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German Pages 238 Year 1967
KONRAD
ROESLER
Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches i m Ersten Weltkrieg
U n t e r s u c h u n g e n ü b e r das Spar-, Giro- und K r e d i t w e s e n Schriften des Instituts iür das Spar-, Giro- u n d Kreditwesen an der Universität Bonn Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Fritz Voigt
Band 37
Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches i m Ersten Weltkrieg
Von
D r . K o n r a d Roesler
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1967 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany
Für meine
Eltern
Inhaltsverzeichnis Erster
Abschnitt
Finanzielle Kriegsbereitschaft A. Die Finanzpolitik B. Die finanzielle politik
13
des Deutschen Reiches bis 1914 im Überblick Kriegsvorbereitung
im Rahmen der Finanz-
13
und Geld17
C. Die Stellung der Kriegsfinanzierung
deutschen
D. Zusammenfassung
und Kritik
Finanzwissenschaft
zum
Problem
der 24 31
Zweiter
Abschnitt
Finanzielle Mobilmachung A. Der innenpolitische finanzpolitik
Burgfrieden
35
und seine Bedeutung
für die Kriegs35
B. Die Kriegsgesetze
37
I. Reichskassenscheine, Banknoten und Münzen
37
I I . Schatzanweisungen, Schatzwechsel u n d Zollkriegswechsel
38
I I I . Darlehenskassen
41
I V . Sonstige wirtschaftliche Maßnahmen
44
V. Nachtragshaushalt
45
V I . Zusammenfassung: A l t e u n d neue Geldverfassung des Reiches C. Die wirtschaftliche
Entwicklung
während
..
der Mobilmachungszeit
D. Die erste Kriegsanleihe
46 48 54
Dritter
Abschnitt
Finanzielle Kriegsführung A. Die Periode des Abwartens
59
(1914—1916)
I. Entwicklung u n d staatliche Eingriffe Bereich
59 im
güterwirtschaftlichen 59
8
Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung
59
2. Die Preispolitik bei Konsumgütern, insbesondere bei N a h rungsmitteln
60
3. Die Rohstoffwirtschaft
61
4. Nachfrageverschiebung und Industrieproduktion
63
I I . Die öffentliche Finanzwirtschaft
67
1. Die Entwicklung des ordentlichen Haushalts u n d das Steuerproblem a) Die Manipulierung des ordentlichen Haushalts b) Die Diskussion über neue Steuern während des Burgfriedens 2. Der außerordentliche Haushalt a) Vorfinanzierung u n d Ausgabegebarung b) Die Kriegsanleihen I I I . Die Auswirkungen der Wirtschafts- u n d Finanzpolitik i m monetären Bereich
67 67 71 74 74 76 80
1. Reichsbankstatus und Reichsbankpolitik
80
2. Darlehenskassen
84
3. Kreditbanken
86
IV. Zusammenfassung B. Die Periode des Niedergangs
90 (1916—1918)
96
I. Vorbemerkung I I . Verstärkung und Zentralisierung der staatlichen Eingriffe güterwirtschaftlichen Bereich 1. Die ErnährungsWirtschaft
96 im 97 97
2. Hindenburgprogramm u n d Vaterländischer Hilfsdienst
98
3. L o h n - u n d Preispolitik i n der Rüstungsindustrie
99
4. Ergebnis I I I . Die öffentliche Finanzwirtschaft 1. Die Stellung von Regierung u n d Parteien zur Steuerfrage
103 103 103
2. Die Steuerdiskussionen i m Reichstag 105 a) Die Kriegssteuern von 1916 105 b) Die Kriegssteuern von 1917 109 c) Die Kriegssteuern von 1918 112 3. Die Ergebnisse der Kriegssteuern und die Entwicklung des ordentlichen Haushalts 119 a) I n deckungspolitischer Sicht 119 b) I n steuertechnischer Sicht 125 c) I n gesamtwirtschaftlicher Sicht 127 4. Außerordentlicher Haushalt u n d Kriegsanleihen
130
5. Die Finanzen der Bundesstaaten u n d Gemeinden
134
IV. Die Auswirkungen i m monetären Bereich 1. Reichsbankpolitik und Inflation 2. Die Darlehenskassen als zweite Notenbank
137 137 140
Inhaltsverzeichnis 3. Kreditbanken u n d Sparkassen i m Zeichen des öffentlichen Kredits 141 V. Zusammenfassung
145
Vierter
Abschnitt
Zusammenfassung und Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik und ihrer Folgen A. Vorbemerkung B. Die reale Aufbringung
150 150
des Kriegsbedarfs
150
I. Die güterwirtschaftlichen Quellen des Kriegsbedarfs
150
I I . Die Beanspruchung der einzelnen Quellen, Versuch einer Quantifizierung 153 I I I . Z u r Frage der intertemporalen Lastverteilung C. Die monetäre Aufbringung
d,es Kriegsbedarfs;
Kritik
157 der Finanzpolitik
I. Die Quellen der Kriegsfinanzierung
159 159
I I . Die Inanspruchnahme der einzelnen Quellen 161 1. Allgemeines 161 2. Steuerpolitik 163 3. Anleihepolitik 166 4. Geldschöpfung und Geldpolitik 168 5. Auslandskredit 171 6. Die Bedeutung der L o h n - u n d Preispolitik für die Kriegsfinanzierung 172 D. Die Bedeutung des Krieges und der Kriegsfinanzpolitik tur der Wirtschaft und die künftige wirtschaftliche Entwicklung
für die Strukund finanzielle
I. Produktionsapparat und Arbeitskräftepotential I I . Einkommen- u n d Vermögensverteilung
174 174 175
I I I . öffentlicher Haushalt
177
I V . Monetäre Situation
179
Schluß Die Stellung der Wissenschaft zum Inflationsproblem
181
Anhang Zusammenstellung der Steuergesetze 1916—1918
189
Statistische Übersichten
195
Literaturverzeichnis
230
Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1: Ausweis der Reichsbank von J u l i bis Dezember 1914 (in M i l l . Mark)
52
Tabelle 2: Z u r Arbeitslosigkeit i m Jahre 1914
53
Tabelle 3: Preisentwicklung von Nahrungsmitteln 1914—1916
63
Tabelle 4: Gegenüberstellung von Haushaltsplänen u n d
-rechnungen
für die Jahre 1914—1916 (ordentlicher Haushalt)
68
Tabelle 5: Kriegsanleihen u n d Schatzanweisungen
79
Tabelle 6: Unterbringung der Schatz- u n d Handelswechsel
88
Tabelle 7: Entwicklung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
92
Tabelle 8: Vergleich der geschätzten u n d tatsächlichen Erträge aus neuen bzw. erhöhten Reichssteuern (1916—1918) 120 Tabelle 9: Gegenüberstellung von Haushaltsplan und Haushaltsrechnung f ü r die Jahre 1916—1918 (ordentlicher Haushalt) 122 Tabelle 10: Z u r Entwicklung der Sparkassen 1913—1918 Tabellen:
Zur
güterwirtschaftlichen
Aufbringung
143
des Kriegsbedarfs 154
Tabelle 12 : Das Verhältnis von Heeresstärke und Gesamtbevölkerung i m Kriege 156
Verzeichnis der benutzten Abkürzungen AfSuS
=
Archiv f ü r Sozialwissenschaft u n d Sozialpolitik
BA
=
Bankarchiv
FA
=
Finanzarchiv
HdF
=
Handbuch der Finanzwissenschaft
HdS
=
Handwörterbuch der Staatswissenschaften
HdSW
=
Handwörterbuch der Sozialwissenschaften
JfNuS
=
Jahrbücher für Nationalökonomie u n d Statistik
RGBl.
=
Reichsgesetzblatt
RT Bd. Nr.
=
Verhandlungen des Reichstags Band . . . Drucksache Nr.
SchmJb
=
Schmollers Jahrbuch
VfS
=
Schriften des Vereins für Socialpolitik
WWA
=
Weltwirtschaftliches Archiv
ZfdgS
=
Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
ZfHuH
=
Zeitschrift für Handelswissenschaft u n d Handelspraxis
Erster Abschnitt Finanzielle Kriegsbereitschaft
A. Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches bis 1914 im Überblick Die Verfassung von 1871 hatte dem Reich neben der Außenpolitik vor allem die Landesverteidigung als wichtige Aufgabe zugewiesen. Die damit verbundenen Ausgaben mußte das Reich i m wesentlichen aus Einnahmen bestreiten, über die schon der Norddeutsche Bund verfügt hatte: Zölle, Verbrauchssteuern, Verkehrssteuern (Stempel), dazu die Überschüsse von Bahn und Post, soweit sie dem Reich zufielen 1 . Zur Deckung von Fehlbeträgen waren Matrikularbeiträge der Länder, für außerordentliche Ausgaben Reichsanleihen vorgesehen. Die Länder („Bundesstaaten") sollten vor allem die direkten Steuern ausschöpfen. Diese zunächst historisch gewachsene Aufteilung der Einnahmen hatte die neue Reichsverfassung zwar nicht exakt formuliert, sie wurde aber in der Praxis als unumstößlich behandelt und blieb deswegen fast unverändert bis 1914 bestehen, wenn sie auch oft in den Kämpfen des politischen Alltags als Ursache der „Finanzmisere" des Reiches kritisiert wurde. Entsprechend seinen politischen Vorstellungen war zunächst Bismarck nicht geneigt, hier eine grundsätzliche Änderung anzustreben. Er versuchte zwar, das Reich aus der Rolle des „Kostgängers der Einzelstaaten", also aus der Abhängigkeit von Matrikularbeiträgen zu lösen und i m Gegenteil die Länder durch Überweisungen zu alimentieren, eine Erhöhung der Einnahmen wollte er jedoch nur über die indirekte Belastung aufbringen 2 . Seine Finanzreform von 1879 ging in diese Richtung; man muß jedoch berücksichtigen, daß hier die Handelspolitik i m Vordergrund stand. Sie brachte eine Wendung von der Freihandels- zur Schutzzollpolitik. Diese gelang mit Hilfe des Zentrums, während Bismarcks alte 1 Vgl. i m einzelnen: Gerloff, Wilhelm, Die Finanz- und Z o l l p o l i t i k des Deutschen Reiches, Jena 1913, S. 52. 2 Vgl. Terhalle, Fritz, Geschichte der deutschen Finanzwirtschaft v o m Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Schluß des zweiten Weltkriegs, H d F 2. Aufl., 1. Bd., Tübingen 1952, S. 279; Teschemacher, Hans, Reichsfinanzreform u n d innere Reichspolitik 1906 bis 1913, Berlin 1915, S. 1 f.
14
1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
Partei i m Reichstag, die Nationalliberalen, den Schutzzoll ablehnten. Bismarck kam den partikularistischen Interessen des Zentrums durch die Franckensteinsche Klausel entgegen, die bestimmte, daß der Ertrag der Zölle und Tabaksteuer, soweit er 130 Millionen Mark überschritt, an die Länder abgeführt werden sollte. Dadurch wurde das Reich auf die Dauer finanziell beschnitten und der Finanzausgleich kompliziert. Eine neue parteipolitische Konstellation, die m i t geringen Verschiebungen bis 1912 anhielt, zwang die Reichskanzler i n Zukunft zum „Taktieren m i t wechselnden Mehrheiten", was „eine großangelegte Innenpolitik auf lange Sicht" unmöglich machte 3 . Darunter l i t t auch die Finanzpolitik. Die Ausgaben für Heer und Marine machten den größten Posten i m Reichshaushalt aus; eine Einnahmeerhöhung war praktisch nur bei Ausweitung der Militärausgaben notwendig. Dadurch wurde „der Kampf um die Rüstungsvorlagen... zu einem Kampf um die Deckungsvorlagen" 4 . Die i n den folgenden Jahrzehnten vorgelegten Steuerpläne und Reformvorschläge gingen, so bescheiden sie i m Ansatz waren, i m Kampf der parteipolitischen, partikularistischen und ideologischen Gruppen und Interessen unter. Erreicht wurde ab und zu die Neueinführung einer kleinen Steuer oder die Erhöhung einer bereits vorhandenen, die i m wesentlichen den „Massenluxusverbrauch" belasteten. Ein besonders beliebtes Verlegenheitsprodukt waren dazu die Verkehrssteuern (Stempel), von denen es 1871 eine, 1913 bereits zehn gab 5 . Eine stärkere Ausschöpfung der Verbrauchsabgaben durch reichseigene Monopole, wie sie Bismarck und später Bülow durchsetzen wollten, scheiterte am Widerstand des Reichstags. Der Ausbau und die Verfeinerung der direkten Steuern i n den einzelnen Bundesstaaten 8 brachte dem Reich keinerlei Vorteile. Ihre Anspannung durch steigende örtliche Zuschläge bedingte vielmehr eine Erhöhung der gesamten Steuerlast i m Reich und deren Verschiebung nach der Seite der direkten Steuern 7 . Hier empfahl Gerloff, die bundes3 Born, K a r l Erich, Von der Reichsgründung bis zum ersten Weltkrieg, Handbuch der deutschen Geschichte, hersg. von Bruno Gebhardt, Bd. I I I , Stuttgart 1962, S. 233. 4 Erzberger y Mathias, Die Rüstungsausgaben des Deutschen Reiches, S t u t t gart 1914, S. 71. 5 Vgl. Terhalle, Fritz, a.a.O., S. 281 f. β I m allgemeinen Trend von der O b j e k t - zur Subjektbesteuerung muß hier vor allem die Miquelsche Reform der Einkommensteuer i n Preußen genannt werden, welche die grobe Klassensteuer i n eine progressive Einkommensteuer änderte. 7 Vgl. Gerloff, Wilhelm, Die steuerliche Belastung i n Deutschland während der letzten Friedens jähre. Gutachten, dem Staatssekretär des Reichsschatzamts erstattet. Berlin 1916, S. 25 ff. Gerloff berechnete 1913 den A n t e i l der direkten Steuern an den Einnahmen von Reich und Ländern m i t 39 %, der indirekten m i t 6 1 % ; die Gemeindesteuern waren aber zu 9 0 % direkte Steuern.
Α. Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches bis 1914 i m Überblick
15
staatlichen Einnahmequellen zu schonen8, d. h. die direkten Steuern nicht stärker anzuspannen, während Adolph Wagner sehr pointiert die Notwendigkeit einer direkten Reichssteuer betonte, die den erforderlichen sozialen Ausgleich zugunsten der unteren Einkommensklassen schaffen®, sich also mehr nach der Leistungsfähigkeit richten sollte. Anders als i m Steuerwesen gelangen auf den Gebieten des Finanzausgleichs und der Schuldenwirtschaft echte, wenn auch bescheidene Reformerfolge. Das H i n und Her von Matrikularbeiträgen und Überweisungen, das durch die Franckensteinsche Klausel festgelegt worden war, wurde im Laufe der Zeit immer komplizierter. Besonders die Matrikularbeiträge als „beweglicher Faktor" der Reichseinnahmen hatten sich nicht bewährt. Wegen des erstarrten Umlegungsschlüssels waren sie keine zuverlässige Einnahme für das Reich 10 . Durch die lex Stengel wurde nun die Franckensteinsche Klausel auf Branntweinsteuer und die Reichsstempelabgaben begrenzt. Damit war der Finanzausgleich wesentlich vereinfacht und die zu verrechnenden Beträge erheblich geringer (vgl. Übersicht 1). Vorher brachte, nachdem die französische Kriegsentschädigung den Reichshaushalt einige Jahre erheblich gestützt hatte, ein Ausweichen auf die Kreditaufnahme oft den einzigen Ausweg aus der Finanzmisere, wobei auf die Regeln gesunder Schuldenpolitik wenig Rücksicht genommen wurde. Weder die Deckungs- noch die Tilgungspolitik waren i n Ordnung. Nur zum kleinen Teil gingen die außerordentlichen Einnahmen wirklich i n „werbende Ausgaben" 11 , aber die Methode, bei Vorlage des Wehretats auf eine gleichzeitige Deckungsvorlage zu verzichten, zwang dazu. Vor allem der Marineausbau wurde bis zur Jahrhundertwende fast ausschließlich aus Anleihemitteln bestritten 12 . Die wachsenden Rüstungsausgaben waren mithin der wesentliche Grund für den Anstieg der Verschuldung. Erst im Jahre 1901 entschloß man sich, feste Grundsätze aufzustellen, was über Anleihe finanziert werden durfte. 1907 w u r den diese Grundsätze ausgebaut 13 . Eine gesetzliche Vorschrift zur Schuldentilgung bestand bis zum Jahre 1906 nicht. Nur sporadisch kam es zu einem Abbau der aufgenommenen Anleihen. I m Rahmen der Finanz8 Vgl. Gerloff, Wilhelm, Die Reichsfinanzgesetzgebung von 1913, B e r l i n 1914, S. 65 ff. 9 Vgl. Wagner, Adolph, Die Reichsfinanznot, Berlin 1908, S. 31 ff. 10 Vgl. Terhalle, Fritz, a.a.O., S. 279; Einzelheiten bei Koppe, Hans, Die Veredelung der Matrikularbeiträge, Stuttgart 1913. 11 Vgl. Terhalle, Fritz, a.a.O., S. 282. 12 Vgl. Gerloff, Wilhelm, Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reiches, a.a.O., S. 397. 13 Siehe dazu i m einzelnen: Reichsschatzamt, Denkschriften zur Begründung eines Gesetzes betreffend Änderungen i m Finanzwesen, Berlin 1908, S. 29 ff.
16
1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
reform von 1906 versuchte man, die Tilgungspflicht mit einer Besitzbelastung zu verkoppeln 14 . Tatsächlich brachte das Jahr 1906 noch ein Schuldentilgungsgesetz, das ab 1908 gelten sollte 15 . Eine regelmäßige Tilgung wurde aber erst ab 1909 vorgenommen. I n der gesamten Reichsschuld, wie sie i n Übersicht 1 ausgewiesen ist, sind bis 1903 keine kurzfristigen Schulden enthalten. Die begebenen Schatzanweisungen wurden bis dahin jährlich getilgt. Ab 1903 ist auch eine „latente Schatzscheinschuld" vorhanden 16 , die i n den offiziellen Statistiken jedoch ignoriert wird. Das Reich versäumte, sich für Papiere dieser A r t einen festen Markt zu schaffen; die Form der kurzfristigen Verschuldung galt als suspekt und nur die langfristige als solide. Das sollte sich i m Kriege als gewisser Mangel herausstellen. Die Finanzreform von 1913 schließlich verdient noch besonders erwähnt zu werden. Sie brachte, wenn auch i n der schüchternen Form einer einmaligen Abgabe, i n Gestalt des Wehrbeitrages eine direkte Reichsabgabe von größerem Ausmaß. Schon am Namen ist ersichtlich, daß wieder die Rüstungsausgaben der Anlaß waren. Der erste Einbruch in das Monopol der Länder für die direkten Steuern war 1906 mit der Erbschaftssteuer gelungen. Gegen die Forderung der Sozialdemokraten wurde sie jedoch stark eingeschränkt auf die Form einer Erbanfallsteuer 17 . Sie brachte viel geringere Erträge, als man erwartet hatte. Bei dem Versuch, sie zu einer Nachlaßsteuer auszubauen, mußte Bülow 1909 wegen der ablehnenden Haltung des Reichstags zurücktreten. Damit konnte der Reichstag zum ersten Male einen Reichskanzler zum Rücktritt bewegen. Ebenso zum ersten Male setzte er mit seiner Mehrheit (Konservative und Zentrum) einen eigenen Steuervorschlag durch, der anstelle der Nachlaßsteuer eine direkte Reichssteuer i m Gewände einer Reichsstempelabgabe auf das „mobile Kapital" und eine Erhöhung der Erbanfallsteuer von 1906 zum Inhalt hatte. Auch der Wehrbeitrag von 1913 erhielt schließlich die Form einer einmaligen direkten (Vermögens-)Abgabe, die innerhalb von drei Jahren den für die damalige Zeit außerordentlich hohen Betrag von einer Milliarde Mark erbringen sollte. Vielleicht noch mehr Bedeutung hatte die m i t dem Wehrbeitrag verbundene Vermögenszuwachssteuer, weil sie ein dauerndes Eindringen des Reichs in das Ländermonopol der direkten Steuern bedeutete. Für die Erbschaftssteuer gilt das nicht so sehr, weil man sie 14 Vgl. Plenge, Johann, Z u r Diagnose der Reichsfinanzreform, ZfdgS Bd. 65 (1909), S. 290 ff. 15 Vgl. Reichsschatzamt, a.a.O., S. 31. 1β Vgl. ebd., S. 33 u n d Die Reichsbank 1901—1925, B e r l i n o.J., S. 10. 17 Einzelheiten bei Begemann, Egbert, Die Finanzreformversuche i m Deutschen Reich von 1867 bis zur Gegenwart, Göttingen 1912, S. 89 ff.
Β . Die finanzielle Kriegsvorbereitung
17
vielfach zu den indirekten Steuern zählte. Die neuen Abgaben fanden i m Reichstag eine außerordentlich große Mehrheit, darunter auch die Sozialdemokraten, die hier ihren beachtlichen Stimmenzuwachs aus der Wahl von 1912 i n die Waagschale werfen konnten, da sie i n der Besitzbelastung einen Teil ihres finanzpolitischen Programms verwirklicht sahen. I m übrigen wurde diese Majorität mehr von patriotischen Gefühlen als von finanzpolitischen Einsichten getragen 18 . Eine allgemeine Reichseinkommensteuer konnte also i n diesem Reichstag keine Mehrheit finden. Der Ausweg war eine Vermögens- bzw. Vermögenszuwachsbesteuerung, die unglücklicherweise auch richtungweisend für die Kriegssteuerpolitik wurde. Die Zerstrittenheit des Reichstags i n der Finanzpolitik hatte sich durch die einmütige Verabschiedung des Wehrbeitrages nicht verbergen lassen; sie kam schon darin zum Ausdruck, daß Militärvorlage und Deckungsvorläge wieder getrennt behandelt wurden. Dabei stimmten die Konservativen für die Truppenvermehrung, aber gegen die vorgesehene direkte Steuer, die SPD gegen die Militärausgaben, aber für die Deckungsvorschläge, weil sie direkte Steuern enthielten. Einnahmewirksam wurde der Wehrbeitrag erst i m Rechnungsjahr 1914; seine finanzwirtschaftliche Bedeutung fällt also schon i n die Kriegszeit. Auch dieser letzten „Finanzreform" vor dem Kriege kann man das Prädikat des Provisoriums nicht vorenthalten. Manches Grundsätzliche war erreicht, aber sie blieb „eine Vorstufe zur Finanzreform, nicht die Finanzreform selbst" 19 . Die überwiegenden Unvollkommenheiten des deutschen Finanzsystems und des fiskalischen Denkens kamen i m Frieden noch nicht zur Auswirkung, da die geringe Belastung den Zensiten nicht drückte und den Wirtschaftsprozeß nicht störte 20 ; sie sollten jedoch i m Kriege noch unheilvolle Früchte tragen, ehe eine tiefgreifende Finanzreform durchgesetzt werden konnte.
B. Die finanzielle Kriegsvorbereitung im Rahmen der Finanz- und Geldpolitik Innerhalb der Reichsfinanzpolitik seit 1871 hat die finanzielle Kriegsbereitschaft immer eine gewisse Rolle gespielt, wobei „die auf finanzpolitischem Gebiet gewonnenen Erfahrungen des deutsch-französischen 18 v g l Teschemacher, Hans, a.a.O., S. 78 ff. 19 Ebd., S. 85. 20 Vgl. Ritsehl, Hans, Die Wandlungen des deutschen Steuersystems von 1913 bis 1928 i n ihrem Einfluß auf die Kapitalbildung, i n : K a p i t a l b i l d u n g u n d Steuersystem, Veröffentlichungen der Friedrich-List-Gesellschaft e.V., Bd. 3, B e r l i n 1930, S. 158 ff. 2 Roeeler
18
1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
Krieges 1870/71 von richtunggebender Bedeutung" 2 1 waren. Um den Charakter der getroffenen Maßnahmen richtig zu würdigen, muß man sie immer in dieser Abhängigkeit von den Vorstellungen sehen, welche die maßgebenden Finanzpolitiker der Periode aus der Finanzierung dieses kurzen und siegreichen Krieges gewonnen hatten. So richteten sich die Anstrengungen vor allem darauf, i m Mobilmachungsfalle dem Reich genügend Bargeld zu verschaffen, das zur Bedarfsdeckung reichen sollte, bis die eigentliche Kriegsfinanzierung i n Gang käme. Gerade bei Kriegsbeginn hatte man 1870 Schwierigkeiten gehabt, die erforderlichen Barmittel für die Mobilmachung zu beschaffen. Die erste Maßnahme i n dieser Richtung war die Schaffung eines Reichskriegsschatzes nach dem Muster des preußischen Staatsschatzes früherer Zeiten. Aus der französischen Kriegsentschädigung wurden 120 Millionen Mark i n gemünztem Gold entnommen und i m Spandauer Juliusturm aufbewahrt 22 . Auch die Einrichtung der Reichsbank und die Zentralisierung des deutschen Notenbankwesens 23 kann man als wichtigen Beitrag zur finanziellen Kriegsvorbereitung ansehen, da die Reichsbank nach späteren Plänen als „Reichskriegsbank" fungieren sollte. Die außenpolitische Lage verschlechterte sich nach der Entlassung Bismarcks zusehends und beschwor die Gefahr eines Zweifrontenkrieges herauf. Deshalb intensivierte insbesondere der preußische Finanzminister Miquel die Bemühungen um finanzielle Kriegsbereitschaft 24 . Auf seine Anregung berechnete das Kriegsministerium von nun an jährlich den voraussichtlichen Mobilmachungsbedarf. Da nach den ersten Ergebnissen der Kriegsschatz schon zu knapp erschien, erwog man für den Kriegsfall die zusätzliche Ausgabe von Reichskassenscheinen25 und die Lombardierung des Reichsinvalidenfonds 26 . Für die Übergangszeit bis zur Auflegung großer Kriegsanleihen oder Steuererhöhungen plante man die Diskontierung von Schatzanweisungen bei der Reichsbank. Neben der Vorbereitung von Gesetzentwürfen, die zur Einrichtung von Darlehens21 Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914—1918. Kriegsrüstung u n d K r i e g s w i r t schaft, Bd. 1 (mit Anlagenband): Die militärische, wirtschaftliche u n d finanzielle Rüstung Deutschlands von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Weltkrieges, B e r l i n 1930, S. 417. 22 Vgl. Reichsarchiv, a.a.O., S. 424. 23 Die wesentlichen Einzelheiten bei: Helfferich, K a r l , Das Geld, 6. Aufl., Leipzig 1923, S. 140 ff. u n d Stucken, Rudolf, Deutsche Geld- u n d K r e d i t p o l i t i k 1914—1953, 2. Aufl., Tübingen 1953, S. 1 ff. 24 Vgl. Reichsarchiv, a.a.O., S. 433 ff. 25 Die Reichskassenscheine hatten das Papiergeld der Bundesstaaten als reichseinheitliche Noten abgelöst. N u r öffentliche Kassen, nicht Private m u ß ten sie i n Zahlung nehmen. 28 Der Reichsinvalidenfonds w a r ein aus der französischen Kriegsentschädigung gebildeter Fonds zur Unterstützung von Kriegsverletzten. Er w a r i n Staats- u n d Kommunalanleihen angelegt.
Β . Die finanzielle Kriegsvorbereitung
19
kassen und zur Auflage einer Reichsanleihe notwendig waren, bedeutete besonders die Einrichtung von Mobilmachungsreferaten i m Reichsschatzamt und i n der Reichsbank einen organisatorischen Fortschritt. Die Darlehenskassen sollten nach dem Vorbild früherer Einrichtungen dieser A r t gegründet werden, um Darlehen gegen Verpfändung von Waren und Wertpapieren zu gewähren. Diese Kredite wollte man i n uneinlöslichen Noten (Darlehenskassenscheinen) auszahlen. Sie sollten den Bedarf an Privatkredit wie auch an zusätzlichen Zahlungsmitteln befriedigen 27 . Miquel sah zwar die Finanzlage des Reiches i m Hinblick auf eine eventuelle Kriegsfinanzierung als sehr bedenklich an, denn der wachsenden Verschuldung des Reiches stand ein geringes Aufkommen aus reichseigenen Steuern gegenüber. Er ging auf Kriegssteuern jedoch gar nicht ein und gab einer Kriegsanleihe nur geringe Aussichten auf Erfolg, so daß ihm schließlich nur vorzuschlagen übrig blieb, am Mobilmachungstage den Zwangskurs für die Mark zu erklären und die Goldeinlösungspflicht der Notenbank aufzuheben. U m die Jahrhundertwende brachte der höher berechnete Mobilmachungsbedarf den Anlaß zu neuen Beratungen. Zunächst sollte die Organisation der Darlehenskassen so weit vorbereitet werden, daß sie i m Kriegsfalle nach der Ratifizierung durch das Parlament sofort einsatzbereit war. Hierbei betonte das Reichsbankdirektorium, daß von der Ausgabe uneinlöslicher Darlehenskassenscheine keine inflatorische Wirkung ausgehen müsse, „sofern sich die Darlehenskassen lediglich auf die Befriedigung des außerordentlichen Kreditbedarfs der privaten Erwerbswirtschaft bei Kriegsausbruch beschränkten" 28 . Erfahrungsgemäß flössen diese Kredite sehr bald zurück. Ein Vorschlag des preußischen Finanzministers v. Rheinbaben, den Kriegsschatz um das Doppelte aufzustocken, scheiterte am Widerstand von Reichsbank und Reichsschatzamt. Diese waren der Ansicht, es sei volkswirtschaftlich nicht mehr zu verantworten, Gold zu thesaurieren, da es — abgesehen vom Zinsverlust — den Goldvorrat der Reichsbank schwäche 29 . Der daraufhin ausgehandelte Kompromiß, i m Mobilmachungsfall den Kriegsschatz der Reichsbank zu übergeben und entsprechend der Dritteldeckung den dreifachen Betrag gegen Schatzanweisungen i n Papiergeld auszugeben, entkräftete praktisch das Argument der Reichsbank, da sie nunmehr sicher mit dem Kriegsschatz rechnen konnte. Allerdings spielte bei ihr auch i n Friedenszeiten das window-dressing m i t einer hohen Deckungsquote eine Rolle. Die Verwendung von Schatzanweisungen als „Schrittmacher" der kredi27 Vgl. Feuchtwanger, Leo, Die Darlehenskassen des Deutschen Reiches, Stuttgart/Berlin 1918, S. 4 ff. 28 Reichsarchiv, a.a.O., S. 442 f. 29 Vgl. ebd., Anlagenband, S. 338.
2·
20
1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
tären Kriegsfinanzierung wurde i n einem Gesetzentwurf niedergelegt, der dem Reichskanzler nun weitgehende Vollmachten zur finanziellen Mobilmachung einräumte 30 . Diese Pläne hatten auch wissenschaftliche Autoren sehr befürwortet, da sie ebenfalls von Steuern oder Anleihen keine großen Erträge erwarteten 31 . Neben dem Bedarf an Zahlungsmitteln, der bei öffentlichen Stellen i m Kriegsfall auftreten würde, bezog man nunmehr auch denjenigen ein, der in der privaten Wirtschaft erwartet werden mußte. Für die Planung der Darlehenskassen hatte er schon eine gewisse Rolle gespielt. Nunmehr war dieses Problem der Anlaß, welcher die Diskussion u m die finanzielle Kriegsberedtschaft i n eine breitere Öffentlichkeit trug. Ströll 3 2 unterschied den für die Abwicklung aller Zahlungen bei Kriegsausbruch notwendigen „Realbedarf" der Wirtschaft von dem „Angst- oder Panikbedarf" an Zahlungsmitteln, der erhöhte Anforderungen an das Geldsystem stellen würde. Er erwartete zwar, daß die Beruhigung der Panik schon sehr bald nach Kriegsausbruch eintreten werde und die freiwerdenden Mittel dann für die Kriegsfinanzierung eingesetzt werden könnten 3 3 , hielt es aber für unvermeidlich, daß die Notenbank gerade zur Beschwichtigung der Panik „ m i t vollen Händen" Geld austeile 34 . Die Vorstellung von einer Flucht i n die Liquidität war für seine Zeit der Goldumlaufswährung durchaus realistisch, die Möglichkeit der Notenbank, allen Anforderungen gerecht zu werden, jedoch von der Vorschrift der Dritteldeckung begrenzt. Er empfahl deshalb für die Tätigkeit der Darlehenskassen, dem Kreditbedarf der Privatwirtschaft m i t besonders „coulanten Belehnungsnormen" entgegenzukommen und die ausgegebenen Darlehenskassenscheine mlit einer Reichsgarantie und Annahmezwang für öffentliche Kassen auszustatten 35 . Nur für den Fall eines siegreichen Verlaufs des Krieges unterstellte er hierbei, daß man den „metallistischen Charakter" 3 6 der Reichswährung erhalten könne. Für eine unglückliche Wendung der Kriegsereignisse, die er realistischerweise m i t einbezog, empfahl er als zusätzliche Maßnahme die Aufhebung der Bankenpublizität, den Zwangskurs und damit die Aufhebung der Goldeinlösung („Barzahlung") 3 7 . 30
Vgl. ebd., S. 444. Vgl. Lansburgh, Alfred, Die P o l i t i k der Reichsbank u n d die Reichsschatzanweisungen i m Kriege, V f S Bd. 166, München u n d Leipzig 1924, S. 4 ff. 82 Vgl. Ströll, Moritz v., Uber das deutsche Geldwesen i m Kriegsfall, SchmJb Jg. 1899. 88 Ebd., S. 179. 84 Ebd., S. 184. 85 Ebd., S. 439. 80 Gemeint ist w o h l die Dritteldeckung; vgl. ebd., S. 195. 87 Ebd., S. 445 ff. Es ist jedoch unrealistisch, die „Plünderung des Goldschatzes" (Ströll, S. 447) erst i m Falle des unglücklichen Kriegsausgangs an81
Β . Die finanzielle Kriegsvorbereitung
21
Die offiziellen Stellen gingen jedoch über diese Vorschläge teilweise hinaus. 1904 wurde i n einem Gesetzentwurf die Aufhebung der Goldauszahlung schon für Kriegsausbruch vorgesehen, ebenso eine Einbeziehung von Reichswechseln und -schatzanweisungen i n die Sekundärdeckung der Reichsbanknoten 38 . Neben diesen Erörterungen, die mehr der technischen Vorbereitung der Mobilmachungsfinanzierung galten, trat die Problematik der Kriegsfinanzierung auf lange Sicht stark i n den Hintergrund. Hier und i m Rahmen der allgemeinen Finanzpolitik wurde sie zwar gelegentlich erwähnt, zu ernsthaften Vorbereitungen kam es jedoch nicht. Der weitere Ausbau der finanziellen Kriegsbereitschaft blieb eng begrenzt auf die Bewältigung der finanziellen Mobilmachung durch Inanspruchnahme von kurzfristigem Notenbankkredit. Deswegen waren alle Bemühungen ausgerichtet auf die Stärkung des Goldvorrates der Reichsbank und die L i q u i dität der Geschäftsbanken. Durch die Ausgabe von klein gestückelten Noten, die ab 1906 i n den Verkehr gebracht wurden, gelang es tatsächlich, mehr Gold i n die Reichsbank zu ziehen. Die Propagierung des Scheck- und Überweisungsverkehrs hatte ebenfalls zum Zweck, den Geldverkehr vom Gold zu lösen. Eine vielversprechende Möglichkeit zur Ausweitung des bargeldlosen bzw. „bargeldschonenden" Zahlungsverkehrs lag in der Entwicklung der Sparkassen von reinen Spar- und Leihinstituten zu Universalbanken. Diese Entwicklung begann m i t der Erlangung der passiven Scheckfähigkeit durch das Scheckgesetz von 1908. Die Sparkassen hatten sehr um dieses Recht gekämpft, aber schon während der Debatte i m Reichstag und der gleichzeitigen publizistischen Auseinandersetzung m i t ihrer Konkurrenz, den Privatbanken, wurde es klar, daß es ihnen mehr um den Prestigeerfolg ging, denn ihre eigentlichen Absichten waren stärker auf den Aufbau eines eigenen Gironetzes (Überweisungsverkehr) gerichtet 89 . Dafür war das Scheckgesetz jedoch nicht zuständig, und der Reichstag beabsichtigte auch, die Regelung dieses Problems den Einzelstaaten zu überlassen. Immerhin gerieten die Sparkassen schon bei ihren anfänglichen Versuchen, ihre neu erworbenen Rechte i n die Tat umzusetzen, auf scharfen Widerstand bei den Geschäftsbanken, die durch häufige Forderung von Scheckeinlösungsproviisionen versuchten, die neuen Teilnehzunehmen. Das Ausschütten „ m i t vollen Händen" bezieht sich j a vor allem auf den Drang zur L i q u i d i t ä t i n Gold. Gold w i r d also schon durch den P a n i k bedarf abgezogen. Bei schlechter Kriegslage w i r d es w o h l k a u m zurückfließen. Durch Ausgabe von langfristigen Anleihen w i r d also höchstens zurückströmendes Papiergeld, nicht aber Gold abgeschöpft. 58 Nach dem Bankgesetz von 1875 mußte ein D r i t t e l der ausgegebenen B a n k noten i n Gold (Primärdeckung), der Rest i n guten Handelswechseln (Sekundärdeckung) gedeckt sein. » Vgl. Sparkasse, Jg. 1908, S. 362 u n d 1910, S. 480 ff.
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1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
mer am Scheckverkehr zu boykottieren 4 0 . Dabei scheint auch die Reichsbank anfänglich die Interessen der Privatbanken wahrgenommen zu haben, denn verschiedentlich klagten Sparkassen darüber, daß die Reichsbank für die Teilnahme an ihrem Giroverkehr von ihnen zu hohe unverzinsliche Mindestguthaben verlangte 41 . Immerhin waren die i n den folgenden Jahren getroffenen technischen Einrichtungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zum Teil hervorragend (ζ. B. die Berliner Abrechnung), jedoch konnte der Giroverkehr nicht vollends populär werden, solange gegen die Banknote, die i m Jahre 1909 zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wurde, noch teilweise psychologische Vorbehalte bestanden. Er weitete sich im kaufmännischen Bereich aber zusehends aus. Wie die Auseinandersetzungen um den bargeldlosen Zahlungsverkehr in erster Linie durch die Geldkrise von 1907 und erst i n zweiter Linie durch Überlegungen der finanziellen Kriegsvorbereitung bedingt waren, so wurden auch die Versuche, die Sparkassen zu der Anlage von 30 °/o ihrer Spareinlagen i n festverzinslichen Papieren zu zwingen, durch ein aktuelles Problem bestimmt, nämlich durch den niedrigen Kursstand und die Absatzschwierigkeiten bei diesen Papieren, insbesondere bei Staatstiteln. Von den Befürwortern der Anlagepflicht wurde jedoch auch die Notwendigkeit finanzieller Kriegsvorbereitung mit folgendem Argument angeführt: Die Sparkassen müßten solche Papiere anschaffen, um i m Kriegsfalle durch deren Verkauf die liquiden Mittel zu bekommen, die sie beim Abruf der Spareinlagen brauchten. Hypotheken seien dagegen nicht zu verflüssigen 42 . Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde jedoch 1907 vom Preußischen Landtag abgelehnt. I n der Bankenenquête erschien das Problem jedoch wieder mit der Untersuchung über die Frage, die Anlage der Spargelder „hinsichtlich der Deckung dieser G e l d e r . . . nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Liquidität gewährleistenden Normativbestimmungen" 4 3 zu unterwerfen. Drei Jahre später wurde neuerdings ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht, diesmal besonders unterstützt von Bankenkreisen, die sich davon Kurssteigerung bzw. Zinssenkung und damit Geldabfluß bei den Sparkassen und -zufluß bei den Banken versprachen, aber das Argument der Kriegsvorbereitung wieder in den Vordergrund stellten 44 . Die Sparkassen bestritten weiterhin energisch den Sinn dieser Maßnahme. Einmal seien bereits 25 °/o der Spargelder i n den geforderten Inhaberpapieren angelegt. Bei Kriegsausbruch hätten sie jedoch eher hohe Verluste zu erwarten, weil sie zu sinkenden Kursen verkaufen und — nach dem Beispiel von 1871, als mit Verbesse40 41 42 43 44
Vgl. Sparkasse, Jg. 1914, S. 300, 1917, S. 2 ff. u n d S. 30 ff. Vgl. Sparkasse Jg. 1908, S. 511. Vgl. Sparkasse, Jg. 1908, S. 136. Sparkasse, Jg. 1908, S. 251. Vgl. Sparkasse, Jg. 1911, S. 154 ff.
Β . Die finanzielle Kriegsvorbereitung
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rung der Kriegslage die Kurse laufend stiegen — nachher zu hohen K u r sen wieder kaufen müßten 45 . Sie kritisierten vor allem, daß der Gesetzentwurf lediglich dem aktuellen Interesse der Geschäftsbanken diene, die keinem Anlagezwang unterworfen werden sollten. Schließlich wurde das Gesetz i m Dezember 1912 angenommen, jedoch mit einem maximalen Anlagesatz von 25 °/o. Daneben rückte vor allem die Geldpolitik der Reichsbank und die Liquiditätspolitik der Kreditbanken in den Vordergrund. A n dieser Stelle ist es nicht nötig, auf die teilweise sehr heftige Diskussion dieser Fragen einzugehen 46 . I m Rahmen der finanziellen Kriegsvorbereitung sind jedoch gewisse Maßnahmen von Bedeutung, die das Ergebnis dieser Auseinandersetzungen waren 4 7 . Die Versuche, Deutschlands kurzfristige Verpflichtungen an das Ausland abzubauen und damit einen möglichen Zwang zur Goldzahlung i m Kriegsfall zu vermeiden, hatten guten Erfolg. Die Forderungen an das Ausland blieben dagegen ziemlich hoch 48 . Man scheint dies jedoch als Positivum gewertet zu haben i m Hinblick auf die Bezahlung von strategisch wichtigen Importen. Die angestrebte Aktivierung der Reichsbankpolitik, welche die Kreditbanken zwingen sollte, höhere Liquiditätsreserven zu halten und bei der Kreditgewährung größere Mäßigung zu üben, blieb jedoch in den Anfängen stecken. Ihr einziger sichtbarer Erfolg bestand darin, daß von nun an die Berliner Großbanken Zweimonatsbilanzen veröffentlichten. Die Reichsbank hielt an ihrer lediglich konstatierenden Politik fest, weil sie „ i n Vorstellungen von einem legitimen Kreditbedarf der deutschen Wirtschaft" und der „Grundanschauung von der eigenen Ohnmacht" beharrte 49 . I n der letzten Phase vor Kriegsausbruch kam es nicht mehr zu entscheidenden Verbesserungen der finanziellen Kriegsbereitschaft. Da sich durch den Ausbau der Wehrmacht auch ein erhöhter Mobilmachungsbedarf ergab, konnte schließlich 1913 die Aufstockung des Kriegsschatzes i m Reichstag durchgesetzt werden. Die Goldreserve sollte durch Ausgabe von Reichskassenscheinen auf 240 Millionen Mark erhöht, eine Silberreserve auf dem gleichen Wege neu angelegt werden. Bis Kriegsausbruch wurden an Gold 85 Millionen Mark, an Silber nur 6 Millionen Mark 45
Vgl. Sparkasse, Jg. 1911, S. 233. Siehe dazu: L u m m , K a r l v., Diskontpolitik, B A 11. Jg. (1911/12), S. 129 ff.; Plenge, Johann, Von der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt, B e r l i n 1913; derselbe, Von der Diskontpolitik zur Beherrschung des Geldmarktes, B A 11 Jg. (1911/12); Lansburgh, Alfred, Die Maßnahmen der Reichsbank zur Erhöhung der L i q u i d i t ä t der deutschen Kreditwirtschaft, Stuttgart 1914. 47 Vgl. Neubürger, Fritz, Die Kriegsbereitschaft des deutschen Geld- u n d Kapitalmarktes, B e r l i n 1913. 48 Vgl. Die Reichsbank 1901—1925, S. 37 f. 49 Stucken, Rudolf, a.a.O., S. 14. 4e
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1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
thesauriert 50 . Es gelang also bei weitem nicht, den erheblichen Vorsprung der gegnerischen Notenbanken aufzuholen 51 . Zu einer Diskussion der laufenden Kriegsfinanzierung, d. h. praktisch der Frage: Steuer oder Anleihe, ist es i n offiziellen Kreisen, also i n der Legislative und Exekutive des Reiches, nicht gekommen. Man beruhigte sich m i t der Kriegsbereitschaft der Reichsbank 52 , sah damit die finanzielle Mobilmachung als fix und fertig geplant an 5 3 und überließ die Auseinandersetzung über die laufende Kriegsfinanzierung der Wissenschaft, ohne von ihren Erkenntnissen Notiz zu nehmen.
C. Die Stellung der deutschen Finanzwissenschaft zum Problem der Kriegsfinanzierung Die zu Ende des vorigen Abschnitts kritisch bemerkte Tatsache ist um so erstaunlicher, als i n der umfangreichen Literatur zur finanziellen Kriegsvorbereitung auch das Problem der Kriegsfinanzierung auf längere Sicht herausgestellt und erörtert worden ist. Als repräsentativ können hier die Schriften von Renauld 5 4 und Riesser 55 gelten. Renauld geht von einer, i m Gegensatz zu den meisten anderen Autoren, sehr realistischen Kriegskostenschätzung aus. Er rechnet mit 22 Milliarden Mark für ein Kriegsjahr 5 6 . Den weitesten Raum nimmt i n seinem Werk zwar auch die Frage der finanziellen Maßnahmen zu Kriegsbeginn ein, wobei er sich insbesondere auf Ströll 5 7 stützt. Er betont aber, daß man sich auf lange Sicht auch nicht allein auf Anleihen verlassen könne, sondern Kriegssteuern vorbereiten müsse. Diese dürften nicht nur auf den zu erwartenden Rückgang bestimmter Einnahmen (besonders der Zölle) und den Anleihedienst bemessen sein, sondern man solle „ i n Kriegszeiten die Steuersätze jeweils so einrichten, daß das überhaupt erreichbare Maximum des Steuerertrages eingeht"; insbesondere sei „als Reichskriegssteuer eine allgemeine Einkommensteuer... als Zuschlag" zu den Einkommensteuern der Bundesstaaten zu empfehlen 58 . 50
Vgl. Reichsarchiv, a.a.O., S. 464 ff. Vgl. Stucken, Rudolf, a.a.O., S. 13. 52 Vgl. Reichsarchiv, a.a.O., S. 4701 53 Vgl. Delbrück, Clemens v., Die wirtschaftliche Mobilmachung i n Deutschland 1914, München 1924, S. 68. δ4 Renauld, Joseph v., Die finanzielle Mobilmachung der deutschen W e h r kraft, Leipzig 1901; derselbe, Finanzielle Mobilmachung, B A 4. Jg. (1904/05). 55 Riesser , Jakob, Finanzielle Kriegsbereitschaft u n d Kriegführung, 2. Aufl.. Jena 1913. 56 Vgl. Renauld, Joseph v., a.a.O., S. 43. 67 Ebd., S. 66 ff., vgl. auch Ströll, Moritz, a.a.O. 58 Renauld, Joseph v., a.a.O., S. 65. 61
C. Stellung der Finanzwissenschaft zum Problem der Kriegsfinanzierung
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Diese etwas rudimentären, aber i m Kern richtigen Vorstellungen werden von Riesser ausgebaut und verfeinert. Er sieht die Finanzpolitik vor und i m Kriege i n drei zeitlichen Abschnitten 59 : 1. Finanzielle Kriegsbereitschaft 2. Finanzielle Mobilmachung 3. Finanzielle Kriegführung. Was er zu den beiden ersten Perioden sagt, hat i m wesentlichen i n den offiziellen Maßnahmen seinen Niederschlag schon gefunden. I n der Frage der Kriegssteuern präzisiert er die Überlegungen Renaulds 60 . Er rechnet damit, daß ein Drittel der Kriegskosten m i t Steuern gedeckt werden kann; hierbei zieht er neben den indirekten Steuern und der Einkommensteuer auch eine allgemeine Vermögenssteuer i n Betracht, die als Reichssteuer erhoben werden soll. U m den Erfolg von Kriegsanleihen jedoch nicht von vornherein i n Frage zu stellen, w i l l er „Expropriationsquoten" auf jeden Fall vermeiden. Die zeitliche Beschränkung dieser Steuern auf die Dauer des Krieges dürfe jedoch nicht dazu verführen, sie in der Form einmaliger Abgaben nach dem Beispiel des Wehrbeitrages zu erheben. Die Gedanken dieser beiden Autoren bewegen sich zwar vorwiegend auf dem Gebiet der finanziellen Kriegsvorbereitung, jedoch ist es erstaunlich, wie wenig sie die Diskussion dieses Problems in der finanzwissenschaftlichen Literatur der vorangegangenen Jahrzehnte berücksichtigen und von deren Ergebnissen Gebrauch machen. Der Beginn dieser Auseinandersetzung ist praktisch schon i n Dietzels berühmtem „System der Staatsanleihen" zu sehen 61 . Dietzel versucht dort die Argumente zu widerlegen, welche die Klassiker zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Staatsverschuldung bewogen. M i t Hilfe eines ganz besonders weitgespannten Kapital- und Produktivitätsbegriffs kommt er auch zu ganz entgegengesetzten Ergebnissen als sie. Kapital umfaßt für i h n nicht nur körperliche Güter, sondern auch das sogenannte „Immaterialkapital" 6 2 , stoffloses Kapital, das „die Grundlage dauernder Nutzung oder fernerer Güterproduktion bilden" 6 3 könne. Wichtigstes Immaterialkapital sei der Staat; er gebe dauernd Nutzungen ab, indem er den normalen Lauf der Wirtschaft und das Wachstum der Produktion fördere. I n diesem Sinne seien Staatsausgaben stets produktiv und damit auch die Militär- und Kriegsausgaben 64 . 59
Riesser , Jakob, a.a.O., S. 1 f. Ebd., S. 189 ff. 61 Dietzel, Carl, Das System der Staatsanleihen i m Zusammenhang der Volkswirtschaft betrachtet, Heidelberg 1855. 92 Dietzel, Carl, a.a.O., S. 71. « Ebd., S. 70. 64 Ebd., S. 13 f. 60
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1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
Die regelmäßigen Ausgaben für das Heer i n Friedenszeiten müßten zwar aus Steuermitteln bestritten werden, da sie das Immaterialkapital „Staat" nur erhielten (im Sinne einer Reinvestition) und jährlich gleichmäßig wiederkehrten. Kriegsausgaben dagegen befriedigten ein einmaliges Bedürfnis und seien i m obigen Sinne produktiv, weil sie oft noch für lange Zeit nach dem Krieg Immaterialkapital schafften. Hier sei der Staatskredit das „naturgemäße Mittel" der Finanzierung, „wenn auch unter Modifikationen" l 8 5 . Diese Modifikationen bestehen wohl darin, daß bei sehr hohem Staatsaufwand „der Gütergenuß der mitlebenden Generation auf einige Zeit vermindert"™ wird. Das sei aber kein Verlust für die Gesamtwirtschaft, da ja der Krieg neues Immaterialkapital schaffe durch Sicherung des Staatswesens und Schutz der heimischen Produktion. Der Verlust an Konsumgütern lasse sich leicht wieder einholen durch „eine besondere gesteigerte Arbeitsanstrengung" 67 . Hier nimmt Dietzel offensichtlich keine Rücksicht auf den Fall, daß alle Produktionsfaktoren beschäftigt sind. Von seinen Zeitgenossen ist Stein wesentlich vorsichtiger. Für ihn ist der Wert dessen, was das Heer schützt, „eine inkommensurable Größe" 68 . Das Heer bleibe ein rein „konsumierendes Element" 6 9 . Nicht nur die Heeresausgaben seien unproduktiv, dem Sozialprodukt entgehe auch all das, was die Soldaten i n einem zivilen Beruf hätten produzieren können. Beides zusammen ergäbe die Prämie, die man für die Wehrkraft zahle, wenn man die Wehrlosigkeit als das größere Übel ansehe. Wie hier dem politisch Notwendigen, so w i l l sich Stein i n der Deckungsfrage dem politisch Möglichen anpassen. Er meint, daß „jeder Staat ein so großes Heer . . . halten soll, als es die Finanzen erlauben" 7 0 . Daraus ergibt sich ohne weitere Begründung für ihn die Steuerdeckung i m Frieden. Von hier ab werden seine Erörterungen jedoch zu verschwommen. Die Lehre von der Unproduktivität des Heeres hätte eine gute Grundlage für eine Deckungslehre bieten können, welche die Einseitigkeiten Dietzels zurechtrückte. Es bleibt jedoch bei der allgemeinen Feststellung, daß der Krieg m i t Schulden geführt werden müsse. Sie sollten teilweise möglichst schon vor dem Krieg aufgenommen werden, solange sie noch billig seien. Der Krieg müsse aufhören, wenn man gezwungen sei, Papiergeld auszugeben 71 . Mehr w i r d zum Deckungsproblem nicht gesagt. 65
Ebd., S. 152 f. Ebd., S. 198. 67 Ebd., S. 198. 88 Stein, Lorenz v., Die Lehre v o m Heerwesen als T e i l der Staatswissenschaft, Stuttgart 1872, S. 22. 89 Ebd., S. 23. 70 Ebd., S. 27. 71 Ebd., S. 27 f. 88
C. Stellung der Finanzwissenschaft zum Problem der Kriegsfinanzierung
27
Erst Adolph Wagner 7 2 hat, zugleich auf Dietzel und Stein aufbauend und sie kritisierend, die Probleme einer Kriegsfinanzierung schärfer gefaßt, praktikable Begriffe gebracht und damit sein eigentliches Anliegen, nämlich eine eindeutige Deckungslehre, aufgebaut, welche die Steuern i n den Vordergrund stellt 7 8 . Er betont die nur relative Gültigkeit globaler und somit einseitiger Deckungsgrundsätze und fordert deshalb, daß man die einzelne Staatsausgabe auf ihre ökonomische Wirkung hin untersuchen müsse, um zu einer richtigen Deckungstheorie zu kommen. Kriegsausgaben gehören für i h n i n die Kategorie des „vorübergehenden, abnormen, eigentlich außerordentlichen" Aufwands, der sich immer als „entsprechender definitiver Verlust an Sachgütern für die Volkswirtschaft" auswirke, dem „kein materieller oder immaterieller Gegenwert" gegenüberstehe 74 . Hieraus könne man zu dem Ergebnis kommen, daß die „ordentliche Einnahme (Besteuerung) mitunter selbst auf den ganzen Betrag der außerordentlichen Ausgabe zu erhöhen" sei 75 . Wagner betrachtet jedoch auch die Einnahmewirkung i m Zusammenhang und kommt dabei zu einigen Einschränkungen dieses Resultats. Besonders in Kriegszeiten würden bisher gebundene Kapitalien „disponibel"; diese zu binden sei die Anleihe sehr geeignet, eine Wegsteuerung deswegen „entbehrlich" 7,8 . Auch eine Auslandsanleihe sei zu empfehlen, da sie eine Einschränkung des inländischen Warenangebots vermeide; allerdings müsse man hier die ökonomische Wirkung berücksichtigen, die bei Wareneinfuhr und Bargeldeinfuhr unterschiedlich sei. Die reine Geldeinfuhr erhöhe nicht das reale Angebot i m Inland 7 7 . Das eigentliche Gewicht legt Wagner jedoch auf andere deckungspolitische Maßnahmen. Für die ersten großen Ausgaben vor und bei Kriegsbeginn solle ein Staatsschatz bereitgehalten werden. Der Zinsverlust für 72 Die hier besprochenen Gedankengänge Wagners sind, w i e auch sein berühmtes „Gesetz", i n den Grundzügen schon i n seinem frühen W e r k „Die Ordnung des österreichischen Staatshaushalts", Wien 1863, enthalten. Der präziseren Ausarbeitung wegen stützt man sich i m allgemeinen auf seine späteren Publikationen. 73 Die Ansicht von Lanter u n d Lütge, daß Wagner ebenfalls Anleihen als wichtigstes Deckungsmittel i m Kriege ansehe, w i r d i m folgenden also t e i l weise widerlegt. Vgl. Lanter, Max, Die Finanzierung des Krieges, Zürcher Diss., Luzern 1950, S. 49: Lütge, Friedrich, Die deutsche Kriegsfinanzierung i m ersten u n d zweiten Weltkrieg, i n : Beiträge zur Finanzwissenschaft u n d Geldtheorie, Festschrift f ü r Rudolf Stucken, hrsg. von Fritz Voigt, Göttingen 1953, S. 248. 74 Wagner, Adolph, Die Ordnung der Finanzwirtschaft u n d der öffentliche Kredit, i n : Handbuch der politischen Ökonomie, hrsg. von Gustav v. Schönberg, 4. Aufl., 3. Bd., Tübingen 1897, S. 783 (hervorgehoben von Wagner). 75 Wagner, Adolph, Finanzwissenschaft, 1. Teil, 3. Aufl., Leipzig u n d H e i delberg 1883, S. 147. 78 Ebd., S. 156 f. 77 Ebd., S. 158 f.
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1. Abschnitt : Finanzielle Kriegsbereitschaft
dieses brachliegende Kapital werde durch den Sicherungszweck aufgewögen; selbst ein verhältnismäßig geringer Betrag verspreche sofortige Liquidität für den Kriegsanfang und vermeide eine Papiergeldausgabe 78 . Das Wichtigste sei jedoch eine „rechtzeitige, d. h. schon i m Frieden völlig technisch vorbereitete Organisation eines Systems von Extra- oder Kriegssteuern. . ." 7 9 . Geeignet hierfür sind nach seiner Ansicht nur direkte Steuern, und zwar eine allgemeine Einkommen- und Vermögensteuer, die besonders die großen und fundierten Einkommen treffen sollen. „Große Extrasummen" könne man durch indirekte Steuern nicht aufbringen, da mit der beginnenden Kriegswirtschaft ihr Ertrag „nicht immer sicher und schnell genug" steige 80 . Grundlage dieses Systems von Extrasteuern müsse ein „genügend leistungsfähiges Steuersystem i n normalen Zeiten" 8 1 sein; insbesondere bedürfe das direkte Steuersystem i n den Ländern des Ausbaus und der Vereinheitlichung. Bei Inlandsanleihen, welche privatwirtschaftlich eingesetztes Kapital an sich ziehen, entfalle die entsprechende Schaffung von Realkapital. Deswegen werde nicht die Zukunft belastet, sondern die gegenwärtige Generation trage den Sachgüterentzug. Die Steuer habe hier also die günstigere Wirkung. Die auf lange Sicht notwendige Maßnahme, einen „allgemeinen Finanzplan für die materielle Ordnung des Haushalts i n längeren Perioden" aufzustellen, müsse die Bemühungen um die „Herstellung der finanziellen Kriegsbereitschaft" systematisch m i t einschließen 82 . Die Vorstellung Schäffles, daß das Papiergeld ein „organisches Deckungsmittel" i m Kriege sei, kritisiert er hart 8 8 . Ein vorbereitetes Kriegssteuersystem müsse hohe Einnahmen versprechen; „dann, aber auch nur dann ist die Antizipation dieser Einnahmen durch Ausgabe von Papiergeld, welches aus dem Ertrage jener Extrasteuern gleich wieder eingezogen werden kann, wohl zulässig, ohne daß man fürchten muß, . . . gleich dauernd i n die zerrüttete Papiergeldwirtschaft zu geraten" 8 4 . Über die Nachteile der Papiergeldausgabe sei die Öffentlichkeit wohl informiert. Die wichtige Aufgabe der „Bereitmachung anderweiter Hilfsmittel" werde jedoch „von der P r a x i s . . . sehr wenig beachtet, von der 78
Ebd., S. 173 ff. Wagner, Adolph, Die sogenannten direkten Steuern, insbesondere die Ertrags-, Personal-, Einkommen- u n d Vermögensteuern, i n : Handbuch der politischen Ökonomie, hrsg. von Gustav v. Schönberg, 4. Aufl., 3. Bd., Tübingen 1897, S. 449. 80 Ebd., S. 449 81 Wagner, Adolph, Die Ordnung der F i n a n z w i r t s c h a f t . . . , a.a.O., S. 792. 82 Ebd., S. 792. 88 Ebd., S. 792 f. 84 Wagner, Adolph, Die sogenannten direkten Steuern . . . , a.a.O., S. 449. 7i
C. Stellung der Finanzwissenschaft zum Problem der Kriegsfinanzierung
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Theorie so gut wie ganz ignoriert oder m i t oberflächlicher Kurzsichtig· k e i t . . . von der Hand gewiesen" 85 . I n den Auseinandersetzungen um eine große Steuerreform nach der Jahrhundertwende wurde auch das Thema der „steuerlichen Kriegsbereitschaft" immer wieder i n die Debatte geworfen. I n seiner Philippika zugunsten direkter Reichssteuern hebt Plenge 86 hervor: A n sich müsse man direkte Reichssteuern schon aus steuerpolitischer Gerechtigkeit fordern. Ihre Vorbereitung für den Kriegsfall sei jedoch eine staatspolitische Notwendigkeit. I m Kriege würden die jetzt vorgebrachten Gegengründe auf jeden Fall verschwinden. Sinnvoll und notwendig sei es, gleich vier direkte Reichssteuern einzuführen: die Einkommensteuer als den erstrebten beweglichen Faktor auf der Einnahmeseite des Reichshaushalts zur Ablösung der unbeweglichen Matrikularbeiträge; die Vermögenssteuer als „ideale Kriegssteuer", i m Frieden wenig, i m Kriege aber stärker ausschöpf bar; schließlich die Erbschaftsteuer und eine Wehrsteuer als gerechte Belastung für alle, die keinen Wehrdienst leisten müssen. Durch diese Neuordnung könne man sparen, Reibungsverluste des Partikularismus vermeiden, sozialen Ausgleich schaffen und Wichtiges zur steuerlichen Kriegsvorbereitung leisten 87 . Besondere Aussichten auf Erfolg verspricht er seinen Vorschlägen jedoch nicht. Sie waren dem politisch Möglichen zu wenig angepaßt. Ein solch radikaler Umbau i n der Ordnung der deutschen Finanz Wirtschaft konnte erst auf einer ebenso tiefgreifenden Umwälzung i n den politischen und sozialen Verhältnissen aufbauen. I m Gegensatz zu Plenge betont Wolf — auch er hebt die Wichtigkeit einer steuerlichen Kriegs Vorbereitung hervor — es sei „der Erhöhung bereits bestehender Steuern, die an gewohnte Verhältnisse anknüpft, vor der Einführung neuer Steuern der Vorzug zu geben .. ." 8 8 . Dabei denkt er durchaus auch an die direkten Steuern. Sie sollen auf zweierlei Weise zur Kriegsfinanzierung herangezogen werden: einmal durch eine lineare Erhöhung der Einkommen- und Vermögenssteuer i n den Ländern und die Abführung dieser Beträge an das Reich i n Form höherer Matrikularbeiträge; zum anderen durch eine Sonderbelastung der Kommunen, die nur geringe Steuerzuschläge erhoben, womit gleichzeitig eine Angleichung der örtlichen Zuschläge zu den direkten Landessteuern verbunden wäre. Von den indirekten Steuern w i l l er nur die „leistungsfähigsten" erhöhen, worunter er besonders die „Massenluxussteuern" (Tabak, Alko85
Wagner, Adolph, Finanzwirtschaft, a.a.O., S. 179. Plenge, Johann, Z u r Diagnose der Reichsfinanzreform, a.a.O., S. 322 ff. 87 Ebd., S. 331 ff. 88 Wolf, Julius, Die Reichsfinanzreform u n d i h r Zusammenhang m i t Deutschlands Volks- u n d Weltwirtschaft, Leipzig 1909, S. 146 f. 88
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1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
hol) versteht 89 . Zur Neueinführung empfiehlt er weitere Verkehrssteuern. Diese Vorschläge untermauert Wolf m i t einer Untersuchung über die Möglichkeit von Steuererhöhungen i m Kriegsfall 9 0 . Er kommt zu dem Ergebnis, daß sowohl direkte wie indirekte Steuern i n der vorgeschlagenen Form gesteigert werden können; man sehe ja i n England, daß höhere Belastungsgrenzen tragbar seien. Die aus den Schriften von Wagner, Plenge und Wolf resultierende Gewichtsverlagerung von der Kriegsanleihe zur Kriegssteuer nimmt H. Dietzel schließlich zum Anlaß, den gesamten Komplex der finanziellen Kriegführung erneut zu untersuchen 91 . Er ist der Ansicht, es sei auf lange Sicht privat- und volkswirtschaftlich gleichgültig, ob man den Steuerzahler i n der Gegenwart oder i n der Zukunft endgültig m i t den Kriegskosten belaste 92 . I n beiden Fällen habe er die gleiche Last zu tragen. I m Moment, wo die Ausgaben effektiv anfallen, sei das jedoch keineswegs der Fall. Von der fiskalischen Zweckmäßigkeit her gesehen, stelle die Anleihe eine rationellere Geldbeschaffung dar als die Steuer. Sie stoße nicht auf so großen Widerstand und schaffe das Geld viel schneller herbei 93 . Auch die volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit gebiete eine Anleihefinanzierung. Zu Kriegsbeginn gehe erfahrungsgemäß die private Nachfrage sehr stark zurück. Man dürfe diese Tendenz nicht dadurch verschlimmern, daß man den Nachfragewilligen durch die Steuer Mittel entziehe. Die Anleihe hole das Geld, wo es disponibel sei und schaffe so eine Reibungsverminderung, wenn sich der Absatz der W i r t schaft von dem privaten auf den staatlichen Sektor zwangsläufig verschiebe. Allerdings könne auch die Steuer aus disponiblen Geldern gezahlt werden, doch sei hier die Gefahr wesentlich größer, daß der private Konsum vermindert werde über das mobilmachungsbedingte Maß hinaus. Der Unternehmer schließlich, der nicht über disponibles Kapital verfüge, müsse erst Anlagen liquidieren, ehe er die Steuern zahlen könne. Seine Rentabilität werde dadurch gefährdet und mit ihr die volkswirtschaftliche Produktivität 9 4 . Zuletzt sei auch vom Standpunkt der steuerlichen Gerechtigkeit gesehen die Anleihedeckung vorzuziehen. Schon i m Frieden könne man die Verteilung der Steuerlast kaum als gerecht bezeichnen. I m Krieg vollends müsse sie durch eine rigorose Erhöhung der Steuersätze noch ungleichmäßiger werden. Eine starke Progression, etwa eine Verdoppe89 80
Ebd., S. 67 ff. u n d S. 166 ff. Wolf, Julius, Die Steuerreserven i n England u n d Deutschland, Stuttgart
1914. 81
82 88 84
Dietzel, Heinrich, Kriegssteuer oder Kriegsanleihe?, Tübingen 1912. Ebd., S. 18 f. Ebd., S. 20 ff. Ebd., S. 22 ff.
D. Zusammenfassung u n d K r i t i k
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lung der Sätze für hohe Einkommen, erbringe nur ein verhältnismäßig geringes Mehraufkommen. Das bedeute Arbeitslosigkeit i n den Sektoren, die von der Nachfrage dieser Kreise lebten. Somit müsse man alle Schichten gleichmäßig heranziehen und damit besonders die mittleren und kleinen Einkommen i n ungerechtfertigter Weise belasten· 5 . Aufgrund dieser Überlegungen kommt Dietzel zu dem Ergebnis, daß die Anleihedeckung der Kriegsausgaben i m Sinne „verschobener Steuerdeckung" der „sofortigen Steuerdeckung" vorzuziehen sei9*. Allerdings dürfe die steuerliche Kriegsvorbereitung deshalb nicht vernachlässigt werden; einmal für den Grenzfall, daß nicht geborgt werden könne, zum anderen, um die Anleihen nach dem Kriege durch „kräftige Mehrbesteuerung . . . baldigst" zu tilgen 9 7 .
D. Zusammenfassung und Kritik W i l l man die ökonomischen Grundvorstellungen zusammenfassen, auf denen der Gesamtkomplex der finanziellen Kriegsvorbereitung vor 1914 beruhte, so muß man von der liberalen Wirtschaftsauffassung ausgehen, die das Denken und Handeln weitgehend beherrschte. Eingriffe i n die sich selbst regulierende Wirtschaft wurden völlig abgelehnt; lediglich i m monetären Bereich waren sie i n Form der Diskontpolitik anerkannt, die jedoch nur der Stabilerhaltung der „Valuta", d. h. des Außenwerts der Währung galt, während man den Binnenwert seinen Schwankungen überließ. Der Kampf um die Politik der Reichsbank zeigt das Beharren i n diesen althergebrachten Vorstellungen. Nach der Erfahrung der Vergangenheit war der Staat nicht gezwungen, zur Bewältigung kriegerischer Auseinandersetzungen große Teile des Sozialprodukts an sich zu ziehen und deswegen i n den Wirtschaftsablauf einzugreifen. Kriegführen galt noch längst nicht als ein i n erster Linie güterwirtschaftliches Problem; an einen Krieg, der total und technisiert war, nicht Randerscheinung, sondern völlige Umwälzung auch des wirtschaftlichen Lebens darstellte, dachte man nicht. So fehlte vor allem auch die Überlegung, wie das Kriegspotential güterwirtschaftlich aufzubringen oder ob sogar die gesamte Volkswirtschaft auf den Krieg auszurichten sei. Nur die verschwommene Vorstellung, daß der Krieg sehr viel Geld kosten würde, beherrschte weitgehend die Gemüter, ohne daß die grundlegenden Zusammenhänge monetärer und güterwirtschaftlicher A r t erkannt und durchdacht waren. Somit verlagerte sich die Auseinander• 5 Ebd., S. 35 ff. 96 Ebd., S. 60. 97 Ebd., S. 64.
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1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
Setzung folgerichtig auf die Ergiebigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Finanzierungsmethoden, also das Deckungsproblem. Man ging bei den Kriegsausgaben in gleicher Weise vor wie bei der Staatstätigkeit i m allgemeinen. Die anfallenden Ausgaben nahm man als gegeben hin und sah das finanzpolitische Problem nur i n der Deckungsfrage. Der „Glaube an die Allgewalt von Finanzierungskünsten" 98 konnte erst durch den totalen Krieg ausgeräumt werden. Der oben gegebene Abriß der Lehrmeinungen zum Problem der Kriegsfinanzierung zeigt i n aller Deutlichkeit die historische Gebundenheit der ökonomischen Denkungsweise. Carl Dietzel versucht gegenüber den Klassikern die Frage neu zu lösen, wobei er zwei Ziele verfolgt: Einmal w i l l er eine Ausdehnung der Staatstätigkeit als sinnvoll und notwendig darstellen, zum anderen dem Staatskredit entgegen den Ansichten der Klassiker i n diesem Rahmen eine neue Rechtfertigung geben. Die K r i t i k darf sich jedoch nicht so sehr gegen seine Schlußfolgerungen richten, welche praktisch diese Ziele enthalten, sondern i n erster Linie gegen seine Prämissen, mit denen er sie zu untermauern sucht, also gegen die unbrauchbaren Kapital- und Produktivitätsbegriffe. Es ist sinnlos, hier m i t einem Produktivitätsbegriff, gleich welcher A r t , zu operieren. Das Produktivitätsproblem verliert damit seinen ökonomischen Charakter und w i r d zu einem politischen gemacht, wie die Frage der Notwendigkeit von Militärausgaben überhaupt politischer Natur ist. Auch der Begriff des Immaterialkapitals ist hier zu sehr vom Zweck her gesehen und gerade i n einem Kriege, der immer mehr oder weniger die Vernichtung von Sachgütern zum Ziel hat, nicht brauchbar. Die Einsicht i n die politische Notwendigkeit, die i n der militärfreundlichen deutschen Öffentlichkeit fest verankert war, mag hier der Vater des theoretischen Stützungsversuchs gewesen sein 99 . Wagner sieht dagegen schon keine Notwendigkeit mehr, die Produktivität von Rüstungs- und Kriegsausgaben nachzuweisen. Er beschäftigt sich allein m i t dem Deckungsproblem, immerhin aber zumindest mit einer oberflächlichen Orientierung am kriegsbedingten Sachgüterverlust der Volkswirtschaft. Dies gilt für sein „System von Extrasteuern" eher als für die Beschränkung der Anleihe auf das „disponible" Kapital. Dieser Begriff bleibt verschwommen; an eine Entstehung aus zusätzlich geschöpftem Geld kann er nicht gedacht haben, da er dies scharf ablehnt. Wahrscheinlich meint er den Abbau von Anlagen und Vorräten, durch den Unternehmer in Kriegszeiten oft sehr liquide werden. Die näheren Erläuterungen begeben sich dann auf das Gebiet des rein Fiskalischen, denn seine Forderung besteht letztlich darin, die technischen und juristiM
Lauter, Max, a.a.O., S. 65. ·· Vgl. ebd., S. 48 f.
D. Zusammenfassung u n d K r i t i k
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sehen Voraussetzungen zu schaffen für die Erhebung von Kriegssteuern, so wie Renauld, Ströll und andere Maßnahmen für den geldpolitischen Bereich verlangt haben. Die besondere Betonung der direkten Steuern beruht sicher auch auf seinen sozialpolitischen Vorstellungen, aber auch auf deckungspolitischen; er erwartete von ihnen höhere Erträge. Plenge und Wolf bringen Wagner gegenüber nichts Neues. Der eine sieht i n der Änderung der Finanzverfassung das Allheilmittel; sie würde das Wagnersche Deckungsprogramm unterstützen. Der andere bleibt ganz i m Rahmen des Althergebrachten und macht nur i n bezug auf die Belastungsgrenzen Zugeständnisse. Die Begründung, daß sie i n England schon wesentlich höher seien, bleibt ungenügend als Nachweis, daß das bestehende Steuersystem leistungsfähig genug sei. Eine Belastung der Gemeinden dabei, nur um die bestehende Steuerverteilung zu erhalten, wäre wenig sinnvoll, da gerade sie i m Kriege zu erheblichen Sozialleistungen verpflichtet waren 1 0 0 . Heinrich Dietzels Vergleich von Steuer und Anleihe stellt vor allem auf die von Wagner und anderen vernachlässigte Einnahmewirkung ab, betrachtet sie aber nur für die Anfangsphase eines Krieges, die nach allgemeiner Uberzeugung eine Depression bringen mußte. Für diesen Zeitraum ist seine Warnung vor der Besteuerung durchaus angebracht. Er rechnet aber auch für den weiteren Verlauf des Krieges m i t dem Zurückbleiben der privaten Nachfrage und fordert damit übertriebene Rücksicht auf den Zensiten. Sein Argument, daß Anleihe- und Steuerdeckung i m Endeffekt die gleiche Wirkung hätten, gilt nur unter völlig unrealistischen Prämissen. Er sieht das Problem nur monetär und vernachlässigt dabei auch eine mögliche Veränderung des Geldwertes; die güterwirtschaftliche Seite läßt er vollkommen außer acht. Das Problem der Lastverteilung, das er besonders i m Auge hat, ist damit nicht richtig gelöst. Bei ihm spielt wohl, wie bei anderen Autoren auch, der Gedanke mit, nach dem Beispiel von 1871 die Kosten nach dem Kriege auf den selbstverständlich besiegten Gegner abzuwälzen. I n der Wirkung auf die Öffentlichkeit und die Verantwortlichen i n der Politik war jedoch die Dietzelsche Schrift von der größten Bedeutung. Daß Riesser in seinem bereits erwähnten W e r k 1 0 1 und ein preußischer Finanzbeamter i n führender Stellung 1 0 2 Dietzel mit Argumenten, die vor allem auf Wagner basierten, entgegentraten, drang nicht mehr durch, da die Vorstellungen Dietzels bei der herrschenden Finanzverfassung 100 Vgl. Lötz, Walther, Die deutsche Staatsfinanzwirtschaft i m Kriege, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1927, S. 18. 101 Vgl. Riesser, Jakob, a.a.O., S. 190. 102 Vgl. Schwarz, Otto, Besprechung von Dietzels Schrift: Kriegssteuer oder Kriegsanleihe? Preußische Jahrbücher, Bd. 149 (1912).
