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German Pages 281 Year 2018
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Peter O. Mülbert, Uwe H. Schneider und Dirk A. Verse
Band 208
Die existenzvernichtende Vorstandshaftung und ihre Begrenzung durch Satzungsbestimmung (de lege lata)
Von
Nicolai Fischer
Duncker & Humblot · Berlin
NICOLAI FISCHER
Die existenzvernichtende Vorstandshaftung und ihre Begrenzung durch Satzungsbestimmung (de lege lata)
Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von
Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Prof. Dr. Dirk A. Verse
Band 208
Die existenzvernichtende Vorstandshaftung und ihre Begrenzung durch Satzungsbestimmung (de lege lata) Von
Nicolai Fischer
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Sommersemester 2017 als Dissertation angenommen.
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Geleitwort Die (Innen-)Haftung der Vorstandsmitglieder für Pflichtverletzungen nach § 93 AktG ist in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund spektakulärer Haftungsfälle – wie etwa dem Bestechungsskandal bei Siemens, der Causa Kirch / Breuer oder diversen Kartellverstößen namhafter Unternehmen – ganz ins Zentrum der aktienrechtlichen Diskussion gerückt. Während lange Zeit ein Durchsetzungsdefizit der Organhaftung beklagt wurde, hat sich in neuerer Zeit das Bild gewandelt. Inzwischen deutet alles darauf hin, dass die Vorstandshaftung von den zuständigen Aufsichtsräten viel häufiger als früher auch tatsächlich verfolgt wird. Diese Entwicklung zu einer konsequenteren Verfolgung von Organhaftungs ansprüchen, die der II. Zivilsenat des BGH mit seiner berühmten „ARAG / Garmenbeck“-Entscheidung (BGHZ 135, 244) maßgeblich mitinitiiert hat, hat dazu geführt, dass sich auch der Schwerpunkt der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskussion der Organhaftung verlagert hat. Im Mittelpunkt des Interesses steht heute die u. a. auch auf dem 70. Deutschen Juristentag 2014 diskutierte Frage, ob die bereits bei leichter Fahrlässigkeit eingreifende, durch eine weitreichende Beweislast umkehr zu Lasten der Vorstandsmitglieder verschärfte und u. U. schon bei kleineren Fehlern auf immense Schadensersatzbeträge gerichtete Organhaftung nicht zu streng ausgestaltet ist und auf welche Weise eine unverhältnismäßig strenge Haftung vermieden werden kann. Die vorliegende Mainzer Dissertation von Nicolai Fischer greift diese Diskussion auf. Ihr geht es um die Frage, ob und inwieweit schon nach geltendem Recht – nicht erst de lege ferenda, wie vom Juristentag vorgeschlagen – die Möglichkeit besteht, die Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung zu beschränken. Diese Fragestellung mag auf den ersten Blick überraschen, da die bisher ganz herrschende Meinung wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die aktienrechtliche Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) für derlei Beschränkungen keinen Raum lässt. Der Verfasser will aber genau dieses traditionelle Verständnis in Frage stellen und, so viel sei vorweggenommen, den Leser vom Gegenteil überzeugen. Die zentrale These seiner Arbeit lautet, dass die Höhe des nach § 93 Abs. 2 AktG zu ersetzenden Schadens als das Gesetz lediglich ergänzende Regelung im Sinne des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG in der Satzung näher geregelt und begrenzt werden kann. Diese These ist gewiss gewöhnungsbedürftig, und sie wird in der künftigen Diskussion auch nicht unwidersprochen bleiben. Sie wird aber in der vorliegenden Arbeit in sehr lesens- und bedenkenswerter Weise entwickelt, gegen mögli-
6 Geleitwort
che Einwände verteidigt und in ihren Konsequenzen entfaltet. Alles in allem eine ebenso mutige wie streitbare Schrift, die einen innovativen Beitrag zur Organhaftungsdiskussion leistet und der man daher nur die verdiente Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Praxis wünschen kann! Mainz, im Dezember 2017
Prof. Dr. Dirk A. Verse
Vorwort Die vorliegende Arbeit lag dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Sommersemester 2016 als Dissertation vor und wurde nach ihrer Annahme am 12. September 2017 von mir im Rigorosum verteidigt. Vor der Drucklegung konnten noch einige Aktualisierungen bis Anfang Oktober 2017 Eingang finden. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dirk A. Verse, M.Jur. (Oxford), der diese Arbeit von Beginn an hervorragend betreut und durch eine Vielzahl von Hinweisen sowie konstruktive Diskussionen gefördert hat. Meine Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl in Mainz war äußerst lehrreich und wird mir stets in bester Erinnerung bleiben. Herrn Prof. Dr. Peter O. Mülbert danke ich für die Erstattung des Zweitgutachtens und seine wertvollen Anmerkungen. Den Vorgenannten sowie Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider möchte ich überdies für die Aufnahme meiner Arbeit in die ‚Schriftenreihe des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens‘ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz danken. Ferner gilt meinem Vater, Herrn Uwe Fischer, sowie meinen Freunden und Kommilitonen Herrn Dr. Christian Gerlach und Frau Elitza Mihaylova, LL.M. (Yale), ganz herzlicher Dank. Sie haben mir während der Arbeit als äußerst konstruktive Diskussionspartner zur Seite gestanden. Zu besonders großem Dank bin ich meiner Frau Sophie verpflichtet, die mir während der Anfertigung dieser Arbeit durch die liebevolle Betreuung unserer Kinder den Rücken freigehalten und mich in allen Belangen ständig unterstützt hat. Ebenfalls großer Dank gilt meinen Eltern, Uwe und Charlotte Fischer, sowie meiner Großmutter, Frau Elisabeth Michel, die mich während meiner Studien- und Promotionszeit unterstützt und gefördert haben. Mainz, im Oktober 2017
Nicolai Fischer
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Anlass, Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Das Organ „Vorstand“ und seine Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Die Stellung des Vorstands in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Leitungsfunktion des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Teil 1 Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
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A. Rechtsformtypische Gefahr der existenzvernichtenden Schadenssummen . 28 B. Pflichtenumfang der Treuepflicht (duty of loyalty) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Loyaler Einsatz für die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handhabung von Interessenkonflikten im Entscheidungsprozess . . . . 3. Verbot, Sondervorteile zu ziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beurteilung der Strenge der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Pflichtenumfang der Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen Außen- und Innen verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Pflichtverletzung bei nützlichem Gesetzesverstoß im Bagatell bereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Handeln entgegen der herrschenden Rechtsauffassung . . . . . . . . . . . . 40 3. Entscheidungen bei unklarer Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft gegenüber Dritten . . . . . . 45 5. Fazit hinsichtlich der Notwendigkeit der Differenzierung . . . . . . . . . . 46 III. Legalitätspflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . 46 1. Rechtsermittlungs- und Befolgungspflicht bei eigener fachlicher Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Bei eindeutiger Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Bei unklarer Rechtslage oder zweifelhafter herrschender Ansicht . 49 aa) Pflicht zur Wahl des juristisch sichersten Wegs? . . . . . . . . . . . 49
10 Inhaltsverzeichnis bb) Befugnis zur Wahl einer gerade noch vertretbaren Rechts auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überwiegende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Optimierungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme und eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsermittlungs- und Rechtsbefolgungspflicht bei fehlender Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflicht zur Sorge für rechtmäßiges Verhalten im Unternehmen . . . . . . a) Ausgestaltung der Compliance-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufklärung von Verdachtsmomenten, Abstellung von Verstößen sowie Systemprüfungs- und Nachjustierungspflichten . . . . . . . . . . 4. Ergebnisse zur gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beurteilung der Strenge der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wachsende Vielzahl an zu beachtenden rechtlichen Bestimmungen . 2. Haftung wegen Legalitätspflichtverletzung kommt Erfolgshaftung nahe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Abschwächung der Legalitätspflicht trotz erheblicher Belastung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Pflichtenumfang der allgemeinen Sorgfaltspflicht (duty of care) . . . . . . . . 64 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Sorgfaltsanforderungen bei Ermessensentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Sorgfaltspflichten bei unternehmerischen Entscheidungen . . . . . . . . . . 67 a) Handeln auf der Grundlage angemessener Information . . . . . . . . . 67 b) Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Theorie vom Unternehmensinteresse als Leitlinie der Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Theorie vom Gesellschaftsinteresse als Leitlinie der Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse . . . . . . 73 d) Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 e) Ergebnisse zu den Sorgfaltsanforderungen bei unternehmerischen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Dogmatische Bedeutung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . 75 III. Beurteilung der Strenge der Sorgfaltspflichten bei Ermessensentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 E. Reduziertes Haftungsrisiko wegen „Safe Harbour“ des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Reichweite der gerichtlichen Kontrolle nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG . 78
Inhaltsverzeichnis
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1. Kontrolle der Merkmale „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“ und „angemessene Informationsgrundlage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Meinungsstand zum gerichtlichen Kontrollmaßstab bei der Überprüfung der Sorgfaltskonformität unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Sichtweise von Hopt und Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Unverantwortlichkeit beim „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“, strengere Kontrolle bei „angemessener Informationsgrundlage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 cc) Einheitlicher Kontrollmaßstab der Nachvollziehbarkeit bzw. Rationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Stellungnahme und eigene Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Erster Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Zweiter Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 cc) Dritter Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Kontrolle des Handelns frei von Interessenkonflikten und im guten Glauben an die Richtigkeit der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 F. Risiko der Durchsetzung von existenzvernichtenden Haftungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I. Durchsetzungspflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Pflicht zur Prüfung, ob ein durchsetzbarer Anspruch besteht . . . . . . . 92 2. Steht die Verschonung von Vorstandsmitgliedern im Ermessen des Aufsichtsrats? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Teilweise vertretene Ansicht (keine Pflicht zur Regelverfolgung) . 93 b) Absehen von der Anspruchsverfolgung nur in rechtfertigungs bedürftigen Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Durchsetzungsmöglichkeit der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Durchsetzung von Ersatzansprüchen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 G. Eingeschränkte Absicherbarkeit existenzvernichtender Haftungsrisiken durch D&O-Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I. Unzulänglichkeiten der D&O-Versicherung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . 99 1. Umfangreiche Ausschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Begrenzte Absicherung von Innenhaftungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . 101 3. Eingeschränkte Absicherung durch begrenzte Deckungssummen . . . . 102 4. Weitere Verringerung des Deckungsschutzes durch konzeptionelle Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Anrechnung der Verteidigungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Aggregate Limits, claims-made-Prinzip und Gruppenversicherung 104 5. Selbstbehaltsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 H. Fazit zu Teil 1 der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
12 Inhaltsverzeichnis Teil 2
Ist eine Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands zu befürworten?
108
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Auseinandersetzung mit den Einwänden genereller Art . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Argumente für die Begrenzung des Haftungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Vermeidung von Anreizen zu risikoaversem Verhalten . . . . . . . . . . . . 110 a) Vermeidung von risikoscheuem Verhalten durch Gesetzgeber bezweckt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Kein unlösbarer Konflikt mit der verhaltenssteuernden Funktion . 113 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Gewinnung geeigneter Vorstandskandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Aktienrechtliche Risiko- und Nutzenverteilung unter Berücksich tigung der Vorgaben des § 87 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4. Bessere Risikovorsorge durch Gesellschaft und weitestgehende Irrelevanz der Schadenskompensation durch den Vorstand . . . . . . . . . 117 5. Verringerung von Fehlanreizen und Sicherung der Mitwirkung des Vorstands bei Aufklärung von Missständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 6. Größere Bereitschaft des Aufsichtsrats zur tatsächlichen Haftungsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Haftungsbegrenzung auch für grob fahrlässige Verletzung der Pflichten? . 119 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 B. Breiter Zuspruch für Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 C. Fazit zu Teil 2 der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Teil 3
Beschränkung der Vorstandshaftung durch eine Satzungsbestimmung (de lege lata)
126
A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 C. Modifizierung des Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstabs durch Satzungsbestimmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unwirksamkeit einer Veränderung der Sorgfaltspflichten durch Satzungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unwirksamkeit der Modifizierung des haftungsbegründenden Verschuldensgrads durch Satzungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zur Modifizierung des Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstabs durch Satzungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Begrenzung der Vorstandshaftung durch in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Inhaltsverzeichnis
13
I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Anhaltspunkte aufgrund der Gesetzeshistorie und der juristischen Methodenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Gesetzeshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Betrachtung nach der juristischen Methodenlehre . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Grammatische Auslegung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG . . . . . . . . . . . . 143 3. Weitere Anhaltspunkte aufgrund der Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . 145 4. Auslegung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nach dessen Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Schadenskompensation nicht eigenständig in zwingender Form durch § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bezweckt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Vereinbarkeit der Haftungshöchstsumme mit dem verhaltens steuernden Zweck des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Dogmatische Verortung der verhaltenssteuernden Funktion . . 152 bb) Kein Konflikt einer Haftungshöchstsumme mit der ver haltenssteuernden Funktion im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . 153 cc) Kein Konflikt einer Haftungshöchstsumme mit dem ver haltenssteuernden Zweck der Haftung bei Treuepflicht verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 dd) Fazit zur Vereinbarkeit des verhaltenssteuernden Zwecks mit einer Haftungshöchstsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5. Folgerungen zur Vereinbarkeit einer Haftungshöchstsumme mit § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 6. Satzungsmäßige Haftungshöchstsumme als zulässige Ergänzung des AktG i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Voraussetzungen einer Ergänzung nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG . 158 b) Sind satzungsmäßige Haftungshöchstsummen nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG unzulässig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) „Abschließende Regelung“ für den Verzicht auf bereits entstandene Vorstandshaftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Auch „abschließende Regelung“ des Vorausverzichts durch § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG (analog)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Erstreckt sich der Wortlaut des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf den Verzicht auf zukünftig entstehende Ansprüche? . 162 (2) Analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf Haftungshöchstsummen für zukünftige Ansprüche? . . . . . 164 (a) Vereinbarkeit mit dem Normzweck des Zustimmungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (b) Vereinbarkeit mit dem Normzweck des Vetorechts einer zehnprozentigen Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (aa) Haftungshöchstsummen, die nur bei Pflichtverletzungen unterhalb der Schwelle grober Fahrlässigkeit eingreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
14 Inhaltsverzeichnis (bb) Haftungshöchstsummen für leicht und grob fahrlässige Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . 168 (c) Vereinbarkeit mit dem Normzweck der 3-JahresFrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (d) Kein entgegenstehender gläubigerschützender Zweck des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . 174 cc) Fazit zur Vereinbarkeit des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG mit in der Satzung geregelten Haftungshöchstsummen . . . . . . . . . 174 c) Generelle Unzulässigkeit von Haftungshöchstsummen nach § 93 Abs. 5 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 d) Keine Unvereinbarkeit des hiesigen Ansatzes mit §§ 311, 317 f. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 e) Fazit zur Zulässigkeit einer das Aktiengesetz i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzenden Haftungshöchstsumme . . . . 179 7. Weiterer gesetzlicher Rahmen für eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Keine Erstreckung auf die Haftung für vorsätzliche Pflicht verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Erstreckung auf die Haftung für grob fahrlässige Pflicht verletzung möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Meinungsstand zur Begrenzung der GmbH-Geschäftsleiterhaftung bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . 182 bb) Entgegenstehende Wertungen des Aktiengesetzes? . . . . . . . . . 183 cc) Genereller Ausschluss einer Haftungsbegrenzung im Bereich der groben Fahrlässigkeit zum Schutz der Aktionäre vor sich selbst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Mindestens im Haftungsfall zu ersetzender Betrag . . . . . . . . . . . . . 185 d) Keine Erstreckung auf § 93 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 e) Keine Erstreckung auf die Außenhaftung des Vorstands . . . . . . . . 187 f) Fazit zum weiteren rechtlichen Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 8. Freistellung der Vorstandsmitglieder von der Außenhaftung gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Gesetzliche Freistellungsansprüche der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft für Haftung gegenüber Dritten . . . . . . 189 aa) Vorstandshandeln gegenüber der Gesellschaft pflichtgemäß . . 189 bb) Vorstandshandeln gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig . . 189 (1) Gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft gegenüber Dritten bei Existenz einer Haftungshöchstsumme . . . . . . . . . . . . . 190 (2) Sonderfall des Gläubigerverfolgungsrechts nach § 93 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (3) Fälle alleiniger Verantwortlichkeit eines Vorstands mitglieds gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
Inhaltsverzeichnis c) Satzungsmäßige Freistellung von Ersatzansprüchen Dritter . . . . . aa) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wohl allgemeine Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme und eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnisse zur Vereinbarkeit satzungsmäßiger Haftungshöchstsummen mit dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gestaltung einer Haftungshöchstsumme (und einer Freistellungs klausel) unter Berücksichtigung des verhaltenssteuernden Aspekts . . . . . I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Deckelung der Haftung auf einen absoluten Betrag . . . . . . . . . . . III. Keine Bemessung der Höchstsumme am Vermögen der Vorstands mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bemessung der Höchstsumme an der Gesamtvergütung des jeweiligen Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Trotz rechtlicher Zulässigkeit keine Beschränkung der Haftung wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Formulierungsvorschlag für eine in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme und eine korrespondierende Freistellungsklausel . . . . . . . VII. Fazit hinsichtlich der Gestaltung einer Haftungshöchstsumme und einer korrespondierenden Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 194 194 195 196 198 199 199 200 200 201 202 202 204
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung und die gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 I. Satzungsmäßige Haftungshöchstsumme und D&O-Versicherung . . . . . . 205 II. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf die gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. „Gestörte Gesamtschuld“ durch Haftungshöchstsumme . . . . . . . . . . . 208 a) Keine Lösung zu Lasten der nicht hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Keine Lösung zu Lasten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb) Konflikt mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 cc) Fazit zur Lösung zu Lasten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 213 c) Lösung zu Lasten des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds . 213 3. Möglichkeit der vertraglichen und / oder satzungsmäßigen Abbedingung des § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Vertragliche Vereinbarung zwischen den Vorstandsmitgliedern . . . 214 b) Satzungsmäßige Abbedingung des § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 G. Fazit zu Teil 3 der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
16 Inhaltsverzeichnis Teil 4
Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung (de lege lata)
A. Ist eine anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung wirksam? . . . . . . I. Haftungshöchstsumme durch eine anstellungsvertragliche Regelung? . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fast ganz herrschende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sichtweise von Hoffmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Halbvermögensverschonung durch Vorwegbindung des Aufsichtsrats ermessens im Vorstandsanstellungsvertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorschlag von Seibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedenken gegenüber diesem Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erste Prämisse von Seibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweite Prämisse von Seibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zweifel gegenüber der ersten Prämisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweifel gegenüber der zweiten Prämisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beschränkung der Vorstandshaftung aufgrund der Fürsorge- bzw. Treuepflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Breite Meinungsgruppe für Regressbeschränkung durch Fürsorge bzw. Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ebenso breite Meinungsgruppe gegen Beschränkung der Vorstandshaftung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218 218 219 220 220 220 221 222 222 224 224 225 225 226 227 227 227 227 229 229
C. Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses? . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Urteil des LAG Düsseldorf vom 20.1.2015 (nicht rechtskräftig) . . . . . . . 234 II. Relevanz des Urteils für Vorstandsmitglieder einer AG und Beurteilung der Tragfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Übertragbarkeit auf Regressansprüche nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG . 235 2. Mangelnde Tragfähigkeit der Urteilsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Erhebliche Zweifel an der Untergrabung des Ordnungswidrig keitenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Kein Regress hinsichtlich des Gewinnabschöpfungsanteils . . . . . . 237 c) Keine methodische Rechtfertigung des Regressausschlusses hinsichtlich des Ahndungsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 D. Fazit zu Teil 4 der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Zusammenfassung der Arbeit in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Abkürzungsverzeichnis a. A.
andere Ansicht
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)
AG
Aktiengesellschaft / Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) / Amtsgericht
AktG
Aktiengesetz vom 6. September 1965 in der zuletzt am 23.6.2017 geänderten Fassung
Anm.
Anmerkung
arg.
argumentum aus
Art.
Artikel
AVB-AVG
Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. mit dem Stand August 2017
BAG Bundesarbeitsgericht BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BeckRS
Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online
Begr. Begründung BeschlussE Beschlussentwurf BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
bspw.
beispielsweise
BT-Drucks.
Bundestag-Drucksache
bzw.
beziehungsweise
CCZ
Corporate Compliance (Zeitschrift)
CF
Corporate Finance (Zeitschrift)
DAX
Deutscher Aktienindex
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
DCGK
Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 7. Februar 2017
ders.
derselbe
dies. dieselben DJT
Deutscher Juristentag
DNotZ
Deutsche Notar-Zeitschrift
18 Abkürzungsverzeichnis DrittelbG
Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) vom 18. Mai 2005 in der zuletzt am 24. April 2015 geänderten Fassung
DStR
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
D&O
Directors & Officers
DZWiR
Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht
EGGmbHG
Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
Einl. Einleitung EuGH
Europäischer Gerichtshof
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
f., ff.
folgende
Fn.
Fußnote
fortge. fortgeführt FS
Festschrift
GesR
Gesellschaftsrecht
GF
Geschäftsführer
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. Mai 1898 in der zuletzt am 17.7.2017 geänderten Fassung
GmbHR
GmbH-Rundschau (Zeitschrift) / GmbH-Recht
GoA
Geschäftsführung ohne Auftrag
Großkomm
Großkommentar
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 15. Juli 2005 in der zuletzt am 30.10.2017 geänderten Fassung
GWR
Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
HaftpflG
Haftpflichtgesetz vom 4. Januar 1978 in der zuletzt am 17.7.2017 geänderten Fassung
HdB
Handbuch
HGB
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 in der zuletzt am 18.7.2017 geänderten Fassung
Hrsg. Herausgeber i. H. v.
in Höhe von
i. S.
im Sinne
i. S. v.
im Sinne von
i. V. m.
in Verbindung mit
Jura
Juristische Ausbildung (Zeitschrift)
JuS
Juristische Schulung (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis JW
Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)
JZ
Juristen Zeitung
19
KapGesR Kapitalgesellschaftsrecht KapMarktR Kapitalmarktrecht KG Kommanditgesellschaft KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KK
Kölner Kommentar
KonTraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998
LAG
Landesarbeitsgericht
LG
Landgericht
lit. littera LuftVG
Luftverkehrsgesetz vom 10. Mai 2007 in der zuletzt am 20.7.2017 geänderten Fassung
MDAX
Mid-Cap Deutscher Aktienindex
MitbestG
Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) vom 4. Mai 1976 in der zuletzt am 24. April 2015 geänderten Fassung
MMR
MultiMedia und Recht (Zeitschrift)
MüKo
Münchener Kommentar
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht
Nr.
Nummer
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OLG
Oberlandesgericht
RegE Regierungsentwurf RIW
Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
Rn.
Randnummer
RNotZ
Rheinische Notarzeitschrift
Rs. Rechtssache S.
Seite / Satz
SE
Societas Europaea
StVG
Straßenverkehrsgesetz vom 5. März 2003 in der zuletzt am 17.8.2017 geänderten Fassung
Tz
Textziffer
UMAG
Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005.
20 Abkürzungsverzeichnis Urt. Urteil v. vom Var. Variante VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift) vgl. vergleiche Vorbem. Vorbemerkung VorstAG Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. Juli 2009 VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) vom 23. November 2007 in der zuletzt am 17.8.2017 geänderten Fassung WM Wertpapier Mitteilungen (Zeitschrift) WpHG Wertpapierhandelsgesetz vom 9. September 1998 in der zuletzt am 17.8.2017 geänderten Fassung z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert als ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik
Einleitung A. Anlass, Gegenstand und Gang der Untersuchung Die Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber ihrer Aktiengesellschaft war in den letzten Jahren von besonderem Interesse im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum. Vor allem wurde und wird intensiv die Frage diskutiert, ob eine Begrenzung der für Vorstandsmitglieder drohenden Haftungsgefahr erfolgen sollte. Von vielen wird die Vorstandshaftung als zu streng empfunden.1 So sprechen manche von einer „wirtschaftlichen Todesstrafe“2 oder aber von „existenzvernichtenden Haftungsansprüchen“.3 Andere äußern demgegenüber, dass eine Haftungsbegrenzung dazu führt, dass man die Kleinen hängt, während man die Großen laufen lässt.4 Es besteht mithin eine lebhafte Diskussion darüber, ob eine Haftungsbeschränkung zu befürworten ist. Die Prominenz der Vorstandshaftung in den letzten Jahren ist auch durch die Tagesordnung des 70. Deutschen Juristentags in Hannover zum Ausdruck gekommen. Die Abteilung Wirtschaftsrecht hat sich dort mit Reformvorschlägen hinsichtlich der Organhaftung befasst.5 Das Thema der Haftungsbegrenzung hat dabei eines der zentralen Themen der Diskussion gebildet, an deren Ende sich die wirtschaftsrechtliche Abteilung mit großer Mehrheit für die Möglichkeit ausgesprochen hat, de lege ferenda die Organhaftung durch eine Satzungsbestimmung begrenzen zu können.6 1 In diesem Sinne etwa Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927 f.; Brommer, AG 2013, 121, 124, 128; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 638; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 223; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1398; Koch, AG 2012, 429, 430, 434; Peltzer, in: FS Hoffmann-Becking, S. 861, 864 f.; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600; Spindler, AG 2013, 889, 894 f.; vgl. auch Semler, in: FS Goette, S. 499, 510; Vetter, NZG 2014, 921 ff.; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 398; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 275 ff. 2 So Bayer, in: FS K. Schmidt, S. 85, 97. 3 So etwa Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 68. 4 Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. 5 Das Thema der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT lautete: Reform der Organhaftung? – Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen. 6 Für die Möglichkeit, die aktienrechtliche Innenhaftung der Vorstandsmitglieder durch die Satzung begrenzen zu können, wurden 74 Ja-Stimmen, 7 Enthaltungen und 6 Gegenstimmen abgegeben, siehe AG 2014, R 301.
22 Einleitung
All dies wird zum Anlass genommen, im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchen, ob die Haftungsgefahr tatsächlich derartig groß ist, dass die Vorstandsmitglieder ständig eine existenzvernichtende Inanspruchnahme durch die Gesellschaft zu fürchten haben.7 Weil die Haftungsgefahr mit dem Umfang und der Strenge der dem Vorstand obliegenden Pflichten steht und fällt, werden die einzelnen Pflichten detailliert beleuchtet.8 Dabei steht die Untersuchung der Legalitätspflicht – als besonders haftungsträchtige und aufgrund ihres Umfangs leicht zu verletzende Pflicht – im Vordergrund.9 Nach der Untersuchung der Pflichten wird der Frage nachgegangen, ob die Realisierung der Haftung in der Regel droht, oder ob die Haftungsgefahr nur auf dem Papier steht.10 Ebenfalls wird ein Blick auf die Entlastungsmöglichkeit durch den Abschluss einer D&O-Versicherung geworfen.11 Im Anschluss daran werden die für und gegen eine Haftungsbeschränkung sprechenden Gründe untersucht.12 Wie sich bereits dem Titel der Arbeit entnehmen lässt, liegt ein besonderes Augenmerk auf der Untersuchung der Frage, ob de lege lata eine Haftungsbeschränkung durch eine Satzungsbestimmung möglich ist.13 Neben der rechtlichen Vereinbarkeit einer satzungsmäßigen Modifizierung des für die Haftung maßgeblichen Sorgfalts- und / oder Verschuldensgrads14 wird der Zulässigkeit von in der Satzung geregelten Haftungshöchstsummen15 nachgegangen. Schließlich widmet sich der letzte Teil der Arbeit einem kurzen Seitenblick auf andere Vorschläge zur Begrenzung der Vorstandshaftung im geltenden Recht.16 Die Untersuchung konzentriert sich auf die Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) und diesbezügliche Begrenzungsmöglichkeiten. Die Außenhaftung des Vorstands wird im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt. Bevor jedoch sogleich mit der vorstehend umrissenen Untersuchung begonnen wird, sollen zunächst das Organ „Vorstand“ und seine Aufgaben näher beleuchtet werden.
