung des deutschen Außenhandels erfuhr also während der "Großen Depression" eine Strukturänderung: Nicht mehr Westeuropa (Großbritannien und Frankreich) war die bevorzugte Region, mit der Handel getrieben wurde, sondern Südost- und Nordeuropa. Der deutsche Handel mit Südosteuropa nahm von 1929 bis 1938 von 5% auf 13% fürdie Exporte und von4,5% auf 12% für die Importe zu} 16 Außerhalb Europas gewannen noch Lateinamerika und Vorderasien an Gewicht. Der Anteil von Fertigwaren an den russischen Importen stieg im Laufe der Krise, und zwar von 37,7% im Jahre 1929 auf 61,6% im Jahre 1932. Die Einfuhr von Rohstoffen ging dagegen zurück, und zwar von 52,6% im Jahre 1929 auf 28,5% im ten Königreichs; sie waren aber trotzdem nicht bedeutungslos. League of Nations, Europe's Trade, S. 40/44/90. Siehe auch: League of Nations (Hrsg.), The Network of World Trade. A Companion Volume to ,,Europe 's Trade", Genf 1942, S. 39/40 (fortan zitiert als League of Nations, Network). Siehe auch United Nations Economic Commission, Growth, S.176/177. 112 Maizels, Production, S. 226. 113 Alan S.Milward, Der deutsche Handel und der Welthandel1925-1939, in: Mommsen/ Petzina/Weisbrod, Industrielles System, Bd. 2, S. 475. 114 Heinrich Liepmann, Tariff Levels and The Economic Unity of Europe, Philadelphia 1938, S. 205/208 (fortan zitiert als Liepmann, Tariff Levels). 115 Rene Erbe, Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933-1939 im Lichte der modernen Theorie, Zürich 1958, S. 76 (fortan zitiert als Erbe, Wirtschaftspolitik). 116 Kindleberger, Weltwirtschafskrise, S. 294. Zur deutschen Südosteuropapolitik, siehe auch: Hans-fürgen Schröder, Die deutsche Südosteuropapolitik und die Reaktion der angelsächsischen Mächte 1929-1933/34, in: JosefBecker/Klaus Hildebrand (Hrsg.), Internationale Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise 1929-1933, München 1980, S. 343-360 (fortan zitiert als Schröder, Südosteuropapolitik).

I. Wirtschaftspolitische Probleme

95

Jahre 1932.' 17 Von dem prozentualen Anstieg des Fertigwarenanteils an den russischen Importen profitierten vor allem die europäischen Industrieländer mit einer überwiegenden Fertigwarenausfuhr. Dazu gehörten vor allem Deutschland und Großbritannien. So stieg beispielsweise der Anteil der deutschen Exporte nach Rußland zwischen 1930 und 1932 von 3,6 auf 10,9%. 118 Die USA wiesen dagegen eher einen erhöhten Anteil an Rohstoffausfuhren auf. Der US-Anteil an den russischen Importen sank daher von 20,1% im Jahre 1929 auf 4,5% im Jahre 1932. Dagegen stieg der deutsche Anteil im gleichen Zeitraum von 22, 1 auf 46,5 % und der englische von 6, 2 auf 13,1%. 119 Das mag ein Grund dafür gewesen sein, daß der Anteil Amerikas am Welthandel im Laufe der Krise ab- und derjenige Europas zunahm. Als eine weitere Begründung für diese Entwicklung können die kolonialen Bindungen einiger europäischer Staaten angeführt werden. Für Großbritannien und Frankreich gewannen die kolonialen und imperialen Bindungen immer mehr an Bedeutung, vor allem auch deshalb, weil mit ihnen eine Art Präferenzsystem eingerichtet wurde (vgl. Tabelle 7),120 Sie stellten eine Art Ventil für die überschüssige Produktion der beiden Staaten dar, deren Absatz in Europa und den USA durch eine restriktive Zollpolitik eingeschränkt worden war. Während sich die europäischen und amerikanischen Zollschranken erhöhten, wurden mit den kolonialen und imperialen Besitzungen Sondervereinbarungen auf zollpolitischem Gebiet erzielt. Zwischen 1928 und 1938 sank der Anteil britischer Importe aus Europa und den USA an den Gesamteinfuhren von 22% auf 13% bzw. von 16% auf 13 %, die britischen Exporte nach Europa und den USA von 18% auf 15% bzw. 6% auf 4 %.'2 1 Eine ähnliche Entwicklung war bei den Investitionen zu beobachten: Das britische Kapital strömte eher in außereuropäische Gebiete. Im Jahre 1937 floß es zu 61% in den britischen Commonwealth und nur zu 7 % nach Eur0pa.122 Hickmann!Rieker, Handbuch, S.11. Vgl. für diese Jahre auch: Statistisches Reichsamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1933, Berlin 1933, S. 220. Im Gegenzug stieg auch der Anteil der deutschen Importe aus Rußland. 119 Hickmann!Rieker, Handbuch, S. 325. 120 ASO: BIB 43, Document No.6583, Ausschuß für die Ausweitung des Güteraustausches. Die Wirtschaftliche Bedeutung des Kolonialbesitzes und imperialer Bindungen für das Mutterland, Bericht des Staatssekretärs Ernst Trendelenburg, Deutsches Mitglied des Ausschusses, S.2/5. 121 League of Nations, Europe's Trade, S. 40. Siehe auch Forrest Capie, Depression and Protectionism: Britain between the Wars, London 1983, S.19 (fortan zitiert als Capie, Depression and Protectionism). 122 League of Nations, Europe's Trade, S. 40. Im Jahre 1930 betrugen die britischen Auslandsinvestitionen 3, 8 Milliarden Pfund. Davon gingen 520 Millionen Pfund nach Indien, Burma und Ceylon, 950 Millionen Pfund nach Australien, Neuseeland und Britisch-Südafrika, 500 Millionen Pfund nach Kanada und Neufundland, 400 Millionen Pfund nach Argentinien, 200 Millionen Pfund in die USA und 900 Millionen Pfund in die restliche Welt. Nach Europa 117

118

96

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Mit der Krise ging der französische Handel mit Großbritannien zurück. Im Zuge der Abwertung des britischen Pfundes sank der Anteil der französischen Exporte nach Großbritannien von 16,7% im Jahre 1931 auf9, I% im Jahre 1932. Der Anteil französischer Exporte nach den USA betrug im Jahre 1931 dagegen nur 5 %. 123 Unterschiede gab es auch im prozentualen Rückgang der französischen Ausfuhren ins Ausland: Dabei ist zu beobachten, daß für den Zeitraum von 1929 bis 1931 der Handel mit den USA viel stärker zurückging als mit Großbritannien. Wahrend die französischen Exporte nach Großbritannien nur um 33,2% fielen (d. h. von 7.625 Millionen Francs auf 5.090 Millionen Francs), verzeichneten sie für die USA einen Rückgang von 53,8% (d. h. von 3.335 auf 1.540 Millionen Francs).124 Tabelle 7

Der Anteil der kolonial und imperial verbundenen Gebiete i. v. H. der Gesamtausfuhr und -einfuhr des Mutterlandes (E "' Exportanteil; I "' lmportanteil) Mutterland*

1913

1933

1936

Großbritannien

E I

37,2 20,5

44,5 35,5

49,2 36,3

Frankreich

E I

13,0 9,5

32,4 23,7

33,4 28,5

* Einschließlich der Protektorats- und Mandatsgebiete; für Großbritannien auch einschließlich der Dominions. ASO: BIB 43, Document No.6583, Ausschuß für die Ausweitung des Güteraustausches. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kolonialbesitzes und imperialer Bindungen, Bericht des Staatssekretärs a. D. Dr. Ernst Trendelenburg, S. 11. Vgl. auch League of Nations (Hrsg.), Europe's Trade. A Study of the Trade of European Countries with Each Other and with the Rest of the World, Genf 1941, S. 40/44. Hickmann/Rieker, Handbuch S. 261/266. Daten über die britischen Handelsbeziehungen mit dem Empire werden auch für andere Zeiträume abgedruckt, in: Forrest Capie, Depression and Protectionism: Britain Between the Wars, London 1983, S. 19/20. Capie weist nach, daß der Handel mit dem "British Empire" in der Zeit der Weltwirtschaftskrise die größte Wachstumsrate besaß. Tabelle 7 zeigt eine stetige Zunahme des prozentualen Anteils von Im- und Exporten aus den kolonial und imperial verbundenen Gebieten am britischen und französischen GesamthandeL Hatten die britischen Ausfuhren in die kolonial und imperial verbundenen Gebiete im Jahre 1913 37,2% der gesamten Exporte betragen, so

strömte vergleichsweise wenig Kapital, d. h. nur 300 Millionen Pfund. League of Nations, Network, S. 82. 123 1913 gingen noch 21 % der französischen Ausfuhren in die USA: Liepmann, Tariff Levels, S. 246. 124 Liepmann, Tariff Levels, S. 245.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

97

erreichten sie im Jahre 1933 44,5% und im Jahre 1936 sogar 49,2%. 125 Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Einfuhren zu verzeichnen. Die britischen Importe aus den kolonial und imperial verbundenen Gebieten verzeichneten einen wachsenden Anteil an den Gesamteinfuhren, und zwar stiegen sie von 20,5% im Jahre 1913 über 35,5% im Jahre 1933 auf 36,6% im Jahre 1936 an.126 Die britische Handelsbilanz, die im Jahre 1928 für die Beziehungen mit dem Empire einen Überschuß aufwies, verzeichnete im Jahre 1938 ein erhebliches Defizit.l 27 Eine ähnliche Entwicklung wies der französische Handel mit den französischen Überseeterritorien auf. 128 Der Anteil der französischen Kolonien an den gesamten Ausfuhren des Mutterlandes zeigte folgende Entwicklung: Er betrug 13% für 1913, 32,4% für 1933 und 33,4% für 1936. Die Einfuhren aus den kolonial und imperial verbundenen Gebieten erhöhte sich von 9,5% im Jahre 1913 über 23,7% im Jahre 1933 auf 28,5% im Jahre 1936.129 Allgemein ausgedrückt bedeutete dies: Frankreich lieferte ein Drittel seiner Gesamtausfuhren in die Übersee und führte ein Drittel seiner Gesamteinfuhren aus den Kolonien ein. Besonders zu Algerien zeigte der französische Außenhandel eine besondere Affinität. Auf dem Gebiet der Zollrestriktionen sollten beide Länder als eine Einheit fungieren.130 Großbritannien deckte seinen Einfuhrbedarf zu einem Drittel aus dem Empire und brachte fast die Hälfte seiner Ausfuhr in diesen Ländern unter. 131 Als der Protektionismus in den USA und Europa seinen Höhepunkt erreichte, wurde der Handel mit den Kolonien zu einem nicht zu unterschätzenden Ersatz für die verlorenen m Andererseits ist zu beachten, daß der in Golddollar ausgedrückte Nominalwert der Handelsströme von absteigender Tendenz war. League of Nations, Europe's Trade, S. 84. 126 Darunter fielen Irland, Nigeria, Neuseeland, Portugal, Ceylon, Kuba, der Sudan, Cura~ao, der Iran und die Kanalinseln. 127 League of Nations, Europe's Trade, S. 40. 128 Kolonien und französisches Mutterland wurden als eine wirtschaftliche Einheit betrachtet: "Das französische Empire im ganzen: Metropole, Kolonien und Protektorate, darf als eine ökonomische Einheit betrachtet werden, die als Austauschpartner fungiert." Im Original heißt es: ,,L'Empire Fran~ais dans son ensemble: Metrople, Colonies et Protectorats, doit etre considere comme une unite economique, laquelle est echangiste." La Politique Commerciale de Ia France. Resolution adoptee par 1' Assemblee Generale Commune des Comites N ationaux Fran~ais, Indochinois et de I' Afrique Fran~aise le 20 Juin 1939, in: AD B-Offices lntemationaux 5, S.3. 129 Darunter fielen Tunesien, Französisch-Indochina, Französisch-Westafrika, Marokko, Französisch-Äquatorialafrika und andere Kolonien. Von besonderer Bedeutung waren die französischen Handelsbeziehungen zu Algerien: So erhöhte sich beispielsweise der Anteil Algeriens an den französischen Ausfuhren von 9% im Jahre 1929 auf 17,9% im Jahre 1933. Hickmann!Rieker, Handbuch, S.261. 130 F. A. Haight, French Import Quotas. A New Instrument of Commercial Policy, Wiesbaden 1970, S.l4 (fortan zitiert als Haight, French Import Quotas). 13 1 ASO: BIB 43, Document No. 6583, Ausschuß für die Ausweitung des Güteraustausches. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kolonialbesitzes und imperialer Bindungen für das Mutterland, Bericht des Staatssekretärs Ernst Trendelenburg, Deutsches Mitglied des Ausschusses, S.6. 7 Rosenganen

98

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Absatzmärkte. Für die besonderen Handelsbeziehungen spielte die Gewährung von Zollpräferenzen für Ein- und Ausfuhrströme sicherlich eine erhebliche Rolle. Dieses System war besonders von Großbritannien in der Folge der Konferenz von Ottawa 1932 ausgebaut worden. Als Beispiele können folgende Zollpräferenzen angeführt werden: In Nigeria bestand ein Ausfuhrzoll auf Zinnerz in Höhe von 50% des Wertes. Bei einer Verarbeitung (Verschmelzung) in England wurde kein Exportzoll erhoben. Für die Einfuhr nach Britisch-Honduras bestand normalerweise ein Zoll von über 30% des Wertes für Kraftfahrzeuge. Für Kraftfahrzeuge britischen Ursprungs betrug er nur noch 10%.132 Die zollpolitischen Vergünstigungen, die Großbritannien in Übersee innehatte, erleichterten den Außenhandel und brachten dem Vereinigten Königreich einen nicht zu unterschätzenden Vorteil bei der Bewältigung der Krise. Nicht umsonst erholte sich hier die Wirtschaft von der "Großen Depression" schneller als in anderen Staaten, was die Bedeutung des Außenhandels unterstreicht. Ernst Trendelenburg hatte den Vorteil imperialer Beziehungen, wie sie Großbritannien und Frankreich besaßen, zur Überwindung der Krise erkannt. Ein französischer Diplomat resümierte: "Dr. Trendelenburg glaubt, daß es ein schwerer Irrtum sei zu glauben, daß es gleichgültig sei, ob man die Souveränitätsrechte über die Territorien, von denen man sich Rohstoffe verschaffen will, innehat oder nicht. Sogar in den Kolonien, wo ein Regime der offenen Tür anwendbar ist, eröffnet die Funktion als Schutzmacht in Wirklichkeit die größten Vorteile. Das ist für Frankreich in Marokko der Fall, das 43,7% seiner gesamten Importe aus Frankreich einführt. Das ist auch für Großbritannien in Nigeria der Fall mit einem Anteil von 55,2 %; das ist auch für Belgien im Kongo der Fall mit einem Anteil von 43,4%." 133

Die Zunahme vor allem der britischen Exporte in die kolonial und imperial verbundenen Gebiete spielte für die langfristige Überwindung der Krise sicherlich eine große Rolle. Während Barry Eichengreen der Abwertung des Pfunds eine entscheidende Bedeutung für die frühzeitige Erholung der britischen Wirtschaft beimißt, argumentiert diese Arbeit, daß der Ausbau der außenhandelspolitischen Beziehungen mit dem Commonwealth entscheidend war. 134 132 ASO: BIB 43, Document No. 6583, Ausschuß für die Ausweitung des Güteraustausches. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kolonialbesitzes und imperialer Bindungen für das Mutterland, Bericht des Staatssekretärs Ernst Trendelenburg, Deutsches Mitglied des Ausschusses, S.7. 133 Im Original heißt es: ,,Le Dr. Trendelenburg estime que c'est une grave erreur de croire qu'il est indiff~rent d'avoir ou non des droits de souverainet~ sur les territoires ou l'on veut se proeurer des mati~res premi~res. Meme dans les colonies ou est applicable un regime de porte ouverte, c'est Ia puissance protectrice qui a, en fait,les plus grandes avantages. C'est le cas de Ia France au Maroc, qui importe dans ce pays 43,7% du total des marchandises. C'est aussi celui de Ia Grande-Bretagnedans le Nigeria avec une part de 55,2 %, c 'est encore celui de Ia Belgique au Congo avec 43,4 %." Revue de presse vom 30. Juni 1937, in: AD B-Offices Intemationaux 5, S.5. 134 U. a. gestützt auf: ASO: BIB 43, Document No.6583, Ausschuß für die Ausweitung des Güteraustausches. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kolonialbesitzes und imperialer Bindun-

I. Wirtschaftspolitische Probleme

99

Dagegen besaß Deutschland in der Zwischenkriegszeit keine Kolonien. Trotzdem kam es aber auch hier zu einer Umstrukturierung des Außenhandels: Die Bedeutung der kleineren Länder nahm- gemessen an der Bevölkerungszahl- zu, das Gewicht der großen Länder nahm ab. Der Anteil der deutschen Exporte in die Niederlande umfaßte bereits 1928 10%, in die Schweiz und die Tschechoslowakei jeweils 5 %; die Ausfuhren nach Belgien, Schweden und Dänemark betrugen jeweils 4% der Gesamtexporte. Der Warenaustausch mit den traditionellen Handelspartnern, wie z.B. Frankreich, Großbritannien und den USA, war dagegen vergleichsweise gering. Der Anteil der deutschen Aufuhren in die USA verringerte sich beispielsweise von 7% im Jahre 1928 auf3% im Jahre 1938.135 Mit der Zunahme der amerikanischen Schutzzölle wurden deutsche Fertigwaren zunehmend vom amerikanischen Markt verdrängt. Die deutschen Exporteure hielten daher nach neuen Absatzmärkten Ausschau. Die ungünstigen Rückwirkungen der amerikanischen Zollpolitik betrafen den gesamten europäischen Kontinent. Im Zuge der weltweiten Vergeltungsmaßnahmen sank auch der Anteil amerikanischer Exporte nach Europa. Nach Deutschland betrug er beispielsweise im Jahre 1929 7, 8 %. Nach einem kurzen Anstieg auf 8, 4% im Jahre 1933 sank er auf 3, 5% im Jahre 1938. 136 Eine ähnliche Entwicklung wiesen die deutschen Importe auf. Während der prozentuale Anteil der deutschen Einfuhren aus den klassischen Importländern zurückging, gewannen die Importe aus den skandinavischen und baltischen Staaten, den Donaustaaten und dem Balkan an Gewicht. 137 Auch aus Afrika und Lateinamerika konnten erhöhte Anteile bei den deutschen Einfuhren registriert werden. 138 Dies war mit Sicherheit auf günstigere Einfuhrbedingungen zurückzuführen. In diesen Ländern war das System der tarifärenund nicht-tarifären Handelshemmnisse noch nicht in dem Maße ausgeprägt, wie dies in den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall war. gen für das Mutterland, Bericht des Staatssekretärs Ernst Trendelenburg, Deutsches Mitglied des Ausschusses, S. 2. Vgl. dagegen: Eichengreen, Golden Fetters. Siehe auch: Barry Eichengreen/Jeffrey Sachs, Exchange Ratesand Economic Recovery in the 1930s, in: The Journal of Economic 45 (1985), S. 925-946 (fortan zitiert als Eichengreen!Sachs, Exchange Rates). Die Begründung von Christian Saint-Etienne für das britische Phänomen ist dagegen schwach: "The only country that resisted the Great Depression weil, the United Kingdom, had a budget almost in balance." Woher dieser ausgeglichene Budgethaushalt kam, erklärt er aber nicht. Saint-Etienne, Depression, S. 38. m League of Nations, Europe's Trade, S. 42. 136 Carl-Ludwig Holtfrerich, Amerikanischer Kapitalexport und Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft 1919-23 im Vergleich zu 1924-29, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 64 (1977), S.503 (fortan zitiert als Holtfrerich, Kapitalexport). 131 Die deutsche Bilanz für den Handel mit Europa wies nicht nur 1928, sondern auch 1938 einen Überschuß auf, d. h. die Exporte waren höher als die Importe. League of Nations, Europe's Trade, S. 42. 138 League of Nations (Hrsg.), Balances of Payments 1938, Genf 1939, S. 278/300. 7*

100

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Für die amerikanische Wrrtschaft stellte Kanada den wichtigsten Handelspartner außerhalb Europas dar. 139 Im Jahre 1929 machten die amerikanischen Einfuhren aus Kanada 11,6% der gesamten US-Importe aus. Besonders niedrig fiel der Anteil von Zöllen aus, der auf kanadische Produkte erhoben wurde. Im Durchschnitt betrug er für alle zollpflichtigen Waren aus Kanada 18,1%.140 Dagegen hatten weniger wichtige Handelspartner, wie z. B. Frankreich und Deutschland, für zollpflichtige Einfuhren durchschnittlich Abgaben in Höhe von 44,6% bzw. 41,5% zu entriehten.141 Der Anteil der Ausfuhren nach Kanada an den gesamten US-Exporten betrug im Jahre 1929 18,1 %. Zur Zeit der "Großen Depression" fiel er dann im Jahre 1938 auf 15,1 %. Dafür stieg der Anteil der amerikanischen Exporte nach Kuba, Kolumbien, Venezuela und Neuseeland. Auch die Philippinen gewannen im Laufe der dreißiger Jahre als Ausfuhrland Nordamerikas an Bedeutung.142 Einen Aufwärtstrend verzeichneten außerdem die amerikanischen Ausfuhren nach Großbritannien. Exportierten die USA im Jahre 1929 16,2% ihrer gesamten Ausfuhren in das Vereinigte Königreich, stieg der Anteil im Jahre 1935 sogar auf 19%. Danach sank er wieder auf die 16%-Marge herab. 143 Bei den Importen zeigte sich eine ähnliche Entwicklung wie bei den Exporten: Der Anteil von Einfuhren aus den außereuropäischen Staaten stieg in der Zeit der Weltwirtschaftskrise erheblich an. Der Anteil von Importen aus Cura~ao, Kuba, Kolumbien, Venezuela, Neuseeland und den Philippinen stieg von 19% im Jahre 1929 auf 23,8% im Jahre 1938. Mit Europa ging der amerikanische Handel hingegen anteilmäßig zurück.1 44 Eine zentrale Position im britischen Außenhandel nahmen die Textilexporte mit einem Anteil von 33% im Jahre 1929 ein. Im Laufe der Krise sanken sie 1931 auf 28 %. 145 Diese Entwicklung hing mit der weltweiten Erhebung von Textilzöllen zusammen. In Deutschland war die Einfuhr von Stoffen besonders stark mit Zollabga139 Mario J. Crucini/James Kahn, Tariffs and Aggregate Economic Activity: Lessons from the Great Depression, (Rochester Center for Economic Research Working Paper No. 383), Ohio 1994, S. 39 (fortan zitiert als Crucini/Kahn, Tariffs). 140 Andere wichtige Importländer, wie z. B. Japan, hatten dagegen 1929 einen durchschnittlichen Zollsatz von 37, 1 % zu zahlen. United States Tariff Commission, Imports into the United States from Principal Countries, S. 2. 141 Die Importe aus Deutschland betrugen 5, 9%, diejenigen aus Frankreich 4% der gesamten amerikanischen Einfuhren. United States Tariff Commission, Imports into the United States from Principal Countries, S. 1. 142 Der Export geht hauptsächlich in diejenigen Länder, in denen Amerika gegenüber Europa einen verkehrs- und zollmäßigen Vorteil besitzt. Wilhelm Grotkopp, Amerikas Schutzzollpolitik und Europa, Berlin 1929, S.101 (fortan zitiert als Grotkopp, Amerikas Schutzzollpolitik). 143 Soci~t~ des Nations (Hrsg.), Statistiques du Commerce lntemational1938, Genf 1939, S. 318 (fortan zitiert als Soci~t~ des Nations, Statistiques). 144 Soci~t~ des Nations, Statistiques, S.296. 14' Liepmann, Tariff Levels, S. 227.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

101

ben belastet. 146 Zwischen 1927 und 1931 sanken die deutschen Stoffeinfuhren daher wertmäßig auf fast die Hälfte, und zwar von 316 Millionen Reichsmark auf 161 Millionen.147 e) Kapitalströme

Der Erste Weltkrieg hatte die Beziehung zwischen Kapital- und Güterströmen ins Ungleichgewicht gebracht. Die ökonomische Vorstellung, daß dem Kapitalstrom ein entsprechender Güterstrom folgen müsse, traf in der Zwischenkriegszeit nicht mehr zu. Während die internationale Verschuldung weltweit von 150 Milliarden Reichsmark im Jahre 1913 auf200 Milliarden Reichsmark im Jahre 1933 angestiegen war, verzeichnete der Welthandel zur gleichen Zeit eine wertmäßige Senkung. Deutschland war von dieser Entwicklung besonders stark betroffen, weil zu dem erschwerenden Umstand der Reparationszahlungen eine kurz- und langfristige innere und äußere Verschuldung sowie Ausfuhrbehinderungen infolge des allgemein verbreiteten Protektionismus der Nationalstaaten hinzugetreten waren. 148 Die sich seit Juni 1931 drastisch verschärfende Kapitalflucht brachte die Reichsbank an den Rand der internationalen Zahlungsunfähigkeit. Der Bankenkrise folgte der Abzug kurzfristiger amerikanischer Kredite. 149 Dies war insofern von Bedeutung, als daß die USA nach dem Ersten Weltkrieg zum größten Kreditgeber avanciert waren. Durch den Rückzug der Anleihen aus Übersee reduzierten sich drastisch auch die Devisen- und Goldreserven der Reichsbank. Aus diesem Grunde mußten die Exporte stärker für die Begleichung der Reparationen und Schulden verwandt werden; gerade diese Möglichkeit wurde aber durch das Smoot-Hawley-Zollgesetz im Jahre 1930 unterbunden. 150 Als Folge davon gingen die europäischen Exporte von Fertigwaren nach Nordamerika in der Zeit der Weltwirtschaftskrise erheblich stärker zurück, als dies beispielsweise für die amerikanischen Exporte nach Europa der Fall War.ISI

146 Liepmann, Tariff Levels, S. 118/119. China, Indien und die USA erhöhten vor allem ihre Zölle auf Baumwollstoffe. Ebenda, S. 239. 147 Liepmann, Tariff Levels, S. 114. Dabei ist ungeklärt, wie hoch der Anteil der britischen StoffimpOrte war. 148 Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 (1935), S.3. 149 Zur Verringerung der kurz- und langfristigen Kredite in Deutschland siehe: League of Nations (Hrsg.), Balances ofPayments 1938, Genf 1939, S. 58/59. 150 Im Dezember 1930 wurde die Auslandsverschuldung Deutschlands auf 21, 1-32,6 Milliarden Goldmark geschätzt, von denen 14, 5-15 aufkurzfristige Kredite entfielen. Im Februar 1934 betrugen sie nur noch rund 18, 1 Milliarden Goldmark, von denen 6, 7 kurzfristig waren. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Funktionen des Internationalen Kreditverkehrs, Drucksache Nr. 3, Berliner Kongreß 1937, S. 20. Siehe auch: League of Nations (Hrsg.), Balances ofPayments 1938, Genf 1939, S.59. 151 Maizels, Growth, S. 99/100. Die europäischen Exporte nach Nordamerika gingen wertmäßig von 1, 4 Milliarden Dollar im Jahre 1929 aufO, 8 Milliarden Dollar im Jahre 1937 zurück

102

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Die Reichsbank verlor dadurch - trotz ihrer restriktiven Geldpolitik - sämtliche Goldbestände bis auf die Mindestreserve. Das Versiegen des Kreditstroms - die Kapitalbilanz war seit 1931 negativ (vgl. Tabelle 8)- machte für das Deutsche Reich die Suche nach neuen Geldquellen notwendig. Die Lösung wurde einerseits in einer drastischen Erhöhung des Diskontsatzes gesehen und andererseits in einem Handelsbilanzüberschuß. Letzteres bedeutete, daß das Reich entweder seine Exporte weiter auszubauen oder aber seine Importe drastisch einzuschränken hatte. Der Weg zu einer Verbesserung der Handelsbilanz durch Importrestriktionen wurde im Sommer 1931 mit der Einführung der Devisenbewirtschaftung beschritten.152 Zu Recht sah Fentener van Vlissingen die wichtigste Ursache der Welthandelskrise in der plötzlichen Umwandlung ehemaliger Schuldner- in Gläubigerländer und umgekehrt, ohne daß sich die betroffenen Nationalwirtschaften in ihrer allgemeinen Produktions- und Handelsstruktur an diese Umwandlung anzupassen vermochten. Zur Untermauerung seiner These stützte er sich auf die Entwicklung der Handels- und Zahlungsbilanzen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands.l53 Im Zuge seiner Analyse zeigte der Präsident der Internationalen Handelskammer ein widerspruchsvolles Erscheinungsbild auf. Ein Land konnte neben einer für ein Gläubigerland passenden finanziellen und kreditmäßigen Struktur eine Produktions- und Handelsstruktur besitzen, die einem Schuldnerland entsprach. Oder ein Staat, dessen Industrie- und Handelsstruktur wie die eines Gläubigerlandes organisiert war, konnte finanziell und kreditmäßig einem Schuldnerland gleichkommen. Die Internationale Handelskammer sah daher die wichtigste Forderung in der Rückkehr zu einer strukturgegebenen Zahlungsbilanz, d. h. die Beseitigung des Gegensatzes, der zwischen den industriellen, handelspolitischen und währungspolitischen Verhältnissen bestand. Zu diesem Zweck empfahl die Internationale Handelskammer die Annahme aller Verpflichtungen in Waren und Dienstleistungen. Für die Schuldnerländer sollte hieraus eine Belebung ihrer Ausfuhr resultieren, wodurch die Zahlung der Verpflichtungen (durch Gütertransferierungen) möglich geworden wäre. 154

(ausgedrückt in Preisen von 1955); dem Volumen nach sanken sie um 40%, wohingegen die Importe der USA nur um 20% zurückgingen. 152 Schulz, Deutschland, S. 299-301 . Wegen der Devisenkontrolle und des damit einhergehenden Einfuhrrückgangs wies die Handelsbilanz im Jahre 1931 einen Ausfuhrüberschuß von 2, 7 Milliarden Reichsmark auf. ISJ Fentener van Vlissingen, Die Weltwirtschaftskrise und ihre Bekämpfung, in: Internationale Wirtschaft 10 (1935), S. 7. 154 Fentener van Vlissingen, Die Weltwirtschaftskrise und ihre Bekämpfung, in: Internationale Wirtschaft 10 (1935), S. 7.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

103

TabelieB

Die Kapitalbewegungen in USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland 1928-1938 in Mio. $ (Kapitaleinfuhr (+)/Kapitalausfuhr (-)) USA

GB

Frankreich

Deutschland

1928

-899

-569

-236

+967

1929

-185

-574

+20

+482

1930

-678

-112

+257

+129

1931

-485

-313

+791

-540

1932

-242

+231

+917

-103

1933

-344

+650

+30

-131

1934

+215

+421

+102

-82

1935

+908

+ 111

-555

+50

1936

+699

+724

-698

-

1937

+518

+394

-98

-

1938

+194

-23

+122

-

Jahr

Quelle: W. S. Woytinsky/E. S. Woytinsky, World Commerce and Govemments. Trendsand

Outlook, New York 1955, S. 202.

Tabelle 8 zeigt, daß Amerika nach dem Börsenkrach im Herbst 1929 seine Kapitalausfuhren von 899 (1928) auf 185 Millionen Dollar (1929) blitzartig einschränkte. Darin enthalten waren rückläufige Direktinvestitionen. 155 Der Rückzug arnerikanischer Kredite und die zollpolitische Behinderung von Importen in die USA, die zu dem Dollarrückfluß beitrugen, führten zu einer "dollar shortage" in der Welt; die Dollarlücke wurde noch durch jährliche Abzahlung der Kriegsschulden in Höhe von 900 Millionen Dollar verstärkt.I 56 Der weltweite Devisenmangel konnte nicht durch einen Anstieg von Warenexporten in die USA ausgeglichen werden. 1930 stieg die arnerikanische Kapitalausfuhr zwar noch einmal an, schlug dann aber letztlich 1934 in eine Nettokapitaleinfuhr um. Folglich entwickelten sich die USA im Laufe der Weltwirtschaftskrise von einem kapitalexportierenden zu einem kapitalimportierenden Land. Eine ähnliche Entwicklung konnte in Großbritannien beobachtet werden. Der Rückzug arnerikanischer Investitionen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise wird in der amerikanischen Literatur folgendermaßen interpretiert: •ss Woytinsky, World Commerce, 5.206/212. 1s6 Woytinsky, World Commerce, S. 205.

104

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

"Another weakness in American investment activity was that our issuing houses never really regarded foreign issues as more than a side line, which they exploited for a time but feit free to drop when more attractive opportunities presented themselves at home. In these cirumstances it is not surprising that, under the intense competition of the stock-market boom, new flotations for foreign countries were suddenly curtailed in the middle of 1928 and, aside from abrief upturn in the first of 1930, failed to recover thereafter." 157

Während sich in den Gläubigerstaaten die Kapitalbilanz von einem negativen zu einem positiven Wert wandelte, konnte für die Schuldnerstaaten eine gegenläufige Entwicklung festgestellt werden. In Deutschland wandelte sich die Kapitaleinfuhr in Höhe von 967 Millionen Dollar im Jahre 1928158 in eine Nettokapitalausfuhr in Höhe von 540 Millionen Dollar im Jahre 1931 um. In Frankreich konnte man dagegen im Jahre 1928 eine Kapitalausfuhr von 236 Millionen Dollar feststellen. Nach einem Anstieg der Kapitaleinfuhren kam es 1935 zu einer Kapitalausfuhr in Höhe von 555 Millionen Dollar. 159 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß in der Zeit der Weltwirtschaftskrise der internationale Handel mit Agrarprodukten, Fertigwaren, Gold und Silber zurückging. Aufgrund der Bedeutung der Fertigwarenindustrie konzentrierte sich das Interesse der ICC ausschließlich auf deren Ex- und Importe. In enger Beziehung mit den Güterströmen standen auch die Kapitalströme. Für die Milderung der Weltwirtschaftskrise kam daher auch der Förderung des Kapitalexports von seiten der USA eine besondere Bedeutung zu. Einer Erhöhung des Dollarflusses nach Europa standen aber eine Vielzahl von tarifaren und nicht-tarifaren Handelshemmnissen entgegen, die nicht nur den Absatz von europäischen Produkten in den Vereinigten Staaten von Amerika verringerten, sondern auch den von amerikanischen Waren in Europa.

3. Tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse Eines der Argumente der klassischen Wirtschaftstheorie war, daß Schutzzoll nicht schütze. Das Diktum von der ökonomischen Ineffizienz einer rigorosen Zollpolitik wurde von der Internationalen Handelskammer übernommen. 160 Sie befürch1s1

Woytinsky, World Commerce, S. 203/204.

Iss Der Anteil der USA an den deutschen Kapitalimporten war bis Ende der zwanziger Jahre

signifikant hoch: für langfristige deutsche Auslandsanleihen wurde er mit 55,2% ausgewiesen. Holtfrerich, Kapitalexport, S. 502. 159 Woytinsky, World Commerce, S. 202. 160 Gegen eine rigorose Ablehnung von Zollmaßnahmen wendet sich Wilhelm Nehring: "Ihre Stellungnahme ist allerdings insofern vielleicht etwas einseitig, als sie [die Handelskammer] die immerhin anregende Wirkung, die sogar Abschließungsmaßnahmen ausüben können, gänzlich außer Acht läßt und vielleicht aus agitatorischen Giiinden eine grundsätzliche Abschaffung derartiger Mittel verlangt. Daß nationale Lebensfragen solche Maßnahmen notwendig machen können, erwähnt sie ebenfalls nicht." Nehring, Internationale Handelskammer, S. 55. In der vorliegenden Arbeit dagegen vertrete ich, wie die Internationale Handelskammer

I. Wirtschaftspolitische Probleme

105

tete, daß der übertriebene Protektionismus einzelner Staaten in einen "circulus vitiosus"161 münden würde, aus dem sie nur schwer wieder herausfinden könnten. Mit den Worten des Österreichischen Nationalökonoms Ludwig von Mises, der ein scharfer Kritiker des staatlichen Interventionismus auch in der Krise war, kann dies folgendermaßen erklärt werden: "Jede gegen den Markt gerichtete Intervention zieht andere nach sich."l62 Die Internationale Handelskammer identifizierte den "Wirtschaftsnationalismus" als Hauptursache für die Schutzzollpolitik in der Zwischenkriegszeit Sie machte es sich zur Aufgabe, nicht allein die allgemeinen Theorien des Freihandels ala Adam Smith163 und Richard Cobden zu propagieren, sondern vor allem auch auf die Folgen einer protektionistischen Politik hinzuweisen. Aus diesem Grunde arbeitete die Organisation einen direkten Zusammenhang zwischen einem steigenden Protektionismus und einer fallenden Produktion heraus. Georges Theunis, Präsident der Internationalen Handelskammer, warf der protektionistischen Handelspolitik vor, Investitionen zu fördern, die nicht wirtschaftlich seien. 164 Dafür verglich die Internationale Handelskammer zunächst die Entwicklung des mengenmäßigen Verhältnisses zwischen dem Wert der Reineinfuhr, dem Zollertrag und den Gesamteinnahmen des öffentlichen Haushalts für die Jahre 1912 bis 1932. Die Wertzölle, d. h. die Belastung der Waren im Verhältnis zu ihrem Wert, geben Aufschluß über die durchschnittliche Höhe des Zollniveaus der einzelnen Staaten. Die Analyse beschränkte sich auf folgende Länder: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika.16s damals, die These, daß ein Abbau der Zollbarrieren die konjunkturelle Entwicklung in den einzelnen Staaten mehr genützt hätte als die handelspolitischen Abschottungsmaßnahmen. 161 Internationale Handelskammer, Ansprache von Georges Theunis 1931, S. 31. 162 Zitiert nach: Heribert Klein, Freispruch für Alfred Müller-Armack. Der Erfinder der Sozialen Marktwirtschaft hat immer vor demokratischem Sozialismus gewarnt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. April1997, S.15. Vgl. auch Publikationen von Ludwig von Mises: Kritik des Interventionismus. Untersuchungen zur Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsideologie der Gegenwart, Jena 1929; Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik, Jena 1928; Die Ursachen der Wirtschaftskrise, Tübingen 1931. Ludwig von Mises war einer der Hauptvertreter der monetären Konjunkturtheorie. Als Geschäftsführer der Handelskammer Wien hatte er auch Kontakte zur Internationalen Handelskammer in Paris. 163 Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, München 1974 (erstmals 1776 veröffentlicht). Die Protagonisten der liberalen Wirtschaftsidee forderten die Freiheit der Wirtschaftsgesellschaft vom Staat. 164 Internationale Handelskammer, Ansprache von Georges Theunis 1931, S. 30. 165 Ernst P. A. Trendelenburg teilte die Länder in zwei Zollsystemgruppen ein: erstens das mitteleuropäische System, bei dem die Zollsätze autonom festgesetzt wurden, dann aber wieder auf vertraglichem Wege herabgesetzt werden koMten; zweitens das angelsächsische System, das die Gestaltung der Zollgesetzgebung als eine innere Angelegenheit des Landes betrachtete und keine vertragliche Herabsetzung oder Bindung der autonom festgesetzten Zölle zuließ. Ernst P.A. Tremielenburg, Handelshemmnisse, in: Internationale Wirtschaft 4 (1929), S.596.

106

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Kritik an dem Bemessungsverfahren der ICC kann mit Hilfe der "Effective Rate of Protection"-Theorie untermauert werden. Denn wenn die Zölle für Vorprodukte null oder niedrig und für verarbeitete Produkte hoch sind, dann ist der Zollschutz für die Verarbeitungsstufe viel höher als es im Zollsatz für das verarbeitete Produkt zum Ausdruck kommt. Nach der "Effective Rate of Protection"-Theorie ist der Zollschutz für Vorprodukte in der Regel niedriger als der Zollschutz für verarbeitete Güter. Dieses Ergebnis bleibt nicht ohne Folgen für die Höhe des Effektivzolls, der- im Gegensatz zum Nominalzoll- den faktischen Zollschutz für das Endprodukt unter Berücksichtigung der importierten Vorleistungen angibt: "It is common for input tariffs to be low relative to final tariffs, that is, ti > ~. and in the case gi > ti, an important result, since it shows that effective rates of protection tend tobe higher than nominal rates. A rise in the import tariff clearly reduces effective protection for the using industry, even though it raises protection for the input-producing activity." 166 Die Methode der Internationalen Handelskammer zur Messung des Zollschutzes ist zudem ungeeignet, Veränderungen des Zollniveaus aufzuzeigen; denn absolut prohibitiv wirkende Zölle werden nicht berücksichtigt. Reed Smoot resümiert treffend: "This is not, of course, an exact calculation, because the effect of rates that are so high as greatly to restriet goods or exclude them entirely is not feit in this comparison."167 Kritische Stimmen kamen sogar aus den Reihen der Internationalen Handelskammer selbst: Leo Pasvolsky wies darauf hin, daß die Verzollung in Wirklichkeit prozentual gesehen viel höher sei, als dies die die Internationale Handelskammer aufzeigte. Er begründete dies damit, daß einige Güter zollfrei passieren durften und sich somit der Gesamtwert der Zollbelastung in Wrrklichkeit nur auf bestimmte Produkte verteilte. In den Vereinigten Staaten von Amerika machten die zu verzollenden Güter im Jahre 1929 39% des Wertes der Gesamteinfuhren aus. Bis zum Jahre 1933 erweiterte sich das Spektrum und erreichte einen Anteil von 54% 166 Dabei ist ti=Zollschutz für das Endprodukt; ~ = Zollschutz für importierte Vorleistungen; gi = Effective Rate of Protection. lohn Eatwell/Murray Milgate!Peter Newman (Hrsg.), The New Palgrave. A Dictionnary ofEconomics, Vol.2, London 1987, S. 103. Siehe auch: Giorgio Basevi, The United States Tariff Structure: Estimates ofEffective Rates of Protection of United States lndustries and Industrial Labor, in: Review of Economics and Statistics 48 (1966), 5.147-160. W.M. Corden, The Structure of a Tariff System and the Effective Protective Rate, in: Journal of Political Economy 74 (1966), S.221-237. 167 Reed Smaot, Our Tariffand the Depression, in: Current History 35 (1931), S.l75. Auch Abraham Berglund stellte bereits 1930 eine Widersprüchlichkeit bei diesem Berechnungsverfahren fest. Als Beispiel dafür gab er an, .,if all the rates for dutiable commodities were so high as to be absolutely prohibitive, it could be argued that the average Ievel of rates under the new law had been reduced to zero." Berg/und, Tariff Act, S.473. Der Völkerbund hatte einen Zolltarifindex für die Jahre 1913 und 1925 erstellt. In seiner Untersuchung stützte er sich auf Daten von den zwanzig wichtigsten Exportartikeln von 14 verschiedenen Ländern. Dabei wurde zwischen Argar- und Industriegütern unterschieden. Für 1925 stellte er folgende Zollsätze für Industriegüter fest: In Frankreich lag der Zollsatz bei 21% des Wertes, in Deutschland bei 20%, in Großbritannien bei 5% und in den Vereinigten Staaten von Amerika bei 37%. League ofNations (Hrsg.), TariffLevel Indices (C.E.I. 37), Genf 1927, S.l5.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

107

(Steigerung um 38,4%). Etwas weniger als die Hälfte der eingeführten Waren wurde demnach nicht belastet.l68 Die Internationale Handelskammer kam zu dem Ergebnis, daß sich die Gesamtzolleinnahmen -gemessen am Wert der Reineinfuhr- in den betreffenden Ländern in der Zeit zwischen 1912 und 1932 ganz wesentlich erhöht hatten (vgl. Abbildung 9). 169 Der radikalste prozentuale Anstieg der Zölle im Verhältnis zum Wert der Reineinfuhr war in Deutschland zu verbuchen. Machten die deutschen Zölle 1912 nur 6, 81 % des Wertes der Reineinfuhr aus, so stieg der Prozentsatz bis 1932 fast um das Vierfache auf 25,63 %. Großbritanniens Zölle erhöhten sich von 5, 37% auf 20,86% des Wertes der Reineinfuhr. Italien folgte mit einem Anstieg von 9, 29% auf 19,81% und Frankreich von 8,32% auf 17,77%. Die Erhöhung der Zölle gemessen an der Reineinfuhr fiel in den Vereinigten Staaten von Amerika prozentual relativ gering aus. Hier wuchs die Zollschranke von einem ungewöhnlich hohen Anfangs wert von 18,58% im Jahre 1912 auf 19,59% im Jahre 1932. Dieses Ergebnis darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die amerikanische Zollpolitik eine solche des "absoluten Schutzzolles" war. 170 Der Grund dafür waren die "spezifischen" Zölle, die im Gegensatz zu "ad-valorem"-Zollsätzen in Prozent des Einfuhrwertes ausgedrückt werden. Im Jahre 1929 waren 52% der zollpflichtigen Einfuhren in die USA von ihnen betroffen. 171 Die "spezifischen" Zölle sind als feste Beträge auf eine bestimmte Einfuhrmenge ausgedrückt. Dadurch steigt der prozentuale Zollschutz automatisch, wenn die Einfuhrpreise sinken und umgekehrt. Ein anderes Ergebnis erhält man bei einer ausschließlichen Berücksichtigung der verzollten Importe. Danach stieg der allgemeine Zollsatz in Amerika von 40, 1 % im Jahre 1929 auf 59,1% im Jahre 1932 und sank im Jahre 1933 auf 53,6% und im Jahre 1939 weiter auf 37,3 %. 172 Es ist wichtig festzuhalten, daß die amerikanische Zollbelastung genau dann ihren Höhepunkt erreichte, als auch der weltweite Handel und die Produktion ihren absoluten Tiefpunkt erlangten. Das war nicht in erster Linie die Wirkung des Smoot-Hawley-Gesetzes, sondern der Dominanz "spezifi168 Trotz der Kritik übernahm er selber diese Methode zur Messung des Zollniveaus. Leo Pasvolsky, Memorandum of the Technique of Present-Day Protectionism, in: Joint Committee on the Improvement, S. 50/51 (fortan zitiert als Pasvolsky, Memorandum). Für eine ausführliche Darstellung über die Auswirkungen der amerikanischen Schutzzollpolitik auf Europa, vgl. Grotkopp, Amerikas Schutzzollpolitik. 169 In dieser Annahme wurde die Währungsverschlechterung berücksichtigt. 170 Grotkopp, Amerikas Schutzzollpolitik, S. 23. Für einen allgemeinen Überblick über die Geschichte der amerikanischen Zollpolitik siehe: Sidney Ratner, The Tariff in American History, New York: 1972, S.50-57 (fortan zitiert als Ratner, American History). 171 1930-31 sank der Anteil auf 48,6 %. United States Tariff Commission (Hrsg.), Regulation of Duties to Value of Imports, 72d Congress, 1st Session, Senate Document No. 91, Washington D.C. 1932, S.12. 172 Bezeichnenderweise wurde bereits 1912 ein Zollsatz von 40, 3% verzeichnet. Woytinsky, World Commerce, S. 263. Vgl. auch US Department of Commerce. Bureau of Census (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1957, Washington D. C. 1960, S.539.

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

108

scher" Zölle. Auf sie geht auch der Rückgang des relativen Zollschutzes nach 1932 stärker zurück als auf die Zollsenkungen seit dem Reciprocal Trade Agreements Act von 1934. USA

81932 11111912

Japan

Italien

mmm~20,86

Großbritannien

Frankreich

Deutschland

0

5

10

15

20

%

25

30

Quelle: Internationale Wirtschaft 6 (1934), S. 1. Vgl. für die USA auch: US Department of Commerce. Bureau of Census (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1957, Washington D. C. 1960, S. 539. Eigene Umsetzung. Abbildung 9: Der Prozentsatz der Zölle im Verhältnis zum Wert der Reineinfuhr 1912 und 1932173

Die United States Tariff Commission errechnete sogar die Zollbelastung von Waren einzelner europäischer Länder. Das Zahlenmaterial bezieht sich ausschließlich auf zollpflichtige Einfuhren. Dies ist insofern interessant, als von der amerikanischen Zollpolitik, die sich vor allem auf Fertigwaren bezog, vor allem Europa betroffen war. Die United States Tariff Commission liefert ein stark differenziertes Bild bezüglich der amerikanischen Zollpolitik: Betrugen die Abgaben auf amerikanische Importe aus Großbritannien im Jahre 1929 35,9% des Wertes, stiegen sie im Jahre 1931 auf 39,3% an. Die Belastung auf Einfuhren aus Deutschland erhöhte sich von 41, 5 % auf 44, 1 %, diejenige auf Einfuhren aus Frankreich von 44, 6% auf 53,6 %. Daß die amerikanische Belastung für Importe aus Großbritannien relativ gering war, trug sicherlich auch dazu bei, daß sich Großbritannien von der Krise schneller als alle anderen Staaten erholen konnte. 174 173 Nicht berücksichtigt wurde hier der Verwaltungsprotektionismus (indirekter Protektionismus), d. h. die Gesamtheit der staatlichen Maßnahmen mit handelsprotektionistischen R>lgen. 174 United States TariffCommission, Computed Duties, S.4/5.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

109

Die amerikanische Einfuhr von Maschinen und Fahrzeugen aus Deutschland wurde 1931 mit einem Zollsatz von 31,9% belastet, aus Frankreich mit 32, 7 %, aus Großbritannien mit 27% und aus Kanada mit 26,3 %. 175 Besonders hoch war das prozentuale Zollniveau für amerikanische Textilimporte aus Europa: Importeure französischer Textilien mußten 1929 59,7% des zollpflichtigen Wertes an den amerikanischen Fiskus zahlen, verglichen mit 55,2% für deutsche und 42,4% für britische Textilprodukte. Im Jahre 1931 stieg die prozentuale Belastung für französische Textilien auf 66,8%, für deutsche auf 59,5% und für britische auf 49,3% an. 176 Ausschlaggebend für die hohen Zölle auf Textilien war mit Sicherheit die Tatsache, daß die Stoffe wertmäßig das wichtigste Exportgut der Europäer nach Amerika darstellten und die europäische Industrie in diesem Sektor eine bedeutende Konkurrenz war. Während für amerikanische Holz- und Papiereinfuhren aus Deutschland und Frankreich ein Zollniveau von 30, 3% bzw. 42, 1 %des Wertes veranschlagt wurde, mußten sich die Kanadier für ihr wichtigstes Exportgut nur eine Abgabe von 8, 1 % in den USA zahlen.177 Das Smoot-Hawley-Zollgesetz von 1930 führte hier noch nicht einmal zu einer Erhöhung des Zollsatzes, sondern ganz im Gegenteil zu seiner Senkung: 1931 betrugen die Abgaben für Holz- und Papierimporte aus Kanada nur noch 6, 8% des eingeführten Wertes.t78 Mit Blick auf den alten Kontinent ist ein besonderes Augenmerk auf die französische Zollpolitik gegenüber deutschen Metallprodukten und Maschinen zu richten. Die Verzollung der ersten Gruppe stieg von 20% des Wertes im Jahre 1913 auf 50-60% in den Jahren 1927-31 und der zweiten Gruppe von 10% auf 20%.179 Dadurch wurden vor allem deutsche Exporteure getroffen. Trotzdem konnten diese bis zum Jahre 1931 einen Anstieg ihrer Ausfuhren nach Frankreich verzeichnen. H. Liepmann führt diesen Widerspruch auf den industriellen Aufbau in Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg zurück. 180 In den Jahren 1930-32 gab es in Frankreich einige wenige Zollerhöhungen auf Fertigwaren, die unter anderem die Automobileinfuhren betrafen. 1st

m United States TariffCommission, Computed Duties, S. 14. Selbst für Textilien aus Kanada wurden 1929 ein Zollsatz von 41,9% und 1931 ein Zollsatz von 58,3% erhoben. United States Tariff Commission, Computed Duties, 5.19-24 und 31. 177 United States Tariff Commission, Imports into the United States from Principal Countries, S.2. 178 United States Tariff Commission, Computed Duties, S. 31. Die Abnahme des Zollniveaus konnte natürlich auch Folge eines gestiegenen Preisniveaus gewesen sein. Dann muß es sich aber um spezifische Zölle gehandelt haben. 179 Liepmann, Tariff Levels, S. 209. 1so Liepmann, Tariff Levels, S. 209. 181 Haight, French Import Quotas, S. 6. 176

110

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

In Großbritannien bestand bis 1930 Zollfreiheit für 80% der Importe. 182 Mit dem Abnormal Importations Act vom 20. November 1931 wurden dann aber 23 Warengruppen mit einem Einfuhrzoll von 50% beschwert. 183 Die deutsche Regierung antwortete auf diesen Akt mit einem Schreiben an das Foreign Office. Darin teilte sie ihre Auffassung mit, daß die deutschen Exporte nach Großbritannien durch die neuen Zollsätze in besonderer Weise betroffen seien. Unter Bezugnahme auf Abschnitt 2 des Protokolls zum Deutsch-Englischen Handelsvertrag vom 2. Dezember 1924 bat die Reichsregierung um zollpolitische Verhandlungen.184 Abbildung 9 zeigt, daß vor allem auch in Europa der Anteil der Zölle am Wert der Reineinfuhr bis zum Jahre 1932 gestiegen war. In dem Bericht über Handelspolitik und Handelshemmnisse vom Juni 1930 wies die Internationale Handelskammer darauf hin, daß die Zoll-Meßzahlen nur ein "ungefähres Bild" der Belastung der Wareneinfuhr in den einzelnen Ländern gäben. Um Aussagen über die tatsächliche handelshemmende Wirkung von Zöllen zu erlangen, sollten auch die Produktionskosten (Löhne, Rohstoffkosten) berücksichtigt werden. Denn Zölle in Ländern mit hohen Produktionskosten wären leichter zu überspringen, als in Ländern mit niedrigen Produktionskosten. 185 Trotz der Erhöhung der Zölle ging der Anteil der Zolleinnahmen am öffentlichen Gesamthaushalt zurück (siehe Abbildung 10). Der World Economic Survey des Völkerbundes wies darauf hin, daß die Zolleinnahmen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise sogar unter das Niveau von 1929 gesunken waren. 186 Am deutlichsten wurde diese Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Hier sank der Zollanteil am öffentlichen Gesamthaushalt von 44,02% im Jahre 1912 auf 12,24% im Jahre 1932. Diese Entwicklung wurde dadurch beeinflußt, daß 1913 die Bundeseinkommensteuer von den Demokraten eingeführt und im Gegenzug die Zölle gesenkt wurden. Seit 1921 erhöhten die Republikaner wieder den Zollschutz, während sie die Einkommensteuer senkten. Auch in Japan war ein erheblicher Bedeutungsverlust der Zolleinnahmen für den öffentlichen Haushalt festzustellen. Hier sank der Anteil der Zölle von 13,58% auf 9,13 %. In Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien fiel dagegen die Senkung des prozentualen 182 A. Coppe, International Consequences of the Great Depression, in: Wee, Great Depression, S.14. 183 Forrest Capie liefert dazu die Erklärung: ..... there are always groups who benefit from protection and where they can acquire power they are likely to encourage protectionism and adopt protectionist measures." Forrest Capie, The International Depression and Trade Protection in the 1930s, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999, S.12 (in Druck). 184 PRO/F0/15683, 198: Deutsche Botschaft an Sir John Sirnon (Foreign Office), Briefvom 27. November 1931. l85 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Bericht über Handelspolitik und Handelshemmnisse, Ergänzungsheft zur Internationalen Wirtschaft 7 (1930), S. 12 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1930). 186 League of Nations (Hrsg.), World Economic Survey 1938/39, Genf 1939, S.57.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

111

Anteils der Zölle am öffentlichen Gesamthaushalt geringer aus. 1932 betrug der deutsche Part 21,15%, der französische 10,46%, der britische 16,44% und der italienische 11, 62 %. 187 USA

44,02

Japan

Italien

m1932 111111912

Großbritannien

Frankreich

Deutschland 0

10

20

30

40

50

Quelle: Internationale Wirtschaft 6 (1934), S. I. Eigene Umsetzung. Abbildung 10: Der Anteil der Zölle am öffentlichen Gesamthaushalt im Vergleich die Jahre 1912 und 1932 (in %)188

Die US Tariff Commission konstatierte, daß es für die Erhebung von Zöllen zwei Gründe gebe: "The relation of any customs duty to national finance is usually the object of careful attention, whether the tariff be designed for revenue or protection."189 Die Zollschranken hatten nach dem Ersten Weltkrieg eher die Aufgabe, vor billigen Einfuhren zu schützen. Daß sie weniger dazu dienen sollten, die Einnahmen zu erhöhen, wird deutlich, wenn man ihren schwindenden Anteil an den gesamten Staatseinnahmen betrachtet. In den USA rechtfertigten Handelspolitiker der Republikanischen Partei die Zölle mit dem Argument, daß angesichts der Produktionsko-

Internationale Wirtschaft 6 (1934), S.l. Hier bestand das Problem, daß Finanzzölle auf Waren, die nicht im Inland hergestellt worden waren (sogenannte Kolonialwaren), nicht als protektionistisch interpretiert wurden. Zudem war die Staatsquote gestiegen; dadurch verringerte sich der Anteil der Zölle am öffentlichen Gesamthaushalt 189 United States Tariff Commission, TheTariff and lts History, Washington D. C. 1934, S. 2. Über die Aufgaben der Tariff Commission, siehe: Senate Document No. 166, 71 st Congress 2d Session, TariffAct of 1930, Washington 1930, S.121. 187

188

112

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

stenunterschiede zum Ausland damit die Prosperität der amerikanischen Wrrtschaft verteidigt würde.l90 Das beste Beispiel dafür ist das Smoot-Hawley Tariff Act. 191 Das Zollgesetz war im Mai 1929 vom Repräsentantenhaus angenommen worden und durchlief im März 1930 den Senat. Am 17. Juni 1930 wurde es durch die Unterschrift von Präsident Hoover Gesetz. 192 Das Smoot-Hawley-Zollgesetz stellte einen "tuming point in world history" dar und löste vor allem in Europa eine Welle von Vergeltungsmaßnahmen aus. 193 Über die Auswirkungen des Smoot-Hawley TariffAct auf die Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren besteht in der Literatur keine einheitliche Meinung. Auf der einen Seite stehen die Kritiker, die der Zollerhöhung eine entscheidende Rolle für den Übergang der Krise zu einer "Großen Depression" beimessen. 194 Auf der anderen Seite gibt es die BefürworteT, die dem Smoot-Hawley-Zollgesetz sogar stimulierende Effekte für die amerikanische Wirtschaft zusprechen. 195 Damit kann aber 190 Carl-Ludwig Holtfrerich (Hrsg.), Wirtschaft USA. Strukturen, Institutionen und Prozesse, München 1991, S. 361 (fortan zitiert als Holtfrerich, USA). 191 Bei dem Smoot-Hawley-Schutzzoll handelte es sich um einen "Wettbewerbstarif". Er sollte einen Ausgleich zwischen den in- und ausländischen Produktionskosten schaffen. Die vergleichsweise hohen Produktionskosten in den USA waren nach Auffassung der Republikanischen Partei auf die relativ hohen Löhne in den Vereinigten Staaten von Amerika zurückzuführen. Das französische Wirtschaftsministerium vertrat dagegen die Position, daß Löhne nicht den Hauptteil der Produktionskosten ausmachten. Die Wettbewerbsposition eines Landes würde vor allem von den Fixkosten abhängen. Völkerbundsarchiv in Genf: R2726/l0C/479/479, S. 3. Rudi Schlesinger weist darauf hin, daß ein hoher Lohn die Produktionskosten nicht zwangsläufig verteuert. Rudi Schlesinger, Die Zollpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika von der Beendigung des Weltkrieges bis zum Fordney-McCumber-Tarif, Jena 1926, S.5 (fortan zitiert als Schlesinger, Zollpolitik). 192 Jude Wanniski sieht einen Zusammenhang zwischen den Verhandlungen im Senat über das Smoot-Hawley Zollgesetz und dem Börsenkrach vom Oktober 1929. Unmittelbar vor dem WallStreet Crash hatte der Senat der Erhöhung von Zöllen auf Karbid zugestimmt. Daraus folgert Wanniski: "Moreover, chemieals were only the first of 15 schedules involving more than 20,000 items." Wanniski, The Way, S. l36/145. 19 3 Siehe dazu die klassische Studie von Ioseph M. Iones, Ir., Tariff Retaliation. Repercussions of the Hawley-Smoot Bill, Philadelphia 1934 (fortan zitiert als Iones, Retaliation). Siehe auch: Arthur Salter, Recovery. The Second Effort, London 1932, S.l73. Die protektionistischen Maßnahmen der USA in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg werden am besten resümiert bei: Kelly, Antecedents, S. 3-68. Siehe auch: Taussig, Tariff History. 194 Bidwell, Trade, S. 391-401. Slichter, Tariff, S. 519--524. Siehe auch: Allan H. Meltzer, Monetary and Other Explanations for the Start of the Great Depression, in: Journal of Monetary Economics 2 (1976), S. 459-460 (fortan zitiert als Meltzer, Monetary); Wanniski, The Way, S.l36. 195 So versucht Barry Eichengreen nachzuweisen, "(i) that the direct effects of Smoot-Hawley were favorable for the US economy and unfavorable abroad, (ii) that the impact of the tariff on foreign demands of the US exports did not offset theses favorable effets, and (iii) that it is even unclear that foreign retaliation swamped these effets." Einen negativen Effekt gesteht er dem amerikanischen Zollgesetz nur im Hinblick auf das internationale Währungssystem zu.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

113

nicht erklärt werden, warum das Zentrum der Krise in den USA lag. Eine zwischen beiden Polen liegende Position nehmen die Autoren ein, die dem Zollgesetz nur eine Nebenrolle im Rahmen der Krise zugestehen.196 In dieser Arbeit wird der Standpunkt vertreten, daß der amerikanischen Zollpolitik eine entscheidende Bedeutung für die Dauer und Tiefe der Weltwirtschaftskrise zukam. Ein besonderes Augenmerk wurde bereits auf die Entwicklung von industriellen Handelsströmen gelegt. In einer Studie der Economic Comrnission for Europe analysiert lngvar Svennilson treffend die dominoeffektartigen Auswirkungen, die eine Schrumpfung der Exporte auf den innereuropäischen Handel hatte.197 Das amerikanische Zollgesetz von 1930 leitete eine Reihe von Vergeltungsmaßnahmen in den Ländern ein, deren Handels- und Zahlungsbilanzen mit Amerika ein erhebliches Defizit aufwiesen. 198 Den Unterschied zu früheren Retaliationsmaßnahmen sah Andre Siegfried, ökonomischer Berater der Internationalen Handelskammer, in einer erhöhten Verletzbarkeil auch des amerikanischen Marktes gegeben. Dies führte er auf eine gestiegene amerikanische Abhängigkeit vom europäischen Markt und einer "closer union ofEurope" zurück. 199 Zudem wiesen die USA vor dem Inkrafttreten des Zollgesetzes von 1930 eine positive Handelsbilanz auf: "Thus the United States stood more to lose than to gain in thetariffwar with the outside world," folgert daraus Sidney Ratner.2oo In der Tat, in den Jahren 1929 bis 1933 sank der amerikanische Anteil am Welthandel erheblich; nicht nur mit Europa ging der Warenaustausch zurück, sondern auch mit Lateinamerika. Als im Mai 1930 1028 amerikanische Ökonomen gegen die Annahme des Gesetzentwurfs von Reed Smoot und Willis C. Hawley beim Präsidenten Protest einlegten, hatten sie diese Entwicklung vorausgesehen.201 Nicht umsonst waren es vor allem die international ausgerichtete Finanzwelt (American Bankers' Association) und die exportorientierte Industrie, die sich gegen eine Erhöhung des Zollsatzes wandten.202 Vor allem die amerikanische Automobilindustrie hatte unter den Folgen europäischer Vergeltungsmaßnahmen zu leiden. In Italien wurde beispielsweise der Kauf Barry Eichengreen, The Political Economy of the Smoot-Hawley Tariff, (Working Paper No. 2001), Cambridge Mass. 1986, S. 26/27/46. 196 Mitton Friedman/Anna Schwartz, A Monetary History of the United States 1867-1960, Princeton 1963 (fortan zitiert als Friedman/Schwartz, Monetary History). 197 United Nations Economic Commission, Growth, S. 172. 198 Iones, Retaliation, S. 23. 199 Andre Siegfried, European Reactions to American TariffProposals, in: Foreign Affairs 1 (1929), S. 13-20 (fortan zitiert als Siegfried, European Reactions). 200 Ratner, American History, S. 54. 201 Carl-Ludwig Holtfrerich, The Grown-up in Infant's Clothing. The US Protectionist Relapse in the Interwar Period, (Working Paper/John F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien; 19: Abteilung Wirtschaft), Berlin 1989, S.43 und Wanniski, The Way, S. 139. 202 Ratner, American History, S. 52. 8 Rosengarten

114

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

von amerikanischen Fahrzeugen boykottiert.203 Auch der deutsche Absatzmarkt wurde für ausländische - und damit auch für amerikanische- Anbieter immer undurchdringlicher: Ihr Anteil am gesamten Absatz im Reich sank von 40% im Jahre 1928 auf knappe 9 % im Jahre 1934.204 Aus Furcht vor schwindenden Absatzmärkten setzte sich daher die amerikanische Automobilindustrie vehement gegen eine Erhöhung der tarifärenund nicht-tarifären Handelshemmnisse vonseitender Regierung ein.205 Bezeichnenderweise brach die Produktion von Fahrzeugen synchron mit dem Erlaß von zollpolitischen Maßnahmen ein: Betrug die amerikanische Produktion 1929 5.358.000 Einheiten, sank sie 1930 mit dem "Smoot-Hawley Tariff Act" auf 3.356.000 und erreichte 1933 mit 1.920.000 Einheiten ihren Tiefpunkt. Mit dem ,,Reciprocal Trade Agreements Act" von 1934 stieg die Produktion dann langsam wieder an und erreichte 1937 mit 4.808.000 Automobilen einen vorläufigen Höhepunkt. Im Krisenjahr 1938 mußte dann erneut ein radikaler Einbruch um 48,2% in der amerikanischen Fahrzeugproduktion verzeichnet werden.206 Da die Automobilindustrie eine Schlüsselstellung mit erhöhten Wachstumsraten innerhalb der amerikanischen Wirtschaft innehatte, mußten Absatzschwierigkeiten in dieser Branche auch auf andere Teilbereiche der Wirtschaft übergreifen. Die zunehmenden Zölle auf amerikanische Fahrzeuge führten über abnehmende Absatzmärkte zu einer verringerten Produktion. Dieser Produktionsruckgang blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Zulieferindustrie, was einem krisenfördernden Akzeleratoreffekt in der Binnenwirtschaft gleichkam. In den europäischen Staaten, wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland, war die Stückproduktion von Fahrzeugen dagegen im Vergleich zu Amerika sehr gering: In Großbritannien sank sie von 239.000 im Jahre 1929 auf 225.000 im Jahre 1931 und stieg dann ohne Unterbrechung langsam wieder an. Der Aufschwung setzte hier erheblich früher und proportional stärker ein als in den anderen Staaten. Im Jahre 1933 wurde bereits das Produktionsniveau aus der Zeit vor dem Börsenkrach überholt. Vier Jahre später erreichte die Automobilbranche mit 507.000 Stück einen Ausstoß, der doppelt so hoch lag wie derjenige von 1929. Ein Rückgang um 60.000 Stück im Jahre 1938 tat dieser aufsteigenden Entwicklung keinen großen Abbruch. In Frankreich erreichte die Automobilindustrie ihren absoluten Tiefpunkt mit 165.000 Stück dagegen erst im Jahre 1935. Danach stieg die Produktion aber ohne Unterbrechung langsam wieder an, bis sie 1938 eine Stückzahl von 227.000 erreichte. Die deutsche Fahrzeugproduktion erreichte bereits im Jahre 1931 mit 70.000 Produktionseinheiten ihre absolute Baisse und stieg bis zum Jahre 1938 auf 346.000 203 Brief von Julius H. Bames an Lawrence Richey, Secretary of the President, vom 13. Juli 1929, in: HHL, Presidential File, Julius Bames 1929-32, Box No.429. Vgl. auch: Jones, Retaliation, S. 23. 204 Richard J. Overy, Cars, Roads and Economic Recovery in Germany, 1932-8, in: The Economic History Review 38 (1975), S.472 (fortan zitiert als Overy, Cars). 20s Berg/und, TheTariff Act, S.470nl. 206 Overy, Cars, 5.468/469.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

115

Stück an.207 Darin lag wohl ein wichtiger Gradmesser für die Wiedergesundung der deutschen Wirtschaft in der Folge der Weltwirtschaftskrise. Die Automobilindustrie übernahm hier eine Art Initialzündung für den wirtschaftlichen Aufschwung. Mittels eines Spill-Over-Effekts griff er dann schließlich auch auf andere Branchen über. 208 In den USA war der Zusammenhang zwischen Fahrzeugindustrie und konjunktureller Entwicklung besonders offensichtlich. Sobald die Branche durch tarifäre oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse in ihren Absatzmöglichkeiten eingeschränkt wurde, machten sich diese Restriktionen in Form von sinkenden Produktionszahlen bei den Automobilherstellern bemerkbar. Dieser Rückgang blieb nicht ohne Auswirkungen auf die anderen Wirtschaftsbereiche. Was in Zeiten der Konjunktur wegen der vergleichsweisen hohen Nachfrage als Initialzündung für ganze Branchen funktionierte, kehrte sich in Krisenzeiten genau in eine gegenteilige Entwicklung um. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise blieben Absatzschwierigkeiten, die die Automobilindustrie im Ausland hatte, nicht ohne Auswirkungen auf die heimische Industrie, wie z. B. die Textil-, Lampen-, Gummi-, Stahl-, Maschinenbau- und Zementindustrie. Besonders die Nationalsozialisten waren sich der Bedeutung der Automobilbranche als Schlüsselindustrie für die Binnenwirtschaft bewußt und setzten sich vehement für eine "Motorisierung" des Deutschen Reiches - auch im Rahmen der Aufrüstung- ein.209 Die vorläufigen Ergebnisse der diesbezüglichen Untersuchungen der Internationalen Handelskammer lassen sich wie folgt zusammenfassen. Erstens hatte der Prozentsatz der Zölle im Verhältnis zum Wert der Reineinfuhr zwischen den Jahren 1912 und 1932- mit Ausnahme von Japan- deutlich zugenommen.210 Gleichzeitig sank ihr Anteil am öffentlichen Haushalt. Zweitens war eine wertmäßige Abnahme der Einfuhr festzustellen unter gleichzeitiger Erhöhung der öffentlichen Einnahmen.211 Die Internationale Handelskammer kam zu dem Schluß, daß die erhöhten Einnahmen des Staates auf eine außerordentliche Zunahme der Steuerlast zwischen den Jahren 1912 und 1932 zurückzuführen seien, und daß die dem Handel auferlegten Opfer in keinem Verhältnis zu dem daraus erwachsenen Nutzen für den Staatshaushalt ständen. Zu den tarifären Belastungen traten während der Weltwirtschaftskrise noch die nicht-tarifären Hemmnisse hinzu. Diese umfaßten Kontingentierungen, Devisenkontrollen und Clearingabkommen. Die Internationale Handelskammer legte in eiOvery, Cars, 5.468/469. "The more immediate effects were obvious ones- increases in steel orders, orders for manufactured goods such as lamps, textiles, machinery, and tools. To these may be added the tyre and rubber industry, the fuel industry, retail andrepair shops, garages, and roads." Overy, Cars, S.479. 209 Overy, Cars, S. 469/476. 210 In den Vereinigten Staaten von Amerika war die Erhöhung verhältnismäßig schwach. 211 Mit Ausnahme von Japan, wo die Tendenz jedoch die gleiche war. 201

208

116

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

ner Studie dar, daß die Beschränkungen des Welthandels durch Verrechnungsabkommen und Devisenkontrollen die Tendenz zum bilateralen Handel verstärkt hätten. Im Jahre 1937 betrug der Handel im Verrechnungswege, d. h. ohne Devisentransfer, 12% des Welthandels, und zwar für Ein- und Ausfuhren gleichermaßen. Diese letztere Übereinstimmung ist charakteristisch für die mit dem Verrechnungssystem verknüpfte Tendenz, einen möglichst weitgehenden Ausgleich zwischen Imund Exporten zu schaffen. Dadurch wurde der Außenhandel ungünstig beeinflußt. Bei acht Ländern entfielen mehr als 50% ihres Außenhandels auf Verrechnungsabkommen, nämlich bei Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Jugoslawien, Rumänien, Spanien, der Türkei und Ungarn. Bei Großbritannien und Frankreich betraf dagegen der Außenhandel auf dem Verrechnungswege weniger als 3 % ihrer gesamten Außenhandelsbeziehungen.212 Der Internationale Wirtschaftsdienst der Internationalen Handelskammer hatte eine Methode entwickelt, die es ermöglichte, den Anteil des bilateralen Handels am gesamten Handel eines Landes zahlenmäßig auszudrücken. Als Ausgangspunkt diente das Jahr 1931, in welchem 18 Länder die Devisenkontrolle einführten. Das Ergebnis zeigte, daß sich der Bilateralismus, der auf einen Ausgleich der Handelsbilanzen abzielte, seit 1931 kontinuierlich ausbreitete. In den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Deutschland machte der bilaterale Handel ein Drittel des gesamten Güteraustauschs aus.m Die Internationale Handelskammer konstatierte zudem in den dreißiger Jahren "a growing tendency on the part of the governments of the world to resort to the application of the quota system for restricting imports." Das System der Kontingente stellte eine Form von Handelsschranken dar, die es nach Ansicht der Kammer zu eliminieren galt. Die Internationale Handelskammer gab ihrer Hoffnung Ausdruck, daß die Regierungen zukünftig auf dieses Instrument der Handelspolitik gänzlich verzichten sollten. Im Falle von Ausnahmen sollten die nachteiligen Effekte auf ein Minimum beschränkt werden: "Meanwhile, so long as it may be necessary to continue applying quotas, the International Chamber of Comrnerce believes that the system should be applied as uniformly as possible, andin such a way as to reduce its inconveniences as far as possible and assure at least a minimum of security for international trade."214

Als das Deutsche Reich 1933 ein System der Devisenbeschränkung und -diskriminierung installierte, wurde darin von der US-Regierung ein Akt ökonomischer Aggression gesehen. Der Protektionismus kann verschiedene Ausformungen haben. Leo Pasvolsky unterschied zwischen den Restriktionsmaßnahmen ohne direkten Einfluß auf die 212 Der Verrechnungsverkehr im Welthandel, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939),

s. 12/13.

213 Von der Untersuchung war Großbritannien ausgeschlossen. Internationale Handelskammer, Wirtschaftliche Entwicklung, S. 29/32/33/34. 214 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskamrner, R 11/1354, S. 128.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

117

Menge der eingeführten Waren einerseits und denjenigen mit einer kontrollierenden Wirkung andererseits. Zur ersten Gruppe rechnete er die Zollgebühren, speziellen Steuern (z. B. die Verbrauchssteuer), die Subventionen und die Währungsabwertungen.215 Die zweite Gruppe umfaßte Embargos, Lizenzen, "local contents", Importund Zollquoten216, Devisenkontrollen, sanitäre Bestimmungen sowie administrative Regulierungen.m Neben den Wertzöllen (vorwiegend für verarbeitete Güter) gab es in der Zeit der Weltwirtschaftskrise vor allem auch die spezifischen Zölle (vorwiegend für Rohstoffe).218 Bei den spezifischen Zöllen wurde der Zollsatz als absoluter Betrag für eine bestimmte Meßeinheit, z. B. Tonne, festgesetzt. Spezifische Zölle wirken dahingehend, daß sie bei Preisrückgängen den prozentualen Zollschutz des nationalen Marktes erhöhen.219 Dadurch kam es auch in der Zeit der Weltwirtschaftkrise zu einer Erhöhung des realtiven Zollschutzes in den USA, noch bevor das Smoot-Hawley-Zollgesetz 1930 in Kraft trat. Für die Umstrukturierung der amerikanischen Einfuhren spielte diese Wirkung der spezifischen Zölle sicherlich eine Rolle. Selbst bei konstanten Zollsätzen wirken die spezifischen Zölle auf die Preis- und Beschäftigungslage einer Volkswirtschaft kurzfristig stabilisierend ("built-in beggar-my-neighbor policy"). 220 Der Grund: Die durchschnittliche Zollbelastung steigt bei spezifischen Zöllen auch dann (ad-valorem-Äquivalent), wenn das Preisniveau sinkt.221 Für den Zeitraum von Mitte 1930 bis Mitte 1932 rechnet lrwin eine Zoller-

21 ' In Deutschland erhöhte sich die Subventionsrate im Jahre 1935 auf durchschnittlich 25%. ASO: BIB 50, Document No.6216, Second International Bankers' Meeting. Ways and Means of Restoring Freedom of Capital Movements, Statement by Maurice Golay, DirectorGeneral of the Societe de Banque Suisse 2.3.1937. S. 2. 216 Jacob Viner von der University of Chicago maß Importquoten- verglichen mit den anderen Ausformungen einer Zollpolitik- die größte ökonomische Effizienz bei, denn: - sie könne sich am schnellsten an veränderte Bedingungen anpassen, - sie könne präzise gehandhabt werden. Einen Nachteil sah er in einer Zunahme der bürokratischen Befugnisse und einer einschränkenden Wirkung auf die Meistbegünstigungsklausel. Jacob Viner, Memorandum on the Technique of Present-day Protectionism, in: Joint Committee on the Improvement, S. 64 (fortan zitiert als Viner, Memorandum). Leo Pasvolsky lehnte Quotenregelungen dagegen strikt ab: .,Quota systems are adrninistratively irksome and expensive." Leo Pasvolsky, Comments on the Improvement of Commercial Relations Between Nations, in: Joint Committee on the Improvement, S. 74 (fortan zitiert als Pasvolsky, Comments). 217 Pasvolsky, Memorandum, S.41. 218 In Großbritannien wurden die spezifischen Zölle aber auch auf Produkte der Schlüsselindustrie, wie z. B. Uhren, Musikinstrumente, Autos und Seide erhoben. HP: Document No.5420, XL~me Session du Conseil, 9 Mars 1934, S.12. 219 Über die Auswirkungen eines Preisverfalles auf die Höhe der spezifischen Zölle, siehe: United States Tariff Commission (Hrsg.), Regulation of Duties to Value of Imports, 72d Congress, 1st Session, Senate Document No.91, Washington D. C. 1932. 220 Holtfrerich, Weltwirtschaftskrise und Außenhandel, S.61. 221 CrucinilKahn, Tariffs, S. 4. Mario Crucini, Sources of Variation in Real Tariff Rates: The United States, 1900 to 1940, in: The American Economic Review 84 (1994), S. 732-734 (fortan

118

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

höhung von insgesamt 54% aus. Diese sei zu zwei Drittel auf eine preisinduzierte Erhöhung der spezifischen Zölle und nur zu einem Drittel auf die Smoot-HawleyGesetzgebung zurückzuführen.222 Die Binnenindustrie wird dadurch vor dem Wettbewerb mit einer ausländischen Konkurrenz geschützt. Langfristig behindert eine Erhöhung des spezifischen Zollniveaus aber den internationalen Güteraustausch; eine frühzeitige Rückkehr der Weltwirtschaft zu einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht wird dadurch erschwert. Unter Berücksichtigung der spezifischen Zölle ist es demnach verfehlt, den Rückgang des Außenhandelsvolumens zu Anfang der dreißiger Jahre allein auf die per Gesetz errichteten Handelsbarrieren zurückzuführen. Die Bedeutung der spezifischen Zölle konnte während der Weltwirtschaftskrise vor allem in den USA beobachtet werden. Im Jahre 1930 stiegen sie zum Teil um 50%, manchmal sogar um 100%.223 Dadurch wurden die protektionistischen Auswirkungen des Smoot-Hawley-Zollgesetzes sogar noch verstärkt. Trotzdem bevorzugte die Internationale Handelskammer das System der spezifischen Zölle. Sie gab die folgende Begründung: .,Die Nachteile sind in dieser Hinsicht in einem System mit ad-valorem-Zöllen viel zahlreicher und viel offensichtlicher als in einem System mit spezifischen Zöllen."224 Der Nachteil der Wertzölle schien ihrer Meinung nach in der Schwierigkeit zu liegen, die mit einer richtigen Festsetzung des Wertes verbunden war.22S Außerdem hatten sie sich im Zusammenhang mit der Berechnung des Wertes nach Weltmarkt- oder Inlandspreisen als protektionistischer erwiesen, besonders bei Ländern, die keine vertraglichen Zollermäßigungen kannten. Die Berechnung nach dem Inlandswert des Einfuhrlandes ließ den Versender der Ware zunächst in Ungewißheit über die Zollhöhe.226 Die Zollpolitik der Regierungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise beruhte auf der Prämisse, daß Zollerhebungen automatisch zu Preissteigerungen führten. Prozitiert als Crucini, Sources). Douglas A.lrwin, ChangesinUS Tariffs: Prices or Policies?, (National Bureau of Economic Research Working Paper 5665), Cambridge Mass. 1996. 222 /rwin, A Quantitative Assessment, S. 329. Siehe auch HHL: Report of Subcommittee of American Section. International Chamber of Commerce on Thirty Years of Europe- United States Trade, S. 45. ,.The average ad valorem rate incorporates within itself, for commodities dutiable on a specific basis, an equivalent ad valorem rate. This equivalent rate rises or falls inversely with the price of the commodity. During a period of depressed prices the equivalent rate would be high and thus add to the height of the general average ad valorem rate." Der Smoot-Hawley TariffAct hatte eine Signalwirkung, die starke Gegenreaktionen hervorrief. 223 Holtfrerich, Grown-up, S.41/42. Siehe auch: Holtfrerich, U.S. Economic (Policy), S.67. 224 Im Original heißt es: ,,Les inconv6nients, a ce point de vue, sont plus nombreux et plus apparents dans le syst~me des droits ad valorem que dans Je syst~me a droits sp6cifiques... ASO: BIB 43, Document No. 4016, Projet de rapport pour le Comite Consultatif Economique. Tarifs douaniers et pratiques douanieres, Geneve Mai 1930, S. 1. 225 Besonders in Großbritannien waren Wertzölle vorherrschend. Liepmann, Tariff Levels, S.l3l. 226 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichswirtschaftsministerium, R 31 Ol/1987, S. 44.

I. Wirtschaftspolitische Probleme

119

tektionistische Maßnahmen sollten daher den Preisverfall verhindem und als Ausweg aus der Krise dienen. In der gemeinsamen Studie der Internationalen Handelskammer und der Camegie Stiftung aus dem Jahre 1936 wurde der Zusammenhang dargestellt: ,.The reason for restrictions was the beliefthat economic recovery could not come about unless prices of raw materials could be raised substantially above their then Ievels." 227

In Wirklichkeit hatte die Zollerhebung zum Ziel, die Preise der importierten Güter auf ein Niveau anzuheben, das über den nationalen Notierungen lag. Dadurch sollte ein kompetitiver Vorteil ausländischer Produkte gegenüber den inländischen Gütern aufgrund von niedrigeren Preisen verhindert werden. Zudem konnten Zölle auch den Druck, die Produktivität zu steigern, verringern. Die Art der auferlegten Zölle war entscheidend für das Ausmaß der Belastung. Während die spezifischen Zölle Güter mit hohen Preisen weniger belasteten als Güter mit niedrigen Preisen, galt der proportionale Effekt für die ad-valorem-Verzollung. Auch bei den Subventionen gab es unterschiedliche Ausformungen: Subventionen konnten direkt durch monetäre Zuschüsse oder indirekt durch Steuernachlaß gewährt werden; Subventionen konnten sich auf den gesamten Output oder nur auf die exportierten Güter beziehen.228 Leo Pasvolsky bemerkte treffend, daß die beiden Arten von Zuschüssen neutralisiert würden, wenn alle Staaten die gleichen Vergünstigungen gewährten.229 Pasvolsky identifizierte zwei Gründe für die Regulierung des zwischenstaatlichen Handels: erstens den Schutz der einheimischen Industrie und zweitens die Wahrung nationaler Interessen, wie z. B. der äußeren Währungsstabilität und der Goldreserven. Er selber sah in Zollerhebungen die Gefahr einer Reglementierung des Handels, ,. ... inescapable in any more or less effective attempt to allocate the market between the domestic and the foreign producers, or eise they give rise to monopolistic tendencies, which may or may not be successfully tempered, in the interests of the consumers, by direct govemmental interference."2Jo Die Effekte, die zollpolitische Reglementierungen ausübten, beschrieb Jacob Viner von der University of Chicago. Als Berater der ICC schrieb er im Auftrag des gemeinsamen Ausschusses von der Internationalen Handelskammer und der Camegie Stiftung ein Memorandum, in welchem er die drei entscheidenden Wrrkungen von zollpolitischen Maßnahmen herausarbeitete: erstens die restriktiven Wirkungen auf die Importe; zweitens den ökonomischen Verlust durch die Verringerung des Realeinkommens (der Kaufkraft) für das Land, das die Zölle erhob; drittens den Pasvolsky, Memorandum, S.l18. Etwa 60 Prozent der deutschen Exporte erhielten in den Jahren 1929 bis 1939 Subventionen. Derek H. Aldcroft, The European Economy 1914-1990, London 19933, S. 86 (fortan zitiert als Aldcroft, European Economy). 229 Pasvolsky, Memorandum, S.42. 230 Pasvolsky, Memorandum, S.49. 227 228

120

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

ökonomischen Verlust, der für die ganze Welt aus der Verringerung des Realeinkommens (der Kaufkraft) entstand.231

II. Handelspolitische Empfehlungen Wahrend Ridgeway vor allem die Reparations- und Schuldenfrage zum Schwerpunkt seiner Untersuchung macht232, sollen in dieser Arbeit die zollpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskanuner im Vordergrund stehen. Die Internationale Handelskammer stellte für die Zeit der Weltwirtschaftskrise ein alarmierendes Potential an staatlichem Interventionismus fest. 233 Der staatliche Interventionismus schien in der Zeit der Weltwirtschaftskrise in Form von Zollerhebungen eine "controlled economy" heraufzubeschwören, welche den Interessen der exportorientierten Industrie zuwiderlief.234 1hre Aufgabe sah die Kanuner daher darin, staatliche Interventionen im wirtschaftlichen Bereich in Schranken zu halten. Auf dem Jahrestreffen der britischen Landesgruppe umschrieb Arthur Balfour deshalb das Ziel der Kanuner folgendermaßen: "The function of the British National Committee and of the International Chamber of Commerce collectively is to watch the various Govemments and see that the politicans do not interfere too much within business and make further difficulties."23S

Die Internationale Handelskammer befürwortete ausschließlich private Initiativen im wirtschaftlichen Bereich in Form von Industrievereinbarungen ("ententes industrielles"). Durch eine weltweite Koordination der industriellen Produktion hoffte die Kammer, daß die Erhebung von Zöllen an Bedeutung verlieren würde. Einem Viner, Memorandum, S.53. Ridgeway, Merchants, S. 350. 233 ASD: BIB 49, Document No.4714, Committee oflnquiry into Foreign Exchange Regulations, January 16th 1932, S.l. 234 ASD: BIB 43, Document No. 4687, Joint Meeting for the Study of European Problems, December 8-9th 1931, S. 2. Zu einer positiven Bewertung einer kontrollierten Ökonomie kommt J. R. Overy für das nationalsozialistische Deutschland: "The secret behind the Nazi economic revivalwas not merely proto-Keynesian spending policies but the whole 'package' of controls, all of them interdependent, all of them necessary to achieve what the Nazis wanted out of the economy." Richard J. Overy, The Nazi Economic Recovery 1932-1938, London 1982, S. 40 (fortan zitiert als Overy, Nazi Economic Recovery). Ein Schwachpunkt in der Analyse von Overy liegt in der fehlenden Unterscheidung zwischen lang- und kurzfristigen Folgen einer staatlich kontrollierten Wirtschaft: Kurzfristig mochten staatliche Eingriffe zu einem positiven Konjunkturverlauf in der Binnenwirtschaft bei abgeschotteten Märkten verhelfen, langfristig verringern Eingriffe des Staates aber eine effiziente Verteilung der Produktionsgüter und fördern nicht eben die Entwicklung innovativer Technologien. Zudem war eine Ausweitung des Budgetdefizits, ohne daß es sich für die Wirtschaft als schädlich erwies, nicht unbegrenzt möglich. Die staatlichen Investitionen im Bereich der Rüstungsindustrie stellten eine zusätzliche Belastung für eine gesunde Friedenswirtschaft dar. m International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), Annual Meeting of the British National Committee, 25th February 1930, S.4. 23t

232

II. Handelspolitische Empfehlungen

121

Engagement von seiten der Regierungen wurde hingegen der Erfolg abgesprochen.236 Staatliche Maßnahmen auf dem Gebiet von Unternehmenszusammenschlüssen würden nach Auffassung der Kammer nicht zu einer Milderung, sondern eher zu einer Verschärfung der Krise beitragen. Dies sei auf das unkoordinierte, nur an den nationalen Interessen ausgerichtete Vorgehen der Staaten zurückzuführen.237 Die Gefahren staatlicher Interventionen für die Gesundung der internationalen Wirtschaft wurden von der Kammer richtig erkannt. Die Regierungen standen der Idee eines Abbaus von tarifärenund nicht-tarifären Handelshemmnissen umso zurückhaltender gegenüber, je stärker sie eine staatliche Planung des wirtschaftlichen Geschehens in Angriff genommen hatten. Abgesehen vom Abbau der Handelsbarrieren propagierte die Kammer 1929, die "Überlegenheit privater Unternehmen gegenüber öffentlichen Unternehmen" zu wahren. 238 Der Staat sollte sich darauf beschränken, die Beschlüsse der Produzenten zu unterstützen, ohne jedoch die Leitung der Unternehmen für sich zu beanspruchen. Die Internationale Handelskammer wandte sich damit gegen eine staatliche Kontrolle der Unternehmen. In einer privaten Unternehmensführung sah sie das wirksamste Mittel, um den Fortschritt zu gewährleisten und die allgemeine Prosperität zu fördern. 239

1. Beseitigung der Handelshemmnisse Der Präsident der Internationalen Handelskammer von 1929 bis 1930, Georges Theunis, sah in der von den meisten Staaten verfolgten Handels- und Zollpolitik die entscheidende Ursache für die Weltwirtschaftskrise. Aus diesem Grund riet er: "Von dieser Seite kann ein gemeinsames Vorgehen wirksam sein."240 In dem Entwurf des Berichts der Internationalen Handelskammer für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz im Jahre 1933 wurde diese Ansicht bestätigt. Die meisten Zollgesetzgebungen setzten sich aus zwei Arten von Zöllen zusammen: Autonome Zölle einerseits und Vertragszölle andererseits. Die Stabilität der ersteren hing vom Willen der Nationalstaaten allein ab. Die Vertragszölle beruhten 236 HP: Document No. 3935, Sous-Comit~ Mixte des Ententes Industrielles Internationales et des Tarifs Douaniers. Extrait du Memorandum de M. Stoppani r~latif aux Ententes Industrielles Internationales, S. 1. 237 ASO: BIB 42, Document No. 3936, Sous-Comit~ Mixte des Ententes Industrielles Internationalesetdes Tarifs Douaniers. Partie du Rapport du Dr. Breitscheid, present~e au nom de la deuxieme Commission a1' Assembl~ de la S.D.N. concernant les ententes industrielles internationales, S. 3. 238 Im Original heißt es: " ... sup~riorit~ des entreprises priv~es sur les entreprises publiques". Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 133. 239 Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 (i 935), S. 9. 240 Internationale Handelskammer, Ansprache Georges Theunis 1931, S. 2.

122

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

dagegen auf zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Die ICC erkannte schon früh die Bedeutung eines liberalen Handelsverkehrs für die wirtschaftliche Prosperität. Im Jahre 1923 fand in Rom unter den Auspizien der Internationalen Handelskammer ein Kongreß statt, der über die zollpolitischen Regulierungen in den verschiedenen Ländern beraten sollte. Im Rahmen der Beschlußfassung empfahl die Internationale Handelskammer nicht nur die regelmäßige Veröffentlichung der Zollsatzindizes, sondern auch die Vereinheitlichung der konsularen Bearbeitungsgebühren. Desweiteren sollten von der Anwendung der neu erhobenen Zölle all diejenigen Güter ausgenommen werden, deren Austausch bereits vor der Veröffentlichung des Zollgesetzes durch einen Vertrag besiegelt worden war. 241 Die Internationale Handelskammer empfahl den Staaten zudem, von jeglichen Diskriminierungsmaßnahmen abzusehen, also das Meistbegünstigungsprinzip anzuwenden.242 So verurteilte die Organisation beispielsweise das restriktive Verhalten der ungarischen Zollbehörde gegenüber den französischen Importen: Während die Einfuhr von Seidenprodukten aus Deutschland, Österreich und derTschechoslowakei von der ungarischen Zollgesetzgebung gebilligt wurde, mußten französische Exporteure mit Handelshemmnissen rechnen.243 Bereits Anfang der zwanziger Jahre sprach sich die Internationale Handelskammer öffentlich für den Abbau von Handelshemmnissen in Form von Zöllen, Kontingenten und Clearingabmachungen aus. Sie äußerte die Empfehlung, daß die "import and export prohibitions or Testrietions [should] only constitute exceptional cases, that measures be taken promptly to reduce them to the smallest possible number in all countries where they still subsist." 244 Die Kammer unterstützte außerdem das Bestreben nach einer einheitlichen Behandlung von Handelsreisenden. Bezüglich der Bestimmung des Werts für die ad-valorem-Verzollung riet die Internationale Handelskammer zu einer allgemein gültigen Bewertungsgrundlage.24s

241 Dieses Gesetz bestand bereits in Frankreich und in Spanien. Siehe: International Chamber of Commerce (Hrsg.}, Customs Regulations, Final Text of the Resolutions adopted by the Rome Congress (March 1923}, Appendix, Brochure No. 26, S. 5 (fortan zitiert als International Chamber of Commerce, Customs Regulations, Appendix). 242 Meistbegünstigung ist die "Verpflichtung eines Staates, alle handelspolitischen Vergünstigungen, insbesondere Zollvorteile, die er einem anderen Staat eingeräumt hat, allen anderen Staaten ebenfalls einzuräumen, mit denen er Meistbegünstigung vereinbart." Unterschieden wird zudem zwischen drei Arten der Meistbegünstigung: Erstens die unbedingte und unbeschränkte Meistbegünstigung, d. h. das Verbot der Diskriminierung erstreckt sich auf alle Einfuhrwaren, alle Länder und alle Arten der Handelserschwerung; zweitens die beschränkte Meistbegünstigung, d. h. nur vertraglich vereinbarte Waren sind betroffen oder ausdrücklich ausgenommen; drittens die bedingte Meistbegünstigung, d. h. Gewährung eines Vorteils verlangt eine entsprechende Gegenleistung. Gabler Wirtschaftslexikon, Bd. 5, Wiesbaden 199313, s. 2248-2249. 243 International Chamber of Commerce (Hrsg.), Customs Regulations, Appendix, S. 62/63. 244 International Chamber of Commerce, Customs Regulations, Appendix, S. 71. 245 International Chamber of Commerce, Customs Regulations, Appendix, S. 127.

II. Handelspolitische Empfehlungen

123

Am 6. November 1925 beschloß der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer die Auflösung des Ausschusses für den wirtschaftlichen Wiederaufbau246 und richtete gleichzeitig drei neue Ausschüsse ein, und zwar: erstens den Ausschuß für den internationalen Zahlungsausgleich, zweitens den Ausschuß für die großeil Vorhaben auf dem Gebiet der öffentlichen Arbeiten247 und drittens den internationalen Ausschuß zur Beseitigung der Handelshemmnisse.248 Der Ausschuß zur Beseitigung der Handelshemmnisse unter der Leitung von Etienne Clementel sollte dem Liberalisierungsvorhaben der ICC dienen. Für die Sitzung des Zentralausschussesam 22. Juni 1926 in Paris holte der Ausschuß daher Berichte über bestehende Handelshemmnisse bei den einzelnen Landesgruppen ein.249 Nach eingehender Prüfung der Unterlagen faßte der Zentralausschuß des Komitees zur Beseitigung der Handelshemmnisse den Entschluß folgende Unterausschüsse zu bilden: den Unterausschuß für Fremdenrecht, rechtliche und soziale Ungleichheiten; den Unterausschuß zur Beseitigung der Transporthindernisse250; den Unterausschuß zur Beratung der Finanzschwierigkeiten und der Preis- und Kreditfragen; den Unterausschuß zur Beratung der Ein- und Ausfuhrverbote; den Unterausschuß Freiheit der Rohstoffe, Ausfuhrzölle; den Unterausschuß für technische Zollfragen; den Unterausschuß für internationale Industrievereinbarungen sowie für Organisation und Propaganda.251

246 Der ICC-Ausschuß für den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Europa beschäftigte sich seit seiner Gründung Anfang der zwanziger Jahre mit dem Transferproblem der Reparationszahlungen. Dies war insofern wichtig, als die Wirkungen derartiger Kapitalbewegungen auf die Geschäftswelt groß waren. Der Dawes-Plan war nach Aussagen von Willis H. Booth vom amerikanischen Nationalkomitee ein Produkt von Mitglieder der Internationalen Handelskammer: "Der Dawes-Plan ist das Werk eines Komitees von Geschäftsleuten." Im Original heißt es: ,,Le plan Dawes est l'oeuvre d'un Comite d'hommes d'affaires." Chambre de Commerce Internationale (Hrsg.), Troisieme Congres Bruxelles 21-17 Juin 1925, Seances Plenieres, Brochure No. 42, S. 13. 247 Das genau umschriebene Arbeitsfeld des Ausschusses für internationalen Zahlungsausgleich war die Lösung des Transferproblems der deutschen Reparationszahlungen. Diese wurden durch den Dawes-Plan vorgeschrieben. Fischer, Handelskammer, S. 51. 248 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer vom 6. November 1925. 249 Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten des Vorsitzenden der Österreichischen Landesgruppe, Richard Ried!. Er unterbreitete der Kammer eingehende Vorschläge zur Zollsenkung: Richard Ried/, Kollektivverträge des internationalen Handels in Europa. Bericht der Österreichischen Landesgruppe, Wien 1926; sowie: Richard Ried/, Kollektivvertrag über die Begrenzung der Zollhöhe und die Gewährung gegenseitiger Meistbegünstigung. Bericht der Österreichischen Landesgruppe, Wien 1927 (fortan zitiert als Ried/, Kollektivvertrag). 2!5° Er konnte sich auf die Erfahrungen der Interstate Commerce Commission in den Vereinigten Staaten stützen. Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1930, S.38. 2!5 1 Endgültiger Bericht des Ausschusses zur Beseitigung der Handelshemmnisse für den Stockholmer Kongreß, Drucksache der Internationalen Handelskammer Nr. 45, 1927.

124

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Die Unterausschüsse hatten die Aufgabe, alle Fragen zu prüfen, die sich aus ihrem Arbeitsgebiet heraus ergaben. Sie unterstützten vehement die Arbeit des vorbereitenden Ausschusses der Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbundes im Jahre 1927. Die Arbeitsergebnisse eines jeden Ausschusses wurden in einem Bericht zusammengefaßt und dem Völkerbund auf der Weltwirtschaftskonferenz überreicht. Auch nach der Weltwirtschaftskonferenz blieben die verschiedenen Ausschüsse bestehen. Die Internationale Handelskammer richtete damit zunehmend ihr Augenmerk auf die Schwierigkeiten des internationalen Handels. Die Beseitigung der tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse wurde zu einem der wichtigsten Tatigkeitsbereiche der ICC. In der Resolution, die in Brüssel verabschiedet wurde, heißt es: "The Chamber has directed attention to interferences with the return of normal trade conditions and employment, caused by artificial barriers, obstructive to intercourse between the nations, such as extreme tariffs, unreasonable customs regulations, and restrictions on transportation. " 2S2

Alle diese Handelsbeschränkungen verhinderten eine breite Verteilung der Produkte auf der ganzen Welt. Das vornehmliebste Ziel der Internationalen Handelskammer bestand daher in der Förderung eines freien internationalen Waren-, Personen- und Kapitalverkehrs durch die Beseitigung der diversen Arten von Handelshemmnissen, die sich in verschiedenen Formen von Einfuhrverboten und -beschränkungen offenbarten. Die besondere Aufmerksamkeit der ICC galt den Erscheinungsformen des mittelbaren Protektionismus, d. h. allen Maßnahmen, die geeignet waren, auf indirektem Wege die Einfuhr von ausländischen Waren zu verhindern oder sie vom Verkehr auszuschließen.253 Die Internationale Handelskammer nahm die Beseitigung des mittelbaren Protektionismus besonders ernst, weil dieser zumeist versteckt auftrat und sich einer vorherigen Berechnung entzog. Die internationale Handelspolitik wurde immer mehr zum zentralen Problem der Internationalen Handelskammer. Der Verwaltungsrat beschloß daher in seiner Sitzung vom 24. Oktober 1927, den Ausschuß zur Beseitigung der Handelshemmnisse in einen für Handelspolitik und zur Beseitigung der Handelshemmnisse umzuwandeln.254 Auf dem Kongreß in Amsterdam im Juli 1929 betonte der Generalberichterstatter Gustave L. Gerard, daß die Arbeiten der Kammer auf dem Gebiet der Handelspolitik und Handelshemmnisse ein doppeltes Ziel verfolgten: die Änderung der Gesetzgebung in den verschiedenen Ländern zur Förderung des Warenumsatzes einerseits und die Beeinflussung der internationalen Meinung andererseits. Die Internationale Handelskammer wollte "vor allem das kostbare Werkzeug der Regierun252 International Chamber of Commerce (Hrsg.), Resolutions passed at Third Congress, Brussels 1925, Brachure No.40, S.6. 25 3 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1930, S.14. 254 Mitteilungen der Internationalen Handelskammer 16 (1928).

II. Handelspolitische Empfehlungen

125

gen, den Völkerbund, in einem den Wünschen der Wirtschaft günstigen Sinn beeinflussen", erklärte Gustave L. Gerard im Oktober 1929.255 Im Kreise der Internationalen Handelskammer erhoben sich Stimmen, welche nicht vorrangig die nationalen Regierungen, sondern die Vertreter der Wirtschaft der Urheberschaft der bestehenden Handelsbeschränkungen bezichtigten. Sir Alan Anderson, geschäftsführender Präsident der Internationalen Handelskammer256, gestand 1927 offen ein, "daß wir, die Fabrikanten und Produzenten aller Länder, wir und die Angestellten in unseren Betrieben die Macht sind, die hinter den Handelshemmnissen steht."257 Die Ausführungen von Anderson sind demnach als Kritik zu verstehen, bei der die Mitglieder der Internationalen Handelskammer selbst auf der Anklagebank saßen. In der Weltwirtschaftskrise warfen Vertreter des britischen Nationalkomitees speziell den französischen Industriellen die Förderung eines Quotensystems vor258 : "In France the demand for theses quotas comes largely from the leading industrial organizations which constitute the French National Committee."259 Diese beiden Aussagen verdeutlichen den ambivalenten Charakter der Institution: Einerseits beanspruchte die Internationale Handelskammer für sich die Vorreiterrolle im Bereich der "tariff demobilization".260 Andererseits kamen die Verfechter eines staatlich kontrollierten Protektionismus direkt aus ihren eigenen Reihen. Es ist daher um so bezeichnender, wenn ein Vertreter der amerikanischen Landesgruppe darauf hin255 Sitzungen und Arbeiten, in: Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S. 76. 256 Sir Alan Anderson war stellvertretender Präsident der Bank von England und früherer Präsident der Chamber of Shipping of the United Kingdom. 257 Mitteilungen der Internationalen Handelskammer 15 (1927), S. 9. 258 In diesem Zusammenhang konstatiert F. A. Haight für Dezember 1932: "Only the Committees of France, Greece and Roumania werein favour of the quota system..... The great majority of National Committees consulted declared themselves against the principle of import quotas ...."Frank Arnold Haight, French Import Quotas. A New Instrument of Commercial Policy, Wiesbaden 1970, S. 39 (fortan zitiert als Haigth, French Import Quotas). Folgende Gründe wurden genannt, die gegen ein Quotensystem sprachen: die Effizienzminderung von Handelsverträgen, Eingriffe von seiten der Regierungen, die Verletzung der Meistbegünstigungsklausel. Generell kann gesagt werden, daß Quoten einen stärkeren Schutz vor Einfuhren aus Ländern boten, deren Weihrungen abgewertet worden waren, als dies die Erhebung von Zollschranken erfüllen konnte. 259 International Chamber ofCommerce (Hrsg.), British National Committee, Annual Meeting of the British National Committee vom 28. Juni 1932, Report of Proceedings, S. 3. In Deutschland machte sich am 4. Dezember 1929 der spätere Präsident der Internationalen Handelskammer, Abraham Frowein, für einen Zollschutz der Landwirtschaft und der Automobilindustrie stark. Er vertrat damit eine zur offiziellen Haltung der Internationalen Handelskammer diametral entgegengesetzte Politik. Der Abschluß eines zwei- bis dreijährigen Zollfriedens war nach Ansicht von Frowein "sehr bedenklich". Zitiert nach: Schutz, Deutschland, S. 195. 260 Report of the Committee of Experts submitted June 26, 1936 to the two Presidents of the Joint Committee, in: Joint Committee on the Improvement, S. 390.

126

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

wies, daß die Gesundung der Weltwirtschaft nicht im Bereich der politischen Tätigkeit läge. "Die Mitarbeit der Regierung ist dringend notwendig, aber die Führung muß von der Wirtschaft ausgehen," sagte Melvin A. Traylor auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Washington im Mai 1931.261 Sein Anliegen war umso berechtigter, als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika Vertreter der Wirtschaft für die Erhebung von Schutzzöllen eintraten. Aloys Meyer, Mitglied des Komitees Europa - Vereinigte Staaten von Amerika der Internationalen Handelskammer, führte daher zu Recht die Erhöhung der Einfuhrzölle auf das Engagement amerikanischer Industrieller zurück.262 Die Vereinigten Staaten von Amerika verfolgten in der Zwischenkriegszeit eine im ganzen gesehene protektionistische Außenhandelspolitik.263 Die hohen Zölle wurden von seiten der Industrie mit dem Argument der Produktionskostenunterschiede zum Ausland gerechtfertigt. "In the United States we are committed to a policy of tariff protection to our industries, the theory being that the tariff should represent the difference between the cost of production in our country and elsewhere," resümierte Silas H. Strawn vom amerikanischen Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer.264 Aus diesem Grund sprach sich das amerikanische Nationalkomitee für einen "tariff truce" aus, der aber nur auf das europäische Festland beschränkt bleiben sollte.26s Das britische Nationalkomitee lehnte dagegen ein kollektives Zollfriedensabkommen ganz ab.266 Dieses würde zunächst nur die Stabilisierung und gewissermaßen die Erstarrung der bestehenden handelspolitischen Verhältnisse bedeuten. Die Briten sahen daher in einem Zollfrieden nicht nur ein unüberwindbares Hindernis für einen Zollabbau, sondern auch eine maßgebliche Behinderung für ihren impe261 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, Drucksache Nr. 78, S. 20 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931). 262 Aloys Meyer, Das Problem der hohen Löhne, Drucksache Nr. 23, Washingtoner Kongreß 1931, s. 3. 263 Führende Wissenschaftler, wie der Dekan der Harvard-Universität W. B. Donham, befürworteten die amerikanische Zollpolitik. Im Protektionismus sah Donharn ein Instrument zur Absicherung der amerikanischen Wirtschaft. Siehe Rede von Melvin Traylor, Mitglied der American Section der Internationalen Handelskammer und des Organisationsausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, in: Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S. 113. 264 Silas H. Strawn on Depreciated Currencies and the USA Tariff, in: World Trade 1 (1933), S.8. 265 HP: Document No. 3978, Groupe des Relations Economiques Internationales. Treve douaniere. Analyse des reponses des comites nationaux au questionnaire de 1a C.C.I. (par le Service Industrie et Commerce), Fevrier 1930, S. 2 (fortan zitiert als HP, Document No. 3978). 266 Die britische Regierung befürwortete einen "tariff truce". Die Konvention über einen Zollwaffenstillstand wurde am 24. März 1930 unterschrieben. Eine Ratifizierung fand aber nicht statt. lohn B. Condlijfe, The Reconstruction of World Trade. A Survey of International Economic Relations, New York 1940, S. 306 (fortan zitiert als Condlijfe, Reconstruction).