3 Roeeler
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1. Abschnitt: Finanzielle Kriegsbereitschaft
politisch die bequemsten waren. Überblickt man die Steuer-AnleiheDiskussion insgesamt, so fällt auf, daß es meist nur um ein Entweder — Oder, kaum um ein Sowohl — Als auch ging. Eine Aufweichung dieser starren Fronten ist vor dem Kriege nicht mehr gelungen, weil es ja nicht um eine ökonomische Gestaltung der Kriegsfinanzpolitik ging, sondern nur um fiskalische Prinzipien, um „Deckungsgrundsätze", denen absolute Gültigkeit zukommen sollte. Immerhin Schloß man i n diese Überlegungen die Kriegsfinanzierung auf längere Sicht ein; demgegenüber waren die offiziellen Vorbereitungen an strategischen Vorstellungen ausgerichtet, die m i t einem Krieg von kurzer Dauer rechneten. Der militärischen sollte dabei eine finanzielle Mobilmachung entsprechen, die gesetzlich und verwaltungstechnisch so vorbereitet war, daß sie ebenso schnell durchgeführt werden konnte. Sie baute auf drei Sofortmaßnahmen auf: 1. Aufhebung der Goldumlaufwährung, 2. Unbegrenzter Zugang des Reichs zum Notenbankkredit, 3. Vermeidung einer Stockung durch ausreichende Kreditgewährung an Private, ohne die Notenbank zu belasten (Darlehenskassen). Geboren waren diese Pläne aus der Erinnerung an die Schwierigkeiten, welche man m i t der finanziellen Überbrückung der Mobilmachungsperiode 1870 gehabt hatte; sie erlaubten zudem nach dem erwarteten baldigen Kriegsende eine schnelle „Rückkehr zum status quo ante" 1 0 3 . Die Kriegsfinanzierung auf längere Sicht blieb von der offiziellen Planung vernachlässigt, ebenso die Folgen, die sich aus der vorbereiteten finanziellen Mobilmachung ergeben konnten. Auf der monetären Seite übersah man die Gefahr einer Inflation, da die Vermehrung des Papiergeldes nicht als volkswirtschaftliches, sondern vielfach nur als fiskalisches Problem gesehen wurde 1 0 4 , auf der güterwirtschaftlichen Seite die notwendige Eindämmung des privaten Verbrauchs, weil man die Veränderung des gesamten Wirtschaftsprozesses nicht voraussah, sondern eher noch mit Depression und Arbeitslosigkeit rechnete.
103
Delbrück, Clemens v., a.a.O., S. 117. Vgl. Forstmann, Albrecht Z u r Theorie der Inflation, F A N.F., Bd. 13 (1951/52), S. 99. 104
Zweiter
Abschnitt
Finanzielle Mobilmachung A. Der innenpolitische Burgfrieden und seine Bedeutung für die Kriegsfinanzpolitik Bei Kriegsausbruch ging es zunächst darum, die zur Finanzierung der Mobilmachung vorbereiteten Gesetzentwürfe möglichst schnell durch den Reichstag verabschieden zu lassen. Die geplanten Maßnahmen konnten nur bei gleichzeitigem und sofortigem Einsatz die gewünschten Erfolge bringen. Von allen Parteien des Reichstags war lediglich die Stellung der Sozialdemokraten noch unsicher. Eine starke „revisionistische" Gruppe hatte zwar seit längerer Zeit durchgesetzt, daß i n den Ländern an der parlamentarischen Arbeit mitgewirkt wurde, wenn Aussicht auf Fortschritte i m Sinne des Parteiprogramms bestand. Auch i n der Annahme des Wehrbeitrags hatte sich die Umorientierung der Partei gezeigt, die nunmehr durch Mitarbeit i m Reichstag „Abschlagszahlungen" 1 auf ihr Programm zu erreichen suchte, während sie vorher prinzipiell i n Opposition zu dem bestehenden Staat und seiner Regierung gestanden hatte, was vor allem i n der ständigen Ablehnung des Etats zum Ausdruck kam. Konservative Kreise befürchteten, die Sozialdemokratie würde bei Kriegsausbruch ihren Widerstand verstärken oder sich sogar direkt gegen die Regierung auflehnen i m Sinne der Friedenspolitik der internationalen Arbeiterbewegung. Deshalb beabsichtigten einige leitende Militärs, nach Verhängung des Belagerungszustandes die fast unbeschränkte Macht der Militärbehörden auszunutzen und alle „verdächtigen Leute", namentlich die Abgeordneten der SPD, „hinter Schloß und Riegel zu setzen" 2 . I n einer Kabinettsbesprechung wurde diese Maßnahme jedoch als unglücklich abgelehnt. Vielmehr wollte man die Sozialdemokraten, die seit 1912 die stärkste Fraktion i m Reichstag stellten (110 von 392 Sitzen), dazu gewinnen, sich an einer einmütigen nationalen Demonstration zu beteiligen, die i n einer einstimmigen Annahme der vorbereiteten Gesetze und des notwendigen Nachtragshaushalts bestehen sollte. Der 1 Bergsträßer, L u d w i g , Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 8. u. 9. neubearbeitete Aufl., München 1955, S. 206. 1 Delbrück, Clemens v., a.a.O., S. 100.
3*
36
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
Reichskanzler Bethmann-Hollweg lud Vertreter aller Parteien zu einer Vorbesprechung ein, nachdem der Staatssekretär des Innern, Delbrück, von der SPD bei einer vertraulichen Fühlungnahme die Gewißheit erhalten hatte, daß auch sie ihre Vertreter dazu entsenden würde 3 . Vor und nach dieser Sitzung gab es heftige Kämpfe i n der SPD-Fraktion; i n einer Kampfabstimmung entschloß sie sich letzten Endes für die Annahme der Gesetzentwürfe, ohne irgendwelche innenpolitischen Forderungen zu stellen. Die Kriegsgesetze wurden damit einstimmig i m Reichstag verabschiedet und leiteten den sogenannten „Burgfrieden" ein, der innenpolitische Auseinandersetzungen für den Verlauf des als kurz angenommenen Krieges unterbinden sollte und i n dem berühmt gewordenen Ausspruch des Kaisers: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche" 4 seinen besonderen Ausdruck fand. Honoriert wurde die Haltung der SPD durch eine weitgehende Auflockerung der Einschränkungen, denen erklärte Sozialdemokraten bisher unterworfen waren 5 . Der Burgfrieden hatte wirtschafts- und finanzpolitisch in zweierlei Hinsicht besondere Bedeutung, einmal für den gesamten Reichstag, zum anderen speziell für die SPD. Nicht nur durch den Belagerungszustand und die von Militärs durchgeführte politische Zensur, sondern auch durch ihren starken Einfluß auf die Reichsregierung und Verwaltung besaß die Oberste Heeresleitung (OHL) eine außerordentliche innenpolitische Machtfülle. Die Exekutive konnte zudem ihr Verordnungsrecht nach dem „Ermächtigungsgesetz" 6 nach dem Willen der OHL einsetzen. Diese Machtverschiebung wurde nunmehr noch dadurch gestützt, daß sich der Reichstag für ungewisse Zeit seines Mitwirkungsrechts an der Politik begab. Gerade i n der Frage der Kriegsfinanzierung hätte er über sein Etat- bzw. Steuerbewilligungsrecht noch seinen Willen kundtun können, da i n den Etatberatungen allgemein politische Diskussionen üblich waren. Darauf verzichtete er zugunsten der einmaligen „nationalen Demonstration" und unterließ es auch, die geplanten Kriegsgesetze auf ihre möglichen Auswirkungen hin zu untersuchen. Für die Haltung der SPD bedeutete der Burgfrieden eine endgültige Durchsetzung der revisionistischen Gruppe i n der politischen Orientierung. Sie gab die Haltung der dogmatischen Interessenvertretung einer sozialen Klasse, die auf das Absterben des bestehenden Staates wartete, auf und führte die begonnene Eingliederung in diesen Staat und i n die 3
Vgl. Delbrück, Clemens v., a.a.O., S. 105 f. R T Bd. 306, S. 2. Ä Vgl. Scheidemann, Philipp, Der Zusammenbruch, B e r l i n 1921, S. 6 ff. u n d Bergsträßer, L u d w i g , a.a.O., S. 224 f. • Gesetz über die Ermächtigung des Bundesrates zu wirtschaftlichen Maßnahmen etc., RGBl. 1914, S. 327. 4
Β. Die Kriegsgesetze
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politische Verantwortung auf Reichsebene fort. Diese Haltung der Mehrheit lehnte allerdings eine radikal-marxistische Minderheit, die i n der Fraktion gegen die Kriegsgesetze gestimmt, i m Reichstag sich jedoch dem Fraktionszwang gebeugt hatte, mit wachsender Schärfe ab, was späterhin zum Bruch der Partei führte. A n der berühmten Erklärung des Abgeordneten Haase i n der Reichstagssitzung vom 4. August 19147 erweist sich die komplexe Situation der SPD: Haase als Fraktionsführer mußte eine Erklärung abgeben, die er als Vertreter der marxistischen Tradition der Partei selbst nicht gutheißen konnte, eine Erklärung, i n der die Mehrheit der Partei auf ihren gerade gewonnenen Willen zur Mitarbeit an der Reichspolitik wieder verzichtete. Es braucht kaum hinzugefügt zu werden, daß finanzpolitische oder ökonomische Erwägungen über die Konsequenzen der Kriegsgesetze weder bei der SPD noch bei den anderen Parteien angestellt wurden. Diese Gesetze sollen jetzt i m einzelnen besprochen werden.
B. Die Kriegsgesetze I. Reichskassenscheine, Banknoten und Münzen
Durch das „Gesetz, betreffend die Reichskassenscheine und die Banknoten" 8 wurden die Reichskassenscheine zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt und die Pflicht der Reichsbank, ihre Noten jederzeit i n Gold einzulösen, aufgehoben. Eine Pflicht, Reichskassenscheine i n Zahlung zu nehmen, bestand bisher nur für öffentliche Kassen. Nunmehr galt sie für jedermann. Besondere Bedeutung kam dieser Regelung nicht zu, da die Reichskassenscheine aufgrund ihrer bisherigen Handhabung ein allgemein anerkanntes und notwendiges Zirkulationsmittel waren. Sie behielten diesen Charakter auch weiterhin, besonders i n der später durchgeführten kleinen Stückelung; der Gesamtumlauf hat nie einen nennenswerten Umfang angenommen (vgl. Übersicht 17). Sie waren kein Instrument der Mittelbeschaffung, sondern nur der technischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Anders verhält es sich m i t den Banknoten. Die Goldeinlösungspflicht stellte den Grundpfeiler des Währungssystems i n Deutschland dar. Zusammen mit der Vorschrift der Dritteldeckung war sie eine Fessel für die Ausdehnung des Notenumlaufs und Voraussetzung für die 7 R T Bd. 306, S. 8 f. Die bürgerlichen Parteien hatten eine Annahme der Gesetze ohne Diskussion verlangt. Die SPD hielt entsprechend den Statuten der internationalen Arbeiterbewegung n u r den Verteidigungskrieg f ü r gerechtfertigt u n d suchte i n diesem Sinne ihre H a l t u n g zu begründen. 8 RGBl. 1914, S. 347.
38
2. Abschnitt: Finanzielle Mobilmachung
Regulierung des Außenwerts der Mark i m Rahmen des herrschenden Goldstandards. Diese Funktion des Goldbestandes wurde nun aufgegeben. Es ging jetzt darum, einen Goldschwund zu vermeiden, da man, wenn die Noten schon nicht mehr einlösbar waren, die formale Vorschrift der Dritteldeckung aus optischen Gründen auf keinen Fall aufgeben wollte. Man rechnete von vornherein mit einer gewaltigen Ausdehnung des Notenumlaufs. Die Einhaltung der Dritteldeckung hatte nun allein die Funktion, den bleibenden inneren Wert der Mark nachzuweisen. Deshalb konstruierte man folgenden Gedankengang: Diese Geldvermehrung sei solange ungefährlich, wie die Dritteldeckung eingehalten werde. So sei es nicht nur notwendig, die Goldeinlösung einzustellen, sondern sogar außerordentlich wichtig, den Goldbestand der Reichsbank zu vermehren. „Beflissene, aber unkritische Lobredner dieser Politik verkündeten dem deutschen Volk, dank der Vorschrift der Dritteldeckung bedeuteten 1000 Mark Gold bei der Reichsbank 3000 Mark unbedenkliche Vermehrung des Notenumlaufs 9 ." Die Aufhebung der Goldeinlösung war deshalb die wichtigste Grundlage für die i m ganzen Krieg fortgeführte Thesaurierungspolitik, um den Reichsbankstatus i m Hinblick auf die Deckungsquote zu verschönern. Dieser Fetischismus m i t der „Schatzkammer der Nation" 1 0 hatte seinen Ursprung noch in einer merkwürdigen Vorstellung von der „Liquidität" der Notenbank, die deren Goldschatz darstelle. Man wollte dem Publikum suggerieren, daß i m Grunde alles beim alten bleibe und auch nach den alten Maßstäben zu beurteilen sei. Daß es dabei bleibe, dazu müsse jeder durch die Ablieferung seines Goldes bei der Reichsbank mit beitragen. Analog zum Gesetz über die Banknoten hob das „Gesetz, betreffend die Änderung des Münzgesetzes" 11 auch die Pflicht der Reichsbank auf, Scheidemünzen auf Verlangen i n Gold umzutauschen. Dafür erhielt sie das Recht, stattdessen Banknoten oder Reichskassenscheine anzubieten. I I . Schatzanweisungen, Schatzwechsel und Zollkriegswechsel
A n die Verwendung von unverzinslichen Schatzanweisungen (U-Schätzen) zu Überbrückungskrediten für die Reichskasse hatte man sich schon i n den Vorkriegs jähr en gewöhnt; sie waren jedoch noch nicht i n die Sekundärdeckung der Notenbank einbezogen. Um ihren Einsatz in größerem Stile zu ermöglichen, waren zwei organisch zusammenhängende Gesetze notwendig. Durch das „Gesetz, betreffend Änderung des Bank9
Lötz, Walther, a.a.O., S. 21. Jastrow, Ignaz, Geld u n d K r e d i t i m Kriege, W W A , Ergänzungsheft 1, 1915, Jena 1915, S. 16 f. RGBl. 1914, S. 3 2 . 10
Β . Die Kriegsgesetze
39
gesetzes" 12 wurden nunmehr Reichswechsel und -schatzanweisungen m i t einer Laufzeit bis zu drei Monaten den Handelswechseln gleichgestellt. Um nicht die alten Deckungsregeln aufheben zu müssen, erklärte man einfach diese Papiere zu „deckungsfähigen" Aktiva. Damit konnte sich das Reich bei der Reichsbank praktisch so lange Kredit holen, bis die Dritteldeckung Einhalt gebot. Eine weitere Bremse für die Ausdehnung des Notenumlaufs, die Notensteuer 13 , beseitigte man ebenfalls durch dieses Gesetz. Das „Gesetz, betreffend die Ergänzung der Reichsschuldenordnung" 14 schuf gleichzeitig den Schatzwechsel als weitere Form des kurzfristigen Staatspapiers, damit auch i n der äußeren Form zumindest eine Ähnlichkeit mit dem „guten" Handelswechsel gewahrt blieb. Man hat allerdings den ganzen Krieg über Schatzwechsel und U-Schätze als synonym behandelt und nie getrennt ausgewiesen. I n ihrer ersten Kriegsdenkschrift 15 stellte die Reichsbank zu diesen gesetzlichen Neuerungen fest, sie sei nun i n der Lage, „dem Reiche i n einer dem Wesen und der Zweckbestimmung einer Notenbank entsprechenden Form ohne Beeinträchtigung der Sicherheit der Anlage weitestgehenden Kredit zu gewähren". Auch die Regierung brachte i n ihrer Begründung dieser Gesetze ein ähnliches Argument: Die Bonität des Reichswechsels, auch wenn er nur eine Unterschrift trage, stehe den „bankfähigen" nicht i m geringsten nach. „ . . . der Reichswechsel bietet zweifellos die unbedingte Gewähr rechtzeitiger Einlösung" 1 8 . Auch hier wieder ging es darum, den Anschein einer umwälzenden Neuerung nach Möglichkeit zu vermeiden. So wurde für das Reich ein Zugang zum Notenbankkredit i n dem großen Umfange geschaffen, den es zweifellos brauchte. Die offiziellen Erläuterungen blieben jedoch i m Formal juristischen stecken; die geldpolitischen Konsequenzen wurden öffentlich nicht erwähnt. Natürlich sollte die Reichsbank lediglich so lange i n Anspruch genommen werden, bis die kurzfristigen Papiere aus dem Erlös von Steuern oder Anleihen abgelöst werden konnten. Wann dies geschehen würde, war zu Kriegs12
RGBl. 1914, S. 327. Die Reichsbank mußte bisher von ihrem i n Gold nicht gedeckten Notenumlauf 5 °/o Notensteuer zahlen, soweit er an Normalausweistagen 550 M i l l . Mark, an Quartalsterminen 750 M i l l . M a r k überstieg. M a n darf die Bedeutung der Notensteuer jedoch nicht überbewerten. Die Reichsbank hat sie ohne Bedenken gezahlt, w e n n sich eine Ausdehnung des Notenumlaufs ergab. 14 RGBl. 1914, S. 325. 15 Die Reichsbank i n den ersten drei Kriegsmonaten, B e r l i n o. J., S. 4. Die insgesamt sieben Kriegsdenkschriften der Reichsbank werden m i t ihrem T i tel „Reichsbank u n d Geldmarkt" u n d ihrer laufenden N u m m e r zitiert. 18 R T Bd. 315, Nr. 6, S. 7 u n d Nr. 10, S. 9. 13
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2. Abschnitt: Finanzielle Mobilmachung
beginn jedoch völlig unklar. Vom letzten Kriege hatte man noch die Erfahrung, daß eine freiwillige Anleihe, zu Kriegsbeginn jedenfalls, schlecht unterzubringen sei. So richtete man sich auch darauf ein, die Reichswechsel von Fälligkeit zu Fälligkeit zu prolongieren und wertete es dabei als Positivum, daß der Staat auf diese Weise dauernd an seine Schulden erinnert werde. Bernhard 1 7 sah i n der Kreditgewährung der Reichsbank sogar eine A r t Kompensationsgeschäft: Da das Reich seinen ganzen Kriegsschatz an die Notenbank gegeben habe, sei es nur recht und billig, wenn nun der Staat auf die Reichsbank zurückgreife. I m übrigen bedürfe es „ i n Kriegszeiten einer theoretischen Rechtfertigung dafür, daß der Staat seine Notenbank i n Anspruch nimmt, überhaupt nicht". Neben den Schatzwechseln bzw. Schatzanweisungen benutzte das Reich noch weitere neugeschaffene Papiere zur Kreditbeschaffung bei der Notenbank, die sogenannten Zollkriegswechsel, m i t deren Hilfe die gestundeten Zoll- und Steuerbeträge mobilisiert wurden. Der Zoll- bzw. Steuerpflichtige mußte Wechsel i n Höhe seiner Verpflichtungen akzeptieren, die von den Zollbehörden auf ihn gezogen waren. Diese Wechsel diskontierte die Reichsbank, soweit sie innerhalb drei Monaten fällig waren und lombardierte sie, falls sie länger liefen. Allerdings hielt sich ihr Bestand an diesen Wechseln i n engen Grenzen; am 15. September 1914 betrug er etwa 200 Millionen Mark 1 8 . Wurden auf diese Weise noch nicht fällige Forderungen des Reiches mobilisiert, so m i t Hilfe des Diskonts von Anerkenntnissen der Aushebungsbehörden Forderungen von Privaten an das Reich, die durch Aushebung besonders von Pferden und Fahrzeugen für Kriegszwecke entstanden waren. Auch diese Beanspruchung der Notenbank war nicht sehr umfangreich; am 7. Oktober 1914 hatte sie etwa 150 Millionen Mark Anerkenntnisse diskontiert 1 9 . Während das Reich sich also voll auf den Kredit der Notenbank stützen konnte, waren die Bundesstaaten und Gemeinden davon fast vollständig ausgeschlossen. Auch nach der neuen Regelung waren ihre Schatzanweisungen zwar rediskontierbar, konnten aber nicht i n die Notendeckung (Sekundärdeckung) einbezogen werden. Deshalb verwies die Reichsbank sie von vornherein auf die neuen Darlehenskassen 20 .
17 Bernhard, (1915), S. 58 f. 18
Georg, Die P o l i t i k der Reichsbank i m Kriege, AfSuS Bd. 40
Die Reichsbank i n den ersten drei Kriegsmonaten (Reichsbank u n d Geldm a r k t I), a.a.O., S. 10. 19
Ebd., S. 13.
20
Ebd., S. 11.
Β. Die Kriegsgesetze
41
Ι Π . Darlehenskassen
Diese durch das „Darlehenskassengesetz" 21 nunmehr begründeten Institute waren zunächst hauptsächlich für den pfandgesicherten Kontokorrentkredit der privaten Wirtschaft bestimmt. Sie hatten eigene Hechtspersönlichkeit, die technische Abwicklung ihrer Geschäfte oblag jedoch, bei getrennter Buchführung, dem Personal der Reichsbank, und zwar wurde jeder selbständigen Reichsbankanstalt eine Darlehenskasse angeschlossen und zusätzlich noch ein weitverzweigtes Hilfsstellennetz errichtet. Der Vorstand der Reichsbankfiliale war gleichzeitig Vorstand der Darlehenskasse; er wurde i n dieser Funktion jedoch von weiteren Vorstandsmitgliedern, die i n einem bestimmten Turnus aus dem örtlichen Handels- und Gewerbestand gewählt wurden, unterstützt. Die Besonderheit lag bei den Darlehenskassen darin, daß sie ihre Kreditschöpfungsfähigkeit nicht aus bankmäßigen Einlagen zogen, sondern „ f ü r den ganzen Betrag der bewilligten D a r l e h e n . . . unter der Benennung ,Darlehenskassenscheine 4 ein besonderes Geldzeichen" 22 ausgeben konnten. A u f der Aktivseite ihrer Bilanz standen also i m wesentlichen Forderungen, auf der Passivseite der Umlauf der ausgegebenen Darlehenskassenscheine. Sie kannten also kein Liquiditätsproblem, sondern nur eine gesetzliche Obergrenze für die Gewährung von Krediten bzw. Ausgabe ihrer Zettel. Sie lag zunächst bei 1,5 Milliarden Mark, konnte jedoch durch einfache Bundesratsverordnung erhöht werden. Davon wurde sehr bald Gebrauch gemacht. Entsprechend den Sicherungsvorschriften des Gesetzes gewährten sie ausschließlich kurzfristige (Dreimonats-) Buchkredite gegen Verpfändung von Waren und Wertpapieren. Wechsel kauften die Darlehenskassen nicht an. Damit hatte man ein sofort einsatzbereites Kreditsystem geschaffen, das i n alle Gebiete des Reiches wie das Netz der Reichsbankfilialen hineinreichte. Es sollte i m wesentlichen drei Aufgaben bewältigen 2 3 : Zunächst galt es, den bei Kriegsbeginn erwartungsgemäß hohen Kreditbedarf der Privatwirtschaft zu befriedigen. Dieser hätte sich ohne die Einrichtung der Darlehenskassen weitgehend auf den Lombardkredit der Reichsbank gestützt, denn es war nicht zu erwarten, daß die gegenseitige Kreditgewährung der gewerblichen Wirtschaft und der Privatbankkredit i n der allgemeinen Unsicherheit zu Kriegsbeginn ausreichen würden. Vielmehr mußte man befürchten, daß gerade in den ersten Kriegstagen 21
RGBl. 1914, S. 340. § 2, I Darlehenskassengesetz. 23 Vgl. die amtliche Begründung des Darlehenskassengesetzes R T Bd. 315, Nr. 9, S. 5 f. 22
42
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
diese Bereiche versuchen würden, die vorhandenen Kreditbeziehungen abzubauen, um liquider zu werden. Dementsprechend mußten, bei dem allgemeinen Drang zur Liquidität, auch die Umlaufsmittel vermehrt werden, da eine girale Gutschrift dem Publikum oft nicht genügte. Andererseits war das Gesetz nötig, um die Reichsbankbilanz vom Ballast hoher Lombardforderungen zu befreien, da diese nicht in die Notendeckung eingerechnet werden konnten, die Deckungsvorschriften also sehr bald unhaltbar geworden wären. Zum dritten hätte, selbst wenn man bereit gewesen wäre, die Dritteldeckung zu suspendieren, die Notenbank allein den hohen Umlauf an neuen Geldzeichen ausweisen müssen. Dies jedoch widersprach dem überwiegenden Postulat, den Reichsbankstatus unter allen Umständen zu verschönern. Man entsprach diesem dadurch, daß man die Lombardforderungen und den entsprechenden Umlauf an Geldzeichen aus der Reichsbankbilanz herausnahm und daraus eine neue Bilanz, eben die der Darlehenskassen machte. Die gewünschte Aufteilung der Kreditarten auf die einzelnen Institute versuchte man durch Differenzierung der Zinssätze zu erreichen. Zinsmäßig stellten sich die Kreditnehmer bei den Darlehenskassen schlechter als beim Wechseldiskont. Dadurch sollte eine übermäßige Ausnutzung der Kassen vermieden und der Reichsbank das deckungsfähige Wechselmaterial erhalten bleiben. Andererseits wollte man den Lombardkredit der Reichsbank einschränken. So mußte der Zins der Darlehenskassen unter dem Lombardsatz, aber über dem Diskontsatz bleiben. Er bewegte sich dann auch praktisch innerhalb dieser Spanne. Wie die anderen Neuerungen der finanziellen Mobilmachung, so waren auch die Darlehenskassen durchaus als vorübergehende Einrichtung geplant und in Tätigkeit gesetzt worden. Wenn man unterstellt, daß die in den ersten Kriegswirren gewährten Kredite i m weiteren Verlauf zurückfließen, da die Wirtschaft sich auf die neue Situation einspielt und vor allem mit einer starken Verflüssigung des Geldmarktes zu rechnen ist, so kann man cum grano salis der Ansicht der Reichsbank 24 zustimmen, daß eine starke inflatorische Wirkung von den Darlehenskassen nicht ausgehen mußte, solange allein private Kreditnehmer vorhanden waren. Dieses Urteil soll später m i t Hilfe von Statistiken untermauert werden 2 5 . Die Kassen nahmen jedoch eine Entwicklung, die der Gesetzgeber nicht vorgesehen hatte. Die juristische Erklärung, daß Schuldner der Darlehenskassenscheine das Reich sei, weil die Reichsschuldenverwaltung sie ausgebe 28 , ist nur von untergeordneter Bedeutung. M i t dem darauf begrün24 25 26
Vgl. Reichsarchiv, a.a.O., S. 442 f. Vgl. auch Lötz, Walther, a.a.O., S. 22 ff. Vgl. Feuchtwanger, Leo, a.a.O., S. 63.
Β . Die Kriegsgesetze
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deten Hinweis, daß man an ihm wie auch an den anderen öffentlichen Körperschaften „vor Konkurs gesicherte" Schuldner 27 habe, wollte man das Publikum beruhigen. Die ökonomischen Zusammenhänge blieben dabei ungeklärt. Trotzdem beruhte auf dieser Überlegung die Vorschrift des Darlehenskassengesetzes, welche die Darlehenskassenscheine i n die Notendeckung (Primärdeckung) der Reichsbank einbezog. Sie erscheint um so paradoxer, wenn man bedenkt, daß ja die Lombardkredite von der Reichsbank auf die Darlehenskassen überwälzt wurden, weil sie nicht „deckungsfähig" waren. Nunmehr sollten die aufgrund dieser Kredite ausgegebenen Zettel plötzlich dem Golde in seiner „Deckungsfähigkeit" entsprechen, und die Reichsbank konnte durch die Übernahme von Darlehenskassenscheinen deren dreifache Menge i n Banknoten ausgeben, da ja die entsprechende Sekundär deckung i n Form von Reichs wechseln auf jeden Fall vorhanden war. Die offizielle Aufhebung der Dritteldeckung konnte man zwar so umgehen, sie selbst mußte aber damit zur Farce werden, da nunmehr die letzte Hemmung für die Ausdehnung des Notenumlaufs gefallen war. I n der zeitgenössischen Literatur w i r d diese Maßnahme fast durchweg positiv i m Sinne einer Stärkung der Reichsbank gewertet. Falls einmal der Verkehr die Aufnahme von Darlehenskassenscheinen verweigere, könne sie die Reichsbank ohne weiteres i n Banknoten umtauschen. Die Dritteldeckung werde dadurch nicht gefährdet, sondern die Notenkapazität gewönne eine unerhörte Vermehrung 2 8 . Nur vereinzelt hörte man kritische Stimmen. Bendixen ζ. B. hielt die ganze Einrichtung der Darlehenskassen für gefährlich, insbesondere die „Fiktion, daß Papier Gold sei" 2 9 . Die gepriesene Genialität des neuen Notendeckungs- und Emissionssystems sei nicht mehr als ein „häßlicher Kniff", der die Dritteldeckung nur formal erhalte, i n Wirklichkeit aber einer unbegrenzten Notenvermehrung Vorschub leiste 30 . Außerdem werde das Vertrauen in die Währung durch die Vielfalt der Geldsorten gestört. Das sind praktisch die gleichen Argumente, die vor dem Kriege schon Plenge gebracht hatte; er plädierte dafür, die Dritteldeckung aufzuheben, Lombardkredite an Private und Vorschüsse an das Reich i n die Notendeckung (Sekundärdeckung) einzubeziehen und damit „lombardgedeckte Pseudonotenbanken" zu vermeiden 81 . 27
Die Reichsbank i n den ersten drei Kriegsmonaten, a.a.O., S. 37. Vgl. Bernhard, Georg, a.a.O., S. 64 f. u n d Jastrow, Ignaz, a.a.O., S. 29 f. 89 Bendixen, Friedrich, Währungspolitik u n d Geldtheorie i m Lichte des Weltkriegs, 2. Aufl., München/Leipzig 1919, S. 28. (Veröffentlicht wurde diese K r i t i k erstmals i m Januar 1915; vgl. ebd., S. 22). 30 Ebd., S. 26 ff. 31 Plenge, Johann, V o n der Diskontpolitik zur Herrschaft über den Geldmarkt, a.a.O., S. 321 ff. 28
44
2. Abschnitt: Finanzielle Mobilmachung I V . Sonstige wirtschaftliche Maßnahmen
Neben diesen großen Maßnahmen, die der finanziellen Mobilmachung dienten, wurden noch eine ganze Anzahl kleinere, mehr subsidiäre durchgeführt, die hier nur so weit erwähnt werden sollen, wie sie von Bedeutung für die Kriegsfinanzierung waren. Die vielerorts gegründeten Kriegskreditbanken haben meistens allein dadurch gewirkt, daß sie überhaupt vorhanden waren und i n besonderen Fällen Pfänder beliehen, die andere Institute n'icht als Sicherheit akzeptierten. Die Gesamtsumme der ausgereichten Kredite blieb denkbar gering 3 2 . Man kann also nicht davon ausgehen, daß sie den Kreditmarkt zugunsten öffentlicher Schuldner stark entlastet haben. Von Anfang an hatte die Frage eines allgemeinen Moratoriums, das alle privatrechtlichen Zahlungsverpflichtungen für eine bestimmte Zeit suspendieren sollte, die Gemüter erhitzt. Auch i n der Besprechung der Parteienvertreter vor der Reichstagssitzung vom 4. August hatte man diese Frage aufgeworfen. Man war sich jedoch bald einig darüber, daß die psychologische Wirkung einer solchen Maßnahme denkbar ungünstig sein mußte. Die enge Kreditverflechtung der deutschen Wirtschaft wäre damit praktisch eingefroren worden; dagegen sollte das Kreditsystem doch möglichst flexibel bleiben, um sich baldmöglichst auf die neuen Erfordernisse, die durch den Krieg entstanden waren, einstellen zu können. So sah man von einem Generalmoratorium ab und begnügte sich m i t einer allgemeinen Ermächtigung des Bundesrats, während des Krieges an den Stellen einzugreifen, wo es nötig war. Dies geschah durch Spezialmoratorien 83 ; etwa dadurch, daß die Fälligkeiten von bestimmten Forderungen, besonders von Wechseln, auf eine gewisse Zeit hinausgeschoben, Konkurse abgewendet und Zwangsvollstreckungen verhindert wurden 3 4 . M i t der Zeit kamen noch verschiedene ergänzende Maßnahmen dazu, so daß von K r i t i k e r n angemerkt wurde, man habe zwar formell ein allgemeines Moratorium vermieden, materiell sei man i h m aber recht nahe gekommen. Zweifellos waren diese Maßnahmen aber sehr günstig i n ihrer psychologischen Wirkung und insofern ein notwendiges Stück finanzieller Mobilmachung. Die geistigen Väter des „Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesrates zu wirtschaftlichen Maßnahmen" etc. 35 , welches die gesetzliche 32
Vgl. Die Reichsbank i n den ersten drei Kriegsmonaten, a.a.O., S. 17 ff. Z u den Begriffen siehe: Ehrlicher, Werner, Moratorium, H d S W Bd. 7, Stuttgart/Tübingen/Göttingen 1961, S. 454 ff. 34 Vgl. i m einzelnen: R T Bd. 315, Nr. 26, Denkschrift über wirtschaftliche Maßnahmen aus Anlaß des Krieges, S. 13 ff. Diese Denkschrift w i r d i m folgenden zitiert: R T Bd. 315, Nr. 26 (Denkschrift), die i m Laufe des Krieges erschienenen Nachträge dazu: R T Bd. . . N r . . . . (1., 2., 3. etc. Nachtrag). 35 RGBl. 1914, S. 327. 33
Β . Die Kriegsgesetze
45
Grundlage für die Spezialmoratorien war, konnten jedoch noch nicht überblicken, daß es mit der Zeit zu einem pauschalen Ermächtigungsgesetz wurde, auf das sich die kriegswirtschaftlichen Maßnahmen i n Zukunft weitgehend stützten 38 . Dies gilt besonders für die Preisfestsetzung und die Güterlenkung. Zu Beginn des Krieges galt das jedoch nur als eine vorbeugende Regelung, die dann i m weiteren Verlauf erst Bedeutung erhielt. Die technische Methode der Wirtschaftslenkung wurde aber schon hier klar. I m „Gesetz, betreffend Höchstpreise" 37 verankerte man das Recht des Staates, Höchstpreise festzusetzen. Die Ausführung überließ man der weitgehend dezentralisierten Verwaltung. Das entsprach zwar der bisherigen Übung, konnte aber materiell sehr ungünstige W i r kungen haben. V. Nachtragshaushalt
Den Schlußstein des Gesetzgebungswerks vom 4. August 1914 bildete schließlich das „Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr 1914 38 ". Es ermächtigte den Reichskanzler, „zur Bestreitung einmaliger außerordentlicher Ausgaben die Summe von fünf Milliarden Mark i m Wege des Kredits flüssig zu machen". Daß dabei zunächst nur an eine Kreditaufnahme bei der Reichsbank gedacht war, geht eindeutig aus dem bisher Gesagten hervor. Dieser Nachtragshaushalt war, ebenso wie die anderen Maßnahmen des 4. August, nur unter dem kurzfristigen Aspekt der Mobilmachungsfinanzierung verabschiedet worden. Dafür spricht zusätzlich die Tatsache, daß die den Gesetzentwürfen üblicherweise beigegebene Begründung fehlte, die ja auch hätte Aufschluß geben müssen über die A r t und Weise der Aufbringung dieser fünf Milliarden. Nach dem Gesetz hatte nun der Reichskanzler völlig freie Hand bei der Beschaffung der Mittel. Für die ersten Wochen des Krieges erwartete man m i t Recht, daß der Markt für eine langfristige Anleihe kaum aufnahmefähig sein werde. Schon die Stockungserscheinungen i n den letzten Friedenstagen sprachen dafür. Außerdem galt es, den plötzlichen Mobilmachungsbedarf praktisch von heute auf morgen zu befriedigen, der für die ersten sechs Mobilmachungstage mit etwa 750 Millionen Mark, für die ersten dreißig Tage mit 2,25 Milliarden Mark veranschlagt war 3 9 . I n dieser Schnelligkeit konnte nur die Notenbank Hilfe schaffen. Für die rechtzeitige Konsolidierung der nominell kurzfristigen Schatzscheine schätzte man die Aussichten neuerdings nicht unbedingt ungünstig ein. Das tatsächliche Er86 37 38 39
Vgl. Delbrück, Clemens v., a.a.O., S. 109 f. RGBl. 1914, S. 339. RGBl. 1914, S. 345. Vgl. Reichsarchiv, a.a.O., S. 463.
46
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
gebnis einer langfristigen Anleihe war jedoch weitgehend von den m i l i tärischen Erfolgen, weniger von der wirtschaftlichen Entwicklung bestimmt. A n zusätzliche Steuereinnahmen war i n dieser Phase überhaupt noch nicht zu denken. V I . Zusammenfassung: Alte und neue Geldverfassung des Reiches
Bevor nun die weitere Entwicklung der Finanz- und Geldpolitik i m Kriegsverlauf dargestellt werden kann, müssen die Maßnahmen der finanziellen Mobilmachung unter mehr grundsätzlichen Gesichtspunkten zusammengefaßt werden, da sie eine vollständige Veränderung der Geldverfassung des Reiches m i t sich brachten. Es gilt also, aus den bisher dargestellten Fakten m i t einigen wenigen Ergänzungen Charakter und W i r kungsweise des bisherigen und des neuen Geldsystems zu erläutern und die Unterschiede herauszuarbeiten. Die Untersuchung dieses Komplexes i n einem so frühen Stadium der Arbeit erscheint insofern berechtigt, als die Kriegsfinanzierung i n der ersten Hälfte des Krieges sich ausschließlich auf diese Neuerungen stützt, während finanzpolitische Neuansätze erst i n der zweiten Kriegshälfte ihren Niederschlag finden. Die Geldpolitik der Reichsbank ist bereits i m Zusammenhang m i t der finanziellen Kriegsvorbereitung mehrfach erwähnt worden, wobei besonders lihre passive Haltung und die zeitgenössische K r i t i k daran hervorgehoben wurden. Worauf beruhte nun diese passive Haltung? Um diese Frage zu klären, muß man für einen Augenblick auf die Gründung der Reichsbank zurückschauen 40 . Die Gegensätze zwischen Currency- und Bankingtheorie, die schon für die Gestaltung der Bank of England so große Bedeutung hatten, kamen auch hier wieder zum Vorschein, wobei die Vorstellungen der Currency-Schule mehr auf den organisatorischen Rahmen wirkten (Zentralisierung der Geldschöpfung, Ausweispflicht), während die Banking-Schule mehr die Geldpolitik der Reichsbank bestimmte (Dritteldeckung, elastische Geldmenge). Die Bankingtheoretiker glaubten, daß die notwendige Geldversorgung güterseitig durch die Nachfrage der Produzenten nach Geld zu Umsatzzwecken, also lediglich aus dem Geschäftskreislauf bestimmt sei. Diese Nachfrage wirke sich aus i n Form von Rediskontwünschen bei der Notenbank. Auf die Preise übe diese Geldmengensteuerung keinen Einfluß aus. Sie seien vielmehr durch die monetäre Nachfrage i m Einkommenskreislauf bestimmt. Durch die Kurzfristigkeit der Diskonten sei gewährleistet, daß das Kreditgeld sofort zurückfließe, wenn es zu Umsatzzwek40 Vgl. zum folgenden: Maiß, Otto, Die Bedeutung der Currency- u n d B a n kingschule für die Entwicklung der Geldtheorie sowie i h r Einfluß auf die englische u n d deutsche Notenbankgesetzgebung, Freiburger Diss. 1954, S. 31 ff. u n d S. 90 ff.
Β. Die Kriegsgesetze
47
ken nicht mehr benötigt werde. A u f diese Weise bleibe immer nur die tatsächlich notwendige, der sich ändernden Produktionsstruktur angepaßte und preisneutrale Geldmenge i m Umlauf. Dieses sogenannte „Rückstromprinzip" verführte nun vor allem die deutsche Geldpolitik zu der Auffassung, man könne den Umlauf an Kreditgeld sich selbst überlassen, solange die Noten nur jederzeit i n Gold einlösbar seien. A u f dieser Vorstellung baute sich nun tatsächlich die Konstruktion und Geldpolitik der Reichsbank auf. Die Fälle, i n denen Kreditgeld i n den Einkommenskreislauf eintreten konnte und damit das Rückstromprinzip durchlöcherte, waren jedoch nicht zu kontrollieren. Die Reichsbankpolitik übersah diese Möglichkeit; sie glaubte sich vielmehr verpflichtet, jedes Kreditbegehren zu erfüllen, und sie sah i m Wachstum ihres Wechselbestandes ein Zeichen für eine günstige wirtschaftliche Entwicklung. I n dieser Handlungsweise wußte sie sich m i t der herrschenden Lehre i n Einklang 4 1 . Wahrscheinlich hat diese Haltung zu dem immensen Wirtschaftswachstum i n den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg erheblich beigetragen, allerdings wohl auch dazu, daß die Kreditbanken auf ihre Liquidität wenig sahen und Kredit gewährten, soweit es eben ging. M i t ihren hohen Wechselbeständen konnten sie sich ja jederzeit bei der Notenbank refinanzieren. Als schließlich die Kreditschöpfungsmöglichkeit an die Grenze der Dritteldeckung stieß (1907), war guter Rat teuer. Die etwas hilflosen Maßnahmen der letzten Jahre vor dem Krieg hatten nichts grundlegend geändert. Dagegen brachte das Gesetzgebungswerk vom 4. August eine völlige Umwälzung der Notenbankverfassung. Durch die Einbeziehung von Staatspapieren i n die Sekundärdeckung wurde das Rückstromprinzip nun auch de jure aufgehoben, da hier ja der Staat das Notenbankgeld nicht i m Geschäftskreislauf, sondern nur i m Einkommenskreislauf ausgeben konnte. Offensichtlich ist aber kaum jemandem klar geworden, daß damit der Übergang zu einem anderen Geldsystem vollzogen war 4 2 . Die vorherige Mischung von Waren- und Kreditgeldsystem wurde abgelöst durch ein System des autonomen Geldes, das i n das Gewand des Kreditgeldes gekleidet war. Die Geldmenge war von eingebauten Fesseln befreit, bedurfte also neuer Steuerungsmittel. M i t dieser Änderung im Geldsystem mußte einhergehen die Umstellung von der allein „konstatierenden" Geldpolitik auf die bewußte Beeinflussung des monetären Kreislaufs, wobei die Geldschöpfung seitens der Darlehenskassen entsprechend zu berücksichtigen war. Z u dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Gesetze hat jedoch niemand, weder Theoretiker noch Politi41
Vgl. Lansburgh, Alfred, Die Maßnahmen der Reichsbank etc., a.a.O., S. 14; Wagner, Adolph, System der Zettelbankpolitik, Freiburg 1873, S. 347 ff. 48 Vgl. Lütge, Friedrich, a.a.O., S. 245.
48
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
ker, diese Konsequenz gezogen. Vielmehr geht aus der ganzen Diskussion der Kriegsgesetzgebung hervor, daß sie nur unter dem Aspekt der technischen Bewältigung der Mobilmachungsfinanzierung gesehen wurde, i n deren Mittelpunkt die Reichsbank stand. Man wollte die Erhaltung des Friedenszustandes fingieren, indem man am Gesetz möglichst wenig änderte und die Änderungen als harmlos herausstellte 43 . Die verantwortlichen Leiter der Reichsbank waren sich wohl nicht i m klaren darüber, daß mit einer Änderung i n der Methode der Geldschöpfung ihre Politik sich ändern mußte. Deswegen muten die langatmigen Vergleiche der Bonität und Kurzfristigkeit von Handelswechseln auf der einen, Reichswechseln auf der anderen Seite etwas hilflos an, waren jedoch Versuche, die Wahrung der Sicherheit der Notenbankanlage und des Rückstromprinzips nachzuweisen. Auch für die Darlehenskassen, die ja direkt, nicht wie das Reich auf dem Umweg über die Kreditgewährung der Notenbank autonomes Geld schöpften, galt die Vorschrift, alle Kreditverlangen der Wirtschaft nach Möglichkeit zu erfüllen. Die Sicherheit, daß man sich auf den Rückfluß der Mittel wegen ihrer nominellen Kurzfristigkeit verlassen könne, bestand jedoch nur für eine bestimmte A r t von Krediten (Kriegsanleihedarlehen). Die Rolle der Darlehenskassen i m Geldsystem ist immer bagatellisiert worden.
C. Die wirtschaftliche Entwicklung während der Mobilmachungszeit Obwohl durch die Kriegsgesetze die Grundlagen der finanziellen Mobilmachung schnell und ohne Widerstände gelegt worden waren, hatte die schon vorher einsetzende Beunruhigung durch die sich zuspitzende außenpolitische Lage einige Präventivmaßnahmen erzwungen. Die Panikbewegung erscheint aus mehreren Gründen verständlich: Einmal waren die Pläne zur finanziellen Mobilmachung weitgehend unbekannt geblieben oder absichtlich geheim gehalten worden. Zum anderen hatte die Reichsbank schon i n den Jahren vorher betont, daß sie zu irgendwelchen Hilfsmaßnahmen, insbesondere zur Diskontierung von Wechseln, gesetzlich nicht verpflichtet sei. Weiterhin stellte man sich eine Kriegsausbruchskrise i m breiten Publikum erheblich anders vor, als man es heute tun würde. Man rechnete zunächst nicht m i t Warenverknappung und Bewirtschaftung, sondern eher mit Geldmangel, Absatzschwund und fallenden Preisen. Dementsprechend hielten sich die Privaten von der Nachfrage zurück, um liquide zu bleiben. M i t demselben Ziel warfen die Unternehmer ihre Lagerbestände auf den Markt. Daraus entstand Um48
Vgl. Eynern, Gert v., Die Reichsbank, Jena 1928, S. 56 f.
C. Die wirtschaftliche Entwicklung während der Mobilmachungszeit
49
satzrückgang und Preisverfall bei allen Gütern außer denen des täglichen Bedarfs. Durch einen Run auf die Sparkassen und Banken wollte sich das Publikum zusätzliches Bargeld verschaffen. Nicht nur die täglich fälligen Guthaben wurden abgerufen, sondern auch durch Kündigung von Forderungen, massierte Verkaufsaufträge an den Börsen, Anträge auf neue Kredite und Wechseleinreichungen versucht, bare M i t t e l flüssig zu machen. Die Banken behalfen sich zunächst m i t gegenseitigen Absprachen und Wechselverkäufen an die Reichsbank (vgl. Tabelle 1). A m 1. August erhöhten sie den Zins für täglich fällige Gelder von 1,5 % auf 4,5 °/o, u m das Publikum von Abhebungen zurückzuhalten. Die Reichsbank setzte den Diskont am 30. J u l i von 4 °/o auf 5 °/o, am 31. J u l i von 5 °/o auf 6 %> herauf, erleichterte allerdings am 2. August die Aufnahme von Lombarddarlehen, indem sie den Kreis der beleihbaren Objekte erheblich erweiterte. Die i m Verhältnis zu anderen Ländern recht geringe Diskonterhöhung 44 lag auf der Linie der lange vorher festgelegten Politik, von scharfen Restriktionsmaßnahmen nach Möglichkeit abzusehen. Die begünstigte Aufnahme von Lombarddarlehen machten sich vor allem die Sparkassen zunutze, die i m allgemeinen nicht über rediskontfähige Wechselbestände i n notwendigem Ausmaß verfügten. Besondere Stützungsmaßnahmen waren auch hier nicht nötig, da durch anstandslose Auszahlung i n den Tagen der ersten Panik bald eine Beruhigung eintrat und ab 4. August auch der günstige Lombardkredit der Darlehenskassen i n Anspruch genommen werden konnte 4 6 . So erhöhte sich innerhalb einer Woche der Wechselbestand der Reichsbank um 1,3 Milliarden Mark, die Lombardkredite um 150 Millionen Mark, auf der Passivseite, entsprechend den Wünschen des Publikums, der Notenumlauf weit mehr als die Einlagen (vgl. Tabelle 1). A m härtesten traf die Reichsbank der Verlust von 160 Millionen Mark Gold und anderem Metallgeld. U m weitere Abflüsse und damit die Verschlechterung der Deckungsquote zu vermeiden, stellte sie die Goldeinlösung am 31. J u l i ein 4 6 . Presseverlautbarungen versuchten dem Publikum Sinn und Notwendigkeit dieser Maßnahme zu erklären. Die Beunruhigung darüber legte sich bald 4 7 . Weiterhin kam die Überweisung des Kriegsschat44
ζ. B. i n England von 3 °/o auf 10 °/o. Vgl. Sparkasse, Jg. 1914, S. 354 ff. 46 Diese Maßnahme wurde durch das „Gesetz, betreffend die Reichskassenscheine u n d die Banknoten" v o m 4. August nachträglich sanktionier^ RGBl. 1914, S. 347). 47 Über das Ausmaß der Beunruhigung sind sich die Autoren nicht einig. Vgl. Jastrow, Ignaz, a.a.O., S. 17 u n d Verwaltungsbericht der Reichsbank f ü r das Jahr 1914, B e r l i n 1915, S. 7. Die Reichsbankberichte werden w i e folgt zit i e r t : Reichsbank 1914, 1915 etc. 45
4 Roesler
50
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
zes und der Goldreserve des Reiches der Notenbank sehr zu Hilfe. Sie bewirkte i n der ersten Augustwoche einen Anstieg des Goldbestandes um etwa 225 Millionen Mark. I n der Entwicklung des gesamten Metallbestandes kam das deshalb nicht stark zum Ausdruck, weil die Reichsbank i m gleichen Zeitraum einen großen Teil ihrer Bestände an kleingestückelten Silbermünzen ausgeben mußte 4 8 . Schließlich überwog auch an der Börse das Angebot so stark, daß am 31. J u l i die Kursnotierung aufgegeben wurde. Die Börse blieb jedoch weiterhin geöffnet, so daß ein freier Verkehr nach wie vor möglich war. Dieser hielt sich zunächst i n engen Grenzen, da die Banken sich nicht beteiligten. Die Regelung hatte nicht nur den Zweck, einen starken Kurssturz zu verhüten. Man wollte möglichst den ganzen Effektenbesitz immobilisieren und damit die Unterbringung von Kriegsanleihen erleichtern. Dafür wurden später jedoch zusätzliche Maßnahmen nötig. Beim Inkrafttreten der Kriegsgesetze am 4. August war der Höhepunkt der Panik i m Publikum schon erreicht, soweit es den monetären Sektor betrifft. Die Auszahlungen von Bargeld stiegen noch bis zu diesem Tage an und blieben dann einige Tage auf der gleichen Höhe; am Ende der ersten Augustwoche begannen schon einige Private und Unternehmungen m i t zögernden Einzahlungen. Diese Entwicklung hatte mehrere Ursachen: einmal war das gesamte Bankensystem, von wenigen, unbedeutenden Ausnahmen abgesehen49, anstandslos allen Bargeldforderungen nachgekommen und hatte nur i n begründeten Fällen zusätzlichen Kredit verweigert. Prion 5 0 schätzt, daß die Kreditbanken i n dieser Zeit etwa 15—20 °/o ihrer Einlagen verloren haben. Sie stützten sich weiterhin sehr stark auf die Refinanz?ierungshilfe der Notenbank. Dabei wandelten sie zum Teil Buchforderungen i n Wechselkredite um; damit schufen sie sich neues Rediskontmaterial 51 . Die Geschäftsaufnahme der Darlehenskassen kam nun Reichsbank und Kreditbanken zu Hilfe und entlastete sie von neuen Anforderungen. Die unter besonders günstigen Bedingungen gewährten Lombardkredite wälzte die Reichsbank allerdings auf die Darlehenskassen ab, da sie der Ansicht war, sie habe vor dem 4. August nur stellvertretend für diese gehandelt. Diese wurden wegen des günstigeren Zinses jetzt ausschließlich für Lombardkredite i n Anspruch genommen, jedoch zunächst i n viel geringerem Maße, als man 48
Reichsbank 1914, S. 8 u n d S. 60. Über die Schwierigkeit, aus widersprechenden Aussagen die Tragweite dieser Ausnahmen zu rekonstruieren, siehe Prion, W i l l i , Die deutschen K r e d i t banken i m Kriege u n d nachher, Stuttgart 1917, S. 17 ff. u n d Mering, Otto v., Die L i q u i d i t ä t der deutschen Kreditbanken, Jena 1916, S. 68 ff. 50 Prion, W i l l i , a.a.O., S. 22. 51 Vgl. Lansburgh, Alfred, Die Berliner Großbanken 1914, Die Bank 1915 I, S. 303. 49
C. Die wirtschaftliche Entwicklung während der Mobilmachungszeit
51
es erwartet hatte. Die Darlehen zahlten sie meist i n Keichsbanknoten aus, wobei die Reichsbank ihre Noten i m Umtausch gegen Darlehenskassenscheine hergab 52 . I n den Verkehr kamen nur kleingestückelte Darlehenskassenscheine, um den Kleingeldmangel zu beheoen. Die außerordentliche Kreditanspannung vor und nach Kriegsausbruch hatte also einmal ihre Ursache i n dem starken Kassenhaltungsbedarf des Publikums. Die Liquidität i n der Wirtschaft war während des leichten Konjunkturrückganges vor Kriegsbeginn höher gewesen als üblich, aber die durch den Kriegsausbruch verursachte Mehrnachfrage nach Geld kann nicht allein mit der für einen Konjunkturrückgang normalen Erhöhung der Kassenhaltung erklärt werden. Sie beruhte auf der Unsicherheit i n der Beurteilung der zukünftigen Entwicklung, welche die W i r t schaftssubjekte zur Hortung drängte, ein bei Goldwährung durchaus einleuchtendes Verhalten. Weiterhin spielte auch der stark erhöhte Bargeldbedarf des mobilmachenden Heeres eine große Rolle. Auf diesem Bedarf beruhte die weitere außerordentliche Beanspruchung der Reichsbank zwischen 1. und 15. August. Auch dieses Geld verschwand zum großen Teil i n allen möglichen Kassen, ohne sofort ausgegeben zu werden. Daß der Staat sich darüber hinaus sofort verfügbare Guthaben schaff te, teilweise auch Panikgelder i n diesem Zeitraum als Reichsbankguthaben gehalten wurden 5 3 , erkennt man an dem wachsenden Einlagenbestand (vgl. Tabelle 1). Auch i n der kommenden Zeit blieben, bei zunächst sehr ungünstiger Beschäftigungsentwicklung, Notenumlauf und Reichsbankguthaben recht hoch. Ein weiterer Grund dafür war eine Änderung der Zahlungsgewohnheiten. Obwohl jeder gute kaufmännische Wechsel nach wie vor bei der Reichsbank rediskontiert werden konnte, zogen Warenlieferanten und sonstige Forderungsinhaber Barzahlungen vor; Zahlungsziele wurden weniger gern gewährt. Aus dem bisher Gesagten geht eindeutig hervor, daß die starke Vermehrung der Umlaufsmittel zunächst keine Erhöhung der monetären Nachfrage nach sich zog. Zwar ist das konjunkturelle B i l d i m J u l i und August differenzierter, als es die groben Voraussagen, die eine allgemeine Kriegsdepression prophezeit hatten, darstellen konnten, jedoch kann man aus allerlei Fakten auf einen scharfen Nachfrage- und Beschäftigungsrückgang i m August schließen. Zunächst waren die Anzeichen nicht ungünstig gewesen. Vor Beginn der politischen Krise beurteilte man den Beschäftigungsstand allgemein als befriedigend. Die Konjunktur52 Vgl. Die Darlehenskassen des Reiches i m Jahre 1914, bearbeitet i m Büro der Hauptverwaltung der Darlehenskassen, B e r l i n 1915, S. 5. Die Darlehenskassenberichte werden i m folgenden zitiert: Darlehenskassen 1914, 1915 etc. 53 Vgl. Reichbank 1914, S. 14.
4*
52
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
Tabelle 1 Ausweis der Reichsbank von Juli bis Dezember 1914 (in Mill. Mark)
Datum
Metallbestand
Bestand an Reichskas- Bestand an Lombardsensch., ab Wechseln, forde7.8.m. Dar- ab 7. 8. m i t rungen lehenskas- U-Schätz. sensch.
täglich fällige Verbindlichkeit.
Notenumlauf
!
7. 7.
1.626
51
974
63
2.192
837
15. 7.
1.669
59
808
60
1.995
895
23. 7.
1.691
65
751
50
1.891
944
31. 7.
1.528
33
2.081
202
2.909
1.258
7. 8.
1.596
97
3.737
226
3.897
1.879
15. 8.
1.590
127
4.426
181
3.882
2.552
22. 8.
1.596
119
4.616
163
4.000
2.620
31. 8.
1.606
183
4.715
105
4.235
2.441
7. 9.
1.620
160
4.680
109
4.138
2.419
15. 9.
1.653
156
4.660
119
4.054
2.494
23. 9.
1.705
149
4.712
125
3.993
2.709
30. 9.
1.737
336
4.756
31
4.491
2.351
7.10.
1.789
949
3.300
43
4.199
1.915
15.10.
1.825
833
2.975
32
4.061
1.572
23.10.
1.858
742
2.929
27
3.968
1.555 1.305
31.10.
1.890
870
2.774
36
4.171
7.11.
1.922
859
2.643
33
4.085
1.282
15.11.
1.956
758
2.770
31
4.060
1.357
23.11.
1.994
600
2.887
35
4.009
1.416
30.11.
2.036
743
2.932
36
4.205
1.397
15.12.
2.097
628
3.071
64
4.275
1.714
31.12.
2.130
875
3.937
22
5.046
1.757
Quelle: Verwaltungsbericht der Reichsbank für das Jahr 1914, S. 60 f.
abschwächung w u r d e g e m i l d e r t d u r c h e i n e n A n s t i e g der B e s c h ä f t i g u n g besonders i n f o l g e zusätzlicher I n v e s t i t i o n e n . D e r A u g u s t brachte jedoch, t r o t z der h o h e n E i n b e r u f u n g e n z u m M i l i t ä r , eine s t a r k e Z u n a h m e der A r b e i t s l o s i g k e i t i m Gefolge des Nachfragerückganges (vgl. T a b e l l e 2).
C. Die wirtschaftliche Entwicklung während der Mobilmachungszeit
53
Tabelle 2 Zur Arbeitslosigkeit im Jahre 1914 Monat 1914
Männer
Frauen
Arbeitslosenziiïer der Gewerkschaftsmitglieder in %
auf j e 100 offene Stellen kamen arbeitsuchende
Mai
172
100
2,8
Juni
168
101
2,5
Juli
158
99
2,9
August
248
202
22,4
September
200
183
17,5
Oktober
154
191
10,9
November
140
189
8,3
Dezember
124
158
7,2
Quelle: Volkswirtschaftliche Chronik 1914, S. 1036—1038.
Die monetäre Nachfrage des Staates, der i n Form von Aushebungen mit weitgehender Barzahlung vorhandene Bestände an kriegswichtigem Material und Pferden an sich zog, wirkte zunächst nur liquiditätsfördernd, aber nicht beschäftigungserhaltend. Die gesamte Industrie hatte wegen der abgeschwächten Konjunk turlage vor Kriegsbeginn nur geringe Auftragsbestände und mußte durch den Nachfrageschwund einen scharfen Beschäftigungsrückgang und empfindliche Preissenkungen i n Kauf nehmen. I n den Luxus- und Exportindustrien machte sich diese Bewegung besonders bemerkbar. Aber auch diie Grundstoffindustrie hatte schwer zu leiden. So sank von J u l i auf August die Kohleförderung von 8,9 Millionen to auf 4,6 Milionen to, die Roheisenerzeugung von 1,6 Millionen to auf 0,6 Millionen to 5 4 . Nur i m Ernährungssektor verlief die Entwicklung anders. Hier kam es durch die starke Hortungsnachfrage der Haushalte sehr bald zu Preissteigerungen. Die wichtigste Aufgabe hatte zunächst die „Redchszentrale für Arbeitsnachweise" zu erfüllen. Sie w i r k t e weniger lenkend als vermittelnd; sie war am Arbeitsmarkt die Stelle m i t optimaler Markttransparenz und führte Angebot und Nachfrage zueinander. So konnten vor allem Industriearbeiter zur Einbringung der Ernte i n die von Arbeitskräften entblößte Landwirtschaft und zu Befestigungsarbeiten vermittelt werden 5 5 . 54 55
Volkswirtschaftliche Chronik 1914, S. 702 f. Vgl. R T Bd. 315, Nr. 26 (Denkschrift), S. 50 ff.
54
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
Günstige Folgen der Arbeitsvermittlung zeichneten sich nur spärlich ab, und die nun einsetzende Staatsnachfrage zeigte kaum Wirkungen; die Beschäftigungslage blieb also weiterhin prekär. Der Rückgang der A r beitslosigkeit schon i m September ist dabei zu einem ansehnlichen Teil auf Einberufungen zum Kriegsdienst zurückzuführen. Die Besonderheit dieser Kriegsausbruchskrise stellte sich i m güterwirtschaftlichen Bereich nunmehr dar als Nebeneinander von unabsetzbarem Angebot i m zivilen Bereich und unbefriedigter Nachfrage bei Kriegsmaterial, die bald zu Engpässen i m Nachschub führte 5 6 . Hier war die Industrie jedoch auf die Mehrnachfrage i n keiner Weise vorbereitet. Demgegenüber hatte sich der monetäre Sektor weitgehend erholt, d. h. stark verflüssigt. Die für die Mobilmachung geplante Politik, dem Drang in die Liquidität entgegenzukommen und die Kreditmöglichkeiten zu erweitern, hatte sich also als sinnvoll und wirksam erwiesen. Das allgemeine Mißtrauen schwand sehr schnell; ein großer Teil der Panikgelder flöß in das Bankensystem zurück.
D. Die erste Kriegsanleihe Ob die eben konstatierte Verflüssigung i m monetären Bereich für die Reichsregierung ohne weiteres erkennbar war, als sie sich entschloß, bereits Anfang September zur Zeichnung der ersten Kriegsanleihe aufzufordern, läßt sich nicht feststellen. Über die Höhe des Zeichnungsergebnisses konnte man jedenfalls nur „Mutmaßungen" 5 7 anstellen. Die psychologische Situation erschien jedoch recht günstig; die militärischen Erfolge hatten die Kriegsbegeisterung sehr gestärkt und ließen auf eine Beteiligung aller Schichten des Volkes hoffen. Deswegen entschloß sich die Regierung, von der bisher geübten Methode abzuweichen und durch besonders gestaltete Anleihebedingungen und umfangreiche Propaganda den Erfolg der Anleihe günstig zu beeinflussen. Da die Ausgabemethode m i t geringen Modifikationen den ganzen Krieg über angewendet wurde, soll sie hier einmal ausführlich besprochen werden. Die Anleihe 5 8 wurde eingeteilt i n verzinsliche Schatzanweisungen von insgesamt einer Milliarde Mark Nennwert m i t einer durchschnittlichen Laufzeit von 5 Jahren und i n Reichsanleihe i n unbegrenzter Höhe m i t 10 kündigungsfreien Jahren Laufzeit, nach denen man m i t einer Konversion und darauffolgender regelmäßiger Tilgung rechnete. Die verδβ
Vgl. Lampe, Adolf, Allgemeine Wehrwirtschaftslehre, Jena 1938, S. 40. Vgl. R T Bd. 315, Nr. 26 (Denkschrift), S. 95. 58 Vgl. ebd., S. 95 ff.; Die Reichsbank i n den ersten drei Kriegsmonaten, a.a.O., Anlage 2; Lötz, Walther, a.a.O., S. 32 ff.; Koppe, Hans, Die deutschen Kriegsanleihen, JfNuS Bd. 106 (1916 I), S. 321 ff. 57
D. Die erste Kriegsanleihe
55
zinslichen Schatzanweisungen waren i n erster Linie für das Geschäfts-, die eigentliche Anleihe für das Privatpublikum gedacht. M i t dem Wegfall einer Begrenzung des Nennbetrages wollte man Scheinzeichnungen vermeiden, d. h. dem Zeichner klar machen, daß er mit einer vollen Zuteilung der gezeichneten Beträge rechnen könne. Zins und Emissionskurs sollten besonders zur Zeichnung anreizen. Deshalb wurde der Zins auf 5 °/o gegenüber bisher 4 °/o festgesetzt, jedoch m i t der offen ausgesprochenen Einschränkung, daß nach den zehn Jahren Laufzeit, i n denen die Anleihe nicht kündbar war, sie wohl m i t Beginn der Tilgung auf 4 °/o herabkonventiert und so den alten Anleihen angepaßt würde. Der Emissionskurs von 97,50 ergab für die verzinslichen Schatzanweisungen eine Gesamtrentabilität von 5,63 o/o, für die Anleihe von 5,38 °/o (auf 10 Jahre). Das bedeutete einen erheblichen Vorteil gegenüber dem alten 4°/oigen Typ, was als Zeichnungsanreiz durchaus gewollt war. Vor dem Kriege hatte ein Bankenkonsortium die Reichsanleihen jeweils zu dem festgelegten Gesamtbetrage übernommen und dann am Markt, so weit es ging, untergebracht. Das konnte bei einer in ihrer Höhe nicht begrenzten Anleihe nicht wiederholt werden. Deshalb sollte die Reichsbank gegen eine entsprechende Vergütung als Zeichnungsstelle dienen, alle Geschäftsbanken, Sparkassen, Lebensversicherungen etc. nur als Vermittler tätig sein. A m 9. September forderte die Reichsbank durch Inserate zur Zeichnung auf. Diese Aufforderung wurde ergänzt durch eine Fülle von patriotischen Aufrufen und Propagandaappellen i n der ganzen Presse des Reiches 59 , die sich über die gesamte Zeichnungsfrist bis zum 19. September hinzogen. Die Zeichner wurden verpflichtet, sehr schnell die zugeteilten Beträge einzuzahlen, und zwar 6 0 spätere Änderung am 5. Oktober am 26. Oktober am 25. November am 22. Dezember
40 % 30 °/o 30 °/o —
40 °/o 20 °/o 20 °/o 20 °/o
Beträge bis 1000 Mark mußten bis zum 5. Oktober eingezahlt werden. Man konnte auch i n fälligen verzinslichen und i n unverzinslichen, jedoch weder in noch nicht fälligen verzinslichen Schatzanweisungen noch i n alten Reichsanleihen zahlen. Die Summe aller Zeichnungen betrug nach Ende der relativ kurzen Zeichnungsfrist 4 460,7 Millionen Mark. Davon waren am 5. Oktober schon 54,26 °/o eingezahlt. Der hohe Anteil der Zeichnungen unter 2000 59
Die Propaganda wurde allerdings staatlicherseits noch nicht organisiert oder finanziell gefördert. eo Vgl. R T Bd. 315, Nr. 26 (Denkschrift), S. 97 ff.
56
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
Mark läßt darauf schließen, daß auch die kleinen Sparer den Aufrufen gefolgt waren (vgl. Übersicht 12). Diesen außerordentlichen Erfolg und auch die überaus prompte Einzahlung hatte niemand erwartet. I n allen Veröffentlichungen lobte man die erste Kriegsanleihe deshalb als patriotische Großtat des gesamten deutschen Volkes und das m i t Recht, denn die Maßnahmen, die man zur Förderung des Anleiheerfolges getroffen hatte, waren, vom Ergebnis her gesehen, nur subsidiärer Natur. Dagegen mußte bei dem Wegfall eines festen Emissionsbetrages jeder damit rechnen, den ganzen Zeichnungsbetrag zugeteilt zu bekommen. Dennoch läßt sich dieser überraschend hohe Anleiheertrag nur vollständig erklären, wenn man gewisse Förderungsmaßnahmen berücksichtigt, die über die staatlichen Bemühungen hinausgingen. So verzichteten Sparkassen und Banken auf die Einhaltung von Kündigungsfristen bei Spar- und Termingeldern, die zum Anleihekauf abgerufen wurden. Dies bedeutete für viele eine sehr wichtige Voraussetzung dafür, daß sie die Zeichnungsbeträge rechtzeitig einzahlen konnten. Während die Banken jedoch nur geringe Beträge selbst zeichneten, beteiligten sich die Sparkassen nicht nur durch Hilfestellung für ihre zeichnungswilligen Sparkunden, sondern auch mit erheblichen eigenen M i t teln an der Anleihe. Insgesamt wurden von Sparkassen und deren K u n den 884 Millionen Mark gezeichnet, das sind 19,8 °/o des gesamten Zeichnungsbetrages. Davon sind etwa ein Drittel von den Sparkassen, zwei Drittel von deren Kunden aufgebracht worden* 1 . Eine besonders wichtige Aufgabe hatte man noch den Darlehenskassen zugedacht. Bisher waren sie weit weniger i n Anspruch genommen worden, als man erwartet hatte. Die Kreditgewährung blieb so gering, daß man sie ohne weiteres hätte als Lombardkredit der Reichsbank weiterführen können (vgl. Übersicht 15). Nun aber bekamen sie als Vorfinanzierer für diejenigen Bedeutung, die Anleihe zeichnen wollten, aber nicht über flüssige Mittel verfügten. Diesen Kreditnehmern räumten die Darlehenskassen besondere Kriegsanleihedarlehen ein, die zu einem Vorzugszins i n Höhe des Reichsbankdiskonts gewährt wurden. Die Deckungsvorschriften der Darlehenskassen mußten dabei eingehalten werden. Diese Gelegenheit wurde so stark genutzt, daß der Bundesrat vorsorglich den Höchstbetrag für die Ausgabe von Darlehenskassenscheinen auf 3 Milliarden Mark erhöhte 62 . Jedoch hielten sich auch diese Darlehen i n Grenzen, wenn man sie m i t dem Gesamtbetrag der Anleihe vergleicht. Für den dem letzten Einzahlungstag (22. Dezember) folgenden Ausweistag der Darlehenskassen (31. Dezember) werden 921,8 Millionen Mark Kriegsanleihedarlehen ausgewiesen. Das sind 70°/o aller Ausel w
Vgl. Sparkasse, Jg. 1914, S. 377. Bekanntmachung v o m 11. November 1914, RGBl. 1914, S. 475.
D. Die erste Kriegsanleihe
57
leihungen, jedoch nur 21 °/o des Zeichnungsbetrages der Anleihe. I m Rahmen des Darlehenskassengeschäftes spielten also die Kriegsanleihedarlehen eine große, für das Zeichnungsergebnis eine verhältnismäßig geringe Rolle. Soweit m i t Darlehenskassenscheinen Anleihen gekauft w u r den, stieg der Bestand der Reichsbank an diesen Zetteln an (vgl. Übersicht 15). So kann man annehmen, daß 80 °/o der Anleihe aus vorhandenen Sparguthaben der Privaten und i m Verlauf der ersten Kriegsmonate aufgelaufene Geschäftsguthaben der Wirtschaft, die i m wesentlichen durch Lagerabbau entstanden sein müssen, gespeist worden ist. Auf die monetäre Situation, wie sie sich in den beiden ersten Kriegsmonaten ergeben hatte, wirkte die Milliardenanleihe nicht so stark, wie man hätte vermuten können. Dieses Urteil läßt sich aufgrund des vorhandenen Zahlenmaterials abgeben. Leider kann man die Einwirkung auf die Geschäftsbanken nicht feststellen, da die Zweimonatsbilanzen nach Kriegsanfang nicht mehr veröffentlicht wurden. Die Bilanzen vom Jahresende 1914 sagen hier wenig aus. Da sich jedoch die Einzahlungszeit der Anleihe über zehn Wochen hinzog, kann man annehmen, daß die Zahlungsbewegungen, die hierdurch hervorgerufen wurden und tendenziell liquiditätsmindernd bei den Banken wirken mußten, sich aufhoben gegen entgegengesetzte, die Liquidität fördernde Zahlungsströme, welche die Bezahlung des Reiches für nachgefragte Güter und Dienste darstellten. I n den Bankbilanzen hat sich dadurch nur die Zusammensetzung der Einleger stark geändert. Die Guthaben der Anleihenzeichner sind gesunken, die der Staatslieferanten gestiegen. Über diese Vorgänge können auch die Reichsbankausweise nichts aussagen, da sie sich nur i n einer Umschichtung unter den Einlegern auswirkten. Einen gewissen Anhaltspunkt geben die Umsatzzahlen der Reichsbank, bei denen besonders die Umsätze der öffentlichen Kassen gewaltig gestiegen sind 6 3 . Demgegenüber sagen die Reichsbankausweise und der Umlauf an Schatzanweisungen mehr darüber aus, wie sich die Reichsanleihe auf den Notenbankstatus ausgewirkt hat. Danach trug das Reich m i t den ersten Einzahlungen auf die Kriegsanleihe zunächst seine Schatzschednschuld bei der Reichsbank ab. Der kontraktive Effekt dieser Maßnahme schlug sich jedoch mehr i n einem Rückgang der Einlagen, weniger des Notenumlaufs nieder, dessen Verminderung die Deckungsquote verbessert hätte und deshalb den verantwortlichen Stellen besonders lieb gewesen wäre. Das Bedürfnis nach Bargeld blieb jedoch nach wie vor groß, vor allem weil viel Gold aus dem Kreislauf verschwand. Immerhin gelang es aufgrund des schnellen Eingangs der Anleihebeträge, den Umlauf an Schatzscheinen bis Mitte Dezember i n den bisherigen Grenzen zu halten. w
Vgl. Reichsbank 1914, S. 15.