7 Teil
1. 1 B., Teil 1 C. und Teil 1 D. 9 Teil 1 C. 10 Teil 1 E. und Teil 1 F. 11 Teil 1 G. 12 Teil 2. 13 Teil 3. 14 Teil 1 C. 15 Teil 1 D., Teil 1 E. und Teil 1 F. 16 Teil 4. 8 Teil
B. Das Organ „Vorstand“ und seine Aufgaben23
B. Das Organ „Vorstand“ und seine Aufgaben I. Die Stellung des Vorstands in der Aktiengesellschaft Der Vorstand ist eines der drei Organe der Aktiengesellschaft. Die körperschaftliche Organisationsstruktur der juristischen Person Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG) wird durch den Aufsichtsrat sowie die Hauptversammlung komplettiert.17 Um eine möglichst effiziente und wirtschaftliche Ausübung der unternehmerischen Funktionen zu gewährleisten,18 aber auch um eine ausgewogene Verteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen den Anteilseignern (Aktionären) und der Verwaltung (Vorstand und Aufsichtsrat) sicherzustellen, sowie um für eine angemessene Kontrolle des Managements zu sorgen,19 sieht das Aktiengesetz eine strenge Kompetenzverteilung zwischen den drei Organen der Aktiengesellschaft vor. Die Strenge der Kompetenzverteilung fußt auf der Bestimmung des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG. Danach darf die Satzung von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Mangels Abweichungen ermöglichender Bestimmungen steht die Kompetenzverteilung mithin nicht zur Disposition der Gesellschafter. Dem Vorstand kommt in der Aktiengesellschaft die Leitungs- (§ 76 Abs. 1 AktG) und Vertretungsfunktion (§ 78 AktG) zu.20 Er leitet die Gesellschaft in eigener Verantwortung, so dass er nicht an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane oder eines Großaktionärs gebunden ist.21 Seine weitgehend unabhängige Stellung wird durch § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG abgesichert, wonach eine Abberufung des Vorstands nur aus wichtigem Grund möglich ist.22 Dem Aufsichtsrat obliegt in der Aktiengesellschaft primär die Aufgabe, den Vorstand zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG) und zu beraten.23 In be17 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 1; Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 8; Spindler, in: MüKo-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 1. 18 Vgl. Spindler, in: MüKo-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 1. 19 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 14; Spindler, in: MüKo-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 3 ff. 20 Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 1; Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 1. 21 Fleischer, ZIP 2003, 1; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123, 126; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 25; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 1; Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 25 ff.; lediglich das Konzernrecht gewährt hiervon bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages (§ 291 AktG) oder bei der erfolgten Eingliederung einer Gesellschaft (§§ 319, 320 AktG) Ausnahmen, vgl. § 308 Abs. 1, 2, AktG und § 323 Abs. 1 AktG in Verbindung mit § 308 Abs. 2 AktG. 22 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 201. 23 Habersack, in: MüKo-AktG, § 111 Rn. 12; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, § 111 Rn. 1; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 1; Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 11; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 1.
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stimmten Fällen stehen ihm zudem Mitsprache- und Mitentscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung zu.24 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ein Zustimmungsvorbehalt für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts vorgesehen ist. Im Übrigen vertritt der Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand. Die Kompetenzen des dritten Organs der Aktiengesellschaft, der Hauptversammlung, beschränken sich auf die im Aktiengesetz in § 119 Abs. 1 Satz 1 AktG festgeschriebenen Beschlussgegenstände sowie auf die von der Rechtsprechung entwickelten ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen.25 Neben der Zustimmung zu strukturändernden Maßnahmen oder Maßnahmen von besonderer Bedeutung sowie Satzungsänderungen beschließt die Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns und über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Darüber hinaus wählt sie die Aktionärsvertreter in den Aufsichtsrat und beruft sie gegebenenfalls ab. Schließlich kann die Hauptversammlung dem Vorstand das Misstrauen aussprechen, die Abschlussprüfer wählen und über den Verzicht oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat entscheiden. Mithin stehen die drei Organe der Aktiengesellschaft zueinander in einem hierarchiefreien Kompetenzgefüge.26
II. Leitungsfunktion des Vorstands Wie bereits angedeutet, obliegt dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG das Recht und die Pflicht, die Aktiengesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten. Er hat daher die mit der juristischen Person betriebene Unternehmung zu führen.27 Die Eigenverantwortlichkeit bringt zum Ausdruck, dass er die Leitungsentscheidungen weisungsfrei und nach eigenem Ermessen 24 Habersack,
in: MüKo-AktG, § 111 Rn. 13; Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 11. KapGesR, § 13 Rn. 10; zu den ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten siehe BGH, Urt. v. 25.2.1982 (II ZR 174/80), BGHZ 83, 122 – „Holzmüller“; BGH, Urt. v. 25.11.2002 (II ZR 133/01), BGHZ 153, 47 – „Macroton“; BGH, Urt. v. 26.4.2004 (II ZR 155/02), BGHZ 159, 30 – „Gelatine I“; BGH, Urt. v. 26.4.2004 (II ZR 154/02), NZG 2004, 575 – „Gelatine II“. 26 Koch, in: Hüffer / Koch, § 118 Rn. 4; Kubis, in: MüKo-AktG, § 118 Rn. 10; Mertens / Cahn, in: KK-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 1; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 200 f. 27 Vgl. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 31 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1; Henze, BB 2000, 209; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 9; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 76 Rn. 9; Mülbert, ZGR 1997, 129, 155 definiert den Begriff der Leitung im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG als „Geschäftsführung für die AG“. 25 Raiser/Veil,
B. Das Organ „Vorstand“ und seine Aufgaben
25
trifft.28 Da eine unternehmerische Tätigkeit ohne weiten Handlungsspielraum schlechterdings nicht möglich ist, kommt ihm ein breiter Ermessensspielraum zu.29 Näher konkretisieren bzw. typologisieren lässt sich die Leitungsaufgabe unter Heranziehung der Erkenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre30 und der ausdrücklichen gesetzlichen Aufgabenzuweisung.31 Danach obliegt dem Vorstand in erster Linie die Unternehmensplanung, d. h. die Bestimmung der Zielsetzung sowie der mittel- bis langfristigen Unternehmenspolitik.32 Hierbei hat sich der Vorstand jedoch an den durch den Unternehmensgegenstand und den Gesellschaftszweck bestimmten Rahmen zu halten.33 Der Gesellschaftszweck, welcher die Zielsetzung des Unternehmens beschreibt und aus dem sich das Gesellschaftsinteresse ableiten lässt,34 28 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 10; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 126; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 25, 28; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 76 Rn. 9; Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 26. 29 BGH, Urt. v. 21.4.1997 (II ZR 175/95), BGHZ 135, 244, 251 f. – „ARAG/Garmenbeck“; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 133; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 15 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 54; Westermann/Paefgen, JZ 2003, 138, 139 f.; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 63; Kort, in: Großkomm AktG, § 76 Rn. 51; zu den Grenzen der Ermessensausübung siehe noch Teil 1 D. II. 2. 30 Nach den Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre lässt sich die Unternehmensführung in mehrere Funktionen unterteilen – Festlegung der Unternehmenspolitik, Koordinierung und Organisation der betrieblichen Teilbereiche, Kontrolle des laufenden Betriebsprozesses, geschäftliche Maßnahmen von außergewöhnlicher betrieblicher Bedeutsamkeit, Besetzung der Führungsstellen im Unternehmen, Gutenberg, Unternehmensführung, S. 61; Schierenbeck/Wöhle, Betriebswirtschaftslehre, S. 120 f. 31 Henze, BB 2000, 209, 210; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 5; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 26; vgl. auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 5, der dem Vorstand vier unentziehbare und unübertragbare Leitungsaufgaben (Verantwortungsbereiche) zuweist – die Planungs- und Steuerungsverantwortung, die Organisationsverantwortung, die Finanzverantwortung und Informationsverantwortung. 32 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 9; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123, 125 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 4 f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 220 f.; Semler, Leitung und Überwachung, S. 13 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 44. 33 Zum durch den Unternehmensgegenstand bestimmten Rahmen siehe Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 82 Rn. 22 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 474 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 82 Rn. 34 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 268 f.; zum durch den Gesellschaftszweck bestimmten Rahmen siehe Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 82 Rn. 20 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 41 f., 133 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 82 Rn. 27. 34 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 82 Rn. 27; Körber, in: Bürgers/Körber, § 23 Rn. 29; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 3 a; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 133.
26 Einleitung
bildet nur einen groben Rahmen für die Leitungsentscheidungen. Zumeist liegt der Gesellschaftszweck in der Erzielung von Gewinnen35 sowie in der Steigerung des Marktwerts der Gesellschaft.36 Deswegen ist der Vorstand in der Regel dazu angehalten, nachhaltige Erträge zu erwirtschaften.37 Einen engeren Rahmen bildet der Unternehmensgegenstand, welcher nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG in der Satzung festgelegt werden muss. Mit der Festsetzung des Unternehmensgegenstands bestimmen die Aktionäre bzw. Gründer das konkrete Tätigkeitsfeld der Gesellschaft.38 Zudem beschränken sie damit die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands auf die Betätigung in diesem Bereich.39 Die Aktivität in verschiedenen Geschäftsfeldern ist mit unterschiedlichen Risiken verbunden. Deswegen ist in der Festsetzung des Unternehmensgegenstands auch eine Entscheidung über das Risiko inbegriffen, das die Aktionäre bzw. Gründer mit ihrer Unternehmung bereit sind einzugehen.40 Überschreitet der Vorstand den Unternehmensgegenstand, indem er das Tätigkeitsfeld der Gesellschaft auf einen Geschäftsbereich erstreckt, der nicht vom festgesetzten Unternehmensgegenstand erfasst ist, so ist darin eine Missachtung der von den Aktionären bzw. Gründern getroffenen Entscheidung und somit eine Verletzung der organschaftlichen Kompetenzordnung zu sehen.41 Neben diesem Überschreitungsverbot besteht ein Unterschreitungsverbot, welches den Vorstand dazu verpflichtet, den Unternehmensgegen35 Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 22; Körber, in: Bürgers/Körber, § 23 Rn. 29; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 71; Solveen, in: Hölters, § 23 Rn. 21; Westermann, in: FS Schnorr von Carolsfeld, S. 517, 523 f.; möglich ist aber auch die Festsetzung eines ideellen Gesellschaftszwecks, zu dessen Förderung der Vorstand in diesem Fall ebenfalls verpflichtet ist, vgl. Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 18. 36 Hierzu ausführlich Mülbert, in: FS Röhricht, S. 421, 438. 37 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 205 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 41 f. 38 Braunfels, in: Heidel, § 23 Rn. 21; Körber, in: Bürgers/Körber, § 23 Rn. 28; Langenbucher, Aktien- und KapMarktR, § 2 Rn. 7; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 69; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 9; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 12. 39 BGH, Urt. v. 5.10.1992 (II ZR 172/91), ZIP 1992, 1542, 1551; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 11; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 2.60; Koch, in: Hüffer/Koch, § 82 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 82 Rn. 22 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 474; Spindler, in: MüKo-AktG, § 82 Rn. 34; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 268 f.; Weber, in: Hölters, § 82 Rn. 18. 40 So auch Henze, in: FS Boujong, 233, 246; Kessler, Leitungsmacht, S. 50; Kropff, ZGR 1984, 112, 130; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 83 f., 300. 41 Fleischer, ZIP 2005, 141, 144; ders., in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 60; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 73; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 323 ff.; in der Durchführung von Hilfsgeschäften, die nicht vom festgesetzten Unternehmensgegenstand erfasst sind, ist jedoch keine Verletzung der organschaftlichen Kompetenzordnung durch den Vorstand zu sehen, da solche Hilfsgeschäfte den Vertrieb der eigenen Produkte unterstützen, hierzu Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 82 Rn. 24, 26, 33.
B. Das Organ „Vorstand“ und seine Aufgaben27
stand auszufüllen.42 Deswegen ist es dem Vorstand nicht gestattet, bestimmte Geschäftsfelder, die vom Unternehmensgegenstand erfasst sind, aufzugeben, obwohl eine weitere erwerbswirtschaftliche Betätigung noch möglich ist.43 Daneben hat der Vorstand über die Unternehmensstruktur zu entscheiden, was sowohl die Organisation und Koordinierung der mit den Führungsaufgaben ausgestatteten Teilbereiche des Unternehmens, als auch die Festlegung der Grundzüge der Markt-, Produkt-, Finanz-, Investitions- und Personalpolitik bedeutet.44 Im Übrigen hat er über alle Maßnahmen zu entscheiden, die von außergewöhnlicher Bedeutung bzw. von außergewöhnlichem Risiko sind, sofern sie nicht im Einzelfall in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung fallen.45 Nicht zuletzt obliegen dem Vorstand die Überwachung der Geschäfts- und Ergebnisentwicklung sowie die Besetzung von Führungspositionen.46 Schließlich ist der Vorstand dazu verpflichtet, die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten zu erfüllen – wie beispielsweise die Errichtung eines Frühwarnsystems zur Entdeckung von Entwicklungen, die die Gesellschaft in ihrer Existenz gefährden könnten (§ 91 Abs. 2 AktG), die Vertretung der Aktiengesellschaft (§ 78 AktG) oder die Führung der Handelsbücher (§ 91 Abs. 1 AktG).47
42 Fleischer, ZIP 2005, 141, 143 f.; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 16; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 82 Rn. 34; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 300 ff.; ausgenommen sind jedoch unternehmerisch begründete und nur vorrübergehende Unterschreitungen des Unternehmensgegenstands, hierzu Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 227 f. 43 Fleischer, ZIP 2005, 141, 143; Koch, in: Hüffer/Koch, § 82 Rn. 9; Körber, in: Bürgers/Körber, § 23 Rn. 28; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 16; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 228; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 474 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 301 ff. 44 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 9; Fleischer, ZIP 2003, 1, 5; Henze, BB 2000, 209, 210; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 92 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 4 f.; Semler, Leitung und Überwachung, S. 14; Spindler, in: MüKo-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 44. 45 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5 f.; Henze, BB 2000, 209, 210; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 76 Rn. 5. 46 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 9; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 7; Henze, BB 2000, 209, 210; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9; Semler, Leitung und Überwachung, S. 14 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, Vorbem. § 76 Rn. 44. 47 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5; Henze, BB 2000, 209, 210; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 9; auch der BGH, Urt. v. 12.11.2001 (II ZR 225/99), ZIP 2002, 172, 173 sieht beispielsweise in der Verpflichtung nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG (Vorschläge zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung) eine Leitungsaufgabe des Vorstands im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG.
Teil 1
Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung A. Rechtsformtypische Gefahr der existenzvernichtenden Schadenssummen Als Korrelat zur vorstehend erläuterten eigenverantwortlichen Leitungsaufgabe haften Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gegenüber der Aktiengesellschaft (Innenhaftung) für Schäden, die sie durch eine schuldhafte Pflichtverletzung verursachen.48 Schon eine mit leichtester Fahrlässigkeit begangene Pflichtverletzung begründet diese Haftung.49 Weil der Schaden mangels abweichender Regelung des Aktiengesetzes nach allgemeinen Grundsätzen gemäß den §§ 249 ff. BGB beurteilt wird, findet eine Haftung nach dem aus dem Zivilrecht bekannten „Alles oder Nichts-Prinzip“ statt.50 Für Vorstandsmitglieder hat dies in der Regel weitreichende Folgen. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist als Vehikel zur Kapitalallokation für unternehmerische Tätigkeiten von großem Umfang konzipiert.51 Entsprechend dieser Bestimmung ist die Aktiengesellschaft auch in der Praxis zumeist Träger einer großen Unternehmung. Je größer aber der Umfang der unternehmerischen Betätigung ist, desto höher ist auch das damit verbundene Risiko.52 Typischerweise kommt es bei großen Unternehmungen auch zum Abschluss von großen Einzeltransaktionen mit wirtschaftsstarken Vertragspartnern.53 Allein das Leistungsinteresse des anderen Vertragsteils verdeut48 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 31; Thomas, Haftungsfreistellung, S. 148 f. 49 Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 93 Rn. 21 c; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 206; ders., in: HdB Vorstandsrecht, § 11 Rn. 56; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 251; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 392. 50 Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 31 f.; vgl. auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 211 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 171 ff. 51 Ebenso Assmann, in: Großkomm AktG, Einl. Rn. 292; Brändel, in: Großkomm AktG, § 1 Rn. 9; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 69; vgl. auch Habersack, in: MüKo-AktG, Einl. Rn. 5. 52 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 69. 53 Ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 69.
A. Rechtsformtypische Gefahr der existenzvernichtenden Schadenssummen 29
licht, dass exorbitant hohe Schäden begründet werden können, wenn es zu einem durch eine Pflichtverletzung begründeten Fehlschlag kommt.54 Die durch die Größe des Unternehmens bedingte Gefahr der Verursachung eines sehr hohen Schadens kommt ebenso durch die Bußgeldverantwortlichkeit bei einem Kartellverstoß zum Ausdruck.55 Denn dort kann die Höhe des Bußgelds am vorangegangenen Jahresumsatz bemessen werden und bis zu 10 % des besagten Umsatzes betragen.56 Je größer der vorangegangene Jahresumsatz ist, desto höher ist damit auch das zu zahlende Bußgeld. Für international tätige Aktiengesellschaften birgt darüber hinaus auch das ausländische Recht erhebliche Risiken.57 Dies verdeutlichen nicht zuletzt die kostspieligen Vergleiche verschiedener Banken mit ausländischen Behörden im Zusammenhang mit etwaigen Zinsmanipulationen.58 Mithin ist festzuhalten, dass die Gefahr der Haftung für exorbitant hohe Schäden bzw. die Einstandspflicht für sehr hohe Bußgelder geradezu typisch für die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist.59 Entsteht ein von der Gesellschaft zu ersetzender Schaden bzw. eine Bußgeldverantwortlichkeit der Gesellschaft im vorgenannten Sinn aufgrund einer Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds, ist dieses über § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gegenüber der Aktiengesellschaft zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die Inanspruchnahme bedeutet für das Vorstandsmitglied oftmals eine Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz.60 Dass ein Vorstandsmitglied auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 69. AG 2012, 429, 430; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 68. 56 Nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB dürfen gegen Unternehmen Geldbußen bis zur Grenze von 10 % des Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahrs verhängt werden. Gleiches gilt nach Art. 23 Abs. 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 für Bußgeldbescheide der Kommission. Zur Bußgeldbemessung siehe die Leitlinien für die Bußgeldbemessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren des Bundeskartellamts vom 25.6.2013 und die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, Amtsblatt der Europäischen Union vom 1.9.2006, C 210/2. 57 Beispielsweise kann bei einem Verstoß gegen Bestimmungen des UK bribary act ein Bußgeld in unbegrenzter Höhe verhängt werden, hierzu eingehend Timmerbeil/Spachmüller, DB 2013, 2133 ff. und Walther/Zimmer, RIW 2011, 199 ff. 58 So hat sich etwa die Deutsche Bank AG mit ausländischen Regulierungsbehörden im Zusammenhang mit den Zinsmanipulationsvorwürfen auf eine Zahlung von 2,5 Milliarden US-Dollar geeinigt, siehe dazu JUVE, veröffentlicht am 24.4.2015, abrufbar unter http://www.juve.de/nachrichten/verfahren/2015/04/libor-deutsche-bankschultert-milliarden-vergleich-mit-stammberatern. 59 Vgl. Fehrenbach, AG 2015, 761, 764; Koch, AG 2012, 429, 430; ders., AG 2014, 513, 516; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 69 f. 60 Vgl. Hoffmann, NJW 2012, 1393, der von „offensichtlich unbezahlbaren Schadensersatzklagen“ spricht; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757 spricht von jenseits des Vermögens der betreffenden Vorstandsmitglieder liegenden Summen; siehe auch 54 Vgl.
55 Koch,
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
schnell mit einer existenzvernichtenden Haftung konfrontiert ist, wenn es eine leicht fahrlässige Pflichtverletzung begeht, lässt sich auch damit begründen, dass bei einer großen unternehmerischen Betätigung viele Entscheidungen von besonderer Tragweite (mit großem Schadenspotenzial) durch den Vorstand getroffen werden müssen.61 Zwar sind die Vorstandsmitglieder nicht stets zum Ersatz verpflichtet, wenn die Gesellschaft gegenüber einem Dritten haftet bzw. ein Bußgeld zu zahlen hat – etwa weil die Vorstandsmitglieder im Einzelfall kein Verschulden trifft. Jedoch besteht allein schon deswegen eine erhebliche Haftungsgefahr, weil Vorstandsmitgliedern – selbst wenn sie nicht unmittelbar an der haftungsbegründenden Pflichtverletzung beteiligt waren – leicht eine Aufsichts- und / oder eine Organisationspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Das Haftungsrisiko wird außerdem dadurch verschärft, dass jedes Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beweislast für die Pflichtgemäßheit seines Handelns bzw. Unterlassens trifft. Folglich ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass eine Verletzung der dem Vorstand obliegenden Pflichten geradezu typischerweise die Gefahr von exorbitant hohen Schäden begründet.62 Damit ist aber noch nicht belegt, dass diese Gefahr auch allgegenwärtig ist. Hiervon könnte man nur ausgehen, wenn die Pflichten des Vorstands derartig streng wären, dass er bei seiner Tätigkeit ständig der Gefahr ausgesetzt wäre, durch eine leichte Unachtsamkeit seine Pflichten zu verletzten und damit eine Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu begründen. Hierdurch ist der Gang der weiteren Untersuchung vorgezeichnet. Nachfolgend wird untersucht, ob die Pflichten des Vorstands so umfassend sind, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass selbst ein sehr pflichtbewusstes Vorstandsmitglied irgendwann im Laufe seiner Tätigkeit gegen ihm obliegende Pflichten verstößt.
B. Pflichtenumfang der Treuepflicht (duty of loyalty) Die Treuepflicht des Vorstands lässt sich grob als Pflicht zur Loyalität gegenüber der Gesellschaft umschreiben.63 Gesetzlich normiert sind nur zwei Fehrenbach, AG 2015, 761, 764; zum teilweise angenommenen Regressausschluss bei Bußgeldern siehe noch Teil 4 C. 61 Ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 69 f. 62 Zum selben Ergebnis kommend Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 68 ff. 63 Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 9 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 227; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 115; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 95.