II. Handelspolitische Empfehlungen

127

rialen Handel.267 Das französische Nationalkomitee erhob gegen den "tariff truce" insofern einen Einwand, als es darauf hinwies, daß zunächst erst einmal die Produktionsüberschüsse ausgeglichen werden müßten. Ein Zollstillhalteabkommen wäre nur dann legitim, wenn es die Bildung von internationalen Industriezusammenschlüssen beschleunige. Ausgenommen von einem "tariff truce" sollten die kolonialen Besitzungen sein, denn davon hatte Frankreich in den dreißiger Jahren noch zu viele. 268 Das italienische Nationalkomitee sprach sich dagegen für eine Ausweitung der zollpolitischen Konvention auch auf die Kolonien aus: "Es verlangt formell die Ausweitung des Stillstands auf die Kolonien, auch mit Garantien in dieser Hinsicht."269 Das schweizerische Nationalkomitee nahm die typische Haltung eines Exportlandes ein: "Ein Land wie das seinige, dessen Industrie zum größten Teil für den Export arbeitet, kann nur die Senkung der Zollbarrieren wünschen."270 Das schweizerische Nationalkomitee befürchtete im Zuge der Ausarbeitung einer Konvention präventive Zollerhöhungen. Trotz der Differenzen zwischen den einzelnen Nationalkomitees vertrat die ICC durch eine Entscheidung des Verwaltungsrats nach außen hin eine einheitliche Position271: In dem Bericht der Internationalen Handelskammer für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz von 1933 befürwortete sie den Abschluß eines Zollfriedens. Die Organisation betonte indessen, daß es sich hierbei um eine vorläufige Maßnahme handelte, die eine Ermäßigung des Zollniveaus zur Folge haben müßte. Sollte die Aussicht auf einen Zollfrieden im Vorfeld eine Erhöhung der Tarife bewirken, so könnte dem durch eine Bestimmung entgegengetreten werden, die dem Zollfrieden rückwirkende Kraft verleihen würde. Das Zollniveau vor den neuen Erhöhungen sollte dann die Basis bilden.272 Abschließend kann gesagt werden, daß der Zollfrieden eine vorübergehende Maßnahme zur Verhinderung einer Vertiefung der Weltwirtschaftskrise darstellte. Um wirklich zu ihrer Milderung beizutragen, wären U.7 HP: Document No. 3978, S. 5. Zum britischen Präferenzzollsystem, siehe: United States Tariff Commission (Hrsg.), Tariff Preference in Great Britain and British Possessions, 71st Congress lst Session, Senate Document No. 31, Washington D. C. 1929. Die spanische Wirtschaft zeigte sich gegenüber dem Vorschlag zu einem zollpolitischen Waffenstillstand extrem reserviert. Nur die Landwirtschaft stand einem "tariff truce" aufgeschlossen gegenüber. u.s HP: Document No. 3978, S. 7/8. u.9 Im Original heißt es: "Il demande formellement l'extension de la treve aux colonies, et meme avec des garanties acet egard." HP: Document No. 3978, S. 10. Die gleiche Haltung nahmen auch das deutsche und das belgisehe Nationalkomitee ein. In einer Ausnahme für die Kolonialbesitzungen sahen sie die Konvention ihrer Wirksamkeit beraubt. Ebenda, S. 31 . 270 Im Original heißt es: "Un pays comme le sien, dont l'industrie travaille essentiellement pour 1'exportation, ne peut que desirer l' abaissement des barrieres douanieres". HP: Document No. 3978, S. 14. 271 Es oblag dem Verwaltungsrat bei internen Divergenzen zu einer "final decision" zu kommen. ASO: Document No.4294, International Economic Relations Group. Committee on Commercial Policy and Trade Barriers, Report of the Meeting Held on October 23rd 1930, S. 4. 272 Internationale Handelskammer, Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S.9.

128

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Schritte von größerer Reichweite von Nutzen gewesen. Ein "tariff truce" konnte aber dazu dienen, entscheidende Verhandlungen über die Senkung der Zölle und über den Zusammenschluß der europäischen Staaten vorzubereiten. Das Zollgesetz von 1930 löste einen Schneeballeffekt aus: die protektionistischen Forderungen der betroffenen Staaten schaukelten sich gegenseitig hoch. Die Vergeltungsmaßnahmen der amerikanischen Handelspartner in Europa führten schließlich zum Einbruch des gesamten internationalen Handels.273 Die Folge davon war, daß die europäischen Schuldnerländer ihre Kredite nicht mehr an die Amerikaner zurückzahlen und die Golddeckung ihrer Währungen nicht mehr aufrechterhalten konnten. In der heutigen Forschung besteht jedoch eine divergierende Haltung, wenn es darum geht, die Bedeutung der Zollgesetzgebung für den Ausbruch der "Großen Depression" zu bemessen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der amerikanischen Zollpolitik und dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise wird von angebotsorientierten Ökonomen wie Jude Wanniski angenommen. Er stellt die These auf, daß die Verhandlungen über das Smoot-Hawley-Zollgesetz im US-Kongreß im Oktober 1929, den New Yorker Börsenkrach verursachten.274 Paul Krugman bestreitet, daß der Smoot-Hawley-Zoll die Weltwirtschaftskrise verursacht habe: "The claim that protectionism caused the Depression is nonsense." Er gesteht den zollpolitischen Maßnahmen nur eine effizienzverringernde Wirkung zu.275 Eine zurückhaltendere Position vertritt Carl-Ludwig Holtfrerich: "There is therefore no proofthat protectionist measures caused depression." Den protektionistischen Maßnahmen gesteht er aber eine krisenverschärfende Wirkung zu. Seinen Einwand gegen Wanniskis These begründet Holtfrerich mit einem Hinweis auf die Rezession von 1938, der keine protektionistischen Maßnahmen vorausgegangen seien. 276 Dagegen schreibt Kindleberger: "1938 kam es zu umfangreichen Zollerhöhungen, was die 1937 begonnene Liberalisierungsbewegung rückgängig machte." 277 Es ist bezeichnend, daß eine erneute Erhöhung der prozentualen Verzollung mit einem Rückgang der Wirtschaftstätigkeit zusammenfiel. Das war aber ausschließlich die Wirkung der spezifischen Zölle; denn in Handelsvertragsverhandlungen wurden Zollsätze der USA zu dieser Zeit gesenkt. Ursache des Konjunktureinbruchs von 1937/38 waren die US-Geld- und Fiskalpolitik, nicht die Zollpolitik. 27 3 Peter Temin beschreibt den Zusarrunenhang zwischen dem Smoot-Hawley-Zollgesetz und der Depression auf ähnlicher Weise: "The popular argument, however, isthat the tariff caused the American Depression. The argument has to be that the tariff reduced the demand for American exports by inducing retaliatory foreign tariffs." Temin, Lessons, S.46. 274 Wanniski, The Way, S. 136. 275 Paul Krugman, The Age of Diminished Expectations. US Economic Policy in the 1990s, Cambridge Mass. 19942, S. 125 (fortan zitiert als Krugman, Diminished). 276 Holtfrerich, US Economic (Policy), S. 67. 27 7 Kindleberger, Weltwirtschaftskrise, S. 294.

II. Handelspolitische Empfehlungen

129

Robert J. Gordon und James A. Wilcox führen sowohl die Krise von 1929 als auch diejenige von 1937/38 auf monetäre Gründe zurück. Ein antizyklischer Stimulus von seiten der Federal Reserve Bank hätte ihrer Ansicht nach zu einer Milderung der Krise beitragen können. 278 Von der primären Bedeutung monetärer Gründe für den Ausbruch der "Großen Depression" gehen auch Allan H.Meltzer, Milton Friedman und Anna J. Schwartz aus. 279 Für die Verschärfung der Krise macht Meltzer dann aber die zollpolitischen Maßnahmen verantwortlich. 280 Mario J. Crucini verbindet sowohl den handels- als auch den geldpolitischen Standpunkt, indem er aufzeigt, daß nicht nur die Gesetzgebung, sondern vor allem auch die massiven Preissenkungen entscheidende Ursache für die Zollerhöhungen (spezifischen Zölle) waren. 281 Die Krise von 1937/38 führt Harry W. Richardson im Gegensatz zu den Monetaristen nicht auf einen Mangel an Liquidität zurück: " ... monetary restrictions could have hardly played any part in initiating the recession since money supplies reached a record Ievel at the end of 1937 several months after the recession had started."282 Aus diesem Grunde sei zu bezweifeln, "that credit expansion was a significant cause of recovery." Eine Ausweitung der Kreditmöglichkeiten wäre meines Erachtens eine entscheidende Voraussetzung für einen wirtschaftspolitischen Aufschwung gewesen. Christian Saint-Etienne mißt dem Anstieg der US-Zölle im Jahre 1930 eine erhebliche Bedeutung für die Verschärfung der Krise bei. Er ist der Meinung: " ... if Hoover had vetoed the Hawley-Smoot Tariff in June 1930, there would probably not have been a Great Depression." Trotzdem übersieht er aber nicht die geldpolitischen Versäumnisse der Federal Reserve Bank. 283 Einen ganz anderen Schwerpunkt bei der Suche nach den Ursachen der Weltwirtschaftskrise legen W. A Lewis und C. P. Kindleberger. Sie spielen die Bedeutung der zollpolitischen Maßnahmen für den Ausbruch der "Großen Depression" herunter und messen dagegen eher strukturellen Problemen eine entscheidende Bedeutung bei. Lewis erklärt sogar, daß es im Jahre 1930 kein Fehler gewesen sei, die Zölle zu erhöhen; 1933 hätten sie aber wieder gesenkt werden sollen. 284

278 Robert Gordon/James A. Wilcox, Monetarist Interpretations of the Great Depression: An Evaluation and Critique, in: Brunner, Depression, S. 67 (fortan zitiert als Gordon/Wilcox, Monetarist Interpretations). 279 Friedman/Schwartz, Monetary History, S. 407. 28o Meltzer, Monetary, 5. 457/460. 281 Crucini, Sources, S. 732-734. 282 Harry W. Richardson, Economic Recovery in Britain, 1932-9, London 1967, S. 205 (fortan zitiert als Richardson, Economic Recovery). 283 Saint-Etienne, Depression, S. 33. 284 Charles P. Kindleberger, International Capital Movements and Foreign-Exchange Markets in Crisis: The 1930s and the 1980s, in: Berend/Borchardt, Impact of the Great Depression, S. 437/444 (fortan zitiert als Kindleberger, International Capital Movements); Lewis, Economic Survey, S. 60f. und S. 176-198.

9 Rosengarten

130

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Im Rahmen dieser Arbeit wird der Zollpolitik eine entscheidende Bedeutung für das Ausmaß der Krise beigemessen, denn sie verhinderte, daß die Märkte wieder zu ihrem natürlichen Gleichgewicht zurückfinden konnten. Vor allem die amerikanischen Abschottungsmaßnahmen konnten das Problem der Dollarknappheit in der Welt nicht lösen.285 Ohne die zollpolitischen Maßnahmen hätte die Krise nicht eine derartige Ausprägung und Dauer erreicht; sie hätte sich möglicherweise nicht zur Weltwirtschaftskrise ausgeweitet. Deshalb konzentrierte sich die Internationale Handelskammer in ihren Empfehlungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise vornehmlich auf die Maßnahmen zum Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Erst mit der traditionell eher freihändlerisch orientierten Demokratischen Partei mit Cordeil Hull als Außenminister begann ein Umdenken in der US-Administration: Auf der Grundlage des Reciprocal Trade Agreements Act von 1934 wurde fortan der Abschluß bilateraler Handelsabkommen mit unbedingter Meistbegünstigung gefördert. Das Gesetz stellte zudem einen Versuch dar, den Einfluß organisierter handelspolitischer Sonderinteressen im Kongreß einzuschränken, indem handelspolitische Entscheidungskompetenzen über die Zollhöhe einerseits und die Schutzmaßnahmen für einzelne Industriezweige andererseits zeitweise an die Exekutive delegiert wurden.286 Die Weltwirtschaftskrise hatte gewisse Formen von Handelshemmnissen hervorgerufen, die zu den bestehenden tarifären und verwaltungstechnischen Hindernissen noch hinzukamen: die Einfuhrverbote, die Einfuhrlizenzen, die Einfuhrkontingente, die direkten und indirekten Staatssubventionen und die Devisenkontrolle. Durch diese Mittel sei dem internationalen Güteraustausch in den vergangeneo zwei Jahren mehr Schaden zugefügt worden als durch das Anwachsen der Zolltarife im letzten halben Jahrhundert, schrieb die Internationale Handelskammer in ihrem Entwurf des Berichts für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz im Jahre 1933.287 Im Rahmen ihrer Kritik an den bestehenden Handelshemmnissen berücksichtigte die Internationale Handelskammer, daß viele Länder aufgrund von verringerten Export- und Kreditmöglichkeiten devisenmäßig mit dem Rücken zur Wand standen. ,,Man muß zugeben, daß die meisten in Schwierigkeiten befindlichen Staaten alles getan haben, um ihren Schuldenverpflichtungen nachzukommen, indem 28S V gl. auch Jones, Retaliation, S. 2: ,,As a score of writers have pointed out, the world depression and the Hawley-Smoot tariff are inextricably bound up one with the other, the latter being not only the first manifestation of but a principal cause of the deepening and aggravating of the former." 286 In diesem Zusammenhang spricht Holtfrerich von einer Art ,.voluntary legislative restraint". Holtfrerich, USA, S. 362/363. 287 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Entwurf des Berichts der Internationalen Handelskammer für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, Drucksache Nr. 1, Paris 1933, S. l 0 (fortan zitiert als Internationale Handelskammer, Entwurf für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz).

II. Handelspolitische Empfehlungen

131

sie höchst drakonische Maßnahmen ergriffen, um ihre Zahlungsbilanz zu verbessern", erklärte W. H. Coates vom britischen Nationalkomitee.288 Diese Länder mußten ihre Importe rücksichtslos einschränken, um die nationale Währung zu retten. Die in zahlreichen Ländern eingeführte Devisenbewirtschaftung interpretierte die Internationale Handelskammer daher als eine Folge passiver Zahlungsbilanzen. Insbesondere Deutschland habe versucht, durch eine straffe Devisenbewirtschaftung und drastische Importbeschränkungen allmählich wieder zu einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz zu kommen. Die sich seit Juni 1931 drastisch verschärfende Kapitalflucht brachte die Reichsbank an den Rand ihrer internationalen Zahlungsfahigkeit. Der Abzug kurzfristiger US-Kredite reduzierte die deutschen Devisen- und Goldreserven und machte Importrestriktionen notwendig, die weltweite Retorsionsmaßnahmen befürchten ließen.289 HalB. Lary hat den Zusammenhang zwischen passiven Zahlungsbilanzen und protektionistischen Regelungen treffend beschrieben. Deflationäre Maßnahmen der Regierungen allein reichten seiner Meinung nicht aus, um die bestehenden Dollarlücken zu schließen. Den Rückgriff auf Importbeschränkungen vieler Länder in der Zeit der Weltwirtschaftskrise führte Lary damit auf den beträchtlichen Devisenmangel zurück: "Deflation, the prescribed method of adjustment under the gold standard to balance-of-payments pressure, would have had to be pushed to an intolerable degree in foreign countries to bring their use of Dollar into balance with the curtailed amount supplied. It was inevitable that many foreign countries should have ceased to depend on intemal contraction as a means of adjustment to extemal pressure, left the gold standard, and embarked on programs of domestic expansion. And it was also inevitable that most of them should have resorted to additional and more direct measures of curtailing imports and that these measures should have fallen with particular severity on imports from the United States in order to redress the balance."290

In der rigorosen Zollpolitik sah Lary eine Folge des restriktiven Dollarangebots von seiten der USA in der Zwischenkriegszeit Aus diesem Grunde beurteilt er eine Rückkehr zum Goldstandard und eine Abschaffung von Handelsbeschränkungen, 288 Offizieller Sitzungsbericht des Siebten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, in: Internationale Wirtschaft 7 (1933), S.lO. 289 Matthias Schulz negiert das Vorhandensein von Mitteln zur Exportsteigerung in Deutschland: Eine Abwertung der Reichsmark zur Verbesserung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten sei durch den Young-Plan völkerrechtlich unterbunden worden; Exportsubventionen hätten wegen eines ohnehin stark defizitären Reichshaushalts nicht gesteigert werden können; Rationalisierungsmaßnahmen schienen aufgrund der Preis-/Kostensenkung auch in anderen Ländern nicht effektiv. Schulz, Deutschland, S. 300. 290 Lary, World Economy, S. 183. Barry Eichengreen sieht in der Errichtung von Importbarrieren in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ein Mittel der Goldblock-Länder, sich gegen die Einfuhr von billigen Produkten aus Ländern mit einer abgewerteten Währung zu schützen. "Now they imposed additional import taxes and quotas in reaction to foreign devaluation." Eichengreen, Golden Fetters, S.310.

132

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

wie sie von der Internationalen Handelskammer empfohlen worden waren, eher als "outward manifestations" denn als ein Mittel zur Beseitigung der "basic causes of disorder".291 Aber es gab auch Stimmen in der Internationalen Handelskammer, die zur Lösung des Dollarmangels Vorschläge machten. Edward L. Bacher vom amerikanischen Nationalkomitee schlug beispielsweise vor, daß die Gläubigerländer den Schuldnerländern die Bildung von Devisenreserven durch Schuldenerlaß ermöglichen sollten. Damit würde letzteren eine entscheidende Hilfe zum Ausbau ihres Außenhandels gegeben werden. 292 Noch besser schien aber der Vorschlag von Sir Alan Anderson zu sein. Als Mitglied der britischen Landesgruppe der Internationalen Handelskammer hielt er am 5. Mai 1931 eine Rede, in welcher er für größere Absatzmöglichkeiten für die Schuldnerstaaten auf den Märkten der Gläubigerstaaten plädierte: .,Wir haben heute zu leiden, weil die Völker um Produktion und Absatz kämpfen und vergessen, dass sie, um verkaufen zu können, kaufen müssen. Um ihre Anleihen wiederzuerlangen, müssen sie kaufen und leihen."293

Unmittelbar nach dem Pariser Kongreß im Jahre 1935 richtete die Internationale Handelskammer einen neuen Sachverständigenausschuß ein, den Zolltechnischen Ausschuß. Er sollte nicht nur untersuchen, mit welchen praktischen Mitteln und Einrichtungen die einzelnen Länder den gesetz- und vertragsmäßig festgelegten Schutz der einheimischen Industrien durchführten, sondern auch den Welthandel von allen unnützen Formalitäten und bürokratischen Methoden befreien. Der Ausschuß verzichtete - im Gegensatz zu früheren Anstrengungen der Internationalen Handelskammer- von vornherein auf jeden Versuch, den Entwurf eines mehrseitigen Abkommens aufzustellen. Statt dessen setzte sich der Ausschuß als Richtlinie, bestimmte Billigkeitsregeln aufzustellen, die den Handlungen der Regierungen als Grundlage dienen sollten. In seiner Eröffnungssitzung vom 15. Mai 1936 unterbreitete er zunächst den Vorschlag, bei den Landesgruppen eine Umfrage über das Kontingentsystem zu veranstalten. Dieser Vorschlag wurde vom Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer angenommen. Die Landesgruppen wurden daraufhin gebeten, Unterlagen über die Schwierigkeiten zu sammeln, welche den Im- und Exporteuren bei der Kontingentierung begegneten, und zwar unter besonderer Bezugnahme auf die in dieser Hinsicht aufgestellten Grundsätze des Verwaltungsrats vom Oktober 1934. Diese waren:

Lary, World Economy, S.183. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Entschließungen des Neunten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Drucksache Nr. 98, Berlin 28. Juni- 3. Juli 1937, S. 61. 293 Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, 291

292

S.20.

li. Handelspolitische Empfehlungen

133

"a) Für solche Waren, deren Einfuhr bereits durch die Kontingentierung beschränkt ist, sollten Zollerhöhungen sowie die Erhebung einer Gebühr für die Einfuhrgenehmigungen und die Auferlegung irgendwelcher neuer Abgaben grundsätzlich ausgeschlossen sein. b) Die Kontingente sollten nach Möglichkeit für einen bestimmten Zeitabschnitt festgelegt werden, z. B. für die Dauer von wenigstens einem Jahr. Unvermeidliche Änderungen im Verlaufe des Jahres aus Saisongründen sollten im voraus bestimmt und nicht erst im letzten Augenblick eingeführt werden. Es sollte die Möglichkeit regelrechter Verträge ins Auge gefaßt werden, die für die Dauer eines bestimmten Zeitabschnitts die Anwendung der Kontingente zu regeln hätten. c) Jedes Land sollte das ihm eingeräumte Kontingent in voller Höhe ohne irgendwelche verwaltungsmässigen Einschränkungen ausnutzen können. Insbesondere sollte eine nicht in Anspruch genommene Einfuhrerlaubnis von der zuständigen Behörde auf einen anderen Importeur übertragen werden können. Gegenwärtig wird das System so gehandhabt, dass ein Ueberschuss, der sich im Laufe einer Periode ergibt, gewöhnlich von dem Kontingent der nächsten Periode abgezogen wird. Das umgekehrte Verfahren müsste ebenfalls Anwendung finden, d. h. jedes Kontingent, das während eines bestimmten Zeitabschnitts nicht ausgenutzt worden ist, sollte in Anbetracht des geringeren Verbrauchs im Einfuhrland auf die nächste Periode übertragen werden. d) Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, die eine strikte und einwandfreie Durchführung der getroffenen Massnahmen, sowie die Erteilung der Einfuhrerlaubnisscheine in kürzester Frist gewährleisten. e) Bei der Festsetzung der Kontingente sollten die Länder, in denen sie Anwendung finden, das Ursprungsland der betreffenden Produkte berücksichtigen, insbesondere zugunsten gewisser Staaten, die ihre Waren durch Vermittlung dritter Märkte ausführen. " 294

Nicht alle Landesgruppen beteiligten sich an der Umfrage. Die Antworten der Nationalkomitees folgender Länder waren eingegangen: von Australien, Belgien, Brasilien, Britisch-Indien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Niederlande, Polen, Portugal, Schweden und Ungarn. Gustave Gerard, Präsident des Zolltechnischen Ausschusses, zeigte sich vom Ergebnis der Umfrage enttäuscht. Manche Landesgruppen waren sogar darum bemüht, die Maßnahmen ihrer Regierung zu rechtfertigen. Andere beschränkten ihre Antwort nur darauf, daß in ihrem Land kein Kontingentsystem bestünde. Aus den Ergebnissen der Umfrage zog die Internationale Handelskammer folgende Schlußfolgerungen: - Die Regierungen sahen in dem System der Gebührenerhebung für die Einfuhrgenehmigung ein bequemes Mittel, um die Einfuhr zu belasten, ohne sich aber an das Parlament wenden zu müssen. 294 Zitiert nach: Gustave Gerard, Die Anwendung des Kontingentsystems, in: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Unsichtbare Handelshemmnisse, Drucksache Nr. 10, Berliner Kongreß 1937, S. 2 (fortan zitiert als Gerard, Anwendung des Kontingentsystems). In der Zwischenkriegszeit bestand keine einheitliche Methode, um den Ursprung einer Ware auszumachen. Der Wirtschaftsausschuß des Völkerbundes unternahm daher den Versuch, eine einheitliche Definition zu formulieren. Siehe dazu: H .F/ach, Die Nationalität der Waren, in: Internationale Handelshemmnisse (Hrsg.), Unsichtbare Handelshemmnisse, Drucksache Nr. 10, Berliner Kongreß 1937, S. 6. Flach war deutsches Mitglied des Zolltechnischen Ausschusses der Internationalen Handelskammer.

134

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

- Alle Staaten hatten sich einstimmig über die kurze Dauer der Kontingentierungsperiode beschwert und verlangten mehr Stabilität. Nach Meinung der Internationalen Handelskammer sollte daher die Kontingentierungsperiode auf ein Jahr festgelegt werden. - Die belgisehe Regierung wies darauf hin, daß mit der französischen und niederländischen Regierung Abkommen über die Übertragung der nicht in Anspruch genommenen Kontingente bestünden. Andere Länder hatten sich geweigert, diesen Weg zu beschreiten. Gustave Gerard bestand darauf, daß die Internationale Handelskammer sich mit Nachdruck für einen entscheidenden Fortschritt auf diesem Gebiet einsetze. Er empfahl, daß die Regierungen in allen Fragen der Kontingentierung die ICC zu Rate ziehen sollten.295 Auf dem Berliner Kongreß 1937 bezeichnete die Internationale Handelskammer die quantitative Regulierung des Handels und das Streben nach bilateralen Handelsbeziehungen als Haupthemmnisse des internationalen Handelsverkehrs. Vorteile für den Handel würden sich nach Auffassung der ICC aus einer politischen Verständigung ergeben, die u. a. den Abschluß von Währungsabkommen zur Beseitigung der Devisenbeschränkungen ermöglichen würde.296 Im Jahre 1939 legte Paul Naudin, Direktor des Comite d'Action Economique et Douaniere, dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Kopenhagen einen Bericht über die Auswirkungen der Einfuhrkontingente auf den Handel und die Industrie vor. Paul Naudin zeigte auf, wie der Kontingentierung die Tendenz innewohnte, das Preisgefüge auf den nationalen Märkten zu isolieren, den Außenhandel der betreffenden Länder auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren und die Möglichkeiten zum Wirtschaftsaufschwung im Rahmen einer allgemeinen Wiederbelebung zu beschränken. Der Handel werde zunehmend bürokratisiert und die freie Entwicklung des Einzelunternehmens unterbunden.297 Die Internationale Handelskammer betonte die Notwendigkeit, die Stabilität der Zölle zu wahren. Sie empfahl, die Höhe der Einfuhrzölle möglichst selten zu ändern, da neue Verordnungen die Handelsbeziehungen empfindlich belasteten. Falls eine Änderung doch anstünde, sollten die Maßnahmen, die Zollformalitäten betrafen, erst drei bis sechs Monate nach ihrer Veröffentlichung angewandt werden, um Unsicherheiten zu beseitigen.298 Die Internationale Handelskammer sprach daher die Empfehlung aus, internationale Vereinbarungen zur Sicherung und Stabilität der Zollsätze abzuschließen. Während der Völkerbund ein kollektives Vorgehen nach Warengruppen (z. B. Aluminium und Zement) anvisierte, präferierte die Internatiom Gerard, Anwendung des Kontingentsystems, S. 3-5. 296 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Entschließungen des Neunten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Berlin 28. Juni- 3. Juli 1937, S. 5. 297 Paul Naudin, Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Einfuhrkontingentierung, Drucksache Nr. 4, Kopenhagener Kongreß 1939. 298 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S.30.

II. Handelspolitische Empfehlungen

135

nale Handelskammer ein einheitliches wirtschaftliches Vorgehen, das sich das in Genfunterzeichnete Handelsübereinkommen vom 24. März 1930 zum Vorbild nehmen sollte.299 Die Gültigkeitsdauer der Handelsverträge sollte zudem in Zukunft ausgedehnt werden und die Kündigungsfrist nicht unter sechs Monaten Iiegen. 300 Desweiteren setzte sich die Internationale Handelskammer für den Abschluß eines Kollektivabkommens über die Zollfreiheit von Werbedrucksachen ein. In den meisten Ländern wurden für Kataloge, Prospekte und Plakate noch Zölle erhoben und ihr Bezug durch die Verschiedenartigkeit ihrer Behandlung erschwert. Die Internationale Handelskammer lehnte eine Verzollung ab, da die erhobenen Gebühren in keinem Verhältnis zum Wert der Ware stünden.301 Auch den Hemmnissen im Luftverkehr stand die Kammer kritisch gegenüber. Sie empfahl, die Handelsluftfahrt von allen Hindernissen zu befreien, um dadurch die Schnelligkeit des internationalen Lufttransports zu garantieren. Die ICC setzte sich für eine beschleunigte Zollabfertigung ein. Diese sollte an Ort und Stelle erfolgen, der Dienst der Zollbeamten mit der Ankunfts- und Abfahrtszeit der Handelstlugzeuge zusammenfallen und die Aushändigung der Zollstücke direkt nach ihrer Verzollung erfolgen. Der Ausschuß schlug vor, daß die Zollbehörden auf eine genaue Erklärung verzichten, in den Hauptzentren des internationalen Handels Luftfreihäfen geschaffen und die Luftreisenden, die nur eine kurze Reise unternehmen, vom Paßund Visumszwang befreit werden. 302 Auch wenn die Internationale Handelskammer der Zollpolitik eine entscheidende Bedeutung für den Entstheung und die Tiefe der "Großen Depression" beimaß, war sie sich dennoch bewußt, daß die Erhöhung der Zollschranken nicht den alleinigen Grund für die Weltwirtschaftskrise darstellten.303 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Internationale Handelskammer auch ihre Handlungsspielräume auf dem Gebiet der Zollsenkung äußerst realistisch einschätzte: ,,Es ist klar, dass das Ziel kein allgemeiner Übergang vom äussersten Protektionismus zu seinem krassen Gegensatz, der vollkommenen Handelsfreiheit, sein dürfte. Dieses Ziel könnte zwar verlockend erscheinen, ist aber unerreichbar. Möglich erscheint allein die gegenseitige wirtschaftliche Annäherung, das Auffinden geeigneter Mittel, um den Warenaustausch zu erleichtern und das Niveau der Zolltarife möglichst herabzusetzen. Das schliesst natürlich nicht aus, die Herabsetzung für einige Produkte bis zur völligen Herabsetzung der Zölle zu führen."304

299 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1931, S.l5. Die Genfer Konferenz, die sich den Abschluß eines Zollwaffenstillstands zum Ziel gesetzt hatte, scheiterte. 300 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S. 25. 301 Internationale Handelskammer, Handelspolitik, 1929, S. 31. 302 Dieser Vorschlag erstreckte sich auch auf die Besatzung der Handelsfiugzeuge. Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S.36/37. 303 Internationale Wirtschaft 6 (1934), S.l/2. 304 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S. 39.

136

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Den besten Weg zur Senkung der Zölle sah die Internationale Handelskammer in einer Kollektivaktion der Staaten, d. h. gleichzeitig und gemeinsam Zollübereinkommen abzuschließen. Sollte der Versuch eines kollektiven Zollabbaus scheitern, sah die Internationale Handelskammer die Alternative bilateraler und regionaler Handelsverträge gegeben: "Solange eine Abschaffung der Handelshemmnisse in größerem Umfange weltwirtschaftlich nicht möglich ist, muß durch Handelsverträge und bei einander ergänzenden regionalen Ländereinheiten durch weitergehende Maßnahmen der Angleichung versucht werden, eine Steigerung des Güteraustauschs herbeizuführen."3os In einem Bericht an die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz von 1933 empfahl die ICC, die Zollsätze auf einem niedrigeren Niveau zu stabilisieren und jede neue Erhöhung der Zölle aufzuhalten.306 Sie befürwortete den Abschluß eines "Zollfriedens" mit anschließender Senkung der Zollsätze auf dem Wege multilateraler Abmachungen oder zweiseitiger Verträge. Die Internationale Handelskammer präferierte eindeutig die mehrseitigen Vereinbarungen auf der Grundlage einer langfristigen Vertragsdauer, wenn sie die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten erleichterten und eine "Beitrittsklausel" sowie eine ,,Billigkeitsklausel" enthielten. Die Staaten, die ohne förmlichen Beitritt die den Mitgliedsstaaten auferlegten Verpflichtungen übernahmen, sollten alle Vorteile genießen können, die den Staaten gewährt wurden, die den Zusammenschlüssen beigetreten waren.307 Eine Lösung des Zollproblems sah die Internationale Handelskammer in dem Abschluß von Industrievereinbarungen, die erst durch die Bildung eines großen Netzes von Zusammenschlüssen (Kartellen und Trusts)308 ermöglicht werden würden.309 30s Bericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer zur allgemeinen Lage der Wirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1931), S. 3. 306 Gegen die Anwendung dieser Empfehlung in ihrem Land sprach sich die indische Delegation aus. 307 Internationale Handelskammer, Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S. 10. 308 Andreas Predöhl sah in den Kartellen ein wichtiges Instrument für die Beseitigung von Schutzzöllen. Predöhl, Comments on the Improvement, in: Joint Committee on the Improvement, S. 74 (fortan zitiert als Predöhl, Comments). Während bei der vor allem in Kontinentaleuropa verbreiteten Form der Kollusion von Unternehmen, dem Kartell, die zusammengeschlossenen Betriebe noch relativ unabhängig blieben, wurde in der für Amerika typischen Form der Verflechtung, dem Trust, die Konkurrenz völlig unterbunden. Martin Dahlgrün, Funktionen und Rechtspersönlichkeit der Internationalen Handelskammer, Diss. masch., Frankfurt am Main 1969, S. 9/10. 309 Auf dem Kongreß von Amsterdam 1929 sprach sich nur der Vertreter der britischen Landesgruppe, Mitchell, gegen die Kartelle als Mittel zur Zollsenkung aus. Sitzungen und Arbeiten: in Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S. 84. Eindeutiger Befürworter der internationalen Kartelle als Mittel zum Abbau von Zollschranken war Ren~ P. Duchemin, der im Jahre 1939 Vizepräsident der Internationalen Handelskammer war. Eine notwendige Vorbedingung für einen Abbau der Zölle war seiner Meinung nach, daß alle Pro-

II. Handelspolitische Empfehlungen

137

Sie forderte daher die nationalen Gesetzgebungen auf, sich den Erfordernissen internationaler Industrieabmachungen nicht entgegenzustellen. Der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer beauftragte das Generalsekretariat, die Kartellfrage nach praktischen Gesichtspunkten zu untersuchen.l 10 Der Generalsekretär der Internationalen Handelskammer, Pierre Vasseur, schrieb den Kartellen eine krisenmildernde Funktion zu "by reducing costs of production and so adjusting output to consumption."311 Zudem wurden sie als ein besonderer Schutz vor Währungsschwankungen gesehen, ,.because they are quickly able to make themselves independent of the oscillations of the currency in the individual countries either through the fixing of flexible prices or only directing the exchanges towards countries with similar monetary conditions."31 2

Im Jahre 1939 wurde unter den Auspizien der Internationalen Handelskammer ein Studienbüro für internationale Kartelle gebildet. Es hatte zur Aufgabe, die Organisation, die Methoden und die Ergebnisse der internationalen Kartelle auf dem Gebiet der Produktion und des Absatzes zu untersuchen.m Privatwirtschaftlich gesehen sollten Kartelle nicht nur eine überspitzte Konkurrenz und Preisschleuderei verhindern, sondern auch "eine größere Stetigkeit in den wirtschaftlichen Verhältnissen ihrer Industrie herbeiführen", indem sie eine bessere Anpassung der Erzeugung an den Verbrauch garantierten. 314 Ein Preisvergleich von kartellisierten und nichtkartellisierten Gütern in Deutschland in den Jahren 1928 und 1930 zeigt, daß die kartellisierten Güter eine größere Preisstabilität aufwiesen als die nichtkartellisierten Güter. Während erstere nur um einen Indexpunkt sanken, gingen letztere sogar um ganze 24 Indexpunkte zurück.m duzenten derselben Branche angehörten. Er unterschied zudem zwischen zwei Gruppen von Kartellen: erstens, den ,.schädlichen Kartellen", die spekulative Interessen verfolgten und einen sofortigen Gewinn suchten; zweitens, den ,,nützlichen Kartellen", die sich um eine Verbesserung von Produktion und Absatz bemühten. Eine krisenhemmende Funktion schrieb er nur der letzteren Kartellform zu, da sie einen Ausgleich zwischen Produktion und Absatz herbeiführen würde. Siehe Internationale Wirtschaft 4 (1939), S.52. 310 Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (1931), S.2. 3 11 HP: Document No.4580, 29th Session ofthe Executive Committee, July 30th 1931, S.6. Im Jahre 1937 wurde das Internationale Zementkartell gegründet. Hier waren die acht wichtigsten Länder Europas vertreten: Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, England, Norwegen, Schweden und Jugoslawien. Jedoch ist darauf hinzuweisen, daß sich nicht alle Wirtschaftsgebiete ihrer Struktur nach für eine internationale Karteliierung eigneten. Internationale Kartelle im Wandel der Zeiten, in: Internationale Kartelle 2 (1939), S.4. 312 HP: Document No. 4597, Committee on International Ententes, Meeting of October 5th 1931, S.l. 313 Handelsförderung und Marktgesundung. Die Rolle der internationalen Industriekartelle, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939), S.14/15. 314 Robert Liefmann, Kartelle, Konzerne und Trust's, Stuttgart 1927, S. 192 (fortan zitiert als Liefmann, Kartelle). 3ls League of Nations, Course, S. 167.

138

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Auf dem Washingtoner Kongreß von 1931 empfahl der französische Delegierte Jean Parmentier den Ausbau der internationalen Industrievereinbarungen. Damit verband er den Zweck, Produktion und Verbrauch in Einklang zu bringen, die Selbstkosten zu vermindern, überflüssige Transporte zu vermeiden und die Rolle der Zwischenhändler einzuschränken. Um die Bildung von regionalen Zusammenschlüssen zu fördern, schlug Parmentier vor, die unbedingte Anwendung der Meistbegünstigung durch das Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozität) zu ersetzen. Abschließend forderte er die Internationale Handelskammer auf, eine allgemeine Wirtschaftspolitik zu definieren.3t6 Die Rolle der Kartelle in der damaligen Zeit kann mit dem Zweck freiwilliger Selbstbeschränkungsabkommen317 in der heutigen Zeit verglichen werden. Beide Instrumente stellen für den Welthandel eine geringere Belastung dar als zeitlich unbegrenzte Zollerhebungen, da sie in der Regel auf wenige Handelsländer begrenzt bleiben. Zudem erleichterten Kartelle nach Auffassung der Internationalen Handelskammer den Fortschritt im Bereich der wissenschaftlichen und technischen Forschung. Die internationalen Kartelle entsprachen den Vorstellungen der ICC insofern, als durch sie zwar kein Abbau der Schutzzölle, jedoch Einschränkungen des Dumping und eines rasanten Preisverfalls zu erwarten waren.318 Daß internationale Kartelle keinen Ausweg aus dem Protektionismus darstellten, wurde bereits 1931 von Gottfried Habeder dargelegt. 319 Zwar ist in der Tat die preisstabilisierende Wirkung von Kartellen kurzfristig nicht zu unterschätzen, langfristig bieten Unternehmenszusammenschlüsse aber kein effizientes Mittel zur Milderung der Krise. Der Grund: In der Weltwirtschaftskrise versuchten sie durch direkte Kontrollen nur die Symptome der Krise zu beseitigen, nicht aber die Ursache eines kreislaufmäßigen Ungleichgewichts. Die Preise verloren ihre Bedeutung als Maßstab für die Knappheit der Güter. Zudem konnten Kartelle dem Beschäftigungsproblem, einem wichtigen Kennzeichen der Weltwirt316

Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931,

S.14. 317 Die freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommen zählen zu den nicht-tarifliren Handelshemmnissen seit den frohen sechziger Jahren. Wie die Kartelle kommen sie durch eine unmittelbare Beteiligung exportorientierter Unternehmen zustande. Sie führen zu privatrechtliehen Vereinbarungen oder bleiben lediglich einseitige Absichtserklärungen. Es handelt sich dabei um eine Form von mengen- oder wertmäßigen Ausfuhrkontingenten, die durch bilaterale Handelsverträge zwischen Exportländern und ausgewählten Importländern vereinbart worden sind. Allerdings ist es schwierig, alle potentiellen Lieferländer in das Vertragssystem einzubeziehen. Damit besteht die Gefahr eines Dreieckshandels über "Umgehungsländer'' , die nicht in das Abkommen einbezogen sind. Zudem fließt der Exportstrom übermäßig stark in die noch "offenen" Importländer und ruft dort unter Umständen Abwehrreaktionen hervor. Dazu siehe Peter Lang, Freiwillige Exportbeschränkung. Protektionismus oder Strategische Handelspolitik?, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 19 (1990), S.118-122. 318 Liefmann, Kartelle, S.l95. 319 Gottfried Haber/er, Der internationale Handel. Theorie der weltwirtschaftliehen Zusammenhänge sowie Darstellung und Analyse der Aussenhandelspolitik, Wien 1931, 245.

II. Handelspolitische Empfehlungen

139

schaftskrise, nicht zu einer Lösung verhelfen. Statt dessen wäre es sinnvoller gewesen, sich 1932 um eine Ausweitung der Produktion zu bemühen. Diese hätte zu einer zunehmenden Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt geführt. Einen Anreiz dafür hätten frei zugängliche Absatzmärkte geboten, die nur über einen Abbau der Zollschranken zu verwirklichen gewesen wären. Im Laufe der Zeit änderte die Internationale Handelskammer ihre Strategie, um eine "tariff demobilization" zu erreichen: Plädierte sie Anfang der dreißiger Jahre für eine ,,multilateral policy of tariff reduction", schien sie nach dem Scheitern dieser Pläne auf den Rat der Experten zu hören "to fix maximum rates which should only be exceeded in individual cases specified in advance." 320 Über die Frage, ob die Erhebung von Antidumping- oder Ausgleichzöllen (countervailing duties/droit de compensation)321 mit dem Grundsatz der unbedingten Meistbegünstigungsklausel vereinbar war, bestand Uneinigkeit zwischen den Landesgruppen. Einige Landesgruppen sprachen sich für die Unvereinbarkeit aus; die Erhebung von Zöllen dieser Art würde dem Prinzip der Gleichheit schaden. Vertreter der entgegengesetzten Meinung sahen in diesen Zollbestimmungen "berechtigte Verteidigungsmaßnahmen" .322 Zwischen beiden Extremen stand die Ansicht, zwischen Antidumping- und Ausgleichzöllen unterscheiden zu müssen. Auf der Tagung des Ausschusses für Handelspolitik und Beseitigung der Handelshemmnisse vom 21. Februar 1931 entstand darüber eine neue Diskussion, die zu keinem einheitlichen Ergebnis führte. Die handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer können folgendermaßen zusammengefaßt werden: "Die Tarife sollten einfach, die Klassifizierung einheitlich, die Tarife selbst stabil und die Handelsverträge dauerhafter sein." 323 In dem Entwurf des Berichts für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz im Jahre 1933 zeigte die Internationale Handelskammer sogar diverse Methoden zur Erreichung einer allgemeinen Zollsenkung auf: erstens die mechanische und automatische Methode, d. h. nach festgesetzten Prozentsätzen erfolgte eine stufenweise 320 Report of the Committee of Experts submitted June 26, 1936 to the two Presidents of the Joint Committee, in: Joint Committee on the lmprovement, S. 391. 321 Es bestanden drei Arten von Ausgleichzöllen: 1. Die einfachste und älteste Form der Ausgleichzölle bestand darin, daß in allen Fällen, in denen für die Erzeugung oder den Export einer Ware Prämien oder Subventionen gewährt wurden, der Einfuhrzoll um den Betrag der Prämien oder Subventionen erhöht wurde. 2. Ausgleichzölle konnten auch zum Schutz der heimischen Industrie vor ausländischer Konkurrenz erhoben werden. 3. Ausgleichzölle konnten unter Zugrundelegung der Reziprozität Druck auf fremde Zölle ausüben. Richard Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, hrsg. v. Internationale Handelskammer, Drucksache Nr. 12, Wien 1931, S. 54-57 (fortan zitiert als Riedl, Ausnahmen von der Meistbegünstigung). 322 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1931, S. 13. 323 Internationale Handelskammer, Entwurf für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S. 11.

140

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Ermäßigung aller Zölle ("par palliers"); zweitens die Ermäßigung aller Tarife auf eine vereinbarte Mindestgrenze ("tarif parquet"); drittens die Limitierung aller Zölle auf eine vereinbarte Höchstgrenze ("tarif plafond") und viertens das gegenseitige Aushandeln einzelner Ermäßigungen.324 Auf dem Kongreß in Wien gestand die Internationale Handelskammer trotz des offenen Plädoyers für den Freihandel zollpolitische Ausnahmen für schutzbedürftige Industriezweige zu: "Die Staaten haben das Recht, den Produktionszweigen, die sie von ausschlaggebender Bedeutung für ihre Volkswirtschaft halten, einen angemessenen Schutz zu gewähren, wenn die Auslandskonkurrenz sie zu zerstören droht. "32S

Auf dem Kongreß von Kopenhagen im Jahre 1939 empfahl die Internationale Handelskammer, daß die Regierungen von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika mit den führenden Vertretern der Wirtschaft zusammenarbeiten sollten, um einen Plan zu einer Verbesserung der weltwirtschaftliehen Verhältnisse aufzustellen. Die Internationale Handelskammer erkannte zudem die Gefahren für den Welthandel, die eine militärische Aufrüstung mit sich brachte. Auf dem Kongreß in Kopenhagen 1939 warnte sie vor den wirtschaftlichen Gefahren des Wettrüstens und riet zum Aufbau einer Friedenswirtschaft. Das allgemeine Wettrüsten erfordere einen ungeheuren Kostenaufwand, der sowohl den wirtschaftlichen als auch den sozialen Fortschritt hemmen würde.326 Der Kongreß der Internationalen Handelskammer in Kopenhagen beschäftigte sich 1939 daher mit der Frage einer Umstellung der Rüstungswirtschaft auf die Produktion ökonomisch nützlicher Güter. Deramerikanische Vorschlag, das Bauwesen auf internationalem Wege zu fördern, wurde zum Gegenstand einer Ausschußsitzung. A. P. Greensfelder von der amerikanischen Landesgruppe empfahl der Internationalen Handelskammer, einen internationalen Ausschuß für Bauwesen einzusetzen. Als Vorbild sollte das "Construction and Civic Development Department Committee" der amerikanischen Handelskammer dienen.m Zusammenfassend kann gesagt werden: Die handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer über einen Abbau von tarifaren und nicht-tarifaren Handelshemmnissen können als ein wichtiger Versuch zur Milderung der Weltwirtschaftskrise gesehen werden. Ihre frühzeitige Umsetzung hätte nicht nur die protektionistischen Vergeltungsmaßnahmen in der Folge des Smoot-HawleyZollgesetzes von 1930 unterbunden, was für die amerikanische Export- und damit auch Binnenwirtschaft von Vorteil gewesen wäre, sondern auch zu einem Dollarfluß 324 Internationale Handelskammer, Entwurf für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S.ll. m Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Siebten Kongreß der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, S. 8. 326 Entschließungen des Zehnten Kongresses der Internationalen Handelskammer in Kopenhagen 16. Juni- 1. Juli 1939, Ergänzungsheft zur Internationalen Wirtschaft August 1939, Drucksache Nr. lOO, S.2. 327 Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 55.

II. Handelspolitische Empfehlungen

141

nach Buropa führen können. Die Förderung des Freihandels hätte die Begleichung der Reparations- und Kriegsschulden von seiten der europäischen Staaten erleichtert. Die Errichtung von Zollbarrieren unterband dagegen jeglichen Versuch, die Dollarlücke in der Welt durch einen bevorzugten Handel mit den USA zu beseitigen. Aber letztlich waren es sogar Mitglieder der Internationalen Handelskammer selbst, die einer Liberalisierung des internationalen Handels auf nationaler Ebene entgegenstanden. 328

2. Stabilität durch Handelsverträge Auf dem Gebiet der Vertragspolitik waren die Staaten in der Zeit der Weltwirtschaftskrise darum bemüht, die Handlungsfreiheit zu bewahren, die für den Ausbau eines protektionistischen Systems notwendig war. Richard Riedl von der Österreichischen Landesgruppe beschrieb im Jahre 1931 den allgemeinen Rückfall zum Protektionismus folgendermaßen: "Selbst Staaten, die sich bisher einer gemäßigten Zollpolitik befleißigten, bereiten Tarifreformen zum Zwecke einer Erhöhung vor. Bestehende Verträge werden gekündigt, um Bindungen zu beseitigen und Raum für solche Tarifreformen zu schaffen. Die allgemeine Wirtschaftskrise hat die protektionistischen Neigungen verstärkt. In allen Ländern ertönt der Ruf nach erhöhtem Schutz des heimischen Marktes. Man will den durch die Krise verursachten Ausfall dadurch wettmachen, daß man die fremde Einfuhr vom heimischen Markt soviel als möglich ausschließt. "329

Die Weltwirtschaftskrise förderte die Entwicklung von nicht-tarifaren Handelshemmnissen, die zu dem bereits bestehenden Zollschranken hinzukamen. Um mehr Freiheit für eine protektionistische Politik zu erlangen, setzte sich der französische Ministerrat zum Ziel, alle Handelsverträge zu kündigen, die Frankreich mit anderen Staaten abgeschlossen hatte.JJO Zudem wurde der französischen Regierung am 13. Juli 1927 das Recht auf eine umfassende Änderung der Zollsätze ohne vorherige Zustimmung der Kammer zugestanden.m Aus einem Bericht der Österreichischen Landesgruppe vom 1. März 1929 geht hervor, daß sich der Grad der Stabilität im Bereich der Zollpolitik seit dem Ersten Weltkrieg vermindert hatte, auch wenn sich die Anzahl der abgeschlossenen Verträge vermehrt hatte (vgl. Tabellen 9 und 10). Die Grundlage der Untersuchung bildeten 503 Abkommen, von denen 196 in die Vor- und 307 in die Nachkriegszeit fielen. Die Handelsverträge unterschieden sich voneinander nicht nur in ihrer jeweiligen Dauer, sondern auch in ihrer Kündigungsfrist. Während in der Zeit vor 1914 über die Hälfte der Abkommen für 5 Jahre und Mehr dazu, siehe viertes Kapitel. Ried[, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 23. 330 Völkerbundsarchiv in Genf: R2727/10C/2968/578. Riedl, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 95. 331 Völkerbundsarchiv in Genf: R2727/10C/2968/578. Riedl, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 114. 328

329

142

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

mehr abgeschlossen wurde, fiel die Dauer der Übereinkommen in der Zwischenkriegszeit erheblich kürzer aus: Die Mehrzahl der Verträge galt für einen Zeitraum von weniger als 5 Jahren. Eine ähnliche Differenz bestand bei der Festsetzung der Kündigungsfrist. Vor dem Ersten Weltkrieg enthielten 139 der Verträge eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Nach 1918 verschob sich das Gewicht: Die Mehrheit der Vereinbarungen sah nur noch eine Kündigungsfrist von weniger als 6 Monaten vor.332 Tabelle 9

Die Dauer der Verträge vor 1914 und nach 1918 im Vergleich Dauer

Zahl der Verträge vor dem Krieg Zahl der Verträge nach dem Krieg

5 Jahre und mehr

112

40

Weniger als 5 Jahre

10

149

Unbestimmte Zeit

74

118

Gesamt

196

307

Tabelle 10

Die Dauer der Kündigungsfrist im Vergleich Kündigungsfrist

12 Monate

Zahl der Verträge vor dem Krieg Zahl der Verträge nach dem Krieg

139

52

6--12 Monate

8

71

Weniger als 6

11

159

Unbestimmte Frist

38

25

Gesamt

196

307

Quelle: Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S. 22.

Im Jahre 1927 bestanden 248 vertragsmäßige Vereinbarungen zwischen den europäischen Staaten. Nicht enthalten waren bei dieser Zählung die Verträge, die keinerlei Vereinbarungen über den Warenverkehr enthielten. Von der Gesamtzahl die332 Franz Eulenburg hat dartiber hinaus nachgewiesen, daß Hochschutzzolländer sogar dazu neigten, keine Verträge abzuschließen, um bei der Festsetzung der Zölle in keiner Weise gebunden zu sein. Er schreibt: "Die Abschließung von Handelsverträgen setzt gewisse Zugeständnisse und einen Verzicht auf Autonomie voraus. Sie sind ein Kompromiß, eine Verbeugung vor dem Freihandel, allerdings auf schutzpolitischer Basis." Franz Eulenburg, Außenhandel und Außenhandelspolitik, Ttibingen 1929, S.183.

II. Handelspolitische Empfehlungen

143

ser Abkommen beschränkten sich 158 auf die bloße Zusicherung der Meistbegünstigung ohne irgendwelche zollpolitischen Absprachen. Zollvereinbarungen waren nur in 90 Verträgen enthalten. Noch ungünstiger fiel der Vergleich unter dem Gesichtspunkt der Stabilität der Verträge aus. Von den 248 in Kraft getretenen Verträgen waren nur 15 an feste Ablauftermine gebunden; d. h. sie wurden erst nach Ablauf von zwei, drei oder fünf Jahren kündbar. Alle befristeten Verträge- sie waren sämtlich Zollverträge- erreichten bereits in den Jahren 1929 und 1930 das Ende ihrer Laufzeit, also zu einem Zeitpunkt als die Krise ihren Anfang nahm.m Von dem Zeitpunkt an wurde der kurzfristig kündbare Vertrag zum fast alleinherrschenden Typus. Er stand im krassen Gegensatz zu den langfristig geschlossenen Zollverträgen der Vorkriegszeit. Diese hatten für den weitaus größten Teil Europas einen Zustand handelspolitischer Stabilität geschaffen.3 34 Dieses sichere Netz aus langfristigen Handelsverträgen bestand beim Ausbruch der Weltwirtschaftskrise nicht mehr. Die Verträge mit langer Kündigungsfrist liefen zu einem Zeitpunkt aus, als ihr Fortbestand eigentlich am meisten gebraucht wurde. Die kurzfristigen Abkommen trugen insofern zu einer Vertiefung der Krise bei, als sie erst eine verschärfte Zollpolitik möglich machten. Dieser Tatsache waren sich auch einige Politiker bewußt. Walter Runciman, der später Präsident des Board of Trade wurde (1931), hatte bereits 1927 erkannt, daß der Instabilität der internationalen Handelsverträge stärkere Beachtung geschenkt werden müßte. Er sah eine Gefahr in der relativ kurzen Dauer der abgeschlossenen Verträge. 335 Der Grund für diese eher auf Kurzfristigkeit ausgerichtete Entwicklung lag aber bei den Regierungen selbst. Sie wollten keine langjährigen Vertragsbindungen eingehen, weil sie sich dadurch der Möglichkeit beraubt sahen, ihre Zollsätze an veränderte Bedingungen anpassen zu können.336 Aus Stabilitätsgründen forderte die Internationale Handelskammer daher 1929 den erneuten Abschluß von langfristigen Handelsabkommen. Divergenzen bestanden nur hinsichtlich ihres Charakters: Einige Landesgruppen bevorzugten multilaterale Handelsverträge mit der unbeschränkten Meistbegünstigungsklausel, andere Landesgruppen gaben bilateralen Übereinkommen mit einer beschränkten Meistbegünstigungsklausel den Vorzug. 337 Diese unterschiedlichen Präferenzen wurden anband von Stellungnahmen des amerikanischen und britischen Nationalkomitees besonders offenbar. Während sich die Amerikaner gegen den Abschluß von multilate333 Zu nennen sind beispielsweise der deutsch-türkische, der französisch-türkische, der britisch-türkische, der griechisch-britische, der italienisch-deutsche, der deutsch-britische und der deutsch-niederländische Handelsvertrag. 334 Österreichisches Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Übersicht über die europäischen Handelsverträge, Wien 1927, S. VII-VIII. 33s Liepmann, Tariff Level, S. 361. 336 Arthur Satter, Stabilization and Recovery, in: Foreign Affairs 13 (1935), S. 18-19. 337 Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Bericht über die Tagung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin 1934, S. 24.

144

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

ralen Verträge wandten,338 wurden gerade diese von den Briten befürwortet. Owen Jones vom britischen Nationalkomitee lehnte auf der Verwaltungsratssitzung vom 26. Juni 1936 die Verringerung von Handelshemmnissen auf dem Wege zweiseitiger Verhandlungen ab. Gleichzeitig äußerte er aber sein Verständnis dafür, daß die Kammer bilaterale Verhandlungen empfahl: "Die Internationale Handelskammer mußte sie deshalb befürworten, weil keine praktische Aussicht für das Zustandekommen von multilateralen Verträgen vorhanden war. "339 Nach dem Scheitern kollektiver Aktionen auf Vertragsebene wurde der Bilateralismus zu einer Art ,,Notbehelf' .340 Auf dem Pariser Kongreß im Jahre 1935 empfahl die Internationale Handelskammer daher den Abschluß von zweiseitigen Handelsverträgen. Diese sollten in der Regel die strikte Einhaltung der Meistbegünstigungsklausel beachten. Ausnahmen von der Meistbegünstigung in bestimmten Fällen sollten nach Ansicht der Organisation klar und eindeutig formuliert werden. In bilateralen Handelsverträgen sah die Kammer eine geeignete Grundlage für den Abschluß von mehrseitigen Abkommen. 341 Sie wurden demnach als eine Art Meilenstein auf dem Wege zu multilateralen Vereinbarungen gesehen. Gegen eine bilaterale Lösung richtet sich der Ökonom Philip Friedman. Er sieht darin einen Grund für den Rückgang des Handels- und Produktionsniveaus: "1928 solution was not bilateral, the imposition of bilateralism was a constraint that must have brought the new output/utility Ievel solution below the old Ievel. Bilateralism must have contributed to lower trade levels."342

Die Internationale Handelskammer hatte in der Zeit der Weltwirtschaftskrise erkannt, wie schwierig es war, für den Abschluß von multilateralen Abkommen einen Konsens zu finden. Aus diesem Grunde sollten die bilateralen Handelsverträge ein erster Schritt auf dem Weg hin zum Abschluß multilateraler Abkommen sein. Sie waren ein pragmatischer Versuch, sich langsam wieder den Verhältnissen der Vorkrisenzeit anzunähern. Dazu mußte erst einmal eine solide Grundlage zur Verständigung geschaffen werden, und diese konnte am besten erst einmal in einem zwei338 HP: Document No.5420, XL~me Session du Conseil, 9. März 1934, S. 7. So auch das schweizerische Nationalkomitee: "Es glaubt, was die Schweiz betrifft, daß die bilateralen Verträge der beste Schutz gegen die neuen protektionistischen Entwicklungen seien, und daß jede Konvention, die sie [die bilateralen Verträge] nicht als Basis habe, das Risiko in sich trage, ohne erfreuliche Wirkung zu bleiben." Im Original heißt es: ,,11 estime, quant a lui,- et du moins pour Ia Suisse- que ce sont les traites de commerce bilatiraux qui peuvent le mieux garantir contre de nouveaux developpements du protectionnisme et que toute convention risquerait fort de demeurer sans effet heureux, qui ne les aurait pas asa base. HP: Document No. 3978, S.15. 339 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 58. 340 Vorläufiges Programm des Berliner Kongresses vom 28. Juni bis 3. Juli 1937, Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 25. 341 Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 ( 1935), S. 8. 342 Philip Friedman, The ImpactofTrade Destruction on National Incomes. A Study ofEurope 1924-1938, Gainesville 1974, S.49, Anm.12.

II. Handelspolitische Empfehlungen

145

seitigen Abkommen erreicht werden. Sie boten eine erste Chance für die Gewährung von weitreichenden Zugeständnissen. Eine zweite lag nach Ansicht der Internationalen Handelskammer in der Gründung von "industrial ententes", um den Abschluß von mehrseitigen Handelsverträgen zu erleichtern.343 Auf der Verwaltungsratssitzung vom 16. Oktober 1936 wurden die vertragspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer präzisiert. Die ICC unterstütze: "1. den Abschluß mehrseitiger Handelsverträge, die den Beitritt aller Staaten offenstehen und dem internationalen Güteraustausch neuen Antrieb geben; 2. bis zum Eintritt einer solchen filr Verhandlungen günstigen Lage den Abschluß zweiseitiger Verträge, die bewußt auf eine Verringerung der Handelshemmnisse abzielen;

3. die systematische Einführung der Meistbegünstigungsklausel in allen derartigen Verträgen als eines Mittels zur Erreichung dieses Zieles; 4. den allgemeinen Gebrauch der unbedingten Meistbegünstigungsklausel, wobei aber die Möglichkeit einer Abweichung hinsichtlich solcher Länder vorbehalten bleiben sollte, die selbst nach Wiederherstellung filr den Warenaustausch günstigerer Währungsverhältnisse die diskriminatorische Behandlung im Wege der Kontingentierung und der Devisenkontrolle fortsetzen ...." 344

Die Internationale Handelskammer konstatierte Anfang der dreißiger Jahren eine neue Tendenz in der Handelspolitik: Das Prinzip der Gegenseitigkeit löste ihrer Meinung nach das Prinzip der Meistbegünstigung ab. Der daraus resultierende Bilateralismus war folglich ausschließlich auf Gegenseitigkeit (Reziprozität) abgestellt: ,,Es handelt sich nicht mehr darum, sich Zugeständnisse zu machen, deren Form je nach der wirtschaftlichen Struktur der einzelnen Länder verschieden sein kann, sondern darum, den Güteraustausch zwischen zwei Ländern nach dem gewissermassen starren Prinzip der Gleichwertigkeit zu regeJn."345

Die Internationale Handelskammer stützte sich auf eine Untersuchung des Volkerbundes, wenn sie feststellte, daß zwischen 1929 und 1933 der Anteil des zweiseitigen Handels von 79,7% auf 83,4% angestiegen, während der dreiseitige Handel von 24,3% auf 16,6% zurückgegangen war. 346 Gerade die Empfehlung der Internationalen Handelskammer zu einem Abschluß multilateraler Verträge mit der unbedingten Meistbegünstigungsklausel hätte dazu beitragen können, das gewaltige Ausmaß der Weltwirtschaftskrise in der Zeit von 1929 bis 1939 erheblich zu beschränken. Ein multilateraler Zollabbau und die 343 ASD: BIB 42, Document No. 3934, Joint Committee on International Industrial Ententes and Customs Tariffs. Note of the Industry and Trade Group, S. 1. 344 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskarnmer, R 11/1354, S. 30. 345 Etienne Fougere, Über das Prinzip der Gegenseitigkeit in der Handelspolitik, in: Internationale Wirtschaft 9 (1934), S. 3. 346 Etienne Fougere, Über das Prinzip der Gegenseitigkeit in der Handelspolitik, in: Internationale Wirtschaft 9 (1934), S. 3. I 0 Rosengarten

146

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Schlichtung von Handelsstreitigkeiten, wie sie im Rahmen des GATI nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht wurden oder auch heute noch durch die Einschaltung der WfO fortgeführt werden, hätten mit Sicherheit eine Vertiefung der Krise aufgrund zollpolitischer Vergeltungsmaßnahmen unterbinden können. Zumindest der Abschluß eines "tariff truce" wäre eine Notlösung gewesen, ein wichtiger Pfeiler auf dem Wege hin zu einer allgemeinen Zollsenkung.

3. Reduzierung und Vereinheitlichung von Zollformalitäten Die Internationale Handelskammer konstatierte auf ihren Kongressen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise die vielfältigen Hindernisse, die der Verwaltungsprotektionismus in Form von Zeitverlust und ungerechtfertigter Kosten für den internationalen Handel aufgebaut hatte. Die ICC unterschied zwischen Maßnahmen bei der Verzollung eingeführter Waren einerseits und Maßnahmen beim Absatz der Waren andererseits. Bei der ersten Kategorie handelte es sich vor allem um Vorschriften wie die Forderung, Ursprungszeugnisse vorzulegen und die Rechnungen gesetzlich beglaubigen zu lassen. Übermäßige Nebengebühren, die in keinem Verhältnis zu der Verwaltungsarbeit standen, z. B. in Form von Beglaubigungsgebühren für Rechnungen und Ursprungszeugnisse, hatten die gleiche Wirkung wie eine verschleierte Erhöhung des Zollsatzes. Die Wareneinfuhr wurde also nicht selten durch einen übertriebenen Formalismus von seiten des Staates erschwert. Mittelbare Handelshemmnisse lagen auch vor, wenn die Verzollung übermäßig lange dauerte oder die bei den Zollbehörden als Sicherheit hinterlegten Summen erst spät zurückgezahlt wurden. Das Recht, verbindliche Auskünfte über Zollfragen einzuholen, war nicht überall gegeben. Dadurch wurden die Geschäftsleute in einer Weise behindert, die mit dem Begriff Verwaltungsprotektionismus zu umschreiben war. Diskriminierende Maßnahmen beim Absatz der Waren im Einfuhrland waren beispielsweise Vorschriften, die für ausländische Waren zwingend eine Herkunftsbezeichnung erforderten. Als andere Mittel galten beispielsweise die Verpflichtung, Maße und Gewichte zu gebrauchen, die im Herkunftsland nicht üblich waren, Vorschriften sanitärer Art, die Besteuerung von Käufern ausländischer Waren oder die Gewährung von Vorteilen für Käufer inländischer Waren (staatliche Subventionen).347 Die Verwaltungsvorschriften beruhten auf einem Gesetz oder auf Regierungsverordnungen. Die erforderlichen Reformen waren daher nach Ansicht der Internationalen Handelskammer in erster Linie durch ein selbständiges Vorgehen der Regierungen zu bewirken. Wertvolle Ergebnisse konnten ihrer Meinung nach auch auf 347 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S.16-18. Zur Beschreibung der staatlichen Subventionen siehe: Gustav Cassel, Subventions de l'Etat au Comrnerce, Stockholm 1927.

II. Handelspolitische Empfehlungen

147

dem Wege zweiseitiger Verhandlungen erreicht werden. Obwohl sich die Internationale Handelskammer der Schwierigkeit bewußt war, die Aufhebung aller verwaltungsprotektionistischen Maßnahmen zu erreichen, forderte sie die Staaten auf, "Schritte zur fortschreitenden Beseitigung zu ergreifen, entweder im Rahmen ihrer eigenen nationalen Gesetzgebung oder durch zwei- oder mehrseitige Abkommen oder schliesslich durch eine geeignete Erweiterung des Internationalen Abkommens zur Vereinfachung der Zollförmlichkeiten."348

Die Empfehlungen des Zolltechnischen Ausschusses der ICC wurden seit 1935 zum entscheidenden Bestandteil der Entschließungen, die von der Internationalen Handelskammer im Rahmen der Kongresse veröffentlicht wurden. Aus den Resolutionen des Kopenhagener Kongresses von 1939 ging hervor, daß der Zolltechnische Ausschuß das Abkommen vom 3. November 1923 über eine Vereinfachung der Zollförmlichkeiten einer erneuten Prüfung unterzogen hatte.J49 Er kam zu dem Ergebnis, daß das Übereinkommen auch auf die neueren Formen der Handelshemmnisse wie Einfuhrkontingente und Devisenrestriktionen erstreckt werden müßte. Zu diesem Zweck erwog die Internationale Handelskammer die Einberufung einer internationalen Revisionskonferenz. Die Internationale Handelskammer war sich bewußt, daß eine erfolgreiche Durchführung des Abkommens eine Reihe von Bedingungen erforderlich machte: die Vereinheitlichung der Zollnomenklatur, einheitliche Methoden für die Berechnung von Wertzöllen und die Vereinheitlichung der Zollförmlichkeiten.350 Das Ziel der Kammer war es deshalb, ein internationales Zollschema mit einer einheitlichen Warenbezeichnung durchzusetzen. Eine allgemeine Begriffsklärung war nötig, um eventuelle Mißverständnisse zwischen Importeuren und Exporteure zu vermeiden und den ungehinderten Warenaustausch zu fördern. Die im internationalen Handel gebräuchlichen Abkürzungen, wie beispielsweise FOB (Free on Board/frei an Bord) und CIF (Costs, Insurance and Fright/Kosten, Versicherung und Fracht), fanden in jedem Lande eine andere Auslegung. Um nur ein Beispiel zu nennen: Südafrika schloß in den FOB-Wert sämtliche Kosten ein, die sich nach vollzogener Lieferung der Waren an Bord des Seeschiffes im Verschiffungshafen ergaben. Australien schloß dagegen die im Dockbereich entstandenen Kosten aus. 351 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S. 15. Zu dem Zollabkommen von 1923 siehe: International Chamber of Commerce (Hrsg.), The Customs Convention and lts Benefits to Trade, Brochure No. 33, Paris 1923, S. 17-39. Im Jahre 1939 wurde das Übereinkommen von 35 Ländern ratifiziert. Darunter waren Frankreich, Großbritannien und Deutschland, nicht aber die Vereinigten Staaten von Amerika. 350 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S. 41. 351 Richard Barton, Methoden der Wertbestimmung bei ad valorem-Zöllen, in: Internationale Handelshemmnisse (Hrsg.), Unsichtbare Handelshemmnisse, Drucksache Nr. IO, Berliner Kongreß 1937, S. 8 (fortan zitiert als Barton, Wertbestimmung). 348 349

10*

148

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Die Internationale Handelskammer veröffentlichte daher ein Handbuch für handelsübliche Vertragsformeln, in welchem sie den Begriffsinhalt dieser Ausdrücke in den verschiedenen Ländern festlegte. Sie sah zudem die Schaffung einer einheitlichen Bewertungsgrundlage vor: Der F.O.B.-Wert sollte der Kaufpreis der Ware sein, zuzüglich aller Kosten, die für die Verbringung der Waren nach dem Verschiffungshafen im Ausfuhrland und für die Lieferung der Waren an Bord entstanden waren, einschließlich der Kosten für alle Verpackungen und Behälter sowie der Ausfuhrzölle. Der C.I.F.-Wert wurde als der Kaufpreis definiert, zuzüglich aller in den F.O.B.-Wert einbezogenen Kosten, der Fracht bis zum Bestimmungshafen und einer Versicherung. Die Kosten für die Verbringung der Ware an Land sollten nicht einbegriffen werden.352 Bereits 1920 setzt die Internationale Handelskammer eine Kommission ein, die sich mit der Frage beschäftigte, in welcher Weise eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Zollformalitäten (Zollnomenklatur) international durchgeführt werden könnte. Ihr Augenmerk richtete die Internationale Handelskammer dabei auf die von Land zu Land unterschiedlichen Zollberechnungsverfahren, wobei sie eher die spezifischen als die ad-valorem-Zölle (Mengen-/Wertzölle) befürwortete. Der Grund dafür lag wohl darin, daß bei den Wertzöllen - wegen der uneinheitlichen Berechnungsgrundlagen bei der Bemessung des Einfuhrwertes- die "verschleierte Verzollung" stärker verbreitet war, als bei den spezifischen Zöllen. Es bestand praktisch eine ständige Ungewißheit über die Höhe der zu entrichtenden Zollgebühren, was ein schweres Hindernis für einen unbeschwerten Handelsverkehr darstellte. 353 Und trotzdem war die Verzollung nach dem Wert sehr verbreitet: Mit Ausnahme von Deutschland und der Schweiz bevorzugten alle Länder die Wertzölle, teilweise auch wegen der Schwierigkeit, für einige Waren spezifische Zölle aufzustellen. Die Anwendung der Wertzölle verlangte die Lösung eines schwierigen Problems: Welcher Wert war zu verzollen? Für die Erhebung der Wertzölle gab es zahlreiche und sehr verschiedene Grundlagen, wobei die Internationale Handelskammer die beiden ersteren befürwortete: nämlich den Einkaufspreis am Ursprungsort, F.O.B.Preis, und den Verkaufspreis am Verzollungsort, C.I.F.-Preis;354 außerdem gab es noch die Bemessung nach dem Großhandelspreis eines Drittlandes, z. B. des Landes mit den höchsten Inlandspreisen, und nach dem Durchschnittspreis für einzelne Warengruppen, wie sie die amtlichen Marktberichte angaben. Zudem bestanden auch zwischen den einzelnen Industrie- und Handelsverbänden am Verzollungsort Barton, Wertbestimmung, S. 12. Das Gegenteil wurde im Bericht des Committee ofExperts vom 26. Juni 1936 behauptet, der für die Internationale Handelskammer bestimmt war. Der Bericht schrieb den spezifischen Zöllen die Eigenschaft zu, "that the consumer is very often unaware of the heaviness of the burden which is imposed on him." Aus diesem Grund bestünde die Gefahr zunehmender protektionistischer Maßnahmen. Joint Committee on the lmprovement, S. 392. 354 Definition siehe: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Entschließungen des Zehnten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Drucksache Nr. 100, Ergänzungsheft zur Internationalen Wirtschaft, Kopenhagen 26. Juni- 1. Juli 1939, S. 11 und 12. 352 353

Il. Handelspolitische Empfehlungen

149

vereinbarte und von den Zollbehörden genehmigte oder speziell von der Verwaltung festgesetzte Preise.355 Eine bevorzugte Anwendung der spezifischen Verzollung so wie sie von der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeit vorgeschlagen wurde, barg aber die Gefahr in sich, daß sie im Zuge einer Krise mit deflationären Erscheinungen eher zu einer Verstärkung denn zu einer Milderung der wirtschaftlichen Probleme beitrug. Der Grund dafür lag in einem negativen Zusammenhang zwischen den Preisentwicklungen und dem Niveau der spezifischen Zölle: Mit sinkendem Preisniveau stieg nämlich der prozentuale Anteil der spezifischen Verzollung und vice versa.356 Für eine Förderung des internationalen Güteraustauschs, für einen Anstieg der Produktion sowie der Investitionen und für eine Verringerung der Arbeitslosigkeit waren spezifische Zölle in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht gerade vorteilhaft. Ganz im Gegenteil, durch den starken Preisverfall trugen sie automatisch zu einer Vertiefung der Krise bei, ohne daß die Zölle auf dem Wege der Gesetzgebung geändert werden mußten. In einigen Ländern gelangten abwechselnd mehrere Systeme zur Anwendung, denn der Verwaltung oblag es, frei über die Grundlage der Verzollung jeder zollpflichtigen Ware zu entscheiden.3S7 Das Anliegen der Internationalen Handelskammer war es daher, ein allgemein verbindliches Zolltarifschema aufzustellen: Jede Zollverwaltung sollte nicht nur für sich die gleiche Berechnungsmethode verwenden, sondern hatte auch die betreffenden Methoden einheitlich durchzuführen.Jss Die spezifische Verzollung sollte nach Auffassung der Internationalen Handelskammer nach einer sicheren und leichter zu prüfenden Grundlage erfolgen, d. h. nach Gewicht und Länge. Trotzdem konnten auch hier zwei Schwierigkeiten auftreten: erstens die Schwierigkeit der Klassifizierung der Waren, die nicht in der Zolliste erwähnt wurden, und zweitens gab es auch hier unterschiedliche Bewertungsgrundlagen bei der Verzollung nach Gewicht; es wurde nämlich zwischen dem tatsächlichen Brutto-, Halbbrutto-, eigentlichen Netto- und gesetzlichen Nettogewicht unterschieden. Die Grundlage der Verzollung reichte vom Rohgewicht über das Reingewicht bis hin zum Halbroh- oder Halbreingewicht der Waren, und auch die Höhe des Tarasatzes war international nicht einheitlich festgelegt. Die Internationale Handelskammer wies daraufhin, daß dieselben Waren in den einzelnen Ländern aufverschiedener Weise verzollt wurden. So gab es Unterschiede bei der Verzollung nach m Internationale Handelskammer, Handelspolitik, S. 35. Siehe dazu: United States Tariff Commission (Hrsg.), Regulation of Duties to Value of Imports, 72d Congress, Ist Session, Senate Document No. 91, Washington, D. C. 1932. 357 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1930, S.l7. 358 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1931, S. 35. 356

150

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Gewicht und Verpackung. Der Tarasatz von Porzellangeschirr, das in Holzkisten verpackt war, wurde beispielsweise in Deutschland mit 43 %, in Spanien mit 25 %, in der Türkei mit 15% festgesetzt. Das Gewicht der Verpackungen von elektrischen Motoren wurde in Deutschland mit 13 %, in Spanien mit 20% und in der Türkei mit 7% veranschlagt. Die Internationale Handelskammer sprach in diesem Zusammenhang die Empfehlung aus, daß die Berechnung der Tara keine widerrechtliche Erhöhung der Einfuhrzölle ergeben dürfe.359 Sie befürwortete eine einheitliche Regelung bei der Verzollung nach dem Brutto-, eigentlichen Netto-, gesetzmäßigen Netto-, Halbbruttogewicht und der Tara aus. Desweiteren sollten die Maßstäbe für die Verzollung der Waren, die aus verschiedenem Material oder einzelnen Maschinenteilen zusammengesetzt waren, festgelegt werden.360 Die Internationale Handelskammer war um eine Vereinfachung der ZollfonnaHtäten bemüht: Bei einer Erhöhung des Zollniveaus sollten die vor der Einführung eines neuen Zollsatzes zum Versand gebrachten Waren nach Maßgabe des früher geltenden Zolls belastet werden. Die von den Zollbehörden erteilten Auskünfte hatten nach Meinung des Ausschusses bindend zu sein. Der zweite Punkt betraf die Anwendung des Kontingentssystems. In einer Expertise an die Internationale Handelskammer vom 26. Juni 1936 war die schrittweise Abschaffung eines Quotensystems gefordert worden. In dem Bericht wurde zunächst ein "replacement of the quota system by protective duties at the lowest possible Ievel'' empfohlen.361 Der Verwaltungsrat machte sich diese Empfehlung zu eigen, als er am 16. Oktober 1936 von einer übergangsweisen Einführung von ,,Zollkontingenten" anstelle von "Einfuhrkontingenten" sprach. Diese sollten aber eher vorübergehende Notmaßnahmen als dauerhafte Heilmittel sein.362 Der dritte Punkt umfaßte die Methoden der Wertbestimmung von Güter, die der ad-valorem-Verzollung unterlagen. Ein Hilfsmittel sah die Internationale Handelskammer in einer internationalen Standardisierung für die Methoden der Bestimmung des Grundpreises bzw. Grundwertes. Deshalb definierte der Zollpolitische Ausschuß eindeutige Methoden zur Bestimmung des wirklichen Wertes der Waren. Unter dem "Grundwert" verstand der Ausschuß den von der Zollbehörde zugrunde gelegten Wert bzw. Preis. Der zollpflichtige Totalwert ergebe sich durch Einbeziehung oder Abzug gewisser Abgaben. Der Zolltechnische Ausschuß schlug vor, die Wertzölle stets nach dem F.O.B.- oder dem C.I.F.-Wert bzw. den beiden entsprechenden Werten im Überlandtransport zu bemessen.363 Er emp·

Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1930, S.19. Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1931, S. 35. 36 1 Report of the Cornmittee of Experts submitted June 26, 1936 to the two Presidents of the Joint Cornmittee, in: Joint Cornmittee on the lmprovement, S. 394. 362 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 30. 363 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Entschließungen des Zehnten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Drucksache Nr. 100, Ergänzungsheft zur Internationalen Wirtschaft, Kopenhagen 26. Juni-1. Juli 1939, S.ll und 12. 359

360

II. Handelspolitische Empfehlungen

151

fahl, die internationale Standardisierung auf dem Wege zweiseitiger Verhandlungen zu fördern. 364 Für die Internationale Handelskammer stellte sich auch die Frage nach den Methoden der Erhebung von Einfuhrzöllen. Aufgrund verschiedenster Verzollungsmethoden in den einzelnen Ländern sah es die Internationale Handelskammer als ihre Aufgabe an, die Vor- und Nachteile jeder dieser Methoden aufzuzeigen und Grundsätze für eine gerechte und eindeutige Verzollung aufzustellen. 36S Der Zolltechnische Ausschuß der Internationalen Handelskammer arbeitete eine Reihe detaillierter Vorschläge zur Verbesserung der Verwaltungsvorschriften und -praxis aus. Die Internationale Handelskammer war Gegnerin von administrativen Maßnahmen (Zollstrafen, Ursprungzertifikatszwang, staatliche Subventionen), die eine staatliche Unterstützung der inländischen Wirtschaft gegenüber der ausländischen Konkurrenz manifestierten. Als besonders hemmend qualifizierte die Internationale Handelskammer die Vorschriften beim Import von Nahrungsmittelkonserven. So kam es vor, daß die Aufschriften auf derartigen Waren in der Sprache des importierenden Staates abgefaßt sein mußten. 366 Eine besonders in Mitteleuropa als handelspolitisches Instrument durchgeführte Maßnahme bestand in dem Erlaß von sanitären oder veterinären Vorschriften, die den ausländischen Kaufmann benachteiligten. In diesem Zusammenhang sprach die Internationale Handelskammer von einem .,maskierten Protektionismus"367, den es durch Übereinkommen zu beseitigen gelte. Desweiteren forderte sie die Länder auf, den Ausweis von allen Handelsreisenden anzuerkennen, die Steuerbehandlung der einheimischen und ausländischen Reisenden zu nivellieren und die Anmeldefrist bei den Polizeibehörden zu vereinheitlichen.368 Die Internationale Handelskammer warb auf dem Kongreß in Washington 1931 um einen allmählichen Abbau des Subventionssystems in den einzelnen Ländern bemüht.369 Die Erscheinungsformen und Auswirkungen direkter staatlicher Handelssubventionen waren sehr vielseitig. Der Ausschuß der Internationalen Handelskammer zur Beseitigung der Handelshemmnisse hatte daher bereits schon früher einmal Gustav Cassel vom schwedischen Nationalkomitee zur Ausarbeitung eines Aktionsprogramms beauftragt, das auf einen stufenweisen Abbau der staatlichen 364 Internationale Handelskammer (Hrsg. ), Entschließungen des Zehnten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Drucksache Nr. 100, Ergänzungsheft zur Internationalen Wirtschaft, Kopenhagen 26. Juni- 1. Juli 1939, S. 11 und 12. 36' Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1929, S. 20. 366 Vergleichbare Handelshemmnisse finden sich heutzutage noch in Rußland. 367 Siehe Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Internationale Handelskammer und die Entwicklung der Politik der Weltwirtschaftskonferenz, Drucksache Nr. 64, Paris 1927, S.19. 368 Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931,

S. 72. 369

Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1931, S.29.

152

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Zuschüsse abzielte: Erstens sollte eine nach einheitlichen Grundsätzen ausgearbeitete Übersicht über die in den einzelnen Ländern praktizierten Subventionsverfahren veröffentlicht werden; zweitens der Subventionspolitik eine größere Stetigkeit verliehen werden; drittens die angewandten Verfahren für das gesamte Ausland nach dem Prinzip der Meistbegünstigung angewandt werden und viertens wurde die Begrenzung der Subventionspolitik durch eine internationale Vereinbarung als unbedingt notwendig erachtet.J7o Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Internationale Handelskanuner eine Standardisierung der ad-valorem und spezifischen Verzollung empfahl. Für die Wertzölle schlug sie vor, daß jede Zollverwaltung für sich die gleiche Berechnungsart anwenden und so weit wie möglich einheitliche Methoden durchführen sollte. Die ICC betonte die Notwendigkeit, die Bemessungskriterien bei der Erhebung von ad-valorem-Zöllen zu standardisieren und dort, wo es notwendig erschien, auf die Preise der internationalen Marktberichte oder auf die zwischen Industrie- und Handelsverbänden vereinbarten Staffeltarife zurückzugreifen. Durch die Formulierung einer einheitlichen Zollnomenklatur und die Reduzierung von Zollformalitäten, wie sie von der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise propagiert wurden, hätten die Regierungen zu einem erheblichen Maß an Sicherheit im Bereich des internationalen Güteraustauschs beitragen können. Im Zusanunenspiel mit einem allgemeinen Abbau der Handelshemmnisse hätten die Reduzierung der Zollformalitäten und eine Vereinheitlichung der Zollnomenklatur gewiß dazu beitragen können, den drastischen Rückgang des Welthandels abzuschwächen. Im Gegensatz zur Meinung der Internationalen Handelskammer wird in dieser Arbeit allerdings die Auffassung vertreten, daß in der Zwischenkriegszeit eine ad-valoremVerzollung und der Versuch ihrer Verringerung eher zur Milderung der Weltwirtschaftskrise beigetragen hätte als die stärkere Ausrichtung aller Einfuhrabgaben an den importierten Mengen. Gerade in der Zeit der Weltwirtschaftskrise kam es durch den rasanten Preisverfall zu einem gewaltigen relativen Anstieg der spezifischen Zölle. Sie trugen vor allem in Amerika zu einer verstärkten Behinderung der Einfuhren bei.

4. Anwendung der Meistbegünstigungsklausel Die Empfehlung der Internationalen Handelskanuner, die Meistbegünstigungsklausel bei allen handelspolitischen Vereinbarungen anzuwenden, war ein weiterer Versuch, in der Weltwirtschaftskrise dem Freihandel näherzukommen. Die Internationale Handelskammer hatte sich bereits auf dem Kongreß in Amsterdarn vom 8. bis 13. Juli 1929 eindeutig für die Formulierung einer unbedingten Meistbegünstigungsklausel ausgesprochen. Sie sollte die entscheidende Basis für alle internationalen Handelsverträge sein. Nur zwei Nationalkomitees nahmen bei einer Umfrage J7o

Mitteilungen der Internationalen Handelskammer 15 (1927), S. 11 ff.

II. Handelspolitische Empfehlungen

153

im Rahmen der ICC eine andere Haltung ein: die britische und die französische Landesgruppe.m Der Grund lag in der besonderen Handelsstruktur beider Länder. Die wirtschaftlichen Vorteile, die sowohl die Briten als auch die Franzosen aus den engen Beziehungen zu ihren Kolonien zogen, wollten sie mit keiner anderen Macht teilen. Die Internationale Handelskammer versuchte, die spezifischen Interessen ihrer Mitglieder zu berücksichtigen. Das Committee of Ten riet daher dazu, die kolonialen Gebiete von den handelspolitischen Empfehlungen der ICC auszuklammern: "The question of the international exploitation of colonies touches on singularly delicate and essentially political problern of mandates - a question in which it is preferable that the Chamber should not interfere."372 Trotz ihres selbst auferlegten Gebots, sich nicht in die kolonialen Angelegenheiten der Mitgliedsländer einzumischen, bekräftigte die Internationale Handelskammer auf dem Washingtoner Kongreß von 1931 nochmals ihre Überzeugung, daß die Meistbegünstigungsklausel die beste Grundlage für eine fortschrittliche Handelspolitik darstellte: "Die wichtigste Funktion der Klausel besteht in der Ausmerzung von benachteiligender Behandlung im Rahmen internationaler Wirtschaftsbeziehungen; sie vermindert dadurch das Risiko, dass es zu Vergeltungsmassnahmen und Zollkriegen kommen kann, die möglicherweise Störungen internationaler politischer Beziehungen herbeizuführen geeignet sind. Gleichzeitig erleichtert die Meistbegünstigungsklausel die Verhandlung über Handelsverträge ...."373

Die Klausel wurde als das entscheidende Mittel angesehen, eine diskriminierende Behandlung im Rahmen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu verhindern. Die Internationale Handelskammer kam zum Schluß, daß die Meistbegünstigungsklausel (MFN = Most-Favored-Nation) das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen und Zollkriegen verminderte. Gleichzeitig vertrat sie die Auffassung, daß die MFNKlausel den Abschluß von Handelsverträgen erleichtern würde.374 Nur das französische Nationalkomitee zweifelte an einer positiven Wirkung der Meistbegünstigungsklausel in Zeiten verstärkt protektionistischer Strömungen. Auf der Konfe-

371 HP: Document No. 5142, Projet de Rapport de la Chambre de Commerce Internationale l1 la Confl!rence Monl!taire et Economique prl!sentl! par M. Owen Jones, Rapporteur, au "Comitl! Spl!cial" en sa session du 21 Mars 1933, S. lO. Siehe auch die ablehnende Haltung des britischen und französischen Nationalkomitees im Rahmen einer Abstimmung im Verwaltungsrat Declaration by the Council of the International Chamber of Commerce, in: NA II, Correspondence of the State Department, Decimal File 1930-1939, RG No. 59, Stack Area 250, S.4. 372 ASO: BIB 43, Document No.4593, Committee ofTen, October 5th 1931, S. 6. 373 Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S. 73. Auf dem Wiener Kongreß vertrat die Kammer außerdem das wirtschaftspolitische Ziel der "Gleichbehand.lung". Danach sollten Zugeständnisse nach Möglichkeit allen Ländern auf einer Vertragsbasis zugänglich gemacht werden. 374 Bei dem Abschluß der Konvention von Ouchy im Juli 1932 zwischen den Niederlanden, Belgien und Luxemburg hatte aber gerade die Ausnahme von der Meistbegünstigung den Willen zum Abschluß eines Zollübereinkommens begünstigt. Jones, Retaliation, S. 316/317.

154

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

renz von Genua von 1923 war die französische Landesgruppe sogar so weit gegangen und hatte behauptet, daß die Meistbegünstigungsklausel eine der Ursachen für die Zollerhöhungen gewesen sei.375 Insgesamt machte die Internationale Handelskammer ihre Mitglieder auf die Gefahren aufmerksam, die eine Abschwächung der Garantien der unbedingten Meistbegünstigungsklausel mit sich bringen würde.376 Eine gegenteilige Meinung vertrat Artbur Salter vom Völkerbund in der Zeit der Weltwirtschaftskrise: Er sah in der unbedingten Meistbegünstigungsklausel ein entscheidendes Hindernis für den Abschluß von Handelsverträgen, die einen Abbau von Handelsbarrieren nach sich ziehen sollten. Der Grund:" ... it will impede tariff reductions along the only practicable path of progress- that of agreements between pairs or groups of countries with complementary production and comparable tariff and currency system".377 Erschwerend für die Durchsetzung des Prinzips einer unbedingten Meistbegünstigungsklausel kam hinzu, daß die Mitglieder der Internationalen Handelskammer eine unterschiedliche Auffassung hinsichtlich einer einheitlichen Formulierung und Anwendung der Klausel hatten. In ihrer Denkschrift an den beratenden Wirtschaftsausschuß sprach sich die Kammer daher für die "Vereinheitlichung des Wortlautes dieser Klausel und deren Auslegungsgrundsätze" aus, um eventuellen handelshemmenden Streitigkeiten vorzubeugen. Zu diesem Zwecke machte die Internationale Handelskammer den Vorschlag, eine sogenannte Musterklausel aufzustellen, die Ausnahmen soweit wie möglich auszuschließen hatte.378 Nach Ansicht von Richard Riedl, dem Generalsekretär der Österreichischen Landesgruppe der ICC, stellte die Meistbegünstigungsklausel aber keine vollständige Garantie für den Anspruch auf eine absolute wirtschaftliche Gleichberechtigung aller Staaten dar. Seiner Meinung nach wardie "Klausel weder eine objektive juristische Bestimmung, die absolut und in jedem Falle verpflichtend sein müßte, noch gewährt sie der anderen Partei bedingungslos die Nutznießung bestimmter Vorteile. Sie gibt dem Staat, der die Vertragsklausel aufnimmt, nur das Recht auf die gleiche Behandlung, wie sie unter bestimmten Verhältnissen andere Staaten genießen, von deren Rechtslage wiederum der vertragschließende Staat abhängig ist. So ist die Wirkung der Meistbegünstigungsklausel und deren Beurteilung in den einzelnen Ländern in hohem Grade abhängig von deren Tarifen und Vertragssystemen und von der Richtung ihrer Wirtschaftspolitik. "379

Internationale Wirtschaft 1 (1929), S. 12/16. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Washington-Kongress 4. bis 9. Mai 1931, Drucksache Nr. 77, S.14. 377 Arthur Salter, World Trade and lts Future, London 1936, S. 95 (fortan zitiert als Salter, World Trade). 378 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Internationale Handelskammer und die Entwicklung der Politik der Weltwirtschaftskonferenz, Drucksache Nr. 64, Paris 1927, S. 21/22. 379 Internationale Wirtschaft 1 (1929), S. 12/16. 375

376

II. Handelspolitische Empfehlungen

155

Dies führte nach Ansicht Riedls zu dem Erfordernis einer ergänzenden Anwendung der Paritäts- und Reziprozitätsklausel, derzufolge die Forderung nach Zollherabsetzungen nicht durch die Aufrechterhaltung der eigenen Zölle gerechtfertigt werden konnte. Die "Abrüstung auf wirtschaftlichem Gebiet" sollte auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit erfolgen.380 Die Erkenntnis, daß Aufbau und Sicherung eines relativ freien internationalen Warenaustauschs nur gelingen konnte, wenn die am Freihandel interessierten Länder sich auf der Basis der Gegenseitigkeit vertraglich zur Öffnung verpflichteten, herrscht auch in der heutigen Forschung vor. 381 Die Frage nach der Zulässigkeit gewisser Ausnahmen von der Meistbegünstigungsklausel konnte von der Internationalen Handelskammer nicht auf Anhieb gelöst werden. Ein Plädoyer für Ausnahmen von der Meistbegünstigungsklausel ging vor allem von der Österreichischen und von seiten der deutschen Landesgruppe der Internationalen Handelskammer aus. Richard Riedl arbeitete für die Internationale Handelskammer im Jahre 1931 einen Bericht aus, der zu möglichen Ausnahmen von der Meistbegünstigung bei mehrseitigen Verträgen und regionalen Vereinbarungen riet. 382 Zusammen mit den Stellungnahmen der Nationalkomitees bildete er eine entscheidende Grundlage für die Sitzung des Ausschusses der ICC über die Beseitigung der Handelshemmnisse am 21. Februar 1931 und wurde zum Fundament einer Reihe von Diskussionen innerhalb der Internationalen Handelskammer. 383 Riedl wies zuvörderst auf die Bedeutung von wirtschaftlichen Zusammenschlüssen als Mittel für eine florierende Wirtschaft hin. Um den mehrseitigen Handelsaustausch zwischen den regionalen Gruppierungen zu erleichtern, befürwortete er gelegentlich Ausnahmen von der Meistbegünstigung. In der Zwischenkriegszeit waren regionale Ausnahmen von der Meistbegünstigung weit verbreitet und in zahlreichen Handelsverträgen auf der Welt zu finden. Zu den Ländergruppen, die für sich Ausnahmen von der Meistbegünstigung in Anspruch nahmen, zählte Riedl beispielsweise die drei skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen; die baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen und die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken. 384 Er forderte auch für die europäischen Staaten regionale Vorbehalte in bezug auf die Meistbegünstigungsklausel wegen ihrer besonderen geographischen Lage und wirtschaftlichen Beziehungen. In seiner Argumentation stützte er sich auf den amerikanischen Standpunkt, 380 Internationale Handelskammer (Hrsg.}, Sitzungen und Arbeiten des Kongresses Amsterdam Juli 1929, in: Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S. 89. 381 Vgl. Werner Zohlnhöfer, Der neue Protektionismus aus der Sicht der Politischen Ökonomie, in: Gutowski, Protektionismus, S. 95. 382 Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung. 383 Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 28-31. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Antworten der Landesgruppen. 384 Im allgemeinen wurden die regionalen Vorbehalte auch auf die Beziehungen mit den Kolonien übertragen. Hier herrschte der Grundsatz vor, daß Begünstigungen, die das Mutterland den Kolonien gewährte oder von ihnen empfing, dritten Staaten nicht ohne weiteres eingeräumt zu werden brauchte. Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 19/20.

156

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

daß die außerordentlichen Privilegien, die engsten Handelspartnern eingeräumt wurden - für Amerika waren es Kanada und Kuba-, nicht auch Drittstaaten zugestanden werden müßten; sie sollten damit nicht unter das Prinzip der Meistbegünstigung fallen. Riedl sah aber die Möglichkeit einer sogenannten Billigkeitsklausel (Sonderbegünstigungen) für Staaten vor, die allgemein nach dem Prinzip des Freihandels verfuhren. Das Scheitern der Verträge über die Beseitigung von Handelshemmnissen und die Nichtratifzierung der Convention Commerciale, die am 24. März 1930 von 23 europäischen Staaten in Genf zur Herbeiführung eines Zollwaffenstillstands unterzeichnet worden war, führte er auf einen klaren Grund zurück: Kein Staat wollte seine protektionistischen Waffen aus der Hand legen in einer Zeit, in der die wirtschaftspolitische Entwicklung völlig ungewiß war. Riedl hatte zu Recht erkannt, daß eine zollpolitische Abrüstung gegenseitiges Vertrauen erforderte. Gerade aber dieses fehlte in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Die Reaktionen der einzelnen Nationalkomitees auf Riedls Plädoyer für gewisse Ausnahmen von der Meistbegünstigung bei mehrseitigen und regionalen Verträgen waren sehr unterschiedlich, denn über die Interpretation der Meistbegünstigungsklausel gingen die Meinungen auseinander. Die USA, Großbritannien und Schweden waren Verfechter einer unbeschränkten Form der Meistbegünstigung385 , wohingegen der Kontinent (Deutschland, Frankreich und ltalien3 86) darin ein entscheidendes Hindernis für ein "economic disarmament" innerhalb Europas sah. Die amerikanische Landesgruppe begründete ihre ablehnende Haltung zu Riedls Vorschlägen mit den Zerstörerischen Folgen, die gewisse Ausnahmen vom Prinzip der Meistbegünstigung nach sich ziehen konnten: "Wenn dieses Prinzip jetzt durch eine grundlegende und zerstörende Ausnahme im Fall mehrseitiger Verträge aufgegeben wird, so wird die 1ür für Diskriminationen geöffnet, vielleicht für die Zerstörung des seit dem Kriege sorgfaltig ausgearbeiteten Systems von Handelsverträgen, für Unsicherheit im internationalen Handel im Hinblick auf Stabilität der Tarife und für Entstehung von Groll auf Seiten der Nationen, die von Diskrimination betroffen werden, ein Groll, der zu Gegenmassnahmen führen kann, zum grossen Schaden des Handels und der internationalen Verständigung."387

Die britische Landesgruppe unterstützte trotz ihres imperialen Präferenzsytems den amerikanischen Standpunkt, indem sie daran zweifelte, daß die unbedingte Meistbegünstigung tatsächlich ein Hindernis für den Abschluß mehrseitiger Verträ38S Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931,

s.1om.

386 Internationale Handelskammer, Antworten der Landesgruppen, S. 8/9/11/12. 387 Internationale Handelskammer, Antworten der Landesgruppen, S. 2/3. Die britischen Dominien waren gegen Ausnahmen von der Meistbegünstigungsklausel: Sie befürchteten eine Vorzugsbehandlung für Getreide aus Europa, wenn es zu innereuropäischen Zollvereinbarungen ohne die Anwendung der unbedingten Meistbegünstigungsklausel kommen würde. Internationale Handelskammer, Antworten der Landesgruppen, S. 7.

II. Handelspolitische Empfehlungen

157

ge darstellte, wie dies von den Kontinentaleuropäern behauptet worden war. Zudem stellte das britische Nationalkomitee die Wirksamkeit eines Abschlusses von mehrseitigen Verträgen als ein Mittel zur Beseitigung von Zoll- und anderen Handelsbarrieren in Frage. Leo Pasvolsky von der Brooking Institution in Washington D. C. unterstützte diesen Standpunkt, indem er klar für bilaterale Abmachungen zum Abbau von tarifaren und nicht-tarifaren Handelshemmnissen eintrat und damit den Vorschlägen Riedls widersprach: ..In my opinion, bilateral agreements are more etfective than multilateral arrangements as instruments for the reduction of trade barriers.... Bilateral agreements ... permit much !arger reduction with respect to selected commodities." 388

Aus dieser Meinungsverschiedenheit heraus wurde auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Washington die Untersuchung der euro-amerikanischen Beziehungen zum Hauptprogrammpunkt.389 Noch bevor der Kongreß in Washington eröffnet worden war, trat am 21. Februar 1931 der Ausschuß für Handelspolitik und Beseitigung der Handelshemmnisse in Paris unter dem Vorsitz von Josef Sachs zusammen, um die Vorschläge von Richard Riedl hinsichtlich regionaler Ausnahmen von der Meistbegünstigung zu überprüfen. Der Ausschuß beschäftigte sich ausschließlich mit den Beschlußentwürfen und nahm alle Anträge, die von der Österreichischen Landesgruppe gestellt worden waren, vorbehaltlos an. Damit schloß sich ein wichtiges Konsultativorgan der Internationalen Handelskammer der Meinung Riedls an, daß "regionale Ausnahmen von der Meistbegünstigung eine unentbehrliche Voraussetzung solcher Gruppierungen" bildeten.390 Auf dem Kongreß in Wien im Jahre 1933 kamen erneut die Divergenzen, die über eine Anwendung der unbedingten Meistbegünstigung bestanden, zum Ausdruck. Während einige Mitglieder der Ansicht waren, daß diese Klausel die Grundlage der internationalen Vertragsbeziehungen bleiben müßte, vertraten andere die Meinung, daß Gruppenvereinbarungen durch eine internationale Vereinbarung über Ausnahmen von der Klausel erleichtert werden würden. Ein drittes Lager blieb den zweiseitigen Vereinbarungen und der unbedingten Meistbegünstigungsklausel treu. Eine Ausnahme sah diese Partei jedoch vor, wenn das Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung in Handelsverträgen eine erhebliche Verzögerung der Angleichung von Zöllen und der Beseitigung der Handelshemmnisse zur Folge haben würde. Zumindest der Abschluß bilateraler Verträge sollte durch Ausnahmen von der Klausel erleichtert werden. In der Beschlußfassung von 1933 heißt es:

388 Dabei ging er von bilateralen Verträgen mit der Meistbegünstigungsklausel aus. Pasvolsky, Comments, S. 75/76. Andreas Predöhl unterstützt Pasvolsky, wenn er schreibt, multilaterale Verträge seien .,incapable of accomodating the individual requirements of the various countries ...." Predöhl, Comments, S. 94. 389 Ridgeway, Merchants, S. 342. 390 Internationale Handelskammer, Antworten der Landesgruppen, S. 22-24.

158

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

,.So könnte man vorobergehend zweiseitige Handelsverträge abschliessen, welche Vorzugsbestimmungen enthalten. Diese in einem Vertrag aufgenommenen Bestimmungen dürften jedoch niemals bedeuten, dass sich die Vertragsstaaten verbieten, anderen Staaten, mit denen sie in der Folge Verträge abschliessen, die gleichen Vorteile zu gewähren; diese Vorteile dürften nur nicht de jure auf andere Staaten ausgedehnt werden."391

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Gewährung von Ausnahmen von der Meistbegünstigungsklausel mit Sicherheit eine Erleichterung für den Abschluß von Zollunionen in Europagebracht hätte; zumal ein wichtiges Land wie Frankreich in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht dazu bereit war, seine zollpolitischen Vorzüge, die es in seinen Kolonien genoß, mit anderen Staaten zu teilen. Nicht umsonst hat deshalb das GATT in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Gründung von regionalen Wirtschaftsvereinigungen in Europa Ausnahmen von der Meistbegünstigungsklausel gewährt. Trotzdem stellte das MFN-Prinzip eine entscheidende Voraussetzung in der Zeit der Weltwirtschaftskrise für den Zollabbau im Rahmen von Verhandlungen über bilaterale Handelsverträge dar. Das Reciprocal Trade Agreements Act der US-Regierung von 1934 hatte gezeigt, daß zweiseitige Abkommen mit der Gewährung der Meistbegünstigung einen ersten wichtigen Schritt zum weltweiten Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen leisten konnten. Sie hätten gewiß ein entscheidendes Mittel zur Milderung der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 sein können. 5. Schaffung einer europäischen Wirtschaftsvereinigung In der dreißiger Jahren schien die Schaffung eines vereinten Europas notwendiger denn je zu sein. Über den besten Weg zu einer europäischen Union bestanden zwischen dem Völkerbund und der Internationalen Handelskammer unterschiedliche Meinungen. 392 Für den Völkerbund sollte der erste Schritt hin ZU einer europäischen Föderation auf der politischen Ebene stattfinden.393 Erst dann würde die Ausarbeitung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik das Ziel sein: "And it is likewise on the 39 1 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Siebten Kongress der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, Drucksache Nr. 83, S. 9. Nur die italienische und schweizerische Delegation erhoben Einspruch gegen die Empfehlungen hinsichtlich einer Abweichung vom Prinzip der Meistbegünstigung. Vgl. dazu Internationale Handelskammer, Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S. 10. 392 Eine ,.union" wurde vom Völkerbund weniger eng verstanden als eine ,.unity", denn sie wäre ,.sufficiently elastic to respect the independence and national sovereignty of each of the States, while ensuring to them the benefits of collective solidarity for the Settlement of political questions concerning the fate of the European community or that of one of it's members." ASD: BIB 44, Memorandum on the Organization of a Regime of European Federal Union, S.lO. 393 Siehe dazu Artbur Salter vom Völkerbund im Memorandum "The United States of Europe" vom 2. September 1929, in: NA II, Correspondence of the State Department, Decimal File 1930-1939, RG No. 59, Stack Area 250, S. 7. So auch der Briand-Plan vom 1. Mai 1930. Vgl. dazu: Der Europaplan Briands vom 1. Mai 1930, in: Europa-Archiv 4 (1949), S. 2438.