58
. Abschnitt: Finanzielle
b i c h
Dadurch wurde die Zentralbankgeldmenge ebenfalls nicht ausgedehnt. Die Ausweiszahlen vom 15. Dezember sind denen vom 7. August recht ähnlich, so daß man sagen kann, abgesehen vom Mobilmachungsbedarf ist das erste halbe Jahr des Krieges fast ausschließlich durch die Anleihe finanziert worden (vgl. Tabelle 1). Damit hat sich, zunächst allerdings nur auf kurze Sicht, das ergeben, was keiner der Verantwortlichen wirklich erwartet und offen ausgesprochen, jeder aber insgeheim erhofft hatte: Die kurzfristige Verschuldung des Reiches konnte m i t Hilfe der langfristigen Anleihe konsolidiert werden. Weit übertrieben ist dagegen die Ansicht Helfferichs, Deutschland sei „bis weit i n das kommende Jahr hinein der Sorge um die Beschaffung der für den Krieg erforderlichen Geldmittel" enthoben 64 . Das Gegenteil zeigte sich schon am steigenden Schatzscheinumlauf gegen Ende Dezember 1914.
e4
Helfferich,
K a r l , Reden u n d Aufsätze aus dem Kriege, Berlin 1917, S. 86.
Dritter
Abschnitt
Finanzielle Kriegsführung A . D i e Periode des Abwartens (1914—1916) I. Entwicklung und staatliche Eingriffe i m güterwirtschaftlichen Bereich
1. Vorbemerkung Kaum jemand war sich vor 1914 darüber klar geworden, daß ein zukünftiger Krieg Auswirkungen auf die Wirtschaft haben würde, wie man sie bisher nicht gekannt hatte. Deswegen widmete man vor Kriegsbeginn der güterwirtschaftlichen Kriegsvorbereitung nur sporadische Überlegungen. Die Versorgung der Industrie m i t Rohstoffen und der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln stand dabei i m Vordergrund, weil hier das Reich vom Import abhängig war. I n seiner umfassenden Darstellung dieser Bemühungen kommt das Reichsarchiv 1 zu dem Ergebnis, daß zwar mancherlei Maßnahmen vorgeschlagen und durchdiskutiert, nicht aber als organisatorische Vorbereitung endgültig geplant wurden, weil über ihre Notwendigkeit und ihr Ausmaß weitgehend Uneinigkeit bestand. Die außenpolitische Rücksichtnahme gab schließlich den Ausschlag: Hätte man sich allzusehr auf einen Krieg vorbereitet, wäre die Friedensliebe des Reiches noch mehr i n Frage gestellt worden. Daneben herrschte völlige Unklarheit über die mögliche Länge des Krieges und so auch darüber, in welchem Maße er den Gang der Wirtschaft i n Mitleidenschaft ziehen würde. Kurz vor Kriegsbeginn bekamen die Überlegungen noch einmal neue Impulse, konnten jedoch keine wesentlichen organisatorischen Fortschritte bringen. Als Deutschland i n den Krieg eintrat, war es güterwirtschaftlich i n keiner Weise auf ihn vorbereitet. Auch die Kriegsgesetze vom 4. August wollten hier nichts nachholen. Die allgemeine Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Maßnahmen, auf die sich später fast die ganze Kriegswirtschaftspolitik stützte, war das Ergebnis der Unsicherheit von Reichsregierung und Parlament. Das Höchstpreisgesetz galt zunächst nur der Beruhigung der Bevölkerung. I m übrigen glaubte man durchaus, daß ein marktwirtschaftliches System sich an die Erfordernisse des Krieges anpassen und i n seinem 1
Vgl. Reichsarchiv, a.a.O., S. 293 ff.
60
. Abschnitt: Finanzielle Kriegsf
weiteren Verlauf auch leistungsfähig bleiben werde. So kam es, daß die später als notwendig erkannten Eingriffe fast immer punktuell am Symptom ausgerichtet und ad hoc durchgeführt wurden, ohne den inneren Zusammenhang m i t dem gesamten Wirtschaftsprozeß und insbesondere die Beziehung zur staatlichen Finanzwirtschaft zu beachten, während eine sinnvolle Lenkungspolitik i m güterwirtschaftlichen Bereich doch bei der Produktion bzw. der Beschaffung (Einfuhr) der Güter beginnen muß, an die sich dann Verteilung und Preisfestsetzung pari passu anschließen2. Aufgrund dieser allgemeinen Unsicherheit ging man an die preispolitischen und güterwirtschaftlichen Eingriffe, die man als notwendig erkannte, nur m i t gemischten Gefühlen heran. Dies kommt i n der schon erwähnten „Denkschrift über wirtschaftliche Maßnahmen aus Anlaß des Krieges" deutlich zum Ausdruck. Sie betont, es ginge u m Komplexe, „deren staatliche Regelung zum ersten Male versucht wird, wobei ohne weiteres damit zu rechnen ist, daß solche Fragen sich kaum m i t einem Schlage voll befriedigend lösen lassen" 3 . 2. Die Preispolitik bei Konsumgütern insbesondere bei Nahrungsmitteln
Die ersten Schwierigkeiten i m Bereich der Güter des täglichen Bedarfs waren schon durch die Angstkäufe i n den Mobilmachungstagen aufgetreten. Da die Psychose jedoch sehr bald zurückging, die vorhandenen Vorräte noch recht umfangreich waren und die Möglichkeit der Selbstversorgung der Mittelmächte optimistisch beurteilt wurde, fielen zunächst nur die teilweise erheblichen Preissteigerungen auf, die aus der plötzlichen Übernachfrage nach Gütern des täglichen Bedarfs resultierten. Das Preisproblem stand also i m Vordergrund. Hier setzte man deshalb zuerst eine dezentrale, später, als diese nachteilige Auswirkungen zeigte, eine zentralisierte Preispolitik an, die in mehr oder weniger großen Zeitabständen ein wichtiges Konsumgut nach dem anderen erfaßte. Man baute also vom Haus der Lenkungspolitik praktisch zuerst das Dach und nicht das Fundament. Die Höchstpreispolitik war jedoch nicht als eigentliche Lenkungsmaßnahme gedacht; man wollte nur den Verbraucher vor Wucher schützen, andererseits auch dem Erzeuger einen angemessenen Preis zukommen lassen. Diese Methode schlug auf die Dauer nicht durch. Da die Preisfestsetzung etappenweise erfolgte, wanderten die Rohprodukte i n die jeweils noch nicht preisgebundenen Waren, deren Preise also noch erhöht werden konnten. Wurde für diese dann ein Höchstpreis festgesetzt, so lag dieser, da er sich an einer aktuellen Preissituation 2 Vgl. Wiedenfeld, K u r t , Die Organisation der Kriegsrohstoffbewirtschaftung i m Weltkriege, Hamburg 1936, S. 22 ff. 3 R T Bd. 315, Nr. 26 (Denkschrift), S. 3.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
61
orientierte, immer noch günstiger als die älteren Höchstpreise. Somit blieb die Angebotsstruktur verzerrt. Schließlich mußte man, um sie wieder zu normalisieren, die alten Höchstpreise heraufsetzen, um bei diesen Gütern das Angebot zu erhöhen. Auf solche Weise ergab sich schon i n der offiziellen Preispolitik eine immanente Tendenz zur Erhöhimg des gesamten Preisniveaus. Zeitgenössische Berichte weisen immer wieder darauf hin, daß die Preissteigerungen „durch die Warenseite" bedingt gewesen seien. Man muß das teilweise zugeben, da durch den Abzug von Arbeitskräften zum Heer und den Mangel an Düngemitteln und Maschinen die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft stark gelitten hatte. Schlechte Ernten und i m Laufe der Zeit perfektionierte Abschnürung der Importe (Blockade) verschärften die Situation. So stellte sich als ein Fehler der staatlichen Preispolitik sehr bald heraus, daß sie keine Produktionsanreize ausübte. Landwirtschaft und Handel konnten ihre Gewinne viel einfacher durch die oben dargestellte Umgehung der Preisvorschriften steigern; dabei wurden sie von öffentlichen Stellen (Heeresbeschaffung) sogar teilweise durch großzügige Preisgebote unterstützt. Der Einfluß der „Geldseite" ist dann so zu sehen, daß die Güterproduktion i n ihrer Zusammensetzung sich immer mehr an der aus zusätzlichem Geld gespeisten Nachfrage des Staates nach Kriegsgütern ausrichtete, während die i n dieser Produktion entstehenden Einkommen sich als Nachfrage auf einen i m Angebot schrumpfenden Konsumgütermarkt stürzten. Zwar wurde aus patriotischem Pflichtgefühl vielfach i n der Bevölkerung gespart, aber es machte sich sehr bald unangenehm bemerkbar, daß der Höchstpreispolitik ein gewollter Bezug zur Kriegsfinanzierung völlig fehlte. Es mußte doch ins Auge fallen, daß etine Versorgung der Bevölkerung zu niedrigen Preisen bei allgemeinem Rückgang des Angebots nur durch Abschöpfung des Nachfrageüberhanges möglich war. Es war aber nicht das Ziel der Finanzpolitik, eine Unterhöhlung der Preispolitik zu verhindern. Sie war insofern keineswegs am Gesamtzusammenhang der Kriegswirtschaft orientiert. Der Erfolg dieser Entwicklung ist an den vorhandenen Preisindices klar abzulesen (vgl. Tab. 3). Die stoßweisen Erhöhungen an den Jahresanfängen 1915 und 1916 sind wohl auf die Verknappung der Vorräte und die notwendige Erhöhung der Höchstpreise vor der neuen Ernte zurückzuführen. Die Großhandelspreise konnten bis Anfang 1915 stärker steigen als die Einzelhandelspreise, da nur letztere als Höchstpreise festgelegt wurden. 3. Die Rohstoffwirtschaft A u f dem Gebiet der industriellen Rohstoffe verlief die Entwicklung etwas anders. Hier war jedem Industriellen die Importabhängigkeit der
62
. Abschnitt: Finanzielle Kriegsf
deutschen Wirtschaft geläufig, so daß gleich zu Beginn des Krieges die Frage der Rohstoffversorgung gestellt wurde. Das Mengenproblem stand also i m Vordergrund. Die von Rathenau 4 angeregte Organisation erhielt ihre Spitze i n der Kriegsrohstoffabteilung (KRA) i m Preußischen Kriegsministerium, ihr untergeordnet waren Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft, die Kriegsrohstoffgesellschaften. Diese befaßten sich zunächst nur mit der mengenmäßigen Erfassung und Lenkung der Rohstoffe i n die verarbeitenden Betriebe, ohne die Preisbildung zu berühren. Das Höchstpreisgesetz bot auch keine Handhabe dazu, da es nur für „Gegenstände des täglichen Bedarfs" gedacht war. Schon i n den ersten Kriegstagen gab es bestimmte Gruppen, die aus der Knappheitslage hohe Kriegsgewinne ziehen konnten. Erst gegen Ende des Jahres 1914 ging man auch hier zu Preisfestsetzungen aufgrund des Ermächtigungsgesetzes über. Dabei war es notwendig, die Kompetenzen der selbständigen Kriegsgesellschaften zu beschneiden zugunsten einer stärkeren zentralen Lenkung. Abgesehen von dem Widerstand, den die Kriegsgesellschaften und die dahinter stehende Industrie leisteten, konnte sich auch die Regierung nur schwer entschließen, die Eingriffe zu verstärken, da sie von einer sich frei entfaltenden Wirtschaft realiter ein besseres Ergebnis erwartete. Die Öffentlichkeit verlangte aber auch deswegen eine stärkere Kontrolle der Rohstoffgesellschaften, weil diese für das Entstehen der Kriegsgewinne verantwortlich gemacht wurden. Dieser Vorwurf hatte insofern eine gewisse Berechtigung, als die Industrie zähe an der Gewohnheit festhielt, ihre Gemeinkosten- und Gewinnzuschläge i n festen Prozentsätzen der Löhne und Rohstoffpreise zu kalkulieren. Deswegen hätte die Heeresverwaltung insbesondere auf niedrige Rohstoffpreise sehen sollen. Letzten Endes ging es ja darum, den öffentlichen Haushalt zu entlasten, also Preissteigerungen für Rüstungsgüter zu vermeiden. Aber gerade die Heeresbeschaffung war geneigt, unter dem Motto: „Geld spielt keine Rolle" 5 die amtliche Wirtschafts- und Preispolitik zu konterkarieren. Sie bezahlte nicht nur höhere Preise als die Anbieter forderten, um private Nachfrage zu verdrängen, sondern gewährte auch zusätzliche Prämien für schnelle Lieferung. Zum Teil konkurrierten dabei die einzelnen Beschaffungsstellen untereinander. Dieses Chaos, das natürlich gute Fischgründe für Kriegsgewinnler abgab, war wiederum durch zwei Ursachen bestimmt: Einmal kaufte die Heeresbeschaffung dezentral ohne übergeordnete Aufsicht, zum anderen waren ja alle öffentlichen Stellen, die über Mittel aus dem außerordentlichen Haushalt verfügten, an Haushaltsansätze nicht gebunden, da diese Gelder pauschal ohne genaue 4
Vgl. Rathenau,
5
Helfferich,
Walter, Deutschlands Rohstoffversorgung, B e r l i n 1916.
K a r l , Der Weltkrieg, B e r l i n 1919, Bd. I I , S. 134.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
63
Zweckbestimmung oder sonstige Ausführungsbestimmungen wurden.
gewährt
Tabelle 3 Preisentwicklung von Nahrungsmitteln 1914—1916
Preis des Warenkorbs 3 )
Zeit
1914
1915
1916
M a r k pro Woche, J u l i 1914 = 100
Index der Großhandelspreise für Lebensmittel J u l i 1914 = 100
Januar
25,57
102
93
März
25,08
100
91
Mai
24,70
98
95
Juli
25,12
100
100
September
26,14
104
112
November
27,86
111
122
Januar
29,65
118
126
März
32,90
131
144
Mai
36,49
145
145
Juli
38,16
152
157
September
39,93
159
153
November
38,86
155
150
Januar
41,26
164
155
März
48,40
193
151 155
Mai
52,25
208
Juli
53,47
213
169
September
53,53
213
157
a) Der Warenkorb umfaßt die für eine vierköpfige Familie (2 Kinder) notwendigen Nahrungsmittel pro Woche. I n der Summe pro Woche sind mit der Zeit mehr und mehr Höchstpreise enthalten (vgl. auch Ubersicht 25). Quelle: Pribam, Karl, Zur Entwicklung der Lebensmittelpreise in der Kriegszeit, AfSuS, Bd. 43 (1916—17), S. 783 f. und: Zahlen zur Geldentwertung, Sonderheft 1 zu Wirtschaft und Statistik, 5. Jg. (1925), S. 16 (auf anderen Basismonat umgerechnet).
4. Nachfrageverschiebung
und Industrieproduktion
Der plötzliche Beginn des Krieges hatte vielerorts die wirtschaftliche Tätigkeit stocken lassen; sie wurde weiter gelähmt durch die völlige Unterbindung des zivilen Verkehrs zugunsten des militärischen Aufmarsches. Die Unsicherheit über den strategischen Verlauf der ersten Kriegs-
64
. Abschnitt: Finanzielle Kriegsf
zeit trug dann noch dazu bei, daß eine allgemeine Depression um sich greifen konnte. Trotz starker Einberufungen zum Heer stieg die Arbeitslosenzahl sprungartig an. Da man m i t einem kurzen Krieg rechnete, dachte man i n den ersten Wochen gar nicht daran, m i t diesen Arbeitslosen eine Kriegsindustrie aufzubauen. Die staatliche Vermittlungstätigkeit war nur als Überbrückungsmaßnahme gedacht. Der Erfolg war nur mäßig, und so wurde die Bevölkerung, vor allem die Wohlhabenden, aufgefordert, möglichst viel zu konsumieren, um damit die Beschäftigung anzuregen 6 . Das widersprach der völlig instinktiven Regung der meisten, i m Kriege möglichst bescheiden und sparsam zu leben; aber die Arbeitslosigkeit als unvermeidliche Begleiterscheinung des Krieges wurde viel wichtiger genommen als die Kriegsproduktion auf lange Sicht. Die Wende und damit der allgemeine Beschäftigungsanstieg ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Sie stand ganz i m Zeichen der übermäßigen staatlichen Nachfrage m i t Hilfe zusätzlichen Notenbankgeldes. Diese Nachfrage nach Kriegsmaterial stieß anfangs auf völlig ungenügende Kapazitäten. Bereits i m September 1914 entstand dadurch die erste Munitionskrise. I n diesen Engpässen kam es damit schon zu Preissteigerungen, während weite Bereiche der übrigen Industrie noch schlecht beschäftigt waren. Um den Beschäftigungsaufschwung und die damit verbundene Umstellung der Industrie auf die Kriegsproduktion i n ihren Besonderheiten zu charakterisieren, ist es sinnvoll, den Gesamtbereich der Industrie i n drei Gruppen aufzuteilen 7 : 1. Kriegsindustrien, die überwiegend für den kriegswirtschaftlichen Bedarf produzieren (Kohle, Eisen, Metallverarbeitung), 2. Privatindustrien, die überwiegend für den privaten Bedarf produzieren (Wohnungsbau, Hausrat, Handelsschiffe etc.), 3. Gemischte Industrien, die für beide Bereiche produzieren (Textilien, Nahrungsmittel etc.). Die zunächst noch weitgehend am privaten Bedarf orientierten Unternehmer konnten i n der ersten Zeit durch die steigenden Preise für Kriegsgüter nicht ohne weiteres bewogen werden, ihre Anlagen auf eine neue Produktion umzustellen. Nach den ersten Siegesmeldungen war man noch mehr denn je der Meinung, daß der Krieg nicht lange dauern könne und deshalb Investitionen i n dieser Richtung m i t einem hohen 6 Vgl. Knauss, Robert, Die deutsche, englische u n d französische Kriegsfinanzierung, Berlin/Leipzig 1923, S. 183. 7 Nach Wagenführ, Rolf, Die Industriewirtschaft, Vierteljahreshefte zur Konjunkturforschung, Sonderheft 31, B e r l i n 1933, S. 22 f. F ü r die Beurteilung der Kriegswirtschaft ist diese Einteilung sinnvoller als die übliche i n K o n s u m u n d Investitionsgüterindustrien.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
65
Risiko belastet seien. Erst als das Reich Vorschüsse zur Finanzierung der Umstellung gewährte und langfristige Lieferverträge abschloß, die so hohe Preise vorsahen, daß eine Abschreibung der Umstellungsinvestitionen auf kürzere Sicht möglich war, begannen die Unternehmer in größerem Stile, sich auf die Kriegsproduktion einzurichten. Dieser Prozeß wurde jedoch auf der anderen Seite dadurch verzögert, daß die Nachfrage seitens des Staates, die i h n ursprünglich hervorrief, nicht aus Steuermitteln, sondern mit zusätzlichem Notenbankgeld entfaltet wurde. Die dadurch zusätzlich entstehenden Einkommen wandten sich ihrerseits wieder den privaten bzw. gemischten Industrien zu, so daß auch diese am Aufschwung teilhatten. Hierbei waren besonders die gemischten Industrien begünstigt, weil ja Staat und Private als Nachfrager konkurrierten. Bei ihnen ergaben sich deshalb am ehesten Preissteigerungen. Für den außerordentlich hohen Bedarf an kriegswichtigen Gütern genügte es aber nicht, bereits vorhandene Kapazitäten auf die Kriegsproduktion umzustellen. Insbesondere i n der chemischen Industrie und auf dem Gebiet der NE-Metalle — den importabhängigen Bereichen — waren außerordentlich hohe Investitionen notwendig, um die Kapazitäten den Kriegserfordernissen anzupassen. Hohe Darlehen von Reich und Ländern befähigten die chemische Industrie, die für die Munitionsherstellung nötige Stickstoffabrikation auszubauen; auf Kosten des Reiches wurden zwei neue Stickstoffwerke zusätzlich gebaut 8 . Bei den NE-Metallen spielte das Ersatzstoffwesen eine große Rolle, für dessen Entwicklung ebenfalls hohe Staatszuschüsse eingesetzt wurden 9 . Leider ist es nicht möglich, die oben gezeigte Entwicklung mit statistischem Material ausreichend zu belegen. So fehlen zunächst Angaben über das genaue Ausmaß der Investitionen; die Höhe der eingesetzten öffentlichen Mittel ist i n einer offiziellen Statistik nur pauschal m i t 1,6 Milliarden Mark für die ganze Kriegszeit ausgewiesen 10 . Deshalb lassen sich nur einige Angaben aus der Produktionsstatistik heranziehen, um die Vorgänge allgemein zu verdeutlichen. Ein Blick auf Übersicht 20 und 21 zeigt, daß zu Kriegsbeginn zunächst die gesamte Industrieproduktion zurückgegangen ist. Das Ausmaß der Depression ist daraus jedoch nicht ohne weiteres abzulesen. Der Rückgang des gesamten Produktionsvolumens ist nämlich nicht mehr aufgefangen worden. Der Umgruppierungsprozeß fand bei sinkender Gesamt8
Einzelheiten bei Helfferich, K a r l , Der Weltkrieg, Bd. I I , a.a.O., S. 115 ff. Einzelheiten bei Goebel, Otto, Deutsche Rohstoffwirtschaft i m Weltkrieg, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1930, S. 120 ff. 10 Vgl. R T Bd. 335, Nr. 158, Die Finanzen des Deutschen Reiches i n den Rechnungsjahren 1914—1918. Denkschrift, überreicht v o m Reichsminister der F i nanzen Schiffer, S. 105. Diese Reichstagsdrucksache w i r d i m folgenden zitiert: Denkschrift Schiffer. β
5 Roesler
66
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Produktion in der Weise statt, daß die Privatindustrien stark, die Kriegsindustrien weniger stark schrumpften. I n Übersicht 20 ist allerdings die eigentliche Kriegsendproduktion, also die metallverarbeitende Industrie, nicht gesondert ausgewiesen. Bei ihr dürften beachtliche Steigerungsraten vorgelegen haben. I m Rahmen dieser Gesamtentwicklung wirkten mehrere Faktoren von unterschiedlichem Gewicht. Nicht ausgleichen konnte die gesamte W i r t schaft den Verlust der qualifiziertesten Arbeitskräfte an das Heer. Dadurch mußte, soweit sie nicht ersetzbar waren, das Produktionsvolumen, so weit sie nur durch schlechtere Arbeitskräfte ersetzt wurden, die Produktivität leiden. Den Rückgang speziell der Produktivität veranschaulicht Übersicht 22, wobei noch erwähnt werden muß, daß hier die laufende Verschlechterung der Ernährungslage eine gewichtige Rolle spielte. Da aber i m weiteren Verlauf auch die schlechteren Arbeitskräfte knapp wurden, brachten steigende Löhne (AbWerbung!) eine höhere Kostenbelastung. Den gleichen Effekt bewirkte die Umstellung auf die Kriegsproduktion. Diese bedeutete i n vielen Betrieben eine geringere Effizienz als i n der Friedensproduktion, weil man ja nicht mit optimaler Kombination der Produktionsfaktoren arbeitete. Auch i n völlig neu eingerichteten Betrieben verzichtete man oft auf die höchsteffiziente Kombination zugunsten solcher, die schneller produktionsbereit bzw. m i t den vorhandenen Investitionsgütern erstellbar waren. Die Produktivitätsüberlegung trat auch deswegen oft i n den Hintergrund, weil die Heeresbeschaffung jeden Preis zahlte. Für das Produktionsergebnis vorteilhaft war die von der offiziellen Politik geförderte horizontale und vertikale Konzentration i n den Kriegsindustrien. Sie wurde begünstigt durch die Gleichförmigkeit der Produkte. Da die so konzentrierten Industrien jedoch an Marktmacht gewannen und diese auch skrupellos ausnutzten, blieben die erzielten Rationalisierungsgewinne dem privaten Unternehmer erhalten, während der Fiskus das Nachsehen hatte. Eine Preisprüfung konnte nicht durchgesetzt werden, da die Industrie sich kategorisch weigerte, ihre Kalkulationen offen zu legen. So versuchte man durch Verhandlungen Preise zu senken oder zu stabilisieren 11 . Durch solche Festpreise weckte man das Interesse der Unternehmer an niedrigen Löhnen und Rohstoffpreisen. Aus Übersicht 29 ist ersichtlich, daß die Profite i n den konzentrierten Bereichen am höchsten waren. Der Gerechtigkeit halber soll jedoch erwähnt werden, daß für die Höhe der Gewinne auch die Ausschaltung der Handelsstufe i n diesen Bereichen eine Rolle spielt. Die Zurückdrängung des Handels war eines der erklärten Ziele der staatlichen W i r t 11 Besonders Helfferich hat sich darum bemüht. Vgl. Helfferich, K a r l , Der Weltkrieg, Bd. I I , a.a.O., S. 132 ff. u n d ders., Das Geld, a.a.O., S. 641.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
67
schaftspolitik, wurden hier doch Produktionsfaktoren oft sinn- und zwecklos eingesetzt und durch die Dringlichkeit der Nachfrage und die schlechte Marktübersicht der Heeresbeschaffungsstellen viele arbeitslose Gewinne erzielt (Kettenhandel). Weiterhin spielte für die Gewinnentwicklung die Liquidierung von Sachanlagen und die Unterlassung der Reinvestition eine Rolle, soweit diese Beträge als Gewinne ausgeschüttet wurden. Der wichtigste Grund ist jedoch zweifellos die Ausgabegebarung der öffentlichen Beschaffungsstellen, die unbedacht überhöhte Preise gewährten. Damit ist das B i l d der sich i n den ersten beiden Kriegsjahren entfaltenden „Staatskonjunktur" knapp skizziert. Es fehlte zu jener Zeit weitgehend die Einsicht i n die besondere A r t der Kriegswirtschaft. Da sich der Staat von Eingriffen i n den Produktionsapparat noch zurückhielt, hatte der Unternehmer vielfach die Vorstellung einer normalen Hochkonjunktur. Der Substanzabbau, d. h. die ungenügende Reinvestition i n Anlagen und Lägern und die, gemessen an einer Friedenswirtschaft, eingetretene Verfälschung der Produktionsstruktur wurde verdeckt durch den „Anreiz scheinbarer privatwirtschaftlicher Rentabilität" 1 2 .
I I . Die öffentliche Finanzwirtschaft
1. Die Entwicklung des ordentlichen Haushalts und das Steuerproblem a) Die Manipulierung des ordentlichen Haushalts Der Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1914 stammte noch aus dem Frieden. Die Planung stand ganz i m Zeichen der Finanzreform von 1913; man erwartete die ersten großen Einkünfte aus dem Wehrbeitrag. Während 1913 zum rechnungsmäßigen Ausgleich des ordentlichen Haushalts Überschüsse aus den Vorjahren herangezogen werden mußten, sollte er 1914 durch den Wehrbeitrag gelingen. Der Krieg wirkte sich aber sofort auf die Haushaltswirtschaft aus, so daß gegenüber der Planung erhebliche Änderungen in Kauf genommen werden mußten. Auf der Einnahmeseite (vgl. Tabelle 4) verschwand der bisher übliche Überschuß der Wirtschaftsbetriebe des Reiches (Eisenbahn, Post, Reichsdruckerei). Durch erhebliche Mehrbelastungen und weitgehende Frachtermäßigungen bzw. -befreiungen aus Anlaß des Krieges 13 entstanden bei Bahn und Post Defizite. Sie waren zunächst geringfügig; man muß jedoch 12
Briefs, Götz, Kriegswirtschaftslehre u n d Kriegswirtschaftspolitik, 4. Aufl., 5. Bd., Jena 1923, S. 1004. 13 Vgl. R T Bd. 315, Nr. 26 (Denkschrift), S. 40 ff. 5*
HdS
Plan
1914 Rechnung
1915 Plan
Rechnung
1916 Plan
Rechnung
—
—
2.520,4 + 697,6 j
2.482,7
— 46,3 — 33,0 1.664,6 790,4 255,4 470,4 562,7 466,4
— 208,7
1.601,4 245,3 673,7
2.482,7
—
1.773,5
—
2.396,8
40,4 147,0 1.346,0 349,9
2.396,8
— 50,7
|
— 658,4 1.273,5 464,6
2.471,1
— 944,6
1.875,9
|
48,0 2.308,7 392,5
1.825,2
2.749,2
73,0 2.616,8 336,6
2.749,2
a) Dazu gehören noch im folgenden Posten verrechnete 157 Mill. M. Tabaksteuer und Stempel. Quelle: Reichshaushaltsetats für die Jahre 1914—1916, RGBl. 1914, S. 143 ff.; 1915, S. 157 ff.;1916, S. 471 ff. und Übersichten 1 bis 3.
Überschuß + Defizit —
Ausgaben Defizit Bahn, Post etc. Militärausgaben Reichsschuld Sonstige Ausgaben
2.311,7
3.066,8
2.122,2
Einnahmen neue Steuern 480,0 135,2a> Überschuß aus Bahn, Post und son stigen Verwaltungseinnahmen 125,0 217,0 — 211,2 — 215,9 — Zölle, Steuern, Gebühren 1.711,3 1.714,8 1.566,1 1.734,9 1.092,7 1.732,9 1 335,4 davon Zölle 713,1 712,9 560,8 712,9 359,9 712,9 348,3 Verbrauchssteuern 677,7 678,6 775,8 678,6 516,2 678,6 668,8 Stempel 258,8 271,2 183,1 291,3 167,1 289,2 252,8 Wehrbeitrag 0,8 393,8 637,4 327,8 307,8 — 19,5 Sonstiges 422,7 105,2 215,7 71,0 372,8 268,5 580,2 davon Bankwesen — 18,3 43,6 18,8 259,7 18,8 250,3 Überschuß aus Vorjahr 272,4 — 53,8 — 71,0 — 219,7 Matrikularbeiträge 5^9 51^9 51^9 51^9 5^9 5^9 51,9
Rechnung
1913
Tabelle 4: Gegenüberstellung von Haushaltsplänen und -rechnungen für die Jahre 1914—1916 (ordentlicher Haushalt) (in Mill. Mark)
68 3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
69
berücksichtigen, daß von Kriegsbeginn an die notwendigen Neu- bzw. Ersatzinvestitionen stark vernachlässigt wurden. Damit sieht das Gesamtergebnis wesentlich ungünstiger aus. Nur die Reichsdruckerei arbeitete mit Gewinn. Sie profitierte i m ganzen Verlauf des Krieges von den steigenden Druckaufträgen des Reiches, der Reichsbank und der Darlehenskassen. I n diesem Fall zog der Fiskus allerdings nur m i t der einen Hand ein, was er mit der anderen ausgegeben hatte. Die Zolleinnahmen gingen empfindlich zurück, da die Einfuhr durch weitgehende Zollerleichterungen 14 gefördert wurde, soweit sie nicht durch Unterbrechung des internationalen Handels überhaupt fortfiel. Auch die Stempelabgaben wurden durch kriegsbedingte Ermäßigungen eingeschränkt 15 . Nur dadurch, daß die Erträge aus dem Wehrbeitrag weit über den Planansatz hinausgingen, konnten die gesamten ordentlichen Einnahmen etwa auf der geplanten Höhe gehalten werden. Auf der Ausgabenseite sind die Veränderungen noch offensichtlicher. Neben dem Defizit der Betriebsverwaltungen springen die stark gestiegenen Kosten des Schuldendienstes ins Auge. Hier muß wiederholt werden, daß ein sofortiger Tilgungsbeginn für die Kriegsanleihen nicht vorgesehen war. Die Ausgaben für die Reichsschuld umfaßten also zunächst Zinsen und Tilgung der Vorkriegsschuld, während ihr enormer Anstieg lediglich durch den Zinsendienst für die Kriegsanleihe hervorgerufen wurde. Die Entstehung eines rechnungsmäßigen Überschusses von fast 700 Millionen Mark i m ordentlichen Haushalt konnte jedoch nur durch eine finanztechnische Manipulation erreicht werden. Seit Kriegsbeginn wurden alle fortdauernden Ausgaben für Heer und Flotte auf den außerordentlichen Haushalt als Ausgaben „aus Anlaß des Krieges" übertragen, dazu noch gewisse Ausgaben der Zivilressorts wie Gehälter der unter Waffen stehenden Beamten, Ausgaben der Kriegswirtschaftsverwaltung etc. Bei all diesen Posten handelt es sich also keinesfalls um echte Einsparungen. Helfferich, der i m Februar 1915 Staatssekretär i m Reichsschatzamt geworden war, hob zwar die positive Rechnung mit einer gewissen Selbstgefälligkeit hervor, gab aber den rein rechnungstechnischen Charakter des Überschusses unumwunden zu 1 6 . I m ganzen gesehen hatte der ordentliche Haushalt i m ersten Kriegsfinanzjahr wenig Bedeutung für Umfang und Ablauf der Kriegsfinanzierung. Das Schwergewicht der Finanzgebarung lag eindeutig beim außerordentlichen Haushalt, der weder i n der Verwaltung veranlagt noch i m Reichstag diskutiert wurde. Diese Tatsache sollte die weitere Haushaltspolitik sehr stark beeinflussen. Wenn i m Reichstag von Finanz14 15 18
Vgl. ebd., S. 43 ff. Vgl. ebd., S. 27 f. Vgl. R T Bd. 306, S. 34.
70
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
politik die Hede war, so bezog sie sich nur auf den — zahlenmäßig weniger bedeutenden — ordentlichen Haushalt, mit dem Ziele, i m Sinne der bisherigen Deckungspolitik die angewachsenen ordentlichen Ausgaben zu decken. I m Jahre 1915 verlief die entsprechende Manipulation noch verhältnismäßig glatt. Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung bestimmte den Etat, der sich i m wesentlichen an die Planzahlen von 1914 hielt — vor allem bei den Einnahmen. Bei den Ausgaben war vorauszusehen, daß der Schuldendienst stark anschwellen würde. Durch einen entsprechend geringeren Ansatz der ordentlichen Militärausgaben wurde der Haushaltsplan dann ausgeglichen. Da aber von vornherein feststand, daß die Militärausgaben über den außerordentlichen Haushalt verrechnet w ü r den, blieb der Haushaltsplan, ob ausgeglichen oder nicht, eine reine Fiktion, die — wie Helfferich eingestand — nur den verfassungsmäßigen Vorschriften genüge tun sollte 17 . Die Haushaltsrechnung zeigt dann auch, wie die i m Vorjahr begonnene Entwicklung, die i m Etat kaum berücksichtigt worden war, sich i m verstärkten Maße fortsetzte. Der scharfe Rückgang der Einnahmen aus Zöllen und Steuern konnte durch die Kriegsabgaben von Darlehenskassen und Reichsbank nicht annähernd ausgeglichen werden. Nur die fast völlige Verlagerung der Militärausgaben i n den außerordentlichen Haushalt verhinderte ein rechnungsmäßiges Defizit. Wenn auch der Beginn der steuerpolitischen A k t i v i t ä t noch i n das Jahr 1916 fiel, so fand sie doch ihren einnähme wirksamen Niederschlag erst i m Jahre 1917. Insofern muß das Jahr 1916 noch i n die erste Periode der Kriegsfinanzpolitik eingeordnet werden. I n der Tat blieben die Einnahmen aus den neuen Steuern derart geringfügig, daß zum ersten Male ein großes Defizit i m ordentlichen Haushalt auch rechnungsmäßig eintrat. Einmal mehr wurden die Einnahmeschätzungen der Finanzverwaltung damit als völlig unrealistisch erkannt. Das gilt sowohl für den Rückgang bei den alten wie für den Zuwachs bei den neuen Einnahmen. Man hielt sich einfach stereotyp an die Planansätze von 1914. Für 1916 t r i f f t also in noch stärkerem Maße die Feststellung zu, daß die Einnahmeplanung zu einer reinen Formsache wurde, die man als verfassungsmäßige Pflicht absolvierte. Die Ausgabeplanung paßte sich besser an die Veränderungen der Ausgabestruktur an; immerhin schätzte man den Anstieg des Schuldendienstes einigermaßen richtig ein. Er umfaßte 1915 ca. 71 °/o, 1916 bereits ca. 85 °/o des Ausgabevolumens und bestimmte allein seine Entwicklung, also auch das große Defizit von 1916 (vgl. Tabelle 4 und Übersicht 3).
17
R T Bd. 306, S. 32 f.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
71
b) Die Diskussion über neue Steuern während des Burgfriedens Zu Anfang des Krieges, als die Mobilmachungszeit so verhältnismäßig glatt überwunden werden konnte und man ganz allgemein auf einen k u r zen und siegreichen Krieg hoffte, dazu auch der rechnungsmäßige Ausgleich des ordentlichen Haushalts durch die erwähnten Manipulationen leicht gelang, glaubten Regierung und Reichstag auf die Erschließung neuer ordentlicher Einnahmequellen verzichten zu können. Innenpolitisch war die Ausklammerung der Steuerfrage dazu ein wesentlicher Bestandteil des Burgfriedens, den man unter allen Umständen zu erhalten wünschte. So versprach man sich m i t einem baldigen siegreichen Kriegsende, wie Helfferich es i m Reichstag formulierte, die Möglichkeit, „die Rechnung für den uns auf gezwungenen Krieg beim Friedensschluß unseren Gegnern präsentieren zu können" 1 8 . Allein die SPD forderte schon zu diesem Zeitpunkt — bei Vorlage des Haushaltsplanes für 1915 — eindringlich eine sofortige Besteuerung der Kriegsgewinne, jedoch nicht aus finanz-, sondern nur aus sozialpolitischen Gründen 19 . Helfferich antwortete i m Sommer darauf m i t der Ankündigung, er stehe zwar m i t den Bundesstaaten i n Verhandlung über die Vorbereitung einer solchen Steuer, sie könne jedoch erst nach dem Kriege erhoben werden, wenn dessen finanzielle Auswirkungen zu übersehen seien 20 . Dabei fiel auch sein später so angefeindetes Wort: „Das Bleigewicht der Milliarden haben die Anstifter dieses Krieges verdient; sie mögen es durch die Jahrzehnte schleppen, nicht w i r 2 1 " . Noch immer rechnete man also i n der Regierung fest mit einer Kriegsentschädigung, aus der man offensichtlich die Kriegsanleihen ablösen wollte. Erst zu diesem Zeitpunkt, also zu Beginn des Rechnungsjahres 1915, „traten die Grundsätze der deutschen Kriegsfinanzierung sichtbar i n Erscheinung" 22 . Helfferich sagte dazu, daß „die Kosten des Krieges so gut wie ausschließlich durch Anleihe und durch Noten- und Papiergeldausgabe — beides geht ja bis zu einem gewissen Grade ineinander über — aufgebracht werden müssen. Je mehr durch Anleihen aufgebracht werden kann, desto besser. Die Inanspruchnahme der Notenbank und gar erst der Papiergeldpresse wird, solange es irgendwie geht, nur als temporäres Auskunftsmittel benutzt werden dürfen" 2 8 . Nur der Zinsendienst für die Kriegsanleihen sollte aus Steuern und anderen ordentlichen Einnahmen finanziert werden, wobei man sich vorläufig auf die erwähnte Manipulation des ordentlichen Haushalts beschränkte, um den rech18 19 20 21 22 23
RT Bd. 306, S. 39. Ebd., S. 47. Ebd., S. 223 f. Ebd., S. 224. RT Bd. 335, Nr. 158 (Denkschrift Schiffer), S. 100. R T Bd. 306, S. 39.
72
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
nungsmäßigen Ausgleich und den steuerpolitischen status quo ante zu erhalten, während der Anstieg der Reichs Verschuldung jedermann sichtbar machen sollte, welche Forderung man dem besiegten Gegner zu präsentieren gedachte. Doch die Steuerdiskussion verstummte nicht mehr, und auch die Regierung blieb i n sie eingeschaltet. I m Winter 1915 legte sie ihre ersten, nur als Vorbereitung gedachten Pläne vor. Eine Kriegsgewinnsteuer aus „moralischen" Gründen — diese klangen i n den Forderungen der SPD hauptsächlich an — lehnte die Regierung klugerweise ab, da hier ja allgemein gültige Maßstäbe kaum zu finden waren. Durch wirklichen Wucher entstandene Gewinne sollten vielmehr strafrechtlich verfolgt werden. Auch steuertechnisch ließ sich die Isolierung der „echten" Kriegsgewinne kaum durchführen. Der allmählich sich herauskristallisierende, von einer breiten Mehrheit i m Reichstag unterstützte Plan einer allgemeinen Kriegsgewinnsteuer ging von Besitzsteuer und Wehrbeitrag 1913 aus. Die für sie notwendige Veranlagung konnte man als Grundlage benutzen, da sie, wie jetzt die Kriegsgewinnsteuer, als Vermögens- bzw. Vermögenszuwachssteuer zum Zuge kommen sollte. Die ökonomische Begründung, die Helfferich dafür gab, ging dahin, daß ja das Geld, welches vom Reich verausgabt werde, „ i m Lande bleibe", andererseits viele Werte durch den Krieg zerstört würden, so daß eine „Wertverschiebung" eintrete, die „irgendwo als Vermögenszuwachs i n Erscheinung" treten müsse 24 . M i t diesen höchst oberflächlichen Vorstellungen konnte allerdings kein tiefgreifendes Steuergesetz begründet werden. Helfferichs Gesetzentw u r f 2 5 beabsichtigte vorläufig auch nur, die Ausschüttung der bereits entstandenen Gewinne bei den Kapitalgesellschaften zu verhindern, damit sie dem späteren steuerlichen Zugriff nicht entgingen. Weil damit über die Ausgestaltung der Kriegsgewinnsteuer noch nichts ausgesagt war, die Gewinne des Jahres 1915 aber möglichst schon erfaßt werden sollten, kam schon nach verhältnismäßig kurzer Debatte m i t Unterstützung des gesamten Reichstages das „Gesetz über vorbereitende Maßnahmen zur Besteuerung der Kriegsgewinne" 2 * zustande. Alle Kapitalgesellschaften (AG, GmbH, K G aA, nicht aber oHG und KG) mußten von ihrem Gewinn ab August 1914, soweit er den Durchschnittsgewinn der letzten fünf Friedensjahre überstieg, 50 °/o i n eine Sonderrücklage einstellen. Sie sollte i n Reichs- und Länderobligationen angelegt werden. Die offizielle Begründung sah vor, daß diese bei Entrichtung der späteren Steuer i n Zahlung genommen wurden 2 7 . Die Erfassung der sonstigen Kriegsgewinnler über24 25 26 27
R T Bd. 306, S. 421. R T Bd. 316, Nr. 149. RGBl. 1915, S. 837. R T Bd. 316, Nr. 149, S. 14.
Α. Die Periode des A b w a r t n s (1914—1916)
73
ließ man der späteren Gesetzgebung. Sie hatten bis dahin reichlich Zeit, ihre Gewinne verschwinden zu lassen. Somit war die Zielrichtung der Kriegsgewinnbesteuerung schon festgelegt, ohne daß eine eigentliche Konfiskation eintrat. Die Gesellschaften sollten eine Mehrgewinn-, die Privaten eine Vermögenszuwachssteuer zahlen. Das Gesetz überließ die Gewinnfeststellung den Gesellschaften selbst; die Privaten vollends konnten ihre Mehreinkommen bzw. Vermögenszuwachs verstecken, bis die Gesetzgebung tatsächlich zugriff. Dadurch wurde deren Erfolg schon vor der Inkraftsetzung i n Frage gestellt. Die SPD sah i n dem neuen Gesetz ein Stück ihres finanzpolitischen Programms verwirklicht. Ihre Zustimmung bedeutete die Erhaltung des Burgfriedens. Sie kritisierte jedoch, daß nicht eine schnellere, ergiebigere und sozialpolitisch besser orientierte Einnahmepolitik getrieben wurde. Sie warnte dabei gleichzeitig vor einer Erhöhung der indirekten Steuern und verlangte ein System von Reichseinkommen-, -vermögenund -erbschaftssteuer 28 . Schon bald nach seinem Inkrafttreten sah sich das Gesetz einer heftigen K r i t i k ausgesetzt. Sie richtete sich nicht gegen den Plan zur Kriegsgewinnbesteuerung selbst, sondern gegen die Durchführung 2 9 . Das Gesetz überließ den Gesellschaften die Gewinnfeststellung, d. h. die Bewertung bei der Bilanzaufstellung, enthielt aber gleichzeitig harte Strafbestimmungen gegen die Vorstände der Gesellschaften für den Fall der betriebsegoistischen Bewertung. Es verbot zu hohe Abschreibungen, welche zur Bildung stiller Reserven geführt hätten, nahm also keine Rücksicht — i m Gegensatz zur Übung des Fiskus bei der Preisbemessung von Kriegslieferungen — auf die Notwendigkeit, daß kriegsbestimmte Anlagen während des Krieges abgeschrieben werden mußten. Weiterhin erfaßte es auch stille Reserven, die durch vorsichtige Bewertung von Vorräten i m Frieden angelegt und bei Auflösung i m Kriege aktiviert wurden, also gar keine Kriegsgewinne darstellten. Das gleiche gilt für Gewinne aus Rationalisierungsanstrengungen, die sich gerade ab Kriegsbeginn auswirkten. Zu guter Letzt rügte man, die vorgeschriebene Anlage i n Staatstiteln komme praktisch einer Zwangsanleihe gleich. Sie hindere an der Reinvestition dieser Beträge, der Raubbau an Anlagen werde also gefördert. Ganz offensichtlich war das Gesetz schlecht durchdacht; manche Unebenheit mußte durch das eigentliche Steuergesetz ausgeglichen werden. Während aus der Kriegsgewinnsteuer für den laufenden Haushalt noch keine Einnahmen zu erwarten waren, sollte dies aus der geplanten Ge28
R T Bd. 306, S. 460 ff. Vgl. Blum, Leo, Kriegsgewinnsteuer u n d Aktiengesellschaften, AfSuS Bd. 41 (1916), S. 781 ff. u n d Strutz, Georg, Das Gesetz über vorbereitende Maßnahmen zur Besteuerung der Kriegsgewinne, JfNuS Bd. 106 (1916), S. 90 ff. 29
74
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
winnabgabe der Reichsbank gelingen. Nach einem schwachen Versuch des Reichsbankpräsidenten Havenstein, die Interessen der Reichsbankaktionäre herauszustellen, wurde ebenfalls i m Dezember 1915 das „Gesetz über die Kriegsabgaben der Reichsbank" 30 beschlossen, das eine ziemlich rigorose Beschneidung der Gewinne zugunsten des Fiskus m i t sich brachte (vom Reingewinn des Jahres 1915 vorweg 100 Millionen Mark zuzüglich drei Viertel des Mehrgewinnes gegenüber dem durchschnittlichen Friedensgewinn). Das Hauptargument für diese Abgabe ist bezeichnend für Charakter und Stellung der Reichsbank: Die Reichsbank sei bei Kriegsbeginn von der Notensteuer befreit worden. Die privaten Anteilseigner hätten so bei stark gestiegenem Notenumlauf und gutem „Geschäft" der Reichsbank einen ungebührlich hohen Gewinn. Dieser solle nunmehr der Allgemeinheit zufließen 31 . Steuerpolitisch war also die Periode bis Anfang 1916 durchaus eine Zeit des Abwartens. Helfferich sagte i m März 1915: „Ein . . . praktikables Programm braucht einen festen Untergrund von Tatsachen. Dieser Untergrund . . . w i r d erst durch den Ausgang des Krieges und die Bedingungen des Friedensschlusses geschaffen werden 3 2 ". Diese Ansicht beruhte völlig auf den Erfahrungen von 1871, wo die französischen Milliarden alle Probleme gelöst hatten. Außerdem fehlte der beginnenden Steuerdiskussion noch das gesamtwirtschaftliche Konzept. Nicht die Einordnung i n die gesamte Kriegswirtschaft, sondern die einseitige Ausrichtung auf den Ausgleich des ordentlichen Haushalts und die Konfiszierung der Kriegsgewinne war ihr Ziel. 2. Der außerordentliche
Haushalt
a) Vorfinanzierung und Ausgabegebarung Dem Volumen nach und damit auch i n seiner Auswirkung auf den volkswirtschaftlichen Kreislauf war der ordentliche Haushalt i n dieser Periode von untergeordneter Bedeutung, weil sämtliche Ausgaben, denen man irgendwie das Prädikat „aus Anlaß des Krieges" anhängen konnte, zur Erhaltung seines formellen Ausgleichs i n das Extraorddnarium verlagert wurden. I n der Planung war der außerordentliche Haushalt 1914 i m Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren m i t etwa 90 M i l lionen Mark besonders niedrig angesetzt. M i t Hilfe des Wehrbeitrages wollte man ja m i t der bisherigen Übung, vor allem Marineausgaben regelwidrig durch Kredit zu finanzieren, endgültig brechen. Praktisch ist dieses Vorhaben überhaupt nicht zur Ausführung gekommen. Nun30
RGBl. 1915, S. 840. Vgl. Wendt, Siegfried, F r a n k f u r t 1950, S. 16. 32 RT Bd. 306, S. 32. 31
Die
Entwicklung
des deutschen
Geldwesens,
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
75
mehr gerieten die Militärausgaben vollständig i n den außerordentlichen Haushalt. Man muß beim Ablauf der eigentlichen Kriegsfinanzierung drei Etappen unterscheiden: 1. Die Bewilligung der Kriegskredite durch den Reichstag i n Form pauschaler Nachtragshaushalte. 2. Die Inanspruchnahme dieser Kredite durch Diskontierung von Schatzscheinen bei der Reichsbank und die Verausgabung dieser zusätzlichen Mittel. 3. Die nachträgliche Konsolidierung der Schatzscheine durch halbjährliche Auflage von Kriegsanleihen. Zu 1.: Die Bewilligung der Nachtragshaushalte brachte zunächst keine Schwierigkeiten; die Mehrheiten i m Reichstag für sie waren, da der Burgfriede noch galt, überwältigend. I m Dezember 1915 lehnte zum ersten Male eine größere Gruppe eine Kreditbewilligung ab. Es handelte sich dabei um zwanzig Sozialdemokraten, die gegen die Einstellung der Rechtsparteien und der Reichsregierung zur Frage der Friedensbedingungen und der Annexionen opponierten. Durch diesen Ausbruch aus dem Fraktionszwang wurde die Spaltung in der SPD vertieft 3 3 . Die Nachtragshaushalte enthielten nur eine pauschale Ausgabensumme „aus Anlaß des Krieges"; diese wurde niemals nach bestimmten Zwecken untergliedert. Der Reichstag knüpfte an ihre Vorlage auch niemals eine finanzpolitische, sondern lediglich eine allgemein politische Debatte an; so waren für die Bewilligung auch nur allgemein politische Gründe entscheidend. Über den Umfang der Bewilligungen gibt Übersicht 9 Auskunft. Zu 2.: Wichtigster Punkt der Betrachtung muß die Verausgabung der bei der Reichsbank aufgenommenen M i t t e l i n ihrem zeitlichen Ablauf sein, während die Rechnungslegung (vgl. Übersicht 5) insofern ein falsches B i l d gibt, als sie Einnahmen und Ausgaben nicht für den Zeitpunkt ihrer Ausgabewirkung zusammenfaßt, sondern nach etattechnischen Gesichtspunkten. So konnten ζ. B. als Einnahmen i m außerordentlichen Haushalt nur die tatsächlichen Anleiheerlöse verrechnet werden; sie wurden i m Jahre 1914 noch durch die Hergabe des Kriegsschatzes an die Reichsbank verbessert. Der durch kurzfristige Verschuldung finanzierte Ausgabenüberhang mußte als Defizit verbucht werden. Zeitlich genauer als durch die Haushaltsrechnungen läßt sich das tatsächliche Ausgabenvolumen anhand einer Übersicht über den monatlichen Bedarf an außerordentlichen Deckungsmitteln der Reichshaupt83
Vgl. R T Bd. 306, S. 507 f. u n d Bergsträßer,
L u d w i g , a.a.O., S. 232 ff.
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
76
kasse ermitteln. Dabei fallen geringe zahlenmäßige Diskrepanzen zur Haushaltsrechnung durch Doppelzählungen nicht ins Gewicht. Die i n Übersicht 8 ausgewiesenen Beträge müssen als tatsächlich i n den betreffenden Monaten verausgabt angesehen werden. Zu ähnlichen Summen kommt man, wenn man das effektive Ergebnis der Kriegsanleihen pro Rechnungsjahr zum Zuwachs an Schatzanweisungen pro Rechnungsjahr hinzuzählt, also die effektiv aufgenommenen Kredite ermittelt (vgl. Übersicht 8). Diese Milliarden stießen zunächst voll als zusätzliche Nachfrage auf den Markt. Die Kriegsanleihen (von der zweiten ab) schöpften weitgehend nur das ab, was vorher schon in die Wirtschaft hineingepumpt worden war. Zweifellos hat diese ad-hoc-Methode der Ausgabenpolitik die Beschaffungsbehörden ermuntert, aus dem Vollen zu wirtschaften. Sie waren an keinen Etat gebunden und der Reichstag machte auch keine Anstalten, die Finanzgebarung dieser Stellen i m nachhinein einer Kontrolle zu unterwerfen, i m Vergleich zu der gewohnten knauserigen Steuerpolitik ein recht inkonsequentes Verhalten. Die Zersplitterung der einzelnen Behörden, der Mangel an einheitlicher Leitung förderte die Konkurrenz dieser Stellen untereinander und engte die Marktübersicht ein. Die Dringlichkeit des Bedarfs tat ein Übriges, um die Preise gerade bei den Gütern des Heeresbedarfs außerordentlich i n die Höhe zu treiben. Dabei gelang es Helfferich jedoch während seiner Amtszeit als Reichsschatzsekretär, den Betrag der monatlichen Kriegsausgaben auf etwa 2 Milliarden Mark zu halten 3 4 . Seine Bemühungen um Sparsamkeit setzten bei der Preispolitik der Beschaffungsbehörden an und erreichten es, — jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Hindenburgprogramms — hier die schlimmsten Auswüchse zu vermeiden. Er stützte sich vor allem auf Festpreise, die für die Finanzverwaltung praktikabler waren als die später angewandten („angemessenen") Selbstkostenpreise. Man suchte die Festpreise möglichst lange zu halten und zwang so die Unternehmer, eventuelle Kostensteigerungen selbst zu verkraften. Dabei blieb das Interesse der Unternehmer an niedrigen Löhnen und Rohstoffpreisen erhalten. So gelang es wenigstens i n gewissen Bereichen der staatlichen Nachfrage, eklatante Preis- und damit Ausgabensteigerungen zu vermeiden. b) Die Kriegsanleihen Zu 3.: Die Modalitäten der Anleihebegebung sind i m Zusammenhang mit der ersten Kriegsanleihe ausführlich dargestellt worden. I n halbjährlichem Rhythmus wurde nun jeweils eine neue Anleihe aufgelegt, die sich nur i n geringfügigen Einzelheiten von den vorhergehenden 34
Vgl. Helfferich,
K a r l , Der Weltkrieg, Bd. I I , a.a.O., S. 132 ff.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
77
unterschied. So belief sich der Ausgabekurs bei der zweiten auf 98,5, bei der dritten auf 99, bei der vierten wieder auf 98,5. Die Zeichnungsfristen wurden auf knapp drei Wochen ausgedehnt und ab der dritten Anleihe auch den Zeichnern von Beträgen unter 1000 Mark die Möglichkeit der Ratenzahlung gewährt. Da sich allmählich die Methode herausgebildet hatte, Gelder, die i n Kriegsanleihe angelegt werden sollten, bis zum Anleihetermin nicht auf Bankkonten, sondern i n Form von Schatzwechseln zu halten, wurde auch ein direkter Tausch von Schatzwechseln gegen Reichsanleihe ermöglicht 35 . Bei der dritten Anleihe gab man verzinsliche Schatzanweisungen überhaupt nicht, bei der vierten zu einem erniedrigten Zinssatz von 4,5 °/o aus. Obwohl auch diese nunmehr i n unbegrenzter Höhe zur Verfügung standen, richtete sich das Interesse der Zeichner doch überwiegend auf Anleihe (vgl. Übersicht 11). Die Zeichnungserfolge waren, zumindest bei der zweiten und dritten Anleihe, für alle Beteiligten überraschend. Verschiedene Faktoren haben dabei mitgewirkt. Einmal erschien dem Publikum die Lage Deutschlands in militärischer Hinsicht »sehr günstig, weil sie nur durch die — sehr optimistisch gefärbte — offizielle Kriegsberichterstattung zu erfahren war. Dazu kam, daß die Anleihepropaganda ausgedehnt und jetzt auch von der Regierung gefördert und finanziert wurde. Es sollte — nach Helfferichs Worten — nicht nur die allgemeine Wehrpflicht, sondern i n der Heimat auch „eine allgemeine Zahlpflicht" gelten 36 . Die Börsen blieben nach wie vor geschlossen. A m freien Markte, den man möglichst den Kriegsanleihen vorbehalten wollte, entwickelte sich jedoch eine ausgedehnte Spekulation i n Kriegswerten, die viele Gelder vom Anleihemarkt abzog. Da gesetzliche Handhaben zu einem völligen Verbot des Freiverkehrs trotz Ermächtigungsgesetz nicht benutzt werden sollten, erwies sich zunächst die Unterstützung der Wirtschaftspresse, die eine Veröffentlichung von Kursen ablehnte, als ausreichend. Sehr bald florierte aber ein ausgedehnter Versand von privaten Kurszetteln, welche die Spekulanten mit Informationen versorgten. Durch ein Verbot, Kurse von Wertpapieren i n größerem Stil zu verbreiten 3 7 , versuchte man die Marktübersicht der Spekulanten einzuengen und so die freien Gelder dem Anleihemarkt zuzuführen. Die Hilfestellung der Darlehenskassen blieb i m Vergleich zur ersten Anleihe und zum Gesamtbetrag der neuen Zeichnungen gering; die Kriegsanleihedarlehen betrugen bei der zweiten Anleihe 8,6 °/o, bei der 35
Vgl. Reichsbank u n d Geldmarkt I I I , S. 28. R T Bd. 306, S. 32. 37 „Bekanntmachung betreffend Verbot von Mitteilungen über Preise von Wertpapieren" v o m 25. Februar 1915, RGBl. S. 111. 38
78
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
vierten nur noch 4,8 °/o der Zeichnungssumme 38 . Für die Darlehenskassen selbst stellten diese Kredite einen Großteil ihrer Ausleihungen nach wie vor dar (vgl. Übersicht 15). Gliedert man die Ergebnisse der Kriegsanleihen nach Zeichnungsbeträgen und Anzahl der Zeichner (vgl. Übersicht 12), so ergeben sich einige Aufschlüsse darüber, von welchen Kreisen die Beträge aufgebracht worden sind. Die öffentlichen Verlautbarungen während des Krieges stellten immer den Charakter der Volksanleihe als Merkmal der Kriegsanleihen i n den Vordergrund, um die Beteiligung aller Volksschichten hervorzuheben. Die zahlenmäßig stark wachsende Beteiligung der kleinen Zeichner hatte jedoch für das Ergebnis der Anleihen keine ausschlaggebende Bedeutung. I n der ersten Kriegshälfte waren es vor allem die Zeichnungen zwischen 1000 Mark und 10 000 Mark, also wahrscheinlich der bürgerliche Mittelstand, welcher sich stark beteiligte und dadurch — verglichen mit den Großzeichnungen — beachtlich hohe Beträge aufbrachte. Aber schon bei der vierten Anleihe ging ihre Bedeutung gegenüber den Großzeichnern mit Beträgen über 10 000 Mark zurück. Hier zeigten sich bereits die durch die Kriegswirtschaft und die Finanzierungsmethode bedingten Vermögensverschiebungen und der reale Einkommensschwund der großen Masse an. Zunächst aber schien die wachsende Zahl der Zeichner und der gezeichneten Beträge den eingeschlagenen Weg der Finanzierung als richtig zu erweisen. Dazu muß jedoch zusätzlich die Frage geklärt werden, ob die bei der Reichsbank aufgenommenen Kredite tatsächlich durch langfristige Anleihen konsolidiert werden konnten. I n den Haushaltsrechnungen (vgl. Ubersichtö) erscheint vom Jahre 1914 an ein Defizit i m außerordentlichen Haushalt. Ein Teil der Ausgaben blieb also hiernach durch kurzfristige Kredite finanziert. Zum gleichen Ergebnis, wenn auch mit anderen Zahlen, kommt man bei einem Vergleich der Anleiheerlöse pro Rechnungsjahr m i t dem Bedarf an außerordentlichen Deckungsmitteln (vgl. Übersicht 8). Helfferich stellt dagegen eine andere Rechnung auf (vgl. Tabelle 5). Er vergleicht den Erlös der einzelnen Kriegsanleihen mit dem Betrag der zum Anleihetermin umlaufenden Schatzscheine und kommt so zu einem positiven Ergebnis, d. h. einem Überschuß des Anleiheertrages über die ausstehenden Schatzscheine39.
38
Reichsbank 1916, S. 6. Seine Rechnung ist insofern unkorrekt, als er den Nennbetrag der Zeichnungen u n d nicht den — u m das Disagio — verminderten Effektiverlös zugrunde legt. 3e
79
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916) Tabelle 5 Kriegsanleihen und Schatzanweisungen (in Mill. Mark) Nennbetrag
Kriegsanleihe
der zeicnnung
j i
Ausstehende Schatzanweisungen
Anleihezeichnung - aussteh. Schatzanweisungen
I.
Sept.
1914
4.460
2.632
+
1.832
II.
März
1915
9.060
7.209
+
1.851
III.
Sept.
1915
12.101
9.691
+
2.410
IV.
März
1916
10.712
10.388
+
V.
Sept.
1916
10.652
12.766
—
2.114
VI.
März
1917
13.122
14.855
—
6.732
VII.
Sept.
1917
12.626
27.204
— 14.578
VIII.
März
1918
15.001
38.971
— 23.970
IX.
Sept.
1918
10.443
49.414
— 38.971
Quelle: Helfferich,
324
Karl, Das Geld, 6. Aufl., Leipzig 1923, S. 213.
Diese Diskrepanzen sind jedoch lediglich eine Folge der unterschiedlichen Periodenabgrenzung. Die Haushaltsrechnung Schloß jeweils kurz vor einem neuen Anleihetermin ab, also gerade, wenn ein hoher Betrag an kurzfristigen Schulden aufgelaufen war. Helfferichs Rechnung geht davon aus, daß die kurz darauf aufgelegte Anleihe ein Ergebnis brachte, welches die aufgelaufene Schatzscheinschuld überstieg. Wenn Helfferich zu seinen Gunsten anführt, daß vor und während seiner Amtszeit als Staatssekretär i m Reichsschatzamt 40 die völlige Konsolidierung noch gelungen sei, so läßt sich das für kürzere Perioden innerhalb dieser Zeit nur schwer nachweisen. Faßt man aber diese Zeit, d. h. die Haushaltsjahre 1914 und 1915, zusammen, so entspricht die Summe der Ausgaben, berechnet nach den Anforderungen der Reichshauptkasse (vgl. Übersicht 8), von 35,8 Milliarden Mark dem Effektiverlös der ersten bis vierten Kriegsanleihe. Nimmt man an, daß zu diesem Zeitpunkt (März 1916) die zusätzliche Verschuldung bei der Notenbank eingestellt worden wäre, so ist Helfferichs These richtig. Für die finanzpolitischen Überlegungen i m Frühjahr 1916 schien damit Deutschlands finanzielle Leistungsfähigkeit erwiesen, der eingeschlagene Weg vollends gerechtfertigt und deswegen éine Umorientierung der 40
Bis 1. J u n i 1916.
80
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Finanzpolitik nicht erforderlich. Damit ist es verständlich, daß das Deckungsproblem zunächst nur i m engen Bereich des ordentlichen Haushalts gesehen wurde, wo der Schuldendienst i m Vordergrund stand. Neben dieser rein deckungspolitischen ist aber eine gesamtwirtschaftliche Analyse der Finanzpolitik notwendig, die vor allem die Auswirkung der Vorfinanzierung über neugeschöpftes Geld auf den monetären Kreislauf und die gesamte Volkswirtschaft darstellt.
I I I . Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik im monetären Bereich 1. Reichsbankstatus
und
Reichsbankpolitik
Die erste Kriegsanleihe und ihr Einfluß auf die Reichsbankbilanz wurde m i t Absicht noch i n die Mobilmachungszeit eingeordnet, da der bestimmte Rhythmus i n der Entwicklung der Notenbankbilanz, der sich nun m i t der Zeit herausschälte, bei der ersten Anleihe noch nicht so rein beobachtet werden konnte. Nach Abschluß der Mobilmachungsperiode blieb nämlich die Kreditaufnahme des Reiches mit Hilfe von Schatzanweisungen und deren Konsolidierung durch die zweimal jährlich aufgelegten Kriegsanleihen bestimmend für die Entwicklung des Reichsbankstatus. Die Reichsbank kaufte nach dem Bedürfnis der Reichshauptkasse Schatzwechsel und unverzinsliche Schatzanweisungen an 4 1 . Dadurch erhielt zunächst das Reich Notenbankguthaben, mit denen es wiederum seine Lieferanten bezahlte. So kamen Banken bzw. Private i n Besitz dieser Guthaben. Soweit sie nicht zu Umsatzzwecken nötig waren, bauten sie damit zunächst ihre Notenbankverpflichtungen ab. Der Bestand der Reichsbank an Handelswechseln ging infolgedessen stetig zurück und verlor mit der Zeit gegenüber den Staatspapieren seine Bedeutung als Grundlage ihrer Geldschöpfung (vgl. Übersicht 13). Da der Bestand an Schatzwechseln viel stärker zu- als der an Handelswechseln abnahm, ist schon ersichtlich, daß die darauf aufbauende Vermehrung der Notenbankgeldmenge nicht allein verkehrbedingt sein konnte, wie die Reichsbank behauptete. Darauf w i r d später noch eingegangen. A u f die Zahlen des Schatzwechselbestandes und der Giroeinlagen wirkte sich die Auflegung der Kriegsanleihen jeweils recht stark aus. I m Maße der Verflüssigung des monetären Sektors legten Banken und 41 Dazu kamen noch weitere Wechsel. Die Gemeinden mußten für das Reich vorschußweise die Familienunterstützungen der Familien v o n Einberufenen zahlen. Z u r Beschaffung der nötigen M i t t e l zogen sie Wechsel auf die Bundesstaaten, diese akzeptierten u n d die Reichsbank kaufte sie an. Dem Reich w a r der Zeitpunkt der Rückerstattung freigestellt. I n der zweiten Kriegshälfte stützten sich die Gemeinden jedoch stärker auf die Darlehenskassen, u m die Reichsbank zu schonen. Vgl. auch Β I I I 5.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
81
Private ihre anlagebereiten Gelder kurzfristig i n Schatzwechseln fest. Zum Anleihetermin verkauften sie diese dann an die Reichsbank, so daß deren Schatzwechselbestände und täglich fälligen Verbindlichkeiten sich sprunghaft vor jedem Anleihetermin erhöhten (vgl. Übersicht 13). Durch Einzahlungen auf die Anleihe kam das Reich dann i n den Besitz der Einlagen und tilgte damit die Schatzscheine. Die Reichsbankbilanz schrumpfte wieder. Abgesehen von diesen Schwankungen stiegen die Reichsbankeinlagen von Kreditbanken und Privaten i n der ersten Kriegshälfte nur wenig. Dagegen erhöhte sich der Notenumlauf langsam, aber stetig ohne besondere Schwankungen. Dementsprechend wurden nicht alle Schatzwechsel i n Anleihe umgetauscht bzw. an die Kreditbanken weitergegeben, sondern es verblieb ein langsam wachsender Bodensatz bei der Reichsbank. Wie erklärte sich nun die Reichsbank diese Entwicklung? Warum versuchte sie nicht, durch weitere Abdrängung von Schatzscheinen die Stückgeldmenge klein zu halten und damit eines ihrer wichtigsten Ziele zu realisieren, die Verbesserung der Deckungsquote? I n ihren Veröffentlichungen 42 brachte die Reichsbank den Anstieg dieser beiden Posten nicht i n einen ursächlichen Zusammenhang, sondern führte ihn auf verschiedene, voneinander unabhängige Ursachen zurück. Für die Zunahme der „Kapitalanlage", d. h. der A k t i v a außer dem Metallbestand, machte sie die Eigenart der Kriegswirtschaft verantwortlich. Die Verflüssigung i m privaten Bereich seSi die Folge des Lagerabbaus in der gewerblichen Wirtschaft, des Wegfalls der Außenhandelsfinanzierung, der Umstellung der Zahlungssitten auf prompte Barzahlung. Diese Entwicklung lasse die Privaten als Kreditnehmer ausscheiden; an ihre Stelle trete der Staat. Er gebe die aufgenommenen Mittel aus, Private und Banken sammelten sie wieder, der Staat schöpfe sie wieder ab. Diese Umbildung des Kreditwesens habe, da das Geld „ i m Lande" bleibe, einen „eigenartigen Kreislauf flüssiger Kapitalien" 4 3 herausgebildet, der sich fortlaufend verbreitere. Die Reichsbank müsse deshalb versuchen, sich zu entlasten, d. h. durch Verkauf von Schatzwechseln auf dem Geldmarkt ihre Inanspruchnahme zu verringern. Dieser Forderung war nicht einfach nachzukommen, da das Reich vor dem Krieg versäumt hatte, sich einen Markt für seine kurzfristigen Schulden zu schaffen 44 . Die Versuche, das Versäumte nachzuholen, blieben i n der ersten Hälfte des Krieges ziemlich erfolglos. Die Banken zogen 42
Vgl. zum folgenden: Reichsbank 1914 bis 1916; Reichsbank u n d Geldm a r k t I bis V. 43 Reichsbank u n d Geldmarkt I I I , S. 12. 44 Vgl. Will, Rudolf, Die schwebenden Schulden der europäischen Großstaaten, Tübingen 1921, S. 92. 6 Roesler
82
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
i m allgemeinen noch die Anlage i n Handelswechseln vor, wenn sie liquide Mittel hatten. Diese nahmen ja nur langsam zu, und um kurzfristige Kredite konkurrierten auch die Länder und Gemeinden, da sie vom langfristigen Markt ausgeschlossen waren. Die Reichsbank versuchte zwar, flexible Zinspolitik zu treiben durch Sondersätze für Großabnehmer von Schatzscheinen und vor allem solche, die sich zum Umtausch der Schatzwechsel i n Kriegsanleihe verpflichteten 45 . Es gelang jedoch auf längere Sicht, nur einen kleinen Teil der Wechsel außerhalb der Reichsbank unterzubringen. Nur vor den Anleiheterminen hielten Private bzw. Geschäftsbanken größere Posten von Schatzwechseln (vgl. Übersicht 10). Die dazu verwandten M i t t e l waren aber schon endgültig zur langfristigen Anlage bestimmt. Trotzdem kann man i n den Bemühungen der Reichsbank den Anfang einer systematischen Offenmarktpolitik sehen, die allerdings i m Kriege einseitig darauf gerichtet war, Liquidität zu absorbieren 48 . Glückte es auf diese Weise nicht, den Bestand an Schatzwechseln zu verringern, so versuchte man durch die Gegenüberstellung der ebenfalls gestiegenen Einlagen nachzuweisen, „daß die wirkliche Inanspruchnahme des Kredits der Bank wesentlich geringer war, als i n den Ziffern der Anlagekonten zum Ausdruck kommt" 4 7 , eine Erklärung, die noch ganz auf den privatwirtschaftlichen Charakter der Reichsbank abstellt und die Geldqualität der Einlagen vernachlässigt. Die Ausweitung des Notenumlaufs wurde ebenfalls nicht i m Zusammenhang gesehen. Vielmehr betonte die Reichsbank, er sei „nicht durch die Bewegung der Anlage beeinflußt worden" 4 8 . Als eigentliche Gründe führte sie an: Die Bevorzugung der Barzahlung gegenüber dem kaufmännischen Wechsel, die Verteuerung der Lebenshaltung, den Ersatz des aus dem Verkehr verschwundenen Goldes durch Noten, den Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit durch hohe Kassenbestände, den Abfluß von Noten ins Ausland zur Bezahlung von Importen. Die Erhöhung des Notenumlaufs entspringe also den Bedürfnissen des Verkehrs, i n seinen Schwankungen erinnere er durchaus an die Bewegungen zur Friedenszeit. Zweifellos hatten diese Argumente eine gewisse Berechtigung. Die wichtigen Beziehungen zwischen den Bewegungen ihrer A k t i v a und Passiva sah die Reichsbank jedoch nicht und hat so die Ursache vor allem für die Ausdehnung des Notenumlaufs i m Kausalzusammenhang nicht zu klären vermocht. Für ihre Politik spielte der Anstieg des Notenumlaufs nur i m Hinblick auf die Deckungsquote eine Rolle. Man ließ der Noten45 48 47 48
Vgl. Die Reichsbank 1901—1925, a.a.O., S. 78 f. Vgl. Veit, Otto, Grundriß der Währungspolitik, F r a n k f u r t 1961, S. 264. Reichsbank 1915, S. 15. Reichsbank u n d Geldmarkt I I I , S. 17.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
83
Vermehrung zunächst freien Lauf, da man an ihre Verkehrsbedingtheit glaubte, und versuchte durch die bereits erwähnte Konzentration des Goldes bei der Reichsbank, die Deckungsquote zu verbessern. Die Goldsammlungsaktion der Reichsbank ist — neben den Kriegsanleihekampagnen — ein Beispiel für die Wirksamkeit einer massiven Propaganda, welche die psychologische Situation der Zeit geschickt auszunutzen verstand. Die allmählich über das ganze Reich sich ausdehnende Aktion brachte der Reichsbank bis Februar 1915 monatlich einen Zuwachs von etwa 100 Millionen Mark i n Gold. Dem einzelnen Goldbesitzer dürfte kaum die wirtschaftliche Notwendigkeit dieser Maßnahme klar geworden sein. Der Erfolg ist vor allem auf patriotisches Pflichtgefühl, zum Teil wohl auch auf den psychologischen Druck zurückzuführen, der ein Zurückstehen in einer Massenbewegung unmöglich macht. Genauer betrachtet hatte die Goldsammlung inflationistische Effekte, weil es sich ja meist um die Hergabe von Horten handelte. M i t den erhaltenen Noten wurde wahrscheinlich oft die Nachfrage erhöht. Da für notwendige Importe immer mehr Gold aufgewendet werden mußte, auf der anderen Seite die Goldablieferung langsam nachließ, erhöhte sich ab Frühjahr 1915 der Goldbestand nur noch sehr langsam, während der Notenumlauf i m Verhältnis schneller anstieg. Damit wurde die Erhaltung einer hohen Deckungsquote allmählich gefährdet. Der Zeitpunkt, wo man Darlehenskassenscheine auch de facto i n die Deckung einbeziehen mußte, stand drohend bevor. I m Sommer 1916, also am Ende des jetzt betrachteten Zeitraums, entschloß man sich zu einer neuen Maßnahme, die diesmal dazu bestimmt war, die Erhöhung des Notenumlaufs zu bremsen. I n einer großangelegten Propagandaaktion schritt man zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs 49 . Einzelheiten darüber sollen erst später erwähnt werden; die Idee allein gibt einen bezeichnenden Einblick i n die ökonomischen Vorstellungen ihrer Initiatoren. Besondere Aufmerksamkeit widmete die Öffentlichkeit dem sinkenden Außenwert der Mark. Der Standpunkt von Reichsbank und Regierung zu diesem Problem war, daß die Erhöhung der monetären Nachfrage und des Preisniveaus i m Inland keine Wirkung auf den Außenwert habe, dieser also auch nicht Indiz sein könne für einen sinkenden Binnenwert der Mark. Die „Teuerung" i m Inneren wurde als allgemein kriegsbedingt, die niedrige Bewertung der Mark i m Ausland als allein abhängig vom Saldo der Handelsbilanz angesehen50. Dieser hatte sich i n der Tat recht ungünstig entwickelt, weil die kriegsnotwendige Einfuhr nicht durch entsprechende Ausfuhr gedeckt werden 49
Vgl. Reichsbank u n d Geldmarkt V, S. 16 ff. Vgl. Reichsbank u n d Geldmarkt I V , S. 4 ff. u n d R T Bd. 317, Nr. 225 (8. Nachtrag), S. 77 ff. 50
6*
84
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
konnte und deswegen ein immer stärkerer Bedarf an ausländischen Zahlungsmitteln bestand. Man half sich zunächst m i t einer Pressekampagne, welche den Verkauf von ausländischen Wertpapieren anregen sollte. Man stellte die Gelegenheit zum Verkauf als besonders günstig dar, weil zu dem eigentlichen Verkaufskurs i m Ausland noch eine hohe „Währungsprämie" zu gewinnen sei, da der Markerlös — bei „Unterbewertung" der Mark i m Auslande — gegenüber der Vorkriegszeit entsprechend höher sei 51 . Dies Denken i n reinen Nominalwerten ist ein sprechendes Beispiel für die zu der Zeit herrschende und durch die offiziellen Verlautbarungen unterstützte Geldillusion. Eine besondere Kontrolle des Devisenmarktes ließ sich aber nicht umgehen. Sie wurde zunächst begonnen m i t einer Zentralisierung des Devisenhandels bei einer begrenzten Anzahl von großen Banken unter Kontrolle der Reichsbank 52 . Die ausgewählten Banken durften die Devisen frei handeln, es waren zunächst nur Spekulations- und Arbitragegeschäfte ausgeschaltet. Der Erfolg bestand i n einer rationelleren Verteilung der Devisen, insbesondere durch Bevorzugung kriegswichtiger Importe. Des weiteren versuchte man mit einem „Verbot der Einfuhr entbehrlicher Waren" 5 3 die Zahlungsbilanz zu entlasten. 2.