B. Pflichtenumfang der Treuepflicht (duty of loyalty)
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Einzelausprägungen der Treuepflicht – das Wettbewerbsverbot nach § 88 Abs. 1 AktG und die Verschwiegenheitspflicht64 nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Die allgemeine (ungeschriebene) Treuepflicht hat ihren Ursprung in der Organfunktion des Vorstands sowie in seinem Anstellungsvertrag.65 Die treuhänderische Stellung des Vorstands als Verwalter des Gesellschaftsvermögens erfordert eine Pflichtenlage, die eine hinreichende Kontrolle und Verantwortlichkeit seines Handelns gewährleistet.66 Wie die Sorgfaltspflicht ist auch die Treuepflicht in Verbindung mit der Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG als Gegenstück zu den weitreichenden Befugnissen und Einwirkungsrechten des Vorstands zu sehen.67 Konzeptionelles Ziel der Treuepflicht ist es, Interessenkonflikte des Vorstands zu vermeiden und das Ziehen von Sondervorteilen durch den Vorstand zu verhindern.68
I. Ausprägungen 1. Loyaler Einsatz für die Gesellschaft Der Vorstand ist allem voran dazu verpflichtet, sich loyal für die Gesellschaft einzusetzen.69 Die Vorstandsmitglieder müssen ihre berufliche Arbeitskraft, ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen vorbehaltlos in den Dienst der Gesellschaft stellen.70 Ferner hat der Vorstand dafür Sorge zu 64 Die dogmatische Einordnung der Verschwiegenheitspflicht ist umstritten. Wie hier wird die Verschwiegenheitspflicht von Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 200; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 52, 279 und Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 10 als Treuepflicht eingeordnet; zum Teil wird die Verschwiegenheitspflicht jedoch auch der Sorgfaltspflicht zugeordnet, so Spieker, NJW 1965, 1937; nach BGH, Urt. v. 5.6.1975 (II ZR 156/73), NJW 1975, 1412 ist die Verschwiegenheitspflicht sowohl Ausfluss der Sorgfalts- als auch Ausfluss der Treuepflicht. 65 Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 9 Rn. 5; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 114; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 10; Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 31; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 108. 66 Vgl. Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141 f.; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 9 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 110. 67 Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 9 Rn. 4; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 116. 68 Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 9 Rn. 9; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 121; vgl. auch Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141. 69 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 128; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 115; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 238; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 21; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 96; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 31. 70 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 128; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 238; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 96; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 31.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
tragen, dass der Ruf der Gesellschaft in der Öffentlichkeit gewahrt wird und von den Vorstandsmitgliedern keine abträglichen Äußerungen gegenüber der Gesellschaft oder ihren Organen erfolgen.71 2. Handhabung von Interessenkonflikten im Entscheidungsprozess Ist ein Vorstandsmitglied einem gesetzlich nicht entschärften72 Interessenkonflikt ausgesetzt, trifft ihn zunächst die Pflicht, den Interessenkonflikt gegenüber der Gesellschaft offenzulegen.73 Allerdings löst nicht jeder potentielle Interessenkonflikt die Pflicht zur Offenlegung aus.74 Der Interessenkonflikt muss so konkret sein, dass im vorliegenden Fall die Verfolgung des Gesellschaftsinteresses75 aufgrund des Widerstreits mit Eigen- oder Drittinteressen gefährdet ist.76 Unterliegt ein Vorstandsmitglied einem Interessenkonflikt, der befürchten lässt, dass dem Gesellschaftsinteresse nicht der Vorzug eingeräumt wird, ist das dem Interessenkonflikt unterliegende Vorstandsmitglied nach überwiegend vertretener Auffassung aufgrund der organschaftlichen Treuepflicht verpflichtet, nicht am Entscheidungsprozess teilzunehmen.77 71 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 128; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 117; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 239; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 96; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 32. 72 Gewisse Interessenkonflikte werden bereits durch das Aktiengesetz entschärft. Gemäß § 89 Abs. 1 AktG wird die Kreditvergabe an Vorstandsmitglieder durch die Gesellschaft nur durch einen Beschluss des Aufsichtsrats ermöglicht. Wenn der Vorstand Eigengeschäfte mit der Gesellschaft abschließt, wird die Gesellschaft nach § 112 AktG vom Aufsichtsrat vertreten, welchem damit die Aufgabe obliegt, die Interessen der Gesellschaft zu wahren und dafür zu sorgen, dass das Geschäft einem Drittvergleich standhält (dealing at arm’s length), vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 241; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 124. 73 Blasche, AG 2010, 692, 697; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 9 Rn. 12; Habersack, in: Karlsruher Forum, S. 5, 23; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 275; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 61; vgl. auch Ziffer 4.3.3 DCGK. 74 Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148; a. A. Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 110; wohl auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 275, die von einer Offenlegung von allen Interessenkonflikten sprechen. 75 Zum Gesellschaftsinteresse als Ermessensleitlinie noch ausführlich in Teil 1 D. II. 2. b) bb) und Teil 1 D. II. 2. b) cc). 76 Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 143, 148; vgl. auch Harbarth, in: FS Hommelhoff, S. 323, 333 ff. 77 Bunz, NZG 2011, 1294, 1296; Lutter, in: FS Canaris, Band II, S. 245, 250; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 61; für den Aufsichtsrat ebenso U. H. Schneider, in: FS Goette, S. 475, 482 ff.; einschränkend Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 323
B. Pflichtenumfang der Treuepflicht (duty of loyalty)33
Namentlich Krieger widerspricht dieser Sichtweise ausdrücklich.78 Er hält zur Konfliktbewältigung nur die Offenlegung des Interessenkonflikts, nicht jedoch das Fernbleiben vom Entscheidungsprozess für erforderlich.79 Zur Begründung verweist er darauf, dass ein Vorstandsmitglied einen Interessenkonflikt auch ausblenden und seine Entscheidung anhand von sachgerechten Kriterien treffen kann.80 Deswegen sei einem sich im Interessenkonflikt befindlichen Vorstandsmitglied auch ein unternehmerischer Ermessensspielraum zuzugestehen.81 Zwar ist Krieger darin zuzustimmen, dass es theoretisch denkbar ist, dass ein Vorstandsmitglied einen bestehenden Interessenkonflikt ausblendet. Jedoch kann seiner Auffassung gleichwohl nicht gefolgt werden. In Situationen,82 in denen die Verfolgung des Gesellschaftsinteresses aufgrund des Interessenkonflikts gefährdet ist, gebietet es die Treuepflicht, dass schon die Gefahr der Verfolgung von Eigeninteressen gebannt wird.83 Allein die von Krieger geforderte Offenlegung kann dies nicht bewirken.84 Der weite unternehmerische Ermessensspielraum ermöglichte es einem Vorstandsmitglied insoweit – ohne die Konsequenz der Haftung befürchten zu müssen – nicht zuvörderst das Gesellschaftsinteresse zu verfolgen. Veranschaulichen lässt sich dies anhand der Situation, in welcher mehrere Maßnahmen zur Auswahl stehen und das Vorstandsmitglied für eine Maßnahme votiert, die zwar nicht dem Gesellschaftszweck zuwiderläuft, aber auch nicht diejenige ist, die am profitabelsten für die Gesellschaft ist. Eine Pflichtverletzung kann hier mangels Überschreitung des Ermessensspielraums nicht bejaht werden, wenn das Votum des Vorstandsmitglieds aus welchen Gründen auch immer rational nachvollzogen werden kann,85 obwohl das Vorstandsmitglied dem und Koch, in: FS Säcker, S. 403, 416 f., die nur einen Ausschluss von der Beschlussfassung selbst, nicht aber von der Beratung vor der Beschlussfassung befürworten. 78 Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 18; nicht in dieser Klarheit, wohl aber ebenso Paefgen, AG 2004, 245, 253; vgl. auch Harbarth, in: FS Hommelhoff, S. 323, 336, dessen Sichtweise jedoch in diesem Zusammenhang nicht ganz eindeutig ist, da er lediglich beschreibt, dass im Vorliegen eines Interessenkonflikts noch keine Pflichtverletzung zu sehen ist. 79 Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 18; vgl. auch Paefgen, AG 2004, 245, 253. 80 Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 18. 81 Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 18. 82 Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 149 sprechen von Einzelfällen, in denen ein Vorstandsmitglied einem nicht unerheblichen Interessenkonflikt ausgesetzt ist. 83 Koch, in: FS Säcker, S. 403, 416 f; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 61. 84 Koch, in: FS Säcker, S. 403, 416 f.; vgl. auch Gebh/Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147 f. 85 Zur gerichtlichen Kontrolldichte bei Ermessensentscheidungen ausführlich in Teil 1 E. II.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
konfligierenden Interesse den Vorzug gewährt hat. Der von der überwiegenden Ansicht befürwortete Ausschluss eines einem erheblichen Interessenkonflikt ausgesetzten Vorstandsmitglieds vom Entscheidungsprozess begegnet dagegen dieser Gefahr und verhindert bereits die Möglichkeit der Verfolgung von Eigeninteressen im Entscheidungsprozess. Mithin muss ein Vorstandsmitglied, das einem erheblichen Interessenkonflikt ausgesetzt ist, diesen offenlegen und selbst veranlassen, dass es am Entscheidungsprozess nicht teilnimmt. Andernfalls ist eine Treuepflichtverletzung gegeben. Liegt ein länger andauernder und schwerwiegender Interessenkonflikt in der Person eines Vorstandsmitglieds vor, der befürchten lässt, dass eine angemessene Mandatsausübung nicht mehr gesichert ist, ist darin ein wichtiger Grund zur Abberufung im Sinne des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG zu sehen.86 3. Verbot, Sondervorteile zu ziehen Der Ziehung von Sondervorteilen durch den Vorstand steht ebenfalls die Treuepflicht entgegen.87 Aus ihr ergibt sich die Verpflichtung, Geschäftschancen für die Gesellschaft und nicht für sich selbst zu nutzen.88 Außerdem ist der Treuepflicht das Verbot der Annahme von Zuwendungen Dritter durch den Vorstand zu entnehmen, die anlässlich eines Vertragsschlusses der Gesellschaft gewährt werden.89 Schließlich gebietet die Treuepflicht, dass der Vorstand alle Gesellschaftsressourcen in der Gesellschaft belässt und nicht in sein privates Vermögen überführt.90 4. Wettbewerbsverbot Neben dem vorstehend erwähnten Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen, obliegt dem Vorstand nach § 88 AktG ein Wettbewerbsverbot gegenüber der Gesellschaft. Diese normierte Einzelausprägung der Treuepflicht dient zum einen der Vermeidung von Wettbewerb zwischen 86 Diekmann/Fleischmann,
AG 2013, 141, 149. in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 125; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 266; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 100. 88 Hierzu ausführlich m.w.N. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 136 ff.; Hopt/ Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 250 ff.; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 212 ff.; vgl. auch Ziffer 4.3.1 DCGK. 89 Siehe Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 130; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 111, jeweils m.w.N.; vgl. auch Ziffer 4.3.2 DCGK. 90 Näher hierzu Fleischer., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 153; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 118. 87 Fleischer,
B. Pflichtenumfang der Treuepflicht (duty of loyalty)
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der Aktiengesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern.91 Zum anderen bezweckt die Norm die Sicherung der Arbeitskraft der Vorstandsmitglieder für die Gesellschaft.92 Aus § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG ergibt sich, dass ein Vorstandsmitglied neben seiner Vorstandstätigkeit kein Handelsgewerbe betreiben darf. Vielmehr hat er seine volle Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.93 Deswegen gilt das Wettbewerbsverbot unabhängig davon, ob das Gewerbe im Wettbewerb zur unternehmerischen Betätigung der Aktiengesellschaft stehen würde.94 Ferner ergibt sich aus § 88 AktG, dass einem Vorstandsmitglied jedwede Teilnahme am geschäftlichen Verkehr im Geschäftszweig der Gesellschaft verboten ist, sofern sie – wenn auch nur spekulativ – auf Gewinnerzielung gerichtet ist.95 Letzteres gilt sowohl für ein Handeln auf eigene wie auch für fremde Rechnung.96 Auch die Betätigung als Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einer anderen Handelsgesellschaft ist nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG ebenso wenig gestattet wie die Stellung als persönlich haftender Gesellschaft in einer anderen Handelsgesellschaft. 5. Verschwiegenheitspflicht Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG sind Vorstandsmitglieder zur Verschwiegenheit über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft verpflichtet, von denen sie anlässlich ihrer Tätigkeit als Vorstandsmitglied Kenntnis erlangt haben. Auch diese Pflicht stellt eine Einzelausprägung der Treue91 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 88 Rn. 1; Koch, in: Hüffer/Koch, § 88 Rn. 1; Kort, in: Großkomm AktG, § 88 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 88 Rn. 2; Weber, in: Hölters, § 88 Rn. 1. 92 BGH, Urt. v. 2.4.2001, (II ZR 217/99), NJW 2001, 2476; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 88 Rn. 1; Kort, in: Großkomm AktG, § 88 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 88 Rn. 2; Weber, in: Hölters, § 88 Rn. 1. 93 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 88 Rn. 17; Kort, in: Großkomm AktG, § 88 Rn. 26; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 10; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 88 Rn. 6; Spindler, in: MüKo-AktG, § 88 Rn. 13; Weber, in: Hölters, § 88 Rn. 6. 94 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 88 Rn. 17; Kort, in: Großkomm AktG, § 88 Rn. 25; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 88 Rn. 10; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 88 Rn. 6; Spindler, in: MüKo-AktG, § 88 Rn. 13; Weber, in: Hölters, § 88 Rn. 6. 95 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 88 Rn. 20; Koch, in: Hüffer/Koch, § 88 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 11; Oltmanns, in: Heidel, § 88 Rn. 4; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 88 Rn. 7; Spindler, in: MüKo-AktG, § 88 Rn. 14; Weber, in: Hölters, § 88 Rn. 6; keine Gewinnerzielungsabsicht für erforderlich haltend Kort, in: Großkomm AktG, § 88 Rn. 32. 96 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 88 Rn. 20; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 11; Spindler, in: MüKo-AktG, § 88 Rn. 15.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
pflicht dar.97 „Geheimnisse der Gesellschaft“ i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG sind Tatsachen, hinsichtlich derer ein objektives Geheimhaltungsbedürfnis besteht und die weder offenkundig sind noch nach erklärtem oder aus dem Gesellschaftsinteresse ableitbarem mutmaßlichen Willen der Aktiengesellschaft offenkundig werden sollen.98 „Vertrauliche Angaben“ i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG können alle Informationen sein, die Vorstandsmitglieder in dieser Eigenschaft erlangt haben.99 Für die Verschwiegenheitspflicht ist insoweit eine objektive am Interesse der Aktiengesellschaft und ihres Unternehmens ausgerichtete Beurteilung entscheidend, ob die Weitergabe der Information nachteilig sein kann, auch wenn sie kein Geheimnis (mehr) ist.100
II. Beurteilung der Strenge der Treuepflicht Die Beachtung der Treuepflicht ist für Vorstandsmitglieder keine unlösbare Aufgabe. Hat ein Vorstandsmitglied erhebliche Eigeninteressen an einer Entscheidung oder ist er durch ein Drittinteresse wesentlich beeinflusst, kann ihm das nicht verborgen bleiben. Es erscheint nahezu undenkbar, dass eine Beeinflussung durch ein Eigen- oder Drittinteresse bei einer konkreten Entscheidung übersehen wird. Wie erläutert, greift die Pflicht zur Offenlegung eines Interessenkonflikts und zum Fernbleiben vom Abstimmungsprozess nicht schon bei jedem potentiellen Interessenkonflikt. Vielmehr muss der Interessenkonflikt derartig konkret sein, dass das Vorstandsmitglied in der Entscheidungssituation der Gefahr ausgesetzt ist, aufgrund eines erheblichen Eigen- oder Drittinteresses nicht mehr unvoreingenommen zu handeln. Es geht folglich um Situationen, in welchen die Pflichten des Vorstands in der Regel offen zu Tage treten. Auch die Erfüllung der anderen Einzelausprägungen der Treuepflicht stellt für Vorstandsmitglieder keine besondere Schwierigkeit dar. Dass sich Vorstandsmitglieder gegenüber ihrer Gesellschaft loyal zu verhalten haben und ihr gegenüber nicht als Wettbewerber auftreten dürfen, ist geradezu selbstverständlich. Angesichts der besonderen Bedeutung, die Vorstandsmitglieder für ihre Aktiengesellschaft haben, drängt es sich ei97 Siehe
bereits die Nachweise in Fn. 64. Urt. v. 5.6.1975 (II ZR 156/73), NJW 1975, 1412, 1413; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 283; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 30; Krieger/SailerCoceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 23; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 63; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 117. 99 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 286; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 30; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 24; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 63. 100 OLG Stuttgart, Urt. v. 7.11.2006 (8 W 388/06), AG 2007, 218, 219; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 286; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 30; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 24; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 63. 98 BGH,
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nem jeden Vorstandsmitglied geradezu auf, dass es der Gesellschaft seine gesamte berufliche Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss. Mithin sind der Treuepflicht keine überspannten, nahezu unerfüllbaren Pflichten der Vorstandsmitglieder zu entnehmen.
C. Pflichtenumfang der Legalitätspflicht I. Ausgangspunkt Wie jedes andere Rechtssubjekt haben sich auch Vorstandsmitglieder an alle Gesetze zu halten, die unmittelbar an sie in ihrer Funktion als Vorstandsmitglied adressiert sind.101 Neben den im Aktiengesetz normierten und an den Vorstand adressierten Pflichten gehört hierzu ebenso die Pflicht zur Wahrung der im Aktiengesetz vorgesehenen Kompetenzordnung.102 Überdies verpflichtet die Legalitätspflicht den Vorstand, die der Aktiengesellschaft als Rechtssubjekt obliegenden gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.103 Sofern die geschäftliche Betätigung der Aktiengesellschaft ausländischem Recht unterworfen ist, sind die Bestimmungen des ausländischen Rechts ebenfalls zu beachten.104 Ferner beschränkt sich die Legalitätspflicht nicht darauf, den Vorstand bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Gesetzeskonformität anzuhalten. Er hat auch dafür Sorge zu tragen, dass andere Unternehmensangehörige nicht gegen das geltende Recht verstoßen.105 Die Inpflichtnahme des Leitungsorgans gewährleistet im Zusammenspiel mit den bei Pflichtverletzung drohenden Konsequenzen, dass die gesetzli101 Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123, 131 ff.; Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 5; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 67 ff., 71 ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 224. 102 Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 210; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 10; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 97 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 18 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 73; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.2.1982 (II ZR 174/80), BGHZ 83, 122, 131 f. – „Holzmüller“. 103 Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 88 ff.; Dreher, in: FS Konzen, 85, 92; Fleischer, NZG 2014, 321, 322; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 74; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509 f.; J. Wagner, BB 2012, 651, 653. 104 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 142; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 73; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 95; ders., in: FS Canaris, Band II, S. 403, 426 f. 105 Dazu auch Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 145 ff.; siehe ferner Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 88; Cichy/Cziupka, BB 2014, 1482 f.; Fleischer, NZG 2014, 321, 322; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123, 131 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 133; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 7 f.; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 18, 24 ff.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 ff.
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chen Vorgaben, die das Unternehmen als Rechtssubjekt treffen, eingehalten werden.106 Weil eine Aktiengesellschaft als juristische Person nicht selbst handlungsfähig ist, sondern nur durch ihre Vertretungsorgane tätig wird, sind die Vertretungsorgane der zur Gewährleistung notwendige Pflichtenadressat.
II. Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen Außen- und Innenverhältnis Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass jede durch den Vorstand begründete Gesetzesverletzung zugleich eine Pflichtverletzung darstellt, welche die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auslöst.107 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Gesellschaft durch eine Gesetzesverletzung Nachteile wie Bußgelder, Schadensersatzzahlungen oder Rufschädigungen entstehen können.108 Dem kann jedoch in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.109 Die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass es Konstellationen gibt, in denen zwar eine Gesetzesverletzung gegeben ist, jedoch im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Vorstand die Annahme einer die Innenhaftung begründenden Pflichtverletzung nicht zu überzeugen vermag. 1. Pflichtverletzung bei nützlichem Gesetzesverstoß im Bagatellbereich? Vereinzelt wird vertreten, dass bei manchen nützlichen Gesetzesverstößen eine Ausnahme von der strengen Legalitätspflicht besteht.110 Insoweit könne nicht stets von einem Gesetzesverstoß des Vorstands im Außenverhältnis zugleich auf ein pflichtwidriges Verhalten im Innenverhältnis geschlossen 106 Vgl. Holle, AG 2011, 778, 785, „sie [die Legalitätspflicht] macht den Vorstand zum Garanten für die Einhaltung externer Pflichten“; Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 88; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 13; ders., ZIP 2005, 141, 144; Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 5; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 223 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 74; ders., in: FS Canaris, Band II, S. 403, 412; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509 f. 107 So etwa Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 213; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 11; wohl auch Holle, AG 2011, 778, 784. 108 So Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 213. 109 Ebenso Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 105 f., 157 ff.; vgl. auch Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 94 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24 f. 110 Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; Kocher, CCZ 2009, 215, 218; Sieg/Zeidler, in: HdB Corporate Compliance, § 3 Rn. 36 ff.; U. H. Schneider, in: FS Hüffer, S. 905, 910.
C. Pflichtenumfang der Legalitätspflicht39
werden.111 Wenn im Außenverhältnis nur ein Bagatellverstoß vorliege und der Vorstand der gesetzlichen Pflicht im Interesse der Gesellschaft nicht nachkomme, sei das Handeln des Vorstands nicht als Sorgfaltspflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft zu bewerten.112 Als Paradebeispiel für eine solche Situation wird der Fall angeführt, in dem ein Vorstandsmitglied sein Fahrzeug verkehrsordnungswidrig parkt, um einen Termin wahrnehmen zu können, bei dessen Nichtwahrnehmung es zu einem Millionenschaden für die Gesellschaft kommt, der im Vergleich zu dem drohenden Bußgeld bzw. den Abschleppkosten außer Verhältnis liegt.113 In einem solchen Fall gehe es nicht um die Beachtung der Legalitätspflicht, sondern allein um die Bestimmung der Organpflicht, welche sich am Unternehmensinteresse ausrichte.114 Auch wenn der Beispielsfall eine gewisse suggestive Evidenz dahin zu begründen scheint, dass der Vorstand im Einzelfall zumindest bei Bagatellverstößen eine Abwägung des drohenden Schadens mit dem zu erwartenden Nutzen für die Gesellschaft vornehmen darf, kann diese Sichtweise aus einer Reihe von Gründen nicht überzeugen. Zunächst wird von den Befürwortern der Ausnahme für nützliche Gesetzesverstöße im Bagatellbereich verkannt, dass die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Organpflichten nicht ausschließlich aus dem Unternehmensinteresse abgeleitet werden können. Das Unternehmensinteresse kann die Bindung der Gesellschaft und des Organmitglieds selbst an die geltenden Gesetze nicht überlagern. Nur innerhalb der gesetzlichen Vorschriften können die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Organpflichten durch das Interesse der Gesellschaft näher bestimmt werden. Auch wird bei näherer Auseinandersetzung mit dem angeführten Beispielsfall deutlich, dass der Vorstand – insbesondere bei für die Gesellschaft wichtigen Entscheidungen – verpflichtet ist, so sorgfältig zu sein, dass er einen 111 Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; Kocher, CCZ 2009, 215, 218; Sieg/Zeidler, in: HdB Corporate Compliance, § 3 Rn. 36 ff. 112 Kocher, CCZ 2009, 215, 218; wohl auch Habersack, in: FS U. H. Schneider, S. 429, 438 f.; ders., in: Karlsruher Forum, S. 5, 29 f. und Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; vgl. außerdem U. H. Schneider, in: FS Hüffer, S. 905, 910, nach dessen Auffassung das Unternehmensinteresse eine Missachtung von Normen mit Ordnungscharakter – wie bspw. Vorschriften zur Arbeitszeit, zum Parkverbot oder zur Fristwahrung bei Abgabe der Steuererklärung – rechtfertigen könne und somit schon die Pflichtverletzung des Vorstands entfallen lasse; noch weitergehend Sieg/Zeidler, in: HdB Corporate Compliance, § 3 Rn. 36 ff., die eine Pflichtverletzung des Vorstands bei nützlichen Gesetzesverstößen regelmäßig nur annehmen wollen, wenn gegen direkt das Gesellschaftsvermögen schützende Vorschriften verstoßen wird. 113 Kocher, CCZ 2009, 215, 219. 114 So Habersack, in: FS U. H. Schneider, S. 429, 438 f.; U. H. Schneider, in: FS Hüffer, S. 905, 910.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
wichtigen Termin pünktlich wahrnehmen kann, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Wenn dennoch äußere unkalkulierbare Umstände vorliegen, die es dem Vorstand nicht ermöglichen, pünktlich oder überhaupt vor Ort zu sein, verwirklicht sich ein wirtschaftliches Risiko, welchem die Gesellschaft bei ihrer Betätigung ausgesetzt ist und welches sie kraft Gesetzes zu tragen hat. Diese gesetzliche Wertung ist auch für das Innenverhältnis relevant. Es ist nicht einleuchtend, warum ein Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft dazu berechtigt sein soll, im Außenverhältnis einen Gesetzesverstoß vorzunehmen, um der Gesellschaft einen vermögensmäßigen Vorteil zu sichern, der ihr im Fall des gesetzeskonformen Verhaltens entginge. Ein aufgrund einer eindeutigen rechtlichen Bestimmung verbotenes Verhalten darf der Vorstand selbst im Bagatellbereich nicht vornehmen. Auch wenn das Verhalten für die Gesellschaft von Vorteil ist, handelt er pflichtwidrig.115 Auf den geschilderten Beispielsfall bezogen bedeutet dies, dass der Vorstand aufgrund der Legalitätspflicht auch verpflichtet ist, sein Fahrzeug ordnungsgemäß zu parken, wenn er dadurch einen wichtigen Termin verpasst und der Gesellschaft in der Folge ein hoher Schaden entsteht. Die Legalitätspflicht geht auch im Bagatellbereich dem Interesse der Gesellschaft vor. Folglich handelt es sich, entgegen der soeben referierten anderen Ansicht, bei der Entscheidung über die Begehung eines nützlichen Gesetzesverstoßes im Bagatellbereich um eine rechtlich gebundene Entscheidung. 2. Handeln entgegen der herrschenden Rechtsauffassung Wenn der Vorstand eine bisher herrschende Rechtsauffassung für unzutreffend oder sogar für verfassungswidrig hält und diese daher angreifen möchte, stellt sich die Frage, ob er hierzu befugt ist. Auf den ersten Blick besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu den Fällen der nützlichen Pflichtverletzung. Der Vorstand wird eine herrschende Rechtsauffassung nur angreifen, wenn dies für die Gesellschaft günstig erscheint. Zumindest aus dem Blickwinkel der herrschenden Ansicht steht daher erneut 115 Wohl ebenso Spindler, in: FS Canaris, Band II, S. 404, 425 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 512 ff.; für den Geschäftsführer einer GmbH Werner, GmbHR 2012, 1107; vgl. im Übrigen Bayer, in: FS K. Schmidt, 85, 90 f.; Bicker, AG 2014, 8, 11; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 22; ders., ZIP 2005, 141, 145; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 134; Lutter, ZIP 2007, 841, 843 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 21; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 224; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 24; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 81; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256. Ob die Gesellschaft im Ergebnis ein gegen sie gerichtetes Bußgeld bzw. die Abschleppkosten – um im Beispiel zu bleiben – vom Vorstand ersetzt verlangen darf, ist damit jedoch noch nicht gesagt. Jedenfalls nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung wäre der Gesellschaft kein ersatzfähiger Schaden entstanden.
C. Pflichtenumfang der Legalitätspflicht
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ein Bruch des geltenden Rechts wegen eines in Aussicht stehenden Vorteils für die Gesellschaft in Frage. Jedoch handelt es sich bei näherer Betrachtung um eine grundlegend verschiedene Situation. Im Gegensatz zur Fallgruppe der nützlichen Pflichtverletzung besteht aus Sicht des Vorstands keine klare und eindeutig rechtmäßige gesetzliche Vorgabe. Durch die Infragestellung der herrschenden Ansicht bezweifelt der Vorstand gerade, dass die Legalitätspflicht ihm eine der herrschenden Rechtsauffassung entsprechende Verhaltensweise gebietet. Man könnte in dieser strittigen Rechtsauslegungssituation geneigt sein, die Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns für das Außen- und auch das Innenverhältnis davon abhängig zu machen, wie ein Gericht das Handeln im Nachgang beurteilt.116 Für das Verhältnis der Gesellschaft zur Außenwelt ist diese auf das objektiv feststehende Recht abstellende Betrachtungsweise überzeugend.117 In diesem Verhältnis hat die Gesellschaft – wie jedes andere Rechtssubjekt – nach allgemeinen Grundsätzen und als Träger aller mit ihrer Unternehmung verbundenen Risiken auch das Risiko eines rechtswidrigen Verhaltens zu schultern. Denn ihr kommt auch der volle Nutzen im Fall der späteren Feststellung der Rechtmäßigkeit zu. Selbiges gilt für das Verhältnis des Vorstandsmitglieds zur Außenwelt. Wie jede andere Person kann sich auch ein Vorstandsmitglied nicht „ungestraft“ über Gesetze hinwegsetzen. Erst wenn ein zu entschuldigender Rechtsirrtum gegeben ist (unvermeidbarer Verbots irrtum),118 entfällt das Verschulden. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum ist nach den strengen Anforderungen der zivilrechtlichen Rechtsprechung erst gegeben, wenn unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt nicht mit einer abweichenden gerichtlichen Beurteilung gerechnet werden muss.119 In einem solchen Fall wird also selbst im Außenverhältnis weder der Gesellschaft noch dem Vorstand das Risiko des rechtswidrigen Handelns aufgebürdet.120 Mit einem Rechtsirrtum hat das Handeln entgegen einer herrschenden Ansicht jedoch nichts zu tun.121 Vielmehr muss der Vorstand aufgrund seiner Kenntnis von der überwiegend vertretenen Sichtweise damit rechnen, dass 116 Vgl. U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100, der die Gebundenheit einer Entscheidung anhand von objektiven Kriterien beurteilt. 117 Im Ergebnis ebenso Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 107 ff. 118 Zu den nach der ständigen BGH-Rechtsprechung geltenden Anforderungen an einen Rechtsirrtum siehe BGH, Urt. v. 15.1.2013 (II ZR 44/12), BeckRS 2013, 07619 Tz. 12. 119 BGH, Urt. v. 4.7.2001, (VIII ZR 279/00), NJW 2001, 3114, 3115; BGH, Urt. v. 11.1.1984, (VIII ZR 255/82), NJW 1984, 1028, 1030 jeweils m.w.N. 120 Vgl. Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 117 ff., 154 f. 121 Ebenso Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
ein Gericht sich dieser anschließt. Nur wenn der Vorstand einer ganz herrschenden Rechtsauffassung folgt und ein Gericht später abweichend von dieser entscheidet, kommt ein zu entschuldigender Rechtsirrtum in Betracht, der den Vorstand und die Gesellschaft von ihrer Verantwortlichkeit im Außenverhältnis entlastet. In einer solchen Konstellation wird man nicht davon ausgehen können, dass der Vorstand mit einer abweichenden Entscheidung durch ein Gericht rechnen musste. Dieser Wertung im Außenverhältnis entsprechend könnte man annehmen, dass ein nicht entschuldigter Gesetzesverstoß im Außenverhältnis über die Legalitätspflicht ins Innenverhältnis transportiert wird und der Vorstand daher auch gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig gehandelt hat. Dies entspräche der bereits referierten Ansicht, nach der bei einer Gesetzesverletzung stets auch eine die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begründende Pflichtverletzung vorliegt.122 Bei näherer Betrachtung bestehen jedoch tiefgreifende Bedenken dagegen, eine die Innenhaftung begründende Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft schon dann anzunehmen, wenn das Handeln des Vorstands im Außenverhältnis einen Gesetzesverstoß begründet.123 In der Entscheidungssituation kann der Vorstand nicht rechtssicher feststellen, welcher Standpunkt der objektiven Rechtslage entspricht. Da es gerade die Aufgabe des Vorstands ist, profitable Geschäftschancen zu suchen und zu ergreifen124 und aussichtsreiche Geschäftschancen stets mit gewissen Risiken verbunden sind, erscheint die Eingehung eines (rechtlichen) Risikos nicht von vornherein ausgeschlossen. Entscheidet sich der Vorstand entgegen der herrschenden Rechtsauffassung für eine für die Gesellschaft günstige Auslegung, geschieht dies nicht im Interesse des Vorstands, sondern einzig und allein im Interesse der Gesellschaft.125 Sofern man in einem solchen Fall auch im Innenverhältnis eine Pflichtverletzung annähme, würde dem Vorstand das Fehlschlagrisiko seiner Entscheidung zugewiesen, obwohl er – im Gegensatz zur Gesellschaft – nicht am Erfolg einer etwaigen Rechtmäßigkeit partizipiert. Die Zuweisung des Fehlschlagrisikos würde dazu führen, dass der Vorstand für den Erfolg der Rechtmäßigkeit des Handelns der Gesellschaft im Innenverhältnis haftet. Dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG aber keine Erfolgshaftung des Vorstands normiert, ist allgemein anerkannt.126 122 Hierzu
bereits in Teil 1 C. II. auch Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2251 ff.; wohl ebenso Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 105 f., 157 ff.; vgl. auch Verse, ZGR 2017, 174, 186 f. 124 Vgl. Spindler, in: FS Canaris, Band II, S. 403, 422 f. 125 So auch Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 162; Verse, ZGR 2017, 174, 187. 126 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 596; Herrmann/Olufs/Barth, BB 2012, 1935, 1936; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 123 So
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Deswegen erscheint es als vorzugswürdig, zwischen einer Gesetzesverletzung im Außenverhältnis und den daraus resultierenden Konsequenzen (allgemeine Legalitätspflicht) einerseits und der die Innenhaftung begründenden Verletzung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht andererseits zu differenzieren.127 Während im Außenverhältnis die Rechtslage als objektiv feststehend zu betrachten ist, werden die vom Vorstand und der Aktiengesellschaft im Außenverhältnis zu beachtenden Bestimmungen durch die gegenüber der Gesellschaft bestehende Legalitätsplicht zu einer eigenen Verpflichtung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft transformiert. Diese Transformation der Pflichten bewirkt zwar bei unumstrittenen und klaren Normen, dass die gesetzlichen Pflichten im Außenverhältnis (Rechtsbefolgung) mit den Pflichten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft übereinstimmen.128 Bei umstrittener Rechtslage gibt es für den Vorstand aber trotz des objektiv feststehenden Rechts keine eindeutige Handlungsanweisung, die er zu befolgen hat.129 Vielmehr muss der Vorstand in solchen Fällen entscheiden, welcher Rechtsauffassung bzw. Auslegung er sich anschließt. Auch wenn viel dafür spricht, dass eine herrschende Rechtsauffassung dem objektiv geltenden Recht entspricht, können auch von Minderheiten vertretene oder im Vordringen befindliche Auffassungen überzeugend sein.130 Aus dem Gesichtspunkt einer angemessenen Risikoverteilung und zur Verhinderung einer Erfolgshaftung kann der Vorstand im Innenverhältnis nur verpflichtet sein, die Rechtslage sorgfältig zu ermitteln und das so ermittelte Recht zu befolgen.131 Zu Recht wird daher von vielen nicht zwingend auf eine pflichtwidrige Handlung des Vorstands geschlossen, wenn dieser die Gültigkeit einer Norm in Frage stellt oder eine herrschende Auslegung durch Behörden wie auch eine gefestigte Rechtsprechung überprüfen lässt und ein Gericht sich nicht der vom Vorstand vertretenen Auffassung anschließt.132 Folglich kann nicht stets von der Feststellung eines Gesetzesverstoßes auf eine die Innenhaftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begründende PflichtverRn. 61; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 5, 26; Wiedemann, Organverantwortung, S. 13; vgl. auch Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 166. 127 Vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 109. 128 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 24; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 167 f. 129 Vgl. Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 75. 130 So wohl auch Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 75. 131 Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 167 ff. 132 Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256; Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 93 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 30; ders., ZIP 2005, 141, 150; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 75; Spindler, in: Müko-AktG, § 93 Rn. 85; ders., in: FS Canaris, Band II, S. 403, 422 f.; vgl. auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 524.