II. Handelspolitische Empfehlungen

159

political plane that must thereafter be elaborated, in its main lines, the economic policy of Europe as well as the tariff policy of each European State."394 Die Internationale Handelskammer maß der europäischen Einigung im Jahre 1930 dagegen vornehmlich eine wirtschaftliche Komponente bei. Das Ziellag ihrer Ansicht nach darin, "zwischen den europäischen Völkern eine engere Gemeinschaft, abseits von allen politischen Absichten, anzubahnen, insbesondere auf dem Wege des Austauschs industrieller und landwirtschaftlicher Erzeugnisse."395 Das Ziel der ICC war die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes ("marche commun").396 Dieser sollte durch einen freien Waren-, Kapital-, Dienstleistungs- und Personenverkehr gekennzeichnet sein; er kam damit den vier Freiheiten, wie sie seit der Schaffung der Europäischen Union bestehen, sehr nahe.397 Und trotzdem wurde bei der Erörterung des französischen Vorschlags über ein vereintes Europa von einigen Nationalkomiteesam 23. Juni 1930 auch dem politischen Charakter des Einigungsprozesses eine große Bedeutung beigemessen: "As regards the essential point, the subordination of economic to political problems, certain national committees were for this principle, other against it."398 Abgesehen vom Europaengagement im Rahmen der Internationalen Handelskammer traten einige Mitglieder der Kammer auch anderen europäischen Vereinigungen bei. So war beispielsweise Etienne Clementel Ehrenmitglied der Organisation "Union Douaniere Europeenne", der auch der französische Außenminister Aristide Briand angehörte. Der Vorschlag der Österreichischen Landesgruppe zur Schaffung eines europäischen Wirtschaftsbündnisses war für die Arbeiten des "Committee on Europe" 1930 von besonderer Bedeutung.399 Der Wirtschaftssachverständigenausschuß für eine europäische Union war der Ansicht, daß internationale lndustrievereinbarun394 ASD: BIB 44, Memorandum on the Organization of a Regime of European Federal Union, S.10. Siehe auch Arthur Salter, The United States of Europe Idea, Genf 1929, S. 7 (zitiert nach Salter, United States of Europe). 395 Geschäftsbericht umfassend die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1930, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (1931), S. l . 396 ASD: BIB 44, Document No.4613, "Comite des Dix". Recommandations faites par la Commission reunie a Berlin le 17 Octobre 1931 en vue de Ia conclusion de Federations economiques en Europe, S. 2. In dem Report eines Sub-Committee wurde die Bildung eines ,.single market" vorgeschlagen. ASD: BIB 43, Document No. 4676, Joint Meeting of the "Europe" Committee and the Committee on Commercial Policy, December 8th and 9th 1931, Memorandum on the Most-favoured-nation clause submitted by H. E. Richard Ried!, S. l. 397 ASD: BIB 44, Document No. 4686, Joint Meeting for the Study of European Problems, December 8th and 9th 1931, S. 2. 398 HP: Document No. 4204, Thirty-Third Meeting of the Council, June 27th 1930, S. 9. Dagegen stand der Reichsverband der Deutschen Industrie einer Intensivierung der deutschen Beziehungen zur Wirtschaft und Politik Frankreichs mit dem Fernziel "Paneuropa" zurückhaltend gegenüber. Reinhard Frommelt, Paneuropa oder Mitteleuropa. Einigungsbestrebungen im Kalkül deutscher Wirtschaft und Politik 1925-1933, München 1977, S. 80. 399 Geschäftsbericht umfassend die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1930, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (1931), S.l.

160

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

gen zu einer Verbesserung in der Organisation der europäischen Produktion beitragen würden.400 Auf einer Sitzung am 17. Oktober 1931 stellte der Ausschuß für internationale Kartelle und Europafragen Richtlinien für den Abschluß eines Wirtschaftsbündnisses europäischer Staaten auf. Der Leitgedanke war, daß der wirtschaftliche Zusammenschluß der europäischen Staaten nach Möglichkeit die Form einer Zollunion haben sollte. Zu diesem Zweck wurde die Ausarbeitung eines .,gemeinsamen Tarifs" auf der Grundlage einer einheitlichen Zollnomenklatur vorgesehen. Die Bündnisstaaten sollten sich die Meistbegünstigung gewähren, d. h. jedem Staat das Recht auf ihren Binnenzoll zuerkennen, der ihnen die gleichen Vorteile verschaffte. Nach dem Inkrafttreten eines gemeinsamen Zollsatzes nach außen hin sollte für den Binnenverkehr grundsätzlich Zollfreiheit bestehen. Es wurde beabsichtigt, die Vereinbarungen durch die Ratifikation der internationalen Konvention über die Vereinfachung der Zollformalitäten, die Aufhebung aller Verbote und Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr und das Verbot bestimmter Maßnahmen des indirekten Protektionismus zu ergänzen. Die Frage, inwieweit die Bestimmungen des europäischen Bündnisvertrages auf die Besitzungen, Kolonien, Protektorate oder Mandatsgebiete der verbündeten Staaten Anwendung finden sollten, bedurfte der Klärung.401 Mitaußenstehenden Staaten sah der Vertrag vor, ein Übereinkommen mit Ausnahmen von der Meistbegünstigung abzuschließen. Zudem sollte ausdrücklich hervorgehoben werden, daß das .europäische Wirtschaftsbündnis keine Spitze gegen Länder darstellte, die außerhalb der Union blieben. Dieses Bekenntnis diente sicherlich zur Beruhigung der amerikanischen Unternehmer, die handelspolitische Interessen auf dem europäischen Kontinent hatten. Für die Einfuhr aus Staaten, die dem Bündnis nicht angehörten, wurde von Seiten der Internationalen Handelskammer vorgeschlagen, die zur Zeit seines Abschlusses bestehenden Zölle als ,,Außenhandelstarife" aufrechtzuerhalten, was praktisch der wichtigsten Bestimmung der Handelskonvention vom 24. März 1930 gleichkam.402 Eine Zoll- und Handelskonferenz mit diplomatischem Charakter war schließlich als ständiges Organ vorgesehen, sowohl zur Regelung von Streitigkeiten als auch zur Annahme von Beitrittsanträgen. Zum Bündnis zugelassen werden sollten neben allen europäischen Staaten auch die Kolonien, Dominions und Mandate. ICC-Präsident Abraham Prowein befürwortete auf dem Washingtoner Kongreß der Kammer im Jahre 1931 die Bildung eines größeren europäischen Wirtschafts-

400 Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (1931), S.2. 401 ASD: BIB 44, Document No.4613 Annexe, "Comite des Dix". Principes directeurs pour la conclusion de federations economiques en Europe, S. 3. 402 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R 43 1/1171, S. 258-260.

II. Handelspolitische Empfehlungen

161

raums. Die Einschränkung der nationalen Souveränität lehnte er aber strikt ab.403 Auf der Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer im März 1932 empfahl er erneut die Schaffung eines großen, nicht durch Zollinien getrennten Wirtschaftsraums in Europa als ein effizientes Mittel der Krisenbewältigung: "Es muß ein großes, nicht durch Zollinien getrenntes europäisches Wirtschaftsgebiet geschaffen werden, wie wir es in den Vereinigten Staaten von Amerika sehen."404 Der indische Vertreter Mehta wandte sich allerdings auf dem Kongreß der ICC in Wien 1933 gegen einen europäischen Regionalismus. Er betrachtete die ganze Welt als eine Wirtschaftseinheit "Wenn die Völker des Westens eine Neuorientierung der Wirtschaft suchten, um den 30 Millionen Arbeitslosen Arbeit zu beschaffen, um die hieraus erwachsene Produktion besser zu verteilen und schneller zu erhöhen, also wenn der Westen für seine Erzeugnisse Abnehmer suche, dann müsse er seine Augen auf die vielen hundert Millionen Menschen Asiens, Afrikas und Südamerikas richten." 405

Für die europäischen Staaten stellte bereits in den dreißiger Jahren der eigene Kontinent den wichtigsten Exportmarkt dar. Professor Eugen Boehler, Mitglied des gemeinsamen Ausschusses der Internationalen Handelskammer und der Camegie Stiftung, bezifferte den innereuropäischen Handel auf zwei Drittel oder sogar drei Viertel der gesamten Exporte des Kontinents (Großbritannien und Frankreich ausgenommen). Um den Handel zwischen den europäischen Staaten weiter zu fördern, befürwortete er den Abbau der regionalen Handelsschranken. 406 Richard Riedl von der Österreichischen Landesgruppe der Internationalen Handelskammer empfahl daher den Zusammenschluß aller europäischen Staaten, nämlich "um ihre produktiven Kräfte gegenseitig zu entwickeln, sich zunächst im Rahmen Europas erhöhte Absatzmöglichkeit für ihre Erzeugnisse zu sichern, dadurch zu höherer Prosperität zu gelangen und gestützt hierauf, auch am Welthandel als Abnehmer fremder Erzeugnisse wie als Verkäufer der eigenen, erhöhten Anteil zu nehmen. "407

Für die kontinentaleuropäischen Staaten betonte Richard Riedl die vorrangige Bedeutung des innereuropäischen Marktes im Jahre 1928 (vgl. Tabelle 11). Die Tabelle 11 zeigt, wie stark die handelspolitische Verflechtung zwischen den Staaten Europas war. Polen stand an der Spitze der Staaten, die auf einen innereuropäischen Austausch angewiesen waren. Dänemarks Handel bezog sich zu 95,2% auf den innereuropäischen Verkehr, dicht gefolgt von Österreich mit 88,8 %, 403 Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S.l04. 404 Zur Wiederherstellung der Weltwirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1932), S.4. 40' Der VII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der internationalen Handelskammer 4 (1933), S. 4. 406 Eugen Boehler, Memorandum on the Technical Long Term Factars in the Reduction of the Valurne of Overseas Trade, in: Joint Cornmittee on the Improvement, S. 20. 407 Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 27.

11 Rosengarten

162

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Deutschland mit 73,9% und Italien mit 68,4%. Frankreich bildete mit 63% das Schlußlicht.408 Tabelle 11 Der prozentuale Anteil des innereuropäischen Handels an der Gesamtausfuhr im Jahre 1928 Polen

96,1%

Schweden

77,6%

Dänemark

95, 2%

Niederlande

75,4%

Jugoslawien

95,0%

Deutschland

73,9%

Ungarn

92,6%

Norwegen

70,8%

Bulgarien

91,1%

Belgien

70,3%

Österreich

88,8%

Schweiz

70,2%

Tschechosl.

86,4%

Italien

68,4%

Rumänien

83,0%

Frankreich

63,0%

Quelle: Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 16.

Die enge ökonomische Verbundenheit Europas brachte nach Ansicht Riedls zum Ausdruck, daß die Handelshemmnisse im engeren Kreis der europäischen Länder schwerer empfunden werden mußten, als im Handel mit Übersee.409 Riedl empfahl daher einen wirtschaftlichen Zusammenschluß Europas oder "mindestens einer Gruppe europäischer Staaten"410, um einen allgemeinen Rückfall in den Protektionismus zu verhindern. Nach Ansicht des Österreichischen Nationalkomitees sollte die "europäische Wirtschaftsgemeinschaft" auf dem Wege einer "teilweisen Zollunion" erreicht werden. Der Grund für ein derartiges Integrationskonzept auf ökonomischer Basis wurde von Richard Riedl wie folgt beschrieben: .,Sie [die teilweise Zollunion] setzt keine völlige wirtschaftliche Verschmelzung der betreffenden Staaten voraus, keine Interessengemeinschaft, die sich auf das ganze Wirtschaftsleben erstreckt und von diesem notwendigerweise auf viele andere Gebiete staatlichen Lebens übergreifen muß; sie verlangt als Voraussetzung nur eine Interessengemeinschaft einzelner Wirtschaftszweige, die dafür reif geworden sind. Die Ansätze solcher Interessengemeinschaften sind in den internationalen Kartellen gegeben. Die teilweise Zollunion ermöglicht 408 Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S.16. Das einzige Land, bei dem der innereuropäische Warenaustausch mit einem Anteil von 32% arn Gesamthandel gegenüber dem überseeischen zurücktrat, war Großbritannien. 409 Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S.l6. 41 0 Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, S. 22.

II. Handelspolitische Empfehlungen

163

es, aus der freien Bildung solcher Interessengemeinschaften die handelspolitischen Konsequenzen zu ziehen und so, allmählich von einem Zweige der Wirtschaft zum anderen fortschreitend, die Entwicklung einer ferneren Zukunft vorzubereiten, welche die Völker und Staaten für einen vollständigen und die Gesamtheit der Wirtschaft umfassenden Zusammenschluß gereift vorfindet. "411

Eine Union der europäischen Staaten sollte durch den Abschluß von drei Kollektivverträgen erreicht werden. Der erste Vertrag sah vor, das Fremdenrecht zu regeln, die Verkehrsfreiheit zu sichern, die bestehenden Verbote der Ein- und Ausfuhr zu beseitigen und einheitliche Bestimmungen über Formalitäten und Verfahren bei der Verzollung aufzustellen. Der zweite Vertrag sollte eine Höchstgrenze für Zollsätze festschreiben und das Prinzip der Meistbegünstigung gewährleisten. Der dritte Vertrag beabsichtigte die Errichtung einer internationalen Zoll- und Handelskonferenz. 412 In einer wirtschaftlichen Reorganisation Europas sah Riedl den kräftigsten Anstoß zur Beendigung der Weltwirtschaftskrise. Die Bündnisverträge sollten seiner Ansicht nach eine Adhäsionsklausel enthalten, d. h. allen Staaten zum nachträglichen Beitritt offenstehen, sobald sie die obliegenden Verpflichtungen erfüllten. Diese Adhäsionsklausel sollte zudem durch eine sogenannte Billigkeitsklausel ergänzt werden, wonach Staaten auch ohne förmlichen Beitritt aller Vorteile teilhaftig werden konnten, wenn sie die durch das Bündnis bedingten Verpflichtungen tatsächlich erfüllten.413 Jean Parmentier von der französischen Landesgruppe der Internationalen Handelskammer unterstützte die Idee eines wirtschaftlichen Zusammenschlusses Europas: "Es besteht kein Zweifel, dass wenn Europa eine einziges Wirtschaftsgebiet bilden würde, seine Aussichten auf Wohlstand ungleich grösser sein würden als gegenwärtig." In der regionalen Zersplitterung sah er die Ursache für die schlechte Verteilung der Produktion, die Schaffung und Erhaltung künstlicher Industrien und die Beschränktheit der Märkte.414 Nur die britische Landesgruppe sah von der Teilnahme an einer zollpolitischen Vereinigung Europas aus Gründen der "imperial preferences" ab. Auf das System der Vorzugszölle im Rahmen des Empires wollte Großbritannien zugunsten eines vereinten Europas nicht verzichten. Zudem wurde die Gefahr eines zollpolitischen Antagonismus zu den USA befürchtet.41 S "We Ried/, Kollektivvertrag, S. 15. Ried/, Kollektivvertrag, S. 3/4. Der Zollsatz sollte nicht 20 bis 30% des Wertes der eingeführten Ware überschreiten. 413 Wirtschaftliche Nachrichten 29 (1933), Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1360, S. 75. 414 Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, 411

412

S.97.

415 Die Studie wies darauf hin, daß die britischen Interessen ,)ie more in the direction of a comrnon policy with the Americans rather than joining hands with Europe to combat them and possibly to estrange the Dominions." International Chamber of Comrnerce/British National Comrnittee (Hrsg.), Sorne Considerations of the United States of Europe and other possible Economic Groups. An Independent Study prepared for the Information and Consideration of

u•

164

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

should therefore, at all costs, avoid being placed in the position of having to negotiate with a European Group, the members of which bad already decided among themselves to adopt a common economic policy of more or less internal free or freer trade," wurde in einer Studie für das britische Nationalkomitee geraten.41 6 Eine Aufteilung der Welt in die drei hermetisch voneinander abgeschlossenen Wirtschaftsräume (Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigte Staaten von Europa, Britisches Empire) würde zu "grave political complications" führen. Professor Andre Siegfried, Berater der französischen Landesgruppe, legte aber gerade ein besonderes Gewicht auf die Teilnahme Englands an einem europäischen Zusammenschluß, denn "without England the continent of Europe could not remain a world economic center comparable to the economic center which is built up in America."417 Gerade in der ökonomischen Zersplitterung Europas sah er das größte Hindernis für eine angemessene Modernisierung der industriellen Produktion. Siegfried glaubte, daß der Weg zu einem vereinten Europa eher über eine direkte Verständigung der Wirtschaftsvertreter zu erreichen sei als über eine direkte Verständigung auf Regierungsebene. Erstere gründeten internationale Kartelle, wohingegen sich die Politiker noch immer an den nationalen Maßstäben der Vorkriegszeit orientierten und dabei die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine wachsende Produktion vernachlässigten.4Js Das Smoot-Hawley-Zollgesetz der Amerikaner von 1930 forcierte nach Ansichten Siegfrieds die Besinnung des europäischen Kontinents auf sich selbst.419 Siegtried beschrieb dieses Phänomen folgendermaßen: "The prospect of a new American tariff ... has also produced various reactions which may be considered as expressing the consciousness of a closer European unity."420 Im Gegensatz zu früheren amerikanischen Zollerhebungen hätten die Vereinigten Staaten Ende der zwanziger Jahre ihre Immunität gegenüber den europäischen Vergeltungsmaßnahmen verloren; denn die Amerikaner zeigten sich zu diesem Zeitpunkt von europäischen Importen aus den USA stärker abhängig als je zuvor. 421 In einer größeren Unabhängigthe British National Committee, London 1930, S. 6 (fortan zitiert als International Chamber of Commerce/British National Committee, Considerations). 41 6 International Chamber of Cornmerce/British National Cornmittee, Considerations, S.4. 4 17 Siegfried, European Reactions, S.18. 41 ' Beispiele für Kartelle waren das Kautschukkartell, das Zinnkartell, das Aluminiumkartell, die Internationale Rohstahlgemeinschaft und das Kontinentale RöhrenkartelL Siehe: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Internationale Kartelle, Drucksache Nr. 4, Berliner Kongreß 1937. 419 Ridgeway bezeichnet die Zölle im Rahmen des Srnoot-Hawley-Gesetzes als "barriers of greed". Ridgeway, Merchants, S. 345. 420 Siegfried, European Reactions, S. 13. 42 1 John Fahey vom amerikanischen Nationalkomitee machte darauf aufmerksam, daß Amerikas Anteil an den europäischen Einfuhren im Jahre 1930 von 45% auf 48% gestiegen sei. Hingegen seien die europäischen Exporte nach Nordamerika um 32% zurückgegangen. Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S. 16. Die USA führten in den Jahren 1921/25 19,6% der exportierten Fertigwaren nach Europa aus.

II. Handelspolitische Empfehlungen

165

keit des europäischen Marktes durch eine "closer union of Europe" sah Siegfried langfristig eine Möglichkeit, den "spirit of traditional American tariff policy" zu beseitigen.422 In den Vereinigten Staaten von Amerika wurden die Vorschläge der Internationalen Handelskammer für ein vereintes Europa begrüßt, denn sie würden "no antagonism" gegenüber dem US-Wirtschaftssystem aufzeigen.423 Trotzdem zeigte Owen Iones vom amerikanischen Nationalkomitee kein Verständnis dafür, daß die Vereinigten Staaten von Amerika von einer Teilnahme ausgeschlossen werden sollten. Den Erfolg eines wirtschaftlich unabhängigen Staatenbundes bezweifelte er: "Europe was not self-sufficient, and many of its difficulties sprang from its relations with the rest of the world."424 Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann vor allem das französische Nationalkomitee, das Vorschläge zu einem vereinten Europa machte. In der Schaffung einer gemeinsamen Währung ("European Currency") sah es den schnellsten Weg hin zu einer europäischen Föderation.425 Die Tatsache, daß die Internationale Handelskammer die Gründung eines europäischen Zollvereins in der Zeit der Weltwirtschaftskrise angeregt hatte, kann als einer der wesentlichen Versuche zur Milderung der Weltwirtschaftskrise gesehen werden. Der Abbau der innereuropäischen Handelsschranken hätte vor allem auch Deutschland- das ja in den dreißiger Jahren keine Kolonien mehr besaß- bei der Lösung der bestehenden wirtschaftlichen, finanziellen und auch politischen Problemen behilflich sein können. Selbst für die amerikanischen Anbieter wäre ein gemeinsamer Markt von doppeltem Nutzen gewesen. Zum einen hätte er ein größeres Absatzgebiet für ihre Produkte dargestellt als ein in sich zerrissener Länderkomplex. Zum anderen wäre für US-Investitionen aus Übersee ein erhöhter Anreiz für Anlagebeteiligungen geschaffen worden.

1929 stieg der Anteil auf 33,5 % an. Für landwirtschaftliche Produkte war der Anteil noch höher: 80% der amerikanischen Ausfuhr an Weizen und Baumwolle ging nach Europa. Siehe Rede von Julius Barnes, in: Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des WashingtonKongresses Mai 1931, S.18/19. Der Rückgang der amerikanischen Importe aus Europa ist im Zusammenhang mit dem Smoot-Hawley-Zollgesetz von 1930 zu sehen. 422 Anscheinend sollte auch das rohstoffreiche Rußland einem vereinten Europa angehören, und zwar als .,indispensable organ in the European body". Siegfried, European Reactions, S.l3/17. 423 ASO: BIB 44, Document No. 3893, Industry and Trade Group. Organization Committee appointed by the Council on October 18th 1929, First Meeting November 8th 1929, S.lO. 424 In der Tat vermutet Artbur Salter, daß ursprünglich hinter dem Begriff,.United States of Europe" eine antiarnerikanische Haltung gestanden habe. Sa/ter, United States of Europe, S. 5. F. H. Fentener van Vlissingen sprach sich dagegen eindeutig für die Einbeziehung der USA in ein europäisches Wirtschaftsbündnis aus. ASO: BIB 43, Document No.6700, Cornmission on Trade Expansion, Meetingheldon October 18th 1938, S. 3. 42' ASO: BIB 44, Document No. 8779, Committee on Monetary Relations, Meeting Heldon February 18th 1949, S.5.

166

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Weil die Internationale Handelskammer ein besonderes Schwergewicht auf die wirtschaftliche Komponente eines vereinten Europas legte, stand ihre Konzeption im Gegensatz zu dem Europaplan des französischen Außenministers Aristide Briand. Dieser wollte nämlich eine europäische Einigung zunächst auf dem politischen Gebiet beginnen, um dann auch die Wirtschaft mit einzubeziehen.426 Die Internationale Handelskammer vertrat einen Weg zur Schaffung einer europäischen Union, der eine stärkere Aussicht auf Erfolg hatte. Die europäischen Einigungsbemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei die EWG der EU voranging, haben gezeigt, daß die wirtschaftliche Einigung als entscheidende Vorbereitung auf die politische diente. Die Buropakonzeption der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise kommt damit der "m~thode Monnet'', d. h. dem Ansatz von Jean Monnet und Robert Schuman, schon sehr nahe, wonach die wirtschaftliche Einigung als Hebel für den politischen Zusammenschluß in Europa dienen sollte. Dieses Konzept wurde erstmals mit der Verkündigung des Schuman-Pians vom 9. Mai 1950 realisiert, in dem eine Zusammenlegung der europäischen Kohle- und Stahlindustrie vorgeschlagen wurde.427 Für einen Zollabbau in Europa und damit eine Milderung der Weltwirtschaftskrise hätte die Gründung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in der Zeit von 1930 bis 1933 ein effizientes Mittel dargestellt.

III. Währungs- und fmanzpolitische Empfehlungen Die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeit können nicht allein unter dem handelspolitischen Gesichtspunkt untersucht werden, wenn sie auf die Möglichkeit geprüft werden sollen, ob sie zu einer Milderung der Krise beigetragen hätten. Da die "Große Depression" vor allem auch "a failure in the world's financial and monetary system"428 offenbarte, dürfen die währungs- und finanzpolitischen Ratschläge der Kammer nicht vernachlässigt werden. Die handels- und währungspolitischen Empfehlungen wiesen eine Interdependenz auf, denn "at a present day no govemrnent would agree to give up the protective measures which it was employing, so long as monetary stability bad not been restored".429

Der Europaplan Briands vom 1. Mai 1930, in: Europa-Archiv 4 (1949}, S. 2438. Vgl. Monika Rosengarten, Großbritannien und der Schuman-Plan. Politische und wirtschaftliche Faktoren in der britischen Haltung zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl1950-54, Frankfurt am Main 1997, S.ll-14. 42& Salter, World Trade, S. 53. 429 So Ren~ Duchemin. HP: Document No. 5373, 35th Meeting of the Executive Committee, January 12th 1934, S. 2. 426 427

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

167

Die Internationale Handelskammer machte für die währungspolitischen Entwicklungen weniger die Banken als die Regierungen verantwortlich.430 Diese verfolgten politische Zielsetzungen, die nicht immer von der Wirtschaft getragen werden würden.431 Die Wahrungspolitik sollte daher frei von politischen Einflüssen sein. Dafür setzte sich vor allem der Vertreter des deutschen Nationalkomitees ein. 0. S. Kirchhauff betonte "the necessity of keeping the Centtal Banks free from all political influence. " 432 Trotzdem schien auf der internationalen Ebene der Staat auch wieder gefragt zu sein. Weltweit sollte eine gewisse Solidarität zwischen den Staaten hergestellt werden, um in Krisenzeiten die Reserven einzelner Zentralbanken zu stützen.433 Auch die Internationale Handelskammer konnte nicht leugnen, daß "das Handeln vonseitendes Staates manchmal notwendig ist".434 Auf die ambivalente Haltung der internationalen Geschäftswelt in bezug auf eine staatliche Interventionspolitik machte Josef Sachs vom schwedischen Nationalkomitee aufmerksam. Er kritisierte die Unternehmer, die zwar einerseits einen staatlichen Eingriff in das Wirtschaftsleben ablehnten, aber andererseits die Regierungen für die Durchsetzung ihrer Partikularinteressen mobilisieren wollten.435 Der Finanzsektor befürwortete sogar öffentlich ein staatliches Engagement auf den Kreditmärkten. So resümierteR. S. Hecht von der Hibernia National Bank in New Orleans, daß "the government's entrance into the Jending field was generally welcomed, not only by borrowers, but by the bankers as well."436 430 Otto Christian Fischer vom deutschen Nationalkomitee relativierte diese Haltung der Internationalen Handelskammer, indem er auf den Tätigkeitsbereich der Banken hinwies: "On the basis of our joint experience, Gentlemen, we can never sufficiently emphasize that, in general, banks merely retlect business development as a whole, although it naturally cannot be denied that they play a considerable part in the development to a depression, as clearly expressed by their activity as regards lending, the capital market and intermediate stages." ASD: BIB 50, Document No. 6219, Second International Banker's Meeting. Statement by Dr. Otto Chr. Fischer on Legislative Measures taken by the Public Authorities in the various countries with a view to Controlling Banking Activity, 26.2.1937, S.2. 431 ASD: BIB 44, Document No. 4705, Committee of inquiry into foreign exchange regulations, January 6th 1932, S. 2. 432 HP: Document No. 5100, Special Committee for the Preparation of the Documents to be Submitted to the World Monetary and Economic Conference, Meeting of January 13th, 1933, S.7. 433 HP: Document No. 5142, Projet de Rapport de la Chambre de Commerce Internationale Ia ConUrence Mon~taire et Economique present~ par M. Owen Iones, Rapporteur, au "Comit~ Spocial" en sa session du 21Mars 1933, S. 3. 434 Im Original heißt es: " ... l'action de l'Etat est quelquefois n~cessaire". HP: Document No. 5142, Projet de Rapport de Ia Chambre de Commerce Internationale ala Conf~rence Mon~taire et Economique present~ par M.Owen Iones, Rapporteur au "Comit~ SpOCial" en sa session du 21Mars 1933, S.12. 435 ASD: BIB 42, Document No.5507, First Meeting of the Standing Committee for the Coordination ofProduction & Marketing (International Ententes), July 16th 1934, S.4. 436 ASD: BIB 50, The Effect of the Economic Depression on the American Banking System. Address delivered by R. S. Hecht before the International Bankers Conference, Paris June 27 1936, S.5. So wurde beispielsweise auch die Bankaufsicht zur Aufgabe der Staatsbanken.

a

168

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Zugleich kritisierte die Internationale Handelskammer, daß die Devisenbewirtschaftung, die ein Monopol des Staates oder der Zentralbank voraussetzte, weit über das notwendige Maß zur Gewährung von währungspolitischer Stabilität hinausgehen würde. Die ICC lehnte auch hier jede Form staatlicher Kontrolle ab.437 Das Committee of lnquiry plädierte daher für eine Ablösung der Devisenkontrollen und der damit verbundenen langfristigen Einschränkung der internationalen Kapitalverkehrsströme durch eine zeitweilige Reduzierung der lmporte.438 Dieser Vorschlag fand aber vor allem beim deutschen Nationalkomitee keinerlei Unterstützung.439 Im folgenden geht die Arbeit auffolgende Empfehlungen der ICC ein: die Rückkehr zum Goldstandard, die Wiederherstellung der Währungsstabilität und der Preisstabilität, der Lösung des internationalen Schuldenproblems und der Förderung der Kapitalexporte.

1. Rückkehr zum Goldstandard In der Zeit der Weltwirtschaftskrise plädierte die Internationale Handelskammer für die Rückkehr zum Goldstandard. Sie sah darin das einzige Mittel zur Aufrechterhaltung stabiler Wechselkurse. Durch die Bindung nationaler Geldeinheiten an das Gold sollten nämlich zwischen den Goldstandardländern Parikurse fixiert werden; die Wechselkurse durften dann nur noch innerhalb einer begrenzten Spanne schwanken. 440 Die Internationale Handelskammer machte die Regierungen auf dem Wiener Kongreß 1933 auf die schädliche Wirkung aufmerksam, die eine Manipulation des Währungsstandards und damit des Zinssatzes auf die Vergabe von Krediten ausüben könnte. 44 ' Die Rückkehr zum Gold wurde allerdings von der Internationalen Handelskammer eher als Kompromiß, als notwendige Bedingung, denn als ein wirkliches Mittel zur Bekämpfung der Krise gesehen. In ihrem Bericht an die Weltwirtschafts- und Fi437 Sie kam zu dem Ergebnis: .,That, inherent in all these measures of control, there exists a most alarming and dangerous element of State intervention in industry and trade, which is being allowed to tlourish under the cloak provided by the urgency of the present crisis." ASO: BIB 44, Oocument No.4714, Committee of inquiry into foreign exchange regu1ations, First Session, January 16th 1932, S.l. 438 ASO: BIB 44, Oocument No.4714, Committee of inquiry into foreign exchange regulations, First Session, January 16th 1932, S.3. 439 ASO: BIB 44, Oocument No. 4750, Committee of inquiry into foreign exchange regulations. Analysis of comments by national committees on resolutions passed by the committee on January 16th 1932. 440 Siehe dazu: Jarchow/Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, S.62/63. 441 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Siebten Kongreß der Internationalen Handelskammer Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, S.l0/11.

lll. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

169

nanzk:onferenz von 1933 machte sie auf fehlende Alternativen aufmerksam, die abgesehen vom Goldstandard ein stabiles Währungssystem mit fixen Wechselkursen hätten garantieren können: ,,Man muß sagen, daß man bisher nicht festgestellt hat, daß in den unsicheren Umständen der gegenwärtigen Zeit ein Goldstandard die Basis eines internationalen stabilen Geldsystems sein könnte. Aber keine andere Wahrung hat bisher gezeigt, daß sie bessere Eigenschaften besitzt, und da es in der Tat unerläßlich ist, einen internationalen Wahrungsstandard zu haben, muß man mit den Bedingungen einverstanden sein, an die sich, um die Basis eines Wahrungssystems zu sein, ein Goldstandard anpassen muß, der aus freien Stücken funktionieren so11."442

Im Hinblick auf die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz im Jahre 1933 empfahl die Kammer die Erfüllung folgender Bedingungen, wenn sich die Länder für ein Goldstandardsystem entscheiden sollten: erstens die Freiheit der Zentralbanken von politischem Eintluß443 , zweitens mehr Elastizität im Arbeiten mit den Goldwährungen durch eine Verringerung der gesetzlichen Mindestdeckung, drittens eine enge Zusammenarbeit der Zentralbanken durch Vermittlung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und viertens die Neuverteilung der Goldreserven durch die Schaffung geeigneter Krediterleichterungen.444 Die Internationale Handelskammer sah in einer "perfect freedom of economic action''445 eine notwendige Voraussetzung für eine schnelle Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise. Entscheidendes Ziel der Internationalen Handelskammer war es deshalb, die dominierende Position der nationalen Regierungen im ökonomischen Bereich einzuschränken.446 Ridgeway resümiert:

442 Im Original heißt es: "II faut Je dire, on n' a pas constate que, dans !es conditions troublees de !'heure actuelle, un etalon-or pOt etre Ia base d'un systeme monetaire international stable. Mais un autre etalon n'a pas encore demontre qu'il efit des titres meilleurs, et, puisqu'il est indispensable d'avoir en fait un etalon international, il faut se mettre d'accord sur !es conditions auxquelles doit s 'adapter, pour etre Ia base du systeme monetaire, un etalon-or fonctionnant librement." HP: Document No. 5242, Projet de rapport de Ia Charnbre de Commerce Internationale a Ia Conference Monetaire et Economique presente par M. Owen Iones; Rapporteur, au "Comite Special" en sa session du 21Mars 1933, S.l. 443 Die Internationale Handelskammer begründete die Notwendigkeit einer politisch unabhängigen Zentralbank damit, daß geordnete Geldmarktverhältnisse eine einzige verantwortliche Stelle voraussetzten. 444 Internationale Handelskammer, Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S. 5/6. 443 Schreiben von Edouard Dolleans und Abraham Frowein an den Vorsitzenden der Preparatory Commission of the World Monetary and Economic Conference vom 14. Januar 1933. Völkerbundsarchiv in Genf, R4641/10D/1129/416. 446 Nach einer Resolution des Verwaltungsrats aus dem Jahre 1931 heißt es: ,,Excessive incursions of the State into the domain of private enterprise, which are clearly bindering and in some cases actually preventing the necessary accumulation of private capital and the inducements to private enterprise and venture." International Charnber of Commerce (Hrsg.), The Existing Economic Crisis. Supplement to World Trade, January 1931, S. 28.

170

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

"The newly founded ICC became the center of a movement by liberal business men which had as its objective the overthrow of the surviving wartime domination by govemments of international economic relations."447

Eine politisch unabhängige Zentralbank wird auch in der heutigen Forschung als Voraussetzung für eine stabile Wahrungspolitik gesehen: ,,Politically independent central banks can carry out a policy of monetary stability, even if to do so would be temporarily politically painful."448 Fraglich ist, ob die Zentralbanken zur Zeit der Weltwirtschaftskrise auch wirklich ihre Unabhängigkeit beweisen konnten. Durften sie es wagen sich dem Willen der Politiker zu widersetzen? Stephen 0. Clarke weist für die Zwischenkriegszeit einen erheblichen Einfluß der Regierungen auf die währungspolitischen Entscheidungen der Zentralbanken in Großbritannien, Deutschland, Frankreich und den USA nach. "Even if they did not fully share the views of their respective governments, prudence demanded that these views be taken into account by the central bankers," stellt er fest. 449 Unter der Annahme, daß "independent central banks will implement monetary policies that are tighter on average than those under political control"450, hätten auch Zentralbanken, die mit einer stärkeren Entscheidungsunabhängigkeit gegenüber den politischen Institutionen ausgestattet worden wären, nicht eben zu einer Milderung der Weltwirtschaftskrise beigetragen, denn sie verfolgten eine falsche Politik: Nicht die Verringerung des umlaufenden Geldes hätte ihr Ziel in der "Großen Depression" sein sollen, sondern die Ausweitung der monetären Mittel. Politisch unabhängige Zentralbanken, wie sie von der Internationalen Handelskammer im Jahre 1933 gefordert wurden,4s1 hätten folglich nicht dazu beigetragen, den Mangel an der Geldmenge M3 zu beseitigen. Zudem verfolgten die Zentralbanken in der Zeit der Weltwirtschaftskrise - verstärkt durch ihre politische Abhängigkeit - generell nationale Interessen,452 so daß im Bereich der Wahrungs- und Finanzpolitik eine konzertierte

Ridgeway, Merchants, S.4. Beth A. Simmons, Domestic Sources of Foreign Economic Policy During the Interwar Years, Princeton 1994, S.10 (fortan zitiert als Simmons, Domestic Sources). Über die Vorteile einer politisch unabhängigen Zentralbank, siehe auch: Richard Hemming Meyer, Bankers' Diplomacy. Monetary Stabilization in the 1\venties, New York und London 1970, S. 8 (fortan zitiert als Meyer, Bankers' Diplomacy). Vgl. auch Barry Eichengreen, Averting a Global Crisis, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999, S. 29 (in Druck/fortan zitiert als Eichengreen, Averting). Er schreibt: ,,For monetary policy the point is weil known: more independent central banks are better to resist political pressures to monetize budget deficits and generally run lower inflation rates." 449 Stephen O.Clarke, CentralBankCooperation: 1924-31, New York 1967, S.29/30 (fortan zitiert als Clarke, CentTal Bank). 450 Simmons, Domestic Sources, S.46. 451 Als Beispiel kann die unabhängige Reichsbank angeführt werden. 4s2 Die nationalen Interessen wurde selbst noch in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich verfolgt. Clarke, CentTal Bank, S. 32. 447 448

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

171

Aktion auf internationaler Ebene zur Milderung der ,.Großen Depression" nicht zur Disposition stand. Die Internationale Handelskammer sprach sich im März 1934 erneut für die Wiedereinführung eines festen internationalen Währungsstandards aus. Um das Risiko zukünftiger Abwertungen zu umgehen, sollte die Rückkehr zum Goldstandard das Endziel einer jeden Währungspolitik sein. Nicht berücksichtigt wurde anscheinend, daß sich auch der Goldwert verändern konnte.453 Eine Steigerung des monetären Goldwertes wies Theodor Emanuel Gregory im Auftrag der Internationalen Handelskammer für die Periode zwischen den 1ahren 1930 und 1935 nach. Wahrend 1930 annähernd 21 Millionen Unzen Feingold im Wert von 432,1 Millionen Dollar gefördert wurden, betrug die Produktion 1935 annähernd 30 Millionen Unzen, deren Wert sich auf 1050 Millionen belief. Demzufolge war also die Produktionsmenge um 50% gestiegen, der monetäre Wert des Goldes wegen der Dollarabwertung um 140%.454 Auf dem Berliner Kongreß vom 28. Juni bis 3. Juli 1937 betonte die Internationale Handelskammer erneut die Notwendigkeit einer Stabilisierung der Devisenkurse auf der Goldbasis. Sie befürwortete außerdem die Vereinbarungen, die in der Dreimächteerklärung zwischen Frankreich, Großbritannien und den USA vom September 1936 zum Ausdruck gebracht worden waren und empfahl, die dargelegten Grundsätze zu stärken. Gleichzeitig schloß die Kammer aus, daß das Abkommen als dauerhafte Basis für ein stabiles internationales Währungssystem herangezogen werden könnte. Die ICC begründete ihren Standpunkt mit der beschränkten Wirkung des Vertrages und der Möglichkeit einer kurzfristigen Kündbarkeit. 455 In einem Bericht für die Internationale Handelskammer sah Theodor Emanuel Gregory den Versuch, die Weltwirtschaftskrise durch eine Abwertung des Außenwertes der Währungen zu mildem, als eine Fehllösung an. Sie würde mehr Hindernisse als Vorteile für eine Wiedergesundung der Wirtschaft schaffen.456 Die allgemein verbreitete These, daß Wahrungsahwertungen für den Handel des betreffenden Landes förderlich seien, versuchte die Kammer exemplarisch zu widerlegen. 1931 entstand informell der Goldblock. Neben Frankreich und seinen Kolonien umfaßte er Belgien, die Schweiz, Luxemburg und die Niederlande. Italien nahm an dem Block informell teil, ohne sich ganz als zugehörig zu betrachten. Die Staaten 453 Über die Abnahme des Goldwertes in den achtziger Jahren siehe: Peter Buomberger, Sind Währungsreserven unantastbar? Was die Nationalbank braucht- und was sie abgeben kann, in: Neue Zürcher Zeitung 2./3. August 1997, S.13. 4S4 Theodor Emanuel Gregory, Gegenwartsprobleme der Währungspolitik, Drucksache Nr. 2, Berliner Kongreß 1937, S. 3. 455 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Entschließungen des Neunten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Berlin 28. Juni- 3. Juli 1937, S.3. 456 Theodor Emanuel Gregory, Währungsstabilisierung und wirtschaftliche Wiedergesundung, Broschüre Nr.4, Pariser Kongreß 1935, S. 2.

172

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

mit Goldparität hielten die Bindung ihrer Währung an den Goldpreis aufrecht und riskierten dadurch, daß die internen Preisindizes über dem Niveau der abwertenden Staaten verharrten. Das Ziel der Internationalen Handelskammer war es nun, nachzuweisen, daß die Menge und der Wert des Welthandels bei den Goldblockländern weniger stark abgenommen hatten als bei den Ländern ohne Goldstandard (z. B.Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland und Großbritannien).457 Einführend konstatierte die Kammer, daß der Goldwert der gesamten Weltausfuhr Ende Juni 1934 66,5% unter dem von 1929 gelegen habe. Der mengenmäßige Betrag hätte dagegen nur um 24% differiert. Daraufhin prüfte die Internationale Handelskammer die Lage des Exporthandels der Goldblockländer auf der einen Seite und der Länder ohne Goldstandard auf der anderen Seite. Die Organisation kam zum Ergebnis, daß bei den Ländern mit Goldstandard der Goldwert der Ausfuhr am wenigsten abgenommen habe: Betrug der Wert der Ausfuhr der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1934 23,8% des Wertes von 1929, der Englands 32,7% und der Japans 36,8 %, erreichten die Goldblockländer mit 37,5% den prozentualen Spitzenbetrag. Den gleichen Trend stellte die Kammer für die mengenmäßige Entwicklung der Ausfuhr fest. Im Vergleich zum Jahr 1929 sei die Ausfuhr Großbritanniens Ende 1933 um 35,8% und die der Vereinigten Staaten von Amerika um 47,5% gesunken. Dagegen hätten die Exportziffern der Goldblockländer nur einen Rückgang um 31 % aufgewiesen. Diese Argumentation der Internationalen Handelskammer weist erhebliche Schwachstellen auf. Allein die Feststellung, daß in Ländern, die am Goldstandard festhielten, der Goldwert der Exporte zur Zeit der Weltwirtschaftskrise besonders wenig abgenommen habe, ist tautologisch. Es war ja gerade die Absicht der Länder, die sich vom Goldstandard losgelöst hatten, durch die Währungsabwertung auf den Exportmärkten konkurrenzfähiger zu sein. Ihr besonderes Anliegen war es, durch die Senkung des Außenwertes ihrer Währungen eine Steigerung ihrer Ausfuhren zu erreichen. Die Internationale Handelskammer hielt statt dessen an ihrer überholten Überzeugung fest, daß vom Festhalten am Goldstandard eine krisenmildemde Wirkung ausging. Sie hatte nicht erkannt, daß zumindest kurzfristig gerade der niedrigere Goldwert der Ausfuhren das beabsichtigte Ziel der Länder mit Abwertungserscheinungen war. Die Goldblockländer verzeichneten nach Ansicht der Kammer nicht nur einengeringeren Rückgang ihrer Ausfuhr, dem Wert und der Menge nach, sondern vergrößerten auch ihren Anteil am gesamten Welthandel. Hätten die Goldblockländer im 457 Die heutige Forschung hat dagegen das Gegenteil bewiesen: Threr Meinung nach hatte die "devaluation" einen positiven Effekt auf die "recovery". Barry Eichengreen und Jeffrey Sachs kommen folglich zum Schluß: "Countries which devalued at an early date (the United Kingdom, Denmark, and the Scandinavian countries) grew much more rapidly; and there appears to be a positive relationship between the magnitude of depreciation and the rate of growth." Eichengreen/Sachs, Exchange Rates, S. 936. Siehe auch: Eichengreen, Golden Fetters.

III. Wa.b.rungs- und finanzpolitische Empfehlungen

173

Jahre 1929 15,6% der gesamten Weltausfuhr innegehabt, sei derWert im Juni 1934 auf 17, 6% gestiegen, was eine Zunahme von 13% bedeutete. Englands Anteil hätte dagegen nur um 2,8% zugenommen, d.h. er sein von 10,7% im Jahre 1929 auf 11% im Jahre 1934 gestiegen. Die Vereinigten Staaten von Amerika hätten dagegen sogar einen Rückgang an der gesamten Weltausfuhr um 15,6% verzeichnet, genauer von 15,6% auf 11,5 %.4ss Der Vorwurf, daß der Goldstandard dem Handel einen unmittelbaren Schaden zufügte, meinte die Internationale Handelskammer dadurch widerlegt zu haben.459 Die heutige Forschung sieht das anders: In seinem Buch "Lessons from the Great Depression" identifiziert Peter Temin gerade das Festhalten am Goldstandard als einen Störfaktor. Er habe nicht nur die Krise vorbereitet und vertieft, sondern auch ihre Überwindung vielfach erschwert: "The tight monetary- and fiscal- policies of the late 1920s were due to the adherence of policymakers to the ideology ofthe gold standard."460 Der "prewar gold standard" sei seiner Meinung nach ein "treacherous tool" gewesen.461 Die Fähigkeit zur Milderung der Krise spricht er ihm eindeutig ab. In dieser Haltung wird er von Henry H. Schloss unterstützt: ,,lt soon became evident that the countries which bad clung to the gold standard were at a relative disadvantage." 462 Diese Einsicht war aber in der Zeit der Weltwirtschaftskrise noch nicht vorherrschend: Das Gros der Staaten wollte daher das System fester Wechselkurse nicht aufgeben. Sie kamen damit den währungspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer sehr entgegen. Die von der Internationalen Handelskammer propagierte Rückkehr zum Goldstandard in den Jahren 1929 bis 1939 war in den Augen von Schloss und Temin folglich eine falsche Medizin zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise. 463 Als Grund nennt letzterer, daß der Goldstandard eine Deflation heraufbeschworen hätte:

Goldstandard und Aussenhandel, in: Internationale Wirtschaft 8 (1934), S.l/2. Einen ganz anderen Nachweis erbringt Derek Aldcroft. Er zeigt auf, daß zwischen den Jahren 1929 und 1936 die industrielle Produktion in den Goldblock-Staaten um 13,94% gesunken war, wohingegen sie in Ländern, die ihre Wa.b.rungen abgewertet hatten, um 27% gestiegen war. Derek H.Aldcroft, Studies in the Interwar European Economy, Adlershot 1997, S. 156 (fortan zitiert als Aldcroft, Interwar). Vgl. auch Abbildung 1. 460 Temin, Lessons, S. 7. So auch Carl-Ludwig Holtfrerich: ,,Eine dauerhafte Stärkung der britischen außenwirtschaftliehen und damit währungspolitischen Position wurde durch diese amerikanische Zangenpolitik verhindert." Den einen Zangenarm stellte der Goldstandard dar, denanderen die Hochschutzzollpolitik. Holtfrerich, Inflation, S.120. 46I Temin, Lessons, S. 37. 462 Henry H. Schloss, The Bank for International Settlements. An Experiment in Centtal Bank Cooperation, Amsterdam 1958, S. 82 (fortan zitiert als Schloss, Bank). Hervorhebung durch die Verfasserin. 463 Auch Gerd Hardach sieht im Goldstandard keine Garantie für Stabilität. Er unterstützt daher die These, daß ein "planmäßiger Rückzug vom Goldstandard dem planlosen Zusammenbruch vorzuziehen gewesen wäre". Hardach, Weltmarktorientierung, S. 161. 458

459

174

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

"Gold-standard rules dictated deflation rather than devaluation for the former."464 Das Festhalten am Goldstandardsystem zwang die nationalen Regierungen zu einer kontraktiven Geldpolitik, die aufgrund hoher Zinsen und niedriger Investitionen eher krisenfördernd als krisenmildernd war.465 Die Restitution der Währung auf Goldbasis, wie sie bereits in der Vorkriegszeit bestand, bezeichnet Peter Temin daher als "dreadful mistake"466 • Die "Große Depression" sei seiner Meinung nach auch noch im Jahre 1929 vermeidbar gewesen. Die politischen Entscheidungsträger hätten sich aber von der Zwangsjacke des Goldstandards befreien müssen, um eine antizyklische Wirtschaftspolitik betreiben zu können.467 Während die Internationale Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise für eine Rückkehr zum Goldstandard und für die Stabilität der Währungen eintrat, wird inderneueren Forschung gerade in einer Abkehr vom Goldstandard ein entscheidendes Mittel zur Milderung der "Großen Depression" in den dreißiger Jahren gesehen. Der wichtigste Schritt zur Lösung der Krise sei aber nach Ansicht des Ökonoms L. J. Williams immer noch die Herabsetzung der Zinsraten gewesen. Dies hätte eine wesentliche Voraussetzung für einen Bauboom darstellen können, der sich mittels eines Multiplikatoreffekts auch auf den Rest der Wirtschaft hätte übertragen können.468 Die Bank of England verfolgte demnach eine ,,richtige" Politik, als sie am 21. September 1931 das Pfund vom Goldstandard löste. Damit enthob sie sich des Zwanges, die Geldpolitik überwiegend an den Goldbewegungen zu orientieren, d. h. auf Goldzuflüsse mit einer Diskontsatzsenkung und auf Goldabflüsse mit einer Diskontsatzerhöhung zu reagieren. Eine Niedrigzinspolitik brauchte folglich keine Rücksicht mehr aufknappe Währungsreserven zu nehmen. Die Loslösung Großbri464 Temin, Lessons, S. 33. So auch: Harold James!Ben Bernanke, The Gold Standard, Deflation, and Financial Crisis in the Great Depression: An International Comparison, (National Bureau of Economic Research Warking Paper No. 3488), Cambridge Mass. 1991, S. 1 (fortan zitiert als James!Bernanke, Gold Standard). Beide Autoren zeigen in ihrem Paper den Mechanismus auf, der den Zusammenhang zwischen der Deflation und der "Großen Depression" offenlegt. 46S In einer kontraktiven Geldpolitik sieht James Hamilton einen entscheidenden Grund für die Krise in den USA und Frankreich. James Hamilton, Monetary Factars in the Great Depression, in: Journal of Monetary Economic 19 ( 1987), S. 145-169 und James Hamilton, The Role of International Gold Standard in Propagating the Great Depression, in: Contemporary Policy Issues 6 (1988), S. 67-89. Dieser Gedanke wurde bereits im Jahre 1963 von Friedman und Schwartz ausgeführt. Sie sahen daher in der Ausweitung der Geldmenge ein Mittel zur Milderung der Krise. Dagegen sah der deutsche Reichsbankpräsident 1930-1933 keine Möglichkeit, daß die deutsche Bankenkrise durch eine rechtzeitige Zusage der Notenbanken zur Rediskontierung hätte vermieden werden können. Hans Luther, Vor dem Abgrund 1930-1933. Reichsbankpräsident in Krisenzeiten, Berlin 1965, S. 174 (fortan zitiert als Luther, Vor dem Abgrund). 466 Temin, Lessons, S. 37. 467 Temin, Lessons, S. 34. 468 Williams, Britain, S. 91.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

175

tanniens vom Goldstandard eröffnete damit der Bank of England die Möglichkeit, zu einer expansiven Geldpolitik überzugehen, wodurch die Investitionstätigkeit angeregt werden konnte. Dadurch wurden positive Einkommenswirkungen ausgelöst, die sich über den Handel auch auf das Ausland übertragen konnten. Die Entwicklung in Großbritannien hatte gezeigt, daß erst die Abkehr vom Goldstandard den nationalen Regierungen den monetären Spielraum verschaffte, der zu einer Überwindung der Krise unbedingt notwendig gewesen wäre. Aber auch innerhalb der Internationalen Handelskammer gab es Stimmen, die sich bezüglich einer Rückkehr zum Goldstandard kritisch äußerten. Auf der Sitzung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer am 25. April 1934 schränkte Abraham Frowein die krisenmildemde Wrrkung ein, die eine Rückkehr zum Goldstandard nach sich ziehen würde: ,.Ich glaube, niemand in der Internationalen Handelskammer hat daran gedacht, zu behaupten, daß die Weltwirtschaftskrise dadurch beseitigt werden könne, daß man die Regeln der Goldwährung wiederherstelle. ''469

Feliks Mlynarski behauptete sogar in einer Studie für den Gemeinsamen Ausschuß von der Internationalen Handelskammer und der Carnegie Stiftung 1936: ,,Experience proved that both repatriation of gold from Arnerica and the gold exchange standard failed to fulfil expectations .... the gold exchange standard revealed in practice more defects than merits. "470

Ein reiner Goldstandard sei aufgrund der ,.Absprunggefahr" seiner Mitglieder nicht stabil genug, behauptete Harry Dexter White in der amerikanischen Zeitschrift Foreign Affairs. So konstatierte der Hauptarchitekt des späteren Bretton Woods-Abkommens 1945: ,.It is far better to obtain an agreement through the international monetary cooperation, and to establish a stable if moderately flexible exchange structure which has good chances of being maintained, than it would be to impose on other countries an ephemeral and involuntary restoration of the gold standard which they will abandon at the first opportunity or pretext."471

Auch in der Zeit der Weltwirtschaftskrise gab es Stimmen, die behaupteten, daß die Goldstandardländer im Handel mit den Abwertungsländern einen erheblichen 469 Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Bericht über die Tagung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin 1934, S. 14. 47 Feliks Mlynarski, Memorandum on the Production and Distribution of Gold, in: Joint Committee on the lmprovement, S. 305. 471 Harry Dexter White, The Monetary Fund: Some Criticisms Examined, in: Foreign Affairs 23 (1945), S. 198-99. Der Harvard-Professor John H. Williams warf Whites Plänen vor, daß sie ein System fester Wechselkurse etablieren würden, dessen Mechanismen starke Parallelen zum Goldstandard aufwiesen. lohn H. Williams, Currency Stabilization: The Keynes and White Plan, in: John H. Williams (Hrsg.), Postwar Monetary Plans and Other Essays, New York 1947, S. 9.

°

176

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Schaden davongetragen hätten. Die devaluierenden Länder konnten nach Amold

J. Toynbee ab 1932/33 dagegen eine leichte Konjunkturerholung verzeichnen.472 Hal B. Lary arbeitete in einem länderspezifischen Vergleich zwischen Frankreich und den USA die wirtschaftlich unterlegene Position der Goldblockländer seit 1934 heraus: "The gold-bloc countries, which had united to defend the gold parities of their currencies after the dollar was depreciated in 1933, suffered a marked deterioration in their economic activity. The position of France was particulary weak; high intemal costs and expectations of further depreciation tended to prevent any genuine recovery even after the relatively high exchange value of the franc was eventually cut in September 1936."473

Eine Diskrepanz in der wirtschaftlichen Entwicklung von Ländern innerhalb und außerhalb des Goldblocks wurde auch von Barry Eichengreen herausgearbeitet: "By 1934 it was impossible to ignore the contrast between the persistence of depression in gold standard countries and the acceleration of recovery in the rest of the world." 474 Für Eichengreen war daher die Abkehr vom Goldstandard eine unbedingte Voraussetzung für einen ökonomischen Aufschwung in den USA. Die Möglichkeiten, die eine Abwertung des Dollar für einen Anstieg der industriellen Produktion offenbarte, wurde seines Erachtens aber nicht voll ausgeschöpft: die Roosevelt Administration "failed to take full advantage of their liberty."475 Die Rückkehr zum Goldstandard, wie sie von der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise gepredigt worden war, kann damit aus heutiger Sicht nicht als ein effektiver Beitrag zur Milderung der Weltwirtschaftskrise gesehen werden. Ganz im Gegenteil: Es wurde nachgewiesen, daß die Staaten, welche explizit am Goldstandard festhielten, tendenziell stärker an den Folgen der Weltwirtschaftskrise zu leiden hatten. So hat das Festhalten an der Goldparität- nach Barry Eichengreen- nicht nur die Fragilität des internationalen Finanzsystems erhöht, sondern auch als Transmissionsriemen für destabilisierende Impulse (Deflation) aus den Vereinigten Staaten von Amerika gewirkt. "My argument is that the gold standard fundamentally constrained economic policies, and that it was largely responsible for creating the unstable economic environment on which they acted," resümiert Eichengreen in seinem Buch "Golden Fetters". Erst die Aufgabe des Goldstandards habe einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht. Sie stellte damit eine entscheidende Vorbedingung für die wirtschaftliche Wiedergesundung dar.476 Im Gegensatz zur Internationalen 472

Arnold J. Toynbee, Survey of International Affairs 1933, London 1934, S. 46.

Lary, World Economy, S.l85. Eichengreen, Golden Fetters, S. 28. 475 Eichengreen, Golden Fetters, S. 316/347. 476 Eichengreen, Golden Fetters, S. Xi/Xii. Bereits 1970 hatte Derek H. Aldcroft schon einmal auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht: "Countries which left gold were more 473 474

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

177

Handelskammer sieht Eichengreen in der Rückkehr zum Goldstandard kein "bulwark of financial stability"477 • Er nimmt eine diametral entgegengesetzte Position zu den währungspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer ein, wenn er behauptet, daß "the gold standard itself was the principal threat to financial stability and economic prosperity between the wars." 478 In Deutschland mußte die Reichsbank beispielsweise eine 40 %ige Gold- und Devisendeckung ihres Notenumlaufs einhalten. Als geldpolitische Instrumente standen ihr nur die Diskont- und Kreditkontingentierung zu. Daß die Reichsbank konsistent im Sinne der Goldstandardspielregeln handelte, ging auf Kosten einer autonomen, allein auf die Binnenwirtschaft ausgerichteten Politik.479 Das Ausmaß an Preis-, Einkommens- und Beschäftigungsschwankungen mit einem entschiedenen Abwärtstrend fiel daher in Ländern mit einer Goldwährung besonders stark aus.480 Während Eichengreen das Scheitern des Goldstandards in der Zwischenkriegszeit vor allem auf die mangelhafte Kooperationsbereitschaft der Staaten- vor allem der USA und Frankreichs- zurückführt, legt Richard N. Cooper ein größeres Gewicht auf die strukturellen Schwächen des Systems an sich, denn: "International cooperaprosperaus or experienced earlier recovery than those still on gold (which continued to deflate) and they were therefore in a better position to increase purchases from each other." Derek H. Aldcroft, The Inter-War Economy: Britain, 1919-1939, London 1970, S. 282 (fortan zitiert als Aldcroft, Inter-War Economy). Die Bedeutung einer Abkehr vom Goldstandard als Voraussetzung für die wirtschaftliche Genesung wurde damit nicht erst von Eichengreen entdeckt. Über die Bedeutung des Goldstandards für die Dauer und Tiefe der Krise siehe auch: l ose Manuel M. Campa, Exchange Rates and Economic Recovery in the 1930s: An Extension to Latin America, in: Journal of Economic History 50 (1990), S.677-682; Richard N. Cooper, Fettered to Gold? Economic Policy in the Interwar Period, in: Journal ofEconomic Literature 30 (1992), S. 2120-2128 (fortan zitiert als Cooper, Fettered to Gold). Auf Seite 2124 schreibt er: " ... Eichengreen takes a strong view that the restoration ofthe gold standard, and the continuing attempt to adhere to its rules, was a major explanation for the Depression's severity, andin this I believe he is right." Eichengreen/Sachs, Exchange Rates; M ichael Kitson!Jonathan Michie, Depression and Recovery: Lessons from the Interwar Period, in: Jonathan Michie/John Grieve Smith (Hrsg.), Unemployment in Europe, London 1994, S. 77/88. 477 Eichengreen, Golden Fetters, S.19. 478 Eichengreen, Golden Fetters, S. 4. Daß das System des Goldstandards in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg funktioniert hatte, führt er auf zwei entscheidende Faktoren zurück, die in der Nachkriegszeit nicht mehr existierten: das Vertrauen und der Wille zur Kooperation. 479 Auch Derek H. Aldcroft beschreibt kurz die wirtschaftspolitischen Vorteile einer Loslösung vom Goldstandard: ,,Moreover, one should bear in mind that by abandoning gold and devaluing there was greater scope for manoeuvre in domestic monetary policy in many countries and for raising the general price Ievel in order to restore business profitability." Aldcroft, InterWarEconomy, S.157. 480 RichardTilly/Norbert Huck, Die deutsche Wirtschaft in der Krise 1925 bis 1934. Ein makroökonomischer Ansatz, in: Christoph Buchbeirn/Michael Hutter/Harold James (Hrsg.), Zerrissene Zwischenkriegszeit Wirtschaftshistorische Beiträge, Knut Borchardt zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1994, S. 74 (fortan zitiert als Tilly!Huck, Die deutsche Wirtschaft). Für die empirische Untersuchung in bezug auf Großbritannien siehe: R . C. 0. M atthews, Postwar Business Cycles in the United Kingdom, in: Martin Bronfenbrenner (Hrsg.), Is the Business Cycle Obsolete?, New York 1969, S.122/123. 12 Rosengarten

178

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

tion in the interwar period was certainly inadequate when measured by outcome. But it would be wrong to infer that international cooperation was lacking."48t In der Tat hätte ein verstärktes Engagement von seiten der Vereinigten Staaten von Amerika in den dreißiger Jahren dazu beitragen können, den Liquiditätsmangel in der Welt zu verringern und die Dysfunktionalität des Goldstandardsystems zu beheben. Durch eine verstärkte Liberalisierung des Handels wäre es den europäischen Staaten zudem möglich gewesen, mehr Gold aus Amerika zu akquirieren, um die "Golden Fetters" einer restriktiven Geldpolitik lockern zu können. In diese Richtung hätte auch die Empfehlung der Internationalen Handelskammer, die Golddekkungsquote zu verringern, wirken können.

2. Wiederherstellung der Währungsstabilität Auf der Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer am 23. und 24. Oktober 1931 wurden die Regierungen auf die Notwendigkeit einer stabilen Währung und einer Ausweitung der internationalen Kreditgewährung hingewiesen. Unter der Stabilisierung einer Währung verstand Andreas Predöhl zweierlei: die Stabilisierung des inneren Geldwertes, d. h. das Festlegen der Relation von Geld und Gütern im Inneren der einzelnen Volkswirtschaften, einerseits und die Stabilisierung des äußeren Geldwertes, genauer gesagt das Festlegen der Geldeinheiten der einzelnen Volkswirtschaften untereinander, andererseits.482 Die endgültige Währungsstabilität sei praktisch nur durch stabile Währungskurse zu erzielen. Diese setzten die Wiederherstellung eines internationalen Goldstandards voraus, hieß es in einer Entschließung des Pariser Kongresses der Internationalen Handelskammer 1933.483 Die ICC konstatierte weiter, daß die entscheidende Vorbedingung für die wirtschaftliche Wiedergesundung ein ausgeglichenes Staatsbudget sei.484 Die Regierungen sollten dieses Ziel mehr durch die Verringerung der Staatsausgaben (Einsparungen) als durch die Erhöhung der Steuern zu erreichen suchen. Dem Erfolg einer staatlichen Nachfragepolitik a Ia Keynes wurde von der Kammer eine zu große Un481

Cooper, Fettered to Gold, S. 2127.

Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Bericht über die Th.gung des Beirats der Internationalen Handelskammer, Berlin Januar 1936, S. 29. 483 Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 (1935), S. 7. 484 Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 (1935), S. 7. Eine effektive Politik der Abrüstung sollte zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt beitragen. In der heutigen Forschung plädiert auch Paul Krugman für eine Reduzierung des Budgetdefizits. Der Grund: "The only reliable way to raise national savings is to elirninate the budget deficit." Ein ausgeglichener Staatshaushalt erhöht die nationale Sparquote. Krugman, Diminished Expectations, S. 91. 482

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

179

sicherheit beigemessen48s, als daß man dafür ein erhöhtes Budgetdefizit in Kauf nehmen sollte. Aus diesem Grund forderte Winthrop W. Aldrich von der Chase National Bank auf einem Treffen der Internationalen Handelskammer im Jahre 1938 mehr Sicherheit bei einer Umsetzung von Keynes' Gedankengut: ,,lt is highly important that we should be sure that the theory is right before we do so."486 Ansonsten würde sich die Krise nur noch verschlimmern. Wahrend sich die ICC strikt gegen einen staatlichen Interventionismus aussprach, sah der britische Ökonom John Maynard Keynes in einer staatlich geförderten Investitionspolitik den einzigen Ausweg aus der Krise, wenn die Geldpolitik nicht mehr wirkte. Der Staat sollte stärker als bisher als Nachfrager auf dem Markt intervenieren.487 Keynes' "The General Theory of Employment, Interest and Money" ist zwar erst im Jahre 1936 erschienen, aber die Ideen des "deficit spending", die er darin zusammenfaßte, hatte er bereits seit 1929 mit wachsendem Nachdruck in Aufsätzen und Vorträgen vertreten.488 Damit lieferte Keynes direkt zu Beginn der Weltwirtschaftskrise erste theoretische Grundlagen für eine staatliche Nachfragepolitik, die überkommene Heilmittel zur Lösung wirtschaftspolitischer Probleme in Frage stellte. Einen staatlichen Aktivismus auf wirtschaftlicher Ebene lehnte die Internationale Handelskammer auch in Krisenzeiten vehement ab. 489 Sie sah darin nicht nur eine Gefahr für ein ausgeglichenes Staatsbudget, sondern befürchtete, daß die privaten Unternehmen eine staatliche Bevormundung erführen. Für die ICC stellte der staatliche Interventionismus sogar ein krisenverschärfendes Element dar:

48s Für die späte Weimarer Republik konnte knapp ein Zehntel der Staatsquote auf Investitionsausgaben zurückgeführt werden. Carl-Ludwig Holtfrerich sieht in den staatlichen Investitionsausgaben zu dieser Zeit ein für die Konjunktur stabilisierendes Element. "Der Kollaps staatlicher Ausgaben für Investitionen, besonders für Wohnungsbauinvestitionen, während der Regierungszeit Brünings sowie die Änderung der Staatsausgabenstruktur in Richtung höherer Anteile von Konsum- und Transferausgaben haben mit Sicherheit zur Verschärfung des Konjunktur- und Wachstumseinbruchs nach 1929 beigetragen." Carl-Ludwig Holtfrerich, Vernachlässigte Perspektiven der wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Republik, in: Heinrich August Winkler (Hrsg.), Die deutsche Staatskrise 193(}-1933. Handlungsspielräume und Alternativen, München 1992, S. 137 (fortan zitiert als Holtfrerich, Vernachlässigte Perspektiven). 486 Winthrop W: Aldrich, The Reciprocal Tariff Policy and the Proposed Government Spending Programme, Washington D. C. 1938, S. 8. 487 lohn M. Keynes, in: Halley Stewart Lecture, The World 's Economic Crisis and the Way of Escape, London 1932, S.85. 488 Werner Jochmann, Brünings Deflationspolitik und Untergang der Weimarer Republik, in: Dirk Stegmann/Bernd-Jürgen Wendt/Peter-Christian Witt (Hrsg.), Industrielle Gesellschaft und politisches System. Beiträge zur politischen Sozialgeschichte. Festschrift für Fritz Fischer zum siebzigsten Geburtstag, Bonn 1978, S. 104 (fortan zitiert als Jochmann, Brünings Deflationspolitik). 489 Die neueste Forschung behauptet das Gegenteil. Ross, Causes.

12•

180

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

"At the present time, state intervention in private enterprise was so widespread that the individualist economic system could hardly show any more what it could do. " 490

Während Keynes den Ausweg aus der Krise in einer Steigerung der Nachfrage durch staatliches "deficit spending" sah, riet die ICC im Jahre 1933 eher zu einer Beschränkung des Produktionsangebots: "Im allgemeinen sollte man versuchen, direkt auf die Produktion zu wirken und verhindern, daß man sich damit zufrieden gibt, überschüssige Lagerbestände abseits der Märkte zu halten, deM letztere Methode hat bisher immer zu einer Senkung der Preise und nicht zu ihrer Stabilisierung geführt. "491

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Internationale Handelskammer in den dreißiger Jahren einen staatlichen Interventionismus auf wirtschaftlicher Ebene ablehnte. Robert Juillard vom schweizerischen Nationalkomitee brachte diese Position der Internationalen Kammer vehement zum Ausdruck: "The most important thing was to prevent the public from interpreting the attitude of the International Chamber of Commerce as being favourable to ,economic planning' ."492 Damit richteten sich die Empfehlungen der ICC gegen direkte staatliche Eingriffe in wirtschaftliche Prozeßabläufe. Die Kammer vertrat also- Kartelle zur Produktionsbeschränkung ausgenommen- das Prinzip des Liberalismus. Nach Ansicht der Internationalen Handelskammer würden staatliche Investitionen das privatwirtschaftliche Engagement zurückdrängen.493 Deshalb plädierte die ICC für eine Reduzierung der öffentlichen Ausgaben. Sie sah darin eine wesentliche Voraussetzung für die Wiederherstellung stabiler monetärer Verhältnisse.494 Dagegen wird im Mundell-Fleming-Modell behauptet, daß bei Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs und bei festen Wechselkursen - beides wurde von der Interna-

490 So Eduard Hamm, in: HP: Document No. 5100, Special Committee for the Preparation of the Documents to be Submitted to the World Monetary and Economic Conference, Meeting of January 13th, 1933, S.S. 491 Im Original heißt es: ,,En regle generale, il faudrait essayer d'agir directement sur Ia production elle-meme et d' eviter que I' on se contente de retenir au dehors du marche les stocks en excedent car cette derniere methode n' a jamais fait que deprecier les prix plutöt que 1es affermir." HP: Document No. 5142, Projet de Rapport de Ia Chambre de Commerce Internationale l Ia Conference Monetaire et Economique presente par M. Owen Jones, Rapporteur, au "Comite Special" en sa session du 21Mars 1933, S.3. 492 HP: Document No. 5142, Projet de Rapport de Ia Chambre de Commerce Internationale a Ia Conference Monetaire et Economique presente par M. Owen Jones, Rapporteur, au "Comite Special" en sa session du 21 Mars 1933, S.12. Auch Georges Theunis äußerte seine Bedenken darüber, daß die Geschäftswelt an die Wirksamkeit von "economic planning" glauben würde. HP: Document No.4897, XXXVIIIth Meeting ofthe Council, June 24th 1932, S.4. •9J So Eduard Hamm, in: HP: Document No. 5100, Special Comrnittee for the Preparation of the Documents to be Submitted to the World Monetary and Economic Conference, Meeting of January 13th, 1933, S. S. 494 ASD: BIB 44, Document No.6685, Committee on Monetary Policy and Credit. Minutes ofthe Meeting ofOctober 19th and 20th 1938, S.2.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

181

tionalen Handelskammer in der Zeit von 1929 bis 1939 propagiert-495 - (also in einer offenen Volkswirtschaft) das für die Fiskalpolitik geschlossener Länder charakteristische "crowding-out" der privaten Anlagen durch Zinserhöhungen ausbleiben würde. Die Zentralbank sei nämlich über den fixierten Wechselkurs gezwungen, die expansive Fiskalpolitik mit einer expansiven Geldpolitik über Devisenmarktinterventionen zu begleiten. Die Fiskalpolitik zeige demnach bei fixen Wechselkursen einen krisenmildernden Effekt, ohne aber gleichzeitig private Investoren durch Zinsniveausteigerungen zurückzudrängen. Dagegen könne die Geldpolitik unter denselben Voraussetzungen weniger wachstums- und beschäftigungspolitische Wirkungen im Inland erzielen.496 Der staatliche Interventionismus zur Zeit der Weltwirtschaftskrise wird auch in der neueren Forschung nicht immer als erfolgversprechend bewertet.497 In manchen Fällen sei er sogar kontraproduktiv gewesen. Die Regierungen hätten wenig dazu beigetragen, die strukturellen Veränderungen in der Industrie zu fördern. 498 In Deutschland setzte aber ab 1933 ein massiver Aufschwung mittels staatlicher Maßnahmen ein, aber nur unter der Bedingung der Devisenkontrolle und wachsender Staatsdefizite. Was die Internationale Handelskammer ablehnte, führte hier zu einer Milderung der Krise: nämlich die Kontrolle privater Unternehmen durch den Staat.499 Die deutsche Volkswirtschaft blieb von einem Produktionsrückgang, wie er im Jahre 1938 massiv in den USA und Großbritannien zu verzeichnen war, verschont. Kenneth D. Roose behauptet, daß in der Forschung ein breiter Konsens darüber bestehe, "that renewed government spending in the spring and summer of 1938 initiated the revival."500 Damit wird die Fiskalpolitik als ein wichtiger Faktor für die Wiedergesundung der US-Wirtschaft im Jahre 1938 betrachtet. Daher muß die Empfehlung der Internationalen Handelskammer für ein ausgeglichenes Budget als verfehlt erscheinen.501 Erst die massive Rüstungsproduktion, welche in Deutschland 495 Für die Zeit der Weltwirtschaftskrise kann aber das gleichzeitige Auftreten von fixen Wechselkursen und einer hohen Kapitalmobilität für die bedeutendsten Wirtschaftsmächte nicht nachgewiesen werden. 496 Gabler Wirtschaftslexikon, Bd. 3, Wiesbaden 1997 14, 5. 2688. Vgl. auch J .Marcus Fleming, Domestic Financial Policies under Fixed and under Floating Exchange Rates, in: International Monetary Fund Staff Papers 9 (1962), S. 369-79. Robert Mundell, Capital Mobility and Stabilization Policy under Fixed and Flexible Exchange Rates, in: Canadian Journal of Economics and Political 5cience 29 (1963), 5.475-85. Robert Mundell, The Monetary Dynarnies of International Adjustment under Fixed and Flexible Exchange Rates, in: Quarterly Journal ofEconomics 74 (1960), 5.227-257. 497 Gordon!Wilcox, Monetarist Interpretations, S. 99. 498 Aldcroft, European Economy, S. 256. 499 Siehe dazu: Overy, Cars, S. 482. 500 Roose, Economics, S.15. 501 Die Bestrebungen nach einem ausgeglichenen Budget hätten aber nach Ansicht von Herbert Stein noch einen gewissen Manövrierraum für ein staatliches Engagement im wirtschaftlichen Bereich gelassen: "The budget balancing principle left considerable room for manoeuv-

182

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

ja schon relativ früh eingesetzt hatte, trug in den USA und Großbritannien zu einer endgültigen Überwindung der Krise bei. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß eine Politik des "deficit spending" von seiten des Staates für den wirtschaftlichen Aufschwung in den dreißiger Jahren sicherlich von Vorteil gewesen wäre. 502 Die theoretische Grundlage für eine Politik des "deficit spending" lieferte John Maynard Keynes erst mit dem Erscheinen seines Buches "The General Theory of Employment, lnterest and Money" im Jahre 1936.5°3 Nicht übersehen werden darf, daß Keynes aber auch in der Geldpolitik (Senkung des Zinsniveaus) ein Mittel für einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gesehen hat. Aber: "Keynes advocated fiscal policy because he did not trust the central bankers in the United States and England."S04 Im Rückblick haben sich also die Zweifel der Internationalen Handelskammer an der Wirksamkeit von Fiskalpolitik als fatal erwiesen. Gerade in einer staatlichen Nachfragepolitik wird heute ein entscheidendes Mittel zur Milderung der Krise gesehen: "Yet deficit financing had an irnportant part to play, in ,priming the pump' ."505 Die Staaten haben in der Zeit der Weltwirtschaftskrise durch ihr Bestreben, ein ausgeglichenes Haushaltsbudget zu schaffen, die Krise eher verstärkt als gemildert. Erst gegen Ende der "Großen Depression" stellte sich bei den politischen Entscheidungsträgem die Erkenntnis ein, "that deficits in time of recession helped ring, even though it was an inhibition to some degree." Herbert Stein, The Fiscal Revolution in America. Policy in Pursuit of Reality, Washington D.C. 19962, S.16. 502 Auf die Vorzüge einer staatlichen Nachfragepolitik in Deutschland für die Überwindung der Krise von 1921 wurde bereits hingewiesen. Carl-Ludwig Holtfrerich, Germany and the International Economy: The Role of the German Inflation in Overcoming the 1920/1 United States and World Depression, in: R. W. Lee (Hrsg.), German Industry and German Industrialisation. Essays in German Economic and Business History in the Nineteenth and 1\ventieth Centuries, London 1991 (fortan zitiert als Lee, German lndustry}, S. 265. So auch L.J. Williams: "Crudely stated, the most widely-accepted view today isthatintimes of such severe economic depression the govemment should- among other things- run a budgetary deficit since this deficit would, either through additional govemment consumption, or investment, or both, generate increased aggregate demand and thus help to raise the generallevel of activity." Williams, World Economy, S. 95. ~ 1 Neuerschienen als The General Theory of Employment, Interest and Money, (The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume VII}, London 1973 (fortan zitiert als Keynes, General Theory). 504 Thomas E.Hall/1. David Ferguson, The Great Depression. An International Disaster of Perverse Economic Policies, Michigan 1998, S. 157 (fortan zitiert als Hall/ Ferguson, Great Depression). ~s Lewis, Economic Survey, S. l13. Auch Derek H.Aldcroft sieht in einer steigenden Ausgabenpolitik von seiten des Staates ein Mittel zur wirtschaftlichen Gesundung in den dreißiger Jahren: "Though perhaps somewhat belated it should have been possible to start an active spending policy in 1932 or 1933 to boost the pace of recovery." Selbst im ,,framework of the balanced budget" gäbe es noch Manövrierraum für staatliche Aktionen. Aldcroft, Inter-War Economy, S. 306/314. Diese Möglichkeit wurde von der Internationalen Handelskammer ganz außer acht gelassen. In staatlichen Investitionen sah sie die Gefahr eines Crowding-Out für private Investitionen gegeben.

ßl. Wahrungs- und finanzpolitische Empfehlungen

183

alleviate the downtum".506 Aufgrund des Bestrebens der US-Regierungen um ein ausgeglichenes Budget kommt der Economist zum Ergebnis, daß der ,,New Deal, far from ending the slump, most likely prolonged it."507 Die hohen Steuersätze in der Zwischenkriegszeit bildeten nach Ansicht der Internationalen Handelskammer 1933 eine nahezu unüberwindbare Last für die Wirtschaftstätigkeit Sie stellten ihrer Ansicht nach ein entscheidendes Hindernis für Kapitalbewegungen dar.soa Die ICC schlug daher vor, die Besteuerung der Unternehmen auf das denkbar niedrigste Niveau herabzusetzen.509 In einer Steuersenkung sah sie ein entscheidendes Mittel zur Milderung der Weltwirtschaftskrise, da sie produktive Unternehmen fördere und Arbeitslosigkeit verringere.510 Sie schlug zur Ausweitung der Produktion und zur Schaffung neuer Vermögenswerte vor, die Steuerlast zu erleichtern und die Steuersysteme zu vereinfachen. Die Verwirklichung dieser Empfehlung hätte allenfalls einen geringen Stimulus für die Wirtschaft bedeutet. Bei einem Vergleich mit der Besteuerung in der Nachkriegszeit kommt man nämlich zum Ergebnis, daß die Belastung durch den Fiskus 1929 vergleichsweise gering war. Die Wirksamkeit der steuerpolitischen Empfehlung der Internationalen Handelskammer kann demnach kontrovers diskutiert werden. Ein Vergleich der Entwicklung der Körperschaftsteuer in Deutschland kommt zum folgenden Ergebnis: Betrug die Belastung durch die Körperschaftsteuer Anfang der dreißiger Jahren im Durchschnitt 20%, kann für die neunziger Jahre eine prozentuale Belastung von 50% notiert werden. Vor 1990 machte der Steuersatz sogar 56% aus. Damit hat sich die Belastung seit der Weltwirtschaftskrise um mehr als das Doppelte erhöht.S11 Die Höhe des Steuersatzes konnte folglich nicht ein verstärkendes Moment für die Krise gewesen sein. Eine Verringerung der Abgaben hätte damit keine besondere Wirkung auf die sich verschlechtemde wirtschaftspolitische Entwicklung in der Zeit der

506 J. Bradford de Long, Fiscal Policy in the Shadow of the Great Depression, in: Bordo/Goldin/White, Defining Moment, S. 83. so1 A refresher on the 1930s, in: The Economist vom 19. September 1998, S. 122. sos Offizieller Sitzungsbericht des Siebten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, in: Internationale Wirtschaft 7 (1933), S. 21. Auch moderne Historiker vertreten diesen Standpunkt: Die nominell hohe Steuerbelastung der deutschen Wirtschaft habe in der Zwischenkriegszeit zu dem geringen Wirtschaftswachstum und die unzureichende Kapitalbildung beigetragen. Borchardt, Wachstum, S. 195. James, Deutschland, S. 137. ~ Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (1931 ), S. 1 und Winthrop W. Aldrich, Wahrung und Wirtschaft. Bemühungen um eine internationale Wahrungsordnung, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939), S.19. sto Internationale Handelskammer, Beschlüsse vom Washington-Kongreß, S. 10. m Schröder, Steuerlastgestaltug, S. 25. Artur Woll (Hrsg.), Wirtschaftslexikon, Wien 19937, S. 392. Für die Vereinigten Staaten von Amerika siehe: Herbert Stein, Presidential Economics. TheMakingof Economic Policy from Roosevelt to Reagan and Beyond, New York 1984, S. 385/386 (fortan zitiert als Stein, Presidential Economics).

184

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Weltwirtschaftskrise gehabt, denn die Steuern waren vergleichsweise gering.512 Trotzdem ist zu beachten, daß 1932 die Steuererhöhung in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht eben einen psychologischen Anreiz für eine Ausweitung unternehmerischer Investitionen bot. Die neuere Forschung wehrt sich dagegen "to attribute most of the declines in output in 1921 and 1938 to fiscal policy", wie dies die Internationale Handelskammer tat.m Christina D.Romer mißt einer Änderung der Fiskalpolitik nur eine geringe Bedeutung für eine wirtschaftspolitische Genesung in den dreißiger Jahren bei.514 Sie vertritt die These, daß der Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise durch ein frühzeitig erhöhtes Geldangebot beschleunigt worden wäre. Romer folgert, "that these monetary changes were crucially irnportant to the recovery."51s Das wachsende Geldangebot in den USA führt sie vor allem auf den Zustrom von Gold zurück, "which was in turn due to devaluation in 1933 and to capital ßight from Europe because of political instability after 1934."516 Dagegen gab es in der Internationalen Handelskammer deutliche Stimmen, die an der konjukturfördernden Wirksamkeit der Geldpolitik zweifelten. Jean Tanney vom französischen Nationalkomitee kritisierte 1938 in einer Umfrage die Suche nach einem Lösungsweg im monetären Bereich. Er bezeichnete es als eine lllusion, daß "monetary technique could settle all difficulties."517 Aus diesem Grunde setzte die Internationale Handelskammer den Schwerpunkt ihrer Empfehlungen auf den Abbau der Handelshemmnisse. Der Einfluß eines sogenannten "Geldschleiers" auf die Produktionsebene und den Handel muß aber trotzdem bei der Suche nach den 512 Susanne Sehröder kritisiert die steuerlichen Maßnahmen Brünings in den Jahren 1932 und 1933: Ihrer Meinung nach wirkte es sich negativ auf die Investitionstätigkeit aus, daß die Regierung Brüning die Möglichkeiten zur Sonderabschreibung aufhob. In der Gewährung von Sonderabschreibungen sieht Sehröder eine wirkungsvolle Maßnahme zur Überwindung der Krise auf finanzpolitischem Gebiet. Diese hätte positive Auswirkungen auf die Entwicklung des Wirtschaftswachstums und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben können. Schröder, Steuerlastgestaltung, S. 69. Die steuerpolitischen Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung stellte im Vergleich zur bisherigen Politik eine Kehrtwende dar: Im Sommer 1933 wurde das Gesetz über die völlige Steuerfreiheit von Ersatzbeschaffungen verkündet, das wiederum Vorteile für die anlageintensiven Betriebe bot. Schröder, Steuerlastgestaltung, S. 259. In den USA wurde die Handhabung der steuerlichen Absetzungen seit 1934 durch restriktive Verwaltungsanweisungen verschärft. Ausgeglichen wurde dieses Manko durch- im Vergleich zum Deutschen Reich - relativ niedrige Steuersätze. Schröder, Steuerlastgestaltung, S.190. m Christina D.Romer, What Ended the Great Depression, in: Journal ofEconomic History 52 (1992), S. 766 (fortan zitiert als Romer, Great Depression). 514 Romer, Great Depression, S. 759. 515 Romer, Great Depression, S. 759. " 6 Romer, Great Depression, S. 759. 5 17 ASD: BIB 44, Document No.6654, Committee on Monetary Policy and Credit. Resurne of replies to Questionnaire on the Financial Section of Mr. Paul van Zeeland 's Report prepared by Mr. V. Dei Rio, Secretary of the Committee, 10.10.1938, S. 2.

111. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

185

entscheidenden Mitteln zur Milderung der "Großen Depression" berücksichtigt werden. Auch der Beseitigung der Doppelbesteuerung maß die Internationale Handelskammer eine besondere Bedeutung zu, denn die Doppelbesteuerung wirkte sich als eine zunehmende Belastung für die in zwei oder mehr Ländern tätigen Unternehmen aus. Die Abkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung sollten nicht nur den Austausch von Waren und Dienstleistungen, sondern auch die Bereitschaft zu Kapitalanlagen im Ausland fördern.m Die ICC war der Ansicht, daß die Doppelbesteuerung nicht nur die Weltwirtschaftskrise allgemein verschärfe, sondern auch allen Bemühungen zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft entgegenstehe. Der Ausschuß der Internationalen Handelskammer für Fragen der Doppelbesteuerung arbeitete in enger Verbindung mit der Wirtschafts- und Finanzabteilung des Völkerbundes und nahm regelmäßig an den Arbeiten der Sachverständigenausschüsse des Völkerbundes teil. Damit bemühte sich die Internationale Handelskammer um die Beseitigung eines weiteren Handelshemmnisses: der erhöhten Steuerleistung von ausländischen Unternehmen. Nach Ansicht der Internationalen Handelskammer konnte Doppelbesteuerung stattfinden, "wenn Waren in einem Land gekauft und in einem anderen verkauft werden, wenn ein Unternehmen in einer Niederlassung in einem Land fabriziert, in einer festen Niederlassung in einem dritten Land verkauft."519 Das Phänomen der Doppelbesteuerung behinderte den Freihandel, denn die ausländische Konkurrenz schied aus Kostengründen aus. Desweiteren sollten Wechsel, Schecks und Konnossemente in Übereinkommen behandelt werden, damit die Steuern für diese Dokumente nur in einem Land erhoben werden würden.520 Meines Erachtens stellte die Doppelbesteuerung in der Zwischenkriegszeit ein Problem unter vielen dar. Für eine Milderung der Krise war ihre Beseitigung nicht im gleichen Maße ausschlaggebend wie zum Beispiel der Abbau von tarifaren und nicht-tarifaren Handelshemmnissen. Die Internationale Handelskammer sah in einer de facto-Stabilisierung der Währungen eine wesentliche Vorbedingung nicht nur für die Aufhebung der Devisenkontrolle, sondern auch für die Beseitigung der Handelshemmnisse allgemein. Dem Wettlauf um die Abwertung der Währungen sollte ein Ende bereitet werden.m Die ICC empfahl, die Währungsstabilität durch ein mehrseitiges Übereinkommen zu sichern. Erst dann bestünde Aussicht auf die Belebung der internationalen Investitionstätigkeiten durch langfristige Anleihen.522 Trotzdem gab es in der Internationalen Handelskammer Stimmen, welche die konjunkturpolitischen Vorzüge einer fles•s Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Siebten Kongreß der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3.Juni 1933, S.12/13. S19 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1931 , S.5. 520 Internationale Handelskammer, Handelspolitik 1931, S. 6. S21 Internationale Handelskammer, Entwurf für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S.I4. S22 Condliffe, Veränderungen, S.ll.

186

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

xiblen Währungspolitik erkannt hatten. "Devaluation becomes obligatory in view of the rigidity of production costs," resümierte Felix Mlynarski vom polnischen Nationalkomitee.523 Mit seiner Meinung blieb er aber im Kreis der Organisation allein. Mlynarski sah in einem flexiblen Wechselkurs die einzige Möglichkeit, die relativ hohen Produktionskosten auszugleichen, um auf den Exportmärkten konkurrenzfähig zu sein.524 In dem Bericht der Internationalen Handelskammer an die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz des Völkerbunds im Jahre 1933 wiederholte sie die Forderung nach der Wiederherstellung eines "befriedigenden internationalen Währungsstandards" zum Zwecke der Stabilität der Wechselkurse und der Preise, insoweit sie dem Einfluß von Währungsfaktoren unterworfen waren. Desweiteren wurde in einer defacto-Stabilisierung der Währungen eine wichtige Voraussetzung gesehen, nicht nur für die Abschaffung von Devisenbeschränkungen, sondern auch für die Senkung der Zollschranken.525 Während die Internationale Handelskammer der Währungsabwertung526 eine krisenverschärfende Funktion beimaß, behauptet die zeitgenössische Forschung das Gegenteil: die Devaluation (Währungsentwertung) wird vielfach als "engine of recovery" gesehen.527 Barry Eichengreen und Jeffrey Sachs haben nachgewiesen, daß die Länder am besten über die Weltwirtschaftskrise hinweggekommen sind, die frühzeitig abgewertet und Kreditexpansion betrieben haben.s28 Eine koordinierte 523 ASD: BIB 44, Document No. 6654, Committee on Monetary Policy and Credit, R~sum~ of Replies to the Questionnaire on the Financial Section of Mr. Paul van Zeeland 's Report prepared by Mr. V. Del Rio, 10.10.1938, S.l5. 524 Zu dem gleichen Ergebnis kam auch der Volkerbund: "The higher the proportion of manufacturing cost to total cost, the greater is the competitive advantage derived by the countries with depreciated currencies." League of Nations (Hrsg.), Review of World Trade 1934, Genf 1935, S. 63. 525 Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (1933), S.l. 526 Knut Borchardt unterscheidet sinngemäß zwischen einer Abwertung im heutigen und damaligen Sinne: ,,Heute verstehen wir unter Abwertung in einem System fester Wechselkurse eine Neufestsetzung des Wechselkurses gegenüber anderen Währungen auf einem niedrigeren Niveau (weniger Fremdwährung gegen Eigenwährung), wobei eben der Abwertungssatz verordnet wird. Seinerseits verstand man unter Abwertung den mehr oder weniger freien Kursfall nach einer Aufgabe der Parität der Reichsmark gegenüber dem Gold bzw. dem Dollar. Eine Minderung des gesetzlichen Außenwertes der Währung hieß ,Devalvation', der gemeinsame Oberbegriff war ,Währungsentwertung' ." Knut Borchardt, Zur Frage der währungspolitischen Optionen Deutschlands in der Weltwirtschaftskrise, in: Knut Borchardt (Hrsg.), Wachstum, S. 208 (fortan zitiert als Borchardt, Zur Frage). 527 Romer, Great Depression, S. 782. Dagegen behauptete die Internationale Handelskammer, daß die Abwertung in den Vereinigten Staaten von Amerika kaum früher als in den anderen Ländern eine Wiederbelebung herbeigeführt habe. Die Auswirkungen der Währungsabwertung, in: Internationale Wirtschaft 6 (1936), S. 9. 528 "We will argue that depreciation was clearly beneficial for the initiating countries." Eichengreen/Sachs, Exchange Rates, S. 927. In der Zwischenkriegszeit sei die Devaluation ei-

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

187

Abwertung aller Länder wäre keiner "beggar-thy-neighbour policy" gleichgekommen, sondern hätte ein effizientes Mittel zur Krisenbewältigung dargestellt, behaupten die beiden Autoren: "Though it is likely that currency depreciation (had it been even more widely adopted) would have worked to the benefit of the world as a whole, the sporadic and uncoordinated approach taken to exchange-rate policy in the 1930s tended, other things being equal, to reduce the magnitude of the benefits." 529

Es ist jedoch höchst fraglich, ob die anderen Staaten eine Abwertung der deutschen Währung reaktionslos hingenommen hätten. Durch die Abwertung der Reichsmark wäre Großbritannien und den USA der Konkurrenzvorteil genommen worden, den sie durch eine Abwertung von Pfund und Dollar bis dahin in der Welt innehatten.sJo Von französischer Seite war nach Rolf E. Lüke zudem auf jeden Fall ein klares Nein im Hinblick auf eine deutsche Abwertung zu erwarten.m In diesem Zusammenhang ist nicht nur auf die äußeren Schranken für einen deutschen Aktionismus hinzuweisen, sondern auch auf die praktische Gefahr einer erneuten Nivellierung aller Währungsparitäten im Zuge einer allgemeinen Abwertung, nur eben auf einer unteren Ebene: Hätten sämtliche Länder in der Zeit der Weltwirtschaftskrise konsequent abgewertet, wären die relativen Preisvorteile, die sich gewisse Währungen in der Welt durch eine Verminderung ihres Außenwertes verschafft hatten, hinfällig geworden.532 ner Währung entscheidende Voraussetzung für eine expansive Kreditpolitik mit "domestic spending" gewesen: Eichengreen, Golden Fetters, S.21. Siehe auch: Barry Eichengreen, Relaxing the Extemal Constraint: Europein the 1930s, (National Bureau ofEconomic Research Working Paper No.3410), Cambridge Mass. 1990 und Temin, Lessons. Auch Harold James hat sich in den Kreis der Wirtschaftshistoriker eingereiht, die in einer Wahrungsahwertung ein wilxsames Mittel sehen, mit dem Länder aus der damaligen Defiationsspirale ausbrechen und eine krisenverschärfende Bankenpanik verhindem konnten. James/Bernanke, Gold Standard. Bereits 1943 hatte Hai B.Lary "the relationship between depreciation and domestic recovery" herausgearbeitet. Er begründete den Zusammenhang zwischen Abwertung und Aufschwung damit, daß auf die Verteidigung der Goldparitäten nicht mehr Rücksicht genommen werden mußte: "In general, the most successful adaptation was achieved by countfies that depreciated their currencies and thereafter were able to pursue policies of monetary ease." Der Abwertung des Dollars im Jahre 1933 maß er insofern eine positive Bedeutung zu, als "it undoubtedly did facilitate a sorely needed price reflation". Lary, World Economy, S. 182/194. 529 Eichengreen/Sachs, Exchange Rates, S. 946. 530 Der Goldwert der Mark war zwar im Young-Plan völkerrechtlich fixiert, Borchardt weist aber darauf hin, daß eine Abwertung der Reichsmark für wirtschaftliche Zwecke dieser Regelung nicht widersprach. Borchardt, Zwangslagen, S. 8/31. 53 1 Ralf E.Lüke, Von der Stabilisierung zur Krise, Zürich 1958, S. 334ff. 532 Ähnlich sieht dies Derek H. Aldcroft, wenn er schreibt: "If other major currencies are devalued at a similar point in time and by roughly the same magnitude then the comparative advantage for the country initially devaluing will be severely reduced if not completely wiped out." Aldcroft, Inter-War Economy, S. 279.

188

C . Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Zudem kann sich eine Abwertungsrunde als Null-Summenspiel entpuppen, wenn man den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand im Auge hat, weil dann nämlich den temporären Produktions- und Beschäftigungsgewinnen bei den zuerst abwertenden Ländern die Produktions- und Beschäftigungseinbußen bei den nicht bzw. verzögert abwertenden Ländern gegenüberstehen. Die beträchtlichen Abwertungen des Sterling-Blocks führten bei den Ländern des Goldblocks bald zu einer Überbewertung ihrer Währungen und zwangen sie aus Gründen der Zahlungsbilanzentwicklung zu einem deflatorischen Kurs in der Binnenwirtschaft Die Folge davon war gravierend: Während die industrielle Produktion in den Ländern des Goldblocks mehr oder weniger stark abnahm, zeigte sie in den Ländern des Sterlingblocks einen bemerkenswerten Anstieg.m Eichengreen und Sachs sehen die Beziehung zwischen der "height in the exchange rate" und dem "extent of recovery from the Depression" als gegenläufig an: Das Ausmaß der Wiedergenesung sei um so höher gewesen, je niedriger die Wechselkursrate gelegen habe, Die Heilung erfolgte allgemein dadurch, daß die Abwertung Exporte verbilligte und Importe verteuerte, wobei man annimmt, daß auf diese Weise die Ausfuhr gefördert und die Einfuhr gebremst wurde. Die beiden Wissenschaftler versuchten in ihrer Studie aufzuzeigen, daß die Länder, die in der Zeit der Weltwirtschaftskrise abgewertet hatten (Großbritannien, Dänemark, Finnland und Schweden), bereits im Jahre 1935 das Outputniveau von 1929 übertrafen. Die Produktion der Goldblockstaaten (Frankreich, Belgien, Niederlande) sei dagegen zum gleichen Zeitpunkt noch weit unter dem Wert von 1929 geblieben. 534 In Deutschland entschieden sich die für die Währungspolitik Verantwortlichen gegen eine Abwertung der Reichsmark. Als Grund für ihre Entscheidung gaben sie zum einen die Verschuldung in Auslandswährung53S und zum anderen die Furcht vor inflationären Folgen in der Bevölkerung536 an. Statt dessen wollte die Regierung Brüning durch eine inländische Preis- und Produktionskostensenkung die deutsche Konkurrenzfahigkeit gegenüber den abwertenden Ländern wiederherstellen. Die SJJ Die Länder der Goldblocks lagen in den Jahren 1930 bis 1935 erheblich hinter dem Produktionsdurchschnitt auf der Welt von+ 12,4 %. Siehe: League of Nations, Industrialization, S.134. ' 34 Eichengreen/Sachs, Exchange Rates, S. 936. m Das Argument von Hans Luther, wonach sich mit jedem Prozent Abwertung die deutschen Auslandsschulden um ein Prozent erhöht hätten (Luther, Vordem Abgrund, S.154), ist in der neueren Forschung kritisiert worden. Nach Ansicht von Carl-Ludwig Holtfrerich war die Begrundung des Reichsbankpräsidenten irreführend, denn der Wechselkurs der Reichsmark hatte keinen Einfluß auf die Höhe der Schulden in Auslandswährung. Die Beschäftigungswirkungen einer Devaluation beurteilt er in jedem Falle positiv. Sie hätte zu einer Lösung der Beschäftigungsproblems beitragen können. Holifrerich, Vernachlässigte Perspektiven, S. 144/145, Anm.28. ' 36 Knut Borchardt, Das Gewicht der Inflationsangst in den wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozessen während der Weltwirtschaftskrise, in: Gerald D. Feldman (Hrsg.), Die Nachwirkungen der Inflation auf die deutsche Geschichte 1924-1933, München 1985 (fortan zitiert als Feldman, Nachwirkungen), S. 233-260.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

189

4. Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 8. Dezember 1931 war insofern als eine Art ,,Ersatzabwertung" gedacht. Im Gegensatz zu einer wirklichen Veränderung der Währungsparität trug sie aber nicht zu einer Milderung der Krise bei, sondern verschärfte sie eher. Daß Reichskanzler Brüning nicht bereit war, der britischen Abwertung von 1931 zu folgen, trug erheblich zur Verschlechterung der Konkurrenzfaltigkeil deutscher Produkte auf dem Weltmarkt bei. In der neuen Forschung wird jedoch der Erfolg deutscher Abwertungstendenzen in den dreißiger Jahren an bestimmte Bedingungen geknüpft, die nur schwer zu erfüllen waren: "To have worked it would have required that other Countries stopped devaluing competitively and reduced tariffs at the same time, which they were clearly unwilling to do."537 Peter Temin und Barrie A. Wigmore unterstützen den Gedankengang von Eichengreen und Sachs: Ihrer Meinung nach signalisierten die Abwertungstendenzen das Ende eines deflationären Geldregimes und den Anfang einer besseren wirtschaftliche Entwicklung.538 Als Beispiel nennt Peter Temin Großbritannien. Hier habe die Devaluation nicht nur die britischen Exportpreise verringert, sondern auch zu einer freizügigeren Geldpolitik beigetragen.s39 Die Abwertung der britischen Wahrung sei ein "step in the right direction" gewesen. Aus diesem Grund kommt er- im Gegensatz zur Internationalen Handelskammer- zu dem Ergebnis: "Had the other major countries followed suit, the effect would have been expansionary." 540 Wenn alle Staaten im Gleichschritt abgewertet hätten, hätte zwar kein Land einen Preisvorteil gehabt, aber es wäre Raum für eine stärker expansive Geldpolitik vorhanden gewesen. Denn das knappe Gold und die knappen Dollars hätten zur Währungsdeckung weiter gereicht. Nicht in der Aufrechterhaltung einer stabilen Wahrung, sondern in der Abwertung derselben sah Temin ein entscheidendes Mittel zur Milderung der Krise. Barrie A. Wigmore versuchte den Zusammenhang zwischen Abwertungstendenzen und den ersten Anzeichen eines Aufschwungs anband der wirtschaftlichen Entwicklungen in den USA zu beweisen. Die Aufschwungsphase habe dort begonnen, nachdem sich Präsident Franklin D. Roosevelt im April1933 zugunsten einer "Devaluation" ausgesprochen habe. 541 Barry Eichengreen kommt zu dem gleichen Ergebnis. Er hat in einer eigenen Studie herausgearbeitet, daß die Wahrungsabwertungen, insbeson537 538

Richard J. Overy, The Nazi Economic Recovery 1932-1938, London 1982, S. 23. Peter Temin!Barrie A. Wigmore, "The End of One Big Deflation", in: Explorations in

Economic History 27 (1990), S.483-502. 539 Von der krisenmildemden Wirkung einer Abwertung ist auch Derek H. Aldcroft überzeugt. Sie habe nicht nur zu einem Anstieg der Exporte beigetragen, sondern auch zu einer Abschwächung deflationärer Tendenzen. Vor allem hätten steigende Preise entschieden zu einer expansionistischen Politik in der Wirtschaft beigetragen. Der Grund habe in einer für die Produktion günstigen Preis-Kosten Struktur gelegen. Aldcroft, Inter-War Economy, S. 284/285. 540 Temin, Lessons, S. 32. 541 Barrie A. Wigmore, "Was the Bank Holiday of 1933 Caused by a Run on the Dollar?", in: Journal ofEconomic History 47 (1987), S. 743.

190

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

dere des amerikanischen Dollar, mit einem rapiden Anstieg der industriellen Produktion zusammenfielen.S42 Tabelle 12 Der Anstieg der Industrieproduktion in Prozenten 1929-1936

Staaten

1929-1936

Goldblockstaaten •

- 13,94

Staaten mit Devisenkontrolle**

-2,30

Sterling-Area-Staaten***

27,77

Andere abwertende Staaten****

27,06

• =Belgien, Frankreich, Niederlande, Polen und Schweiz "'• =Österreich, Tschechoslowakei, Deutschland, Ungarn und Italien "'**=Dänemark, Finnland, Neuseeland, Norwegen, Schweden und Vereinigtes Königreich "'*"'*=Brasilien, Kolumbien, Chile, Mexiko, Costa Rica, Guatemala, Nicaragua, EI Salvador und die Vereinigten Staaten von Amerika

Quelle: Barry Eichengreen, Golden Fetters. The Gold Standard and the Great Depression, 1919-1939, Oxford 1992, S. 351.

Tabelle 12 zeigt, daß sich die industrielle Produktion der Goldblockstaaten (Frankreich, Belgien, die Niederlande, Schweiz und Polen) zwischen 1929 und 1936 erheblich verschlechtert hatte. Für die Zeitspanne von 1929 bis 1936 konnte ein Rückgang von 13, 94% verzeichnet werden. In Ländern mit Devisenkontrolle, wie beispielsweise Deutschland, sank der Industrieausstoß dagegen nur um 2, 3 %. Im Gegensatz dazu stieg die industrielle Produktion in der Sterling-Area um 27, 77 %. Die vergleichbare Ziffer der Staaten, die seit 1934 den Goldstandard verlassen hatten, war 27,06%. Für Eichengreen steht fest: "Having severed their golden fetters, policymakers in these countries were able to adopt more expansionary monetary and fiscal policies designed to spur the recovery of their economies."S43 Eine weltweit koordinierte Abwertung hätte seiner Meinung nach sogar noch effektiver sein können.s44 Im Gegensatz zu Eichengreen schließt Michael D. Bordo die Durchführung einer expansiven Geldpolitik auch unter einem Goldstandardregime 542 543

Eichengreen, Golden Fetters, S. 343. Eichengreen, Golden Fetters, S. 350.

544 "Though it is likely that currency depreciation (bad it even more widely adopted) would have worked to the benefit of the world as a whole, the sporadic and uncoordinated approach taken to exchange-rate policy in the 1930s tended, other things being equal, to reduce the magnitude of the benefits." Barry Eichengreen, Elusive Stability. Essays in the History of International Finance, 1919-1939, Cambridge 1990, S.238.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

191

nicht aus, denn " ... Federal Reserve counterfactual expansionary monetary policy after the first banking panic in October 1930 hardly would have made a dent in US gold reserves."545 Die unterschiedlichen Bedingungen für einen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika wurde von Peter Temin untersucht: "Recovery in the United States became based on the expansion of consumption while recovery in Germany became ever more militaristic."546 Brünings Deflationspolitik trug zu einer erheblichen Schrumpfung der deutschen Exporte bei. Der Grund lag darin, daß Deutschlands Exporteure im Zuge der Währungsabwertungen der anderen Staaten, wie z. B. Großbritannien, erhebliche Preisnachteile erlitten. Ihre Produkte waren damit auf dem Weltmarkt weniger konkurrenzfähig. Ferdinand Hermens kommt daher zum Ergebnis: "Es wäre insbesondere vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus ein großer Vorteil gewesen, die Mark im September 1931 oder Oktober 1931 abzu werten."547 In der Zeit der Weltwirtschaftskrise hätte meines Erachtens eine Abwertung der deutschen Währung die Exporteinbußen zumindest kurzfristig weniger drastisch ausfallen lassen, vorausgesetzt die Nachfrage nach den betreffenden Ausfuhrprodukten wäre elastisch gewesen; sie allein hätte aber langfristig keinen Umschwung bewirken können, denn es fehlte in den dreißiger Jahren an entscheidenden Absatzmöglichkeiten im Ausland. Dies hing vor allem damit zusammen, daß die Staaten in der Zwischenkriegszeit Zollmauem aufbauten, um sich vor dem Zustrom billiger Konkurrenzprodukte aus dem Ausland zu schützen. Wegen der sinkenden Absatzmöglichkeiten in den anderen Staaten schraubten die Unternehmer ihre Produktion im Inland zurück. Die Folge davon war, daß die Arbeitslosigkeit weiter anstieg, die Einkommen schrumpften und damit auch die interne Nachfrage nach Importen und heimischen Produkten zurückging.548 Inwieweit in der Weltwirtschaftskrise Differenzen zwischen Ländern, deren Währung sich 1931 und 1932 nicht verschlechtert hatte, und solchen mit Abwertungserscheinungen die Zahlungsbilanz für Waren und Dienstleistungen unterschiedlich beeinflußten, zeigen folgende von der Internationalen Handelskammer veröffentlichten Tabellen (vgl. Tabelle 13). S45 Michael D.Bordo, Monetary Policy Regimes, the Gold Standard, and the Great Depression, in: NBER Reporter Fall1999, S. 12 (fortan zitiert als Bordo, Monetary Policy Regimes). 546 Peter Temin, Socialism and Wages in the Recovery from the Great Depression in the United States and Germany, in: Journal of Economic History 50 (1990), S. 306. In den dreißiger Jahren war Deutschland ein Niedriglohnland. In den USA verzeichneten die Löhne dagegen einen Anstieg um 20%. S47 Ferdinand Hermens, Das Kabinett Brüning und die Depression, in: Ferdinand Hermens/ Theodor Schieder (Hrsg.), Staat, Wirtschaft und Politik in der Weimarer Republik. Festschrift für Heinrich Brüning, Berlin 1967 (fortan zitiert als Hermens!Schieder, Weimarer Republik), S. 305. So auch Tilly!Huck, Die deutsche Wirtschaft, S. 57. S48 Tilly!Huck, Die deutsche Wirtschaft, S. 73.

192

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise Tabelle 13

Die Zahlungsbilanz für Waren und Dienstleistungen 1931 und 1932 (in Mio. Dollar) Länder, deren Wahrung sich in diesem Zeitraum nicht verschlechtert hat 1931

1932

Änderung

+145

+ 101

-44

Frankreich

-60

-214

-154

Deutschland

+258

+74

-184

Niederl. Ostindien

-45

-14

+31

Vereinigte Staaten

Tschechoslowakei

+30

-8

-38

Ungarn

-38

-4

+34

Litauen

-3

+3

+6 -2

Estland

+3

+1

Albanien

-2

-2

+288

-63

INSGESAMT

-351

Überschuß (+)/Defizit(-) Länder, deren Wahrung sich in diesem Zeitraum verschlechtert hat 1931

1932

Änderung

Ver. Königreich*

-427

-207

+265

Kanada

-39

+5

+44

Australien

-73

+21

+94

Indien

-95

- 147

-52

Schweden

-32

+20

+52

Norwegen

-36

+5

+41

Dänemark

- 19

+12

+31

Japan

-30

+35

+65

Finnland

+24

+18

-6

INSGESAMT

-772

-238

+534

Quelle: Internationale Wirtschaft I (1934), S. 8.549

*Das britische Pfund wurde am 21. September 1931 vom Gold gelöst.