Darlehenskassen
Die Bedeutung der Darlehenskassen für die Mobilmachungszeit und die erste Kriegsanleihe ist bereits hervorgehoben worden. I m weiteren Kriegsverlauf nahmen sie nun eine andere Entwicklung, als sich ihre Schöpfer vorgestellt hatten. Schon an den Kriegsanleihedarlehen war zu sehen, daß der Kreis der Kreditnehmer sich über den beabsichtigten Rahmen hinaus erweiterte. Dazu kamen als Schuldner vor allem noch öffentliche Körperschaften. Die Darlehenskassen wurden somit von einer vorübergehenden Einrichtung für die Mobilmachungszeit zu einem Instrument der Kriegsfinanzpolitik. I n der ersten Kriegshälfte machten die Kriegsanleihedarlehen meist mehr als 50 °/o aller Kredite aus (vgl. Übersicht 15), wenn auch ihr Anteil am gesamten Zeichnungsbetrag schon bei der zweiten Anleihe unter 10 °/o sank. I m Prinzip bedeuteten diese Kredite, mit denen Kriegsanleihen gekauft wurden, eine Schöpfung zusätzlichen Geldes. Baute das Reich damit seine Reichsbankverschuldung ab, so war das bilanzmäßig nur ein Aktivtausch. Schatzwechsel wurden durch Darlehenskassenscheine 41 Vgl. Lansburgh, Alfred, Die Mobilmachung des deutschen Besitzes an ausländischen Wertpapieren, Die Bank 1915 I I , S. 49 ff. 52 Insgesamt drei „Bekanntmachungen über den Handel m i t ausländischen Zahlungsmitteln", RGBl. 1916, S. 49 ff. » RGBl. 1916, S. 111.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
85
ersetzt. Die umlaufende Geldmenge verminderte sich nicht. Entfaltete das Reich mit den Darlehenskassenscheinen Nachfrage, so war dies i n dem Maße zusätzliche Nachfrage, wie der Kreditnehmer i m Zeitpunkt der Verausgabung dieser Beträge seinen Kredit noch nicht abgebaut hatte, indem er seinerseits auf Konsum verzichtete. Baute der Kreditnehmer später das Darlehen aus seinem laufenden Einkommen ab, so hinkte der Nachfrageverzicht der Entfaltung zusätzlicher Nachfrage durch den Staat zeitlich nach. Ein Konsumverzicht fand vollends überhaupt nicht statt, wenn der Kreditnehmer andere Vermögensteile liquidierte, um sich zu entschulden, und sein laufendes Einkommen weiter verbrauchte. Allerdings konnte hier ein Konsumverzicht bei dem Käufer dieser Vermögensteile vorliegen. Es ist nicht festzustellen, inwieweit das Reich m i t den über die Darlehenskassen finanzierten Anleiheerträge zusätzliche Nachfrage ausübte. I n der ersten Kriegshälfte wurden jedoch die Kriegsanleihedarlehen schnell zurückgezahlt, allerdings wohl kaum allein aus laufenden Einkommen als vielmehr aus Sparguthaben und Liquidation anderer Vermögensteile. Auch die Gewährung der anderen Darlehen stellte zunächst eine Geldschöpfung dar; der Kreditnehmer erhielt Darlehenskassenscheine oder Reichsbanknoten, mit denen er zusätzliche Nachfrage entfaltete. I n der Gesamthöhe blieben diese sonstigen Darlehen meist etwas unter den Kriegsanleihedarlehen. Über die Zusammensetzung der Kreditnehmer gibt Übersicht 16 Auskunft, wobei man berücksichtigen muß, daß i n diesen Prozentzahlen auch die Kriegsanleihedarlehen enthalten sind. Diese wurden wohl i m wesentlichen von Privaten („Sonstigen" i n Übersicht 16) und von Banken — als durchlaufende Kredite — aufgenommen. Als Kreditnehmer für die „sonstigen Darlehen" (nach Übersicht 15) bleiben dann öffentliche Körperschaften, Kriegsgesellschaften, Industrie und Handel. Besonders i n den ersten Kriegsmonaten ist die Darlehenskassenorganisation eine wertvolle Hilfe für die Refinanzierung von Banken und gewerblicher Wirtschaft gewesen, aber doch in verhältnismäßig kleinem Rahmen und damit ohne starke inflatorische Impulse auszuüben. I n den Jahren 1915 und 1916 wurde dann schon die öffentliche Hand (einschließlich der Kriegsgesellschaften) der wichtigste Kreditnehmer. Damit fror ein immer größerer Prozentsatz der Darlehen ein. Sehr vorteilhaft war es für die Banken, an Quartalsenden kurzfristige Ultimogelder bei den Darlehenskassen aufzunehmen. Wenn sie auch höhere Zinsen zahlen mußten, so doch nur kurzfristig. Damit standen sie günstiger als beim Rediskont von Wechseln. Da auch die private W i r t schaft gern ihren Ultimobedarf bei den Darlehenskassen befriedigte, sind die i n Übersicht 15 ausgewiesenen Zahlen wahrscheinlich etwas
86
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
überhöht gegenüber der durchschnittlichen Inanspruchnahme, da sie jeweils den Ultimostand ausweisen 54 . Die ausgegebenen Darlehenskassenscheine gingen entweder an die Reichsbank i m Tausch gegen Banknoten oder kamen als Papiergeld — meist i n kleiner Stückelung als Ersatz für das gehortete Münzgeld — i n den Umlauf. I n diesem Zusammenhang läßt sich der von der Reichsbank festgestellte Mangel an Münzgeld 5 5 zum Teil sicher als Auswirkung des Greshamschen Gesetzes erklären. Goldmünzen — soweit sie nicht an die Reichsbank abgeliefert wurden —, Silbergeld, zuletzt sogar Kupfermünzen verschwanden aus dem Verkehr. Das schlechte Geld verdrängte das gute (d. h. das Geld m i t Substanzwert). Die Hortung dieser Gelder stellte einen gewissen Nachfrageausfall dar. I n Anbetracht dessen und auch der Tatsache, daß die Inanspruchnahme der Darlehenskassen i n der ersten Kriegshälfte verhältnismäßig gering blieb, kann man urteilen, daß auch die Entfaltung zusätzlicher Nachfrage mit Hilfe des Darlehenskassenkredits i n diesem Zeitraum keinen großen Umfang hatte. Die inflationistischen Effekte, soweit sie nicht durch gegenläufige überhaupt aufgehoben wurden, blieben also gering. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Darlehenskassen sich von ihrer ursprünglichen Aufgabe schon sehr weit entfernt hatten, nachdem sie i n deren Rahmen i n höchst geringem Maße in Anspruch genommen worden waren. 3.
Kreditbanken
Zweifellos mußte die Umstellung der Wirtschaft auf die Kriegsproduktion und die A r t und Weise der Kriegskostendeckung durch das Reich sich stark auf die Lage der Geschäftsbanken auswirken. Leider läßt sich die Veränderung der Bankbilanzen als Niederschlag dieser Entwicklung statistisch nicht so vollständig und kontinuierlich nachweisen, wie das bei Reichsbank und Darlehenskassen der Fall ist. Die Veröffentlichung der Zweimonatsausweise wurde bei Kriegsbeginn eingestellt. Es bleiben also nur die — üblicherweise „verschönerten" — Jahresabschlußbilanzen als Unterlage. Sie genügen aber, um die Entwicklung der Kreditbanken nach Überwindung der Mobilmachungsperiode grob zu charakterisieren. Die i n der zeitgenössischen Literatur und den Veröffentlichungen der Reichsbank immer wieder konstatierte Verflüssigung i m monetären Bereich geht aus den Abschlußzahlen der ersten Kriegshälfte noch nicht so eindeutig hervor. Sie mußte sich also als eine Veränderung des Bilanzinhalts ergeben haben, denn erst i m Laufe des Jahres 1916 begann sich 54 55
Vgl. Darlehenskassen 1915, S. 4. Vgl. Reichsbank u n d Geldmarkt I, S. 8 f.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
87
das Bilanzvolumen der Kreditbanken merklich auszudehnen. Dabei stiegen auf der Passivseite die Einlagen von Nichtbanken kräftig an, schwankten dabei aber offensichtlich recht stark i m Rhythmus der Auflage von Kriegsanleihen 58 . Schon daran ist zu ersehen, daß sich der Charakter der Einlagen von Kriegsanfang an zu ändern begann. Leider läßt sich derjenige Teil der fremden Gelder, der wegen des Wegfalls früherer Kreditgewährungsmöglichkeiten (Außenhandelskredit, Börsenkredit) verfügbar blieb und sich durch Vorratsabbau und Unterlassung von Ersatzinvestitionen erhöhte, soweit nicht vorher Schuldtilgungen i n Frage kamen, von den zahlungstechnisch und liquiditätsmäßig bedingten Einlagen nicht trennen. I m allgemeinen war i n der ersten Kriegshälfte die Neigung zu längerfristiger Anlage der freien Gelder i m Bankensektor nicht sehr groß. I n dem Posten „Depositen", wie ihn die zusammengefaßte Bilanz sämtlicher berichterstattenden Institute ausweist (vgl. Übersicht 18), sind alle nicht täglich fälligen Gelder enthalten. Einen gewissen Eindruck von der Höhe der längerfristigen Zeitdepositen gibt der Ausweis der Berliner Großbanken (vgl. Übersicht 19), der nur geringe Beträge ausweist, die über drei Monate liefen. Prion 5 7 ist nun der Ansicht, die falsche Zinspolitik der Banken habe verhindert, daß diese Gelder vollständig i n Kriegsanleihen angelegt und dadurch, daß das Reich damit seine Notenbankschuld abbaute, endgültig vernichtet wurden. Da die Banken i n diesem Zeitraum für täglich fällige Guthaben bis zu 3 °/o, für Termineinlagen bis zu 4,5 % zahlten, sei es einleuchtend, daß die Privaten diese Anlage gegenüber der nur 5°/oigen Anleihe vorzogen. Bei einer Zinssenkung mußte aber die Reichsbank vorangehen. Warum sie den Diskont, der Ende 1914 auf 5 °/o gesenkt worden war, nicht noch weiter herabsetzte, ist nicht ganz klar. Sie hielt damit praktisch kurz- und langfristigen Zins auf gleicher Höhe. Es ist jedoch sehr fraglich, ob bei stärkerer Staffelung der Zinssätze die Abschöpfung größerer Beträge möglich gewesen wäre. M i t Zinspolitik war i n dieser Situation wohl nicht viel zu erreichen. Es ist schon einmal darauf hingewiesen worden, daß bis etwa Mitte 1916 die stattfindende Geldschöpfung der Reichsbank durchaus zur Geldversorgung notwendig war. I m übrigen fällt auf der Passivseite nur der Rückgang des Akzeptkontos auf, der aus der Unterbindung des Außenhandels resultierte, bei dessen bankmäßiger Abwicklung das Bankakzept ein beliebtes Kreditinstrument war. Auch die mit seiner Hilfe übliche Geldbeschaffung am Privatdiskontmarkt wurde weitgehend überflüssig. Auf der Aktivseite der Bankbilanzen sind die Veränderungen wesentlich vielfältiger. Auffallend ist zunächst die Erhöhung von Kasse und 56
Vgl. Prion, W i l l i , a.a.O., S. 46. Prion stellt anhand der Veröffentlichungen zweier Banken die Schwankungen des Einlagenbestandes graphisch dar. 67 Vgl. ebd., S. 10 u n d S. 55 f u n d Mering, Otto v., a.a.O., S. 75.
88
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Notenbankguthaben gegenüber der Friedenszeit. Die alte Forderung, die Primärliquidität zu stärken, wurde nicht aus plötzlicher Einsicht erfüllt. Die Erhöhung war zunächst zahlungstechnisch bedingt. Besonders für die Kriegsanleihetermine mußten liquide M i t t e l bereit gehalten werden. Darüber hinaus hatten sich die Kreditgewährungsmöglichkeiten stark verändert. Die Banken gingen nur zögernd i n eine dauernde Schatzwechselanlage, obwohl diese ja auch sehr liquide war. Bis etwa Mitte 1916 stiegen die Wechselbestände der Banken nicht sehr stark an. Die i n der Literatur vielfach zu findende Behauptung, der Handelswechsel sei sehr bald von den kurzfristigen Schuldtiteln der öffentlichen Hand verdrängt worden und aus dem Portefeuille der Geschäftsbanken verschwunden 58 , muß jedoch geprüft werden. Für die Reichsbank t r i f f t das weitgehend zu (vgl. Übersicht 13). Auch ist richtig, daß viele Unternehmer, die i n Wechseln bezahlt wurden, aufgrund ihrer hohen Liquidität diese Wechsel selbst hielten, um den Zinsgewinn einzuziehen. Wie stand es nun bei den Geschäftsbanken? Tabelle 6 Unterbringung der Schatz- und Handelswechsel (in Mrd. Mark)
Jahresende
diskontierte davon bei Schatzder Reichswechsel bank
davon i m freien Verkehr
1913
Gesamtbe- Gesamtbestand der stand der Reichsbank Geschäftsan Schatz- banken an u. Handels- Schatz-und Handelswechseln wechseln 1,8
3,4
1914
2,9
2,7
0,2
3,9
3,2
1915
5,7
5,2
0,5
5,8
4,1
1916
12,6
8,9
3,7
9,6
6,0
1917
28,6
14,4
14,4
14,6
10,4
1918
55,2
27,2
28,0
27,5
16,0
Quelle: Deutschlands Wirtschaft, Währung und Finanzen, Berlin 1924, S. 62 f.; Der deutsche Ökonomist, Bd. 38 (1920), S. 2.
Aus Tabelle 6 geht hervor, daß i n dieser Zeit — allerdings läßt sich das nur für die Jahresenden nachweisen — sich der größere Teil der ausgegebenen Schatzwechsel bei der Reichsbank befanden. Die i m freien Verkehr abgesetzten Reste konnten nur einen Bruchteil der Wechsel58 Vgl. Lansburgh, Alfred, Die Berliner Großbanken 1915, Die Bank 1916 I , S. 285; ebenso Prion, W i l l i , a.a.O., S. 80; anders dagegen Stucken, Rudolf, a.a.O., S. 26.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
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bestände der Kreditbanken ausmachen. Übersicht 10 zeigt allerdings, daß jeweils vor den Kriegsanleiheterminen erhebliche Beträge an Schatzwechseln außerhalb der Reichsbank gehalten wurden. Daraus läßt sich schließen, daß die Kreditbanken noch beachtliche Bestände an Handelswechseln hatten, diese aber nicht zur Refinanzierung bei der Reichsbank benutzten, sondern sich vielmehr für diesen Zweck, besonders vor Anleiheterminen, m i t Schatzwechseln eindeckten. Einschränkend muß allerdings bemerkt werden, daß außer Handelswechseln sich auch noch Wechsel anderer öffentlicher Körperschaften i m Portefeuille der Banken befinden konnten. Deren Höhe ist jedoch statistisch nicht feststellbar. Auf dem Konto Reports und Lombards waren ursprünglich die Börsenkreddte verbucht. M i t der Schließung der Börse bzw. der Einstellung des Terminhandels froren diese Kredite ein und wurden auf längere Sicht i n Raten abgelöst. Das hätte nun zum völligen Verschwinden dieser Posten aus der Bilanz führen müssen. M i t der Zeit verbuchten die Banken jedoch unter diesem Namen allerlei heterogene Aktivgeschäfte. Dazu gehörten vor allem Kriegsanleihedarlehen an Private, die ihre Hausbank den Darlehenskassen vorzogen. Weiterhin gerieten hierher vor allem Kredite an öffentliche Körperschaften, besonders Kommunen, gegen Hinterlegung von deren Obligationen, denen der Kapitalmarkt versperrt war. So schlich sich auch hier die öffentliche Hand als Kreditnehmer ein. Konnte man diese Kredite noch formal als kurzfristig bezeichnen, so lehnten die allein auf das kurzfristige Engagement bedachten Banken den ganzen Krieg über ab, Kriegsanleihe in großen Beträgen zu übernehmen. Der Posten Effekten blieb deswegen fast unverändert (vgl. Übersicht 18 und 19). Zinsmäßig entstand den Banken daraus kaum ein Nachteil; der Diskont für Schatzwechsel betrug 4 bis 4,5 °/o, wovon sie einen beachtlichen Teil an ihre Einleger weitergeben konnten. Die Debitoren i n laufender Rechnung behielten bis 1916 das größte Gewicht i n den Bilanzen der Kreditbanken. Der Rückgang gegenüber der Friedenszeit beruhte zweifellos auf der Umschuldung i n rediskontfähige Wechselkredite zu Kriegbeginn und der sehr bald einsetzenden Entschuldung der privaten Unternehmer, die durch deren Vorratsabbau ermöglicht wurde. Als neue, kriegsbedingte Kreditarten traten dann die Vorfinanzierungen von Heereslieferungen i n den Vordergrund. Nur zögernd gingen die Banken zur Kreditgewährung an öffentliche Körperschaften über. Sehr ausgedehnt allerdings war ihr Geschäft mit den Kriegsgesellschaften 59 , die ihre umfangreiche Lagerhaltung auch m i t viel Bankkredit finanzierten. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß i m Gefolge der betriebenen Finanzpolitik unter der Oberfläche des hergebrachten Bilanzschemas sich 59
Vgl. Wiedenfeld,
K u r t , a.a.O., S. 47.
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3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
der Bilanzinhalt stark veränderte. Die Kriegswirtschaft bewirkte einen Rückgang der alten Aktivgeschäfte, an ihre Stelle trat unter den alten Namen der Staatskredit und schöpfte die auf der Passivseite zuwachsenden Gelder ab. Die Ausdehnung der Bankbilanzen hielt sich aber i n Grenzen, solange die Umschichtung der Kreditnehmer auf der Aktivseite noch andauerte. Diese kam während des Jahres 1916 zu einem gewissen Abschluß. Die „Flüssigkeit" des Geldmarktes beruhte also auf der Umschichtung innerhalb des monetären Sektors, die als länger dauernder Prozeß zu verstehen ist. Das Reich bezahlte mit neu geschaffenem Geld, damit wurden Kredite getilgt bzw. Guthaben gebildet, wodurch der Kreditschöpfungsspielraum der Banken stieg, aber gleich wieder durch den Staat mit Beschlag belegt und abgeschöpft wurde, wobei das Bilanzvolumen kaum stieg. Auf der Aktivseite verdrängte der Staatskredit den privaten, soweit die Unternehmer sich entschulden konnten.
I V . Zusammenfassung
I m ganzen gesehen hat die Entwicklung der Jahre 1914—1916 i m Prinzip große Ähnlichkeit m i t einem Aufschwung, der i m Gefolge staatlicher Beschäftigungspolitik Platz greift. Ausgangspunkt war eine Depression mit hoher Arbeitslosigkeit. Der Staat verschuldete sich m i t kurzfristigen Titeln bei der Notenbank und fachte mit seiner Nachfrage die W i r t schaftstätigkeit an; allerdings fragte er größtenteils Güter nach, die nach ihrer Fertigstellung dem Wirtschaftsprozeß endgültig entzogen wurden. Dazu kam, daß das friedensmäßige Produktionsvolumen nicht mehr erreicht werden konnte, weil ein wichtiger Teil der Arbeitskräfte an der Front stand. Die private Versorgung mußte aus beiden Gründen besonders leiden. Betrachtet man zunächst den monetären Bereich genauer, so fällt auf, daß trotz hoher zusätzlicher Verschuldung des Reiches das „sichtbare Kreditvolumen" 6 0 wenig stieg. Dies galt i n der ersten Kriegshälfte vor allem für die Geschäftsbanken. Sie hatten vor dem Krieg ihre Kreditschöpfungskapazität stark ausgenutzt (Liquiditätsproblem!), ihre Refinanzierung bei der Notenbank jedoch so gering wie möglich gehalten. Deshalb mußte sich die Reichsbankbilanz bald verlängern, da nicht viel Privatkredit verdrängt werden konnte. Bei den Banken spielte sich ein solcher Prozeß erst auf längere Sicht bei fast gleichbleibendem Bilanzvolumen ab. Die Privaten entschuldeten sich; an ihre Stelle trat der Staat. Für den güterwirtschaftlichen Bereich bedeutete das, daß die Lagerhaltung i m Maße der Entschuldung abnahm. Wurden die Unternehmer M Lautenbach, Wilhelm, Zins, K r e d i t u n d Produktion, hrsg. von Wolf gang Stützel, Tübingen 1952, S. 94.
Α. Die Periode des A b w a r t n s (1914—1916)
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auf längere Sicht dann Einleger der Kreditbanken, so mußte sich auch deren Bilanz verlängern. Diese Gelder wurden dann durch Schatzwechsel absorbiert. Diese Verlängerung der Privatbankbilanzen trat aber erst i m Laufe des Jahres 1916 ein. So kann man sagen, daß i n der ersten Kriegshälfte von den Geschäftsbanken kein zusätzlicher, sondern nur kompensatorischer K r e d i t 8 1 geschöpft wurde. Deswegen gingen von ihnen auch keine inflatorischen Impulse aus. Die von der Reichsbank konstatierte Flüssigkeit des Geldmarktes lag eben darin, daß innerhalb des gleichen Kreditvolumens die Kreditnehmer stärker fluktuierten. Eine weitere Besonderheit des Aufschwungs war — abgesehen von der Mobilmachungsperiode — der geringe Anstieg der Geldmenge, insbesondere auch des Notenumlaufs. Lautenbach 62 bringt die Vermehrung des Bargeldumlaufs m i t dem Lohnsummenanstieg i n Verbindung: Die umlaufende Bargeldmenge passe sich der Lohnsummensteigerung an. Solange der Lohnsatz nicht steige, ergebe sich die Vermehrung nur aus der Zunahme der Beschäftigung. Damit ist der geringe Anstieg der Bargeldmenge einleuchtend erklärt (vgl. Übersicht 17). Auf der anderen Seite erlaubten die hohen Anleiheerträge, also der Verzicht auf den Konsum oder die Reinvestition von Einkommen, eine Vernichtung des zusätzlich geschöpften Geldes, so daß auch die Giralgeldmenge nicht stark anstieg. Ein Vergleich von Geldmengenvermehrung und Preissteigerung i n der Aufschwungperiode ergibt, daß bei verhältnismäßig geringer Steigerung der Geldmenge 63 die Preise vergleichsweise stark anzogen. Daraus könnte man auf eine starke Steigerung der Umlaufsgeschwindigkeit schließen. Dem steht einmal die Ansicht der Reichsbank entgegen, zum anderen eine Berechnung von Bresciani-Turroni, der besonders auf die hohe Kassenhaltung des Heeres und die privaten Horte hinweist 8 4 (vgl. Tabelle 7). Aus rein geldseitig bedingten Gründen konnte also die Preissteigerung nicht resultieren. Erst durch Einordnung der Entwicklung i m güterwirtschaftlichen Bereich sind genauere Aussagen möglich.
81 Z u r Terminologie sei hier kurz angemerkt, daß der Begriff „Geldschöpfung" auf die Noten- bzw. Giralgeldschöpfung seitens der Notenbank beschränkt werden soll, während „Kreditschöpfung" allein die Privatbanken betrifft. 62 Vgl. Lautenbach, Wilhelm, a.a.O., S. 95; ähnlich schon Eulenburg, Franz, Inflation, AfSuS Bd. 45 (1918—1919), S. 489. 63 Geldmenge = Bargeldumlauf (einschl. Darlehenskassenscheine) 4- E i n lagen von Nichtbanken. 64 Bresciani-Turroni, Constantino, The Economics of Inflation, London 1937, S. 166 f. Eulenburg, Franz, a.a.O., S. 492 f., schließt aus der Verlängerung der durchschnittlichen Ruhezeit der Einlagen bei der Reichsbank auf eine V e r ringerung der Umlaufsgeschwindigkeit.
92
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung Tabelle 7 Entwicklung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes (nach Bresciani-Turroni) 1918 1913
1914
1915
1916
1917
1
Jan.Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
1 1
0,92
0,94
0,87
0,72
0,61
0,52 i
0,45
0,48 1 1
Quelle: Bresciani-Turroni, Constantino, The Economics of Inflation, London 1937, S. 166. Als Berechnungsgrundlage ist nur der Großhandelspreisindex angegeben.
I m besonderen Fall der Kriegswirtschaft mußte der Aufschwungprozeß sehr bald an reale Grenzen stoßen. Da nur anfangs die Unternehmer sich von Investitionen zurückhielten und alle Umsatzerlöse i n Löhne und Vorprodukte bzw. Rohstoffe steckten, später aber, angeregt durch die öffentliche Nachfrage, weitgehende Umstellungsinvestitionen vornahmen, so ergab sich, selbst als die Haushalte ihrerseits vermehrt sparten, eine hohe Multiplikatorwirkung und damit ein starker Beschäftigungsanstieg in den brachliegenden Bereichen. Zunächst blieb die Elastizität der W i r t schaft so groß, daß nur bei knappen Kriegsgütern die Preise anstiegen. Wie es Lautenbach für die Entwicklung nach 1933 feststellt, werden die Grenzen der Produktionsausweitung durch drei Faktoren bestimmt 6 5 : 1. das „Arbeitspotential" (Arbeitskraftreserven), 2. das „Betriebspotential" (Anlagen und Vorräte), 3. das „Außenhandelspotential" beschaffung).
(Exportmöglichkeit
zur
Rohstoff-
„Hierbei gilt das Gesetz des Minimums: wenn man auch nur bei einem der Faktoren an die Grenze stößt, so hört die Elastizität der Produktion auf." Die realen Grenzen waren nun sehr bald erreicht, weil es durch die besondere Ausprägung der Kriegssituation zwei Minimumfaktoren gab: einmal stand von den vorhandenen Arbeitskräften ein wachsender, vor allem auch der qualifiziertere Teil an der Front; es gelang nur für eine gewisse Zeit, durch Einstellung von Frauen, Überstunden etc. die Lücke zu schließen; einen Produktivitätsrückgang mußte man dabei i n Kauf nehmen. Zum anderen hatte sich das Außenhandelspotential durch Blockade und Rohstoffmangel verschlechtert. Dagegen gelang die Umstellung des Betriebspotentials auf die Kriegsproduktion leichter und schneller, als man gedacht hatte. Die Elastizitätsgrenze war aber schon 65
Lautenbach,
Wilhelm, a.a.O., S. 104.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
93
auf einem niedrigeren Niveau der Produktion erreicht; i m ganzen ist die Friedensproduktion i n ihrer Höhe nicht annähernd erreicht, sondern schon 1915 um ein Drittel unterschritten worden (vgl. Übersicht 20). Dazu kommt, daß ein großer Teil des erstellten Produkts ja nicht zur Erhaltung oder Erweiterung des Produktionsapparates und zur Alimentierung der Arbeitskräfte bereitgestellt, sondern vom Staat vernichtet wurde, der Güterstrom, auf den die neuen Einkommen stießen, also nicht verbreitert, sondern geschmälert war. I n dieser Entwicklung liegen die güterseitigen Gründe für die Preissteigerung. Sie erschien zunächst als Umstellungs- und Produktionsanreiz ganz willkommen; i m industriellen Bereich hielt sie sich bis 1916 auch noch i n Grenzen, bei den Gütern des täglichen Bedarfs dagegen nicht mehr. Bei weiterhin dringlicher Staatsnachfrage und steigenden Privateinkommen mußten sich die Preissteigerungen verstärken und wohl auch bald Lohnforderungen anschließen, wenn nicht durch Nachfrageverzicht lim privaten Bereich sich die Gesamtnachfrage besser an das Angebot anpaßte. Zunächst bedeutete die Hortung bzw. Demonetisierung von Münzgeld, soweit es nicht gegen Banknoten an die Reichsbank gegeben wurde, einen definitiven Nachfrageverzicht; i n seiner Höhe ist er gering zu veranschlagen. Die Steuereinnahmen sind bezüglich einer Abschöpfungswirkung ebenfalls bedeutungslos, da sie einmal stark zurückgingen, zum anderen nicht zur Tilgung von Notenbankvorschüssen benutzt, sondern voll verausgabt wurden. Die erste Kriegsanleihe stammte zum großen Teil aus Kriegsanleihedarlehen und aufgelösten längerfristigen Guthaben. So setzte ein starker Nachfrageverzicht erst mit der zweiten Kriegsanleihe ein, jedoch i n besonderer Form und Wirkung. Da der Staat zuerst mit zusätzlichem Geld nachfragte und die Privaten erst nachträglich Teile des zusätzlichen Einkommens i n Kriegsanleihen stillegten, wurde das Sparen weitgehend erst durch die Geldschöpfung ermöglicht 66 . Selbst in der Periode bis Mitte 1916, als noch das zusätzlich geschöpfte Geld zum größten Teil durch Anleihen wieder abgeschöpft werden konnte, mußte eine Inflationslücke i n der Weise vorhanden sein, daß die zusätzliche Nachfrage dem Nachfrageverzicht vorauseilte. Das gilt, selbst wenn sie sich i n ihrer nominellen Höhe entsprachen; i n der dazwischenliegenden Zeit kam die Preis- und Einkommenswirkung zum Zuge. Um preis- und einkommensneutral zu sein, hätte der Entzug pari passu m i t der Verausgabung erfolgen müssen. Da die Phasenverschiebung anhielt, mußte auch der durch das sinkende Gesamtprodukt mitverursachte Preisauftrieb anhalten. Er bewirkte, da die Löhne nicht mitzogen, einen beachtlichen Anstieg der Unternehmergewinne 67 . Dieser ermöglichte eine stärkere ββ
Vgl. Lampe, Adolf, a.a.O., S. 79. Die Gewinnsteigerung mußte schon dadurch eingesetzt haben, daß bei steigender Kapazitätsausnutzung u n d gleichbleibenden Löhnen der Fixkosten67
94
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Anleihezeichnung seitens der Unternehmer, gab aber auch Anlaß zu der Kriegsgewinnsteuerdiskussion. Der Lohnanstieg ließ dann nicht mehr lange auf sich warten; die Lohnforderungen wurden aber nicht m i t den hohen Gewinnen der Unternehmer, sondern mit den gestiegenen Lebenshaltungskosten begründet. Hier läßt sich auch die „Verschlechterung der Markvaluta", also das Sinken des Außenwerts der Mark, richtig i n den Zusammenhang einordnen. „Die Zunahme des Verbrauchs muß nämlich die Nachfrage nach Einfuhrgütern vermehren sowie den verfügbaren Überschuß an Ausfuhrgütern vermindern; sie w i r d derart eine ungünstige Zahlungsbilanz schaffen 68 ." Diese Erläuterung, die lediglich die Verschlechterung des Außenhandelspotentials ins Auge faßt, hatte die Reichsbank als eigentlichen Grund angegeben. Sie und die Regierung schlossen aus dem dadurch verursachten Steigen der Kurse für fremde Währungen, daß für den inneren Wert der Mark dadurch nichts Nachteiliges geschehen sei. Als sich die Preissteigerungen jedoch nicht mehr übersehen ließen, entwickelten sie eine eigene Idee von der Verbindung zum Binnenwert der Mark. A m klarsten hat das Helfferich ausgedrückt, der noch i n der Inflationszeit dieser Meinung war: „Die Kette von Ursachen und Wirkungen stellt sich also . . . folgendermaßen dar: Entwertung der deutschen Valuta infolge der Überbelastung Deutschlands mit ausländischen Zahlungsverpflichtungen...; aus der Entwertung . . . hervorgehend Steigerung der Preise aller Einfuhrwaren; daraus hervorgehend allgemeine Steigerung der Preise und Löhne; infolgedessen vermehrter Bedarf der Wirtschaft an Umlaufsmitteln und erhöhter Geldbedarf der Reichsfinanz Verwaltung; infolgedessen schließlich gesteigerte Inanspruchnahme der Reichsbank .. . e ö ." I n Wirklichkeit war der Zusammenhang umgekehrt: Die Erhöhung der monetären Nachfrage bei sinkendem Angebot i m Inland trieb das Preisniveau i m Inland i n die Höhe; dadurch stiegen die Importe und sanken die Exporte; der daraus folgende Devisenmangel ließ die Kurse i n die Höhe schnellen. Die unwägbaren Einflüsse der Spekulation sollen zwar erwähnt werden, lassen sich aber systematisch nicht einordnen. Solange die eigentliche Ursache, nämlich der Nachfrageüberhang i m Inland, nicht ausgeräumt war, mußte dieser Zustand anhalten, und die Reichsbank vermochte ihn auch durch ihre Eingriffe nicht zu eliminieren. Der Kriegsaufschwung 1914—1916 unterschied sich also i n mancherlei Hinsicht von einem „normalen" Konjunktur auf schwung. Formuliert man anteil u n d damit die Stückkosten sanken. Vgl. Ehrlicher, Werner, Geldkapitalbildung u n d Realkapitalbildung, Tübingen 1956, S. 144. 68 Hawtrey, Ralph George, Währung u n d K r e d i t , Jena 1926, S. 204. M Helfferich, K a r l , Das Geld, a.a.O., S. 648.
Α. Die Periode des Abwartens (1914—1916)
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die daraus entstandene Entwicklung i n der Sprache der Quantitätstheorie, die ja immer auf die Verursachung von Preissteigerungen bzw. allgemeinen Geld Wertveränderungen abzielt, so ergibt sich: bei nur mäßig wachsender Geldmenge und stetig sinkender Umlaufsgeschwindigkeit wurde die Erhöhung des Preisniveaus „von der Geldseite her" in geringem, durch ein sinkendes Gesamtprodukt „von der Warenseite her" i n starkem Maße verursacht. Dieser groben Formulierung des Sachverhalts müssen als wichtigste Einzelheiten zur näheren Erläuterung hinzugefügt werden: 1. Die Umschichtung innerhalb der monetären Nachfrage von den Privaten auf den Staat und der realen Zusammensetzung innerhalb des monetären Angebots. 2. Der das Preisniveau steigernde time-lag zwischen Geldschöpfung und Abschöpfung, welcher den Überhang der monetären Nachfrage verursachte. 3. Die unterschiedliche Preissteigerung i n den Sektoren des täglichen Bedarfs und der Industrieprodukte (vgl. Übersicht 28). 4. Der reale Substanzverlust durch die Unterlassung von Reinvestitionen und den Abbau von Vorräten. Punkt 2 läßt auch die Frage auftauchen, ob die noch i n jüngerer Zeit von Forstmann 7 0 geäußerte Ansicht, vor 1916 habe keine Inflation bestanden, zutrifft. I n diesem Zusammenhang ist das wichtigste Problem, ob es richtig ist, wie Forstmann es tut, vom friedensmäßigen Stand des Beschäftigungsniveaus auszugehen und damit den Beginn der Inflation auf den rein hypothetischen Zeitpunkt der Erreichung dieses Standes festzulegen, den er dann willkürlich m i t dem Zeitpunkt zusammenfallen läßt, von dem ab die Anleiheerträge die zusätzliche Geldschöpfung nach Helfferichscher Rechnung nicht mehr decken. Die vorher stattgefundenen Preissteigerungen bleiben damit ungeklärt. Insofern ist es unrealistisch, vom Vollbeschäftigungsniveau „einschließlich der für den Krieg unmittelbar und mittelbar eingesetzten Personen" 71 auszugehen. Sieht man das Charakteristikum der Inflation i n einem konstanten bzw. steigenden Überhang der monetären Nachfrage, so begann die Inflation vor 1916 m i t Erreichung des i m Kriege möglichen, i m Vergleich zum Frieden niedrigeren Produktionsvolumens 72 . Sie trat also schon ein, als die vollständige Konsolidierung der zusätzlichen Notenbankkredite noch gelang. 70 Forstmann, Albrecht, Volkswirtschaftliche Theorie des Geldes, Bd. I I , Monetäre Ökonomie, B e r l i n 1955, S. 735 f.; ders., Z u r Theorie der Inflation, a.a.O., S. 96. 71 Forstmann, Albrecht, Z u r Theorie der Inflation, a.a.O., S. 96. 72 Ebenso Veit, Otto, a.a.O., S. 486.
96
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung B. D i e Periode des Niedergangs (1916—1918) I . Vorbemerkung
I n der ersten Kriegshälfte hatten Burgfrieden und Belagerungszustand, der sehr streng gehandhabt wurde, die politische A k t i v i t ä t weitgehend gelähmt. Der Burgfrieden war Ausdruck dafür, daß man sich einig war, alle Streitfragen bis zum Kriegsende aufzuschieben; zum anderen waren die Parteien des Reichstags an eine eigene parlamentarische Initiative nicht gewöhnt, sondern warteten diejenige der Reichsregierung ab. Die ersten finanzpolitischen Entscheidungen kamen noch innerhalb des Burgfriedens zustande, also i n weitgehender Übereinstimmung aller Parteien. Der Beginn eines Zeitabschnitts wiedererwachender Gegensätze und politischer A k t i v i t ä t läßt sich natürlich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen. Die Ursache für den Umschwung lag zunächst auf dem Gebiet der Kriegspolitik, wobei die Frage der Kriegsziele i m Vordergrund stand (Annexionen!); die Diskussion weitete sich aber bald aus auf innenpolitische Probleme. Bethmann-Hollweg konnte die öffentliche Auseinandersetzung zwischen Regierung, Parlament und Militär eine Zeitlang verhindern, die Enttäuschung über das Ausbleiben der militärischen Entscheidung ließ sie jedoch jetzt allmählich hervorbrechen; sie sollten i n den Auseinandersetzungen über die Friedensresolution des Reichstags und die inneren Reformen ihren Höhepunkt finden. Auch auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Finanzpolitik gelang es nicht, die neuen Probleme weiterhin zu verschleppen oder eine provisorische Lösung der Exekutive zu überlassen. Güterwirtschaftlich trat, abgesehen von den seit Krdegsbeginn beobachteten Engpässen, eine umfassende Knappheitslage ein. Finanzpolitisch war für 1916 mit Sicherheit ein Defizit i m ordentlichen Haushalt zu erwarten. Es erscheint angebracht, aus diesem Blickwinkel etwa die Mitte des Jahres 1916 als Beginn einer neuen Phase der Kriegsfinanzpolitik anzusetzen. Z u diesem Zeitpunkt standen drei Aufgaben an, die den Rahmen der neuen politischen A k t i v i t ä t erweiterten und durch sie bewältigt werden sollten: 1. Die Steuerfrage mußte unter dem Druck der öffentlichen Meinung (Kriegsgewinne) und i m Sinne der nunmehr formulierten finanzpolitischen Linie neu angefaßt werden. 2. Der zeitlich etwas später eintretende Umschwung i n der Kriegskostendeckung, d. h. das Zurückbleiben der Anleiheerträge gegenüber der Notenbankverschuldung, forderte ebenfalls eine neue Initiative. 3. Eine Aufrechterhaltung der Produktion an Kriegsmaterial und den notwendigen Konsumgütern konnte nur durch eine außerordentliche Anstrengung erreicht werden.
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
97
Alle drei Probleme traten i m Sommer 1916 i n Erscheinung und mußten unter M i t w i r k u n g des Reichstags angegangen werden. Insofern waren also auch ökonomische und finanzielle Gründe mit tätig an der Aushöhlung des Burgfriedens, wenn sie auch später gegenüber den kriegs- und innenpolitischen Streitfragen an Gewicht verloren. I I . Verstärkung und Zentralisierung der staatlichen Eingriffe im güterwirtschaftlichen Bereich 1. Die
Ernährungswirtschaft
I m Frühjahr 1916 machte sich infolge der geringen Ernte von 1915 zum ersten Male wirklich drückender Mangel an Nahrungsmitteln bemerkbar. Die bis zu diesem Zeitpunkt herrschende Planlosigkeit i m Ernährungssektor sollte deshalb durch die Errichtung des „Kriegsernährungsamtes" beseitigt werden. Sein Aufgabenbereich umfaßte Produktion, Verteilung und Preisfestsetzung aller Nahrungsmittel. I n der Praxis konnte es allerdings seine Kompetenz erst m i t der Zeit durchsetzen, vor allem weil die i h m nun de jure unterstellten Militärbeschaffungsstellen in alter Selbständigkeit weiterwirtschafteten. E i n sichtbarer Erfolg dieser Maßnahmen blieb aus, obwohl allmählich für alle wichtigen Nahrungsmittel neben den Höchstpreisen Karten bzw. Bezugscheine eingeführt wurden. Die Politik bestand auch jetzt nur i n der Erfassung und Verteilung des Vorhandenen. Der grausame Kohlrübenwinter 1916/17, verursacht durch die Mißernte von 1916, zwang zu einer kaum noch tragbaren Senkung der Rationen, der eine steigende Abwanderung der Waren in den illegalen Markt entsprach. Die i n der Publizistik dieser Zeit vielfach vertretene Liberalisierungsthese besagte, man müsse durch die Aufhebung der Preisvorschriften, welche die Bemühungen um höhere Produktion lähmten, die Landwirte zu größeren Anstrengungen anreizen 73 . Dazu könne man die durch die hohen Preise für den täglichen Bedarf gestiegenen Einkommen der Landwirtschaft und des Handels i n Form hoher Kriegsgewinnsteuern abschöpfen. Abgesehen davon, daß hierfür die steuerpolitische Vorbereitung längst nicht genügt hätte, wagte man auch nicht, während des Krieges das einmal begonnene System umzustoßen, vor allem aus politischen und psychologischen Gründen. Innenpolitisch „durfte doch der Eindruck nicht aufkommen, daß die Staatslenkung i n ihrem ehrlichen Kampf gegen die Teuerung erlahmte", außenpolitisch hätten „für die Feinde höhere Preise den Gradmesser für die Wirksamkeit ihrer Blockade bedeutet" 74 . 73 Vgl. Calwer, Richard, Die Kriegswirtschaft i m Jahre 1917. E i n wirtschaftspolitisches Gutachten, B e r l i n o. J. (1916), S. 45 ff. 74 Skalweit, August, Die deutsche Kriegsernährungswirtschaft, Stuttgart/ Berlin/Leipzig 1927, S. 141.
7 Roesler
98
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
So kam es auch nicht zu einer Koordinierung von Finanz- und Preispolitik. Dagegen mußten i n Engpaßsituationen noch zusätzliche Haushaltsmittel eingesetzt werden, um die durch Kostenerhöhungen gestiegenen Gestehungspreise der Landwirtschaft auf das Höchstpreisniveau hinabzudrücken 75 . Wesentlich stärker belastete noch der sich immer weiter ausdehnende Verwaltungsapparat den Reichshaushalt (vgl. Übersicht 6, Ausgaben des Reichsamts des Innern i m a.o. Haushalt). Die Vielzahl der Ämter und Kompetenzen, die einander zum Teil bekämpften, minderte den Erfolg der staatlichen Lenkungspolitik, belastete den Haushalt m i t zusätzlichen Ausgaben und band wertvolle Arbeitskräfte, die in anderen Bereichen oft sinnvoller hätten eingesetzt werden können. 2. Hindenburgprogramm
und Vaterländischer
Hilfsdienst
Weit tiefer als bisher griff i m Jahre 1916 der Staat i n die Bereiche der Rohstoffwirtschaft, der industriellen Produktion und des Arbeitsmarktes ein. Anlaß bildete die Muniitionskrise vom Sommer dieses Jahres, die durch die ersten großen Materialschlachten ausgelöst wurde. I m „Hindenburgprogramm" verlangte die OHL eine außerordentlich starke Steigerung der Rüstungskapazität. Sie sollte durch die allgemeine Dienstpflicht für Männer vom 15. bis 60. Lebensjahr und auch, i n engeren Grenzen, für Frauen, bewältigt werden. Neben der besseren Versorgung mit Kriegsmaterial versprach man sich von dieser Kraftanstrengung einen propagandistischen Effekt i m In- und Ausland. I m Inland sollte der zerbrökkelnde Burgfrieden erneuert, d. h. alle innerpolitischen Fragen weiterhin auf Eis gelegt und alle Kräfte der Nation auf den militärischen Erfolg konzentriert werden; i m Ausland sollte die augenfällige Steigerung der materiellen Widerstandskraft von Deutschlands Unbesiegbarkeit überzeugen. Organisatorisch wollte man möglichst viel unter Dach bringen, ohne den Reichstag einzuschalten. So rief eine „Allerhöchste Kabinetts-Order" am 1. November 1916 das „Kriegsamt" ins Leben, dem die nunmehr notwendige zentrale Steuerung der gesamten industriellen Produktion obliegen sollte. Bei den Rohstoffen kam es nun nicht mehr allein auf ein Sammeln und Verteilen, sondern auf die Ausweitung der Produktion und die mengenmäßige Abstimmung der einzelnen Produktionsstufen an. Da Kohle und Eisen genügend vorhanden waren, blieb der Minimumfaktor i n diesem Programm eindeutig die menschliche Arbeitskraft. Diese wollte man durch den „Vaterländischen Hilfsdienst" mobilisieren. Diese Frage fiel jedoch i n die Kompetenz des Reichstags. Er nahm zwar am 5. Dezember 1916 das Hilfsdienstgesetz an, jedoch nur gegen erhebliche 75 Vgl. le Coutre, Walter, Die Grundgedanken der deutschen Preispolitik i m Weltkriege 1914—1918, B e r l i n 1919, S. 32 ff.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
99
Zugeständnisse, vor allem an die SPD. Frauen wurden i n die Arbeitspflicht nicht einbezogen, Männer nur vom 17. bis 60. Lebensjahr. Die SPD warf der Regierung vor, sie wolle Kapital und Profit auch jetzt noch schonen und nur den Arbeiter ausnutzen 76 . Deshalb setzte sie innerhalb des Gesetzes eine Bestimmung durch, die später auch den Arbeiter zum Kriegsgewinnler stempelte. Sie erlaubte nämlich innerhalb der allgemeinen Dienstpflicht den Arbeitsplatzwechsel dann, wenn der Arbeiter einen neuen Arbeitsplatz fand, der ihm „eine angemessene Verbesserung der Arbeitsbedingungen" 77 , also i m wesentlichen Lohnerhöhung bot. Damit war der Sinn des Gesetzes ausgehöhlt und der Lohntreiberei Tür und Tor geöffnet. Das Hindenburgprogramm war noch gar nicht richtig angelaufen, als es schon wieder zusammenzubrechen drohte. Der harte Winter 1916/17 legte die Binnenschiffahrt völlig lahm; die stark verschlissene Eisenbahn konnte die Transportschwierigkeiten nicht mehr lösen. So blieb ein Teil der Kohleförderung auf Halde liegen. Helfferich gibt an, daß etwa 40 Hochöfen, die ζ. T. i m Rahmen des Programms m i t staatlichen Mitteln aufgebaut worden waren, nicht i n Betrieb genommen werden konnten 7 8 . Wie Übersicht 20 zeigt, hat das Hindenburgprogramm tatsächlich eine Leistungssteigerung der Kriegsindustrien zustande gebracht. Diese ist aber mit zu großem Aufwand erkauft worden. I n der Überspanntheit der ersten Periode des Programms sind Fehlinvestitionen gemacht worden, die nicht mehr zu heilen waren, wie ζ. B. die oben erwähnten Hochöfen und der übertriebene Bau von Rheinbrücken, die nicht mehr fertig w u r den 79 . Erst als man die Plangrößen reduzierte und besser aneinander anpaßte, entsprachen sich Einsatz und Erfolg. 3. Lohn-
und Preispolitik
in der
Rüstungsindustrie
Die letzte Bemerkung gilt jedoch nur in rein güterwirtschaftlicher Sicht. Finanzwirtschaftlich bedeutete das Hindenburgprogramm das Absinken i n eine völlig zügellose Ausgabenwirtschaft. Weniger denn je versuchte man, das Anwachsen der Kriegsausgaben aufzuhalten. Trotz aller Versuche des Kriegsamts gelang es nicht, die Preisstellung sowohl auf der Input- wie auf der Outputseite unter Kontrolle zu bringen. Die betriebene Politik blieb zusammenhanglos, versuchte immer nur, Einzelheiten zu regeln, wobei oft eine neue Vorschrift noch lange i n der L u f t hing, weil die Frage der Zuständigkeit für ihre Durchführung vernachlässigt worden war 8 0 . Drei Faktoren sollen besonders untersucht werden, 7β 77 78 79 80
Τ
R T Bd. 308, S. 2290. „Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst", RGBl. 1916, S. 1333, § 9. Vgl. Helfferich, K a r l , Der Weltkrieg I I , a.a.O., S. 277 ff. Vgl. Goebel, Otto, a.a.O., S. 93. Vgl. ebd., S. 107.
100
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
bevor einzelne Probleme der Preispolitik knapp skizziert werden: die Entwicklung der Löhne, der Abschreibungen und der Rohstoffpreise. Die ungünstige Regelung der Lohnfrage ist bereits erwähnt worden. Durch hohe Locklöhne, welche die Industrie i n ihren Preisen an Staat und Verbraucher weitergeben konnte, wurden die Arbeiter einander abgeworben. Die starke Fluktuation wirkte sich neben der sinkenden Qualität und Leistungskraft (vgl. Übersicht 22) ungünstig auf das Produktionsergebnis aus. Darüberhinaus forderte die Arbeiterschaft insgesamt, vorwiegend i n den Rüstungsindustrien (Munitionsarbeiter!), wegen der dauernd steigenden Lebenshaltungskosten höhere Löhne und setzte ihre Forderungen m i t Hilfe von Streiks durch. Übersicht 23 zeigt die Arbeitsniederlegungen aus lohnpolitischen Gründen, Übersicht 24 den Anstieg der Löhne. Daraus ist ganz eindeutig zu sehen, daß bis 1916 der Burgfrieden auch dadurch gewahrt blieb, daß die Arbeiterschaft m i t Lohnforderungen zurückhielt. Andererseits ist bei der rapiden Steigerung des Preisniveaus erst 1918 eine kleine Reallohnsteigerung erreicht worden. Die Frage der Abschreibungen trat bei der Ausdehnung der Rüstungsindustrie deswegen i n den Vordergrund, weil man einen Aufbau i n Reichseigentum ablehnte, damit der Staat i m Frieden nicht mit großen unbeschäftigten Anlagen belastet war. Man überließ also das Investitionsrisiko dem Unternehmer, kam ihm aber i n der Preisgestaltung so entgegen, daß er seine Neuanlagen kurzfristig abschreiben konnte. Einen Teil der Investitionskosten zahlte das Reich zudem als verlorenen Zuschuß, der Rest wurde als Sonderabschreibung über die Preise der Endprodukte bei Gewährung langfristiger Lieferverträge abgerechnet. So konnte es dazu kommen, daß Rüstungsbetriebe schon innerhalb von 1 bis 2 Jahren vollständig abgeschrieben waren; soweit sie weiterproduzierten und die Preiskontrolle nicht eingriff, wurden die weiteren Abschreibungsbeträge „verdient" 8 1 . Das gleiche gilt für Unternehmer, die schon länger i n der Kriegsproduktion arbeiteten, bei denen die Behörden die Berechtigung der Abschreibungssätze überhaupt nicht nachprüfen konnten. I m Rohstoffsektor hatte man sich bisher nur um die sogenannten Sparstoffe gekümmert (NE-Metalle, Textilrohstoffe, Mineralöl etc.). Bei ihnen war der Preisanstieg durch die geringe Inlandskapazität hinreichend erklärt. Er lockte nun mehr und mehr Existenzen hervor, die sich lediglich damit befaßten, wie auch bei knappen Konsumgütern große und kleine Posten der begehrten Rohstoffe untereinander zu verschieben, u m damit i m Rahmen der Preisvorschriften bequeme Gewinne einzuheimsen (Kettenhandel). Nunmehr traten auch Kohle und Eisen i n den Vordergrund. 81 Vgl. Leitner, Friedrich, Über staatliche Preispolitik i n der K r i e g s w i r t schaft, Z f H u H Jg. 11 (1918/19), S. 137.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
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Deren Gestehungskosten waren vor allem von der Lohnentwicklung abhängig, da sie zum großen Teil i m eigenen oder besetzten Land abgebaut wurden. Die starke Konzentration i n der Grundstoffindustrie machte den Markt zwar übersichtlich für die staatliche Verwaltung, brachte ihr aber einen Gegner mit erheblicher Marktmacht. Er wehrte sich verbissen gegen die Versuche, Einblick i n die Kalkulationsgrundlagen zu nehmen. Die Stahlindustrie drohte in diesem Zusammenhang sogar, die Hochöfen auszublasen 82 . Vom Geist des Hindenburgprogramms war also dort nicht viel zu spüren. Hier und in der verarbeitenden Industrie war das Reich eben nicht i n der Lage, i n der A r t der offenen Ausschreibung nur das preiswerte Angebot zum Zuge kommen zu lassen. Es mußte alle Kapazitäten voll ausnutzen, die naturgemäß mit sehr unterschiedlichen Kosten arbeiteten. So wollte man für gleichartige Produkte nicht gleiche Preise vorschreiben, sondern sie für Einzelaufträge oder bei Massenfabrikaten als Einheitspreise aushandeln, letztere unter Umständen noch als Gruppenpreise für Klein-, Mittel- und Großbetriebe staffeln und diie Revision dieser Preise möglichst lange hinauszögern. Differentialrenten ließen sich dabei nicht vermeiden. I m allgemeinen hielten die ausgemachten Preise nur kurze Zeit, da Löhne und Rohstoffpreise stiegen und damit Preisänderungen auch für den Bearbeiter berechtigt erschienen. Für die Preiskontrolle dienten als gröbste Grundlage die Selbstkosten zuzüglich eines „angemessenen" Gewinnzuschlages. Eine Einigung über die Reichweite des Begriffs „Selbstkosten" ist nicht zustande gekommen. Zunächst galten ja die Preise der wichtigsten Inputfaktoren (Löhne, Rohstoffe) als gegeben. Bei anderen Kostenbestandteilen, über deren Ansatz der Unternehmer selbst entscheiden konnte, ergab sich die Notwendigkeit, den Leistungsanreiz zu erhalten. Einige Beispiele sollen die dabei auftretenden Schwierigkeiten verdeutlichen. Daß man bei den Abschreibungen großzügig vorging, ist oben bereits gesagt worden. Der Ansatz der Umsatz- und Kriegsgewinnsteuer wurde dagegen heftig umkämpft, denn i n diesen Fällen hätte der Fiskus an die Kriegslieferanten das zahlen müssen, was er ihnen durch die Steuer entzog. Viele Schwierigkeiten ergaben sich auch bei der Festlegung der Gemeinkostenzuschläge, weil die Kalkulation ja noch sehr grob war. I m allgemeinen stellte man nur Materialkosten und Arbeitslohn pro Stück fest und schlug die übrigen Kosten i n Form prozentualer Zuschläge vom Arbeitslohn auf. Diese Sätze schwankten von 3 °/o bis 600 °/o83. Es konnten bei Lohnsteigerungen also erhebliche „stille" Gewinne entstehen, selbst 82 Vgl. Fernau, Hans-Georg, Die Beziehungen zwischen K r i e g u n d W i r t schaft i n ihren historischen Wandlungen, Erlanger Diss. 1955, S. 81. M Vgl. Fernau, Hans-Georg, a.a.O., S. 83.
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3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
wenn man den Prozentsatz des Zuschlags nicht änderte, also Proportionalität von Lohn- und Gemeinkosten unterstellte. Wurden dann auch noch die Gemeinkostensätze erhöht, so ging dies oft über die tatsächliche Steigerung der Gemeinkostenelemente hinaus. Damit waren dann die Gewinne entsprechend höher. Einen Extremfall der Gemeinkostenmanipulation schildert Leitner 8 4 . Ein Unternehmer hatte bei einer Kriegslieferung einen beachtlichen Verlust erlitten. Diesen schlug er bei dem nächsten Heeresauftrag einfach auf, indem er ihn als Gemeinkostenzuschlag auf den ganzen Auftrag verteilte. Die Gemeinkosten waren damit um 65 °/o höher, als es tatsächlich berechtigt gewesen wäre. I n diese Dinge hatte die Allgemeinheit, und dazu gehörte auch ein großer Teil der Politiker in Regierung und Reichstag, wenig Einblick 8 5 . Die Tagesdiskussion entzündete sich am „übermäßigen Gewinn", der i n hohen Dividendenzahlungen zum Ausdruck kam und über dessen Zustandekommen man sich die unmöglichsten Vorstellungen machte. „Als eine bekannte Aktiengesellschaft 30 %> Dividende verteilte, glaubte man an leitender Stelle, jene Gesellschaft verdiene an jedem Stück 30 Mark (bei einem Lieferpreis von 90 Mark)" 8 6 . Deswegen spitzten sich die Auseinandersetzungen oft auf die Berechtigung von Gewinnzuschlägen zu. Einmal wandte sich das Kriegsamt überhaupt gegen einen prozentualen Gewinnzuschlag. Bei steigenden Kosten entstanden dadurch nämlich steigende Stückgewinne. Besondere Aufmerksamkeit fanden auch die im Gewinnzuschlag enthaltenen Risikoprämien. Da die Unternehmer bei den Gewinnbestandteilen Kapitalzins und Unternehmerlohn nicht viel für sich herausholen konnten, da ja dann der Vorwurf des übermäßigen Kriegsgewinns berechtigt gewesen wäre, versuchten sie es über die Unterstellung eines höheren Risikos. Sie begründeten dies mit der Gefahr von Lohn- und Rohstoffpreissteigerungen (vor allem, wenn Einheitspreise ausgehandelt werden sollten), besonderen Gefahren (Sprengstoffabrikation, Fliegerangriffe) und höherem Ausschuß (schlechte Arbeiter, schlechtes Material). Die preisprüfenden Organe standen hier vor unlösbaren Aufgaben. Anstatt die Einheitspreispolitik der ersten Kriegszeit zu verschärfen, was der einfachste und wirksamste Weg gewesen wäre, wollten sie den Besonderheiten des Einzelbetriebs entsprechen, waren aber dazu bei der Masse der Vorfälle gar nicht fähig. 84
Leitner, Friedrich, Übermäßiger Gewinn, Z f H u H Jg. 10, (1917/18), S. 88. Die V e r w a l t u n g w o l l t e sich i m allgemeinen m i t der Industrie arrangieren. Eine Ausnahme bildete der „ F a l l Daimler", der zu einer weitläufigen Diskussion der übermäßigen Gewinne i m Reichstag führte. Vgl. R T Bd. 311, S. 4498 ff. u n d S. 4580 ff. 86 Leitner, Friedrich, Über staatliche Preispolitik i n der Kriegswirtschaft, a.a.O., S. 137. 85
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
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Auch machte die Inflation die Kosten- und Preisermittlung bei laufend steigenden Löhnen und Rohstoffpreisen schwierig. M i t Vorstellungen vom „angemessenen Preis" konnte man sie jedoch nicht i n den Griff bekommen. 4. Ergebnis
Insgesamt gesehen wurden Landwirtschaft und Industrie durch die Kriegswirtschaft, insbesondere durch die Anstrengungen des Hindenburgprogramms, äußerst ungünstig beeinflußt. Eine Erneuerung bzw. Erweiterung des Produktionsapparates unterblieb weitgehend; das Produktionsergebnis verminderte sich durch Verschleiß und Reparaturanfälligkeit der Anlagen. Die schlechte Ernährung drückte die Leistungsfähigkeit der Arbeiter und damit die Produktivität herab. I n der gleichen Richtung wirkte, global gesehen, das Aufkommen der vielen unproduktiven Beschäftigungen i m Schleich- und Kettenhandel. Das Hindenburgprogramm brachte m i t einem geringen Produktionszuwachs i n den Kriegsindustrien, der jedoch schon 1918 wieder absank, eine weitere Verzerrung der Produktionsstruktur zu den Kriegsindustrien hin. Übersicht 20 zeigt, daß nur in der Grundstoffindustrie eine Steigerung des Outputs zu verzeichnen war (die verarbeitende w i r d von der Statistik nicht gesondert erfaßt), der Vergleich von Übersicht 21 und 22 aber auch, daß bei wachsender Beschäftigtenzahl dort das Gesamtergebnis zurückging. Der Bedarf des Heeres konnte zwar gedeckt werden, aber nur auf Kosten der privaten Versorgung i n der Weise, daß von dem sinkenden Gesamtprodukt der Staat i m Wege der inflationären Übernachfrage immer größere Teile an sich zog. Die Ansätze der Preispolitik traten hinter diesen realen Notwendigkeiten zurück. Sie wurden von den Heeresbeschaffungsstellen durch großzügige Preisgebote, von der Industrie durch Widerstand gegen die Eingriffe i n die Kalkulation oder Umgehung der Preisvorschriften hintertrieben. Ein Zusammenhang m i t der Finanzpolitik wurde vollends überhaupt nicht gesehen.
I I I . Die öffentliche Finanzwirtschaft 1. Die Stellung
von Regierung
und Parteien
zur
Steuerfrage
Ziemlich unklar war zunächst die Stellung des Reichstags zur Steuerfrage, selbst wenn man berücksichtigt, daß das Vorbereitungsgesetz schon 1915 angenommen wurde. Es sagte über den Charakter und die Höhe der kommenden Steuerbelastung noch nicht viel aus. I m übrigen bestand ja im Reichstag seit 1912 die gleiche Zusammensetzung der Parteien, die sich vor dem Kriege nicht sehr bewilligungsfreudig gezeigt hatte. I n den langen Jahren der Reformversuche agierten die Parteien,
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3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
vor allem die bürgerlichen, nur als Vertreter bestimmter Interessen. Man mußte befürchten, daß es dabei blieb, zumal man alle grundlegenden Änderungen ja auf den Frieden verschoben hatte. Von den Parteien hüteten die Konservativen vor allem die Finanzhoheit der Bundesstaaten und agrarische Interessen, die Nationalliberalen standen der Industrie nahe. Die Haltung des Zentrums — nach der SPD die stärkste Partei — blieb höchst uneinheitlich, da es in sich die Vertreter der verschiedensten Interessenstandpunkte vereinigte. Die Fortschrittler schließlich hatten sich von ihrem strengen, fast manchesterliberalen Standpunkt i n einer längeren Entwicklung entfernt und näherten sich — vor allem i n finanzpolitischen Fragen — der Sozialdemokratie. I m ganzen gesehen waren die bürgerlichen Parteien der Ansicht, daß Steuern, gleich welcher Art, den w i r t schaftlichen Fortschritt und die Produktion hemmen; sie wurden i n dieser Auffassung auch durch bedeutende Nationalökonomen bestärkt 8 7 . Die SPD verfügte i m Gegensatz zu den anderen Parteien von jeher über ein festumrissenes, i m Sinne der sozialistischen Doktrin auch theoretisch durchdachtes Steuerprogramm. Es wurde i m Verlaufe der ideologischen Auflockerung durch den Revisionismus seines klassenkämpferischen Charakters zum Teil entkleidet und i n der parlamentarischen Taktik insoweit variabel gehandhabt, als man nicht auf Durchsetzung des ganzen Programms bestand, sondern nach der Methode der „ A b schlagszahlungen" 88 auch Einzelfortschritte durchzusetzen versuchte. Gegenüber dem ideologisch bedingten Desinteresse der radikalen Minderheit (Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft, später USPD) an der Finanzpolitik 8 9 orientierten die Mehrheitssozialisten ihre Steuerpolitik über das Interesse der von ihnen vertretenen „Klasse" hinaus an sozialen Anliegen der Allgemeinheit 9 0 . Sie verlangten progressive Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftssteuern (direkte Steuern) und lehnten alle Verbrauchsteuern und Verkehrssteuern (indirekte Steuern) ab. K r i t e r i u m für diese Haltung war ihre Vorstellung von der Überwälzung. Bei einer indirekten Steuer sei die tatsächliche Inzidenz nicht ersichtlich, die Wahrscheinlichkeit spreche für eine vollständige Abwälzung auf den Verbraucher, also für eine regressive Wirkung i m Gesamtsystem. Außerdem hemme sie — vor allem als Verkehrssteuer —- den wirtschaftlichen Fortschritt. Eine direkte 87
Vgl. Schumpeter , Joseph Α., Die Krise des Steuerstaates, i n : Aufsätze zur Soziologie, Tübingen 1953, S. 24 ff. (erschienen 1918). 88 Vgl. Bergsträßer, L u d w i g , a.a.O., S. 206. 89 Sie sahen die F u n k t i o n der Steuer n u r i n der Erhaltung des Klassenstaates u n d lehnten sie deswegen rundweg ab. 90 Vgl. zum folgenden: Mengelberg, Käthe, Die Finanzpolitik der sozialdemokratischen Partei i n ihren Zusammenhängen m i t dem sozialistischen Staatsgedanken, Mannheim 1919.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
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Steuer setze nicht i m Wirtschaftsprozeß, sondern an seinem Ergebnis (dem Mehrwert) an, sei also nicht fortschrittshemmend, erlaube Einsicht in die tatsächliche Steuerlastverteilung und ermögliche ihre soziale Ausgestaltung nach der Leistungsfähigkeit. I n dieser Haltung stand die SPD den Fortschrittlern nahe 91 . M i t dieser Darstellung der finanzpolitischen Meinungen i m Reichstag ist aber noch nichts über ihre faktische Bedeutung gesagt. Nach dem Verfahren der Gesetzgebung und dem Einfluß der Parteien auf die Ausgestaltung der einzelnen Projekte i m vorparlamentarischen Raum wäre es falsch, dem Reichstag ein allzugroßes Gewicht beizumessen. Vielmehr gingen die eigentlichen Gesetzesinitiativen von der Reichsregierung aus, deren Pläne unter Ausschluß der Öffentlichkeit i m Bundesrat m i t den Vertretern der Bundesstaaten diskutiert und abgestimmt wurden und insofern schon als Kompromißlösung in den Reichstag kamen. Der Einfluß des Bundesrates darf hier deswegen nicht unterschätzt werden, weil der Reichstag, entsprechend der allgemeinen Unterentwicklung des Parlamentarismus i n Deutschland, die als Gesetzesvorlage erscheinenden Bundesratsbeschlüsse nur zu kommentieren und in Einzelheiten abzuändern gewohnt war und dann darüber abstimmte, aber ganz selten eine eigene Initiative ergriff. I m Parlament wurde also vor allem auf steuerlichem Gebiet nur das diskutiert, was die Regierung m i t Zustimmung des Bundesrates einbrachte 92 . Der Charakter der Kriegssteuervorlagen läßt das ganz deutlich erkennen, wenn auch gegen Kriegsende das Selbstvertrauen des Reichstags erheblich zunahm.
2. Die Steuerdiskussionen
im Reichstag
a) Die Kriegssteuern von 1916 M i t dem Haushaltsplan für das Jahr 1916 brachte Helfferich gleichzeitig die angekündigten Steuervorlagen i m Reichstag ein. I n seiner Etatrede 98 lehnte er es ab, den voraussichtlichen Mehrbedarf von 500 Millionen Mark oder sogar den ganzen Zinsendienst ebenfalls aus dem außerordentlichen Haushalt zu bestreiten. Damit würde die Grenze zur unsoliden Finanzpolitik überschritten. Er bekräftigte vielmehr die 1915 91 Die von der SPD benutzten K r i t e r i e n zur Einteilung i n direkte u n d indirekte Steuern waren umstritten. Das ergab sich ζ. T. aus der finanzpolitischen Situation i m Reich. Das Prinzip, den Ländern die direkten Steuern zu erhalten, umging man, indem m a n i m obigen Sinn direkte Steuern zu i n d i r e k ten deklarierte (Tantiemesteuer als Stempel, Erbschaftssteuer). Die obige E i n teilung genügt zur Darstellung der Kriegssteuerpolitik. 92 Vgl. Bredt, V i k t o r , Der deutsche Reichstag i m Weltkrieg, B e r l i n 1926, S. 380 ff. 9S R T Bd. 306, S. 768 ff.
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3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
festgelegte Linie der Finanzpolitik; der Zinsendienst müsse voll durch ordentliche Einnahmen gedeckt sein. Für die mangelnde „Originalität" seiner Steuerpläne entschuldigte er sich weitläufig. Sie seien praktisch nur Notbehelfe und müßten in der nach dem Kriege notwendigen Finanzreform auf jeden Fall revidiert werden. Man könne nur dort ansetzen, wo die ebenfalls m i t zusätzlichen Aufgaben belasteten Länder und Kommunen noch einen steuerlichen Zugriff zuließen. Deshalb sei als direkte Belastung nur die Besteuerung der Kriegsgewinne möglich. Dazu müßten weitere indirekte Abgaben kommen, die wenig drückend für den Zensiten und zugleich ergiebig und leicht zu handhaben für den Fiskus seien. I n der Tat tauchten i n den Gesetzesentwürfen alle Schablonen der Vorkriegszeit wieder auf. Die Kriegsgewinnsteuer 94 sollte weitgehend nach den Methoden erhoben werden, die man für Wehrbeitrag und Besitzsteuer entwickelt hatte. Sie war für Privatpersonen als einmalige außerordentliche Abgabe von dem i m Kriege (zwischen dem 31.12. 1913 und dem 31. 12. 1916) entstandenen Vermögenszuwachs gedacht, der durch die Veranlagung zur Besitzsteuer von 1913 gerade zu dieser Zeit festgestellt wurde. I n der amtlichen Begründung gab man zwar zu, daß eine Erfassung allein des Vermögenszuwachses das verbrauchte Mehreinkommen freilasse und so den Konsum übermäßig fördere, stellte dem jedoch folgende Vorteile gegenüber: Man brauche nicht i n die Einkommen- bzw. Vermögensbesteuerung der Länder einzugreifen 95 ; die Veranlagung nach dem Vermögenszuwachs sei reichseinheitlich bereits geregelt, die nach dem Mehreinkommen jedoch nicht; der Entwurf nehme Rücksicht auf die Verteuerung der Lebenshaltung, denn bedarfsnotwendiges Einkommen führe eben nicht zur Vermögensbildung; eine Besteuerung des Mehreinkommens beachte gleichzeitige Vermögensverluste nicht, schaue also nicht auf die Leistungsfähigkeit; die Allgemeinheit der Besteuerung sei durch eine Vermögenszuwachssteuer besser gewahrt, weil sie nicht das Unmögliche versuche, die Kriegsgewinne i m engeren Sinne zu isolieren, sondern jeden Vermögenszuwachs erfasse. Die Steuersätze beliefen sich, bei Gewährung großzügiger Freibeträge, auf maximal 25 °/o des Vermögenszuwachses natürlicher Personen. Um allzu krasse Umgehungen zu vermeiden, wollte man Neuerwerbungen an Luxus- und Kunstgegenständen steuerpflichtig machen. Bei Gesellschaften war der entsprechend dem Vorbereitungsgesetz festgestellte Mehrgewinn die Bemessungsgrundlage, der bis zu 50 °/o der 94
Gesetzentw. u n d amtl. Begr. R T Bd. 317, Nr. 223. Hierbei ist zu beachten, daß die damalige Einkommenbesteuerung noch zum großen T e i l auf der sogenannten Quellentheorie beruhte, d. h. n u r dauernd aus bestimmten Quellen fließendes Einkommen erfaßte. Der V e r mögenszuwachs wurde dabei nicht als Einkommen aufgefaßt. 95
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
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Besteuerung anheimfallen konnte. Der Ertrag der Kriegsgewinnsteuer wurde nur in Form eines Leertitels in den ordentlichen Haushalt eingeplant; soweit er dort nicht zur Abdeckung eines Defizits benötigt wurde, sollte er zur Schuldentilgung verwandt werden. Die übrigen Steuervorschläge* 6 beschränkten sich auf die Verschärfung der indirekten Belastung, die i n keiner Weise ökonomisch und finanzpolitisch begründet, sondern lediglich als fiskalisch notwendig dargestellt wurde. Dabei erscheint die Erhöhung der Tabaksteuer als zusätzliche Belastung des Luxuskonsums noch am ehesten sinnvoll. Die Erhöhung des Frachturkundenstempels und die geplante Abgabe i n Form eines Zuschlages zu den Postgebühren blieb dagegen ganz auf der alten Linie der Verlegenheitssteuern, d. h. der Vermehrung der Stempel bzw. Verkehrssteuern. Das gilt zunächst auch für den Plan eines Quittungsstempels m i t Quittungspflicht für Zahlungen über 10 Mark, also einer Abgabe, die einer allgemeinen Umsatzsteuer sehr nahe kam. Bei tariflich gesehen minimalen Steuersätzen — Zahlungen bis zu 100 Mark sollten mit 10 Pfennig, über 100 Mark mit 20 Pfennig je volle 100 Mark Rechnungsbetrag besteuert werden — die den Anschein der Unmerklichkeit der Belastungen hervorrufen wollten, erwartete man aus der Vielzahl der Steuervorfälle eine hohe Einnahme. Die Kombination von direkten und indirekten Steuern hielt Helfferich für notwendig, weil i m Reichstag nur eine solche Verbindung Aussicht auf Erfolg habe 97 . Zunächst versuchten die bürgerlichen Parteien schon vor der Etatrede Helfferichs eine Einbringung der Vorlagen zu vermeiden. Sie beriefen sich dabei vor allem auf die Notwendigkeit, den Burgfrieden zu erhalten 98 . Als Helfferich ablehnte, verlegten sie sich darauf, in der ersten Lesung Vorbehalte gegen einzelne Teile des Steuerprogramms zu machen. Die Konservativen lehnten vor allem die Kriegssteuer ab, weil sie i n die Domäne der Bundesstaaten eingreife und die hohe Belastung aus deren Steuern nicht berücksichtige. Die SPD hatte dagegen von vornherein ein Anziehen der Steuerschraube gefordert; für sie kam jedoch nur eine direkte Belastung der höheren Einkommen i n Betracht. Deshalb sprach sie sich grundsätzlich gegen die indirekten Steuern aus und brachte eigene Vorschläge zur Verschärfung der direkten, vor allem i n Form einer erneuten Erhebung des Wehrbeitrages 99 . I n den Beratungen des Haushaltsausschusses100 mußten die Regierungspläne einige Modifikationen über sich ergehen lassen. Es gelang • e Gesetzentw. u n d amtl. Begr. R T Bd. 317, Nr. 221, 222, 224, 226. 97 Vgl. Helfferich, K a r l , Der Weltkrieg, Bd. I I , a.a.O., S. 156. 98 Vgl. ebd., S. 162 f. 99 R T Bd. 307, S. 791 ff. 100 R T Bd. 318, Nr. 316 ff.