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letzung des Vorstands geschlossen werden.133 Während die Entscheidung des Vorstands im Außenverhältnis als gebundene Entscheidung einzuordnen ist, kann sie im Verhältnis zur Gesellschaft unter Umständen nicht als gebundene Entscheidung eingeordnet werden. Welche konkreten Pflichten sich aus der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht ergeben, wird sogleich näher untersucht. 3. Entscheidungen bei unklarer Rechtslage Ist die Rechtslage unklar und auch nicht durch einen fachkundigen Rechtsrat zu klären, sind die vorstehenden Ausführungen zur Erforderlichkeit der Unterscheidung zwischen dem Innen- und Außenverhältnis134 maßgeblich. Im Außenverhältnis darf das Risiko einer rechtlichen Fehleinschätzung nicht außenstehenden Dritten aufgebürdet werden, nur weil die Rechtslage unklar ist.135 Vielmehr ist dieses Risiko von den Handelnden, mithin dem Vorstand und der Gesellschaft, zu tragen.136 Die Gesellschaft und der Vorstand können sich daher im Außenverhältnis nicht gegenüber einem zivilrechtlichen Anspruch entlasten, indem sie geltend machen, dass die Einholung eines fachkundigen Rechtsrats ergeben habe, dass eine unklare Rechtslage besteht.137 Erweist sich eine Entscheidung des Vorstands als gesetzeswidrig, ist ein zu entschuldigender (schuldloser) Rechtsirrtum im zivilrechtlichen Bereich nur gegeben, wenn der Vorstand und die Gesellschaft nicht damit rechnen mussten, dass ein Gericht die Entscheidung des Vorstands als rechtswidrig beurteilt.138 Bei einer unklaren oder umstrittenen Rechtslage wird der Vorstand aber im Regelfall damit rechnen müssen, dass ein Gericht auch einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen kann. Wendet man den Blick auf das Verhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft, ergibt schon ein Erst-Recht-Schluss, dass bei unklarer Rechtslage nicht zugleich von einer Gesetzesverletzung im Außenverhältnis auf eine die Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 169. Teil 1 C. II. 2. 135 Vgl. Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2250; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 149. 136 Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 149. 137 Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2249 f. 138 Ebenso Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2249 f.; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 118 ff.; 154; zu den nach der ständigen BGH-Rechtsprechung geltenden Anforderungen an einen Rechtsirrtum siehe BGH, Urt. v. 15.1.2013, in: BeckRS 2013, 07619 Tz. 12; Ernst, in: MüKo-BGB, § 286 Rn. 115 schließt die Schuldhaftigkeit bei besonders zweifelhafter Rechtslage aufgrund eines Rechtsirrtums aus; zu den Anforderungen eines entschuldigenden Rechtsirrtums im Straf- und Bußgeldrecht, Verse, ZGR 2017, 174, 182 ff. 133 Vgl.
134 Siehe
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Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begründende Pflichtverletzung geschlossen werden kann. Wenn der Vorstand infolge der vorstehenden Ausführungen139 sogar in manchen Fällen entgegen einer herrschenden Sichtweise handeln darf, kann es ihm erst recht nicht immer verwehrt sein, bei unklarer Rechtslage einen für die Gesellschaft günstigen Rechtsstandpunkt einzunehmen. Die für die Differenzierung zwischen dem Innen- und Außenverhältnis sprechenden und bereits im Zusammenhang mit dem Handeln entgegen der herrschenden Rechtsauffassung erläuterten Gründe140 sind hier ebenfalls maßgeblich. Dementsprechend wird auch zu Recht von vielen141 angenommen, dass bei unklarer Rechtslage nicht schon die spätere gerichtliche Feststellung der Gesetzeswidrigkeit über eine haftungsbegründende Pflichtverletzung des Vorstands im Innenverhältnis entscheidet. 4. Vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft gegenüber Dritten Auch die Verletzung einer von der Gesellschaft eingegangenen vertraglichen Verpflichtung gegenüber Dritten führt nicht zwingend zu einer Pflichtverletzung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft.142 Sofern der drohende Schadensersatzanspruch des Vertragspartners voraussichtlich geringer ist als der Nutzen, der der Gesellschaft durch die Nichterfüllung der Verpflichtung entsteht, liegt es im Interesse der Gesellschaft, der vertraglichen Verpflichtung nicht nachzukommen.143 Zwar obliegen der Gesellschaft in diesen Fällen durch den Vertragsschluss begründete und gesetzlich normierte Vertragspflichten. Jedoch besteht ein Unterschied zu Sachverhalten, in denen die Gesellschaft sich an allgemeinverbindliche Gesetze zu halten hat, die nicht durch einen Vertragsschluss mit einer anderen Person begründete Pflichten 139 Siehe
dazu Teil 1 C. II. 2. hierzu Teil 1 C. II. 2. 141 Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 157 ff., 169; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 23; vgl. auch U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100, der den Vorwurf der Pflichtwidrigkeit verneint, wenn der Vorstand alles unternommen hat, um pflichtwidriges Verhalten zu verhindern. 142 Bicker, AG 2014, 8, 9; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 33; ders., ZIP 2005, 141, 144, 150; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 147; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 148; Kocher, CCZ 2009, 215, 218; Lutter, ZIP 2007, 841, 843; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 25; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 132 f.; U. H. Schneider, in: FS Hüffer, S. 905, 911 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 518 f.; einen Verstoß gegen die Legalitätspflicht durch den Vorstand bei vertragswidrigem Verhalten wohl generell annehmend Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 4 Rn. 111. 143 Bicker, AG 2014, 8, 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 33; ders., ZIP 2005, 141, 144; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 132 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 519. 140 Auch
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regeln.144 Gerade dieser Unterschied rechtfertigt es, zumindest nicht zwingend eine Verletzung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht anzunehmen, wenn der Vorstand im Außenverhältnis gegen eine durch Vertrag begründete gesetzliche Verpflichtung verstößt.145 Das gegen eine vertragliche Pflicht verstoßende Handeln des Vorstands ist daher je nach Lage des Einzelfalles gegenüber der Gesellschaft als pflichtgemäß anzusehen, auch wenn die vertragliche Pflicht gesetzlich geregelt ist, wie etwa die Pflichten des Verkäufers nach § 433 Abs. 1 BGB. Allerdings ist der Vorstand auch gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, die Grenzen eines vorsätzlichen und sittenwidrigen Vertragsbruchs nach § 826 BGB bzw. eines Betrugs wegen einer von Anfang an billigend in Kauf genommenen Nichterfüllung des Vertrages nach § 263 StGB nicht zu überschreiten.146 5. Fazit hinsichtlich der Notwendigkeit der Differenzierung Nach alledem ist festzuhalten, dass zwischen der allgemeinen Legalitätspflicht im Außenverhältnis und der die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begründenden Legalitätspflicht zu differenzieren ist. Insbesondere die Konstellationen des Handelns entgegen einer herrschenden Ansicht und des Handelns bei unklarer Rechtslage haben gezeigt, dass nicht zugleich von einer Gesetzesverletzung im Außenverhältnis auf eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft geschlossen werden kann. Im Außenverhältnis haben die Gesellschaft und der Vorstand bis zur Grenze der allgemein anerkannten Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe das Risiko eines gesetzeswidrigen Verhaltens zu schultern.147 Der bisher offen gebliebenen Frage, welche Pflichtenlage der Legalitätspflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft entspringt, wird nun nachgegangen.
III. Legalitätspflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft Da der Vorstand gegenüber der Gesellschaft – wie vorstehend erläutert – nicht für den Erfolg des rechtmäßigen Verhaltens haftet, kann die Legalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft nur eine verhaltensbezogene und keine erfolgsbezogene Pflicht sein.148 Die Verpflichtung zur Wahrung der gesetzliBicker, AG 2014, 8, 9 f. Bicker, AG 2014, 8, 9. 146 Bicker, AG 2014, 8, 10. 147 Vgl. Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 21; für den Geschäftsführer einer GmbH Werner, GmbHR 2012, 1107 ff. 148 So auch Seibt, NZG 2015, 1097, 1100 f. 144 Vgl. 145 Vgl.
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chen Bestimmungen (allgemeine Legalitätspflicht) wird über die gegenüber der Gesellschaft bestehende Legalitätspflicht derartig ins Innenverhältnis übergeleitet, dass der Vorstand vor jeder Entscheidung zur sorgfältigen Ermittlung der Rechtslage verpflichtet ist.149 Darüber hinaus ergibt sich aus der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht, dass der Vorstand das so ermittelte Recht zu wahren hat (Befolgungspflicht).150 Schließlich hat der Vorstand auch dafür Sorge zu tragen, dass sich andere Unternehmensangehörige an die geltenden Gesetze halten.151 1. Rechtsermittlungs- und Befolgungspflicht bei eigener fachlicher Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage a) Bei eindeutiger Rechtslage Besitzt der Vorstand die nötige (juristische) Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage, hat er die rechtlich zulässigen Entscheidungsalternativen zu ermitteln. Fordert ein Gesetz eine klare und eindeutig bestimmbare Handlung bzw. Unterlassung vom Vorstand oder wird der Gesellschaft eine bestimmte Verhaltensweise gesetzlich ge- oder verboten, ist der Vorstand gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, sich nicht über diese rechtlichen Vorgaben hinwegzusetzen. Vielmehr ist seine Entscheidung in einem solchen Fall gebunden. Da nahezu jeder Entscheidung aus rechtlicher Sicht ein gewisser Rahmen gesetzt ist,152 sind viele Entscheidungen nur teilweise gebunden. Hinsichtlich des nicht gesetzlich determinierten Teils steht dem Vorstand ein unternehmerisches Ermessen zu.153 Die Beurteilung, ob der Vorstand die nötige Sachkunde zur Ermittlung der Rechtslage besitzt, obliegt ihm selbst. Entscheidet der Vorstand, dass er die erforderliche Sachkunde besitzt, muss er sich bei der Ermittlung der Rechtslage an den für rechtsberatende Berufe geltenden Sorgfaltsmaßstäben154 messen lassen.155 Der Einwand, dass ein Vorstandsmitglied eine rechtliche 149 Vgl. Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 167 f.; Kocher, CCZ 2009, 215, 217; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 66; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 13; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 77. 150 Vgl. Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 168; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21 f. 151 Siehe die Nachweise in Fn. 105. 152 Selbst bei der Bestimmung des Kaufpreises für einen Gegenstand, ist das Ermessen des Vorstands zumindest durch § 138 BGB begrenzt. 153 Zu den Sorgfaltsanforderungen bei solchen Entscheidungen siehe Teil 1 D. II. 154 Zum für rechtsberatende Berufe geltenden Sorgfaltsmaßstab ausführlich Poll, Die Haftung der freien Berufe, S. 59 ff. 155 Wohl a. A. Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 76.
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Bestimmung nicht gekannt hat und er deswegen davon ausgegangen ist, die nötige Sachkunde zu besitzen, hilft ihm nicht.156 Ein Rechtsberater könnte sich in diesem Fall auch nicht darauf berufen, dass er ein Gesetz nicht gekannt hat und daher zu einem falschen Ergebnis gekommen ist.157 Zwar kann von Vorstandsmitgliedern im Gegensatz zu Anwälten nicht erwartet werden, dass sie alle einschlägigen Gesetze kennen oder in der Lage sind, die Rechtslage selbstständig zu ergründen.158 Jedoch wird man von ihnen ein Problembewusstsein verlangen können, welches es ihnen ermöglicht, ihre eigene fehlende Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage erkennen zu können.159 Infolge dieses Problembewusstseins ist es ihnen möglich, einen für die konkrete Frage fachkundigen Rechtsrat hinzuzuziehen, wozu sie bei fehlender eigener Sachkunde auch verpflichtet sind.160 Zum Teil werden Vorstandsmitglieder für verpflichtet gehalten, bei besonders wichtigen Entscheidungen eine externe Expertise hinzuzuziehen, obwohl sie eigentlich selbst die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage besitzen.161 Dies ist jedoch abzulehnen.162 Sofern der Vorstand selbst die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage besitzt und auch die Zeit zur Rechtsermittlung hat, vermag es nicht einzuleuchten, warum ein mitunter teures externes Gutachten notwendig sein soll. Nicht schon das Vorstandshandeln ohne ein solches Gutachten, sondern Fehler bei der Rechtsermittlung begründen die Pflichtwidrigkeit. Im Ergebnis kommt die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wegen der Verletzung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht einer Erfolgshaftung sehr nahe, wenn der Vorstand entscheidet, die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage zu besitzen und eine klare Gesetzeslage existiert. Denn beurteilt er die Rechtslage trotz ihrer Eindeutigkeit falsch, kann ihm entweder vorgeworfen werden, dass er die Rechtslage nicht sorgfältig ermittelt hat – es gilt der strenge Sorgfaltsmaßstab für rechtsberatende Berufe. Oder aber ihm wird vorgeworfen, dass er fälschlicherweise Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 220 ff. BGH, Urt. v. 22.9.2005 (IX ZR 23/04), NJW 2006, 501, 502; Hermanns, Jura 2014, 365, 368; Poll, Die Haftung der freien Berufe, S. 59 ff. 158 Krieger, ZGR 2012, 496, 498; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 138; ders., CCZ 2013, 177, 180. 159 Ebenso Binder, AG 2012, 885, 890; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 220 ff.; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 139; ders., CCZ 2013, 177, 180; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 13; wohl auch Krieger, ZGR 2012, 496, 498 f., jedoch mit dem Hinweis, dass man diese Anforderungen nicht überspannen dürfe. 160 Siehe zu dieser Verpflichtung Teil 1 C. III. 1. und Teil 1 C. III. 2. 161 So Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 78; vgl. auch Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 447. 162 Wohl ebenso Selter, AG 2012, 11, 13 f.; vgl. auch Binder, AG 2012, 885, 891. 156 Ähnlich 157 Vgl.
C. Pflichtenumfang der Legalitätspflicht49
davon ausgegangen ist, die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage zu besitzen und er es deswegen pflichtwidrig unterlassen hat, einen fachlich qualifizierten Rechtsrat hinzuzuziehen – näheres zu dieser Verpflichtung sogleich163. Mithin lässt sich folgern, dass stets eine Verletzung der dem Vorstand gegenüber der Gesellschaft obliegenden Rechtsermittlungs- oder Rechtsbefolgungspflicht vorliegen wird, wenn ein Gesetz dem Vorstand keine Alternative zur geforderten und eindeutig bestimmbaren Handlung oder Unterlassung gewährt (gebundene Entscheidung) und der Vorstand der geforderten Handlung bzw. Unterlassung nicht entspricht.164 b) Bei unklarer Rechtslage oder zweifelhafter herrschender Ansicht Entstehen im Rahmen der Rechtsermittlung Zweifel, welche Handlung oder Unterlassung gesetzlich gefordert wird – wie es bei unklarer Rechtslage oder einer zu bezweifelnden herrschenden Rechtsauffassung der Fall ist – sind die Pflichten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft schwieriger zu beurteilen. aa) Pflicht zur Wahl des juristisch sichersten Wegs? Uwe H. Schneider will den Vorstand im Zweifel zur Wahl des aus juristischer Sicht sichersten Wegs verpflichten.165 Ein Vorstandsmitglied habe sich für die Maßnahme zu entscheiden, die für das Unternehmen vorteilhaft ist und zugleich den sichersten und gefahrlosesten Weg zur Wahrung des geltenden Rechts darstellt.166 Kein pflichtwidriges Handeln sei gegeben, wenn der Vorstand alles unternommen hat, um gesetzeswidriges Verhalten zu vermeiden.167 Die konsequente Folge dieser Sichtweise wäre, dass der Vorstand eine Geschäftschance schon dann unterlassen müsste, wenn die Rechtmäßigkeit ihrer Wahrnehmung mit Zweifeln behaftet ist. Eine Unterlassung wäre sogar erforderlich, wenn nur eine Stimme in der Literatur von der Rechtswidrigkeit 163 Teil
1 C. III. 2. Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2248; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 14; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 133; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 25 f.; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 81; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100. 165 U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100; ähnlich U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 13. 166 U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100. 167 U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100. 164 Vgl.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
der geplanten Maßnahme ausgeht. Denn der Vorstand hätte bei Wahrnehmung der Geschäftschance nicht alles unternommen, um rechtswidriges Verhalten zu vermeiden. Der sicherste und gefahrloseste Weg ist in einem solchen Fall die Nichtwahrnehmung der Geschäftschance. Nur dies wäre zweifelsohne rechtmäßig. Lediglich wenn beide zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen mit rechtlichen Bedenken behaftet sind, dürfte der Vorstand nach dieser Sichtweise ein rechtliches Risiko eingehen (rechtfertigende Pflichtenkollision). Allerdings ist anzumerken, dass aus Uwe H. Schneiders Ausführungen nicht eindeutig hervorgeht, ob er in dieser Konsequenz und dieser Restriktivität verfahren möchte. Da der Vorstand nach Uwe H. Schneider nur „im Zweifel“ auf den sichersten Weg verpflichtet sein soll, ist auch eine andere Deutung, etwa in dem Sinne denkbar, dass der Vorstand bei ebenso starken Argumenten für die eine wie für die andere Ansicht die zweifelsfrei rechtmäßige Handlungsalternative wählen muss. Jedenfalls bei restriktivem Verständnis wird verkannt, dass mit einer unternehmerischen Betätigung immer gewisse Risiken verbunden sind. Wäre der Vorstand gegenüber der Gesellschaft zu einem solch vorsichtigen Verhalten verpflichtet, wäre eine unternehmerische Betätigung in vielen Bereichen kaum möglich. Überdies müsste der Vorstand in Gesetzen enthaltene unbestimmte Rechtsbegriffe zur Verhinderung rechtswidrigen Verhaltens immer so vorsichtig wie nur irgend möglich auslegen. Auch dies würde nahezu jede unternehmerische Tätigkeit im Keim ersticken und kann daher nicht richtig sein.168 Dass der Vorstand nicht immer gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist, den aus rechtlicher Sicht sichersten Weg zu beschreiten, veranschaulicht ferner die Situation, in welcher divergierende Gerichtsurteile der gleichen Instanz zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme existieren.169 Hier vermag es nicht recht einzuleuchten, warum der Vorstand gegenüber der Gesellschaft verpflichtet sein sollte, eine Geschäftschance nicht wahrzunehmen, nur wenn ein – nicht im konkreten Fall ergangenes – Gerichtsurteil dem entgegensteht, obwohl ein anderes Gerichtsurteil der gleichen Instanz die Wahrnehmung gestattet.170 Man wird kaum annehmen können, dass einer der beiden Spruchkörper eine größere Bindungswirkung entfaltet als der andere. Sofern der Vorstand das Gerichtsurteil für überzeugend hält, welches von der Rechtmäßigkeit der geplanten Maßnahme ausgeht, und der drohende Schaden bei späterer gerichtlicher Feststellung der Rechtswidrigkeit geringer Ergebnis ebenso Kocher, CCZ 2009, 215, 217. U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 13, der den Vorstand im Grundsatz auf den sichersten Weg verpflichtet, nimmt bei unklarer Rechtslage und Eilbedürftigkeit der Entscheidung keine Pflicht zur Wahl des sichersten Wegs an. 170 Ebenso Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 191 ff. 168 Im
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ist als der Ertrag bei Rechtmäßigkeit der Maßnahme, muss der Vorstand berechtigt sein, die Maßnahme wahrzunehmen. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass dieses Ergebnis einen Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen zum bei eigener Sachkunde des Vorstands zur Beurteilung der Rechtslage geltenden Sorgfaltsmaßstab (rechtsberatender Berufe) darstellt. Zwar ist es richtig, dass Rechtsanwälte grundsätzlich dazu verpflichtet sind, zum sichersten Weg zu raten.171 Jedoch zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass diese Pflicht nur die Entstehung eines Schadens beim Mandanten vermeiden soll.172 Oftmals ist ein Risiko nur durch einen Rechtskundigen vorhersehbar, sodass der Mandant ohne Aufklärung über die Risiken keine sachgerechte Entscheidung treffen kann.173 Klärt ein Anwalt seinen Mandanten über die Risiken auf, darf er durchaus zu einem Verhalten raten, welches zwar mit Risiken behaftet, aber aus Sicht des Anwalts juristisch zulässig ist.174 Vergleicht man diese Situation mit der des Vorstands, wird deutlich, dass ein rechtskundiger Vorstand die Risiken selbst kennt und einschätzen kann. Eine generelle Pflicht zur Vermeidung jedes rechtlichen Risikos kann sich daher auch nicht aus einem Vergleich mit den Pflichten eines Anwalts ergeben. Der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht ist vor diesem Hintergrund keine generelle Verpflichtung des Vorstands auf den rechtlich sichersten Weg zu entnehmen. bb) Befugnis zur Wahl einer gerade noch vertretbaren Rechtsauffassung (1) Überwiegende Ansicht Überwiegend wird der Vorstand für berechtigt und in manchen Situationen sogar für verpflichtet175 gehalten, der für die Gesellschaft günstigsten und gerade noch vertretbaren Rechtsauffassung zu folgen.176 Vom Vorstand könne 171 Zur Pflicht des Anwalts zur Wahl des juristisch sichersten Wegs Fahrendorf, in: HdB Rechtsanwaltshaftung, Rn. 535 ff.; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, § 13 Rn. 1 ff.; Poll, Haftung der freien Berufe, S. 63 f. 172 Vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1985 (IX ZR 175/84), NJW RR 1986, 1281, 1282; Peitscher, Anwaltsrecht, § 30 Rn. 447; Poll, Haftung der freien Berufe, S. 63 f. 173 Poll, Haftung der freien Berufe, S. 63; vgl. auch Fahrendorf, in: HdB Rechtsanwaltshaftung, Rn. 535. 174 Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, § 13 Rn. 4; vgl. auch Poll, Haftung der freien Berufe, S. 66 ff. 175 Hierzu Bicker, AG 2014, 8, 11; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 87. 176 OLG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2007 (17 U 111/07), AG 2008, 453, 454 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 30; Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 264 f.; Mer-
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
aus rechtlicher Sicht nicht mehr als die Befolgung einer gerade noch vertretbaren Rechtsauffassung verlangt werden.177 Bei eilbedürftigen Entscheidungen genüge sogar eine summarische Prüfung der Rechtslage.178 Nach dieser Ansicht wird der Vorstand als berechtigt oder gar als verpflichtet angesehen, die für die Gesellschaft vorteilhafteste und gerade noch vertretbare Rechtsauffassung zu ermitteln. Wenn sich bereits eine ganz herrschende Sichtweise in der Literatur oder eine gefestigte Rechtsprechung gebildet habe, dürfe der Vorstand nicht ohne weiteres einer vereinzelten Gegenauffassung folgen.179 Nur wenn weitere Kriterien hinzutreten – etwa die Unzumutbarkeit des Zuwartens bei unsicherer Rechtslage oder gewichtige europarechtliche Bedenken gegenüber einer geregelten, aber nicht gesicherten Rechtslage –, sei eine Nichtbefolgung der „herrschenden Ansicht“ gestattet.180 (2) Optimierungsthese Langenbucher hält den Vorstand jedenfalls im Bereich des Aufsichtsrechts für verpflichtet, die aus seiner Sicht am besten vertretbare Rechtsauffassung zu ermitteln und dieser auch zu folgen (sog. Optimierungsthese).181 Prinzipienbasierte aufsichtsrechtliche Normen müssten dahin ausgelegt werden, dass die gesetzgeberisch intendierten Aufsichtsprinzipien möglichst optimal verwirklicht werden.182 Langenbucher lässt allerdings offen, ob die Optimierungsthese auch jenseits des Aufsichtsrechts zur Anwendung gelangen soll. cc) Stellungnahme und eigene Ansicht Betrachtet man die Optimierungsthese genauer, so fällt auf, dass sie dem Telos einer Norm eine besonders wichtige Bedeutung im Rahmen der allgetens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 75; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 81; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 83. 177 Vgl. Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 83. 178 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 29; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 77. 179 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 31; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 86; J. Wagner, BB 2012, 651, 653. 180 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 31; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 85 f.; als Beispiele werden diesbezüglich die komplexen Fragen um die europarechtliche Zulässigkeit von Internet-Apotheken in der Rechtssache „DocMorris“ (EuGH, Urt. v. 11.12.2003 [Rs. C-322/01], MMR 2004, 149) oder um Glücks- und Wettspielanbieter in der Rechtssache „Gambelli“ (EuGH, Urt. v. 6.11.2003 [Rs. C-243/01], NJW 2004, 139 ff.) angeführt. 181 Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22. 182 Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22 f.
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meinen Gesetzesauslegung einräumt. Indem der Vorstand im Rahmen der Rechtsermittlung verpflichtet wird, die vom Gesetzgeber verfolgten Aufsichtsprinzipien optimal zu verwirklichen,183 wird dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung die Rolle des wichtigsten Auslegungskriteriums zugeschrieben. Auch wenn dies bei prinzipienbasierten aufsichtsrechtlichen Normen einen gewissen Reiz hat, ist die Erstrangigkeit des Telos im Rahmen der allgemeinen Gesetzesauslegung jedenfalls außerhalb des Aufsichtsrechts abzulehnen. Sollte Langenbucher auch außerhalb des Aufsichtsrechts die Optimierungsthese unmodifiziert für überzeugend halten, bleibt sie eine Begründung dafür schuldig, warum der Vorstand entgegen der allgemeinen Grundsätze zur Gesetzesauslegung zwingend der dem Regelungsanliegen am besten entsprechenden Auslegung folgen soll, auch wenn der Wortlaut, die Systematik oder die Historie des Gesetzes auf eine andere Auslegung hindeuten. Zumindest außerhalb des aufsichtsrechtlichen Bereichs hat der Vorstand wie jede andere Person die Rechtslage anhand der allgemein üblichen Gesetzesauslegung zu beurteilen. Auch wenn folglich die überragende Bedeutung des Telos im Rahmen der Gesetzesauslegung und damit zugleich die Optimierungsthese jedenfalls außerhalb des Aufsichtsrechts abzulehnen ist, stellt Langenbucher eine überzeugende Grundüberlegung zur Pflichtenlage des Vorstands bei unklarer Rechtslage oder zweifelhafter herrschender Rechtsauffassung an, indem sie den Vorstand zur Ermittlung und Befolgung der aus seiner Sicht juristisch am besten vertretbaren Auffassung verpflichtet. Folgt man demgegenüber der überwiegend vertretenen Auffassung und hält den Vorstand für berechtigt oder gar für verpflichtet, der für die Gesellschaft günstigsten und gerade noch vertretbaren Rechtsauffassung zu folgen, ermöglicht man Situationen, in welchen der Vorstand – nicht wegen der Überzeugungskraft der Argumente, sondern allein aus Nützlichkeitserwägungen – einer Ansicht folgt, obwohl die besseren Gründe auch aus der Sicht des Vorstands für eine andere Rechtsauffassung streiten. Dies wäre wenig einleuchtend. Bereits an anderer Stelle184 wurde erläutert, dass das geltende Recht nicht aus Nützlichkeitserwägungen missachtet werden darf. Diese Wertung muss auch bei einer unklaren oder umstrittenen Rechtslage Berücksichtigung finden. Gelangt der Vorstand im Rahmen seiner Rechtsermittlung zu der Überzeugung, dass eine für die Gesellschaft ungünstige herrschende Ansicht zutreffend ist, darf er sich nicht durch die Befolgung der für die Gesellschaft günstigen Minderansicht entgegen der aus seiner Sicht ermittel183 Vgl.
Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22 f. hierzu Teil 1 C. II. 1.
184 Siehe
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ten Rechtslage entscheiden. Im Rahmen der Beachtung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht steht nicht das Interesse der Gesellschaft im Vordergrund.185 Leitlinie des Handelns ist allein die Wahrung der Rechtsordnung.186 Folglich ist Langenbucher darin zuzustimmen, dass der Vorstand im Rahmen der Ermittlung der Rechtslage die aus seiner Sicht juristisch am besten vertretbare Auffassung zu ermitteln hat. Bei eigener Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage muss der Vorstand anhand der anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung und unter Berücksichtigung aller ermittelbaren Rechtsauffassungen die aus seiner Sicht juristisch am besten vertretbare Rechtsauffassung identifizieren. Diese hat er sodann zu befolgen. Da nicht dem Vorstand, sondern den Gerichten die letztverbindliche Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe obliegt, darf er sich nur dann abweichend von einer ständigen Rechtsprechung zur Gesetzauslegung entscheiden, wenn weitere Umstände – wie verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegenüber der Rechtsprechung oder eine begründete Aussicht auf ihre Änderung – gegeben sind.187 Eine gegen eine gesetzliche Regelung oder eine ständige Rechtsprechung verstoßende Handlung darf nur dann wegen verfassungsoder europarechtlichen Bedenken gegenüber der gesetzlichen Regelung oder der ständigen Rechtsprechung vorgenommen werden, wenn die von dem Geschäftsleiter für unzutreffend gehaltene Rechtsprechung bzw. die gesetzliche Regelung für das Unternehmen eine gravierende Belastung darstellt und keine Möglichkeit besteht, die Rechtslage in einer für das Unternehmen zumutbaren Zeit vorab gerichtlich überprüfen zu lassen. Als weitere Voraussetzung wird man ferner fordern müssen, dass durch die Handlung des Vorstands kein besonders wichtiges Rechtsgut (etwa Leib und Leben) verletzt zu werden droht.188 Beispielsweise wenn der Eintritt eines Unternehmens in einen bestimmten Markt wegen einer ständigen Rechtsprechung bzw. einer gesetzlichen Regelung nicht zulässig ist, aber davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber und / oder die Gerichte das Geschäftsmodell aufgrund der Neuartigkeit nicht in ihre Überlegungen mit einbezogen haben und aus verfassungs- oder europarechtlicher Sicht viel dafür spricht, dass das Geschäftsmodell zulässig ist, kann ein Verstoß gegen das geltende Recht bzw. die ständige Rechtsprechung zulässig sein. In einer solchen und auch in anderen damit vergleichbaren Ausnahmekonstellationen kann der Verzicht auf eine nach der bisher herrschenden Sichtweise als rechtswidrig einzuordnende Maßnahme 185 Vgl. auch Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 69; Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 953. 186 Vgl. Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 69. 187 Vgl. Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 190, 195 ff. 188 Verse, ZGR 2017, 174, 190.
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unzumutbar sein.189 Vage Zweifel gegenüber einer gesetzlichen Regelung oder an einer ständigen Rechtsprechung genügen hierzu jedoch nicht. In Situationen, in welchen für und gegen die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme ebenso gute Gründe streiten und daher eine nahezu gleiche Wahrscheinlichkeit für die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit besteht, darf der Vorstand trotz Rechtszweifeln für die der Gesellschaft günstige Auffassung optieren.190 Wenn keine Rechtsgüter von besonderer Bedeutung (Leib und Leben) verletzt zu werden drohen, kommt dem öffentlichen Präventionsinteresse keine derartig hohe Bedeutung zu, dass sich eine Einschränkung der Handlungsoptionen des Vorstands in solchen Konstellationen rechtfertigen lässt.191 Damit ist aber noch nicht entschieden, ob der überwiegend vertretenen Auffassung immerhin dahin zuzustimmen ist, dass der Vorstand bei eilbedürftigen Entscheidungen „nur“ zu einer summarischen Prüfung der Rechtslage verpflichtet ist. Wenn die Eilbedürftigkeit nicht rechtlich begründet ist, sondern aus (vermeintlichen) wirtschaftlichen Zwängen folgt, genügt eine summarische Prüfung nicht. Vielmehr ist der Vorstand auch hier zu einer sorgfältigen Ermittlung des geltenden Rechts verpflichtet. Andernfalls würden erneut Nützlichkeitserwägungen der Pflicht zur Wahrung der Rechtsordnung vorgezogen. Besteht die Eilbedürftigkeit jedoch kraft Gesetzes – etwa aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung – und hat der Vorstand deswegen nicht genügend Zeit, um die Rechtslage sorgfältig zu ermitteln, liegt ein Fall der rechtfertigenden Pflichtenkollision vor. Hier kann eine summarische Prüfung ausnahmsweise angezeigt sein. c) Zwischenfazit Infolge all dessen, und weil Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beweislast für die Pflichtenkonformität ihres Handelns tragen, sollten sich Vorstandsmitglieder darüber im Klaren sein, dass sie dem Verdikt des pflichtwidrigen Handelns bei eigener Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage nur entgehen, wenn sie eine plausible und nachvollziehbare Begründung für die von ihnen präferierte Rechtsauffassung vorweisen können. Je gewichtiger die Argumente der Gegenauffassung sind, desto höher ist die Begründungslast des Vorstands. Er muss erklären können, warum die von ihm verfolgte Rechtsauffassung aus seiner Sicht mindestens ebenso gute Argumente aufweisen kann, wie es die Vertreter der Gegenansicht für ihre Verse, ZGR 2017, 174, 190. ZGR 2017, 174, 190. 191 Verse, ZGR 2017, 174, 190. 189 Vgl.
190 Verse,
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Sichtweise können. Zwar wird man Vorstandsmitgliedern bei der Gewichtung der Argumente einen gewissen Ermessensspielraum einräumen müssen. Jedoch muss ein jedes Vorstandsmitglied ein Gericht davon überzeugen können, dass es einen ernsthaften Versuch unternommen hat, die Argumente unvoreingenommen und sachgerecht gegeneinander abzuwägen. In diesem Zusammenhang ist vor einer Überspannung der Plausibilisierungsanforderungen zu warnen. Denn die Infragestellung einer herrschend vertretenen Rechtsauffassung hat volkswirtschaftlich gesehen auch positive Aspekte. Hätte sich beispielsweise kein Geschäftsleiter dazu entschieden, die nach einzelstaatlichen Gesetzen normierte Unzulässigkeit von Internet-Apotheken192 oder von Wett- und Glücksspielangeboten im Internet193 aufgrund des Europarechts anzuzweifeln, wären diese (innovativen) Geschäftsmodelle nicht möglich gewesen.194 2. Rechtsermittlungs- und Rechtsbefolgungspflicht bei fehlender Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage Fehlt dem Vorstand die erforderliche Sachkunde, um die Rechtmäßigkeit einer geplanten Maßnahme zu beurteilen, genügt er den Anforderungen an die ihm obliegende Rechtsermittlungspflicht nur, wenn er sich unter umfassender Darstellung des Sachverhalts und Offenlegung der notwendigen Unterlagen von einem unabhängigen sowie für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und wenn er den erhaltenen Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.195 Hiergegen kann nicht mit dem BGH eingewandt werden, dass bei Einholung eines solchen Rechtsrats zwar die Pflichtwidrigkeit zu bejahen ist, aber 192 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2003 (Rs. C-322/01), MMR 2004, 149 – „DocMorris“ mit Anm. von Mand, MMR 2004, 155 ff.; hierzu auch Lenz, NJW 2004, 332 ff. 193 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.11.2003 (Rs. C-243/01), NJW 2004, 139 ff. – „Gambelli“; hierzu Nelle/Beckmann, ZIP 2005, 887 ff. und Hoeller/Bodemann, NJW 2004, 122 ff. 194 Wohl ebenso Spindler, in: Müko-AktG, § 93 Rn. 87, der den Vorstand in solchen Fällen sogar für verpflichtet hält eine herrschende Rechtsauffassung auf die Probe zu stellen. 195 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 209 und Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 239 f., die diese Anforderungen allerdings nicht ausdrücklich aus der Legalitätspflicht entnehmen; vgl. auch Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 93 und U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100, die fordern, dass der Vorstand in der konkreten Situation alles ihm zumutbar Mögliche zur Klärung der Rechtslage getan hat; vgl. ebenfalls Leitsatz 2 des BGH, Urt. v. 20.9.2011 (II ZR 234/09), NZG 2011, 1271 – „Ision“, nach welchem die besagten Voraussetzungen allerdings nicht auf der Pflichtenebene, sondern bei der Prüfung eines unverschuldeten Rechtsirrtums (beim Verschulden) zu berücksichtigen sind; ebenso BGH, Urt. v. 28.4.2015 (II ZR 63/14), BB 2015, 1743, Tz. 28.
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auf der Ebene der Schuld eine Haftung durch die Annahme eines unverschuldeten Verbotsirrtums auszuschließen ist.196 Eine solche Sichtweise verkennt den Charakter der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht. Als Teil der dem Vorstand obliegenden Sorgfaltspflicht197 kann sie nur als verhaltensbezogene Pflicht eingeordnet werden.198 Ein pflichtwidriges Handeln des Vorstands könnte aber bei Erfüllung der ihm obliegenden Verhaltensanforderungen hinsichtlich der Prüfung der Rechtslage nur angenommen werden, wenn die Pflicht des Vorstands erfolgsbezogen ist.199 Im Gegensatz zum Außenverhältnis schuldet der Vorstand gegenüber der Gesellschaft nicht den Erfolg des gesetzmäßigen Verhaltens. Vielmehr kommt es – wie erläutert – darauf an, ob er die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Sorgfaltsanforderungen bei der Ermittlung und der anschließenden Befolgungsentscheidung erfüllt hat.200 Aus der – vorstehend erläuterten – Pflicht des Vorstands, die juristisch aus seiner Sicht am besten vertretbare Rechtsauffassung zu identifizieren, lässt sich folgern, dass der Vorstand den Rechtsberater nicht zur Ermittlung einer für die Gesellschaft günstigen und gerade noch vertretbaren Rechtsauffassung beauftragen darf.201 Vielmehr muss der Vorstand um die Ermittlung der am besten vertretbaren Auffassung bitten.202 Insoweit ist grundsätzlich nicht die subjektive Sicht des Beraters, sondern die obergerichtliche Rechtsprechung entscheidend. Ist der Expertise eine eindeutige Aussage über die Rechtmäßigkeit einer geplanten Maßnahme zu entnehmen und ergibt auch die Plausibilitätskontrolle keine Anhaltspunkte, den Rechtsrat zu überdenken, muss der Vorstand dem Ergebnis des Rechtsrats folgen (Rechtsbefolgungspflicht). Aus dem Umstand, dass ein Vorstandsmitglied in der Regel nicht umfassend rechtskundig ist, ergibt sich, dass die Anforderungen zur Darstellung des Sachverhalts gegenüber dem Rechtsberater und zur Plausibilisierung des 196 So aber BGH, Urt. v. 20.9.2011 (II ZR 234/09), NZG 2011, 1271 – „Ision“, wonach dem Vorstand aufgrund eines unverschuldeten Rechtsirrtums nur kein Verschulden zur Last gelegt werden könne; so auch BGH, Urt. v. 28.4.2015 (II ZR 63/14), BB 2015, 1743, Tz. 28; ebenso Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2254; wohl auch Krause, BB-Special Nr. 8 (2007), S. 2, 6; Strohn, CCZ 2013, 177, 178 f., jedoch mit dem Hinweis, dass die Pflichtwidrigkeit und das Verschulden oft parallel laufen; wie hier von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 140. 197 Zu dieser Einordnung Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 14 ff.; ders., NZG 2014, 321, 322; Habersack, in: Karlsruher Forum, S. 5, 28; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509; vgl. auch U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 75; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 404. 198 Vgl. Seibt, NZG 2015, 1097, 1100 f. 199 Wohl ebenso von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649. 200 Vgl. Seibt, NZG 2015, 1097, 1100. 201 Vgl. Langenbucher, ZBB 2014, 16, 23. 202 Vgl. Langenbucher, ZBB 2014, 16, 23.
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erteilten Rechtsrats nicht überspannt werden dürfen.203 So hat der BGH mit Recht entschieden, dass es einem Vorstandsmitglied nicht zur Last gelegt werden kann, wenn es fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass der fachkundige Rechtsberater die Rechtslage umfassend begutachtet hat, er in Wahrheit aber nur einen Teil auf die rechtliche Vereinbarkeit geprüft hat.204 Der BGH führt aus, dass es bereits zu einer Entlastung kommt, wenn sich die Prüfung aus der Sicht des nicht fachkundigen Organs auf die zweifelhafte Frage erstreckt hat.205 Selbst wenn ein Gericht das Handeln des Vorstands im Nachhinein im Außenverhältnis für rechtswidrig erklärt, kann dem Vorstand im Innenverhältnis kein pflichtwidriges Handeln vorgeworfen werden, da er alles getan hat, um die Rechtslage zu ergründen.206 3. Pflicht zur Sorge für rechtmäßiges Verhalten im Unternehmen Die der Legalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft entspringende Verpflichtung des Vorstands, für rechtmäßiges Verhalten im Unternehmen Sorge zu tragen, untergliedert sich in viele situationsabhängige Einzelpflichten. Um der notwendigen Fokussierung in dieser Arbeit gerecht zu werden, kann nur ein grober Überblick über die einzelnen Pflichten gegeben werden. Auf der Grundlage einer unternehmensspezifischen Risikoanalyse207 hat der Vorstand eine Compliance-Organisation einzurichten, die Gesetzesverstößen präventiv entgegen wirkt und erfolgte Verstöße aufdeckt sowie sanktioniert.208 Hinsichtlich des „Ob“ der Einrichtung der Compliance-Organisation ist der Vorstand gebunden.209 Nur bezüglich der Art und Weise der Ausge203 Vgl. auch Buck-Heeb, BB 2016, 1347, 1349 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 35d f.; Krieger, in: ZGR 2012, 496, 498 f.; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 529. 204 BGH, Urt. v. 28.4.2015 (II ZR 63/14), BB 2015, 1743, Tz. 30. 205 BGH, Urt. v. 28.4.2015 (II ZR 63/14), BB 2015, 1743, Tz. 30. 206 Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 93; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 209; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 139 f.; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 83; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 524; wohl auch Bayer, in: FS K. Schmidt, S. 85, 92 f. 207 Näher hierzu Moosmayer, Compliance, Rn. 71 ff. 208 Vgl. Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 946. 209 Bürkle, BB 2007, 1797, 1798 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 55; vgl. auch Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 92; wohl keine generelle Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Organisation annehmend Spindler, in: MüKo-AktG, § 91 Rn. 63; a. A. Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 151 ff., sofern der Vorstand davon ausgehen darf, dass auch ohne institutionalisierte Compliance-Organisation normkonformes Verhalten der Mitarbeiter erreicht werden kann. Auch Harbarth geht allerdings davon aus, dass jedenfalls in börsennotierten Gesellschaften in der Regel eine institutionalisierte Compliance-Organisation einzurichten ist.
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staltung steht ihm ein Ermessensspielraum zu.210 Auch wenn die erforderliche Ausgestaltung vom Einzelfall abhängt, können verallgemeinerungsfähige Pflichten ausgemacht werden. a) Ausgestaltung der Compliance-Organisation Dem Vorstand obliegt die Aufgabe, alle Mitarbeiter des Unternehmens durch die Schaffung von Compliance-Leitlinien klar und deutlich anzuweisen, die Gesetze zu beachten.211 Er muss hierbei zum Ausdruck bringen, dass Verstöße nicht toleriert werden, sondern die Wahrung der Rechtsordnung oberste Priorität hat.212 Überdies sind klare Verantwortungsbereiche und Organisationsstrukturen unter den Vorstandsmitgliedern, aber auch in nachgelagerten Unternehmensstufen zu schaffen.213 Außerdem ist die Einrichtung eines regelmäßigen sowie anlassbezogenen Compliance-Reportings erforderlich.214 b) Aufklärung von Verdachtsmomenten, Abstellung von Verstößen sowie Systemprüfungs- und Nachjustierungspflichten Deuten Verdachtsmomente auf einen Gesetzesverstoß hin, ist der Vorstand zur unverzüglichen Aufklärung verpflichtet.215 Stellt sich dabei heraus, dass Gesetzesverstöße begangen wurden, hat der Vorstand das Fehlverhalten abzustellen und in der Regel zu sanktionieren.216 Überdies muss der Vorstand überprüfen, ob eine Umgestaltung der Compliance-Organisation dazu bei210 Bürkle, BB 2007, 1797, 1798 f.; Fleischer, NZG 321, 324; vgl. auch Spindler, in: MüKo-AktG, § 91 Rn. 64 ff. 211 Fleischer, NZG 2014, 321, 326; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 123. 212 Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 158; Hauschka/Greeve, BB 2007, 165, 167; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2174, 2176; Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 963; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 414. 213 LG München I, Urt. v. 10.12.2013 (5 HK O 1387/10), NZG 2014, 345, 347 – „Siemens/Neubürger“; Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; Bussmann/Matschke, CCZ 2009, 132, 136 f.; Fleischer, NZG 2014, 321, 326; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 158; vgl. auch Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 97 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 414. 214 Fleischer, NZG 2014, 321, 326; ders., CCZ 2008, 1, 6; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 158; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 128. 215 Fleischer, NZG 2014, 321, 326; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 160; Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 958 ff. 216 Ausführlich hierzu Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 160 ff.; Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 960 ff.; Bussmann/Matschke, CCZ 2009, 132, 136; Moosmayer, Compliance, Rn. 338 ff.; siehe auch Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 99; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 128; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 414 f.
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trägt, dass solche Gesetzesverstöße nicht mehr vorkommen.217 Weiterhin besteht eine Verpflichtung, die Compliance-Organisation auch ohne spezielle Anlässe laufend fortzuentwickeln und zu kontrollieren.218 4. Ergebnisse zur gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht Der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht lässt sich sowohl eine Rechtsermittlungspflicht als auch eine Rechtsbefolgungspflicht entnehmen. Ferner hat der Vorstand für das rechtmäßige Handeln anderer Unternehmensangehöriger zu sorgen. Sofern der Vorstand entscheidet, die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage zu besitzen, ist die Erfüllung seiner Rechtsermittlungspflicht am für rechtsberatende Berufe geltenden Sorgfaltsmaßstab zu messen. Dem Vorstand ist es nicht gestattet, eine Entscheidung zu treffen, welche der sorgfältig ermittelten, eindeutigen Rechtslage entgegensteht (Rechtsbefolgungspflicht). Fehlt dem Vorstand dagegen die erforderliche Sachkunde, ist er verpflichtet, einen unabhängigen und für die konkrete Frage sachkundigen Rechtsrat einzuholen. Diesen hat er stets einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Bei unklarer Rechtslage oder zu bezweifelnder herrschender Rechtsauffassung muss der Vorstand die juristisch am besten vertretbare Ansicht identifizieren. Auch wenn ihm bei der Abwägung der Argumente ein Ermessensspielraum zukommt, darf er sich – vorbehaltlich der Konstellation, in welcher ebenso gute Argumente für die Rechtmäßigkeit wie für die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme streiten – nicht von Nützlichkeitserwägungen leiten lassen. Die Pflicht zur Wahrung der Rechtsordnung geht den Interessen der Gesellschaft und ihrer Anteilseigner insoweit vor.
IV. Beurteilung der Strenge der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht Im Gegensatz zur Treuepflicht ist der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht ein äußerst umfangreiches und strenges Pflichtenprogramm zu entnehmen. Wie erläutert muss der Vorstand nicht nur dafür Sorge tragen, dass er selbst nicht gegen das geltende Recht verstößt. Ihm 217 Fleischer, NZG 2014, 321, 326; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 158 f., 160; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 128. 218 Bussmann/Matschke, CCZ 2009, 132, 135; Fleischer, NZG 2014, 321, 326; Harbarth, ZHR 179 (2015), 136, 158 f.; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 107; Moosmayer, Compliance, Rn. 286 ff.; vgl. auch Verse, ZHR 175 (2011), 401, 414 f.
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obliegt es auch, Gesetzesverstöße durch andere Unternehmensangehörige zu verhindern. 1. Wachsende Vielzahl an zu beachtenden rechtlichen Bestimmungen Aufgrund der Vielzahl der rechtlichen Bestimmungen, die bei der wirtschaftlichen Betätigung zu beachten sind, ist die Sorge für rechtmäßiges Verhalten des Unternehmens gerade in großen Aktiengesellschaften eine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Neben den gesetzlichen Vorgaben des Ak tiengesetzes sind alle anderen Bestimmungen, wie die des Umweltrechts, der Sicherheitsvorschriften, der Arbeitsgesetze, der Produktsicherheitsgesetze, des Kartellrechts, des Strafrechts, des Kapitalmarktrechts etc. zu wahren. Bei international tätigen oder an mehreren Börsen in unterschiedlichen Ländern gelisteten Aktiengesellschaften kommen ferner die Vorgaben der ausländischen Rechtsordnungen hinzu. Überdies nehmen die vom Vorstand zu beachtenden gesetzlichen Vorgaben stetig zu. Fleischer hat insofern treffend formuliert, dass Geschäftsleitern in den letzten Jahren eine Überlast an gesellschaftsrechtlichen Anforderungen und öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen aufgebürdet wurden.219 Exemplarisch kann für die stetig steigenden rechtlichen Vorgaben auf die durch die Rechtsprechung verschärften Vorstandspflichten im Bereich der Insolvenzverschleppung und der verbotenen Zahlungen nach Insolvenzreife verwiesen werden.220 Auch die vor allem in letzter Zeit immens gewachsenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen – welche vor allem für Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften von Relevanz sind – können angeführt werden.221 Nicht zuletzt sind die Pflichten der Vorstandsmitglieder durch die Geltl / Daimler / Schrempp-Rechtsprechung des EuGH222 und des BGH223 im 219 Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 304; vgl. auch Eufinger, WM 2015, 1265, der es für „äußerst fraglich“ hält, dass die strikte Gesetzesbindung der Leistungsorgane in allen Lebensbereichen und –sachverhalten tatsächlich durchgehalten werden kann. 220 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 92 Rn. 3, der davon spricht, dass die Haftungsrisiken in diesen Bereichen für die Vorstandsmitglieder beträchtlich gestiegen sind. 221 Vgl. Langenbucher, ZBB 2013, 16, 20, die von einer Normenfülle in regulierten Branchen spricht; hinsichtlich Versicherungsunternehmen siehe auch Louven/ Ernst, VersR 2014, 151 ff.; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 15 stellt eine „wachsende Verrechtlichung des Wirtschaftslebens“ und eine Zunahme öffentlich-rechtlicher Pflichten fest; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397 spricht von einer Zunahme der wirtschaftlichen und juristischen Komplexität. 222 EuGH, Urt. v. 28.6.2012 (C-19/11), NZG 2012, 784. 223 BGH, Urt. v. 23.4.2013 (II ZB 7/09), BB 2013, 1483.
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Bereich der Ad-hoc-Publizität wegen der Begründung von Zwischenschritten ausgeweitet worden.224 2. Haftung wegen Legalitätspflichtverletzung kommt Erfolgshaftung nahe Wenngleich der Vorstand nicht für den Erfolg des gesetzmäßigen Handelns der Gesellschaft haften soll, kommt seine Verantwortlichkeit wegen der Verletzung der Legalitätspflicht einer Erfolgshaftung im Ergebnis nahe, wenn kein Rechtsrat eingeholt wird. Handelt der Vorstand, ohne einen fachkundigen Rechtsrat einzuholen, und verstößt seine Vorstandsentscheidung gegen eine gesetzliche Bestimmung, kann den Vorstandsmitgliedern entweder vorgeworfen werden, dass sie ein Gesetz pflichtwidrig missachtet haben, oder aber es kann ihnen – sofern dem Vorstand die Existenz eines Gesetzes und die daraus resultierenden Vorgaben unbekannt war – die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage abgesprochen werden. Letzteres hat zur Folge, dass ihnen der Vorwurf gemacht werden kann, pflichtwidrig keine qualifizierte externe Expertise zur Klärung der Rechtslage hinzugezogen zu haben. Auch wenn man Vorstandsmitgliedern ein Problembewusstsein für rechtlich zweifelhafte Entscheidungen zuschreiben kann, erscheint es nicht gerade als fernliegend, dass der Vorstand leicht fahrlässig die rechtliche Unzulässigkeit einer Maßnahme übersieht. Wie das nachfolgende Beispiel zeigt, tritt die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme nicht stets offen zu Tage. Beispiel: Bei der Entscheidung über die Entgegennahme von Gesellschafterdarlehen wird der Vorstand in erster Linie an die Beachtung der allgemeinen Bestimmungen des Darlehensrechts denken. Überdies ist aber unter gewissen Umständen eine Bankerlaubnis für die Entgegennahme von Gesellschafterdarlehen erforderlich,225 was vielen Vorstandsmitgliedern unbekannt sein dürfte. Dass der Vorstand diese Problematik leicht fahrlässig übersieht und daher ohne Einholung einer juristischen Expertise und ohne eine erforderliche Bankerlaubnis handelt, erscheint nicht gerade als unwahrscheinlich.
Wie das Beispiel zeigt, können selbst bei einfach erscheinenden Vorstandsentscheidungen versteckte rechtliche Hürden bestehen. Ein Handeln ohne rechtliche Expertise birgt mithin aufgrund der Vielzahl der rechtlichen Vorgaben eine erhebliche Haftungsgefahr. Vorstandsmitglieder sind oftmals keine Juristen. In der Regel werden sie aufgrund ihres Know-hows hinsichtlich der Branche ausgewählt, in welcher 224 Auch von einer Verschärfung der Haftungsrisiken durch Geltl/Daimler/ Schrempp ausgehend, Widder, BB 2013, 1489. 225 Siehe hierzu N. Fischer, WM 2014, 1709 ff. m.w.N.
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das Unternehmen tätig ist. Deswegen wird man davon ausgehen können, dass sie zwar durch ihre berufliche Erfahrung gewisse Vorgaben der relevanten Rechtsordnung(en) kennen. Jedoch werden sie häufig keine Kenntnis von allen in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen haben. Sichern sie zur Vermeidung der eigenen Haftung jede Maßnahme durch die Einholung einer rechtlichen Expertise ab, kann dies zu einem erheblichen Kostenaufwand für die Gesellschaft und zu großen Verzögerungen führen. Insbesondere bei Entscheidungen ohne grundlegende Bedeutung entsprechen solche Ab sicherungsmaßnahmen weder dem Interesse der Gesellschaft noch dem ihrer Anteilseigner. Die Vorrangigkeit der Pflicht zur Wahrung der Rechtsordnung gegenüber der Pflicht zur Förderung des Interesses der Gesellschaft bedeutet zwar, dass der Vorstand zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer geplanten Maßnahme verpflichtet ist. Es ist aber nicht zu verkennen, dass für den Vorstand durch diese Vorrangigkeit eine schwierige Entscheidung heraufbeschworen wird. Zumindest wenn eine Gesetzesverletzung aus Sicht des Vorstands äußerst fernliegend erscheint, liegt die Einsparung der Kosten für eine rechtliche Expertise nahe. Entscheidet der Vorstand, keinen fachkundigen Rechtsrat einzuholen, geht er aber – wie erläutert – das Risiko einer eigenen Inanspruchnahme ein. 3. Keine Abschwächung der Legalitätspflicht trotz erheblicher Belastung des Vorstands Aus dem Blickwinkel einer gerechten Risikoverteilung stellt die durch die Pflichtverletzung begründete betragsmäßig unbegrenzte Haftung gegenüber der Gesellschaft eine fragwürdige Belastung der Vorstandsmitglieder dar. Wenn sich der Vorstand in einer solchen Situation im Sinne der Gesellschaft ohne Einholung einer rechtlichen Expertise zur Wahrnehmung der Geschäftschance entscheidet, kann sich die Gesellschaft bei einer Gesetzesverletzung beim Vorstand schadlos halten, obwohl allein ihr der Ertrag beim Ausbleiben einer Gesetzesverletzung zukommt. Auch wenn es auf den ersten Blick nahe liegt, dass derartig strenge Pflichten und umfangreiche Absicherungsmaßnahmen nicht gesetzlich bezweckt sein können, sollte man jedoch nicht den Schluss ziehen, dass die gegenüber der Gesellschaft bestehende Legalitätspflicht einer Abschwächung bedarf. Denn wie erläutert, ist die Inpflichtnahme der Vertretungsorgane für die Wahrung der Rechtsordnung notwendig. Die bei einer Pflichtverletzung drohende Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wirkt Gesetzesverstößen präventiv entgegen. Allerdings stellt sich die Frage, ob es zur Wahrung der Rechtsordnung einer der Höhe nach unbegrenzten Haftung bedarf oder ob auch eine begrenzte
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Haftung eine ausreichende Prävention gegen Gesetzesverstöße darstellt. Auf diese Frage wird später226 zurückzukommen sein. Gleich welcher Sichtweise man folgt, ist der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht, eine äußerst strenge und sehr risikoreiche Pflichtenlage für den Vorstand zu entnehmen.