S49 Interessant ist, daß es sich dabei um Datenmaterial der Internationalen Handelskammer handelt. Der Kammer hätte demnach die krisenmildemde Wirkung, die von flexiblen Wechselkursen ausgegangen war, bekannt sein müssen.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

193

In der Tabelle 13 ist die Zahlungsbilanz für die Jahre 1931 und 1932 von 18 Ländern aufgelistet. Dabei wird unterschieden zwischen zwei Gruppen von Ländern, die nach dem Kriterium der Wci.hrungsverschlechterung unterteilt sind. Für die neun Staaten, deren Wahrung sich nicht verschlechtert hat, ist für das Jahr 1931 eine aktive Bilanz von 288 Millionen Dollar und für das Jahr 1932 eine passive Bilanz von 63 Millionen Dollar zu verzeichnen. Die Zahlungsbilanz aller Länder mit einer stabilen Wahrung hatte sich damit innerhalb eines Jahres gewaltig verringert (-351 Millionen Dollar). Dagegen läßt sich für die neun Staaten, deren Wahrung sich in diesem Zeitraum verschlechtert hatte, eine "Besserung" der Bilanz um 534 Millionen Dollar feststellen. Fast alle diese Staaten- mit Ausnahme von Indien -konnten den defizitären Charakter ihrer Zahlungsbilanz erheblich verringern; der Gesamtbetrag der Zahlungsbilanzen blieb aber trotzdem im negativen Bereich (-238 Millionen Dollar). Damit bestand kein Zweifel, daß die Abwertungstendenzen gewisser Staaten seit dem Herbst 1931 einen positiven Einfluß auf die Handels- und Zahlungsbilanz hatten.550 Von seitender ICC wurde aber auf der Verwaltungsratssitzung vom Oktober 1931 vor allem die inflationären Gefahren betont, die sich durch Wahrungsahwertungen verstärken würden. Nach Auffassung der Kammer konnten gestiegene Importpreise zu höheren Lohnforderungen führen, welche wiederum die Unternehmer aus Profitgründen zu Preiserhöhungen veranlassen würden.551 Bezeichnenderweise wurde die Auffassung der Internationalen Handelskammer, daß Wahrungsahwertungen automatisch mit inflationären Tendenzen einhergehen müßten, sogar aus ihren eigenen Reihen bestritten. James A.Farrell versuchte 1933 das Gegenteil zu beweisen: Seiner Meinung nach sei beispielsweise in Großbritannien die Wahrung zwischen September 1931 und Juni 1932 um 25,1% gefallen, wohingegen der Preisindex nicht angestiegen, sondern eher sogar um 1,1% zurückgegangen sei.m Anband von mehreren Länderbeispielen versuchte Farren nachzuweisen, daß eine Wahrungsahwertung nicht zwangsweise mit inflationären Entwicklungen verbunden war. Es gilt in der neueren Forschung als erwiesen, daß Wahrungsahwertungen den inflationären Druck verstärkei1. 553 In den dreißiger Jahren war aber eher die Deflation sso Internationale Wirtschaft 1 (1934), S. 8. m "Unless the countfies concemed conduct their affairs with great prudence and self-restraint there is great danger that exchange depreciation will Iead to a new era of monetary and credit inflation." Zitiert nach: New York Herald Tribune vom 24. Oktober 1931, in: NA II, Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. m Statement of Jarnes A. Farrell, in: NA I, Hearings Before a Subcommittee of the Committee on Ways and Means House of Representatives. Equalization of Tariff Duties by Compensating for Depreciation of Foreign Currencies, 72d Congress, 2d Session on H. R. 1399, Washington D. C. 1933, S. 94. m Haber/er, Weltwirtschaft, S. 243. 13 Rosengarten

194

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

und nicht die Inflation das entscheidende Hindernis für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Angesichts dieser Tatsache und dem allgemeinen Streben nach Preissteigerungen ist es eher überraschend, daß die Internationale Handelskammer Wahrungsahwertungen aus inflationären Gründen ablehnte. Im März 1934 erklärte die Internationale Handelskammer, daß der Zeitpunkt für eine Wahrungsreform günstig sei. Als Gründe nannte sie die verhältnismäßige Stabilität der Wahrungen, das erstmalig seit Beginn der Krise wiederhergestellte Gleichgewicht zwischen Gestehungskosten und Verkaufspreisen und die merkliche Produktionssteigerung.554 Gleichzeitig bedauerte sie, daß die Regierungen nicht die Stabilisierungspläne der ICC für die Beseitigung der Wahrungsschwankungen energischer unterstützten. In einem Memorandum wurde angeregt, daß die Länder übereinkommen sollten, keine wesentlichen Veränderungen ihrer Devisenkurse ohne die Zustimmung anderer zuzulassen. Diesen Vorschlag hielt Theodor Emanuel Gregory, Berichterstatter des Wahrungsausschusses der Internationalen Handelskammer, in seinem Report an den Pariser Kongreß der Internationale Handelskammer um folgende Punkte für ergänzungsbedürftig: Er schlug nicht nur den Abschluß eines Wahrungsabkommens, sondern auch die Schaffung einer technischen Stelle vor, die mit der Befugnis ausgestattet werden sollte, über die Änderung der Devisenkurse zu entscheiden. Diese Funktion konnte entweder die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich oder ein internationaler Ausschuß von Sachverständigen übernehmen, der aus Vertretern der Zentralbanken, Schatzämter und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bestehen sollte.555 Als Vorbedingung für die Errichtung eines technischen Ausschusses nannte Gregory die Bereitschaft der Regierungen, auf gewisse Souveränitätsrechte zu verzichten. Zuletzt sollte eine neue Beziehung zwischen der Zahlungseinheit eines jeden Landes und dem Gold festgesetzt werden.556 In einem Bericht führender Wirtschaftsexperten an die Internationale Handelskammer wurde zu einer "Joint Declaration on Monetary Politics by the leading powers" geraten.557 Bereits auf dem Pariser Kongreß von 1935 hatte die Internationale Handelskammer den Abschluß eines vorläufigen "Wahrungswaffenstillstands" gefordert. Den Weg dorthin wollte sie mittels eines Abkommens zwischen den wichtigsten Wallrungen ebnen (Dollar-Sterling-Franc). Die Stabilisierung der Wallrungen sollte durch die Aufrechterhaltung bestimmter Paritäten und die Verwendung eines nationalen Wahrungsausgleichsfonds gesichert werden. Auf die Festle554 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Währungsprobleme, Drucksache Nr. 3, Pariser Kongreß 1935, S.l. 555 Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wurde explizit aus den Reihen der Internationalen Handelskammer unterstützt. So setzte sich beispielsweise Josiah Stamp vom britischen Nationalkomitee vehement für eine Stärkung der BIZ ein. Schloss, Bank, S. 31. SS6 Gregory, Wahrungsstabilisierung, S.6. 557 Report of the Committee of Experts submitted June 26, 1936 to the two Presidents of the Joint Committee, in: Joint Committee on the Improvement, S.402.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

195

gung der endgültigen Paritäten als ein Teil des währungspolitischen Stabilisierungsprozesses wurde während der Verhandlungen in Paris ein besonderer Nachdruck gelegt. Keinesfalls durfte nach Ansicht der Internationalen Handelskammer vom vereinbarten Umrechnungsverhältnis aus wirtschaftspolitischen Gründen abgewichen werden.558 Zur Durchführung der vorgeschlagenen Stabilisierungspolitik sollte zunächst jedes Land die bedrohte Währung - ohne sofortige Einlösung von Gold - bis zu einem bestimmten Betrag stützen können. Die Kammer schlug zu diesem Zweck im Jahre 1935 vor, einen zentralen Währungsausgleichsfonds bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu schaffen, der von allen Signatarstaaten bis zu einem bestimmten Betrag aufzufüllen sei.ss9 Professor Mlynarski machte für die instabilen Währungsbedingungen die Starrheit der Produktionskosten, die kurzfristigen Kapitalbewegungen und die Verschiebung der Goldvorräte verantwortlich. Die Stabilisierung der Wechselkurse hing seiner Meinung nach wegen der fehlenden Automatik, wie sie dem alten Goldstandard durch stützende Eingriffe von seiten der USA zugrunde lag, von einer ständigen Kreditvermittlung ab. 560 Deshalb schlug er vor, eine Art "Zentralfonds" zu gründen. Diese Rolle hätte seiner Meinung nach von dem Währungsausgleichsfonds übernommen werden können.s6t Erst im Juli 1944 wurde die Empfehlung der Internationalen Handelskammer von 1935 mit der Errichtung des Internationalen Währungsfonds verwirklicht. Ökonomen, wie z. B. Charles P. Kindleberger, kommen heutzutage den Forderungen der Internationalen Handelskammer sehr nahe, wenn sie die gemeinsame Stützung von Währungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise für nützlich gehalten hätten:

558 John B. Condliffe schränkt dagegen die kriserunildernde Wirkung eines Ausgleichsfonds ein: ,Jn the long run, therefore, equalization funds otfer an improved means of smoothing out temporary fluctuations in the exchange rates, but are powerless to remedy long-continued drains of funds (or inward movements of gold and foreign assets) resulting from disequilibra in the balances of payments." Im Falle einer unausgeglichenen Zahlungsbilanz zieht er eine Währungsabwertung vor. Condliffe, Reconstruction, S.237. ss9 Wirtschaftliches Denken und Wirtschaftliches Wollen. Betrachtungen zum Pariser Kongress der IHK, in: Internationale Wirtschaft 7 (1935), S.4. S60 Dazu führte Professor Mlynarski aus, daß der alte Goldstandard auf einigen einfachen "Spielregeln" beruhte. Hierzu gehörten die absolute Freiheit der Goldeinfuhr und -ausfuhr sowie die enge Übereinstimmung zwischen der Diskontpolitik der Notenbanken und den Schwankungen des Goldbestandes. Der alte Goldstandard hätte deshalb ganz automatisch stabilisierend gewirkt. Der Weltkrieg zerstörte das alte Währungssystem. Seitdem wurde der Goldstandard manipuliert. Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 65. 561 Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 66. Bereits im Jahre 1937 hatte sich Alberto Pirelli für eine international verankerte Währungsordnung mit einem Ausgleichsfonds ausgesprochen. Diese erforderte nicht nur die Durchsetzung gewisser technischer Vorbedingungen, sondern auch eine Summe von wirtschaftlichen Voraussetzungen. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R4311/324 a, S.25.

13•

196

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

"1 believe that if the runs on Austria, Germany, and Britain bad been halted by timely international help on a massive scale, the basic recuperative powers of competitive markets would have prevented the depression from going on so long and so deep."S62

Für die Stützung der deutschen Wahrung war die Hilfe von seitender BIZ Anfang der dreißiger Jahre zu gering; eine kooperative Aktion der bedeutendsten Zentralbanken kam zu spät. Der Kredit über 100 Millionen Dollar, der am 20. Juni 1931 von der Bank of England, der Banque de France, der Federal Reserve Bank of New York und der BIZ zur Verfügung gestellt worden war, konnte die deutsche Bankenkrise nicht verhindern.s6J Die zeitliche Begrenzung des Hoover Moratoriums trug nicht eben zur Erleichterung auf den internationalen Geldmärkten bei. Was fehlte, war ein frühzeitiger Versuch aller Zentralbanken oder eines "Lender of last resort", zugunsten der Reichsbank einzugreifen.s64 Es waren vor allem die divergierenden politischen Ziele der betroffenen Länder, die ein wirksames Vorgehen auf internationaler Basis verhinderten. Die Zentralbanken waren zu sehr mit der politischen Ebene verflochten, als daß sie effektive geldpolitische Entscheidungen zu treffen vermochten.565 Aus diesem Grunde begrüßte auch die Internationale Handelskammer das im September 1936 zwischen Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossene Wahrungsahkommen (Tripartite Wahrungspakt), dem später auch Belgien, die Niederlande und die Schweiz beitraten, als ein praktisches Verbindungsglied zwischen den drei Hauptwährungen. Die Haltung der Internationalen Handelskammer ist erstaunlich, da die Abwertung des französischen Franc, die das definitive Ende des restaurierten Goldstandards einleitete, vor dem Hintergrund des Abkommens als ein koordinierter Schritt der drei Vertragspartner erschien. Letztlich hatte die ICC aber das langfristige Ziel des Übereinkommens im Auge: Durch das Dreimächteabkommen wurde nämlich der Abwertungswettlauf zwischen den wichtigsten Wallrungen der Welt offiziell beendet. Die Teilnehmer vereinbarten, feste Paritäten zu setzen und Änderungen nicht ohne vorherige gegenseitige Konsultationen vorzunehmen. Die Vereinbarung beinhaltete somit eine gegenseitige Wechselkursgarantie für die Wallrungen der Vertragspartner, die sich S62 Kindleberger, World in Depression, S.XV. Vgl. auch Dona/d E.Moogridge, British Monetary Policy 1924-1931, Cambridge 1972. 563 Piet Clement, The Bank of International Settlementsand the 1931 Reichsbank Credit. Financial Crisis and European Politics, Vortrag gehalten am 18./19. Juni 1999 in Amsterdam, S. 2 (fortan zitiert als Clement, Bank of International Settlement). Siehe auch: James, World Central Bank S. 13. S64 Meyer, Bankers' Diplomacy, S.139. So auch H.Clark Johnson mit Bezug auf die deutsche Diskontsatzpolitik: H. Clark Johnson, Gold, France, and the Great Depression, 1919-1932, New Haven 1997, S.5 (fortan zitiert als Johnson, Gold). Nach Kindleberger hätte die Krise durch die Schaffung eines ,,Lender of last resort" geheilt werden können. Kind/eberger, Weltwirtschaftskrise, S. 304/305. So auch Wolfram Fischer: Wolfram Fischer, Die Weltwirtschaft braucht einen ,,Lender of last resort", in: Handelsblatt vom 8. Dezember 1998, S. 49. S65 C/ement, Bank of International Settlement, S.14/15.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

197

allerdings die Möglichkeit einer Kündigung mit einer Frist von 24 Stunden vorbehielten. Der Tripartite-Währungspakt (fripartite Monetary Agreement) war nicht nur eine Art ,,Burgfrieden" zwischen Großbritannien, Frankreich und den USA, sondern stellte auch eine Art politischen "Embryo" für das Bretton-Woods-System dar. 566 Die Internationale Handelskammer beurteilte das Übereinkommen eher als "palliative" (Linderungsmittel) denn als wirkliche "eure" (Heilmittel) für die Weltwirtschaftskrise.567 Sie empfahl daher den vertragschließenden Regierungen, die gegenwärtige Zusammenarbeit noch zu verstärken, um auch weiterhin stabile wirtschaftspolitische Verhältnisse ohne Währungsabwertungen garantieren zu können. Der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer bezog sich auf das "Tripartite Agreement", als er am 16. Oktober 1936 für eine allmähliche Anpassung der nationalen Wallrungen an angemessene Paritäten plädierte: "Eine solche Anpassung sollte dadurch erleichtert werden, daß die finanziell günstig gestellten Länder den Ländern, die eine Abwertung vornehmen wollen, Zusicherungen gemäß dem internationalen Abkommen vom 26. September 1936 geben. " 568 Der Verwaltungsrat stellte zudem die Forderung auf, eine grundsätzliche währungspolitische Verständigung zwischen den Großmächten über den Verzicht auf eine Abwertung zum Zweck des internationalen Wettbewerbs, die Sicherung und Ausdehnung der Stabilität der Wechselkurse, die Ausschaltung der saisonmäßigen Wahrungsschwankungen und den möglichst raschen Übergang zu einem stabileren System zu erreichen. 569 Zudem arbeitete die Internationale Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise einen Entwurf aus, in dem sie für einen "wahrheitsgemäßen" Zinssatz plädierte. Die Regierungen sollten die nationalen Zentralbanken dazu ermächtigen, ein Register über die Zinssätze zu erstellen. Die ICC schlug zudem die Zusammenarbeit der wichtigsten Zentralbanken vor. Dabei handelte es sich vor allem darum, eine größtmögliche Übereinstimmung in allen währungspolitischen Fragen zu erreichen. Durch einen niedrigen Diskontsatz und die Sicherung der Kaufkraft der Zentralhanken auf dem Geldmarkt hoffte die Internationale Handelskammer "to make and keep money cheap". 570 Die Krise wurde als derart akut bewertet, Frühbrodt/Holtfrerich, Die Neugestaltung der US-Wirtschaftspolitik, S. 31 . ASO: BIB 44, Document No. 6656, Committee on Monetary Policy and Credit. Analysis of the Main Proposals Made by Committee Members in Reply to the Questionnaire on the FinancialSectionofMr. Paul vanZeeland's Report, prepared by Mr. V.Del Rio, 14.10.1938, S.2. 368 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 30. 569 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 30. 570 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 11/327, S. 12. Die Zusammenarbeit der Zentralbanken sollte regelmäßige Zusammenkünfte, einen ständigen Informationsaustausch, gemeinschaftliche Beratungen und gemeinsame Erörterungen umfassen. Ihr kam unter dem Gesichtspunkt der Stabilisierung der Währungen zur Zeit der Weltwirtschaftskrise eine besondere Bedeutung zu. Der Präsident der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Leon Fraser, charakerisierte 1934 die Regelung des Geld- und Kreditvolumens als die wesentliche Aufgabe einer Zentralbank. Weitere Ziele waren die Verringerung von Schwankungen in der 566 367

198

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

"that the principal Governments should agree with one another upon a policy of legislating for the application to all existing fixed interest obligations of a percentage reduction, based upon the fall in prices of goods, as ascertained by an index number, comparing the Ievel of prices in a base period, say, 1929 with that of to-day. "571

Dieser Vorschlag wurde von der Mehrheit der Mitglieder abgelehnt, wahrscheinlich weil er eine Offenlegung des tatsächlichen Kapitalangebots, der Sparvermögen öffentlicher und privater Geldgeber, nach sich gezogen hätte. sn In der heutigen Forschung wird nicht ausgeschlossen, daß die Geldpolitik der Zentralbanken, besonders der Federal Reserve Bank, die Weltwirtschaftskrise eindeutig verschärfte, da sie die Zinsen hoch hielten oder gar erhöhten, statt sie zu senken.573 Eine einheitliche Herabsetzung des realen Diskontsatzes hätte zu einer Geldmengenexpansion geführt, die ein entscheidender Stimulus für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gewesen wäre. Die Zentralbanken besaßen damit ein entscheidendes Mittel, um zu einer Linderung der Krise beizutragen; sie nutzten es aber nicht.574 "This failed to prevent rapid escalation of the central European Crisis that had begun with the failure of the Credit Anstalt," folgert daraus R. S. Sayers.m Vor allem die US-Notenbank verpaßte 1929 die Chance, zur Milderung der Krise beizutragen. Sie sah zunächst nur tatenlos zu, als Verbraucher, Banken und Unternehmen im In- und Ausland nach dem Oktober-Crash im Jahre 1929 in Liquiditätsengpässe gerieten. Nicht umsonst zog daraus der MIT-Ökonom Paul Krugman seine Lehren: Er plädiert für Zinssenkungen und warnt vor einem "monetären Puritanismus" vonseitender Zentralbanken.s76 Vor dem Ausbruch der "Großen Depression" war der Leitzinssatz überdurchschnittlich hoch. Eine unmittelbare Senkung nicht nur des nominalen, sondern vor Wirtschaftstätigkeit und die Erhaltung eines stabilen Preisniveaus. Darüber hinaus sollte die Stabilität des internationalen Werts der Landeswährung gesichert werden. Solange sich allerdings die für die amerikanische Währung verantwortlichen Stellen von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich femhielten, sollte eine wesentliche Lücke in der Grundlage für die Zusammenarbeit der Zentralbanken bestehen bleiben. Leon Fraser, Was bedeutet Zusammenarbeit der Zentralbanken?, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S.19-21. m Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R4311/327, S.12. 572 Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 71. 573 Wolfram Fischer, Die Weltwirtschaft braucht einen "Lender of last resort", in: Handelsblatt vom 8. Dezember 1998, S.49. 574 Diese Idee wurde dann beispielsweise von Montagu Norman, Governor der Bank ofEngland, aufgegriffen. Siehe Erin E.Jacobsson, A Life for Sound Money. Per Jacobsson. His Bibliography, Oxford 1979, S. 108. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise empfahl auch J. M. Keynes, die Zinsen zu senken. Er war der Ansicht, daß danach wieder ein Aufschwung möglich sei. PRO/CAB/58/150, S. 75. 575 Sayers, Bank, S. 389. 516 Zitiert nach: Große Depression. Sündenbock Wirtschaftspolitik, in: Wirtschaftswoche vom 8. Oktober 1998, S. 28. Vor einer monetären Bremse der Bundesbank warnen auch CarlLudwig Holtfrerich/Gerhard Maier-Rigaud, in: Die monetäre Bremse an der europäischen Jobmaschine, in: Handelsblatt vom 4. Juni 1998, S. 25.

III. Wahrungs- und finanzpolitische Empfehlungen

199

allem auch des realen Zinssatzes wäre für die Förderung von Investitionen und den Abbau der Arbeitslosigkeit von Vorteil gewesen. Sie hätte aber kein Ad-hoc-Mittel zur Beseitigung der Krise dargestellt, da sich ihre realwirtschaftlichen Wirkungen erst auf langer Frist hätten entfalten können. Geldpolitische Mittel wirken nicht unmittelbar: "It is generally conceded that monetary variables, both quantity and interest rate, operate with fairly long lags."577 Zudem kam noch erschwerend hinzu, daß durch die Abschottung der Märkte in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ein erhebliches Nachfragepotential verloren ging. Da die Investitionsentscheidungen der Unternehmer in starkem Maße von Gewinnerwartungen abhängen, kann es nicht als gesichert gelten, daß im Zuge eines zunehmenden Protektionismus sinkende Zinsen eine erweiterte Kreditnachfrage zur Finanzierung von Investitionen bewirkt hätten. Damit wird offenbar, daß es für eine Milderung der Weltwirtschaftskrise nicht ausgereicht hätte, allein "billiges Geld" bereitzustellen. Es mußten auch die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Gewinnerwarrungen v. a. der exportorientierten Unternehmer zu steigern.

3. Wiederherstellung der Preisstabilität Eine besondere Bedeutung in der Zeit der Weltwirtschaftskrise kam dem sinkenden Preisniveau (Deflation) zu. Nicht nur in den USA und Deutschland, sondern auch in Frankreich und Großbritannien sanken die Preise. In den Jahren 1930 bis 1933 gingen die amerikanischen, britischen, deutschen und französischen Großhandelspreise stark zurück.578 Peter Temin betrachtet die Wirtschaft in der Zeit der Weltwirtschaftskrise daher als ein "subject to major defiationary shocks".579 In einer Studie mit dem Titel "Das Niveau der Preise und die Ursachen, die es beeinflussen", beschrieb der ehemalige Finanzminister des Deutschen Reiches, Bemhard Demburg, für die Internationale Handelskammer die Ursachen der Deflation von 1930. Die Preisbewegung auf den Weltmärkten führte Demburg auf langfristige (säkulare) und kurzfristige (zyklische) Faktoren zurück. Unter "säkulare Faktoren" für die Preissenkung fielen seiner Meinung nach: der technische Fortschritt, z. B. in der Kupferproduktion, die Steigerung der Weltagrarund Rohstoffproduktion und die hierdurch ausgelöste Weltagrarkrise, die beschleunigte Industrialisierung, die Zerrüttung der Finanzen und die Steigerung des m Fleisig, United States, S.l56. Die Auswirkungen von Zinsveränderungen auf das Nationaleinkommen machen sich etwa erst nach einem Jahr bemerkbar. So: M. E. Falkus, The German Business Cycle in the 1920's, in: The Economic History Review 28 (1975), S.451. 578 B.R. Mitchell, International Historical Statistics. Europe 1750-1988, New York 19923, S. 841/42 (fortan zitiert als Mitchell, Historical Statistics/Europe). B. R. Mitehe II, International Historical Statistics. The Americas 1750-1988, New York 19932, S. 691 (fortan zitiert als Mitchell, Historical Statistics/Americas). Vgl. auch Hall!Ferguson, Great Depression, S. 95. 579 Temin, Lessons, S. 6.

200

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Zinsniveaus. Außerdem zählte er den geringen Bevölkerungswachstum zu den Ursachen.580 Bei den "zyklischen Faktoren" stand nach Demburg die Weltagrarkrise an der Spitze. Die Agrar- und Rohstoffländer versuchten, dem Preisdruck auszuweichen, indem sie zollpolitische Maßnahmen einleiteten. Dies wiederum hätte eine Störung des Absatzes bewirkt und zum Preissturz geführt. Die Schrumpfung der Produktion, in Deutschland betrug sie etwa 20% und in den Vereinigten Staaten 15-18% des Sozialprodukts, hätte starke Auswirkungen auf die Staatsfinanzen gehabt, indem sie einen Rückgang der Zoll- und Steuereinnahmen bewirkte.SSI Demburg zeigte einen Krisenmechanismus auf, der von der Schrumpfung der Kapitalbildung und einer verminderten Rendite der Industrie über eine Senkung der Aktienkurse zu einer Kredit- und Vertrauenskrise führte. Die Folge war eine Schrumpfung der Weltproduktion auf einer niedrigeren Preisbasis. Den Sturz der Weltmarktpreise hatte nach Demburg nicht die allgemeine Goldknappheit verursacht, denn für die in der Weltwirtschaft monetär verwandten Goldbestände wies er einen kontinuierlichen Anstieg von 43,3 Milliarden Reichsmark im Jahre 1925 bis zu 49,7 Milliarden im Jahre 1930 nach. Das Problem sah er weniger in der Menge des verfügbaren Goldes, als in seiner Verteilung (vgl. Tabelle 14). Tabelle 14 Die Goldbestände der Welt 1928-1930 (in Mrd. Reichsmark) USA und Frankreich

übrige Welt

Jahr

insgesamt

Mrd.

v.H.

Mrd.

v.H.

1928

47,4

22,6

47,8%

24,8

52,2%

1929

48,3

24,8

51,4%

23,5

48,6%

1930

50,0

27,4

54,8%

22,6

45,2%

Quelle: Dernburg, Niveau der Preise, S. 13.

Tabelle 14 zeigt, daß sich seit 1929 über die Hälfte der weltweiten Goldbestände auf die beiden Länder Frankreich und die USA konzentrierte. Ihr Anteil am monetären Goldbestand der Weltwirtschaft stieg von 47,8% im Jahre 1928 auf 54,8% im Jahre 1930. Die Umschichtung zugunsten Frankreichs und der USA ging auf Kosten der übrigen Welt: Die Goldbestände der beiden "Hauptgoldbesitzer" hatten sich um 4, 8 Milliarden Reichsmark erhöht, die der restlichen Länder um 2, 2 Milliarden ' 80 Bernhard Dernburg, Das Niveau der Preise und die Ursachen, die es beeinflussen, Drucksache Nr. 11, Washingtoner Kongreß 1931, S. 9-11 (fortan zitiert als Demburg, Niveau der Preise). sst Dernburg, Niveau der Preise, S. 9-10.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

201

Reichsmark vermindert. 582 Aus der Sicht der Internationalen Handelskammer beeinflußten die von den Ländern gehaltenen Vorräte an Gold die Verteilung der internationalen Kredite. Gustav Cassel, Berater der schwedischen Landesgruppe, betonte auf dem Amsterdamer Kongreß der Internationalen Handelskammer im Juli 1929, daß die Stabilisierung des Goldwerts für den internationalen Handel wichtig sei. Im Gegensatz zu Demburg behauptete er, daß seit dem Kriege ein Goldmangel bestünde, den es zu beseitigen gelte. Er schlug vor, Maßnahmen zu ergreifen, damit das in beschränktem Umfang zur Verfügung stehende Gold ausreiche, um den Bedürfnissen der Weltwirtschaft nach Zahlungsmitteln zu genügen. Er empfahl die Abschaffung der Benutzung von Gold als Zahlungsmittel und die Herabsetzung der den Zentralbanken vorgeschriebenen Quoten zur Deckung ihrer Banknoten und Sichtverbindlichkeiten in Gold. Dadurch erhoffte er sich eine gewisse Abschwächung der Nachfrage nach Gold. Cassel forderte eine internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf die Geldpolitik. Wenn die Staaten aber auf der Unabhängigkeit ihrer Währungspolitik bestehen würden, sah er heftige Schwankungen bei der Goldnachfrage und bei den Diskontsätzen, eine Senkung des Preisniveaus und eine wirtschaftliche Depression in der ganzen Welt voraus.S83 Seine Prognosen sollten sich bewahrheiten, denn "the central bankers disagreed continually about the way in which the international financial system should operate and usually gave priority to domestic objectives over extemal ones".S84 Stabile Preise bildeten nach Auffassung der Internationalen Handelskammer die Vorbedingung zur Schaffung gesunder Wirtschaftsverhältnisse. Sie konnten insofern zu einer Krisenmilderung beitragen, als sie eine Erhöhung der spezifischen Zölle verhindert hätten. Dadurch wäre die Gefahr ansteigender Zollbarrieren beseitigt worden, ohne daß dazu komplizierte Schritte von seiten der Gesetzgebung vonnöten gewesen wären. Im Jahre 1929 betrafen die spezifischen Zölle 52% der zollpflichtigen Einfuhren in die USA.585 In diesem Zusammenhang hätten stabile Preise eine Erhöhung der amerikanischen Zollschranken verhindem können. Für eine Zunahme des internationalen Handelsaustauschs und die Entwicklung der Weltkonjunktur wäre dies sicherlich von Vorteil gewesen. Ein stabiles Preisniveau hätte auch einen erneuten Anreiz für Investitionen geschaffen. Aufgrund des fallenden Preisniveaus in der Zeit der Weltwirtschaftskrise empfahl die Internationale Handelskammer im Oktober 1932 folglich erst einmal, das geDernburg, Niveau der Preise, S. l3. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Sitzungen und Arbeiten des Kongresses Amsterdam Juli 1929, in: Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S. 134. 584 Clarke, Central Bank, S. 29. 585 1930-31 sank der Anteil auf 48,6 %. United States Tariff Commission (Hrsg.), Regulation of Duties to Value of Imports, 72d Congress, 1st Session, Senate Document No. 91, Washington D.C. 1932, S.l2. 582 583

202

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

samte Preisniveau zu erhöhen. Geldpolitische Maßnahmen würden diesem Ziel ihrer Ansicht nach keineswegs dienen: "Der Rat glaubt, daß jeder Versuch, der rein geldpolitisch ausgerichtet ist, ungeeignet ist, die Preise zu erhöhen; besonders die künstliche Ausweitung des umlaufenden Geldes kann nicht zum gewünschten Ziel führen."586

Auch eine staatliche Interventionspolitik würde die Anpassung der Preise nach Ansicht der ICC nur erschweren. Georges Theunis bezeichnete daher die staatlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Preise als einen "unentschuldbaren Fehler'', der die Krise nur herausgeschoben und verlagert hätte.587 Statt dessen propagierte die ICC die Anwendung von selbst auferlegten Produktionsbeschränkungen, wenn das Angebot die Nachfrage überschreiten würde.588 Im Falle der Überproduktion sah die Internationale Handelskammer zudem die Notwendigkeit, durch die Maschinerie der Kartelle auf die Unternehmen Druck auszuüben.ss9 Die Kartelle wirkten aber nicht nur mäßigend auf die Produktion. Der Völkerbund hat in einer Studie "Les Mouvements des Prix 1929-1933" (Genf 1933) nachgewiesen, daß ,,kartellierte" Preise im Zuge der "Großen Depression" weniger gesunken waren als "freie" Preise. Die Situation in Deutschland wurde dabei als Beweis herangezogen: Wahrend die "freien" Preise 1933 im Vergleich zu 1929 um 55% gesunken waren, wiesen die ,,kartellierten" Preise für den gleichen Zeitraum nur einen Rückgang von 20% auf. 590 In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, daß eine Beschränkung des Outputs den speziellen Interessen der Geschäftswelt eher entsprach als die Expansion der Geldmenge, die nicht nur die Preise, sondern auch die Löhne und andere Kosten hätte heben können. Von einer Verbesserung der Terms of Trade für kartellisierte Produkte versprach sich die ICC höhere Gewinne für die Unternehmer.

SM Im Original heißt es: ,,Le Conseil estirne que toute tentative d 'ordre purernent rnon6taire est inapte i\ faire rernonter les prix; en particulier 1' augrnentation artificielle de la circulation rnon6taire ne peut aboutir au resultat desire." ASO: BIB 43, Docurnent No.4940, Projet de Declaration du Conseil de la Charnbre de Cornrnerce Internationale, 19 Octobre 1932, S. 3. 587 Internationale Handelskammer, Ansprache von Georges Theunis 1931, S. 28. 588 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Offizieller Sitzungsbericht des Siebten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, in: Internationale Wirtschaft 7 (1933), S. 10. Eine Ausnahme bildete W. H. Coates vorn britischen Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer. Er versprach sich von der Geldpolitik erhebliche Möglichkeiten zur Milderung der Krise. Monetäre Maßnahmen sollten eine Neubewertung der Preise einleiten. HP: Docurnent No. 4897, XXXVIIIth Meeting of the Council,June 24th 1932, S. 3/4. Gleichzeitig wies Coates aber auch auf das Problem eines time-lag hin, das jede wirtschaftspolitische Maßnahme nach sich ziehen würde. In einem Brief an Owen Iones schrieb er arn 5. Oktober 1931: "The basic trouble is the time lag between the date of taking action and the date when the consequential adjustrnents will produce their effects." ASO: BIB 43, Brief von W. H. Coates an Owen Jones vorn 5. Oktober 1931. 589 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 11/327, S.13. 590 AD B-Inforrnation Econornique 34, S. 36.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

203

Die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise stehen damit im Gegensatz zu den Verfechtern einer adäquaten Geldpolitik in Zeiten der Krise.591 Vor allem Milton Friedman und Anna Schwartz messen den Veränderungen der Geldmenge eine entscheidende Bedeutung für die Milderung der Weltwirtschaftskrise bei.592 In dieser Haltung werden sie von Allan H. Meltzer unterstützt: "A moreexpansive monetary policy in the fall of 1929, after the recession was recognized, and in 1930 would have limited the decline. " 593 Friedman und Schwartz gestehen der Offenmarktpolitik eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung der Geldmenge zu.S94 Zweifel an der Wirksamkeit der Geldpolitik als das entscheidende Mittel zur Milderung der Krise bestehen in der neueren Forschung: "Contemporary explanations of Britain's recovery emphasized the importance of cheap money, despite the now general scepticism of its effectiveness in a depression."595 591 Siehe: Eichengreen, Golden Fetters; Friedman!Schwartz, Monetary History; Temin, Monetary; Temin, Lessons. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise machten bedeutende Ökonomen wie Ludwig von Mises auf monetäre Instrumente aufmerksam: "Only in a country where the banks of issue pursue a policy whereby the rate of interest is artificially reduced below the rate fixed on the open Credit Market - in other words, where inflation is practised - can the rates of exchange rise without their increase automatically strangling importation and furthering exportation, and thereby creating a tendency on the Exchange Market to bring down the exchange rate to its former Ievel." ASO: BIB 42, Vienna F.I.C. No. 3, The Return to a Free Foreign Exchange Market, S. 2/3. 592 Friedman/Schwartz, Monetary History, S. 301. Die Krise hätte ihrer Meinung nach durch die ,,richtige" Geldpolitik des Federal Reserve Board verhindert werden können. Sie berufen sich dabei auf den Ausspruch des Abgeordneten A.J. Sabath aus Illinois. Im Rahmen von Hearings vor dem House Banking and Currency Committee sagte er am 6. Januar 1932: •.I insist it is within the power of the Federal Reserve Board to relieve the financial and commercial distress." Zitiert nach Friedman!Schwartz, Monetary History, S. 309. Hervorhebung durch die Verfasserin. Kindleberger hält Friedmans Lösungsweg für falsch. Seiner Meinung nach hätte es eine Große Depression auch bei einer perfekten Geldpolitik oder einer in den USA optimal wachsenden Geldmenge gegeben. Kindleberger, Weltwirtschaftskrise, S.l8. Daß eine Erhöhung der Geldmenge, die Krise hätte verhindem können, wurde auch von Christian SaintEtienne teilweise bestritten. Er weist- ohne jedoch irgendwelche Quellen aufzuzeigen- nach, daß die Geldmenge (MI und M2) in den USA vom Januar 1928 bis Aprill930 nahezu unverändert geblieben und nur im März 1931 ruckläufig gewesen war. Jedoch gibt er zu, daß eine Stabilisierung der Geldmenge das Ausmaß der Krise begrenzt hätte. Saint-Etienne, Depression, S. 20/21. 593 Trotzdem übersieht Meltzer aber nicht die Bedeutung der Zollpolitika la Smoot-Hawley. Meltzer, Comments, S. 149/152. Auch Robert J. Gordon und James A. Wilcox sehen in einer ,,monetary and fiscal expansion" das entscheidende Mittel zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise. Gordon!Wilcox, Monetarist Interpretations, S. 97. 594 Diese Ansicht vertrat John Maynard Keynes bereits dreißig Jahre ftüher. Siehe neue Auflage von lohn Maynard Keynes, A Treatise on Money, (The Collected Writings of John Maynard Keynes Volume VI), London 1971, S. 224-32 und 331-35. Vgl. auch Johnson, Gold, S. 158. Kindleberger ist der Überzeugung, daß Offenmarkt-Käufe von 1 Milliarde Dollar im Frohjahr 1930 zu einer Milderung der Krise beigetragen hätten. Kindleberger, Weltwirtschaftskrise, S. 143. 595 Richardson, Economic Recovery, S. 184.

204

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

In den USA wurde erst relativ spät eine Politik des billigen Geldes betrieben.596 Die geringe Wirkung einer Zinspolitik auf die Realwirtschaft führt Peter Temin auf mögliche Störfaktoren im Transmissionsprozeß zurück.597 Zudem sieht er das Problem geldpolitischer Mittel in dem Vorhandensein eines time-lag von mindestens einem halben Jahr bei der Übertragung der Effekte. So schreibt er: "lt is universally agreed that changes in the quantity of money affect the real economy with a lag of half a year or more and that interest rates follow a well-defined path in the interim."598 Er bevorzugt daher solche Mittel zur Krisenbekämpfung, die möglichst schnell wirken.s99 In seiner Analyse spart Temin die Unterscheidung zwischen Nominal- und Realzinsen aus. 600 Er hat in seinen Überlegungen jedoch nicht berücksichtigt, daß sich die Binnennachfrage eher an Real- als an Nominalzinsen orientiert. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise konnte die Senkung der Nominalzinsen nur schwerlich mit dem Preisrückgang Schritt halten. Während also die Nominalzinsen in den USA rapide zurückgeschraubt wurden, hatte der Effekt auf die Realzinsen wegen deflationärer Tendenzen nicht das gleiche Ausmaß.601 Während die Nominalzinsen sanken, konnten die Realzinsen sogar zunehmen, wenn der Preisrückgang die Zinssenkung überstieg. Desweiteren geht Temin nicht auf die Bankenzusammenbrüche in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ein und vernachlässigt, daß es letztlich die Banken sind, die über eine Kreditvergabe entscheiden. D. h. wenn die Banken kein Geld verleihen wollen, kann auch ein offizieller Zinssatz auf einem niedrigeren Niveau dem Liquiditätsmangel nicht abhelfen. Dietarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse waren meines Erachtens für die Dauer und das Ausmaß der Krise entscheidender. Die vornehmliehe Bedeutung rückläufiger Außenhandelsbeziehungen für die Weltwirtschaftskrise wird auch von Christian Saint-Etienne gesehen: "Der Zusammenbruch des Welthandels- gemes596 Friedman/Schwartz, Monetary History, S. 304, 341. Für die Wertpapiere unterscheidet Allan H. Meltzer zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsraten. Seinen Angaben zufolge betrug die langfristige Zinsrate 1930 4, 0% und die kurzfristige Zinsrate 3, 6%. Seit 1935 lagen die Zinsen für kurzfristige Anlagen sogar unter 1 %, während die langfristigen Zinsen die 2 %-Marge nicht unterschritten. Interessant ist, daß beide Zinsarten 1932 kurzweilig einen Anstieg verzeichneten, d. h. zu einem Zeitpunkt, als die Krise ihren absoluten Tiefpunkt erreichte. Meltzer, Comments, S. 154. 597 Peter Temin, Notes on the Causes of the Great Depression, in: Brunner, Great Depression, S. 121 (fortan zitiert als Temin, Notes). 598 Temin, Notes, S. 119. 599 Temin, Notes, S, 121. 600 In der Literatur wird den Beamten des Federal Reserve Board vorgeworfen, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht zwischen Nominal- und Realzins unterschieden zu haben. Eichengreen, Averting, S.16, Anm. 14. Vgl. auch: Meltzer, Monetary, S. 468. 601 Es sind aber gerade diese deflationären Tendenzen, die Ternin für das Jahr 1930 abstreitet. "We conclude, therefore, that there is no evidence that the banking panic of 1930 had a detiationary impact on the economy." Temin, Monetary, S. 137.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

205

sen am Wert - setzte daher schon zum größten Teil vor dem monetären Zusammenbruch 1932-1933 ein."602 Das Ausmaß eines abnehmenden Welthandels überstieg bei weitem den Umfang einer reduzierten US-Geldmenge M2. Die durch Multiplikatoreneffekte verstärkte langandauernden Auswirkungen auf die Weltwirtschaftskrise gingen daher größtenteils vom Gütermarkt aus. Ansätze zur Milderung der Krise mußten daher eher vom realen Sektor ausgehen. Nach monetaristischen Vorstellungen hat eine Variation der Geldmenge zudem auch nur kurzfristige Wirkungen auf die realen Größen der Volkswirtschaft: So kann etwa eine Geldmengenerhöhung über Preissteigerungen und eine Senkung des Reallohns zunächst eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften zur Folge haben. Langfristig habe sie aber nur eine inflationäre Wirkung, da die Preissteigerungsrate nach einiger Zeit von den Arbeitnehmern realisiert werden würde. Diese würden daraufhin ihre Lohnforderungen erhöhen.603 In der Internationalen Handelskammer gab es einen führenden Protagonisten, der geldpolitische Instrumente befürwortete, nämlich W. H. Coates vom britischen Nationalkomitee.604 Mit der Auffassung, daß die Geldpolitik ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Preisverfalls sei, widersprach er sogar der Meinung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer.605 Auf der Sitzung des Verwaltungsrats vom 24. Juni 1932 spezifizierte Coates seine Ideen: Indem er einen negativen Zusammenhang (negatives trade-off) zwischen den beiden Größen Zinsniveau und Preisindex voraussetzte, trat er vehement für eine Senkung des Diskontsatzes ein.606 Er ging damit in seinen Überlegungen bereits von Realzinsen aus, die ja im Zuge des krisenbedingten Preisverfalls gestiegen waren.61J7 602 Im Original heißt es: "La chute du commerce mondial en valeur etait donc en grande partie effective avant l'effondrement monetaire de 1932-1933." Christian Saint-Etienne, L'Etat Fran~ais face aux Crises Economiques du XXe Siecle, Paris 1985, S.18 (fortan zitiert als SaintEtienne, L'Etat). 603 Die Existenz eines langfristigen "trade-off" zwischen der Preisniveauerhöhungsrate und dem Beschäftigungsgrad (Phillips-Kurve) wird damit bestritten. 604 Siehe auch lrving Fisher, 100% Money, New Haven 19453, S. 218 (fortan zitiert als Fisher, 100% Money). Im Hinblick auf die entscheidende ~olle der Zentralbanken für eine adäquate Geldpolitik in der Zeit der Weltwirtschaftskrise,siehe: Ralph G. Hawtrey, The Art of Centtal Banking, London 1962 (fortan zitiert als Hawtrey, Centtal Banking). 60' Wie die Internationale Handelskammer sah der Völkerbund in einer reinen Geldpolitik kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Krise: "Moreover, the purely monetary action within the scope of central banking, including particularly the regulation of interest rates, was usually more effective in checking an expansion than in stimulating recovery from depression." League of Nations, Currency Experience, 5.106. 606 HP: Document No. 4897, XXXVIIIth Meeting of the Council, 24th June 1932, S. 4. Joseph A. Schumpeter bezweifelt den Glauben an die Leistungsfähigkeit des Diskontsatzes. Er stellt die Einflüsse in Frage, welche der Diskontsatz auf fremde Wechselkurse und Goldbewegungen ausüben könnte. Jospeh A. Schumpeter, Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses, Bd.2, Göttingen 1961, S.693. 607 Nicht unterschieden wurde damals zwischen lang- und kurzfristigen Realzinsen. Im Unterschied dazu siehe: Heiner Flassbeck, Weltweite Detlationsgefahr: Rasche Zinssenkung in

206

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Coates' Gedankengang war folgender: Eine Zinssenkung würde über eine Ausweitung der Geldmenge zu einem Anstieg des Preisniveaus führen.608 Gleichzeitig wären dann natürlich auch die Realzinsen gesunken, was über eine Zunahme der Investitionen zu einer Belebung der Binnennachfrage geführt hätte. Sie wäre damit das einzige wirkungsvolle Gegengewicht zu einem weltweiten Nachfrageeinbruch gewesen. 609 Ein Rückgang der Zinsen hätte zudem auch die Kurse für Reichsanleihen stark ansteigen lassen. Die Bereitschaft der privaten Kapitalanbieter, dem Reich - wenn auch zu einem niedrigeren Zins - Kredite zu geben, hätte dadurch sicherlich drastisch erhöht werden können. Einer Verringerung der Geldmenge, wie sie z. B. im Deutschland bestand, hätte von seiten der Reichsbank folglich mit einer expansiven Geldpolitik entgegengesteuert werden können. Damit propagierte Coates bereits in den dreißiger Jahren weitreichende Ideen, welche erst in den siebziger Jahren mit den Monetaristen Milton Friedman und Anna Schwartz an Popularität gewannen. In der Internationalen Handelskammer stießen Coates' Empfehlungen auf Ablehnung. Gino Olivetti vom italienischen Nationalkomitee äußerte seine Zweifel "to the possibility of adjusting interest rates to the price index".6lo Auch Georges Theunis, Ehrenpäsident der Internationalen Handelskammer, urteilte scharf, als er auf Coates' Vorschläge mit seinem "utter disagreement" reagierte.611 Europa erforderlich, in: Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 36 (1998), S. 660-665 (fortan zitiert als Flassbeck, Deflationsgefahr). 608 HP: Document No.4897, XXXVI11th Meeting ofthe Council, 24th June 1932, S.4. J.H. Rogers kritisiert sogar explizit die zurückhaltende Politik der Zentralbanken, vor allem des Federal Reserve Board, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise: "lt is contended with much force that in periods like the present one, thesecentrat institutions must either use their great 'open-market' powers to arrest damaging price declines, or eise must face highly deserved criticism." J.H. Rogers, America Weighs Her Gold, Yale 1931, S. 209. Nach Ansicht von Irving Fisher war eine Anpassung des Preisniveaus aber nur möglich, wenn sich die Währung zuvor vom Goldstandard gelöst hatte. Fisher, 100% Money, S. 133. Über die Vorteile einer Aufgabe der Goldbindung zur Krisenmilderung durch Veränderung des Preisniveaus. Siehe auch: Ralph G. Hawtrey, The Gold Standard in Theory and Practice, London 1933, S.208: ,,But the essential advantage of abandoning the gold standardisthat the value of the currency can be adjusted to the point at which prices and costs are in equilibrium." 609 Auch in der heutigen Zeit gibt es Stimmen, die für eine deutliche Senkung der (kurzfristigen) Zinsen plädieren. Dadurch soll aber weniger ein Anstieg des Preisniveaus erreicht werden, sondern eher ein Anreiz für neue Investitionen geschaffen werden (vgl. Carl-Ludwig Holtfrerich). Die Zinssenkung soll einer Stärkung der Binnennachfrage dienen. So auch Flassbeck, Deflationsgefahr, S. 660/665. 610 Er schloß die Frage an: ,,By controlling prices, would there not be a danger of creating other injustices and difficulties that were impossible to foresee?" HP: Document No.4897, XXXVIIIth Meeting of the Council, 24th June 1932, S.4. 611 "He thought it impossible to adjust interest rates to market conditions. Such a measure would result in discouraging once and for all the saving public, which had already been severely affected by bankruptcies, moratoria and inflations. Further, if interest rates were reduced by official action, taxation, rents, etc. should also be reduced." HP: Document No. 4897, XXXVIIIth Meeting of the Council, 24th June 1932, S. 5. Einen weiteren Einwand lieferte Josef Sachs vom schwedischen Nationalkomitee.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

207

Im Oktober 1938 verabschiedete der Verwaltungsrat eine Resolution, wonach der Zinssatz den Gesetzen des Marktes gehorchen sollte: "Money rates should teil the truth regarding the actual situation as to the supply and demand of capital."612 Ein künstlicher Eingriff in den Zinsmechanismus wurde damit vonseitender Internationalen Handelskammer abgelehnt. Damit kam sie den Ideen von Friedrich August von Hayek sehr nahe. Dieser stand der Anwendung des geldpolitischen Instrumentariums zur Vermeidung von Krisen pessimistisch gegenüber; denn der Gleichgewichtszins, der Kapitalnachfrage und -angebot in Übereinstimmung bringen soll, könne nicht künstlich ermittelt werden.613 Einen heilsamen Ausweg sah von Hayek in einem langsamen Anpassungsprozeß der Produktionstruktur an die zur Verfügung stehenden Kapitalmittel.614 Die Senkung der Realzinsen wäre meines Erachtens ein entscheidendes Mittel zur Milderung der Krise gewesen, aber nur im Zusammenspiel mit einer Liberalisierung des Handels. Mittels einer Niedrigzinspolitik hätte beispielsweise Deutschland die Möglichkeit gehabt, Investitionen zu fördern. Die Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer vertrat die Meinung, daß die Weltwirtschaftskrise nicht durch die künstliche Schaffung von Kaufkraft mittels unökonomisch hoher Löhne geheilt werden könne.615 Statt dessen forderte sie eine Anpassung der Preise, insbesondere der Gestehungskosten, an die weltwirtschaftliche Lage. Hieraus ergäbe "sich der Zwang, Gewinne einzuschränken, Abschreibungen von Anlagen und Warenbeständen vorzunehmen, aber auch der Zwang zur Lohnsenkung, deren Schattenseiten für die Gestaltung der Kaufkraft und des Absatzes nicht verkannt wurden." 616 In seiner Rede vor dem Washingtoner Kongreß 1931 betonte Georges Theunis die Wechselbeziehung zwischen Löhnen und Produktionskosten. Für Theunis waren die hohen Löhne weniger ein Instrument zur Steigerung der Kaufkraft und damit ein Mittel zur Ausdehnung der Nachfrage, sondern die Ursache für hohe Produktionskosten und damit auch für die Arbeitslosigkeit. Sie hätten seiner Meinung nach stets Schutzzollmaßnahmen zur Folge, die unvermeidlich zur Erhöhung der Lebenskosten führten. 617 612 ASD: BIB 44, Document No.6710- Appendix 8, Monetary and Credit Resolution Adopted by the Council at its Meeting on October 21st 1938, S. l. 613 Friedrich August von Hayek, Preise und Produktion, Wien 1931 (Neuauflage Wien 1976), S. ll7. 614 Ebenda, S. 97. 615 Eine gegensätzliche Meinung vertritt die heutige Forschung mit L. 1. Williams. Er sieht gerade in der erhöhten Konsumfähigkeit durch gestiegene Reallöhne ein wichtiges Mittel zur Überwindung der Krise: ,.The recovery stemmed much more from largely non-govemment sources: the buoyancy of consumption because of rising real incomes, the housing boom, and the emergence of areas of industrial expansion." Williams, Britain, S. 97. 616 Bericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer zur allgemeinen Lage der Wirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1931), S. 3. 617 Internationale Handelskammer, Ansprache von Georges Theunis 1931, S.16.

208

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Im Jahre 1931 reklamierte die Internationale Handelskammer, daß die Löhne zu hoch seien.618 Sie sah die Löhne eher als Kostenfaktor denn als ein Mittel zur Steigerung der Kaufkraft. Ein Nachfrageeffekt hätte auch bei konstanten Nominallöhnen über mehr Beschäftigung, d. h. eine höhere Lohnsumme, erreicht werden können. Es ist aber noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Internationale Handelskammer nicht nur beschränkt mikroökonomische Ziele- die Gewinnsteigerung der Unternehmen-, sondern auch makroökonomische Ziele- die Liberalisierung des Handels - im Auge hatte. War die Krise nicht gerade aus mangelnden Absatzmöglichkeiten im In- und Ausland entstanden? Nahm nicht gerade der Wegfall potentieller Märkte durch die Schutzzollpolitik den Anreiz ftir zusätzliche Investitionsbemühungen weg? Niedrigere Löhne und eine investitionsfreundliche Zinspolitik allein hätten meines Erachtens keinen wirtschaftlichen Aufschwung in der Welt bewirken können. 619 Es war mehr notwendig, als die Profitrate der Unternehmer zu erhöhen und den Zugang zum Kapital zu erleichtern, um die Anlagebereitschaft zu steigern; nämlich die Erhöhung der Absatzmöglichkeiten durch eine verstärkte Öffnung der Märkte auf der ganzen Welt. Damit verbunden ist die Annahme, daß jedes Angebot u. a. von der Nachfrage abhängt. Erst eine zunehmende Nachfrage schafft für die Unternehmer einen Anreiz für höhere Investitionen. Wenn diese nicht gegeben ist, werden die Unternehmer nicht bereit sein, in höhere Produktionskapazitäten zu investieren.620 Und gerade diese Situation bestand in den dreißiger Jahren. ,,It was Iack of sufficient stimulus to effective demand," schreibt Walt Rostow in seinem Werk über die Geschichte und Gegenwart der Weltwirtschaft, "not exhausted investrnent opportunities that caused the chronic high Ievels of unemployment in the 1930's." 621 Die Internationale Handelskammer hatte also in der Zeit der Weltwirtschaftskrise noch nicht erkannt, daß auch ein Anstieg der Binnennachfrage-sei es durch einen höheren Reallohn oder durch eine gezielte staatliche Ausgabenpolitik- teilweise zu einer Milderung der Krise hätte beitragen können. Ihre Empfehlungen konzentrier618 Internationale Handelskammer, Ansprache von Geroges Theunis 1931, S. 16. Auch Gottfried Habeder schließt sich dieser Haltung an: Er ist der Meinung, daß die Detlation durch die Starrheit der Nominallöhne sehr viel schwerer zu verkraften gewesen war als 1914. Haber/er, Weltwirtschaft, S. 211. 6l9 So auch John Maynard Keynes: "I am not confident, however, that on this occassion the cheap money phase will be sufficient by itself to bring about an adequate recovery of new investment. Cheap money means that the riskless, or supposedly riskless, rate of interest will be low. But acutal enterprise always involves some degree of risk. It may still be the case that the lender, with his confidence shattered by his experiences, will continue to ask for new enterprise rates of interest which the borrower cannot expect to eam." lohn Maynard Keynes, in: Hally Stewart Lecture, The World 's Economic Crisis and the Way of Escape, London 1932, S. 84 (fortan zitiert als Keynes, Hally Stewart Lecture). 620 Gerd Hardach hat nachgewiesen, daß die Produktionskapazität der deutschen Wirtschaft auch in der Phase der relativen Stabilisierung bei weitem noch nicht ausgelastet war. Hardach, Weltmarktorientierung, S. 147/148. 62 1 Walt W. Rostow, The World Economy, Austin 1978, S. 336.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

209

ten sich vornehmlich auf eine Erhöhung der Nachfrage im Ausland, welche aber nur durch einen Abbau der tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse möglich gewesen wäre. Und dazu waren die Staaten in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht bereit. Die Behauptung der ICC, daß zu hohe Löhne in der Zwischenkriegszeit eine Milderung der Weltwirtschaftskrise verhindert hätten, ist 1979 von Knut Borchardt in einer Untersuchung noch einmal aufgegriffen worden. Dabei bezieht er sich nur auf Deutschland. Borchardt sieht die Forderung nach einer Lohnsenkung in der Zeit der Weltwirtschaftskrise als ökonomisch gerechtfertigt an. Er kommt zu dem Ergebnis, daß eines der wesentlichen strukturellen Hindernisse, die in den Jahren der Weimarer Republik das Wirtschaftswachstum hemmten, ein ständiger Lohnerhöhungsdruck vonseitender Gewerkschaften gewesen sei.622 Da die Reallöhne pro Arbeitsstunde schneller gestiegen seien als die Arbeitsproduktivität pro Kopf, war der Faktor Arbeit gegen Ende der zwanziger Jahre so teuer, daß dies auf Kosten der Einkommen aus der Unternehmertätigkeit und dem Vermögen gehen mußte. Außerdem habe ein hohes Lohnniveau mit der Folge gestiegener Preise die deutsche Ausfuhr geschwächt und durch seine Auswirkungen auf die Einkommen die deutsche Einfuhr vermehrt, erklärt Harold James. Die Handelsbilanzprobleme der späten zwanziger Jahre seien daher als eine Folge der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zu bewerten.623 Im Gegensatz zu Knut Borchardt bestreitet Carl-Ludwig Holtfrerich, daß die Lohnforderungen in der Zeit der Weimarer Republik im Vergleich zur Arbeitsproduktivität überhöht gewesen seien. 624 Um seine These einer "Kostenniveauneutralität der Lohnentwicklung" zu untermauern, vergleicht er die Indizes für die realen Bruttostundenverdienste mit den Indizes für die gesamtwirtschaftliche Produktivität pro Arbeitsstunde. Holtfrerich kommt zu dem Ergebnis, daß - mit Ausnahme der Jahre 1927-1928- "die realen Bruttostundenverdienste weniger gestiegen waren als

622 Borchardt schreibt: "Daß die Unternehmer objektiv-wirtschaftlich in gewissem Maße recht hatten, haben unsere Abbildungen gezeigt." Gleich darauf engt er die Bedeutung dieser Feststellung wieder ein, wenn er auf die politischen Schranken hinweist, die sich in der Weimarer Republik einer praktischen Umsetzung der Forderung nach einer Lohnsenkung entgegenstellten. Er zeigt Zwangslagen auf, die im Rahmen einer liberalisierten Wirtschaftsordnung eigentlich gar nicht bestehen dürften. Borchardt, Zwangslagen, S.181. 623 James, Deutschland, S. 35/36. 624 Auf dem Kolloquium des Historischen Kollegs vom 31 . Mai und 1. Juni 1999 näherte sich Christoph Buchheim der Position von Carl-Ludwig Holtfrerich an. In seinem Paper sieht Buchheim die Ursache für die Krise in Deutschland nicht in zu hohen Löhnen, sondern in einer zu geringen Ausnutzung der Produktionskapazitäten: "Not high variable costs because of wage pressure therefore was the primary reason of sharply reduced profitability, but much increased fix costs per unit of production as a consequence of bad capacity utilization." Zu Recht betont er, daß daher in der Ausweitung des Welthandels und damit der Nachfrage nach Industriegütern ein Mittel zur Milderung der Krise gelegen habe. Buchheim, Crisis Before the Crisis, S. 10/11.

14 Rosengarten

210

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

die gesamtwirtschaftliche Produktivität pro Arbeitsstunde." 625 Er führt die gesunkenen Investitionen in Deutschland auf den hohen Zinssatz zurück.626 Damit war Borchardts Behauptung, daß die Lohnentwicklung in Deutschland den durch die Produktionsentwicklung vorgegebenen Rahmen gesprengt habe, erstmals angefochten worden. Die Debatte wurde aber damit noch nicht beendet. Sie wurde bis in die neunziger Jahre fortgeführt: Albrecht Ritschl setzte sich zum Ziel, Holtfrerichs statistische Ergebnisse zu überprüfen.627 Seiner Meinung nach seien Holtfrerichs Aussagen über die Lohnkostenentwicklung, die ebenso wie die von Borchardt auf den Daten von Walter G. Hoffmann beruhten628, nicht ohne weiteres haltbar. Nach Ritschls Neuberechnungen der Daten lagen die Lohnstückkosten gegen Ende der zwanziger Jahre um gut 15% über denen von 1913. Die Unternehmer hätten Kostensteigerungen nicht mehr beliebig in steigende Preise umsetzen können, wie das während der Inflationszeit der Fall gewesen war. 629 Damit verteidigt Ritschl die Position von Knut Borchardt in Hinblick auf die Ursachen der Wachstumsschwäche der Weimarer Republik. Die Debatte wurde wenig später von Hans-Joachim Voth weitergeführt, indem er die methodologische Annahme der Borchardt-These kritisierte, der zufolge hohe Löhne während der Weimarer Republik das gesamtwirtschaftliche Investitionsniveau verringert hätten. Dabei wurde von der Annahme ausgegangen, daß die Unternehmer vorwiegend durch die Verwendung nicht ausgeschütteter Gewinne Investitionen tätigten. Mit Hilfe eines ökonometrischen Modells weist Voth nach, daß Realzinsen bei Anlageentscheidungen als Maß für die Kapitalkosten eine Rolle spielten, und die Investitionstätigkeit nicht allein durch die Profitrate erklärt werden kann.630 Demnach wäre Borchardts profit-squeeze-Hypothese631 zurückzuweisen

625 Carl-Ludwig Holtfrerich, Zu hohe Löhne in der Weimarer Republik? Bemerkungen zur Borchardt-These, in: Geschichte und Gesellschaft 10 (1983), S. 129. 626 Carl-Ludwig H oltfrerich, Economic Policy Options and the End of the Weimar Republic, in: lan Kershaw (Hrsg.), Weimar: Why Did German Democracy Fail?, London 1990, S. 80. So auch Hardach, Weltmarktorientierung, S.148. 627 Albrecht Ritschl, Zu hohe Löhne in der Weimarer Republik? Eine Auseinandersetzung mit Holtfrerichs Berechnungen zur Lohnposition der Arbeiterschaft 1925-1932, in: Geschichte und Gesellschaft 16 (1990), S. 376 (fortan zitiert als Ritschl, Zu hohe Löhne). 628 Walter G. H offmann, Das Wachstum der Deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Heidelberg 1965. 629 Er wies nach, daß 1928 der Vorkriegsstand überschritten wurde. Dabei stützt er sich auf Angaben des Statistischen Jahrbuches. Ritschl, Zu hohe Löhne, S.401/402. 630 Hans-Joachim Voth, Investitionen in den "Goldenen Jahren" der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 113 ( 1993), S. 632 (fortan zitiert als Voth, Investitionen). Siehe auch: Hans-Joachim Voth, Did High Wages or High lnterest Rates Bring Down the Weimar Republic? A Cointegration Model of Investment in Germany, 1925-1930, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 83 (1996), S. 801-819. Tilly!Huck, Die deutsche Wirtschaft, S. 65.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

211

und die Hauptlast der Erklärung für die unbefriedigende Investitionstätigkeit dem Kapitalmarkt und unzureichenden Exportmöglichkeiten zuzuweisen. Die Debatte ging aber weiter. 632 Stephen Broadberry und Albrecht Ritschl verteidigen erneut Borchardts These,633 indem sie einen Zusammenhang zwischen steigenden Reallöhnen und einer zunehmenden Arbeitslosenrate sehen: "Thus an increase in the targetreal wage such as that which occured in Britain and Germany after the First World War Ieads to a rise in the equilibrium rate of unemployment to maintain price stability."634 Die hohen Reallöhne auf dem Kontinent hätten ihrer Meinung nach negative Auswirkungen auf die Investitionen gehabt, da die Arbeitsproduktivität relativ gering gewesen sei.635 Dies sei auf einen im Vergleich zu den USA relativ niedrigen Kapitalaufwand pro Arbeitseinheit zurückzuführen. Infolgedessen hätten sowohl Großbritannien als auch Deutschland nicht von einem "catch-up growth" profitieren können.636 Hans-Joachim Voth erklärte, daß die Debatte über die Schwäche der Weimarer Wirtschaft beendet sein sollte, denn "once the fundamental importance of distinguishing between 'capital-widening' (extensions of capacity) and 'capital deepening' (productivity-enhancing investment) is established, it emerges that Weimar Germany's investment record is not inferior to the Empire's." Er führt sein Ergebnis vor allem auf die sinkenden Bevölkerungswachstumsrate in der Weimarer Zeit zu631 Borchardts These fand bei Harold James Unterstützung: "Damit wird deutlich daß die Arbeitskosten in der Weimarer Republik durchaus als Bedrohung der Rentabilität angesehen werden konnten." James, Deutschland, S.196. Dagegen wendet sich Theo Balderston: "Up to 1929, then, the wage trend neither reduced profits nor damaged German competitivity." Balderston, Origins, S. 405. 632 Für einen differenzierten Ansatz, siehe: Mark Spoerer, GermanNet Investment and the Cumultative Real Wage Position 1925-1929. On a Premature Burial of the Borchardt Debate, in: Historical Social Research 19 (1994), S. 26. Barry Eichengreen, Wages and the Gold Standard. Perspectives ofthe Borchardt Debate, in: Buchheim/Hutter/James, Zerrissene Zwischenkriegszeit, S. 177-203. AufS. 202 schreibt er: "Borchardt's theses should not be viewed as evidence of powerlessness of govemment to influence the course of events. Rather, they demoostrate the importance of institutions and their historical context for economic policy options and outcomes.... In the 'thirties' it was the gold standard institutions and the consequent policies that inhibited the govemment's efforts to deal with the consequences." Zur Verteidigung von Borchardts These, siehe: Albrecht Ritschl, Goldene Jahre? Zu den Investitionen in der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 114 (1994), S. 99-111. Stephen N . Broadberry/Albrecht Ritschl, Real Wages, Productivity and Employment in Britain and Germany During the 1920s, in: Explorations in Economic History 32 (1995), S. 327-349 (fortan zitiert als Broadberry/Ritschl, Real Wages). Stephen N . Broadberry/Albrecht Ritschl, The Iron Twenties: Real Wages, Productivity and the Lack of Prosperity in Britain and Germany Before the Great Depression, in: Buchheim/Hutter/James, Zerrissene Zwischenkriegszeit, S.16/17 (fortan zitiert als Broadberry!Ritschl, Iron Twenties). 633 Broadberry/Ritschl, Real Wages und Broadberry/Ritschl, lron Twenties. 634 Broadberry/Ritschl, Real Wages, S. 329. 63s Broadberry!Ritschl, Real Wages, S. 342. 636 Broadberry!Ritschl, lron Twenties, S.41.

14•

212

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

rück. 637 Im Rahmen der Debatte wurde zwar berücksichtigt, daß Investitionen von Gewinnerwarrungen abhängen. Die Nachfrageseite fand aber keinerlei Beachtung. Und gerade hier zeigt sich die Bedeutung des "volume of sales" für den Profit.638 Der Anreiz zu Investitionen ist also nicht nur abhängig von niedrigen Arbeitslöhnen und langfristigen Realzinsen, sondern auch von entsprechenden Möglichkeiten, die produzierten Güter absetzen zu können. Eine Nachfragelücke, wie sie zur Zeit der Weltwirtschaftskrise aufgrund von protektionistischen Maßnahmen entstand, konnte daher auf die Investitionsbereitschaft negative Auswirkungen haben. Abgesehen von der Produktionsbeschränkung in Form von Kartellen maß die Internationale Handelskammer daher auch der Absatzorganisation eine besondere Bedeutung zu. Sie sah ihre Aufgabe darin, in Produzenten- und Verteilerkreisen das Interesse an den Absatzproblemen zu wecken. Der Ausschuß für Absatzorganisation der Internationalen Handelskammer machte im Mai 1932 auf die Bedeutung eines intensiven Studiums des Verbrauchs und der Absatzprozesse als Voraussetzung für eine stabile Produktion aufmerksam. Er schlug daher vor, die Arbeit über nationale Absatzstatistiken international zu koordinieren. Lagerbestände von Rohstoffen, Fertig- und Halbfertigwaren sollten angemessen erfaßt werden, um die Möglichkeiten eines "geordneten Handels" zu verbessern.639 Die Empfehlungen des Pariser Kongresses von 1935 bezogen sich daher auf die Methoden zur Herabsetzung der Verteilungskosten, auf den Erfahrungsaustausch zwischen gleichartigen Unternehmungen und auf die Auswertung der Absatzstatistiken. Die Organisation sah in der Ausdehnung der Verbrauchermärkte ein wesentliches Element zur Erholung von der Weltwirtschaftskrise. Um die Verteilung der Produkte an die Bedürfnisse der Konsumenten besser anpassen zu können, empfahl die Kammer, in allen Staaten nationale Koordinationsausschüsse einzurichten. Der Erfahrungsaustausch sollte gefördert und der praktische Wert von Absatzstudien deutlich gemacht werden. Die Internationale Handelskammer setzte sich zudem für eine internationale Vergleichbarkeit des statistischen Materials ein.640 637 Hans-Joachim Voth, Much Ado About Nothing? A Note on Investment and Wage Pressure in Weimar Germany, 1925-29, in: Historical Social Research 19 (1994), 5.138/139. 638 Wassily Leontiefbeschreibt diesen Zusammenhang treffend: ,,In affecting the relative attractiveness of any particular kind of investment, profits might play a significant role in directing the tlow of capital, but considered from this point of view, profits in their turn depend to a large extent on the volume of sales, i. e., the Ievel of output." Wassily Leontief, Comment, in: National Bureau of Economic Research (Hrsg.), Conference on Business Cycles. Heldunder the Auspices of Universities- National Bureau Committee for Economic Research, New York 1951 (fortan zitiert als National Bureau of Economic Research, Conference), S. 313. Andere Faktoren, die für das Investitionsverhalten ausschlaggebend sind, führt Lawrence Klein als Ergänzung an in seinen Studies in Investment Behavior, in: National Bureau of Economic Research, Conference, 5.237. 639 Jules Menken, Arbeiten und Ziele des Internationalen Ausschusses für Absatzorganisation, Drucksache Nr. 5, Wiener Kongreß 1933, S. 8/12. 640 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Siebten Kongreß der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, Drucksache Nr. 83, 5.14.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

213

Auf dem Pariser Kongreß im Jahre 1935 stellte die Internationale Handelskammer mit Genugtuung fest, daß der Internationale Ausschuß für Absatzorganisation dazu beigetragen hatte, in Produzenten- wie in Verteilerkreisen das Interesse an den Verteilungsproblemen zu wecken. Die Verbesserung des Absatzmechanismus wie die Senkung der Betriebskosten machte sie von einem besonderen Engagement von seiten der Verteiler (Produzenten, Großhändler, Groß- und Kleinunternehmer des Einzelhandels) abhängig. Der Internationale Ausschuß für Absatzorganisation riet zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit zwischen Verteilern und Produzenten. Auf dieser Weise bestand für die Produzenten die Möglichkeit, sich besser über die Bedürfnisse der Verbraucher zu unterrichten. Durch die Standardisierung der Waren und Verpackungsarten einerseits und die Aufklärung der Verbraucher andererseits konnten ihrer Meinung nach die Produzenten zu einer Steigerung des Verbrauchs beitragen. Die Internationale Handelskammer empfahl außerdem den Ausbau amtlicher und privater Statistiken.64 • Als die Weltwirtschaftskrise den internationalen Handelsverkehr fast zum Erliegen gebracht hatte, lud der Volkerbund 1933 die Regierungen seiner Mitgliedstaaten zu einer Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz nach London ein.642 Auch die Internationale Handelskammer wurde um eine schriftliche Stellungnahme über einen möglichen Ausweg aus der Krise gebeten. Die ICC arbeitete einen Bericht aus, in welchem sie darauf hinwies, daß ein höheres Preisniveau nicht durch rein monetäre Maßnahmen garantiert werden könne.643 Der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer hatte bereits am 1. Dezember 1932 resümiert, "that it would be a vain illusion to expect that a general rise in prices can be brought about by purely monetary means."644 Eine Ausweitung des Geldumlaufs durch Kreditexpansion mittels Zinssenkung oder Offenmarktpolitik lehnte er strikt ab. Statt dessen propagierte er .,a freer operation internationally of supply and demand".645 Die Preise sollten nur einen Anstieg erfahren, indem die Produktion eingeschränkt und an den Konsum angepaßt werden würde. Wenn der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer geldpolitische Mittel zur Erhöhung des Preisniveaus ablehnte, schien er der traditionellen Quantitätstheorie zu wiedersprechen. Gemäß der Quantitätstheorie üben Geldmengenveränderungen auf die realen gesamtwirtschaftlichen Prozesse zwar

641 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Entschließungen des Achten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Paris 24.-29. Juni 1935, Drucksache Nr. 89, S. 7-9. 642 Ridgeway bezeichnet die Weltwirtschaftskonferenz von 1933 als "political conference on economic issues" (Ridgeway, Merchants, S. 372/376). Sie ist nicht mit den alle zwei Jahre stattfindenden Kongressen der Internationalen Handelskammer zu verwechseln. 643 Internationale Handelskammer, Entwurf für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz. 644 Declaration by the Council of the International Charnber of Commerce vom 1. Dezember 1932, in: NA II, Correspondence of the State Department, Decimal File 1930-1939, RG No. 59, Stack Area 250, S. 3. 645 Declaration by the Council of the International Charnber of Commerce vom 1. Dezember 1932, in: NA II, Correspondence of the State Department, Decimal File 1930-1939, RG No. 59, Stack Area 250, S. 3.

214

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

keinen Einfluß aus (sog. klassische Dichotomie); bei konstanter Einkommenskreislaufgeschwindigkeit haben sie aber einen proportionalen Anstieg des Preisniveaus zur Folge.646 Die neue Forschung vertritt einen Lösungsweg, der zu demjenigen der ICC gegensätzlich ist: Gerade in einer expansiven Geldpolitik hätte nach Meinung von Christina Romer der Schlüssel zu einem Anstieg des Preisniveaus gelegen.647 Einen expliziten Zusammenhang zwischen Geld- und Preispolitik sahen auch die Monetaristen, wie Milton Friedman und Anna J. Schwartz.648 Eine Ausweitung der Geldmenge hätte aber meines Erachtens wohl allein keinen entscheidenden Lösungsbeitrag für die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 dargestellt. Der Grund: Quantitative Veränderungen der Geldmenge erreichen die reale Wirtschaft nur mit einem gewissen time-lag. Zudem spielen für den Anreiz zu unternehmefischen Investitionen nicht nur die zur Verfügung stehenden Finanzmittel eine Rolle, sondern auch die Absatzerwartungen der Geschäftswelt.

4. Lösung des internationalen Schuldenproblems Die Internationale Handelskammer hielt es für die Aufgabe der nationalen Regierungen, "auf politischem Gebiet die Vorbedingungen für Frieden und Vertrauen zu 646 In seinem Werk "The Purchasing Power of Money" (New York 1911) schaffte Irving Fisher die Basis für die Renaissance der Quantitätstheorie, an der die moderne Diskussion anknüpfen konnte (Milton Friedman, The Quantity Theory of Money- A Restatement, in: Milton Friedman (Hrsg.), Studies in the Quantity Theory of Money, Chicago 1956, S. 3-21 (fortan zitiert als Friedman, Studies); Mitton Friedman, The Optimum Quantity Theory of Money, London 1969; Maurice Allais, A Restatement of the Quantity Theory of Money, in: The American Economic Review 56 (1966), S. 1123-1157.) Zu den Hauptvertretern der Quantitätstheorie gehörten Walter Eucken (Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem, Jena 1923), Gustav Cassel (Das Geldwesen nach 1914, Leipzig 1925; Theoretische Sozialökonomie, Leipzig 1918) sowie Ludwig von Mises (Theorie des Geldes und der Umlaufgeschwindigkeit, München 1912; Die geldtheoretische Seite des Stabilisierungsproblems, in: Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd.164 li, 1923). Weitere Vertreter sind Kar/ Schlesinger (Die Veränderungen des Geldwertes im Kriege, Wien 1916), Ludwig Pohle (Geldentwertung, Valutafragen und Währungsreform, Leipzig 1920; Das Problem der Valutaentwertung, Dresden 1919), Albert Hahn (Handelsbilanz, Zahlungsbilanz, Valuta, Güterpreise, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 48 (1920/21), S. 596-614; Geld und Kredit, Tübingen 1924). Adolf Weber, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 19303, S. 367-378; Hans J. Jarchow, Theorie und Politik des Geldes. I. Geldtheorie, Göttingen 19825, S.148-203. 647 Für die USA: Romer, Great Depression, S. 759. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch Harold James (für Deutschland), wenn er schreibt: ,,Auch hier könnte ein stark expansiver Kurs als naheliegendes Mittel gegen die Geldmengenschrumpfung der Jahre 1930/31 erscheinen." Diesen Lösungsvorschlag stellt er aber sofort wieder zurück, sobald er auf die deutsche Furcht vor einer Inflation zu sprechen kommt. "So hatte der Staat keinen Balsam für die Wunden der modernen Wirtschaft," resümiert er. James, Deutschland, S.400. 648 Friedman!Schwartz, Monetary History.

III. Wlihrungs- und finanzpolitische Empfehlungen

215

schaffen, die die wesentliche Grundlage für jeden Plan wirtschaftlichen Wiederaufbaus sind."649 Zu den essentiellen Vorbedingungen gehörte ihrer Meinung nach auch die Lösung des internationalen Schulden- und Reparationsproblems. Abraham Frowein, stellvertretender Vorsitzender der deutschen Landesgruppe, sah in dem "außerökonomischen Forderungsgesetz"6So (Reparationsforderungen) eine entscheidende Ursache für die Weltwirtschaftskrise. Die teilweise durch die Abzahlung dieser Verpflichtungen verursachten Kapitalbewegungen blieben nach Ansicht der Internationalen Handelskammer ein störendes Element für die Stabilität der internationalen Währungsbeziehungen. Auf dem Kongreß im Amsterdam im Juli 1929 begrüßte die Internationale Handelskammer daher die Bemühungen einer Gruppe von Sachverständigen, die mit der Ausarbeitung des Young-Plans zur endgültigen Regelung der deutschen Reparationsverpflichtungen nach dem Ersten Weltkrieg beauftragt war. Bezeichnenderweise war ein Mitglied der "American Section" der Internationalen Handelskammer, der amerikanische Bankier Owen D. Young, der Initiator dieses Plans.6SI Damit hatte die Internationale Handelskammer gewissermaßen implizit Einfluß auf die Lösung des deutschen Reparationsproblems. Die Arbeiten im Rahmen der internationalen Sachverständigenkonferenz führte im Jahre 1930 zur Unterzeichnung des Young-Plans. Dieser sah bis zum Jahre 1988 Ratenzahlungen mit einem kapitalisierten Gegenwert von 37 Milliarden Goldmark vor.6s2 Der Young-Plan beinhaltete zudem eine internationale fünfeinhalbprozentige Anleihe Deutschlands über 300 Millionen US-Dollar (Younganleihe). Zur bankmäßigen Verwaltung der Zahlungen wurde die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gegrün-

649 Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (1933), S. 1. Das Zitat ist ein Auszug aus dem Bericht der Internationalen Handelskammer an die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz des Völkerbundes im Jahre 1933. Die ICC schlug vor, genaue Vertragstexte über internationale Vereinbarungen aufzustellen, deren Ratifizierung unbedingt garantiert werden sollte. 650 Abraham Frowein erklärte auf der Verwaltungsratssitzung: "Ich habe dabei insbesondere die enormen Zahlungen im Auge, die aus der Kriegsverschuldung zu leisten sind. Ich glaube, daß dieses System von Zahlungen, die nicht auf ökonomischen Vorgängen beruhen, sondern mit den durch den Krieg gegebenen Ursachen zusammenhängen, auf die Zerrüttung der Weltwirtschaft einen viel stärkeren Einfluß gehabt hat, als es im allgemeinen angenommen wird, und daß dieses System, solange es besteht, der Wiedergesundung der Weltwirtschaft sehr hemmend im Wege stehen und die Wirkung aller Mittel zur Behebung der Depression stark abschwächen wird." Die Internationale Handelskammer und die Weltwirtschaftskrise. Sitzung des Verwaltungsrats der IHK, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 (1930), S. 2. 651 Vgl. dazu: Minutes, Executive Committee of the American Section, International Chamber of Commerce, February 13 1934, in: Franklin D. Roosevelt Library in New York (fortan zitiert als FDR), President's Official File 273. 652 Jarchow/Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, S. 75, Anm. 41. Siehe auch: K.Häuser/K. Borchardt, Deutsche Wirtschaft seit1870, Tübingen 19662, S. 90ff. und 109ff.

216

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

det.6S3 Sie spielte seitdem auch bei der Bewältigung internationaler Schuldenkrisen eine maßgebliche Rolle. In der Zwischenkriegszeit fehlten ihr aber die entsprechenden Ressourcen, um den krisenerschütterten Länder entscheidende Hilfe leisten zu können. In einem Entwurf an das Committee on International Settlements der Internationalen Handelskammer schlug Sir Alan G. Anderson sogar ein zehnjähriges Moratorium für alle Reparations- und Schuldzahlungen vor. Der Young-Pian sollte in diese neue Form der Schuldenregelung integriert werden. 654 In einer Entschließung würdigte die Kammer, daß der Young-Plan versuchte, "das Reparationsproblem aus dem Gebiet des politischen Meinungsstreites herauszunehmen und wirtschaftliche Formen zu finden, um zu einer Lösung zu kommen."655 Die Reparationszahlungen waren nach dem Urteil der ICC für eine Ausweitung des Handels nicht eben förderlich; denn sie beschränkten die finanziellen Mittel der Schuldner Waren zu kaufen, und zwangen sie dazu, ihre Importe durch tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse zu beschränken. Gleichzeitig wurden sie dazu gezwungen, ihre Ausfuhren zu verstärken, um mit dem Erlös die durch den Krieg entstandenen Verpflichtungen leisten zu können. Eine Steigerung der Exporte wurde aber durch eine vehemente Schutzzollpolitik vonseitender Länder unterbunden, an die die Reparationen zu zahlen waren. In einer späteren Studie warnt Wolfram Fischer allerdings davor, die ökonomische Bedeutung der deutschen Reparationszahlungen in der Zwischenkriegszeit überzubewerten. Sie hätten selbst in den Jahren von 1925 bis 1931 nur einen Anteil von 1, 7% des Bruttosozialprodukts ausgemacht. 656 Seine Ansicht wird in der vorliegenden Arbeit geteilt, und auch diejenige von Joseph A. Schumpeter, der bereits 653 Im einzelnen wurden der BIZ die folgenden Aufgaben zugewiesen: die Entgegennahme und Verteilung der Reparationsannuitäten an die Gläubigerstaaten, die Kreditgewährung für Sachlieferungen und die Behebung eventueller Schwierigkeiten im internationalen Zahlungsverkehr. Darüber hinaus hatte die Bank gewisse Überwachungsfunktionen. Über diese aus dem Young-Plan hervorgegangenen Funktionen hinaus war sie generell dazu berufen, die Zusammenarbeit der Zentralbanken zu fördern, zur Stabilisierung der Wechselkurse beizutragen, neue Möglichkeiten für internationale Finanzgeschäfte zu schaffen und bei den internationalen Zahlungsgeschäften als Treuhändetin oder Agentin zu wirken. Luther, Vor dem Abgrund, 90/91. 654 Draft Resolution Proposed to the Committee on International Settlements, 13.1.1931, in: NA II: Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93, S. 2. 655 Der fünfte Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (1930), S. 3. 656 V gl. Wolfram Fischer, Die Weimarer Republik unter den weltwirtschaftliehen Bedingungen der Zwischenkriegszeit, in: Mommsen/Petzina/Weisbrod, Industrielles System, Bd.1, S.47. Dagegen weist Peter Kliiger daraufhin, daß selbst Zahlungen in einem derart geringem Ausmaß eine krisenfördernde Wirkung auf die bereits geschwächte Weimarer Wirtschaft hatten. Peter Krüger, Das Reparationsproblem der Weimarer Republik in fragwürdiger Sicht, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 81 (1981), S.21-47.

s.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

217

in der Zwischenkriegszeit behauptet hatte, "that, looked at as a business proposition, the Dawes tribute would have been nothing eise but a 'commission' paid by Germany for the industrial conquest of the better half of the world. " 657 Während Fischer sich aber nur auf die deutschen Reparationsprobleme beschränkt und all den anderen internationalen Verpflichtungen, die ebenso stark auf den deutschen Schultern lasteten, von seiner Untersuchung ausklammert, wird in dieser Arbeit das Schuldenproblem nicht nur auf die deutschen Reparationszahlungen beschränkt, sondern vielmehr um die Kriegsschulden und privaten Anleihen aus dem Ausland erweitert. Der Grund: Die Unternehmer bevorzugten generell private internationale Kredite und nicht intergouvernementale Schulden. 658 Stephen A. Schuker berücksichtigt in seinem Aufsatz "American 'Reparations' to Germany, 1919-1933" die deutschen Kapitalanleihen aus dem Ausland: In der Zwischenkriegszeit habe Deutschland Kapitalimporte in Höhe von 3% des Bruttosozialprodukts aufweisen können. Worauf Schuker aber nicht eingeht, ist der Preis, den die deutsche Wirtschaft für die Anleihen in Form hoher Verzinsung zu zahlen hatte. Schuker stellt die These auf: "Since the United States received only negligible amounts in direct reparations and precious little in war-debt repayment to offset its losses, the majorburden of the capital transfer to Germany fell in one way or another on the American investor and taxpayer."659

Deshalb geht er sogar so weit und spricht von amerikanischen "Reparationen", die an Deutschland gezahlt worden seien. Nicht zu vergessen sind aber auch die zahlreichen privaten Kreditaufnahmen deutscher Unternehmer, die ebenfalls noch abzutragen waren. Die Internationale Handelskammer hatte jedenfalls zu Recht erkannt, daß die Herstellung stabiler Verhältnisse zunächst eine Regelung der Reparationen und Kriegsschulden erforderte. Die Lösung des internationalen Schuldenproblems war eine entscheidende Voraussetzung, um zu einer Milderung der Weltwirtschaftschaftskrise beizutragen; vor allem auch deshalb, weil die reale Last der nominell fixierten Zahlungsverpflichtungen wegen des sinkenden Preisniveaus seit dem Ausbruch der Krise 1929 enorm zugenommen hatte. Die weitreichenden Rückwirkungen der internationalen Zahlungsverpflichtungen vor allem auf die deutsche Wirtschaft bedurften einer Lösung. Daher gründete die Internationale Handelskammer einen Ausschuß, der sich dem Gesamtproblem des 657 Joseph A. Schumpeter, Business Cycles. A Theoretical, Historital and Statistical Analysis of the Capitalist Process, Vol. 2, New York 1939, S. 704, Anm. 1. 658 Damit stimme ich mit der Ansicht der Internationalen Handelskammer überein, daß die Frage der Kriegsschulden nicht von derjenigen der Reparationen getrennt werden kann. V gl. auch Brief von Julius H. Bames an Präsident Herbert Hoover vom 25. Oktober 1931, in: HHL, Presidential File, Julius Bames 1929-32, Box No.429. "Personally among business men there is the feeling that reparations and debts will have to be reduced. I can find nowhere in business any that really believe that reparations and debts can be treated as separate questions." 659 Stephen A. Schuker, American "Reparations" to Germany, 1919-1933, in: Feldman, Nachwirkungen, S.369/371.

218

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

internationalen Zahlungsausgleichs unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zuwandte. ,.Die Frage einer weltwirtschaftlich vernünftigen Regelung der politischen Zahlungen wird daher unter dem Gesichtspunkt, wie das organische Gefüge der Weltwirtschaft gestärkt werden kann, weiterhin ernstester Prüfung bedürfen, wie sie in dem Ausschuß für Zahlungsausgleich der Internationalen Handelskammer in Angriff genommen wurde und erheischt Bereitschaft, die notwendigen Folgen daraus zu ziehen. "660

Im Jahre 1931 fand das erste Mal ein Kongreß der Internationalen Handelskammer außerhalb den Grenzen Europas statt. 1228 Vertreter aus siebenundreißig Ländern und fünfundzwanzig internationalen Organisationen trafen sich vom 4. bis 9. Mai in der amerikanischen Hauptstadt Washington D. C..661 Die Wahl des Tagungsortes spiegelte die Bedeutung wider, die die Internationale Handelskammer den Vereinigten Staaten für die Beilegung der Weltwirtschaftskrise beimaß. Der Vorsitzende der amerikanischen Landesgruppe, Silas H. Strawn, führte gemeinsam mit dem Präsidenten der Internationalen Handelskammer, Georges Theunis, den Vorsitz. Das besondere Interesse des Kongresses galt der Suche nach Lösungswegen für das internationale Schuldenproblem. Auch George L. Ridgeway schrieb dem WashingtonKongreß eine nicht unbeachtliche Bedeutung für eine offene Diskussion über die Reparations- und interalliierten Schuldenfrage zu.662 Eine Vielzahl von Delegierten hatte vom amerikanischen Präsidenten Herbert C. Hoover 1931 weitreichende Konzessionen auf dem Gebiet der Reparationsfrage erhofft. 663 Veritable Zugeständnisse in der internationalen Schuldenfrage wurden als eine notwendige Voraussetzung für die Wiederherstellung eines funktionierenden internationalen Wirtschafts- und Währungssystems gesehen. Um so enttäuschter zeigten sich die deutschen Mitglieder der ICC, als der amerikanische Präsident Hoover in seiner Eröffnungsrede am 4. Mai 1931 gar nicht auf die internationale Schuldenfrage einging.664 Dieamerikanische Regierung war von Anfang an darum bemüht, die Frage der Kriegsschulden von der Agenda des Kongresses zu streichen. 660 Bericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer zur allgemeinen Lage der Wirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1931), S. 2. 661 Siebenundzwanzig der siebenundreißig auf dem Washington-Kongreß vertretenen Länder verfügten über eine Landesgruppe bei der Internationalen Handelskammer. 662 Ridgeway, Merchants, S. 350. 663 ·Im Gegensatz zu Nigel Blackbum schließt George L. Ridgeway aus, daß auch Mitglieder der amerikanischen Landesgruppe der Internationalen Handelskammer erwartet hatten, daß Präsident Hoover Zugeständnisse auf dem Gebiet der Kriegsschulden machen würde. Ridgeway betont, daß die amerikanische Landesgruppe unter der Leitung von Silas H. Strawn, einem persönlichen Freund und Berater von Präsident Hoover, den Standpunkt der Regierung einnahm, als sie den Zeitpunkt für eine Diskussion über das internationale Schuldenproblem für wenig opportun hielt. Trotzdem gab es auch Ausnahmen: Ein Teil des amerikanischen Komitees war ,.aligned against the Administration." Ridgeway, Merchants, S. 351/353. 664 Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, s. 10/11.

ßl. Wahrungs- und finanzpolitische Empfehlungen

219

In diesem Vorhaben wurde der Präsident vom amerikanischen Nationalkomitee unterstützt: Silas Strawn lehnte im gleichem Maße wie Hoover eine öffentliche Aussprache über das interalliierte Schuldenproblem ab, d. h. über die Schulden Großbritanniens, Frankreichs und Italiens an die USA. Von der Möglichkeit, durch die Verabschiedung einer Resolution zu seiner Lösung beizutragen, sah er von vomherein ab. 665 Es schadete dem Ansehen der Kammer, daß sich Strawn durch sein Plädoyer für eine Nichtbehandlung der internationalen Schuldenfrage mit der amerikanischen Regierung solidarisierte. Dadurch wurde erneut offenbar, daß die Internationale Handelskammer nicht frei von nationalen Interessen war. Die Zeitung ,,New York Telegram" forderte die Internationale Handelskammer sogar explizit zu einem unabhängigeren Verhalten gegenüber den politischen Entscheidungsträgem auf. Die Internationale Handelskammer könne nur Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Welt haben, wenn sie stark genug sei, sich der Bevormundung durch die Regierungen zu entziehen.666 Der Washingtoner Kongreß der ICC gewann einen politischen Charakter. Wie schon 1925 der Sprecher des Weißen Hauses erklärt hatte, wurden die Verhandlungen über die Reparationen von amerikanischer Seite als ein "linkischer Versuch" bewertet, die deutschen Reparationsverpflichtungen und interalliierten Schulden auf das amerikanische Volk abzuschieben.667 Von einer Diskussion über die Reparationsfrage wurden unangenehme Rückwirkungen auf die Innenpolitik der Vereinigten Staaten befürchtet, denn das amerikanische Volk war nicht bereit, für das Ausbleiben der interalliierten Zahlungsverpflichtungen aufzukommen. 668 Präsident Hoovers Macht ging aber nicht so weit, daß er die Kongreßteilnehmer daranhindem konnte, über das Problem der Kriegsschulden und ihre Auswirkungen auf die Weltwirtschaft zu debattieren. Führende Vertreter der Internationalen Handelskammer hatten auf dem Washingtoner Kongreß und der Sitzung des Verwaltungsrates vom Oktober 1931 erkannt, daß eine Rückzahlung der amerikanischen Kredite von der Möglichkeit der europäischen Staaten abhing, Fertigwaren verstärkt in die USA exportieren zu können,669 665 PRO/F0/371/15139, S. 185. Gegen Ende des Washingtoner Kongresses änderte die amerikanische Regierung ihre Einstellung zum internationalen Schuldenproblem. 666 PRO/F0/371/15139, S.l99. 667 Siehe: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichswirtschaftsministerium, R 3101/1985, S.24. 668 Staatssekretär Mellon erklärte am 3. Juni 1931 bei einem Frühstück im Kreise der zum Washingtoner Kongreß versammelten ausländischen Banken, "dass die Schwierigkeiten, denen wir gerade gegenüberstehen, nicht durch eine schnelle oder leichte Methode oder auf Kosten von irgend jemand anders geheilt werden können." Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R431/1171, S. 211. 669 "States, too, appear to forget that the equilibrium between creditor and debtor nations can only be achieved by means of goods or credits. If creditor nations attempt to recover interests on their loans themselves by other means than accepting goods in payment or granting fresh credits, they make the same mistake as individuals who attempt to convert their values into gold orclaims to gold." Zitiert nach: New York Times vom 24. Oktober 1931. Siehe auch WallStreet

220

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

worauf schon Abraham Frowein 1930 aufmerksam gemacht hatte. Der Grund: Durch erhöhte Absatzmöglichkeiten in den Vereinigten Staaten von Amerika (Gläubigerstaat) hätten die europäischen Länder von einem Dollarzutluß profitieren können. Dadurch wären die europäischen Staaten (Schuldnerstaaten) eher in der Lage gewesen, die Kriegsschulden abzuzahlen und den Reparationsforderungen nachzukommen. Alan G. Anderson brachte diesen Zusammenhang ein Jahr später noch einmal auf den Punkt: "To pay, the debtor must sell goods or services directly or indirectly to the creditor; to secure payment, the creditor must buy goods or Services from the world and therefore directly or indirectly from the debtor. "670

Als Vorsitzender des Committee on International Settlements forderte er die einzelnen Landesgruppen der Internationalen Handelskammer dazu auf, im Sinne seiner Empfehlung auf die jeweiligen Regierungen Druck auszuüben. Die ICC war der Meinung, daß die internationale Schulden- und Reparationsfrage endgültig geklärt werden müsse.671 Carl Bergmann- von dem deutschen Nationalkomitee und ehemaliger deutscher Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen - wies in einer Gruppensitzung des Ausschusses "Internationaler Zahlungsausgleich" am 7. Mai 1931 vorsichtig Journal vom 24. Oktober 1931 und New York Herald Tribune vom 24. Oktober 1931 : NA II, Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. Vgl. auch Rede von Abraham Prowein auf der Verwaltungsratssitzung im Dezember 1930: "You are aware gentlemen, that one-sided payments of this magnitude can only be transferred by a corresponding outfiow of goods." International Chamber of Commerce (Hrsg.), The Existing Economic Crisis. Supplement to World Trade, January 1931, S.20. 670 Second Draft Resolution Proposed to the Committee by Sir Alan G. Anderson 15 .1.1932, in: NA II: Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary ofthe Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. Am 1. Dezember 1932 machte derVerwaltungsrat letztlich in einer Deklaration auf die Notwendigkeit aufmerksam, "persuading creditor countries to accept the payment of debts obligations in goods and services." Declaration by the Council of the International Chamber of Commerce vom 1. Dezember 1932, in: NA II, Correspondence of the State Department, Decimal File 1930-1939, RG No. 59, Stack Area 250, S.4. 671 Die Bedeutung eines freien Handelsverkehrs für die Lösung des deutschen Schuldenproblems wurde selbst von Teilen der amerikanischen Geschäftswelt erkannt. In einem Brief vom 1. Februar 1932 heißt es: ,,It must, however, be obvious that the payment of reparations and long-term debts owed by the German Govemment and nation cannot under any circumstances be continued without the maintenance ofGermany's trade and industry, and it is further obvious that the maintenance of German trade and industry is dependent to a very con~iderable degree upon a supply of liquid capital with which to operate." NA II: Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93, S. 8. Daß die Resolutionen des Verwaltungsrates in den führenden amerikanischen Zeitungen abgedruckt worden sind, spiegelt die Bedeutung wider, die ihnen auch von der Öffentlichkeit beigemessen wurde. Dadurch konnte gewiß auch mit einer stärkeren Berücksichtigung der Empfehlungen der Internationalen Handelskammer von seiten der Regierungen gerechnet werden.

III. Wahrungs-und finanzpolitische Empfehlungen

221

darauf hin, daß es nicht geraten schien, das Problem der internationalen Schulden wegen seiner politischen Brisanz auf dem Kongreß zu erörtern. Von dem politischen Druck, der auf die Versammlung von der Administration Hoover ausging, schien er sich aber dann wieder zu lösen und fuhr fort: ,,Andererseits kann niemand der Internationalen Handelskammer das Recht und die Ptlicht abstreiten, die grossenwirtschaftlichen Probleme, die mit der internationalen Schuldenfrage verflochten sind, freimütig zu besprechen, selbstverständlich ohne die Absicht, Ratschläge zu erteilen, die in das gefährliche Gebiet der Politik unbefugt eingreifen. "672 Seiner Ansicht nach sollte die Kammer untersuchen, inwieweit sich die Zahlung der interalliierten Verpflichtungen auf die Bewegungen des Handels auswirkte. Abraham Frowein stellte das Schuldenproblem sogar in einen deutlichen Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise: .,I raise the question whether the great economical crisis that has spread all over the world has not been accentuated or, which would be still worse, will not be prolonged by the payments of sums of more than several hundreds of millions of Dollarper year, without any real economic transactions taking place. "673 Je weiter die Verhandlungen fortschritten, desto mehr setzte sich die Erkenntnis durch, daß zwischen der Krise und den Kriegsschulden ein Zusammenhang bestand. Das Anliegen der deutschen Delegation auf dem Washingtoner Kongreß war deshalb, die Reparationsfrage zum Gegenstand der Diskussion zu machen. Großbritannien und Italien hätten sich indessen nur vorsichtig für den deutschen Wunsch nach einer Behandlung der Reparationsfrage ausgesprochen, konstatierten die drei deutschen Delegierten Eduard Hamm, Carl Bergmann und Abraham Frowein in einem Vermerk. Das Ergebnis der deutschen Bemühungen war eine Resolution, in der sich die Internationale Handelskammer klar von der Administration Hoover distanzierte. In ihr wurde die eingehende Prüfung der Auswirkungen gefordert, die die internationalen Verpflichtungen auf den Welthandel ausübten. 674 Die Beurteilung der Resolution von seiten Hamms für die Reichskanzlei lautete: .,Die Resolution sei für Deutschland einigermassen befriedigend, zumal sie gegen den starken Widerstand der amerikanischen Regierung möglich gewesen sei." 675 Am 1. Juli 1931 verkündete schließlich US-Präsident Herbeet Hoover ein Moratorium. Dieses beinhaltete eine einjährige Stundung der Reparationsleistungen und aller interalli672

S.60.

Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931,

673 Ansprache von Abraham Frowein in Movietone am 7. Mai 1931, in: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R431/1171, S. 202. 674 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Washington-Kongress 4. bis 9. Mai 1931, Drucksache Nr. 77, S.9. 675 Vermerk an die Reichskanzlei über ein Telefongespräch mit Eduard Hamm, Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R431/1171, S. 191.

222

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

ierter Schuldenzahlungen. Das sogenannte Hoover Moratorium wurde als eine direkte Folge des Washingtoner Kongresses der Internationalen Handelskammer bewertet.676 Die Internationale Handelskammer anerkannte auf der Sitzung des Verwaltungsratsam 23. und 24. Oktober 1931 den Wert des Moratoriums zur Erleichterung der finanziellen Lage in Deutschland. Der rein vorübergehende Charakter enthielt jedoch ihrer Meinung nach ein Element der Unbeständigkeit, wodurch die internationale Kreditgewährung zu einem Wagnis werden würde. Die Internationale Handelskammer begrüßte daher die Unterredungen zwischen den einzelnen Regierungsvertretern als ein Mittel für gemeinsame Vereinbarungen im Bereich des Kreditwesens.677 Trotz der Entlastung durch das Hoover Moratorium trat aber letztlich keine Abschwächung der Wirtschafts- und Finanzkrise ein.678 Zum einen lag dies an dem Unwillen der Franzosen, sich an einer Stundung der deutschen Reparationszahlungen zu beteiligen.679 Zum anderen hielt auch die Aussicht auf die Wiederaufnahme der Zahlungen die Unternehmer von Investitionen ab. Die Folge davon war, daß Kredite ohne Unterlaß gekündigt und abgezogen wurden. Hinzu kam, daß die in Gold ausgedrückten Warenpreise immer weiter sanken. "Um eine Schuld abzutragen, die man 1929 durch den Verkauf von 100 Wareneinheiten bezahlen konnte, sind heute 160 Einheiten nötig", konstatierte die Internationale Handelskammer auf der Verwaltungsratssitzung im Jahre 1932. Die Last der Schuld hätte sich demnach um 60% erhöht.680 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung gab es in der Internationalen Handelskammer Stimmen, die sich für eine Annullierung der Reparations- und Schuldenzahlungen aussprachen. Auf der Verwaltungsratssitzung vom 11. März 1932 wur676 International Chamber of Commerce (Hrsg.), British National Committee. Annual Meeting of the British National Committee vom 28. Juni 1932, S. 2. Einen Einfluß der Internationalen Handelskammer auf das Hoover Moratorium vermutet auch Edward W. Bennett: "The conference of the International Chamber of Commerce, held in Washington from May 4 to 7, must have given further impetus and direction to Hoover's thoughts." Bennett, Germany, S. 132. 677 Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (1931), S.l. 678 So auch Kindleberger, World in Depression, S. 151 : ,,Neither the credit nor French agreement to the moratorium was able to stop the run on Germany." Bennett beurteilt das Hoover Moratorium nach seinen Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen. Dabei kommt er zu einem negativen Ergebnis: "Unfortunately, in terms of diplomacy, Hoover's proposal probably did more harm than good: it made the French govemment feel threatened, overborne, and hence defensive, while Germany was encouraged to refuse any counterconcessions, since they now appeared unnecessary." Bennett, Germany, S.l68. 679 Barry Eichengreen, Tariffs and Flexible Exchange Rates: The Case of the British General Tariff of 1932, Ph. D., Yale 1980, S. 78 (fortan zitiert als Eichengreen, Tariffs and Flexible Exchange Rates). 680 Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der internationalen Handelskammer 4 (1932), S.l.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

223

de vom Präsidenten der Internationalen Handelskammer, Abraham Frowein, die völlige Streichung der interalliierten Schulden und Reparationen als ein unentbehrliches Mittel zur Rettung der Weltwirtschaft gesehen. Ein wirtschaftlicher Unterschied zwischen den Reparationen und den internationalen Kriegsschulden existierte seines Erachtens nicht. 681 Frowein machte geltend, daß die Option einer Streichung der Reparationen und interallierten Schulden bei einer Behandlung des Problems vom rein wirtschaftlichen Standpunkt nicht ausbleiben dürfe.682 Die Opponenten versprachen sich dagegen von der Streichung der Kriegsschulden keinen wirtschaftlichen Aufschwung, sondern eher "neue Probleme von nicht minder schwierigem Charakter".683 Nachdem das einjährige Hoover Moratorium im Juni 1932 abgelaufen war, konnte letztlich keine Rede mehr von einer Wiederaufnahme der deutschen Reparationszahlungen sein. Die Verhandlungen der Alliierten mit der deutschen Regierung vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise brachten mit dem Abkommen von Lausanne am 9. Juli 1932 das Ende der Reparationszahlungen gegen eine einmalige Abfindung von 3 Milliarden Mark, die durch eine frühestens 1935 zu begebende Anleihe aufgebracht werden sollte.684 Was blieb waren aber noch die privaten Schulden, um deren Erleichterung sich die deutsche Regierung bemühte, und die interalliierten Kriegsschulden Frankreichs, Großbritanniens und Italiens.6ss 68 1 Zur Wiederherstellung der Weltwirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1932), S. 3. Dagegen bestanden die USA darauf, daß die Kriegsschulden von den Reparationen getrennt zu behandeln seien. Die amerikanische Regierung wollte die Reparationsforderungen an Deutschland gerne aus der Welt schaffen, sie war aber nicht bereit, dafür ihren Schuldnern Zugeständnisse zu machen. Der zunehmende USProtektionismus erschwerte sogar noch eine Abzahlung der Verpflichtungen durch Exporte nach Amerika. Rothermund, Global Impact, S. 32. Dietmar Rothermund, Die Welt in der Weltwirtschaftskrise 1929-1939, Münster 1993, S. 24 (fortan zitiert als Rothermund, Weltwirtschaftskrise). 682 Knut Borchardt sieht dagegen- rein wirtschaftlich betrachtet- in den Reparationen keinen wesentlichen Grund für die schwere Krise. Borchardt, Zwangslagen, S. 275, Anm.45. 68 3 Im Original heißt es:" ... Novelle d'un caracti!:re non moins grave." Sitzung des Verwaltungsrats vom 11. März 1932, in Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichskanzlei, R 11/1354, S. 172. An der Diskussion um die Reparationszahlungen nahm auch die britische Geschäftswelt teil: " ... some desiring cancellation purely and simply, others (the manufacturers) opposed to such cancellation owing to the resulting inequality between the per capita debt in Great Britain ({ 150) and in Germany ({ 8). All were in agreement however, that a new examination of the situation was indispensable." HP: XXXVIIth Meeting of the Council, March 11th 1932, S. 5. 684 Trepp, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, S. 21; Wolfram Fischer, Die wirtschaftspolitische Situation der Weimarer Republik, (Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung Heft 9), Celle 1960, S.53. Siehe auch Philipp Heyde, Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Youngplan 1929-1932, Paderborn 1998, S. 442 (fortan zitiert als Heyde, Reparationen). 685 Die Bezahlung der privaten und öffentlichen Vorkriegsschulden von 7, 5 Milliarden DM übernahm die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs im Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953. Heyde, Reparationen, S.455.