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3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
den Sozialdemokraten, vor allem gegen den Widerstand der Konservativen und der Ländervertreter, unter Verzicht auf ihre eigenen Pläne eine Verschärfung der Kriegssteuer durchzusetzen. Sie sollte nun schon erhoben werden, wenn das Kriegsvermögen gegenüber dem Friedensvermögen um weniger als 10 °/o gesunken war. Dieser „entgangene Vermögensverlust" wurde jedoch nur m i t 1 °/oo Steuer belastet. Auch die Freigrenzen drückte man auf Betreiben der SPD erheblich herab, erhöhte die Steuersätze für natürliche Personen auf das Doppelte, also auf maximal 50 °/o. Bei den Gesellschaften blieb man auf dieser Höhe 1 0 1 . Entsprechend dem Vorbereitungsgesetz erlaubte das Kriegssteuergesetz eine Zahlung der Steuer i n Reichsanleihe, da als Ziel der Vermögensabgabe eine Verminderung der Reichsschuld angestrebt wurde. Während hier die SPD mit ihren Vorstellungen bis zu einem gewissen Grade durchdringen konnte, weil auch die Mehrheit der bürgerlichen Parteien aus optischen Günden einer scharfen Kriegsgewinnbesteuerung nicht abgeneigt war, mußte sie in Kauf nehmen, daß die indirekten Steuern gegen ihre Einwände von der bürgerlichen Ausschußmehrheit angenommen wurden. Eine besondere Entwicklung nahm dabei der Quittungsstempel. Gegen seine Durchführung sprach der unpraktische Quittungszwang. Somit ging man gern auf einen Umsatzsteuerplan des Zentrumsabgeordneten Müller-Fulda ein, welcher den jährlichen Gesamtumsatz eines Gewerbetreibenden m i t 1 pro Mille (1 °/oo) belasten wollte. Der Vorschlag wurde ohne starke Diskussion angenommen. Die bürgerlichen Parteien machten sich dabei nicht klar, daß i m Gegensatz zu den anderen Vorlagen, die schon auf eingefahrener Erhebungs- und Bemessungstechnik aufgebaut waren, man hier steuertechnisches Neuland betrat. I n ihren Reihen wurde vielfach die Meinung vertreten, die Umsatzsteuer sei eine A r t Gewerbesteuer, die aus dem Umsatzgewinn bezahlt werden müsse, sie tendiere also zu den direkten Steuern. Die SPD stellte mehr auf die Überwälzungsproblematik und die Kumulativwirkung ab und betonte, daß durch die Weiterwälzung die Steuer i n roher Weise den täglichen Bedarf der einkommensschwachen Schichten belaste 1 0 2 . Dagegen pries sie Helfferich als eine Abgabe, welche die breiten Massen der Verbraucher kaum belaste und auch die Leistungsfähigkeit ausreichend berücksichtige, da Luxusgegenstände eine größere Anzahl von Händen durchliefen 103 . I m Ergebnis wurden die wirtschaftspolitischen Bedenken, besonders das Überwälzungsproblem, im endgültigen Gesetz i n keiner Weise berücksichtigt. 101
Einzelheiten i m Anhang. Vgl. Keil, Wilhelm, Die ersten Kriegssteuern u n d die Sozialdemokratie, B e r l i n 1916, S. 65 f. 105 Vgl. R T Bd. 307, S. 1363. 102
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
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M i t den besprochenen Änderungen verabschiedete der Reichstag den Haushalt und die Steuergesetze 104 ; die SPD befürwortete dabei das Kriegssteuergesetz, lehnte jedoch die indirekten Steuern und auch den Gesamthaushalt ab. b) Die Kriegssteuern von 1917 Bei der Vorlage des Haushaltsplans für 1917 stellte der neue Staatssekretär Graf Roedern ganz klar heraus, daß der Etat nicht ausgeglichen werden könne, ohne neue Steuern zu erheben. Der einzige Grund dafür sei das starke Anschwellen des Zinsendienstes für die Kriegsanleihen. I m einzelnen schlug er vor: eine Kriegsabgabe der Reichsbank, einen Zuschlag zur Kriegsgewinnsteuer von 1916, eine Kohlensteuer und eine Steuer auf den Personen- und Güterverkehr 1 0 5 . Der Zuschlag zur Kriegssteuer sollte 20 °/o betragen und gleichzeitig mit i h r erhoben werden, da ja die Veranlagung erst jetzt, Anfang 1917, begann. Auf diese Weise habe man keine zusätzlichen Erhebungskosten. Gleichzeitig kündigte Graf Roedern ein neues Kriegssteuergesetz für die nach 1916 entstandenen Kriegsgewinne an. Durch ein entsprechendes Sicherungsgesetz sollten die Gesellschaften verpflichtet werden, 60 °/o ihres Mehrgewinns ebenfalls wieder i n eine Rücklage einzubringen. Dabei wurde der Ausgleich verschieden hoher Gewinne i n alter und neuer Veranlagungsperiode ausdrücklich ausgeschlossen. Die Kohlensteuer sollte 20 °/o des Verkaufspreises ab Grube betragen. Auch bei ihr war das Hauptargument der Regierung, die Steuer sei billig und einfach zu erheben bei den nur etwa 500 Betrieben des stark konzentrierten Kohlenbergbaus. Diese sollten sie allerdings auf die A b nehmer abwälzen dürfen. Die Steuer hatte jedoch einen handelspolitischen Hintergrund. Inlands- und Auslandspreis für Kohle differierten wegen der Blockade sehr stark; man wollte den billigen deutschen Preis ausnutzen und durch die Steuer den Fiskus an den hohen Exportgewinnen, vor allem i n die neutralen Länder, teilhaben lassen. Die Steuer vom Verkehr war beim Personenverkehr gestaffelt nach der Wagenklasse, beim Güterverkehr auf einheitlich 7 °/σ des Beförderungspreises vorgeschlagen. Bei ihr spielte wohl auch eine Rolle, daß keine Erhebungskosten entstanden. Die Absichten der Regierung sind damit völlig klar. Sie wollte die ordentlichen Einnahmen vermehren allein unter dem Gesichtspunkt: keinen zusätzlichen technischen Aufwand für die Steuererhebung, möglichst einfache und billige Veranlagung und Eintreibung. Man sei eben ge104 v g l . i m einzelnen den Anhang. W5 Gesetzentw. u n d amtl. Begr. R T Bd. 320, Nr. 620, 621, 622, 624, 631.
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3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
zwungen, wie Roedern es formulierte, „die Steuersystematik und die prinzipiellen Gesichtspunkte zurücktreten" zu lassen und nur zu prüfen, ob die „technischen Anforderungen der augenblicklichen Zeit" erfüllt seien 106 . Unter wiederholten Hinweisen auf die nach dem Kriege notwendige Steuerreform hob er hervor, daß dies für den Augenblick der einzig gangbare Weg sei. I m Plenum des Reichstags kritisierten fast alle Parteien die Steuervorschläge und auch diesen Ansatzpunkt. Die K r i t i k war jedoch von unterschiedlicher Intensität. Bei den bürgerlichen Parteien hatte sie mehr deklaratorischen Charakter; sie legten ihre Bedenken sozusagen auf Eis und akzeptierten die Notwendigkeit neuer Einnahmen. Es stand niemals i n Zweifel, daß sie die Steuervorschläge annehmen würden. Die Sozialdemokraten opponierten weit heftiger und grundsätzlicher, bemängelten vor allem den Ansatzpunkt der leichten Erhebung und den daraus entstehenden Verzicht auf gebührende Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Zensiten und trugen wieder ihr Programm direkter Reichssteuern vor. Beachtlich ist i h r Hinweis, die direkte Belastung sei bisher nur als einmalige, die indirekte jedoch als fortdauernde angelegt. Das lasse sich nicht m i t dem Charakter der zu deckenden Ausgaben vereinigen, dem auf lange Sicht anfallenden Schuldendienst. So könne man kaum von ausgewogener und systematischer Finanzpolitik, sondern höchstens von Gelegenheitsgesetzgebung sprechen; kurz, die Finanzpolit i k der Regierung sei „keinen Schuß Pulver w e r t " 1 0 7 . Die Ausschußberatungen 108 befaßten sich nicht mehr m i t den grundsätzlichen Problemen der neuen Steuergesetze, sondern nur noch m i t Einzelfragen. So war den Konservativen der Zuschlag zur Kriegssteuer zu hoch, der SPD zu niedrig. I m Endeffekt blieb es beim Regierungsvorschlag. Regierung und bürgerliche Parteien hielten auch an der Einmaligkeit der Kriegssteuern fest. Zweifellos stand auch hier noch der Gedanke i m Hintergrund, durch Abwälzung der Kriegskosten auf den Gegner zum status quo ante in der Finanzpolitik zurückkehren zu können. Die SPD lehnte diese Haltung ab, weil sie ihrer Friedenszielpolitik w i dersprach 109 . Die Kohlensteuer wurde fast einhellig als sehr bedenklich bezeichnet. Trotzdem machte sich die bürgerliche Rechte die Argumente der Regierung zu eigen; die SPD stand deswegen mit ihrer Ablehnung allein. Auch der Hinweis, das Reich und die Bundesstaaten als Hauptabnehmer der Kohle und der m i t ihrer Hilfe hergestellten Produkte müßten i m wesent1W 107 108 1W
R T Bd. 309, S. 2361. RT Bd. 309, S. 2467. R T Bd. 320/321, Nr. 708 ff. Vgl. R T Bd. 309, S. 2403, 2414 u n d 2426.
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liehen die Steuer selbst tragen 1 1 0 , fruchtete nicht. Die Regierung gab das sogar zu; nach dem Kriege werde sich das jedoch ändern, und gerade dann brauche das Reich hohe Einnahmen. Bezeichnend für die rein fiskaltechnische Beurteilung dieser Dinge durch viele Politiker ist das Gegenargument des Zentrumsvertreters Pfleger, i m Kriege sei der vorteilhafte Effekt der, „daß die erhöhten Aufwendungen für Rüstungszwecke aus dem Extraordinarium gedeckt werden, während die Kohlensteuer als laufende E i n n a h m e . . . den Etat zu bilanzieren geeignet i s t " 1 1 1 . Kuczynski meint dazu, „ i n Übertreibung dieses Gedankens könnte man auch darauf verfallen, die Granaten einer hohen Verbrauchssteuer zu unterwerfen" 1 1 2 . Von der Belastung des Verkehrs befürchteten die Parteien die gleichen Folgen wie von der Kohlensteuer, eine Erhöhung der Kosten der Industrie und eine Verteuerung der Lebenshaltung. Die soziale Ausgestaltung beim Personenverkehr, gefordert besonders von der SPD, konnte für den Nahverkehr allgemein, bei der Eisenbahn nur für den Berufs- und Schülerverkehr durchgesetzt werden. Nur i m Vorübergehen behandelten Regierung und Reichstag ein Problem, das aus dem unpräzisen Umsatzstempelgesetz von 1916 entstanden war. Man hatte weitgehend i m unklaren gelassen, wer der eigentliche Steuerträger sein solle. Die Regierung sah sich deswegen gezwungen, ihre Haltung zu präzisieren 113 . Aus der Wirtschaft kamen K l a gen, daß je nach der Marktmacht der Beteiligten der Stempel vor- oder rückgewälzt werde und so „die Abgabe ganz einseitig auf einem Teil der am Warenumsatz beteiligten gewerblichen Kreise haften geblieben" sei. Die Regierung fand, dies widerspreche „dem Grundgedanken dieser Steuer, die sich durch die Allgemeinheit ihrer Veranlagung gerade als Kriegssteuer empfohlen" habe. Man könne jedoch die Einrechnung i m Verkaufspreis nicht generell verbieten, „ w e i l die Preisstellung durch den Lieferer nicht erkennen l ä ß t , . . . auf welchen Grundlagen sie beruht" 1 1 4 . So verbot der Gesetzentwurf nur, die Abgabe „gesondert i n Rechnung zu stellen" 1 1 5 . Der Reichstag beschäftigte sich nicht weiter mit dieser Angelegenheit, sondern verabschiedete das Gesetz, ohne es an den Haushaltsausschuß zu überweisen, i n einem Durchgang ohne Aussprache 11®. Damit schien zwar der Wille des Gesetzgebers festgestellt, daß der Ge1ισ
Vermutlich eines Sozialdemokraten, vgl. RT Bd. 321, Nr. 712, S. 1350. R T Bd. 309, S. 2805. Kuczynski, Rudolf, Deutsche Kriegssteuerpolitik, Annalen für soziale P o l i t i k u n d Gesetzgebung, Bd. 6 (1918/19), S. 305. 113 E n t w u r f eines Gesetzes, betreffend die Abwälzung des Warenumsatzstempels. R T Bd. 321, Nr. 808. 114 Ebd., S. 1570. 115 Ebd., S. 1569. " · Vgl. R T Bd. 310, S. 3297 f. 111
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3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
werbetreibende die Steuer aus seinem Umsatzgewinn, der Verbraucher sie dagegen nicht tragen solle. Durch das Verbot lediglich der offenen Überwälzung blieb dem Gesetz jedoch nur ein rein deklaratorischer Charakter, der an der effektiven Inzidenz, wie sie von den Betroffenen beklagt wurde, nichts änderte, sondern nur zeigte, daß die Legislative nicht gewillt war, sich damit weiter zu befassen. I m ganzen gesehen stießen die Steuerpläne der Regierung auf mehr Widerstand als 1916, die Notwendigkeit neuer Einnahmen drängte ihn jedoch i n den Hintergrund. Sie wurden mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie i m Vorjahr verabschiedet 117 . c) Die Kriegssteuern von 1918 Die sprunghaft steigende lang- und kurzfristige Reichsschuld ließ keinen Zweifel darüber, daß zum Ausgleich des Etats erhebliche Steuererhöhungen nötig waren. I n der Tat legte Graf Roedern für 1918 dem Reichstag nicht weniger als zwölf Gesetzesentwürfe vor 1 1 8 , von denen zehn die Erhöhung bestehender oder Erhebung neuer Abgaben vorsahen. A n direkten Lasten enthielten sie eine Wiederholung der Kriegsabgabe der Reichsbank und der Mehrgewinnabgabe der Erwerbsgesellschaften, an indirekten eine kräftige Ausweitung der Getränkebesteuerung mit Einführung eines Branntweinmonopols, die Erhöhung verschiedener Stempel und der Postabgabe von 1916 und schließlich die Weiterentwicklung des Umsatzstempels zu einer allgemeinen Umsatzsteuer, verbunden mit einer Luxussteuer. I n der Generaldiskussion erklärte Graf Roedern 119 , mit der indirekten Belastung wolle man etwas Endgültiges schaffen; die Verbrauchs- und Verkehrsbesteuerung solle i n der damit abgeschlossenen Form i n die zukünftige Finanzreform eingehen. Die Hauptlast liege auf den indirekten Steuern, weil er zweifle, ob man „zugleich gute Anleihepolitik und gute Steuerpolitik treiben" könne 1 2 0 ; die Kreise, die als Kriegsanleihezeichner i n Frage kämen, sollten geschont werden. Deren schärfere Besteuerung müsse später aber auf jeden Fall kommen. Die SPD monierte dagegen 121 , auch von einer Teilreform könne man nicht sprechen, dazu fehle der organische Aufbau. Vielmehr seien einfach neue indirekte Steuern zusammengesucht worden, ein Zeichen dafür, daß der Staatssekretär als „Gefangener des Bundesrats" 1 2 2 allein die 117
Vgl. i m einzelnen den Anhang. R T Bd. 324, Nr. 1455 ff. 119 Vgl. R T Bd. 312, S. 4734 ff. Ebd., S. 4735. 111 Ebd., S. 4745 ff. 122 Ebd., S. 4747. 118
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
113
Interessen der Bundestaaten hüte. Jedermann wisse, daß die Heereslieferanten bereits die Kriegsgewinnsteuer überwälzten. Eine scharfe Erfassung der Gewinne bei Verhinderung dieser Überwälzung bringe mehr ein als eine kleinliche Limonadensteuer. Diesmal hatte die SPD i n dieser Ansicht die Mehrheit des Reichstags hinter sich, bestehend aus Fortschrittlern, Zentrum und Liberalen, m i t denen sie i n den heißen kriegspolitischen Debatten zusammengegangen war, um die Agitation der immer mehr radikalisierten Rechten (Vaterlandspartei) abzuwehren. Sie lehnten zum ersten M a l gemeinsam ausdrücklich das aus A r t . 70 der Reichsverfassung konstruierte Monopol der Länder auf die direkten Steuern ab und wiesen nach, daß nach dem Buchstaben dieses Gesetzes vielmehr die Bundesstaaten verpflichtet waren, durch Matrikularbeiträge den Reichshaushalt i m Notfall abzugleichen 1 2 3 . Sie forderten deshalb schon i n der ersten Lesung eine Ausdehnung der Kriegssteuer auf physische Personen und verwaltungstechnische Regelungen, um die unterschiedliche Veranlagung zu den Kriegssteuern i n den einzelnen Bundesstaaten zu vereinheitlichen. Da die Steuerdiskussion dieses Jahres einen außerordentlichen Umfang einnahm, können nur die wichtigsten Gesichtspunkte aus dem Schicksal der einzelnen Steuervorlagen hervorgehoben werden. Die Gewinnabgabe der Reichsbank wurde gegenüber den Vorjahren verschärft. Der Reichstag akzeptierte sie ohne besondere Diskussion. Die Kriegsgewinnsteuer, nach dem Willen der Regierung nur i n Form einer Mehrgewinnsteuer der Gesellschaften, war etwas anders konstruiert als die Abgabe von 1916. Entsprechend der Regelung des Sicherungsgesetzes betrug sie grundsätzlich 60 °/o des Mehrgewinns, ermäßigte sich jedoch für Mehrgewinnbeträge unter 1 Million Mark. Auch sollte der Ausgleich m i t Mindergewinnen früherer Geschäftsjahre diesmal möglich sein. Der Mehrheit des Haushaltsausschusses schien dies durchaus angemessen, eine zusätzliche Besteuerung der physischen Personen hielt sie, wie schon das Plenum, aber für unbedingt notwendig. Man einigte sich deswegen sehr bald auf eine dementsprechende Ausgestaltung des Gesetzes 124 . Sie zeigte, daß man aus den Fehlern von 1916 gelernt hatte. Diesmal wurde das Mehreinkommen zur Besteuerungsgrundlage gemacht, und zwar nach der bundesstaatlichen Veranlagung als Differenz zwischen dem Einkommen von 1918 als Kriegs- und dem von 1913 als Friedenseinkommen. Die Steuer war recht scharf gestaffelt; schon für ein Mehreinkommen über 100 000 Mark galt der Höchstsatz von 50 %. Sie wurde ergänzt durch eine Vermögenssteuer, die 5 °/oo für Vermögen über
8
185
Ebd., S. 4770.
184
E n t w u r f des Haushaltsausschusses R T Bd. 325, Nr. 1739, S. 2619 ff.
Roesler
114
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
1 M i l l i o n Mark erreichte. Diese war nicht als Substanzbesteuerung, sondern als ergänzende Belastung des fundierten Einkommens gedacht. Auch die neuerlichen Versuche, den Begriff des Kriegsgewinns schärfer zu fassen und damit die Steuer ergiebiger zu machen, als es bei dem groben Vergleich von Friedens- und Kriegseinkommen bzw. -vermögen der Fall war, schlugen alle fehl. Man wollte andererseits auch eine Komplizierung der Steuer vermeiden, weil sie m i t dem i m Kriege verkleinerten fiskalischen Apparat gar nicht hätte durchgeführt werden können. Die bisherigen Erhebungen stützten sich ja allein auf die von den Länderbehörden durchgeführten Veranlagungen, wie sie routinemäßig erfolgten. Neue komplizierte Aufgaben konnte man diesen gar nicht zumuten. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die einseitige Betonung der i m allgemeinen leichter einzutreibenden indirekten Steuern zu verstehen. I n diesem Jahr traf sie die Getränke derart umfassend, daß ein Ausweichen auf unbelastete Arten praktisch nicht mehr offen stand. Dieses Ziel wurde von der Regierung auch angestrebt, ebenso eine fiskalisch hohe Ergiebigkeit durch eine teilweise einschneidende Erhöhung der Belastungssätze 125 . I m einzelnen ging es dabei um folgende Steuern: Die Besteuerung war bisher als Rohstoffsteuer nach der verarbeiteten Malzmenge erhoben worden. Der Malzanteil sank jedoch i m Kriege laufend ab und damit auch das Aufkommen aus der Steuer (vergi. Übersicht 2). Durch eine Besteuerung des fertigen Bieres nach der i n den Verbrauch übergehenden Menge m i t stark erhöhten Steuersätzen wollte die Regierung das Friedensaufkommen wieder erreichen oder sogar übertreffen. Die Vorlage passierte fast unverändert die Ausschußberatungen 1 2 6 . Durch die Festlegung bestimmter Qualitätsgruppen nach dem Stammwürzegehalt und fester Steuersätze pro Liter dieser Gruppen vereinfachte der Ausschuß die Veranlagung der Steuer 1 2 7 . Eine Weinsteuer von 20 °/o des Endverkaufspreises sollte neu eingeführt werden. Man wollte sie möglichst nahe am Verbraucher, also i n der Regel beim Einzelhandel erheben, um eine Rückwälzung bis zum Erzeuger zu vermeiden. Diese Schonung der Winzer ist einmal auf die auch damals schon übliche militante Vertretung agrarischer Interessen zurückzuführen. Sicher hatte die Regierung dabei auch i m Auge, daß der Steuerertrag vom hohen Endverkaufspreis entsprechend höher sein 125 Die von der Regierung errechnete Einnahmesteigerung erscheint jedoch auch dann sehr optimistisch, wenn man, wie sie es tat, ein friedensmäßiges A u f k o m m e n unterstellt. F ü r den K r i e g w a r sie v ö l l i g illusorisch (vgl. Tabelle 8). 126 R T Bd. 324, Nr. 1686. 127 Vgl. Anhang.
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
115
mußte, wenn man den Steuersatz von 20 °/o nicht überschreiten wollte, den die Vertreter der Landwirtschaft als äußerste Grenze nannten. U m ihre soziale Orientierung herauszukehren, betonte die Regierung, daß der Wein als Getränk der besitzenden Klassen gelte und die Steuer deswegen nicht die große Masse treffe, was jedoch süddeutsche Vertreter völlig ablehnten. I m Ausschuß 128 stritt man vor allem um den Steuersatz. Eine Herabsetzung auf 10 °/o aus der ersten Lesung wurde i n der zweiten wieder gestrichen. Allseitige Zustimmung fand die geplante Erhöhung der Schaumweinsteuer auf einheitlich 3 Mark pro Flasche ohne Rücksicht auf den Verkaufspreis, die damit ihren regressiven Charakter erhielt. A m heftigsten umstritten war die vorgesehene Besteuerung der M i neralwasser und künstlichen Limonaden, die, um den Kreis zu schließen, eine Erhöhung des Kaffee- und Teezolls einschloß. Besonders die SPD wehrte sich heftig gegen diese Steuer, weil sie für die minderbemittelten Klassen ein Ausweichen auf billige Getränke unmöglich mache. Die Regierung wehrte sich jedoch erfolgreich m i t der Erwiderung, diese Getränke blieben immer noch die relativ billigsten. I m Ausschuß 129 wurde die umständliche Staffelung der Steuer nach Flaschengrößen geändert in feste Pfennigsätze pro L i t e r 1 3 0 . Nach dem Umfang des Gesetzgebungswerks, der sich daran anknüpfenden Diskussion und der erhofften Mehreinnahme war das Branntweinmonopol das bedeutendste der neuen Gesetze. Es ist unmöglich, auf Einzelheiten dieser umstrittenen Neuerung einzugehen, zumal der Reichstag beschloß, das Monopol erst nach Kriegsende i n Kraft zu setzen, es also i m Rahmen der Kriegsfinanzen keine Bedeutung mehr erhielt. Es gestaltete die bisherige Branntweinverbrauchsabgabe um i n ein Zwischenhandelsmonopol, welches die von den privaten Brennereien unter Verschluß hergestellten Rohprodukte zu einem festgesetzten Preise übernehmen bzw. weiterverarbeiten und an den Einzelhandel abgeben sollte. Beim Weiterverkauf mußte das Reich eine Reineinnahme von 800 Mark je Hektoliter reinen Weingeist herauswirtschaften. Diese Konstruktion schützte wiederum ganz eindeutig agrarische Interessen. Deswegen lehnten viele Abgeordnete sie ab, obwohl sie dem Monopolgedanken sonst nicht unfreundlich gegenüber standen. Für die Kriegszeit wurde zu der bisherigen Branntweinverbrauchsabgabe von 1,25 Mark je Liter ein Zuschlag von 6,75 Mark je Liter reinen Alkohols erhoben. Die Gesamtbelastung entsprach also schon der zukünftigen aus dem Monopol. 128 120 130
8*
RT Bd. 324, Nr. 1687. Ebd., Nr. 1689. Vgl. Anhang.
116
3. Abschnitt Finanzielle Kriegsführung
I m Rahmen des Reichsstempelgesetzes waren schon i n der Vergangenheit vielerlei höchst heterogene Abgaben untergebracht. Die jetzigen Ergänzungen liefen darauf hinaus, eine stärkere Belastung des Vermögens· und Geldverkehrs einzubauen. Unter den Börsensteuern wurde der Emissionsstempel, die Talonsteuer und der Börsenumsatzstempel erhöht. Hinzu kam die Neueinführung eines Geldumsatzstempels für die Banken. Da die Geldumsätze technisch nicht erfaßt werden konnten, schlug die Regierung die Habenzinsen als Bemessungsgrundlage vor. Z u guter Letzt sollte auch noch die Tantiemesteuer, d. h. die Belastung von Vergütungen an Aufsichtsräte, von 8 °/o auf 20 °/o erhöht werden. Diese zusätzliche Belastung des Besitzes wurde vor allem von den Sozialdemokraten begrüßt. Sie bemängelten jedoch die unsystematische A r t i n Form von Stempelabgaben. Die an die Postgebühren gebundene Reichsabgabe sollte i n den Bereichen erhöht werden, die 1916 gar nicht oder nur wenig belastet worden waren. Die Steigerung wurde i n den Ausschußberatungen 131 , die breiten Raum einnahmen, nicht berührt, da die weitläufige Diskussion einer der Lieblingsstreitfragen des Reichstags, die Portofreiheit der regierenden Fürsten und ihrer Familien, sie völlig verdrängte. Es blieb also bei den Regierungsvorschlägen 182 . Besondere Bedeutung kommt dem Projekt einer allgemeinen Umsatzsteuer, verbunden m i t einer Luxussteuer, zu. Die Regierung hatte schließlich die Mängel des Warenumsatzstempels erkannt und sich auch wesentlich intensiver m i t dessen wirtschaftlicher Problematik befaßt. Die amtliche Begründung des Steuervorschlags 133 ist deshalb ein Sonderfall unter den bisherigen Gesetzesbegründungen und wirkte i n diesem Sinne befruchtend auf die Debatte i m Haushaltsausschuß 184 . I m M i t telpunkt stand das Überwälzungsproblem. Hier nahm die Regierung nun endlich eine eindeutige Stellung ein, indem sie den Sinn der Steuer dari n erkannte, daß sie möglichst vollständig auf den Verbraucher abgewälzt wurde. Deshalb ließ sie ihr Verbot der offenen Überwälzung fallen 1 3 5 . Die Kumulativwirkung der Steuer erforderte nach ihrer Ansicht einen niedrigen Steuersatz, weil der Konsument die Last nicht über Gebühr spüren solle, andererseits ein Mißlingen der Überwälzung dem Charakter der Steuer widerspreche. Sie kam auf 5 °/oo als angemessenen Satz. Er wäre, wie die SPD richtig bemerkte, 1916 noch als exorbitant hoch abgelehnt worden. Recht opportunistisch klingt dagegen die Erwiderung der Regierung, man habe sich an sprunghaft steigende Preise 131 132 133 134 135
R T Bd. 325, Nr. 1723. Vgl. Anhang. R T Bd. 324, Nr. 1461. R T Bd. 325, Nr. 1745. Vgl. R T Bd. 324, Nr. 1461, S. 38.
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
117
i m Kriege gewöhnt; deswegen sei es richtig, jetzt zuzugreifen; beim Übergang zur Friedenswirtschaft habe sich der Markt dann schon an die Steuer gewöhnt 13 *. Besonders die Vertreter des Mittelstandes befürchteten, die Steuer sei zu hoch und wirke wie eine grobe Gewerbesteuer, wenn die Überwälzung nicht gelinge. Dazu fördere sie die Ausschaltung des Zwischenhandels und die Konzentration der Betriebe, wirke also mittelstandsvernichtend. Diesen Bedenken kam man i n zweierlei Form entgegen: Einmal wurde der Umsatz von Großhändlern insoweit von der Steuer befreit, wie er nur Vermittlung darstellte, der Zwischenhändler die Ware also gar nicht selbst i n unmittelbaren Besitz nahm. Zweifellos wurden damit reichliche Möglichkeiten geboten, der Steuer auszuweichen, dazu auch die Feststellung der Steuerfälle reichlich kompliziert. Zum anderen unterwarf man gegen den heftigen Widerstand der Vertreter der Großindustrie einen fingierten Umsatz innerhalb der konzentrierten Betriebe — von einer Fertigungsstufe zur anderen — ebenfalls der Besteuerung. Kurioserweise gingen hier einmal die Sozialdemokraten m i t der Großindustrie einig i n der Ablehnung dieser ihrer Ansicht nach der Rationalisierung schädlichen und übertrieben mittelstandsfreundlichen Regelung; i m Ausschuß blieben sie aber unterlegen. Befürwortet wurde die weitgehende Einbeziehung der Leistungen i n die Steuer, wobei jedoch die Reichweite des Begriffs der wirtschaftlichen Leistung sehr umstritten blieb. Ein Antrag ging dabei so weit, auch die Einkommen der Unselbständigen als Leistungsentgelt zu besteuern 137 . Schließlich beschränkte der Ausschuß aber die Steuerpflicht auf gewerbliche Leistungen, worunter auch Urproduktion und Handel fallen sollten. Die freien Berufe blieben also von der Umsatzsteuer befreit. Bei der in das Umsatzsteuergesetz einbezogenen Luxussteuer war sich die Regierung unklar über die Abgrenzung des Luxus, welcher der Abgabe unterworfen werden sollte. I n der amtlichen Begründung trug sie die Problematik ausführlich vor 1 3 8 , um sich dann für die steuertechnisch einfachste Lösung zu entscheiden: Die Abgabe sollte i n Form einer Kaufsteuer von gewissen Waren, für die ein abgegrenzter Detailhandel bestand, erhoben werden. Die besteuerten Waren führte ein Katalog auf. I m Ausschuß 139 versuchte die SPD eine Ausdehnung dieses Katalogs zu erreichen, drang aber damit nicht durch. Der Steuersatz wurde auf einheitlich 10 °/o festgelegt. Die SPD hatte m i t ihrer Feststellung durchaus recht, daß nur ein kleiner Ausschnitt der luxuriösen Lebensführung 136 137 138 139
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
ebd., S. 19 f. R T Bd. 325, Nr. 1745, S. 2649 f. R T Bd. 324, Nr. 1461, S. 22 ff. R T Bd. 325, Nr. 1745, S. 2663 ff.
118
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
von dieser Steuer getroffen wurde. Die Befugnis des Bundesrats, sie auf weitere Güter auszudehnen, war dafür nur ein schwacher Trost. Neben die eigentlichen Steuergesetze traten in der Finanzgesetzgebung von 1918 noch Gesetze mehr verwaltungstechnischen Charakters, aber zum Teil von richtungweisender Bedeutung. Der Versuch, die Steuerflucht durch Gesetze zu verhindern, ging von der Initiative der Regierung aus 140 . Besonders den außerordentlichen Kriegsabgaben entzog sich mancher Kriegsgewinnler durch Verlegung seines Wohnsitzes ins neutrale Ausland. M i t Zustimmung aller Parteien kam es zu der Regelung, daß auswandernde Personen noch bis drei Jahre nach Kriegsende der Personalsteuerpflicht von Reich, Staat und Gemeinde unterworfen sein sollten. Ausreisende Personen, bei denen eine Steuerflucht möglich schien, mußten 20 % ihres Vermögens als Kaution hinterlegen. Aus der Mitte des Reichstags bzw. Haushaltsausschusses kam die A n regung zur Vereinheitlichung der Erhebung von Reichssteuern, die ja von den Landesbehörden durchgeführt wurde. Anlaß für diese Initiative war unter anderem eine Erklärung des württembergischen Finanzministers Pistorius im Haushaltsausschuß, i n Württemberg sei die Durchführung der Kriegsabgabe von 1916 aufgrund exakter Veranlagung viel strenger gehandhabt worden als in den übrigen Bundesstaaten. Wenn man sie überall nach württembergischen Muster erhoben hätte, „so müßten s t a t t . . . 5,5 Milliarden 9 Milliarden eingegangen sein" 1 4 1 . So kam der Vorschlag zustande, einen „Reichsfinanzhof" als oberstes Gericht i n Sachen der Reichssteuern und eine „Reichsaufsieht auf dem Gebiete der Zölle und Reichssteuern" einzurichten 142 . Da dieser Eingriff in die Kompetenzen der Länder m i t diesen nicht abgestimmt war, weil er i m Haushaltsausschuß erst geboren wurde, und deswegen ziemlich sicher m i t einem Veto des Bundesrats gerechnet werden mußte, bediente sich der Ausschuß eines besonderen Tricks: Er ordnete i n § 25 des betreffenden Gesetzes an, daß es zusammen m i t allen übrigen Steuergesetzen en bloc i n Kraft treten solle. Eine Ablehnung des Bundesrats hätte damit die Steuergesetzgebung des Jahres 1918 zu Fall gebracht, was natürlich politisch völlig unmöglich war. Beide Gesetze bedeuteten einen großen Fortschritt politischer Art, brauchten verständlicherweise aber eine gewisse Anlaufzeit, so daß sie für die Lösung der Kriegsfinanzprobleme keine Rolle mehr spielten. M i t den besprochenen Änderungen verabschiedete der Reichstag i m J u l i 1918 die Vielfalt der neuen Steuergesetze 143 . Wie in den Jahren vor14σ 141 142 143
Gesetzentwurf u n d amtl. Begr. R T Bd. 324, Nr. 1466. R T Bd. 325, Nr. 1739, S. 2612. Vgl. R T Bd. 325, Nr. 1765. Vgl. i m einzelnen den Anhang.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
119
her lehnten die Sozialdemokraten alle 'indirekten Steuern außer der Schaumweinsteuer und auch den Gesamthaushalt ab, hielten sich aber zugute, daß unter ihrem Druck große Fortschritte auf eine direkte Reichssteuer und eine Vereinheitlichung des Steuerwesens i m Reich hin zustande kommen konnten. 3. Die Ergebnisse der Kriegssteuern und die Entwicklung des ordentlichen Haushalts
Das Ergebnis der Kriegssteuerpolitik und die Entwicklung des ordentlichen Haushalts muß unter zwei verschiedenen Aspekten gesehen werden. I m Vordergrund steht die damals allein wichtig erscheinende Frage, ob die i n die Steuerpolitik gesetzten Erwartungen sich rein quantitativ erfüllt haben. Dabei müssen als verursachend für das zahlenmäßige Ergebnis neben steuerwirtschaftlichen auch steuertechnische Momente untersucht werden. Methodisch moderne Aspekte bietet die Untersuchung der Steuerpolitik i m Gesamtzusammenhang der Kriegswirtschaft unter Berücksichtigung der inflatorischen Entwicklung, die besonders für das Überwälzungs- bzw. Inzidenzproblem von Bedeutung ist. Zunächst also das Ergebnis a) I n deckungspolitischer Sicht Es wurde schon mehrfach angedeutet, daß sich die Regierung für ihre Steuerpolitik lediglich ein deckungspolitisches Ziel gesetzt hatte, also nur die rechnungsmäßige Deckung derjenigen Ausgaben, die sie nicht in das Extraordinarium überwälzen konnte, innerhalb des ordentlichen Haushalts verfolgte. Die Berücksichtigung der kriegsbedingten ökonomischen Situation dünkte ihr nur insofern notwendig, als sie für die Finanzpolitik Ausnahmezustände schaffte, welche m i t vorläufigen oder Übergangsregelungen beseitigt werden mußten, wie etwa die übermäßigen Kriegsgewinne durch außerordentliche Kriegsabgaben. Damit wurde auch gleichzeitig das deckungspolitische Ziel verfolgt. Diese Haltung ist in der wissenschaftlichen Diskussion und von den Parteien des Reichstags niemals i n Frage gestellt worden, obwohl vor allem gegen Ende des Krieges die „heroische" Steuerpolitik Englands als gutes Beispiel angeführt wurde 1 4 4 . Selbst die SPD begnügte sich m i t der platonischen Feststellung, daß die Deckung eines Teils der eigentlichen Kriegskosten durch Steuern „kein Fehler gewesen wäre" 1 4 5 . Ein Vergleich der geschätzten Einnahmezuwächse mit den tatsächlichen Eingängen aus neuen Steuern gibt hier zunächst recht interessante Aufschlüsse über die Entwicklung auf der Einnahmeseite (vgl. Tabelle 8). 144 145
Vgl. R T Bd. 312, S. 4734 ff. Ebd., S. 4745.
97
292
1250
188
τ,·.
gramm-Gebühren
75
Reichsabgabe auf
1473
100
Biersteuer
1918
12
91
u
,
1 125
1 564
160
2 875
Kriegsabgabe 1750 1 617
Pauschalschätzung
die Post- und Tele-
u
18 400
QQ
77
Wein- und Schaum-
170
geschätzt tatsächl.
486 2 103
10
iQ
Die geschätzten Erträge der neuen Steuern sind berechnet nach offiziellen Angaben, berücksichtigen aber, daß die Steuern zum Teil nicht das ganze Haushaltsjahr in Kraft waren. Die Angaben über die geschätzten Erträge sind den amtl. Begründungen zu den Steuergesetzen und den Reichstagsdebatten entnommen. Die tatsächlichen Erträge sind bei den neuen Steuern nach den Haushaltsrechnungen ermittelt. Bei den Steuererhöhungen wurde jeweils der gesamte Zuwachs des betreffenden Steuerertrags gegenüber dem Vorjahr, ebenfalls nach den Haushaltsrechnungen, eingesetzt.
^ Pauschalschatzung einschl. Kriegsabgabe und Besitzsteuer 480
ΟΩΟ
399
Kriegsabgabe
geschätzt tatsächl.
der Reichsbank
45
1917
Steuer vom Personenweinsteuer und Güterverkehr 315 65 „ . . . ___ Mineralwasser etc. 33 Kohlensteuer όόϊ Branntweinsteuer Zuschlag zur Umsatzsteuer 667 151 o>. Kriegsabgabe 500 807 s 6 24 verschiedene Stempel 142 44
25
108
Leertitel
geschätzt tatsächl.
Frachturkundenstempel 43 Reichsabgabe auf die Post-und Telegramm-Gebühren 134 90 «τ X X I mr Warenumsatzstempel 125
Tabaksteuer
Kriegsabgabe
1916
Tabelle 8: Vergleich der geschätzten und tatsächlichen Erträge aus neuen bzw. erhöhten Reichssteuern (1916—1918) (in Mill. Mark)
120 3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
121
Er zeigt ganz allgemein, daß die Methode, das voraussichtliche Steueraufkommen nach Friedensmaßstäben anzusetzen, auch i n der zweiten Kriegshälfte völlig unrealistisch war. Nur in ganz wenigen Fällen entsprachen sich geschätzter und tatsächlicher Ertrag. Dabei überwog die Überschätzung des erwarteten Ertrages bei den Steuern auf Verbrauchsgüter, die einen kriegswirtschaftlich bedingten Produktionsrückgang hinnehmen mußten, weil sie qualitativ schlechter ausfielen oder die für sie benutzten Rohstoffe für eine derartige Verarbeitung nicht freigegeben wurden (Bier, Branntwein, alkoholfreie Getränke). I n der Steuerdebatte von 1918 erklärte die SPD ihre Forderungen nach direkten Reichssteuern auch damit, daß die Ertragsberechnungen für die indirekten Steuern ja vielfach „nur auf dem Papier" stünden, am Ende des Jahres somit ein „Milliardendefizit" herauskommen müsse 148 . Nur wenn die Produktion gegenüber dem Frieden kaum gesunken war (Kohle, Wein), ergab sich ein höheres Aufkommen; aber auch das täuscht, denn es handelt sich hier um Steuern, die in einem bestimmten Prozentsatz vom Endverkaufspreis erhoben wurden, d. h. von der inflatorischen Entwicklung profitierten. Die laufenden Steuern sanken, wie schon i n der ersten Kriegshälfte, i n ihrem Ertrag weiter ab, wurden aber, ebenso wie der Überschuß der Erwerbsbetriebe, nach wie vor friedensmäßig geplant, weil die Regierung den kriegsmäßigen Zustand des Budgets als vorübergehend und reversibel kenntlich machen wollte (vergi. Tabelle 9). Die alleinige Ausrichtung am friedensmäßigen Budget hätte also einnahmepolitisch ein Fiasko ergeben. Die Regierung ließ sich aber, ebenfalls um das Budget möglichst friedensmäßig aussehen zu lassen, Spielraum bei den Kriegsabgaben; der für 1917 erwartete Hauptertrag der Kriegssteuer wurde überhaupt nicht angesetzt, der Zuschlag nur sehr niedrig. Auch gab es allerlei „sonstige" Einnahmen, die i m Haushaltsplan fehlten (vergi. Tabelle 9). Was bei den direkten Abgaben ertragsmäßig herauskommen konnte, mußte weitgehend unklar bleiben. Die Verzögerung von der Ankündigung 1915 bis zur Veranlagung 1917 ließ alle Signalwirkungen voll zum Zuge kommen. Ausgabeluxus, Transfer ins Ausland und Ansammlung von Bargeldhorten konnten i n diesem Zeitraum sich voll entfalten. Das Steuerfluchtgesetz vor allem griff hier viel zu spät ein. Die offiziellen Schätzungen variierten stark, für die Kriegssteuer von 1916 zwischen einer und drei Milliarden Mark. Sie wurden dann vom Ergebnis weit übertroffen. A u f der Einnahmeseite des Haushalts ging also der Konnex von Plan und Rechnung vollkommen verloren. Dagegen konnte man auf der Ausgabeseite nicht viel verderben. Die Militärausgaben blieben völlig eliminiert, die übrigen hielten sich auf der gleichen Höhe durch Abwälzung 146
R T Bd. 312, S. 4746.
Zölle und indirekte
Steuern insgesamt
davon: Warenumsatzstempel Umsatzsteuer mit Postgeb. zu erhebende Reichsabgabe Abgabe vom Personen- und Güterverkehr "
_
— — —
289,2
734,4
753,9
Rechnung
1.200,2
234,4
Plan
1917
1.262,8
753,9
Rechnung
1.680,7
i i !
_
342,4
680,0
1.359,5
2.325,2
i I I
225,0 111,7 — — — 225,0 j 146,6 j j j _ j 64,5
836,9
2.114,6
267,4
225,0 150,5 225,0
1.102,2
202,9 139,3 419,5 139,3 194,7 163,3 163,8 163,3 61,1 103,2 61,1 81,6 194,0 19,6 194,0 29,2 162,4 25,4 162,4 37,3 10,0 14,4 10,0 189,9 — — 412,9 495,0
668,8
348,3
1916
24,2 — 89,6 j
50,1 | 163,3 61,1 85,5 194,0 73,2 162,4 69,5 10,0 10,6 —
davon: Tabak- und Zigarettensteuer Zuckersteuer Salzsteuer Branntweinsteuer Biersteuer, Brausteuer etc. Wein- und Schaumweinsteuer Kohlensteuer
Stempel u. ä.
678,6
Verkehrssteuern,
712,9
Verbrauchssteuern
Plan
Zölle
Einnahmen (Millionen Mark)
3.118,9
291,6
235,7
84,5
1.188,6
751,3
699,4 183,9
2.032,8
133,0
Plan
1918
Tabelle 9: Gegenüberstellung von Haushaltsplan und Haushaltsrechnung für die Jahre 1916—1918 (ordentlicher Haushalt)
3.354,4
Rechnung
122 3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Neue Steuern
Matrikularbeiträge
Verwaltungseinnahmen
Überschuß aus Bahn, Post und sonstigen
Überschuß 1914 — *)
—
480,0 2.749,2
1.250,0 2.122,2
182,9
Plan
1917
140,1
—
2 875,0
51,9
_
—
4.026,7
— *)
281,4
—
8 010,1
133,8
_
495,0
206,9 18,8
818,0
5.025,6
_
516,9
390,6
_
6.356,1
—
170,2
140,1
Rechnung
_
7.395,2
2.578,0 1411,0
169,0
Plan
1918
132,0
659,8 1617,2
140,1
Rechnung
—
— —
807,1
4.035,6
259,5
208,5
— 275,0
219,7
25,2
60,0
190,3 18,8
580,2
—
—
—
130,7
—
7,6
38,0
140,1
51,9 51,9 51,9 51,9 51,9
215,9
219,7
— —
Gewinnabgabe der Darlehens-Kassen
18,8
486,5
Ausfuhrabgaben
Gewinnabgabe der Reichsbank
davon:
Sonstiges
direkte Steuern insgesamt
50,1
—
außerordentliche
Kriegsabgabe von 1918
— —
Kriegsabgabe von 1916
50,1 85,1
1916 i Plan j Rechnung
Zuschlag zur a. o. Kriegsabgabe von 1917
außerordentliche
Zuwachs-, Besitz- und Erbschaftssteuer (+ Reste des Wehrbeitrags)
Einnahmen (Millionen Mark)
Tabelle 9 (Fortsetzung)
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918) 123
392,5
2.308,7
+ Überschuß
—
40,4 j —
Plan
Rechnung
—
— 944,6
2.749,2
!
j
336,6
2.616,8 !
— ί
3.066,8
j
4.026,7
I
—
Plan
!
6.356,1
398,2
6.770,5
1918
—150,4
7.073,3
ι
416,0
5.914,2
351,5
Rechnung
377,0 j
6.518,8b)
+ 936,8
I
434,6
3.568,4
—
Plan
25,4
132,4
I
! 1917
7.545,6
Rechnung
a) Defizit s. Ausgaben. — b) davon a. ο. Tilgung 2.178,0. Quelle: Haushaltsrechnungen 1916 bis 1918, RT Bd. 323, Nr. 1278 (1916), Bd. 335, Nr. 228 (1917), Bd. 363, Nr. 404 (1918), und Ubersicht 2 und 3.
— Defizit
j
1916
48,0 73,0 23,7 45,1 25,9
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _
sonstige Ausgaben
Reichsschuld
Militärausgaben
Defizit Bahn, Post etc.
Ausgaben (Millionen Mark)
Tabelle 9 (Fortsetzung)
124 3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
125
aller zusätzlichen Anforderungen auf den außerordentlichen Haushalt. Allein der Schuldendienst bestimmte die Entwicklung. Das Wachstum der Staatsschuld berechnete man aus innenpolitischen Gründen großzügig, d. h. zu niedrig. Diese Fehlschätzungen entziehen sich aber der finanzpolitischen Beurteilung. Allerdings wichen Plan und Rechnung nur 1917 durch die außerordentliche Tilgung sehr stark voneinander ab. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß zwar die Steuergesetzgebung mit dem Ausgabenwachstum Schritt hielt, nicht aber Veranlagung und Eintreibung. Vor allem kam der Eingang der Kriegssteuer von 1916 zu spät; das Defizit dieses Jahres wurde dann durch den Überschuß von 1917 wieder ausgeglichen. Grob gerechnet hatte die Regierung damit ihr dekkungspolitisches Ziel erreicht. Dies Ergebnis verliert jedoch sehr viel an Wert, weil außer dem Anleihedienst jeglicher Ausgabenzuwachs eliminiert wurde, d. h. auch der, welcher nach dem Krieg ganz gewiß ins ordentliche Budget fallen mußte. Auf der Einnahmeseite waren dazu die eigentlich ertragbringenden Steuern nur außerordentliche Kriegsabgaben. Die Deckungspolitik lebte also von der Hand i n den Mund und mußte nach Kriegsende i n eine Schere von steigenden Ausgaben und sinkenden Einnahmen geraten. Dazu kommt, daß die Kriegsabgabe, soweit sie i n Anleihe gezahlt wurde, eine rein fiktive Einnahme i m ordentlichen Haushalt darstellte, die eine Erhöhung der Ausgaben i m Extraordinar i u m zur Folge hatte (vgl. Übersicht 5). M i t der Lösung der deckungspolitischen Aufgabe, die sich die Regierung gestellt hatte, kann die Steuerpolitik aber noch nicht als erfolgreich gelten. Zweifellos war sie, wie man am Vergleich von geschätzten und tatsächlichen Einnahmen sehen konnte, auch vom Ertrag her enttäuschend. Die daran beteiligten Ursachen sind jedoch noch nicht erschöpfend erklärt und verlangen eine Untersuchung: b) I n steuertechnischer Sicht Hier interessiert zunächst die Frage, ob die i n den neuen Steuergesetzen gegebenen Möglichkeiten verwaltungstechnisch so genutzt worden sind, daß ein Maximum an Ertrag herausgeholt wurde. Steuertechnik w i r d hier also unter deckungspolitischem Aspekt gesehen. Ganz allgemein gilt zunächst, daß die Leistungsfähigkeit der Finanzbehörden durch Einberufungen sehr stark gelitten hatte; m i t der verringerten Besetzung mußten sie ein dauernd wachsendes Arbeitspensum erledigen, das der verwaltungstechnischen Ausgestaltung und der Eintreibung der neuen Steuern erhebliche Probleme stellte. Bei den direkten Steuern war i m allgemeinen die Selbsteinschätzung üblich, die auch i n Friedenszeiten nur stichprobenweise behördlich nach-
126
3. Abschnitt: Finanzielle Kriegsführung
geprüft wurde. Die Verringerung der Stichproben verlockte dann zur Falschdeklaration. Noch ungünstiger wirkte sich die geringe technische Fähigkeit aus, den Steuergegenstand auch wirklich zu erfassen. Vor allem die Eigentümer von mobilem Kapital (Wertpapiere, Pretiosen, Kunstgegenstände), dazu die Bargeld hortenden Kriegsgewinnler, konnten ihren Vermögenszuwachs der steuerlichen Erfassung entziehen, während die Besitzer von kataster- und listenmäßig erfaßten Gegenständen (Immobilien etc.) voll besteuert wurden, wobei ihr Vermögen oft realiter gleichgeblieben war, der durch die Inflation aufgeblähte Nominalwert aber der Steuer verfiel. Damit blieb das Aufkommen der Steuer unter dem gesetzlich möglichen, zugleich verschärfte sich die schon vorhandene ungleichmäßige Behandlung der Zensiten 147 . Die nach Bundesstaaten verschiedenen Veranlagungs- und Bemessungsmethoden, welche auch auf die Kriegssteuererhebung abfärbten, schmälerten durch Begünstigung der inneren Steuerflucht i n einzelne „Oasen" ebenfalls das fiskalische Ergebnis und förderten die ungleichmäßige Behandlung. Noch schwieriger gestaltete sich die Steuererhebung bei den neuen Verbrauchssteuern, f am schwierigsten zweifellos bei der Umsatzsteuer. Die dem Steuerpflichtigen aufgebürdete Buchführungspflicht war schon i m Reichstag heftig bekämpft worden und nun i n der Realität bei allgemeinem Personalmangel kaum zu erfüllen. Bei den Finanzbehörden mußte wegen des Fehlens der bewährten Fachkräfte m i t längeren Verzögerungen bei der Entwicklung und Durchsetzung einer neuen Erhebungstechnik gerechnet werden. Besonders der Umsatzstempel bzw. die Umsatzsteuer erforderte ja einen ganzen Apparat von Durchführungsrichtlinien und eine daran anschließende Eingewöhnung der Erhebungstechnik, da der Gesetzgeber diese Probleme i m eigentlichen Steuergesetz noch gar nicht gelöst hatte. Weil dem Fiskus also die exakten Methoden fehlten, die tatsächliche Steuerschuld festzustellen, kam es dann nur so weit, daß die Steuer „vom Verbraucher... i m Preise eingehoben, aber dem Staat immer nur dort abgeführt (wurde), wo es nach der Moral praktischer Leute nicht anders ging" 1 4 8 . Dementsprechend brachte die Umsatzsteuer nur ein Viertel des geplanten Aufkommens (vergi. Tabelle 8 und 9); man hatte zwar die fiskalischen Möglichkeiten, die in ihr steckten, richtig erkannt und sie deswegen aus deckungspolitischen Gründen 147
Meisel weist diese ungleichmäßige Behandlung aufgrund unzulänglicher Steuertechnik schon f ü r die Vorkriegszeit nach. Die Ergebnisse aus der E i n kommensteuer der Beamten laufen demnach parallel zur Entwicklung ihrer Einkommen, bei der Besteuerung des mobilen Kapitals finden sich „ i m steuerlichen Messer der Wirtschaftszahlen . . . n u r Bruchteile der Aufwärtsbewegung", die dieses seit Beginn der Gründerzeit genommen hatte. Vgl. Meisel, Franz, Steuertechnik (neubearbeitet von W i l h e l m Gerloff), HdF, 2. Aufl., 2. Bd., Tübingen 1956, S. 377. 148 Ebd., S. 373.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
127
durchgesetzt, die für die Durchführung notwendige langwierige und sorgfältig technische Vorbereitung jedoch außer acht gelassen 149 . Die Mißerfolge der Getränkebesteuerung lassen sich nicht so eindeutig auf steuertechnische Ursachen zurückführen. Es liegt aber nahe, sie dort mit zu vermuten, wo das Gesetz dem Steuerzahler eine neue Buchführungs- bzw. Auf Zeichnungspflicht auferlegte. Sie dürfte jedoch nicht die gleiche Rolle spielen wie die erwähnten Umsatzrückgänge bei den besteuerten Gütern. Gegenüber den Verbrauchssteuern sind die bei den öffentlichen Verkehrsträgern eingezogenen Kriegsabgaben sozusagen das Musterbeispiel, wie die deckungspolitische Absicht technisch einfach und schnell zum Erfolg geführt wurde. Hier hatte man den steuertechnisch günstigsten Weg gewählt, durch einfache Preisaufschläge von einer bereits bestehenden Organisation die Steuer einziehen zu lassen, und erreichte nach einer gewissen Anlaufzeit den erwarteten Ertrag oder überschritt ihn sogar (vergi. Tabelle 9). Daß dabei die Deckungspolitik soziale Belange überging, soll angemerkt, aber i n anderem Zusammenhang erörtert werden. Die Untersuchung steuertechnischer Gesichtspunkte konnte einige zusätzliche Aufschlüsse zur Beurteilung des rechnerischen Ergebnisses der Kriegssteuerpolitik geben. Es fehlt jetzt noch die Einordnung i n den wirtschaftlichen Kreislauf, also die Betrachtung... c) I n gesamtwirtschaftlicher Sicht Nach modernen theoretischen Überlegungen hat die Steuer i n der Kriegswirtschaft zwei Aufgaben: einmal die Einnahmebeschaffung i m Sinne der Deckungspolitik, aber nicht i n dem obigen engen, sondern der umfassenden Deckung aller staatlichen Ausgaben i m Kriege, zum anderen, und darauf kommt es hier an, Haushalten und Unternehmen Kaufkraft zu entziehen und damit den privaten Konsum und die private Investition zu mindern oder zu regulieren 1 5 0 . Beide Aufgaben hat sich die Steuerpolitik i m ersten Weltkrieg nicht gestellt; zu ihrer Beurteilung müssen jedoch zumindest die Entzugs- und Verteilungswirkungen in groben Umrissen dargestellt werden. Zunächst zu den direkten Steuern, d. h. i n diesem Fall zu den außerordentlichen Kriegsabgaben. Allgemein hielt man es für ausgemacht, daß diese Abgaben vom Steuerzahler definitiv getragen würden. Besonders die SPD forderte sie ja wegen des Vorteils, daß man sehe, wer die Steuer 149 Dies U r t e i l gilt n u r für den engen Rahmen des Themas. F ü r die spätere finanzielle Entwicklung bedeutete das Gesetz von 1918 einen beachtlichen Neuansatz. 150 Vgl. Jecht, Horst, Kriegsflnanzen, Jena 1938, S. 42 f.
128
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
trage 1 5 1 . I m Jahre 1918 klagte nun gerade die SPD darüber, daß die Unternehmer die Kriegssteuer so weit wie möglich i n den Preis einrechneten und somit abwälzten 1 5 2 . Es soll versucht werden, die Wirkungen der außerordentlichen Kriegsabgaben kreislauftheoretisch etwas näher zu umreißen 158 . Schon eingangs läßt sich feststellen, daß der Belastungseffekt aus zweierlei Gründen nur mäßig oder überhaupt nicht eintrat: Einmal stand die Möglichkeit der Steuerzahlung i n Anleihe zur Verfügung; hierbei fand kein Liquiditätsentzug bei den Steuerzahlern statt, die Belastung bestand i n einem Entzug langfristig angelegtenVermögens. Zum anderen wirkte dem Entzugseffekt häufig der Ausgabeeffekt des ordentlichen Budgets entgegen, da ja die Steuerzahler meist auch Kriegsanleihebesitzer waren und Zinsen bezogen. Darüber hinaus scheint die von der SPD monierte Abwälzung allerdings weitgehend möglich gewesen zu sein. Selbst bei den amtlicher Kontrolle unterworfenen Kalkulationen konnte man innerhalb der umstrittenen, i n ihrer Zusammensetzung undurchsichtigen Gemeinkostenzuschläge auch die bezahlte Kriegssteuer unterbringen. Die für die Überwälzung so wichtige, der Steuereintreibung möglichst vorausgehende Nachfrageerhöhung m i t zusätzlichem Notenbankgeld war zweifellos vorhanden. Die inflationäre Entwicklung forderte ja geradezu zur Überwälzung heraus. Irgendwelche Änderungen der Unternehmerentscheidungen hatte die Steuer also kaum zur Folge, zumal die Investitionsneigung durch die staatliche Nachfrage dauernd neue Impulse bekam, die Investitionsmöglichkeit durch die hohe Liquidität der Unternehmen und der Banken jederzeit gegeben war, ihre Grenzen also höchstens güterwirtschaftlicher A r t sein konnten. Soweit der Staat selbst Nachfrager der betreffenden Industrien war, fielen die überwälzten Steuern also dem außerordentlichen Haushalt zur Last, i m übrigen den privaten Konsumenten. Keine Überwälzungsmöglichkeit hatte der Teil der Steuerzahler, der nicht i m eigenen Erwerbsbetrieb die Steuer i n den Absatzpreis einkalkulieren konnte, also besonders die Besitzer von Immobilien, Wertpapieren etc. Diese Gruppe der Zensiten entsprach unglücklicherweise der bereits erwähnten, aufgrund der A r t ihres Vermögens bzw. Einkommens steuertechnisch recht genau erfaßbaren Steuerpflichtigen. Dadurch wurde die kriegsbedingte Verzerrung der Einkommens- und Vermögensstruktur verschärft. 151
Vgl. Mengelberg, Käthe, a.a.O., S. 81. Vgl. R T Bd. 312, S. 4751. 153 I n methodischer Anlehnung an Ehrlicher, Werner, Die W i r k u n g e n der Unternehmungssteuern auf Investitionen, Gewinne u n d Löhne, F A Ν . F., Bd. 18 (1957/58), S. 374 ff. 152
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
129
Die Gewinnstruktur wurde von den Kriegssteuern wahrscheinlich nicht sehr stark beeinflußt; sie blieb i n der durch die Umstellung auf die Kriegsproduktion entwickelten Form bestehen (vgl. Übersicht 29), da hier der dauernde Nachfrageüberhang quantitativ eine erheblich größere Rolle spielte. Demgegenüber t r i t t auch der Ausgabeeffekt des ordentlichen Budgets zurück, soweit er den Zinsendienst umfaßt, obwohl dieser während der zweiten Kriegshälfte stark anschwoll. Die ständig anwachsende monetäre Nachfrage schwemmte den Unternehmern ein Vielfaches der Steuern oder Zinsen an Gewinnen zu. Aus Übersicht 29 geht für die zweite Kriegshälfte jedenfalls keine Änderung des Trends der Industriegewinne hervor, wie er sich i n der ersten herausgebildet hatte. Ein Entzugseffekt trat also, i m ganzen gesehen, nur in Höhe eines Bruchteils des tatsächlichen Steueraufkommens ein, teils bei dem i m Gesetz vorgesehenen Steuerzahler, teils bei der Masse der Verbraucher. Soweit indirekte Steuern als Kostensteuern erhoben wurden (Kohlensteuer, Umsatzsteuer, Post- und Bahnabgabe), gingen sie auf legitime Weise i n die Preise ein und nahmen teil am Überwälzungsprozeß. Dabei kann wieder geschlossen werden, daß das Reich als Großabnehmer der belasteten Güter und Leistungen einen großen Teil der Steuern aus dem außerordentlichen Haushalt bezahlen mußte, die Kohlensteuer ζ. B. i n den Preisen von Kriegsmaterial, Kohlensteuer und Verkehrsabgaben in den Eisenbahnfrachten, in sämtlichen Preisen die Umsatzsteuer. Der andere Teil verteuerte die Lebenshaltung der Verbraucher. Dabei kam es, wie gezeigt wurde, auch vor, daß dem Verbraucher i m Preise mehr angelastet wurde, als der Steuerzahler an den Fiskus abführte. Die Mängel der Steuertechnik bewirkten, daß zwar der Verbraucher die i m Gesetz gewollte Einkommenseinbuße erlitt, diese aber nicht dem Fiskus zugute kam, sondern zu ungerechtfertigten Mehreinkommen der Unternehmer führte. Die übrigen Verbrauchs- und Verkehrssteuern verteuerten die Lebenshaltung ebenfalls. Von der großen Masse, welche die Last zu tragen hatte, konnten zunächst die organisierten Gruppen von Arbeitnehmern versuchen, Einkommenserhöhungen durchzusetzen und damit wieder weiterzugeben, was ihnen angelastet worden war. Übersicht 23 zeigt die außerordentliche Zunahme der Lohnstreiks i n der zweiten Kriegshälfte, die mit dem allgemeinen Anstieg der Lebenshaltungskosten bzw. dem Sinken des Reallohns motiviert wurden, an dem die Vermehrung der indirekten Steuern auch Anteil hatte. Die Lohnerhöhungen gingen dann über die Preise wieder zu Lasten der Nachfrager, also des Staates bzw. der Privaten. Der Preisauftrieb erforderte wiederum zusätzliche Geldschöpfung, damit der Staat realiter möglichst viel aus der Wirtschaft herausziehen konnte; damit blieb das der Steuerüberwälzung günstige 9
Roesler
130
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
Klima erhalten; der Prozeß kam nicht zur Ruhe. Leidtragende waren vor allem die, welche ihre Einkommen nicht oder nur wenig nominal erhöhen konnten, also Kriegshinterbliebene, Beamte, Angestellte und Rentner (vgl. Übersicht 25). I m ganzen gesehen, das läßt sich aus diesem groben Überblick schließen, ist ein endgültiger Kaufkraftentzug über die Steuerpolitik bei Unternehmern und Privaten nur i n sehr geringem Maße gelungen; die aufgebürdete Steuerlast wurde i m inflatorisch immer mehr aufgeblähten Kreislauf ohne Mühe weitergegeben und landete einmal wieder beim Staat, zum anderen bei den Bevölkerungsgruppen m i t wenig flexiblem Nominal- bzw. besonders stark sinkendem Realeinkommen. Berücksichtigt man dazu, daß ein großer Teil der Kriegssteuer i n A n leihe bezahlt wurde und deshalb keinen definitiven Kaufkraftentzug bedeutete 154 , daß außerdem die Ausgaben des ordentlichen Haushalts zu über 80 % Anleihedienst, also Transferausgaben darstellten, welche die Einkommen von Unternehmern und Haushalten noch vergrößerten bzw. wenigstens den Steuerentzug kompensierten, so kann man den Gesamteffekt des ordentlichen Budgets keinesfalls als nachfragebeschränkend ansehen. Eine nachfragesteigernde Wirkung des Ausgabeeffekts ist deswegen gering zu veranschlagen, weil der größere Teil der Zinsen aus Kriegsanleihen vermutlich nicht konsumiert worden ist. Die Verteilungseffekte der Steuerpolitik sind nicht genauer analysierbar als oben für die Gruppen angedeutet wurde, welche die Steuer endgültig tragen mußten und damit eine reale Einkommens- bzw. Vermögenseinbuße erlitten. Das liegt daran, daß die von der Inflation ausgehenden Wirkungen i n dieser Richtung viel tiefgreifender und umfangreicher waren. Gerade bei den erwähnten Gruppen hat aber die Steuerpolitik die von der Staatsinflation ausgehenden Verteilungseffekte verschärft und nicht, wie besonders durch die Kriegsgewinnbesteuerung gewollt, gemildert. 4. Außerordentlicher
Haushalt
und
Kriegsanleihen
Wie i n der ersten Kriegshälfte, so behielt auch i n der zweiten der außerordentliche Haushalt das Übergewicht gegenüber dem ordentlichen. Sein Volumen stieg noch ganz erheblich, weil ab Herbst 1916 die Kriegsausgaben gewaltig zunahmen und dazu auch die Übung beibehalten wurde, den ordentlichen Haushalt so zu entlasten, daß er i m wesentlichen dem Schuldendienst vorbehalten blieb. Die Entwicklung des außerordentlichen Haushalts läßt sich wieder unter drei Gesichtspunkten betrachten: 154 Dies ist das Einzige, was sich i n dem geschilderten Prozeß zahlenmäßig belegen läßt. Vgl. Übersicht 5, Fußnote b).
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
131
1. Trotz des allmählichen Zusammenbruchs des Burgfriedens war die Bewilligung der Nachtragshaushalte (Kriegskredite) niemals ernstlich in Frage gestellt. Die Regierung erreichte das jedoch nur dadurch, daß sie den innenpolitischen Forderungen der Reichstagsmehrheit aus Linksund Mittelparteien schrittweise entgegenkam. Vor allem während der Juli-Krise 1917 und für die von Erzberger inaugurierte Friedensresolution spielte die Drohung m i t der Budgetverweigerung eine Rolle 1 5 5 . Bei den diesbezüglichen Parlamentsdebatten standen auch jetzt die Finanzgebarung der Reichsregierung und das daraus resultierende Ansteigen der Kreditforderungen i m Rahmen des außerordentlichen Haushalts niemals zur Diskussion. Die Ausgabenpolitik der Regierung wurde darüberhinaus auch niemals i n einer finanzpolitischen, sondern höchstens einmal i n wirtschafts- oder preispolitischen Debatten einer Prüfung unterzogen. Dabei ging es dann weniger um die Auswirkungen der Finanzpolitik auf den gesamten Wirtschaftsprozeß als um das Verhalten der staatlichen Beschaffungsstellen und die Notwendigkeit der Preiskontrolle i m einzelnen. So nimmt es nicht wunder, daß i m Zusammenhang mit der Finanzpolitik das Wort „Inflation" zum erstenmal erst i m A p r i l 1918 auftauchte. Bei der Begründung seiner Steuervörlagen konstatierte Graf Roedern einen Zusammenhang zwischen der Vermehrung der schwebenden Schuld und der „Geld- und Kreditinflation, unter der w i r zweifellos jetzt schon leiden" 1 5 6 . Den Abbau dieser Inflation hielt er allerdings erst nach dem Kriege für möglich 1 5 7 . Somit blieb der außerordentliche Haushalt als Quelle dieser Inflation auch jetzt völlig undiskutiert, während sie in Presse und Publizistik nur insoweit erwähnt und i n Verbindung gebracht werden konnten, als die politische Zensur es zuließ 1 5 8 . 2. Übersicht 8 zeigt nun das Anwachsen der zusätzlich ausgegebenen Mittel seit dem Herbst 1916, und zwar zeitlich genau für den tatsächlichen Zeitpunkt ihrer Verausgabung 159 . Über die Zusammensetzung der öffentlichen Nachfrage gibt die Statistik höchst unvollkommene Auskunft, da nur pauschale Zahlen ausgewiesen sind (vgl. Übersicht 6). So muß man sich mit der — wohl i m groben zutreffenden — Feststellung begnügen, daß die i n dieser Höhe nachgefragten Güter und Dienste dem iss v g l Epstein, Klaus, Mathias Erzberger u n d das Dilemma der deutschen Demokratie, B e r l i n 1962, S. 204 ff. 158
RT Bd. 312, S. 4734.
147
Vgl. ebd., S. 4737.