D. Pflichtenumfang der allgemeinen Sorgfaltspflicht (duty of care) I. Ausgangspunkt Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG muss der Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters beachten. Damit wird ein jedes Vorstandsmitglied dazu verpflichtet, sich so zu verhalten, wie es ein pflichtbewusster, selbstständig tätiger Leiter eines Unternehmens der konkreten Art und Größe, der nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern ähnlich wie ein Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist, tun würde.227 Besondere Fähigkeiten und Spezialkenntnisse eines Vorstandsmitglieds werden – wie nach allgemeinen Grundsätzen228 – bei der Beurteilung der Reichweite der Sorgfaltspflichten berücksichtigt.229 Zwar wird durch die Bezugnahme auf das Verhalten eines Treuhänders verdeutlicht, dass der Vorstand im Vergleich zu einem gewöhnlichen Kaufmann230 gesteigerten Sorg226 Dazu
Teil 3 D. II. 4. b). Urt. v. 20.2.1995 (II ZR 143/93), NJW 1995, 1290, 1291; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.1996 (6 U 11/95), AG 1997, 231, 235; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.1995 (8 U 59/94), AG 1995, 512, 514; OLG Koblenz, Urt. v. 10.6.1991 (6 U 1650/89), ZIP 1991, 870, 871; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1575; Böttcher, NZG 2009, 1047, 1049 f.; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 7; Geßler, JW 1937, 497, 501; Harnos/Rudzio, JuS 2010, 104, 105; Herrmann/Olufs/Barth, BB 2012, 1935; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 6; Kollmann, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 1 zu Heft 1, S. 3, 14; Krieger, in: HdB Manager-haftung, § 3 Rn. 4; Krieger/ Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 10; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 25. 228 Die Berücksichtigung von besonderen subjektiven Stärken ist aufgrund des Vertrauens- und Verkehrsschutzes erforderlich, BGH, Urt. v. 9.1.1990 (VI ZR 103/89), NJW-RR 1990, 406; BGH, Urt. v. 27.4.1967 (VI ZR 139/65), VersR 1967, 475, 477; BGH, Urt. v. 2.7.1968 (VI ZR 154/67), VersR 1968, 1057, 1059; Grundmann, in: MüKo-BGB, § 276 Rn. 56. 229 Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 25; J. Wagner, BB 2012, 651, 657; BGH, Urt. v. 20.9.2011 (II ZR 234/09), BB 2011, 2960 Tz. 28 – „Ision“, zu einem Aufsichtsratsmitglied; zustimmende Anm. von Vetter, EWiR 2011, 793, 794. 230 Zur Sorgfaltspflicht eines Kaufmanns vgl. § 347 Abs. 1 HGB. 227 BGH,
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faltsanforderungen unterliegt.231 Jedoch können aus dieser allgemeinen Pflichtenumschreibung keine konkret auf jede Situation übertragbaren und abschließend aufzählbaren Pflichten des Vorstands hergeleitet werden.232 Auch den anderen Normen des Aktiengesetzes können zwar einige dem Vorstand obliegende Pflichten entnommen werden, wie zum Beispiel die Vertretung der Aktiengesellschaft (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG), die Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 83 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AktG), die Berichterstattung an den Aufsichtsrat (§ 90 Abs. 1 AktG), die Buchführungspflicht (§ 91 Abs. 1 AktG), die Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 2 Satz 1 AktG), die Insolvenzantragspflicht (§ 15 a Abs. 1 Satz 1 InsO in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG) und das Risikomanagement (§ 91 Abs. 2 AktG). Jedoch ergibt sich auch aus ihnen kein abschließendes Pflichtenprogramm.233 Darüber hinaus verdeutlicht die bereits vorgenommene Typologisierung der eigenverantwortlichen Leitungsaufgabe des Vorstands234, dass sich eine konkrete Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Situationen, in denen der Vorstand eine Entscheidung treffen muss bzw. eine Handlung des Vorstands erforderlich ist, nur schwer vornehmen lässt. Um dennoch die dem Vorstand obliegenden Sorgfaltspflichten etwas näher bestimmen zu können, erscheint es als sinnvoll, abstrakt die Anforderungen zu bestimmen, die einer sorgfältigen Entscheidung des Vorstands zugrunde liegen. Die (Sorgfalts-)Pflichten bei gesetzlich determinierten Entscheidungen wurden bereits dargestellt.235 Nachfolgend werden daher nur die Pflichten in den Blick genommen, welche dem Vorstand bei Ermessensentscheidungen obliegen.
II. Sorgfaltsanforderungen bei Ermessensentscheidungen 1. Grundlage Ermessensentscheidungen sind das Gegenstück zu gebundenen Entscheidungen. Dem Vorstand stehen mehrere rechtlich zulässige Entscheidungsalternativen zur Verfügung.236 Zur Konkretisierung der bei der Entscheidungs231 So OLG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2007 (17 U 111/07), AG 2008, 453, 454; Böttcher, NZG 2009, 1047, 1049 f.; vgl. auch Geßler, JW 1937, 497, 501; Kust, WM 1980, 758, 759; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 25. 232 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 41; ders., in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 27; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 58. 233 Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123, 125. 234 Siehe hierzu Teil 1 B. II. 235 Siehe hierzu die Ausführungen zur Legalitätspflicht in Teil 1 C. 236 Vgl. Bicker, AG 2014, 8, 9.
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findung bestehenden Sorgfaltsanforderungen bezüglich Ermessensentscheidungen bietet es sich an, die Bestimmung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG in den Blick zu nehmen.237 Die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, die nach US-amerikanischem Vorbild Business Judgment Rule genannt wird,238 sieht vor, dass keine Pflichtverletzung vorliegt, wenn der Vorstand bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass der Vorstand sorgfaltskonform handelt, wenn er den Anforderungen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG genügt. Mangels einer Legaldefinition des Begriffs der „unternehmerischen Entscheidung“ sind dem Gesetz keine Rückschlüsse auf die Begriffsbedeutung zu entnehmen. Insoweit ist es unklar, welche Entscheidungen unter die Business Judgment Rule zu subsumieren sind. In der Regierungsbegründung des die Business Judgment Rule kodifizierenden UMAG239 ist formuliert: „Die Regelung [§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG] geht von der Differenzierung zwischen fehlgeschlagenen unternehmerischen Entscheidungen einerseits und der Verletzung sonstiger Pflichten andererseits (Treuepflichten; Informationspflichten; sonstige allgemeine Gesetzes und Satzungsverstöße) aus. Ein Verstoß gegen diese letztere Pflichtengruppe ist von der Bestimmung nicht erfasst. Die unternehmerische Entscheidung steht im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung […] Die Vorschrift soll den Bereich unternehmerischen Handlungsspielraums ausgrenzen aus dem Tatbestand der Sorgfaltspflichtverletzung nach Satz 1.“240
Außerdem wird folgendes erläutert: „Unternehmerische Entscheidungen sind infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt. Dies unterscheidet sie von der Beachtung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum.“241
Aus alledem lässt sich schließen, dass Entscheidungen, die gesetzlich gebunden sind und ohne Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum getroffen werden müssen, nicht vom Begriff der unternehmerischen Entscheidung erfasst werden können.242 237 Ebenso Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 39; wohl auch Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068 f.; vgl. ebenfalls Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 128. 238 von Falkenhausen, NZG 2012, 644; 649; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 9; Herrmann/Olufs/Barth, BB 2012, 1935, 1936; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 29; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 10; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2085; vgl. auch Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 239 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 240 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 241 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11.
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Aus der Erwähnung der Gegensätzlichkeit unternehmerischer Entscheidungen zu gebundenen Entscheidungen lässt sich außerdem folgern, dass bei unternehmerischen Entscheidungen stets mehrere im Ermessen des Vorstands stehende Entscheidungsalternativen zur Auswahl stehen müssen.243 Auch wenn an dieser Stelle nicht zu der höchst umstrittenen Frage Stellung genommen werden soll, ob alle Entscheidungen, bei denen dem Vorstand ein Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum zukommt, von der Business Judgment Rule erfasst werden, kann doch festgehalten werden, dass jedenfalls diejenigen Ermessensentscheidungen, die unter Unsicherheit getroffen werden müssen und sich weder auf eine umstrittene Rechtslage noch auf dem Vorstand gesetzlich auferlegte Pflichtaufgaben beziehen, nach allgemeiner und überzeugender Ansicht unter den Begriff der „unternehmerischen Entscheidung“ zu subsumieren sind.244 Jedenfalls die Sorgfaltskonformität des Vorstandshandelns bei Ermessensentscheidungen ohne Bezug zu gesetzlich auferlegten Pflichtaufgaben und unklarer Gesetzeslage ist mithin anhand der Business Judgment Rule zu beurteilen. 2. Sorgfaltspflichten bei unternehmerischen Entscheidungen Um die Sorgfaltsanforderungen für solche Entscheidungen beurteilen zu können, wird nachfolgend der Blick auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Business Judgment Rule gerichtet. a) Handeln auf der Grundlage angemessener Information Zunächst verlangt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass der Vorstand auf einer angemessenen Informationsgrundlage handelt. Hierdurch wird ihm eine gründliche Entscheidungsvorbereitung auferlegt.245 Dem Vorstand obliegt mithin die Aufgabe, Informationen zur rechtlichen Zulässigkeit der geplanten Maßnahme einzuholen.246 Weiterhin muss er versuchen, durch Einholung 242 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 67; Harnos/Rudzio, JuS 2010, 104, 106; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2085; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 45; vgl. auch Habersack, in: Karlsruher Forum, S. 5, 15. 243 Vgl. U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 41. 244 Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2066 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 67 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 16 ff.; S. H. Schneider, DB 2005, 707 ff.; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 100; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 41 ff.; von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 646 f. 245 Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 58; Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706, 1708; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.7.2008 (II ZR 202/07), NZG 2008, 751 Tz. 11. 246 Dies ergibt sich aus der Legalitätspflicht (Rechtsermittlungspflicht), dazu bereits Teil 1 C. III. 1. und Teil 1 C. III. 2.
68
Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
von Informationen sowohl den in Aussicht stehenden Ertrag als auch die Risiken hinsichtlich der Höhe und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit möglichst genau zu bestimmen.247 Dabei darf er nicht blind auf fremde Bewertungen – wie die einer Ratingagentur – vertrauen.248 In einem Urteil aus dem Jahr 2008 sowie in einem Urteil aus dem Jahr 2013 fordert der BGH, dass der Geschäftsführer einer GmbH, für den die Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen ebenfalls zur Anwendung kommt,249 „in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen“ hat.250 Diese Worte dürfen nicht in einer Weise interpretiert werden, dass aus einer abstrakten Sicht alle überhaupt nur erhältlichen Informationen verwandt werden müssen.251 Die Bezugnahme des BGH auf die „konkrete Entscheidungssituation“ ermöglicht insoweit eine Anpassung des erforderlichen Informationsumfangs.252 Ferner ergibt sich schon aus der Regierungsbegründung zum UMAG, dass nicht in jeder Situation alle nur irgendwie verfügbaren Informationen eingeholt werden müssen.253 Dort heißt es, dass dem Vorstand ein erheblicher Spielraum bei der Abwägung des Informationsbedarfs eingeräumt wird.254 Je höher der Druck ist, in einem kurzen Zeitraum eine Entscheidung zu treffen, desto mehr Annahmen müssen vom Vorstand ungeprüft als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden.255 Im Übrigen verdeutlicht schon das Wort „angemessen“, dass das Ausmaß der gebotenen Informationspflicht von verschiedenen Umständen abhängt.256 Deswegen hat der Vorstand die Art und Bedeutung der konkreten Entscheidung, den tatsächlich und rechtlich möglichen Informationszugang, die Informationsbeschaffungskosten, den zu erwartenden Informationsnutzen, Mülbert, AG 2009, 766, 772 ff. AG 2010, 315, 317 ff. 249 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 9; Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 71; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 23 f.; Oetker, in: Henssler/Strohn, § 43 GmbHG Rn. 27; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 22. 250 BGH, Urt. v. 14.7.2008 (II ZR 202/07), NZG 2008, 751 Tz. 11; im Anschluss daran auch BGH, Urt. v. 18.6.2013 (II ZR 86/11), ZIP 2013, 1712 Tz. 30. 251 Bachmann, NZG 2013, 1121, 1124; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 71a; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 105; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 20; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 48. 252 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 71a; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 20; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 48. 253 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 12. 254 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 12. 255 Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087. 256 Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 58; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 20. 247 Vgl.
248 Florstedt,
D. Pflichtenumfang der allgemeinen Sorgfaltspflicht (duty of care)69
das mit einer Entscheidung auf einer fehlerhaften Informationsgrundlage verbundene Risiko sowie den Zeitraum, in dem die Entscheidung zu treffen ist, zu berücksichtigen und zueinander ins Verhältnis zu setzen.257 Ganz überwiegend258 wird daher zu Recht angenommen, dass der Vorstand durch Berücksichtigung und Abwägung der bereits genannten Kriterien eine angemessene, jedoch nicht allumfassende Informationsbasis schaffen muss. Der Vorstand kann jedoch nicht von einer angemessenen Informationsgrundlage ausgehen, wenn er es unterlässt, bestimmte Informationsquellen auszuschöpfen, weil er befürchtet, dass dadurch für das Unternehmen unangenehme Dinge zu Tage gefördert werden. Die Pflicht des Vorstands, Missstände im Unternehmen umfassend aufzuklären ergibt sich bereits aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 130 Abs. 1 OWiG (Teil der allgemeinen Compliancepflicht).259 Hinsichtlich des „Ob“ der Aufklärung kommt ihm in einem solchen Fall kein Ermessensspielraum bei der Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage zu. Möchte sich der Vorstand beispielsweise von einem leitenden Angestellten trennen, da erhebliche Pflichtverletzungen – etwa Straftaten – im Raum stehen, ist der Vorstand verpflichtet, Untersuchungen anzustellen, ob dem leitenden Angestellten die Verfehlungen tatsächlich vorgeworfen werden können, sodass eine fristlose Kündigung möglich ist. Schließt der Vorstand stattdessen mit dem leitenden Angestellten vorschnell einen Aufhebungsvertrag, der mit der Zahlung einer hohen Abfindung und / oder mit dem Verzicht auf etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber dem Angestellten verbunden ist, so liegt kein Handeln auf einer angemessenen Informationsgrundlage vor. Hinsichtlich der Rechtsermittlungspflicht kann auf die Ausführungen zur Legalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft verwiesen werden. Sofern eine gesetzliche Bestimmung eine gewisse Verhaltensweise gebietet, steht dem 257 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 12; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 58; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 20; Kocher, CCZ 2009, 215, 221; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 33, 35; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 282; Redeke, ZIP 2011, 59, 60; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 101; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 164; vgl. auch Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 197 f. 258 Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 46; ders., NZG 2013, 1121, 1124 f.; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 58; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 104 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 20; Kocher, CCZ 2009, 215, 221; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 17; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 33; Redeke, ZIP 2011, 59, 60; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 101; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 48; ders., AG 2013, 889, 892 f. 259 Ebenso Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 948; Wagner, CCZ 2009, 8, 12 ff.; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.10.1984 (II ZR 175/83), GmbHR 1985, 143 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1, 2.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
Vorstand kein Ermessensspielraum zu. Fehlt dem Vorstand die eigene Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage, darf er nur von einer angemessenen Informationsgrundlage ausgehen, wenn er externen und fachlich qualifizierten Rechtsrat hinzuzieht und wenn er außerdem dessen Ergebnis auf Plausibilität prüft. Verfügt der Vorstand jedoch über die erforderliche Sachkunde oder handelt es sich nicht um die Einholung von Informationen über die Rechtmäßigkeit der geplanten Maßnahme, so ergibt sich schon aus der Regierungsbegründung zum UMAG, dass formale Absicherungsmaßnahmen, wie das Einholen von Sachverständigengutachten, im Allgemeinen nicht bezweckt und somit auch nicht erforderlich sind.260 b) Handeln zum Wohle der Gesellschaft Sodann fordert die Business Judgment Rule, dass ein Vorstandsmitglied zum Wohle der Gesellschaft handelt. Erläuternd wird in der Regierungsbegründung hierzu ausgeführt, dass das Handeln des Vorstands jedenfalls dann dem Wohl der Gesellschaft entspricht, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient.261 Dieser Aussage lässt sich jedoch insbesondere wegen der Verwendung des Wortes „jedenfalls“ keine eindeutige ermessensleitende Richtschnur entnehmen.262 Es ist nach wie vor umstritten, nach welcher Maßgabe der Vorstand sein Ermessen auszuüben hat.263 aa) Theorie vom Unternehmensinteresse als Leitlinie der Ermessensausübung Überwiegend wird vertreten, dass sich die inhaltlichen Vorgaben für die Ausübung des dem Vorstand zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums aus einem komplexen Interessengeflecht – dem Unternehmensinteresse – ergeben.264 Der Vorstand habe bei der Ausübung seines Ermessens alle in der 260 Begr.
RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 12. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 262 Vgl. auch Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 46 f. 263 Die Wiedergabe des Meinungsstands erfolgt an dieser Stelle nur in einer verkürzten Art und Weise. Eine ausführliche Darstellung des Meinungsstands unter Nennung aller Argumente findet sich bei Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 253 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 140 ff. und Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 38 ff., 134 ff. 264 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 10 f.; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 127; Hüffer, in: FS Raiser, S. 163, 168 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 261 Begr.
D. Pflichtenumfang der allgemeinen Sorgfaltspflicht (duty of care)
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Gesellschaft zusammentreffenden Interessen, also die der Aktionäre, der Arbeitnehmer und des Gemeinwohls, in Ausgleich zu bringen.265 Welchem Interesse der Vorstand bei einer konkreten Entscheidung den Vorzug gibt, stehe in seinem Ermessen, da es keine Rangfolge der in der Gesellschaft vertretenen Interessen gebe.266 Eine Grenze der Ermessensausübung sei lediglich in der Pflicht des Vorstands zu sehen, für den Bestand des Unternehmens und die dauerhafte Rentabilität zu sorgen.267 Zur Begründung wird angeführt, dass durch die Sicherung des Bestands und der dauerhaften Rentabilität allen vertretenen Interessen entsprochen werde.268 bb) Theorie vom Gesellschaftsinteresse als Leitlinie der Ermessensausübung Nach anderer Ansicht ergeben sich die inhaltlichen Vorgaben für die Ermessensausübung des Vorstands aus dem aufgrund des Gesellschaftszwecks für den konkreten Einzelfall zu ermittelnden Gesellschaftsinteresse.269 Bei der Bestimmung des Gesellschaftsinteresses und der Frage, welche der zur Verfügung stehenden Entscheidungsalternativen im Gesellschaftsinteresse liegt, wird dem Vorstand ein weiter Ermessensspielraum zugestanden.270 Die Grenze des Ermessensspielraums bildet nach dieser Ansicht der Gesellschaftszweck, was sich aus der Zweckbindung des Organhandelns ergeben soll.271 Rn. 30 ff.; Kort, NZG 2012, 926, 930; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 21 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 20.05.1995 (8 U 59/94), AG 1995, 512, 514; siehe auch Ziffer 4.1.1 DCGK. 265 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 11; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 127; Hüffer, in: FS Raiser, S. 163, 168; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 30. 266 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 11; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 127; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 31. 267 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 11; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 127; Hüffer, in: FS Raiser, S. 163, 168 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 34; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 21 f.; Weber, in: Hölters, § 76 Rn. 19. 268 Koch, in: Hüffer/Koch, § 76 Rn. 34; Kuhner, ZGR 2004, 244, 250; Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 22. 269 Groh, DB 2000, 2153, 2158; Mülbert, ZGR 1997, 129, 147 ff., 166 ff.; ders., AG 2009, 766, 770 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 42 ff., 133 f.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 253 ff.; vgl. auch Birke, Formalziel, S. 228 ff.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 23 ff. 270 Vgl. Birke, Formalziel, S. 228 ff.; Groh, DB 2000, 2153, 2158; Mülbert, in: FS Röhricht, S. 421, 438; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 270 ff. 271 Birke, Formalziel, S. 228 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 42 ff., 133 f.; zur Zweckbindung des Organhandelns siehe bereits Teil 1 B. II.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
cc) Stellungnahme In der Praxis wird es nur wenige Fälle geben, in denen die genannten Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Denn zum einen wird dem Vorstand nach allen Ansichten ein sehr weiter Ermessensspielraum zugestanden272 und zum anderen sind die Grenzen des Ermessensspielraums, welche sich aus den unterschiedlichen Ansichten ergeben, im Ergebnis recht ähnlich. Auch wenn deswegen ein Streitentscheid fast als überflüssig erscheint, soll kurz darauf eingegangen werden, warum die zuletzt erläuterte Ansicht zu überzeugen vermag. Gegen die herrschende Auffassung spricht, dass sowohl der Förderung des Gemeinwohls als auch der Förderung von Arbeitnehmerinteressen keine eindeutigen Grenzen gesetzt werden.273 Der Vorstand könnte auch dann mit einem erheblichen finanziellen Aufwand das Gemeinwohl fördern, wenn für die Gesellschaft davon kein Nutzen zu erwarten wäre, sofern er nur den dauerhaften Bestand und die Rentabilität der Gesellschaft sichert. Gleiches gilt für die Förderung der Arbeitnehmerinteressen. Beides leuchtet nicht ein. Zur Förderung des Gemeinwohls und der Arbeitnehmerinteressen ist der Vorstand nur insoweit verpflichtet, als dies im Einzelfall klar bestimmbar durch ein spezielles Gesetz vorgeschrieben ist.274 Über den gesetzlichen Mindestrahmen hinaus darf der Vorstand Stakeholder-Interessen berücksichtigen, soweit er damit gesellschaftlichen Erwartungen entspricht und / oder den Ruf der Gesellschaft als „good corporate citizen“ pflegt.275 Ansonsten ist es dem Vorstand nur gestattet das Gemeinwohl und die Arbeitnehmerinteressen zu fördern, wenn dadurch für die Gesellschaft ein Nutzen erwartet werden kann276 – beispielsweise durch die Motivation der Arbeitnehmer und die damit zu erwartende Produktivitätssteigerung. Gegen die herrschende Meinung spricht darüber hinaus, dass es nicht ersichtlich ist, auf welche Rechtsgrundlage sich die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse stützen 272 Goette, in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 125 ff.; Mülbert, AG 2009, 766, 772 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 35 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 15 ff.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 270 ff.; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.4.1997 (II ZR 175/95), BGHZ 135, 244, 251 f. – „ARAG/Garmenbeck“. 273 So auch Mülbert, AG 2009, 766, 771; vgl. auch Birke, Formalziel, S. 162; Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 66. 274 So auch Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 210 ff.; vgl. auch Mülbert, AG 2009, 766, 769 f.; zwar das Unternehmensinteresse als Leitlinie der Ermessensausübung befürwortend, aber ebenfalls eine Pflicht zur Berücksichtigung des Gemeinwohls bei der Ermessensausübung verneinend Kort, NZG 2012, 926 f. 275 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 38. 276 Vgl. Mülbert, AG 2009, 766, 772 f.
D. Pflichtenumfang der allgemeinen Sorgfaltspflicht (duty of care)73
soll.277 Vor diesem Hintergrund ist das Unternehmensinteresse als Richtschnur für die Ausübung des dem Vorstand zur Verfügung stehenden Ermessens abzulehnen. Dagegen ist das aus dem Gesellschaftszweck zu entnehmende Gesellschaftsinteresse als Leitlinie für die Ermessensausübung vorzugswürdig. Das Gesellschaftsinteresse lässt sich auf den privatautonom bestimmten Verbandszweck zurückführen und hat damit einen tragfähigen rechtlichen Anknüpfungspunkt.278 Ferner setzt das Gesellschaftsinteresse – im Gegensatz zum Unternehmensinteresse – dem Vorstand hinsichtlich der Förderung des Gemeinwohls und der Arbeitnehmerinteressen, wie auch im Übrigen klare Grenzen für die Ermessensausübung. Der Vorstand hat alle Maßnahmen zu unterlassen, die dem Gesellschaftszweck zuwiderlaufen. Folglich erfüllt ein Vorstandsmitglied das Tatbestandsmerkmal des Handelns zum Wohle der Gesellschaft, wenn es das anhand des Gesellschaftszwecks zu bestimmende Gesellschaftsinteresse fördert. Auf den Regelfall einer normtypischen Aktiengesellschaft gewendet, bei der der Gesellschaftszweck in der Gewinnmaximierung und jedenfalls seit dem KonTraG zugleich auch in der Marktwertmaximierung zu sehen ist,279 bedeutet dies, dass der Vorstand zum Wohle der Gesellschaft handelt, wenn er unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken eine Entscheidung trifft, die gegenüber den zur Verfügung stehenden Entscheidungsalternativen eine Ertragssteigerung und / oder eine Erhöhung des Marktwerts der Gesellschaft erwarten lässt. c) Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse Nicht dem Gesetzeswortlaut, jedoch der Regierungsbegründung ist zu entnehmen, dass ein Vorstandsmitglied seine Entscheidungen darüber hinaus frei von Sonderinteressen und sachfremden Einflüssen treffen muss.280 Dieses Merkmal soll das Bestehen eines Interessenkonflikts bei Vorstandsentscheidungen und somit auch die Abkehr eines Vorstandsmitglieds vom Gesell-
277 Birke, Formalziel, S. 169 ff., 195; Mülbert, ZGR 1997, 129, 147 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 46 ff.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 267 f. 278 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 267 f. 279 Hierzu ausführlich Mülbert, in: FS Röhricht, S. 421, 438; siehe auch Birke, Formalziel, S. 199 ff. und Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 256 ff. 280 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11; eine Einschränkung dieser Voraussetzung wird von Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 19 befürwortet.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
schaftsinteresse verhindern.281 Befindet sich ein Vorstandsmitglied in einem Interessenkonflikt, der befürchten lässt, dass das Vorstandsmitglied dem Gesellschaftsinteresse gegenüber dem konfligierenden Interesse nicht den Vorzug gewährt, so ist es schon aufgrund der Treuepflicht gehalten, den Interessenkonflikt offen zu legen und nicht am Entscheidungsprozess teilzunehmen.282 d) Gutgläubigkeit Der Regierungsbegründung zum UMAG ist schließlich zu entnehmen, dass der Vorstand gutgläubig handeln muss.283 Vom Vorstand wird deswegen verlangt, dass er von der Richtigkeit seiner Entscheidung ausgeht.284 e) Ergebnisse zu den Sorgfaltsanforderungen bei unternehmerischen Entscheidungen Nach alledem handelt ein Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG sorgfaltsgemäß, wenn es nachfolgenden Anforderungen genügt: Zur Schaffung einer angemessenen Informationsbasis muss ein Vorstandsmitglied die Rechtmäßigkeit der geplanten Maßnahme überprüfen. Fehlt ihm hierfür die eigene Sachkunde, muss er unabhängigen und fachlich qualifizierten Rechtsrat hinzuziehen, dessen Ergebnis er auf Plausibilität prüfen muss. Darüber hinaus obliegt dem Vorstand die Aufgabe, die Chancen und Risiken der geplanten Maßnahme sowohl der Höhe nach, als auch nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit durch Einholung diesbezüglicher Informationen möglichst genau zu quantifizieren. Auf dieser Informationsbasis hat das Vorstandsmitglied eine Entscheidung zu treffen, die dem Gesellschaftszweck nicht zuwiderläuft. Dies ist bei einer normtypischen Aktiengesellschaft der Fall, wenn die Maßnahme im Entscheidungszeitpunkt gegenüber den zur Verfügung stehenden Entscheidungsalternativen einen finanziellen Vorteil für die Gesellschaft und / oder eine Steigerung des Marktwerts der Gesellschaft erwarten lässt. Schließlich hat das Vorstandsmitglied die Entscheidung frei von Sonderinteressen und im guten Glauben an ihre Richtigkeit zu treffen. 281 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 24; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 72; Habersack, in: Karlsruher Forum, S. 5, 21; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 25. 282 Siehe hierzu bereits die Ausführungen zur Treuepflicht Teil 1 B. I. 2. (auch zur einschränkenden Sichtweise von Krieger). 283 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 284 Vgl. Bunz, NZG 2011, 1294, 1296; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 25; Fleischer, in: HdB Vorstandsrecht, § 7 Rn. 60; ders., in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 76; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087.