224

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

In einem Memorandum für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz im Jahre 1933 empfahl die Internationale Handelskammer den Schuldnerländern trotz der Belastungen, alles daran zu setzen, Zahlungseinstellungen zu vermeiden.686 Die Schuldner sollten die Verantwortung, die auf ihren Schultern lastete, anerkennen. Die erste Pflicht der Kreditnehmer sei es, ihre Schulden zu bezahlen. Zahlungseinstellungen führten zur direkten Schädigung der Gläubiger und in unmittelbarer Folge zu einer Verminderung ausländischer Anleihen. Für eine kreditunwürdige Klientel sollten die Kapitalmärkte daher zukünftig geschlossen werden, riet die ICC. Daneben gab es auch Stimmen, die zu einer Wandlung der kurzfristigen Schulden in langfristige Schulden rieten, denn "otherwise they might Iead to serious perturbations."687 Antonin Basch schrieb in einem Memorandum an den Gemeinsamen Ausschuß der Internationalen Handelskammer und der Camegie Stiftung: "lf, at the onset of the depression, it had been possible to persuade the creditors, by arrangement of an economic character, to convert the debts into long-term credits, in view of the falling off in the prices of the principal export commodities of the debtor countries and the necessity of lowering the rate of money, the situation in the latter countries, and with it the economic situation of the whole of Europe, would have developed on different lines."688

Auch George Theunis bezeichnete das Vorherrschen von kurzfristigen Krediten als symptomatisch für die Krisenzeit.689 Die Internationale Handelskammer empfahl daher 1933 erneut die Umwandlung der umfangreichen kurzfristigen Verschuldung in lang- oder mittelfristige Verpflichtungen und die Hebung der Preise durch eine Wiederbelebung des Güteraustauschs. Von einer Zunahme der Produktion sollte abgesehen werden, wenn sie für die Erholung der Wirtschaft hinderlich wäre.690 Zur Überprüfung der Schwierigkeiten, die der katastrophale Sturz der Marktpreise für die Schuldner bewirkt hatte, schlug die Kammer vor, eine unparteiische und unabhängige Körperschaft zu errichten. Diese fand in den Sitzungen des Komitees Erwähnung, das mit der Ausarbeitung eines Berichts für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz 1933 beauftragt war. So empfahl Leo Pasvolsky: .,The idea of a kind of international organisation to which the question of the fulfilment of Obligations could be submitted was, however, worth keeping in 686

S.lO.

Weltwirtschaft und Weltwirtschaftskonferenz, in: Internationale Wirtschaft 5 (1933),

687 So Eduard Hamm, in: HP: Document No. 5100, Special Committee for the Preparation of the Documents to be Submitted to the World Monetary and Economic Conference, Meeting of January 13th, 1933, S.S. 688 Antonin Basch, Memorandum on the Frozen Credit Problem in Central Europe, in: Joint Committee on the Improvement, S. 335. England, die USA und Deutschland waren die Schuldner mit den meisten kurzfristigen Krediten. 689 Internationale Handelskammer, Ansprache von George Theunis 1931, S. 7. 690 Internationale Handelskammer, Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S. 6n.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

225

mind."691 Die Idee wurde von Owen Jones und Richard Riedl in einem Memorandum aufgenommen. Darin präsentierten sie ihre Vorstellungen von einer Organisation, "to which appeal might be made by debtors and creditors combined."692 Somit schlug die Internationale Handelskammer bereits in der Zwischenkriegszeit die Gründung einer internationalen Organisation zur Gewährung von Krediten in Krisenzeiten vor, die dem Internationalen Wahrungsfonds in der heutigen Zeit schon sehr nahe kam. Michael D. Bordo und Barry Eichengreen sehen in der Errichtung einer derartigen Institution ein geeignetes Mittel zur Krisenbekämpfung, denn: "The absence of established procedures for the extension of such loans and the inevitable politicization of the intergovernmental process bindered extension of the requisite loans."693 Die Gründung eines internationalen Wahrungsfonds in der Zeit der Weltwirtschaftskrise hätte in der Tat die restriktive Kreditpolitik von seiten der amerikanischen und französischen Zentralbank neutralisieren und durch eine Erhöhung der Liquidität erheblich zu einer Milderung der Weltwirtschaftskrise beitragen können.694 Auf dem Kongreß der ICC in Kopenhagen im Jahre 1939 betonte die Kammer die Notwendigkeit von besseren Bedingungen im Kreditwesen. Dabei sollte den von der Internationalen Handelskammer geäußerten Forderungen nach einer Schuldenabzahlung in Form von Waren und Dienstleistungen sowie nach einem produktiven Einsatz der zur Verfügung gestellten Finanzmittel Rechnung getragen werden.695 Besonders die Abtragung der Schulden in Form von Waren und Dienstleistungen sollte ermöglicht werden.696

691 HP: Document No. 5100, Special Committee for the Preparation of the Documents to be Submitted to the World Monetary and Economic Conference, Meeting of January 13th, 1933,

S.5. 692 HP: Document No. 5100, Special Committee for the Preparation of the Documents tobe Submitted to the World Monetary and Economic Conference, Meeting of January 13th, 1933,

S.6.

693 Michael D.Bordo/Barry Eichengreen, Implications of the Great Depression for the Development of the International Monetary System, in: Bordo/Goldin/White, Defining Moment, S. 444 (fortan zitiert als Bordo/Eichengreen, Implications). 694 Für eine Kreditausweitung durch die Zentralbanken plädierte in der Zeit der Weltwirtschaftskrise bereits Ralph G. Hawtrey: .,The only real remedy is the expansion of credit by the central banks." Siehe Ralph H awtrey, Trade Depression and the Way Out, London 1933, S. 127. Er gestand aber auch der Nachfrage nach Gütern eine entscheidende Bedeutung für die Milderung der Krise zu: .,The end is the enlargement of demand; an increase in the number of monetary units offered for goods." 695 Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 56. Ein produktiver Einsatz von gewährten Krediten wird heutzutage auch wieder im Zusammenhang mit der Asienkrise vom Internationalen Währungsfonds gefordert. 696 Die Internationale Handelskammer sah in Schulden, die nur durch aufgenommene Kredite abgetragen werden konnten, eine wesentliche Ursache für die Störungen des wirtschaftlichen Gleichgewichts, .,deren Bedeutung im gleichen Verhältnis zunimmt wie die Vermehrung der internationalen Schulden und die schliesslich zum Zusammenbruch des ganzen Wirt-

15 Rosengarten

226

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

In einer Ausweitung des internationalen Kreditverkehrs (,,resumption of international lending"697) sah die Internationale Handelskammer eine wichtige Aufgabe, denn seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise war ein deutlicher Rückgang bei der Vergabe von Anleihen zu spüren. Gewährten die fünf großen Gläubigerländer Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika zwischen 1919 und 1927 Kredite in Höhe von 11,2 Milliarden Golddollar, betrugen sie für die Zeit von 1928 bis 1936 lediglich 6, 1 Milliarden Golddollar. Die Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer sah die Notwendigkeit, vorwiegend langfristige Kredite zu vergeben: "Hierdurch können Hemmungen des Wirtschaftsaufschwungs in beiden 1)'pen von Ländern beseitigt werden; bei den Kapitalüberschußländern dadurch, daß der Gefahr künstlicher Preissteigerungen begegnet wird, bei den Bedarfsländern durch Ankurbelung der nur mit reichlichen Krediten zu fördernden Unternehrnungslust."698

In dieser Position wurde sie von der britischen Landesgruppe unterstützt. In einem Bericht wies das British Committee darauf hin, daß eine internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gewährung von Anleihen zu einer Milderung der "Großen Depression" beitragen könne. Die britische Landesgruppe begrüßte in diesem Zusammenhang die Aussprachen, die zwischen dem britischen Schatzamt und dem französischen Finanzministerium im Hinblick auf die Währungspolitik stattgefunden hatten.699 Von den Mitgliedern des Ausschusses für Währungs- und Kreditpolitik der ICC wurde der Grundsatz einstimmig anerkannt, wonach die Kredite nur mit Überschüssen der sichtbaren und unsichtbaren Ausfuhr zurückgezahlt werden konnten. Sie legten ein besonderes Gewicht darauf, daß Gläubigerländer eine passive und Schuldnerländer eine aktive Handelsbilanz hätten. 700

5. Förderung von Kapitalexporten 1925 arbeitete Sir Josiah Stamp vom britischen Nationalkomitee in Zusammenarbeit mit Alberto Pirelli von der italienischen Landesgruppe an einem ausführlischaftssystems führen müssen." Internationale Handelskammer, Die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S. 7. 697 Dazu wurde auch in einem Report of the Committee of Experts submitted June 26, 1936 to the two Presidents of the Joint Committee geraten, in: Joint Committee on the Improvement, S. 398. Die Experten empfahlen zudem eine Umformung der kurzfristigen Kredite in langfristige Kredite. 698 Bericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer zur allgemeinen Lage der Wirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1931), S. 3. 699 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Wirtschaftslage. Berichte der Landesgruppen, Washington-Kongreß 1931, S.66. 700 Der internationale Kreditverkehr, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939), S.l9/20.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

227

eben Bericht über die Transferfrage der deutschen Reparationszahlungen. Sie zählten vier Methoden auf (Theorien des Transfers), im Rahmen derer sich der deutsche Kapital- und Warentransfer hätte vollziehen können: erstens durch eine erhebliche Steigerung der Ausfuhr; zweitens durch eine Vereinbarung über Sachleistungen; drittens durch ein "Assisted Scheme", d. h. bei der Durchführung großer Unternehmungen von öffentlichem Interesse im Gläubigerland sollten die Reparationsgelder zur Bezahlung von Waren und Dienstleistungen aus dem Schuldnerland gebraucht werden; und viertens durch die Verwendung der im Reparationsfonds angesammelten Gelder der Schuldnerländer zum Ankauf von deren festverzinslichen Obligationen. Interessant war, daß Stamp in einer Rede auf der Brüsseler Tagung vom 21. bis 27. Juni 1925 die gleichen Grundsätze für den Transfer, die er für die Reparationen vorsah, auch auf die Zahlung der interalliierten Schulden übertrug.7oi

In den Resolutionen, die auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Brüssel verabschiedet wurden, fanden die einzelnen Theorien des Transfers jedoch nicht einmal Erwähnung. Der Grund war: Vor allem die amerikanische Presse und Präsident Coolidge verhielten sich ablehnend gegenüber Stamps Vorschlägen. Sie sahen darin die Gefahr, daß die deutschen Reparationsverpflichtungen letzten Endes auf das amerikanische Volk abgewälzt werden würden: Eine gesteigerte Ausfuhr der deutschen Unternehmer wäre ihrer Meinung nach auf Kosten der amerikanischen Handelsbilanz gegangen. Zudem hätten erhöhte Einfuhren dem Absatz amerikanischer Produkte auf dem heimischen Markt geschadet. Dies hätte wiederum die Unternehmerischen Gewinne und damit auch die öffentlichen Steuereinnahmen verringert. Sinkende Profite würden negative Folgen auf die Zahl der Beschäftigten haben. Das amerikanische Sozialsystem, das von Steuergeldem finanziert wurde, hätte dadurch überbeansprucht werden können. Auch die Bezahlung von Reparationen in Sachleistungen hätte für die amerikanische Wirtschaft schädliche Auswirkungen haben können. Der heimische Markt wäre mit deutschen Produkten überschwemmt worden, deren Preisniveau erheblich unter demjenigen der amerikanischen Güter lag. Dadurch wären die Unternehmer in den USA einem erheblichen Konkurrenzdruck ausgeliefert worden. Nur der letzte Vorschlag - der Ankauf von festverzinslichen Obligationen des Schuldnerlandes -hätte nach Meinung des amerikanischen Präsidenten keine unmittelbaren Nachteile für die amerikanische Wirtschaft gehabt. Im Ausschuß für den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Europa wurde aber nicht nur über die Methoden zur Lösung des Transferproblems diskutiert. Die Mitglieder waren außerdem um eine Ausweitung von Anleihen bemüht, ohne dabei die Gefahren zu übersehen, die eine expansive Geldpolitik nach sich ziehen könnte. In dem Abschlußbericht vom Juni 1925 heißt es: "The demands for capital should be met from savings and not from an inflation of currency or expan70 1 Bundesarchiv 5.30/34.

IS•

Berlin-Lichterfelde:

Reichswirtschaftsministerium,

R 3101/1985,

228

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

sion ofbank credit disproportionate to the volume ofproduction, and leading to rising prices."702 Eduard Hamm vom deutschen Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer richtete 1931 sein besonderes Augenmerk auf die Kapitalbewegungen. Das wichtigste Mittel zur Krisenüberwindung sah er in einer Verteilung des Kapitals an die Orte mit der stärksten Wertschöpfung, denn Kapital- und Warenbewegungen (Strom- Gegenstrom) sollten aufeinander abgestimmt werden. Zahlungen außerhalb dieses wirtschaftlichen Kreislaufes mußten seiner Meinung nach notwendigerweise diesen Zusammenhang stören: Fand auf der Seite des Schuldnerlandes keine Kapitalzufuhr statt, verringerte sich die Kaufkraft, was wiederum die hnporte einschnürte. Zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise riet Hamm deshalb, die kapitalmäßigen Verpflichtungen nicht von einer Liberalisierung der Handelspolitik zu trennen. Dabei sollte bedacht werden, daß kein Land sich vom Schicksal des anderen auf Dauer absperren könne.7°3 Bezüglich eines freien Kapitalflusses nahm die Internationale Handelskammer eine ambivalente Haltung ein: Einerseits sah sie darin eine entscheidende Voraussetzung für die wirtschaftliche Stabilisierung.704 Andererseits verlangte sie auch eine gewisse währungspolitische Sicherheit gegenüber plötzlich auftretenden Fluktuationen.705 Schließlich stellen freie Kapitalbewegungen auch eine Gefahr dar.706 Sie können eine Ursache von Wechselkursschwankungen sein, deren Bewältigung in den dreißiger Jahren institutionell noch nicht möglich war. Daß die freie Volatilität des Kapitals zusammen mit festen Wechselkursen, wie sie die Internationale Handelskammer mit der Empfehlung zu einer Rückkehr zum Goldstandard propagierte, krisenmildernd gewirkt hätte, wird in der heutigen Zeit bezweifelt.707 1o2 International Chamber of Commerce (Hrsg.), Report of the Committee on Econornic Restoration. Third Congress Brussels June 21-27 1925, Brochure No. 39, S. 22. 703 Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S.22. 704 So sagte Maurice Golay von der Societe de Banque Suisse: ,,It is, however, hardly going too far to say that if, in the political and economic domains, efforts were combined with a view to the restoration of confidence, the freer rnovement of capital thus ensured would facilitate a speedy recovery in all countries." ASO: BIB 50, Oocurnent No.6216, Second International Bankers' Meeting. Ways and Means of Restoring Freedom of Capital Movernents, Statement by Maurice Golay Oirector-General ofthe Societe de Banque Suisse 2.3.1937, S.2. 70s So Fentener van Vlissingen, in: ASO: BIB 44, Oocurnent No.6685, Committee on Monetary Policy and Credit. Minutes of the Meeting of October 19th and 20th 1938, S. 7/8. 706 Über die Vor- und Nachteile eines freien Kapitaltlusses, siehe: The Threat to Globalisation, in: Financial Times vom 5. September 1998, S. 6. 707 Eine diametral entgegengesetzte Haltung zur Internationalen Handelskammer nimmt Herbert Stein ein: "One can reasonably argue, however, that once the pressure for contradiction of the money supply had been relieved by the loosening of the tie to gold and the establishrnent of deposit insurance, and the gold intlow began to raise the money supply, a strong recovery was most probable." Stein, Presidential Economics, S.62.

III. Wlihrungs- und finanzpolitische Empfehlungen

229

Im Jahre 1929 waren die institutionellen Voraussetzungen für eine Linderung der Krise weder in Europa noch in den USA gegeben: Es existierte mit dem Goldstandard ein System fester Wechselkurse. Der Wechselkurs konnte nicht als ein Mittel zur Steigerung der Ausfuhren eingesetzt werden, was wiederum einen erhöhten Kapitalzutluß bedeutet hätte. Es gilt generell festzuhalten, daß künstliche Eingriffe in die wirtschaftlichen Verhältnisse möglicherweise kurzfristig für die Nationalökonomie vorteilhaft seien können, langfristig verhindem sie aber immer eine effektive Anpassung des Marktes an die veränderten Verhältnisse. Eine Liberalisierung des Kapitalflusses bedeutet auch immer die Notwendigkeit der Aufhebung von Kontrollen auf anderen Märkten. Kapitalschranken in Krisenzeiten sind schon deshalb abzulehnen, da sie immer auch die Gefahr beinhalten, ein erster Schritt hin auf dem Weg zum Protektionismus zu sein. Auf der Versammlung vom 18. und 19. Februar 1931 beschloß der ICC-Ausschuß für Internationalen Zahlungsausgleich, dem Problem der freien Kapitalbewegung größere Aufmerksamkeit zu schenken. Er wies auf die Notwendigkeit hin, - die Besteuerung der Kapitalbewegung708 abzuschaffen, die Börsengesetze zu vereinheitlichen und die internationalen Kapitaltransaktionen zu regeln; 709 - die Organisation internationaler Finanzunternehmen privater Art zu fördern, um den Markt für mittel- und langfristige Kredite zu erweitern; - die Kapitalbewegung für rein produktive Zwecke zu unterstützen, besonders für die Entwicklung noch rückständiger Länder.no

708 Dabei ging es vor allem auch um die Beseitigung der Doppelbesteuerung. Sie wurde als ein Hindernis für den Welthandel gesehen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzte sich Alan Garrett Anderson für eine Stärkung der Befugnisse der Regierung ein. Im Rahmen der Verhandlungen über die Finance Bill 1937 im britischen Unterhaus machte er sich für zusätzliche Regierungkompetenzen beim Abschluß von zwischenstaatlichen Vereinbarungen stark, die sich auf eine Aufhebung der Doppelbesteuerung bezogen. Sein Vorschlag wurde vom Schatzamt abgelehnt. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), Double Taxation, London 1938, S.4. Im Hinblick auf die Besteuerung von Wertpapieren bestanden Meinungsverschiedenheiten: Die Gläubigerstaaten wollten, daß der Ertrag von Auslandskrediten im Wohnland besteuert werden würde, während die Schuldnerstaaten eine Besteuerung im Ursprungsland für richtig hielten. Der amerikanische Delegierte Thomas Adams erwähnte den Gesetzentwurf, der dem Kongreß der Vereinigten Staaten unter dem Namen "Hawley Bill" vorlag. Danach sollten steuerfreie Einkünfte nur Unternehmern aus den Ländern gewährt werden, die den amerikanischen Bürgern gleiche Behandlung zusicherten. Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S.62. 709 Edward Meeker von der amerikanischen Landesgruppe empfahl die Freiheit der Börsen, um dem Kapital Bewegungsfreiheit zu sichern. Er wies gleichzeitig darauf hin, daß die Finanzmärkte durch eine Internationalisierung viel empfindlicher gegenüber Wirtschaftsschwierigkeiten in anderen Ländern reagieren würden. Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S. 60-63. 7 10 Dernburg, Niveau der Preise, S. 4.

230

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

Eine Lösung für den in Europa bestehenden Dollarmangel konnten diese Empfehlungen für sich genommen aber nicht sein. Daß das Dollarangebot von 1929 bis 1932 um 68% sank711 , lag nicht nur an den beschränkten Kapitalexporten von seiten der USA, sondern auch an den verringerten amerikanischen Wareneinfuhren. Infolge des konjunkturellen Einbruchs und des Smoot-Hawley-Zollgesetzes gingen die US-Importe zurück und verringerten damit auch das Dollarangebot in der Welt. Der Einfluß der amerikanischen Einfuhren auf die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Welt wird von Holtfrerich wie folgt analysiert: "Variation in US import activity generally seems to have been of greater importance [for the supply of US Dollars] than variation in capital outflows."712 Auch die Internationale Handelskammer hatte die Bedeutung amerikanischer Einfuhren für die Rückzahlung der europäischen Schulden erkannt. Zunehmende Importe von seiten der USA wären mit einem Dollarrückfluß nach Europa verbunden gewesen. Damit hätten die interalliierten Schulden wieder zurückgezahlt werden können. Die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer zu einer Ausweitung der Kreditexporte und einer Liberalisierung des Kapitalverkehrs müssen demnach direkt auch im Zusammenhang mit ihrem Ratschlag zu einem Abbau der tarifärenund nicht-tarifären Handelshemmnisse gesehen werden. Eine Ausweitung des Kapitalangebots allein hätte keine Milderung der Krise bewirkt, es sei denn daß damit auch ein Abbau der Handelsbeschränkungen einhergegangen wäre. A. Meggle schlug daher die Gründung einer ,,Mutual Credit Insurance Association" vor. Diese sollte der Exportförderung dienen. Dagegen wandte sich das dänische Nationalkomitee. Es bestritt, daß die Exportsicherung ein Mittel zur Milderung der Krise darstellte. Seiner Meinung nach lagen die Exportschwierigkeiten weniger in einer mangelnden Kreditfähigkeit als in überhöhten Zollforderungen.713 Für das britische Nationalkomitee lag die Hauptgefahr eher in einer nationalen Zahlungsunfähigkeit. A. N. Patrick setzte sich daher für ein internationales Register ein, das das nötige Maß an Glaubwürdigkeit vermitteln sollte.7•4 Auf der Sitzung des Verwaltungsratesam 23. und 24. Oktober 1931 wurden die Regierungen zur Befolgung einer Wirtschaftspolitik aufgerufen, die zu einer "freieren internationalen Bewegung der Menschen und zu einem freieren Austausch von Waren, Kapital und Dienstleistungen" führen sollte.715 Die Internationale Handelskammer hielt eine Wiederbelebung des Welthandels für unmöglich, solange eine 711

Lary, World Economy, S. 5-6.

71 2 Holtfrerich, VS Economic (Policy), S. 73. 71 3 Dieser Haltung schloß sich auch die italienische Landesgruppen an. ASO: BIB 44, Document No. 4865, Committee of Inquiry on Export Credit lnsurance. First Meeting: June 13th 1932, S.2. 714 ASO: BIB 44, Document No.4865, Committee of Inquiry on Export Credit Insurance. First Meeting: June 13th 1932, S. 3. m Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (1931), S.l.

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

231

Devisenbewirtschaftung bestünde. Die Devisenkontrollen behinderten ihrer Ansicht nach den internationalen Handel in weitaus höherem Maße als jede andere Form des Protektionismus.716 Die Internationale Handelskammer sah in einer Aufhebung der Devisenkontrollen ein wichtiges Element für den wirtschaftlichen "Wiederaufbau". Voraussetzung dafür seien die Regelung der kurz- und langfristigen Schulden (einschließlich der sogenannten Stillhalteabkommen) sowie ein Gleichgewicht der Staatshaushalte und die Wiederherstellung gesunder währungspolitischer Verhältnisse, schrieb die Internationale Handelskammer im Jahre 1933.717 Spätestens seit den Erfahrungen der "Großen Depression" lehrt aber die Nationalökonomie, daß in Krisenzeiten der Ausgleich des Haushalts gar nicht erstrebenswert ist.718 Vielmehr wird seit John Maynard Keynes das "deficit spending" als ein notwendiges Mittel zur Behebung der Krise gesehen.719 Bei den zunehmenden Abschließungstendenzen der Nationalwirtschaften hätte dieser Faktor allein aber keinen allgemeinen Aufschwung bewirken können. Eine exportorientierte Volkswirtschaft konnte auf die außenwirtschaftliehen Handelsbeziehungen nicht verzichten. Auf der Sitzung des Verwaltungsrats vom 9. März 1932 trat der amerikanische Vertreter Silas H. Strawn für einen freien Kreditfluß ein: ,,A free and comparatively unhampered flow of credit is a condition precedent to world commerce. Creditor nations have a particular interest, and a responsibility, in helping to revive and foster international trade by granting loans and extending credit for sound and productive purposes."720

Bezeichnenderweise kam die Empfehlung von dem Vertreter eines Landes, das gerade von anderen Staaten angehalten wurde, seine Kreditexporte nach Europa auszuweiten. So setzte sich beispielsweise auf dem Pariser Kongreß im Juli 1937 der britische Delegierte Artbur R. Guinness explizit für eine expansive Kreditpolitik 716 Die Länder mit Devisenkontrolle bezweckten damit zunächst den Schutz ihrer eigenen Währung, indem sie die für ihre Auslandsverpflichtungen benötigten Devisen zurückhielten. Diese Praxis führte zu noch schärferen Beschränkungen der Einfuhr. Die Folge davon war eine immer stärkere Ausbreitung der Beschränkungen und Hemmnisse des internationalen Güteraustauschs und die Einführung eines rein zweiseitigen Güterverkehrs durch Kompensationsabkommen. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Währungsprobleme, Drucksache Nr. 3, Pariser Kongreß 1935. S. 2. 717 Internationale Handelskammer, Entwurf für die Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz, S.8. 718 ,,Finally, and most importantly, governments should take direct responsibility for the management of national aggregate demand, which they can do through an active fiscal policy, which bad been demonstrated in the 1930s once the constraining fetters of gold bad been removed." Cooper, Fettered to Gold, S.2123. 719 lohn Maynard Keynes, The World Economic Conference, 1933, in: The New Statesman and Nation vorn 24. Dezember 1933, S. 825 (fortan zitiert als Keynes, World Economic Conference). 720 ASO: Document No.4785, XXXVIIth Session of the Council, Statement presented by Mr. Silas H. Strawn on behalf of the American National Committee of the International Chamber of Commerce, March 9th 1932, S. 3.

232

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

von seiten der USA ein. Auch in der neuesten Forschung findet der Vorschlag einer weltwirtschaftliehen Führungsmacht, die im Krisenfall als Kreditgeber einspringen sollte, Befürworter.721 Guinness sah in der Bereitstellung von kurzfristigen Krediten ein bedeutendes Mittel zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren. Konkret plädierte er für die Gewährung von Krediten zu einem mäßigen Zinssatz, damit vor allem Deutschland die Devisenbeschränkungen beseitigen könnte, die seinen Außenhandel behinderten.722 Die Bedeutung flexibler Zinssätze hatte damals auch Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht erkannt: .,Wir brauchen nicht einen Eingriff in die Wahrungswirtschaft, der nur allerseits Unheil stiften würde, sondern wir können mit einem Eingriff in die Zinswirtschaft, der niemanden schädigt, sondern allen zugute kommt, die dringendsten Sorgen, insbesondere auch auf dem Gebiet der Arbeitsbeschaffung, bannen. " 723

Nicht zu beachten schien Guinness, daß im Krisenfall gerade von kurzfristigen Krediten eine erhebliche Gefahr ausging: sie konnten kurzerhand zurückgezogen werden. Dies war in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1939 der Fall. Daraus zieht W. Artbur Lewis seine Lehre für die zukünftige Krisenbekämpfung: "The first lesson from inter-war experience is therefore that if countries do not possess reserves, and are driven to borrow in order to build up reserves, the loan must be of such nature that it cannot suddenly be withdrawn."724 Gerade der Rückzug der amerikanischen Kredite aus Europa verschärfte die "Große Depression", indem sie auf dem alten Kontinent plötzlich einen Mangel an Liquidität schuf. Charles P. Kindleberger behauptet daher, daß für die Überwindung der Weltwirtschaftskrise eine wirtschaftliche Führungsmacht notwendig gewesen wäre, die einen Markt für Krisenprodukte bereitgestellt, internationale Zahlungsbilanzen stabilisiert hätte und im Krisenfall als Diskontgeber eingesprungen wäre.725 Gegen diesen Lösungsansatz legt Peter Temin Widerspruch ein. Seiner Meinung nach hätte auch diese "hegemonic power" im Rahmen der bestehenden systempolitischen Strukturen operieren und damit ein Ziel verfolgen müssen, das im Einklang mit der Wirtschaftspolitik der Mehrzahl der Regierungen gestanden hätte: "They all adopted deflationary policies."726 721 Kindleberger, International Capital Movements, S. 443/444; Kindleberger, World in Depression, S. 307. Gegen Kindlebergers Plädoyer für einen ,,lender of last resort" wendet sich Donald E.Moggridge, Policy in the Crises of 1920 and 1929, in: Charles P. Kindleberger/JeanPierre Laffargue (Hrsg.), Financial Crises: Theory, History and Policy, Cambridge 1982, S.l71-187. 722 Offizieller Sitzungsbericht des Neunten Kongresses der Internationalen Handelskammer in Berlin vom 28. Juni- 3. Juli 1937, in: Internationale Wirtschaft 7/8 (1937), S .46/47. 723 Hjalmar Schacht, Grundsätze der deutschen Wirtschaftspolitik, Oldenburg 1932, S. 55. 724 Lewis, Economic Survey, S. 158. ns Kindleberger, World in Depression, S.294-297. Die USA hätten seiner Meinung nach als .,lender of last resort" fungieren sollen, wie es die Aufgabe Großbritanniens vor dem Ersten Weltkrieg gewesen war. 726 Temin, Lessons, S. 36.

III. Wahrungs- und finanzpolitische Empfehlungen

233

In der Internationalen Handelskammer gab es auch Stimmen, die langfristigen Anleihen zu einem mäßigen Zinssatz den Vorzug gaben. Diese sollten eine Erleichterung für die Schuldner darstellen. In einer rigiden Zinspolitik wurde ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung gesehen. L.Nicolaides vom griechischen Nationalkomitee schlug sogar eine europäische Kreditorganisation vor, die unter der Ägide der Internationalen Handelskammer arbeiten sollte.727 Die Vergabe von Krediten zu einem mäßigen Zinssatz wurde aber nicht von allen Mitgliedern der Internationalen Handelskammer befürwortet. Es gab auch Stimmen, die vor einer "policy of artificially cheap money" warnten. In bestimmten Fällen sollte Geld sogar relativ teuer sein, forderten Vertreter von Gläubigerländern, wie z. B. Maurice Golay (Schweiz), Winthrop Aldrich (USA) und Benjamin M. Anderson (USA).728 Auf der Verwaltungsratssitzung vom 21. Oktober 1938 verwarf die Kammer schließlich die Politik des billigen Geldes. Mäßige Geldsätze durften ihrer Meinung nach nicht explizit für eine Vermehrung der Kreditmittel eingeführt werden. Zinsen sollten wahrheitsgemäß die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Markt widerspiegeln, indem sie sich auf das Kapitalangebot und die Kapitalnachfrage bezögen und von den Zentralbanken nicht künstlich festgesetzt werden würden.729 In der Doktrin "that the central banks ought to follow the market instead ofleading it", wie sie eben auch vom Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer vertreten wurde, sieht Ralph G. Hawtrey eine Rechtfertigung für den Inaktivismus von seiten der Zentralbanken.73° Damit wird deutlich, daß die Internationale Handelskammer die deflationäre Gefahr unterschätzte, die in der Zeit der Weltwirtschaftskrise von einer kontraktiven Geldpolitik der Zentralbanken ausging. Gerade für die deutsche Wirt127 ASO: BIB 43, Document No.4689, Joint Meeting for the Study of European Problems, December 8-9th 1931, S.l2. 728 ASO: BIB 44, Document No.6685, Committee on Monetary Policy and Credit. Minutes of the Meeting of October 19th and 20th 1938, S. 11. 729 Die Arbeit der IHK. 58. Verwaitungsratssitzung, in: Internationale Wirtschaft 5 (1938), S. 11. Meinungsverschiedenheiten ergaben sich in Bezug auf den Entwurf einer Entschließung mit folgendem Wortlaut: ,.Die Internationale Handelskammer erkennt an, daß die Politik des billigen Geldes in den letzten Jahren zur Belebung des Handels beigetragen hat: sie kann jedoch nicht annehmen, daß künstlich verbilligtes Geld unter allen Umständen für die Wirtschaft notwendig sei. Gerade heute, wo sich die Rüstungsausgaben immer mehr steigern, muß sie die Auffassung ablehnen, wonach die Geldmärkte nie wieder zur Aufrechterhaltung hoher Geldsätze schreiten dürften. Die Zinssätze sollten wahrheitsgemäß die tatsächliche Lage mit Bezug auf Kapitalangebot und -nachfrage widerspiegeln. Unter einem angemessenen Kapitalangebot ist eine reichliche Menge von wirklichem Sparvermögen privater und öffentlicher Geldgeber zu verstehen." Mehrere Mitglieder der Internationalen Handelskammer beantragten eine Streichung dieses Absatzes, während andere seine Beibehaltung mit gewissen Abänderungen wünschten. Offizieller Sitzungsbericht des X. Kongresses der Internationalen Handelskammer, Kopenhagen 26. Juni- 1. Juli 1939, in: Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 71 (fortan zitiert als Offizieller Sitzungsbericht des X. Kongresses). 730 Hawtrey, Central Banking, S. 287.

234

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

schaft wäre aber eine Politik des billigen Geldes durch eine explizite Diskontsatzsenkung von Vorteil gewesen. Diese hätte zu einer Erleichterung der Kreditvergabe beigetragen und einen deutlichen Anreiz für neue Investitionen in der deutschen Wirtschaft geschaffen. Felix Mlynarski vom polnischen Nationalkomitee setzte sich vehement für den Ausbau der internationalen Kreditexporte ein.731 Der Ausschuß für Wahrungs- und Kreditpolitik der Internationalen Handelskammer befürwortete Kapitalexporte nur dann, wenn alle Voraussetzungen für die Rückkehr zur Devisenfreiheit tatsächlich erfüllt worden waren. Andernfalls würden die Kredite genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie bezwecken sollten.732 Die Grundlage einer internationalen Kreditvermittlung sollte eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen den nationalen Notenbanken und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sein. Aus Zentralbankkreisen wurde sogar verlautbart, daß es nichts schade, wenn die BIZ durch eine großzügige Diskontierung eingereichter Wechsel eine maßvoll dosierte Inflation verabreiche.733 Dagegen wandte sich aber die Internationale Handelskammer auf einer Verwaltungsratssitzung im Oktober 1931. In einer Resolution rief die Kammer ihre Mitglieder dazu auf, von der Empfehlung einer inflationären Kreditpolitik abzusehen.734 Ihrer Meinung nach trügen sie die Verantwortung, "in shunning the illusory benefits of credit intlation".735 Der Verwaltungsrat plädierte vehement für Kontrollen bei der Kreditvergabe, die durch eine Zusammenarbeit zwischen Zentral- und Geschäftsbanken erreicht werden sollte. Die Empfehlung der Internationalen Handelskammer zu einer kontrollierten Kreditvergabe wurde von der New York Herald Tribune als eine Warnung an die Direktoren der

731 In den Drucksachen der Internationalen Handelskammer wurden die Ausdrücke "internationaler Kreditverkehr'' und ,,Auslandsinvestitionen" nebeneinander gebraucht. Die Auslandsinvestitionen wurden als ein Mittel zur Steigerung der Ausfuhr und damit des Welthandels gesehen. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Funktionen des Internationalen Kreditverkehrs, Drucksache Nr. 3, Berliner Kongreß 1937, S.l/10. 732 Internationale Wirtschaft 1 (1939), S.20/21. 733 Sir Charles Addis von der Bank von England, in: The Times vom 4. April 1930, S. 23. 734 Die neuere Forschung sieht gerade in der Förderung inflationärer Tendenzen ein Mittel zur Krisenmilderung. Carl-Ludwig Holtfrerich sieht z.B. die inflationäre Politik in Deutschland in den Jahren 1920/21 als eine Erklärung für die Überwindung des Konjunktureinbruchs im Jahre 1920. Die deutsche Volkswirtschaft habe- durch die Inflation belebt- die Rolle einer ,,Lokomotive" für die Exportwirtschaft der anderen Industrieländer gespielt. Der "deflationäre Gleichschritt" aller wichtigen Länder in der Weltwirtschaftskrise nach 1929 habe den kumulativen Nachfragerückgang erheblich verstärkt. Die zweite Nachkriegsdepression sei dadurch sehr viellänger gewesen als die Krise von 1920/21. Holtfrerich, Inflation, S.217 und 329. Derek H.Aldcroft, Die zwanziger Jahre. Von Versailles zur WallStreet 1919-1929, München 1978, S.86. 73S Zitiert nach: New York Herald Tribune vom 24. Oktober 1931, in: NA II, Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93.

III. Wahrungs- und finanzpolitische Empfehlungen

235

National Credit Corporation gesehen, die von Präsident Hoover gegründet worden war.736 Im Rückblick kann die Empfehlung der Internationalen Handelskammer zu einer beschränkten Kreditvergabe nicht als ein Heilmittel zur Linderung der Krise angesehen werden: Allgemein bestand eher ein Mangel an Liquidität denn ein Überßuß. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde in führenden Kreisen nicht erkannt, daß Geld knapp war: Im Federal Reserve Board ging man von einem übermäßigen Kreditangebot aus und trug deshalb durch eine restriktive Geldpolitik zu einer Vertiefung der "Großen Depression" bei. Nicht die Gefahr einer Inflation war für die Zeit der Weltwirtschaftskrise kennzeichnend, sondern - ganz im Gegenteil - eher diejenige einer Verknappung von zur Verfügung stehenden Geldmitteln. Eine Förderung inflationärer Tendenzen durch eine großzügige Bereitstellung von Krediten wäre ein effektives Mittel zur Krisenbekämpfung gewesen. Aber dieser Politik widersetzte sich das Federal Reserve Board 1936 durch eine Verordnung zur Erhöhung von Mindestreserven für alle Mitgliedsbanken des Federal Reserve Systems in der Zeit der Weltwirtschaftskrise.m Maurice Golay von der Societe de Banque Suisse machte den Vorschlag über die Veränderung des Diskontsatzes für einige Branchen, die Entwicklung bestimmter Industrien zu fördern. 738 Ob eine selektive Senkung des Diskontsatzes technisch möglich gewesen wäre, ist fraglich. In Deutschland setzte die Reichsbank einen relativ hohen allgemeinen Diskontsatz fest. Er sollte einen Devisenzufluß aus dem Ausland nach sich ziehen, um den Liquiditätsmangel zu beseitigen. Im Endeffekt verstärkten die hohen Zinsen aber nur die Krise in Deutschland,739 indem sie nämlich gleichzeitig Unternehmerische Investitionen erschwerten. Bei den finanzpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer ist zu beachten, daß niedrige Zinssätze und eine großzügige Kreditvergabe allein nicht ausreichen- wie das Beispiel Japan in den letzten Jahren gezeigt hat-. um ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen.740 Ausschlaggebend für die Anlagebereitschaft ist auch die Gewinnerwartung der Unternehmer: Diese sind erst dann bereit 736 SoLeland Stowe von der New York Herald Tribune, in: NA U, Correspondence ofthe Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. 737 Federal Reserve Board (Hrsg.), 1\venty-Third Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1936, Washington D. C. 1937, S. 232. 738 ASD: BIB 50, Document No.6216, Second International Bankers' Meeting. Ways and Means of Restoring Freedom of Capital Movements, Statement by Maurice Golay DirectorGeneral ofthe Societe de Banque Suisse 2.3.1937, S.5. 739 Hall/Ferguson, Great Depression, S. 92. 740 So auch Derek H. Aldcroft: "Cheap money and abdundant credit may have little effect in inducing revival from a recession if banks refuse to use their resources to grant new loans or if businessmen's profit expectations remain depressed." Aus diesem sieht er die Geldpolitik eher als ein Mittel zur Kontrollierung eines Booms, denn als Möglichkeit zur Förderung eines Aufschwungs in Krisenzeiten. Aldcroft, Inter-War Economy, S. 324.

236

C. Wirtschaftspolitische Empfehlungen und Weltwirtschaftskrise

zu investieren, wenn sie davon überzeugt sind, daß das Risiko, das sie eingehen, niedriger ausfällt als der Gewinn, den sie langfristig erwarten. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise war das Vertrauen in die Proti.tabilität der Märkte gesunken. Auch ein niedriger Zinssatz konnte alleine nicht die Angst vor falschen Entscheidungen nehmen. Daher beabsichtigte die Internationale Handelskammer, die Gewährung von Krediten an bestimmte Bedingungen zu koppeln. Von der kanadischen Landesgruppe wurde beispielsweise vorgeschlagen, die Einräumung von Auslandsanleihen vom produktiven Nutzen abhängig zu machen.741 Darin kann bereits eine Forderung nach einer Art .,Monitoring" aIa Weltbank und IWF gesehen werden, welche die Kreditgewährung von bestimmten Konditionen abhängig machen. In der Gründung einer internationalen Finanzinstitution mit etablierten Verfahren und der Entpolitisierung der Handelsbeziehungen zwischen den Staaten hätten nach Ansicht von Michael D. Bordo und Barry Eichengreen die einmalige Chancen gelegen, die Finanzkrise von 1930 abzuwenden.742 Andererseits darf nicht der Umstand übersehen werden, daß auch die Geldvorräte eines Fonds nur begrenzt sind.743 Daraus folgert Barry Eichengreen, daß die Schaffung eines .,true internationallender of last resort", wie er von Charles P. Kindleberger als Mittel zur Heilung der Weltwirtschaftskrise vorgeschlagen worden war, nicht möglich sei.'44 Zudem kann sich der Fonds bei seinen Empfehlungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Förderungsprogramms auch täuschen. Dadurch könnte sich dann die Krisensituation sogar noch verstärken.745 Ob eine Zinssenkung die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise durch zunehmende Investitionen entscheidend hätte mildern können, wurde auch von Wilhelm Röpke bezweifelt. Er vertrat die Auffassung, daß unter den Bedingungen einer schweren Krise manchmal selbst ein Zinssatz, der gegen Null tendiere, nicht unbeOffizieller Sitzungsbericht des X. Kongresses, S. 53/66/67. Bordo/Eichengreen, Implications, S. 445/456. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich war dieser Aufgabe im Jahre 1930 nicht gewachsen und schied daher in der Rolle als Krisenmanager friihzeitig aus. Im Zusammenhang mit der Asienkrise Ende der neunziger Jahre hält Barry Eichengreen aber Reformen, die die Schaffung einer globalen Finanzaufsicht, eines globalen Konkursgerichts oder auch einer Internationalen Zentralbank vorsehen, für nicht realisierbar. Carola Kaps, Vier praktische Vorschläge für ein besseres Finanzystem. Professor Eichengreen: Internationale Standards formulieren, statt einen suprantionalen Währungsfonds zu schaffen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. März 1999, S.18. Eine konträre Position nimmt dagegen Jeffrey E. Garten ein (In this Economic Chaos, a Global Bank Can Help, in: International Herald Tribune vom 25. September 1998, S.8). 743 Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man sie mit dem Tagesumsatz im Devisenhandel vergleicht. 1998 betrug er 1,5 Billionen Dollar. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Mai 1999,S.3l. 744 Barry Eichengreen, Toward a New International Financial Architecture. A Practical Post-Asia Agenda, Washingon D. C. 1999, S. 61 , Anm. 4 (fortan zitiert als Eichengreen, Financial Architecture). 74' Der IWF gab im Zuge der Asienkrise sogar den Ratschlag, die Leitzinsen zu erhöhen . .,That the medicine did not work is clear." Eichengreen, Financial Architecture, S. 111. 741

742

III. Währungs- und finanzpolitische Empfehlungen

237

dingt ausreichte, um die Unternehmer zu neuen Investitionen zu bewegen.746 In diesem Fall sollte der Staat als Anleger einspringen. Die Internationale Handelskammer stellte aber für die Zeit der Weltwirtschaftskrise schon ein alarmierendes Potential an staatlichem Interventionismus fest.747 Dieser habe ihrer Ansicht nach nicht nur die Krise verschlimmert, sondern auch eine Gefahr für die Zukunft dargestellt.748 Die staatlichen Eingriffe ins Wirtschaftsleben würden eine "controlled economy" heraufbeschwören, die den Interessen der Industrie zuwiderlaufe.749 W. H. Coates vom britischen Nationalkomitee forderte zudem für alle internationalen Zahlungsverpflichtungen eine Bestandsliste. Sein Vorschlag war, "to dispose of statistics for the various countries on invisible trade".750 Pierre Quesnay von der BIZ ergänzte diesen Vorschlag, indem er alle gewährten Kredite zentral registrieren lassen wollte.751 Diese Forderung kam den Vorschlägen für eine Reform des IWFKreditrnechanismus in den neunziger Jahre sehr nahe.7S2 Die schwerwiegenden Erschütterungen auf den asiatischen Finanzmärkten haben erneut gezeigt, daß eine hohe kurzfristige Auslandsverschuldung und ein schwacher Finanzsektor die Krisenanfälligkeit erhöhen.753

746 Wilhelm Röpke, Tends in German Business Cycle Policy, in: Economic Journal 43 (1933), S. 436. Röpke unterschied nicht zwischen Nominal- und Realzins. Auch wenn der Nominalzins gegen null Prozent tendiert, kann bei fallenden Preisen der Realzins flir Investoren immer noch zu hoch sein. Dagegen wies der Wahrungsexperte L. A. Hahn auf den positiven Zusammenhang zwischen einem niedrigen Diskontsatz und der wirtschaftlichen Entwicklung hin. Albert Hahn, Aufgaben und Grenzen der Wahrungspolitik seit der Stabilisierung, Jena 1928, S. 23 ff. 747 ASD: BIB 49, Document No. 4714, Committee of Inquiry into Foreign Exchange Regulations, January 16th 1932, S.l. 748 Auch die neuere Forschung sieht in einem staatlichen Interventionismus kein Mittel zur Milderung der Weltwirtschaftskrise. Er hätte nur geringe Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Aufschwung gehabt. Aldcroft, European Economy, S. 79. 749 ASD: BIB 43, Document No. 4687, Joint Meeting for the Study of European Problems, December 8-9th 1931, S. 2. 75° ASD: BIB 44, Document No.6685, Committee on Monetary Policy and Credit. Minutes of the Meeting of October 19th and 20th 1938, S. 9. 751 ASD: BIB 50, Document No.6253, Second International Bankers' Meeting, Minutes, 19.3.1937, S.4. 752 So der Vorschlag von Otmar Issing, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, für ein internationales Kreditregister. Siehe: IWF versteht sich nicht als stiller Aufpasser, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Juli 1998, S.l7. 753 Gunther Schnabel/Joachim Starbatty, Im Strudel der japanischen Krise, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. August 1998, S.l3.

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer Die Internationale Handelskammer stellte zwischen Politik und Wirtschaft ein Verbindungsglied von besonderer Art dar: Sie vertrat zwar einerseits das Gesamtinteresse der Unternehmerschaft gegenüber den politischen Entscheidungsträgern, stand aber andererseits den Regierungen auch mit Sachverstand zur Seite. In diesem Kapitel soll daher der Frage nachgegangen werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Internationale Handelskammer, die Haltung der amerikanischen, britischen, deutschen und französischen Regierung zu beeinflussen vermochte. I Dies ist insofern von Bedeutung, als die Festsetzung von Kontingenten stets eine Maßnahme der Verwaltung war und im Normalfall gesetzgebende Körperschaften für die Festsetzung von Zollsätzen verantwortlich waren. Die Erklärung für die weltwirtschaftliehen Rahmenbedingungen für den internationalen Handel in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ist also letztlich auch auf der politischen Ebene zu suchen; allerdings darf dabei nicht der Einfluß der Wirtschaft übersehen werden.2 Christian Saint-Etienne macht demnach zu Recht auch Fehlentscheidungen auf der Regierungsebene für den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise verantwortlich.3 Er sieht vor allem in einer expansiven Geldpolitik und einer zurückhaltenden Steuerpolitik das wirkungsvollste Instrument, das zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zwischenkriegszeit hätte führen können. John B. Taylor ging sogar so weit und arbeitete eine anpassungsfähige "policy rule"4 (Taylor-Rule) aus, die zu einem adäquaten Verhalten in Krisenzeiten führen sollte. In dem Aufsatz "Di1 Bereits in der früheren Literatur ist auf die Schwierigkeit hingewiesen worden, den Einfluß, der vonseitender Nationalkomitees auf die Entscheidungen der Regierungen ausgeübt wurde, aufzuzeigen. Tsai, Chambre de Commerce Internationale, S.4. 2 Die Frage, ob die Wirtschaft oder die Politik in dem politischen Entscheidungsprozeß letztlich dominierte, wurde von Wolfram Fischer bisher offengelassen. Wolfram Fischer, Weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen für die ökonomische und politische Entwicklung Europas 1919-1939, Wiesbaden 1980, S.31. 3 "Contrary to what has been taught to generations of students and future policymakers, govemment policies- whether active, such as trade policies (increased tariffs), or passive, such as monetary policies (the failure of US monetary authorities to intervene and check the collapse of the financial system)- started the Great Depression." Saint-Etienne, Depression, S. 38. 4 Taylor definiert die "policy rule" folgendermaßen: "Technically speaking, a policy rule is a contingency planthat lasts forever unless there is an explicit cancellation clause." lohn B. Taylor, Discretion Versus Policy Rules in Practice, in: Camegie-Rochester Conference Series on Public Policy 39 (1993), S.199 (fortan zitiert als Taylor, Discretion).

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

239

scretion Versus Policy Rules in Practice" konzentrierte sich Taylor 1993 vor allem auf die Geldpolitik: "For example when the economy starts into recession, sharp and rapid interest-rate declines are appropriate."5 Während das Gros der heutigen Forschung vorwiegend die Regierungen für den Verlauf der Weltwirtschaftskrise verantwortlich macht, versucht die vorliegende Arbeit auch den Anteil der Wirtschaft für ihre Verschärfung auf besonderer Weise herauszuarbeiten. Das Beispiel der Internationalen Handelskammer hat gezeigt: Hindernisse für die Umsetzung der handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise wurden in den Reihen der Organisation selbst aufgebaut. Für die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen auf die politischen Entscheidungsträger spielte die heterogene Zusammensetzung der Kammer eine entscheidende Rolle: Die Internationale Handelskammer war eine Vereinigung starker nationaler und partikularer Vertretungen. Franz von Mendelssohn war sich der Divergenzen innerhalb der Kammer bewußt, als er 1930 schrieb: "Dieser nationale Unterbau der Internationalen Handelskammer ist natürlich in seinen nationalen Abgrenzungen betonter, als es innerhalb einer Gesamthandelskammer oder eines Handelskammerverbandes eines Landes die örtlichen Handelskammern untereinander sind. Denn noch steht mit Grund die nationale Gemeinschaft einer Volkswirtschaft in der vorderen Linie vor der internationalen Gemeinschaft der Weltwirtschaft." 6

Die Umfragen, die bei den verschiedenen Landesgruppen über konkrete und oft schwer zu lösende Fragen angestellt wurden, riefen im allgemeinen einen Zusammenstoß entgegengesetzter Interessen hervor. Dabei traten besondere wirtschaftliche Anliegen in Erscheinung, welche auf Grund der freiwilligen Beitrittsbewegung von der Organisation nicht unberücksichtigt bleiben konnten. Die Internationale Handelskammer umfaßte eine Vielzahl von wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die sie nur schwer zu einem allgemeinen Standpunkt zusammenfassen konnte. Im Bereich der Zollpolitik wurden die Differenzen nach Ansicht von Alan G. Anderson besonders deutlich: "Some of us dislike all tariffs; some admire all tariffs; many of us admire their own and dislike their neighbours • tariffs." 7 Rene Amaud forderte daher ein vehementes Eingreifen der Regierungen: ,,Nur die Regierungen, die Schiedss Taylor, Discretion, S.196. Franz von Mendelssohn, Das Handelskammerwesen in nationaler und internationaler Be-

6

ziehung, in: Internationale Wirtschaft6 (1930), S. 109. Don Carlos Prast, Präsident des spanischen Nationalkomitees der Internationalen Handelskammer, wurde so z. B. zu einem glühenden Verfechter von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Amerika im Jahre 1930. Siehe Iones, Retaliation, S. 50. Auch John B. Condliffe vertritt die These, daß in der Zwischenkriegszeit eher die nationalen Interessen und weniger das Wohl der Weltwirtschaft im Vordergrund standen. Condliffe, Reconstruction, S. 26. 7 So äußerte sich der Präsident der Internationalen Handelskammer am 24. Februar 1927. League of Nations (Hrsg.), Final Report of the Trade Barriers Committee of the International Chamber ofCommerce (C.E.I. 5(1)), Genf 1927, S.l4.

240

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

richterder verschiedenen Sonderinteressen sind, können ,geben und nehmen', einer Branche Konzessionen, vielleicht Opfer auferlegen, die für die Vorteile der übrigen Branchen notwendig sind."8 Nicht berücksichtigt wurde dabei die politische Schwierigkeit, einmal garantierte Vorrechte (z. B. Zölle) wieder abzubauen. Auf der Weltwirtschaftskonferenz von 1927 forderte die Internationale Handelskammer die verschiedenen Staaten zu einem gemeinsamen Handeln auf. Dann würden die Zugeständnisse der einen in ähnlichen Opfern der anderen ihre Gegenleistung finden. 9 Für Georges Theunis waren die Anstrengungen der Kammer in dieser Richtung aber noch nicht ausreichend. Er betonte auf der Verwaltungsratssitzung vom 24. Juni 1932 noch einmal explizit: "Particular interests should not Iead to trade barriers being tolerated."10 Die Zusammenarbeit der Nationen auf wirtschaftlichem Gebiet sollte nicht durch die Verfolgung und Tolerierung partikularer Interessen untergraben werden. Ansonsten verlöre die Internationale Handelskammer ihre ,,raison d'etre". In der Zeit der Weltwirtschaftskrise präsentierte die Internationale Handelskammer ein doppeltes Gesicht: Sie vertrat allgemeine Liberalisierungsinteressen und protektionistische Sonderinteressen zugleich. Die Zeitschrift "Der Deutsche Volkswirt" witterte Gefahr auf dem weiten Weg zum vernunftgemäßen Handeln, da den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer sowohl "irrational sentiments" als auch individuelle Interessen entgegenstehen würden. 11 Die Internationale Handelskammer dürfe nicht als VertreteTin einzelner Interessengruppen erscheinen, propagierte der englische Delegierte T. E. Leseher auf dem Berliner Kongreß von 1937.12 Der Präsident der Internationalen Handelskammer, Thomas J. Watson, war darum bemüht, sogar einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden nationalen Interessen herbeizuführen. 13 Und trotzdem, bei der Einflußnahme auf die politischen Entscheidungsträger dominierten letztlich die nationalen Sonderinteressen einzelner Wirtschaftszweige. 14 Besonders deutlich wurde diese Erscheinung in den Verei8 Rene Arnaud, Genf und der Zollfrieden, in: Internationale Handelskammer 4 (1929), S.596. 9 Roger Conte, Wirtschaftliche Annäherung der Völker, in: Internationale Wirtschaft 5 (1930), s.27. IO HP: Document No.4897, :XXXVIIIth Meeting ofthe Council, June 24th 1932, S.5. 11 Internationale Wirtschaft 7/8 (1935), S. 7. 12 Internationale Handelsk~er (Hrsg.), Entschließungen des Neunten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Drucksache Nr. 98, Berlin 28. Juni- 3. Juli 1937, S. 48. 13Thomas J. Watson, Weltfrieden durch Welthandel, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939), S.4. 14 Matthias Schulz hat beispielsweise nachgewiesen, daß die deutsche Filmindustrie im Rahmen der Internationalen Diplomatischen Konferenz zur Abschaffung von Ein- und Ausfuhrverboten 1927 erheblichen Druck auf die deutsche Delegation ausübte. Babelsberg forderte einen protektionistischen Schutz vor der Konkurrenz aus Amerika. Schulz, Deutschland, S.l47. In den Vereinigten Staaten von Amerika setzte sich vor allem die chemische Industrie für die Erhöhung der Zollsätze ein. Mit ihren Forderungen ging sie zur Republikanischen Partei, bei der Schutzzollbestrebungen stets Fürsprache fanden. Trotzdem gab es aus den Reihen

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

241

nigten Staaten von Amerika. Hier hatte die Forderung einiger Industriezweige nach Schutzzöllen mehr Erfolg als das Bestreben anderer Industriebranchen nach Freihandel.15 In einem Brief an Charles R. Crisp vom 3. Mai 1932 verteidigte Silas H. Strawn, Präsident der amerikanischen Handelskammer und Mitglied der Internationalen Handelskammer, die protektionistischen Forderungen der Industrie in Amerika: " ... the membership of the Chamber of Commerce of the United States has for the past decade consistently supported the principle that industries subject to destructive competition from abroad and of benefit to any considerable section of the country should be accorded reasonable protection." 16

Diese Stellungnahme ist insofern interessant, als die amerikanische Handelskammer als Körperschaft Mitglied der Internationalen Handelskammer in Paris war. 17 der Chemieindustrie auch Stimmen, welche die entgegengesetzte Ansicht vertraten. So wandte sich der Präsident der "Consolidated Color & Chemical Co." gegen die Beibehaltung eines Embargos. In einer Nichteinfuhr von deutschen Farbstoffen sah er die Gefahr eines vermehrten Imports von ausländischen Textilien, die mit deutschen Farbstoffen gefärbt worden waren. Der größte Widerstand gegen die amerikanische Zollgesetzgebung ging aber von den Banken, dem Einfuhrhandel und vor allem den großen Exportkonzemen, wie z.B. der Automobil- und Filmindustrie, aus. Ihnen war wohl bekannt, daß die notwendige Voraussetzung für offene Märkte im Ausland die Öffnung der Märkte im Inland bildete. Schlesinger, Zollpolitik, S. 7/42/54/55. 15 Zur Forderung von amerikanischen Drahtherstellern nach höheren Zöllen, siehe: Tariff Readjustment-1929. Hearings Before the Committee on Ways and Means House of Representatives •.Seventh Congress, Second Session, Vol. II, Schedule 2, Washington 1929, S. 1991 ff. Über die Empfänglichkeit des politischen Marktes für protektionistische Forderungen diskutieren Knut Borchardt und Wemer Zohlnhöfer in dem Sammelband von Armin Gutowski (Hrsg.), Der neue Protektionismus, Harnburg 1984 (fortan zitiert als Gutowski, Protektionismus), S.17-49 und S. 95-117. Siehe auch: B. S. Frey, Die Politische Ökonomie des Protektionismus, in: Außenwirtschaft 39 ( 1984), S. 17-42. Über die Gefahr eines politischen Einflusses von protektionistisch eingestellten Industriezweigen in Großbritannien, siehe: lohn Richardson, British Economic Foreign Policy, London 1936, S. 240 (fortan zitiert als Richardson, British). Während in der vorliegenden Arbeit von der Prädominanz partikularer Interessen bei der politischen Entscheidungstindung ausgegangen wird, behauptet Robert A. Pastor für die USA das Gegenteil. Er resümiert das Ergebnis seines Buches, wenn er schreibt: "The conclusions of the book are that collective interests have largely prevailed over particular interests, and will probably do so in the future; .... " Robert A. Pastor, Congress and the Politics of US Foreign Economic Policy 1929-1976, Berkeley 1980, S.4 (fortan zitiert als Pastor, Congress). Hervorhebung durch die Verfasserin. M. E. ist Pastors These für die Zwischenkriegszeit nicht haltbar. Setzt man nämlich die "collective interests" mit den Zielen der Internationalen Handelskammer gleich, die er in seiner Analyse noch nicht einmal berücksichtigt hat, kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis: Dann haben sich nämlich die partikularen Interessen einzelner Industriebranchen gegenüber den kollektiven Interessen a la Internationale Handelskammer mit Entschiedenheit durchgesetzt. 16 Hearings before the Committee on Ways and Means House of Representatives, SeventySecond Congress, First Session, Washington D. C. 1932, S. 62. 17 Eine ähnliche Feststellung kann für Großbritannien gemacht werden. Im Oktober 1930 wurde z. B. in Großbritannien offenbar, daß 96% der konstituierenden Mitglieder der ,,Federation of British Industries" die Einführung von handelspolitischen Maßnahmen befürwortete. 16 Rosengarten

242

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Trotz dieser vehementen Befürworter eines Protektionismus gab es auch Industriezweige, wie z. B. die Automobilindustrie und die Textilindustrie, die Zollanhebungen rigoros ablehnten. 18 Dabei handelte es sich vor allem um Vertreter der amerikanischen Exportindustrie. Sie begründeten ihre Haltung mit möglichen Vergeltungsmaßnahmen.19 Die divergierende Haltung zwischen der import-und exportorientierten Industrie innerhalb der US-Wirtschaft gegenüber der amerikanischen Zollpolitik wurde von Thomas Pearson auf der Verwaltungsratssitzung am 9. März 1934 treffend geschildert: "There is a perceptible demand on the part of the industry in the United States to urge additional protection to domestic production where it can be demonstrated that costs have been increased by reason of emergency measures for international recovery, to a degree which endangers such production in competition with imports from abroad. Apart from certain producers of export manufactures and certain elements in our agriculturallife, who in the interests of foreign trade favor govemmental action to reduce tariffs, there seems tobe a strong demand from business interests for such action." 20

Diese Interessenunterschiede innerhalb der Industrie trugen dazu bei, daß sich die nationalen Regierungen den Forderungen von seiten der Internationalen Handelskammer nach einem Abbau von Zollbarrieren entziehen konnten. Erst ein einheitliches Vorgehen auf Unternehmerbasis hätte den nötigen Druck erzeugen können, um die nationalen Politiker von einem Ausbau protektionistischer Maßnahmen abzuhalten.21 In der Internationalen Handelskammer gab es zu viele Handlungsträger (Nationalkomitees) mit divergierenden Eigeninteressen auf wirtschaftlichem Gebiet, als daß die Institution ihre freihändlerischen Ziele in der Politik auf einer Weise hätte durchsetzen können, ohne daß diese gleichzeitig aus den eigenen Reihen konterkariert worden wären. Bruno Frey folgert daraus: "It has been empirically shown Leopold Stennett Amery, My Political Life, Vol. III: The Unforgiving Years 1929- 40, London

1955, S. 21/22. Für die Durchsetzung der zollpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auf nationaler Ebene erwies sich diese Konstellation als ein großer Nachteil: Nationalstaatliche Interessen setzten sich gegenüber den Gesamtinteressen durch, wie sie von dem Verwaltungsrat der ICC vertreten wurden. 18 Für die Kritik an dem Smoot-Hawley Tariff Act, siehe: Hearings Before the Committee on Ways and Means House of Representatives, Seventy-Second Congress, First Session, Washington D. C. 1932, S. 241 für die Textilindustrie und Pastor, Congress, S. 81 für die Automobilindustrie. 19 Ein Vertreter der Textilindustrie sagte: ,,Not only does no need appear to exist at the present time for special tariff legislation to meet the assumed emergency, but there are, in fact, adverse effects to be feared from such speciallegislation, which do not appear to have been considered at all in its formulation." Hearings Before the Committee on Ways and Mea.'ls House of Representatives, Seventy-Second Congress, First Session, Washington D. C. 1932, S. 247. 20 HP: Document No.5420, XL\'eme Session du Conseil, 9 Mars 1934, S.6. Zur fehlenden Einheitlichkeit der Wirtschaft durch innere Gegensätze persönlicher, funktionaler und struktureller Art, siehe auch Gerald D. Feldman, Vom Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise. Studien zur deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1924-1932, Göttingen 1984, S.184. 21 Vgl. auch: Slichter, Tariff, S.524.

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

243

that small regional or international organizations are indeed more successfull than large ones."22 Die Bedeutung eines einheitlichen Vorgehens vonseitender Industrie hatte Artbur Salter vom Wirtschaftsausschuß des Völkerbundes erkannt. Im Rahmen einer Analyse nannte er drei Gründe für die Schwierigkeit, die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auch wirklich durchsetzen zu können: "This is partly because the advantages can be fully secured only by simultaneaus and equal action by many different countries, between which agreement is extremely difficult; partly because in each country the particular interests are politically better organized than those of the public generally; and partly because a tariff in which a national industry has once developed has created forces which make its removal or reduction extremely difficult."23

Harold James legt sogar dar, daß die nationale Sozial- und Wirtschaftspolitik das Ergebnis eines Kompromisses mächtiger Interessenblöcke (Staat, Industrie- und Agrarverbände, Gewerkschaften) sei. Er vertritt die These, daß die wirtschaftliche Misere nicht allein das ,,korporatistische Instrumentarium" zur Beilegung von Konflikten in Verruf gebracht habe, sondern auch die Interessenblöcke, sie sich seiner bedienten.24 Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Durchsetzungskraft von Partikularinteressen und dem in einer Volkswirtschaft immanenten Potential zu einer Krise beschreibt Mancur Olson folgendermaßen: Eine Wirtschaft mit einem dichten Netz von Organisationen, welche die Durchsetzung engstirniger Partikularinteressen betreiben, sei in Deflations- oder Desinvestitionsphasen für Krisen oder Stagflationen anfällig.25 Im Zuge dieser Untersuchung stellt sich daher die Frage: Warum waren national vertretene, partielle Interessen politisch eher durchsetzbar als international propagierte Gesamtinteressen?26 Eimer E. Schauschneider sieht den entscheidenden 22 Bruno Frey, The Public Choice View oflntemational Political Economy, in: Roland Vaubei/Thomas D. Willett (Hrsg.), The Political Economy of International Organizations. A Public Choice Approach, Boulder 1991, S. 13 (fortan zitiert als Frey, Public Choice und Vaubel/Willett, Political Economy). 23 Arthur Salter, Eng1and's Dilemma: Free Trade or Protection?, in: Foreign Affairs 10 (1932), S.191 (fortan zitiert als Salter, England's Dilemma). 24 James, Deutschland, S. 22. n Mancur Olson, Aufstieg und Niedergang von Nationen. Ökonomisches Wachstum, Stagflation und soziale Starrheit, Tübingen 1985, S. 270. 26 Eimer E. Schattschneider stellt die Frage aus einer anderen Perspektive: "How is it possible for govemments, in giving recognition to some interests, to override others that are quantitatively far greater?" Schattschneider, Politics, S. 4. Die von der Ökonomie beeinflußte politische Theorie geht davon aus, daß stets auch ein allgemeines Interesse unabhängig von den Einzelinteressen bestehe. Im Falle eines pareto-optimalen Zustandes dürfe eigentlich keine Gruppe in ihrem Nutzen stark eingeschränkt sein. Trotzdem fallen aber die alltäglichen Ent-

16*

244

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Grund für ein stärkeres Durchsetzungsvermögen von Partialinteressen (protektionistischen Interessen) auf nationaler Ebene in einer größeren "Wachsamkeit" und "Beweglichkeit" derselben: "The assumptionisthat a few can exert great influence on the process of government because they are alert and have access to information, know what they want, and have power in the economic regimeoutside the formal organization of government, while the mass remains inert."27

Ihre Interessen lassen sich nicht nur besser organisieren, sondern auch leichter politisch durchsetzen. Der Grund für die Prädominanz von nationalen Sonderinteressen im politischen Entscheidungsprozeß liegt nicht nur in einer besseren Organisierbarkeil der partikularen Interessen auf nationaler Ebene, sondern auch in ihren zahlreichen Eintlußmöglichkeiten.28 Aus taktischen Erwägungen werden teilweise sogar Gruppen- und Gesamtinteressen als identisch dargestellt, wobei aber keineswegs immer davon ausgegangen werden kann, daß bei einem Konflikt zwischen Staatsverwaltung und Interessenverband das Gesamtinteresse stets von der Gruppe geschädigt wird.29 Die Public Choice Theorie ist ein Erklärungsansatz, der den unterschiedlichen Zielen von Gruppierungen Rechnung trägt, indem er Verhaltensannahmen der modernen Wirtschaftstheorie auf die Politik überträgt.30 Im Rahmen des kollektiven Entscheidungsprozesses gelang es in der Zeit der Weltwirtschaftskrise den protektionistisch eingestellten Produzentenkreisen im Staat eher, ihre Interessen durchzuscheidungenkeineswegs mit Billigung aller Betroffenen. Klaus von Beyme, Interessengruppen in der Demokratie, München 19744, S. 17 (fortan zitiert als Beyme, Interessengruppen). 27 Schattschneider, Politics, S. 287. Ein Manko der Studie ist, daß Schaltschneider gar nicht auf die Bedeutung der Internationalen Handelskammer als eine bedeutende Interessenvertretung in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eingeht. zs "These private interests are better organised, more vocal and more politically effective than the generat public interests on the other side; and are much more conscious of what they would stand to lose than the other business interests (such as exporting industries) of what they would gain. Exporters and industries which would certainly gain by a reduction in tariffs, even those of their own country, have been disappointingly indifferent when their support might have been decisive." So Artbur Salter vom Völkerbund im Memorandum "The United States of Europe" vom 2. September 1929, in: NA II, Correspondence of the State Departrnent, Decimal File 1930-1939, RG No. 59, Stack Area 250, S.3. 29 Wolfram Fischer, Staatsverwaltung und Interessenverbände im Deutschen Reich 1871-1914, in: Heinz Josef Varain (Hrsg.), Interessenverbände in Deutschland, Köln 1973, S. 152 (fortan zitiert als Varain, Interessenverbände). Jo Dennis C.Mueller, Public Choice: A Survey, in: Charles K.Rowley (Hrsg.), Public Choice Theory. The Separation of Powers and Constitutional Political Economy, Volume III, (The International Library ofCritical Writings in Economics 24), Adlershot 1993, S.495. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich auch die Bezeichnung "Ökonomische Theorie der Politik" herausgebildet. Bruno S.Frey, Die ökonomische Theorie der Politik oder die neue politische Ökonomie: eine Übersicht, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 126 (1970), S.1-23. Wolfgang Klages, Staat auf Sparkurs. Die erfolgreiche Sanierung des US-Haushalts (1981-1997), Frankfurt am Mai 1998, S.37-45.

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

245

setzen als den freihändlerisch eingestellten Konsumentengruppen, da sie in der Regel besser organisiert waren und durch eine Änderung der nationalen Wirtschaftspolitik so viel gewinnen konnten, daß sie es für sinnvoll erachteten, den Regierungen finanzielle Wahlhilfen anzubieten.31 Die Unternehmerschaft als Ganzes, d. h. wirtschaftliche Vereinigungen in Form der Internationalen Handelskammer, war in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht so gut organisiert wie die einzelnen Industriezweige, denn sie stellte "definitionsgemäß eine große, latente Gruppe" mit divergierenden Interessen dar. 32 Am Ende eines jeden Public Choice Verfahrens steht daher immer der Einfluß einer kleinen, einflußreichen Gruppe, die auf alle Teilnehmer der Gemeinschaft ihre Anwendung findet: "In actingor behaving as a ,public choice' participant, the individual is presumed tobe aware that he is, in part, selecting results which affect others than himself."33 In der Zeit der Weltwirtschaftskrise hatten die nationalen Hersteller von Fertigwaren, die an Schutzzöllen interessiert waren, eher die Möglichkeit auf die politischen Entscheidungsträger Druck auszuüben, als eine Organisation wie die ICC, die Ausdruck eines weltweiten Gesamtinteresses war.34 Die Folgen wurden offenbar: Aufgrund eines vornehmlich wahltaktischen Kalküls - wie es die Public Choice Theorie unterstellt35 - fielen die langfristigen Vorteile einer internationalen Arbeitsteilung einer auf kurzfristige Ziele bedachten protektionistischen Wirtschaftspolitik zum Opfer. Der Staat trat damit nicht als Vertreter des öffentlichen Interesses bzw. des Gemeinwohls auf, sondern als Verfechter von Partikularinteressen.

31 Mancur Olson, Die Logik des kollektiven Handelns. Kollektivgüter und die Theorie der Gruppen, Tübingen 1968, S. 142 (fortan zitiert als Olson, Logik). Vgl. auch Forrest Capie: "The answer may be that an industry can offer immediate support to political parties whereas consumers may be slow in grasping the cost to themselves." Capie, Depression and Protectionism, S. 79. Bruno S. Frei, Die Politische Ökonomie des Protektionismus. Nationalstaatliche Determinanten der Regulierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, in: Außenwirtschaft 39 (1984), S. 27. 32 Olson, Logik, S. 144. 33 James M. Buchanan, Toward Analysis of Closed Behavioral Systems, in: James M. Buchanan/Robert D. Tollison, Theory ofPublic Choice. Political Applications ofEconomics, Ann Arbor 1972, S.14. 34 Dies kann eine Erklärung für die von Paul Krugman gemachte Aussage über die Durchsetzungskraft von Befürwortern einer restriktiven Zollpolitik sein: ,,As a result, the beneficiaries of a trade restriction are usually much more effective politically than its victims." Krugman, Diminished Expectations, S. 124. Daß der Freihandel seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich anstieg, ist auf den wachsenden Einfluß der exportorientierten Industrie in den USA und die GATT/WTO-Regelungen zurückzuführen. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise kam der amerikanischen Exportindustrie aber noch nicht das gleiche machtpolitische Potential zu; ihr Anteil am Bruttosozialprodukt warvergleichsweise gering. Zudem gab es in den dreißiger Jahren noch keine multilaterale Handelsorganisationen auf Regierungsebene, die sich- verglichen mit dem GATT und der WTO- so vehement für den Abbau von Handelsschranken einsetzten. 35 Vgl. Dennis C.Mueller, Public Choice II. A revised edition ofPublic Choice, Cambridge 1989, S.646.

246

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Die Verfolgung partieller Interessen löste eine Kettenreaktion aus, die schließlich zum Nachteil aller beteiligten Staaten führte. Fentener van Vlissingen umschrieb dies folgendermaßen: "The tragedy of the thing isthat in trying to put their own house in order they unavoidably create new disturbances in other houses."36 Dieser Sachverhalt wird auch durch das Trittbrettfahrermodell ("free-rider''-Modell) beschrieben. Die "free-rider"-Staaten profitierten von einem liberalen Handelssystem, ohne selbst ihren Markt den übrigen Staaten zugänglich zu machen. So zogen beispielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika bis in die dreißiger Jahre hinein ihre Vorteile aus dem relativen Freihandelssystem der Briten, während sie aber selbst eine hochprotektionistische Politik betrieben. Aus dem protektionistischem Verhalten der Amerikaner zogen die Briten ihre Konsequenzen: Auch sie begannen verstärkt Schutzzölle einzuführen. Lionel Robbins, Mitglied des gemeinsamen Ausschusses der Internationalen Handelskammer und der Carnegie Stiftung, faßte zusammen: "The erection of a protective tariff by the members of one national group is likely to be countered by the erection of protective tariffs elsewhere ... ."37 Seiner Meinung nach würde der Freihandellangfristig zu einem höheren Produktionsgewinn führen als eine kurzfristig orientierte Wirtschaftspolitik, die sich auf protektionistische Schutzzollmaßnahmen stützte. Wenn es darum ginge, eine neu entstandene Industrie vor ausländischen Importen zu schützen (Infant Industry Theory), dann riet er eher zu staatlichen Subventionen als zu tarifären Maßnahmen.38 Nur ein liberaler Handelsaustausch würde durch eine damit einhergehende Spezialisierung zu einer effizienteren Produktion führen. Robbins stützte sich auf die Ideen von Adam Smith, als er den Wohlstand einer Nation am Grad des Freihandels maß, denn nur dieser würde garantieren, daß sich die Staaten auf die Produktion mit den geringsten Kosten beschränkten. Folglich sah Robbins in dem Phänomen des zunehmenden Protektionismus zu Recht "a manifestation of irrationality"39 • Zusammenfassend kann gesagt werden, daß mit einer Verschlechterung der binnenwirtschaftlichen Lage durch Produktionsrückgang und Arbeitslosigkeit tendenziell nicht nur die Nachfrage nach protektionistischen Maßnahmen vonseitender Wirtschaft, sondern auch die Bereitschaft der Politiker zur Errichtung von Handelsbarrieren steigt. Die Bemühungen um eine Liberalisierung der internationalen Wirtschaft haben nur dann die größte Aussicht auf Erfolg, wenn die Konjunkturkurve im Aufwärtstrend verläuft. Für die Umsetzung der handelspolitischen Empfehlungen 36 Rede von F. H. Fentener van Vlissingen auf dem Jahrestreffen des britischen Nationalkomitees am 11. Juli 1934. PRO/BT209/760, S. 2. 37 Lionel Robbins, Memorandum on the Fundamental Reasons for lncreased Protectionism, in: Joint Committee on the Improvement, Separate Memorandum, S. 28 (fortan zitiert als Robbins, Fundamental Reasons). 38 Auch die heutige Forschung zieht direkte Subventionentarifären Maßnahmen vor. Siehe: Friedrich Roessler, The Constitutional Function of Multilateral Trade Order, in: Meinhard Hilf/Emst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), National Constitutions and International Economics, Boston 1993, S. 53-62. 39 Robbins, Fundamental Reasons, S. 33.

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

247

der Internationalen Handelskammer zur Zeit der Weltwirtschaftskrise war dieser Zusammenhang von Bedeutung. Eine Realisierung der ICC-Vorschläge war damit durch wirtschaftliche Rahmenbedingungen erschwert worden, die ja eigentlich durch sie revidiert werden sollten. Bezogen auf die Internationale Handelskammer kann dies folgendermaßen interpretiert werden: Die krisenerschütterten Wirtschaftsbranchen waren in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie forderten Importbeschränkungen und Schutzzölle, um die auswärtige Konkurrenz vom heimischen Markt fernzuhalten. Ihre nationalen Sonderinteressen standen dem eigentlichen wirtschaftspolitischen Programm der Kammer diametral entgegen. 40 Folglich verhinderten die Interessen einiger Industriezweige einen kooperativen Versuch zur Lösung der Krise, denn ihr Verhalten blieb nicht ohne Einfluß auf die Haltung der anderen Mitglieder der Internationalen Handelskammer.41 Die ICC begründete dieses Phänomen mit dem allgemeinen Verlangen nach Kompensation; der Verlust von Marktanteilen im Ausland sollte durch erhöhte Absatzmöglichkeiten im Inland ausgeglichen werden: "Jede neue Erhöhung eines einzigen Zolls ruft eine Vielzahl von Erhöhungen anderer Zölle hervor, weil jede Nation versucht den verlorenen Markt im Ausland durch eine Ausweitung des Binnenmarktes zu ersetzen."42 Erklärt werden kann dies durch das sogenannte "Gefangenendilemma" ("prisoners' dilemma") der Spieltheorie.43 Dabei handelt es sich um eine Situation, in der 40 So äußerte beispielsweise Albert Voigt Hansen auf der Sitzung des Verwaltungsrats vom 11. März 1932 seine Enttäuschung dariiber, daß "each member attempted to justify measures which were all against the principles of the International Chamber of Commerce." HP: Document No. XXXV11th Meeting of the Council, March 11th 1932, S. 8. 41 Joseph M. Jones beschreibt ausführlich in seiner Studie "Tariff Retaliation" die Auswirkungen, die das Smoot-Hawley TariffAct auf den Welthandel gehabt hatte. Dieamerikanische Zollgesetzgebung von 1930 führte auf der ganzen Welt zu Vergeltungs- und Diskriminierungsmaßnahmen, "to a serious undermining of many of the established principles and practices of the commercial policies of the majority of the nations of the world and to the substitution of new, or the revival of old principles and practices." Die Krise wurde dadurch verschärft. Eine praktische Revision der amerikanischen Handelspolitik wurde für notwendig erachtet. Hier lag die Chance für die Internationale Handelskammer, einen Beitrag für den Freihandel zu leisten. Jones, Retaliation, S. iX. Daß die Regierungen bei einer Währungs- und Zollpolitik die Reaktion der anderen Staaten zu herlieksichtigen hatten, ist auch die Meinung von John B. Condliffe. Siehe Condliffe, Reconstruction, S. 27. 42 Im Original heißt es: "Chaque nouvelle augmentation d 'un seul tarif provoque de nombreuses augmentations dans d' autres tarifs, puisque chaque nation eherehe aremplacer le marcbe perdu au dehors par un accroissement du marcbe interieur." HP: Document No.5142, Projet de rapport de la Chambre de Commerce Internationale a la Conference Monetaire et Economique presente par M. Owen Jones, Rapporteur, au "Comite Special" en sa session du 21 Mars 1933, S. 7. 43 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Bd.l, München 19932, S. 758. Vgl. auch: Martin Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften, Frankfurt am Main 1965, S.46 (fortan zitiert als Shubik, Spieltheorie). Kellog V. Wilson/V. Erwin Bixenstine, Formen der sozialen Kontrolle in Zwei-Personen-Spielen mit je zwei Strategien, in: Shubik, Spieltheorie,

248

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Gruppen (Staaten) bei individuell rationalem Verhalten ein für alle Beteiligten nachteiliges Ergebnis herbeiführen ("the total often differs from the sum of the parts"44). Dies steht im Gegensatz zu der Theorie von Adam Smith, wonach die Verfolgung der Einzelinteressen der allgemeinen Wohlfahrt diene. Die verschiedenen Staaten treffen Entscheidungen, wobei das Verhalten jedes Partners das des anderen bedingt. Ein einzelner kann seine ökonomische Wohlfahrt durch Zollerhebungen, Devisenkontrollen und Abwertungen der eigenen Währung zu Lasten der übrigen Beteiligten, wenn diese die Regeln einhalten, durchaus steigern.45 Verletzen hingegen beide Entscheidungssubjekte die Regeln - so daß faktisch ein regelloser Zustand entsteht -, so werden alle Beteiligten die geringste Wohlfahrt realisieren.46 Einen Ausweg aus dem Dilemma sah der Völkerbund in dem Willen "to act as a group". Dann würden die Staaten keine autonome Interessenpolitik mehr betreiben. Die Folge davon wäre eine Politik, die den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer sehr nahe käme, denn "all the countries practising exchange control might vote to suppress it." 47 Theodor Emanuel Gregory von dem Gemeinsamen Ausschuß der Internationalen Handelskammer und der Camegie Stiftung brachte es auf den Punkt "[h]ow radically different the position of a single country is from that of all countries taken together ... ". Er resümierte: " ... a single country can improve its position at the expense of other countries, but all countries together cannot possibly do this."48 Der Zustand mit der geringsten Wohlfahrt kann aber gerade deswegen eintreten, weil alle Individuen einen Anreiz haben, die handels- und währungspolitischen Spielregeln für den eigenen nationalen Vorteil zu mißachten.49 Im Endeffekt würde aber für S. 371/372; Bruno S. Frey, Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik, München 1981,

s. 30/31.

Zur Spieltheorie siehe: Johann von Neumann/Oskar Morgenstern, Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, Würzburg 1961; Robert Gibbons, A Primer in Game Theory, Bodmin 1992 (fortan zitiert als Gibbons, Primer); Werner Güth, Spieltheorie und ökonomische (Bei)Spiele, Berlin u. a. 1992; Joergen W Weibull, Evolutionary Game Theory, Cambridge Mass. 1995; Manfred J. Holler/Gerhard llling, Einführung in die Spieltheorie, Berlin u. a. 19963; HaroldWKuhn (Hrsg.), Classics in Game Theory, Princeton 1997. 44 Kindleberger, World in Depression, S.9. 4s Gegen diese Behauptung wendet sich F. Wilhelm Christians, wenn er schreibt: ,,Protektionismus ist kein Null-Summenspiel, bei dem das eine Volk gewinnt, was das andere verliert. Verlierer sind alle." F. Wilhelm Christians, Protektionismus ist kein Null-Summenspiel, in: Gutowski, Protektionismus, S.l26. 46 Vgl. dazu auch Roland Vaubel, A Public Choice View of International Organization, in: VaubeVWillett, Political Economy, S. 28. 47 League of Nations (Hrsg.), Trade Relations Between Free-Market and Controlled Economies, Genf 1943, S. 26 (fortan zitiert als League of Nations, Trade Relations). 48 Theodor Emanuel Gregory, Comments on New Technical Arguments for Postponing Stabilization, in: Joint Committee on the lmprovement, Separate Memorandum, S.17l. 49 Robert Gibbons schreibt dazu: " ... if the players cooperate today then they play a highpayoff equilibrium tomorrow; otherwise they play a low-payoff equilibrium tomorrow." Gib-

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

249

alle Spieler nicht das individuelle Teilmaximum mittels Schutzzölle, sondern ein langfristiges Gesamtoptimum mittels Freihandel im Interesse aller Beteiligten die bessere Lösung darstellen. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise gerieten auch die nationalen Regierungen in eine Art "Gefangenendilemma": Indem sie dem Druck protektionistisch eingestellter Industriezweige langfristig nachgaben, schadeten sie auf Dauer der Entfaltung eines nationalen und internationalen Wohlstandes.so Die Durchsetzung von Gesamtinteressen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise war zudem umso schwerer, als bei der vorherrschenden "Nullsummen-Mentalität"51 sich immer irgend jemand geschädigt fühlte. Die wenigsten glaubten, daß der Staat allen helfen könnte, ohne irgend jemandem etwas wegzunehmen.s2 Zwischen der Internationalen Handelskammer und den einzelnen Regierungen bestand ein reger Kontakt. Auf der einen Seite nahmen Regierungsvertreter an den Kongressen der Organisation teil,53 auf der anderen Seite wurden die Nationalkomitees bei den Regierungen zur Durchsetzung bestimmter Wirtschaftsinteressen vorstellig. Zudem versuchte die Kammer durch die Beeinflussung der öffentlichen Meinung, internationale Abmachungen zur Liberalisierung des Güteraustauschs herbeizuführen. Denn die Internationale Handelskammer sah eine Gefahr darin, daß die Öffentlichkeit der Staaten über die wesentliche Bedeutung einer weltweiten wirtschaftspolitischen Solidarität zur Lösung der Krise im unklaren war. J. B. Condliffe schlug sogar vor, die private Institution Internationale Handelskammer durch eine Regierungsorganisation zu ergänzen. 54 Seine Vorschläge wurden in einer Plenarsitzung auf dem Kopenhagener Kongreß von einem Mitglied der indischen Landesgruppe (F. Cowasjee) aufgegriffen.ss bons, Primer, S. 91. Dieser spieltheoretische Aspekt wurde von John Maynard Keynes bereits im Jahre 1932 dargelegt. Halley Stewart Lecture, S. 74n5. 50 So räumte beispielsweise auch der amerikanische Präsident Franktin D.Roosevelt den nationalen Wirtschaftsinteressen absolute Priorität ein. Franktin D. Roosevelt, The Papers and Addresses of Franktin D. Roosevelt, Vol. 2: The Years of Crisis, New York 1938, S. 4. 51 James, Deutschland, S.400. 52 James, Deutschland, S. 399. 53 Laut Gründungsstatut der Internationalen Handelskammer hatten die Regierungsvertreter bei den Kongressen aber kein Stimmrecht: "Die Regierungen der in der Internationalen Handelskammer repräsentierten Länder können aufgefordert werden, auf einem Kongreß von ihnen designierte Delegierte zu entsenden. Keine Regierung darf mehr als drei Delegierte haben. Die Delegierten der Regierungen dürfen das Wort gemäß den Regeln des Kongresses ergreifen, aber haben nicht das Stimmrecht." Im Original heißt es: ,,Les Gouvernements des Pays representes a Ia Chambre de Commerce Internationale peuvent etre invites aenvoyer aun Congres des Delegues designes par eux. Aucun Gouvernement ne peut avoir plus de trois Delegues. Les delegues des Gouvernements pourront prendre Ia parole conformement aux r~lements du Congres, mais n' auront pas le droit de vote." Chambre de Commerce Internationale, Conges Constitutif, S. 273. Hervorhebung durch die Verfasserin. 54 J.B. Condlijfe, Die Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur, Drucksache Nr.1, Kopenhagener Kongreß 1939, S. 20. 55 Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 58.

250

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Inwieweit die Nationalkomitees die Politik der Regierungen wirklich beeinflussen konnten, hing im wesentlichen von zwei Faktoren ab: erstens den äußeren Rahmenbedingungen, d. h. dem sozio-ökonomischen Umfeld im Staate, und zweitens den inneren Machtstrukturen. Daß diese beiden Hürden schwierig zu überwinden waren, wurde selbst von Regierungskreisen bestätigt. So sagte der niederländische Außenminister F. Beelaerts van Blokland auf dem Amsterdamer Kongreß 1929: " ... auch das Wirtschaftskomitee stößt auf viele Schwierigkeiten: es benötigt vor allem die Unterstützung der öffentlichen Meinung, was häufig nicht gegeben ist, und man hat nicht den Eindruck, daß die Regierungen immer dazu bereit wären, ihm [dem Wirtschaftskomitee) auf dem Wege zu folgen, auf dem es sich gerade befindet." 56 Das Machtpotential der einzelnen Nationalkomitees konnte durch eine enge Verbindung zu Regierungsvertretern gestärkt werden. Die Voraussetzungen dafür waren schon insofern gegeben, als eine Reihe von Repräsentanten der Ländergruppen zuvor einmal Spitzenpolitiker gewesen waren. So hatte beispielsweise der ehemalige belgisehe Premierminister Georges Theunis in den Jahren 1929 bis 1931 das Amt des Präsidenten der Internationalen Handelskammer inne.57 Trotz dieser Verbindung schätzt Joseph Fischer die Einflußmöglichkeiten der Internationalen Handelskammer gering ein. Er behauptet, daß die Kammer nicht imstande war, "die Regierungen moralisch genügend zu binden und die Politik entsprechend zu beeinflussen".58 Ähnlich skeptisch über die Einflußmöglichkeiten der Internationalen Handelskammer äußerte sich in den dreißiger Jahren der britische Politiker Sir W. H. Beveridge: ,,Even if all economists were completely agreed on a remedy, the Govemments would not apply it."59 John B. Condliffe gestand dagegen den wirtschaftlichen Vereinigungen erhebliche Einflußmöglichkeiten zu. Er machte letztlich eine "balance of economic pressures" für die politische Entscheidungstindung verantwortlich. 60 Meines Erachtens kann für die Zeit der Weltwirtschaftskrise gut nachgewiesen werden, daß der Widerspruch zwischen der Forderung nach offenen Weltmärkten einerseits und letztlich der Durchsetzung protektionistischer Ideen andererseits ein zentrales Merkmal der Taktik zuständiger Regierungen war. Diesen Widerspruch konnte auch die Internationale Handelskammer nicht überwinden; er wurde zum Teil sogar aus ihren eigenen Reihen genährt.

S6 "Im Original heißt es: " ... le Comite Economique se heurte aussi abiendes difficultes: il a surtout besoin de l'appui de l'opinion publique, qui souvent fait defaut, et l'on n'a pas la conviction que les Gouvernements soient toujours tres disposes ale suivre dans les voies oll il se meut." AD, B-Offices Internationaux 5, S. 24. 57 Siehe dazu: Ridgeway, Merchants, S. 200. 58 Fischer, Internationale Handelskammer, S. 32. 59 W. H. Beveridge, in: Halley Stewart Lecture, The World 's Economic Crisis and the Way of Escape, London 1932, S.l86. 60 Condliffe, Reconstruction, S. 31.

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

251

Nach Ansicht von Generalsekretär Pierre Vasseur lag der Schlüssel zur Lösung der Weltwirtschaftskrise zwar bei den Regierungen.61 Trotzdem wurde von der Internationalen Handelskammer die wichtige Rolle der Wirtschaft für eine Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nicht verkannt. Melvin Traylor vom amerikanischen Nationalkomitee propagierte die dominierende Rolle der Wirtschaft bei der Bekämpfung der "Großen Depression": "Die Mitarbeit der Regierung ist dringend notwendig, aber die Führung muss von der Wirtschaft ausgehen."62 Auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Berlin 1937 wurde er in seiner Haltung unterstützt: "Solange das Wirtschaftsschiff in den politischen Gewässern verankert bleibt, wird jeder Versuch, es vorwärts zu bringen, scheitern müssen."63 Die Internationale Handelskammer verfolgte letztlich eine Strategie, die Politik und Wirtschaft zu vereinen suchte: Sie bemühte sich darum, ihren Einfluß nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf politischer Ebene geltend zu machen.64 Der Kammer oblag es, den Regierungen das entsprechende Werkzeug für die Erreichung konkreter Ziele in die Hand zu geben, denn: ,,Analysis is not enough, however, because policymakers need practical tools with which to achieve concrete goals."65 Für die Durchsetzung von Empfehlungen der Internationalen Handelskammer spielte auch die Berücksichtigung der politischen Umstände eine Rolle. Besonders der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt maß die von der Kammer aufgezeigten Lösungswege an ihrer innenpolitischen Verträglichkeit.66 Das für jede wirtschaftliche Wiederbelebung erforderliche Vertrauen konnte nur dann wiederhergestellt werden, wenn die Regierungen auf politischem Gebiet das Erforderliche unternähmen. Die Nationalkomitees sollten dafür den entscheidenden Anstoß geben: "In order to obtain this result, allNational Committees in favour of a liberal convention were asked to request their Governments to approach other Govemments ofthe same way ofthinking."67 Um so mehr bedauerte es die InternatioHP: Docurnent No.4580, 29th Session ofthe Executive Cornrnittee, July 30th 1931, S.4. Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washington-Kongresses Mai 1931, S. 21. G. L. Nicolaides vorn griechischen Nationalkomitee unterstützte Traylors Bemerkung, indem er auf die Verpflichtung der Staaten hinwies, "to sanction agreernents ernanating frorn the International Charnber of Cornrnerce." ASD: BIB 43, Docurnent No.4689, Joint Meeting for the Study of European Problems, Decernber 8-9th 1931, S.l4. 63 Offizieller Sitzungsbericht des Neunten Kongresses der Internationalen Handelskammer in Berlin vorn 28. Juni- 3. Juli 1937, in: Internationale Wirtschaft 7/8 (1937), S.59. 64 So auch der Präsident des Ausschusses für Handelspolitik und Beseitigung der Handelshemmnisse Josef Sachs, in: Internationale Handelskammer, Sitzungsberichte des Washingtoner-Kongresses Mai 1931, S.64. 65 Louis W Pauly, The League of Nations and the Foreshadowing of the International Monetary Fund, Princeton 1996, S. 37. 66 ASO: BIB 44 Docurnent No. 5426, Cornite Monetaire, Proc~s-verbal de Ia reunion tenue !es 7, 8 et 9 Mars 1934, S.5. 67 ASD: Docurnent No. 4294, International Economic Relations Group. Cornmittee on Cornrnercial Policy and Trade Barriers, Report of the Meeting Heldon October 23rd 1930, Annex,S.l. 61

62

252

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

nale Handelskammer, daß auf politischer Ebene ihre Ratschläge nicht oder nur ansatzweise befolgt wurden. Zwischen den Empfehlungen der ICC-Kongresse und der tatsächlich von den Staaten verfolgten Politik bestand ein erheblicher Widerspruch. Abraham Frowein beschrieb in einer Rede vom 30. November 1932, wie "so manche Ketzerei und mancher Widersinn auf dem Gebiet der Wirtschaft hätte vermieden werden können, wenn die Regierungen unseren Ratschlägen gefolgt wären." 68 Auf dem Kongreß von Paris 1935 zeigte sich der Präsident der Internationalen Handelskammer, Frederick Fentener van Vlissingen, über die Handels- und Währungspolitik der nationalen Regierungen enttäuscht: "Die Welt ist noch ebenso weit von einer Einigung über einen Währungsstandard entfernt wie vor zwei Jahren. Die Währungsschwankungen sind immer chaotischer geworden. Von den Goldländern sind nur sechs übrig geblieben. Transferschwierigkeiten und Clearingabkommen sind keine Ausnahmen mehr, sondern gehören zum täglichen Brot. Die Kriegsschuldenfrage ist noch ungelöst, und die Kluft zwischen staatlichen Einnahmen und Ausgaben wird in fast allen Ländern Tag für Tag grösser. Die Gläubigerstaaten horten das Gold; sie drosseln die Einfuhr, während sie die Ausfuhr durch alle möglichen künstlichen Massnahmen anspornen.... Die hohen Zolltarife haben sich nicht gesenkt, die Handelshemmnisse sind durch Einfuhrkontingente, Beschränkungen und staatliche Monopole nur noch furchtbarer geworden. Die mehrseitigen Handelsverträge mit Meistbegünstigungsklausel sind immer mehr durch die auf einer Politik des "Do-ut-des" beruhende zweiseitigen Verträge ersetzt worden."69 Der Internationalen Handelskammer fehlte es an Zwangsmitteln, um die Resolutionen ihrer Kongresse bei den Regierungen durchzusetzen.70 Die direkten Einflußmöglichkeiten durch die Beratungen, die Regierungen von Sachverständigen der ICC erhielten, und die Veröffentlichungen von Enqueten wirtschaftlichen Charakters waren gering. Die Internationale Handelskammer konnte lediglich ihre Mitglieder auffordern, sich im Sinne der auf den Kongressen getroffenen Beschlüsse und der Anweisungen des Verwaltungsrats bei den Regierungen einzusetzen. Bei den Beschlüssen der Internationalen Handelskammer ist zu unterscheiden zwischen: - den Beschlüssen, deren Verwirklichung von der Initiative der Internationalen Handelskammer selber abhängig war (z. B. Ausübung der Handelsschiedsgerichtsbarkeit),

68 Aufgaben und Wirken der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 6 (1932), S. 2. 69 Frederick Fentener van Vlissingen, Wirtschaft von Heute, Broschüre Nr. 2, Pariser Kongreß 1935, S.1 (fortan zitiert als Vlissingen, Wirtschaft von Heute). 70 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Amsterdamer Kongress (8.-13. Juli 1929) Beschlüsse, in: Ergänzungsheft Nr.l zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929, S.26/27.

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

253

- den Beschlüssen, deren Verwirklichung der Entscheidung der Regierungen oblag (z. B. Doppelbesteuerung) und - den Beschlüssen, die sich an die öffentliche Meinung richteten (z.B. die Empfehlungen hinsichtlich handelspolitischer Maßnahmen).71 Auf der 51. Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer am 15. November 1935 wurde über die Maßnahmen gesprochen, die von den einzelnen Landesgruppen ergriffen worden waren, um die von dem Pariser Kongreß der ICC aufgestellten Empfehlungen zur Weltwirtschaftskrise möglichst in den Vordergrund des Interesses zu stellen und die Regierungen der betreffenden Länder zu einem Vorgehen im Sinne der angenommenen Entschließungen zu veranlassen. Aus den Berichten ging hervor, daß es in der Zeit der Weltwirtschaftskrise viele Anzeichen dafür gab, daß die öffentliche Meinung und auch die Politik der Regierungen von den Vorschlägen der Internationalen Handelskammer beeintlußt worden waren. Es erschien bemerkenswert, daß die Erklärungen führender Staatsmänner der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs im Einklang mit den von der Internationalen Handelskammer aufgestellten Forderungen standen. Der Unterschied zwischen dem gesprochenen Wort und den letztlich realisierten Taten wurde in der Zeit der Weltwirtschaftskrise aber besonders offenbar. Die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer blieben trotzdem nicht ohne Folgen. Bereits auf der Konferenz des Ständigen Büros der Internationalen Handelskammer in Budapest vom 22. bis 23. Oktober 1932 wurde anerkannt, daß die Regierungskonferenz von Stresa, die sich mit der wirtschaftlichen Gesundung der Donaustaaten beschäftigte, die Vorstellungen der Kammer in vielfacher Hinsicht berücksichtigt und übernommen hatte.n Nach Ansicht von Winthrop W. Aldrich beruhte auch der Tripartite Währungspakt von 1936, der eine währungspolitische Kooperation und feste Wechselkursparitäten zwischen den Währungen Frankreichs, Großbritanniens und den USA vorsah, auf Grundsätzen, wie sie in den Empfehlungen des Gemeinsamen Ausschusses der Internationalen Handelskammer und der Camegie Stiftung geäußert worden waren.73 Denn der Tripartite Währungspakt vom 25. September 1936 besiegelte eine währungspolitische Kooperation zwischen den Westmächten und verhinderte neue Spiralen kompetetiver Abwertungen. Der Erfolg des Übereinkommens zur Aufrechterhaltung der Stabilität der Wechselkurse hing aber letztlich von der Bereitschaft der Vereinigten Staaten von Amerika ab, Gold zum Preis von 35$ pro Unze anzukaufen. Der Währungspakt erlaubte aber auch gewisse Ausnahmen zum Schutze der inneren Prosperität: Nehring, Internationale Handelskammer, S. 37. n Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S.146. 73 Aldrich, Währung und Wirtschaft, S. 24. Auch der Völkerbund riet zu Wechselkursvereinbarungen zwischen den wichtigsten Währungen. League of Nations, Currency Experience, S.230. 71

254

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

"Die Regierung der Vereinigten Staaten muss natürlich in ihrer die internationalen Währungsbeziehungen betreffenden Politik den Erfordernissen der inneren Prosperität voll Rechnung tragen, ebenso wie die Regierungen von Frankreich und Grossbritan[n)ien entsprechenden Erwägungen Rechnung tragen müssen." 74

Mit dieser Klausel wurde den Regierungen die Möglichkeit gegeben, eine Währungsabwertung zur Verteidigung ihrer eigenen Konkurrenzfähigkeit auf den Weltmärkten einzusetzen. Im Zuge der Krisenbewältigung schufen die Staaten mit dem Abschluß des Tripartite Abkommens einen Währungsausgleichsfonds, wie er von der Internationalen Handelskammer im Jahre 1935 vorgeschlagen worden war. Im wesentlichen handelte es sich dabei um eine besondere Währungsreserve, die im Falle plötzlich auftretender internationaler Spannungen alle betroffenen Volkswirtschaften vor den ersten deflationären Folgen defizitärer Zahlungsbilanzen schützen sollte. Mehr als einen vorübergehenden Schutz vermochte der Fonds aber nicht zu bieten, denn seine Reserven waren begrenzt. Für den Zeitraum zwischen den Jahren 1936 bis 1939 verzeichnete der Weltwirtschaftsdienst der Internationalen Handelskammer eine Zunahme der reinen Verrechnungsabkommen von 50 auf 79 (58%) und der reinen Zahlungsabkommen von 11 auf 33 (200%).75 Die Zahl der reinen Zahlungsabkommen nahm prozentual gesehen stärker zu als die reinen Verrechnungsabkommen. Die Kammer bewertete diese Entwicklung als eine Tendenz, "den starren und schwerfälligen Verrechnungsabkommen die geschmeidigeren und rascher funktionierenden Zahlungsabkommen vorzuziehen, die den Schuldnern einen unmittelbaren Devisentransfer mit gewöhnlichen Mitteln ermöglichen, und zwar selbst im Falle von Ländern mit strenger Devisenkontrolle."76 Die Internationale Handelskammer hat seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise den Abschluß von Verrechnungsabkommen abgelehnt und damit im gewissen Sinne die Öffentlichkeit beeinflußt. Die Empfehlung der Internationalen Handelskammer, in Handelsverträge die Meistbegünstigungsklausel aufzunehmen, wurde von den Ländern nicht berücksichtigt, die enge Wirtschaftsbeziehungen zu ihren Kolonien pflegten. Regionale Ausnahmen waren die Folge: Die Vereinigten Staaten nahmen in ihre Verträge regelmäßig die Bestimmung auf, daß sich die Meistbegünstigungsklausel nicht auf den Handel Amerikas mit seinen Schutzgebieten und der Panamakanal-Zone erstreckte. Die britischen und französischen Verträge schlossen das Präferenzsystem von der Meistbegünstigungsklausel gleichfalls aus, das beide Staaten mit ihren Kolonien und Schutzgebieten unterhielten. Die Internationale Handelskammer nahm daher nicht gerade eine Position der Stärke gegenüber den nationalen Regierungen ein, als sie sich auf dem Amsterdamer Kongreß 1929 für eine Beschränkung der Zitiert nach: Gregory, Gegenwartsprobleme, S. 2. Im Original nicht kursiv gedruckt. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Verrechnungs- und Zahlungsabkommen, Stuttgart und Basel 1944. 76 Der Verrechnungsverkehr im Welthandel, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939), S.13. 74

75

I. Deutschland

255

Meistbegünstigungsklausel nur auf das Gebiet des Mutterlandes aussprach. 77 Sie schien von den Interessen jener Mitglieder mit kolonialen Besitzungen beeinflußt worden zu sein, die Präferenzsysteme mit ihren Kolonialgebieten unterhielten und im Rahmen der Weltwirtschaft eine bedeutende Rolle spielten. Frederick Fentener van Vlissingen rief die Internationale Handelskammer dazu auf, praktische Lösungswege aufzuzeigen, die bei den Regierungen und der Industrie auf Resonanz stießen. Den Mißerfolg von vielen Wirtschaftskonferenzen führte er in erster Linie auf die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis zurück.78 Sie hätten sich "zu wenig auf dem Gebiet des praktisch Erreichbaren und zu viel auf dem des theoretisch Erwünschten bewegt". 79 Der Internationalen Handelskammer empfahl er deshalb, sich nicht auf die Annahme von Entschließungen zu beschränken. Sie würden unter den gegebenen Verhältnissen keine praktisch ausführbaren Vorschläge darstellen, wie sie von den Geschäftsleuten erwartet würden. Die Rückkehr zur Stabilität der Weltwirtschaft war nach Ansicht von Fentener van Vlissingen vor allem von einer weitreichenden Initiative Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten abhängig, da diese Länder auch in den dreißiger Jahren den größten Teil des Welthandels kontrollierten. In diesem Kapitel sollen daher die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer am Beispiel dieser vier Staaten überprüft werden.S0

I. Deutschland Seit ihrer Gründung war die Deutsche Gruppe um einen engen Kontakt zur Reichsregierung bemüht, um den wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer eine möglichst große Einflußnahme auf politischem Gebiet zu geben. 81 Bereitsam 10. November 1925 nahm der Präsident der Deutschen Gruppe, Franz von Mendelssohn, schriftlich Kontakt zum Reichskanzler auf. In ei77 Völkerbundsarchiv in Genf: R 2729/10 C/2081 0/578. Richard Ried/, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, hrsg. v. Internationale Handelskanuner, Drucksache Nr. 12, Wien 1931, S.23/25a. 78 Arthur Salter, Leiter des Wirtschaftsausschusses des Völkerbundes, machte dafür in erster Linie den Nationalismus verantwortlich. Arthur Satter, The Future of Economic Nationalism, in: Foreign Affairs 10 (1932), S.19. 79 Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskanuner (Hrsg.), Bericht über die Tagung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskanuner, Berlin 1934, S. 22. 80 Nach Klaus von Beyme hängt die Fähigkeit von Interessengruppen, ihre Wünsche durchzusetzen, von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, die zum einen in ihrer eigenen Struktur (Ideologie, Organisation, repräsentativer Charakter und Finanzkraft der Verbände) und zum anderen in dem politischen System (Regierungssystem) liegen. Beyme, Interessengruppen, s. 39-87. 81 Von großem Gewicht für den Erfolg der Bemühungen von privatwirtschaftliehen Spitzenverbänden konnte sich nach Carl Böhret der Kontakt zur Regierung erweisen. Carl Böhret, Institutionalisierte Einflußnahme der Verbände in der Weimarer Republik, in: Varain, Interessenverbände, S. 222 (fortan zitiert als Böhret, Einflußnahme).