158
Nach Ansicht eines kompetenten Zeitgenossen hat die Zensur eine öffentliche Diskussion dieser Probleme tatsächlich verhindert. Vgl. die Bemerkungen von K u r t Singer i n : Georg Friedrich K n a p p — Friedrich Bendixen, Z u r staatlichen Theorie des Geldes. E i n Briefwechsel, hrsg. v o n K u r t Singer, Basel/Tübingen 1958, S. 165 u n d 181. 159 Über mögliche Ungenauigkeiten vgl. die Anmerkungen zu Übersicht 8. 9*
132
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
Wirtschaftsprozeß realiter entzogen wurden und der Vernichtung i m Kriege anheimfielen. Dem steigenden Bedarf stand trotz des Hindenburgprogramms ein langsam schrumpfendes Angebot gegenüber, um das der Staat mit den privaten Nachfragern i n stärkerem Maße als i n der ersten Kriegshälfte konkurrieren mußte, da deren Nominaleinkommen nun stark anstieg (vgl. Übersicht 24 und 25). Rein haushaltsrechtlich hinderte die Reichsverwaltung nichts daran, durch Gewährung höherer Preise alle notwendigen Güter an sich zu ziehen. Sie wirtschaftete weiterhin ohne spezifizierten Etat, ohne Nachprüfung der Ausgabegebarung der Einzelressorts, die aus Kriegskrediten dotiert wurden. Damit blieb der Vollzug des Etats zwar (im formalen Rahmen, dieser wurde jedoch seines ökonomischen Sinnes beraubt. Die zusätzliche Nachfrage der öffentlichen Hand mußte den inflationären Preisauftrieb um so stärker anfachen, je weniger es gelang, wenigstens nachträglich den privaten Wirtschaften über Steuern und Anleihen Kaufkraft zu entziehen. Daß die Steuerpolitik dabei kaum Erfolg hatte, ist oben dargelegt worden. Die Anleihepolitik soll jetzt behandelt werden. 3. Wie die Vorfinanzierung, so blieb auch der Modus der Konsolidierung durch die halbjährlichen Anleihen i n der zweiten Kriegshälfte unverändert. Rein technisch unterschied sich die 5. Kriegsanleihe i n nichts von ihren Vorgängern. Nur der Ausgabekurs wurde auf 98 % gesenkt. Der Vorzugsdiskont auf U-Schätze, die für den Umtausch i n A n leihe bestimmt waren, wurde auch weiterhin gewährt und diese Möglichkeit i n immer stärkerem Maße benutzt. Intensive Propaganda i n Stadt und Land unter freiwilliger Mitarbeit von Lehrern, Schülern, Pfarrern etc. bereitete die Anleihen vor, wobei auch Pressionen nicht ausblieben. So wurde den Behörden, die sich mit der Rohstoffverteilung befaßten, vorgeworfen, sie würden ihre Klienten je nach deren Anleihezeichnungen unterschiedlich behandeln. A n die Unentschlossenen richtete sich die Erklärung der Regierung bzw. des Reichsbankpräsidenten, man werde nach dem Krieg mit Hilfe der Darlehenskassen i n einer großen Aufnahmeaktion die Verflüssigung der Anleihen sicherstellen 160 . Obwohl die 5. Kriegsanleihe den gleichen Zeichnungsbetrag erreichte wie die vorige, bedeutete sie i n zweierlei Hinsicht eine Enttäuschung. Einmal zeigte der Rückgang der kleinen und mittleren Zeichnungen, daß der Charakter der Volksanleihe verloren zu gehen drohte. Diese Entwicklung wurde auf die Verteuerung der Lebenshaltung zurückgeführt, der Anstieg der Großzeichnungen auf die „gewaltig gestärkte Leistungs180
Vgl. Reichsbank u n d Geldmarkt V I I , S. 50 f.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
133
kraft des Großkapitals" 1 6 1 . Zum anderen, und das ist viel wichtiger, blieb ein Teil der ausstehenden Schatzanweisungen ungedeckt. Dies scheint zu dem Versuch Anlaß gegeben zu haben, die Anleihepolitik mit neuen Mitteln erfolgreicher zu gestalten. Eines der Mittel war der dirigistische Eingriff i n den Kapitalmarkt. Zunächst wurde die Emission von Industrieobligationen und Vorzugsaktien, später die Neuerrichtung von Aktiengesellschaften staatlicher Genehmigung unterworfen 1 6 2 . Zweifellos war dies der einzige technisch gangbare Weg, wenigstens einen Teil der Investitionen zu kontrollieren. Deswegen ist es unerklärlich, warum ζ. B. Stammaktien, das Normalpapier des Kapitalmarkts, verschont blieben. Andererseits finanzierte die Industrie ihre Investitionen zum größten Teil über den Preis. I n sofern konnte dieser Versuch der Kapitalmarktlenkung keinen großen Erfolg haben. Das andere Mittel bestand i n der Einführung eines neuen Typs verzinslicher Schatzanweisungen und der Möglichkeit, alte Kriegsanleihe i n diese Papiere umzutauschen. Sie waren ebenfalls mit 4,5 °/o verzinslich, der Ausgabekurs stand auf 98, die Laufzeit konnte jedoch nicht mehr als kurzfristig gelten. Die Schatzanweisungen sollten innerhalb von 50 Jahren i n der Weise ausgelost werden, daß jährlich 5 °/o des Ausgabebetrages für Verzinsung und Tilgung aufgewendet wurden. I m Laufe der Zeit wuchsen also die Tilgungsbeträge um die ersparten Zinsen. Die Rückzahlung der ausgelosten Stücke sollte nicht zu pari, sondern zu einem um eine Auslosungsprämie erhöhten Betrage erfolgen. Sie schwankte zwischen 10 % und 30 °/o; je später die Auslosung, desto höher die Prämie. Die Umtauschmöglichkeit für alte Anleihen blieb eng begrenzt. Nur beim Kauf des neuen Schatzanweisungstyps durften alte Anleihen in Zahlung gegeben werden. Dabei konnte jedoch jeder Zeichner nur doppelt soviel Kriegsanleihe zum Umtausch anmelden, als er Schatzanweisungen neu gezeichnet hatte. Damit hielt sich diese Methode, den Anleiheerfolg zu verschönern, die i n anderen Ländern weitgehend benutzt wurde, i n Deutschland i n engen Grenzen. M i t einigen Sonderemissionen 168 betrug der Umtausch für alle Kriegsanleihen insgesamt 2,1 Milliarden Mark (vgl. Übersicht 11). 181
S. 178.
Köppe,
Hans, Die deutschen Kriegsanleihen, JfNuS Bd. 110 (1918 I),
1 M Bekanntmachung über die staatliche Genehmigung zur Ausgabe von Teilschuldverschreibungen u n d Vorzugsaktien v o m 8. März 1917 (RGBl. S. 220); Bekanntmachung über die staatliche Genehmigung zur Errichtung von Aktiengesellschaften v o m 2. November 1917 (RGBl. S. 987). les D u r c h eine dieser Sonderemissionen i n Höhe von 400 M i l l . M a r k Schatzanweisungen, welche die Privatbanken übernahmen, w u r d e nach Rist i m Jahre 1917 ein Interventionsfonds zur Stützung des Kurses der Reichsanleihen ins Leben gerufen. Wie u n d m i t welchem Erfolg dieser Fonds gearbeitet hat,
134
3. Abschiiitt: Finanzielle Kriegsführung
Eine tiefgreifende Wirkung haben alle diese Maßnahmen nicht gehabt. Wenn auch der Gesamtertrag der folgenden Anleihen gegenüber der fünften zunahm, so enttäuschte doch das Zeichnungsergebnis bei den neuen Schatzanweisungen, das zwar der sechsten Anleihe einen gewissen Aufschwung brachte, bei der siebenten aber schon wieder zurückging. Der absolute Anstieg der Zeichnungen beruhte wahrscheinlich auf der starken Geldvermehrung ab Herbst 1916 bei geringer werdenden Verwendungsmöglichkeiten für die aufgelaufenen Geldvermögen. Der Rückgang bei der neunten Anleihe läßt dann schon den beginnenden Zusammenbruch erkennen. I m ganzen blieb von Anleihe zu Anleihe ein größerer Betrag an Schatzanweisungen ungedeckt, die nachträgliche Vernichtung des zusätzlich geschöpften Geldes gelang i n diesem Maße nicht mehr. 5. Die Finanzen
der Bundesstaaten
und
Gemeinden
Obwohl durch den Krieg das finanzielle Schwergewicht ganz eindeutig auf das Reich verlagert wurde, ist doch ein kurzer Blick auf die Finanzen der Bundesstaaten und Gemeinden notwendig. Immerhin hatte, wenn man nach der damaligen Methode die Betriebsverwaltungen (Eisenbahn etc.) einbezieht, Preußen vor dem Kriege ein höheres Haushaltsvolumen als das Reich. Schaltet man nach der heutigen Betrachtungsweise die Wirtschaftsbetriebe aus, so ergibt sich folgendes B i l d für das Jahr 1913: Ausgaben a ) Gebietskörperschaft Reich Länder Gemeinden Hansestädte
Mrd. Μ . 2 378 1 808 2 897 319 7 178
e
/o
33,1 23,8 38,8 4,3 100,0
a) Quelle: Die Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Verwaltung im Deutschen Reich für die Rechnungsjahre 1913/14, 1925/26 und 1926/27. Einzelschriften zur Statistik des Deutschen Reiches Nr. 10, Berlin 1930, S. 6 ff.
Wie Übersicht 7 zeigt, w i r k t e sich der Krieg kaum auf den ordentlichen Haushalt der Bundesstaaten aus. Sie zogen wie i m Frieden einen großen Teil ihrer Einnahmen aus den Erwerbsbetrieben. Erst 1918 änderte sich das schlagartig, als ein Defizit gerade an dieser Stelle eintrat, begründet wohl durch steigende Kosten bei gleichbleibenden Tarifen. Die direkten Steuern stiegen durch das Wachstum der Nominaleinkommen, ohne daß — i m Gegensatz zu den Gemeinden — die ist nicht bekannt. I n deutschen Veröffentlichungen ist von einem solchen Fonds nicht die Rede. Vgl. Rist, Charles, Les Finances de Guerre de l'Allemagne, Paris 1921, S. 98.
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
135
Steuersätze wesentlich erhöht werden mußten. A r t und Umfang der ordentlichen Ausgaben änderten sich kaum. Das steigende Volumen des außerordentlichen Haushalts hatte nur etattechnische Bedeutung. Es bestand „fast ausnahmslos i n Aufwendungen zur Schuldentilgung, . . . die allerdings wieder auf dem Wege der Anleihe beschafft w u r den" 1 8 4 . Es handelte sich also um reine Verrechnungsposten ohne ökonomische Bedeutung. Die schwebende Schuld stieg i m Verhältnis auch nicht stark an. Sie wurde wohl i m wesentlichen durch kriegsbedingte Mehrausgaben verursacht (Gehaltserhöhungen, Teuerungszulagen etc.). Über die finanzielle Situation der Gemeinden i m Kriege 1 6 5 gibt es keine zusammenfassende Statistik. Gerade sie hatten aber, i m Gegensatz zu den Bundesstaaten, einen beachtlichen Zuwachs an Ausgaben. Zusätzliche Verwaltungsaufgaben entstanden aus der Preiskontrolle und Bewirtschaftung sowie aus der kriegsbedingten Sozialfürsorge. Das erforderte Einstellung und Bezahlung neuer Arbeitskräfte; daneben wurden die zum Kriegsdienst eingezogenen Beamten meist weiterbezahlt. Hohe Geldleistungen mußten die Gemeinden aufbringen i m Rahmen der Familienunterstützung für die Familien der eingezogenen Bürger; sie hatten diese Zahlungen vorschußweise für das Reich zu leisten und zunächst selbst aufzubringen, da das Reich den Zeitpunkt für die Rückerstattung nach eigenem Gutdünken wählen konnte 18 ·. Dazu kamen Naturalleistungen in Form von Quartiergestellung, Verpflegung und Transportmitteln für die Kriegsgarnisonen. Die Kosten ersetzte die Gemeinde den Bürgern, welche die Leistungen erbrachten, weil das Reich zunächst nur eine „Schuldanerkenntnis" gab, die oft sehr viel später, da „nach Maßgabe der verfügbaren M i t t e l " 1 6 7 , bezahlt wurde. Die notwendigen Geldmittel verschafften die Gemeinden sich i n folgender Weise: Soweit die Verwaltungsausgaben sich vermehrten bzw. neue Bedienstete angestellt werden mußten, versuchten sie den Ausgabenzuwachs durch Steuererhöhungen zu decken. So steigerten sie schon recht bald nach Kriegsanfang, späterhin sogar zu recht erheblichen Prozentsätzen ihre Zuschläge zur Einkommensteuer. Für die vorschußweise Bezahlung von Ausgaben, die an sich das Reich aufzubringen hatte, nahmen sie einmal Darlehen bei Banken und kommunalen Sparkassen auf unter Verpfändung ihrer Ansprüche gegen das Reich. Größere Städte legten auch Anleihen auf, die aber nicht am offenen Markt angeboten, sondern nur als lombardfähige Sicherheit für die Darlehens164 Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 30 (1921), S. I I 54. 185 Vgl. zum folgenden Gerling, K a r l , Der Gemeindekriegshaushalt u n d seine formelle u n d materielle Ordnung, F A Bd. 33 (1916). 1M Vgl. R T Bd. 319, Nr. 403 (9. Nachtrag), S. 232. 167 Gerling, K a r l , a.a.O., S. 687.
136
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
kassen dienen sollten. Zum anderen gingen sie folgenden Weg: Sie zogen Wechsel auf ihren Bundesstaat, dessen Finanzminister akzeptierte sie und die Reichsbank kaufte sie an. Über die Gesamthöhe dieser Kriegsverschuldung der Gemeinden und ihre Verteilung auf die einzelnen Kreditarten gibt es keine Unterlagen. Nur über die Familienunterstützungen sind bruchstückweise Zahlen veröffentlicht. Danach betrugen deren Mindestsätze (in Mill. M a r k ) 1 6 8 : 1914
247,6
1915
1 077,0
1916
1641,0
1917 (Januar—September)
1 614,4
1917 (Oktober—Dezember) 1918
540,0 2160,0 7 280,0
Davon pflegte das Reich zunächst 25 °/o zurückzuerstatten 169 . 1,8 Mrd. Mark mußten also zu den Gemeinden zurückgeflossen sein. Eine spätere Angabe spricht von ca. 2 Mrd. M a r k 1 7 0 . Somit schuldete das Reich den Gemeinden bei Kriegsende noch 5 Mrd. M a r k 1 7 1 . Über diese gesetzlichen Mindestsätze hinaus zahlten die Gemeinden an Bedürftige oft mehr. Dafür erhielten sie auch Zuschüsse aus dem Wohlfahrtsfonds des Reiches 172 . Die Gesamtaufwendungen des Reiches zur Wohlfahrtspflege im Rahmen der Ausgaben „aus Anlaß des Krieges" betrugen etwa 1,4 Mrd. M a r k 1 7 3 . Aus diesen Zahlen kann nur größenordnungsmäßig das Wachstum der Gemeindeausgaben abgelesen werden, aber es w i r d doch Verbindung geschaffen zu der außerordentlichen Belastung von Banken und vor allem Darlehenskassen m i t Kommunalkredit, der bei letzteren, wie später gezeigt wird, eine sich ausweitende Quelle der Geldschöpfung darstellte. 168
Die Zahlen bis Sept. 1917 sind veröffentlicht i n : R T Bd. 316, Nr. 147 ( 6. Nachtrag), S. 113 f. R T Bd. 317, Nr. 225 ( 8. Nachtrag), S. 111 R T Bd. 319, Nr. 403 ( 9. Nachtrag), S. 232 R T Bd. 320, Nr. 650 (10. Nachtrag), S. 199 R T Bd. 322, Nr. 1214 (11. Nachtrag), S. 277 Bis Dezember 1918 geschätzt (wahrscheinlich sehr niedrig) m i t monatlich 180 M i l l . Mark. le ® R T Bd. 319, Nr. 403 (9. Nachtrag), S. 232. 170 R T Bd. 335, Nr. 158 (Denkschrift Schiffer), S. 105. 171 Ebd., S. 107 172 R T Bd. 322, Nr. 1214 (11. Nachtrag), S. 277. 173 R T Bd. 335, Nr. 158 (Denkschrift Schiffer), S. 105.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918) I V . Die Auswirkungen im monetären Bereich 1. Reichsbankpolitik
und
Inflation
Als es ab Mitte März 1916 dem Reich nicht mehr gelang, seine kurzfristigen Schulden zum großen Teil zu konsolidieren, mußte vor allem die Reichsbank i n die peinlichste Bedrängnis geraten. Sie konnte zwar mit der Zeit größere Teile der vom Reich begebenen Schatzwechsel bzw. Schatzanweisungen i n den Kreditbankensektor, später auch i n private Geldsammelstellen abdrängen, doch genügte auch der Rest, den sie behalten mußte, um ihr Bilanzvolumen i n ungeahntem Maße anschwellen zu lassen (vgl. Übersicht 13). Der Erfolg der Sonderdiskontsätze für Sçhatzscheine, die in Anleihe umgetauscht werden sollten, blieb nunmehr dürftig. Der Handelswechselbestand nahm derartig ab, daß er Ende 1918 nicht einmal mehr 1 °/o des Schatzwechselbestandes ausmachte. Das in dieser Zeit noch zufließende Gold wurde fast ausschließlich dazu benötigt, um lebenswichtige bzw. kriegswichtige Importe zu bezahlen. So sah sich die Reichsbank bald vor der unangenehmen Notwendigkeit, Darlehenskassenscheine auch formal i n die Deckung des auf der Passivseite entsprechend der Staatsverschuldung zuwachsenden Notenbestandes einrechnen zu müssen. Sie wies beflissen darauf hin, daß nach wie vor Gold den überwiegenden Teil der Bardeckung ausmache und die Golddeckungsquote der Reichsbank wesentlich günstiger sei als die der gegnerischen Notenbanken 174 . Aber schon i m Jahre 1918 mußte sie eine weitere Verschlechterung der Golddeckung konstatieren. Dabei gelang es ihr immer weniger, für die Notenvermehrung eine plausible Erklärung zu finden, ohne von dem alten Gedankengang der Verkehrsbedingtheit i m Sinne der „klassischen" Geldschöpfung abweichen zu müssen. Aber selbst der nach Kriegsende, also nicht mehr unter Zensur veröffentlichte Geschäftsbericht beharrte auf der Einstellung, daß Kreditnahme des Reiches und Ausdehnung der Geldmenge nichts miteinander zu tun hätten 1 7 5 . Das Wort „Inflation" tauchte während und nach dem Krieg nicht ein einziges Mal i n den Veröffentlichungen der Reichsbank auf, während private Kommentatoren schon während des Krieges mehr oder weniger verklausuliert, nach dem Kriege ganz offen die Regierung beschuldigten, Inflationspolitik zu treiben 1 7 6 . Auch Graf Roedern hatte sie ja i m Reichstag zugegeben 177 . 174
Vgl. Reichsbank u n d Geldmarkt V I I , S. 9 f. Vgl. Reichsbank 1918, S. 3 ff. 176 Vgl. Bendixen, Friedrich, Das Inflationsproblem, Stuttgart 1917; Keil, Wilhelm, Die Kriegssteuern von 1918, B e r l i n 1919, S. 5. Es ist wahrscheinlich der Zensur zuzuschreiben, daß Bendixen nach theoretischer Erörterung der Dinge auf Erscheinungen i m Ausland ausweicht, während K e i l sich auf eine 175
138
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
Als Hauptgrund für die Notenvermehrung stellte die Reichsbank neben den alten Argumenten jetzt die Thesaurierung von Papiergeld heraus. Zweifellos spielte diese i n den letzten beiden Jahren eine große Rolle, um der Besteuerung unterliegende Kriegsgewinne zu verschleiern. Wie die anderen Argumente, so trifft dies aber nur ein Stück des Erscheinungsbildes, nicht die Ursache der Inflation. Es bestand ja gar kein Grund, diese gehorteten Beträge durch weitere Geldschöpfung i m Kreislauf zu ersetzen. Die Geldschöpfung geschah vielmehr laufend durch staatliche Verschuldung ganz ohne Rücksicht auf Hortungen. Erst i n späteren Jahren hat die Reichsbank das zugegeben 178 . Um die Notenvermehrung aber in ihrer Bedeutung einzuschränken, stellte die Reichsbank in ihren Veröffentlichungen dem Schatzwechselbestand die Einlagen entgegen. Gerade diese waren gegenüber der ersten Kriegshälfte i m Verhältnis stärker angestiegen als der Notenumlauf. Sie argumentierte nun so: Zwar sei die Last der Schatzanweisungen ungewöhnlich angewachsen, aber „dank der günstigen Entwicklung des Geldmarktes auch die der Reichsbank anvertrauten fremden Gelder", so daß die gesamte „Inanspruchnahme..., gemessen an der Zunahme der Anlage abzüglich der Zunahme der fremden Gelder", als wesentlich geringer angesehen werden könne, als es der Schatzwechselbestand ausweise 17 ·. Dementsprechend sah sie es als wichtigste Aufgabe der Geldpolitik an, durch Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs den Notenumlauf einzuschränken und dadurch die Deckungsquote zu verbessern. Neben die Goldsammlung und die Unterbringung der Kriegsanleihen trat jetzt also noch ein drittes Ziel der Geld- und Finanzpolitik, das m i t erheblichem Propagandaaufwand dem Publikum nahegebracht wurde. Die Vorstellung, daß Banknoten und Buchgeld ökonomisch etwas fundamental Unterschiedliches seien, wurde durch diese Aktion von neuem genährt 1 8 0 . Es geht aus den Verlautbarungen der Reichsbank nicht hervor, ob sie ebenfalls dieser Meinung war. Schon Jahre vorher hatte sie alleröffentliche Rede des württembergischen Finanzministers Pistorius beruft, u m Einzelheiten darzustellen. 177 Vgl. R T Bd. 312, S. 4734 u n d 4737. 178 Vgl. Die Reichsbank 1901—1925, a.a.O., S. 53. 179 Reichsbank 1917, S. 17. 180 I n einem diesbezüglichen A u f r u f der Reichsbank heißt es nach einem A p p e l l an das vaterländische Pflichtgefühl: „ . . . die Einschränkung des B a n k notenumlaufs w i r k t ähnlich w i e die Vermehrung des Goldbestandes. Die Reichsbank ist nämlich berechtigt, für jede 100 M a r k i n Gold, die sie als B a r deckung i n ihren Kassen bereithält, 300 M a r k i n Banknoten auszugeben. Es k o m m t daher auf das Gleiche hinaus, ob 100 M a r k Goldmünzen oder 300 M a r k Papiergeld zur Reichsbank gebracht werden". Abgedruckt i n : Reichsbank u n d Geldmarkt V I I , S. 25; vgl. auch Reichsbank 1917, S. 6 ff.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
139
dings festgestellt, daß Noten und Einlagen geldpolitisch gleich behandelt werden müssen 181 . Rist 1 8 2 stellt die Sache so dar, als habe die Reichsbank genau gewußt, daß sie das Publikum irreführe. Sie habe den Unterschied für die „Ignoranten" aufrecht erhalten, um den bisherigen Finanzierungsmodus weiter beibehalten zu können. Für das Ausland zumindest sei die Überbetonung der Dritteldeckung immer unverständlich gewesen. Auch für die Tatsache, daß der Außenwert der Mark weiter sank, fand die Reichsbank ;in der zweiten Kriegshälfte keine einleuchtendere Erklärung als die einmal vorgefaßte Meinung. Allerdings hätte sie auch keine Macht gehabt, die Entwicklung von der Ursache her anzupacken. So mußte sie sich mit dirigistischen Eingriffen helfen, die mehr als bisher die Außenwirtschaft unter ihre Kontrolle zwangen. Dies kam ihr um so notwendiger vor, als die gegnerische Propaganda das Sinken des Markkurses als Nachlassen der wirtschaftlichen Widerstandskraft auslegte. Diesen Eindruck galt es auch aus innenpolitischen Gründen zu vermeiden 1 8 8 . Die Genehmigungspflicht für Importe, die Anfang 1917 eingeführt wurde 1 8 4 , fiel zwar i n die Kompetenz eines Reichskommissars für Ausund Einfuhrbewilligung, die Kontrolle des Devisen Verkehrs oblag jedoch der Reichsbank. Durch verschiedene Verordnungen 1 8 5 erhielt sie alle Mittel, um den Zahlungsverkehr m i t dem Ausland zu lenken. Das betraf sowohl die Verfügung über Guthaben und Kredite in fremder Währung wie auch für Markzahlungen an das Ausland. Diese mußten kontingentiert werden, da das hohe Markangebot an fremden Plätzen, resultierend aus Markzahlungen für Importe mangels Devisen, die Kurse ebenfalls drückte. Zu guter Letzt mußten verschiedene Arten von ausländischen Wertpapieren — meist solche aus neutralen Ländern — an die Reichsbank abgegeben werden, die sie dann i m Ausland verkaufte 18 *. M i t Hilfe der dadurch angesammelten Währungsguthaben und i m neutralen Ausland aufgenommener Kredite intervenierte sie an verschiedenen Devisenmärkten und konnte die Markkurse ganz erheblich verbessern (vgl. Übersicht 30). Wie beim Goldexport mußte dies aber mit einem Verlust an realem Vermögen i m Inland erkauft werden. Erst i n der zweiten Hälfte des Jahres 1918 sanken die Kurse dann wieder stark ab. Bei wei181
Vgl. Die Reichsbank 1876—1900, Berlin o.J., S. 51 u n d S. 126. Vgl. Rist, Charles, a.a.O., S. 138 ff. 183 y g i Bendixen, Friedrich, Das Inflationsproblem, a.a.O., S. 17. 184 Bekanntmachung über die Regelung der Einfuhr v o m 16. Januar 1917, RGBl. S. 41 f. 185 Bekanntmachung über die Anmeldung von Auslandsforderungen v o m 16. Dezember 1916, RGBl. S. 1400; zwei Bekanntmachungen über den Zahlungsverkehr m i t dem Ausland v o m 8. Februar 1917, RGBl. S. 105 ff. 186 Bekanntmachung über ausländische Wertpapiere v o m 22. März 1917, RGBl. S. 260; Bekanntmachung betreffend Überlassung ausländischer W e r t papiere an die Reichsbank v o m 22. M a i 1917, RGBl. S. 429. 182
140
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
ter er Inflationierung i m Inland konnte diese Maßnahme ja auch nur vorübergehend Abhilfe schaffen. Die ganze Periode von 1916 bis 1918 zeigt die Reichsbank also ziemlich hilflos gegenüber der monoton und mechanisch ablaufenden Inflationierung. Die Möglichkeiten zur Durchführung einer „normalen" Geldpolitik waren ihr ja schon 1914 genommen worden, als sie in den Dienst der Kriegsfinanzierung gestellt wurde. Ihrer dauernden Inanspruchnahme durch den Staat mußte sie deshalb i m wesentlichen tatenlos zusehen. 2. Die Darlehenskassen
als zweite
Notenbank
Wie die Reichsbank, so standen auch die Darlehenskassen in der zweiten Kriegshälfte ganz i m Zeichen der Inflation durch fast ausschließliche Kreditgewährung an die öffentliche Hand. Aus Übersicht 15 ist der gegenüber der ersten Kriegshälfte sprunghafte Anstieg der Kredite ersichtlich, aus Übersicht 16 die Tatsache, daß diese fast ausschließlich von öffentlichen Körperschaften i n Anspruch genommen wurden. Länder und Gemeinden waren nicht bereit, die ihnen zur Verfügung stehenden Steuerquellen stärker auszuschöpfen, da die zuwachsenden Aufgaben als vorübergehend und kriegsbedingt galten und zum Teil noch nachträglich vom Reich finanziert werden sollten. Über den Charakter dieser kriegsbedingten Ausgaben konnten nur spärliche und grobe Angaben gemacht werden. Zum größeren Teil waren es jedoch Transferausgaben, welche die privaten Einkommen erhöhten. I n den offiziellen Berichten der Darlehenskassen und der Reichsbank ist nie davon die Rede, daß die Darlehenskassenscheine Geld waren und i n dieser Hinsicht der gleichen Sorge bedurft hätten wie der Anstieg des Banknotenumlaufs. Andere Autoren haben den Sachverhalt durchaus richtig erkannt, z. B. Feuchtwanger 187 . Aber auch er meint, daß aus „psychologischen Gründen . . . an formal schönen Ausweisen erhebliches Interesse bestehen" könne. Man habe deswegen die Organisation der Darlehenskassen vorgezogen, weil „durch die Verschleierung (eines zu hohen Notenumlaufs) die ungünstige Wirkung, die ein metallisch niedrig gedeckter Notenumlauf ausübt, i m Inland gemildert w i r d " 1 8 8 . Hiermit scheint Rist's These gestützt zu sein, daß bei den Fachleuten über den Inflationsprozeß durchaus Klarheit herrschte, man aber die große Masse mit bewußter Irreführung „bei Stimmung" halten wollte. Den Charakter einer vorübergehenden Notorganisation haben die Darlehenskassen also während des Krieges völlig verloren. Sie dienten 187 188
Vgl. Feuchtwanger, Ebd., S. 194.
Leo, a.a.O., S. 191 ff.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
141
vielmehr dazu, Kreditansprüche größten Ausmaßes von der Reichsbank fernzuhalten und dadurch die Verschönerung von deren Status zu gewährleisten. Nach dem Kriege sollten sie sogar noch i n die Aufnahmeaktion für Kriegsanleihen eingespannt werden. Die damit verbundene Inflationierung wurde der Allgemeinheit nicht klar, von der Regierung aber i n Kauf genommen. 3. Kreditbanken und Sparkassen im Zeichen des öffentlichen Kredits
Der Umstellungsprozeß der A k t i v a i n den Kreditbankbilanzen war — wie oben festgestellt — um die Mitte des Jahres 1916 weitgehend abgeschlossen. I m gleichen Jahre wies die Bilanzsumme zum ersten Mal eine wesentliche Steigerung auf. Das beruhte darauf, daß erstmalig größere Posten an Schatzanweisungen nicht mehr konsolidiert wurden, sondern i n den Portefeuilles der Kreditbanken als Prolongationspapiere verblieben. Das Überhandnehmen des öffentlichen Kredits setzte sich dann nicht nur i m Wechselportefeuille, sondern auch in anderen Bilanzposten bis Kriegsende fort. So ergab sich bei laufend steigendem Bilanzvolumen eine monotone Ausdehnung der durch die Kriegsfinanzpolitik aufgezwungenen A k t i v - und Passivgeschäfte. Das Einlagenwachstum war dabei i m wesentlichen durch die Liquiditätsvorliebe der Unternehmer bestimmt. Sie legten ihre hohen Kriegsgewinne nur in gewissen Grenzen i n Kriegsanleihe an. Den größeren Teil ihrer liquiden Mittel wollten sie sich kurzfristig zur Verfügung halten, um bei Kriegsende sofort darüber disponieren zu können. Deswegen hielten sie die Einlagen de jure kurzfristig, de facto aber i n steigendem Maße langfristig, so daß ein wachsender Bestand „eingefrorener" Einlagen bei den Kreditbanken verblieb. Sie schwankten nicht mehr so stark m i t der Auflage von Kriegsanleihen, da jetzt auch vielfach Nichtbanken Schatzwechsel hereinnahmen zur Überbrückung der Zeit bis zur Anleiheauflage. Die Banken fühlten sich bei dem dauernden Einlagenwachstum nicht ganz wohl, zumal ihnen an Aktivgeschäften nur die Kreditgewährung an öffentliche Körperschaften übrig blieb. Sie entschlossen sich daher endlich i m Jahre 1917 zu einer gemeinsamen Zinssenkung, welche besonders die kurzfristigen Einlagen betraf. Der gewünschte Erfolg, nämlich die Einleger auf Kriegsanleihe abzudrängen, trat indessen nicht ein. Trotz wiederholter Versprechungen der Reichsregierung und des Reichsbankpräsidenten, welche ausreichende Verkaufsmöglichkeiten für Kriegsanleihe nach Kriegsende zusagten 189 , zogen die Unternehmer vor, hohe Bankguthaben zu halten. Die Zinssenkung veranlaßte sie sogar kaum. 189
Vgl. Reichsbank u n d Geldmarkt V I I , S. 50 f.
142
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
längere Kündigungsfristen zu vereinbaren (vgl. Übersicht 19). Als der militärische Zusammenbruch sich abzeichnete, wurden Termineinlagen vielfach gekündigt und täglich fällig gehalten. Die durch das Einlagenwachstum ausgedehnte Kreditgewährungsmöglichkeit kam ganz einseitig der öffentlichen Hand zugute. Die Ausmerzung des privaten Kreditbedarfs als Folge der Kriegsfinanzpolitik wurde von den Banken zwar konstatiert, aber i n ihrer Ursache nicht recht begriffen 1 9 0 . Immer wieder führten sie Klage darüber, daß kaufmännischer — d. h. letztlich solider — Kredit nicht gefragt sei. Sie konnten schließlich nur dem immerwährenden Druck der Reichsbank nachkommen und i n großem Maße Schatzwechsel i n ihr Portefeuille aufnehmen. Daß diese nur formal kurzfristig waren, de facto aber immer wieder prolongiert werden mußten, blieb weniger wichtig, solange die Rediskontzusage der Reichsbank bestand. Deswegen hatten die Banken den Reichswechsel noch lieber als die Kredite an die anderen öffentlichen Körperschaften, deren Verschuldung auch auf längere Sicht eine illiquide Anlage sein mußte. Dementsprechend zogen die Berliner Großbanken die Reichswechsel vor; ihre Debitoren nahmen i m Verhältnis wenig zu. Länder und Gemeinden verschuldeten sich — außerhalb der Darlehenskassen — lieber bei Regionalbanken. Diesen sollte allerdings, wie von der Regierung häufig versprochen, die Möglichkeit offenstehen, nach Kriegsende diese Kredite auf die Darlehenskassen abzuwälzen. I m ganzen gesehen hatten die Berliner Großbanken die Hauptlast der Bilanzverlängerung zu tragen (vgl. Übersicht 18 und 19). Der Krieg hatte also die Banken völlig i n den „Dienst der öffentlichen Finanzgebarung" 1 0 1 gezwungen. Während sie aber zum großen Teil über rediskontierbare, kurzfristige Titel verfügten, hatten sich die mehr auf langfristigen Kredit eingerichteten Institute wesentlich anders entwickelt. Neben den Volksbanken, über die zusammenfassende statistische Angaben überhaupt nicht vorliegen, waren auch die Sparkassen i n gewissem Maße i n die Kriegsfinanzierung eingespannt. Auch sie konnten sich das ab 1916 einsetzende Wachstum ihrer Einlagen nicht erklären 1 0 2 , argwöhnten aber, daß es sich größtenteils nicht um echte Spargelder handeln könne. Deswegen hätten sie eine Aufteilung i n Sparguthaben und Depositen für sinnvoll gehalten. Damit wären sie aber — sehr gegen das Interesse der Geschäftsbanken — über ihre Zweckbestimmung hinausgewachsen 103 . I n ihrer Anlagepolitik gingen sie trotz dieser 190 Vgl. Lansburgh, Alfred, Die Berliner Großbanken i m Jahre 1917, Die Bank 1918 I, S. 328. 191 Lansburgh, Alfred, Die Berliner Großbanken i m Jahre 1918, Die Bank 1919 I, S. 362. 192 Vgl. Hoffmann, Z u r Entwicklung der deutschen Sparkassen während des Weltkrieges, JfNuS Bd. 111 (1918), S. 305 ff. 193 Vgl. ebd., S. 312 f.
20.381
21.433
25.380
31.760
1915
1916
1917
1918
I ι
j
j
;
j
j
j 2.853
j
j
j
8.509
1.397
753
insgesamt
5.368
3.138
! 4.461
551
1.909
. EinlagenZuwachs . 0 in Preußen
!
!
10.059
24.105
19.644
16.506
15.955
14.046
in Preußen
7.756
19,5
35,3
27,3
17,3
w rt ' ! wertpapier;
31,3
64,4 3.141 75,2
2.515
1.456 48,6
644
Zuwachs bestand !
8,8
5,4
i Aktiva
Quelle: H. Höpker, Die deutschen Sparkassen, ihre Entwicklung und ihre Bedeutung, Berlin 1924, S. 103. Statistische Jahrbücher 1916, S. 58 f., 1917, S. 68 f, 1918, S. 48 f., 1919, S. 176 f., 1920, S. 123 f., 1921, S. 280.
19.689
20.547
1914
im Reich
1913
Jahr
Gesamtguthaben der Einleger (in Mill. M.) Die Sparkassen in Preußen ~ . ~ , „. , . Das war m Prozent von 0 bei Sparkassen hielten an Reichsanleihen
Tabelle 10: Zur Entwicklung der Sparkassen 1913—1918
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918) 143
144
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
Unsicherheit über den Charakter der Einlagen von deren Langfristigkeit aus und legten einen großen Teil des Zuwachses i n Kriegsanleihen an. Die spärlichen Statistiken geben zwar nur i n groben Zügen Auskunft über diese Entwicklung, genügen aber, um die Tendenz zu erkennen (vgl. Tabelle 10). Dem damaligen Charakter der Sparkassen entsprechend war der größte Teil der Einlagen auf lange Sicht i n Hypotheken, Kommunalobligationen und sonstigen Rentenwerten festgelegt. Diese Anlagen konnten für Zwecke der Kriegsfinanzierung nicht i n großem Stile liquidiert werden, so daß nur der Einlagezuwachs i n Kriegsanleihe angelegt wurde. Daß die Sparkassen auch hierbei recht vorsichtig vorgingen, beweist die Tatsache, daß längst nicht der ganze Zuwachs i n Kriegsanleihen ging. Somit erreichte der Kriegsanleihebestand nur etwa ein Drittel der gesamten Aktiven (vgl. Tabelle 10). Immerhin wurde damit die vom A n lagegesetz von 1912 verlangte Höchstgrenze von 25 °/o weit überschritten, wenn man hier noch die übrigen festverzinslichen Wertpapiere (ein Viertel des Gesamtbestandes nach Tabelle 10) hinzurechnet. Die Sparkassen waren also gegenüber den Kreditbanken i n einer wesentlich günstigeren Lage. Sie konnten den Charakter ihrer Aktivgeschäfte i n viel größerem Maße wahren. Dabei darf nicht vergessen werden, daß sie beim Absatz der Kriegsanleihen eine große Rolle spielten, also vielfach unerwünschten Einlagenzuwachs i n die Kriegsanleihe umleiten konnten, indem sie eine intensive Werbetätigkeit entfalteten. Die Sparkassen und ihre Kunden waren m i t folgenden Zeichnungsbeträgen an den ersten sieben Kriegsanleihen beteiligt:
Zeichnungsbetrag
das sind i n °/ 0 der Gesamtzeichnung
1. Kriegsanleihe
884 M i l l .
19,7
2. Kriegsanleihe
1.940 M i l l .
21,3
3. Kriegsanleihe
2.876 M i l l .
23,6
4. Kriegsanleihe
2.755 M i l l .
25,6
5. Kriegsanleihe
2.568 M i l l .
24,0
6. Kriegsanleihe
3.202 M i l l .
23,5
7. Kriegsanleihe
3Λ99 M i l l .
25,2
Quelle: Sparkasse, Jg. 1917, S. 358.
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
145
I m Zusammenhang damit gelang es ihnen, einen weiteren Schritt auf dem Wege zur Universalbank zu tun. War mit der Beteiligung am bargeldlosen Zahlungsverkehr, der auch von der Reichsbank so stark propagiert wurde, schon ein Schritt i n dieser Richtung gelungen, so kam ein nächster hinzu i n der Aufnahme des Wertpapierverwahrgeschäfts, das bisher eine Domäne der Privatbanken war, aber wegen des umfangreichen Kriegsanleiheabsatzes i m Sparkassenbereich notwendigerweise dort Platz greifen mußte 1 9 4 . V. Zusammenfassung Die zweite Kriegshälfte brachte also, i m ganzen gesehen, eine Fortsetzung und Verschärfung der i n der ersten begonnenen Inflation, ohne daß versucht worden wäre, durch eine Änderung i n den Finanzierungsmethoden diese Inflation und alle ihre nachteiligen Begleiterscheinungen aufzuhalten oder zu vermeiden. Die militärischen und politischen Ereignisse standen zu gebieterisch i m Vordergrund, als daß es möglich gewesen wäre, die Finanzpolitik neu zu durchdenken und zu revidieren. Betrachtet man wiederum zuerst die Entwicklung i m monetären Sektor, so mußte das Bestehen einer wachsenden Schatzscheinschuld das „sichtbare Kreditvolumen" zwar jetzt i n starkem Maße erhöhen, aber doch i n besonderer A r t und Weise. Die Verlängerung der Reichsbankund Darlehenskassenbilanz kam gleichsam über die Aktivseite zustande. Die aufgenommenen Kredite konnten nicht getilgt werden, das zusätzlich geschöpfte Geld blieb i m Kreislauf. Die Verlängerung der Kreditbankenbilanz ging jedoch von der Einlagensteigerung aus, also von der Passivseite, und die Banken verhielten sich dabei i m wesentlichen auch passiv. Entsprechend ihrer Liquiditätsvorliebe gingen die Unternehmer nicht i n die höher verzinslichen Anleihen, sondern hielten ihre freien Gelder in Bankguthaben. Der ausgeweitete Kreditschöpfungsspielraum wurde nun nicht von Privaten ausgenutzt, sondern von der öffentlichen Hand bzw. der Reichsbank neutralisiert, indem sie mehr und mehr Schatzwechsel i n die Banken abdrängte. Daß die Unternehmer keinen Kredit brauchten, mußte ja schon aus dem Rückgang des Handelswechselumlaufs hervorgehen. Der ganze Bereich des privaten Bankwesens wurde also eindeutig von der Staatsfinanz beherrscht; der Kontakt zur gewerblichen Wirtschaft bestand höchstens noch darin, daß es als Organ für den Giroverkehr und zur Bereithaltung von Einlagen fungierte. Seiner eigentlichen Funktionen, der Auslese und Lenkung von Kredit und der damit verbundenen Geldversorgung der Wirtschaft, blieb es mehr denn je beraubt. 194
10
Vgl. Sparkasse, Jg. 1914, S. 447; 1915, S. 188 ff.
Roesler
146
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
Gegenüber der Zeit von 1914 bis 1916 stieg nun auch der Bargeldumlauf (vgl. Übersicht 17) stark an, die Giralgeldmenge (Einlagen von Nichtbanken) etwas weniger stark. Die Ansicht Lautenbachs 195 , i n der Inflationszeit sei „die sich überstürzende Steigerung der Löhne die conditio sine qua non" für die Vermehrung der umlaufenden Noten gewesen, steht dem nicht entgegen, sondern deutet auf den eigentlichen Grund hin, weshalb die Abschöpfung nur teilweise Erfolg hatte. Bei gleichbleibendem Lohnsatz und sinkendem Reallohn wären die Unternehmergewinne noch sehr viel stärker gestiegen als i n der Realität. Entweder hätte ihre Abschöpfung durch Steuern und Anleihen zur Vernichtung des zusätzlichen Geldes geführt, oder ihre Anlage i n Bankguthaben hätte auch bei nicht endgültiger Abschöpfung die umlaufende Notenmenge gering gehalten, da die Banken wesentlich mehr Schatzwechsel hätten aufnehmen können. Nur das Bilanzvolumen der Kreditbanken, nicht das der Reichsbank hätte sich ausgeweitet. Hier erweist sich also die Notenvermehrung als von der Nominallohnsteigerung, die Giralgeldvermehrung von der Gewinnerhöhung der Unternehmer abhängig. Das heißt für die Bargeldvermehrung, noch einmal in der richtigen Folge von Ursache und Wirkung gesehen: Die Nachfrage mit zusätzlichem Geld von Seiten des Staates war die Ursache von Geldvermehrung und Preisanstieg; die Lohnsteigerung selbst ergab sich als Folge des Preisanstiegs und hinkte diesem nach; sie verursachte ihrerseits, daß die vermehrte Geldmenge i n Noten zum Teil erhalten blieb. Auch hier hat das Argument der Verkehrsbedingtheit also wieder eine gewisse Berechtigung, als zur Zahlung der steigenden Lohnsumme und zum Umsatz des nominal zunehmenden Sozialprodukts höhere Geldbeträge nötig waren. Die Vermehrung der Darlehenskassenscheine kann man durchaus i m gleichen Zusammenhang sehen, da die Darlehenskassenkredite i m wesentlichen für Sozialausgaben verwendet wurden, welche das Einkommen der NichtUnternehmer steigerten. Der Lohndruck verursachte dann seinerseits eine Erhöhung der Preise; damit blieb, solange der Staat versuchte, durch Gewährung und Überbietung dieser Preise gütermäßig noch größere Teile des Sozialprodukts an sich zu ziehen, eine A r t Spiralbewegung der Erhöhung aller Nominalwerte i n Gang. Der Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit setzte sich in der zweiten Kriegshälfte fort, weil Unternehmer und Private in stärkerem Maße Kasse bzw. Bankguthaben hielten. Dazu kamen Hortungen i n größerem Ausmaß, i m Inland zur Steuerhinterziehung, i m Ausland zur Spekulation. Diese Hortungen müssen auch bei der Beurteilung der steigenden Notenmenge berücksichtigt werden. Besonders gegen Kriegsende ver195
Lautenbach,
Wühelm, a.a.O., S. 96.
Β . Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
147
mehrten sie sich sehr stark, weil man i m Inland mit Preissenkungen, i m Ausland mit Kursverbesserungen rechnete 196 . Hier läge nun, das sei zwischendurch bemerkt, eine Anwendung der naiven Quantitätstheorie wesentlich näher als in der ersten Kriegshälfte, weil die starke Geldmengenvermehrung die Preissteigerungen ausreichend motivieren könnte. Die Entwicklung i m gü ter wirtschaftlichen Bereich muß trotzdem auf zusätzliche Aspekte untersucht werden. Das Hindenburgprogramm richtete den ganzen Produktionsapparat noch mehr als i n der ersten Kriegshälfte auf die Kriegsproduktion aus. Der starke Nachfragesog und die durch die staatliche Kontrolle i n diesen Bereichen nur wenig behinderte Preisgestaltung lockte noch Produktionsfaktoren i n die Kriegsindustrien. I n schärferer Weise als bisher wurden auch durch die Lenkungspolitik Rohstoffe und Arbeitskräfte i n die Kriegsindustrien geleitet. Daraus entstand eine weitere Schrumpfung der privaten und, gegenüber 1914 bis 1916 auch i n verstärktem Maße, der gemischten Industrien. Da eine Steigerung der Gesamtleistung der Wirtschaft nicht möglich war, ging die ganze Entwicklung zu Lasten der Versorgung der privaten Haushalte. Auch der Anstieg der Nominaleinkommen half diesen nichts; er blieb hinter der Preissteigerung für Konsumgüter zurück, weil ein schrumpfendes Angebot der wachsenden monetären Nachfrage gegenüberstand. Erst mit den starken Lohnsteigerungen des Jahres 1918 gelang es, die Realeinkommen geringfügig anzuheben (vgl. Übersicht 24 und 25). Die staatliche Preispolitik griff i n dem Bereich der Ernährungsgüter am weitesten durch, während Hausrat und Kleidung Engpässe mit besonders hohen Preissteigerungen waren (vgl. Übersicht 26). Insgesamt gesehen wurde also das langsam schrumpfende reale Sozialprodukt zu ungunsten der privaten Verbraucher vom Staat i n größeren Anteilen aufgenommen. Dabei fand eine Verzerrung der Preisrelationen dadurch statt, daß die Preispolitik sich nur in gewissen Bereichen durchsetzen konnte. Der wachsende Anteil des Staates am Bruttosozialprodukt wirkte sich, wie auch schon für die erste Kriegshälfte festgestellt, auch so aus, daß er durch zunehmenden Raubbau am Sachvermögensbestand der Volkswirtschaft gespeist wurde. Dieser Raubbau ging jetzt weniger zu Lasten von Vorräten und Lägern, die schon weitgehend entblößt waren, sondern durch Unterlassung der notwendigen Ersatzinvestitionen vor sich. Sie setzte Kapazitäten frei für die Kriegsproduktion, besonders eben i n der Investitionsgüterindustrie. Den gleichen Effekt, Verlust von Volksver190 Vgl. Reichsbank 1918, S. 4. Es erscheint hier sinnvoll, auch die Horte i n der aktiven Geldmenge zu belassen, da sie i n großem Maße spekulativen Charakter hatten, i h r A k t i v w e r d e n also naheliegend, wenn auch unberechenbar blieb.
10*
148
3. A b s c h i t t : Finanzielle Kriegsführung
mögen und Freisetzung von Faktoren, hatte der Export von Wertpapieren, Gold und ähnlichen Vermögensteilen anstelle von Gütern aus der laufenden Produktion. Nur bestimmte kriegswichtige Industrien (vor allem Großeisen und Chemie) kamen i n den Genuß der notwendigen Ersatzinvestitionen oder sogar Kapazitätserweiterung; „diese Blüte war aber mit dem Niedergang der übrigen Industriegruppen erkauft" 1 0 7 . Dem Verlust am realen Volksvermögen stand ein inflationär aufgeblähtes Geldvermögen gegenüber, dem der reale Hintergrund fehlte. Die Aufgabe der Abschöpfung, angesichts dieser monetären Aufblähung wichtiger denn je, blieb ohne neuen Auftrieb; man konnte nicht verhindern, daß die hohen zusätzlichen Einkommen i m Kreislauf blieben und den Preisauftrieb anheizten. I m einzelnen läßt sich dazu folgendes sagen: Die Hortung von Bargeld und die Ansammlung von Bankguthaben stellten zwar einen Nachfrageverzicht dar, der jedoch nicht endgültig sein konnte. Diese Gelder wurden ja gerade so hochliquide gehalten, um i m passenden Moment nachfragend auftreten zu können. Die Steuerpolitik blieb weiterhin ohne Abschöpfungswirkung. Der größte Teil der Einnahmen wurde ja i n der gleichen Periode über den ordentlichen Haushalt i m Anleihedienst wieder ausgegeben. Sie stellten praktisch nur durchlaufende Posten dar, trugen also nicht zur Verringerung des persönlichen Einkommens bei, ja zum Teil nicht einmal zu einer Umverteilung, da Steuerzahler und Anleihebesitzer oft dieselben Personen waren. Soweit die Kriegssteuern m i t Anleihe bezahlt wurden, entstand auch für den Augenblick kein Einkommensentzug, sondern nur eine gleichzeitige Streichung von langfristigen Forderungen und Schulden. Die Abschöpfung durch Anleihen erfaßte nur einen immer geringeren Teil des neugeschöpften Geldes, da die Förderungsmaßnahmen ohne tiefgreifende Wirkung blieben; soweit sie nicht gelang, mußte sich eine Aufblähung des ganzen monetären Kreislaufs ergeben. Für das Sinken des Außenwerts der Mark ist keine neue Erklärung nötig. Die Eingriffe der Reichsbank reichten nicht aus, um den durch den inneren Nachfrageüberhang bewirkten Importsog zu verkleinern bzw. zu kompensieren. Außerdem war die Entwicklung des Wechselkurses weit weniger als i n der ersten Kriegshälfte das Ergebnis einer sich i m freien Spiel der Kräfte ergebenden Zahlungsbilanzsituation. Die Interventionen der Reichsbank und die Regulierung des Warenaustauschs beeinflußten die Kursentwicklung ebenso wie die von den Kriegsereignissen hin und her gerissene Spekulation. 197
Wagenführ,
Rolf, a.a.O., S. 23.
Β. Die Periode des Niedergangs (1916—1918)
149
Versucht man zusammenfassend wieder zunächst eine quantitätstheoretische Formulierung des Ergebnisses, so läßt sich sagen: Bei stark steigender Geldmenge, deren Effizienz durch die sinkende Umlaufsgeschwindigkeit gedämpft wurde, und langsam abnehmendem Gesamtprodukt ergab sich ein starker Anstieg des Preisniveaus. Diesmal lag also eine klare Verursachung „von der Geldseite her" vor. Trotzdem ist auch diese Formulierung nicht restlos befriedigend. Sie gibt zwar im groben Einsicht i n das Verhältnis von Ursache und Wirkung, versteht sie aber nicht i m einzelnen zu differenzieren. 1. Die Abschöpfung blieb nunmehr in ihrer Höhe hinter der Vermehrung der staatlichen Nachfrage zurück, d. h. diese eilte i h r nicht nur i n zeitlicher, sondern auch zunehmend in quantitativer Hinsicht voraus. Dabei spielte auch die Einkommenserhöhung und damit Nachfragesteigerung der privaten Haushalte eine Rolle. Der dadurch verursachte Preisauftrieb zwang die öffentliche Hand wiederum, ihre Geldschöpfung zu erweitern. 2. Dabei gelang es der öffentlichen Hand, noch größere Anteile am realen Sozialprodukt an sich zu ziehen und damit das Realeinkommen der Bevölkerung noch tiefer zu drücken. Die Produktionsstruktur verzerrte sich noch mehr zu den Kriegsindustrien hin. 3. Die strengere Handhabung der Preispolitik bei den Gütern des täglichen Bedarfs verschärfte die Verzerrung der Preisrelationen. 4. Über den Abbau der Vorräte hinaus l i t t das gesamte Anlagevermögen der Industrie unter starkem Verschleiß und Raubbau. Das Geldvermögen blähte sich demgegenüber auf.
Vierter
Abschnitt
Zusammenfassung und Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik und ihrer Folgen A. Vorbemerkung I m vorangegangenen dritten Abschnitt wurde versucht, lediglich eine Darstellung der Kriegsfinanzpolitik — wenn auch aus dem Blickwinkel neuerer theoretischer Vorstellungen — zu geben, während eine K r i t i k höchstens an Einzelheiten, nicht an der Gesamtkonzeption dieser Politik geübt wurde. I m kommenden Abschnitt soll nunmehr eine Zusammenfassung der Kriegsfinanzpolitik unter kritischen Aspekten vorgenommen werden. Dabei w i r d es nötig sein, die Folgen dieser Politik für die weitere Entwicklung zu streifen, andererseits auch die Folgen der Kriegswirtschaft ganz allgemein, soweit diese mit der Finanzpolitik verflochten oder nach dem Kriege für sie bestimmend war. Die zeitgenössische Lehre betonte ganz einseitig die finanztechnische Seite des Gesamtproblems. Hier soll nach den Erkenntnissen der neueren Theorie güterwirtschaftliche und finanzielle Aufbringung des Kriegsbedarfs getrennt werden, wobei die reale Aufbringung zuerst abgehandelt wird, um an ihr die Qualität der Finanzpolitik zu beurteilen. Die Behandlung der Finanzpolitik selbst steht besonders i m Lichte des Ineinandergreifens von Geldschöpfung und Abschöpfung, das als Charakteristikum moderner Kriegsfinanzpolitik betrachtet werden muß.
B. Die reale Aufbringung des Kriegsbedarfs I. Die güterwirtschaftlichen Quellen des Kriegsbedarfs
Daß die Kriegsfinanzierung nicht nur ein geld-, sondern i n erster Linie ein güterwirtschaftliches Problem ist, darüber mußte man sich während des ersten Weltkrieges klar werden; erst nachher wurde diese Erkenntnis auch i n wissenschaftlichen Werken ausgesprochen 1. Theoretisch eingehend durchdacht hat man diese Dinge schließlich erst i m Gefolge der 1
Vgl. Knauss, Robert, a.a.O., S. 182 ff.
. Die re
Aufbringung des Kriegsbedarfs
151
Umwälzung zur makroökonomischen Theorie nach Keynes; besonders die deutsche Nationalökonomie beschäftigte sich i m Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft eingehend mit diesen Gedankengängen 2 . So gibt es nach Burkheiser 3 grundsätzlich drei güterwirtschaftliche Quellen der Kriegsfinanzierung: 1. das laufende Sozialprodukt, 2. das Volksvermögen (einschl. Auslands vermögen), 3. den Auslandskredit. Andere Einteilungen wie die von Jecht 4 oder Thalheim 5 lassen sich leicht auf diese drei Komponenten zurückführen. M i t der Entfernung des „Geldschleiers" w i r d die Relevanz der Finanzierungsmethoden nicht vernachlässigt, deren Ergebnis ja die reale Aufbringung ist; sie gibt vielmehr die Grundlage für die theoretische Auswahl der Methoden und die K r i t i k an der konkreten Politik i m Kriege. Es gilt also zunächst, alle Möglichkeiten, die güterwirtschaftlichen Quellen auszuschöpfen, genauer zu umreißen. Zu 1.: Das laufende Sozialprodukt — d. h. die i m Inland hergestellten Güter und Dienste einer Periode — w i r d im Frieden konsumiert bzw. für Ersatz- und Neuinvestitionen verwendet. Regelmäßig nimmt auch der Staat einen bestimmten Teil i n Anspruch. Dieser steigt nun in Kriegszeiten sehr stark an und fällt praktisch vollständig der Vernichtung anheim, d. h. kommt nicht in Form greifbarer Staatsleistungen den Privaten zugute. I n gleichem Maße w i r d deren Lebensstandard also gesenkt. Es gilt nun i m Kriege das gesamte Sozialprodukt auf einem möglichst hohen Stande zu halten, um die Minderung des privaten Konsums und der Ersatz· bzw. Neuinvestitionen nicht zu sehr zu forcieren, da hieraus wiederum eine Senkung des Gesamtprodukts erfolgen muß. Über die größte Elastizität verfügt hierbei der private Konsum, der für kürzere Zeit in beachtlichem Maße eingeschränkt werden kann, während die Investitionen in den kriegswichtigen Industrien nicht nur Ersatz-, sondern auch Neuinvestitionen enthalten müssen, die allerdings meist auf Kosten der Privatinvestitionen gehen. Diese können vor allem i m Bereich der nicht 2 Vgl. Jecht Horst, Kriegsfinanzen, a.a.O., S. 36 f f ; Burkheiser, K a r l , F i n a n zierung des totalen Krieges, B e r l i n 1941, S. 17 ff.; derselbe, Quellen u n d Methoden der Kriegsfinanzierung, F.Α., N.F., Bd. 8 (1941), S. 37 ff.: Thalheim, K a r l C., Die Grundlagen der deutschen Kriegsfinanzierung, W W A , Bd. 51 (1940 I), S. 437 ff.: Donner, Otto, u n d Benninq, Bernhard, Kriegskosten u n d Grenzen der Staats Verschuldung, Jena 1942, S. 51 ff.; zusammenfassend Lanier, Max, a.a.O., S. 171 ff. 5 Vgl. Burkheiser, K a r l , Quellen u n d Methoden der Kriegsfinanzierung, a.a.O., S. 38 f. 4 Jecht, Horst, a.a.O., S. 38 f. 5 Thalheim, K a r l C., a.a.O., S. 438 ff.
152
4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
lebensnotwendigen Güter, auf dem Bausektor etc. unterbleiben. Regelmäßig w i r d bei Ländern, die vom Ausland weitgehend abgeschnitten sind, die Inanspruchnahme des laufenden Sozialprodukts im Inland am größten sein. Zu 2.: Dem Verzehr des realen Volksvermögens sind von vornherein Grenzen gesetzt. Betrachtet man ζ. B. die Zusammensetzung des deutschen Volks Vermögens i m Jahre 1913e, Gold u n d Devisen Kapitalanlagen i m Ausland Warenvorräte Inventar (Maschinen etc.) Gebäude G r u n d u n d Boden
5 30 40 50 150 75
zusammen (Mrd. Mark)
350
so ergibt sich, daß der größere Teil davon für Kriegszwecke nicht liquidierbar war (Grund und Boden, Gebäude). I n erster Linie verwendbar sind Gold, Devisen und Kapitalanlagen i m Ausland, soweit man noch über sie verfügt und sie fungibel sind. Ihre Verwendung geht nicht auf Kosten des Inlandsprodukts. Die Dezimierung von Anlagen und Vorräten, also i n diesem Fall die Unterlassung von Reinvestitionen, darf nicht übertrieben werden, um eine Senkung des Gesamtprodukts zu vermeiden. Deswegen finden weiterhin Investitionen statt; da die Desinvestitionen i n Kriegszeiten jedoch meist überwiegen, ergibt sich eine Nettodesinvestition, die hier als Inanspruchnahme des Volksvermögens bezeichnet wird. Zu 3.; Die Aufnahme von Krediten i m Ausland ist nur dann sinnvoll, wenn sie zugleich monetär und real erfolgt. Nur in diesem Fall w i r d das i m Inland verfügbare Gütervolumen vermehrt, ohne daß es zu gleicher Zeit durch erhöhte Ansprüche zu Exportzwecken wieder reduziert wird. Die Fälle 2 und 3 sind insofern bemerkenswert, als sie in güterwirtschaftlicher Betrachtung das enthalten, was man m i t der alten Lehre von der Lastverschiebung auf die Zukunft wollte, aber lediglich unter fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet hat. Soweit die Inanspruchnahme des Volksvermögens und dés Auslandskredits i m Inneren keine Einbuße am gegenwärtigen realen Sozialprodukt bewirkt, ist tatsächlich eine reale Lastverschiebung erreicht; in späteren Jahren ist dann die Aufstockung der Anlagen und Vorräte bzw. die Abtragung der Auslandsschuld durch Konsumverzicht i m Inland zu erbringen. • Entnommen aus Wagemann, Ernst, Was ist Geld?, Oldenburg i. O. 1932, S. 28. Schätzung „nach Größenordnungen" i n Anlehnung an Helfferich, Karl, Deutschlands Volkswohlstand 1888—1913, 4. Aufl., B e r l i n 1914.
. Die re
Aufbringung des Kriegsbedarfs
153
I I . Die Beanspruchung der einzelnen Quellen Versuch einer Quantifizierung
Die Schätzung des Sozialprodukts bzw. Volkseinkommens im Kriege und damit auch der realen Aufbringung des Kriegsbedarfs — von einer genauen Berechnung kann keine Rede sein 7 — bringt zunächst schwerwiegende statistische Probleme mit sich, die das Ergebnis von vornherein höchstens als größenordnungsmäßig richtig erscheinen lassen. Die in Tabelle 11 festgehaltenen Zahlen dürfen in diesem Sinne nur als grobe Anhaltspunkte gewertet werden. I m einzelnen ist zu ihrer Ermittlung folgendes zu sagen: 1. Die Schätzung fußt auf einem Volkseinkommen von 50 Mrd. Mark i m Jahre 1913 zu Preisen von 19138. Das entspricht etwa den später vorgenommenen Berechnungen 9 . 2. Ausgehend von dieser Zahl von 1913 w i r d nun unterstellt, daß sich das reale Volkseinkommen entsprechend dem Produktionsvolumen der Industrie entwickelt hat. Diese Koppelung der Volkseinkommensentwicklung an den Index der Industrieproduktion von Wagenführ (vgl. Übersicht 20) ist problematisch, weil dieser nur einen Repräsentationswert von 55 Vo besitzt 10 und damit unterstellt wird, daß die Entwicklung in allen Bereichen außerhalb der erfaßten Industrien parallel lief. Die Zahlen von Wagenführ sind aber für die Kriegszeit die einzig verfügbaren und, soweit die Produktionsergebnisse nur wertmäßig vorlagen, über den Preisindex für den Großhandel deflationiert. Wendet man für die Preisbereinigung der öffentlichen Ausgaben den gleichen — im übrigen allein vorhandenen — Preisindex an, so hat man in dieser Beziehung eine gewisse Einheitlichkeit gewahrt. M i t diesem Argument werden auch in gewisser Weise Bedenken gegen den Index selbst hinfällig, der mit Fortschreiten der preispolitischen Eingriffe mehr und mehr Höchstpreise enthält. Es kommt hier nicht so sehr auf die absoluten Zahlen wie auf die Relation dieser Zahlen untereinander an. 3. U m die tatsächliche Vernichtung von Gütern und Diensten im Kriege zu erfassen, dürfen nur bestimmte öffentliche Ausgaben als 7 Wegen des Krieges u n d der Inflation gehen kontinuierliche Berechnungen n u r bis 1913 u n d setzen erst ab 1925 wieder ein. Vgl. Hoffmann, Walther G., Müller, J. Heinz, Das deutsche Volkseinkommen 1851—1957, Tübingen 1959, S. 40 f. 8 Ebenso Burkheiser, K a r l , Quellen u n d Methoden der Kriegsfinanzierung, a.a.O., S. 47. 9 Vgl. Hoff mann, Walther G., Müller, J. Heinz, a.a.O., S. 40; Das deutsche Volkseinkommen vor u n d nach dem Kriege, Einzelschriften zur Statistik des deutschen Reiches Nr. 24, B e r l i n 1932, S. 30. 10 Vgl. Wagenführ, Rolf, a.a.O., S. 47.
Jahr
j
!
I
Verbrauchseinkommen der Privaten
j
in o/o des lfd. VE
in °/o des VE von 1913
!
!
i
j j
37,8
76%
!
1,4 7,0 8,5
91%
1,9
j
j
i
| j
1915
67°/0
41,5
7,6 16,9 16,0
83%
2,0 3,7
!
1,7
I
50,0
Einfuhrüberschüsse
100°/0
!
1914
Vermögensverzehr Einkommensverzicht der Privaten
davon:
Kriegsausgaben im engeren Sinn
in °/o des VE von 1913
zu Preisen von 1913
1913
I 7,0 6,0
50%
75%
25,0
3,0
23,6
!
1
:
!
j !
64%
33,5
!
j !
1,1
52%
81% ι
! !
j
33% s
53%
7,0 7,5 j
Ι
30,0 40,2
42%
j
j
166,5
Zusammen
28,5
73%
9,5
1918
57%
31,0
79,7
i : 26,0 16,5 21,0
7,0 14,5
!
j
1917
62%
32,0
15,6 2,1
1916
11: Zur güterwirtschaftlichen Aufbringung des Kriegsbedarfs (Mrd. Mark, zu Preisen von 1913)
Volkseinkommen
Tabelle
4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
. Die re
Aufbringung des Kriegsbedarfs
155
Kriegsausgaben „ i m engeren Sinne" bezeichnet werden 11 . Ihre Ermittlung ist schwierig, da die entsprechenden Zahlen in den Haushaltsrechnungen nur global ausgewiesen sind (vgl. Übersicht 6). Burkheiser 1 2 beschränkt seinen Begriff „Kriegsausgaben" auf die Ausgaben für Reichsheer und -marine innerhalb der Ausgaben „aus Anlaß des Krieges" im außerordentlichen Haushalt, engt ihn also so weit wie möglich ein. Da aber die übrigen Ausgaben „aus Anlaß des Krieges" überwiegend für Staatstätigkeiten verwendet wurden, die erst i m Kriege entstanden sind und weitgehend keine Wohlfahrtsmehrung für die zivile Bevölkerung bedeuteten, ist es wohl exakter, die gesamten Ausgaben „aus Anlaß des Krieges" einschließlich der Militärausgaben i m ordentlichen Haushalt gleichzusetzen mit der erfolgten Vernichtung von Gütern und Diensten. 4. Die Zahlen über die Einfuhrüberschüsse stammen von Burkheiser 13 , der sich wiederum auf Angaben der Reichsbank und des Statistischen Reichsamts stützt. Die Gesamtsumme von 10 Mrd. Mark erscheint auch in einer amtlichen Veröffentlichung 14 . K r i t i k an diesen Zahlen übt Meerwarth 1 5 , der vor allem auf Requisitionen und Kontributionen i n den besetzten Ländern hinweist, für die keine Zahlungen geleistet worden sind. Auch bleibt seiner Ansicht nach unklar, ob ein Teil dieser 10 Mrd. Mark durch Gold- und Devisenzahlungen abgedeckt worden sind. Burkheiser 1® gibt zwar zusätzlich an, daß durch Export von Gold und Wertpapieren etwa die Hälfte des Einfuhrüberschusses abgetragen worden sei. Dies müßte man aber dann noch dem Vermögensverzehr zurechnen. Da BurkIi eisers Angaben zu unsicher sind, dazu eine entsprechende Änderung am Endergebnis, nämlich dem notwendigen Konsumverzicht der Privaten, nichts ändern würde, soll sie hier unterbleiben. Auf ca. 10 Mrd. Mark Einfuhrüberschuß kommt auch Stucken 17 , der noch die Einfuhr für die Verbündeten Deutschlands einrechnet und dann die Ausfuhr von Gold und Devisen abzieht. Meerwarths Ergebnis, daß „eine klare Vorstellung von der Gestaltung der deutschen Zahlungsbilanz nicht möglich ist" 1 8 , zwingt hier praktisch, bei den angegebenen Werten zu bleiben. 11 Vgl. Jostock, Paul, Volkseinkommen, Kriegsbedarf u n d privater V e r brauch, B A Jg. 1941, S. 461 ff. 12 Vgl. Burkheiser, K a r l , Quellen u n d Methoden der Kriegsfinanzierung, a.a.O., S. 47. 18 Ebd., S. 45. 14 Statistisches Reichsamt, Deutschlands Wirtschaftslage unter den Nachw i r k u n g e n des Weltkriegs, B e r l i n 1923, S. 22. 15 Vgl. Meerwarth, Rudolf, Über die deutsche Zahlungsbilanz, VfS Bd. 167, München/Leipzig 1924, S. 16 ff. 18 Vgl. Burkheiser, K a r l , Quellen u n d Methoden der Kriegsfinanzierung, a.a.O., S. 45. 17 Vgl. Stucken, Rudolf, a.a.O., S. 29. 18 Meerwarth, Rudolf, a.a.O., S. 19.
156
4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
5. Die Schätzung des Vermögensverzehrs ist am wenigsten gesichert. Der Betrag von 30 Mrd. Mark ist von Burkheiser 19 übernommen und schematisch auf die einzelnen Jahre verteilt worden; dabei ist wahrscheinlich das Jahr 1914 etwas zu niedrig angesetzt. Jostock 20 hält 30 Mrd. Mark für zu hoch, gibt aber keine eigenen Zahlen an. Zieht man die Volksvermögensschätzung von Wagemann (vgl. vorn) zu Rate, so erscheint Burkheisers Angabe einigermaßen realistisch, vielleicht sogar zu niedrig, wenn man allein von den Vorräten und Anlagen ausgeht, welche zur Hälfte bzw. zu einem Fünftel sehr wahrscheinlich im Kriege abgebaut worden sind. 6. Zieht man Einfuhrüberschüsse und Vermögensverzehr von den Staatsausgaben ab, so erhält man den realen Einkommensschwund der zivilen Bevölkerung; der Differenzbetrag zwischen diesem und dem Volkseinkommen zeigt das ihr verbliebene Verbrauchereinkommen an, das man wiederum mit dem laufenden oder dem Vorkriegseinkommen vergleichen kann (vgl. Tabelle 11). Wenn man von den methodisch-statistischen Bedenken einmal absieht, so erscheint das Ergebnis einigermaßen realistisch. Das reale Volkseinkommen sank i m Kriege laufend ab; ein Zeichen dafür, daß man den Verlust an Arbeitskräften (vgl. Tabelle 12) nicht ersetzen konnte. Während des Krieges mußte man sogar durch erhöhte Anforderungen an die vorhandenen Arbeitskräfte die durch mangelnde Ersatzinvestitionen an den verschlissenen Anlagen hervorgerufenen Produktionsminderungen Tabelle 12 Das Verhältnis von Heeresstärke und Gesamtbevölkerung im Kriege 1914
1915
1916
1917
1918
Bevölkerung des Reichs während des Krieges i n 1000
67 790
67.883
67.715
67.368
66.811
Ist-Stärke des Heeres i n 1000
5.030
6.767
7.630
7.917
10.937
10,0
11,4
11,9
16,4
i n % der Gesamtbevölkerung
7,5 I
Quelle: Stat. Jb. 1919, S. 3; Burgdörfer, S. 87.
1
Friedrich, Volks- und Wehrkraft, Berlin 1936,
19 Vgl. Burkheiser, K a r l , Quellen und Methoden der Kriegsfinanzierung, a.a.O., S. 48. î0 Vgl. Jostock, Paul, a.a.O., S. 461.
. Die re
Aufbringung des Kriegsbedarfs
157
aufzufangen suchen. Das war jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze möglich. Das sinkende Gesamtprodukt nahm zunächst der Staat in A n spruch; dadurch wurde der prozentuale Anteil der privaten Konsumenten gedrückt. Selbst wenn man berücksichtigt, daß das verbleibende Verbrauchseinkommen von einer um die zum Heer eingezogenen Männer verminderten Zivilbevölkerung (vgl. Tabelle 12) verzehrt werden konnte, so sank doch der Lebensstandard so stark, abgesehen von seiner ungleichen Verteilung, daß ein wachsender Druck auf den Leistungswillen der Bevölkerung und die tatsächliche Leistung die Folge war (vgl. Übersicht 22). I m Jahre 1917 bewirkten die Mißernte von 1916 und der hohe militärische Aufwand eine besonders scharfe Beschneidung des zivilen Bedarfs. Hier kam die Bevölkerung praktisch in eine Schere zwischen Rückgang der Mittel und Anforderungen der Rüstungswirtschaft, die sie teilweise unter die Grenze des physischen Existenzminimums drückte. Damit begann dann notwendigerweise der „Zusammenbruch der Heimatfront" (vgl. Übersicht 23). Der Beitrag des Auslandes mußte wegen der Blockade gering bleiben. Nur das neutrale Ausland innerhalb des Blockaderinges stand zur Verfügung, und dessen Liefermöglichkeiten waren gering. Bei stark sinkendem Inlandsprodukt blieb als Ausweg nur mehr die relativ starke Beanspruchung des Inlandsvermögens. Dadurch mußte aber wiederum die produktive Leistung des Erzeugungsapparates geschwächt werden. Die Wirkung dieses Substanz Verzehrs darf man jedoch auch nicht, wie es ζ. B. Burkheiser tut 2 1 , überbewerten. Der Produktionsprozeß war zu dieser Zeit noch längst nicht so stark mechanisiert, wie das heute der Fall ist, d. h. die Kapitalausrüstung pro Kopf nicht so umfangreich. Der Verlust von 6—10 Millionen bester Arbeitskräfte dürfte dabei eine erheblich größere Rolle gespielt haben. I n Höhe des Vermögensverzehrs und der Auslandsverschuldung ist also die Abwälzung der Kriegslast auf die Zukunft zu einem beachtlichen Teil gelungen (ca. 50%, vgl. Tabelle 11). Das Ergebnis mag überraschend sein, ist aber bei der starken Senkung des laufenden Sozialprodukts einigermaßen realistisch, wenn es entsprechend den vorn gemachten Einschränkungen lediglich als Größenordnung verstanden wird. I I I . Zur Frage der intertemporalen Lastverteilung
Dieses Ergebnis widerspricht aber der herrschenden Lehre der Vorkriegszeit, die besonders i n der Schrift von Dietzel zum Ausdruck kommt. Sie hatte diese Frage allein monetär-fiskalisch betrachtet, i n ihr allein 21 Vgl. Burkheiser, a.a.O., S. 53 ff.
K a r l , Quellen u n d Methoden der Kriegsfinanzierung,
158
4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
ein Problem der Finanztechnik gesehen und es dahingehend gelöst, daß die Finanzierung über Anleihen die entstehende Last, wenn nicht auf den besiegten Gegner, so doch auf die Zeit nach dem Kriege zu verlagern erlaube. Sie sah also die Lastenverschiebung nur aus dem engen Blickwinkel des ordentlichen Haushalts und des Steuerzahlers, die erst i n Zukunft m i t den Tilgungssummen belastet werden sollten. Das Problem stellt sich in moderner Sicht anders. Die reale Last muß i n dem Zeitpunkt getragen werden, wo Güter und Dienste für Kriegszwecke i n Anspruch genommen werden und der Vernichtung anheimfallen. Das gilt auch für die Zerstörung von Teilen des Volks Vermögens (Anlagen, Vorräte, Auslandskapital etc.), wobei aber für die Kriegszeit güterwirtschaftlich der Vorteil besteht, daß aus dem laufenden Sozialprodukt nicht so viel abgezogen werden muß. Nur durch den Auslandskredit i m oben erwähnten Sinn w i r d die reale Belastung völlig auf die Zukunft verschoben. Den privaten Verbrauchern w i r d allerdings noch auf längere Sicht nach dem Kriege ein erhöhter Konsumverzicht aufgezwungen, sofern man durch entsprechende Investitionen die Vermögensverluste kompensieren bzw. durch Güterexporte die Auslandsverschuldung abbauen will. Während des Krieges ist es also der höhere Staatsanteil am verzehrbaren Gütervolumen, welcher einen realen Verzicht der Konsumenten darstellt; dagegen ist nach dem Kriege der notwendige Ausgleich des Vermögensverzehrs und Raubbaus bzw. die Verminderung der Auslandsschulden ein Grund zum Konsumverzicht zugunsten erhöhter Investitionen bzw. Exporte. Lastenverschiebung liegt hier demnach vor zwischen den realen Sozialprodukten der einzelnen Perioden. Ist somit i n rein güterwirtschaftlicher Betrachtung geklärt, zu welcher Zeit die realen Kriegslasten anfallen und getragen werden müssen, so ist damit auch nachgewiesen, daß die Finanzpolitik von der monetären Seite her über diese Frage nicht entscheiden kann 2 2 . Damit verschieben sich auch die Kriterien zur Beurteilung der Finanzpolitik in folgender Weise: Sie bestimmt nicht, wann die reale Last anfällt, sondern — und das ist ihre entscheidende Aufgabe i m Kriege — wie die anfallende Last i m jeweiligen Zeitpunkt vorläufig oder endgültig auf die Lastträger verteilt wird. Finanzpolitik i m weitesten Sinne, d. h. unterstützt von Geld-, Lohn- und Preispolitik, entscheidet i m Kriege und nachher nicht über die intertemporale, sondern nur über die interpersonale Lastverteilung.
22 Ebenso Alb er s, W i l l i , Staats Verschuldung und Geld- u n d K r e d i t p o l i t i k , F A Ν. F., Bd. 21 (1961), S. 31.