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3. Dogmatische Bedeutung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Von nicht wenigen Stimmen im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass die Business Judgment Rule aus dogmatischer Sicht als Tatbestandsausschlussgrund für das Vorliegen einer Pflichtverletzung285 oder als unwiderlegbare Vermutung gesetzeskonformen Verhaltens286 einzuordnen ist. Diese Sichtweise impliziert, dass trotz des Eingreifens des Ausschlussgrundes bzw. der Vermutung nach Maßgabe des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Pflichtverletzung bejaht werden könnte.287 Jedoch entnehmen wohl auch diejenigen, die der Business Judgment Rule keine die Sorgfaltspflichten bei unternehmerischen Entscheidungen konkretisierende Funktion zuschreiben, dem dann für die Sorgfaltspflichten maßgeblichen § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG keine anderen als die hier vorgestellten Sorgfaltsanforderungen. Mehr als eine rechtmäßige, von sachfremden Interessen unbeeinflusste Ermessensentscheidung, bei der der Vorstand auf der Grundlage angemessener Information vernünftigerweise davon ausgehen durfte, das Gesellschaftsinteresse zu fördern, kann man nicht vom Vorstand verlangen.288 Deswegen ist § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG aus dogmatischer Sicht zumindest auch eine die Sorgfaltspflichten bei Ermessensentscheidungen konkretisierende Funktion zuzuschreiben.289 Letzteres bedeutet zugleich, dass eine nicht den Anforderungen der Business Judgment Rule genügende Ermessensentscheidung ebenfalls nicht den für Vorstandsmitglieder maßgeblichen Sorgfaltsanforderungen genügt.290 Zwar kann eine Entscheidung, die beispielsweise auf einer unangemessenen Informationsgrundlage getroffen wird, zufällig richtig sein und daher keine Haftungsfolge nach sich ziehen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Entscheidung in pflichtwidriger Art und Weise zustande gekommen ist. Es fehlt lediglich an einem ersatzfähigen Schaden, da die Entscheidung bei pflichtkonformem Verhalten ebenso ausgefallen wäre.
285 So Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 19; wohl auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 65. 286 So Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 14; ders., ZGR 2006, 769, 784; Lutter, in: FS Canaris, Band II, S. 245, 247, 249 f.; U. H. Schneider, in: FS Hüffer, S. 905, 908. 287 So explizit Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 65. 288 Vgl. Cahn, WM 2013, 1293, 1295; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 86 ff.; von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 521 ff. 289 Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2069; Druey, in: FS Goette, S. 57 (passim); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 29; Kocher, CCZ 2009, 215, 216; Seibert/ Schütz, ZIP 2004, 252, 254; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 86 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 39. 290 So im Ergebnis auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 97 f.
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
Ob der Business Judgment Rule überdies eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte zu entnehmen ist und ihr damit auch der Charakter eines Tatbestandsausschlussgrundes bzw. einer unwiderleglichen Vermutung gesetzeskonformen Verhaltens zukommt, wird sogleich291 untersucht.
III. Beurteilung der Strenge der Sorgfaltspflichten bei Ermessensentscheidungen Die Sorgfaltspflichten des Vorstands bei Ermessensentscheidungen können vor diesem Hintergrund ebenfalls als streng bezeichnet werden. Zwar ist dem Vorstand ein breiter Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten und Risiken einer geplanten Maßnahme zuzugestehen. Jedoch verringert dieser Ermessensspielraum nicht die Sorgfaltspflichten bei der Bildung der Entscheidungsgrundlage. Wie das nachfolgende Beispiel zeigt, begründet etwa jeder noch so kleine Rechenfehler bei der Quantifizierung der Erfolgsaussichten und Risiken einer Geschäftschance ein pflichtwidriges Handeln des Vorstands. Beispiel: Ein Vorstandsmitglied einer normtypischen Aktiengesellschaft hat über die Wahrnehmung einer Geschäftschance zu entscheiden. Nach der Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage bietet sich dem Vorstandsmitglied folgendes Bild: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent wird die Gesellschaft bei Wahrnehmung der Geschäftschance einen Gewinn von 10 Mio. € erwirtschaften. Jedoch entsteht mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent ein Verlust in Höhe von 2,6 Mio. €. Unterläuft dem Vorstandsmitglied bei der Berechnung des Erwartungswerts ein Fehler, sodass er statt des zutreffenden Erwartungswerts von minus 160.000 € einen positiven Erwartungswert errechnet, handelt das Vorstandsmitglied pflichtwidrig, wenn es sich für die Wahrnehmung der Geschäftschance entscheidet. Denn bei Durchführung einer Maßnahme mit einem negativen Erwartungswert darf ein Vorstandsmitglied einer normtypischen Aktiengesellschaft nicht vernünftigerweise annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Man könnte zwar vorschnell argumentieren, dass mit der Wahrnehmung der Geschäftschance zumindest ein finanzieller Vorteil von 10 Mio. € in Aussicht steht und die Wahrnehmung der Geschäftschance daher nicht dem Gesellschaftszweck zuwiderläuft. Dies würde aber die mit der Geschäftschance verbundenen Risiken unberücksichtigt lassen. Unter Einbeziehung der Risiken ergibt sich, dass kein finanzieller Vorteil für die Gesellschaft zu erwarten ist, sondern voraussichtlich ein Verlust eintreten wird. Auch die Annahme einer Steigerung des Marktwerts der Gesellschaft liegt fern, da die Vornahme einer Geschäftschance mit negativem Erwartungswert tendenziell zu einer sinkenden Marktbewertung führen würde. Besteht eine solche Informationsgrundlage, darf ein Vorstandsmitglied nicht darauf vertrauen, dass alles gut ausgehen wird und kein Schaden ent291 Siehe
dazu Teil 1 E.
E. Reduziertes Haftungsrisiko wegen „Safe Harbour“ 77 steht. Realisiert sich das 80 %ige Risiko des Verlusts von 2,6 Mio. €, macht sich das Vorstandsmitglied in dieser Höhe nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ersatzpflichtig.
Da noch viele andere Situationen denkbar sind, in welchen leichteste Fehler im Prozess der Entscheidungsfindung zu erheblichen Haftungsfolgen führen können, ist festzuhalten, dass auch bei Ermessensentscheidungen hohe Sorgfaltsanstrengungen von Vorstandsmitglieder verlangt werden.
E. Reduziertes Haftungsrisiko wegen „Safe Harbour“des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG? Nachdem bereits die aus der Business Judgment Rule herzuleitenden Pflichten beleuchtet wurden, ist nun der Frage nachzugehen, ob bei unternehmerischen Entscheidungen zwar – entsprechend der Ausführungen in Teil 1 unter Ziffer D. – von einer strengen Pflichtenlage (standard of conduct) auszugehen ist, der gerichtliche Kontrollmaßstab (standard of review) dieser Pflichtenlage aber durch die Business Judgment Rule beschränkt ist. Dem amerikanischen Recht lässt sich eine solche Unterscheidung zwischen dem standard of review und dem standard of conduct entnehmen.292 Dort ist die gerichtliche Kontrolle bei unternehmerischen Entscheidungen auf grobe Pflichtverletzungen beschränkt.293 Auch, wenn hierzulande oftmals davon die Rede ist, dass die Business Judgment Rule einen haftungsfreien Raum bzw. einen „Safe Harbour“ schafft,294 muss genauer untersucht werden, ob diese Aussagen zutreffend sind.
I. Regelungsanliegen Ausweislich der Regierungsbegründung zum UMAG wollte der Gesetzgeber mit der Business Judgment Rule eine Regelung schaffen, die eine Erfolgshaftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft verhindert.295 Dahinter steht der Gedanke, dass es bei zu strenger gerichtlicher oder gar am Erfolg orientierter Handhabung des Sorgfaltsmaßstabs aus Haftungsvermeidungsgründen zu einer Lähmung der unternehmerischen Initiative des Vorstands kommt. Der Vorstand müsste stets darauf bedacht sein, unternehmerische Risiken, die auch bei sorgfältigstem Verhalten zu einem Misserfolg führen 292 Vgl. Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 31 ff.; Schlimm, Geschäftsleiter ermessen, S. 65 f. 293 Vgl. Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 447; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 87. 294 So etwa Blasche, AG 2010, 692, 695; Habbe/Köster, BB 2011, 265, 266; Herrmann/Olufs/Barth, BB 2012, 1935, 1942; Krause, BB 2009, 1370, 1371. 295 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11.
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können, zu vermeiden.296 Eine Lähmung der unternehmerischen Initiative kann weder im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre, noch volkswirtschaftlich förderlich sein.297 Gewisse Risiken muss der Vorstand bei der unternehmerischen Tätigkeit eingehen können, ohne dass ihm eine Erfolgshaftung droht.298 Mit der Verhinderung einer Haftung des Vorstands für den ausbleibenden Erfolg der unternehmerischen Betätigung wird auch eine gerechte Verteilung des unternehmerischen Risikos bezweckt. Die bei positiver Geschäftsentwicklung maßgeblich am Erfolg partizipierenden Kapitalgeber müssen auch die unternehmerischen Risiken tragen und können diese nicht allein dem Vorstand zuweisen.299 Nicht zuletzt weil Entscheidungen des Vorstands oftmals nach Abwägung vielfältiger und komplexer Entscheidungsalternativen getroffen werden müssen, und weil einem nicht unternehmerisch tätigen Richter häufig keine größere Expertise als die des Vorstands zugesprochen werden kann, wird der Business Judgment Rule der Zweck beigemessen, die gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen zu beschränken.300 Schließlich soll die Business Judgment Rule dazu beitragen Rückschaufehler (hindsight bias)301 durch die Gerichte zu verhindern.302
II. Reichweite der gerichtlichen Kontrolle nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Bei der Überprüfung der Sorgfaltskonformität unternehmerischer Entscheidungen des Vorstands denkt man in erster Linie an die Kontrolle des Entscheidungsergebnisses. Das Entscheidungsergebnis bildet aber gerade bei 296 von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 646; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60; ders., ZIP 2004, 685 f.; Holle, AG 2011, 778, 782; Koch, in: FS Säcker, S. 403, 410; ders., AG 2009, 93, 95. 297 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60; Harbarth, in: FS Hommelhoff, S. 323, 324 f.; Koch, in: FS Säcker, S. 403, 410; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 13; vgl. auch Paefgen, AG 2004, 245, 247 und Spindler, AG 2013, 889, 980. 298 Vgl. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 645 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60. 299 Holle, AG 2011, 778, 782. 300 Vgl. Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11, Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 64; Holle, AG 2011, 778, 783 f.; Koch, in: FS Säcker, S. 403, 411 f.; ders., AG 2009, 93, 95 f.; Kocher, CCZ 2009, 215, 216; Paefgen, AG 2008, 761, 763. 301 Zum Stand der psychologischen Forschung über das Problem der hindsight bias Ott/Klein, AG 2017, 209, 210 ff. 302 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 4; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 60; Koch, AG 2009, 93, 96; Kocher, CCZ 2009, 215, 216.
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komplexen Entscheidungen nur den Endpunkt eines durch viele kleinere unternehmerische Entscheidungen bzw. Einschätzungen geprägten Prozesses der Entscheidungsfindung. Es stellt gewissermaßen nur eine logische Folge des Prozesses der Entscheidungsfindung dar. Deswegen konzentriert sich die gerichtliche Überprüfung der Sorgfalt des Vorstands bei unternehmerischen Entscheidungen im Wesentlichen auf eine Kontrolle des Prozesses der Entscheidungsfindung.303 Dass dies bereits dem Wortlaut der Business Judgment Rule zu entnehmen ist, werden die nachfolgenden Ausführungen zeigen. 1. Kontrolle der Merkmale „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“ und „angemessene Informationsgrundlage“ Aus den in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG enthaltenen Worten „annehmen durfte“ lässt sich zunächst schließen, dass das beurteilende Gericht zu einem Perspektivwechsel gezwungen ist.304 Das Gericht darf nicht aus der ex post Perspektive seine Einschätzung bzw. Entscheidung an die Stelle der Vorstandsentscheidung setzen.305 Vielmehr hat es die Pflichtgemäßheit des Vorstandshandelns aus der Perspektive des Vorstands im damaligen Entscheidungszeitpunkt (ex ante Perspektive) zu beurteilen.306 Entsprechend dem Regelungsanliegen des Gesetzgebers307 wird hierdurch gewährleistet, dass der Vorstand nicht für den Erfolg seiner Entscheidung haftet. Außerdem wird damit vermieden, dass die Gerichte bei der Beurteilung der Pflichtgemäßheit des Vorstandshandelns aufgrund der Kenntnis des weiteren Geschehensablaufs bzw. weiterer Erkenntnisse einem Rückschaufehler (hindsight bias) unterliegen.308 Der Vorstand hat nicht nur bei der Endentscheidung einen weiten Ermessensspielraum. Auch im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung kommt ihm für die vielen Vorentscheidungen bzw. Einschätzungen ein (weiter) Ermessens303 Vgl. Druey, in: FS Goette, S. 57, 63; Holle, AG 2011, 778, 783; Paefgen, AG 2004, 245, 249; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 61. 304 So ausdrücklich Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11; siehe auch Koch, in: FS Säcker, S. 403, 408. 305 Holle, AG 2011, 778, 783; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 177 ff. 306 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 4 ff.; Herrmann/Olufs/Barth, BB 2012, 1935, 1936; Kocher, CCZ 2009, 215, 216; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 23; Weiss/ Buchner, WM 2005, 162, 164; vgl. auch Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 307 Vgl. die Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11 „der neue Satz 2 des § 93 Abs. 1 AktG [stellt] klar, dass eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet“. 308 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 4 ff.; Herrmann/Olufs/Barth, BB 2012, 1935, 1936; Kocher, CCZ 2009, 215, 216; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 164.
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spielraum zu.309 Gerade bei komplexen Entscheidungen ist eine Gewichtung der gesammelten Informationen vorzunehmen, auf deren Basis die Chancen und Risiken der bevorstehenden Entscheidung abgeschätzt werden müssen.310 Da der Vorstand in der Regel aus mehreren Personen besteht und die Entscheidungen gemeinsam zu treffen sind (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG), können die bei der Entscheidungsvorbereitung zu treffenden Einschätzungen unter den einzelnen Vorstandsmitgliedern deutlich variieren. Dies wirkt sich natürlich auf das jeweilige Abstimmungsverhalten bei der endgültigen Entscheidung aus. Je nachdem, welche Voreinschätzungen von den einzelnen Vorstandsmitgliedern im Prozess der Entscheidungsfindung getroffen wurden, kann es durchaus vorkommen, dass die Abgabe der Stimme für die Durchführung einer Maßnahme durch ein Vorstandsmitglied ebenso sorgfaltskonform ist, wie die Abgabe der Stimme gegen die Durchführung der Maßnahme durch ein anderes Vorstandsmitglied. Ein Gericht steht folglich vor dem Problem, dass ihm die Voreinschätzungen der einzelnen Vorstandsmitglieder, welche im Rahmen des Prozesses der Entscheidungsfindung getätigt wurden, verschlossen bleiben, es aber gleichwohl den Ermessensspielraum der Vorstandsmitglieder wahren muss. Über diesen Umstand hilft die Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG hinweg. Danach trifft die Vorstandsmitglieder die Beweislast dafür, dass sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters beachtet haben. Die einzelnen Vorstandsmitglieder haben mithin vorzutragen, welche Einschätzungen und welche Informationsbasis sie ihrer Endentscheidung zugrunde gelegt haben. Auch wenn also die Basis für die Überprüfung der Annahme des Vorstands, auf einer angemessenen Informationsgrundlage, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, fest steht, ist noch immer nicht geklärt, ob und wenn ja inwieweit die gerichtliche Kontrolle zur Wahrung des dem Vorstand zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums beschränkt ist. Ein Blick in die recht umfangreiche Literatur zu diesem Thema gibt Aufschluss darüber, dass die gerichtliche Kontrolldichte umstritten ist. Der Streit basiert im Wesentlichen auf einer unterschiedlichen Interpretation der Worte „vernünftigerweise annehmen durfte“. Diese Worte aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG können noch am ehesten Aufschluss über die Tiefe der gerichtlichen Kontrolle geben. Dieser Streitstand wird sogleich nachgezeichnet, bevor in einer Stellungnahme die eigene Sichtweise erläutert wird. 309 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 103; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 17. 310 Vgl. Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 35.
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a) Meinungsstand zum gerichtlichen Kontrollmaßstab bei der Überprüfung der Sorgfaltskonformität unternehmerischer Entscheidungen aa) Sichtweise von Hopt und Roth Hopt und Roth differenzieren bei der gerichtlichen Überprüfung der Annahme des Vorstands, auf einer angemessenen Informationsgrundlage zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, zwischen unternehmerischen Entscheidungen mit eingeschränktem unternehmerischem Ermessen und den übrigen unternehmerischen Entscheidungen. Während für erstgenannte Entscheidungen der Kontrollmaßstab der Vertretbarkeit gelte,311 sei für letztere der Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit heranzuziehen.312 Entscheidungen mit eingeschränktem unternehmerischem Ermessen seien gegeben, wenn eine gesetzliche Bestimmung dem Vorstand einen Beurteilungs- bzw. Handlungsspielraum einräume, wie es beispielsweise bei der Wahrnehmung genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss der Fall sei.313 Außerdem sei von eingeschränktem unternehmerischem Ermessen auszugehen, wenn die Entscheidung für das Unternehmen besonders bedeutsam ist.314 Die Differenzierung wird von Hopt und Roth damit begründet, dass die Business Judgment Rule nur eine deklaratorische Regelung sei, welche die Reichweite des unternehmerischen Ermessens und auch die diesbezügliche gerichtliche Beurteilung nicht verändert habe.315 Da die Rechtsprechung bis zur Einführung der Business Judgment Rule die Unverantwortlichkeit des Handelns als allgemeine Grenze des Handlungs- und Haftungsfreiraums des Vorstands angesehen habe, sei hiervon auch weiter auszugehen.316 Nur bei besonders bedeutenden Entscheidungen habe die Rechtsprechung auf den engeren Kontrollmaßstab der Vertretbarkeit abgestellt, weswegen auch nur in solchen Fällen von einem beschränkten unternehmerischen Ermessen auszugehen sei.317 Der von Roth und Hopt bei begrenztem unternehmerischem Ermessen befürwortete Überprüfungsmaßstab der Vertretbarkeit dürfte sich in der 311 Hopt/Roth,
in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 114, 126. in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 113, 124; ähnlich Ott, ZGR 2017, 149, 171 f., der im regulierten Bereich das Kriterium der Vertretbarkeit für maßgebend erachtet und ansonsten das Kriterium der Unverantwortlichkeit befürwortet. 313 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 120. 314 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 114. 315 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 113, 116 ff. 316 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 113. 317 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 113. 312 Hopt/Roth,
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Überprüfung der Nachvollziehbarkeit bzw. Rationalität der Annahmen des Vorstands erschöpfen. Dagegen ist der Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit, der nach Hopt und Roth für alle übrigen Entscheidungen gelten soll, wesentlich grobmaschiger. Denn von unverantwortlichem Handeln wird man erst ausgehen können, wenn der Vorstand die Denkgesetze der Logik besonders gröblich außer Acht lässt und ein deutliches Überschreiten der am Unternehmenswohl orientierten Leitung der Gesellschaft gegeben ist.318 Ganz in diesem Sinne wird geäußert, dass die Unverantwortlichkeit nur anzunehmen ist, wenn die „fehlende kaufmännische Rechtfertigung mehr als offensichtlich ist“.319 bb) Unverantwortlichkeit beim „Handeln zum Wohle der Gesellschaft“, strengere Kontrolle bei „angemessener Informationsgrundlage“ Andere Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass hinsichtlich der Kontrolle der Annahme des Vorstands „vernünftigerweise zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ stets das Kriterium der Unverantwortlichkeit maßgebend ist.320 Dass es auf den Maßstab der Unverantwortlichkeit ankomme, sei der Gesetzesbegründung zum UMAG zu entnehmen.321 Im Übrigen spreche für das Kriterium der Unverantwortlichkeit, dass das Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise“ nur als Beschränkung des Kontrollmaßstabs verstanden werden dürfe, da es ansonsten neben der Wendung „annehmen durfte“ überflüssig sei.322 Demnach könnte nur davon ausgegangen werden, dass der Vorstand nicht mehr vernünftigerweise annehmen durfte zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, wenn er eine unverantwortliche Entscheidung getroffen hat. Die Annahme des Vorstands auf einer „angemessenen Informationsgrundlage“ zu handeln, soll jedoch einer strengeren Kontrolle unterliegen.323 Diesbezüglich müsse das Kriterium der Rationalität bzw. Nachvollziehbarkeit als Kontrollmaßstab zur Anwendung kommen.324 Zur Begründung wird ange318 Vgl. Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 9; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 113; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 97 ff. 319 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 99 f. 320 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 9; Koch, ZGR 2006, 769, 790; ders., in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 23; ders., in: FS Säcker, S. 403, 409; Scholl, Vorstandshaftung, S. 300; wohl auch Baur/Holle, AG 2017, 597, 599 ff; Holle, AG 2011, 778, 783 f. 321 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 9; Scholl, Vorstandshaftung, S. 300. 322 Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 9 f. 323 So Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 21, der von einer engmaschigeren Kon trolle spricht; vgl. auch Baur/Holle, AG 2017, 597, 599 ff.; Redeke, ZIP 2011, 59, 61 ff.; Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 9 ff. hält dies für „erwägenswert“. 324 Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 21; Redeke, ZIP 2011, 59, 61 ff.
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führt, dass es hinsichtlich der Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage nicht im Interesse der Aktionäre liege, wenn der Vorstand insofern „Mut zum Risiko“ zeige.325 Gegen den Einwand, dass der Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG einen einheitlichen Kontrollmaßstab nahelegt, da sich die Worte „vernünftigerweise annehmen durfte“ auf beide Merkmale beziehen, wird angeführt, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des UMAG bei der Normierung der Business Judgment Rule für eine „Merkpostengesetzgebung“ entschieden habe und der Wortlaut daher nur eingeschränkt heranziehbar sei.326 Stattdessen bedürfe der Wortlaut einer weiteren tatbestandlichen Konturierung, die im vorstehenden Sinn zu erfolgen habe.327 cc) Einheitlicher Kontrollmaßstab der Nachvollziehbarkeit bzw. Rationalität Eine andere Meinungsgruppe möchte die gerichtliche Überprüfung der Annahme des Vorstands, auf einer angemessenen Informationsgrundlage zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, einheitlich anhand des Kriteriums der Nachvollziehbarkeit bzw. Rationalität vornehmen.328 Danach muss sich aus der Vielzahl der Vorentscheidungen bzw. Einschätzungen des Vorstands ein stimmiges und logisch nachvollziehbares Gesamtentscheidungsergebnis ergeben.329 Die Endentscheidung genügt dementsprechend den Anforderungen der Business Judgment Rule weder dann, wenn eine Vorentscheidung nicht mehr nachvollziehbar ist und sich dies auf das Gesamtergebnis auswirkt, noch dann, wenn trotz nachvollziehbarer Vorentscheidungen das Gesamt ergebnis nicht rational auf den zuvor getroffenen Einschätzungen aufbaut. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Annahme des Vorstands, mit der gewählten Entscheidung das aus dem Gesellschaftszweck zu folgernde Gesellschaftsinteresse zu fördern, von den Gerichten erst beanstandet werden kann, wenn der Weg der Entscheidungsfindung einen gedanklichen Bruch aufweist und / oder das Entscheidungsergebnis keine logische Folge der Annahmen des Vorstands im Entscheidungsfindungsprozess darstellt.330 325 Baur/Holle,
AG 2017, 597, 602. in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 21. 327 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 21. 328 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 23, 34; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086 ff.; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 194; wohl auch Binder, AG 2012, 885, 894 f.; Cahn, Der Konzern 2015, 105, 110 f.; ders., WM 2013, 1293, 1295; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 17; von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649 f. 329 Vgl. Binder, AG 2012, 885, 894 f., der das Entscheidungsergebnis und den Entscheidungsprozess im Ergebnis auf Plausibilität prüft. 330 In ähnlichen Worten auch Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087 f. 326 Koch,
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b) Stellungnahme und eigene Sichtweise Um der gerichtlichen Praxis bei der Überprüfung der Sorgfaltskonformität unternehmerischer Entscheidungen gerecht zu werden, soll im Folgenden Schritt für Schritt in der Reihenfolge des gerichtlichen Prüfungsprozesses Stellung genommen werden. aa) Erster Schritt Zur Wahrung des dem Vorstand zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums wird das beurteilende Gericht zunächst die Reichweite des Ermessensspielraums aus rechtlicher Sicht abstecken. Die äußeren Grenzen werden durch die gesetzlichen Bestimmungen gebildet. Die Legalitätspflicht verpflichtet den Vorstand, gesetzeskonform zu handeln und für gesetzmäßiges Verhalten anderer Unternehmensangehöriger Sorge zu tragen.331 Die Einhaltung eindeutiger gesetzlicher Bestimmungen hat ein Gericht ohne Einschränkungen zu prüfen, da sich der Vorstand aufgrund seiner gegenüber der Gesellschaft bestehenden Rechtsermittlungs- und Rechtsbefolgungspflichten hierrüber nicht hinwegsetzen darf.332 Ist die Rechtslage aus der ex ante Perspektive umstritten oder unklar, gilt es – entsprechend den vorstehenden Ausführungen333 – zu berücksichtigen, dass eine spätere (ober-)gerichtliche Feststellung der Überschreitung der gesetzlichen Grenzen aufgrund der Verhaltensbezogenheit der Legalitätspflicht nicht zwingend auf ein pflichtwidriges Verhalten des Vorstands im Innenverhältnis schließen lässt. Vielmehr hat das Gericht zu prüfen, ob die aus der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legalitätspflicht herrührenden Anforderungen vom Vorstand eingehalten wurden. Hat der Vorstand entschieden, nicht die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage zu besitzen, ist zu kontrollieren, ob ein fachkundiger Rechtsrat zur Ermittlung der juristisch am besten vertretbaren Auffassung hinzugezogen wurde und ob eine Plausibilitätskontrolle erfolgt ist. Ferner muss geprüft werden, ob dem Rechtsrat auch entsprochen wurde. Diesbezüglich ist die gerichtliche Kontrolldichte nicht beschränkt. Schwieriger gestaltet sich die gerichtliche Kontrolle, wenn der Vorstand entscheidet, die nötige Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage zu besitzen. In diesem Fall hat das Gericht nach dem Ergebnis der vorstehenden Untersuchung zu beurteilen, ob der Vorstand die erforderliche Sachkunde zur 331 Siehe
hierzu bereits Teil 1 C. die Ausführungen in Teil 1 C. III. 1. und Teil 1 C. III. 2. 333 Siehe hierzu ebenfalls die Ausführungen in Teil 1 C. II. 1. und Teil 1 C. II. 2. 332 Vgl.