256

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

nem Schreiben an Hans Luther übersandte er dem deutschen Regierungschef eine schriftliche Kopie der Aufzeichnungen, die am 6. November 1925 im Rahmen einer Verwaltungsratssitzung der Internationalen Handelskammer angefertigt worden waren. 82 1930 wurde Hans Luther Reichsbankpräsident und war nun auch seinerseits um einen engen Kontakt zu Franz von Mendelssohn bemüht. Dieser war nicht nur ein angesehener Bankier, sondern hatte neben dem Amt des Präsidenten der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer auch den Vorsitz des Deutschen Industrie- und Handelstages inne. Als Reichsbankpräsident griff Luther gerne auf die Ratschläge von Mendelssohn zurück, wenn es um die Lösung währungspolitischer Fragen ging.83 Ähnlich wichtig waren die Verbindungen zu anderen, der Privatwirtschaft nahestehenden ehemaligen Ministern, wie z. B. Bernhard Dernburg. Persönliche Kontakte spielten folglich für eine Einflußnahme der Landesgruppen auf die Regierungspolitik eine wichtige Rolle. Andererseits waren auch Mitglieder der deutschen Landesgruppe, wie z. B. Abraham Frowein, Paul Silverberg und Franz von Mendelssohn, im Reichswirtschaftsrat vertreten.84 Auch die Geschäftsstelle der Internationalen Handelskammer in Paris trat direkt mit der deutschen Reichsregierung in Verbindung. In einem Schreiben vom 17. Oktober 1927 richtete die ICC an den Reichskanzler die Anfrage, welche Haltung die Reichsregierung zu den Entschließungen einnehme, die auf dem Stockholmer Kongreß der ICC im Jahre 1927 verabschiedet worden waren. Die Kammer forderte ferner das Auswärtige Amt dazu auf, gegebenenfalls die Maßnahmen mitzuteilen, die es zur Erfüllung dieser Empfehlungen für zweckmäßig erachtete. Das Auswärtige Amt konstatierte, daß sich die Internationale Handelskammer erstmals unmittelbar an die Reichsregierung gewandt habe. In früheren Fällen seien der Reichsregierung ausschließlich von der Deutschen Gruppe die Beschlüsse der Internationalen Handelskammer mitgeteilt worden. Nach Auffassung des Auswärtigen Amts, der sich die übrigen beteiligten Reichsministerien in einer Ressortbesprechung vom 14. Dezember 1927 angeschlossen hatten, sei es erwünscht, daß auch in Zukunft nicht von diesem Verfahren abgewichen werde. Aus diesem Grunde sollte das Reichswirtschaftsministerium als das sachlich in erster Linie zuständige Ministerium der deutsz In dem Schreiben an den deutschen Regierungschef heißt es: "In der Annahme, dass die Verhandlungen der Internationalen Handelskammer, soweit sie grundsätzlicher wirtschaftspolitischer Art sind, das Interesse der Reichsregierung finden, und in dem Wunsche, der Führung der Deutschen Gruppe eine enge Fühlung mit der Reichsregierung in allen wichtigen Fragen zu sichern, beehre ich mich hiermit ergebenst, in Anschluss an die am 6. November d.Js. in Paris stattgehabte Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer die Reden zur Kenntnis zu geben, die bei dieser Gelegenheit zwischen dem Präsidenten der Internationalen Handelskammer, Herrn Dr. W. Leaf, mir als Präsidenten der Deutschen Gruppe und dem Ehrenpräsidenten, Herrn Clementel, gewechselt wurden." Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R43 I/1171, S.13. 83 Luther, Vor dem Abgrund, S. 49. 84 Böhret, Einflußnahme, S. 22.

I. Deutschland

257

sehen Gruppe etwa in dem Sinne antworten, daß die Reichsregierung von den Beschlüssen des Stockholmer Kongresses mit großem Interesse Kenntnis genommen habe. 85 Anfang der dreißiger Jahre wies die deutsche Regierung in einer Stellungnahme an den Völkerbund darauf hin, daß sie die Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses zur Handelspolitik billige, sich aber nicht auf alle Einzelheiten festlegen könne, "zumal die Entwicklung der Wirtschafts- und Finanzkrise auch die deutsche Regierung fast täglich vor neue Entschließungen [besser: Beschlüsse] stellt, die oft von einschneidender Wirkung in das Wirtschaftsleben sind. " 86 Diese Äußerung konnte auch auf die handels- und währungspolitischen Resolutionen der Internationalen Handelskammer übertragen werden. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise wollte sich die deutsche Regierung nicht auf handelspolitische Prinzipien festlegen, die sie in der Anwendung von handelspolitischen Abwehrmaßnahmen eingeschränkt hätten. Seit dem Amtseintritt Heinrich Brünings am 30. März 1930 wurde im Deutschen Reich eine Deflationspolitik verfolgt. Die Geschichtsschreibung verurteilt im großen und ganzen Brünings Politik als ein Paradebeispiel für die Wahl einer falschen wirtschaftspolitischen Option zur Lösung der Krise.87 Sie habe die Krise sogar verschärft. Diese Haltung hatte die Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer, in welcher der rheinische Braunkohleindustrielle Paul Silverberg als Vertreter des Reichsverbandes der Deutschen Industrie tätig war, schon 1931 angenommen. Im Juli 1931 kritisierte Silverberg88 - er gehörte interessanterweise zu den wichtigsten industriellen Beratern Brünings89 - die deflationäre Politik der Reichsbank. 90 Im Rahmen einer Ministerbesprechung am 16. November 1931, zu der auch SachBundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R43 1/1171, S. 173. Völkerbundsarchiv in Genf: R2756/10C/33832/13293. 87 Vgl. z. B. Holtfrerich, Alternativen. Wilhelm Grotkopp, Die große Krise. Lehren aus der Überwindung der Wirtschaftskrise 1929/32, Düsseldorf 1954. Gerhard Kroll, Von der Weltwirtschaftskrise zur Staatskonjunktur, Berlin 1958. Kar/ Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Villingen 197IS. Jochmann, Brünings Deflationspolitik, S. 97-112. 88 Er hatte den Aufsichtsratsvorsitz der "Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlebergbau und Brikettfabrikation" inne. 89 Siehe: Reinhard Neebe, Großindustrie, Staat und NSDAP 1930-1933. Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik, Göttingen 1981, S. 22 (fortan zitiert als Neebe, Großindustrie). Im Herbst 1931 lehnte Silverberg die Übernahme eines Ministeramtes ab. Zum Werk von Neebe ist kritisch anzumerken, daß hierin die Tätigkeit Silverbergs im Rahmen der Internationalen Handelskammer vollkommen ausgeblendet wird. Eine vollständige Analyse großindustrieHer Interessenpolitik in der Krise der Weimarer Republik hätte gerade auch eine Berücksichtigung seiner Tätigkeiten in der Internationalen Handelskammer verlangt. 90 In Zusammenarbeit mit führenden Vereinigungen der Industrie, der Banken und des Handels übermittelte er am 25. Juli 1931 der Reichskanzlei eine Petition. Neebe, Großindustrie, s. 111. 85

86

17 Rosengarten

258

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

verständige aus der Wirtschaft hinzugezogen worden waren, legte er einen Plan für eine expansive Kreditpolitik im Umfang von 2 Milliarden Reichsmark vor, den die Reichsregierung und die Reichsbank mit dem Hinweis auf die Gefahr einer Inflation ablehnten. 91 Sein Einfluß war aber offensichtlich nicht stark genug, um Brüning von seinem restriktiven Kurs abzubringen. Silverbergs Bemühungen um eine Erweiterung des Kreditvolumens hatten keinen Erfolg; konkrete Schritte von seiten der Politiker unterblieben. 92 Zwar begann die Reichsbankleitung nach der Bankenkrise 1931 sehr langsam mit einer Kreditausweitung. Sie war aber völlig unzureichend, um die Geldmengenschrumpfung aufzuhalten. Ein zusätzlicher Hemmfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Weimarer Republik war, daß sich die Banken in ihrer Kreditvergabe vor allem auf die Förderung von älteren, stagnierenden Industriebranchen konzentrierten. 93 Im Laufe der Weltwirtschaftskrise verstärkte sich dann noch die Macht des Staates: die Exekutive setzte grundlegende politische Entscheidungen gegen das Votum maßgeblicher Industriekreise durch. In den sechziger und siebziger Jahren gab es Stimmen, die Brünings Politik angesichts der innen- und außenpolitischen Umstände eher verteidigten. 94 Im Aufsatz "Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes" ist Knut Borchardt der Frage nachgegangen, warum eine antizyklische Konjunkturpolitik 91 Neebe, Großindustrie, S.111. Kar/ Dietrich Erdmann/Hans Booms (Hrsg.), Die Kabinette Brüning I und II. 30. März 1930 bis 10. Oktober 1931 und 10. Oktober 1931 bis 1. Juni 1932, Vol. 1, Boppard am Rhein 1982, S. LXXXVIII. Der Plan von Silverberg ist abgedruckt in: ebd., S.1963/1964. 92 Daß deutsche Fachkreise die Bedeutung einer inneren Kreditausweitung als ein Mittel zur Milderung der Krise erkannt hatten, wird auch anband von Protokollaufzeichnungen im Rahmen der (Geheim-)Konferenz der Friedrich List-Gesellschaft 1931 deutlich. Hier wurden sogar Möglichkeiten einer inneren Kreditausweitung zur Deflationsbekämpfung erörtert, d. h. die Frage, ob und inwieweit die Reichsbank ihre Restriktionen lockern könne. Selbst Reichsbankpräsident Luther begann an der kriserunildemden Wirkung einer restriktiven Politik zu zweifeln: "All die guten Wirkungen, die die Notenbank in der Krise in der Hand hat, wenn sie durch Restriktion, sei es auf dem Wege des hohen Diskonts, sei es auf dem Wege direkter Kreditbeschränkungen eingreift, all diese heilenden Wirkungen scheinen mir in der vorliegenden Krise nicht so ganz zu funktionieren." Die Mobilisierung von Kapital durch die Reichsbank lehnte er trotzdem vehement ab. Knut Borchardt/Otto Schätz (Hrsg.), Wirtschaftspolitik in der Krise. Die (Geheim-)Konferenz der Friedrich List-Gesellschaft im September 1931 über Möglichkeiten und Folgen einer Kreditausweitung, Baden-Baden 1991, S.301/303 (fortan zitiert als Borchardt/Schötz, Wirtschaftspolitik in der Krise). 93 H arold James, Did the Reichsbank Draw the Right Conclusions from the Great Inflation, in: Feldman, Nachwirkungen, S. 227. 94 Z. B. Borchardt, Zwangslagen, S.l65-183. Wolfgang J.Helbich, Die Reparationen in der Ära Brüning. Zur Bedeutung des Young-Plans für die deutsche Politik 1930 bis 1932, Berlin 1962, S. 33/34. Werner Conze, Brünings Politik unter dem Druck der großen Krise, in: Historische Zeitschrift 199 (1964), S. 529-550. Ferdinand A. Hermens, Das Kabinett Brüning und die Depression, in: Hermens/Schieder, Weimarer Republik, S. 287-310. Zur Diskussion, die die Borchardt-Kontroverse weiterführte, siehe: Jürgen von Kruedener (Hrsg.), Economic Crisis and Political Collapse. The Weimar Republic 1924-1933, New York 1990.

I. Deutschland

259

nicht schon unter Brüning stattfand. Er nimmt an, daß sich Brüning in einer politischen Zwangslage befunden habe: ,,Eine Alternative hätte eine politische Kraft sein müssen. Eine solche Kraft gab es bis Mitte 1932 nicht. Wer unter diesen Umständen von Brüning erwartet, er hätte eine andere Konjunkturpolitik betreiben können und sollen ... unterstellt ihm eine Macht über die Verhältnisse, die er wohl nicht besaß."95

Die Frage nach der Möglichkeit von krisenmildemden Wirkungen vorgeschlagener Programme beantwortet Borchardt damit, "daß keiner dieser damaligen Pläne das konjunkturelle Schicksal hätte nennenswert wenden können."96 Eine Erhöhung der Staatsausgaben zur Auffüllung der Nachfragelücke hätte entweder durch eine expansive Kreditpolitik auf der Basis von Auslandskrediten oder eine interne Geldschöpfung der Reichsbank finanziert werden können. Beide Optionen seien aber aus politischen Gründen hinfällig geworden. Während die Internationale Handelskammer in einer Ausweitung des internationalen Kredit:tlusses ein entscheidendes Mittel zur Milderung der Krise sah, befürchtete anscheinend Brüning, daß ausländische Kredite mit politischen Auflagen verbunden gewesen wären, die er nicht zu erfüllen bereit war. Hätte Deutschland diese Bedingungen seiner Meinung nach akzeptiert, wäre dies einer außenpolitischen Kapitulation gleichgekommen.97 Eine interne Geldschöpfung stand der Absicht Brünings entgegen, durch eine nachgewiesene Zahlungsunfähigkeit Deutschlands endgültig die Reparationen zu beseitigen. Zudem bestand die Befürchtung, daß eine durch Geldschöpfung finanzierte Staatsausgabenpolitik erneut zu einer Inflation führen werde.98 Von noch größerer Bedeutung war aber für Knut Borchardt, daß Brüning bis zum Frühjahr 1932 für eine Politik erhöhter Staatsausgaben nicht die geringste politische Unterstützung gehabt habe. Demgegenüber unterzieht Carl-Ludwig Holtfrerich Borchardts Beurteilung der Wirtschaftspolitik Brünings einer kritischen Prüfung und kommt zu dem Ergebnis, "daß Brüning die krisenverschärfende Deflationspolitik nicht nur wegen der vermeintlichen ,Zwangslage' , sondern mit voller Überzeugung vertreten hat."99 Denn Alternativen zu Brünings Deflationskurs habe es gegeben. Die Vorschläge, auf die sich Holtfrerich bezieht, kamen zum Teil sogar aus den Reihen der Reichsbürokratie selber. Die Autoren der im folgenden genannten Vorschläge traten zwar für eine "Reflation" der Wirtschaft ein, mußten sich aber jeweils gegen den Vorwurf, eine "Inflation" zu fördern, verteidigen. Der damalige Oberregierungsrat Wilhelm Lautenbach machte 1931 den ersten Vorschlag zur Kreditexpansion. Dieser wurde sogar bei einer Sitzung des Wirtschaftsministeriums von Staatssekretär Ernst TrenBorchardt, Zwangslagen, 5. 173. Borchardt, Zwangslagen, 5.174. 97 Heinrich Brüning, Memoiren, 1918-1938, 5tuttgart 1970, 5. 317 (fortan zitiert als Brüning, Memoiren). 98 Borchardt, Zwangslagen, 5.172. 99 Holtfrerich, Alternativen, 5. 12. 95

96

17°

260

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

delenburg unterstützt. 100 Trendelenburgs Engagement für den Plan ist insofern von Bedeutung, als daß er im Jahre 1934 Aufsichtsratvorsitzender des VIAG-Konzerns wurde und damit auch in engen Kontakt mit der Internationalen Handelskammer in Paris trat. 101 Im Finanzministerium stellte Staatssekretär Hans Schäffer seine Überlegungen zur Krisenbewältigung in einer Denkschrift vom 2. September 1931 zur Diskussion. Sie sahen eine Mäßigung der Deflation mittels eines von der Reichsbank finanzierten Programms öffentlicher Aufträge in einer Höhe von 2, 5 Mrd. RM vor. 102 Der Präsident des Statistischen Reichsamts, Ernst Wagemann, legte im Januar 1932 einen weiteren Plan vor, der eine Lockerung der Währungsdeckung vorsah. Hierdurch sollte der Reichsbank ein zusätzlicher Geldschöpfungsspielraum zum Zwecke der Nachfragebelebung verschafft werden. 103 Neben diesen drei Plänen legt Holtfrerich auch noch Vorschläge zur kreditfinanzierten Arbeitsbeschaffung offen. Er hat nachgewiesen, "daß gerade in Brünings eigenen Reihen der Druck in Richtung auf eine Revision der Deflationspolitik nach der Bankenkrise vom Juli 1931 immer größer wurde" 10 4 • Der Reichskanzler hielt aber aus innen- und außenpolitischen Erwägungen an seinem Kurs fest. Dieser sah die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und die Streichung der Reparationen vor, ganz so wie es auch von der Internationalen Handelskammer empfohlen worden war. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß 1930 in Deutschland die Staatsausgaben stärker vermindert worden waren, als es die Abnahme der Steuereinnahmen erfordert hätte. Die deutsche Regierung unter Brüning glaubte alles unternehmen zu müssen, um den Staatshaushalt durch Ausgabensenkungen und EiDnahmenerhöhungen auszugleichen. Mit ihrem Streben nach einem ausgeglichenen Budget erfüllte die deutsche Regierung die Empfehlung der Internationalen Handelskammer. Keese sieht darin einen entscheidenden Beitrag des deutschen Staates zur Verschärfung der Weltwirtschaftskrise. 105 Erst mit der Einführung von Steuergutscheinen unter der Papen- und Schleicher-Regierung und der Bildung einer nationalsozialistischen Regierung im Januar 1933 wurde von diesem Sparkurs abgewichen. Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht wehrte sich nach Erreichen der Vollbeschäftigung 1936 verbissen gegen eine übergroße Defizitfinanzierung, bis er im Januar 1939 deswegen von Hitler entlassen wurde. 100 Holtfrerich, Alternativen, S. 16/17. Ernst Trendelenburg war auch Mitglied der Internationalen Handelskammer. Er nahm regelmäßig an den Sitzungen teil, die in Zusammenarbeit mit der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden organisiert wurden. Siehe dazu: FDR, Winant Papers Box 173. 101 Luther, Vor dem Abgrund, S. 53. 102 Holtfrerich, Alternativen, S.17/18. 103 Holtfrerich, Alternativen, S.19. 104 Holtfrerich, Alternativen, S. 21. 105 Dietmar Keese, Die volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen für das Deutsche Reich in den Jahren 1925-1936, in: Werner Conze (Hrsg. ), Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reiches 1929/33, (Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte Bd.8), Stuttgart 1967, S. 36 (fortan zitiert als Keese, Die volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen).

I. Deutschland

261

Auch nach der Freigabe des Pfundkurses am 20./21. September 1931 hielt die Reichsbank aus Gründen der Nettoauslandsverschuldung und des Inflationstraumas aus den zwanziger Jahren an einer Goldparität der Reichsmark fest. 106 Deshalb folg· te Deutschland nicht den Abwertungen anderer Staaten, die dadurch mittel- bis langfristig ihre Leistungs- und Zahlungsbilanz verbessern konnten. 107 Eine Abwertung hätte nämlich zur Folge gehabt, daß sich die Terms of Trade in Richtung einer relativen Verbilligung der Inlandsgüter im Ausland veränderten und sich die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Güter auf den internationalen Absatzmärkten verbessert hätte. Zudem hätte Deutschland die Deflationsspirale durchbrechen können, wäre es im September 1931 dem britischen Beispiel einer Währungsabwertung gefolgt.108 Mit dem Festhalten am Goldstandard erfüllte Deutschland zwar die währungspolitischen Empfehlungen, wie sie von der Internationalen Handelskammer gegeben worden waren, ohne sich damit aber einen Vorteil für die Krisenbewältigung für seine Binnenwirtschaft verschaffen zu können. Ganz im Gegenteil: Durch die Beibehaltung der Goldparität der Reichsmark verschärfte die deutsche Regie· rung noch die Krise im eigenen Land. Statt dessen wurde mittels einer allgemeinen Senkung des inländischen Preis- und Kostenniveaus ("Ersatzabwertung") versucht, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, die durch die Abwertung des Pfundes und anderer Währungen stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, zu verbessern. 109 Durch die "Ersatzabwertung" per Deflationsstrategie wurden aber die Investitionen aufgrund zu hoher Realzinsen gehemmt. Diese Gefahr besteht nicht bei einer normalen Währungsabwertung, wie sie von Großbritannien durchgeführt worden war. Darin kann der wesentliche Grund für das geringe Ausmaß der Krisenerscheinungen in Großbritannien gesehen werden. 110 Da Deutschland bereits seit dem 19. Juli 1931 über eine Devisenbewirtschaftung verfügte, waren alle wechselkurspolitischen Grundentscheidungen auch immer in Hinblick auf eine ausgeglichene Zahlungsbilanz zu untersuchen. Der NS-Wirt· Schaftspolitiker A. T. von Rentein bestritt auf der Verwaltungsratssitzung vom 9. März 1934 den Vorwurf der Internationalen Handelskammer, daß die Devisenkontrolle ein entscheidendes Hemmnis für den Handel sei. Er behauptete, daß sie in Deutschland einzig und allein dem Schutz der Währung diene. Die Devisenkontrolle sei in keiner Hinsicht als ein Instrument zur Erreichung handelspolitischer Ziele zu bewerten.'" 106 Die wichtigsten währungspolitischen Entscheidungen in Deutschland nach der Loslösung der britischen Währung vom Gold sind bislang noch nicht genauer beschrieben worden. Dies wäre noch ein Forschungsdesiderat Borchardt, Zur Frage, S. 207. 107 Über den Vorteil von Währungsabwertungen für die Handelsbilanz, siehe: League of Nations, Currency Experience, S.l29/130. tos Haber/er, Weltwirtschaft, S.225. 109 Holtfrerich, Vernachlässigte Perspektiven, S.ISO. uo Holtfrerich, Vernachlässigte Perspektiven, S. 150. 1ll HP: Document No.5420, XL'Veme Session du Conseil, 9 Mars 1934, S. 3. Meiner Meinung nach ist diese Aussage falsch. Die Reichsregierung war wohl an einer ausgeglichenen

262

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Renteins Bemerkungen müssen eher als eine Rede zur Verteidigung einer protektionistischen Politik denn als wirkliches Plädoyer für eine stabile Währung verstanden werden. Um zu einer Milderung der Krise beitragen zu können, hätte die Reichsbank in der Zeit der Weltwirtschaftskrise einer Verringerung der Geldmenge entgegensteuern müssen. 112 Der Handlungsspielraum für eine expansive Geldpolitik, der durch die Devisenbewirtschaftung entstanden war, hätte weitaus großzügiger genutzt werden können. Auch die Gründung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde von der deutschen Regierung nicht realisiert. In seiner Position als Reichskanzler betonte Gustav Stresemann bereits im November 1924, daß der Gedanke der Vereinigten Staaten von Europa erstmals vom Österreichischen Gesandten Richard Riedl, der auch Mitglied der Internationalen Handelskammer war, vorgebracht worden war. Stresemann stand einer wirtschaftlichen Vereinigung Europas aufgeschlossen gegenüber, während er gegenüber jeder politischen Vereinigung Europas eher Zurückhaltung übte. 113 Eine ähnliche Reaktion konnte auch im Hinblick auf den Europaplan Briands konstatiert werden: Stresemann versprach, den Gedanken einer Liberalisierung des europäischen Warenaustauschs zu unterstützen, eine grenzenüberschreitende Verbundenheit auf politischer Ebene wies er aber deutlich zurück.114 Als Stresemann am 3. Oktober 1929 einem Schlaganfall erlag, schufen seine Nachfolger keine günstige Voraussetzung für eine Verwirklichung des Briand'schen Europaplans. Bereits im August 1929 machte Bernhard v. Bülow, der dann im Juni 1930 unter Brüning zum Staatssekretär im Auswärtigen Amt avancierte, in einer internen Stellungnahme darauf aufmerksam, daß vor allem die engen wirtschaftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika es für Deutschland unmöglich machten, auf die französischen Pan-Europa-Pläne einzugehen.11s Mit dieser Meinung stand er innerhalb der Führungsriege nicht alleine da. So sprach sich auch Reichskanzler Brüning im Hinblick auf eine Zollunion mit Handelsbilanz interessiert. Die Devisenkontrolle war dafür ein wichtiges Instrument. Vgl. League of Nations, Trade Relations, S. 16. 11 2 Für Daten über die Verringerung des Geldangebots M1, M2 oder M3 in Deutschland nach 1929, siehe: Tilly!Huck, Die deutsche Wirtschaft, S.62, 77-80. 113 .,Der Gedanke der Vereinigten Staaten von Buropa ist mir zuerst von dem hiesigen Gesandten Österreichs, Herrn Dr. Riedl, nahegebracht worden. Ich möchte mich auf diesen Gedanken politisch nicht so weit festlegen, wie es Dr. Riedl tut, halte aber jedenfalls dafür, daß wir dafür sorgen müssen, daß wir nicht durch Grenzen, Pässe und Zölle für Buropa in den Zustand geworfen werden, der etwa bestände, wenn Deutschland wieder das alte einzelstaatliche Land würde, in dem der Schlagbaum an der Grenze die Überfahrt der Waren verhindert." Zitiert nach: Anneliese Thimme, Gustav Stresemann. Eine politische Biographie zur Geschichte der Weimarer Republik, Hannover 1957, S.I05. 114 Walter Lipgens, Europäische Einigungsidee 1923-1930 und Briands Buropaplan im Urteil der Deutschen Akten, in: Historische Zeitschrift 203 (1966), S. 80. m Schröder, Südosteuropapolitik, S. 348.

I. Deutschland

263

Österreich gegen eine multilaterale Vereinigung aus, so wie sie von Frankreich vorgeschlagen worden war.116 Die Regierung Brüning wurde von Anfang an von Sonderinteressen geleitet. Der Reichskanzler konterkarierte den von Trendelenburg und der Internationalen Handelskammer befürworteten Weg zu einer europäischen Wirtschaftsvereinigung, indem er sie immer wieder hinausschob und war im Grunde genommen von der Notwendigkeit höherer Agrar- und Industriezölle überzeugt: "Man müsse bedenken, daß Deutschland weder landwirtschaftlich noch industriell konkurrenzfähig sein würde, sobald die europäischen Zollschranken fallen würden." 117 Nach Brünings Entlassung am 30. Mai 1932 wurden die protektionistischen Kräfte im Deutschen Reich sogar noch gestärkt; Reichskanzler Franz von Papen zog die Unternehmer bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik kaum mehr zu Rate. 118 Der ,,Neue Plan" der Nationalsozialisten vom September 1934 sah dann sogar quantitative Einfuhrbeschränkungen und die Planung des gesamten Einfuhrvolumens vor. 119 Der Einfluß der exportorientierten Industrie auf die Wirtschaftspolitik des Reiches sank sogar noch schneller als ihre allmählich reduzierte volkswirtschaftliche Bedeutung. Demnach gab es immer wieder Versuche von seiten des Deutschen Industrie- und Handelstages, der Vertreter des Reichsverbandes der Deutschen Industrie und der Internationalen Handelskammer, die Regierung dazu zu bewegen, die Pläne zur Einführung von Handelskontingenten fallenzulassen; sie blieben aber ohne Erfolg. Abraham Frowein120 von der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer- er wurde 1932 zum Präsidenten der Internationalen Handelskammer gewählt und war gleichzeitig auch stellvertretender Vorsitzender des Reichsverbandes der Deutschen Industrie- betonte, daß eine Sanierung der deutschen Wirtschaft von einer Gesundung der Weltwirtschaft abhinge. Er riet dazu, das Prinzip der Meistbegünstigung aufrechtzuerhalten und eher multilateral als bilateral zu denken. 121 Brüning, Memoiren, S. 382. Niederschrift über die Ministerbesprechung vom 8. Juli 1930, in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-45. Aus dem Archiv des Auswärtigen Amts, Serie B: 1925-1933, Bd.XV, 1. Mai bis 30. September 1930, Göttingen 1980, Nr.127, S.307. 11 8 Carl Bosch (IG Farben) zeigte sich beispielsweise von den Plänen der Reichsregierung nicht sehr begeistert. P. Hayes, lndustry and Ideology: IG Farben in the Nazi Era, Cambridge 1987, S. 60. 119 Erbe, Wirtschaftspolitik, S. 71. 120 Frowein war Teilhaber der Elberfelder Textilwerke AG. Er war nicht nur Vorsitzender der deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, sondern auch des Vereins Deutscher Seidenwebereien und des Verbandes der Seidenbandindustrie sowie der Kartellstelle des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. Michael Grübler, Die Spitzenverbände der Wirtschaft und das erste Kabinett Brüning. Vom Ende der Großen Koalition 1929/30 bis zum Vorabend der Bankenkrise 1931, Düsseldorf 1982, S. 23, Anm. 34 (fortan zitiert als Grübler, Spitzenverbände). Eine Schwäche in Grüblers Quellenstudie ist, daß er überhaupt nicht die Arbeit der Internationalen Handelskammer berücksichtigt. 121 Neebe, Großindustrie, S.l76. 116 117

264

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Beide Ratschläge wurden aber nicht befolgt: Die unbedingte Meistbegünstigungsklausel wurde nicht in die deutschen Handelsverträge aufgenommen. 1938 schließlich waren rund 50% des deutschen Handels durch zweiseitige Abkommen gedeckt. 122 Die Bilateralisierung des Handels hatte beträchtliche Folgen für die Umschichtung des deutschen Außenhandels. Bei dem Aufschwung der Jahre 1933 bis 1938 handelte es sich um eine Binnenkonjunktur, die vor allem auch von staatlichen Aufträgen an die Rüstungsindustrie profitierte. A la longue stellte dies aber kein Mittel zur Milderung der Weltwirtschaftskrise dar, das langfristig zu einer Aufrechterhaltung des Friedens beigetragen hätte. Die Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer machte 1931 darauf aufmerksam, daß die Reichsregierung eine Reihe von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Preisstabilität eingeleitet habe. Margaret S. Gordon weist in diesem Zusammenhang auf die Gefahr eines zunehmenden Eingreifens von seiten des Staates hin. Der Interventionismus hätte sich extrem ausgeweitet und reiche von Preisfixierungen über Quoten bis hin zu noch umfassenderen Kontrollmaßnahmen.12l Die deutsche Landesgruppe bedauerte, daß angesichts der prekären Haushaltslage keine wesentlichen Steuerermäßigungen für die Industrie durchgeführt werden konnten. Sie sah aber zunehmend die Möglichkeit gegeben, durch eine Stagnation bei den Staatsausgaben und eine Zunahme der indirekten Abgaben die Wirtschaft vor unmittelbaren Steuererhöhungen zu bewahren. Obwohl einige Mitglieder für eine Senkung des Diskontsatzes plädierten, lehnte der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer eine künstliche Einflußnahme auf die Geldmarktzinsen ab. Das freie Spiel von Angebot und Nachfrage auf dem Kreditmarkt sollte das Zinsniveau bestimmen. Inwieweit die Reichsbank letztlich prozentual zu den Zinsbewegungen in Deutschland beigetragen hatte und wieviel davon als eine Reaktion auf die Entwicklung zu sehen ist, die auf dem Markt stattfand, ist eine Frage, die es in der Forschung noch zu beantworten gilt. Statt einer Senkung kam es in Deutschland zu einem gewaltigen Anstieg der Leitzinsen unmittelbar vor und nach dem Ausbruch der Bankenkrise am 14. Juli 1931. Erst am 9. August wurde der zuvor schrittweise auf 15% erhöhte Diskontsatz auf 10% gesenkt. 124 Karl Diehl suchte die Ursachen für den hohen Zinssatz in Deutschland nicht auf wirtschaftlichem Gebiet, d. h. bei den normalen Erfordernissen des Overy, The Nazi Economic Recovery, S. 30. Margaret S. Gordon, Barriers to World Trade. A Study of Recent Comrnercial Policy, New York u. a. 19832, S.483 (fortan zitiert als Gordon, Barriers). 124 Hugo Ott/Hermann Schäfer (Hrsg.), Wirtschafts-Ploetz. Die Wirtschaftsgeschichte zum Nachschlagen, Würzburg 1984, S. 281 (fortan zitiert als Ott/Schäfer, Wirtschafts-Ploetz). Nach Ansicht von Heinz Habedank habe das Direktorium der Reichsbank gewußt, daß die verschärfte Kreditrestriktion eine Bankenkrise auslösen würde. Durch den Griff zur "Katastrophenpolitik" wollte die deutsche Regierung die Alliierten in der Reparationsfrage unter Druck setzen. Heinz Habedank, Die Reichsbank in der Weimarer Republik. Zur Rolle der Zentralbank in der Politik des deutschen Imperialismus 1919-1933, Berlin 1981, S.212. 122

123

I. Deutschland

265

Kapitalbedarfs gegenüber einem Kapitalangebot; er erklärt ihn in erster Linie "politisch", und zwar durch den Kapitalmangel, der durch die hohen Reparationsschulden und sonstigen politischen Zahlungen entstanden war, die Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg auferlegt worden waren. Daher konnte auch nur die Lösung dieser ausländischen Fesseln - wie sie auch von der Internationalen Handelskammer propagiert worden war- zu einer Senkung der Zinsrate führen. 125 Von der anderen wichtigen Waffe der Kreditpolitik, nämlich den OffenmarktOperationen, wurde kein nennenswerter Gebrauch gemacht, um zu einer Stimulierung der Wirtschaftstätigkeit beizutragen. Daraus folgert Erbe: "Wenn damals durch eine energische Offenmarkt- und Diskontpolitik das Zinsniveau stark heruntergedrückt worden wäre, hätte sehr wahrscheinlich die private Investitionstätigkeit einen ganz anderen Aufschwung genommen, als es tatsächlich der Fall gewesen war."126 Die deutsche Hochzinspolitik Ende der zwanzigerJahreerscheint im historischen Rückblick kaum als Sternstunde der deutschen Währungspolitik. Die hohen Zinsen machten es zwar vorübergehend attraktiver, Geld in Deutschland anzulegen, doch der Erfolg auf der Währungsfront hatte einen hohen Preis: die Kredite zur Finanzierung von Investitionen wurden sehr teuer. Obwohl die deutsche Hochzinspolitik die Binnenkonjunktur dämpfte, traf sie durchaus auf die Zustimmung der deutschen Industrie. Unternehmer, wie z. B. Paul Silverberg und Abraham Frowein, 127 lehnten eine Zinsermäßigung ab, weil sie sich für die Anziehung von Auslandskrediten als nachteilig erwiesen hätte. Statt dessen forderten sie eine Entlastung von Unternehmerischen Investitionen durch eine kapitalfreundliche Steuer- und Wirtschaftspolitik.128 Gerade aber der relativ hohe Diskontsatz, der in Deutschland zur Zeit der Weltwirtschaftskrise bestand, wird in der heutigen Forschung kritisiert. Ein niedriger Leitzins wäre nach Dietmar Keese für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft sicherlich von Vorteil gewesen. Durch höhere Investitionen hätte die Arbeitslosigkeit frühzeitig verringert werden können. Dafür hätte selbst das Risiko einer Offenlegung des Transferproblems in Kauf genommen werden sollen. 129 Niedrige Zinssätze wären damit ein wichtiges Mittel zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit und der Abschwächung der Kreditkrise von 1931 gewesen. m Kar/ Diehl u. a. (Hrsg.), Wirkungen und Ursachen des hohen Zinsfußes in Deutschland, Jena 1932, S.915-917. 126 Erbe, Wirtschaftspolitik, S. 59. Die Solawechsel der nationalistischen Behörden waren jene geldpolitische Maßnahme, die noch am ehesten den modernen Vorstellungen einer flexiblen Kreditpolitik entsprach. 127 Paul Silverberg und Abraham Frowein nahmen trotz ihrer Arbeit im Rahmen der Internationalen Handelskammer keine Rücksicht auf die zinspolitischen Empfehlungen des ICCVerwaltungsrats. 128 Hardach, Weltmarktorientierung, S. 98. 129 Keese, Die volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen, S. 66/67. An Keeses Beitrag ist zu bemängeln, daß die Bedeutung der amerikanischen Kredite für die deutsche Wirtschaft in den Ausführungen einfach ausgespart wurde.

266

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Die Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer ging sogar so weit, die hohen Zinsen gegenüber den währungspolitischen Empfehlungen des ICC-Verwaltungsrats in Paris zu rechtfertigen. Kapitalmarktmäßige Voraussetzungen hätten in Deutschland eine Senkung der Zinssätze verhindert. 130 Die Berufung auf strukturelle Engpässe erscheint vor dem Hintergrund der währungspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer als einfache Rechtfertigung für das von der deutschen Industrie unterstützte relativ hohe Zinsniveau. Das Verhalten der deutschen Wirtschaft signalisierte ein weiteres Mal: Die wirtschaftspolitischen Ratschläge der Internationalen Handelskammer wurden nicht selten auf nationaler Ebene von ihren eigenen Mitgliedern konterkariert. Seit 1933 wurde in Deutschland zudem vehement eine staatliche Interventionspolitik betrieben. In dem Bereich der Finanz- und Währungspolitik stand die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik im Gegensatz zu den Auffassungen der Internationalen Handelskammer. Letztere hielt ohne Unterlaß an der Forderung nach einem ausgeglichenen Haushalt fest und lehnte staatlich initiierte "deficit-spending"-Programme nach wie vor entschieden ab. Im Dezember 1929 hatten auch Vertreter der deutschen Landesgruppe und des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, wie Paul Silverberg, noch offen dafür plädiert 131 , den staatlichen Interventionismus entscheidend zurückzuschrauben. Dennoch kann man der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik ihren Erfolg zur Bekämpfung der Krise nicht absprechen. Der Aufschwung nach 1933 war eindeutig eine Folge der sich fortlaufend verstärkenden öffentlichen Ausgaben, die seit 1934 von den Erfordernissen einer massiven Aufrüstung dominiert wurden. 132 Im no Bericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer zur allgemeinen Lage der Wirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1931), S. 3. 131 Neebe, Großindustrie, S. 52. 132 Bereits im Jahre 1934 stellten die Ausgaben für die Aufrüstung die Hälfte der gesamten öffentlichen Investitionen dar. Als 1936 die Vollbeschäftigung erreicht worden war, wirkte das ansteigende Budgetdefizit dann aber inflationär. Erbe, Wirtschaftspolitik, S. 37/162. Dagegen mißt Richard J. Overy den Militärausgaben für den deutschen Aufschwung nur eine untergeordnete Rolle bei. In den Jahren 1932 bis 1935 hätten sie nur 17% der gesamten Staatsausgaben ausgemacht (Overy, Nazi Economic Recovery, S.47). Wenig später widerspricht er sich, wenn er in einer Tabelle aufzeigt, daß die öffentlichen Ausgaben- in absoluten Zahlen gemessen- für die Rüstungsindustrie aber doch vergleichsweise hoch waren (Overy, Nazi Economic Recovery, S. 50). Auch wenn Overy den Spill-Over/Multiplikator-Effekt unterschätzt, der von der Rüstungsindustrie auf die anderen Industriebereiche übersprang, ergänzt sie Erbes Ausführungen um einen wichtigen Punkt: Er macht darauf aufmerksam, daß vor allem die Entwicklungen in der Automobilindustrie erheblich zu einem Aufschwung in der deutschen Wirtschaft während der Jahre 1932-38 beigetragen hatten; sie hingen auch mit einem Anstieg der Aufträge nach Militärlastwägen und Kübelwägen zusammen. Dagegen seien die Rüstungsanstrengungen·häufig ein ,,hindrance to economic growth" gewesen. Siehe: Overy, Cars, S.476/477. Über die Bedeutung von Innovationen für die wirtschaftliche Prosperität, vgl.: Gerhard Mensch, Das Technologische Patt, Frankfurt am Main 1975.

I. Deutschland

267

Herbst 1935 überstiegen die Rüstungsausgaben erstmals die zivilen Investitionen.133 Gleichzeitig profitierten die Nationalsozialisten von den Ergebnissen der Brüning'schen Deflationspolitik, die sich in Form von günstigeren Lohnkosten und erhöhten Steuerforderungen niederschlugen. Für die Wirtschaft allerdings minderten die Nationalsozialisten die Steuerbelastung insofern, als sie 100%ige Sofortabschreibungen einführten.134 Die erhöhten Steuern widersprachen den Ansichten der Internationalen Handelskammer über antizyklische Finanzgebaren. Sie dienten der Finanzierung von ansteigenden Staatsausgaben. Während die USA, Frankreich und Großbritannien 1937/38 noch einmal einen Produktionsrückgang erlebten, wies die deutsche Wirtschaft dagegen ein kontinuierliches Produktionswachstum auf.135 Dies war aber nur ein Nebenprodukt des staatlichen Engagements, das vornehmlich politischen Zwecken, nämlich der Aufrüstung für die Kriegführung, dienen sollte: Die neue deutsche Regierung verfolgte in der Zeit der Weltwirtschaftskrise eher politische als wirtschaftliche Ziele. Seit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 hatte Deutschland eine möglichst weitgehende Selbstversorgung zum Ziel seiner Wirtschaftspolitik gemacht. Dies widersprach den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer zur Linderung der Krise. Sie vertrat nämlich den Standpunkt, daß eine "policy of national self-sufficiency" direkt zu einem wirtschaftspolitischen Desaster einlade. 136 Die ICC hatte die globale Abhängigkeit der deutschen Wirtschaftspolitik und die katastrophalen Auswirkungen jeder einseitigen regionalen Orientierung der Handelspolitik erkannt. Eine autarkieorientierte Großraumwirtschaftspolitik, wie sie das nationalsozialistische Deutschland betrieb, stellte somit keine Lösung für die Weltwirtschaftskrise dar. "Doch je höher die Stufe in der Entscheidungshierarchie, desto weniger wurden dies Grundeinsichten beherzigt." 137 Die Vertreter der deutschen Landesgruppe vertraten trotzdem den Standpunkt ihrer Regierung und nutzten sowohl den Berliner Kongreß im Jahre 1937 als auch den Kopenhagener Kongreß im Jahre 1939, um die nationalsozialistische Politik der Autarkie zu rechtfertigen. Dazu gehörte auch eine neue Definition des Begriffs. Das Wort "Autarkie" wurde nunmehr von deutscher Seite als eine Methode dargestellt, die zur Neuordnung der Binnenwirtschaft führen sollte. Ein besonderes Anliegen sei es zudem, Beziehungen zur übrigen Welt nicht einzuschränken, sondern vielmehr auszubauen. 138 Dabei bezog sich die Deutsche Gruppe der Internationalen 133 134

Ott/Schäfer, Wirtschafts-Ploetz, S. 285. Vgl. dazu: Holtfrerich, Vernachlässigte Perspektiven; Schröder, Steuerlastgestaltung,

S.69. 135 Mitchell, Historical Statistics/Europe, S. 411/412. Mitchell, Historical Statistics/Americas, S.302. 136 So die Internationale Handelskammer auf dem Pariser Kongreß von 1935, in: FDR, President's Official File 273. 137 Teichert, Autarkie, S. 271. 138 Internationale Wirtschaft 4 (1939), S. 8.

268

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Handelskammer aber wohl weniger auf ihre Handelsbeziehungen mit den USA, als vielmehr auf die wirtschaftliche Ausrichtung nach Südosteuropa. 139 In der Zeit der Weltwirtschaftskrise hatte Deutschland die Kartellgesetzgebung erheblich weiterentwickelt. Damit kam es den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer sehr nahe. Von grundsätzlicher Bedeutung war dabei insbesondere das Gesetz über Zwangskartelle vom 15. Juli 1933. Dieses Gesetz verlieh dem Reichswirtschaftsminister das Recht, zum Zwecke einer Regelung des Marktes unter Würdigung der Belange der Wrrtschaft Unternehmen zu Syndikaten, Kartellen und ähnlichen Abmachungen zusammenzuschließen. 140 Wahrend die Internationale Handelskammer allerdings für freie Zusammenschlüsse vonseitender Unternehmer plädierte, spielten bei der deutschen Kartellbildung staatliche Maßnahmen eine große Rolle. 141 Führende Wissenschaftler der damaligen Zeit lehnten staatlich forcierte Industriezusammenschlüsse als beschäftigungshemmend ab. Diese beschränkten ihrer Meinung nach die Konkurrenz, wodurch sie einen Anstieg der Produktion verhinderten.142 Aber das war ja auch das Anliegen der Internationalen Handelskammer. Die Kartelle sollten die Funktion übernehmen, die heutzutage den freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommen zukommt, nämlich das Angebot zu beschränken, um dadurch den Preisen zu einem Anstieg zu verhelfen. Die Aufmerksamkeit der nationalsozialistischen Reichsregierung galt deshalb auch den kartellmäßig festgesetzten Preisen, weil sie in der Weltwirtschaftskrise weniger als halb so stark gesunl39 So der französische FinanzattacM in Berlin in einem Schreiben an das Außenministerium in Paris vom 29. Mai 1933, in: AD B-Information Economique 33, S.10. 140 J. W. Reichert, Die neuere Kartellgesetzgebung in Europa, in: Internationale Kartelle 1 (1939), S. 9. Es konnte auch vorkommen, daß Kartellverordnungen wieder gegenstandslos wurden, wie z. B. die französische Verordnung vom 30. Oktober 1935, welche die Kartellverträge für die Seidenindustrie obligatorisch machen sollte. 141 So sprach Björn Prytz vom schwedischen Nationalkomitee im Dezember 1931: "Finally, even if in certain cases a reduction of customs barriers might result from the creation of international industrial ententes, the Swedish National Committee did not think that such ententes should receive official encouragement from Govemments and still1ess be subjet to legal control." ASD: BIB 43, Document No. 4689, Joint Meeting for the Study of European Problems December 8-9th 1931, S. 6. 142 "Wenn die Unternehmer, sei es verabredet, sei es auch nur tatsächlich, geschlossen vorgehen, statt miteinander zu konkurrieren, dann fehlt der Zwang, die Produktion bis zu dem Punkt auszudehnen, an welchem die gesamte Arbeiterschaft beschäftigt wäre." Joseph A. Schumpeter, Aufsätze zur Wirtschaftspolitik, Tiibingen 1985, S. 156. Andere Kartellgegner aus der Wissenschaft waren: Adoph Löwe, Emil Lederer und Moritz Julius Bonn. Siehe CarlLudwig Holtfrerich, Was the Policy of Deflation in Germany Unavoidable?, in: Jürgen Baron von Kruedener (Hrsg.), Economic Crisis and Political Collapse. The Weimar Republic 1924-1933, (German Historical Perspectives V), New York 1990, S. 78. Die Haltung in der heutigen Forschung wird zusarnmengefaßt dargestellt bei: Heinrich August Wink/er, Der Schein der Normalität. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1924 bis 1930, Berlin 1985, S. 34-41,730-31.

II. Frankreich

269

ken waren wie die "freien" Preise. 143 Im November 1936 gipfelte diese Entwicklung in der Verordnung zu einem generellen Preisstop. 144 In dem Abbau von tarifärenund nicht-tarifären Handelshemmnissen hätte aber meines Erachtens das langfristig effizientere Mittel zur Lösung der Krise gelegen. Dieser hätte über einen Anstieg der ausländischen Nachfrage zu einer Zunahme der Produktion und damit zu einer Senkung der Arbeitslosenrate geführt. Die deutsche Regierung hielt aber an einer Devisenbewirtschaftung fest. Die protektionistischen Strömungen verstärkten sich unter dem nationalsozialistischen Regime. Auf lange Sicht konnten die Bestrebungen nach einer autarken Kriegswirtschaft aber zu keiner Milderung der Weltwirtschaftskrise führen und ohne eine starke Aufrüstung auch nicht zu einer Krisenmilderung in Deutschland. Die handels-, währungs- und finanzpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer hatten in Deutschland- außer im Bereich des Kartellwesens- kaum einen Einfluß.

II. Frankreich Seit Beginn der Weltwirtschaftskrise verfolgte Frankreich eine protektionistische Wirtschaftspolitik, die erst ab Mitte 1938 eine Kehrtwende erfuhr.145 Die französischen Handelshemmnisse offenbarten sich nicht nur in einem ansteigenden Zollniveau für den Fall eines möglichen "tariff truce", sondern vor allem auch in nicht-tarifäre Importbeschränkungen (Quoten). Am 17. Juli 1930 führte Frankreich unter dem Regierungschef Andre Tardieu als unmittelbare Reaktion auf das protektionistische Zollgesetz der USA (Smoot-Hawley Act) per Dekret ein Quotensystem ein, 146 das im eklatanten Gegensatz zu den ICC-Empfehlungen zum Abbau von Handelshemmnissen stand und im Ausland auf herbe Kritik stieß: " ... it has been damned as a violation of the recommendations of the International Chamber of Commerce and the World Economic Conference of Geneva." 147 Frankreich erhöhte fortan beim Abschluß von Handelsverträgen die Zollsätze, die bis dahin aufgrund vertraglicher Vereinbarungen eine relative Stabilität gezeigt hatten. Die Meistbegünstigungsklausel nahm Frankreich erst seit 1931 in Gebrauch. Sie wurde aber zunächst nur für einige wenige Produkte angewandt. Für das Quotensystem kam ihr beispielsweise gar keine Bedeutung zu. Bei den Verhandlungen über Importbeschränkungen sparte Frankreich die Meistbegünstigungsklausel einfach League of Nations (Hrsg.), World Economic Survey 1932-32, Genf 1932, S.128. Erbe, Wirtschaftspolitik, S. 84. 14 5 Friedman, Impact, S. 33. 146 Siehe dazu: Haight, French Import Quotas, S.13. 147 Iones, Retaliation, S. 139. Im Jahre 1936 waren rund 65% der französischen Importe vom Quotensystem betroffen. Saint-Etienne, Depression, S. 29. 143 144

270

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

aus. Der Grund: Der Abbau von Einfuhrquoten sollte als Verhandlungswaffe erst im Zuge einer reziproken Beseitigung von Handelshemmnissen eingesetzt werden. 148 Im Hinblick auf die Vorbereitungen zur Internationalen Wirtschafts- und Wahrungskonferenz in London 1933 zeigte sich die französische Regierung aber schließlich offen für den Abschluß eines Zollstillhalteabkommens und eines progressiven Abbaus der Einfuhrkontingente. Bereits 1932 hatte Philippe Berthelot, Generalsekretär des französischen Außenministeriums, auf den vorübergehenden Charakter des französischen Systems hingewiesen: "Übrigens ist es wichtig, daran zu erinnern, daß die französischen Kontingente dem Wesen nach nur als Provisorium gedacht sind und mit den Umständen, die sie ursprünglich hervorgebracht haben, verschwinden sollen." 149 Die interministerielle Kommission zur Präzisierung der französischen Standpunkte im Hinblick auf die Londoner Wahrungs- und Wirtschaftskonferenz resümierte am 13. April1933: "Die Kommission hat entschieden,: 1°- sich dem Prinzip eines Zollwaffenstillstands anzuschließen, der eine auf mehrere Jahre verteilte, schrittweise Beseitigung der Kontingente und ihre Ersetzung durch kompensatorische Zölle beinhaltet; 2°- sich nicht nach Ablauf dieses Zollwaffenstillstands einem Zollabbau entgegenzustellen. " 15° Auf der Konferenz zur Vorbereitung der Londoner Wahrungs- und Wirtschaftskonferenz 1933 hatten sich die französischen Mitglieder der interministeriellen Kommission für eine schnelle Vereinheitlichung der Zollformalitäten engagiert. 15 1 Wie wenig aber die französische Öffentlichkeit an einem Abbau der Zölle interessiert war, zeigt ein Artikel im ,,Figaro" vom 21. Juli 1933. Darin wird das Scheitern der Internationalen Wahrungs- und Wirtschaftskonferenz in London aus folgendem Grunde gutgeheißen: "Wir behalten unser Gold, und wir beseitigen nicht unsere Zölle." 152 DieBefürwortereiner rigiden französischen Zollpolitik kamen vor allem 148 Eine Ausnahme bildeten die USA. Für sie galt seit 1932 die Meistbegünstigung im Rahmen des französischen Quotensysterns. Gordon, Barriers, S. 415/416. Vielleicht erhoffte sich Frankreich dadurch eine größere Verhandlungsbereitschaft der USA in zollpolitischen Angelegenheiten. 149 Bericht von Philippe Berthelot, Generalsekretär des französischen Außenministeriums, vorn 6. Januar 1932, in: AD B-Information Econornique 34, S.5. Im Original heißt es: ,,I! irnporte, d 'ailleurs, de rappeler que !es contingents institu~s par Ia France sont essentiellernent provisoires et appel~s i\ disparaltre avec !es circonstances qui !es ont fait naitre." tso Im Original heißt es: ,,La Cornrnission a d~cid~: 1°- Oe se rallier au principe d'une treve douaniere cornportant Ia suppressionprogressive des contingenternents, ~chelonn~e sur plusieurs ann~es, et Ia substitution a ceux-ci, egalernent par ~tapes, de droits de douane cornpensateurs; 2°- Oe ne pas s 'opposer, aI' expiration de cette treve, aune d~rnobilisation douaniere." AD B-Information Econornique 34, S. 3. tst AD B-Information Econornique 34, S.6 und 7. ts2 Im Original: ,,Nous gardons notre or et nous ne supprirnons pas nos droits de douane." Zitiert nach: AD B-Information Econornique 46.

II. Frankreich

271

aus den Reihen der Industrie. Ihre Bitten fanden bei den Politkem ein offenes Ohr. Nicht umsonst schlug der französische Handelsminister daher bereits 1932 in einem Antikrisenprogramm vor, "das Ausmaß des Protektionismus in Zusammenarbeit mit den Interessengruppen festzulegen" .1s3 Eine Interessengruppe, die sich in Frankreich für höhere Zölle einsetzte, war der Verband der französischen Schuhindustrie. In der Sitzung der Handelskammer von Chalons-Sur-Mame vom 19. Januar 1932 machte er auf die schwierige Situation der französischen Schuhhersteller aufmerksam, da sie von deutschen, englischen und tschechoslowakischen Konkurrenten bedroht seien. Angesichts steigender Schuhimporte aus dem Ausland wurde die Regierung in einem Schreiben zur Gewährung eines "effektiven Schutzes" aufgefordert.154 Ähnlich verhielt es sich mit einem Schreiben des Verbandes der Filmindustrie vom 24. Februar 1932 an den französischen Handelsminister. Mit dem Hinweis auf mögliche Entlassungen wurde von der Regierung gefordert, möglichst bald Kontingente einzuführen.1ss Primäres Ziel der französischen Wirtschaft war es dabei, gegen den amerikanischen Protektionismus Vergeltung zu üben. Die US-Handelskammer in Paris machte folgende Beobachtung: "Anyone who has followed the general trend of resolutions adopted by Jeading French business organizations and local Chambers ofCommerce, appreciates the extent to which pressure has been brought to bear on the Government during the past two years, with a view to the adoption of a policy of retaliation as a reaction to the higher rates of duty proposed in the Smoot-Hawley Tariff BiJJ."H6

Weitreichende Konzessionen an die amerikanischen Exporteure sollten nur dann gemacht werden, wenn sie auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit157 beruhten. Die restriktiven Schutzmaßnahmen, die ein Land einführte, konnten danach einem anderen Staat nicht zur Anwendung verwehrt werden. Die protektionistische Haltung einiger Staaten löste somit einen Schneeballeffekt mit einer erheblichen Eigendynamik aus. In Frankreich war es vor allem der Präsident der Vereinigung der französischen Industrie, R. P. Duchemin, der sich für die Einführung von Importkontingenten als Ausgleich für eine defizitäre Handelsbilanz einsetzte. In seinem Vorhaben wurde er auf politischer Seite von Ministerpräsident Pierre Laval und Handelsminister Louis Rollin unterstützt. Die Internationale Handelskammer versuchte daher 133 Im Original: ..... de fixer Je degre de protection de notre production nationale, en collaboration avec Ies groupements interesses." Programm des französischen Handelsministers JuJien Durand vom 3. Oktober 1932, in: AD B-Information Economique 31, S.20. ts4 AD B-Affaires Douanieres 29. tss AD B-Affaires Douanieres 29. ts6 Zitiert nach: Jones, Retaliation, S. J64. Hervorhebung durch die Verfasserin. ts7 Der Begriff "Reziprozität" durchlief in den dreißiger Jahren einen Bedeutungswandel. Laut Owen Jones von der Internationalen Handelskammer stand im Jahre 1932 das Wort "reciprocity" im Zusammenhang mit "tariff reduction". Bis zu diesem Zeitpunkt wurde es immer als "an excuse for tariff raising" gesehen. Zitiert nach: Jones, Retaliation, S. 32.

272

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

über den liberal gesinnten Außenminister Aristide Briand auf die Haltung Rollins Einfluß zu nehmen. In einem Schreiben vom 24. April1931 versicherte Briand dem Präsidenten der Organisation, Georges Theunis, die ICC in ihrem freihändlerischem Anliegen gegenüber dem Handelsminister zu unterstützen. Seine Bemühungen blieben aber letztlich ohne Erfolg. "Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß ich es nicht versäumt habe, meinem Kollegen, der für Handelsangelegenheiten zuständig ist, a11 die Befriedigung zu signalisieren, die ich empfinden würde, wenn Ihre Bitte positiv aufgenommen werden würde, wegen der großen Dienste, die die Internationale Handelskammer bereits geleistet hat und für eine wirtschaftliche Verständigung der Völker noch imstande ist zu leisten. " 158

Die Empfehlung der Internationalen Handelskammer, eine europäische Wirtschaftsvereinigung zu schaffen, war nach Ansicht des französischen Handelsministers Pierre-Etienne Flandin nur dann möglich, wenn sie mit den nationalen Interessen der Staaten zu vereinbaren war: "In reality the economic ,rapprochement' of Europe will take place to the extent in which each finds it to his advantage." 159 In der Zwischenkriegszeit unterstützte die französische Regierung die Idee eines "marche commun" mit dem Ziel einer wirtschaftlichen Einigung Europas. 160 Die Idee eines vereinten Europas hatte in den dreißiger Jahren gewiß auch eine antiamerikanische Spitze. 161 Trotzdem stellten sich die Amerikaner einer europäischen Einigung nicht in den Weg. Ganz im Gegenteil, sie unterstützten die Vorschläge zu einem Abbau der innereuropäischen Zollmauem. 162 Am 1. Mai 1930 schlug der französische Außenminister Aristide Briand ein Memorandum über eine Einigung Europas vor. 163 Briand betonte zwar, daß er von einem gemeinsamen Außenzoll zum Schutz gegen die Staaten außerhalb der Union absehen wolle. 164 Die Gewährung einer Meistbegünstigung wurde aber letztlich von dem Bestand "des relations commerciales 158 Im Original heißt es: ,,J'ai l'honneur de vous faire connaitre que je n'ai pas manqu~ de signaler a mon Collegue du Commerce toute la satisfaction que j'~prouverais a ce que votre requete fut accueillie favorablement, ~tant donn~ les ~minents services que la Chambre de Commerce Internationale a d~ja rendus et est susceptible de rendre a la cause du rapprochement ~conomique entre les peuples." AD B-Offices Internationaux 5. 159 HP: Document No.4099, Thirty-Second Meeting ofthe Council, April4th 1930, in: Conseil F~vrier 1929- Octobre 1931, S.lO. 160 Bericht von Philippe Berthelot, Generalsekretär des französischen Außenministeriums, vom 6. Januar 1932, in: AD B-Information Economique 34, S.4. 161 Jones, Retaliation, S. 146. 162 Lipgens, Einigungsidee, S. 75. 163 Dabei handelte es sich um den sogenannten Briand-Plan. Die Einigung sollte zunächst auf dem politischen Gebiet erfolgen, um dann in einer Annäherung der europäischen Volkswirtschaften zu münden. Darunter fiel auch die Vorbereitung eines fortschreitenden Zollabbaus. Siehe: Der Europaplan Briands vom I. Mai 1930, in: Europa-Archiv 4 (1949), s. 2435-2440. 164 Der Europaplan Briands vom 1. Mai 1930, in: Europa-Archiv 4 (1949), S. 2436.

II. Frankreich

273

nonnales" abhängig gemacht, und gerade diese existierten ja- wegen der tarifären Handelshemmnisse - nicht mit den USA in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. 16S In einer Unterredung mit dem deutschen Außenminister Stresemann in Madrid gestand Briand am 11. Juni 1929 auch offen ein, daß eine Art "federation europeenne" geschaffen werden müsse, "politisch, um den Frieden zu stabilisieren und vor allen Dingen wirtschaftlich, um sich vor der amerikanischen Übennacht zu schützen".166 Im Hinblick auf die deutsche Automobilindustrie stimmte Stresemann den französischen Besorgnissen ob der amerikanischen Konkurrenz zu. Konkrete Schritte zur Bildung einer "Europäischen Föderalen Union" scheiterten aber schließlich auch an der deutschen Absage am 11. Juli 1930, die aus politischen Gründen erfolgte. 167 Über die Verkündigung des Hoover Moratoriums vom 20. Juni 1931, das auf eine Initiative der ICC zurückging, zeigte sich die Regierung Edouard Herriot überrascht; Frankreich war nämlich nicht in das Projekt über die einjährige Stundung der Reparationen und interalliierten Kriegsschulden eingeweiht worden. Das Land befand sich in einer schwierigen Lage: Durch das Hoover Moratorium würde Frankreich ein Verlustgeschäft hinnehmen müssen 168 , denn der gestundete Betrag der deutschen Reparationszahlungen lag weit über den nur für ein Jahr aufgeschobenen Verpflichtungen Frankreichs gegenüber Großbritannien und den USA; 169 trotzdem konnte sich aber Frankreich nicht dem amerikanischen Vorschlag entziehen. 170 In der französischen Öffentlichkeit wurde das Hoover Moratorium als eine Art "manoeuvre deloyale" der USA betrachtet, das letztlich nur die Beseitigung der Reparationen -nicht aber der interalliierten Kriegsschulden-zum Ziele gehabt hätte. 171 165 Bericht von Philippe Berthelot, Generalsekretär des französischen Außenministeriums, vom 6. Januar 1932, in: AD B-Information Economique 34, S.5. Hervorhebung durch die Verfasserin. 166 Zitiert nach: Lipgens, Einigungsidee, S. 73n4. 167 Lipgens, Einigungsidee, S.46. Für die Antwort der deutschen Regierung auf das Memorandum der französischen Regierung vom 1. Mai 1930 über die "Organisation einer europäischen Bundesordnung", siehe: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-45. Aus dem Archiv des Auswärtigen Amts, Serie B: 1925-1933, Bd.XV, 1. Mai bis 30. September 1930, Göttingen 1980, Nr. 136. 168 Nach Abzug der gestundeten interalliierten Kriegsschulden verlor Frankreich 16,1 Millionen Pfund an Finanzzuflüssen durch Reparationszahlungen, wohingegen Großbritannien nur auf9, 7 Millionen Pfund verzichten mußte. Vgl. League ofNations (Hrsg.), World Economic Survey 1931-32, Genf 1932, S. 258. 169 Die Differenz, die sich aus den deutschen Reparationszahlungen an Frankreich und den französischen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigem ergibt, ist aufgelistet in: Alfred Sauvy, Histoire Economique de Ia France entre !es deux guerres, Bd. 3, Paris 1984, S. 70 (fortan zitiert als Sauvy, Histoire Economique). 170 Alfred Sauvy gibt dafür ,,moralische Gründe" an. Sauvy, Histoire Economique, S. 72. 171 Sauvy, Histoire Economique, S. 72. In Wirklichkeit trugen die USA mit einem gestundeten Betrag von über 53,6 Millionen Pfund die stärkste Belastung aus dem Hoover Moratorium. Vgl. League of Nations (Hrsg. ), World Economic Survey 1931-32, Genf 1932, S. 258. Die Hai-

18 Rosengarten

274

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Am 30. November 1932 erklärte der französische Ministerpräsident Edouard Herriot, daß er die wirtschaftspolitischen Ratschläge der Internationalen Handelskammer aufrichtig entgegennehme. Er selber habe immer wieder versucht, seine Handlungen mit den Empfehlungen der Kammer in Einklang zu bringen. Herrlot wies u. a. auf die Bedeutung von internationalen Industrievereinbarungen hin.172 Die Worte des französischen Ministerpräsidenten müssen aber kritisch betrachtet werden, denn: "What really matters, however, is not what govemment said, but what they did." 173 Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, schnitt die französische Regierung nicht gerade vorteilhaft ab. Gerade im Bereich der Zollpolitik wurde offenkundig, wie stark theoretische Aussagen und praktisches Handeln in der französischen Politik divergierten. Der französische Botschafter in Berlin Andre Fran~ois-Poncet gab in seinem Schreiben an den französischen Außenminister vom 8. Juli 1938 ein Beispiel: "Der ehemalige Handelsminister Herr Bastid, der vor einigen Tagen auf der Eröffnung des internationalen Kongresse~ für Handelsaustausch behauptet hatte, daß sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Völkern wegen der Zollbarrieren nicht entwickeln könnten, hatte er nicht kurz zuvor im französischen Parlament alle Vollmachten zur Erhöhung der Zölle gefordert?"174

Die Haltung der französischen Regierung kam im Bereich der Kartellpolitik den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer sehr nahe. Dies wird noch einmal in einem Bericht von Philippe Berthelot offenbar, in welchem sich die französische Regierung dafür aussprach, sogenannte "ententes industrielles" abzuschließen. Dadurch sollte die Produktion besser an den Verbrauch angepaßt und die Stabilisierung der Preise erreicht werden. 17s In industriellen Zusammenschlüssen sah die französische Regierung ein effizientes Mittel zur Krisenbekämpfung: tung der Französischen Gruppe der ICC zum Hoover Moratorium kann wegen fehlender Quellen nicht beschrieben werden. m Aufgaben und Wirken der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 6 (1932), S. 3. 173 Pauly, League of Nations, S. 9. Dabei ist zu beachten, daß die Schwäche der Regierungen zu einer offenen Dauerkrise des politischen Systems der dritten Republik und zu einer raschen Zuspitzung der sozialen und politischen Konflikte führte. Allein 1932 bis 1934 gab es sechs Regierungen. 174 Im Original heißt es: ,,L'ex Ministre du Commerce M. Bastid, qui affirmait, il y a quelques jours, I'occassion de I'ouverture du 'Congres international pour les echanges commerciaux', que les relations economiques entre les peuples ne pouvaient se dl5velopper cause des barrieres douanieres, n' avait-il pas demandl5 peu de temps auparavant au Parlement fran~ais les pleins-pouvoirs en vue d'augmenter les droits de douane?" AD B-Offi.ces Internationaux 5, S.25. 11s So sagte Handelsminister Rollin, daß "lndustrievereinbarungen die Produktion sowie auch die Preise und die Beschäftigung stabilisieren." (Im Original: " ... 1es ententes industrielles stabilisent Ia production ainsi que les prix et Ies etfectifs ouvriers.") Zitiert nach: Bericht von Philippe Berthelot vom 6. Januar 1932, in: AD B-Information Economique 34, S. 3.

a

a

II. Frankreich

275

" ... überall dort, wo die Vereinbarungen existierten und überall dort, wo sich ihr Aktionsradius erstreckte, wurden die Auswirkungen der Krise vermindert, und der Markt konnte, anstatt zusammenzubrechen, eine relative Ordnung aufrechterhalten." 176

Beachtet wurde von der französischen Regierung dabei nicht, daß durch interne Selbstbeschränkungsmaßnahmen auch in anderen Industriezweigen wiederum kontraktive Effekte ausgelöst wurden, denn mit einer Verringerung der Produktion von Endprodukten sank auch die Nachfrage nach den Zwischenprodukten. Dieser negative Multiplikatoreffekt wirkte sich langfristig eher ungünstig auf die wirtschaftliche Produktion aus und damit auch auf die Unternehmerische Aktivität. Die industriellen Kapazitäten wurden nicht vollständig ausgenutzt und die Arbeitslosigkeit stieg weiter an. Wegen der sinkenden Binnennachfrage konnte sich auch das Preisniveau nicht mehr halten. Die gegensätzliche Entwicklung setzte ein: Die Preise - vor allem für Rohstoffe - gingen weiter zurück. Im Vergleich zu den anderen Staaten konnten sich die ökonomischen Verhältnisse in Frankreich erst relativ spät verbessern. "There had been no revival comparable with that in the other industrial countries." 177 Woran lag der Grund für diese unterschiedliche Entwicklung in Frankreich? Zum einen lag er wohl in einem überbewerteten Franc; in Frankreich war Paul Reynaud der einzige Regierungsvertreter, der sich öffentlich für eine Abwertung der französischen Währung als Instrument für einen wirtschaftlichen Aufschwung einsetzte. 178 Ihm stand eine Opposition gegenüber, der Teile der französischen Landesgruppe der Internationalen Handelskammer angehörten. Zum anderen machten die weltweit verbreiteten Zollbarrieren der französischen Exportindustrie schwer zu schaffen. Was in Frankreich außerdem fehlte, war eine Gesundung der Binnenwirtschaft durch eine zunehmende Nachfrage nach Fertigwaren und eine expansive Ausweitung der Geldmenge von seiten der Zentralbank. Daß die Banque de France - zusammen mit der Fed -eine kontraktive Geldpolitik in der Zeit der Weltwirtschaftskrise verfolgte, sollte sich letztlich für alle Staaten als nachteilig erweisen. Es war fatal, daß die beiden Länder mit den größten Goldreserven es ablehnten, die zunehmende Nachfrage nach Liquidität in der Welt zu befriedigen. 179 In Frankreich lag der Grund dafür in der Furcht des Bürgertums vor den Auswirkungen beim Einsatz von währungspolitischen Mitteln: "Masses of Frenchmen of the middle class were more frightened by inßation, budgetary disorder and the depreciation of the franc than they were encouraged by the evidence of industrial revival." 1so 176 Im Original heißt es: " ... partout ou les ententes existaient, partout ou s'~tendait leur rayon d 'action, les effets de Ia crise ont ~t~ att~nu~s et le marcM a pu conserver un ordre relatif, au lieu de s'effondrer." Bericht von Philippe BeTthelot vom 6. Januar 1932, in: AD B-Information Economique 34, S. 3. 177 Tom Kemp, The French Economy 1913-39. The History of Decline, London 1972, S. 99 (fortan zitiert als Kemp, French Economy). 178 Kemp, French Economy, S. 103. 179 Bordo!Eichengreen, Implications, S.405. 18o Kemp, French Economy, S. 164.

18•

276

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Als die Regierung unter dem Sozialisten Uon Blum, die sogenannte Volksfrontregierung bestehend aus Kommunisten, Sozialisten und Radikalsozialisten, im Juni 1936 an die Macht kam, führte sie ein expansionistisches Programm im Sinne des ,,New Deal" durch. Es sah die Aufgabe des Goldstandards, die Abwertung des Franc, ein Programm für öffentliche Arbeiten 181 , den Anstieg der Nominallöhne durch den staatlich vermittelten "Accord Matigon" und die Reduzierung der Arbeitszeit vor. 182 Damit verfolgte Frankreich eine Wirtschaftspolitik, die den wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer extrem zuwiderlief. Die Erhöhung der Löhne mußte nach Ansicht der Kammer die Produktionskosten erhöhen und damit zu einer Senkung der Gewinne der Unternehmer führen. In diesem Zusammenhang war mit einem Rückgang von Investitionen zu rechnen. Nicht beachtet wurde von der ICC, daß höhere Löhne auch zu einem Nachfrageschub in der Binnenwirtschaft beitragen können, sofern sie nicht von einem ebenso starken Preisanstieg begleitet werden. In der vom Kabinett Blum verordneten Lohnsteigerung sieht daher auch Tom Kemp einen Stimulus für die französische Konsumgüternachfrage. Diese offenbarte sich aber weniger in einer zunehmenden Binnennachfrage als in ansteigenden Importen.l 83 Anfang der dreißiger Jahre hatte sich die französische Regierung noch für eine stabile Währung auf Goldbasis eingesetzt. Mit dieser Haltung entsprach sie weitgehend den währungspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer. So empfahl der "Conseil National Economique" der französischen Regierung beispielsweise, sich auf der Weltwirtschaftskonferenz von 1933 für eine Restauration des Goldstandards einzusetzen, denn "allein das Gold kann zur Zeit die gemeinsame Basis bilden und von allen Ländern als Währungsstandard akzeptiert werden." 184 Auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Paris im Jahre 1935 erklärte die französische Regierung zudem noch, daß sie sich "rücksichtslos" für die Herbeiführung einer größeren Währungssicherheit einsetzen wolle. 185 181 Das Programm der neuen Regierung wurde durch den Verkauf von Schatzbriefen finanziert, die von der französischen Zentralbank ausgegeben wurden. Diese Kreditfinanzierung von Staatsausgaben wurde erst möglich, nachdem am 24. Juli 1936 die Banque de France unter staatliche Kontrolle gestellt worden war. Dies widersprach eigentlich der Empfehlung von seiten der Internationalen Handelskammer. In der Förderung von inflationären Tendenzen in Frankreich sehen Harold James und Ben Bemanke ein Mittel zu Überwindung der Krise, wie dies bereits schon früher von Carl-Ludwig Holtfrerich- nur auf Deutschland bezogen- für die frühen zwanziger Jahre aufgezeigt worden war. Kemp, French Economy, S. 120/122. Bernanke/James, Gold Standard, S. 10. Holtfrerich, Inflation. 182 Aldcroft, European Economy, S. 82. Das Kabinett Edouard Daladier kündigte im November 1938 die Rücknahme der Sozialreformen der Volksfront an. 183 Kemp, French Economy, S. 119/120. Auf die Entwicklung der Exporte (Auslandsnachfrage) geht Kemp gar nicht ein. Außerdem klammert er die Zollpolitik in seiner Studie ganz aus. 184 Im Original heißt es: " ... seull' or peut actuellement constituer cette base commune et etre accepte comme italon monitaire par tous /es pays". Bericht von Ad6odat Boissard vom 5. Mai 1933, in: AD B-Information Economique 34, S. 3. 185 Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, S. 1.

II. Frankreich

277

Noch vor ihrem Regierungsantritt hatten Premierminister Uon Blum und Präsident Vincent Auriol erklärt, niemals den französischen Franc (Franc Poincare) abwerten zu wollen. Wenig später wurde diese Haltung aber schon wieder revidiert: Der französische Franc verließ den Gold-Standard am 26. September 1936 und wurde nach der Ratifizierung des Regierungsbeschlusses durch das französische Parlament am 1. Oktober offiziell um 35% abgewertet; die Abwertung der französischen Wahrung lag damit unter der prozentualen Abwertung der britischen und amerikanischen Wahrung mit 40%.1 86 Die Franzosen wurden daher in ihrer Politik von den Amerikanern und Briten unterstützt. Das Dreimächtewährungsabkommen vom 25. September 1936, das die amerikanische, britische und französische Wahrung durch die Vereinbarung fester Wechselkurse stabilisierte, kann somit auch auch als Einstieg in eine "autonome Konjunkturpolitik" gesehen werden, wie sie für alle westlichen Staaten nach 1945 typisch war. 187 AufFrankreich bezogen hieß das: " ... die französische Regierung wird sich natürlich bewußt vergleichbaren Überlegungen unterziehen, wenn es um die Wirtschaft der Metropole und ihre Besitzungen in Übersee geht."188 Das Abkommen zwischen Frankreich, Großbritannien und den USA sollte ein erster Schritt hin zu mehr Wechselkursstabilität und einem Abbau von Handelsbarrieren sein. "In dieser Hinsicht hat es nicht den Erwartungen entsprochen, an die man im Moment seiner Ausarbeitung gedacht hatte," heißt es in einer Note des französischen Außenministeriums vom 10. Februar 1938. 189 Trotzdem stellte es einen Meilenstein auf dem Weg zum Aufbau eines internationalen Wirtschaftssystems dar, und das auch, obwohl Deutschland und Italien dem Abkommen niemals beigetreten sind. Durch die Abwertung der französischen Wahrung 1936 sollten die Wettbewerbsnachteile der französischen Wirtschaft abgebaut werden. In der Forschung wird ihre Durchführung daher allgemein als zu spät erachtet: Wäre der Franc vier Jahre früher abgewertet worden, hätte etwa nach Meinung von Christian Saint-Etienne seinem Land das Krisenszenario in den Jahre 1934-1935 erspart werden können. Er folgert daraus: "Es gab keine Zwangsläufigkeit der Großen Krise in Frankreich 1934-1935: Es gab nur Irrtümer der Wirtschaftspolitik." 19° Die französische Wirtschaft erlebte 186 /an M. Drummond, London, Washington, and the Management of the Franc, 1936-1939, (Studies in International Finance No.45), Princeton 1979, S. 53. LelandB. Yeager, International Monetary Relations: Theory, History, and Policy, New York 19762, S. 362 (fortan zitiert als Yeager, Monetary Relations). Bis 1939 war der Wert des französischen Franc um 57% gesunken. Ott/Schäfer, Wirtschafts-Ploetz, S. 341. 187 Das Abkommen ist nachzulesen, in: AD B-Information Economique 32. 188 Im Original heißt es: " ... le Gouvernement fran~ais tiendra natureilement compte de consid6rations analogues en ce qui concerne 1'6conomie de Ja M6tropole et des possessions d'Outre-mer." AD B-Information Economique 32. 189 Im Original heißt es: "A cet 6gard, eile n'a pas r6pondu aux espoirs que 1'on avait con~us au moment ou eile fut formul6e." AD B-Information Economique 32. 190 Im Original heißt es: ,/1 n'y a pas de fatalite de Ia Grande Crise en France en /934-1935: il n' y a que des erreurs de politique economique." Saint-Etienne, L'Etat, S. 34. Zu dem gleichen Schluß kam er auch für Amerika in den Jahren 1929-1930.

278

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

aufgrund eines fehlenden ökonomischen Kalküls von seiten der französischen Regierung keinen Produktionsanstieg, wie ihn beispielsweise die britischen Unternehmer für sich seit dem Jahre 1933 verbuchen konnten. 191 Der Abwertung des französischen Franc von 1936 folgten weitere Abwertungen 1937 und 1938. Der französische Botschafter in Berlin, Andre Fran~ois-Poncet, beleuchtete am 8. Juli 1938 im Hinblick auf die zwei später erfolgten Abwertungen der französischen Währung 192 erneut die ambivalente Haltung der Franzosen im Bereich der Wirtschaftspolitik: "Und ist es nicht Frankreich, das so häufig das Festhalten am Prinzip der Geldwertstabilität gefordert hat und gerade zum zweiten Mal eine Währungsabwertung innerhalb eines Jahres vorgenommen hat?" 19J

Insgesamt ist festzustellen, daß die französische Regierung die Arbeit der Internationalen Handelskammer mit mißtrauischer Aufmerksamkeit verfolgte. Im Vorfeld des Kopenhagener Kongresses im Jahre 1939 wurden auf französischer Seite sogar Befürchtungen laut, wonach die Internationale Handelskammer möglicherweise Interessen vertreten könnte, die denjenigen Frankreichs diametral entgegengesetzt seien. Aus diesem Grunde wurde von der französischen Regierung beschlossen, "darüber zu wachen, daß die Präsidentschaft der Internationalen Handelskammer nicht von Personen ausgeübt wird, die imstande wären, diese Organisation in einem den französischen Interessen entgegengesetzten Sinne zu benutzen."194 Daran wird deutlich, daß die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer nicht ohne Relevanz für die französische Wirtschaftspolitik waren, insbesondere was den handelspolitischen Protektionismus und die Reparations- und Schuldenfrage anbetraf.

191 Tom Kemp sieht in der Abwertung ein wichtiges Mittel zur Genesung: "Without devaluation the possibilities of recovery were strictly limited." Kemp, French Economy, S. 112. Vgl. auch Lary, World Economy, S. 194. 192 Yeager, Monetary Relations, S. 364. I9J Im Original heißt es: ,,Et la France, qui a si souvent r~lame la stabilisation monetaire, ne vient-elle pas de proceder pour Ia seconde fois en un an ala devaluation de sa monnaie?" Brief von Botschafter Andre Fran~ois-Poncet an den französischen Außenminister Yvon Delbos vom 8. Juli 1938, in: AD B-Offices Intemationaux 5, S. 25. In seinen Ausführungen bezog sich Fran~ois-Poncet auf die Versicherungen der französischen Delegierten auf dem Berliner Kongreß der Internationalen Handelskammer im Jahre 1937. 194 Im Original heißt es: " ... de veiller ace que la presidence de la Chambre de Commerce internationale ne soit pas exercee pas des personnalites susceptibles d'utiliser cet organisme dans un sens contraire aux interets fran~ais." Schreiben des französischen Handelsministers an den französischen Außenminister vom 17. Juni 1939, in: AD B-Offices Intemationaux 5.

III. Großbritannien

279

111. Großbritannien Auf dem Treffen des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer vom 4. April1930 machte der ehemalige britische Premierminister Artbur Balfour als Mitglied des britischen Nationalkomitees deutlich, wie sehr die Interessen innerhalb der Wirtschaft divergierten. In Bezug auf den Vorschlag der Internationalen Handelskammer und des Völkerbundes zu einem "Internationalen Zollstillhalteabkommen" konstatierte er "that the only support in Great Britain for a tariff truce was political and that it was opposed by all business interests. " 195 Der Widerstand aus der britischen Industrie kam nicht nur von Protektionisten, sondern auch von Freihändlern. Beide Gruppen sahen sich durch verbindliche Abmachungen in der Verfolgung ihrer zollpolitischen Zielsetzungen gestört: "The free traders because such a truce would make it impossible to reduce existing high tariffs; protectionists because it would tie their hands for the future." 196 Nach Ansicht von Sir Felix Schuster, Mitglied des britischen Nationalkomitees, stellte die Genfer Konvention 1930 mit ihrem Vorschlag, ein Zollstillhalteabkommen abzuschließen, keinen Fortschritt im Rahmen der internationalen zollpolitischen Verhandlungen dar. Ein "tariff truce" würde sogar eher noch bestehende Zollbarrieren legitimieren. Das britische Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer schlug daher auf der Verwaltungsratssitzung vom 27. Juni 1930 vor, "to ask Govemments not for the stabilization of tariffs but for their reduction." 197 Die divergierende Haltung, die in Fragen eines "Internationalen Zollstillhalteabkommens" zwischen dem politischen und wirtschaftlichen Milieu bestand, wurde von Sir Alan Anderson zu überspielen versucht. Er konstatierte: "Our present Government has the support of all our business organisation in its stated policy, but differs sometimes in the application of this policy." 198 Über die Zielsetzung gäbe es seines Erachtens keine Unstimmigkeiten zwischen Politik und Wirtschaft; nur in der Art der Durchführung würden beide Seiten erhebliche Unterschiede aufweisen. Der Verwaltungsrat der Internationalen Handelskammer befürwortete 1933 aber schließlich den Abschluß eines "tariff truce". Er sah darin eine entscheidende Chance für einen ersten Schritt hin auf dem Weg zu einem Abbau der bestehenden Handelshemmnisse. Es waren dann letzten Endes die Regierungen, nicht die ICC, die eine Ratifizierung der Genfer Konvention von 1930 über ein "Internationales Zollstillhalteabkommen" unterminierten. 19' HP: Document No.4099, Thirty-Second Meeting ofthe Council, April4th 1930, in: Conseil F6vrier 1929-0ctobre 1931, 5.11. Hervorhebung durch die Verfasserin. Die Regierung schien von dem Erfolg eines "tariff truce" aber nicht wirklich überzeugt zu sein. Tim Rooth, British Protectionism and the International Economy: Overseas Commercial Policy in the 1930s, Cambridge 1993,5.309. 196 HP: Document No.4099, Thirty-Second Meeting of the Council, April 4th 1930, 5.11. 197 HP: Docurnent No.4204, Thirty-Third Meeting of the Council, June 27th 1930, S. 4. 198 HP: Document No.5420, XL\'eme Session du Conseil, 9 Mars 1934, 5.15.

280

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

In Großbritannien reagierte die neu gewählte Labour-Regierung Ramsay MacDonald auf die Krise von 1929, indem sie auf wirtschaftlichem Gebiet ein spezielles Beratungsgremium etablierte. Am 16. Januar 1930 wurde der ,,Economic Advisory Council" (EAC) gegründet. Das EAC hatte zur Aufgabe, die britische Regierung in wirtschaftlichen Fragen zu beraten. Zur Erfüllung seiner Aufgaben war der Rat aber weder mit ministeriellen noch mit administrativen Vollmachten ausgestattet. Den Vorsitz im Rat führte der Premierminister. 199 Zu den unabhängigen Mitgliedern des Rates, die von Anfang an zu den Sitzungen eingeladen wurden, gehörte unter anderem auch Josiah Stamp, Mitglied der Britischen Gruppe der Internationalen Handelskammer.200 Dies ist insofern von Bedeutung, als dadurch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kammer und der Regierung möglich und evident wurde.2o1 Stamp hatte die Möglichkeit, im Rahmen der Ratsarbeit auf eine Verwirklichung der handels- und währungspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auf politischer Ebene zu drängen. Wie er schließlich diese Möglichkeit nutzte, um entgegengesetzte Ziele zu erreichen, wird im Rahmen seiner Arbeit als Mitglied des "Committee of Economists" deutlich.

Am 1. August 1930 trat unter Ägide des EAC erstmals als neue Institution, das sogenannte "Committee of Economists", zusammen.202 Der Ausschuß setzte sich aus angesehenen britischen Ökonomen zusammen. Diese waren J. M. Keynes, H. D. Henderson, A. C. Pigou, L. Robbins und J. Stamp. FürStamp bestand damit - neben der Arbeit im EAC - eine zweite Möglichkeit, um auf die politischen Entscheidungen der Regierung im Zuge einer Überwindung der Krise Einfluß nehmen zu können. Die Aufgabe des Komitees bestand darin, "to review the present economic condition of Great Britain, to examine the causes which are responsible for it, and to indicate the conditions of recovery."203 Das Komitee tagte zehn Mal, bevor es der britischen Regierung am 24. Oktober 1930 einen Bericht übermitteln konnte.204

199 S.S. Wilson, The Cabinet Office to 1945, (Public Record Office Handbooks No.17), London 1975, S.84. 200 Zum einen beschäftigte sich Josiah Stamp im Rahmen der Internationalen Handelskammer mit dem Wiederaufbau nach dem Ersten Weltkrieg und dem deutschen Transferproblem. Zum anderen trat er beispielsweise auch als Delegierter der ICC auf dem Brüsseler Kongreß im Jahre 1925 auf. Im Jahre 1927 war Stamp für die ~,London, Midland and Scottish Railway" (L.M.S.) und die Bank of England als Direktor tätig. lohn Harry Iones, Josiah Stamp, Public Servant. The Life of the First Baron Stamp of Shortlands, London 1964, S. 179(233/306 (fortan zitiert als Iones, Public Servant). 201 Dies wurde auch noch dadurch verstärkt, daß Premierminister Ramsay MacDonald anscheinend auf das Urteil von Josiah Stamp einen besonderen Wert legte. Iones, Public Servant, S.324. 202 Siehe dazu folgende Quellen: PRO/EAC(E)-CAB 58/150-151. 203 Am 24. Juli 1930 hatte der britische Premierminister das Komitee mit eben diesen Worten ins Leben gerufen. PRO/CAB/150, S.6. 204 Siehe dazu folgende Quellen: PRO/CAB 24(216.

III. Großbritannien

281

Das Ergebnis des Reports war kontrovers: Das "Committee of Economists" empfahl nämlich die Erhebung von Schutzzöllen.2os Dies widersprach dem Wahlprogramm der Labour-Regierung MacDonald, die sich eigentlich dem Freihandel verpflichtet hatte.206 Die einzigen Mitglieder des Komitees, die ihre Stimmen gegen die Erhebung von Zöllen, eine Erhöhung der Importabgaben und Exportsubventionen erhoben, waren nur die beiden Ökonomen L. Robbins und A. C. Pigou. Ganz anders Josiah Stamp: Er unterstützte erstaunlicherweise das Plädoyer des Komitees für Schutzzölle, obwohl diese protektionistische Haltung nicht mit den handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer zu vereinbaren war. 207 Die nationalen Vertreter der Internationalen Handelskammer arbeiteten aber nicht nur in regierungsnahen Beratungsgremien zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Die Landesgruppen schickten fallweise auch Delegationen zu Regierungsmitgliedern, um sie zu veranlassen, den Forderungen der ICC verstärkt Beachtung zu schenken. Dabei stützten sich die Repräsentanten der Internationalen Handelskammer bevorzugt auf Resolutionen, die mehrheitlich auf den alle zwei Jahre stattfindenden Kongressen Unterstützung gefunden hatten.208 Lord Luke ofPavenham, Präsident des britischen Nationalkomitees, beschrieb seine Mission in einem Brief an Schatzkanzler John Sirnon am 10. Juni 1938 folgendermaßen. Er habe die Aufgabe in Hinblick auf die in Großbritannien bestehende Doppelbesteuerung, "to press for reconsideration of the official policy" ,209 Am Beispiel seiner Unterredung mit britischen Regierungsmitgliedern am 19. Dezember 1938 wurde die Schwierigkeit einer Einflußnahme auf Regierungsmitglieder sehr deutlich.210 Denn der Schatzkanzler reagierte auf die Vorschläge der Internationalen Handelskammer über einen Abbau der Doppelbesteuerung von Anfang an mit Skepsis. Seiner Meinung nach ließen die Siehe dazu auch: Rooth, British Protectionism, S.49/50. Zur Haltung der britischen Regierung siehe: Robert Skidelsky, Politicians and the Slump. The Labour Govemment 1929-1931, London 1967, S.141-145 und 384-395. 20' "The majority of us (Mr. Keynes, Mr. Henderson and Sir Josiah Stamp) think that a sufficient case exists for such a tariff, having regard to the variable considerations discussed above to the Budgetary problem, any relief to which is obviously of great importance, and to the effect on business confidence in reviving energy and enterprise. The majority propose that a 10 per cent general tariff should be imposed now and should be removed again when abnormal unemployment disappeared or the price-level restored." PRO/CAB/58/150, S. 26. 208 Im Public Record Office finden sich heute nur noch zwei Protokolle, die aufgezeichnet worden waren, als Delegierte des britischen Nationalkomitees bei der Regierung vorstellig wurden: über eine Unterredung zwischen dem britischen Nationalkomitee und Premierminister Stanley Baldwin am 5. Juni 1923 (PRO{f171/1315) einerseits und über eine Unterredung zwischen dem britischen Nationalkomitee und dem Schatzkanzler John Sirnon vom 10. Juni 1938 andererseits (PRO{f172/1889). 209 PRO{f172/1889, S.l. 210 Lord Luke wurde begleitet von einer Delegation, die sich aus folgenden Personen zusammensetzte: W. H. Coates, Henry Morgan, Owen Jones, um nur die wichtigsten Namen zu nennen. W. H. Coates hatte den Vorsitz des Sub-Komitees über Doppelbesteuerung inne. PRO{fl72/1889. 205

206

282

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlwtgen

wirtschaftlichen Umstände keine Aufhebung der Doppelbesteuerung zu.211 Sir John Sirnon schien auf die Einnahmen aus einer doppelten Besteuerung nicht verzichten zu wollen, und beharrte auch noch dann auf ihren Bestand, nachdem ihm die Vertreter des britischen Nationalkomitees dargelegt hatten, daß die Doppelbesteuerung für Investitionen und Handel eindeutig restriktiv wirkte.212 Wie wenig sich der Schatzkanzler von den Argumenten der ICC-Delegation überzeugen ließ, wird dadurch deutlich, daß er das Gespräch als "entirely non-committal but very sympathetic" bewertete.213 Unter der konservativen Regierung unter Stanley Baldwin hatte England im Jahre 1925 die McKenna-Zölle eingeführt. Die Zölle wurden nach dem Ausbruch der Krise von der Labourregierung im Jahre 1931 noch einmal mit dem Argument erhöht, "it was found to be the best means of restoring a favourable balance of trade."214 Damit wurde nicht den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer, sondern denjenigen des "Committee of Economists" nachgegangen. Am 20. November 1931 erhob das Board of Trade mit dem ,,Abnormal Importations Act"21S auf 23 Warengruppen einen Einfuhrzoll von 50%.216 Dem Gesetz folgte dann im Februar 1932 der "Import Duties Act", welches für alle Güter einen allgemeinen Zollsatz von 10% vorsah. Trotzdem gab es aber für einige Produkte Ausnahmen.217 Eine weitere Verschärfung der britischen Zollpolitik bildeten die Verträge von Ottawa, die am 20. August 1932 zwischen Großbritannien und den CommonwealthLändern abgeschlossen wurden.218 Sie bedeuteten nicht nur die Einführung einer 211 Robert A. Pastor weist den Steuern in der Zwischenkriegszeit eine Funktion zu, die im 18. und 19. Jahrhundert den Zöllen zugeschrieben wurde. Pastor, Congress, S. 73. 212 Vor allem Transportunternehmen wurden von der Doppelbesteuerung stark betroffen. 213 PRO(f172/1889, S. 28. Hervorhebung durch die Verfasserin. 214 So Ramsay MacDonald und Stanley Baldwin im Zuge der Wahlkampagne von 1931. Zitiert nach: Richardson, British, 146. m Diese Politik wurde von Walter Runciman, dem Präsidenten des ,.Board of Trade", angesichts der Krisensituation wärmstens unterstützt: ,.I have been a Free Trader all my life, and I am still a Free Trader. I am not sure that I am not the most bigotted Free Trader in the House, but I am not so much Free Trader as to shut my eyes to the terrible risks we are running at the present time in a failure to balance our trade budget." House of Commons, Parliamentary Debates 1930-31, Vol. 256, London 1931, Col. 331. Das doppelte Gesicht der Internationalen Handelskanuner wird auch hier offenbar: Dieser Ausspruch stanunt nämlich von einem Regierungsvertreter, der zugleich auch Mitglied der Internationalen Handelskanuner war. Runeiman galt bis dahin als Freihändler, weil er sich auf der Weltwirtschaftskonferenz von 1927 als Delegierter der Internationalen Handelskanuner für einen Abbau der Handelsschranken eingesetzt hatte. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), The International Chamber of Commerce. lts Organisation and Activities, London 1933, S. 8. 2l6 Nach Philip Friedman überstiegen die Zölle teilweise sogar die 100 %-ad-valorem-Marge. Friedman, Impact, S.24. 211 Capie, Depression, 5.41/42. 218 Die Verträge von Ottawa wurden von Lord Luke of Pavenham nicht als ein multilaterales Vertragswerk, sondern als eine Serie partiell koordinierter bilateraler Verträge beschrieben. Sie traten für einen Zeitraum von fünf Jahren in Kraft. Britische Verhandlungen über eine Ermäßigung von Importzöllen war nunmehr auch von der Zustimmwtg der Dominions abhängig.

111. Großbritannien

283

Präferenzzone, sondern auch die gleichzeitige Erhöhung der Außenzölle. Für den amerikanischen Handel war die erhöhte Zollmauer um den britischen Markt ein schwerer Verlust. "The two markets of greatest interest" für die USA waren der bri~ tische und der kanadische Markt. Im Vergleich zu 70,5% im Jahre 1930 konnten im Jahre 1932 nur noch 20,5% der amerikanischen Exporte frei die britischen Zoll~ grenzen passieren.21 9 Aber auch für den europäischen Handel bedeutete die britische Zollpolitik einen schweren Rückschlag. Die Beschlüsse von Ottawa veranlaSten beispielsweise die Südafrikanische Union, ihren bestehenden Handelsvertrag mit Deutschland, in dem sich die beiden Staaten gegenseitige Zollvorteile eingeräumt hatten, aufzukündigen. Die wirtschaftliche Bedeutung der britischen Zollpolitik in der Zwischenkriegszeit für den Kontinent wird sehr treffend von Philip Friedman beschrieben: "Britain's commercial policies can be seen as having a greater measurable effect upon the rest ofEurope than any ofthese events." 220 Joseph M.Jones hatte zu Recht erkannt, daß der Abbau von britischen Handelshemmnissen in der Zeit der Weltwirtschafskrise vom zollpolitischen Verhalten der anderen Staaten- besonders der USA- abhängig war: ..... so will her future tariff policy be largely dependent upon the tariff~reducing measures which foreign countries may adopt".221 Die meisten europäischen Industrieländer wiesen bis zur Einführung der briti~ sehen Zölle einen beträchtlichen Handelsüberschuß mit Großbritannien auf. Als die britische Regierung am 29. Februar 1932 einen 10 %igen Zoll auf alle Industriepro~ dukte einführte und auf der Empire~Konferenz von Ottawa die Präferenzen zum Vorteil des Weltreiches ausbaute, änderte sich die Situation: Die- noch auf Gold ba~ sierenden - aktiven Handelsbilanzen mit England schrumpften deutlich. Der briti~ sehe Protektionismus war um so dramatischer, als daß nunmehr eines der größten Einfuhrländer der Welt beschlossen hatte, auch seine Tore zu schließen.222 In einem Abbau der Zölle sah die Internationale Handelskammer daher richtiger~ und konse~ quenterweise ein Mittel zur Milderung der Krise. Eine gegensätzliche Position nimmt in der neueren Forschung Barry Eichengreen ein: In seiner Dissertation von 1980 stellt er die Behauptung auf, daß Großbritan~ nien von seiner Zollpolitik in den dreißiger Jahren wirtschaftlich profitiert habe. Die Zollerhebungen seien ein Mittel zur Milderung der Krise in Großbritannien gewe~ Für die Bemühungen um eine Senkung der Zollraten war diese Bestimmung nicht gerade förderlich. HP: Document No. 5420, XL~me Session du Conseil, 9 Mars 1934, S. 12. Es darf aber nicht übersehen werden, daß im Zuge der Weltwirtschaftskrise der britische Außenhandel mit dem restlichen Commonwealth- prozentual gemessen am Gesamthandel des Vereinigten Königreichs - entschieden zugenommen hatte. 219 Jones, Retaliation, S. 237/238. 22 Friedman, Impact, S. 21. 221 Jones, Retaliation, S. 244. 222 Vlissingen, Wirtschaft von Heute, S. l4.

°

284

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

sen, denn sie hätten einen Anstieg der industriellen Produktion bewirkt.223 Forrest Capie geht sogar so weit und bestreitet, daß das "Import Duties Act" einen schlechten Einfluß auf die Handelsbeziehungen gehabt habe.224 Sowohl Eichengreen als auch Capie übersehen die langfristigen Negativwirkungen von Zollbarrieren für den internationalen Handel. Die britische Schutzzollpolitik führte vor allem für die europäischen sowie die amerikanischen Erzeuger zu einer Verringerung von Absatzmöglichkeiten und damit zu einer Vertiefung der Krise. Großbritannien stand auch den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer zur Gründung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wegen der handelspolitischen Bindungen an das Commonwealth skeptisch und gewissermaßen egozentrisch gegenüber. In einem Memorandum des Foreign Office heißt es, daß die Beziehungen Englands zum übrigen Commonwealth an erster Stelle der britischen Interessen stünden, auch wenn darüber der Buropaplan Briands zu Fall kommen würde.225 Zum einen war das Vereinigte Königreich nicht bereit, Zollpräferenzen auch Staaten einzuräumen, die nicht dem Commonwealth-System angehörten. Es befürchtete auf den überseeischen Märkten einem erhöhten Konkurrenzdruck ausgeliefert zu sein, wenn die zollpolitischen Vorteile auch auf andere europäische Staaten übertragen werden würden. Zum anderen wurde von der britischen Seite befürchtet, daß sich der europäische Wirtschaftsraum durch einen einheitlichen Außenzoll von den anderen Ländern absperren würde. Ein weiterer Punkt von Meinungsunterschieden zwischen der ICC und Großbritannien war die Währungspolitik. In England bezweifelten seit 1925 nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Vertreter aus Politik, Industrie und Finanzen (Bank von England) den Vorteil eines hohen Pfundkurses.226 Am 5. November 1929 beauftragte Finanzminister Snowden, einer Anregung aus Gewerkschafts- und Industriekreisen folgend, ein nach dem Vorsitzenden Hugh G. Macmillan benanntes Komitee, Vorschläge zur Förderung von Handel und Beschäftigung auszuarbeiten. Im Macmillan-Report, der am 23. Juni 1931 vorgelegt wurde, empfahlen die 14 Mitglieder eine aktive Währungspolitik als Stütze für eine gesündere Wirtschaftspoli223 Eichengreen, Tariffs and Flexible Exchange Rates, S. 267/269. Vgl. auch J. ForemanPeck, The British Tariffand lndustrial Protection in the 1930s: An Alternative Model, in: The Economic History Review 34 (1981), S. 132-139; Timathy J. Hatton, Perspectives on the Eco-

nomic Recovery ofthe 1930s, in: Royal Bank ofScottland Review 158 (1988), S.27 (fortan zitiert als Hatton, Perspectives). Hatton resümiert: "Clearly there are no grounds for assuming that the tariff was unimportant though the size of its effect is debatable. lt gave an important boost to manufacturing in 1932 and set the stage for recovery." Andere Autoren mit der gleichen Überzeugung sind: Michael Kirson/Solomas Solomou, Effective Protection and Economic ,Revival: The British Interwar Economy, Cambridge 1990, S. 99. 224 Capie, Depression, S.129. m Kar/ Dietrich Erdmann, Der Buropaplan Briands im Licht der englischen Akten, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 1 (1950), S. 28. 226 Borchardt, Zur Frage, S. 224.

Iß. Großbritannien

285

tik.227 Am 21. September 1931 entschied sich die Bank von England, das Pfund von der Goldparität zu lösen und besaß daraufhin die Möglichkeit, die britische Währung abzuwerten. Von Regierungsseite wurde diese Entscheidung mit dem Rückzug zahlreicher Kredite aus dem Land begründet.228 Nur wenige Tage später fand ein informelles Treffen unter der Leitung des britischen Premierministers Ramsay MacDonald statt, an dem auch Josiah Stamp vom britischen Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer teilnahm. Die Anwesenden stimmten darin überein, daß es für die britische Wirtschaft ein Fehler wäre, wieder zum Goldstandard zurückzukehren. Trotzdem wurde aber auch auf die Notwendigkeit einer stabilen Währung aufmerksam gemacht, um Investitionen nicht zu schaden.229 Der britische Schatzkanzler Neville Chamberlain sah noch Jahre danach keine Aussicht auf eine Rückkehr zum Goldstandard gegeben, wie ihn die Internationale Handelskammer befürwortete: .,Unter den heutigen Verhältnissen bei den starken Schwankungen des Goldpreises erneut zu versuchen, unsere Wahrung an den ,Goldstandard' zu knüpfen, ist schlechterdings ausgeschlossen.... Wenn wir eine Goldwährung hätten und infolge der Politik eines dieser Länder [USA oder Frankreich] gezwungen wären, entweder das in unserem Besitz befindliche Gold abzugeben oder den Diskontsatz zu erhöhen, so ergäbe sich daraus eine Zunahme der Arbeitslosigkeit und eine äusserst ernste Wirtschaftslage ...." 230

Nach der Loslösung vom Goldstandard sank das britische Pfund beständig weiter. Die Gesamtabwertung betrug rund 40%. In einer devaluierenden Währung wurde ein entscheidendes Mittel zur Linderung der Krise gesehen.231 Sie verbesserte in der Tat die Wettbewerbsfähigkeit britischer Waren auf den Weltmärkten und kam theoretisch einer Zollerhöhung für alle außerhalb des britischen Weltreichs produzierten Waren und einer Exportsubvention der eigenen Waren gleich. Die übrigen Währungen der "Sterling Area" folgten im allgemeinen dem Sturz des Pfundes. In der internationalen Schuldenfrage kam die britische Delegation der Internationalen Handelskammer auf dem Washingtoner Kongreß 1931 der Haltung ihrer amerikanischen Kollegen sehr nahe: Beide standen den Beratungen über die Reparations- und Schuldenfrage zurückhaltend gegenüber. Der britische Stahlindustrielle Arthur Balfour verkörperte die offizielle Haltung der Briten auf der Versammlung, als er sich gegenüber einer Erörterung der finanziellen Diskussionspunkte eher 227 Borchardt/Schötz, Wirtschaftspolitik in der Krise, S. 10n1. Sie plädieren ganz im Sinne der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise für eine Kooperation der Notenbanken zur Bekämpfung der Deflation. 22s PRO/F0/371/15680, S. 7. 229 PRO/F0/371/15682, S. 21-23. 230 Rede von Schatzkanzler Neville Chamberlain am 7. September 1935. Zitiert nach: Internationale Handelskarnmer (Hrsg.), Währungsprobleme, S. 3. 231 Lary, World Economy, S. 194.

286

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

"ängstlich" zeigte.232 Damit distanzierte sich das britische Nationalkomitee von dem allgemeinen Bestreben der ICC, das internationale Schulden- und Reparationsproblem zu lösen. Es vertrat also die gleiche Ansicht wie die Hoover Administration, die jedwede Diskussion über die Kriegsschulden und Reparationen auf dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Washington von Anfang an unterbinden wollte. Auf dem Wiener Kongreß der Internationalen Handelskammer im Jahre 1933 wies der britische Vertreter Sir Alan Anderson darauf hin, daß das Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung in Großbritannien keine Anwendung fände. In Großbritannien sprach sich zwar die Mehrheit der Unternehmer für das Prinzip einer Meistbegünstigung aus, aber nur unter strikter Wahrung der Reziprozität. Dieser Haltung schloß sich auch Walter Runeiman an. Der Präsident des Board of Trade, der auch Mitglied des britischen Komitees der Internationalen Handelskammer war, brachte am 15. März 1933 im House of Commons die britische Position auf den Punkt: "1 want to make it clear that if any nation sits back in the hope that we will enter into successful negotiations with another Power and that they will be able to achieve most-favorednation treabnent without consideration coming frorn thern, they will come to a deadlock. If they gain any advantage frorn us, they rnust be reciprocal in their action. "233

So beruhte beispielsweise auch der amerikanisch-englische Vertrag vom November 1938 im Rahmen des Reciprocal Trade Agreements Act auf der Formel gegenseitiger Zugeständnisse. An der passiven Bilanz Großbritanniens im Handel mit den USA konnte er aber nichts ändern. Im Gegensatz zu den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer pflegte Großbritannien im allgemeinen eine rigide Form des "bilateral balancing", die seine Interessen auf Kosten Dritter wahren sollte. Die Verletzung der Meistbegünstigungsklausel wurde dadurch gang und gäbe. 234 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der britische Premierminister Neville Chamberlain die Arbeit der Internationalen Handelskammer sehr schätzte. Die Vereinbarungen, die zwischen den Regierungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika in Handelsangelegenheiten getroffen worden waren, bewertete er als einen Schritt in die richtige Richtung, denn sie würden den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer entgegenkommen.235 Mit Ausnahme von handelspolitischen Vereinbarungen zwischen Staaten lehnte die ICC in der Regel staatliche Interventionen in wirtschaftliche Prozeßabläufe eindeutig ab. Diese 232 Siehe New York Journal of Cornrnerce vorn 4. Mai 1931, in: NA II, Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. 233 House of Commons, Parliarnentary Debates 1932-33, Vol. 275, London 1933, CoI. 2024. Siehe dazu auch: Gordon, Barriers, S.409/410, Anm.52 undJohnH.Richardson, British Econornic Foreign Policy, London 1936, 118/19. 234 Gordon, Barriers, S.411 . 23s Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Reichskanzlei, R43 11/324 a, S. 77.