C. Die monetäre Aufbringung des Kriegsbedarfs
159
C. Die monetäre Aufbringung des Kriegsbedarfs; Kritik der Finanzpolitik I. Die Quellen der Kriegsfinanzierung
I m Gegensatz zur realen Aufbringung des Kriegsbedarfs war die monetäre, wie gezeigt, schon vor dem Krieg stark diskutiert. Wenn auch letzten Endes die Anleihe in den Vordergrund trat, so sah man durchaus, daß neben ihr auch Steuer, Geldvermehrung und Auslandskredit eine Rolle spielten. Wie i m vorigen Abschnitt sollen die vier Quellen kurz theoretisch erörtert werden. Anhand dieser Zusammenhänge w i r d dann eine abschließende Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik möglich sein. 1. Schon damals hat man richtig gesehen, daß die Steuer eine „endgültige" Deckung des Kriegsbedarfs darstellt. Wie realiter Güter und Dienste i m Kriege vernichtet werden und damit der reale Einkommensstrom geschmälert wird, so erzwingt die Steuer den entsprechenden Konsumverzicht über eine Verkürzung der Geldeinkommen. Ein „monetärer Rückstand" wie bei Anleihe und Geld Vermehrung bleibt nicht zurück, so daß eine Belastung zukünftiger Budgets nicht eintritt. Ein weiterer Vorteil der Steuer, ihre vorzügliche Eignung als verteilungspolitisches Instrument, w i r d von Bedeutung i m Rahmen einer gerechten Verteilung der realen Kriegslast. I m Vordergrund steht dabei natürlich die Einkommensteuer, aber auch spezielle Verbrauchsteuern, während allgemeine Verbrauchsteuern und Vekehrssteuern nur mit Vorsicht anzuwenden sind. Uber ihre Eignung entscheidet vor allem der Grad der Überwälzbarkeit und die Möglichkeit zur Einsicht in die endgültige Inzidenz, des weiteren aber auch ihre anreizenden und hemmenden Wirkungen auf die Produktion. Wichtig sind hier Steuersystem und Steuerbelastung, wie sie von der Vorkriegszeit her gegeben sind. Bei guter Kriegsvorbereitung entfällt i n gewisser Weise das Argument, daß eine Kriegssteuerpolitik lange Anlaufszeiten benötige, zumal gleich zu Kriegsanfang der volle Einsatz einer geplanten Kriegssteuerpolitik sich nicht empfiehlt, um der Wirtschaft die Umstellung zu erleichtern. Die Belastungsgrenzen liegen i m allgemeinen höher als i m Frieden 23 , jedoch kann eine Überspannung der steuerlichen Konfiskation schwerwiegende güterwirtschaftliche Nachteile mit sich bringen; der Leistungswillen und die notwendigen Investitionen müssen unbedingt erhalten bleiben. Dabei ist zu beachten, daß die Steuer bei sinkendem Lebensstandard nicht so sehr den Konsum wie das Sparen einschränkt und damit die Erfolge der Anleihepolitik beeinträchtigen kann. 2. Für die kriegswirtschaftliche Gegenwart bringt die Anleihe den Vorteil der Freiwilligkeit, welche der damaligen liberalen Haltung ent23
Vgl. Schumpeter, Joseph Α., a.a.O., S. 24.
160
4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
sprach, und die Möglichkeit der raschen Aufbringung großer Summen mit sich; über beide Vorteile verfügt die Steuerpolitik nicht. Für die kriegswirtschaftliche Gegenwart bedeutet die Anleihe zunächst auch eine „endgültige" Deckung bzw. Abschöpfung durch entsprechende Schmälerung der privaten Nachfrage. Ein verteilungspolitischer und zugleich produktionspolitischer Vorzug liegt darin, daß jeder entsprechend seinen Verhältnissen auf den Verzehr von Einkommensteilen verzichtet; der Verzicht auf Investitionen dokumentiert die mindere Bedeutung einer Branche für die Kriegswirtschaft oder die Möglichkeit, Ersatzinvestitionen aufzuschieben. Die Festlegung in der Anleihe verspricht eine langfristige Bindung der freigewordenen Mittel. Bei länger dauernden Kriegen sind dagegen schon während deren Verlauf, immer aber in der Nachkriegszeit budgetäre Schwierigkeiten mit dem Anleihedienst und solche auf dem Geld- und Kapitalmarkt mit dem „debt management" zu erwarten. Nur politisch gefestigte, d. h. i m allgemeinen siegreiche Nationen können nach dem Kriege das Staatsschuldenproblem finanz- und verteilungspolitisch befriedigend lösen und das Abgleiten i n die Inflation verhindern. 3. Die Geldschöpfung ist zugleich das einfachste und gefährlichste M i t tel der Kriegsfinanzierung. Zu Kriegsbeginn ist sie meist unentbehrlich i n verschiedener Hinsicht: Der hohe Mobilmachungsbedarf der staatlichen Finanzwirtschaft kann nur durch die Notenbank beschafft werden. Das gleiche gilt für den Hortungsbedarf der privaten Wirtschaftssubjekte. Der Staat entfaltet zusätzliche Nachfrage und beschäftigt damit durch die Stockung des Kriegsbeginns freigewordene Kapazitäten und erleichtert die Umstellung auf die Kriegsproduktion. Für die äußerste Steigerung der Erzeugung muß dabei eine gewisse Erhöhung des Preisniveaus i n Kauf genommen werden. Bei fortlaufender übermäßiger Benutzung w i r d die Geldschöpfung jedoch verteilungspolitisch zur ungerechtesten Finanzierungsmethode. Die Steigerung des Preisniveaus und die Entwertung nominaler Vermögensanlagen trifft die große Masse der kleinen und mittleren Einkommen und Vermögen übermäßig hart und schafft damit sozialen Unfrieden, der für die Produktion wiederum von Nachteil ist. Manche Autoren 2 4 haben aber auch für den weiteren Verlauf des Krieges eine gewisse Inflationierung für günstig erklärt, wenn dabei zusätzliche Bedingungen erfüllt sind. Gegen diese Methode erhebt sich i m allgemeinen zunächst geringerer Widerstand als gegen die Besteuerung und sie bietet eine einfachere Möglichkeit zur Einschränkung des Realeinkommens der kleinen und mittleren Einkommensbezieher als eine 24 Vgl. Jecht, Horst, a.a.O., S. 52 ff.; Keynes , John Maynard, V o m Gelde, B e r l i n 1931, unveränderter Nachdruck 1955, S. 435 ff.
C. Die monetäre Aufbringung des Kriegsbedarfs
161
technisch aufwendige und wenig ergiebige Besteuerung dieser Gruppen. Dabei spornt die Preissteigerung die Unternehmer zu Höchstleistungen mit höheren Gewinnaussichten an. Die Abschöpfung dieser Gewinne ist dann wiederum wesentlich einfacher und ergiebiger. Zum Gelingen dieser Methode muß jedoch eine entsprechende Einkommenspolitik, die an der richtigen Stelle die abschöpfbaren Einkommen entstehen läßt und sie weitgehend durch die Steuer oder Anleihe erfaßt, ganz wesentlich beitragen. 4. Zum Auslandskredit ist bei der Behandlung der güterwirtschaftlichen Probleme das wichtige schon gesagt worden. Er belastet zukünftige Budgets i n gleicher Weise wie Inlandsanleihen und verlangt dazu noch eine für diesen Anleihedienst günstige Situation der Zahlungsbilanz, läßt jedoch i m Inland keine zusätzlichen Verteilungsprobleme auftauchen. Zusammenfassend gilt, daß „nur eine sinnvolle Vereinigung der (verschiedenen) Wege der Kriegsfinanzierung, die ihrerseits wieder im engsten Zusammenhang mit den sonstigen kriegswirtschaftlichen Maßnahmen des Staates stehen müssen" 25 , eine gute Kriegsfinanzpolitik ergeben. Dabei ist das Verhältnis der Methoden zueinander nicht allgemein gegeben, es entwickelt sich vielmehr aus der wirtschaftlichen Situation des kriegführenden Landes und variiert mit ihr. Besonderes Gewicht kommt i m Rahmen der monetären Aufbringung des Kriegsbedarfs einer sinnvollen Lohn- und Preispolitik zu, durch deren Unterstützung nach neueren Erkenntnissen die Finanzpolitik ihre eigentliche Effizienz erst gewinnt. Beispielhaft dafür ist die nationalsozialistische Wirtschaftspolit i k i m zweiten Weltkrieg. Durch Niedrighaltung von Löhnen und Konsumgüterpreisen bei straffer Rationierung gelang es ihr, wenn auch nur mit Hilfe tiefgreifender Kontrolle der privaten Wirtschaftsgebarung, nicht konsumierte Lohn-, vor allem aber Gewinneinkommen durch scharfe Abschöpfungsmaßnahmen von großem Variationsreichtum den privaten Wirtschaftssubjekten zu entziehen.
I I . Die Inanspruchnahme der einzelnen Quellen
1. Allgemeines Die K r i t i k an der Kriegsfinanzpolitik ging nach dem Kriege vor allem von folgendem Ansatzpunkt aus: Man berechnete den Anteil der einzelnen Finanzierungsquellen an den Gesamtausgaben, stellte dabei den niedrigen Anteil der Steuern fest und kritisierte infolgedessen die zaghafte Steuerpolitik als eigentlichen Fehler der Kriegsfinanzpolitik. Auch 25
11
Jecht, Horst, a.a.O., S. 56.
Roesler
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik und ihrer Folgen
Lötz 2 6 führt eine solche Berechnung durch und kommt zu dem Ergebnis, daß Deutschland ungefähr 13 % der Kriegsausgaben mit Steuern finanziert habe. I n seiner Beurteilung ist er jedoch wesentlich vorsichtiger, weil einmal je nach Abgrenzung des Begriffs Kriegsausgaben das Ergebnis und damit dessen Beurteilung sich ändere 27 , zum anderen es „für die Doktrin keinen Präzedenzfall der verzweifelten Lage" Deutschlands i n kriegswirtschaftlicher Hinsicht gebe. Selbst mit diesen Vorbehalten bleibt Lötz noch ganz i n der rein deckungspolitischen Argumentation befangen. Hier soll jedoch entsprechend den obigen theoretischen Bemerkungen die Finanzpolitik in kriegswirtschaftlichem Zusammenhang kritisiert werden. Dazu muß man kurz die Gestaltung des monetären Kreislaufs in der Kriegswirtschaft rekapitulieren: Der Staat fragte mit zusätzlichem Geld nach, das von der Notenbank geschöpft wurde. Es gelangte als Umsatzerlöse zu den Kriegsindustrien und deren Vorlieferanten. Die Abschöpfung der sich daraus ergebenden Unternehmergewinne und Löhne (einschließlich der vom Staat direkt an die Privaten fließenden Einkommen) zu einem beachtlichen Teil war notwendig, um die monetäre Nachfrage dieser privaten Bereiche zugunsten des Staates einzuschränken und dem Staat gleichzeitig die Mittel an die Hand zu geben, mit denen er seine Notenbankverschuldung abbauen und damit eine Ausweitung der monetären Gesamtnachfrage verhindern konnte. Da die Geldschöpfung Ausgangspunkt der Kriegsfinanzierung war, w i r d der Abschöpfungserfolg, d. h. das Ausmaß, i n dem die nachträgliche Bindung dieser Beträge gelang, zum Kriterium zur Beurteilung der Finanzpolitik nicht zuletzt auch deswegen, weil damit über die reale Verteilung der Kriegslast entschieden wurde. Der Kreislauf von Geldschöpfung und Abschöpfung, von der Reichsbank als „Kreislauf flüssiger Kapitalien" erfaßt, brachte durch die hohen Anleiheerträge bis 1916 eine einigermaßen befriedigende Lösung des Abschöpfungsproblems, wobei die durch den Produktionsrückgang erzwungene Preissteigerung bei gleichbleibenden Lohnsätzen den notwendigen Konsumverzicht mit verursachte. Falsch war es jedoch, späterhin übermäßig steigende Lohnsätze zuzulassen und den sich aus den freiwilligen Anleihen ergebenden Rückfluß neugeschöpften Geldes für befriedigend und den wachsenden Verbleib nicht abgeschöpfter Beträge i m Kreislauf für verkehrsbedingt zu halten.
26 27
Vgl. Lötz, Walther, a.a.O., S. 105 f.
Lötz berechnet den gesamten Reichshaushalt als Kriegsbudget. M a n könnte dies einerseits ausweiten durch die Haushalte der Länder u n d Gemeinden; damit würde der Steueranteil vielleicht etwas steigen. Von den eigentlichen Ausgaben „aus Anlaß des Krieges" ist andererseits kein Pfennig durch Steuern gedeckt worden.
C. Die monetäre Aufbringung des Kriegsbedarfs
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Dabei hätte die rein deckungspolitische Orientierung nicht zu dieser Zurückhaltung i n der Abschöpfung gezwungen; schon deckungspolitisch hätte sie wesentlich intensiviert werden müssen, wenn auch die Einsicht fehlte, daß die Nivellierung der verzehrbaren Einkommen und ihre Anpassung an die vorhandene Konsumgütermenge notwendig war. Die Zurückhaltung in der Finanzpolitik und die falsche Gewichtung der einzelnen Abschöpfungsmaßnahmen entstand vielmehr aus institutionellen Schwierigkeiten und falschen theoretischen Vorstellungen. Da der Bundesrat bzw. die Einzelstaaten sich gegen einen Einbruch des Reiches in die Einkommensteuer erfolgreich wehrten, blieb nur die Uberbetonung der Anleihe übrig. Man vermied dabei innerpolitischen Streit, auch innerhalb des Reichstags, und nutzte die nationale Begeisterung. Die von der Steuerdrohung nicht beeinträchtigten Anleiheerträge hatten der eingeschlagenen Politik auch zunächst Recht gegeben. Man vertrat aber auch weiterhin die Ansicht, wobei neben dem Druck der Länder auch derjenige der Industrie- und Finanzkreise mitwirkte, daß durch die Steuerschonung die Kapitalbildung (in Kriegsanleihe) gefördert werde. Diese Interessentheorie ging mit der Gleichsetzung von staatlicher und „klassischer" Geldschöpfung durch die Reichsbank, die dem kriegswirtschaftlichen Interesse des Reiches so weit wie möglich entgegen kommen wollte, eine beiden angenehme Verbindung ein, da sie sich nicht widersprachen. 2. Steuerpolitik Die Steuerpolitik setzte zunächst richtig ein mit der auf die zusätzlichen Unternehmereinkommen gezielten Kriegssteuer; solange die Löhne nicht stiegen, genügte bei den Lohnempfängern der reale Einkommensverlust, der durch die Preissteigerung verursacht wurde. Die von der SPD vertretene Politik der lediglich direkten Steuern brachte hier auch abschöpfungspolitisch den richtigen Ansatzpunkt. Da die Kriegssteuer jedoch erst ab Frühjahr 1917 eingehoben wurde, kam sie für den beabsichtigten Zweck viel zu spät. Schon der Einlauf des Wehrbeitrages macht ersichtlich, daß auch vorher eine für damalige Begriffe scharfe direkte Steuer leicht aufgebracht werden konnte, selbst während der zeitweisen Depression 1914. Dazu hatten Wehrbeitrag und Besitzsteuer eine Grundlage zur Erhebung einer Kriegssteuer schon geschaffen. Auch die Einkommensteuerveranlagung der Länder stand zur Verfügung. Aber gegen den kompakten Widerstand der Wirtschaft und der Bundesstaaten blieb vor allem Helfferich zu lau und uninteressiert 28 . I m Frühjahr 1917 war dann der Inflationsprozeß schon so stark angelaufen, 28 Vgl. Moulton, H a r o l d G., u n d McGuire, Zahlungsfähigkeit, B e r l i n 1924, S. 26.
11*
Constantine E., Deutschlands
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
daß auch diese Steuer bei kaum kontrollierbarer Preisbemessung weitgehend überwälzt werden konnte. Sie fiel damit zum Teil dem außerordentlichen Budget wieder zur Last und fachte so den Inflationsprozeß noch an. Die gleiche Wirkung entstand aus der besonderen Form der Vermögenszuwachssteuer, die für Einzelpersonen galt. Sie erreichte das Gegenteil vom Gewollten, indem sie zum schnellen Verbrauch zusätzlicher Einkommen anregte, um den Vermögenszuwachs möglichst klein zu halten. Die lange Vorbereitungszeit setzte alle Signalwirkungen dieser A r t voll i n Kraft und trug damit zur Schmälerung des sozialpolitischen, fiskalischen und abschöpfungsmäßigen Erfolges bei. Merkwürdigerweise war trotz dieser Nachteile die Kriegssteuer in dieser Form einnahmemäßig die ergiebigste. Das beruhte wohl auf der in der Landesbesteuerung erprobten Steuertechnik. Sozial gesehen bewirkte die Besteuerung der Einzelpersonen oft eine falsche, weil ungleiche Belastung, da der betroffene Kreis der Zensiten einen Vermögenszuwachs häufig nur in nominaler Form durch Preis- und Kurssteigerungen zu verzeichnen hatte. Neben dem durch die Inflation bedingten realen Vermögensverlust mußte er nun auch einen solchen aus der Steuer in Kauf nehmen. Die eigentlich sinnvolle Form der Kriegssteuer als Mehreinkommensteuer traf erst 1918, also viel zu spät, alle Zensiten gleichmäßig. Aus ihren Ergebnissen ist aber zu ersehen, daß sie fiskalisch längst nicht so ergiebig war wie die Vermögenszuwachssteuer, obwohl ihre Steuersätze als konfiskatorisch gebrandmarkt wurden. Sie kamen jedoch kaum zur Geltung. Hier mangelte es vor allem an der erprobten Steuertechnik. Anders ist es nicht zu erklären, daß die gegenüber 1916 verschärfte Steuer bei weiterer inflationärer Aufblähung der nominalen Einkommen i m Ergebnis so stark hinter 1916 zurückblieb. Der Mangel dürfte dabei nicht so sehr i n der steuerlichen Erfassung der ausgewiesenen Mehreinkommen gelegen haben. Diese beruhte ja auf der schon vorhandenen Gesetzgebung der Einzelstaaten. Es fehlten vielmehr die strengen Bewertungsvorschriften bei der Aufstellung der Bilanz. So konnte jeder Unternehmer sein Einkommen nach Gutdünken manipulieren. Dazu war die Besteuerung allein eines irgendwie definierten Kriegsgewinns wenig sinnvoll. Wer dabei von einem hohen Friedensgewinn ausgehen konnte, zahlte wenig Steuern 29 , abgesehen vom Mindergewinnausgleich, der weitere Gewinne steuerfrei ließ. Schließlich war abschöpfungspolitisch von Nachteil, daß eine solche Steuer praktisch nur zweimal während des ganzen Krieges erhoben wurde. Eine schärfere und kontinuierliche Be29 „Eine Gesellschaft also (nach dem Gesetz von 1918), die i n den letzten Friedensj ahren durchschnittlich 20 °/o Geschäftsgewinn hatte, i n den ersten drei Kriegs jähren 16 °/o u n d i m vierten Kriegs j ä h r 32 °/o, w i r d nicht zur Steuer herangezogen". Kuczynski, Rudolf, a.a.O., S. 308.
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Steuerung aller hohen Einkommen wäre über die Einkommensteuer möglich gewesen, die allerdings auch unter den oben genannten steuertechnischen Mängeln gelitten hätte. Aber der Widerstand der Länder wußte dies zu verhindern. Die indirekte Besteuerung setzte man nicht ungeschickt beim Verbrauch von sogenannten Massenluxusgütern an. Hier durfte man mit Recht eine hohe Ergiebigkeit erwarten und eine Einschränkung des Konsums auf anderen Gebieten. Eigentlich erfolgreich war dabei nur die Tabaksteuer; bei den anderen verhinderte der hohe Produktionsrückgang einen fiskalischen Erfolg. Die allein noch aussichtsreiche Weinsteuer kam zu spät. Der Ausweg über die Kohlensteuer hatte wenig Sinn, weil i m Überwälzungsprozeß die Steuer vielfach dem zugeschwemmt wurde, der sie nicht hätte tragen dürfen, weil damit kein Abschöpfungserfolg verbunden war. Eine wirkliche Abschöpfung von Einkommen wurde über die Verbrauchssteuern kaum erreicht. Das gilt auch weitgehend von der Verkehrsbesteuerung, dem am heftigsten umkämpften und unglücklichsten Kapitel der Kriegssteuerpolitik. Die Abgaben vom Post- und Bahnverkehr waren von der Abschöpfung her unsystematisch angesetzt. Sie sollten zwar den Einkommen der großen Masse zur Last fallen, wurden jedoch ein Grund für Lohnforderungen und wirkten so indirekt inflationsfördernd. I m deckungspolitischen Ergebnis blieben sie demgegenüber dürftig. Deshalb verliert auch der Vorteil der billigen Erhebung an Gewicht. Das Projekt der allgemeinen Umsatzsteuer zeigt besonders gut, wie sinnlos die Neueinführung einer so komplizierten Steuer in Kriegszeiten ist, wo allein der fiskalische und abschöpfungspolitische Erfolg als Maßslab gilt. Da eine solche Steuer eine mehrjährige Erprobungs- und Anlaufszeit benötigt, ist sie abschöpfungsmäßig zunächst unbrauchbar. Zum anderen sind genauere Einblicke i n die mit der Steuererhebung ausgelösten Überwälzungsvorgänge während dieser Anlaufszeit noch nicht möglich, so daß auch die Verteilungswirkungen unklar bleiben. Mit dem Umsatzsteuergesetz entstand allerdings eine beachtliche Grundlage für eine i n der Zukunft noch ausbaufähige Steuer; es ist dabei besonders bedauerlich, daß bemerkenswerte Alternativvorschläge zur Allphasensteuer, deren Nachteile man weitgehend erkannte, wie der „Siemensplan" einer Mehrwertsteuer 30 in der Hast der parlamentarischen Arbeit undiskutiert blieben. I m übrigen gelten für die Umsatzsteuer folgende kritische Bemerkungen, die zugleich die gesamte Steuerpolitik treffen: Sieht man es als wichtigste Aufgabe der Steuerpolitik i m Kriege an, die aus neugeschaffenem Geld entspringenden Einkommen abzuschöpfen 30
R T Bd. 325, Nr. 1745, S. 2652.
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
und die entstandene Notenbankverschuldung zu reduzieren, so kann der Steuerpolitik i m ersten Weltkrieg kein Erfolg zugesprochen werden. Die Erfassung dieser zusätzlichen Einkommen war nicht scharf und umfassend genug und blieb ohne Unterstützung durch die Preis- und Lohnpolitik. Die dem Reich allein mögliche Sondersteuer erfaßte die laufenden Einkommen der Privatpersonen nicht, sondern nur einen nicht verbrauchten und nicht investierten Rest. Die Steuertechnik war zu grob, um die Schärfe des Gesetzes wirklich durchzusetzen. Sie konnte nicht „so weit i n alle Kanäle der Volkswirtschaft dringen", daß sie in bezug auf die Abschöpfung gleich leistungsfähig wie die Anleihe gewesen wäre 3 1 . Während dies besonders den Erfolg der direkten Steuern beeinträchtigte, litten die indirekten unter der mangelnden Unterstützung durch Lohn- und Preispolitik. Ein Druck auf die Löhne hätte die indirekte Belastung zu einem wirklichen Konsumverzicht machen können, wenn er die Abwälzung durch Lohnerhöhungen vermieden hätte. Eine entsprechende Preispolitik i n der Industrie hätte den Unternehmer zwingen können, einen Teil der Steuern aus dem Gewinn zu tragen. I n der nach 1916 rapide zunehmenden Inflation entwickelten sich jedoch Lohnund Preiswellen, bei denen die entsprechenden Steuern nur noch Bruchteile der Steigerungsraten ausmachten. Eine Auflockerung der verhärteten ideologischen und politischen Fronten i n der Steuerpolitik hätte deren Ergiebigkeit bestimmt erhöht. Der deckungspolitische Erfolg wäre zugleich ein abschöpfungspolitischer gewesen i n dem eigentlichen Sinne, daß mit den abgeschöpften Summen die Reichsbankverschuldung reduziert worden wäre; diesen Erfolg hat die Steuerpolitik i m Kriege jedoch überhaupt nicht gehabt. Dementsprechend konnte sie auch wenig auf eine sinnvolle Verteilung der realen Kriegslast hinwirken. 3.
Anleihepolitik
Auf die Vorteile der Anleihepolitik ist vorn hingewiesen worden; sie kamen i m Kriege voll zum Zuge und gestalteten diese höchst erfolgreich. Sie erfaßte viele Mittel, welche die damalige grobe Steuerpolitik niemals erreicht hätte, die also höchstwahrscheinlich in Horten oder Bankguthaben verblieben wären, wo sie nur durch kurzfristige Papiere hätten gebunden werden können. Die Statistik der Anleihezeichnungen zeigt, daß bis zur letzten Anleihe wirklich alle Volkskreise an der Aufbringung beteiligt waren, wenn auch die zahlenmäßig wenigen hohen Zeichnungen für den Anleiheertrag ausschlaggebend waren (vgl. Übersicht 12). Natürlich sind die hohen Zeichnungserfolge zum großen Teil 31 Terhalle, S. 550.
Fritz, Die deutsche Kriegsfinanzierung 1914—1918, B A Jg. 1939,
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auf die Schaffung zusätzlicher Einkommen mit Hilfe von Notenbankgeld zurückzuführen — Lampe spricht deswegen von „Kriegsanleihewundern aus der Notenpresse" 32 — aber die Festlegung i n Anleihen bedeutet für die Privaten einen Verzicht auf die Verwendung dieser Einkommen und somit für die Kriegswirtschaft einen sehr notwendigen Abschöpfungserfolg. Neben den Ersparnissen der Haushalte banden die Anleihen auch die freien Gelder aus Lagerabbau, Unterlassung von Reinvestitionen und übermäßigen Gewinnen und verhinderten damit, daß diese die monetäre Nachfrage erhöhten oder das Bankensystem noch weiter verflüssigten. I m letzteren Fall hätte zwar die Reichsbankbilanz durch Weitergabe von Schatzanweisungen ebenso verkürzt werden können wie durch deren Tilgung aus Anleiheerlösen, damit wären diese Mittel dem Kreislauf aber nicht endgültig entzogen worden. Die Freiwilligkeit der Anleihe trug dazu bei, daß der Nachfrage- bzw. Investitionsverzicht an den kriegswirtschaftlich günstigen Stellen eintrat. Die merkwürdige Vorstellung einer Reichtumssteigerung durch die Kriegswirtschaft, wie sie aus dem steigenden Bestand an Kriegsanleihen in privater Hand abgelesen wurde, muß jedoch abgelehnt werden 33 . Dazu müßte „dem Zuwachs an Geldkapital ein gleicher Zuwachs an Realkapital entsprechen" 34 . Ihr realer Wert sank zumindest i m Maße der Steigerung des Preisniveaus, was den Anleihebesitzern jedoch kaum klar wurde. Der Bestand der Forderung wenigstens zum erniedrigten Realwert hing entscheidend von der Nachkriegspolitik ab. Abschöpfungspolitisch ist also Terhalle recht zu geben, daß die Anleihe ergiebiger ist als die Steuer 35 . Diesem abschöpfungsmäßigen Vorteil steht allerdings der verteilungspolitische Nachteil gegenüber, der aus dem Schuldendienst erwuchs. Da sich das Reich traditionell auf indirekte Steuern stützte, die Anleihe sich jedoch hauptsächlich bei einer kleinen Gruppe i m oberen Teil der Einkommenspyramide sammelte, konnte die Einkommensverteilung nur ungünstig beeinflußt werden, da die große Masse zugunsten einer kleinen Gruppe mit hohem Einkommen besteuert wurde. Der Finanzpolitik gelang es i m Kriege nicht, durch scharfe Besteuerung der Großeinkommen deren Umschichtungsvorteil zu konfiszieren 3 *, obwohl besonders die SPD darauf drängte. Auch hier kam es wieder allein auf die Nachkriegspolitik an, diese ungünstigen Auswirkungen der Anleihepolitik zurechtzurücken. 32
Lampe, Adolf, a.a.O., S. 79. So behauptete der Staatssekretär Delbrück i m Reichstag: „ W i r sind reicher, . . . als w i r glaubten", u n d werden „durch den K r i e g reicher, als w i r es je für möglich gehalten haben". R T Bd. 306, S. 122. 34 Donner, Otto, Die Grenzen der Staatsverschuldung, i n : Donner, Otto, u n d Benning, Bernhard, a.a.O., S. 37. 35 Vgl. Terhalle, Fritz, a.a.O., S. 550. 36 Vgl. Donner, Otto, a.a.O., S. 39. 33
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
Unter diesen Aspekten verliert auch die Frage einer Ausweitung des Anleiheabsatzes durch eine variantenreichere Kapitalmarktpolitik an Bedeutung. Die Emission von mehr mittelfristigen Papieren hätte die Finanzpolitik der unmittelbaren Nachkriegszeit noch kompliziert, da die Tilgungssummen dem ordentlichen Haushalt zusätzlich zur Last gefallen wären. So war es eher von Vorteil, daß die Angebote von verzinslichen Schatzanweisungen, selbst mit Umtauschmöglichkeit alter Anleihen, vom Publikum nur wenig beachtet wurden. 4. Geldschöpfung und Geldpolitik Die Geldschöpfung als Quelle der Kriegsfinanzierung steht in engstem Zusammenhang mit der Geldpolitik, die von der Reichsbank betrieben wurde. Man kann beide deswegen nur i m Zusammenhang beurteilen. Zunächst darf man nicht davon ausgehen, daß sämtliche Kriegsausgaben, die nicht durch Steuern und Anleihen gedeckt worden sind, nunmehr aus der Quelle „Geldschöpfung" i m Sinne einer Geldvermehrung seitens der Notenbank hätten finanziert werden müssen. Das Reich verschuldete sich zwar zunächst bei der Reichsbank, doch den Teil seiner kurzfristigen Schuld, der aus Anleiheerträgen nicht abgebaut werden konnte, versuchte die Reichsbank möglichst i n Banken und Unternehmen abzudrängen. Die Banken konnten diese Wechsel nur i n dem Maße aufnehmen, wie ihre fremden Gelder zunahmen bzw. private Kreditnehmer ihre Verschuldung reduzierten. Insofern bestimmte die Höhe der Geldschöpfung seitens der Reichsbank die Aufnahmefähigkeit des Bankensektors mit. I n der zweiten Kriegshälfte hatte die Zinssenkungspolitik der Banken wenigstens insofern einen gewissen Erfolg, als die Unternehmer jetzt selbst auch Schatzwechsel hielten, um den Zinsvorteil gegenüber Bankeinlagen auszunutzen. Somit konnten die Banken die unerwünschte Ausdehnung ihrer Bilanzen vermeiden. Insofern wurde aber auch die Reichsbank nur so weit beansprucht wie nötig. Das bedeutete für sie einen Erfolg ihrer Politik, die an einer Bilanzverkürzung zugunsten einer hohen Deckungsquote orientiert war. I m Sinne der Abschöpfungspolitik muß dieser Erfolg zweifelhaft erscheinen; die Mittel blieben zwar zunächst dem monetären Kreislauf entzogen, die Papiere waren jedoch mit der Rediskontzusage der Reichsbank ausgestattet und konnten bei ihr jederzeit verflüssigt und so zur Entfaltung neuer monetärer Nachfrage verwendet werden. Ebenso wie für die bei den Unternehmen liegenden Schatzwechsel kann man vielleicht von einer „vorläufigen" Abschöpfung sprechen gegenüber der „endgültigen" durch Steuer und Anleihe. Solange der dem Kriege eigentümliche Kreislauf erhalten blieb, konnte die Abschöpfung dieser A r t wohl erfolgreich sein. Brach die zusätzliche Geldschöpfung des Reiches
C. Die monetäre Aufbringung des Kriegsbedarfs
einmal ab, mußte sich diese angesammelte Liquidität setzen.
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in Bewegung
Nach dem Kriege ist die Reichsbank mit heftigen Vorwürfen bedacht worden, ihre rein formal juristisch orientierte Politik habe nur die Verschleierung der tatsächlich stattfindenden Inflation i m Auge gehabt. Vorn wurde dazu festgestellt, daß zwar die Begründung etwa der Deckungsfähigkeit des Reichswechsels vom ökonomischen Standpunkt aus nicht genügte. Aber die Kriegsgesetze waren für die Reichsbank ja ein Datum, das sie durch ihre Politik nicht ändern konnte. Für sie stand die Notwendigkeit der Kreditgewährung an das Reich i m Vordergrund. Während des Krieges konnte sie von der finanzpolitischen Linie der Regierung nicht abweichen. Neben dieser politischen Notwendigkeit wurde aber auch schon, zumindest für den Kriegsanfang, ein ökonomischer Sinn der zusätzlichen Geldschöpfung festgestellt. Ohne sie hätte die Beschäftigung und Umstellung der Produktionskapazitäten gar nicht bewerkstelligt werden können. Es verband sich hier also das politisch Notwendige mit dem ökonomisch Sinnvollen. Die theoretische Möglichkeit, durch leichte Inflation die Masseneinkommen realiter zu beschränken und die Abschöpfung auf die zusätzlichen Gewinne der Unternehmer zu konzentrieren, ist von der deutschen Politik nicht angestrebt, aber i n der ersten Kriegshälfte, als bei gleichbleibenden Lohnsätzen die Gewinne stark anstiegen, tatsächlich erreicht worden, nur daß die Abschöpfung über Anleihen erfolgte. Neben dieser posthumen K r i t i k hatte die Reichsbank aber auch eine von ihren Zeitgenossen erfahren. Eine heftige Diskussion über die Diskontpolitik wurde ausgelöst durch einen A r t i k e l Wicksells 37 , der feststellte, die Geld Vermehrung sei eine Folge „des allzu billigen Kredits", den die Staaten bei ihren Notenbanken genössen. Die Nachfrage erhöhe sich dadurch i m Verhältnis zum Angebot; „alle Preise müssen steigen". Dadurch entstehe eine Diskrepanz zwischen Geld- und natürlichem Zins. Hätte man den Diskont erhöht, wäre dieser Unterschied beseitigt, die Notenvermehrung eingedämmt und die zusätzliche Nachfrage beschränkt worden, weil der Staat mehr auf Steuern und Anleihen hätte zurückgreifen müssen. Außerdem hätte der hohe Zins das Auslandskapital angelockt und dadurch die Valuta verbessert. I n seiner Erwiderung auf Wickseil zeigt Budge 38 , welcher den Zusammenhang der Kriegsfinanzierung besonders klar erkennt, daß ein derartiger Einsatz der Diskontpolitik wenig sinnvoll gewesen wäre. Durch die autonome Geldschöpfung seitens des Staates sei die automa87
Wickseil K n u t , Hinauf m i t den Bankraten!, AfSuS Bd. 41 (1916), S. 752. Budge , Siegfried, Z u r Frage der Bankrate u n d des Geldwertes, AfSuS Bd. 44 (1917—1918). 88
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
tische Anpassung von Geld- und natürlichem Zins gestört. Das Problem liege nicht beim Zins, der vielmehr zu einer abhängigen Variablen geworden sei 39 . Budge stellt dar, wie die zusätzliche Nachfrage auf der einen, die Gütervernichtung auf der anderen Seite die Inflation bedingen. Eine Diskontpolitik könne die Geldvermehrung bzw. Preissteigerung nicht verhindern. Diese Ansicht ist zweifellos richtig. Der Diskont hätte nur am Symptom kuriert, nicht an der Ursache. Seine Erhöhung hätte das Reich kaum daran gehindert, weiter Notenbankkredit in Anspruch zu nehmen, sondern höchstens die Zinsenlast i m ordentlichen Haushalt durch Steigerung des Anleihezinses vermehrt. Sie wäre deswegen schon politisch kaum möglich gewesen. Soweit es der Geldpolitik der Reichsbank nicht gelang, die Schatzwechsel in Banken und Unternehmen abzudrängen, hat die unmittelbare Geldschöpfung der Notenbank Anteil an der Kriegsfinanzierung. Aber auch die außerhalb der Reichsbank bei den Geschäftsbanken untergebrachte Reichsschuld hat einen ähnlichen Charakter, da sie deren Kreditschöpfungskapazität ausnutzte, die durch diese primäre Geldschöpfung gesteigert worden war. Eine Inflationierung dieser A r t „ w i r k t wie eine rohe Form der Besteuerung, durch welche der private Verbrauch zugunsten der Rüstungsproduktion gedrosselt und die angesammelten Ersparnisse unvermerkt der Kriegsfinanzierung dienstbar gemacht werden" 4 0 . Soziale Bedenken gegen diese Methode bestehen insofern, als sie — bei gleichmäßiger Preissteigerung — die Empfänger niedriger Einkommen i m Verhältnis härter trifft und sogar unter das Existenzminimum drücken kann. Der Gegensatz zur sozial eingestellten Preispolitik, welche gerade die Realeinkommen der unteren Gruppen erhalten wollte, ist der Reichsregierung nicht klar geworden. Daß die Entwicklung über die wünschbare Realeinkommenbeschränkung hinausging, ist aus den nach 1916 einsetzenden Lohnkämpfen mit großen Streiks zu ersehen. Sie setzten sich auf breiter Basis durch und förderten mit der gegenüber den Kriegslieferanten betriebenen Preispolitik die übermäßige Steigerung des Preisniveaus. I m Kampf um den Anteil am realen Sozialprodukt blieben die Lohnempfänger jedoch benachteiligt, da die Lohnerhöhungen regelmäßig hinter dem durch die zusätzliche Nachfrage des Staates verursachten Preisanstieg herhinkten. I n diesen Zusammenhang gehört auch noch die Tätigkeit der Darlehenskassen, die zwar nicht unmittelbar der Geldschöpfung zur Kriegsfinanzierung dienten, bei denen aber doch der öffentliche den privaten Kredit, für den sie eigentlich gedacht waren, fast völlig verdrängt hatte. Deshalb wäre es nur recht und billig gewesen, sie in die Reichsbank 39 40
Ebd., S. 222. Schmölders, Günter, Geldpolitik, Tübingen/Zürich 1962, S. 253.
C. Die monetäre Aufbringung des Kriegsbedarfs
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einzugliedern. Die formale Trennung wurde um der Deckungsquote willen aufrechterhalten; i n der ökonomischen Wirkung unterschied sich ihre Tätigkeit i n nichts von einer Notenausgabe durch die Reichsbank. Trotzdem wurden sie in die offiziellen Berechnungen des Papiergeldumlaufs gar nicht einbezogen. Wahrscheinlich hätte man die gemeinsame Beanspruchung sogar geringer halten können, da ja ein gewisser Anteil der Schulden der Bundesstaaten und Gemeinden noch hätte bei den Banken untergebracht werden können, die durch vermehrte Geldschöpfung der Reichsbank zu höheren Einlagen gekommen wären. Allerdings brauchte man die Darlehenskassenscheine auch, um die Dritteldeckung zu wahren, als der Goldvorrat zu knapp wurde. I n diesen wie i n allen Fällen ist die Geldpolitik der Reichsbank allein an formalrechtlichen Prinzipien ausgerichtet gewesen. Sie hat den Zusammenhang von Geldvermehrung und Preissteigerung geleugnet und dementsprechend überhaupt keine Geldwertpolitik getrieben. Ihr ging es nur um die Erhaltung der Dritteldeckung und Verbesserung des Außenwerts. Sie hat sich also „noch nicht einmal zur simpelsten quantitätstheoretischen Überlegung durchgerungen" 41 . Daraus entsprangen solch unsinnige Aktionen wie die Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Die theoretische Fundierung ihrer Politik unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft fehlte bzw. ging in die Irre (Zahlungsbilanztheorie!), sie suchte nicht so sehr eine logische als eine propagandistisch wirksame Erklärung der monetären Lage, wobei ihre Leiter vielleicht sogar manchmal wider besseres Wissen gesprochen haben. Eine gewisse Bedeutung für diese Haltung kommt sicher auch der Stellung der Reichsbank und ihrer Leiter zu. Die Gesetze, welche die Inflation ermöglichten, hatten sie nicht gemacht, sie hielten es für ihre Pflicht, sich der Politik der Reichsregierung unterzuordnen, deren Kreditbedarf durch die Kriegsgesetze legitimiert war. Hätten sie ihre eigene Politik gemacht, wäre es dem Reich leicht gewesen, mit eigenen Noten Inflation zu treiben 42 . 5. Auslandskredit Eine direkte Kreditaufnahme des Reiches i m Ausland ist i m Kriege mit geringen Ausnahmen nicht gelungen 43 . Die Einfuhrüberschüsse, die durch Ausfuhr von Gold und Wertpapieren nicht beglichen worden sind, müssen durch Buchschulden i m Ausland, Bildung ausländischer Gut41
Lampe, Adolf, a.a.O., S. 66. Vgl. Eynern, Gert v., a.a.O., S. 57. 43 Vgl. Lötz, Walther, a.a.O., S. 115 ff. Die Ausnahmen sind zahlenmäßig nicht genau zu belegen. Lötz k o m m t auf ca. 150 Millionen hfl. i n Holland begebene Schatzanweisungen. 42
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
haben i m Inland und Export von Notengeld bezahlt worden sein. Ceteris paribus w i r k t ein Importüberschuß in dieser Form zunächst inflationshemmend. Ihrer A r t nach blieb jedoch die Auslandsverschuldung sehr ungünstig für die Binnenwirtschaft, da diese Beträge jederzeit i m Inland zur Nachfrageentfaltung benutzt werden konnten. Deshalb war auch der Reichsbank der Export von Marknoten nicht sehr angenehm und bestimmte sie mit zu ihren Interventionen an den neutralen Devisenmärkten. Sie verfolgte damit eine Korrektur des Außenwerts zu Deutschlands Gunsten, ohne das Ungleichgewicht der Zahlungsbilanz ernsthaft ausräumen zu wollen. Man hoffte, daß der Frieden von selbst diese Korrektur bringen werde. Das Publikum war jedoch gewohnt, vom Außenwert den „inneren" Wert der Währung abzulesen. Wenn die offizielle Politik nun versuchte, die Blicke auf die Golddeckung zu lenken und mit ihr den inneren Wertbestand der Mark zu erhärten, so gelang ihr das nicht ohne weiteres, denn die alten Vorstellungen waren nicht so leicht auszuräumen. Weil die Reichsbank aber zu diesem Zweck ihre Goldhortungspolitik energisch betreiben mußte, konnte sie den hohen Goldbestand nicht als Ausgleich für den Importüberhang einsetzen. Ihre Einstellung zum Geldwertproblem mußte sich der Einsicht, daß das Gold vor allem als „Außenwirtschaftsreserve" 44 brauchbar war, notwendigerweise verschließen. Die Politik der Dritteldeckung verhinderte also einen Abbau der kurzfristigen Auslandsverschuldung und damit eine Verschönerung des zweiten Anzeigers für den Geldwert, nämlich der „Valuta". „Man hat deutscherseits ,die goldenen Kugeln' sorgfältig gehütet und bewahrt, aber man hat allzu wenig von ihnen verschossen 45." 6. Die Bedeutung der Lohn- und Preispolitik für die Kriegsfinanzierung Auf die Wichtigkeit der Lohn- und Preispolitik für die Kriegsfinanzierung und ihre Bedeutung i m Zusammenhang von Geldschöpfung und Abschöpfung ist schon verschiedentlich hingewiesen worden. Die Lohnpolitik insbesondere mußte sich durch ihren Einfluß sowohl auf die Kosten- als auch auf die Nachfrageseite i m Kreislauf auswirken. Die Preissteigerungen und die Verschlechterung der Versorgung hatten die Realeinkommen der großen Masse zu sehr gedrückt; die Inflation als — nicht beabsichtigtes — Mittel zur Einschränkung der Realeinkommen war also übertrieben worden. Daraus entstanden die stürmischen Lohnkämpfe, in denen man Lohnerhöhungen nicht verweigern konnte, weil die Produk44 45
Lampe, Adolf, a.a.O., S. 67; ebenso Jecht, Horst, a.a.O., S. 43. Stucken, Rudolf, a.a.O., S. 30.
C. Die monetäre Aufbringung des Kriegsbedarfs
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tion erhalten werden mußte. So ergab sich von der Kostenseite ein Druck auf die Preise (cost push); die falsche Preispolitik bewirkte dann, daß die Preissteigerung noch über die Kostenerhöhung hinausging. Auf der einen Seite mußte also der Staat nominal mehr aufwenden, um die Kriegsproduktion zu bezahlen, auf der anderen Seite verstärkten die erhöhten Masseneinkommen die monetäre Nachfrage der Privaten, was die Preise gleichfalls hochzog (demand pull). So wurde die Inflationsspirale erst recht i n Gang gesetzt. Hier w i r d die Interdependenz der verschiedenen Maßnahmen besonders deutlich, denn auch die Abschöpfungspolitik hätte, bei Vermeidung von Lohnsteigerungen, die sich nun allein bei den Unternehmen einstellenden Inflationsgewinne durch entsprechend genaue Konfiskation mit größerem Erfolg fassen können. Eine einseitig harte Lohnpolitik hätte dagegen bald zum „Zusammenbruch der Heimatfront" geführt. Auch wurde die Interdependenz dieser Dinge an den entscheidenden Stellen nicht gesehen. Den gleichen Mangel an Uberblick kann man auch für die Preispolitik feststellen. Die ursprüngliche Zielsetzung bestand ja nur darin, „Fehlleistungen" der Marktwirtschaft auszuschalten. Auch hier wurde man sich nur langsam klar darüber, daß punktuelle Maßnahmen Fehlwirkungen hervorriefen. Während man diese auf dem Konsumgütersektor, wenn auch unvollkommen, in den Griff bekam, indem man die Rationierung einführte und damit eine gewisse Gleichmäßigkeit der Verteilung erreichte, verursachte die schrittweise Anhebung auch der Konsumgüterpreise mit das Sinken der realen Masseneinkommen und damit auch den Lohndruck. Bei den Preisen für Kriegsgüter zeigte man zunächst eine glückliche Hand i m Aushandeln von Festpreisen ohne Eingriffe in die betriebliche Kalkulation. Darauf führt auch Helfferich den geringen Anstieg der Kriegsausgaben bis Mitte 1916 zurück 46 . Der Übergang zur individuellen Preisgestaltung hatte dann verhängnisvolle Folgen. Die Festlegung bestimmter Kalkulationsmethoden mit der Grundlage von Löhnen und Materialkosten nahm den Unternehmern jegliches Interesse, diese Hauptkostenarten niedrig zu halten; ihre meist pauschalen Gewinnzuschläge stiegen ja mit ihnen. Insofern wurde der cost-push-Effekt noch über die von den Lohn- und Materialkostensteigerungen gegebenen Grenzen hinausgetrieben. Verwaltungsmäßig einfacher und in der Inflationsbekämpfung effektvoller wäre die ursprüngliche Methode geblieben 47 . A n den vorn gezeigten Beispielen ist zu ersehen, daß man die Preispolitik nicht mit Vorstellungen vom „angemessenen Preis" allein in 40
Vgl. Helfferich, K a r l , Das Geld, a.a.O., S. 641. Auch i m zweiten Weltkrieg sind m i t Einheits- u n d Gruppenpreisen, die den Unternehmer zwangen, Kostensteigerungen selbst zu verkraften, gute 47
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
den Griff bekommen konnte. Eine sinnvolle Preispolitik hätte von der Preisstellung des Inputs ausgehend sich bis zur Endproduktion fortsetzen müssen. Darüber hinaus war der Zusammenhang von Lohn-, Preisund Finanzpolitik zu wenig durchdacht. Die entsprechenden Behörden wirtschafteten ohne Kontakt nebeneinander her, wenn sie nicht sogar gegeneinander arbeiteten, und räumten dabei oft Möglichkeiten zur Preissteigerung ein, die nicht gerechtfertigt waren. Hier liegt einer der entscheidenden Fehler der Kriegswirtschaftspolitik 48 .
D. Die Bedeutung des Krieges und der Kriegsfinanzpolitik für die Struktur der Wirtschaft und die künftige wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung I. Produktionsapparat und Arbeitskräftepotential
Die Kriegswirtschaft hatte die Produktionsstruktur der Volkswirtschaft sehr stark verändert und das Produktionsvolumen dezimiert. I n den einzelnen Sektoren gab es jedoch Unterschiede. Die Grundstoffindustrie war noch recht gut weggekommen; sie behielt oder erweiterte sogar ihre Kapazitäten; wo Produktionsrückgänge zu verzeichnen waren, beruhten sie auf dem Mangel an Arbeitskräften. Die notwendigen Reinvestitionen waren nicht in so großem Maße aufgeschoben worden. Ihre erhaltenen Kapazitäten blieben wichtig für den Nachholbedarf der gesamten Wirtschaft nach dem Kriege. Der Konsum- und Investitionsgütersektor, also i m wesentlichen die verarbeitende Industrie, erfuhr die Verzerrung am stärksten, d. h. sie war am meisten auf die Besonderheiten der Kriegsproduktion ausgerichtet. Für die Umstellung auf den Friedensbedarf und den Ersatz verschlissener Anlagen mußte sie hohe Investitionen vornehmen, zu denen der ebenfalls hohe Nachholbedarf an Konsumgütern trat. Beide Aufgaben fielen einem, i m ganzen gesehen, arg strapazierten Produktionsund Verteilungsapparat zur Last, der gegenüber der Vorkriegszeit weit geringere Produktivität, qualitative Verschlechterung der Produkte und gesunkene Kapazitäten aufwies. Bei den Arbeitskräften hatten die Kriegsverluste an Menschen gerade die leistungsfähigsten Altersgruppen getroffen; die übrigen waren weitgehend unterernährt und überarbeitet. Auch dadurch wurde die i m Vergleich zur Vorkriegszeit verminderte Arbeitsproduktivität verursacht. Erfahrungen gemacht worden. Vgl. Benning, Bernhard, Aufbringung der Kriegskosten, Kapitalfreisetzung u n d Geldüberfluß, i n : Donner, Otto, und Benning, Bernhard, a.a.O., S. 70. 48 Vgl. Terhalle, Fritz, Freie oder gebundene Preisbildung?, Jena 1920, S. 33 ff.
D. Die Bedeutung des Krieges f ü r die S t r u k t u r der Wirtschaft
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Die Arbeitskräfte hatten einen hohen Nachholbedarf an Konsumgütern zur Gesundung und Wiederherstellung ihrer Leistungsfähigkeit; eine stärkere Fluktuation war notwendig zur Umstellung der Produktionsstiuktur auf den Friedensbedarf. Die Beschleunigung der Inflation in der zweiten Kriegshälfte hatte weiterhin viele Arbeitskräfte in unproduktive und wirtschaftlich überflüssige Beschäftigungen abwandern lassen. So wurde der Produzent wie sein Arbeiter zum Händler und Spekulanten, wie überhaupt die Inflation eine Hypertrophie des Handels und der reinen Vermittlertätigkeit hervorruft. Das brachte neben den Kriegsverlusten an Arbeitskräften noch einen zusätzlichen Nachteil. I n der Landwirtschaft konnte man nach Kriegsende einen verhältnismäßig schnellen Anstieg der Produktion erwarten, wenn der krasse, kriegsbedingte A r beitskräftemangel behoben war. „Die ökonomischen und technischen Wirkungen des Krieges auf die . . . Produktion als Ganzes können nur als ungünstig bezeichnet werden. Die Instandhaltung und Erneuerung des Produktionsapparates wurde vernachlässigt; die Leistungsfähigkeit der Arbeiter sank; die Relationen zwischen den einzelnen G r u p p e n . . . wurden völlig zerstört; das gesamte Produktionsvolumen verminderte sich ständig 40 ." Dieser Zustand der Volkswirtschaft war i m wesentlichen eine Folge der Konsum- und Raubbauwirtschaft des Krieges. Durch die Finanzpolitik, die sich um die monetäre Deckung des Kriegsbedarfes bemühte, wurde er i m allgemeinen nicht direkt bewirkt, jedoch in Einzelheiten mit beeinflußt (ζ. B. die Hypertrophie des Handels). So mußte man nach dem Kriege mit zunächst weit niedrigerem Produktionsvolumen gegenüber 1914 rechnen; dadurch verzögerte sich die Befriedigung des Nachholbedarfs an Konsumgütern und der Wiederaufbau der Produktionskapazitäten in gleicher Weise.
I I . Einkommen- und Vermögens Verteilung
A n der Veränderung der Einkommen- und Vermögensverteilung hat die Finanzpolitik weitgehend mitgewirkt. Für die Einkommen gilt zunächst allgemein, das läßt sich aus der recht dürftigen Statistik (vgl. Übersicht 24 und 25) erkennen, daß bei gesunkenem Sozialprodukt und hohem Staatsanteil daran, der zudem noch der Vernichtung anheimfiel, die Realeinkommen sehr stark gesunken waren. Davon wurden besonders hart diejenigen Einkommensarten betroffen, die im Kriege gar nicht oder nur geringfügig nominal gesteigert werden konnten. Das galt vor allem für Rentner, Pensionäre und die i m Gefolge der Inflation dann weitgehend ausgestorbene Gruppe von Privatiers, die aus den Zin49
Wagenführ,
Rolf, a.a.O., S. 23.
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
sen ihres i n nominaler Form angelegten Vermögens (vor allem Staatsanleihen) lebten. Diese waren dann gezwungen, von neuem ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bald danach rangierten auch Beamte, die ihr Einkommen nur geringfügig steigern konnten (vgl. Übersicht 25). Bei den abhängigen Beschäftigten insgesamt ist festzustellen, daß die untersten Einkommensgruppen, also vor allem ungelernte Arbeiter und kleine Beamte bzw. Angestellte, ihre Nominaleinkommen am meisten steigern konnten. Trotzdem blieb ihr Realeinkommen an den untersten Positionen der Lohnskala; mehr als die Anpassung an das physische Existenzminimum dürften sie mit den Nominallohnerhöhungen i m Kriege nicht erreicht haben. Weitere Differenzierungen ergaben sich insofern, als bei den kleinen und mittleren Einkommen die Arbeiter durch ihre größere Marktmacht schnellere und größere Lohnerhöhungen durchsetzten als Angestellte und Beamte und insofern den Rückgang ihres Lebensstandards schneller und wirkungsvoller ausgleichen konnten. I m allgemeinen war das Ergebnis eine gewisse Nivellierung der Realeinkommen der Abhängigen, die durch die Rationierung noch besonders betont wurde. Besondere Vorteile genossen selbständige Unternehmer — soweit sie nicht von Kriegsstillegungen betroffen waren — und Landwirte, auch die mittleren und kleinen Existenzen, die zu dieser Gruppe gehörten. Ihre hohen Kriegsgewinne ermöglichten es ihnen, sich zu entschulden oder sogar Vermögen anzusammeln. Die Verschiebung der Einkommen auf diese Gruppe konnte durch die Steuerpolitik kaum korrigiert werden, da die Kriegssteuer zu leicht zu überwälzen war. Insofern ist der Versuch der SPD, durch die Steuerpolitik den status quo ante i n der Einkommen- und Vermögensverteilung wiederherzustellen, mißlungen. Eine völlig neue Gruppe von Einkommensbeziehern wurde i n den Rentnern geschaffen, die sich aus Kriegsversehrten und -hinterbliebenen zusammensetzte. Sie waren von der Allgemeinheit zu unterhalten; diese Tatsache warf, obwohl diese Gruppe natürlich an der unteren Grenze der Einkommenskala lag, zusätzliche finanzpolitische Probleme auf. Die kriegsbedingte Änderung der Vermögensverteilung ist weniger gut zu fassen, da ihr realer Hintergrund nicht so durchsichtig und die Statistik noch dürftiger ist. Die Höhe der Nominalvermögen wurde in der preußischen Steuerstatistik nur alle drei Jahre erfaßt. Dabei ergibt sich aber schon aus dem Vergleich der Jahre 1914 und 1917, daß der Anteil der kleinen Vermögen (unter 6000 Mark) stark zurückgegangen, der Anteil der mittleren (6000—100 000 Mark) fast ebenso stark gestiegen und der hohen (über 100 000 Mark) geringfügig gestiegen ist 5 0 . Ob 60 Vgl. Dix , A r t h u r , Wirtschaftskrieg u n d Kriegswirtschaft, B e r l i n 1920, S. 241 f.
D. Die Bedeutung des Krieges f ü r die S t r u k t u r der Wirtschaft
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nun die Zunahme der mittleren Vermögen Neubildung oder Aufstokkung kleiner bedeutete, läßt sich nicht genau sagen; wahrscheinlich war die Bewegung zwischen den Gruppen noch stärker, da wohl auch eine Anzahl von Vermögen i m Kriege abgebaut worden ist. Genauere Aussagen sind über den Kealgehalt dieser Vermögen möglich. Bei den kleineren und mittleren Gruppen wurden sie vielfach i n nominaler Form gehalten; diese traf der ganze Inflationsverlust. Das mittelständische Sparerpublikum wurde also wahrscheinlich von der Kriegsinflation am härtesten getroffen. Mittlere Vermögen besonders in der Landwirtschaft blieben weitgehend erhalten in ihrem Realgehalt oder stiegen sogar, wenn man sich mit Kriegsgewinnen entschulden konnte. Ein Teil des gewerblichen Mittelstandes alter A r t in den Städten aber war schon i n Mitleidenschaft gezogen; soweit er seine Vorräte abgebaut hatte, war er Nominalvermögensbesitzer geworden. Hier setzte bereits die „Depossedierung des Mittelstandes" 51 ein, die aber vorläufig durch den neuen Mittelstand der Spekulanten und Zwischenhändler aufgehoben wurde 5 2 . Bei den großen Vermögen läßt sich kaum etwas Exaktes feststellen; besonders kriegswichtige Industrien hatten ihren realen Bestand halten können, während andere große Posten Kriegsanleihe besaßen. Zusammenfassend läßt sich nur eine Wirkung der begonnenen Inflation mit Sicherheit feststellen, die „relative Stärkung der Stellung der Sachbesitzer" 53 . Auch die Konzentration der Sachvermögen zeigte sich schon an, war jedoch zunächst auch eine Auswirkung der Kriegswirtschaftspolitik. Eine Korrektur der bestehenden Einkommen- und Vermögensverteilung wurde als wichtige Aufgabe der Finanzpolitik schon i m Kriege erkannt und der Friedenspolitik zugewiesen 54 .
I I I . Öffentlicher Haushalt
Die durch den Weltkrieg bedingte sprunghafte Ausdehnung der staatlichen Ausgaben hat man oft mit dem Wagnerschen Gesetz in Verbindung gebracht; sie ist ihm jedoch, da es eher einen Trend i m Auge hat, völlig fremd. Wagner selbst hat auch Kriege und Kriegsfolgen nicht 51 Großmann, Eugen, Finanzen u n d Währung, H d F 2. Aufl., 1 Bd., Tübingen 1952, S. 191. 52 Vgl. Giersch, Herbert, Inflation, HdSW Bd. 5, Stuttgart/Tübingen/Göttingen 1956, S,. 283. 53 Eulenberg, Franz, Die sozialen W i r k u n g e n der WährungsVerhältnisse, JfNuS Bd. 122 (1924), S. 765. 54 Vgl. Die Neuordnung der deutschen Finanzwirtschaft, hrsg. von Heinrich Herkner, VfS Bd. 156, München u n d Leipzig 1924.
12
Roesler
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
impliziert, sondern sie auf lange Sicht für bedeutungslos gehalten 55 . Sinnvoller hat die angelsächsische Literatur, aufbauend auf Peacock und Wiseman 58 , von einem „displacement effect" gesprochen, mit dem diese sprunghafte und irreversible Budgetausdehnung i m Gefolge der Weltkriege besser charakterisiert ist 5 7 . Andic und Veverka 5 8 haben berechnet, daß der Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt i n Deutschland von 15 °/o (1913) auf 25 °/o (1925) gestiegen ist. Für 1918, besser 1919 dürfte der Sprung noch größer sein, da noch der ganze Kriegsschuldendienst, die Reparationen etc. bestanden und das Sozialprodukt wesentlich kleiner war. Diese Feststellung betrifft aber auch nur einen Vergleich zwischen friedensmäßigem Vorkriegs- und Nachkriegsbudget. Demgegenüber untersucht Jessen59 den Übergang und erläutert seine zeitliche und materielle Entwicklung. Ausgangspunkt ist die sprunghafte Ausgabensteigerung, d. h. der Entzug von Gütern und Diensten aus dem Sozialprodukt für Kriegszwecke. Sie wächst i m Kriege und setzt sich über sein Ende hinaus fort. Global gesehen kann nach Kriegsende das Budgetvolumen nicht mehr stark verkleinert, schon gar nicht auf den Vorkriegsstand zurückgebildet werden. Grund dafür ist die während dieses Prozesses stattfindende „Verschiebung der einzelnen Hauptaufgaben" 60 . I m Weltkrieg wuchsen so während des Krieges schon die Transferausgaben, vor allem die Anleihezinsen, die Pensionen und die Familienunterstützungen. Als später die eigentlichen Kriegsausgaben zurückgingen, traten an ihre Stelle Reparationen und vielerlei soziale Lasten 61 . Dieser Ausgabenzuwachs war während des Krieges vielfach als „außerordentlich" i n die Kriegsausgaben übernommen worden, was zunächst über die Friedenshöhe der ordentlichen Ausgaben täuschte. Jetzt wurde daraus i m ordentlichen Haushalt auch ein deckungspolitisches Problem. Das Beharren auf der erreichten Ausgabenhöhe wurde auch mitverursacht durch die A r t der Kriegskostendeckung, denn die Anleihen brachten eine hohe Zinsen- und Tilgungslast mit sich. 55 Vgl. T i m m , Herbert, Das Gesetz der wachsenden Staatsausgaben, F A Ν. F., Bd. 21 (1961), S. 203 f. 56 Vgl. Peacock, A l a n T., u n d Wiseman, Jack, The G r o w t h of Public Expenditure i n the United Kingdom, Princeton 1961. 57 Ebenso Timm, Herbert, a.a.O., S. 223 ff. 58 Vgl. Andic, Suphan, u n d Veverka, Jindrich, The G r o w t h of Government Expenditure i n Germany since the Unification, F A N. F., Bd. 23 (1964), S. 191. 59 Vgl. Jessen, Jens, Das „Gesetz der wachsenden Ausdehnung des Finanzbedarfs", SchmJb 67. Jg. (1943). 60 Ebd., S. 553. 61 Vgl. Die deutsche Finanzwirtschaft vor u n d nach dem Kriege, Einzelschriften zur Statistik des Deutschen Reiches, Nr. 14, B e r l i n 1930, S. 13 ff.
D. Die Bedeutung des Krieges für die S t r u k t u r der Wirtschaft
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Der Übergang vom Kriegs- zum Friedensbudget kam also vor allem in einem Rückgang des Sach- und Personalaufwands und einem Anstieg des Transferaufwands zum Ausdruck. Das Budget, und das ist das eigentlich Neue, wurde zur Schaltstation der nun einsetzenden staatlichen Verteilungspolitik. Vorn war festgestellt worden, daß die Finanzpolitik nur die interpersonale Verteilung der realen Kriegslast bewältigen kann. Gerechtigkeits- und soziale Gesichtspunkte wurden während des Krieges dabei vernachlässigt; jetzt konnte der kriegswirtschaftliche Bedarf demgegenüber zurücktreten. Eine Umverteilung fand vor allem durch den Anleihedienst statt, aber ohne alle soziale Rücksichten. Die verteilungspolitische Korrektur dieses Zustandes über das Budget, vor allem auch die Einnahmepolitik, auf lange Sicht wurde allerdings durch die Inflation überflüssig gemacht.
I V . Monetäre Situation
Die monetäre Situation bei Kriegsende wurde gekennzeichnet durch den Überhang von Kaufkraft in verschiedener Form. Einmal bestand er in Bargeldhorten von beträchtlichem Ausmaß, welche während des ganzen Krieges, besonders aber zur Zeit des Zusammenbruchs, i m Inland und Ausland angesammelt worden waren. Zum zweiten existierte er als Guthaben bei der Notenbank, den Geschäftsbanken und Sparkassen, meist in der Form von relativ kurzfristigen Termingeldern oder als täglich fällige Einlagen. Zum dritten war er vorhanden in Form von rediskontfähigen Schatzwechseln bzw. U-Schätzen, die innerhalb von drei Monaten bei der Reichsbank liquidiert werden konnten. Von geringerer Bedeutung, aber nicht völlig ungefährlich waren die Kriegsanleihen, besonders in den Händen von Unternehmern, die nicht nur verflüssigt werden konnten, wenn ein anderer auf Liquidität verzichtete, sondern durch Lombardierung bei den Darlehenskassen zusätzliche Geldschöpfung auslösen konnten. Es mochte sich i n diesem Zusammenhang als vorteilhaft auswirken, daß bei der Bevölkerung ohne jede Inflationserfahrung die „Reizschwelle, an der die ersten Zweifel an der Währung auftauchen", noch nicht erreicht war 6 2 . Eine über die versuchte Aufrechterhaltung des Lebensstandards hinausgehende Flucht i n die Sachwerte hatte nicht stattgefunden; nach Kriegsende erwartete man allgemein Preissenkungen. Es war nun die Aufgabe der Geld- und Finanzpolitik, den Uberhang an Liquidität zu zähmen und die monetäre Nachfrage an die realen Möglichkeiten anzupassen, wobei natürlich zu berücksichtigen ist, daß 82
12*
Schmölders, Günter, a.a.O., S. 253.
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4. Abschnitt: Beurteilung der Kriegsfinanzpolitik u n d ihrer Folgen
nach Kriegsende der gesamte Produktionsapparat wieder für die Bedürfnisse der privaten Konsumenten arbeiten konnte. Mit Hilfe der Finanzpolitik mußten möglichst große Teile auch der kurzfristigen Kriegsschuld i n feste Hände geleitet und ihr ein Markt erhalten werden, so daß ihre Einflüsse auf die monetäre Nachfrage gering gehalten werden konnten.
Schluß D i e Stellung der Wissenschaft zum Inflationsproblem
Die deutsche Wissenschaft war i m Kriege, soweit sie zu aktuellen Fragen der Politik Stellung nehmen wollte, in ihren Meinungsäußerungen stark beschränkt. Die politische Zensur verhinderte eine offene Diskussion der betriebenen Finanzpolitik; auch viele Nationalökonomen lehnten eine solche ab, teils aus mangelnder Einsicht, teils aus der Sorge, damit i n der Bevölkerung Unruhe auszulösen1. Für die Finanzwissenschaft i m engeren Sinne gab die zeitliche und materiell-wirtschaftliche Ausdehnung des Krieges auch keinen Anlaß zu neuen Überlegungen über das deckungspolitische Konzept hinaus. Sie war vielmehr schon vor dem Kriege in weitgehende Stagnation verfallen 2 und begnügte sich i m Kriege damit, die finanzpolitische Entwicklung oberflächlich zu kommentieren. Gerade für die wissenschaftliche K r i t i k an der Finanzpolitik fehlten damit neue und sinnvolle Ansatzpunkte 3 . M i t ihrer negativen Einstellung zu Steuern jeglicher Art, die sie nur unter friedensmäßigen Bedingungen sah und als Belastung und Hemmung des Wirtschaftsprozesses übertrieben düster beurteilte, hat die Finanzwissenschaft die Steuerscheu des Reichstages noch gefördert 4 . Von ihr gingen also keine Anregungen zu neuer Durchdenkung der Finanzwirtschaft aus. Fruchtbarere Ansatzpunkte boten dagegen die Überlegungen der Geldtheoretiker, denn diese mußten, soweit sie den Geldwert i m Auge hatten, aus dem engen Rahmen der Teildisziplin heraustreten und gesamtwirtschaftlich argumentieren. Damit ist schon gesagt, daß die Meinungen all derer, welche nur i m Streit um Charakter und Wesen des Geldes befangen waren, hier vernachlässigt werden können. Der Kampf um und die 1 Vgl. Hahn, L. Albert, Fünfzig Jahre zwischen Inflation u n d Deflation, Tübingen 1963 S. 7 ff. 2 Vgl. Meisel, Franz, Stand u n d Wert der deutschen Finanzwissenschaft, SchmJb Bd. 42 (1918), S. 362 ff. 3 Vgl. Moll, Bruno, Brauchen w i r eine neue Finanzwissenschaft, W W A Bd. 16 (1920/21), S. 378 ff. 4 Vgl. Meisel, Franz, Wo steht die deutsche Finanzwissenschaft?, ZfdgS Bd. 75 (1920), S. 476 ff.
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Die Stellung der Wissenschaft zum Inflationsproblem
Verwirrung der Begriffe war dort so groß, daß es nur lohnt, auf die wenigen klaren Stimmen i n diesem Durcheinander einzugehen, wobei es auf eine wirklichkeitsnahe Analyse des Inflationsprozesses ankommt. Dabei ergeben sich drei unterschiedliche Ansätze: 1. der geldschöpfungstheoretische Ansatz (Bendixen) 2. der einkommenstheoretische Ansatz (Schlesinger, Liefmann) 3. der quantitätstheoretische Ansatz (Lansburgh, Schumpeter, Eulenburg). Zu 1.: Bendixen geht aus vom System der „klassischen" Geldschöpfung. I n deren Sinn bestehe Inflation, d. h. ein Übermaß der Geldschöpfung dann, wenn die Geldmenge vermehrt werde, ohne daß die Warenmenge entsprechend angestiegen sei5. „Die Ausgabe von Noten aufgrund von Keichsschatzscheinen entspricht nicht den Hegeln der (,klassischen') Geldschöpfung 6 ." Der Notenvermehrung gleichwertig sei hier die Vermehrung von Darlehenskassenscheinen und Bankguthaben (Giralgeld); alle drei Möglichkeiten der Geldschöpfung erhöhten die Kaufkraft und ließen die Preise steigen, wenn diese als Nachfrage auf den Markt stieße, auf dem das Angebot gleichgeblieben oder gesunken sei. Bendixen lehnt es jedoch ab, von einer Preissteigerung auf eine Verschlechterung des Geldwertes zu schließen. Er richtet sich gegen eine theoretische Betrachtung des Geldwertes überhaupt; dieser habe „bei der Erklärung der Inflationserscheinungen ausgespielt" 7 . Deswegen spricht er sich auch gegen alle Versuche aus, in der Nachkriegszeit durch Verringerung der Geldmenge die Preise zu senken. Das würde nur Rückgang der Nachfrage und damit Arbeitslosigkeit hervorrufen 8 . Zwei wesentliche Fortschritte bringt Bendixen gegenüber der von der Reichsbank während des Krieges vertretenen Meinung: Die Gleichwertigkeit von Banknoten, Darlehenskassenscheinen und Bankguthaben in bezug auf ihren Geldcharakter und ihre Wirkungen i m Kreislauf, und eine richtige Darstellung des Zusammenhanges von Geldschöpfung und Preissteigerung unter den vorliegenden Prämissen. Die Ablehnung einer Theorie des Geldwertes, insbesondere eines Kausalzusammenhanges, wie ihn die Quantitätstheorie sieht, hindert ihn jedoch daran, die ökonomischen Nachteile, welche aus der fehlerhaften Geldschöpfung entstehen, weiter zu durchdenken. 5
Vgl. Bendixen, Friedrich, Das Inflationsproblem, a.a.O., S. 14. • Ebd., S. 33. 7 Ebd., S. 24. 8 Vgl. Bendixen, Friedrich, Währungspolitik u n d Geldtheorie i m Lichte des Weltkrieges, a.a.O., S. 114 f.
Die Stellung der Wissenschaft zum Inflationsproblem
Zu 2.: Gerade dieser Mangel wurde jedoch durch den Ansatz Schlesingers und Liefmanns ausgeglichen. Schlesinger hat schon zu Kriegsbeginn, wenn auch nur i n knapper Form, den kriegswirtschaftlichen Prozeß bei zusätzlicher Staatsnachfrage mit neugeschaffenem Geld aufgezeigt 9 . Er geht davon aus, daß mit den Einkommen, die i n der letzten Friedenswoche entstanden sind, in der ersten Kriegswoche nachgefragt wird. I n dieser Periode ist aber durch Kriegseinwirkung die Produktion schon gesunken. Die Preise müßten steigen. I n der zweiten Kriegswoche könne aus dem mit der Produktion gesunkenen Einkommen nur eine geringere Nachfrage entfaltet werden. Die Preissteigerungstendenz bleibe aber erhalten, weil nun der Staat mit neugeschaffenem Geld zusätzlich nachfrage. So „entzieht der Staat den Privatwirtschaften ständig einen Teil d e s . . . Realwertes ihrer Geldeinkommen" 10 . Solange noch freie Kapazitäten eingesetzt werden könnten und die Privaten sparten, besonders die Unternehmer ihre Konjunkturgewinne, werde der Preissteigerungsprozeß gebremst; andererseits aber auch durch Entsparen von Privaten, welche ihren Lebensstandard erhalten wollten, und durch die Vermehrung der zusätzlichen Nachfrage des Staates, der einen größeren Anteil der Produktion an sich ziehen wolle, verstärkt. Den gleichen Kausalzusammenhang stellt Liefmann fest 11 , setzt sich dann aber auch mit den Lehrmeinungen der Zeitgenossen auseinander. Gegenüber der Quantitätstheorie betont er, daß ein strenger Kausalnexus Geldvermehrung — Preissteigerung nicht bestehe, sondern die Preissteigerung abhängig sei von den Einkommen, welche die Güter am Markt nachfragten. Nur über die Erhöhung der Einkommen könne die Nachfrage und damit das Preisniveau gesteigert werden. Eine Einkommenserhöhung sieht Liefmann in der staatlichen Kreditnahme bei der Notenbank; deren fehlerhafte Entstehung sei darin zu sehen, daß diesem Einkommen keine Leistung gegenüberstehe, aus der es entsprungen sei. Die damit entfaltete Nachfrage wirke auch nur dann preissteigernd, wenn sich die Gesamtnachfrage dadurch gegenüber dem Gesamtangebot erhöhe 12 . Lief mann bietet auch gleich eine Therapie an: Durch Steuern und Anleihen müsse man verhindern, daß ein Einkommensüberhang sich in der gezeigten Form auswirke. Je schneller bei den Privaten Einkommen ab• Vgl. Schlesinger, K a r l , Methodologische Vorbemerkungen zu einer Geschichte der zentraleuropäischen Kriegswirtschaft, W W A Bd. 6 (1915 I I ) , S. 11 ff. 10 Ebd., S. 13. 11 Vgl. Lief mann, Robert, Geld u n d Gold, Stuttgart/Berlin 1916, S. 193 ff.; ders., Die Geld Vermehrung i m Weltkriege u n d die Beseitigung ihrer Folgen, Stuttgart/Berlin 1918. S. 14 ff. u n d S. 64 ff. 12 Vgl. Liefmann, Robert, Die Geldvermehrung . . . , a.a.O., S. 71 ff.