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

287

Empfehlung wurde von Großbritannien so weit wie möglich berücksichtigt: "Great Britain emerged with the smallest degree of government intervention," resümiert Karl Erich Born in einem Aufsatz über den Aktivismus der britischen Regierung in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. 236

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika In den Vereinigten Staaten von Amerika wurden Versuche einer direkten Einflußnahme von seiten der Internationalen Handelskammer auf die Entscheidungsfindung der US-Regierung deutlich, denn die Internationale Handelskammer stand nicht nur in einem ständigen Briefkontakt mit dem amerikanischen Präsidenten, sondern auch mit zahlreichen anderen Mitgliedern der US-Regierung.237 An dem Kongreß der Internationalen Handelskammer in Washington D. C. im Jahre 1931 nahm das Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten sogar persönlich teil und hielt die Eröffnungsrede. Die Anwesenheit von Präsident Herbert Hoover, der bis zum Januar 1933 sogar selber Mitglied der Internationalen Handelskammer war, 238 trug sicherlich erheblich zu einem Bedeutungszuwachs der Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Weltöffentlichkeit bei. Die Resolutionen, die auf dem Washingtoner Kongreß beschlossen worden waren, gewannen dadurch zumindest optisch erheblich an Gewicht. Die Bemühungen um stärkere Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der ICC auf die Politik der Regierungen war ein Grund dafür, warum einzelne Mitglieder des amerikanischen Nationalkomitees zur Hoover Administration einen intensiven Kontakt suchten. 239 236 Kar/ Erich Born, Govemment Action Against the Great Depression, in: Wee, Great Depression, S. 57. 237 Die Internationale Handelskammer setzte den amerikanischen Präsidenten in regelmäßigen Abständen über den Inhalt ihrer handels- und währungspolitischen Beschlüsse in Kenntnis, die auf den ICC-Kongressen verabschiedet worden waren. Ein besonderes Zeichen der Verbundenheit setzte der amerikanische Präsident durch die persönlichen Grußworte an die Mitglieder der ICC, die im Rahmen von überregionalen Komiteesitzungen auf jedem Kongreß verlesen wurden. Dabei lobte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika das besondere Engagement der Kammer z. B. auf dem Gebiet der Zollpolitik. Er selber ging aber nicht so weit, Zugeständnisse im handelspolitischen Bereich zu machen. Siehe dazu: Brief von Daniel C. Roper an Franklin D. Roosevelt vom 4. November 1935. Roper hatte dem Präsidenten einen Brief ausgearbeitet, der von ihm nur noch unterschrieben zu werden brauchte, um an Thomas J. Watson von der Internationalen Handelskammer übersandt zu werden. In dem Begleitschreiben von Roper an den Präsidenten heißt es: "As you will note, it in no way makes any commitment." Siehe: FDR, President's Personal File 2975. Vgl. auch FDR, President's Official File 273. 238 Dazu siehe Briefvon John P.Gregg an Edgar Rickard vom 9. Januar 1933, in: HHL, Presidential Subject, International Chamber of Commerce, Box No.177. Darin heißt es: "I am naturally very sorry to hear from you in your Ietter of the seventh that the President 's membership in the American Section of the International Chamber of Commerce is cancelled." 239 Siehe dazu die Korrespondenz zwischen einzelnen Mitgliedern der Internationalen Handelskammer und Präsident Hoover aus der Herbert Hoover Presidential Library in West Branch: Presidential File, Julius Barnes 1929-32, Box No. 429; Presidential Secretary File, Si-

288

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Die Nationalkomitees bemühten sich aus zwei Gründen um einen engen Kontakt zur Regierung: Einerseits wollen sie dadurch ihre Position bei den Verhandlungen im Rahmen der Internationalen Handelskammer selbst stärken. Andererseits verfolgten sie damit auch das Ziel, den wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer mehr Durchsetzungskraft gegenüber den politischen Entscheidungsträgern zu verleihen. In diesem Zusammenhang darf aber eines nicht übersehen werden, nämlich das ambivalente Verhalten der amerikanischen Landesgruppe im Hinblick auf die Durchführung einer internationalen Zoll- und Schuldenpolitik. Sie war sogar teilweise dazu bereit, Resolutionen der Kammer unter dem Vorwand einer Rücksichtnahme auf die US-Regierung abzuschwächen.240 Selbst Mitglieder der amerikanischen Landesgruppe, wie z. B. Silas H. Strawn, wollten sich einer Verteidigung der US-Schutzzollpolitik nicht entziehen. Heftige Verfechter einer amerikanischen Zollerhöhung kamen vor allem aus der Ölindustrie in Texas, Oklahoma und Kansas. Sie wurden in ihrem Plädoyer für einen stärkeren Protektionismus von Republikanischen und Demokratischen Mitgliedern im Kongreß unterstützt. Mark Sullivan von der Zeitung New York Herald Tribune folgerte am 27. April1931 zu Recht daraus: "Probably this demand for a tariff on oil, accompanied by the familiar log-rolling with industries that already have tariffs, will outweigh all the resolutions of the International Chamber of Commerce."241

Mit seiner Vermutung lag der Journalist ganz richtig. Die Internationale Handelskammer setzte dem protektionistischen Druck aus der Ölindustrie nichts Adäquates entgegen, auch wenn sie in ihrer Haltung von der Automobil-242, Eisenbahn- und Bauholzindustrie243 unterstützt wurde. Die Macht der Verfechter eines stärkeren Protektionismus nahm während der Weltwirtschaftskrise noch erheblich zu. las H. Strawn 1929-33, Box No. 890; Individual File, Henry M. Robinson 1929-1933, Box No.l059; Individual File, Owen D. Young 1930, Box No.1067; Presidential Subject, International Chamber of Commerce, Box No.177. Zwischen der Internationalen Handelskammer und der US-Handelskammer gab es vielfache personelle Überschneidungen. So war beispielsweise Silas H. Strawn nicht nur Vize-Präsident des amerikanischen Nationalkomitees der ICC, sondern auch Präsident der Chamber of Commerce of the United States. 240 "The outcome was that the American committee ofthe congress drafted carefully worded resolutions which were designed to soften the fact that any former references to war debts and tariffs would not be to the Administration 's taste." Zitiert nach: New York Journal of Commerce vom 12 Mai 1931, in: Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. 24 1 New York Herald Tribune vom 27. April1931, in: NA II, Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. 242 NA 1: Records ofthe US Senate 71stCongress, HR 2667 bis HR2828, Box 74, Statement by Walter C. White vom 11. Juli 1929. Für Automobile wurde schließlich ein Zollsatz von 10% festgesetzt. 243 NA 1: Records of the U. S. Senate 71st Congress, HR 2667 bis HR 2828, Box 75, Brief von der Pittsburgh Wholesale Lumber Dealers Association vom 5. April1930.

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

289

Obwohl die Amerikanische Gruppe der Internationalen Handelskammer zahlreiche Instrumente besaß, um die amerikanische Zollgesetzgebung zu beeinflussen, wurden diese von ihr nicht vollständig genutzt. Im Zuge der Hearings, die das Smoot-Hawley-Zollgesetz betrafen, meldete sich die American Section der ICC als Vertreterio der Wirtschaft kein einziges Mal zu Wort- und das, obwohl die Anhörungen von Interessengruppen vor den Parlamentsausschüssen als eine vieldiskutierte Form der Beteiligung von Verbänden an der politischen Willensbildung angesehen wurden244 . In den unveröffentlichten Dokumenten des Committee on Ways and Means, die im Haus I der National Archives in Washington D. C. eingelagert sind, konnten keine expliziten Stellungnahmen von seiten der American Section der Internationalen Handelskammer zur amerikanischen Zollpolitik in den Jahren 1929 und 1930 ausfindig gemacht werden.245 Statt dessen war die American Section der ICC eher um einen direkten Kontakt zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika bemüht. Die Beziehungen der Internationalen Handelskammer zum Präsidenten der USA waren insofern von Bedeutung, als ihm eine entscheidende Rolle bei der Zollgesetzgebung zufiel. Obwohl Julius H. Bames vom amerikanischen Nationalkomitee dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika direkt als Berater in wirtschaftlichen Angelegenheiten zur Seite stand246 , gelang es der Internationalen Handelskammer letztlich aber nicht, die US-Regierung von einer verstärkten Schutzzollpolitik abzubringen. In den USA protestierten 1930 über 1000 Wirtschaftswissenschaftler (praktisch alle) in einem Brief an Hoover gegen den Smoot-Hawley TariffAct und forderten ihn zum Veto auf. 247 Die Internationale Handelskammer warnte bereits im Sommer 1929 davor, daß eine verstärkte amerikanische Schutzzollpolitik in Europa nicht ohne Folgen bleiben würde. Die Gefahr europäischer Vergeltungsmaßnahmen (Protektionismus) infolge von Handels- und Zahlungsbilanzschwierigkeiten, die zudem noch durch eine restriktive Zoll- und Kreditpolitik von seiten der USA verstärkt 244 Beyme, Interessengruppen, S. 173. Nach Beyme liegt die Bedeutung für die Vertreter einer Lobby, sich an den Hearings zu beteiligen, weniger in der Vorstellung, daß man die Entscheidungen der Politiker, die nicht selten vor den Hearings festliegt, ändern könne, als in dem Willen zu einer medienwirksamen Publikmachung eines Standpunktes. Ebenda, S.l74. 245 V gl. NA I: Records of the US House of Representatives, 73rd Congress, Committee papers, Committee on Ways and Means HR 73A-F28.2. Records of the US House of Representatives, 73rd Congress, Petitions and Memorials, Committee on Ways and Means HR 73A-H21.19-21. Auch in dem Werk von Eimer E. Schaltschneider mit dem Titel "Pressures and the Tariff. A Study of Free Private Enterprise in Pressure Politics, As Shown in the 1929-1930 Revision of the Tariff' Harnden 19632 findet sich kein Hinweis auf eine Stellungnahme der ICC während der Hearings zum Smoot-Hawley-Zollgesetz. 246 New York Herald Tribune vom 11. Mai 1931, in: NA II, Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. 247 Siehe: Holtfrerich, Grown-up, S. 43. Siehe auch David K. Fremon, The Great Depression in American History, Springfield 1997, S. 34 (fortan zitiert als Fremon, Great Depression).

I 9 Rosengonen

290

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

wurde, 248 war Präsident Herbert Hoover durchaus bekannt. In einer Rede vor dem Kongreß am 3. Dezember 1929 sagte er: ,,In determining changes in our tariff we must not fail to take into account the broad interests of the country as a whole, and such interests include our trade relations with other countries."249 Trotzdem versuchte Herbert Hoover in seinen Memoiren das Smoot-HawleyZollgesetz von jeglichem Verdacht zu befreien, daß es etwas mit der Krise zu tun haben könnte, indem er darauf hinwies, daß es erst neun Monate nach Einsetzen der "Großen Depression" in den Vereinigten Staaten von Amerika angenommen worden sei. Dabei handelt es sich nach Jude Wanniski um ein schwaches Argument von seiten des amerikanischen Präsidenten. Er macht die Debatte des Gesetzentwurfs in den Ausschußberatungen für den Börsenkrach verantwortlich. 250 Die Krise erreichte letztlich ihren absoluten Höhe erst nach der Verabschiedung des Smoot-Hawley Tariff Act im Juni 1930 und der Einleitung von entsprechenden Vergeltungsmaßnahmen im europäischen Ausland. 251 Auf die amerikanische Zollpolitik hatten die Telegramme, die im Zuge des Amsterdamer Kongresses der Internationalen Handelskammer im Juli 1929 an das Weiße Haus geschickt worden waren, 1929 anscheinend einen mäßigenden Einfluß. Ein französischer Diplomat schrieb nämlich in seinem Bericht nach Paris: "Ohne Zweifel hat Präsident Hoover infolge der Telegramme aus Amsterdam seine Berater, die ihm die Gründe für einen verstärkten Zoll dargelegt hatten, in einem Antwortschreiben an die Notwendigkeit, ein vernünftiges Maß einzuhalten, erinnert."252

Der ehemalige Außenminister Arthur Balfour, der zudem Mitglied des britischen Nationalkomitees war, schätzte unmittelbar vor seinem Tod im März 1930 den Einfluß der Internationalen Handelskammer auf das neue amerikanische Zollgesetz - trotz der geringen Beteiligung der amerikanischen Landesgruppe bei den Hearings über das Smoot-Hawley-Zollgesetz im Kongreß- nicht eben gering ein, 248 Vgl. Lary, World Economy, S. 62. Der Grund für die passive Zahlungsbilanz der europäischen Staaten lag u. a. darin, daß die amerikansiche Wirtschaft einen Handelsüberschuß aufwies (League of Nations, Trade Relations, S. 49). In den 20er Jahren war dieser HandelsüberschuB der USA die tautologische Kehrseite der amerikanischen Kapitalexporte. Als die US-Kapitalexporte seit 1929 zurückgingen, bildete sich auch der US-Außenhandelsüberschuß zurück. Vgl. Mitchell, Historical Statistics/Americas, S.429/430. 249 Public Papers ofthe Presidents ofthe United States, Herbert Hoover. Containing the Public Messages, Speeches, and Statements of the President March 4 to December 31, 1929, Washington D. C. 1974, S .415. In seiner Stellungnahme vom 11. August 1932 stellte Herbert Hoover aber eindeutig klar, daß er die Zollpolitik der USA zum Schutze des Binnenmarktes voll und ganz unterstütze. Hoover, Memoiren, S. 285/288. 250 Wanniski, The Way, S.136. 25t Lary, World Economy, S. 62. 252 Im Original heißt es: "C'est sans aucun doute aIa suite de t616grammes provenant d' Amsterdam que Je Pr6sident Hoover, recevant des personnages qualifi6s qui lui exposaient !es raisons d'un tarif renforc6, leur a rappel6 dans sa r6ponse Ia n6cessit6 de Ia mesure raisonnable." M.A. Kammerer an Aristide Briand vom 17. Juli 1929, in: AD B-Offices lntemationaux 5.

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

291

als er sagte: "I am sure that when it is passed, it [Smoot-Hawley Tariff Act] will be a very modified tariff and will bear upon it the impression of our efforts at Amsterdam."253 Der Erfolg der Bemühungen der Internationalen Handelskammer auf dem Gebiet der Zollpolitik ist aber trotzdem nicht zu überschätzen. Es ist fraglich, ob das Smoot-Hawley Tariff Act ohne die Empfehlungen von seiten der Kammer noch prohibitiver ausgefallen wäre. Die Inkraftsetzung des Smoot-Hawley TariffAct selber, die Erhöhung der spezifischen Zölle und damit die Verschärfung der Weltwirtschaftskrise konnte die ICC trotz ihres Kontaktes zu Herbert Hoover letztlich nicht verhindern: Das Bestreben der ICC, das Staatsoberhaupt zu einem Veto gegen die Gesetzesvorlage von 1930 zu bewegen, blieb ohne Erfolg.254 Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika unterzeichnete im Juni 1930 die Gesetzesvorlage zu einem verstärkten Protektionismus für Industriegüter. Herbert Hoover versuchte sein Verhalten wenig später damit zu rechtfertigen, daß die Internationale Handelskammer angeblich die amerikanische Zollpolitik von 1929/30 auf ihrem Washingtoner Kongreß im Mai 1931 als vorbildlich dargestellt habe. Dabei bezog er sich wahrscheinlich eher auf Fragen wie Zölle statt Kontingente, unbedingte Meistbegünstigungsklausel etc. statt auf die Zöllhöhe: .,In this connection I noted that the International Chamber of Commerce in its recent meeting in Washington in effect recommended to the world the adaption of this method of the American tariff, although it was not referred to by name."255

Hoover hatte anscheinend verkannt, daß sich die handelspolitischen Resolutionen der Internationale Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise gerade gegen die amerikanische Zollpolitik und ihre verheerenden Auswirkungen auf den Welthandel richteten.256 Um dieses Ziel zu erreichen, war die Kammer nicht nur darum bemüht, mit dem Präsidenten, sondern auch mit den zuständigen US-Ministem International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), Annual Meeting of the British National Committee, 25th February 1930, Report of Proceedings, S. 6. 254 Melvyn P. Leftler gibt dafür folgenden Grund: " ... he did so because he feared that further delays would exacerbate the economic downtum." Melvyn P.Leffler, The Elusive Quest. America's Pursuit ofEuropean Stability and French Security, 1919-1933, Chapel Hi111979, S. 201 (fortan zitiert als Leffler, Elusive Quest). In Wirklichkeit war es aber gerade das Smoot-Hawley-Zollgesetz, das zu einer Verschlimmerung der Krise beitrug. Sichtlich enttäuscht vom Verhalten des Präsidenten zeigt sich in der heutigen Forschung Douglas A. lrwin: .,The president, whose national constituency and foreign po1icy responsibilities might be expected to moderate any tariff produced by Congress, was often a minor actor in the tariff-setting exercise." lrwin, Smoot-Hawley, S. 329. 255 Public Papers ofthe Presidents ofthe United States, Herbert Hoover. Containing the Public Messages, Speeches, and Statements of the ?resident January 1 to December 31 , 1931, Washington D. C. 1976, S. 303. Siehe dazu auch Brief von Herbert Hoover an Julius H. Bames vom 26. August 1931, in: HHL, Presidential File, Julius Bames 1929-32, Box No.429. 256 Lary, World Economy, S. 62. 19°

292

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

rien Kontakt aufzunehmen. Von seiten des Department of Commerce wurde ihr sogar eine weitgehende Unterstützung zugesagt.257 Die amerikanische Handelspolitik in der Zwischenkriegszeit hätte Entscheidungen unter der Berücksichtigung globaler Auswirkungen erforderlich gemacht; de facto beschränkten sie sich aber nur auf den Gesichtskreis partieller Interessengruppen. Die Diskrepanz zwischen dem Ist- und Sollzustand der amerikanischen Handelspolitik wurde von William B. Kelly auf den Punkt gebracht: "As is frequen~ly the case in government policies, there was a long interval between the need for a different policy and the recognition of this need and change in policy."2S8 In den USA bedurften zollpolitische Vereinbarungen der Zustimmung des Senats mit Zweidrittelmehrheit.259 Als machtlos beschrieb daher Außenminister Cordeil Hull seine Position auf der Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz in London 1933. Eine Rede des Außenministers wurde sogar in Washington umgeschrieben, weil sie anscheinend zu wenig die nationalen Interessen berücksichtigt hatte und zuviel auf die internationalen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung eingegangen war. 260 Die ·Londoner Konferenz scheiterte letztlich an den Amerikanern, weil Franklin D. Roosevelt die Rückkehr zu einer Goldbindung des Dollar verweigerte.261 Dennoch war die Tätigkeit der Internationalen Handelskammer offenbar nicht ohne Einfluß auf die in amerikanischen Wirtschaftskreisen sich seit 1933 immer stärker geltend machende Haltung zugunsten einer Ausweitung des internationalen Güteraustausches; eine Tendenz, die praktisch in dem von Staatssekretär Cordeil Hull durchgeführten Handelsvertragsprogramm zum Ausdruck kam. Auf der Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz von 1933 sprach er sich nicht nur für einen "tariff truce" aus, sondern auch für eine Reduzierung der Zölle mittels bi- oder multilateraler Verträge. Ausnahmen von der unbedingten Meistbegünstigungsklausel sollten nur für regionale Wirtschaftsvereinigungen bestehen.262 Nachdem die eher protektionistisch orientierten Republikaner die Wahl von 1933 verloren hatten, F. D. Roosevelt als Präsident bestätigt und gleichzeitig eine Mehrheit von Demokraten in beiden Häusern des Kongresses gewählt worden war, änderte sich dann unter dem Einfluß von Außenminister Cordeil Hull die amerika257 NA II: Records of the Bureau of Foreign and Domestic Commerce, General Records 1914-1958, Commercial Organizations Abroad- ICC 1929-1930, Schreiben von William L. Cooper vom 16. April 1931. 2S8 Kelly, Antecedents, S. 6. 259 Scott, Rise, S. 256. u;o Kindleberger, Weltwirtschaftskrise, S. 227. 26 1 Für eine breitere Argumentation, siehe Clavin, World Economic Conference. Vgl. auch Patricia C/avin, The Failure of Economic Dip1omacy. Britain, Germany, France and the United States, 1931-36, London 1995, S. 4/5. Sie macht vor allem den fehlenden politischen Willen der beteiligten Staaten zur Kooperation für das Scheitern der Konferenz verantwortlich. 262 HP: Document No.5420, XLYeme Session du Conseil, 9 Mars 1934, S.5.

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

293

nische Haltung in Sachen Handelspolitik: Mit dem Reciprocal Trade Agreements Act von 1934 übertrug der Kongreß für einen bestimmten Zeitraum seine verfassungsmäßige Prärogative in der Handelspolitik auf die Exekutive. Auf dem Kongreß in Wien im Jahre 1933 hatte die Internationale Handelskammer das Prinzip der Gleichbehandlung zur Grundlage internationaler Wirtschaftsbeziehungen erhoben. Danach sollten alle Zugeständnisse, die einem Staat gewährt worden waren, auf Vertragsbasis auch anderen Ländern zugänglich gemacht werden.263 Zudem wurde im Reciprocal Trade Agreements Act die Anwendung der unbedingten Meistbegünstigungsklausel bestätigt. Dadurch kamen den Vereinigten Staaten von Amerika auch alle Errnäßigungen und Bindungen von Vertragspartnern zugute, die jene mit sogenannten Drittstaaten mit MFN-Status aushandelten. Die unbedingte Meistbegünstigungsklausel war schon durch das US-Zollgesetz von 1922 (Fordney-McCumber Act) als Prinzip in der amerikanischen Außenhandelspolitik verankert worden; Section 317 des Fordney-McCumber Act wurde als eine Art Mandat des amerikanischen Kongresses für die Umwandlung der bedingten zur unbedingten Meistbegünstigungspolitik betrachtet, was von Präsident Rarding in einem Brief vom 27. Februar 1923 bestätigt wurde. 264 Die MFN-Klausel erhielt aber durch den Reciprocal Trade Agreements Act von 1934 ein stärkeres Gewicht, denn damit wurde sie zum Bestandteil einer Reihe bilateraler Verträge. Die Internationale Handelskammer begrüßte das Handelsvertragsprogramm der USA, an dessen Zustandekommen die Amerikanische Gruppe nicht unbeteiligt gewesen war. 265 Der Vorsitzende der Britischen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Owen Iones, sah in dieser Abkehr von einer autonomen Zollpolitik die wichtigste Erneuerung in der amerikanischen Handelspolitik. Fortan waren die Vereinigten Staaten von Amerika bereit, Verhandlungen über die Herabsetzung von Zöllen zu führen.266 Einundzwanzig solcher bilateraler "Agreements" wurde bis zum Jahre 1940 abgeschlossen.267 Daß der durchschnittliche Zollsatz von 46,7% im Jahre 1934 auf 37, 3% im Jahre 1939 sank, d. h. wieder unterhalb des Niveaus von 1929 lag, war aber nicht nur dem Reciprocal Trade Agreements Act zu verdanken, sondern teilweise auch dem ansteigenden Preisniveau für Importgüter zuzuschreiben, wodurch die spezifische Verzollung eine relative Senkung erfuhr.268

263 Internationale Handelskammer (Hrsg.), Beschlüsse angenommen vom Siebten Kongress der Internationalen Handelskammer, Wien 29. Mai- 3. Juni 1933, Drucksache Nr. 83, S. 9. 264 Kelly, Antecedents, S. 38/39. 265 Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Bericht über die Tagung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin 1936, S. 13. Vgl. auch Ratner, American History, S. 57. Ridgeway berichtet davon, daß die ICC mittels Congressional Hearings auf die Handelspolitik von Außenminister Hull Einfluß nahm. Ridgeway, Merchants, S. 390. 266 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/154, S. 58. 267 Carl-Ludwig Holtfrerich, lntroduction: The Evolution of World Trade, 1720 to the Present, in: Holtfrerich, Interactions, S.15 und lrwin, Smoot-Hawley, S. 343. 268 lrwin, Smoot-Hawley, S. 344.

294

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

Etwa 60% des amerikanischen Außenhandels unterlag im November 1939 den neuen handelsvertragliehen Vereinbarungen. Diese sahen vor allem Zollermäßigungen für diejenigen Produkte vor, die nicht mit amerikanischen Fertigwaren konkurrierten. Der Reciprocal Trade Agreements Act stellte einen ersten Schritt hin auf dem Weg zu weitreichenden Verhandlungen über den Zollabbau dar.269 Mit Frankreich wurde ein Abkommen am 6. Mai 1936 unterzeichnet, mit Großbritannien am 17. November 1938.270 Mit wichtigen Industrienationen, wie z. B. Deutschland und Japan, kam kein Vertragsabschluß zustande271 , weil die Handelspolitik aus amerikanischer Sicht auch als ein Mittel zur Eindämmung totalitärer und militaristischer Staaten gesehen wurde. Das Handelsvertragsprogramm war damit auch eine Vorbereitung zur Bildung einer späteren Kriegskoalition. Es stellt sich die Frage, ob die Verabschiedung des Handelsgesetzes von 1934 durch den amerikanischen Kongreß als ein Erfolg der Arbeit der Internationalen Handelskammer gewertet werden kann.272 Die Auffassung von einem entscheidenden Einfluß- vor allem des amerikanischen Nationalkomitees der ICC273 - auf die politischen Entscheidungsträger vertrat Fentener van Vlissingen, Präsident der Internationalen Handelskammer: ,,Es kann uns, die wir in der Internationalen Handelskammer so lange als kleine Minderheit für die Anerkennung des Grundsatzes gekämpft haben, daß die Handelshemmnisse der Erzfeind des Fortschritts und des Friedens sind, nur zur höchsten Befriedigung gereichen, wenn wir hier erleben, wie ein großes Land unser Programm in der Praxis verwirklicht."274

Auch Außenminister Cordeil Hull bestätigte in einer Pressekonferenz am 2. Juni 1935, daß die handelspolitischen Resolutionen der Internationalen Handelskammer 269 Über Veränderungen der Zollraten bis zum Jahre 1938 siehe: US Tariff Commission (Hrsg. ), Changes in Import Duties since the Passage of the TariffAct of 1930, Washington D. C. 1939. 210 Gordon, Barriers, S. 394/395. 27 1 League of Nations, Trade Relations, S. 52. 272 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß die American Manufactures Export Association, zu deren Mitgliedern auch James A. Farrell und Thomas J. Watson vom amerikanischen Nationalkomittee der Internationalen Handelskammer gehörten, bereits am 23. Mai 1933 in Rahmen eines Direktorentreffens zum Abschluß von "reciprocal tariff arrangements" aufgerufen hatte. Eine Kopie der Resolution wurde am 14. April1933 an den Sprecher des Repräsentantenhauses, Henry T. Rainey, geschickt. Siehe: NA I, Records of the U. S. House of Representatives, 73rd Congress, Petitions and Memorials, Cornmittee on Ways and Means HR 73A-H21.19-20. 273 Siehe dazu: NA II: Correspondence of the State Department, Decimal File 1930-1939, Bericht des amerikanischen Generalkonsuls über den Kongreß der Internationalen Handelskammer in Amsterdam, RG No. 59, Stack Area 250, File No.600.00171/325, S. 8/9. 274 Fentener van Vlissingen, Das amerikanische Handelsvertragsprogramm. ,,Ein wirksamer Angriff gegen die Handelshernmnisse", in: Internationale Wirtschaft 3/4 (1937), S. 8. Vgl. auch: Fentener van Vlissingen, International Trade Promotion- World Interdependence and Economic Change, in: World Trade April1939, S.12.

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

295

das von ihm verfochtene handelspolitische Programm beeinflußt hätten. In einer Zusammenfassung der Pressekonferenz, die er am 2. Juli 1935 gegeben hatte, heißt es: "The Secretary stated that he had been referring to the resolution [ofthe ICC] relating to all the phases of the trade agreements program, of which every substantive element and factor had been endorsed."275

Der Umschwung in der amerikanischen Handelspolitik ist aber mit Sicherheit nicht allein auf die Bemühungen der Internationalen Handelskammer zurückzuführen. Ohne das persönliche Engagement des amerikanischen Außenministers Cordeil Hull und den Druck der exportorientierten Industrie in den USA, die unter den zollpolitischen Vergeltungsmaßnahmen in der Welt erheblich zu leiden hatte, wäre die Kehrtwende in der amerikanischen Außenhandelspolitik nicht denkbar gewesen. Daher relativierte Fentener van Vlissingen im Jahre 1939 den Einfluß der Kammer, als er sagte: "Es liegt mir fern, den 1934 TariffAct der Vereinigten Staaten der IHK zuzuschreiben - das wäre absurd. Aber ich weiß aus persönlicher Erfahrung, welch großes Interesse Präsident Roosevelt und Staatssekretär Cordeil Hull an den Ideen und Arbeiten der IHK nehmen und welch große Unterstützung ihr seitens der amerikanischen Wirtschaftskreise zuteil geworden ist. "276

Die amerikanische Handelspolitik in der Zwischenkriegszeit wurde zur entscheidenden Grundlage für die Außenwirtschaftspolitik der USA in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Kindleberger bezeichnet den Reciprocal Trade Agreements Act als einen wichtigen Schritt für einen Umschwung der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA.277 Politisch wurde diese handelspolitische Kehrtwende nur möglich, weil der Kongreß, der in der Regel stärker von protektionistischen Einzelinteressen beeinflußt wurde als der Präsident, per Gesetz auf die Zustimmung zu völkerrechtlichen Handelsverträgen verzichtet hatte. Die Verantwortung des US-Präsidenten im Bereich der Handelspolitik wurde gestärkt, als der amerikanische Kongreß 1934 den Reciprocal Trade Agreements Act 275 NA II: Correspondence of the State Department, Decimal File 1930-1939, Memorandum ofthe Press Conference vom 2. Juli 1935, RG No. 59, Stack Area 250, File No.600. 00171/349. George L. Ridgeway machte vor allem die amerikanische Landesgruppe der Internationalen Handelskammer für das Zustandekommen des amerikanischen Handelsvertragsprogramms von 1934 verantwortlich: "In the great shift in American business sentiment from protectionism to the espousal of world trade expansion, the ICC American committee was undoubtedly the keystone of bipartisan support for the Hull program." Ridgeway, The History, S. 193. 276 Fentener van Vlissingen, Die Förderung des internationalen Güteraustauschs, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939), S.13. Siehe dazu auch: NA II: Correspondence ofthe State Department, Decimal File 1930-1939, Telegramm von Präsident Franklin D. Roosevelt vom 27. Juni 1937 and Thomas J Watson, RG No. 59, Stack Area 250, File No.600.00171/372 Bund Telegramm von Außenminister Cordell Hull vom 24. Juni 1937 an Thomas J Watson, File No.6000. 00171/372 C. 277 Kindleberger, World in Depression, S. 235.

296

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

verabschiedete.278 • Dem amerikanischen Präsidenten wurden weitreichende Befugnisse für den Abschluß von Handelsverträgen eingeräumt, "whenever he finds as a fact that any existing duties or other import restrictions of the United States or any foreign country are undulgy burdening or restricting the foreign trade of the United States." 279 Der ehemalige Vizepräsident der russischen Volkskammer, Evgenij A. Lebedev, bekräftigt anband eines Zitates von Fentener van Vlissingen - dem Präsidenten der Internationalen Handelskammer in jenen Jahren-, daß die Kammer eine gewisse Rolle bei der Ausformulierung einer neuen amerikanischen Handelspolitik gespielt habe.280 Der Einfluß der Internationalen Handelskammer auf die amerikanische Regierung wurde aber auch noch an anderer Stelle deutlich: Im Hinblick auf eine Verlängerung der dem Präsidenten im Jahre 1934 eingeräumten Rechte wurden drei Jahre später auch die Stellungnahmen von Vertretern der Internationalen Handelskammer gehört.281 Auf der Verwaltungsratssitzung vom 20. Mai 1938 wurde noch einmal das Interesse betont, das Präsident Franklin D. Roosevelt der Internationalen Handelskammer entgegenbrachte: "Wenn danach gefragt wird, welches die Wirkungen unserer Entschließungen sind, so dürfen wir als Beispiel anführen, daß vor anderthalb Jahren, als die National Convention in Houston (Texas) stattfand, Präsident Roosevelt in seiner Botschaft die Entschließung betreffend den Abbau der Handelshemmnisse, die wir vor drei Jahren auf unserem Pariser Kongreß angenommen hatten, wörtlich anführte."282

Kindleberger sieht in dem neuen Handelsvertragsprogramm von 1934 zu Recht eine Folge des zunehmenden Einflusses der exportorientierten Industrie. Der Umschwung in der amerikanischen Handelspolitik geschah diesmal aus einem breiter definierten nationalen Interesse heraus.283 Bezeichnend war, daß Cordeil Hull die 278 Ridgeway bezeichnet diese Zollgesetzgebung als einen "belated attempt to apply to the fonnation of national economic policy the technique of economic cooperation evolved in the international field." Ridgeway, Merchants, S. 259. 279 Zitiert nach: International Chamber of Commerce, United States Associates (Hrsg.), Simplifying US Customs Procedures. AReport of the Committee on Customs Technique, New York 1949, S. 10. 280 Vgl.: Evgenij A.Lebedev, Mezdunarodnaja Torgovaja Palata, Moskau 1976, S. 60. 281 Harper Sibley gab eine Erklärung im Namen der Internationalen Handelskammer ab. Er sprach sich sehr für eine Verlängerung des Reciprocal Trade Agreements Act aus und wies darauf hin, daß diese Politik im Einklang mit den Grundsätzen der Internationalen Handelskammer stünde. Fentener van Vlissingen, Das amerikanische Handelsvertragsprogramm. ,,Ein wirksamer Angriff gegen die Handelshemmnisse", in: Internationale Wirtschaft 3/4 (1937),

s.6n. 282

S.l2.

Die Arbeit der IHK. 57. Verwaltungsratssitzung, in: Internationale Wirtschaft 4 (1938),

283 Charles P. Kindleberger, The United States and the World Econorny in the Twentieth Century, in: Holtfrerich, Interactions, S. 295/296.

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

297

Unterstützung der Internationalen Handelskammer dazu nutzen wollte, um den Reciprocal Trade Agreements Act bei der amerikanischen Öffentlichkeit populär zu machen. .,Any contribution which you may make at the meeting of the International Chamber to a fuller and clearer understanding abroad of our policies and program would be very helpful," schrieb der amerikanische Außenminister am 18. Juni 1935 an Thomas J. Watson. 284 Die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer können demnach als eine Art Legitimation für politische Aktionsprogramme angesehen werden, die möglicherweise auf innenpolitischen Widerstand gestoßen wären. Die Regierungen hatten die Möglichkeit, sich zur Verfolgung freihändlerischer Ziele auf eine Institution zu berufen, deren Äußerungen nicht immer im Einklang mit der gesamten Industrie standen.2ss Die USA nahmen diese Chance damals aber weder politisch noch wirtschaftlich voll wahr. Statt eine Lösung der Schuldenfrage zu forcieren, ihr Land den Exporten zu öffnen und zu einer Überwindung der Liquiditätsschwierigkeiten der übrigen Welt beizutragen, zogen sie sich bis zum Zweiten Weltkrieg auf ihren Binnenmarkt zurück. Trotzdem konnte sich die US-Regierung nicht für alle Zukunft ganz dem Druck entziehen, der von den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer ausging. 286 Die Richtlinien der US-Delegation, die auf der Internationalen Wahrungs- und Wirtschaftskonferenz am 12. Juni 1933 in London unter der Leitung von Cordeil Hull zusammentrat, entsprachen im großen und ganzen den wirtschaftspolitischen Empfehlungen, wie sie von der Internationalen Handelskammer in den Jahren zuvor geäußert worden waren. Sie reichten von einem Plädoyer für ein Zollstillhalteabkommen über eine koordinierte Finanz- und Währungspolitik bis hin zu einem Abbau der Devisenbewirtschaftung. Nur die Kriegsschulden wurden von der Tagesordnung der Konferenz gestrichen.287 Bereits unter Präsident Herbert Hoover hatte sich der amerikanische Kongreß offen gegen eine Aufhebung der interalliierten Kriegsschulden ausgesprochen. Auf der Konferenz von Lausanne im Jahre 1932 über eine Regelung der Reparationen war daher kein amerikanischer Vertreter anwesend;288 284 NA II: Correspondence of the State Department, Decimal File 1930--1939, RG No. 59, Stack Area 250, File No. 600. 0171/342. 285 Von der Möglichkeit der Regierungen, unpopuläre Maßnahmen im wirtschaftlichen Bereich zu legitimieren, indem man sich auf die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer beruft, sprach auch Dr. Herbert Oberhänsli von dem schweizerischen Nationalkomitee in einem Gespräch vom 24. Februar 1998 bei Nestle in Vevey. Eine ähnliche Verfahrensweise findet sich heute vielfach auch im Zusammenhang mit der Europäischen Union. 286 NA II: Correspondence of the State Department, Brief vom 6. Oktober 1939, Decimal File 1930--1939, RG No. 59, Stack Area 250, File No.600.00171/410. In Bezug auf eine Resolution, die auf dem Amsterdamer Kongreß verabschiedet wurde, heißt es dort: .,lt may be that this reso1ution will retum to plague us at some future time." 287 Kindleberger, Weltwirtschaftskrise, S. 225/226. 288 Hoover, Memoiren Bd.3, S.l71/172. Siehe auch: Heyden, Reparationen, S.415.

298

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

eine Regelung der Reparationen betraf nämlich unmittelbar auch die interalliierten Schulden. Trotz der Empfehlungen der Internationalen Handelskammer unternahmen die USA bis 1931 weder einen Versuch, das Problem der Kriegsschulden politisch zu beseitigen, noch öffneten sie vor Verabschiedung des Handelsgesetzes von 1934 ihre Märkte verstärkt den europäischen Exporteuren, damit die Kriegsschulden durch erhöhte Ausfuhren nach Amerika leichter abgetragen werden konnten. In ihrer restriktiven Haltung wurde die Hoover Administration von dem amerikanischen Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer sogar noch unterstützt. Immerhin war es der öffentlichkeitswirksamen Diskussion der Internationalen Handelskammer auf ihrem Kongreß in Washington zu verdanken, daß US-Präsident Hoover am 1. Juli 1931 ein Moratorium verkündete, mit dem die Zahlungsverpflichtungen der Kriegsschuldner für ein Jahr ausgesetzt wurden. Gleichzeitig erwartete Präsident Hoover aber auch von den Kriegsschuldnern, daß sie ihrerseits für diese Zeit auf die deutschen Reparationszahlungen verzichteten.289 Das widersprach der amerikanischen Tradition, den Zusammenhang zwischen Kriegsschulden und Reparationen strikt abzulehnen. Das sogenannte Hoover Moratorium wurde später als eine direkte Folge des Washingtoner Kongresses angesehen. In einem unveröffentlichten Protokoll des Jahrestreffens des britischen Nationalkomitees vom 28. Juni 1932 wird der Einfluß der ICC besonders deutlich: "It was not generally known at the time that the Hoover Moratorium initiated last summer was in fact an interesting consequence of our Congress, but Mr Castle, the United States Assistant Secretary of State for Foreign Affairs, made a public admission that it was the discussions at our Congress in Washington which first caused President Hoover to consider the necessity for courageaus action. " 290

Der Internationalen Handelskammer kam eine wichtige Rolle bei den Versuchen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise zu, eine Lösung für die Reparations- und Schuldenfrage zu finden.291 Von einem "far-seeing influence" der Internationalen Handelskammer "in a world in which efforts and attention have too frequently turned in Leffler, Elusive Quest, S. 238. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), Annual Meeting of the British National Committee vom 28. Juni 1932, S. 2. Einen Einfluß der Internationalen Handelskammer auf das Hoover Moratorium vermutet auch Edward W. Bennett "The conference of the International Chamber of Commerce, held in Washington from May 4 to 7, must have given further impetus and direction to Hoover's thoughts." Bennett, Germany, 5.132. Von einem maßgeblichen Einfluß der Internationalen Handelskammer auf die Entstehung des Dawes-Plans und die Formulierung des Hoover Moratoriums berichtet auch Jean Meynaud, ohne aber seine Behauptung mit Quellenhinweisen zu belegen. Meynaud, Groupes, 289 290

s.369no.

291 Den Einfluß der ICC auf die Entstehung des Hoover Moratoriums übersieht Philipp Heyde völlig in seiner Dissertation mit dem Titel,.Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Youngplan 1929-1932" (Paderborn 1998).

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

299

the opposite direction" ging auch der amerikanische Präsident Franklin D.Roosevelt in einer Mitteilung auf der Verwaltungsratssitzung vom 21. Oktober 1938 aus. 292 Er selber hatte sich bereits 1933 der Haltung der Internationalen Handelskammer angeschlossen, als er offen die hohen Zölle kritisierte; in seiner Formulierung von Heilmitteln zur Bekämpfung der Krise war er aber weniger präzise. In einem Bericht an den Quai d'Orsay analysierte ein französischer Diplomat treffend, wie die Zollfrage die amerikanische Nation spaltete: "Wenn es den Ideen von Herrn Roosevelt in zollpolitischen Angelegenheiten an Präzision fehlt, muß man sich vor Augen halten, daß die Masse der Produzenten in den USA von Grund auf protektionistisch eingestellt ist, so wie es vor kurzem noch einmal eine Bewegung im Kongreß gezeigt hat, die sich für die Einführung von zusätzlichen Abgaben auf Einfuhren aus Ländern mit einem abgewerteten Wechselkurs eingesetzt hat." 293

Die amerikanische Regierung stimmte mit der Strategie der Internationalen Handelskammer überein, Preiserhöhungen durch eine Senkung des Outputs zu erreichen.294 Im Industriesektor sollte dieses Ziel durch die Bildung von Kartellen erreicht werden. Damit kamen die USA den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer im Hinblick auf Industrievereinbarungen entgegen. Bereits im Juli 1933 bestätigte der Kongreß die sogenannten "Codes of Fair Competition", welche dem Präsidenten das Recht zur Genehmigung von Industrievereinbarungen übertrugen. Die Internationale Handelskammer lobte die amerikanische Gesetzgebung im Bereich des Kartellwesens: "Sicher ist, daß die Vorschriften im aktuellen amerikanischen Gesetzbuch weitaus breiter angelegt sind als jene, die sich in der europäischen Gesetzgebung über Zwangskartelle befinden. " 295

Der amerikanischen Kartellpolitik, nicht aber der amerikanischen Währungspolitik, wurde eine Art Vorreiterrolle in der Welt zugeschrieben. Auf dem Pariser Kongreß im Juni 1935 kritisierte Theodor Emanuel Gregory, Berichterstatter des Wahrungsausschusses der Internationalen Handelskammer, sogar den Erlaß des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, die amerikanische Wahrung um weitere 10% abzuwerten. "Unter diesen Umständen ist es völlig unmöglich, zu einer HP: Document 6710, 58th Meeting of the Council, October 21st 1938, S.3. Im Original heißt es: "Si les id6es de M. Roosevelt en matiere tarifaire manquent de pr6cision, il ne faut pas se dissimuler que Ia masse des producteurs aux Etats-Unis reste profond6ment protectionniste, ainsi que l'a demontre tout recernment encore, l'agitation au Congres pour 1'6tablissement de surtaxes sur les importations des pays achange depreci6." Siehe Note des französischen Außenministeriums über die Haltung von Präsident Roosevelt vom 1. April 1933 (im Vorfeld der Weltwirtschaftskonferenz von 1933), in: AD B-Information Economique 34, s. 10/11. 294 Hall!Ferguson, Great Depression, S.l26. 295 Im Original heißt es: ,,II est certain que les prescriptions contenues dans les codes actuellement en vigueur aux Etats-Unis sont beaucoupplus 6tendues que celles qui se trouvent dans Ia legislation europeenne sur Ies ententes obligatoires." Internationale Handelskammer (Hrsg.), L'Organisation de Ia Production, Document No.5, Congres de Paris 1935, S. 6. 292

293

300

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

internationalen Verständigung hinsichtlich der Wahrungsstabilisierung zu gelangen," sagte er in einer Plenarsitzung über die Stabilisierung der Wahrungen.296 Auf dem Gebiet der Handelspolitik erkannte die ICC aber die Bemühungen der amerikanischen Regierung an. 297 Frederick Fentener van Vlissingen bezog sich auf die zweiseitigen Handelsverträge mit der unbedingten Meistbegünstigungsklausel, als er auf der Sitzung des Verwaltungsrats am 5. März 1937 in Paris sagte: "Die Handelsvertragspolitik der Vereinigten Staaten bildet einen wirksamen Angriff gegen die Handelsschranken und hat aus diesem Grund zu einer wesentlichen Hebung des Zwischenhandels beigetragen." Der Präsident der Internationalen Handelskammer rief die europäischen Staaten dazu auf, dem amerikanischen Beispiel zu folgen.298 Ein Widerspruch zwischen der Empfehlung der ICC zum Abschluß von mehrseitigen Handelsverträgen und der Unterstützung von zweiseitigen Abkommen mit unbedingter Meistbegünstigung wurde nicht gesehen. Der Bilateralismus galt fortan als Zwischenstation auf dem Wege zum Multilateralismus. Das Reciprocal Trade Agreements Act wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur Basis der amerikanischen GATT-Politik. "Thus its original passage in 1934 truly marked the beginning of a new American approach to trade policy, away from the traditional protective principle towards liberalism and multilateralism in foreign trade. "299

Nicht nur auf bilateraler, sondern auch auf multilateraler Verhandlungsebene wurde den USA eine Vorreiterrolle zugesprochen. "Es war ein großer Erfolg der Internationalen Handelskammer, daß Cordeil Hull ihre Empfehlungen hinsichtlich der mehrseitigen Zollverträge aufnahm. Sein Abkommen von Montevideo bleibt immer noch die bedeutendste Erklärung zur Frage der Gruppenhandelsverträge," sagte der britische Vertreter Owen Iones auf der Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer am 26. Juni 1936.300 In der Roosevelt-Administration stellte 296 Offizielle Sitzungsberichte des Achten Kongresses der Internationalen Handelskammer, Paris 24.-29. Juni 1935, in: Internationale Wirtschaft 7 (1935), S.18. 297 Auf der Sitzung des Verwaltungsrats vom 26. Juni 1936 stellte der amerikanische Vertreter Willis H. Booth die Handelsvertragspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika als erfolgreich dar. Siehe dazu auch die Erklärung von Außenminister Cordeil Hull: Neue Handelspolitik, in: Internationale Wirtschaft 9 (1935), S. 2. 298 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 5. 299 Carl-Ludwig Holtfrerich, The Roosevelts and Foreign Trade: Foreign Economic Policies under Theodore and Franklin Roosevelt, in: Cornelis A. van Minnen (Hrsg.), The Roosevelts: Nationalism, Democracy & Internationalism, Middelburg 1987, S.34. 300 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten: Reichswirtschaftskammer, R 11/1354, S. 59. Beim "Abkommen von Montevideo" handelte es sich um das Abschlußkommuniquc5 der siebten International Conference of American States, die vom 3. bis 26. Dezember 1933 in Montevideo stattfand. Im Rahmen der Konferenz schlug der amerikanische Außenminister Cordeil Hull die Verringerung der Zollbarrieren mittels bi- und multilateraler Verträge vor. Wichtigstes Ergebnis des "Abkommens von Montevideo" war schließlich aber, daß kein Staat das Recht besitzen sollte, in die internen und externen Angelegenheiten eines anderen Staates einzugreifen. Die

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

301

Cordeil Hull, "the Secretary of State with a fanatical preoccupation with free trade"301, aber nur die Ausnahme dar. Das Reciprocal Trade Agreements Act und das Angebot von Cordeil Hull zu Verhandlungen über den Abschluß von Handelsverträgen zum Zollabbau auf der International Conference of American States in Montevideo im Dezember 1933 signalisierten keineswegs, daß nach den Wahlen von 1932 nun mehrheitlich Freihändler im Kongreß saßen. Dieamerikanische Regierung verfolgte bis zum ,,New Deal" 1934 ganz im Sinne der Empfehlungen von seiten der Internationalen Handelskammer auch eine Politik des ausgeglichenen Budgets. Diese sollte aber nicht durch Einsparungen, sondern auf dem Wege einer Steuererhöhung, wie sie mit dem Revenue Act von 1932 durchgeführt worden war, realisiert werden. 302 Kenneth D. Roose schreibt daher: "The administration shared the business belief in the need for a balanced budget, and consequently was reluctant to take steps which would unbalance it."303 Daß die amerikanische Regierung auf eine Einschränkung ihrer öffentlichen Ausgaben bedacht war, wird von Roose nicht gerade als ein Mittel zur Krisenmilderung eingestuft. Im Bereich der Lohnpolitik divergierten die Meinungen zwischen der Internationalen Handelskammer und der amerikanischen Regierung: Die Internationale Handelskammer sprach sich vehement für eine Senkung der Löhne aus, wohingegen Präsident Hoover304 und Handelsminister Thomas W. Lamont305 gegen eine Senkung der Löhne plädierten. In ihrer Haltung wurden sie vom Industriellen Henry Ford unterstützt.3°6 Im Verlauf des "New Deal" wurden dann die Mindestlöhne eingeführt. Der Empfehlung der Internationalen Handelskammer für eine Ausweitung der staatlichen Kredite kamen die USA durch die Errichtung einer "Reconstruction Finance Corporation" (RFC), einem "Federal Horne Loan Bank System" und einer Ausweitung der Kreditvergabe durch die "Federal Reserve" für die Binnenwirtschaft zur Anwendung. 307 Die RFC und das "Federal Horne Loan Bank System" USA stimmten diesem Artikel nur mit Vorbehalt zu. Siehe dazu: Gordon Connell-Smith, The Interwar-American System, London 1966, S.83-91. 30t Charles B. Kindleberger, US Foreign Economic Policy 1776-1976, in: Foreign Affairs 55 (1977), S.404. 3°2 Hall, Great Depression, S.l28. Dagegen lehnte die Internationale Handelskammer eine Steuererhöhung ab. Ein ausgeglichenes Budget sollte zuvorderst durch eine Einschränkung der Staatsausgaben erreicht werden. 303 Roose, Economics, S. 83. 304 Fremon, Great Depression, S. 33. 305 Thomas W. Lamont war gleichzeitig auch Mitglied des amerikanischen Nationalkomitees der Internationalen Handelskammer. 306 Siehe New York Herald Tribune vom 2. Mai 1931, in: NA II Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. 307 Leffler, Elusive Quest, S. 273.

302

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

sollten die Aufgabe übernehmen, die eigentlich in das Arbeitsfeld des Federal Reserve System fielen, nämlich .,[to] extend credit to banks".3°8 Während Winthrop W. Aldrich von dem amerikanischen Nationalkomitee der RFC eine entscheidende Bedeutung bei der Liquidierung von Vermögenswerten beimaß, sieht die heutige Forschung in der .,Reconstruction Finance Corporation" kein ausreichendes Mittel zur Milderung der internationalen Finanzkrise.309 Die USA seien seit 1929 der Rolle eines Weltbankiers nicht mehr nachgekommen: die amerikanischen Anleihen blieben aus bzw. wurden aus Europa zurückgezogen. Als Ersatz dafür hätte - so Wolfram Fischer - daher vor allem Frankreich eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise spielen müssen. Als Land mit den zweitstärksten Goldreserven wäre nur noch Frankreich in der Lage gewesen, bei einem Ausbleiben der amerikanischen Anleihen als Kreditgeber einzuspringen. Finanzielle Hilfen hätten es Deutschland ermöglicht, seinen Reparationsverpflichtungen nachzukommen, wie dies von der Internationalen Handelskammer empfohlen worden war. 310 Ein gewisser Einfluß der Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auch auf die währungspolitischen Entscheidungen der Fed in der Zeit der Weltwirtschaftskrise läßt sich anband der .,Annual Reports" der amerikanischen Zentralbank nachweisen. Darin wurden die Empfehlungen des Directory of the Federal Advisory Council abgedruckt, einem Beratungsorgan des Federal Reserve Board.311 Interessant dabei ist, daß seit 1932 der Vizepräsident des Advisory Council, Melvin A. Traylor, zugleich auch dem amerikanischen Nationalkomitee der ICC angehörte.312 Damit hätte den währungs- und finanzpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auf der Zentralbankebene erheblichen Nachdruck verliehen werden können. Als der Vorstand der Fed am 20. November 1933 das Advisory Committee im Hinblick auf die währungspolitische Situation in den USA um Rat bat, sprach sich 308 Hall, Great Depression, S.l05. Hall bewertet Hoovers RFC als eine gute Idee, ,.but operationally inadequate". 309 Lester V. Chandler, America's Greatest Depression 1929-1941, New York u. a. 1970, S. 90. 310 Wolfram Fischer, Expansion, Integration, Globalisierung. Studien zur Geschichte der Weltwirtschaft, Göttingen 1998, S. 202 (fortan zitiert als Fischer, Expansion). 311 Der Einfluß des Federal Advisory Council auf die Gouverneure des Federal Reserve war erheblich: ,.The Board of Govemors of the Federal Reserve System and the Federal Open Market Committee have given extended consideration to the generat business and credit situation and to the recommendation of the Federal Advisory Council ...." Federal Reserve Board (Hrsg.), 1\venty-Second Annual Report ofthe Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1935, Washington D. C. 1936, S. 3. 312 Siehe: Federal Reserve Board (Hrsg.), Nineteenth Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1932, Washington D. C. 1933, S. 185. Seit 1930 war Traylor bereits Mitglied des Exekutivkomitees. Siehe: Federal Reserve Board (Hrsg.), Seventeenth Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1930, Washington D.C. 1931, S.227. Seit 1937 befand sich Winthrop W.Aldrich im Exekutivkomitee des Direktoriums des Federal Advisory Council. Siehe dazu: Federal Reserve Board (Hrsg.), 1\venty-Fourth Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1937, Washington D.C. 1938, S.227.

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

303

das Beratungsorgan ganz im Sinne der Internationalen Handelskammer für die Wiedereinführung des Goldstandards aus, den die USA am 6. März 1933 verlassen hatten. "The Council, therefore, believes that an early return to a gold standard basis for our currency is of the greatest importance and an imperative necessity to the success of the Administration's recovery program"313 , heißt es im Jahresbericht von 1933 des Federal Reserve Board.3 14 Die heutige Forschung steht dieser Empfehlung zu Recht skeptisch gegenüber: In dem Festhalten am Goldstandard wird überwiegend eine Begünstigung der deflationären Entwicklung in der Zeit der Weltwirtschaftskrise gesehen, die sich anband von sinkenden Preisen und steigenden Realzinsen bemerkbar machte.315 So antwortete beispielsweise die Fed auf die britische Abkehr vom Gold mit einer Erhöhung der Diskontrate im Jahre 1931, um dem Abfluß amerikanischer Goldreserven frühzeitig entgegenzuwirken. Dadurch trugen die USA erheblich zur Verstärkung kontraktiver Effekte in der Geldpolitik bei. Erst die Loslösung vom Goldstandard 1933 ermöglichte den Amerikanern, eine diskretionäre Geldpolitik zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise zu verfolgen, wie sie in Großbritannien bereits seit September 1931 praktiziert worden war. Mit dem Gold Reserve Act 1934 wurde der offizielle Preis für eine Unze Gold in den USA von 20,67 $ auf 35 $ Dollar erhöht. Durch die Heraufsetzung des in Dollar ausgedrückten Goldpreises, erfuhr der US-Dollar indirekt gegenüber den anderen Wahrungen eine Abwertung. Diese führte zu einer Verbesserung der amerikanischen Wettbewerbssituation auf den Exportmärkten und einer Reflation im Inneren der Wirtschaft,316 Der Advisory Council vertrat auch die Ansicht der Internationalen Handelskammer, als er sich für eine politische Unabhängigkeit der Fed aussprach. 317 In den USA wurde dagegen der Einfluß des Treasury- als Teil der US-Regierung- auf die geldpolitischen Entscheidungen der Fed nach und nach ausgebaut.318 Das Bankgesetz 313 Federal Reserve Board (Hrsg.), Twentieth Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1933, Washington D.C. 1934, S. 259. 314 Präsident Roosevelt nahm dagegen eine gegensätzliche Haltung ein: Seit Män/April 1933 war er um eine Loslösung des Dollar vom Gold bemüht. Öffentlich sprach er sich gegen die Bindung der amerikanischen Wahrung an den Goldstandard aus. Charnber of Commerce of the United States (Hrsg.), International Monetary Developments. Between the First and Second World Wars, Washington D.C. 1944, S. 7. m David C. Wlwelock, Monetary Policy in the Great Depression and Beyond: The Sources of the Fed's Inflation Bias, (Federal Reserve Bank of St. Louis, Research Warking Papers 97-0llA), St. Louis 1997, S.28. Timothy Hatton weist fürdie Zeit von 1930bis 1933 hohe Realzinsen aufgrund sinkender Preise nach. Aus diesem Grunde bestand seiner Meinung nach keine Politik des billigen Geldes. Hatton, Perspectives, S. 29. 316 Hall, Great Depression, S. 117. Lary, World Economy, S. 182/194. Holtfrerich, USA. 317 Federal Reserve Board (Hrsg.), Twenty-First Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1934, Washington D.C. 1935, S. 204. 318 Charles W. Calomiris/David C. Wheelock, Was the Great Depression a Watershed for American Monetary Policy?, (National Bureau ofEconomic Research Warking Paper 5963), Carnbridge Mass. 1997, S.l (fortan zitiert als Calomiris/Wheelock, Watershed).

304

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

von 1935 legte zudem die Offenmarktpolitik in die Hände eines Gremiums, das vom amerikanischen Präsidenten ernannt werden sollte. Folglich nahm der Einfluß von seiten der Regierung auf die geldpolitischen Entscheidungen im Laufe der Krise eher zu als ab: "By various laws and administrative actions, the United States during this periodjoined in a world trend toward more complete control of central banking systems by govemments as a means of facilitating monetary and economic planning."319

Während die Fed an ihrer alten geldpolitischen Zielsetzung festhielt, war das USFinanzministerium aber mit der Loslösung des Dollar vom Gold im Jahre 1933 und den Bemühungen um eine Erleichterung des staatlichen Schuldenproblems eher einer inflationären Politik zugeneigt, was tatsächlich einer Milderung der Krise entgegenkam. 320 Insgesamt kann gesagt werden, daß die monetären Entscheidungen der Fed seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise zum einen auf einer Fehlanalyse der wirtschaftlichen Verhältnisse beruhten: Die Fed interpretierte den niedrigen nominalen Marktzins und die geringen Anleihen der Mitgliedsbanken dahingehend, daß sich die Verhältnisse auf dem Geldmarkt eher durch einen Überfluß ("easy") denn durch einen Mangel ("tight") an Liquidität auszeichneten. Ihre Politik stützte sich damit auf falsche Voraussetzungen und konnte daher nicht eben zu einer Milderung der Krise beitragen.321 Zum anderen wird in der Forschung auch nicht ausgeschlossen, daß die währungspolitischen Entscheidungen der Fed auch als eine Antwort auf die indirekte Einflußnahme durch Interessengruppen gesehen werden kann.322 In der Zeit der Weltwirtschaftskrise wurde von den Vereinigten Staaten von Amerika die Kreditgewährung nicht an das Volumen angepaßt, das angesichts der Goldimporte in die USA gerechtfertigt gewesen wäre. 323 Die restriktive Geldpolitik der Fed von 1929 bis 1939 führen Gary M. Anderson, William F. Shughart und Robert D. Tollison nicht auf eine einfache Fehlinterpretation der Verhältnisse auf dem Geldmarkt zurück, sondern auf den Druck, den bestimmte Partikularinteressen im Inneren des Federal Reserve Systems ausübten. Die Fed verfolgte demnach die Interessen ihrer 319 Chamber of Commerce of the United States (Hrsg.), International Monetary Developments. Between the FirstandSecond World Wars, Washington D.C. 1944, S.9. Vgl. auch: "By increasing the power of the presidentially appointed Federal Reserve Board over the Federal Reserve Banks, New Dealbanking legislation reduced the Fed's independence vis-a-vis the Treasury." Bordo/Goldin!White, Defining Moment, S.18. 32 Calomiris!Wheelock, Watershed, S.l. 321 Calomiris/Wheelock, Watershed, S. 5. Hall/Ferguson, Great Depression, S. 92/93. 322 Gary M. Anderson/William F. Shughart/Robert D. Tollison, A Public Choice Theory of the Great Contraction, in: Public Choice 59 (1988), S. 3-23 (fortan zitiert als Anderson/Shughart/Tollison, Public Choice). Gerald Epstein/Thomas Ferguson, Monetary Policy, Loan Liquidation, and lndustrial Contlict: The, Federal Reserve and the Open Market Operations of 1932, in: The Journal ofEconomic History 44 (1984), S. 957-983. 323 Chamber of Commerce of the United States (Hrsg.), International Monetary Developments. Between the First and Second World Wars, Washington D. C. 1944, S. 5.

°

IV. Die Vereinigten Staaten von Amerika

305

Mitgliedsbanken, als sie in den entscheidenden Krisenjahren einen Liquiditätsmangel produzierte und damit Zusammenbrüche vorwiegend von Nichtmitgliedsbanken bewirkte.324 Für das Festhalten der Fed am Goldstandard bis 1933 spielten sicherlich auch die Empfehlungen des Advisory Council eine Rolle, in welchem Mitglieder des amerikanischen Nationalkomitees aktiv die währungspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer vertreten konnten. Desweiteren rief das Beratungsgremium der Fed 1935 erneut dazu auf, die staatliche Schuldenlast zu verringern. Einen Beitrag dazu konnte nach Ansicht des Advisory Council eine Senkung des Zinssatzes leisten.325 Der Vorstand der Fed war davon überzeugt, daß die amerikanische Zentralbank aber schon seit Jahren eine Politik des "monetary ease" begünstigt hatte.326 Die Wirklichkeit sah aber anders aus: Obwohl die Diskontsätze in den USA im Laufe der Krise gesunken waren, bestand aber nur ein beschränktes Kreditangebot; zwischen August 1929 und März 1933 sank die Geldmenge M2 in den USA um 33%.327 Diese Entwicklung wurde noch dadurch verstärkt, daß der Advisory Council am 14. Dezember 1937 sogar sein Plädoyer für eine Ausweitung der Geldmenge revidierte und zu einer Erhöhung der Mindestreserven für Mitgliedsbanken des Federal Reserve System plädierte, denn es bestünden seiner Meinung nach keine Anzeichen mehr für einen Kreditrnangel.328 Damit verkannte das Beratungsorgan der Fed die Realität: In den USA war nämlich während der Krise in den Jahren eines erneuten Konjunktureinbruchs 1937/38 wieder verstärkt ein Mangel an Liquidität vorherrschend. Die Empfehlung des Advisory Council über die Auflistung von gewährten internationalen Bankkrediten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines freien Kapitalflusses auf der Welt stimmte mit der Empfehlung der Internationalen Handelskammer überein.329 Mittels eines Registers sollte die Vergabe von solchen Krediten kon324 "Our maintained hypothesis is that the Great Depression was not the result of monetary policy 'failure' but rather was a by-product of economically rational behavior on the part of Federal Reserve member banks seeking rents through the elimination of their nonmember rivals." Anderson!Shugluzrt/Tollison, Public Choice, S. 9. m Federal Reserve Board (Hrsg.), 1\venty-First Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1934, Washington D. C. 1935, S. 203. 326 Siehe dazu: Federal Reserve Board (Hrsg.), Twenty-Second Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1935, Washington D. C. 1936, S. 2. 327 Bordo/Goldin!White, Defining Moment, S. 9. 328 Federal Reserve Board (Hrsg.), 1\venty-Fourth Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1937, Washington D. C. 1938, S. 228. 329 "The Council also believes that the entire investrnent portfolio of all banks should be listed, priced and totaled, and that this infonnation is necessary if the directors of banks generally are to have an adequate picture of the banks' condition." Federal Reserve Board (Hrsg.), Twenty-Fifth Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1938, Washington D. C. 1939, S. 85 und Federal Reserve Board (Hrsg.), Eighteenth Annual Report of the Federal Reserve Board Covering Operations for the Year 1931, Washington D. C. 1932, S. 220.

20 Rosenganen

306

D. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

trolliert und das Risiko der Banken bei der Verteilung von Anleihen möglichst weitgehend eingeschränkt werden. Im Gegensatz zur ICC stellt Alan H. Meltzer einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Änderung der amerikanischen Währungspolitik und einem Anstieg der Produktion her. Er betont den Erfolg monetärer Mittel zur Krisenbekärnpfung: "Nachdem Präsident Franklin Roosevelt den Goldstandard aufgegeben und den Dollar abgewertet hatte, strömte Gold ein und der Geldumlauf stieg. Die Produktion nahm dann rasch zu; in den folgenden drei Jahren wuchs das Bruttoinlandsprodukt mit Jahresraten von mehr als 10 Prozent. "330

Die Geld- und Währungspolitik allein stellten aber kein Allheilmittel zur Krisenbekämpfung dar. Sie mußten vor allem auch durch eine Liberalisierung des Außenhandels ergänzt werden. Den dafür erforderlichen Umschwung in der amerikanischen Handelspolitik läßt Meltzer außer acht. Das Reciprocal Trade Agreements Act von 1934, das auf Empfehlungen der Internationalen Handelskammer zurückging, spielte für den Anstieg der Produktion sicherlich eine erhebliche Rolle. 331

33° Zitiert nach: Keine Angst vor der Liquiditätsfalle, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. November 1998, S. 20. 331 Der Abschluß von Handelsabkommen mit reziproker Wirkung wurde bereits am 22. Januar 1933 von Winthrop W. Aldrich als ein Mittel für Zollsenkungen vorgeschlagen. NA I: Statement of Winthrop W. Aldrich, Präsident der Chase National Bank in New York, in: Hearings Before the Committee on Finance United States Senate. Investigation of Economic Problems, 72d Congress, 2d Session pursuant to S.Res. 315, Washington D.C. 1933, S. 564.

E. Fazit Theodor Emanuel Gregory überlegte bereits auf dem Berliner Kongreß von 1937, "ob die Entwicklung, mit der sich die Kreise der Politik, der Wirtschaftstheorie und der Wirtschaftspraxis heute auseinanderzusetzen haben, auch dann eingetreten wäre, wenn man in der Nachkriegszeit klarer gesehen hätte." 1 Aloyse Meyer, Mitglied des Verwaltungsrats und Präsident der Luxemburgischen Gruppe der Internationalen Handelskammer, gestand die Schwäche der Kammer ein: "Im Hinblick auf unser Unvermögen, die Krise zu vermeiden, müssen wir uns bemühen, ihre Schäden weitmöglichst zu mildem."2 Die Frage, inwieweit eine Umsetzung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in den Jahren 1929 bis 1939 die Weltwirtschaftskrise hätte mildem können, ist in der Forschung bisher offen geblieben und soll in diesem Kapitel noch einmal abschließend behandelt werden. Volker Henschel schließt für die dreißiger Jahre aus, daß adäquate Wege zur Lösung der Krise aufgezeigt wurden. Seine Behauptung ist alles andere als fundiert, da er in seiner Studie die handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer ganz außer acht läßt. 3 Auch Robert H. Ferrell berücksichtigt in seiner Analyse über den Handlungsspielraum von Ökonomen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht die handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer: ,,Nowhere, of course, was the triumph of events over intelligence so obvious as in the problern ofunderstanding the Great Depression; the inadequacy of professional economic know ledge of the time was manifest in the economists' perplexity as to the Depression 's cause and eure. " 4 Die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise beinhalteten nicht nur währungs- und finanzpolitische, sondern vor allem auch handelspolitische Ratschläge. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Letztlich waren nämlich nicht nur die währungs- und finanzpolitischen Entscheidungen der Regierungen, sondern vor allem auch die Errichtung von Gregory, Gegenwartsprobleme der Währungspolitik, S. 2. Aloyse Meyer, Kartelle und Krisen. Industrievereinbarungen als Mittel zur Sicherung der Wirtschaftsstabilität, in: Internationale Wirtschaft 6 (1937), S. 72. 3 Volker Hentschel, Große Depression und Wirtschaftspolitik. Sachzwänge und Handlungsspielräume in der Zwischenkriegszeit, in: Wolfram Fischer (Hrsg.), Sachzwänge und Handlungsspielräume in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Zwischenkriegszeit, St. Katharinen 1985 (fortan zitiert als Hentschel, Große Depression), S.114. 4 Robert H. Ferrell, American Diplomacy in the Great Depression. Hoover-Stimson Foreign Policy, 1929-1933, London 1957, S. 281 (fortan zitiert als Ferrell, Diplomacy). 1

2

20°

308

E. Fazit

tarifärenund nicht-tarifären Handelshemmnissen für die Dauer und Tiefe der Krise von 1929 bis 1939 verantwortlich.5 Im Rahmen ihrer wirtschaftspolitischen Stellungnahmen zur Weltwirtschaftskrise plädierte die Kammer bezeichnenderweise nicht für die Anwendung monetärer Maßnahmen zur Wiederbelebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, wie sie zur gleichen Zeit von Ralph Hawtrey und Irving Fisher propagiert worden waren.6 Statt dessen befürwortete die Internationale Handelskammer- wie in Kapitel C. ausgeführt - bis 1937 eine Anpassung der Produktion an die Nachfrage, vornehmlich durch die Bildung von Kartellen. Diese Empfehlung kam den Interessen der Geschäftswelt sehr entgegen, denn eine mengenmäßige Beschränkung der Produktion hätte die Terms of Trade für kartellisierte gegenüber anderen Produkten verbessert und damit zu einer Steigerung des relativen Profits der Unternehmer in kartellisierten Branchen eher beigetragen als eine durch Geldmengenexpansion hervorgerufene Preissteigerung. Daß die Bildung von Kartellen aber mittel- oder langfristig zu einer Milderung der Krise geführt hätte, ist meines Erachtens zu bezweifeln. Indem sie nämlich die industrielle Produktion beschränkten, konnten Kartelle zwar zu einem Anstieg der Preise beitragen, nicht aber zur Lösung des Hauptproblems der Weltwirtschaftskrise: der Arbeitslosigkeit. Ihre Empfehlung Anfang der dreißiger Jahre, die Produktion zu verringern, revidierte die ICC auf dem Berliner Kongreß im Jahre 1937. In einem Bericht an den französischen Außenminister vom 1. Juli bezieht sich der Autor auf eine Stellungnahme Abraham Froweins, des Präsidenten der Internationalen Handelskammer zu dieser Zeit: "Nachdem man lange Zeit geglaubt hatte, daß die Lösung für die Krise in einer Verringerung der Produktion liegen könnte, ist man heute gezwungen, darüber übereinzukommen, daß die Menschheit niemals daran verarmt ist, daß sie mehr Güter produziert hatte. In seiner Rede vor zwei Tagen hat Herr Frowein auf die Notwendigkeit insistiert, niemals den Mut zum Arbeiten zu verlieren und soviel wie möglich zu produzieren."'

Mit diesem Appell zur Produktionssteigerung setzte eine Kehrtwende im Denken der Internationalen Handelskammer zu einem Zeitpunkt ein, als das Damoklesschwert einer erneuten Krise über der Weltwirtschaft schwebte. Monetäre Instru5 Siehe auchHoltfrerich, Weltwirtschaftskrise und Außenhandel, S.53. Silas Strawn, Präsident der Amerikanischen Gruppe der Internationalen Handelskammer, sah in den tarifären Handelshemmnissen sogar eine Ursache für die Krise. Trotzdem verteidigte er die amerikanische Zollpolitik; siehe der Bericht vom französischen Konsul in Chicago, Rent Weiller, an den französischen Außenminister vom 23. Dezember 1932, in: AD B-Information Economique 31. 6 Hawtrey, Central Banking und Fisher, 100%. Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg siehe Friedman/Schwartz, Monetary History sowie Meltzer, Monetarist Interpretation. 7 Im Original heißt es: "Apr~s avoir cru pendant longtemps que Ia solution de la crise pouvait etre trouvee -dans une reduction de la production, on est force aujourd 'hui de convenir que l'humanite ne s 'est jamais appauvrie en produisant d' avantage de marchandises. M. Frowein dans le discours qu 'il a prononce avant-hier a insiste tout specialement sur Ia necessite de ne pas perdre courage de travailler, et de produire le plus possible." AD B-Offices Intemationaux 5, S. 2.

I. Bewertung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

309

mente wurden von der ICC aber auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Mittel zur Milderung der Krise gesehen. Das keynesianische Konzept für eine gezielte staatliche Nachfragepolitik durch "deficit spending" fand bei der Internationalen Handelskammer keinerlei Unterstützung. Trotzdem blieb die Idee aber nicht ohne Einfluß auf die Regierungspolitik der USA: Auch wenn John Maynard Keynes persönlich nur mit geringem Erfolg die amerikanische Wirtschaftspolitik beeinflussen konnte, gewannen seine Ideen, die er bereits seit 1929 mit wachsendem Nachdruck in Vorträgen und Aufsätzen vertreten hatte, durch den Zugang einiger Nachwuchswissenschaftler zu politischen Entscheidungsträgern erheblichen Einfluß auf die Roosevelt Administration (1933-1945). 8 Dabei entwickelten sich besonders zwei Institutionen zu "Brückenköpfen" des Keynesianismus, die zuvor eher konservativ eingestellt waren: seit 1934 das Federal Reserve Board mit Marriner Eccles an der Spitze und das Commerce Department unter Secretary Harry Hopkins (1939-40), das traditionell als Sprachrohr der Unternehmensinteressen galt. 9 Die Internationale Handelskammer befürwortete statt dessen eine Wirtschaft, die frei von jeglichen staatlichen Einflüssen sein sollte.

I. Bewertung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen Die handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer können meines Erachtens insgesamt als ein wirksames Programm zur Milderung der Weltwirtschaftskrise betrachtet werden. Gerade in dem Abbau der tarifaren und nicht-tarifaren Handelshemmnisse lag ein entscheidendes Mittel zur Krisenbewältigung und nicht in einer Produktionsdrosselung, denn: "Export growth consistently enters the equation for output growth strongly, with a plausible coefficient and a high Ievel of statistical significance." 10 Der Abbau von Handelsbarrieren, der Abschluß von multilateralen Verträgen auf der Basis einer unbedingten Meistbegünstigungsklausel und die Schaffung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stellten effektive Vorschläge zur Krisenbewältigung in den dreißiger Jahren dar. Die handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer, wie sie in Kapitel C. dargestellt worden sind, können als eine Art Kontrastprogramm zu der tatsächlich verfolgten, stark protektionistisch orientierten Politik der Regierungen gesehen werden; als eine Art Ausweg aus dem Gefangenendilemma. Die Staaten 8 lohn Kenneth Galbraith, Wie Keynes nach Amerika kam, in: John Kenneth Galbraith (Hrsg.), Wirtschaft, Frieden und Gelächter, München und Zürich 1974, S. 52-64. William J. Barber, Govemment as a Laboratory for Economic Learning in the Years of Democratic Roosevelt, in: Mary O.Fumer u. a. (Hrsg.), The State and Economic Knowledge. The American and British Experiences, Cambridge 1990, S. 44-56. 9 Alan R.Sweezy, The Keyensians and Govemment Policy, 1933-1939, in: The American Economic Review 62 (1972), S. 116--125. 10 Bernanke!James, Gold Standard, S. 34.

310

E. Fazit

waren aber vornehmlich auf ihre eigenen nationalen Vorteile in einem engeren, kurzfristigen Sinn bedacht und verhinderten eine Beendigung der Weltwirtschaftskrise durch ein kooperatives Verhalten auf multilateraler Ebene. So bauten Großbritannien und Frankreich ihre kolonialen Handelsbeziehungen weiter aus und waren nicht bereit, für den Freihandel auf ihr zollpolitisches Präferenzsystem mit den Überseekolonien zu verzichten. 11 Im vierten Kapitel (D.), das die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auf die Politik der Regierungen behandelt, wurde versucht nachzuweisen, daß sich die Staaten in nationale Alleingänge flüchteten; für die frühzeitige Bekämpfung der Krise war dies nicht eben förderlich. Anstatt durch ein gemeinsames Vorgehen zu einer Milderung der Krise beizutragen, verfolgten alle Länder eine "beggar-my-neighbor-policy". Damit schadeten sie aIa longue nicht nur ihren Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland, sondern verhinderten auch eine rasche Wiederbelebung der eigenen Binnenwirtschaft durch den Zusammenbruch des Welthandels. Wolfram Fischer kommt jüngst zu Recht zu dem Schluß, daß die Bemühungen zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 bei einer Zusammenarbeit auf internationaler Ebene hätten einsetzen müssen.12 Wie in der vorliegenden Untersuchung aufgezeigt wurde, präsentierte die Internationale Handelskammer von seiten der Produzenten, des Handels, des Verkehrs und der Banken den Regierungen weitreichende handelspolitische Konzepte zur Milderung der Weltwirtschaftskrise.13 Die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der ICC konnten die Haltung der Regierungen zum Abschluß von multilateralen Handelsverträgen aber nur teilweise beeinflussen. Das Reciprocal Trade Agreements Act von 1934, das- wit< bereits in Kapitel D. herausgearbeitet worden ist- zum Teil auf wertvolle Anregungen der Internationalen Handelskammer zurückging, stellte einen ersten wichtigen Schritt hin zu einem ausbaufähigen multilateralen Vertragssystem dar. Hier zeigte sich bereits in der Zwischenkriegszeit ansatzweise die Formierung einer fairen Partnerschaft zwischen Politik und Wirtschaft, um breit angelegte nationale Interessen zu formulieren, die sich der Folgen von protektionistischen Maßnahmen auf die Handelspolitik anderer Staaten bewußt war. Das Handelsgesetz von 1934 wurde zum wichtigsten Gerüst für die US-Handelspolitik in der Nachkriegszeit. Erst nachdem der Zweite Weltkrieg die Weltwirtschaftskrise beendet und eine Wende in der amerikanischen Außenhandelspolitik eingeleitet hatte, wurde ein kollektives Vorge11 League of Nations, Industrialization, S. 106. Für Großbritannien und Frankreich siehe: League of Nations, Europe 's Trade, S. 40/41/44. 12 Wolfram Fischer, Die Weltwirtschaft braucht einen ,,Lender of last resort", in: Handelsblatt vom 8. Dezember 1998, S.50. 13 Die Behauptung von Harold Jarnes, daß die BIZ den letzten Versuch vor dem Zweiten Weltkrieg dargestellt habe, eine internationale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet zu erreichen, ist nicht haltbar, wenn man die Versuche der ICC, eine handels- und währungspolitische Kooperation auf der internationalen Ebene zu erreichen, berücksichtigt. James, World Central Bank, S. 4.

I. Bewertung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

311

hen auf dem Gebiet der Handelspolitik ganz im Sinne der Empfehlungen der Internationalen Handelskammer aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise möglich. 14 Auch die europäischen Regierungen hatten aus ihren Fehlern gelernt. Die Havanna-Charta, das GATI (General Agreement on Tariffs and Trade), die EZU (Europäische Zahlungsunion) und die OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) wurden zu Meilensteinen auf dem Weg der Befreiung des internationalen Wirtschaftsverkehrs von handelspolitischen Fesseln. Insgesamt kann festgestellt werden, daß die Welt seit dem Abkommen von Bretton Woods von 1944 und dem General Agreement on Tariffs and Trade von 1948 über effektive Institutionen verfügt, deren Aufgabe die Zusammenarbeit auf währungs- und handelspolitischem Gebiet ist. Das Rüstzeug für eine internationale Kooperation im Falle einer Krise ist heutzutage ungleich vielseitiger als in der Zwischenkriegszeit. 15 Die Empfehlung der Internationalen Handelskammer beim Abschluß von Verträgen an der unbedingten Meistbegünstigungsklausel ausnahmslos festzuhalten 16, war unrealistisch und kann daher nicht als ein Mittel zu Milderung der Krise angesehen werden. Nicht umsonst wurden im GAlT-Abkommen Zollunionen, Freihandelszonen und die Commonwealth-Präferenzen von der Meistbegünstigungs-Verpflichtung ausgenommen. In der Zwischenkriegszeit hatte bereits Richard Riedl von der Österreichischen Landesgruppe Ausnahmen von der unbedingten Meistbegünstigungsklausel gefordert, als es um die Schaffung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ging. Sein Vorschlag fand bei der Internationalen Handelskammer in Paris aber keine prinzipielle Unterstützung. Insgesamt kann gesagt werden: Eine stärkere Berücksichtigung der handelspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auf politischem Gebiet hätte sicherlich eine tendenzielle Milderung, nicht aber eine schnelle Beseitigung der Weltwirtschaftskrise bewirken können. Während W. Artbur Lewis die Zollerhebungen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen nicht für den Rückgang des Welthandels verantwortlich macht, 17 wurde in dieser Untersuchung gerade das Gegenteil aufgezeigt: In der Zollgesetzgebung und dem durch Preissenkungen provozierten rasanten Anstieg des spezifischen Zollniveaus ist eine entscheidende Ursache für einen derartig gewaltigen Zusammenbruch des weltweiten Güterverkehrs zu sehen. Damit kamen den Empfehlungen der Internationalen Handelskammer über einen Abbau der Handelshemmnisse und über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für die Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise eine ganz besondere Bedeutung zu. Aber ohne eine britische Beteiligung hätte sich der euroFrühbrodt/Holtfrerich, Neugestaltung der US-Wirtschaftspolitik, S. 85-123. So fehlten 1930 der BIZ die finanzieiJen Mittel - wie sie der Internationale Währungsfonds in den neunziger Jahren für sich in Anspruch nehmen konnte -, um die krisenerschütterten Staaten sinnvon zu unterstützen. Eichengreen, Averting, S. 2/14. 16 V gl. Kapitel C. 17 Lewis, Economic Survey, S. 155. Er sieht dagegen in der sinkenden Nachfrage nach Primärgütern die entscheidende Ursache. 14

ls

312

E. Fazit

päische Kontinent nicht zu einer weltweiten Wirtschaftsmacht, wie sie in den USA aufgebaut worden war, entwickeln können. Zudem standen 1933 die politischen Entwicklungen in Deutschland den europäischen Integrationsplänen a Ia ICC diametral entgegen. Ganz anders verhielt es sich mit den währungs- und finanzpolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer: Sie können - pauschal betrachtet- nicht als wirkungsvolle Ratschläge betrachtet werden, die zu einer frühzeitigen Erholung der krisenerschütterten Weltwirtschaft beigetragen hätten. Zu unterscheiden ist zwischen denjenigen währungs-und finanzpolitischen Empfehlungen, deren Wirkung bei einer tatsächlichen Umsetzung eher krisenmildernd gewesen wäre (= krisenmildemde Empfehlungen der ICC), und solchen, die letztlich zu einer Verstärkung der Krise beigetragen hätten und haben(= krisenverstärkende Empfehlungen der ICC): Den krisenmildemden Empfehlungen zugehörig waren die Ideen im Hinblick auf eine Lösung.des Reparationen- und interalliierten Schuldenproblems. Die Ansichten und Vorschläge der ICC auf diesem Gebiet wurden besonders im Rahmen des Washingtoner Kongresses im Jahre 1931 durch zahlreiche Artikel in der amerikanischen Presse publik gemacht und übten dadurch einen gewissen Druck auf die USRegierung aus, sich mit der interalliierten Schuldenfrage stärker auseinanderzusetzen und zu ihrer definitiven Regelung beizutragen. Das Resultat der Bemühungen von seiten der ICC war eine vorübergehende Stundung der internationalen Reparationen- und Schuldenzahlungen durch das Hoover Moratorium vom Juni 1931, das letztlich- wie in Kapitel D. herausgearbeitet wurde- auf die Diskussionen im Zuge des Washingtoner Kongresses der Internationalen Handelskammer zurückging. Die Stundung aller Verpflichtungen, die sich aus den Reparationen und interalliierten Kriegsschulden ergaben, war aber nur von vorübergehendem Charakter und konnte nur bedingt zu einer Milderung der Krise beitragen. Dessen war sich auch die Internationale Handelskammer bewußt und plädierte daher eher für eine endgültige Lösung des Reparations- und Schuldenproblems. Für eine Abzahlung der interalliierten Kriegsschulden und Reparationen wäre vor allem auch eine Öffnung des amerikanischen Marktes für europäische Exportprodukte notwendig gewesen, wie dies in Kapitel C. dargestellt wurde; darin hätte meines Erachtens ein entscheidendes Mittel zur Milderung der Krise gelegen. Erst nach einer Liberalisierung des Handels konnte das Zahlungsbilanzdefizit ausgeglichen und mit einem Geldzufluß gerechnet werden, der nicht nur für eine Tilgung der interalliierten Verpflichtungen (12 Milliarden Dollar) 18 gegenüber den USA vonnöten gewesen wäre, sondern auch für eine Begleichung der im Versailler Vertrag festgeschriebenen deutschen Reparationszahlungen an Belgien, Frankreich und Großbritannien. Der US-Protektionismus gab den Schuldnerstaaten keine andere Chance, 18 Der Löwenanteil von ca. 4, 7 Milliarden entfiel auf Großbritannien; Frankreich schuldete 4 Milliarden Dollar. Rothermund, Weltwirtschaftskrise, S. 25.

I. Bewertung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen

313

gegen das externe Handels- und Zahlungsbilanzdefizit anzukämpfen, als durch die Erhebung von Zöllen, die Festlegung von Quoten, die Abwertung ihrer Wahrungen oder die Einführung von Devisenkontrollen. Von möglicherweise weitreichender Bedeutung für eine Milderung der Weltwirtschaftskrise war die Empfehlung der Internationalen Handelskammer, die Kapitalexporte seitens der kapitalreichen Länder auszuweiten (vgl. Kapitel C.).' 9 Dieser Vorschlag war vor allem an die Adresse der Vereinigten Staaten von Amerika gerichtet, die in der Zeit der Weltwirtschaftskrise durch die Verminderung ihrer Kapitalexporte das Dollarangebot erheblich verringerten. Einer Schließung der bestehenden "Dollarlücke" wirkten die USA auch nicht durch eine frühzeitige Senkung des Zinssatzes entgegen. Die Federal Reserve Bank verfolgte eine restriktive Geldpolitik, die sich letztlich für die gesamte Wirtschaft als nachteilig erwies. Auch die Bemühungen der Internationalen Handelskammer in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, die Doppelbesteuerung aufzuheben, konnten generell als ein positiver Anreiz für die Förderung von grenzenüberschreitenden Investitionen gesehen werden. Zu den krisenverstärkenden Empfehlungen der Internationalen Handelskammer gehörte der Ratschlag, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise am Goldstandard festzuhalten. Seit 1985 haben nämlich Wirtschaftshistoriker (z. B. Barry Eichengreen und Peter Temin u. a.) nachgewiesen, daß diejenigen Länder aus der Weltwirtschaftskrise am besten herauskamen, die frühzeitig, wie Großbritannien, ihre Wechselkurse frei gaben, auf diese Weise ihre Wahrung abwerteten und sich dadurch den Restriktionen entziehen konnten, die der Goldstandard ihnen ansonsten auferlegt hätte. Eine Goldbindung der Wahrung war somit für einen frühzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung eher von Nachteil; zumal auch die Vereinigten Staaten von Amerika nicht einmal bereit waren, jegliche Dysfunktionalität des auf Gold basierenden Wahrungssystems durch eine expansive Geldpolitik zu stabilisieren. Das Festhalten am Goldstandard in der Zeit der Weltwirtschaftskrise führte nach Eichengreen nicht nur zu einer restriktiven Geldpolitik,2° sondern unterband auch, daß die GoldblockStaaten abwertungsbedingte Wettbewerbsvorteile für Produkte auf den Weltmärkten erlangten. Die Empfehlung der Internationalen Handelskammer, an der Goldbindung der Wahrungen festzuhalten-wie in Kapitel C. dargestellt-, war somit ein Ratschlag, der die Weltwirtschaftskrise eher verschärfte, denn es gab kein System der Auf- und Abwertungen. Daß sich die ICC mit ihrem Plädoyer für eine Rückkehr zum Goldstandard letztlich nicht durchsetzen konnte, wurde damit eher zum Vorteil für die von der Krise betroffenen Staaten. Erst die Aufgabe fester Wechselkurse durch die Loslösung vom Goldstandard, von den Briten im September 1931 durchgeführt, lieferte einen ausreichenden Spielraum für eine inländische Kreditexpansion und damit für eine frühzeitige Überwindung der Krise. Die Abkehr von festen Vgl. dazu auch Kindleberger, World in Depression, S. 292. Nach Michael D. Bordo sei dieser Zusammenhang nicht zwingend notwendig. Bordo, Monetary Policy Regimes, S. 12. 19

20

314

E. Fazit

und die Hinwendung zu flexiblen Wechselkursen wird heute von bedeutenden Wirtschaftstheoretikern den aufstrebenden Märkten als Mittel zur zukünftigen Krisenprävention empfohlen. Bei festen Wechselkursen besteht nämlich die Gefahr, daß sehr rasch eine Überbewertung auftreten kann, die dann unweigerlich zur Krise führt. 21 Obwohl die ICC auf der Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz von 1933 weiterhin die Rückkehr zum Goldstandard forderte, wurde in der vorliegenden Arbeit herausgearbeitet, daß die Internationale Handelskammer zu diesem Zeitpunkt erstmals offiziell auch für eine Verringerung der Golddeckungsquote plädierte, um so mehr Elastizität für die Ausweitung der Geldmenge zu schaffen. Dies hätte den Zentralbanken und Regierungen wiederum eine stärker auf Expansion der Binnenwirtschaft angelegte Politik ermöglicht. Die Ansicht der Internationalen Handelskammer bis 1937, daß innere Preisstabilität eher durch eine Verringerung der Produktion als durch monetäre Maßnahmen zu erreichen sei, konnte keinen Beitrag zur Milderung der Weltwirtschaftskrise leisten. Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit- ein entscheidendes Merkmal der Krise- hätte sich durch eine Beschränkung des Outputs sogar noch erhöht. Eine Ausweitung der Geldmenge wäre dagegen von entscheidender Bedeutung sowohl für einen Preisanstieg als auch für eine Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gewesen. Insgesamt gesehen hätte ein Anstieg oder zumindest eine Stabilisierung des Preisniveaus in der Zwischenkriegszeit insofern zu einer Milderung der Krise geführt, als sich dadurch nicht nur kurzfristig die Gewinne der Unternehmer erhöht hätten, sondern auch der prozentuale Anteil der Zölle am Gesamtpreis gesunken wäre. Da in den USA die spezifischen Zölle - und nicht die Wertzölle - vorherrschend waren, hätte eine Verringerung der Deflation und die Förderung einer Inflation den Export von europäischen Waren nach Nordamerika erleichtert. Damit gab die Internationale Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise währungsund finanzpolitische Empfehlungen, die- soweit sie von den nationalen Zentralbanken und Regierungen aufgegriffen wurden - die Krise sogar eher verschärften, ohne daß sich die ICC der Wirkung ihrer Ratschläge auf diesem Gebiet bewußt war.

II. Anwendbarkeit Eine Reihe von Vorschlägen der Internationalen Handelskammer in der Zwischenkriegszeit zeigten somit erhebliche Schwachpunkte, die sogar von Vertretern aus ihren eigenen Reihen offengelegt wurden. Winthrop W. Aldrich wies beispielsweise auf einer Sitzung des Verwaltungsrats im Jahre 1938 darauf hin, daß die individuellen Bedürfnisse einzelner Länder im Rahmen der wirtschaftspolitischen 21 V gl. auch Barry Eichengreens praktische Vorschläge für ein besseres Finanzsystem. Siehe dazu Kaps, Vier praktische Vorschläge, in: Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom 2. März 1999, S.l8.

II. Anwendbarkeit

315

Empfehlungen der Internationalen Handelskammer nicht ausreichend Berücksichtigung fänden. Die Organisation könne daher keinen allgemein gültigen Lösungsweg für eine Milderung der Krise in allen Ländern aufzeigen, denn jeder Staat habe mit ganz spezifischen Wirtschaftsproblemen zu kämpfen: "They bad also considered the question of the gold standard, the Tripartite Agreement, the reopening of the lending markets, and exchange control, and bad asked themselves what could be done to adjust the present situation. These were very complex matters, and it was obvious that, in order to deal with them successfully, one must approach the difficulties of the different nations in different ways. It was impossible to lay down any rule for general application. " 22

Für eine kollektive, alle Staaten umfassende Lösung zollpolitischer Fragen hatte die Kammer aber ein ausreichendes Potential an sachverständiger Beratung gezeigt. Es wurde von den nationalen Regierungen aber nicht ausreichend genutzt. In der Zwischenkriegszeit fehlte der Internationalen Handelskammer ein staatliches, übernationales Exekutivorgan, um die Verwirklichung ihrer Beschlüsse zu forcieren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte aufgrund der Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 mit der Umorientierung der amerikanischen Außenhandelspolitik eine Bewegung von seiten der Staaten zur Förderung des Freihandels ein, die in der Gründung von Regierungsorganisationen, wie dem GATT im Jahre 1948 (heute WTO), ihren Höhepunkt fand. 23 Inwiefern die ICC bei dem Gründungsprozeß des GATT direkt oder indirekt eine Rolle gespielt hat, wäre eine interessante Frage, die es in der Forschung noch zu bearbeiten gilt. Wenig Beachtung schenkte die ICC den neu entwickelten Wirtschaftstheorien zu dieser Zeit. Dies betraf zum einen das keynesianische Konzept für eine Erhöhung kreditfinanzierter Staatsausgaben (deficit spending) - und zum anderen die von Ralph G. Hawtrey und lrving Fisher bereits Anfang der dreißiger Jahren propagierte Ausweitung der Geldmenge. 24 Eine Nichtberücksichtigung und nachlässige Prüfung von krisenmildemden Vorschlägen führender Wirtschaftstheoretiker in den dreißiger Jahren kann der Internationalen Handelskammer generell aber nicht vorgeworfen werden. Bester Beweis dafür ist die in Zusammenarbeit mit der CamegieStiftung entstandene Studie, in welcher bekannte Ökonomen der Zwischenkriegszeit handels- und währungspolitische Vorschläge zur Lösung der Weltwirtschaftskrise aufzeigten. 2s 22 HP: Document No.6710, 58th Meeting ofthe Council, October 21st 1938, S.S. Hervorhebung durch die Verfasserin. 23 Frühbrodt/Holtfrerich, Die Neugestaltung der US-Wirtschaftspolitik. 24 Sie machten sich bereits in der Zwischenkriegszeit das Prinzip zueigen, wonach niemals erst das Ende einer Krise abgewartet werden dürfe, um erst dann daran zu denken, wie man das System ausreichend stärken könne. Dieser Aspekt spielt auch für die Kritik am Internationalen Währungsfonds in der heutigen Zeit eine Rolle. Siehe IWF-Direktor Michel Camdessus, Die Programme des Internationalen Währungsfonds sind keine Freibriefe, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Juli 1998, S. l7. 25 Joint Committee on the Improvement, Separate Memorandum.

316

E. Fazit

Mit ihrem Plädoyer für ein ausgeglichenes Staatsbudget trug die Internationale Handelskammer auf dem Gebiet finanzpolitischer Empfehlungen nicht gerade zu einer Milderung der Weltwirtschaftskrise bei.26 Der Ratschlag der ICC stimmte auf diesem Feld aber mit der Politik der Regierungen überein: Die USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich waren seit Beginn der Krise um einen ausgeglichenen Staatshaushalt bemüht. In den USA änderte sich dieses wirtschaftspolitische Ziel mit der Einführung des ,,New Deal", in Deutschland mit der Bildung der nationalsozialistischen Regierung. Die Weltwirtschaft hätte dagegen in den dreißiger Jahren eine Initialzündung von seiten des Fiskus benötigt, die aber besser in den Infrastruktur- und öffentlichen Bauinvestitionen als in der Rüstungsindustrie wünschenswert gewesen wäre. Mit einer expansiven Ausgabenpolitik hätte der Staat im übrigen auch die geldpolitischen Fesseln lösen können, die in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen besonders in den USA und Deutschland zu negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum geführt hatten. Eine effektive Umsetzung der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer verlangte nicht nur nach Wegen einer expliziten und impliziten Einflußnahme auf die politische Ebene, sondern letztlich auch nach praktischen Schritten seitens der politischen Elite, denn "economic policy is framed in a politicized environment"27 • Die Regierungen waren zwar letztlich für den Kurs des Staatsschiffs zuständig; bei der Entscheidungsfindung wurden sie aber in erheblichen Maße von potentiellen Wirtschaftsinteressen beeinflußt (Public Choice Theorie). Auch die Einflußnahme der Mitglieder der Landesgruppen auf ihre jeweiligen Regierungen war häufig von kurzfristigen und eng definierten Interessen der jeweiligen Industrie geprägt; die innerhalb der ICC und auf ihren Kongressen erarbeiteten Positionen blieben mithin häufig nur Lippenbekenntnise. Aus wahltaktischem Kalkül konnten sich die Regierungen diesen Strömungen nicht entziehen. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise war folglich keine der nationalen Regierungen bereit, ihre kurzfristig angelegte, von Partikularinteressen einzelner Industriebranchen beeinflußte Wirtschafts-, Währungs- und Außenhandelspolitik für eine langfristige Verbesserung der ökonomischen Verhältnisse aller Staaten zu opfern; die handelspolitischen Empfehlungen der ICC hatten daher auf die Entscheidungen der Regierungen nur einen geringen Einfluß. Die Auswirkungen der wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Internationalen Handelskammer auf die Politik der Regierungen wurde zudem durch den Widerstand einzelner Nationalkomitees gemindert; 26 In der heutigen Zeit stößt die Empfehlung der Internationalen Handelskammer beim Harvard-Ökonom Martin Feldman insofern auf Resonanz, als daß er von einer unmittelbaren Interdependenz zwischen einem defizitären Staatshaushalt und einer passiven Handelsbilanz ausgeht. Danach sei das Handelsbilanzdefizit eindeutig Folge eines unausgeglichenen Staatsbudgets. Die Internationale Handelskammer sah in einem unausgeglichenen Staatshaushalt dagegen wohl eher die Gefahr eines steigenden Preis- und Zinsniveaus. 27 Eichengreen, Financial Architecture, S.4.

II. Anwendbarkeit

317

ihre Positionen standen den Beschlüssen des ICC-Verwaltungsrats oftmals entgegen. So unterstützte die Amerikanische Gruppe der ICC das Vorhaben der US-Regierung, die Schuldenfrage von der Tagesordnung des Washingtoner Kongresses 1931 zu streichen; ihre Haltung divergierte damit von derjenigen des deutschen Nationalkomitees und wich von der offiziellen Stellungnahme der Internationalen Handelskammer in Paris ab. Auch gegen die Empfehlung der ICC zum Abschluß von multilateralen Verträgen wandte sich die American Section. Das britische Nationalkomitee widersetzte sich den Ratschlägen der Internationalen Handelskammer in Paris, indem es sich gegen die Gründung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aussprach. Zusammen mit der französischen Landesgruppe lehnten die Briten die Anwendung der unbedingten Meistbegünstigungsklausel ab, wie sie von der ICC propagiert worden war, um ihre Privilegien, die sie im Handel mit den Kolonien und diversen Überseeterritorien genossen, nicht mit anderen Staaten teilen zu müssen. Nach Ansicht von Gerd Rardach mangelte es den politischen Entscheidungsträgem folglich weniger an theoretischer Einsicht in bezug auf ökonomische Zusammenhänge, sondern vielmehr an der Fähigkeit sich dem Druck von bestimmten Interessengruppen, die zum Teil auch aus den Reihen der ICC kamen, zu entziehen.28 Die Entscheidungen auf der Regierungsebene in der Zeit der Weltwirtschaftskrise sind letztlich vor dem Hintergrund eines effektiven Wirkens diverser wirtschaftlicher Interessengruppen zu verstehen (Public Choice Theorie). 29 Dabei konnten aber in der Regel homogene Partikularinteressen auf die Regierungen mehr Druck ausüben und sich viel erfolgreicher durchsetzen als eher allgemein formulierte Standpunkte, wie sie von der Internationalen Handelskammer in der Zeit der Weltwirtschaftskrise vertreten worden waren. Zudem war die Bereitschaft der politischen Elite in den USA, aus Fehlern, die im Zuge der Weltwirtschaftskrise gemacht worden waren, zu lernen, nicht eben groß: "American diplomats clung to their assumptions and policies after events had proved those tenets and procedures useless." 30 Als Grund für das inadäquate Handeln von seiten der Politiker nennt Robert H. Ferrell vor allem die rein juristische Ausbildung der Handlungsträger, die für eine angemessene Lösung der ökonomischen Probleme kein Verständnis aufbrachten.3 1 Die bürokratischen Regierungen in der Zeit der Weltwirtschaftskrise können folglich nicht als "lernende Organisationen" betrachtet werden, die schnell zum Umdenken bereit gewesen wären. "The failure of economic policy is relatively easy." 32 Nach Kindleberger wurde von den Regierungen ein falscher Weg zur Milderung der Krise eingeschlagen. Die Hardach, Weltmarktorientierung, S. 7. Meynaud, Groupes. Jones, Retaliation. 30 Ferrell, Diplomacy, S. 279. Jt Ferrell, Diplomacy, S. 279. 32 Kindleberger, World in Depression, S. 6. 28

29

318

E. Fazit

Durchsetzung einer ökonomisch adäquaten Lösung des Reparations- und interalliierten Schuldenproblems sei aber eher durch den beherrschenden Einfluß einer nationalistisch eingestellten Öffentlichkeit als durch mangelnde Wutschaftskenntnisse der politischen Elite unterbunden worden. Als klassisches Beispiel führt Kindleberger die gespaltene Haltung Amerikas zum internationalen Schuldenproblem an: Während die Präsidenten Hoover und Roosevelt auf eine Rückerstattung der interalliierten Schulden verzichten wollten, sei die Öffentlichkeit vehement für eine zeitgemäße Tilgung aller Verpflichtungen eingetreten.33 Die Debatte über einen möglichen Manövrierraum der politischen Elite in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ist immer noch nicht beendet.J4 Mitglieder der Internationalen Handelskammer schließen auch heutzutage nicht aus, daß eine existentielle Krise erneut zu protektionistischen Reaktionen wie in den dreißiger Jahren führen könnte. Als Grund wird angegeben, daß in einer solchen Situation der rational wirtschaftliche Mechanismus ausgeschaltet werde. Die Vernunft (global gesehen beste Lösung) weiche der Unvernunft (Verfolgung kurzfristig und eng definierter nationaler Interessen).35 Aus vergangenen Fehlern könne man jedoch lernen, meint W. Artbur Lewis und faßt treffend zusammen: "Each generation Iooks contemptously on the failures of its predecessors; it is for ours to show that it can leam also from their mistakes."36 Die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939 hat gezeigt, wieviel Schaden entsteht, wenn von den Regierungen eine ökonomisch falsche Politik verfolgt wird. Darunter sind vor allem die protektionistischen und währungspolitisch irrigen Maßnahmen zu verstehen, die von den Regierungen und Zentralbanken in der Zwischenkriegszeit ergriffen wurden. Paul Krugman rät für Krisenzeiten, "to give the economy the inflationary expectations it needs."37 Die Internationale Handelskammer übersah in den dreißiger Jahren, daß die Entwicklung der Geldmenge Ml bis M3 ein Mittel zur Milderung der Krise darstellte. Monetäre Impulse allein wären aber zur Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht in der Lage gewesen, die internationale Wirtschaft wiederzubeleben. Die Welt hätte vor allem auch einen Boom in der Exportwirtschaft gebraucht, um Rückkoppelungseffekte mit positiven Auswirkungen auf die Binnenwirtschaften zu erfahren. Erst die Errichtung von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen machte den ÜberKindleberger, World in Depression, S. 7. Auf die Entscheidungen der deutschen Regierung bezogen wurde dies in Kapitel C. ausgiebig diskutiert. 3s "Ich glaube, da kann auch ICC nicht mehr viel machen." Gespräch mit Herrn Dr. Herbert Oberhänsli vom 24. Februar 1998. Auf den machtvollen Einfluß von Interessengruppen in den USA, die sich für protektionistische Maßnahmen einsetzen, macht Paul Krugman aufmerksam. Krugman, Diminished, S. 123. 36 Lewis, Economic Survey, S. 201. 37 Paul Krugman, Japan's Trap, Working Paper, Cambridge Mass. 1998, S. 2 (fortan zitiert als Krugman, Trap). (Online Version: http://web.mit.edu/krugman/www/japtrap.html) 33

34

II. Anwendbarkeit

319

gang von einer Wirtschaftskrise zu einer Weltwirtschaftskrise aus. Die künstlichen Zollschranken verhinderten nämlich, daß der Markt aus eigenen Kräften heraus sein altes Gleichgewicht wiederfinden konnte. Es wurde daher neben der bisherigen finanz- und währungspolitischen Analyse eine handelspolitische Interpretation der Weltwirtschaftskrise herausgearbeitet und gezeigt, daß die Währungs- und Finanzpolitik für die Auslösung der "Großen Depression" eine entscheidende Rolle spielte während die Handelspolitik für ihre Länge ausschlaggebend war. 38 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß alle Regierungen bei der Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise versagten: Statt zu kooperieren, wie es die Internationale Handelskammer vorgeschlagen hatte, flüchteten sie sich in nationale Rettungsversuche und fügten mit ihrer "beggar-thy-neighbor"-Politik der Gesamtheit Schaden zu.39 Wolfram Fischer machte letztlich vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika für die sich verschlechtemden wirtschaftspolitischen Verhältnisse verantwortlich: "Ökonomisch wäre es Sache der amerikanischen Regierung, des Federal Reserve Systems, der New Yorker Bankiers und ihrer französischen und englischen Partner gewesen, das System aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln."40 Auch aufhandelspolitischem Gebiet waren die USA in der Zwischenkriegszeit noch nicht darauf vorbereitet, als "importer of last resort"41 zu agieren. Statt dessen trugen sie durch eine restriktive Zollgesetzgebung (Smoot-Hawley Tariff Act) zu einer Verschärfung der Krise bei.

38 Jude Wanniski sieht sogar den Auslöser für den Börsenkrach im Oktober 1929 in den Verhandlungen über das Smoot-Hawley-Zollgesetz im Senat. Wanniski, The Way, S. 136. 39 Für die USA unter Hoover siehe: Leffler, Elusive Quest, S. 363. 40 Fischer, Expansion, S. 206. 41 Eichengreen, Averting, S. 18.

Literaturverzeichnis I. Unveröffentlichte Quellen Gespräch am 24. Februar 1998 mit Herrn Dr. Herbert Oberhänsli, Assistant Vice President, Nestle S. A., Economic and International Relations in Vevey (Schweiz), Mitglied des Schweizer Nationalkomitees und persönlicher Referent von Helmut Maucher, Präsident der Internationalen Handelskammer von 1997 bis 1999. ICC Congress Business Declaration and Resolution delivered by ICC President Helmut 0. Maueherat the end ofthe 32nd ICC Congress in Shanghai 10 April1997. Preparing ICC for the 21st Century. Draft Dinner Address delivered by Herbert Oberhänsli, The Hague 28 October 1997.