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Die Stellung der Wissenschaft zum Inflationsproblem
geschöpft und damit die staatliche Verschuldung bei der Notenbank abgebaut werde, desto geringer sei die Preissteigerung 18 . Deswegen verlangt er hohe Kriegsgewinnsteuern und sogar Zwangsanleihen; nur so könnten die Einkommens- und Vermögensverschiebungen, welche durch die Inflation entstünden, vermieden werden 14 . Zu 3.: Wie diese Autoren über den einkommenstheoretischen Ansatz, so dringen andere über einen quantitätstheoretischen bis zu Anfängen kreislauftheoretischer Betrachtungsweise des Inflationsprozesses vor. Ganz einfache quantitätstheoretische Überlegungen liegen zunächst bei Lansburgh vor. Er sagt einfach, die Geldvermehrung bewirke die Preissteigerung 15 . Zusätzliches Geld frage nach; und wenn die Produktionskapazität nicht mehr gesteigert werden könne, wirke sich die zusätzliche Nachfrage nur noch i n Preissteigerungen aus. Als besonderen Nachteil dieser Kriegsfinanzierungsmethode erkennt er die Verzerrung der Einkommens- und Vermögensverteilung. Die Löhne hinkten der Preissteigerung nach, während die Gewinne sofort stiegen. Auch erkennt er die Tendenz zum kumulativen Prozeß in der Weise, daß der Staat durch die Inflationierung seine eigenen Einnahmen abwerte, also zu immer höherer Geldschöpfung gezwungen werde 1 6 . Ohne auf die Probleme der Kriegsfinanzierung i m einzelnen einzugehen, hat Schumpeter den quantitätstheoretischen Ansatz verfeinert und ausgebaut 17 . Er schafft sich eine eigene Quantitätsgleichung, in der er das Produkt aus Geldmenge mal Umlaufsgeschwindigkeit als Einkommenssumme definiert, welche sich von dem Produkt in herkömmlichem Sinne durch Horte und Kassenreserven unterscheide 18 . Einen Kausalzusammenhang i n der Verursachung von Preissteigerungen, wie ihn Lansburgh sieht, lehnt er vorläufig noch ab 1 9 und faßt seine Gleichung nur als arithmetische Beziehung auf. M i t ihrer Hilfe weist er zunächst nach, daß Veränderungen auf der Warenseite sich nur in Preisänderungen auswirken, niemals aber Änderungen auf der Geldseite verursachen, etwa eine Steigerung der Geldmenge „nötig machen" können 20 . Damit widerlegt er die Theorie der Verkehrsbedingtheit der Geldvermehrung, wie sie von der Reichsbank vertreten wurde. Dagegen 13
Vgl. ebd, S. 98 ff. Vgl. ebd., S. 140 ff. 15 Vgl. Lansburgh, Alfred, Die beiden Geldtheorien u n d der Krieg, Die Bank 1915 I , S. 114. 16 Vgl. ebd., S. 116 f. 17 Vgl. Schumpeter, Joseph Α., Das Sozialprodukt u n d die Rechenpfennige, AfSuS Bd. 44 (1917/18). 18 Vgl. ebd., S. 666. 19 Vgl. ebd., S. 676. 20 Ebd., S. 681. 14
Die Stellung der Wissenschaft zum Inflationsproblem
erzwingt seiner Ansicht nach jede Veränderung von Μ χ U eine entsprechende Änderung der „Produktensumme", d. h. der rechten Seite der Gleichung 21 . So mißt er nunmehr auch dem von der Quantitätstheorie konstruierten Kausalzusammenhang für die Kriegsinflation einen hohen Wahrheitsgehalt bei und stellt auch die dargelegten Folgen dieser Inflation realistisch dar 2 2 . Dabei glaubt er, daß die Inflation während des Krieges noch durch Hortungen und geringe Kreditgewährung der Banken gebremst werde; sie sei „ i n ganzer I n t e n s i t ä t . . . erst dann zu erwarten, wenn i m übrigen normale Zustände zurückkehren" 23 . Der Vorteil der rechtzeitigen Steuererhebung sei die rationelle Verteilung der gütermäßigen Opfer, die auf jeden Fall gebracht werden müßten. Sie sei der Anleihebegebung vorzuziehen, da diese noch Störungen des W i r t schaftsprozesses nach sich ziehe. Somit hat Schumpeter in seinem grundlegenden theoretischen Aufsatz auch alle wichtigen Probleme der Inflation und ihrer Bekämpfung angeschnitten. Demgegenüber bedeutet der letztlich auch quantitätstheoretisch denkende Eulenburg 2 4 schon einen Rückschritt, weil er die Geldqualität der Bankeinlagen und die Fähigkeit der Banken, Geld zu schaffen, wiederum leugnet 2 5 ; i m übrigen beschreibt er die Inflation einigermaßen zutreffend. Eine der Schumpeterschen Darstellung qualitativ entsprechende Analyse des Inflationsprozesses wurde erst mehrere Jahre später von Eucken 2 * geliefert. Die zeitgenössischen Überlegungen zur Inflation wurden hier kurz skizziert, um zu zeigen, daß von verschiedenen theoretischen Ansatzpunkten her eine einigermaßen realistische Darstellung der Kriegsinflation und ihrer Folgen wie auch eine brauchbare Therapie zu ihrer Eindämmung von der Wissenschaft erbracht worden ist. Dabei darf jedoch nicht vernachlässigt werden, daß diese i m Verhältnis modernen Ansichten von der großen Masse der Wissenschaftler abgelehnt wurden 2 7 . Daß die Reichsregierung sich in einem wissenschaftlichen Gutachten 28 An21
Vgl. ebd., S. 682. Vgl. ebd., S. 685 ff. 23 Ebd., S. 694. 24 Vgl. Eulenburg, Franz, Inflation, a.a.O. 25 Vgl. ebd., S. 494 ff. 28 Vgl. Euchen, Walter, Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem, Jena 1923. 27 Vgl. ζ. B. Diehl, K a r l , Über Fragen des Geldwesens u n d der Valuta w ä h rend des Krieges u n d nach dem Kriege, 2. Aufl., Jena 1921, S. 51 ff.; vgl. auch Hahn, L. Albert, a.a.O., S. 7 ff. 28 Dieses Gutachten wurde von Prion verfaßt u n d schon i m Sommer 1918 der Reichsregierung vorgelegt, aber erst nach dem Kriege veröffentlicht. Es steht bei weitem nicht auf der Höhe der theoretischen Einsicht von Schumpeter u n d anderen, kritisiert aber die Kriegsfinanzpolitik i m groben richtig. Vgl. Prion, W i l l i , Inflation u n d Geldentwertung, B e r l i n 1919. 22
186
Die Stellung der Wissenschaft zum Inflationsproblem
satzpunkte für ihre Politik geben ließ, konnte zunächst einen vielversprechenden Beginn für eine sinnvolle Finanz- und Geldpolitik der Nachkriegszeit bedeuten.
Anhang
Zusammenstellung der Steuergesetze 1916 — 1918* Außerordentliche
Kriegsabgabe
(Kriegssteuergesetz)
A. Gesetz vom 21. Juni 1916, RGBl., S. 561 I. Gesellschaften Aus dem Grundgesetze vom 21. J u n i 1916 ergeben sich folgende Grundlagen: Steuersatz bei einem Mehrgewinn: von 2 °/o von 2— 5 °/o von 5—10 % von 10—15 °/o über 15 °/o
des des des des des
Kapitals Kapitals Kapitals Kapitals Kapitals
10 °/o 15 °/o 20 °/o 25 % 30 °/o
des des des des des
Mehrgewinns Mehrgewinns Mehrgewinns Mehrgewinns Mehrgewinns
Die Steuer erhöht sich, wenn der Geschäftsgewinn übersteigt: 8—10 °/o 10—15 °/o 15—20 °/o 20—25 °/o 25 °/o
um um um um um
10 °/o 20 °/o 30 % 40 % 50 °/o
I I . Physische Personen Steuerobjekt ist der Vermögenszuwachs i n der Zeit vom 31. Dezember 1913 bis 31. Dezember 1916 sowie Vermögen, die keine Verminderung u m mindestens 10 °/o erfuhren. Steuersatz: für die für die 10 000 10 000 20 000 50 000 100 000 200 000 300 000 400 000 für die
ersten 10 000 M a r k des Zuwachses nächsten angefangenen oder vollen Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark Mark weiteren Beträge
für das Vermögen, soweit es 90 °/o des Friedens Vermögens übersteigt
5 °/o 10 °/o 15 °/o 20 °/o 25 °/o 30 °/o 35 °/o 40 °/o 45 °/o 50 °/o 0,1 °/o
• I n Anlehnung an eine Zusammenstellung i n K T Bd. 338, Nr. 760 (Nachtrag zur Schiffer-Denkschrift), S. 604 ff.
190
Anhang Β. Zuschläge durch Gesetz vom 9. April
1917, RGBl., S. 349
F ü r das neue Kriegssteuer j ä h r w i r d auf den Betrag der Kriegssteuer 1916 ein 20 °/oiger Zuschlag erhoben (siehe A). C. Außerordentliche für das Rechnungsjahr
Kriegsabgabe 1918, RGBL, S. 964
1. Abgabe vom Mehreinkommen physischer Personen Die Abgabe v o m Mehreinkommen beträgt: f ü r die ersten 10 000 M a r k des abgabepflichtigen Mehreinkommens 5 vom Hundert, für die nächsten angefangenen oder vollen 10 000 M a r k 10 v o m Hundert, 30 000 M a r k 20 v o m Hundert, 50 000 M a r k 30 v o m Hundert, 100 000 M a r k 40 v o m Hundert, für die weiteren Beträge 50 vom Hundert Mehreinkommen ist der Unterschied zwischen Friedenseinkommen u n d dem Kriegseinkommen. Als Friedenseinkommen gilt i n der Regel das steuerpflichtige Jahreseinkommen, wie es vor Ausbruch des Krieges zur Einkommensteuer veranlagt war. Als Kriegseinkommen gilt regelmäßig das zur E i n kommensteuer 1918 veranlagte Einkommen. 2. Abgabe vom Vermögen Die Kriegsabgabe v o m Vermögen beträgt: für die ersten 200 000 M a r k 1 vom Tausend f ü r die nächsten angefangenen oder vollen 300 000 M a r k 2 vom Tausend 500 000 M a r k 3 v o m Tausend 1 000 000 M a r k 4 vom Tausend für die weiteren Beträge 5 v o m Tausend Als abgabepflichtiges Vermögen ist das nach den Vorschriften des Besitzsteuergesetzes auf den 31. Dezember 1918 festzustellende Vermögen zu betrachten. 3. Abgabepflicht der Gesellschaften Die Abgabe beträgt für inländische Gesellschaften 60 °/o des Mehrgewinns. Die Abgabe ermäßigt sich: bei einem Mehrgewinn von 300 000 oder 500 000 M a r k oder bei einem Mehrgewinn von unter 1 Million, falls der Geschäftsgewinn des fünften Kriegsgeschäftsjahrs 25 % des G r u n d - oder Stammkapitals nicht übersteigt, u m 10%; bei einem Mehrgewinn von 200 000—300 000 M a r k oder bei einem M e h r gewinn von mehr als 1 Million, falls der Geschäftsgewinn des fünften Kriegsgeschäftsjahrs 20 °/o des G r u n d - oder Stammkapitals nicht übersteigt, u m 20 °/o; bei einem Mehrgewinn von 100 000—200 000 M a r k oder bei einem M e h r gewinn von mehr als 1 Million, falls der Geschäftsgewinn des fünften Kriegsgeschäftsjahrs 15 % des G r u n d - oder Stammkapitals nicht übersteigt, u m 30%;
Zusammenstellung der Steuergesetze 1916—1918
191
bei einem Mehrgewinn von 50 000—100 000 M a r k oder bei einem M e h r gewinn von mehr als 1 Million, falls der Geschäftsgewinn des fünften Kriegsgeschäftsjahrs 10 °/o des G r u n d - oder Stammkapitals nicht übersteigt, u m 40 % ; bei einem Mehrgewinn von unter 50 000 M a r k oder bei einem M e h r gewinn von mehr als 1 Million, falls der Geschäftsgewinn des fünften Kriegsgeschäftsjahrs 8 °/o des G r u n d - oder Stammkapitals nicht übersteigt, u m 50%. Als abgabepflichtiger Mehrgewinn gilt der Unterschied zwischen Friedensgewinn und dem für das fünfte Kriegsgeschäftsjahr erzielten Gewinn. Tabak-
und Zigarettensteuer,
Tabakzoll
Gesetz vom 12. J u n i 1916, RGBl., S. 507 Steuer:
Tabakblätter für 1 Doppelzentner 70 Mark, Tabakblätter für Zigaretten für 1 Doppelzentner 45 Mark. Flächensteuer erhöht auf 7 Pfennige für 1 qm.
Zoll:
für 1 Doppelzentner Tabakblätter, unbearbeitet Tabakblätter, bearbeitet Rauchtabak Zigarren Zigaretten
früher 85 M a r k 180 M a r k 700 M a r k 270 M a r k 1000 M a r k
130 280 1100 700 1500
jetzt Mark Mark Mark Mark Mark
Erhöhung des Zollzuschlags von 40 % auf 65 % v o m Wert Kriegsaufschlag
für zigarettensteuerpflichtige Erzeugnisse:
Zigarettenverkaufspreise i m Kleinhandel pro Stück über über über über über
1,5 2,5 3,5 5
bis bis bis bis bis
1,5 2,5 3,5 5 7 7
Pf. Pf. Pf. Pf. Pf. Pf.
Zigarettentabakverkaufspreise i m Kleinhandel pro kg über 8 M a r k über 10 M a r k über 20 M a r k über
bis 10 M a r k bis 20 M a r k bis 30 M a r k 30 M a r k
Steuer i n M a r k pro 1000 Stück früher jetzt 2 3 4,5 6,5 9,5 15
Steuer i n M a r k pro k g früher jetzt 1,60 3 4,80 7
Zigarettenpapier 6 M a r k für 1000 Hülsen. Kohlensteuer Gesetz vom 8. A p r i l 1917, RGBl. S. 340. 20 % v o m Werte der Kohle ab Grube.
5 8 11,5 18,5 27,5 40
4,60 8 12,80 19
Anhang
192 Weinsteuer
Gesetz v o m 26. J u l i 1918, RGBl. S. 831. Steuer:
2 0 % des steuerpflichtigen Wertes (Wein, Traubenmost, dem W e i n ähnliche u n d weinhaltige Getränke).
Zoll:
Wein u n d frischer Most je nach Gehalt von Weingeist 60 bis 80 M a r k für 1 Doppelzentner.
Schaumweinsteuer Gesetz vom 26. J u l i 1918, RGBl. S. 847. Steuer:
Schaumwein aus Fruchtwein ohne Zusatz von Traubenwein f ü r jede Flasche 60 Pf., anderer Schaumwein u n d schaumweinähnliche Getränke 3 M a r k pro Flasche (bisher gestaffelt von 0,75 bis 2,50 M a r k je nach Flaschenpreis).
Zoll:
180 M a r k pro 1 Doppelzentner.
Biersteuer Gesetz v o m 26. J u l i 1918, RGBl. S. 863. Die Steuer w i r d berechnet j e h l Vollbier (Stammwürzegehalt 8—13 °/o) u n d berücksichtigt den Ausstoß der Brauerei von den ersten 2 000 h l 10 Mark von den folgenden 8 000 h l 10,50 M a r k von den folgenden 10 000 h l 11 Mark von den folgenden 10 000 h l 11,50 M a r k von den folgenden 30 000 h l 12 Mark von den folgenden 60 000 h l 12,30 M a r k von dem Rest 12,50 M a r k Die Steuer ermäßigt sich u m die Hälfte für Einfachbier (bis 4,5 %). Die Steuer erhöht sich u m die Hälfte für Starkbier (über 13%). Mineralwassersteuer Gesetz v o m 26. J u l i 1918, RGBl. S. 849. bei bei bei bei
Mineralwässern Limonaden konzentr. Kunstlimonaden Grundstoffen zur Herstellung konzentr. Kunstlimonaden
Kaffee-
0,05 M a r k pro 1 0,10 M a r k pro 1 1,00 M a r k pro 1 20,00 M a r k pro 1
und Teezoll
Gesetz vom 26. J u l i 1918, RGBl. S. 849. I m Anschluß an das Mineralwassersteuergesetz ist der Kaffee- u n d Teezoll erhöht worden. Z o l l f ü r 1 Doppelzentner früher jetzt 60 M a r k 130 M a r k Kaffee roh 85 M a r k 175 M a r k Kaffee nicht roh 100 M a r k Tee 220 M a r k
Zusammenstellung der Steuergesetze 1916—1918
193
Frachturkundenstempel Gesetz v o m 17. J u n i 1916, RGBl. S. 555. Frachturkunden i m Eisenbahnverkehr für Frachtstückgut 10 Pf, f ü r E i l stückgut 20 Pf. F ü r Frachtgut i n Wagenladungen bis 25 Pfund = 1 M a r k , darüber 2 Mark. Bei Eilgut i n Wagenladungen 1,50 bzw. 3,00 Mark. Abgabe vom Personen- und
Güterverkehr
Gesetz vom 8. A p r i l 1917, RGBl. S. 329 I. Güterverkehr Der Frachturkundenstempel w i r d für Eilgut u n d Kohlen verdoppelt, f ü r die anderen Güter u m 50 °/o erhöht. Neben dem Frachturkundenstempel w i r d eine Abgabe von 7 °/o des Wertes der Güter erhoben. I I . Personenverkehr Der Personenfahrkartenstempel w i r d aufgehoben. A n seine Stelle t r i t t die Abgabe von den Preisen der Fahrkarten. Sie ist nach der Wagenklasse gestaffelt: 1. Klasse = 16 °/o, 2. Klasse = 14 °/o, 3. Klasse = 12 °/o, 4. Klasse = 10 °/·. 6 °/o i m Nahverkehr, 12 °/o für Reisegepäck. Abgabe von den Post- und
Telegraphengebühren
Gesetz v o m 21. J u l i 1916, RGBl. S. 577. Zuschlag für Briefe i m Ortsverkehr erhöht u m 2V2 Pf, i m übrigen 5 Pf; Postkarten u m 2Vz Pf; Pakete u m 5—20 Pf je nach Gewicht u n d Entfernung; Telegramme u m 2 Pf f ü r jedes Wort, Fernsprechgebühren u m 10 °/o der Gebühren. Verändert
durch Gesetz v o m 26. J u l i 1918, RGB1. S. 975.
Zuschlag für Briefe i m Ortsverkehr erhöht u m 5 Pf bis 20 g, u m 10 Pf von 20 bis 250 g, i m übrigen u m 5 Pf; Postkarten u m 2V2 bzw. 5 Pf; Pakete u m 15—50 Pf je nach Gewicht u n d Entfernung; Telegramme u m 3 Pf pro W o r t ; Fernsprechgebühren u m 20 °/o. (Waren-)
Umsatzsteuer
Gesetz v o m 26. J u n i 1916, RGBl., S. 639 Es w i r d eine Stempelabgabe von eins vom Tausend für Zahlungen aus W a renlieferungen erhoben. Als Bezahlung der Lieferung gilt jede Leistung des Gegenwerts, bar oder bargeldlos. Verändert
durch Gesetz vom 26. J u l i 1918, RGBl., S. 779.
Umsatzsteuerpflichtig sind die i m I n l a n d gegen Entgelt ausgeführten Lieferungen u n d sonstigen Leistungen. — Steuersatz 5 v. T. des f ü r die steuerpflichtige Leistung vereinbarten Entgelts. Bei Luxusgegenständen i m Kleinhandel erhöht sich die Steuer auf 10 °/o. 13
Roesler
194
Anhang
Reichsstempelsteuern** Gesetz v o m 26. J u l i 1918, RGBl., S. 799 Steuer auf a)
früher
Gesellschaftsverträge AG, GmbH., K G a A über 50 000 M a r k Grundstücksgesellschaften OHG, K G , BGB-Ges., Genossensch
jetzt
4,5 °/o 3 °/o 0,1 °/o
5 °/o 7 °/o 0,4 °/o
b) Einbringung ausländischer A k t i e n
3
°/o
5 °/o
c) Kuxzubußen
3
°/o
5 °/o
2
°/o
3
d) Ausgabe von Schuld- u n d Rentenverschreibungen (nicht Staaten u n d Gemeinden) . . e) Dividendenbogen f)
30—40 M a r k
Börsenumsätze Kriegsanleihen andere Reichs- u n d Staatsschuldverschreibungen Schuldverschreibungen inländischer Gemeinden, Siedlungs- u n d Eisenbahngesellschaften Aktien
g) Tantiemen
Wechselstempel bis 1000 M a r k Wechselsumme je weitere 1000 M a r k Wechselsumme
2 °/o
—
0,2 °/o
—
0,4 %
0,2 °/o 0,3 °/o
0,6 °/o 2 °/o
8
°/o
h) Geldumsätze (Habenzinsen) bis zu 50 000 M a r k die nächsten angefangenen 150 000 M a r k . . die nächsten angefangenen 300 000 M a r k . . usw. bis 50 000 000 M a r k . . darüber i)
°/o
20 °/o 0,5 °/o 1 °/o 1,5 °/o 5,5 °/o 6 °/o
10—45 Pf. 45 Pf.
** I n Anlehnung an Knauss, Robert, a.a.O., S. 106.
15—60 Pf. 60 Pf.
13*
1872
1880/81
1890/91
1901
1906
1911
1913
—
Stand der Reichsschuld
— —
184,7
127,9
115,6 _ — i—
570,9 494,4 321,9
440,0
1317,8
230,2 557,0 375,1
12,9 50,0 3 663,5
235,1
125,0
252,0 4,2 44,9 — 11,0
2 395,7
277,1 35,5 32,1 32,9 26,3 53,3 50,6 108,2
_ 335,1
_
326,7 368,3 256,9
4 943,7
214,2
258,8 46,4 15,3
212,0 733,6 634,5
4 897,2
117,9
255,4 713,1 677,7
a) Matrikularbeiträge und Uberweisungen sind unsaldiert aufgenommen, obwohl in der Gesamtsumme nur der Saldo enthalten ist. Ihre Schwankungen sollen erkennbar sein. Quelle: Reichsschatzamt, Denkschriftenband zur Begründung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend Änderungen im Finanzwesen, Teil A, Berlin 1908, S. 28, 34, 38ff.; Statistisches Jahrbuch 1915, S. 347ff.
— —
_
17,7 13,3 38,2 32,1 87,5
Ausgaben
außerordentliche insgesamt davon: Reichsheer Reichsmarine
Überschuß Bahn und Post
103,3 163,6 122,9 7,7 35,4 85,0 _
94,1 94,9 66,2 5,1 _
ordentliche Einnahmen Matrikularbeiträgea) Zölle Verbrauchssteuern Stempelabgaben Erbschaftsteuer Zuwachssteuer
(63,5%)
2 520,4
1: Ausgewählte Posten aus den Reichshaushaltsrechnungen 1871—1913 (in Millionen Mark)
ordentliche Ausgaben insgesamt 1405,4 464,8 632,1 1118,5 1358,1 1901,0 (ohne Bruttoausgaben von Bahn und Post, und ohne Überweisungen) davon: Reichsheer 316,2 369,9 442,4 650,6 720,5 791,7 1171,3 Reichsmarine 31,1 39,6 45,4 152,3 208,6 343,6 430,1 (Militärausgaben in °/o der Gesamt- ί ausgaben) j (24,7%) (88,1%) (77,2%) (71,8%) (68,4%) (59,7%) Reichsschuld j 11,1 8,9 48,3 89,1 132,8 267,1 245,3 Überweisungen3) — 68,0 383,4 555,7 205,9 163,5 203,5
Jahr
Übersicht
statistische Ubersichten
Statistische Übersichten
195
196
Anhang
Übersicht 2: Ordentliche Einnahmen nach den Reichshaushaltsrechnungen (Ist-Einnahmen) 1914—1919 (in Mill. Mark] 1914
1915
1916
1917
1918
1919
Zölle
560,8
359,9
348,3
234,4
133,0
1088,8
Verbrauchssteuern
775,8
516,2
668,8
1200,2
2032,8
3334,5 716,4
Jahr
68,3
79,7
202,9
419,5
699,4
Zucker
214,6
168,4
194,7
163,2
184,1
158,7
Branntwein
228,0
95,6
73,1
19,6
29,2
120,4
Bier
130,7
78,5
55,2
20,2
33,9
136,8
—
—
—
159,6
414,9
—
—
-
-
davon: Tabak und Zigaretten
Wein Mineralwasser
i
~~
Kohlen
1
_
Stempelabgaben
[
183,1
167,1
18,1
51,9
412,9
751,3
1552,2
252,8
468,7
510,8
797,2
111,7
davon: Warenumsätze
-
-
24,3
Umsatzsteuer
-
-
-
Abgabe vom Personen- und Güterverkehr
_ -
89,6
Abgabe von Postgebühren
-
2,8
Zuwachssteuer
69,8
77,8
87,0
19,5
10,4
1,3
45,6
4842,7
791,8
93,2
1617,2
1072,9
637,4
307,8
Sonstige« davon: Gewinnabgabe der Reichsbank
-
173,9
65,0
-
Matrikularbeiträge (./· Überweisungen)
468,3
235,7
0,5
48,8
-
291,6
76,8
-
a. o. Kriegsabgabe von 1918
64,5 146,8
0,7
43,6
-
823,4
89,1
Erbschaftsteuer
-
-
ιι 1
51,9
51,9
51,9
51,9
51,9
215,7
372,8
580,2
818,0
1411,0
43,6
199,7
190,3
206,9
390,5 495,0
—
60,0
60,0
275,0
Ausfuhrabgaben
-
-
25,2
281,4
Gesamteinnahmen (ohne Bruttoeinnahmen von Bahn und Post)
-
—
2946,7
)
} 1550,0
Gewinnabgabe der Darlehenskassen
Überschüsse aus Vorjahren
-
150,5
1,2
0,5
-
a. o. Kriegsabgabe von 1916
84,5
-
101,5
0,7
Besitzsteuer
Wehrbeitrag
—
53,8
71,0
219,7
2471,1
1825,2
2122,2
516,9
1
8010,1
—
7 395,2
849,5 —
10963,2
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1919, S. 240 f., 1920, S. 180 f., 1921/22, S. 359. RT Bd. 338, Nr. 760 (Nachtrag zur Denkschrift Schiffer). RT Bd. 365, Nr. 1134 (Nachtrag zur Denkschrift Wirth).
466,4
470,4
790,4
33,0
1875,9
349,9
1346,0
1,8
18,7
71,7
40,4
336,6
2616,8
377,0
+936,8
—150,4
100,0
5,3
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1919, S. 245 ff., 1920, S. 186 ff., 1921/22, S. 359 ff.
5,3
8397,1
—2415,8
13379,0
4512,8
0,3
—
°/0
3,5
—
100,0
33,6
62,9
469,1
Mark | 4,7
89,7
100,0
25,4
398,2 7545,6
0,6
°/0 351,5
6770,5
Mark 1,9
92,2
°/0
a) davon a. o. Tilgung 2 178,0 Mill. Mark (vgl. RT Bd. 363, Nr. 254 (Denkschrift Wirth), S. 14.
—944,6
11,0
45,1 6518,8 a)
7073,3
2,4
132,4
1919 Mark | 1,3
85,3
°/0
100,0
73,0
3066,8
7,8
100,0
147,0
—50,7
26,3
26,5
44,6
2,6
100,0
46,3
ordentliche Ausgaben insgesamt 1773,5 ordentliche Einnahmen ./. ordentliche Ausgaben (Überschuß + , Fehlbetrag -) +697,6
Ausgaben
sonstige ordentliche
(Schuldendienst)
Reichsschuld
(Heer und Marine)
Militärausgaben
Defizit Post, Bahn etc.
Mark
1914 1915 1916 1917 1918 °/0 Mark % Mark
3: Ordentliche Ausgaben nach den Reichshaushaltsrechnungen (Ist-Ausgaben) 1914—1919 (in Mill. Mark)
Jahr Γ
Übersicht
Statistische Übersichten
197
1,0
Rechnungshof
466,5 349,9 336,6 377,0 398,2
zusammen
4 512,8
1,2
0,5
102,4
15,5
142,9
56,2
414,5
8,2
1 724,8
105,0
1,1
0,4
3,4
3,0
134,3
1,1
4,1
1919
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1919, S. 245 ff., 1920 S. 186 ff.. 1921/22, S. 359 ff.
1,4
0,4
11,2
1,5
11,7
Kleinere Differenzen durch Rundung der Zahlen
21,8 25,8 61,2 52,5
112,2
Allgem. Finanzverwaltung
108,9
127,6
1,0
0,4
Allgem. Pensionsfonds
0,9
0,4
3,1
0,4
3,3
0,4
2,2
21,4
Reichseisenbahnamt
2,8
19,1
23,8 22,6
2,8
120,7
18,6
0,3
2,2
Reichskolonialamt
2,8
19,2
0,3
2,0
51,5 44,2 42,7 39,9 40,0
125,6
19,2
0,3
2,1
Reichsschatzamt
Reichs Justizverwaltung
Reichsamt des Innern
Auswärtiges Amt
Reichskanzlei
Reichskanzler und
Reichstag
1914 1915 1916 1917 1918
Übersicht 4: Sonstige ordentliche Ausgaben
134,9
130,7
1719,6
556,0
198 Anhang
1914
1915
1916 1917
1918
1919
20 495,1
19 751,9
26138,5
23111,1
4154,3
-2 198,8
7 004,3
-3431,9
23 927,0
-5019,8
24 771,7
36 884,7
-18983,3
45121,8
-13773,6
39 779,7
-35625,4
3,8 3,5 5,6 2,3 151,0a) 7 641,1a) 30,5 0,1 0,1 0,1 . 71,4 — — 17,8 2 918,3b) 2 794,3b) 1844,3 34,3 14,5 8,9 12,7 11,0 119,2 6 935,7 23 908,9 24 739,3 42188,4 33 928,4 30103,7 c)
4 805,5
1293,4
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1919, S. 245 ff., 1920, S. 186 ff., 1921/22, S. 359 ff.
c) Dieser Posten unter dem Titel „Allgem. Finanzverwaltung" umfaßt Kriegsfolge-, Demobilmachungs- und Reparationslasten.
a) einschließlich Reichswirtschaftsministerium und Reichsarbeitsministerium. b) „Zur Übernahme von Schuldverschreibungen usw. der Kriegsanleihen, die bei Entrichtung der Kriegsabgabe an Zahlungsstatt angeg°™™en worden sind." Vgl. RT Bd. 335, Nr. 228 (Reichshaushaltsrechnung 1917), S. 276 und RT Bd. 363, Nr. 404 (Reichshaushaltsrechnung 1918),
außerordentliche Einnahmen./. außerordentliche Ausgaben + Überschuß, - Fehlbetrag
insgesamt
Ausgaben Reichsamt des Innern Verwaltung von Heer und Marine Reichsschuld Post und Eisenbahn aus Anlaß des Krieges
insgesamt
?
?
5: Außerordentlicher Haushalt nach den Reichshaushaltsrechnungen 1914—1919 (in Mill. Mark)
Einnahmen Tilgung 68,9 74,6 82,9 2 284,1 368,6 aus den Gold- und Silberbeständen des Reiches 297,6 34,2 5,5 3,2 4,2 ? Anleihen 4 435,3 20 382,0 19 658,9 23 851,2 22 738,2 sonstige außerordentl. Einnahmen 3,7 4,3 4,6 — —
Übersicht
Statistische Übersichten
199
6 935,7
2,5
15,2
15,3
2 973,1
2 011,3
23 908,9
6,3
Quelle: RT Bd. 363, Nr. 254 (Denkschrift Wirth), S. 35.
42188,4
—
210,9
1000,8 34 972,6
55,8
14,4
1212,1
2 893,3
21540,5
24 739,3
40,8
8,6
2,8
40,8 35,3 56,3
7,0
10,1
352,8
1530,7
486,8 712,9
1918
a) Die Zahlen sind auch in den Reichshaushaltsrechnungen nicht weiter aufgeschlüsselt.
Sonstiges
für Beamte
Kriegsteuerungszulagen
Telegrafenverwaltung
Reichspost- und
4,5
33,2 243,8
Allgemeine Finanzverwaltung
Reichseisenbahnen
865,0
21892,4
149,1
32,2 21,9 59,8
6 007,0
17,7
5,8
Reichsmarinea)
Reichsheera)
Innenministerium
Auswärtiges Amt
1914 1915 1916 1917
33 928,4
722,8
3128,7
27 158,6
1149,2
6: Aufgliederung der Ausgaben „aus Anlaß des Krieges" im außerordentlichen Haushalt
Rechnungsjahr
Übersicht 200 Anhang
952,9
1583,7
16 024,9
4 205,4
1929,3
16 051,6
7 209,1
733,5
4 661,5
—
(1544,7)
1533,8
3 692,9
2 242,0
16 000,0
7 560,5
4 543,7
16 038,0
14103,8
13 940,8
+ 784,2 — 1702,2 7 368,0
—
3 542,7
1 130,1
+ 448,3
7 129,5
—
3 367,6
4 326,9
(1 167,2)
1310,0
3 815,9
(932,8) 1 425,4
+ 116,4
—
4176,0
153,5
15 887,5
+
—
3120,8
1 168,0
(675,5)
1027,7
3 237,2
1918
1985,5
Quelle: Vierteljahreshef te zur Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 25 (1916), S. IV 192, Bd. 26 (1917), S. IV 94, Bd. 27 (1918), S. IV 68, Bd. 28 (1919), S. II 120, S. IV 175, Bd. 31 (1922), S. IV 71 ff.
schwebend
fundiert
(Stand zu Beginn des Rechnungsjahres)
Entwicklung der Verschuldung
1465,5
1492,1
Ausgaben (außerordentlich)
(—)
3119,0
Einnahmen (außerordentlich)
Überschuß (+) bzw. Defizit
davon Defizit der Betriebsverw.
Ausgaben (ordentlich)
Überschuß der Betriebsverw. 1073,1
(711,5)
1 113,4
davon Steuern
(davon Eink.-Steuer)
3 272,5
1914 1915 1916 1917
Einnahmen (ordentlich)
Jahr
Übersicht 7: Zusammengefaßter Haushalt der Bundesstaaten 1914—1918 (Rohergebnisse nach den Rechnungen) (in Mill. Mark)
202
Anhang Übersicht
8
Monatlicher Bedarf an außerordentlichen Deckungsmitteln (aufgrund der täglichen Kassenzettel der Reichshauptkasse)a) (in Mill. Mark) Rechnungsjahr
1915/16
1916/17
1917/18
1918/19
1883
1884
3 076
4 008
Mai
1862
2 019
3 027
4 213
Juni
1965
2 035
3 379
4 290
1914/15
April
1866
2 075
3 459
4 223
2 047
1646
1979
3155
4 583
970
2 018
2 658
3 525
4 403
1262
2164
3 021
4 217
4 846
Juli August September Oktober November
1219
1955
2 262
3 076
4143
Dezember
1603
2 441
2 870
4 005
3 816
Januar
1545
1 897
2 938
4186
3 551
Februar
1514
1866
2 730
3 267
2 719
März
2 036
2 059
2 986
4 289
2 005
12 195
23 622
29 455
42 661
46 800
Summe
Z u m Vergleich: (in Mrd. DM) effektiver Anleiheerlös nach den
4,4
20,4
19,6
23,9
22,7
7,2
1,4
10,1
14,7
30,4
11,6
21,8
29,7
38,6
53,1
Haushaltsrechnungen Jahreszuwachs an umlaufenden Schatzanweisungen Summe
a) Es handelt sich hier nicht um rechnungsmäßig festgestellte Ausgaben und damit auch nicht um eine genaue Feststellung des etatmäßigen Gesamtbedarfs. So sind ζ. B. in diesen Zahlen auch die Bareinzahlungen auf das Reichsschuldbuch enthalten; die hohe Differenz zur Vergleichszahl im Rechnungsjahr 1918/19 dürfte auch durch die Revolutionswirren bedingt sein, als öffentl. Ausgaben ζ. T. durch die Arbeiter- und Soldatenräte getätigt wurden. Vgl RT Bd. 363, Nr. 254 (Denkschrift Wirth), S. 12 f. Quelle: RT Bd. 363, Nr. 254 (Denkschrift Wirth), S. 38.
Statistische
203
bersichten
Übersicht
9
Kreditbewilligungen seit Kriegsausbruch Rechnungsjähr 1914
Höhe des b e w i l ligten Kredits in Mill. Mark Ges. V.
4. August
1914
(RGBl. S.
345)
5 000
Ges. V.
3. Dezember
1914
(RGBl. S.
489)
5 000
1915
(RGBl. S.
157)
9 933
Ges. V. 1915
1916
1917
1918
22. März
Ges. V.
31. August
1915
(RGB1. S.
543)
10 000
Ges. V.
24. Dezember
1915
(RGBl. S.
842)
10 000
Ges. V.
6. J u n i
1916
(RGBl. S.
471)
11
Ges. V.
9. J u n i
1916
(RGBl. S.
490)
11921
30. Oktober
1916
(RGBl. S. 1229)
12 000 15 000
Ges. V. Ges. V.
28. Februar
1917
(RGBl. S.
207)
Ges. V.
30. M a i
1917
(RGBl. S.
445)
645
Ges. V.
21. J u l i
1917
(RGBl. S.
651)
15 000
1917
(RGBl. S. 1097)
15 000
Ges. V.
Ges. V.
22. März
1918
(RGBl. S.
145)
15 000
Ges. V.
25. J u l i
1918
(RGBl. S.
775)
14 895
Ges. V.
25. J u l i
1918
(RGBl. S.
753)
318
Ges. V.
25. Februar
1919
(RGBl. S.
245)
25 300
9. Dezember
Quelle: RT Bd. 363, Nr. 254 (Denkschrift Wirth), S. 17.
204
Anhang Übersicht 10
Entwicklung der schwebenden Schuld des Reichs 1914—1918 (in Mrd. Mark) Gesamtsumme
davon befanden sich bei der Reichsbank
außerhalb der Reichsbank
0,3 1,9 2,3
0,2
1914 Juli August September Oktober
0,3
November Dezember
1,6 2,9
2,1 2,7 1,0
0,7 1,5 2,7
—
0,4 0,3 0,1 0,2
1915 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
4,3 5,9 7,2 3,1 3,8
2,8 3,4 6,0 3,0 3,4 4,3
1,5 2,5 1,2 0,1 0,4 0,9 2,5 3,8 1,8
5,2 6,7 8,2 8,6 3,6
4,2 4,4 6,8 3,5
4,1 5,7
4,1 5,2
6,8 8,9 8,6 4,8 5,9 7,2 8,8 10,9 11,5 8,3 9,9 12,6
4,7 5,2 7,4 4,3
2,1 3,7
4,7 5,9 5,8 6,3 10,0
1,2 1,3 3,0 4,6 1,5
7,1 7,3 8,9
1,2 2,6 3,7
0,1 0,0 0,5
1916 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
1,2 0,5
205
Statistische Übersichten Übersicht
10 (Fortsetzung)
Gesamtsumme
davon befanden sich bei der Reichsbank
außerhalb der Reichsbank
7,6 8,5 13,1 8,2 8,9 10,5 10,7 11,0 15,2 11,3 11,8 14,2
7,4 9,2 5,6 5,6
1917 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
15,0 17,7 18,7 18,8 15,6 18,3 21,4 24,7 26,0 22,9 24,8 28,6
6,7 7,8 10,7 13,7 10,8 11,6 13,0 14,4
1918 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
32,5 35,8 33,4 31,5 34,7 38,4 41,8 46,6a) 48,0 48,2 51,2 55,2
12,6 12,8 15,7 13,5 14,3 16,4 15,8 17,4 23,6 20,5 21,9 27,2
19,9 23,0 17,7 18,0 20,4 22,0 26,0 29,2 24,4 27,7 29,3 28,0
a) Die Quelle gibt hier 46,0 an, anscheinend infolge eines Druckfehlers. Vgl. Lötz, Walther, a.a.O., S. 122. Quelle: Deutschlands Wirtschaft, Währung und Finanzen, Berlin 1924, S. 62.
1916
1916
IV. März
V. September
1918
1918
1917
88578,8
19,8
9194,0
13532,3
11304,9
11747,2
9622,4
9194,2
12161,6
8330,3
3491,9
^
—
—
—
—
—
—
—
2576,1
86723,3
2559,4
9982,3
2124,6
10696,8
10766,1
9106,4
4491,9
99265,0
4351,0
10403,9
10502,4
8920,9
973,1
96928,9
10118,8
14635,1
12252,6
12790,3
2200,0 101389,6
10569,9
15125,6
12674,1
11980,8
Nennbetrag anweisungen
13597,2
1400,0
12161,6
10234,8
1376,0
1593,3
1369,2
1850,0
1074,3
1571,9
—
—
^f;
a) Kleine Differenzen durch Rundung der Zahlen. Quelle: Lötz, Walther, Die deutsche Staatsflnanzwirtschaft im Kriege, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1927, S. 120.
Ergebnisa)
800,0
—
776,1
1000,0
Seisin
11: Ergebnis der neun deutschen Kriegsanleihen in Mill. Mark
bei der Begebung von Schatzanweisungen wurden im Umtausch zurückgegeben 1855,4 16,7 252,4
Summea)
besondere Begebungen
IX. September
VIII. März
VII. September
1917
1915
III. September
VI. März
1915
1914
II. März
I. September
Kriegsanleihe
Übersicht 206 Anhang
12: Gliederung der Ergebnisse der Kriegsanleihen a) nach Zeichnungsbeträgen
Vili.
VII.
j
V.
Kriegsanleihe
VI.
IV.
I
III. !
II. j
I. Kriegsanleihe
IX. j Vili, j VII. I VI. j
Betrag in Millionen Mark V.
IV. I III. II.
I.
VII.
j
V. j
Kriegsanleih e
VI.
IV.
I
III. I
II. I
I.
V. Kriegsanleihe
IX. I VIII. j VII. j VI. I
I IV. I III. j
2717657|β510278ft213373je768082 3 809976 5 279645·3966418-2691060|l 177235 10443 15001 12626 13122 10652 10712 12101
Quelle: Verwaltungsbericht der Reichsbank für das Jahr 1918, S. 11.
zusammen . . .
Vili.
Betrag in Millionen Mark II.
I.
9060
4 460
2432940 5 812250 4 675699jö986819 3 290726 4 460939 3 519357 2 251416 738632 6 588 10681! 8811 9183 7 398 7120 9 932 6 610 1 922 227667 602568 461215 674092 438807 656170 447061 275433 125343 2660 2851 j 2512 2575 2181 2023 2169 1675 1199 57050 95460 76459 107171 80443 162536 — 164211 313260 1195 1 469; 1303 1 364 1 073 1 569 — 775 1 339
IX.
Zahl der Zeichnungen
(ausschl. der nachträglich eingegangenen Feld- und Übersee-Zeichnungen)
b) nach Anleiheformen
274244616 869 901 5 530 285 7 063 347ft 809 97615 279 645 3 966 418,2 691060 1177 235 10443j 15001 j 12626 13122 10652j 10712 12101 9060 4 460
bersichten
Auf Reichsanleihestücke Auf Schuldbucheintragungen Auf Reichsschatzanweisungen
zusammen . . .
bis 200 M 1611992 4 047649 3 456316 4 044593 1 794084 2 406118 984358 452113 231112 114 287 226 304 154| 201 13θΙ 71 36 von 300 M bis 500 M 384289 944491 740517 1110728 681027 967929 858259 581470 241804 164 401 315 458 293 407 369| 254 111 von 600 M bis 1 000 M 323915 812791 612781 920284 605494 885941 918595 660776 Ì 303 741 555 824 552 794 8441 604 ì 587 von 1100 M bis 2 000 M 155838 501634 273366 415198 301863 468724 530176 418861 / 275 621 476 714 520 ; 792 928 733 / von 2100 M bis 5 000 M 135316 306243 241268 326161 245873 347725 422626 361459 157591 521 1164 897 1189 91Γ 1247 1563 1354 579 von 5100 M bis 10 000 M 59330 128912 105263 126069 93189 113927 147593 130903 56438 500 1 077 859 1 018 768 907 1 202 1 057 450 von 10100 M bis 20 000 M 30081 54623 42907 51798 40571 42158 53445 46105 19313 479 890 700 816 6511 666 858 745 30 von 20 100 M bis 50 000 M 22299 43566 34066 40596 28500 30361 32840 26407 11584 817 1 436 1194 1 301 982 : 980 1167 926 410 von 50 100 M bis 100 000 M 9740 16600 12238 13596 9 748 9100 10090 7 742 3 629 789 1 218 1 030 1 065 810 ' 734 850 64β| 315 von 100 100 M bis 500 000 M 7218 10390 9167 12369 7870 630β| 7074 4 361 2050 1 896 2 463 2 097 2122 1 710 1 531 1766 1 066 ! 509 von 500 100 M bis 1 000 000 M 1276 1 891 1363 1185 1 032 780 ; 832 538 361 1071 1271 1130 963 853 641 695 440 j 2 über 1 000 000 M bis M 1152 Uli 1033 770 725 574:! 530 325 210 3 514 3 432 3147 2 348 2 448! 1812 1729 1162j 869
IX. j
Zahl der Zeichnungen
(für die 1. bis 5. Kriegsanleihe ausschl. der nachträglich eingegangenen Feld- und Übersee-Zeichnungen)
Übersicht
Statistische
207
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
1915
1914 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
!
j
]
2214 266 j 942 2842 4659 1453 2314 216 ! 700 3394 4863 1582 2378 563 j 830 6030 5624 4037 2417 769 791 2997 5310 1464 2432 445 ! 715 3433 5318 1507 2434 508 648 4270 5840 1799 2445 257 j 579 4206 5538 1652 2455 211 505 4437 5564 1736 2457 885 ; 641 6830 6158 4416 2467 1138 i 661 3545 5946 1623 2473 669 ! 596 4076 5999 1588 2477 1288 585 5218 6918
j
Metallbestand
2359
Aktiva (in Millionen Mark) Passiva (in Millionen Mark) j j ! ReichskassenWechsel Schatzwechsel täglich fällige iund Darlehensund Sdfpd« und SchatzNotenumlauf ; kassenscheine anweisungen keiten
13: Auszug aus den Wochenübersichten der Reichsbank 1914—1918
1575 63 829 — 2053 699 1612 63 880 — 1954 905 1579 59 1362 — 2428 891 1657 68 925 — 2101 825 1635 61 877 — 2014 842 1631 50 ! 1213 — 2407 858 1528 33 2081 — 2909 1259 1607 183 ! 2816 1934 4235 2441 1737 337 I 2448 2308 4491 2351 1890 870 ! 2042 732 4171 1306 2036 743 j 1392 1540 4205 1397 2130 875 1199 2738 5046 1757
Datum (jeweils Monatsende)
Übersicht
Verbindlich-
208 Anhang
14 Roesler
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
1917
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
1916
Metall bestand
2541 279 600 7580 7859 3452 2543 343 497 8488 8107 4077 2547 381 479 13117 8616 8406 2549 509 473 8242 8315 3981 2567 448 442 8923 8285 4538 2521 450 445 10517 8699 5693 2478 525 398 10729 8853 5848 2499 671 391 10974 9337 5891 2506 987 398 15235 10205 9541 2519 1024 384 11354 10400 2539 1057 378 11856 10622 6045 2588 1315 388 14208 11468 8050
5686
WppWI Schatzwechsel täglich fällige und SchatzNotenumlauf Verbindlichanweisungen keiten
Passiva (in Millionen Mark)
6502 1786 5216 6554 1987 7357 6988 4358 4334 6697 1737 4703 6738 1728 5877 7241 2371 5809 7025 2396 6337 7118 2836 9957 7370 6267 7106 7260 3458 7319 7334 3662 8871 8055 4564
4706
Reichskassenund Darlehenskassenscheine
Aktiva (in Millionen Mark)
2494 706 567 2501 483 566 2504 945 756 2504 939 805 2499 553 790 2497 629 733 2497 416 733 2494 334 740 2503 392 802 2522 229 772 2535 316 757 2537 422 739
Datum (jeweils Monatsende)
Übersicht 13 (Fortsetzung)
Statistische Übersichten
209
kassenscheine
Reichskassen-
w^hc^i Schatzwechsel täglich fällige und Sdieck^ und SchatzNotenumlauf VerbindlichöcnecKS anweisungen keiten
und Darlehens
Passiva (in Millionen Mark)
2521 1263 436 12669 11139 6676 2524 1323 288 12761 11311 6490 2527 1547 313 15722 11978 9030 2465 1543 317 13571 11821 7055 2466 1621 265 14280 12003 7635 2467 1786 275 16396 12510 9181 2468 1852 ; 241 15748 12705 8505 2467 2173 ! 231 17443 13639 9432 2563 2647 224 23606 15334 14538 2603 ! 3062 j 251 20429 16662 10734 2328 ' 4005 267 21867 18610 ! 10683 2282 j 5267 259 27157 22188 j 13280
Mptaii Bestand
Aktiva (in Millionen Mark)
Anhang
Quelle: Verwaltungsberichte der Reichsbank 1914—1918. Zahlen zur Geldentwertung in Deutschland 1914 bis 1923, Wirtschaft und Statistik, 5. Jg. (1925), S. 48 ff.
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
1918
Datum (jeweils Monatsende)
Übersicht 13 (Fortsetzung)
210
Statistische Übersichten
211
Übersicht 14 Reichsbank: Gliederung der fremden Gelder (Notenbankeinlagen) in Mill. Mark
Jahr
1913
1914
1915
1916
1917
1918
1. Einlagen insges. Jahresdurchschnitt
668
1335
1805
2660
5255
8433
Höchststand
798
2709
4416
6266
9541
14538
Tiefststand
501
700
1431
1511
3452
6069
214
541
852
1059
1564
1872
(in % von 1)
32%
41%
470/0
40%
30%
220/0
Höchststand
336
1008
1264
2002
2378
2927
Tiefststand
115
229
580
564
920
994
454
794
953
1601
3690
6561
(in % von 1)
68%
60%
53%
60%
70%
78%
Höchststand
612
1747
3364
5088
7821
11754
Tiefststand
378
410
626
775
2518
4624
2. öffentl. Einlagen Jahresdurchschnitt
3. private Einlagen Jahresdurchschnitt
Quelle: Die Reichsbank 1901—1925, Anhang S. 36 f.
Μ.
% Μ.
M.
°Jo
M.
™ der Reichsbank im freien V
1915
64,3 56,6 45,9 55,6 67,2 57,5 52,1 484 677 1054 1048 1269
266 329 641 628 372 535 497 47,4 38,3 50,9 64,2 54,0
35,7 43,4 54,1 44,4 32,8 42,5 47,9 537 1094 1017 583 1079
745 259 34,8 485 65,2 758 209 27,5 549 72,5 1185 556 46,9 629 53,1 1413 752 53,2 649 45,9 1134 414 36,8 674 59,4 1258 477 37,9 705 56,1 1037 224 21,6 724 69,8 52,6 1 020 162 15,9 757 74,2 61,7 1771 837 ! 47,3 813 45,9 49,1 2071 1093 j 52,8 858 41,4 35,8 1631 622 j 38,1 889 54,5 46,0 2347 1255 j 53,5 972 41,4 i I
479 429 544 786 762 724 541 1020 1771 2071 1631 2348
°/p
. gegeben
Januar 745 Februar 759 März 1185 April 1413 Mai 1134 Juni 1259 Juli 1038 August September Oktober November Dezember
M.
insges! davon in den KriegsanleiheausBeständen sonstlge Darlehen d*riehen
Darlehenskassenscheine (in Millionen Mark)
— — 243 100,0 243 173 71,5 69 28, 479 — — 479 100,0 477 334 70,0 143 30,0 1 1 1 1 778 70,1 333 29,9 1110 867 78,1 244 21,9 1062 807 76,0 255 24,0 1062 739 69,6 323 30,4 1317 922 70,0 395 30,0 1317 871 64,1 446 33,9
Μ.
^ön *ns~ gesamt
Darlehensbestand (in Millionen Mark)
Anhang
August 243 September Oktober November Dezember
1914
(jeweils Monatende)
DatUm
Übersicht 15: Die Darlehenskassen 212
Januar 3458 Februar 3826 März 4243 April 4512 Mai 4663 Juni 5077
1917
854 847 925 1137 1015 1082 ι
1759 1607 962 1043 1010 1176 1110 944 2484 1 075 2902 3408
1916
Januar Februar März 2192 April 2159 Mai 1780 Juni 2033 Juli 1872 August 2033 September Oktober 2529 November Dezember
M. M.
Ä
davon
MonaTsende)
Datum
% M. M.
°/0 M.
24,7 22,1 21,8 25,2 21,8 21,3
2604 2979 3317 3375 3648 3994
75,3 77,9 78,2 74,8 78,2 78,7 I
1009 57,4 750 765 47,6 842 43,9 1230 56,1 48,3 1116 51,7 56,7 770 43,3 57,9 857 42,1 59,3 762 40,7 46,4 1090 53,6 1006 40,5 1478 42,5 1 454 57,5 2 529 1064 36,7 1838 1090 32,0 2318 j
°/0 M.
°/0
im
3458 3826 4243 4512 4662 5076 I
^TvW
I
268 331 368 494 432 435
1759 1607 910 901 512 596 378 298 2484 8,6 2902 3408
H
7,7 8,6 8,7 10,9 9,3 8,6
3070 3375 3755 3898 4110 4521
665 37,8 440 27,4 41,5 1162 41,7 1138 28,8 1148 29,3 1316 20,2 1373 14,7 1615 378 15,2 2190 86,6 305 10,5 415 12,2
88,8 88,2 88,5 86,4 88,2 89,0
2477 2873
85,4 84,3
973 55,4 1047 65,2 53,0 52,7 64,5 64,8 73,4 79,4 1986 80,0
Darlehenskassenscheine (in Millionen Mark)
42,6 52,4 2192 2159 1780 2033 1871 2033 59,5 219 63,3 68,0
davon in den
sonstige Darlehen ^ J™^
, insges.
Darlehensbestand (in Millionen Mark)
Übersicht 15 (Fortsetzung)
Statistische Übersichten
213
Μ. %
M.
O/q
M.
M.
O/Q
^νοη
defSsbank
M.
°/0
im freien Verke
Darlehenskassenscheine (in Millionen Mark)
~ . " Tus"' Snden" sonstige Darlehen ge^en
!
Anhang
der Darlehenskassen, Berlin
7661 894 11,7 6767 88,3 7660 1251 16,3 6289 8 869 ! 10,9 7095 89,1 7964 1311 16,5 6533 82,0 877 j 10,1 7774 89,9 8650 1537 17,8 6994 80,8 905 j 10,5 7682 89,5 8587 1528 17,8 6937 80,8 789 j 8,9 8107 91,1 8896 1607 18,1 7169 80,6 876 ; 9,2 8598 90,8 9474 1771 18,7 7582 80,0 832 j 8,6 8861 91,4 9693 1836 18,9 7736 79,8 10535 817 j 7,8 9718 92,2 10535 2159 20,5 8256 78, 11502 841 ; 7,3 10661 92,7 11502 2636 22,9 8746 12607 804 j 6,4 11803 93,6 12607 3 057 24,2 9 373 74,3 14112 870 ! 6,2 13243 93,8 14112 4002 28,4 9868 69, 15626 855 j 5,5 14770 94,5 15626 5263 33,7 10109 64,
5351 1017 19,0 4334 81,0 5351 508 9,5 4722 977 16,7 4882 83,3 5859 657 11,2 5082 86,7 6523 1023 15,7 5500 84,3 6523 975 14,9 5428 83,2 1027 15,2 5712 84,8 6739 1012 15,0 5606 83,2 7025 989 14,1 6035 85,9 7025 1044 14,9 5861 7689 1005 13,1 6684 86,9 7689 1305 17,0 6265 81,5
Μ.
insgesamt
, KriecheKT1 ^~e
Darlehensbestand (in Millionen Mark)
Quelle: Die Darlehenskassen des Reiches in den Jahren 1914—18, bearbeitet im Büro der Hauptverwaltung 1915—1919.
1917 Juli August 5859 September Oktober 6739 November Dezember 1918 Januar Februar 7964 März 8650 April 8587 Mai 8896 Juni 9474 Juli 9693 August September Oktober November Dezember
Datum (jeweils Monatsende)
Übersicht 15 (Fortsetzung) 214
Statistische Übersichten
215
Übersicht 16 Die Inanspruchnahme der Darlehenskassen, verteilt auf die einzelnen Gruppen von Kreditnehmern (in o/o der Gesamtinanspruchnahme, berechnet nach den aufgekommenen Zinsen)
Jahr
Banken, Länder u. Sparkassen u n d KommuKreditgenalvernossenbände schaften
1914
14,7
44,9
1915
26,8
29,0
1916
25,0
1917 1918
Kriegsgesellschaften
Industrie und Handel
Landwirtschaft
sonstige
22,2
1,1
17,1
5,7
18,5
1,0
19,0
28,2
10,5
15,0
0,7
20,6
74,9
7,7
3,4
5,5
0,5
8,0
84,5
2,2
4,6
2,4
0,3
6,0
—
Quelle: Die Darlehenskassen des Reiches in den Jahren 1914—1918, bearbeitet im Büro der Hauptverwaltung der Darlehenskassen, Berlin 1915—1919.
1914 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 1915 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September
-ο . ι . ReiÄsb^nk-
Darlehens_ scheine
Reichskassenscheine
Ώ . , h^not'en Münzen
4659 485 4863 549 5624 629 5310 649 5318 674 5840 705 5538 724 5564 757 6158 813 312
234 116 233 121 2538 232 152 236 141 2304 255 137 2 216 285 143 295 132 2066 293 137 147 1915
2701 8304 2410 8639 8 599 2142 8755 1987 9345
8737
9115
9047
8195
2053 — 133 137 3602 5923 1954 — 132 140 3 576 5 842 2428 — 146 159 3 629 6361 2101 — 138 143 3569 5950 2014 — 144 135 3600 5893 2407 — 155 148 3614 6323 2909 — 172 157 3732 6969 4235 69 230 170 3624 8328 4491 143 238 137 3428 8436 4171 244 237 132 3189 7972 4205 323 236 136 2981 7881 5046 446 236 134 2841 8703
Monatsende
Übersicht 17: Bargeldumlauf 1914—1918 (in Mill. Mark)
Summe
216 Anhang
12219 12720 13544 13314
7859 3070 349 151 790 8107 3375 348 152 738 8616 3755 347 155 672 8315 3898 345 151 605
1917 Januar Februar März April
10942
Privat Summe banknoten
6502 973 320 140 1606 9541 6554 1047 317 144 1530 9592 6988 1162 324 151 1462 10087 6697 1138 322 148 1393 9698 6738 1148 319 146 1340 9691 7241 1316 327 151 1269 10304 7025 1373 322 143 1204 10067 7118 1615 325 147 1144 10348 7370 1 986 346 155 1 085 7260 2190 349 152 1015 10966 7338 2477 349 152 946 11258 8055 2873 353 158 877 12315
9097 9108 10050
Reichs. Münzen scheine
1916 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
Darlehenskassenscheine
5946 858 315 142 1836 5999 889 313 146 1761 6918 972 327 143 1690
noten
τî^pUcK.nir kassen-
1915 Oktober November Dezember
Monatsende
Übersicht 17 (Fortsetzung)
Statistische Übersichten 217
Darlehenskassenscheine
ReichsMünzen scheine
^ . , Summe
14207
Quelle: Zahlen zur Geldentwertung in Deutschland 1914 bis 1923, Wirtschaft und Statistik, 5. Jg. (1925), Sonderheft 1, S. 45 f.
1918 Januar 11139 6289 348 159 93 18027 Februar 11311 6533 348 160 84 18436 März 11978 6994 350 162 76 19559 April 11821 6937 347 159 69 19332 Mai 12003 7169 346 161 70 19748 Juni 12510 7582 346 159 71 20668 Juli 12705 7736 345 159 66 21010 August 13639 8 256 346 161 71 22473 September 15334 8726 349 166 78 24673 Oktober 16662 9373 354 173 142 26704 November 18610 9868 357 269 179 29283 Dezember 22188 10109 356 283 170 33106
1917 Mai 8285 4110 344 150 520 13410 Juni 8699 4521 345 155 488 Juli 8853 4722 343 156 439 14512 August 9337 5 082 346 156 384 15305 September 10205 5428 349 158 349 16488 Oktober 10400 5 606 348 158 330 16843 November 10622 5 861 347 160 202 17192 Dezember 11468 6265 350 163 212 18458
Rpif>hchanir Monatsende "f" kassen-
Übersicht 17 (Fortsetzung) 218 Anhang
1914
8300 7572 7477 8195
Debitoren
5332 5152 6544 8411
4393 4574 5314 7059
2451 1864
Depositen
Akzepte
696
10325
10428
661
11493
11770
2752
585
13820
16813
11362 20136
2138
3322
15959
2063
1918
27954
35170
a) In der Berichtszeit hat sich die Zahl dieser Banken — meist durch Fusionen — von 160 auf 120 verringert. Das ist auch aus der leichten Abnahme des Grundkapitals zu erkennen. Quelle: Der deutsche Oekonomist, Bd. 38 (1920), S. 2.
1038
1917
16823
1863
2998 2937 2865 2851 2809
15556
1904 2022 1965
Kreditoren
Passiva Kapital
16230
1775
1812 2366 3249
1678
Reports und Lombards
1541
1916
1259 1774
Effekten
1130
1915
3436 3196 4066 6041
727 1028
1913
Wechsel
Kasse
Bilanzsumme
Aktiva
Jahresende
Übersicht 18: Ausgewählte Zahlen aus den Jahresschlußbilanzen der berichterstattendena) Banken (1913—1918) in Mill. Mark
Statistische bersichten 219
1913
335
728
1659
1212 898 534 331 350
501 408 528
1163
1421
1 327
2185
2357 3795
19126
1917
1 823
2305
4584
1240
17082
542
6 994
1251
4246
1145
11140
394 4158
10640
330
848
1916
3838
14771
1145
8841
1079
2382 3443 4038 4774 7504
1182
Quelle: Die Bank, 1917 I, S. 272 ff., 1919 I, S. 364 ff.
Akzepte
nach 3 Monaten fällig
bis 3 Monate fällig
innerhalb 7 Tagen fällig
davon
995
4508 5058 6574 9047
1145
7661
877
2 392
726
1915
270 281 2994 3036 3075
Grundkapital
7193
2610
679
1702
566
1914
Kreditoren
Passiva
Bilanzsumme
Debitoren (lfd. Rechnung)
Anleihen und verz. Schatzanweisungen des Reiches und der Länder 199 239
Reports und Lombards
Wechsel und Schatzwechsel
Kasse und Notenbankguthaben
Aktiva
Jahresende
982
1240
21979
1
11127
1405
1918
Übersicht 19: Ausgewählte Zahlen aus den Jahresschlußbilanzen der sieben „Berliner Großbanken" (1913—1918) in Mill. Mark 220 Anhang
221
Statistische Übersichten Übersicht
20
Produktion wichtiger Industriegruppen und -zweige 1913—1918 (1913 = 100) 1913
1914
1915
1916
1917
1918
Bergbau
100
84
78
86
90
83
Eisen + Stahl
100
78
68
81
83
53
NE-Metalle
100
89
72
113
155
234
100
68
30
10
4
4
Industrie
Kriegsindustrien
Private
Industrien
Wohnungsbau Baustoffe
100
88
69
59
58
35
Handelsschiffe
100
73
65
75
61
42
Textilien
100
87
65
27
22
17
Genußmittel
100
92
88
84
67
63
gesamt
100
83
67
64
62
57
Gemischte
Industrien
Quelle: Wagenführ, Rolf, Die Industriewirtschaft, Entwicklungstendenzen der deutschen und internationalen Industrieproduktion 1860 bis 1932. Vierteljahreshefte zur Konjunkturforschung, Sonderheft 31, Berlin 1933, S. 23. Gewichtungssystem: Zahl der Arbeiter und der investierten PS im Jahre 1907. Repräsentation: 50 bis 55 v. H. (vgl. ebenda, S. 47).
Übersicht
21
Gliederung der Industrie nach den berufsgenossenschaftlich versicherten Personen 1913 bis 1918 (1913 = 100)
Gruppe
1913
1914
1915
1916
1917
1918
Kriegsindustrien
100
88
78
89
103
110
Private Industrien
100
91
53
46
43
41
Gemischte Industrien
100
91
77
69
63
63
Quelle: Wagenführ, Rolf, a.a.O., S. 23.
222
Anhang Übersicht
22
Zur Entwicklung der Arbeitsleistung während des Krieges im Bergbau (1913 = 100)
1913
1914
1915
1916
1917
1918
Oberschlesien
100
89
93
85
79
73
Ruhrgebiet
100
95
97
90
86
85
Saargebiet
100
96
94
86
80
78
Gebiet
Quelle: Wagenführ,
Rolf, a.a.O., S. 22.
Übersicht
23
Streiks aus lohnpolitischen Gründen (1914—1918)
Jahr
Streiks
betroffene Betriebe
betroffene Beschäftigte
1914
1115
5213
193414
1714790
1915
137
178
47010
41838
1916
240
437
422591
245404
1917
561
3392
1467306
1859893
1918
531
1094
715697
1451526
(1918)
polit. (241)
(6302)
(925120)
(3766456)
verlorene Arbeitstage
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1920, S. 58. 1918 „konnte ein großer Teil der Streiks nicht ermittelt werden". Die Zahlen über politische Streiks 1918 stammen von Briefs, Goetz, Kriegswirtschaftslehre und Kriegswirtschaftspolitik, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., 5. Bd., Jena 1933, S. 1015.
34,56
35,64
40,56
55,85
90,20
1914
1915
1916
1917
1918
261 j
162
117
103
100
100
^0=
19
28,80
22,08
23,90
27,54
33,59
34,56
74,06
44,45
29,70
24,78
23,70
23,70
Mark
ungelernt
realb)
gelernt
312
188
125
105
100
100
realb)
23,65
17,58
17,50
19,15
23,03
80,88
64,20
51,12
42,60
200
159
25,80
25,38
30,12
32,94
39,50
32,55
31,65
169
125
103
100
15,62
19,18
24,46
31,65
17,11
30,96
100
realb)
100
31,65
53,59
31,65
^0=
19
40,50
Mark
37,80
126
105
100
realb)
38,88 96
40,50
™0=
19
23,70J
Mark !
a) einschließlich Sozial- und Teuerungszulagen. b) Die Realwochenlöhne sind errechnet über die Calwerschen Indexzahlen der Ernährungskosten und die vorliegenden Preisunterlagen. Quelle: Zahlen zur Geldentwertung, a.a.O., S. 40 f.
34,56
1913
Mark
Jahr
Wochenlöhne der Hauer .... TTT , . Wochenlohne und Schlepper der im Ruhrgebiet Buchdrucker
Wochenlöhne der Reichsbetriebsarbeiter
Übersicht 24: Zahlen zur Lohnentwicklunga) (1913—1918)
Statistische bersichten
223
608
608
608
660
891
1914
1915
1916
1917
1918
591 342
608 342
147 284 589
109 261 420
100 358 342
100 470 342
100
100
172
123
213
157
157
157
157
1913
109
84
93
121
153
157
= 100
Mark
realb)
Untere Beamte nommai
igi8 = m
b) Die Realgehälter sind errechnet über die Calwerschen Indexzahlen für Ernährung und die vorliegenden Preisunterlagen.
a) Mittleres Grundgehalt mit Orts-, Teuerungs- und Sozialzuschlägen.
218
136
100
100
100
100
nommai
188 342
166
100 202
100 264
100 332
100 342
Mark
real
Mittlere Beamte
Quelle: Zahlen zur Geldentwertung, a.a.O., S. 43.
608
= 1Q0
Höhere Beamte
25: Beamtengehälter (Monatsgehälter)a) verheirateter Reichsbeamter (Ortsklasse A) 1913—1918
nominal 1M3 Mark
1913
Jahr
Übersicht
real
224 Anhang
15 Roesler
224
286
Okt. 1917
Okt. 1918
248 910 270
Quelle: Zahlen zur Geldentwertung, a.a.O., S. 24.
392
163
100
Gewerbe
320
220 210 190 290
158 158 123 220 150 140 140 180
Okt. 1916
234 180 420
100 100 100 100 100 100 100 100
Maschinen ^^ Möbel | Kleidung
Juli 1914
Zeit
Einzelgruppen
350 610
254
Handel
477
^
Wirtschaftsgruppen
Übersicht 26: Indexziffern zur Preisbewegung industrieller Fertigwaren 1914—1918 (Juli 1914 = 100)
Statistische Übersichten 225
100
98 100
102
102
111
116
120
885
404
481
139
150
161
1105
458
647
146
214
141
1158
591
567
Oktober April Oktober April 1914 1915 1915
181
217
149
1443
845
598
Oktober 1916
180
225
143
1429
855
574
April 1916
187
227
150
1490
888
602
Oktober 1917
Quelle: Wagemann, Ernst, Die Lebensmittelteuerung und ihre Gesetzmäßigkeiten, Schmollers Jahrbuch, 43. Jg. (1919 I), S. 163.
zusammen
tierische Lebensmittel 100
100
793
385
408
April 1914
896
698
April 1917
200
234
174
209
184
1594 1664
926
738
1918
Anhang
pflanzliche Lebensmittel
Index (Okt. 1913 = 100)
796
395
tierische Lebensmittel
zusammen
401
pflanzliche Lebensmittel
Preise in Pfennigen
Oktober 1913
Übersicht 27: Preise der wöchentlichen Kriegsration einer Schwerstarbeiterfamilie
226
1*
0,97
0,96
0,95
0,96
0,93
Januar
Februar
März
April
Mai
1916
1917
1918
0,90
1,15
1,16
1,25
1,27
1,30
Juli 1,04
August
September
Oktober
November
Dezember
1,16
1,14
1,05
1,01
0,99
0,99
0,91
0,97
0,95
0,97
0,97
0,96
1,25
1,23
1,18
1,11
1,09
1,63
0,99
1,51
0,95
0,96
0,96
0,96
1,58
1,56
1,56
1,54
1,55
1,27
1,48
1,18
1,55
1,50
1,42
1,31
1,29
1,29
1,29
1,28
1,30
1,50
1,22
1,39
1,19
1,18
1,17
1,17
1,48
1,47
1,47
1,45
1,46
1,76
1,39
1,61
1,42
1,39
1,33
1,26
1,59
1,58
1,60
1,63
1,70
1,32
1,62
1,32
1,59
1,57
1,62
1,61
1,37
1,38
1,38
1,38
1,38
1,61
1,32
1,51
1,30
1,30
1,30
1,29
1,51
1,51
1,53
1,54
1,59
1,79
1,52
1,69
1,49
1,48
1,51
1,50
2,17
2,17
2,14
2,14
2,21
1,58
1,70
1,52
1,69
1,66
1,64
1,61
1,78
1,76
1,75
1,72
1,71
1,72
1,55
1,63
1,50
1,46
1,46
1,46
2,03
2,03
2,01
1,99
2,03
2,22
1,65
2,17
1,63
1,59
1,58
1,56
1,81 2,04
1,78 2,04
1,79 1,98
1,80 1,98
1,80 2,09
2,34
2,38
2,38
2,51
2,63
2,64 2,45
2,27 2,34
2,27 2,34
1,89 2 30
1,84 2,35
1,80 2,08
2,25
1,79 2,03
2,18
2,08
2,08
2,16
bersichten
Quelle: Zahlen zur Geldentwertung, a.a.O., S. 16.
1,03
Juni
0,99
1915
28: Index der Großhandelspreise in Papiermark (1913 = 1) 1914—1918
LeInduzuLeInduzuLeInduzuLeInduzuLeIndu- zubens- strie- sam- bens- strie- sam- bens- strie- sam- bens- strie- sam- bens- strie- sammittel stoffe men mittel stoffe men mittel stoffe men mittel stoffe men mittel stoffe men
Jahr
1914
Übersicht
Statistische
227
8,7
8,0
7,4
6,6
10,6
7,9
j
4,3
5,7
7,6
6,3
i
3,6
4,4
10,9
8,5
11,6
9,0
6,8
2,3
9,3
8,6
II
I
11,0
3,0
7,2
8,9
16,6
24,2
7,3
17,1
-0,5
16,1
6,9
II
8,7
2,6
5,6
12,9
13,0
18,1
13,3
14,3
-0,5
12,7
13,1
I
1915/16
10,4
I
13,0
3,4
8,6
10,5
14,5
28,6
10,9
22,6
3,6
17,2
II
10,2
3,0
6,7
12,9
11,1
20,8
15,4
18,6
3,1
13,9
17,9
II
1916/17
14,0
13,6
5,6
9,3
10,4
14,9
23,7
12,5
26,6
13,2
14,8
I
10,8
4,9
7,1
12,3
11,7
17,9
16,9
21,7
11,5
11,5
16,9
II
1917/18
8,7
5,1
8,0
9,9
9,6
12,2
13,7
13,1
11,3
0,3
13,1
8,7
6,8
4,4
6,1
10,1
7,5
9,1
10,8
10,5
9,8
0,2
1918/19
I: in o/0 des Aktienkapitals. II: in o/0 von Aktienkapital und Reserven. Quelle: Vierteljahreshef te zur Statistik des Deutschen Reiches, Ergänzungshefte zu 1915 II, 1916 II, 1917 II, 1918 II und ebenda, 1920, S. II 110 ff., 1921, S. III 8 ff.
10,0
8,8
Verkehr
zusammen
8,3
Handel und Banken
9,2
15,8
8,2
8,1
2,7
11,7
9,7
I
1914/15
8,1
8,7
6,7
Anhang
Nahrungs- u. Genußm.
6,9
13,3
Chemie
Textil
10,0
18,3
II
8,3
5,9
Maschinen u. Apparate
9,6
7,1
Steine und Erden
9,1
gemischte Betriebe 11,4
Metallverarbeitung
12,2
I
1913/14
29: Gewinne (abzüglich Verluste) deutscher AG. und GmbH, nach Branchen
Bergbau und Hütten
Industrie
Übersicht
228
229
Statistische Übersichten Übersicht 30 1. Kurs des Dollars in Berlin (Mark für 1 Dollar) 1914
1915
1916
1917
1918
Januar
4,21
4,61
5,35
5,79
5,21
Februar
4,20
4,71
5,38
5,87
5,27
März
4,20
4,82
5,55
5,82
5,21
April
4,20
4,86
5,45
6,48
5,11
Mai
4,20
4,84
5,22
6,55
5,14
Juni
4,19
4,88
5,31
7,11
5,36
Juli
4,20
4,91
5,49
7,14
5,79
August
4,19
4,92
5,57
7,14
6,10
September
4,17
4,85
5,74
7,21
6,59
Oktober
4,38
4,85
5,70
7,29
6,61
November
4,61
4,95
5,78
6,64
7,43
Dezember
4,50
5,16
5,72
5,67
8,28
2. Kurs der Mark in New York (Dollar für 100 Mark) 1914
1915
1916
1917
1918
Januar
—
21,72
18,72
17,30
19,22
Februar
—
21,27
18,63
17,06
18,99
März
—
20,79
18,05
17,21
19,23
April
—
20,59
18,37
15,46
19,58
Mai
—
20,69
19,19
15,29
19,48
Juni
—
20,54
18,86
14,09
18,69
Juli
—
20,39
18,23
14,02
17,29
August
—
20,37
17,97
14,03
16,43
September
23,93
20,65
17,46
13,90
15,20
Oktober
22,87
20,63
17,57
13,73
15,15
November
21,75
20,22
17,33
14,42
13,48
Dezember
22,24
19,89
17,51
17,67
12,09
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Bd. 306 ff. (Stenographische Berichte). Bd. 315 ff. (Anlagen) Volkswirtschaftliche
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