1. Hauptsitz der Internationalen Handelskammer in Paris Protokolle von Verwaltungsrats- und Komiteesitzungen sowie Ergebnisse von Umfragen Document No. 3978 Document No. 4008 Document No.4099 Document No. 4204 Document No. 4580 Document No. 4649 Document No. 4785 Document No. 4797 Document No. 4897 Document No.5100 Document No. 5242 Document No. 5373 Document No. 5420 Document No. 6710

2. Archiv der Internationalen Handelskammer in Saint Denis (cadre reserve aLocarchives: A51919; code client: 625) Serie BIB 42: Document No. 3934 Document No. 3935

I. Unveröffentlichte Quellen Docurnent No. 3936 Docurnent No.4148 Docurnent No. 4597 Docurnent No.4863 Docurnent No. 5507 Vienna F.I.C. No. 3

Serie BIB 43: Brief von W. H . Coates an Owen Jones vorn 5. Oktober 1931 Docurnent No. 4016 Docurnent No. 4276 Docurnent No.4294 Docurnent No. 4593 Docurnent No.4599 bis Docurnent No. 4599 Docurnent No.4676 Docurnent No.4687 Docurnent No.4689 Docurnent No.4940 Docurnent No. 6427 Docurnent No. 6567 Docurnent No. 6583 Docurnent No. 6700

Serie BIB 44: Memorandum on the Organization of a Regime of European Federal Union. Docurnent No. 3893 Docurnent No. 4609 Docurnent No.4613 Docurnent No.4686 Docurnent No. 4688 Docurnent No. 4705 Docurnent No.4714 Docurnent No. 4750 Docurnent No.4865 Docurnent No. 5426 Docurnent No. 5432 Docurnent No. 6596 Docurnent No. 6654 Docurnent No. 6656 Docurnent No. 6685 Docurnent No.6710 Docurnent No. 8779 21 Rosengarten

321

322

Literaturverzeichnis

Serie 818 49: Document No. 4714

Serie 818 50: The Effect of the Economic Depression on the American Banking System. Address delivered by R. S. Hecht before the Internationale Bankers Conference, Paris June 27th, 1936. Document No. 6216 Document No. 6219 Document No. 6253

3. Völkerbundsarchiv in Genf R 2726/lOC/479/479 R 2727/lOC/2968/578 R 2729/lOC/20810/578 R 2756/lOC/33832/13293 R 4348/lOA/36211/357 R 4351/lOA/1255/415 R 4399/10N22777/2822 R 4399/lOA/37460/2822 R 4421/10Nl3855/11803 R 4641/lOD/1129/416

4. Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten Reichswirtschaftskammer R 11/1353 Reichswirtschaftskammer R 11/1354 Reichswirtschaftskammer R 11/1359 Reichswirtschaftskammer R 11/1360

5. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Reichskanzlei R431/1171 Reichskanzlei R43 11/324 a Reichskanzlei R43 11/327 Reichswirtschaftsministerium R 401/1522 Reichswirtschaftsministerium R 401/1586 Reichswirtschaftsministerium R 3101/1985 Reichswirtschaftsministerium R 3101/1986

I. Unveröffentlichte Quellen

6. Public Record Office/Kew (= PRO) BT 209n6o (Board ofTrade) CAB 24/216 (Cabinet) CAB 58/150-151 FO 371/15139 (Foreign Office) FO 371/15214 FO 371/15215 FO 371/15680 FO 371/15681 FO 371/15682 FO 371/15683 T 172/1315 (Treasury) T 172/1889

7. Ministere des Affaires Etrangeres in Paris/ Archives Diplomatiques ( =AD) Serie: Relations Commerciales 1920-1940: B-Offices lnternationaux 3 B-Offices Internationaux 4 B-Offices Internationaux 5 B-Inforrnation Economique 31 B-Inforrnation Economique 32 B-Inforrnation Economique 33 B-Inforrnation Economique 34 B-Inforrnation Economique 44 B-Inforrnation Economique 46 B-Inforrnation Economique 47 B-Affaires Douanieres 12 B-Affaires Douanieres 24 B-Affaires Douanieres 29

8. Franktin D. Roosevelt Library in New York (= FDR) President's Official File 273 International Chamber of Commerce. President's Personal File 2975 International Chamber of Commerce. Winant Papers Box 173 International Chamber of Commerce. 2!•

323

324

Literaturverzeichnis

9. Herbert Hoover Presidential Library in West Branch (= HHL) Individual File, Henry M.Robinson 1929-1933, Box No.l059. Individual File, Owen D. Young 1930, Box No.l067. Presidential File, Julius Bames 1929-32, Box No.429. Presidential Papers, Foreign Affairs, International Chamber of Commerce 1929-31, Box No.l017. Presidential Papers, Foreign Affairs, International Chamber of Commerce 1931-32, Box No.1017. Presidential Papers, Personal File, Thomas Lamont 1929-32, Box No.l049. Presidential Secretary File, Silas H.Strawn 1929-33, Box No.890. Presidential Subject, International Chamber of Commerce, Box No.l77. Report of Subcommittee of American Section. International Chamber of Commerce on Thirty Years of Europe- United States Trade.

10. National Archives Washington D. C.J Haus I (=NA I) Records of the US House of Representatives, 73rd Congress, Committee Papers, Committee on Ways and Means HR 73A-F28.2. Records of the US House of Representatives, 73rd Congress, Petitions and Memorials, Committee on Ways and Means HR 73A-H21.19-20. Records of the US House of Representatives, 73rd Congress, Petitions and Memorials Committee on Ways and Means HR 73A-H21.21. Records of the US Senate 71 st Congress, HR 2667 bis HR 2828, Box 74. Records of the US Senate 7lst Congress, HR 2667 bis HR 2828, Box 75. Records of the US Senate 7lst Congress, HR 2667 bis HR 2828, Box 80.

11. National Archives Maryland/ Haus II (=NA II) Correspondence of the Office of the Treasury/Central File of the Office of the Secretary of the Treasury 1917-32. ICC 1931-32, Box 93. Correspondence of the State Departrnent, Decimal File 1930--1939, RG No. 59, Stack Area 250. Records of the Bureau of Foreign and Domestic Commerce, General Records 1914-1958, Comrnercial Organizations Abroad- ICC 1919-1921. Records of the Bureau of Foreign and Domestic Commerce, General Records 1914-1958, Comrnercial Organizations Abroad- ICC 1929-1930. Records of the Bureau of Foreign and Domestic Comrnerce, General Records 1914-1958, Comrnercial Organizations Abroad- ICC 1932-1935.

II. Veröffentlichte Quellen

325

Records of the Bureau of Foreign and Domestic Commerce, General Records 1914-1958, Commercial Organizations Abroad- ICC 1936-1939. Records of the Federal Reserve System, Boards of Governors, Central Subject File 1913-54, Arnerican Bankers Association 1916-1938. Secretary's File, Department of the Treasury, Box No. 67, 1919-1933. Secretary's File, Department ofthe Treasury, Box No.67, 1936-1939.

II. Veröffentlichte Quellen Der VIII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 (1935). Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-45. Aus dem Archiv des Auswärtigen Amts, Serie B: 1925-1933, Bd.XV, 1. Mai bis 30. September 1930, Göttingen 1980.

Aldrich, Winthrop W., The Reciprocal Tariff Policy and the Proposed Govemrnent Spending Programme, Washington D.C. 1938. -

Währung und Wirtschaft. Bemühungen um eine internationale Währungsordnung, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939), S.15-25.

Anderson, Alan Garrett, Das Problem der Schuldentilgung. Gläubiger- und Schuldnerländer in der Weltkrise, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S. 13/14. Annuaire Statistique. Statistique g~nerale de Ia France, Paris 1939. Die Arbeit des Camegie/IHK-Ausschusses. Das Problem der Währungsstabilisierung, in: Internationale Wirtschaft 9 (1936), S. 4-6. Die Arbeit der IHK. 57. Verwaltungsratssitzung, in: Internationale Wirtschaft 4 (1938), S.12-14. Die Arbeit der IHK. 58. Verwaltungsratssitzung, in: Internationale Wirtschaft 5 (1938), S. 10-13.

Arnaud, Rene, Genf und der Zollfriede, in: Internationale Wirtschaft 4 (1929), S. 592-597. Die Aussichten des Welthandels. Ein Interview mit Dr. Otto Christian Fischer, in: Internationale Wirtschaft 6 (1934), S. 3-5. Die Auswirkungen der Währungsabwertung, in: Internationale Wirtschaft 6 (1936), S. 7-12. Autarkie oder Weltwirtschaft, in: Internationale Wirtschaft 7 (1933), S. 3-4.

Bacher, Edward L., Zollvorschriften und Zolltarif in den Vereinigten Staaten, in: Internationale Wirtschaft 11 (1931), S. 287-298. Barton, Richard, Methoden der Wertbestimmung bei ad valorem-Zöllen, in: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Unsichtbare Handelshemmnisse, Drucksache Nr. 10, Berliner Kongreß 1937, S. 8-12. Basch, Antonin, Memorandum on the Prozen Credit Problem in Central Europe, in: Joint Committee on the Improvement, S. 332-337. Baudhuin, Fernand, New Trends in World Trade and Commercial Policy, Drucksache Nr. 2, Kopenhagener Kongreß 1939.

326

Literaturverzeichnis

Bericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer zur allgerneinen Lage der Wirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer I (1931).

Boehler, Eugen, Memorandum on Exchange Stabilization, in: Joint Cornrnittee on the Improvement, S. 178-186. -

Memorandum on the Technical Long Term Factors in the Trade, in: Joint Comrnittee on the Improvement, S.l3-23.

Booms, Hans/Erdmann, Kar! Dietrich (Hrsg.), Die Kabinette Brüning I und II. 30. März 1930 bis 10. Oktober 1931 und 10. Oktober 1931 bis I. Juni 1932, VoLl, Boppard am Rhein 1982. Booms, Hans/Erdrnann, Kar! Dietrich (Hrsg.), Die Kabinette Brüning I und II. 30. März 1930 bis 10. Oktober 1931 und 10. Oktober 1931 bis I. Juni 1932, Vol. 3, Boppard am Rhein 1990. Borchardt, Knut/Schötz, Otto (Hrsg.), Wirtschaftspolitik in der Krise. Die (Geheirn-)Konferenz der Friedrich List-Gesellschaft im September 1931 über Möglichkeiten und Folgen einer Kreditausweitung, Baden-Baden 1991 . Brüning, Heinrich, Memoiren 1918-1934, Stuttgart 1970. Cassel, Gustav, Subventions de l'Etat au Comrnerce, Stockholm 1927. Chambre de Comrnerce Internationale (Hrsg.), Congres Constitutif, Paris 1920. Chambre de Comrnerce Internationale (Hrsg.), L'Organisation de Ia Production, Docurnent No. 5, Congres de Paris 1935. Chambre de Comrnerce Internationale (Hrsg.), Problemes Monetaires, Document No.3, Congres de Paris 1935. Chambre de Comrnerce Internationale (Hrsg.), Resolutions Adoptees et Resolutions Renvoyees. Pour Examen au Conseil d' AdministrationparIa Chambre de Comrnerce Internationale ?t son Conges Constitutif Tenu ?t Paris du 23 au 30 Juin 1920. Chambre de Comrnerce Internationale (Hrsg.), Troisieme Congres, Bruxelles 21-27 Juin 1925, Seances de Groupe, Brochure No.43. Chambre de Comrnerce Internationale (Hrsg.), Troisieme Congres, Bruxelles 21-27 Juin 1925, Seances Plenieres, Brochure No. 42.

Condliffe, J. B., Die Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur, Drucksache Nr. I, Kopenhagener Kongreß 1939. Congressional Record, Proceedings and Debates of the Second Session of the Seventy-First Congress of the United States of America, Volurne LXXII, Part I 0, June 9th, 1930, to June 21st, 1930, Washington D.C. 1930.

Conte, Roger, Wirtschaftliche Annäherung der Völker, in: Internationale Wirtschaft 5 (1930), S.l6-28. Departrnent of State (Hrsg.), Radio Address by Francis B. Sayre, Washington D. C. 1934. Der Buropaplan Briands vom I. Mai 1930, in: Europa-Archiv 4 (1949), S. 2435-2440.

Dernburg, Bernhard, Das Niveau der Preise und die Ursachen, die es beeinfiussen, Drucksache Nr.ll, Washingtoner Kongreß 1931.

II. Veröffentlichte Quellen

327

Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Bericht über die Tagung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin 1934. Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Bericht über die Tagung des Beirats der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin Januar 1936. Endgültiger Bericht des Ausschusses zur Beseitigung der Handelshemmnisse für den Stockholmer Kongreß, Drucksache der Internationalen Handelskammer Nr. 45, 1927. Federal Reserve Board (Hrsg.), Annual Reports of the Federal Reserve Board Covering Operations, Washington D. C.

Fischer, Christian, Die staatliche Bankaufsicht (Dokumente der Internationalen Handelskammer Nr. 2), Basel und Leipzig 1939.

Flach, H., Die Nationalität der Ware, in: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Unsichtbare Handelshemrnnisse, Drucksache Nr.lO, Berliner Kongreß 1939, S.5-8.

Fougere, Etienne, Über das Prinzip der Gegenseitigkeit in der Handelspolitik, in: Internationale Wirtschaft 9 (1934), S. 3/4.

Fraser, Leon, Was bedeutet Zusammenarbeit der Zentralbanken?, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S.19-21. Der fünfte Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (1930).

Gerard, Gustave, Die Anwendung des Kontingentsystems, in: Internationale Handelskammer (Hrsg.), Unsichtbare Handelshemrnnisse, Drucksache Nr. 10, Berliner Kongreß 1937, S.2-5. Geschäftsbericht umfassend die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1930, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (1931). Die GoldklauseL Die Entscheidung des House ofLords, in: Internationale Wirtschaft 1 (1934), S.6-7. Goldstandard und Aussenhandel, in: Internationale Wirtschaft 8 (1934), S.l/2.

Gregory, Theodor Emanuel, Comments on New Technical Arguments for Postponing Stabilization, in: Joint Committee on the lmprovement, S.164-177. -

Gegenwartsprobleme der Währungspolitik, Drucksache Nr. 2, Berliner Kongreß 1937.

-

Währungsstabilisierung und wirtschaftliche Wiedergesundung, Broschüre Nr. 4, Pariser Kongreß 1935.

Hall, N. F./Barger, Harold, Die Auswirkungen der Währungsabwertung, in: Internationale Wirtschaft 5 (1936), S. 7-9. Handelsförderung und Marktgesundung. Die Rolle der internationalen Industriekartelle, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939), S. 14/15. Hearings Before the Committee on Ways and Means House of Representatives, Seventy-Second Congress, First Session, Washington D. C. 1932.

Hickmann, Ernst/Rieker, Karlheinrich (Hrsg.), Statistisches Handbuch des deutschen und internationalen Außenhandels 1936, Berlin 1936.

Hoover, Herbert, Memoiren, Die große Wirtschaftskrise 1929-1941, Bd. 3, Mainz o. J. House of Commons, Parliamentary Debates 1930-31, Vol. 256, London 1931.

328

Literaturverzeichnis

House of Commons, Parliamentary Debates 1932-33, Vol. 275, London 1933. International Chamber of Commerce (Hrsg.), Business Conditions at the Present Time, Paris 1930. International Chamber of Commerce (Hrsg. ), Brochures. International Chamber of Commerce (Hrsg.), The Existing Economic Crisis. Supplement to World Trade, January 1931. International Chamber of Commerce (Hrsg. ), Working Committees, Paris 1939. International ChamberofCommerce/British National Committee (Hrsg.), Annual Meetings of the British National Committee. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), Double Taxation, London 1938. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg. ), General Meeting of the British National Committee, 16th October 1929, London 1929. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), The International Chamber of Commerce. Its Organisation and Activities, London 1933. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), Report of the Provisional Planning Sub-Committee on the Proposed British Distribution Committee, London 1933. International Chamber of Commerce/British National Committee (Hrsg.), Some Considerations of the United States of Europe and other possible Economic Groups. An Independent Study Prepared for the Information and Consideration of the British National Committee, London 1930. International Chamber of Commerce/United States Associates (Hrsg.), Simplifying US Customs Procedures. A Report of the Committee on Customs Technique, New York 1949. International Chamber of Commerce/US Council (Hrsg.), GATT. An Analysis and Appraisal of the General Agreement on Tariffs and Trade, New York 1955. International Chamber of Commerce/US Council (Hrsg.), Statement of Position on the Havanna Charter for an ITO, New York 1950. Die Internationale Handelskammer, Paris I934. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Amsterdamer Kongress (8.-13. Juli 1929) Beschlüsse, in: Ergänzungsheft Nr.l zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Ausnahmen von der Meistbegünstigung. Antworten der Landesgruppen und Memorandum zum Bericht von Richard Riedl, Washingtoner Kongreß 1931. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Bericht über Handelspolitik und Handelshemmnisse, Ergänzungsheft zur Internationalen Wirtschaft 7 (1930). Internationale Handelskammer (Hrsg.), Drucksachen. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Die Wirtschaftslage. Berichte der Landesgruppen, Washington-Kongreß 1931. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Sitzungen und Arbeiten des Kongresses in Amsterdam Juli 1929, in: Ergänzungsheft Nr. 2 zur Internationalen Wirtschaft, Oktober 1929.

II. Veröffentlichte Quellen

329

Internationale Handelskammer (Hrsg.), Verrechnungs- und Zahlungsabkommen, Stuttgart und Basel1944. Internationale Handelskammer (Hrsg.), Wirtschaftliche Entwicklung. Statistische Angaben, Paris 1937. Die Internationale Handelskammer und die Weltwirtschaftskrise. Sitzung des Verwaltungsrats der IHK, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 5 (1930). Internationale Kartelle im Wandel der Zeiten, in: Internationale Kartelle 2 (1939), S. l-4. Der internationale Kreditverkehr, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939), S. 19-21. Internationale Zahlungsbilanzen. Lage der Länder mit Goldwährung und derjenigen mit Papierwährung, in: Internationale Wirtschaft 1 (1934), S. 8-9. Jahresbericht der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1996. Joint Committee Camegie Endowment- International Chamber of Commerce (Hrsg.), Separate Memoranda from the Economists Consulted by the Joint Committee on the Improvement of Commercial Relations Between Nations and the Problems of Monetary Stabilization, Paris 19362. Kann man ohne Goldstandard auskommen? Ein Interview über die Goldfrage mit Robert Masson, in: Internationale Wirtschaft 1 (1931), S. 7/8. Keppel, Frederick P., The International Chamber of Commerce, New York 1922. Kongress der Weltwirtschaft in Washington, in: Internationale Wirtschaft 11 ( 1931 ), S.327-334. Kontingentsbewirtschaftung. Die Richtlinien der IHK, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939), S.22-24. Koppe, Fritz, Genfer Doppelbesteuerungskonferenz und Internationale Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 ( 1930). League of Nations (Hrsg.), Balances of Payments, Genf. League of Nations (Hrsg.), The Commercial Policy in the Interwar Period: International Proposals and National Policies, Genf 1942. League of Nations (Hrsg.), The Course and Phases of the World Economic Depression. Report presented to the Assembly of the League of Nations, Genf 1931. League of Nations (Hrsg.), Europe's Trade. A Study of European Countries with Each Other and with the Rest of the World, Genf 1941. League of Nations (Hrsg.), Final Report of the Trade Barriers Committee of the International Chamber of Commerce (C.E.I.5(1)), Genf 1927. League of Nations (Hrsg.), Industrialization and Foreign Trade, Genf 1945. League of Nations (Hrsg.), International Capital Movements During the Inter-War Period, Genf 1949. League of Nations (Hrsg.), International Currency Experience. Lessons of the Inter-War Period, Genf 1944. League of Nations (Hrsg.), The Network of World Trade. A Companion Volume to .,Europe's Trade", Genf 1942.

330

Literaturverzeichnis

League of Nations (Hrsg.), Les Plans de Reconstruction Etablis par Ia Soci~t~ des Nations entre !es Deux Guerres, Genf 1945. League of Nations (Hrsg.), Review of World Trade, Genf. League of Nations (Hrsg.), Statistical Year-Book of the League of Nations, Genf. League of Nations (Hrsg.), Tariff Level Indices (C.E.I. 37), Genf 1927. League of Nations (Hrsg.), Trade Relations Between Free-Market and Controlled Economies, Genf 1943. League ofNations (Hrsg.), World Economic Survey.

Maizels, Alfred, lndustrial Growth and World Trade. An Empirical Study ofTrends in Production, Consumption and Trade in Mannfactures from 1899-1959 with Discussion ofProbable Future Trends, Cambridge 1963. Mariaux, Franz (Hrsg.), Paul Silverberg. Reden und Schriften, Köln 1951. Mendelssohn, Franz von, Das Handelskammerwesen in nationaler und internationaler Beziehung, in: Internationale Wirtschaft 6 (1930), S.105-111. -

Der neue Präsident der IHK über ihre Aufgabe in der Weltkrise, in: Internationale Wirtschaft 11 (1931), S.245-246.

Menken, Jules, Arbeiten und Ziele des Internationalen Ausschusses für AbsatzotXanisation, Drucksache Nr. 5, Wiener Kongreß 1933. Meyer, Alois, Kartelle und Krise. Industrievereinbarungen als Mittel zur Sicherung der Wirtschaftsstabilität, in: Internationale Wirtschaft 6 (1937), S. 72-74. Meyer, Aloys, Das Problem der hohen Löhne, Drucksache Nr. 23, Washingtoner Kongreß 1931. Mises, Ludwig von, Memorandum on Exchange Stabilization and the Problem of Interna! Planning, in: Joint Committee on the Improvement, S.187-190. Mitchell, Brian R., International Historical Statistics. Europe 1750--1988, New York 19923. -

International Historical Statistics. The Arnericas 1750--1989, New York 19932 •

Mlynarski, Feliks, Memorandum on the Production and Distribution of Gold, in: Joint Committee on the Irnprovement, S. 304-317. Naudin, Paul, Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Einfuhrkontingentierung, Drucksache Nr.4, Kopenhagener Kongreß 1939. Neue Handelspolitik, in: Internationale Wirtschaft 9 (1935), S.1/2.

Nicolaides, M.-G., L'Utilit~ de Ia cr~ation de Ia Banque des Reglements Internationaux, Paris 1929. Öffentliche und private Emissionen während der Krise, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S. 15. Offizielle Sitzungsberichte der Kongresse der Internationalen Handelskammer, in: Internationale Wirtschaft. Die Organisation und die Aufgabe der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Internationalen Handelskammer 16 (1928). Österreichisches Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Übersicht über die europäischen Handelsverträge, Wien 1927.

li. Veröffentlichte Quellen

331

Österreichisches Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer (Hrsg.), Zollhöhe und Warenwerte. Eine vergleichende Studie über die Höhe der Zollbelastung für 402 Waren in 14 europäischen Staaten, Wien 1927. Der Pariser Kongress in der Weltpresse, in: Internationale Wirtschaft 7 (1935), S. 7/8. Pasvolsky, Leo, Comments on the Improvement of Commercial Relations Between Nations, in: Joint Committee on the Improvement, S. 73-79. -

Die wirtschaftlichen Grundbedingungen eines internationalen Währungssystems, in: Internationale Wirtschaft 5 (1933), S. 6-8.

-

Memorandum on the Foreign Exchange Problems in the United States, in: Joint Committee on the Improvement, S.l91-208.

-

Memorandum on the Technique of Present-Day Protectionism, in: Joint Committee on the Improvement, S. 40-52.

Predöhl, Andreas, Comments on the Improvement ofCommercial Relations Between Nations, in: Joint Committee on the Improvement, S. 92-100. Predöhl, Andreas, Memorandum on the Experiences of Countries Applying Foreign Exchange Control, in: Joint Committee on the Improvement, S. 244- 273. Public Papers of the Presidents of the United States, Herbert Hoover. Containing the Public Messages, Speeches and Statements of the President March 4 to December 31, 1929, Washington D. C. 1974. Public Papers of the Presidents of the United States, Herbert Hoover. Containing the Public Messages, Speeches and Statements ofthe President January 1 to December 31, 1931, WashingtonD.C. 1976. Rede von Fred I. Kent, Director of the Bankers Trust Co., in: Hearings Before the Committee on Banking and Currency United Staates Senate. Operation of the Nationaland Federal Reserve Banking Systems, 72d Congress, Ist Session on 5.4115, Part 2, Washington D. C. 1932, s. 508-533. Rede von Melvin A. Traylor, President of the First National Bank of Chicago, in: Hearings Before the Subcommittee of the Committee on Manufactures United States Senate. Establishment of National Economic Council, 72d Congress, Ist Session on S.6215, Washington D. C. 1932, S. 663-675. Reichert, J. W., Dieneuere Kartellgesetzgebung in Europa, in: Internationale Kartelle 1 (1939), s. 9-11. Report of the Committee of Experts submitted June 26, 1936 to the two Presidents of the Joint Committee, in: Joint Committee on the lmprovement, S. 385-403. Ried/, Richard, Ausnahmen von der Meistbegünstigung, hrsg. v. Internationale Handelskammer, Drucksache Nr.l2, Wien 1931. -

Kollektivvertrag über die Begrenzung der Zollhöhe und die Gewährung gegenseitiger Meistbegünstigung. Bericht erstattet im Namen des Österreichischen Komitees der Kommission zur Behebung der Hindernisse des Handels, Wien 1927.

Rio, Virgilio del, Banken und Börsen, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939), S. 37-40. Rist, Charles, Comments on the Past and Future ofthe Most Nation Favoured Clause in its Limited and Unlimited Forms, in: Joint Committee on the Improvement, S. IOI- 112.

332

Literaturverzeichnis

Robbins, Lionel, Memorandum on the Fundamental Reasons for Increased Protectionism, in: Joint Committee on the Improvement, S. 24-39. Die Sachverständigen-Gutachten von Dawes und McKenna nebst allen Anlagen, Berlin 1924.

Salter, Arthur, Memoirs of a Public Servant, Lodon 1961. Satzung der Internationalen Handelskammer, angenommen auf der Gründungsversammlung zu Parisam 24. Juni 1920, geändert und ergänzt auf den Tagungen in London (192I), Rom (1923), Brüssel (1925) und Stockholm (I927), Berlin I928. Satzung und Geschäftsordnung der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Berlin I928.

Schneider, Eugene, Le voyage des missions economiques des pays alli6s aux Etats-Uniset le Congres d'Atlantic-City Octobre-Novembre 19I9, Paris I920. Senate Document No.24, 7Ist Congress, Ist Session, Serial9I25. Senate Document No. 32, 7Ist Congress, Ist Session, Serial9125. Senate Document No.I66, 7Ist Congress 2d Session, TariffAct of I930, Washington D. C. I930. Der VII. Kongreß der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (I933). Session on H.R. I399, Washington D.C. I933, S.90-110. Silas H. Strawn on Depreciated Currencies and the USA. Tariff, in: World Trade I (I933), S. 8. Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (I93I). Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 2 (I933). Sitzung des Verwaltungsrats der Internationalen Handelskammer, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 4 (I932). Soci6t6 des Nations (Hrsg.), Statistiques du Commerce Internationali938, Genf I939. Statement of Henry M. Robinson, Chairman of the Board, Security-First National Bank, in: Hearings Before the Committee on Banking and Currency United States Senate. Operation of the National and Federal Reserve Banking Systems, 7Ist Congress, 3rd Session pursuant toS. Res. 7I, Washington D. C. I93I, S. 323-351. Statement of James A. Farrell, Representing the Chamber of Commerce of the United States, in: Hearings Before a Subcommittee of the Committee on Ways and Means House of Representatives. Equalization of Tariff Duties by Compensating for Depreciation of Foreign Currencies, 72d Congress, 2d Statement of Melvin W. Traylor, in: Hearings Before the Committee on Banking and Currency United States Senate. Operation ofthe Nationaland Federal Reserve Banking System, 7Ist Congress, 3rd Session pursuant to S.Res. 7I, Washington D.C. I931, S. 395-4I3. Statement ofMitchell B.Carroll on Behalf ofthe Double Taxation Committee ofthe American Section of the International Chamber of Commerce, in: Hearings Before the Committee on Finance United States Senate. Revenue Act of I934, 73rd Congress, 2d Session on H.R. 7835, Washington D. C. I934, S.217-231.

II. Veröffentlichte Quellen

333

Statement of Winthrop W. Aldrich, President of the Chase National Bank in New York, in: Hearings Before the Committee on Finance United States Senate. Investigation of Economic Problems, 72d Congress, 2d Session pursuant toS. Res. 315, Washington D. C. 1933, S.521-564. Statistisches Reichsamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich. Steigender Protektionismus- fallende Produktion, in: Internationale Wirtschaft 6 (1934), S.1-2. TariffReadjustment-1929. Hearings Before the Committee on Ways and Means House ofRepresentatives. Seventh Congress, Second Session, Vol. II, Schedule 2, Washington D. C. 1929. Trendelenburg, Ernst P. A., Handelshemmnisse, in: Internationale Wirtschaft 4 (1929), S.578-587. United Nations Economic Commission for Europe (Hrsg.), Growth and Stagnation in the European Economy, Genf 1954. US Department of Commerce. Bureau of Census (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1957, Washington D.C. 1960. US Department of Commerce. Bureau of Census (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1970, Washington D.C. 1975. United States Tariff Commission (Hrsg.), Ad Valorern Tariff Rates in Certain European Countries and the United States, 71st Congress, 1st Session, Senate Document No. 32, Washington D.C. 1929. United States Tariff Commission (Hrsg.), Changes in Import Duties Since the Passage of the TariffAct of 1930, Washington D.C. 1939. United States Tariff Commission (Hrsg.), Computed Duties and Equivalent and Ad Valorern Rates on Imports into the United States from Principal Countries 1929 and 1931, Washington D. C. 1931. United States Tariff Commission (Hrsg.), Economic Analysis of Foreign Trade of the United States in Relation to the Tariff, Sen. Doc. No.I80, 72d Congress, 2d Session, Washington D.C. 1933. United States Tariff Commission (Hrsg.), Importsinto the United States from Principal Countries. Showing for Each Country Values and Percentage Dutiable Computed Duties and Equivalent Ad Valorern Rates by Commodity Groups and Principal Articles, Washington D.C. 1931. United States Tariff Commission (Hrsg.), The Influence of Reductions in Rates of Duty Made by Reciprocal Trade Agreements up to November 1939 on the Average ad Valorern Equivalents, Computed on the Basis of Imports in 1937, Washington D. C. 19402. United States Tariff Commission (Hrsg.), Regulation of Duties to Value of Imports, 72d Congress, Ist Session, Senate Document No. 91, Washington D. C. 1932. United States TariffCommission (Hrsg.), Regulation ofTariffs in Foreign Countries by Administrative Action, Washington D. C. 1932. United States TariffCommission (Hrsg.), Regulation ofTariffs in Foreign Countries by Administrative Action, Washington D. C. 19342•

334

Literaturverzeichnis

United States Tariff Commission (Hrsg.), Tariff Preference in Great Britain and British Possessions, 71st Congress 1st Session, Senate Document No. 31, Washington D. C. 1929. United States Tariff Commission (Hrsg.), The Tariffand lts History, Washington D. C. 1934. Vasseur, Pierre, Möglichkeiten der Internationalen Handelskammer, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S. 33-35. Der Verrechnungsverkehr im Welthandel, in: Internationale Wirtschaft 1 (1939), S.l2-13. Verwaltungsrat der IHK, in: Internationale Wirtschaft 10 (1935), S.5. Die Verwaltungsratssitzung der I.H.K. am 11. März 1932, in: Internationale Wirtschaft 3 (1932). Viner, Jacob, Comments on the Improvement of Commercial Relations Between Nations, in: Joint Committee on the Improvement, S. 80-91. -

Memorandum on the Technique of Present-Day Protectionism, in: Joint Committee on the lmprovement, S. 53-72.

Vlissingen, Fentener van, Das amerikanische Handelsvertragsprogramm. ,,Ein wirksamer Angriff gegen die Handelshemmnisse", in: Internationale Wirtschaft 3/4 (1937), S.6-8. -

Die Förderung des internationalen Güteraustausches, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939), s. 6-14.

-

Die Weltwirtschaftskrise und ihre Bekämpfung, in: Internationale Wirtschaft 10 (1935), S.6-8.

-

Für die Wiederbelebung des Welthandels, Broschüre Nr. l, Pariser Kongreß 1935.

Vlissingen, Frederick Fentener van, Wirtschaft von Heute, Broschüre Nr. 2, Pariser Kongreß 1935. Wallenberg, Marcus, Internationale Wlihrungsprobleme. Ein Überblick über die jüngste Entwicklung, Drucksache Nr. 3, Kopenhagener Kongreß 1939. Watson, Thomas J., Weltfrieden durch Welthandel, in: Internationale Wirtschaft 2 (1939), S.3/4. Weltwirtschaft und Weltwirtschaftskonferenz, in: Internationale Wirtschaft 5 (1933), S. 9-10. Weltwirtschaftlicher Wiederautbau. Professor Ohlin über die Zukunft des Welthandels, in: Internationale Wirtschaft 9 (1936), S.15-17. Der Weg zur Stabilisierung, in: Internationale Wirtschaft 5 (1934), S.l/2. Die Welthandelskurve, in: Internationale Wirtschaft 5 (1932), S. 2. Wirtschaftliches Denken und Wirtschaftliches Wollen. Betrachtungen zum Pariser Kongress der IHK, in: Internationale Wirtschaft 7 (1935), S. 3-7. Woytinsky, Wladimir S./Woytinsky, E. S., World Commerce and Govemments. Trendsand Outlooks, New York 1955. Woytinsky, Wladimir S./Woytinsky, E. S., World Population and Production. Trends and Outlook, New York 1953. Der Zehnte Kongress der Internationalen Handelskammer, Kopenhagen 26. Juni- 1. Juli 1939, in: Internationale Wirtschaft 4 (I 939). Zolltechnische Fragen, in: Internationale Wirtschaft 4 (1936), S. 3-4. Die Zukunft des Kontingentssystems, in: Internationale Wirtschaft 9 (1934), S. 1/2.

IV. Sekundärliteratur

335

Zur Wiederherstellung der Weltwirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer 1 (1932).

111. Zeitungen The Economist Financial Times Frankfurter Allgemeine Zeitung Handelsblatt International Herald Tribune Manager Magazin Neue Zürcher Zeitung Wirtschaftswoche

IV. Sekundärliteratur Abelshausen, Wemer, Inflation und Stabilisierung. Zum Problem ihrer makroökonomischen Auswirkungen auf die Rekonstruktion der deutschen Wirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg, in: Otto Büsch/Gerald Feldman (Hrsg.), Historische Prozesse der deutschen Inflation 1914 bis 1924. Ein Tagungsbericht, (Einzelveröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin, Bd.21), Berlin 1978, S. 161-174. Abelshausen, Wemer/Petzina, Dietmar, Krise und Rekonstruktion. Zur Interpretation der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im 20. Jahrhundert, in: Schröder/Spree, Historische Konjunkturforschung, S. 75...:.114. Albers, Willi, Finanzpolitik in der Depression und in der Vollbeschäftigung, in: Deutsche Bundesbank, Währung und Wirtschaft, S. 331-365. Aldcroft, Derek H., The European Economy 1914-1990, London 19933. -

The Inter-War Economy: Britain, 1919-1939, London 1970.

-

Studies in the Interwar European Economy, Adlershot 1997.

-

Die zwanziger Jahre. Von Versailles zur WallStreet 1919-1929, (Geschichte der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert Bd. 3), München 1978.

Alexandrowicz, Charles A., International Economic Organisation, London 1952. Al/ais, Maurice, ARestatement of the Quantity Theory of Money, in: The American Economic Review 56 (1966), S.l123-1157. Amery, Leopold Stennett, My Political Life, Vol. 111: The Unforgiving Years 1929-40, London 1955. Anderson, Gary M.!Shughart, William F./Tollison, Robert D., A Public Choice Theory of the Great Contraction, in: Public Choice 59 (1988), S.3-23. Argoud, Jean, La Banque des Reglements Intemationaux dans le cadre de l'Economie Mondiale, Paris 1931. Balderston, Theo, The Origins and Course oftheGerman Economic Crisis. November 1923 to May 1932, Berlin 1993.

336

Literaturverzeichnis

Barber, William J., Govemment as a Laboratory for Economic Leaming in the Years of Democratic Roosevelt, in: Mary 0. Fumer(Hrsg.), The State and Economic Knowledge. The American and British Experiences, Cambridge 1990, 5.44-56. Basevi, Giorgio, The United States Tariff Structure: Estimates of Effective Rates of Protection of United States Industriesand Industrial Labor, in: Review ofEconomics and Statistics 48 (1966), 5.147-160. Becker, Josef/Hildebrand, Klaus (Hrsg.), Internationale Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise 1929-1933, München 1980. Bennett, Edward W., Germany and the Diplomacy of the Financial Crisis, 1931, Harvard 1962. Berend, Ivan T./Borchardt, Knut (Hrsg.), The Impact of the Depression of the 1930's and Its Relevance for the Contemporary World. Comparative Studies Prepared for the N5 Session of the 9th International Economic History Congress, 24-29 August, 1986, Bem, Switzerland, Budapest 1986. Berg/und, Abraham, TheTariff Act of 1930, in: The American Economic Review 20 (1930), $.467-479. Bernanke, Ben, Norunonetary Effects of the Financial Crisis in the Propagandation of the Great Depression, in: The American Economic Review 73 (1983), S. 257-276. Bernstein, Michael A., The Great Depression. Delayed Recovery and Economic Change in America, 1929-1939, Cambridge 1987. Berton, Pierre, The Great Depression 1929-1939, Toronto 1990. Beyme, Klaus von, Interessengruppen in der Demokratie, München 19744 • Bidwell, Percy Wells, Trade, Tariffs, The Depression, in: Foreign Affairs 10 (1932), S. 391-401 . Bierman, Herold, The Causes of the 1929 Stock Market Crash. A Speculative Orgy or a New Era?, Westport 1998. Blackburn, Nigel, World Peace Through World Trade. ICC 1919-1979, Paris 1979. Blaich, Fritz, Staat und Verbände in Deutschland zwischen 1871 und 1945, Wiesbaden 1979. Böhret, Carl, Institutionalisierte Einflußwege der Verbände der Weimarer Republik, in: Varain, Interessenverbände, S. 216-227. Borchardt, Knut, A Decade ofDebate About Brüning's Economic Policy, in: Kruedener, Economic Crisis, S. 99-152. -

Das Gewicht der Inflationsangst in den wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozessen während der Weltwirtschaftskrise, in: Feldman, Nachwirkungen, S. 233-260.

-

Economic Theory in the History of Business Cycles Decisions About Theories Under the Uncertainty of Their Validity, in: Kocka/Ranki, Economic Theory, S. 87-109. Protektionismus im historischen Rückblick, in: Gutowski, Protektionismus, S. 17-49. Wandlungen des Konjunkturphänomens in den letzten hundert Jahren, in: Knut Borchardt (Hrsg.), Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1982, S. 73-99.

-

Wirtschaftliche Sachzwänge oder Primat der Politik? Die Ära Brüning im Widerstreit der historischen Forschung, in: Winkler, Die deutsche Staatskrise, S.109-132.

-

Zur Frage der währungspolitischen Optionen Deutschlands in der Weltwirtschaftskrise, in: Borchardt, Wachstum, S. 206-224.

IV. Sekundärliteratur

337

-

Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes, in: Borchardt, Wachstum, S.l65-182.

-

Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Wirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften, Jahrbuch, München 1979, S.1-47.

-

(Hrsg.), Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1982.

Borchardt, Knut/Ritschl, Albrecht, Could Bruning Have Done lt? A Keynesian Model of lnterwar Germany, 1925-1938, in: European Economic Review 36 (1992), S. 395-401. Bordo, Michael D., Monetary Policy Regimes, the Gold Standard, and the Great Depression, in: NBER Reporter Fall1999, S.10-13. Bordo, Michael D./Eichengreen, Barry, lmplications of the Great Depression for the Development of the International Monetary System, in: Bordo/Goldin/White, Defining Moment, S.403-453. Bordo, Michael D./Goldin, Claudia/White, Eugene N. (Hrsg.), The Defining Moment: The Great Depression and the American Economy in the Twentieth Century, Chicago 1998. Born, Kar! Erich, Govemment Action Against the Great Depression, in: Wee, Great Depression, S.45-58.

-

(Hrsg.), Modeme deutsche Wirtschaftsgeschichte, (Neue Wissenschaftliche Bibliothek 12), Köln/Bonn 1966.

Bouvier, Jean, A propos du declenchement des deux "grandes crises" du XXe siecle: Le cas fran~ais, in: Berend/Borchardt, Impact of the Depression, S.l25-148. Bracher, Kar! Dietrich, Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Villingen 197P. Brebner, J. Bartlet, The Imperial Conference at Ottawa, in: Current History 41 (1936), s. 729-734.

-

TheTariff in British Politics, in: Current History 37 (1932), S.213-219.

Broadberry, Stephen N./Ritschl, Abrecht, The lron Twenties: Real Wages, Productivity and the Lack of Prosperity in Britain and Germany Before the Great Depression, in: Buchheirn/ Hutter/James, Zerrissene Zwischenkriegszeit, S.15-43. Broadberry, Stephen N./Ritschl, Albrecht, Real Wages, Productivity, and Unemployment in Britain and Germany during the 1920s, in: Explorations in Economic History 32 (1995), S.327-349. Brock, William A./Magee, Stephen P., The Economics of Speciallnterest Politics: The Case of the Tariff, in: The American Economic Review 68 (1978), S. 246-250. Bronfenbrenner, Martin (Hrsg.), ls the Business Cycle Obsolete?, New York 1969. Brunner, Kar!, Epilogue: Understanding the Great Depression, in: Brunner, Great Depression, S.316-358.

-

(Hrsg.), The Great Depression Revisited, Boston u. a. 1981.

Buchanan, James M., Toward Analysis of Closed Behavioral Systems, in: Buchanan/Tollison, Theory of Public Choice, S. 11-23. 22 Rosengonen

338

Literaturverzeichnis

Buchanan, James M.{follison, Robert D. (Hrsg.), Theory of Public Choice. Political Applications of Economics, Ann Arbor 1972. Buchheim, Christoph, The ' Crisis Before the Crisis'- The Export Engine out of Gear, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999 (in Druck). Buchheim, Christoph/Hutter, MichaeVJames, Harold (Hrsg.), Zerrissene Zwischenkriegszeit Wirtschaftshistorische Beiträge, Knut Borchardt zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1994. Burg, David F, The Great Depression. An Eyewitness History, New York 1996. Büsch, Otto/Feldman, Gerald D., (Hrsg.), Historische Prozesse der deutschen Inßation 1914 bis 1924. Ein Tagungsbericht, (Einzelveröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin, Bd. 21), Berlin 1978. Büsch, Otto/Witt, Peter-Christian u. a. (Hrsg.), Internationale Zusammenhänge der Weltwirtschaftskrise. Präsentationen aus Anlaß einer Fachkonferenz, (Studien zur Europäischen Geschichte Band XVI), Berlin 1994. Büsch, Otto/Witt, Peter-Christian, Krise der Weltwirtschaft- Weltkrise von Wirtschaft und Politik: Aspekte eines Forschungsansatzes, in: Büsch/Witt, Internationale Zusammenhänge, S.15-26. Calomiris, Charles W./Wheelock, David C., Was the Great Depression a Watershed for American Monetary Policy?, in: Bordo/Goldin/White, Defining Moment, S. 23-65. Campa, Jos6 Manuel, Exchange Ratesand Economic Recovery in the 1930s: An Extension to Latin America, in: Journal of Economic History 50 (1990), S. 677-682. Canzoneri, Matthew B., Monetary Policy Games and the Role of Private Information, in: The American Economic Review 75 (1985), S.1056-1070. Capie, Forrest, Depression and Protectionism: Britain Between the Wars, London 1983. -

Shaping the British Tariff Structure in the 1930s, in: Explorations in Economic History 18 (1981 ), s. 155-173.

-

The International Depression and Trade Protection in the 1930s, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999 (in Druck).

Cassel, Gustav, Das Geldwesen nach 1914, Leipzig 1925. -

The Downfall of the Gold Standard, Oxford 1936.

-

Theoretische Sozialökonomie, Leipzig 1918.

Chamber of Commerce of the United States (Hrsg.), International Monetary Developments. Between the First and Second World Wars, Washington D.C. 1944.

Chandler, Lester V., America's Greatest Depression 1929-1941, New York u. a. 1970. Christians, F. Wilhelm, Protektionismus ist kein Null-Summenspiel, in: Gutowski, Protektionismus, S. 121-126. Clarke, Stephen V.O., Central Bank Cooperation: 1924-31, New York 1967. C lavin, Patricia, Explaining the Failure of the London World Economic Conference, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999 (in Druck).

IV. Sekundärliteratur -

339

The Failure of Economic Diplomacy. Britain, Germany, France and the United States, 1931-36, London 1995.

C lement, Piet, The Bank of International Settlements and the 1931 Reichsbank Credit. Financial Crisis and European Politics, Vortrag gehalten arn 18./19. Juni 1999 in Amsterdarn. Condliffe, John B., The Commerce ofNations, New York 1950. -

The Reconstruction of World Trade. A Survey of International Economic Relations, New York 1940.

Connell-Smith, Gordon, The Interwar-American System, London 1966. Conze, Werner (Hrsg.), Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reiches 1929/33, (Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte Bd.8), Stuttgart 1967. -

Brünings Politik unter dem Druck der großen Krise, in: Historische Zeitschrift 199 (1964), S.529-550.

Cooper, Richard N., Fettered to Gold? Economic Policy in the Interwar Period, in: Journal of Economic Literature 30 (1992), S.2120-2128. Coppe, A., International Consequences of the Great Depression, in: Wee, Great Depression, S.13-23. Corden, W. M., The Structure of a Tariff System and the Effective Protective Rate, in: Journal ofPolitical Economy 74 (1966), S.221-237. Cowen, David George, A World of Difference: Exchange Rate Regime Choice and Economic Performance in the Interwar Years, P. h. D., Austin 1995. Craig, Williarn Laurence/Park, Williarn W./Paulsson, Jan, International Charnber of Commerce Arbitration, Paris 1990. Crucini, Mario J., Sources ofVariation in Real TariffRates: The Unilied States, 1900 to 1940, in: The American Economic Review 84 (1994), S. 732-734. Crucini, Mario J./Kahn, Jarnes, Tariffs and Aggregate Economic Activity: Lessons from the Great Depression, (Rochester Center for Economic Research Working Paper No. 383), Ohio 1994. Czada, Peter, Große Inflation und Wirtschaftswachstum, in: Mommsen/Petzina/Weisbrod, Industrielles System, Bd. 1, S. 386-394. Dahlgrün, Hans Martin, Funktionen und Rechtspersönlichkeit der Internationalen Handelskammer, Diss. masch., Mainz 1969. Davies, David G., United States Taxesand Tax Policy, Carnbridge 1986. Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Wahrung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt arn Main 1976. Deutschland- Porträt einer Nation. Wirtschaft, Bd. 3, Gütersloh 1985.

Diehl, Karl u. a. (Hrsg.), Wirkungen und Ursachen des hohen Zinsfußes in Deutschland, Jena 1932. Dornbusch, Rüdiger/Fischer, Stanley, The Open Economy: Implications for Monetary and Fisca! Policy, (National Bureau of Economic Research Working Paper No. 1422), Carnbridge Mass. 1984. Dornbusch, Rüdiger/Frenkel, Jacob A. (Hrsg.), International Economic Policy. Theory and Evidence, Saltimore 1979. 22*

340

Literaturverzeichnis

Drummond, Ian M., London, Washington, and the Management ofthe Franc, 1936-1939, (Studies in International Finance No.45), Princeton 1979.

Eatwell, Iohn/Milgate, Murray/Newman, Peter (Hrsg.), The New Palgrave. A Dictionnary of Economics, Vol. 2, London 1987.

Eichengreen, Barry, Averting a Global Crisis, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999 (in Druck). -

Elusive Stability. Essays in the History of International Finance, 1919-1939, Cambridge 1990.

-

Golden Fetters. The Gold Standard and the Great Depression, 1919-1939, Oxford 1992.

-

Relaxing the External Constraint: Europe in the 1930s, (National Bureau of Economic Research Working Paper No. 341 0), Cambridge Mass. 1990.

-

Tariffs and Flexible Exchange Rates: The Case of the British General Tariff of 1932, P. h. D., Yale 1980.

-

The Political Economy of the Smoot-Hawley Tariff, (National Bureau of Economic Research Working Paper No. 2001 ), Cambridge Mass. 1986.

-

Toward a New International Financial Architecture. A Practical Post-Asia Agenda, Washingon D.C. 1999.

-

Wages and the Gold Standard. Perspectives of the Borchardt Debate, in: Buchheirn/Hutter/ James, Zerrissene Zwischenkriegszeit, S. 177-203.

Eichengreen, Barry/Hatton, Tirnothy I. (Hrsg.), Interwar Unemployment in International Perspective, Dordecht 1988.

Eichengreen, Barry/Lindert, Peter (Hrsg.), The International Debt Crisis in Historical Perspective, Cambridge Mass. 1989.

Eichengreen, Barry/Portes, Richard, Afterthe Deluge: Default, Negotiation, and Readjustment During the Interwar Years, in: Eichengreen/Lindert, International Debt, S.12-47.

Eichengreen, Barry/Portes, Richard, Dealing with Debt: The 1930s and the 1980s, (National Bureau of Economic Research Working Paper No. 2001), Washington D. C. 1989.

Eichengreen, Barry/Sachs, Jeffrey, Exchange Ratesand Economic Recovery in the 1930s, in: Journal of Economic History 45 (1985), S. 925-946.

Eisemann, Fr~d~ric/Metzger Ernst u. a., Internationale Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit in Handelssachen, Frankfurt am Main und Berlin 1958.

Ellam, Michael u. a., Quarterly National lncome Accounts for Interwar Germany, 1925-1938, Cambridge 1992.

Epstein, Gerald/Ferguson, Thomas, Monetary Policy, Loan Liquidation, and Industrial Conflict: The Federal Reserve and the Open Market Operations of 1932, in: Journal of Economic History 44 (1984), S. 957-993.

Erbe, Ren~. Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933-1939 im Lichte der modernen Theorie, Zürich 1958.

Erdmann, Karl Dietrich, Der Europaplan Briands im Licht der englischen Akten, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 1 (1950), S.16-32.

Eucken, Walter, Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem, Jena 1923.

IV. Sekundärliteratur

341

Falkus, M. E., The German Business Cycle in the 1920's, in: The Economic History Review 28 (1975), s. 451-465. Feldman, Gerald D. unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner (Hrsg.), Die Nachwirkungen der Inflation auf die deutsche Geschichte 1924-1933, München 1985. Feldman; Gerald D., Vom Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise. Studien zur deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1924-1932, Göttingen 1984. Ferguson, Niall, Paper and Iron. Harnburg Business and German Politics in the Era of Inflation 1897-1927, Cambridge 1995. Ferrell, Robert H., American Diplomacy in the Great Depression. Hoover-Stimson Foreign Policy, 1929-1933, London 1957. Fischer, Joseph, Die Internationale Handelskammer in Paris, Diss., Würzburg 1931. Fischer, Wolfram, Deutsche Wirtschaftspolitik 1918-1945, Opladen 19683.

-

Expansion, Integration, Globalisierung. Studien zur Geschichte der Weltwirtschaft, Göttingen 1998.

-

Staatsverwaltung und Interessenverbände im Deutschen Reich 1871-1914, in: Varain, Interessenverbände, S. l39-161.

-

Swings between Protection and Free Trade in History, in: Giersch, Free Trade, S. 20-32.

-

Unternehmensgeschichte und Wirtschaftsgeschichte. Über die Schwierigkeiten, mikround makroökonomische Ansätze zu vereinen, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte Nr. 84 (1987), S. 61-71.

-

Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und Staat. Die Handelskammern in der deutschen Wirtschafts- und Staatsverfassung des 19. Jahrhunderts, Berlin 1964.

-

Die Weimarer Republik unter den weltwirtschaftliehen Bedingungen der Zwischenkriegszeit, in: Mommsen/Petzina/Weisbrod, Industrielles System, Bd.l, S. 26-50.

-

Die Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert, Göttingen 1979.

-

Die Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 229 (1979), S. 54-84.

-

Die wirtschaftspolitische Situation der Weimarer Republik, (Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung Heft 9), Celle 1960.

-

Weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen für die ökonomische und politische Entwicklung Europas 1919-1939, Wiesbaden 1980.

-

Wirtschaftliche Probleme der Weimarer Republik, in: Deutschland, S. 134-141.

-

(Hrsg.), Sachzwänge und Handlungsspielräume in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Zwischenkriegszeit, St. Katharinen 1985.

Fisher, lrving, 100% Money, New Haven 1945 3•

-

Stable Money. A History of the Movement, New York 1934.

-

The Debt-Deflation Theory of Great Depression, in: Econometrica 1 (1933), S. 337-357.

-

The Purchasing Power of Money, New York 1911.

Flassbeck, Heiner, Reallöhne und Arbeitslosigkeit- Eine einfache empirische Widerlegung der neoklassischen Beschäftigungstheorie, (Diskussionspapier des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Nr. l62), Berlin 1998.

342 -

Literaturverzeichnis

Weltweite Deflationsgefahr: Rasche Zinssenkung in Europa erforderlich, in: Wochenbericht des Instituts für Weltwirtschaft 36 (1998), S. 660-665.

Fleisig, Heywood, The United States and the Non-European Periphery During the Early Years ofthe Great Depression, in: Wee, Great Depression, S.145-181. Fleming. J. Marcus, Domestic Financial Policies under Fixed and under Floating Exchange Rates, in: International Monetary Fund Stall Papers 9 (1962), S. 369-79. Foreman-Peck, J., The British Tariffand Industrial Protection in the 1930s: An Alternative Model, in: The Economic History Review 34 (1981), S.132-139. Fraser, Leon, International Bank and lts Future, in: Foreign Affairs 14 (1936), S.453-464. Fremon, David K .• The Great Depression in American History, Springtield 1997. Frey, Bruno S., Die ökonomische Theorie der Politik oder die neue politische Ökonomie: eine Übersicht, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 126 (1970), S.1-23. -

Die Politische Ökonomie des Protektionismus. Nationalstaatliche Determinanten der Regulierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, in: Außenwirtschaft 39 (1984), S. 17-42.

-

The Public Choice View of International Political Economy, in: Vaubel/Willett, Political Economy, S. 7-26.

-

Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik, München 1981 .

Friedman, Milton, The Demand for Money: Some Theoretical and Empirical Results, New York 1959. -

The Optimum Quantity Theory of Money, London 1969.

-

The Quantity Theory of Money- A Restatement, in: Friedman, Studies, S. 3-21.

-

(Hrsg.), Studies in the Quantity Theory of Money, Chicago 1956.

Friedman, Milton/Schwartz, Anna Jacobson, A Monetary History of the United States 1867-1960, Princeton 1963. Friedman, Philip, The Impact of Trade Destruction on National Incomes. A Study of Europe 1924-1938, Gainesville 1974. Frommelt, Reinhard, Paneuropa oder Mitteleuropa. Einigungsbestrebungen im Kalkül deutscher Wirtschaft und Politik 1925-1933, München 1977. Frühbrodt, Lutz/Holtfrerich, Carl-Ludwig, Die Neugestaltung der US-Wirtschaftspolitik nach 1945. Die Erfahrungen der Zwischenkriegszeit als Argument, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 38 (1998), S. 85-123. Furner, Mary 0. u. a. (Hrsg.). The State and Economic Knowledge. The American and British Experiences, Cambridge 1990. Gabler Wirtschafts Lexikon, Bd.1-4, 13. und 14. überarbeitete Auflage, Wiesbaden 1993 und 1997.

Galbraith, John Kenneth, The Great Clash 1929, Cambridge Mass. 19512. -

Wie Keynes nach Amerika kam, in: Galbraith, Wirtschaft, S. 52-64.

-

(Hrsg.). Wirtschaft, Frieden und Gelächter, München u.a. 1974.

Gayer, Artbur D./Schmidt, Carl T., American Economic Foreign Policy. Council on Foreign Relations, Washington D.C. 1939.

IV. Sekundärliteratur

343

Gerschenkron, Aleksander, Economic Relations with the U.S.S.R., New York I945. Gibbons, Robert, A Primer in Game Theory, Bodmin 1992. Giersch, Herbert (Hrsg.), Free Trade in World Economy. Towards an Opening of Markets, Tiibingen 1987. Girault, Rem~. Die französisch-sowjetischen Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise, in: Bekker/Hildebrand, Internationale Beziehungen, S. 39-64. Gordon, Margaret S., Barriers to World Trade. A Study of Recent Commercial Policy, New York u. a. 19832• Gordon, Robert J./Wilcox, James A., Monetarist Interpretations of the Great Depression: An Evaluation and Critique, in: Brunner, Great Depression, S.49-107. Graham, Frank Dunstone, Exchange, Prices, and Production in Hyperinflation Germany, 1920-1923, Princeton 1930. Grotkopp, Wilhelm, Amerikas Schutzzollpolitik und Europa, Berlin 1929. -

Die große Krise. Lehren aus der Überwindung der Weltwirtschaftskrise 1929/32, Düsseldorf 1954.

Grübler, Michael, Die Spitzenverbände der Wirtschaft und das erste Kabinett Brüning. Vom Ende der Großen Koalition 1929/30 bis zum Vorabend der Bankenkrise 1931, (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Band 70), Düsseldorf 1982. Güth, Werner, Spieltheorie und ökonomische (Bei)Spiele, Berlin u. a. 1992. Gutowski, Armin (Hrsg.), Der neue Protektionismus, Harnburg 1984. H abedank, Heinz, Die Reichsbank in der Weimarer Republik. Zur Rolle der Zentralbank in der Politik des deutschen Imperialismus 1919-1933, Berlin 1981. Haber/er, Gottfried, Der internationale Handel. Theorie der weltwirtschaftliehen Zusammenhänge sowie Darstellung und Analyse der Aussenhandelspolitik, Wien 1931. -

Die Weltwirtschaft und das internationale Währungssystem in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, in: Deutsche Bundesbank, Währung und Wirtschaft, S. 205-248.

Hahn, Albert, Aufgaben und Grenzen der Währungspolitik. Eine Kritik der deutschen Währungspolitik seit der Stabilisierung, Jena 1928. -

Geld und Kredit, Tübingen 1924.

-

Handelsbilanz, Zahlungsbilanz, Valuta, Güterpreise, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 48 (1920/21), S.596-614.

Haight, Frank Amold, French Import Quotas. A New Instrument ofCommercial Policy, Wiesbaden 1970. Hall, Thomas E./Ferguson, J. David, The Great Depression. An International Disaster of Perverse Economic Policies, Michigan 1998. Halley Stewart Lecture, The World 's Economic Crisis and the Way of Escape, London 1932.

Hamilton, James, Monetary Factors in the Great Depression, in: Journal of Monetary Economic 19 (1987), S.l45-169. -

The Role of International Gold Standard in Propagating the Great Depression, in: Contemporary Policy Issues 6 (1988), S. 67-89.

344

Literaturverzeichnis

Hardach, Gerd, Deutschland in der Weltwirtschaft 1870-1970. Eine Einführung in die Sozialund Wirtschaftsgeschichte, Frankfurt arn Main 1977.

-

Weltmarktorientierung und relative Stagnation. Währungspolitik in Deutschland 1924-1931, (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 27), Berlin 1976.

Hardy, Charles 0., ls There Enough Gold?, Washington D. C. 1936. Hatton, Timothy J., Perspectives on the Economic Recovery ofthe 1930s, in: Royal Bank of Scottland Review 158 (1988}, S. 18-32.

Hawtrey, Ralph G., The Art of Central Banking, London 1962. -

The Gold Standard in Theory and Practice, London 1933.

-

Trade and Credit, London 1928.

-

Trade Depression and the Way Out, London 1933.

Hayek, Friedrich A. v., Preise und Produktion, Wien 1931 (Neuauflage Wien 1976). Helbich, Wolfgang J., Die Reparationen in der Ära Brüning. Zur Bedeutung des Young-Plans für die deutsche Politik 1930 bis 1932, Berlin 1962.

Henning, Hansjoachim/Lindenlaub, Dieter/Wandel, Eckhard (Hrsg.), Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Forschungen und Probleme. Kar! Erich Born zur Vollendung des 65. Lebensjahres zugeeignet von Kollegen, Freunden und Schülern, St. Katharinen 1985.

Hentschel, Volker, Große Depression und Wirtschaftspolitik. Sachzwänge und Handlungsspielräume der Großmächte, in: Fischer, Sachzwänge, S. 9-116.

Herrnens, Ferdinand, Das Kabinett Brüning und die Depression, in: Hermens/Schieder, Weimarer Republik, S. 287-310.

Herrnens, Ferdinand/Schieder Theodor (Hrsg.), Staat, Wirtschaft und Politik in der Weimarer Republik. Festschrift für Heinrich Brüning, Berlin 1967.

Heyde, Philipp, Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Young-Plan 1929-1932, Paderbom 1998.

Hili, Martin, The Economic and Financial Organization of the League of Nations. A Survey of Twenty-Five Years' Experience, Washington 1946.

Hoffmann, Walther G., Das Wachstum der Deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Heidelberg 1965.

Holler, Manfred 1./Illing, Gerhard, Einführung in die Spieltheorie, Berlin 19963. Holtfrerich, Carl-Ludwig, Alternativen zu Brünings Wirtschaftspolitik in der Weltwirtschaftskrise, (Frankfurter Historische Vorträge 9), Wiesbaden 1982. -

Amerikanischer Kapitalexport und Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft 1919-23 im Vergleich zu 1924-29, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 64 (1977),S.497-529. Auswirkungen der Inflation auf die Struktur des deutschen Kreditgewerbes, in: Feldman, Nachwirkungen, S.187-209. Die deutsche Inflation 1914-1923. Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive, Berlin und New York 1980.

-

Deutscher Außenhandel und Goldzölle 1929 bis 1932, in: Holtfrerich/Feldman/Ritter, Anpassung, S.472-484.

IV. Sekundärliteratur

345

-

Domestic and Foreign Expectations and the Demand for Money During the German Inflation 1920-1923, in: Kindleberger, Financial Crises, S. 117-132.

-

Economic Policy Options and the End of the Weimar Republic, in: Kershaw, Weimar, S.58-91.

-

Germany and the International Economy: The Role of the German Inflation in Overcoming the 1920/1 United States and World Depression, in: Lee, German lndustry, S. 265-285.

-

The Grown-up in Infant's Clothing. The US Protectionist Relapse in the Interwar Period, (Working Paper/John F.-Kennedy-lnstitut für Nordarnerikastudien; 19: Abteilung Wirtschaft), Berlin 1989.

-

Zu hohe Löhne in der Weimarer Republik? Bemerkungen zur Borchardt-These, in: WirtschaftswissenschaftlichesStudium 19 (1990), S.122-141.

-

How to Discriminate Between Business Cycle Theories: A Suggestion, in: Kocka/Ranki, Economic Theory, S.151-155.

-

(Hrsg.), Interactions in the World Economy. Perspectives from International Economic History, Exeter 1989.

-

Introduction: The Evolution of World Trade, 1720 to the Present, in: Holtfrerich, Interactions, S. 1-30.

-

Methods for Calculating the Net International Investment Position of Germany During the Weimar Republic, in: Kocka/Puhle/Tenfelde, Arbeiterbewegung, S. 740-749.

-

The Roosevelts and Foreign Trade: Foreign Economic Policies under Theodore and Franklin Roosevelt, in: Comelis A. van Minnen (Hrsg.), The Roosevelts: Nationalism, Democracy & Intemationalism, Middelburg 1987, S. 21.-41. Vom sozialpolitischen Aufbruch zur sozialen Demontage. Die Weimarer Republik und die Weltwirtschaftskrise, in: Henning/Lindenlaub/Wandel, Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Forschungen und Probleme, S. 335-346.

-

U. S. Economic (Policy) Development and World Trade During the Interwar Period Compared to the Last 1\venty Years, in: Berend/Borchardt, Impact of the Depression, S.61-81.

-

Vernachlässigte Perspektiven der wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Republik, in: Winkler, Die deutsche Staatskrise, S. 133-150.

-

Was the Policy of Deflation in Germany Unavoidable?, in: Kruedener, Economic Crisis, S.81-98.

-

Weltwirtschaftskrise und Außenhandel. Forschungsstand und Forschungsaufgaben, in: Büsch/Witt, Internationale Zusanunenhänge, S. 53-70.

-

(Hrsg.), Wirtschaft USA. Strukturen, Institutionen und Prozesse, München 1991.

Holtfrerich, Carl-Ludwig/Feldman, Gerald D./Ritter, Gerhard A./Witt, Peter-Christian (Hrsg.), Die Anpassung an die Inflation, Berlin u. a. 1986.

Howson, Susan{Wynch, Donald, The Economic Advisory Council1930-1939. A Study in Economic Advice During Depression and Recovery, Carnbridge 1977.

lrmler, Heinrich, Bankenkrise und Vollbeschäftigungspolitik (1931-1936), in: Deutsche Bundesbank, Wahrung und Wirtschaft, S. 283-320. Jrwin, Douglas A., ChangesinUS Tariffs: Prices or Policies?, (National Bureau of Economic Research Working Paper 5665), Carnbridge Mass. 1996. 23 Rosengarten

346

Literaturverzeichnis

-

From Smoot-Hawley to Reciprocal Trade Agreements: Changing the Course in the 1930s, in: Bordo/Goldin/White, Detining Moment, S. 325-349.

-

The Smoot-Hawley Tariff: A Quantitative Assessment, in: The Review of Economics and Statistics 71 (1989), S. 326--334.

lrwin, Douglas A./Kroszner, Randall S., Log-Rolling and Economic Interests in the Passage of the Smoot-Hawley Tariff, in: Camegie-Rochester Conference Series Policy 45 (1996), S.173-200.

Jackson, Julian, The Politics of Depression in France, 1932-1936, Cambridge 1985. Jacobsson, Erin E., A Life for Sound Money. Per Jacobsson. His Bibliography, Oxford 1979. James, Harold, The Reichsbank and Public Finance in Gennany 1924-1933. A Study ofthe Politics of Economics During the Great Depression, Frankfurt am Main 1985. -

A Creation of a World Central Bank? The Early Years of the Bank for International Settlements, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs .,The Interwar Depression in an International Context", München 31. Mai und 1. Juni 1999 (in Druck).

-

Did the Reichbank draw the Right Conclusions from the Great Inflation?, in: Feldman, Die Nachwirkungen, S. 211-230.

-

Gab es eine Alternative zur Wirtschaftspolitik Brünings, in: Vierteljahrschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte 70 (1983), S.523--541.

Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936, Stuttgart 1986.

James, Harold/Bernanke, Ben, The Gold Standard, Deflation, and Financial Crisis in the Great Depression: An International Comparison, (National Bureau of Economic Research Warking Paper No. 3488), Cambridge Mass. 1991.

Jarchow, Hans J., J1leorie und Politik des Geldes. I.Geldtheorie, Göttingen 19825 • Jarchow, Hans 1./Rühmann, Peter, Monetäre Außenwirtschaft. II. Internationale Währungspolitik, Göttingen 19974 •

Jochmann, Werner, Brünings Deflationspolitik und Untergang der Weimarer Republik, in: Stegmann/Wendt/Witt, Industrielle Gesellschaft, S. 97-112.

Johnson, Clark H., Gold, France, and the Great Depression, 1929-1932, New Haven 1997. Iones, John Harry, Josiah Stamp, Public Servant. The Life of the First Baron Stamp of Shortlands, London 1964.

Iones, Joseph M., Tariff Retaliation. Repercussions of the Hawley-Smoot Bill, Philadelphia 1934.

Junker, Detlef, Der unteilbare Weltmarkt. Das ökonomische Interesse in der Außenpolitik der USA 1933-1941, (Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik Bd.8), Stuttgart 1975.

Keese, Dietmar, Die volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen für das Deutsche Reich in den Jahren 1925-1936, in: Conze, Die Staats- und Wirtschaftskrise, S. 35-81.

Ke/ly, William B. (Hrsg.), Studies in United States Commercial Policy, Chapel Hili 1963. -

Antecedents of Present Commercial Policy, 1922-1934, in: Kelly, Studies, S. 3--68.

Kemp, Tom, The French Economy 1913-39. The History of Decline, London 1972. Kenwood, A. G ./Lougheed, Alan Leslie, The Growth of the International Economy 1820--1960. An Introductory Text, London 19923.

IV. Sekundärliteratur

347

Kershaw, lan (Hrsg.), Weimar: Why Did German Democracy Fail?, London 1990. Keynes, lohn Maynard, The General Theory of Employment, Interest and Money, (The Collected Writings of John Maynard Keynes Valurne VII), London 1973. -

Tract on Monetary Reform, (The Collected Writings of John Maynard Keynes Volume IV), London 1971.

-

A Treatise on Money, (The Collected Writings of John Maynard Keynes Valurne V+VI), London 1971.

-

The World Economic Conference, 1933, in: The New Statesman and Nation vom 24. Dezember 1933, S.825-826.

Kindleberger, Charles P., Group Behavior and International Trade, in: The Journal of Political Economy 59 (1951), S.30-46. -

International Capital Movements and Foreign-Exchange Markets in Crisis: The 1930s and the 1980s, in: Berend/Borchardt, Impact of the Depression, S.437-455.

-

Die Weltwirtschaftskrise 1929-1939, (Geschichte der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert Bd.4), München 19843.

-

The World in Depression 1929-1939, (History of the World Economy in the Twentieth Century 4), Berkeley 19862.

-

Manias, Panics and Crashes. A History of Financial Crises, New York 1978.

-

The United States and the World Economy in the Twentieth Century, in: Holtfrerich, Interactions, S. 287-313.

-

US Foreign Economic Policy 1776-1976, in: Foreign Affairs 55 (1977), S. 395-417.

Kindleberger, Charles P./Laffargue, Jean-Pierre (Hrsg.), Financial Crises: Theory, History and Policy, Cambridge 1982.

Kitson, MichaeVMichie, Jonathan, Depression and Recovery: Lessons from the Interwar Period, in: Michie/Grieve Smith, Unemployment, S. 77-96.

Kitson, MichaeVSolonwu, Solomos, Effective Protection and Economic Revival: The British Interwar Economy, Cambridge 1990.

Klages, Wolfgang, Staat auf Sparkurs. Die erfolgreiche Sanierung des US-Haushalts (1981-1997), Frankfurt am Main 1998.

Klein, Lawrence R., Studies in Investment Behavior, in: National Bureau of Economic Research, Conference, S. 233-303.

Klüssmann, Günther, Die Internationale Handelskammer und zwischenstaatliche Transportund Verkehrsprobleme. Ein erkenntniskritischer Beitrag zur Tätigkeit der Internationalen Handelskammer und Versuch einer Darlegung ihrer wirtschaftlichen Funktionen, Berlin 1932.

Kocka, Jürgen/Puhle, Hans-Jürgen{Tenfelde, Klaus (Hrsg.), Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. Festschrift für Gerhard A. Ritter zum 65. Geburtstag, München u. a. 1994.

Kocka, Jürgen/Ranki, György (Hrsg.), Economic Theory and History, Budapest 1985. Kroll, Gerhard, Die deutsche Wirtschaftspolitik in der Weltwirtschaftskrise, in: Born, Moderne, S.498-509. -

Von der Weltwirtschaftskrise zur Staatskonjunktur, Berlin 1958.

348

Literaturverzeichnis

Kruczynski, Thomas, Die Entwicklung des Außenhandels während der "Größten Depression" - ein Ausnahmefall. Einige statistische Beobachtungen zur Struktur der Weltsachgüterproduktion, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 27 (1987), S. 79-106.

Kruedener, Jürgen Baron von (Hrsg.), Economic Crisis and Political Collapse. The Weimar Republic 1924-1933, (German Historical Perspectives V), New York 1990.

Krüger, Peter, Das Reparationsproblem der Weimarer Republik in fragwürdiger Sicht, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 81 (1981), S.21-47.

KrugfTUln, Paul, The Age of Diminished Expectations. US Economic Policy in the 1990s, Cambridge Mass. 19942. -

Currency Crisis, Working Paper prepared for the NBER Conference in October 1997. (Online Version: http://web.rnit.edu/ krugman/www/crises.html)

-

Japan's Trap, Warking Paper, Cambridge Mass. 1998. (Online Version: http://web.mit.edu/ krugman/www/japtrap.html)

-

Peddling Prosperity. Economic Sense and Nonsense in the Age of Diminished Expectations, New York 1994.

Kuhn, Harold W. (Hrsg.), Classics in Game Theory, Princeton 1997. Kuznets, Simon, National Income and Its Composition 1919-1938, New York 1941. Lang, Peter, Freiwillige Exportbeschränkung. Protektionismus oder Strategische Handelspolitik?, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 19 (1990), S. ll8-122.

Lary, Hai B., The United States in the World Economy. The International Transactions of the United States During the Interwar Period, Washington D. C. 1943.

Lebedev, Evgenij A., Mezdunarodnaja Torgovaja Palata, Moskau 1976. Lee, W. R. (Hrsg.), German Industry and German Industrialisation. Essays in German Economic and Business History in the Nineteenth and 1\ventieth Centuries, London 1991.

Le.ffler, Melvyn Paul, The Elusive Quest. The American's Pursuit of European Stability and French Security, 1919-1933, Chapel Hilll979.

Leontief, Wassily, Comment, in: National Bureau of Economic Research, Conference, S.310-313.

Lewis, W.Arthur, Economic Survey 1919-1939, London 19707 • Liefmann, Robert, Kartelle, Konzerne, Trust's, Stuttgart 1927. LieplTUlnn, Heinrich, TariffLevels and The Economic Unity ofEurope. An Examination ofTariff Policy, Export Movements and the Economic Integration of Europe, Philadelphia 1938.

Lipgens, Walter, Europäische Einigungsidee 1923-1930 und Briands Europaplan im Urteil der Deutschen Akten, in: Historische Zeitschrift 203 (1966), S.46-89.

Long, Bradford de, Fiscal Policy in the Shadow of the Great Depression, in: Bordo/Goldin/ White, Defining Moment, S.67--86.

Lüke, Rolf E., Die deutsche Bankwirtschaft unter dem Dawes-Plan, in: Born, Modeme deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 370--397. -

Von der Stabilisierung zur Krise, Zürich 1958.

Luther, Hans, Vor dem Abgrund 1930--1933. Reichsbankpräsident in Krisenzeiten, Berlin 1965.

IV. Sekundärliteratur

349

Magnier, Lc5on, La Chambre der Commerce Internationale, Paris 1928. Matthews, R. C. 0., Postwar Business Cycles in the United Kingdom, in: Bronfenbrenner, Business Cycle, S. 99-135.

McClure, Wallace, World Prosperity As Sought Through the Econornic Work of the League of Nations, New York 1933.

Meister, Rainer, Die Große Depression. Zwangslagen und Handlungsspielräume der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Deutschland 1929-1932, (Kölner Schriften zur Sozial- und Wirtschaftspolitik Band 11), Regensburg 1991.

Meltzer, Allan H., Comments on "Monetarist Interpretations of the Great Depression", in: Brunner, Great Depression, S. 148-164. -

Monetary and Other Explanations for the Start of the Great Depression, in: Journal of Monetary Economics 2 (1976) S.455-472.

Mensch, Gerhard, Das Technologische Patt, Frankfurt am Main 1975. Meyer, Richard Hemming, Bankers' Diplomacy. Monetary Stabilization in the Twenties, New York und London 1970.

Meynaud, Jean, Les Groupes de Pression Intemationaux, (Etudes de Science Politique 3), Lausanne 1961.

Michie, Jonathan/Grieve Smith, John (Hrsg.), Unemployment in Europe, London 1994. Mi/ward, Alan S., Der deutsche Handel und der Welthandel1925-1939, in: Mommsen/Petzina/Weisbrod, Industrielles System, Bd.2, S.471-484.

Mises, Ludwig von, Die Ursachen der Wirtschaftskrise, Tübingen 1931. -

Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik, Jena 1928.

-

Kritik des Interventionismus. Untersuchungen zur Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsideologie der Gegenwart, Jena 1929.

Mitzakis, Michel, Les crc5dits exterieurs. Leur nature et leur röle dans la defense des monnaies europc5nnes 1920-1938, Paris 1939.

Moggridge, Donald E., British Monetary Policy 1924-1931, Cambridge 1972. -

Policy in the Crises of 1920 and 1929, in: Kindleberger, Financial Crises, 5.171-187.

Mommsen, Hans/Petzina, Dietmar/Weisbrod, Bemd (Hrsg.), Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Bd. 1 und Bd. 2, Düsseldorf 1977.

Morgenstern, Oskar/Neumann, Johann v., Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, Würzburg 1961.

Mueller, Dennis C., Public Choice II. A Revised Edition of Public Choice, Cambridge 1989. -

Public Choice: A Survey, in: Rowley, Public Choice Theory, S. 495- 533.

-

The Public Choice Approach to Politics, Adlershot 1993.

Munde II, Robert, Capital Mobility and Stabilization Policy under Fixed and Flexible Exchange Rates, in: Canadian Journal of Economics and Political Science 29 (1963), S.475-85. -

The Appropriate Use of Monetary and Fiscal Policy for Interna! and Extemal Stability, in: International Monetary Fund Staff Papers 9 (1962), S. 70-79.

-

The Monetary Dynamics of International Adjustment under Fixed and Flexible Exchange Rates, in: Quarterly Journal of Economics 74 (1960), S. 227-257.

350

Literaturverzeichnis

Nardo, Don, The Great Depression, San Diego 1998. National Bureau of Economic Research (Hrsg.), Conference on Business Cycles. Heldunder the Auspices of Universities- National Bureau Committee for Economic Research, New York 1951.

Neebe, Reinhard, Großindustrie, Staat und NSDAP 1930-1933. Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik, Göttingen 1981. Unternehmensverbände und Gewerkschaften in den Jahren der Großen Krise 1929-33, in: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), S. 302-330.

Nehring, Wilhelm, Die Internationale Handelskammer, ihre Geschichte, Organisation und Tatigkeit, Diss., Jena 1929. Newell, Andrew/Synwns, J. S. V., The Macroeconomics of the Interwar Years: International Comparisons, in: Eichengreen/Hatton, Interwar Unemployment, S. 61-96. Nohlen, Dieter (Hrsg.), Lexikon der Politik, Bd. 2, Politikwissenschaftliche Methoden, München 1994. Olson, Mancur, Die Logik des kollektiven Handeins - Kollektivgüter und die Theorie der Gruppen, Tübingen 1968. -

Aufstieg und Niedergang von Nationen. Ökonomisches Wachstum, Stagflation und soziale Starrheit, Tübingen 1985.

Ott, Hugo/Schäfer, Hermann (Hrsg.), Wirtschafts-Ploetz. Die Wirtschaftsgeschichte zum Nachschlagen, Würzburg 1984. Overy, Richard J., Cars, Roads and Economic Recovery in Germany, 1932-8, in: The Economic History Review 38 (1975), S.466-483. -

The Nazi Economic Recovery 1932-1938, London 1982.

Parker, Robert A. C., Probleme britischer Außenpolitik während der Weltwirtschaftskrise, in: Becker/Hildebrand, Internationale Beziehungen, S. 3-20. Pastor, Robert A., Congress and the Politics of US Foreign Economic Policy 1929-1976, Berkeley 1980. Pauly, Louis W., The League ofNations and the Foreshadowing ofthe International Monetary Fund, Princeton 1996. -

Who Elected the Bankers? Surveillance and Conti"ol in the World Econorny, New York 1997.

Perathoner, Walter, Die Weltwirtschaftskrise, Diss. masch., Innsbruck 1935. Petzina, Dietmar, Die deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, Wiesbaden 1977. Pohle, Ludwig, Das Problem der Valutaentwertung, Dresden 1919. -

Geldentwertung, Valutafragen und Wlihrungsreform, Leipzig 1920.

Political and Economic Planning (Hrsg.), Britain and the World Trade, London 1947.

Ratner, Sidney, TheTariff in American History, New York 1972. Respondek, Erwin, Verlauf und Ergebnis der Internationalen Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes zu Genf, Berlin 1927. Richardson, Harry W., Economic Recovery in Britain, 1932-9, London 1967.

IV. Sekundärliteratur

351

Richardson, lohn H., British Economic Foreign Policy, London 1936. Ridgeway, George L., Merchants of Peace. The History of the International Chamber of Commerce, Boston 1959. -

Merchants of Peace. 1\venty Years of Business Diplomacy Through the International Chamber of Commerce, 1919-1938, New York 1938.

Riede/, James, United States Trade Policy: From Multilateralism to Bilateralism?, in: Giersch, Free Trade, S. 85-110. Ritschl, Albrecht, Goldene Jahre? Zu den Investitionen in der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 114 ( 1994), S. 99-111. -

Über die Höhe und Struktur der gesamtwirtschaftlichen Investitionen in Deutschland 1935-38, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 79 (1992), S. 157-176.

-

Zu hohe Löhne in der Weimarer Republik? Eine Auseinandersetzung mit Holtfrerichs Berechnungen zur Lohnposition der Arbeiterschaft 1925-1932, in: Geschichte und Gesellschaft 16 (1990), S. 375-402.

Robbins, Lionel C., The Great Depression, London 1934. Romer, Christina, What Ended the Great Depression?, in: Journal of Economic History 52 (1992), s. 757-784. Roon, Ger van, Völkerbund und Weltwirtschaft, in: Buchheim/Hutter/James, Zerrissene Zwischenkriegszeit, S. 221-241. Roose, Kenneth D., The Economics of Recession and Revival. An Interpretation of 1937-38, New York 1954. Rooth, Tim, British Protectionism and the International Economy: Overseas Commercial Policy in the 1930s, Cambridge 1993. Rosengarten, Monika, Großbritannien und der Schuman-Plan. Politische und wirtschaftliche Faktoren in der britischen Haltung zum Schuman-Plan und zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl1950-54, Frankfurt am Main 1997. Ross, Stewart, Causes and Consequences ofthe Great Depression, Austin 1998. Rostow, Walt W., The World Economy, Austin 1978. Rothermund, Dietmar, Die Welt in der Weltwirtschaftskrise, 1929-1939, Münster 1993. -

The Global Impact of the Great Depression 1929-1939, London 1996.

Rowley, Charles K. (Hrsg.), Public Choice Theory 111. The Separation of Powersand Constitutional Political Economy, (The International Library of Critical Writings in Economics 24 ), Adlershot 1993. Saint-Etienne, Christian, L'Etat Fran~ais face aux Crises Economiques du XXe Siecle, Paris 1985. -

The Great Depression 1929-1938: Lessons for the 1980s, Stanford 1984.

Salter, Arthur, World Trade and Its Future, London 1936. -

England's Dilemma: Free Trade or Protection?, in: Foreign Affairs 10 (1932), S. 188-200.

-

Recovery. The Second Effort, London 1932.

-

Some Retlections on The World Economic Depression, Washington D.C. 1931.

352

Literaturverzeichnis

-

Stabilization and Recovery, in: Foreign Affairs 13 (1935), S.18-19.

-

The Future of Economic Nationalism, in: Foreign Atfairs 10 (1932), S. 8-20.

-

The United States ofEurope ldea, Genf 1929.

Sauvy, A1fred, Histoire Economique de la France entre les deux guerres, Bd.1-3, Paris 1984. Sayers, Richard Sidney, The Bank of England 1891-1944, Volume 2, Carnbridge 1976. Schacht, Hjalmar, Grundsätze deutscher Wirtschaftspolitik, Oldenburg 1932. Schattschneider, Eimer E., Politics, Pressuresand the Tariff. A Study ofFree Private Enterprise in Pressure Politics, As Shown in the 1929-1930 Revision of the Tariff, Harnden 19632. Schlesinger, Karl, Die Veränderungen des Geldwertes im Kriege, Wien 1916. Schlesinger, Rudi, Die Zollpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika von der Beendigung des Weltkrieges bis zum Fordney-McCumber-Tarif, Jena 1926. Schloss, Henry H., The Bank for International Settlements. An Experiment in Central Bank Cooperation, Amsterdarn 1958. Schmidt, Gustav, Internationale Politik in der Weltwirtschaftskrise, in: Büsch/Witt, Internationale Zusammenhänge, S.27-52. Schneider, Franz, Federal Reserve Policy: Its International Implications, in: Foreign Affairs 7 (1929), S.543-55. Schröder, Hans-Jürgen, Die deutsche Südosteuropapolitik und die Reaktion der angelsächsischen Mächte 1929-1933/34, in: Becker, Internationale Beziehungen, S.343-360. Schröder, Susanne, Steuerlastgestaltung der Aktiengesellschaften und Veranlagung zur Körperschaftsteuer im Deutschen Reich und den USA von 1918 bis 1936. Ein Beitrag zum Problem der Besteuerung in der Demokratie, (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 47), Berlin 1996. Schröder, Wilhelm Heinz/Spree, Reinhard (Hrsg.), Historische Konjunkturforschung, Stuttgart 1981. Schubert, Aurel, The Credit-Anstalt Crisis of 1931, Carnbridge 1991. Schuker, Stephen A., American ,,Reparations" to Germany, 1919-1933, in: Feldman, Nachwirkungen,S.335-384. Schulz, Matthias, Deutschland, der Völkerbund und die Frage der europäischen Wirtschaftsordnung, 1925-1933, (Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte Band 19), Harnburg 1997. Schumpeter, Joseph A., Aufsätze zur Wirtschaftspolitik, Tübingen 1985. -

Business Cycles. A Theoretical, Historical and Statistical Analysis of the Capitalist Process, Vol.2, New York 1939.

-

Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses, 2 Bd., Göttingen 1961.

Schwartz, Anna J., Understanding 1929-1933, in: Brunner, Great Depression, S. 5-48. Scott, George, The Rise and Fall of the League of Nations, London 1973. Seidel, Brigitta, Internationale Kooperation und nationale Konzentration in der Weltwirtschaftskrise. Das Beispiel Deutschland und Großbritannien (1929-1934), in: Büsch/Witt, Internationale Zusammenhänge, S. 97-112.

IV. Sekundärliteratur

353

Shubik, Martin (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften, Frankfurt am Main 1965. Siegfried, Andr6, European Reactions to American Tariff Proposals, in: Foreign Affairs 7 (1929), S.13-20. Simrrwns, Beth A., Domestic Sources of Foreign Economic Policy During the Interwar Years, Princeton 1994.

-

Why Innovate? Founding the Bank of International Settlements, Durharn 1991.

Skidelsky, Robert, Politicians and the Slump. The Labour Govemment of 1929-1931, London 1976. Slichter, Swnner H., Is the Tariff a Cause of Depression?, in: Current History 35 (1931-1932), S.519-524. Smith, Adam, Der Wohlstand der Nationen, München 1974.

-

The Wealth ofNations, New York 1937.

Smoot, Reed, Our Tariffand the Depression, in: Current History 35 (1931-1932), S.173-181. Soell, H., Das Versagen Weimars und die Chancen von Bonn, in: Das Parlament Nr. 44 vom 4.11.1978, s. 11. Solorrwu, Solomos, Trade Protection in the 1930s, Paper für das Kolloquium des Historischen Kollegs "The Interwar Depression in an International Context", München 31 . Mai und 1. Juni 1999 (in Druck). Spoerer, Mark, GermanNet Investment and the Cumultative Real Wage Position 1925-1929. On a Premature Burlai of the Borchardt Debate, in: Historical Social Research 19 (1994), S.26-41. Stamp, Josiah, Papers on Gold and the Price Level, London 1931.

Standard & Poor's DRI (Hrsg.), Asian Depression-World Recession. A Special Study on the Implications of a Worst-Case Scenario in Japan and Asia, Lexington 1998. Stegmann, Dirk/Wendt, Bernd-Jürgen/Witt, Peter-Christian (Hrsg.), Industrielle Gesellschaft und politisches System. Beiträge zur politischen Sozialgeschichte. Festschrift für Fritz Fischer zum 70. Geburtstag, Bonn 1978. Stein, Herbert, Presidential Economics. The Making of Economic Policy from Roosevelt to Reagan and Beyond, New York 1984.

-

The Fiscal Revolution in America. Policy in Pursuit of Reality, Washington D. C. 19962•

Steindl, Frank George, Monetary Interpretations of the Great Depression, Ann Arbor 1995. Steiner, Jürgen, Rational Choice Theories and Politics. A Research Agenda and a Moral Question, in: Political Science and Politics 23 (1991), S.46-50. Stengemann, Dirk, Deutsche Zoll- und Handelspolitik 1924/25-1929 unter besonderer Berücksichtigung agrarischer und industrieller Interessen, in: Mommsen/Petzina/Weisbrod, Industrielles System, Bd.2, S. 499-513. Stucken, Rudolf, Schaffung der Reichsmark, Reparationsregelungen und Auslandsanleihen, Konjunkturen (1924-1930), in: Deutsche Bundesbank, Wahrung und Wirtschaft, S.249-281. Sweezy, Alan, The Keynesians and Govemment Policy, 1933-1939, in: The American Economic Review 62 (1972), S.ll6-124.

354

Literaturverzeichnis

Taussig, Frank William, Some Aspects of the Tariff Question. An Examination of the Development of American Industries under Protection, New York 1969.

Taylor, John B., Discretion Versus Policy Rules in Practice, in: Camegie-RochesterConference Series on Public Policy 39 (1993), S.195-214.

Teichert, Eckart, Autarkie und Großraumwirtschaft in Deutschland 1930-1939. Außenwirtschaftspolitische Konzeption zwischen Weltwirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg, (Studien zur modernen Geschichte Bd. 30), München 1984.

Temin, Peter, Did Monetary Forces Cause the Great Depression?, New York 1976. -

Lessons from the Great Depression, Cambridge Mass. 1989.

-

Notes on the Causes of the Great Depression, in: Brunner, Great Depression, S. 108-124.

-

Socialism and Wages in the Recovery from the Great Depression in the United States and Germany, in: Journal ofEconomic History 50 (1990), S.297-307.

Temin, Peter/Wigmore, Barrie A., "The End of One Big Deflation", in: Explorations in Economic History 27 (1990), S.483-502.

Thimme, Anneliese, Gustav Stresemann. Eine politische Biographie zur Geschichte der Weimarer Republik, Hannover 1957.

Tilly, Richard/Huck, Norbert, Die deutsche Wirtschaft in der Krise, 1925 bis 1934. Ein makroökonomischer Ansatz, in: Buchheim/Hutter/James, Zerrissene Zwischenkriegszeit, S.45-95.

Toynbee, Arnold, Survey of International Affairs 1933, Milford 1934. Tracy, Michael, Agriculture in the Great Depression, World Market Developments and European Protectionism, in: Wee, Great Depression, S. 91-119.

Trepp, Gian, Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich im Zweiten Weltkrieg: Bankgeschäfte mit dem Feind. Von Hitlers Europabank zum Instrument des Marshallplans, Zürich 1993.

Tsai, Chen-Wen, La Chambre de Commerce Internationale- un groupe de pression international. Son action et son röle dans 1'elaboration, Ia conclusion et 1'application des conventions internationales etablies au sein des organisations intergouvernementales 1!. vocation mondiale (1945-1969), Diss. masch., Löwen 1972. Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Bd.1, München 19932 •

Varain, Heinz Josef (Hrsg.), Interessenverbände in Deutschland, Köln 1973. Vaubel, Roland, A Public Choice View of International Organization, in: Vaubel/Willett, Political Economy, S.27-45.

Vaubel, Roland/Willett, Thomas D. (Hrsg.), The Political Economy of International Organizations. A Public Choice Approach, Soulder 1991.

Veit, Otto, Grundriß der Währungspolitik, Frankfurt am Main 19612. Voth, Hans-Joachim, Did High Wages or High Interest Rates Bring Down the Weimar Republic? A Cointegration Model of Investment in Germany, 1925-1930, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 83 (1996), S. 801-819. Investitionen in den .,Goldenen Jahren" der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 113 (1993), S.629-633.

IV. Sekundärliteratur

355

-

Much Ado About Nothing? A Note on Investment and Wage Pressure in Weimar Germany, 1925-29, in: Historical Social Research 19 (1994), S.l24-139.

-

Zinsen, Investitionen und das Ende der Großen Depression in Deutschland, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 114 (1994}, S. 267-281.

Walters, Francis P., A History of the League of Nations, 2 Bd., Oxford 1952. Wanniski, Jude, The Way the World Works, New Jersey 19893• Weber, Adolf, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 19303. Wee, Herman van der (Hrsg.), The Great Depression Revisited. Essays in the Economics of the Thirties, Den Haag 1972. Wee, Herman van der/Buyst, Erik, Europe and the World Economy During the Inter-WarPeriod, in: Holtfrerich, Interactions, S. 239-259. Der Weg zum industriellen Spitzenverband, Frankfurt am Main 1956.

Weibull, Joergen W., Evolutionary Game Theory, Cambridge Mass. 1995. Weisbrod, Bernd, lndustrial Crisis Strategy in the Great Depression, in: Kruedener, Economic Crisis, S. 45-62. -

Schwerindustrie in der Weimarer Republik. Interessenpolitik zwischen Stabilisierung und Krise, Wuppertal1978.

-

Zur Form schwerindustrieller Interessenvertretung in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik, in: Mommsen/Petzina/ Weisbrod, Industrielles System, Bd. 2, S. 674-692.

Wendtland, E., Internationales Handbuch der Handelskammern. Die Handelskammern und Handelskammergesetze des Erdballs, Leipzig 1929. Wheelock, David C., Monetary Policy in the Great Depression and Beyond: The Sources of the Fed's Inflation Bias, (Federal Reserve BankSt. Louis, Research Division Working Papers 97-011A), St. Louis 1997. White, Harry Dexter, The Monetary Fund: Some Criticisms Examined, in: Foreign Affairs 23 (1945), S. 195-210. White, Lyman C., International Non-Govemmental Organizations, New Brunswick 1951. Wicker, Elmus R., Federal Reserve Monetary Policy 1917-1933, New York 1966. Williams, Herbert G., Through Tariffs to Prosperity, London 1931. Williams, John H., Currency Stabilization: The Keynes and White Plan, in: Williams, Postwar, S. 3-21. -

The Crisis ofthe Gold Standard, in: Foreign Affairs 10 (1932), S. 173-187.

-

(Hrsg.), Postwar Monetary Plansand Other Essays, New York 1947.

Williams, L.J., Britain and the World Economy 1919-1970, London 1971. Wilson, Kellog V./Bixenstine, V. Edwin, Formen der sozialen Kontrolle in Zwei-PersonenSpielen mit je zwei Strategien, in: Shubik, Spieltheorie, S. 354-374. Wilson, S. S., The Cabinet Office to 1945 (Public Record Office Handbooks No. 17), London 1975. Winkler, Heinrich August (Hrsg.}, Die große Krise in Amerika, Göttingen 1975.

356

Literaturverzeichnis

Wink/er, Heinrich August unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner (Hrsg.), Die deutsche Staatskrise 1930-1933. Handlungsspielräume und Alternativen, München 1992. -

Der Schein der Normalität. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1924 bis 1930, Berlin 1985.

-

Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930 bis 1933, Berlin 1987.

Woll, Artur (Hrsg.), Wirtschaftslexikon, Wien 19937• Yeager, Leland B., International Monetary Relations: Theory, History, and Policy, New York 19762. Zohlnhöfer, Werner, Der neue Protektionismus aus der Sicht der Politischen Ökonomie, in: Gutowski, Protektionismus, S. 95-117.

Sachwortverzeichnis Abkommen von Lausanne 223 Abkommen von Montevideo 300 Abs, Herman J. 43, 51,273 Abwertung 79, 80, 81, 86, 94, 96, 98, 131, 171, 176, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191,196,197,261,275,276,277,278, 303, 313 Aldrich, Winthrop W. 50, 87, 179, 183, 233,253,302,306,314,325,333 American Section deriCC 49, 57, 87, 118, 126,215,287,289,317,324,332 Amerikanische Gruppe 289, 293, 317 Amsterdamer Kongreß 33, 39, 201, 250, 254,297 Anderson, Alan G, 38, 45, 63, 64, 125, 132, 216,220,229,233,239,279,286,304, 305,325,335 Arbeitslosigkeit 149, 183, 184, 191, 194, 199,207,246,265,275,285,308,314, 341 Amaud, Rene 239,240, 325 Auriol, Vincent 277 Ausschuß für den wirtschaftlichen Wiederaufbau 50, 227 Ausschuß für Internationalen Zahlungsausgleich 50 Ausschuß für Währungs- und Kreditpolitik 43, 50, 234 Ausschuß zur Beseitigung der Handelshemmnisse 50, 123, 124 Automobilindustrie 65, 87, 113, 114, 115, 125,242,266, 273 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 14, .194, 196,216,234,237,310 Bank ofEngland 75, 174, 196, 198,280, 352 Banque de France 196, 275, 276 Bames, Julius H. 114, 165,217, 287,289, 291,324

Basch, Antonin 224, 325 Bergmann, Carl 220, 221 Berliner Kongreß 80, 101, 133, 134, 147, 164, 171, 234, 240, 267, 278, 307, 308, 325,327 Bilateralismus 116, 144, 145, 300 Blum, Leon 276, 277 Boehler, Eu~en 24, 161, 326 Borchardt-Kontroverse 64 Briand, Aristide 39, 159, 166, 262, 272, 290 Brüning, Heinrich 184, 188, 191, 258, 259,260,262,263,267,326, 336,337, 343,344 Bülow, Bernhard 262 Camegie Stiftung 63,119,161,175,224, 246,248,253,260 Cassel, Gustav 37, 146, 151, 201, 214, 326,338 Clementel, Etienne 16, 45, 123, 159, 256 Coates, W. H. 131, 202, 205, 206, 237, 281,321 Committee on Ways and Means 193, 241, 242,289,294,324,327 Commonwealth 95, 98, 283, 284 Condliffe, John B. 62, 126, 185, 195, 239, 247,249,250,326,339 Cuno, Wilhelrn 43 Dawes-Ausschuß 50 Deflation 73, 131, 173, 174, 176, 189, 193, 199, 208, 260, 268, 285, 314, 345, 346 Demburg, Bernhard 199, 200, 201, 229, 256,326 Deutsche Gruppe 20, 43, 58, 143, 175, 178,207,226,255,257,264,266,267, 293,327

358

Sachwertverzeichnis

Devisenbewirtschaftung 81, 88, 102, 131, 168,231,261,262,269,297 Devisenkontrolle 102, 116, 130, 145, 181, 185,190,231,254,261,262 Dollarlücke 103, 141, 313 Dolleans, Edouard 19, 37, 45, 56, 59, 169 Doppelbesteuerung 34, 47, 51, 185, 229, 253,281,282,313 Dreimächtewährungsabkornmen 277 Economic Advisory Council 14, 75, 280, 345 Ersatzabwertung 189, 261 Federal Reserve Bank 14, 75, 129, 196, 198,303,304,313,331,332,355 Fisher, Irving 205,206,214,308,315,341 Fordney-McCumber Act 293 Fran,.ois-Poncet, Andre 274, 278 Friedman, Milton 29, 84, 113, 129, 144, 174,203,204,206,214,269,282,283, 308,342 Frowein, Abraham 38, 45, 125, 160, 169, 175, 215, 220, 221, 223, 252, 256, 263, 265,308 GATI 14, 60, 146, 158, 245, 311, 315, 328 Gefangenendilemma 247,249, 309 Geldpolitik 30, 102, 174, 178, 179, 181, 182,184,189,190,198,201,202,203, 205,206,214,227,233,235,238,262, 275, 303, 304, 313 Genfer Konvention 279 Gesamtinteressen 57, 242, 243, 244, 249 Golay, Maurice 117,228,233,235 Goldstandard 70, 72, 79, 80, 131, 168, 169, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 190,195,206,228,229,261,285,303, 305,306,313,314,327,329 Gregory, Theodor Emanuel 24, 63, 80, 171,194,248,254,299,307,327 Guinness, Artbur R. 231, 232 Harnm, Eduard 43, 62, 180,221,224,228 Handelsschiedsgerichtsbarkeit 20, 54, 252

Hawtrey, Ralph G, 205,206,225,233,308, 315,344 Herriot, Edouard 45, 273, 274 Hitler 260 Hoover Moratorium 196, 222, 223, 273, 298, 312 Hoover, Herbert 14, 49, 69, 112, 129, 196, 217, 218, 221, 222, 223, 235, 273, 286, 287, 290, 291, 297, 298, 301, 302, 312, 318,319,324,327,331,341 Hull, Cordeil 46, 130, 292, 293, 294, 295, 296,297,300 ICC-Generalsekretariat 15, 44, 45, 48, 137 ICC-Mitgliederversarnmlung 46, 47 ICC-Präsidium 15, 19, 42, 44, 45, 47 ICC-Verwaltungsrat 15, 20, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 63, 64, 123, 124, 127, 132,137,150,153,197,207,213,220, 233,234,242,264,279,334 Inflation 23, 50, 173, 182, 188, 194,214, 234,235,258,259,276,303,314,335, 338,339,341,344,345,346,355 Investitionen 74, 75, 76, 95, 103, 105, 120, 149, 174, 179, 180, 182, 184, 199, 201, 206,207,208,210,211,212,214,222, 234,235,236,261,265,266,267,276, 282,285,313,351,354,355 IWF 14,236,237 Joint Cornmittee Carnegie Endowment 23,24, 329 Iones, Owen 38, 64, 144, 153, 165, 167, 169,180,202,225,247,271,281,293, 300,321 Juillard, Robert 180 Kartelle 52, 136, 137, 138, 160, 164, 180, 202,268,307,308,329,330,331,348 Keynes, John Maynard 175, 178, 179, 180, 182, 198, 203, 208, 231, 249, 280, 281,309,342,347,355 Kindleberger, Char1es P. 22, 29, 64, 66, 77, 78,94, 128,129,195,196,203,222, 232,236,248,292,295,296,297,301, 313,317,318,345,347,349

Sachwortverzeichnis Kirchhauff, 0. S. 167 Kollektivverträge 123 Kolonien 97, 98, 99, 127, 153, 155, 158,

160, 165, 171, 254, 317 Konferenz von Ottawa 98 Kongreß in Wien 37, 140, 157, 293 Kongresse. 18, 31, 44, 47, 58, 147, 252,

330 Kopenhagener Kongreß 140 Kriegsschulden 76, 79, 91, 103, 141, 217,

218,219,220,221,223,273,286,297, 298,312 Lamont, Thomas W. 301, 324 Leaf, Walter 33, 35, 45, 256 Lender of last resort 196, 198, 310 Liquiditätsmangel 76, 178, 204, 235, 305 Lobby 289 Lohnpolitik 301 Luther, Hans 174, 188,216, 256, 258, 260,

348 MacDonald, Ramsay 280, 281, 282, 285 Meggl6, A. 230 Meistbegünstigungsklausel 117, 125, 139,

143, 144, 145, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 252, 254, 264, 269, 286, 291, 292,293,300,309,311,317 Meltzer, Allan H. 66, 112, 129, 203, 204, 306,308,349 Mendelssohn, Franz von 38, 43, 45, 239, 255,256,330 Mlynarski, Felix 24, 175, 186, 195, 234, 330 Monnet, Jean 166 Mortara, Giorgio 24, 38, 56 Mundell-Fleming-Modell 180 Nationalkomitees 15, 16, 24, 45, 64, 125,

127, 133, 143, 152, 153, 155, 156, 159, 162,167,238,239,242,246,249,250, 251,279,281,287,288,290,294,298, 301,305,316,320 New Deal 83, 183, 276, 301, 304, 316 Offenmarktpolitik 203, 213, 304

359

Pariser Kongreß 33, 47, 64, 72, 73, 132,

144,171,194,213,231,252,253,267, 296,299,327,334 Parrnentier, Jean 138, 163 Partikularinteressen 58, 167, 243, 245, 304,316,317 Pasvolsky, Leo 63, 106, 107, 116, 117, 119, 157, 224, 331 Pearson, Thomas 242 Pirelli, Alberto 34, 45, 50, 55, 58, 195,226 Predöhl, Andreas 24, 63, 136, 157, 178, 331 Protektionismus 60, 61, 65, 71, 93, 97, 101, 105, 108, 116, 124, 125, 126, 135, 138, 141, 151, 155, 160, 162, 199, 229, 231,241,242,245,246,248,271,278, 283, 288, 289, 291, 333, 336, 338, 342, 343,348,356 Public Choice 243, 244, 245, 248, 304, 305,316,317,335,337,338,342, 349, 351,354 Quotensystem 125, 269 Realzinsen 74,204,205,206,207,210,

212,261,303 Reciprocal Trade Agreements Act 55, 86,

108,114,130,158,286,293,294,295, 296,297,300,301,306,310 Reichsbank 71, 75, 76, 101, 102, 131,170, 177,196,206,235,257,258,259,260, 261,262,264,339,343,346 Reparationen 49, 76, 101, 216, 217, 219, 223,227,258,259,260,273,286,297, 298,312,344 Ridgeway, George L. 17, 20, 21, 33, 34, 39,40,55, 120,157,164,169,170,213, 218,250,293,295,296,351 Ried!, Richard 38, 123, 139, 141, 154, 155, 156, 157, 159, 161, 162, 163, 225, 255,262,311,328,331 Robbins, Lionel 22, 246, 280, 281, 332, 351 Robinson, Henry M. 50, 288, 324, 332 Roosevelt, Franklin, D. 14, 46, 58, 176, 183, 189, 215, 249, 251, 287, 292, 295,

360

Sachwertverzeichnis

296, 299, 300, 303, 306, 309, 318, 323, 336,345,353 Röpke, Wilhelm 236, 237 Sachs, Josef 52, 99, 157, 167, 172, 177, 186,187,188,189,206,251,340 Satter, Arthur 34, 80, 112, 143, 154, 158, 159, 165, 166, 243, 244, 255, 332, 351 Schacht, Hjalmar 232, 260, 352 Siegfried, Andr~ 113,164, 165,353 Silverberg, Paul 42, 256, 257, 258, 265, 266,330,350 Smith, Adam 105, 177, 246, 248, 347, 349,353 Smoot Hawley TariffAct 27, 29, 30, 66, 85, 101, 109, 112, 114, 118, 128, 164, 165,203,230,242,247,269,271,289, 290,291,293,319,340,346 Spezifische Zölle 117 Spieltheorie 247, 248, 343, 344, 349, 353, 355 Stamp, Josiah 194, 226, 227, 280, 281, 285,346,353 Steuersätze 83, 183, 184 Strawn, Silas H. 126, 218, 219, 231, 241, 288,308,324,332 Stresemann, Gustav 262, 273, 354 Studienausschuß für Bankwesen 42 Tardieu, Andr~ 269 TariffCommission 27, 100, 107, 108, 109, 111, 117, 127, 149,201,294,333,334 Taylor-Rule 238 TermsofTrade 74,202,261,308 Theunis, Georges 16, 20, 34, 36, 45, 55, 58, 78, 105, 121, 180, 202, 206, 207, 208,218,224,240,250,272 Toynbee, Amold J. 176, 354 Traylor, Melvin 56, 57, 126, 251, 302, 331,332 Trendelenburg, Ernst 36, 63, 95, 96, 97, 98,99,105,260,263,333

Vasseur, Pierre 35, 38, 46, 58, 59, 137, 251,334 Verwaltungsratssitzung 41, 56, 144, 145, 193, 215, 220, 222, 233, 234, 240, 242, 256,261,279,296,299,325,334 Vlissingen, F. H. Fentener van 24, 45, 46, 47, 58, 59, 62, 64, 102, 165, 228, 246, 252, 255, 283, 294, 295, 296, 300, 334 Völkerbund 17, 18, 20, 25, 26, 33, 34, 35, 36, 37, 44, 54, 55, 78, 106, 124, 125, 134,154,158,186,202,205,213,244, 248,253,257,351,352 Währungs- und Wirtschaftskonferenz 270,297 Washingtoner Kongreß 16, 78, 126, 138, 153,160,200,207,219,221,285,287, 291,326,328 Watson, Thomas W. 63, 240, 287, 294, 295,297,334 Weltwirtschafts- und Finanzkonferenz 34, 36,37,62, 121,127,130,136,139,140, 158,169,185,186,213,215,224,226, 231,292,314 Weltwirtschaftskonferenz 21, 36, 37, 124, 151, 154, 213, 224, 240, 276, 282, 299, 334 Wiener Kongreß 84, 153, 168, 212, 286, 330 WTO 14, 60, 61, 146, 245, 315 Young, Owen D. 50, 215, 288, 324 Young-Plan 131, 187, 215, 216, 344 Zölle 26, 29, 101, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 114, 115, 117, 118, 119, 121, 126, 128, 129, 134, 135, 136, 139, 140, 142,148,149,152,155,160,164,201, 240,247,262,270,274,282,283,291, 292,299,314 Zollstillhalteabkommen 127,279,297