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Beurteilung der Rechtslage besessen hat. Sofern dies zu verneinen ist, liegt bereits eine Pflichtverletzung vor, da der Vorstand bei fehlender Sachkunde eine rechtliche Expertise hinzuzuziehen hat. Bejahendenfalls ist anhand des für rechtsberatende Berufe geltenden Sorgfaltsmaßstabs zu beurteilen, ob die Rechtsermittlung durch den Vorstand sorgfaltskonform erfolgt ist. Jedenfalls, wenn der Vorstand nicht darlegen kann, dass er ernsthaft versucht hat, die juristisch am besten vertretbare Auffassung zu ermitteln oder keine plausiblen Gründe für die von ihm präferierte Sichtweise vorweisen kann, wird man auch bei unsicherer oder unklarer Rechtslage von einer pflichtwidrigen Handlung des Vorstands auszugehen haben. bb) Zweiter Schritt In einem nächsten Schritt wird sich das beurteilende Gericht der Überprüfung widmen, ob der Vorstand auch ansonsten vernünftigerweise annehmen durfte, auf einer angemessenen Informationsgrundlage zu handeln. Im Wesentlichen geht es dabei um die Frage, ob der Vorstand annehmen durfte, genügend Informationen zur möglichst genauen Quantifizierung der Chancen und Risiken der geplanten Maßnahme eingeholt zu haben. Erneut bildet der Vortrag des einzelnen Vorstandsmitglieds (§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG), aufgrund welcher Erwägungen er davon ausgegangen ist, dass die von ihm geschaffene Informationsgrundlage angemessen war, die Grundlage für die gerichtliche Kontrolle.334 An dieser Stelle ist die strittige Frage virulent, ob die Annahme des Vorstands erst gerichtlich beanstandet werden kann, wenn Sie unverantwortlich erscheint, oder aber schon zu beanstanden ist, wenn sie nicht mehr nachvollzogen werden kann. Der zum Teil befürwortete Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Zunächst ist die Behauptung, dass sich der Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit aus der Regierungsbegründung zum UMAG ergibt, unzutreffend.335 In der Gesetzesbegründung zum UMAG heißt es an der hierfür maßgeblichen Stelle:336 „Als Maßstab für die Überprüfung, ob die Annahme des Vorstands nicht zu beanstanden ist, dient das Merkmal „vernünftigerweise“. Auch insofern wird auf die Ausführungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung im ARAG / GarmenbeckUrteil Bezug genommen. Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals wäre etwa dann zu verneinen, wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt worden ist.“ Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087. auch von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 650. 336 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 334 Vgl. 335 So
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Durch die Verwendung des Wortes „etwa“ wird deutlich, dass die Regierungsbegründung einzig einen Beispielsfall nennt, in dem ein Vorstandsmitglied nicht mehr vernünftigerweise annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Eine Beschränkung der Kontrolldichte auf einen solch groben Maßstab ist der Regierungsbegründung damit aber nicht zu entnehmen. Auch das Argument, dass das Wort „vernünftigerweise“ neben der Wendung „annehmen durfte“ überflüssig ist, wenn man es nicht als eingrenzendes Tatbestandsmerkmal versteht, überzeugt nicht. Hätte der Gesetzgeber die Kontrolldichte auf eine deutliche Überschreitung seines Ermessensspielraums reduzieren wollen, ist davon auszugehen, dass er dies in den Gesetzesmate rialien unmissverständlich zu erkennen gegeben hätte. Auch kann vermutet werden, dass der Gesetzgeber ein anderes Wort für die Herabsetzung des Kontrollmaßstabs verwendet hätte. Im Duden wird die Bedeutung des Wortes „Vernunft“ wie folgt beschrieben: Die Vernunft ist das geistige Vermögen des Menschen, Einsichten zu gewinnen, Zusammenhänge zu erkennen, etwas zu überschauen, sich ein Urteil zu bilden und sich in seinem Handeln danach zu richten.
Man wird in Anbetracht dieser Wortbedeutung kaum annehmen können, dass die Annahme des Vorstands, vernünftigerweise auf der Grundlage angemessener Information zu handeln, erst beanstandet werden kann, wenn die fehlende kaufmännische Rechtfertigung für sein Handeln offensichtlich ist. Zu diesem Ergebnis käme man jedoch, wenn man den Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit für überzeugend hielte, da die Unverantwortlichkeit erst bei mehr als offensichtlich fehlender kaufmännischer Rechtfertigung angenommen werden soll.337 Nicht zuletzt spricht gegen den Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit, dass bei Anwendung dieses Maßstabs eine Pflichtwidrigkeit erst bei leichtfertigem bzw. grob fahrlässigem Verhalten von einem Gericht bejaht werden könnte.338 Der Gesetzgeber hat sich aber ausweislich der Gesetzesbegründung zum UMAG bewusst dagegen entschieden, den Verschuldensmaßstab auf grobe Fahrlässigkeit zu reduzieren.339 Gegenüber dem Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit gebührt den Kriterien der Nachvollziehbarkeit bzw. der rationalen Begründbarkeit der Vorzug. Im Gegensatz zur Unverantwortlichkeit werden diese Kriterien der Bedeutung, welche dem Wort „vernünftigerweise“ beizumessen ist, gerecht. Nicht erst bei leichtfertigem Verhalten kann man davon ausgehen, dass eine unvernünftige Verhaltensweise gegeben ist. Vielmehr ist eine Handlung Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 99 f. hierzu bereits Teil 1 E. II. 1. a) aa). 339 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 11. 337 Vgl.
338 Siehe
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schon dann unvernünftig, wenn sie nicht mehr aus rationalen Gründen nachvollzogen werden kann. Im Übrigen trägt auch die im Vergleich zum Kontrollmaßstab der Unverantwortlichkeit strengere gerichtliche Überprüfung dafür Sorge, dass der Ermessensspielraum des Vorstands von den Gerichten gewahrt wird. Denn das beurteilende Gericht hat – wie erläutert – die Annahme des Vorstands, auf der Grundlage angemessener Information zu handeln, nur darauf zu prüfen, ob sie unter Berücksichtigung der Umstände der Entscheidungssituation und der vom Vorstand angestellten Voreinschätzungen (Weg der Entscheidung) nicht mehr rational begründet bzw. nachvollziehbar erscheint. Umgekehrt trägt der Kontrollmaßstab der rationalen Begründbarkeit auch dafür Sorge, dass eine Überschreitung des Ermessensspielraums durch den Vorstand sogleich und nicht erst bei deutlichem Übertritt durch die Haftungsfolge nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG sanktioniert wird. Diese drohende Sanktion schützt das Gesellschaftsvermögen präventiv gegen jede überwiegend vermögensmindernde Maßnahme des Vorstands, was als angemessenes Gegenstück zur eigenverantwortlichen Stellung des Vorstands angesehen werden kann. Mithin hat das Gericht die Annahme des Vorstands, auch seinen über die Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehenden Informationspflichten genügt zu haben, darauf zu prüfen, ob sie nicht mehr nachvollziehbar bzw. rational begründbar ist. Sind keine logischen Brüche im Ableitungszusammenhang der Annahme des Vorstands zu erkennen und erscheint die Annahme aufgrund der Umstände der Entscheidungssituation als nachvollziehbar, ist eine gerichtliche Beanstandung ausgeschlossen. Folglich ist beispielsweise die Annahme des Vorstands, auf einer angemessenen Informationsgrundlage zu handeln, aufgrund ihrer Nachvollziehbarkeit „vernünftig“ i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wenn der Vorstand nach der Prüfung der Rechtmäßigkeit der geplanten Maßnahme und der Einholung weiterer Informationen an einem gewissen Punkt beschließt, keine darüberhinausgehenden Informationen einzuholen, weil der prognostizierte Nutzen zusätzlicher Information geringer ist als der prognostizierte Nachteil weiteren Zuwartens zum Zwecke der Informationssammlung.340 cc) Dritter Schritt In einem dritten Schritt prüft das Gericht, ob der Vorstand vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Auch insoweit ist der Kontrollmaßstab der Nachvollziehbarkeit bzw. rationalen Be340 Langenbucher,
DStR 2005, 2083, 2088.
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gründbarkeit – aus den vorstehend erläuterten Gründen – maßgebend. Damit ist gerichtlich anhand des Vortrags des Vorstands (§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG) zu prüfen, ob die Einschätzung, mit der getroffenen Entscheidung, das aus dem Gesellschaftszweck zu folgernde Gesellschaftsinteresse zu fördern, nachvollziehbar bzw. rational begründet erscheint. Auf eine normtypische Aktiengesellschaft angewendet bedeutet dies, dass die Gerichte aus der ex-ante-Perspektive des Vorstands, unter Berücksichtigung der bei der Vorbereitung der Entscheidung ermittelten und bewerteten Chancen und Risiken sowie unter Berücksichtigung der ermittelten Entscheidungsalternativen zu überprüfen haben, ob keine Aussicht darauf bestanden hat, dass die konkrete Vorstandsentscheidung zu einem finanziellen Vorteil für die Gesellschaft und / oder zu einer Steigerung ihres Marktwerts führt. Dieser Kontrollmaßstab trägt dem Anliegen der Business Judgment Rule Rechnung, den Ermessensspielraum des Vorstands zu respektieren, da der entscheidende Richter nicht die aus ex post Sicht beste Entscheidung mit der des Vorstands vergleichen darf. Einer Beschränkung der gerichtlichen Kon trolle auf die Unverantwortlichkeit der Entscheidung bedarf es hierfür nicht. 2. Kontrolle des Handelns frei von Interessenkonflikten und im guten Glauben an die Richtigkeit der Entscheidung Nachdem der Vorstand verpflichtet ist, frei von Interessenkonflikten und im guten Glauben an die Richtigkeit seiner Entscheidung zu handeln, haben die Gerichte zu untersuchen, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorstandsmitglied bei einer Entscheidung einem Interessenkonflikt ausgesetzt war oder für eine Entscheidung votiert hat, die er selbst nicht für richtig gehalten hat. Zeigt sich, dass ein Vorstandsmitglied einem Interessenkonflikt ausgesetzt war, ist zu prüfen, ob der Interessenkonflikt pflichtkonform offengelegt wurde und ob das Vorstandsmitglied entsprechend seiner Verpflichtung nicht am Entscheidungsverfahren teilgenommen hat. Sofern einer dieser Verpflichtungen oder gar beiden nicht entsprochen wurde, ist genauer zu untersuchen, ob die Entscheidung interessengeleitet war. Statt der Kontrolle der Annahmen des Vorstands im Entscheidungsprozess hat das Gericht in einem solchen Fall aus der Perspektive des damaligen Entscheidungszeitpunkts (ex ante) die Entscheidung zu identifizieren, die das Gericht nach der Beweisaufnahme und einer etwaigen Beurteilung eines Sachverständigen für richtig hält. Dabei darf das Gericht auch eine andere Informationsgrundlage als die, die der Vorstand geschaffen hat, zugrunde legen. Ansonsten ließe es sich nicht ausschließen, dass durch die Schaffung einer entsprechenden Informationsgrundlage das gewünschte und interessengeleitete Entscheidungsergeb-
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nis als richtig dargestellt wird, obwohl bei einer nicht interessengeleiteten Bildung einer angemessenen Informationsgrundlage ein anderes Entscheidungsergebnis vorzugswürdig erscheint. Schon bei der Entscheidung über die zu bildende Informationsgrundlage muss eine mögliche Beeinflussung der Entscheidung durch sachfremde Interessen ausgeschlossen bzw. zumindest nachträglich gerichtlich überprüft werden können. Allerdings gilt es insoweit zu beachten, dass die vom Gericht zugrunde gelegten Informationen schon im Entscheidungszeitpunkt einholbar sein mussten. Weicht die Entscheidung des betreffenden Vorstandsmitglieds von der vom (sachverständig beratenen) Gericht für richtig gehaltenen Entscheidung ab, ist zu vermuten, dass das Vorstandsmitglied aufgrund des Interessenkonflikts falsch und somit pflichtwidrig entschieden hat. Der dem Vorstandsmitglied an sich zur Verfügung stehende und gerichtlich zu wahrende Ermessensspielraum entfällt in solchen Fällen zum Schutze der Gesellschaftsinteressen.341 Ansonsten wäre es einem Vorstandsmitglied – wie erläutert – unter Umständen möglich, von Sonderinteressen geleitete Entscheidungen zu treffen ohne eine Haftung befürchten zu müssen. Ein Vorstandsmitglied setzt sich daher dem Risiko aus, dass ein (sachverständig beratenes) Gericht ein anderes Entscheidungsergebnis für zutreffend hält und die Entscheidung als interessengeleitet einordnet, wenn das Vorstandsmitglied einen Interessenkonflikt nicht offenlegt und sich an dem Entscheidungsverfahren beteiligt.
III. Fazit Die Kontrolle der Sorgfaltskonformität unternehmerischer Entscheidungen hat anhand der Kriterien der Nachvollziehbarkeit und der rationalen Begründbarkeit zu erfolgen. Ein sicherer Hafen existiert nur insoweit, als die Vorstandsmitglieder eine Entscheidung treffen, die nicht außerhalb des ihnen zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums liegt. Die gerichtliche Kontrolldichte hinsichtlich des Vorliegens eines Interessenkonflikts und des Handelns in gutem Glauben an die Richtigkeit der Vorstandsentscheidung sowie der Informationsanforderungen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme ist uneingeschränkt. Die Kontrolle der Angemessenheit der sonstigen Informationsanforderungen ist auf eine Nachvollziehbarkeitskontrolle der diesbezüglichen Vorstandserwägungen beschränkt. Hinsichtlich des Handelns zum Wohle der Gesellschaft ist die gerichtliche Kontrolle ebenfalls auf die Überprüfung der Nach341 A. A.
Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 18.
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vollziehbarkeit bzw. der Rationalität der Einschätzung des Vorstands, mit seiner Entscheidung den Gesellschaftszweck zu fördern, begrenzt. Dies soll den Ermessensspielraum des Vorstands gegen ein judicial second guessing bei unternehmerischen Entscheidungen absichern.342 Damit kann auf die eingangs dieses Abschnitts aufgeworfene Frage geantwortet werden. Der Business Judgment Rule deutscher Prägung ist keine Unterscheidung zwischen dem standard of conduct und dem standard of review zu entnehmen.343 Vielmehr verdeutlicht die Business Judgment Rule im deutschen Recht nur, dass die Gerichte den Ermessensspielraum des Vorstands zu wahren haben. Eine unwiderlegliche Vermutung gesetzeskonformen Verhaltens oder ein Tatbestandsausschlussgrund für das Vorliegen einer Pflichtverletzung ist in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht enthalten. Aufgrund des zu konstatierenden Gleichlaufs der Vorstandspflichten und des Kontrollmaßstabs kann nicht davon die Rede sein, dass die Haftungsgefahr durch die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gemildert wird.
F. Risiko der Durchsetzung von existenzvernichtenden Haftungsansprüchen In der deutschen Bevölkerung scheint der Eindruck weit verbreitet zu sein, dass Vorstände in der Praxis nie oder zumindest sehr selten wegen pflichtwidriger schadensbegründender Maßnahmen in Anspruch genommen werden. Daher und sicher auch wegen der zumindest in großen börsennotierten Aktiengesellschaften häufig anzutreffenden hohen Vergütung der Vorstandsmitglie der,344 wird eine etwaige Beschränkung der Vorstandshaftung äußerst kritisch gesehen. Es wird sogar eher für eine noch schärfere Haftung plädiert. In der Tat wäre eine Beschränkung der Vorstandshaftung nur schwerlich zu befürworten, wenn die vorstehend geschilderte Gefahr der existenzvernichtenden Haftung nur theoretisch drohen würde und die Vorstandsmitglieder eine Inanspruchnahme in der Praxis nicht zu fürchten bräuchten. Daher wird das tatsächliche Risiko der Haftungsdurchsetzung im Folgenden näher beleuchtet. auch Paefgen, AG 2008, 761, 763; Kocher, CCZ 2009, 215, 216. auch Cahn, WM 2013, 1293, 1295; von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649 f.; im Ergebnis ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 94 ff.; eine privilegierende Wirkung der Business Judgment Rule ablehnend Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 29; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068 f.; Druey, in: FS Goette, S. 57 (passim); Kocher, CCZ 2009, 215, 216; Lutter, ZIP 2007, 841; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165. 344 Siehe hierzu noch Teil 2 A. II. 3. 342 Vgl. 343 So
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I. Durchsetzungspflicht des Aufsichtsrats Die Durchsetzung eines Anspruchs aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gegenüber Vorstandsmitgliedern obliegt gemäß §§ 111 Abs. 1, 112 AktG dem Aufsichtsrat. Im Grundsatz ist der Aufsichtsrat wegen seiner vergangenheitsbezogenen Überwachungspflicht gehalten, den Anspruch durchzusetzen.345 Die insoweit grundlegende ARAG / Garmenbeck-Entscheidung des BGH346 bringt klar zum Ausdruck, dass der Aufsichtsrat nur in Ausnahmefällen Gesichtspunkte außerhalb des Gesellschaftsinteresses berücksichtigen darf und die Verfolgung der Schadensersatzansprüche gegenüber einem Vorstandsmitglied „die Regel“ sein muss. Nicht aufgrund des Gesellschaftsinteresses gerechtfertigte Gründe für die Abstandnahme von der Anspruchsverfolgung – wie die Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds oder die Konsequenzen, welche mit der Beitreibung für das Vorstandsmitglied oder seine Familie verbundenen sind – dürfen daher grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Auch ist der Entscheidung zu entnehmen, dass das Absehen von der Anspruchsverfolgung wegen gleichwertiger Gesellschaftsinteressen, die eine ersatzlose Hinnahme des Schadens rechtfertigen, nach Auffassung des BGH eher die Ausnahme ist. Der BGH formuliert insoweit: „Da diese Entscheidung allein dem Unternehmenswohl verpflichtet ist, das grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlangt, wird der Aufsichtsrat von der Geltendmachung voraussichtlich begründeter Schadensersatzansprüche gegen einen pflichtwidrig handelnden Vorstand nur dann ausnahmsweise absehen dürfen, wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen. Diese Voraussetzung wird im allgemeinen nur dann erfüllt sein, wenn die Gesellschaftsinteressen und -belange, die es geraten erscheinen lassen, keinen Ersatz des der Gesellschaft durch den Vorstand zugefügten Schadens zu verlangen, die Gesichtspunkte, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest annähernd gleichwertig sind.“347 345 BGH, Urt. v. 21.4.1997 (II ZR 175/95), BGHZ 135, 244, 252 – „ARAG/Garmenbeck“; BGH, Urt. v. 16.3.2009 (II ZR 280/07), NZG 2009, 550 Tz. 30; Fehrenbach, AG 2015, 761, 765 f.; Fischer, BB 1996, 225, 227 f.; Habersack, in: MüKoAktG, § 111 Rn. 36; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, § 111 Rn. 40; Henssler, in: Henssler/Strohn, § 111 AktG Rn. 9; Kling, DZWiR 2005, 45, 50 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 7; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 106 f.; Raiser, NJW 1996, 552, 553 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 111; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 116 Rn. 58 f.; vgl. auch Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 298; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 630 hält den Aufsichtsrat grundsätzlich wegen der Legalitätspflicht und der Pflicht zur Wahrung und Mehrung des Gesellschaftsvermögens zur Anspruchsdurchsetzung verpflichtet. 346 BGH, Urt. v. 21.4.1997 (II ZR 175/95), BGHZ 135, 244, 255 f. – „ARAG/ Garmenbeck“. 347 BGH, Urt. v. 21.4.1997 (II ZR 175/95), BGHZ 135, 244, 255 – „ARAG/Garmenbeck“.
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Da dem Aufsichtsrat bei pflichtwidriger Nichtdurchsetzung eines existenten Ersatzanspruchs eine eigene Haftung nach §§ 93 Abs. 2 Satz 1, 116 AktG droht, besteht ein starker Anreiz, Ansprüche tatsächlich zu verfolgen. Auch wenn man eine Einschränkung der Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats – wie es zum Teil im Schrifttum erwogen wird348 – befürwortet und dem Aufsichtsrat einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Anspruchsdurchsetzung und deren Höhe zugestehen möchte, besteht eine erhebliche Gefahr der Inanspruchnahme.349 Denn die Verschonung des Vorstandsmitglieds wird dann lediglich von der Gnade des Aufsichtsrats abhängig gemacht.350 Eine gnädige Vorgehensweise des Aufsichtsrats ist aber eher nicht zu erwarten, weil der Aufsichtsrat eine eigene Haftbarkeit nur mit Sicherheit vermeiden kann, wenn er den Anspruch gegenüber dem Vorstand durchsetzt. Freilich wäre die Durchsetzungsgefahr noch höher, wenn der Aufsichtsrat nur ganz ausnahmsweise von der Anspruchsdurchsetzung absehen dürfte. Deswegen wird nachfolgend ein kurzer Blick darauf geworfen, inwieweit die Verschonung eines Vorstandsmitglieds im Ermessen des Aufsichtsrats liegt. 1. Pflicht zur Prüfung, ob ein durchsetzbarer Anspruch besteht Die Pflicht des Aufsichtsrats zur Überprüfung, ob ein durchsetzbarer und beitreibbarer Anspruch gegenüber einem Vorstandsmitglied besteht, existiert nach allgemeiner Ansicht.351 Die Sachverhaltsaufklärung gehört zur allgemeinen Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, die sich auch auf abgeschlos348 Einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Anspruchsdurchsetzung befürworten Bieder, NZG 2015, 1178, 1182 ff.; Cahn, WM 2013, 1293, 1297; Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 956 ff.; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 121; für eine aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft begrenzte Anspruchsdurchsetzung durch den Aufsichtsrat plädieren Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff. und Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 106 ff.; zu einer etwaigen aufgrund der Fürsorgepflicht erfolgenden Haftungsbeschränkung siehe noch die Ausführungen in Teil 4 B; zur von Seibt, NZG 2015, 1097, 1102 vertretenen Möglichkeit der Vorausbindung des Ermessens des Aufsichtsrat durch eine Regelung im Anstellungsvertrag eines jeden Vorstandsmitglieds, siehe noch Teil 4 A. II. 349 So auch Koch, AG 2012, 429, 431; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 112 f. 350 Fehrenbach, AG 2015, 761, 767; Koch, AG 2012, 429, 431; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 112 f. 351 BGH, Urt. v. 21.4.1997 (II ZR 175/95), BGHZ 135, 244, 252 ff. – „ARAG/ Garmenbeck“; Hasselbach, NZG 2016, 890, 892; Lutter/Krieger/Verse, Aufsichtsrat, § 7 Rn. 447; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 117.
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sene Sachverhalte erstreckt.352 Ebenso wie es eine Pflichtaufgabe des Vorstands ist, Fehlverhalten und dessen Ursachen rückhaltlos aufzuklären,353 ist es eine Pflichtaufgabe des Aufsichtsrats, etwaig pflichtwidriges Verhalten von Vorstandsmitgliedern aufzuklären.354 Nur so kann andauerndes Fehlverhalten abgestellt oder zukünftigem Fehlverhalten des Vorstands vorgebeugt werden. Aufgrund dieser Pflichtaufgabe steht dem Aufsichtsrat kein Ermessen hinsichtlich der Frage zu, ob er den Sachverhalt aufklärt und das Bestehen eines durchsetzbaren und beitreibbaren Anspruchs prüft.355 Eine Ausnahme von dieser grundsätzlich strikten Aufklärungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn sowohl die Aufklärungskosten den entstandenen Schaden übersteigen würden als auch keine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des Fehlverhaltens besteht. Existiert dagegen eine Wiederholungsgefahr für ein erneutes Fehlverhalten, muss dem durch Aufklärung präventiv entgegengetreten werden. 2. Steht die Verschonung von Vorstandsmitgliedern im Ermessen des Aufsichtsrats? a) Teilweise vertretene Ansicht (keine Pflicht zur Regelverfolgung) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis des BGH zu kurz greife.356 Der Aufsichtsrat sei allein dem Unternehmenswohl verpflichtet.357 Im Regelfall seien die negativen Folgen für das Image des Unternehmens deutlich höher als die bei den Vorstandsmitgliedern realisierbaren Vermögenswerte.358 Auch sei es nicht selten, dass die Aufklärungskosten den bei einem Vorstandsmitglied beitreibbaren Betrag übersteigen, sodass die Inanspruchnahme häufig nicht im Gesellschaftsinte 352 Habersack, in: MüKo-AktG, § 111 Rn. 29; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 111. 353 So zur Compliance-Pflicht des Vorstands Fleischer, CCZ 2008, 1, 2; Hauschka/ Greeve, BB 2007, 165, 170 f.; Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 948, 958 ff.; Wagner, CCZ 2009, 8, 14. 354 Paefgen, AG 2014, 554, 572; Fehrenbach, AG 2015, 761, 765 stuft die Sachverhaltsermittlung als gebundene Kontroll- und Überwachungsaufgabe ein. 355 Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1222; Fehrenbach, AG 2015, 761, 765. 356 So Bieder, NZG 2015, 1178, 1182; Heermann, AG 1998, 201, 208; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 121; ebenfalls kritisch gegenüber dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des BGH Paefgen, AG 2014, 554, 572; Reichert, in: FS HoffmannBecking, S. 943, 956 ff.; ders., in: FS Hommelhoff, S. 907, 925. 357 Paefgen, AG 2014, 554, 572; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 121; wohl auch Reichert, in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 958. 358 Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 121.
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resse liege.359 Dem Aufsichtsrat komme hinsichtlich der Entscheidung über die Anspruchsgeltendmachung ein weiter Ermessensspielraum zu.360 b) Absehen von der Anspruchsverfolgung nur in rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefällen Zwar ist der Aufsichtsrat in der Tat zuvörderst dem Unternehmenswohl verpflichtet. Jedoch ändert dies nichts an seiner grundsätzlichen Verpflichtung, Schadensersatzansprüche gegenüber Vorstandsmitgliedern auch tatsächlich durchzusetzen.361 Das Argument, dass die Aufklärungskosten nicht selten den bei Vorstandsmitgliedern beitreibbaren Betrag übersteigen und eine Inanspruchnahme deswegen häufig nicht im Gesellschaftsinteresse liegt, überzeugt nicht. Wie soeben geschildert, ist von der strikten Aufklärungspflicht des Aufsichtsrats nur dann eine Ausnahme zu erwägen, wenn keine Wiederholungsgefahr für das etwaige Fehlverhalten besteht. Nur in einem solchen Fall lässt sich ein Absehen von der Aufklärung, wegen der den Schaden übersteigenden Aufklärungskosten rechtfertigen. Eine Wiederholung des schädigenden Verhaltens wird sich jedoch nur selten ganz ausschließen lassen. Der Aufsichtsrat ist daher zumindest grundsätzlich ohnehin zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Die damit verbundenen Aufwendungen sind Sowieso-Kosten, welche die Abstandnahme von der Anspruchsverfolgung – vorbehaltlich der nur sehr selten mangelnden Wiederholungsgefahr – nicht rechtfertigen können.362 Diejenigen, die behaupten, dass die negativen Folgen für das Image des Unternehmens regelmäßig den von einem Vorstandsmitglied beitreibbaren Betrag übersteigen, bleiben eine Begründung dafür schuldig, warum dies der Fall sein soll. So ist es durchaus denkbar, dass die rückhaltlose Aufklärung und das entschiedene Vorgehen gegen das pflichtvergessene Vorstandsmitglied das Vertrauen in das Unternehmen stärken.363 Auch die Vermeidung von risikoaversem Verhalten kann nicht für das Unterlassen der Inanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds ins Feld geführt werden. Risikoscheues Verhalten ist nur durch eine Haftungsbegrenzung im Voraus vermeidbar. Eine ungewisse Verschonung kann die 359 Reichert,
in: FS Hoffmann-Becking, S. 943, 957. NZG 2015, 1178, 1182 ff.; Paefgen, AG 2014, 554, 571 ff.; Reichert, in: FS Hommelhoff, S. 907, 924 f.; ders., ZIP 2016, 1189, 1194 f. 361 Faßbender, NZG 2015, 501, 506; Fehrenbach, AG 2015, 761, 765 f.; vgl. auch Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 298. 362 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 134 f. 363 Fehrenbach, AG 2015, 761, 766; Habersack, in: MüKo-AktG, § 111 Rn. 37; vgl. auch Götz, NJW 1997, 3275, 3277; ebenfalls zweifelnd, ob die Abstandnahme von der Anspruchsverfolgung rechtfertigende Imageschäden entstehen Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 122. 360 Bieder,
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Anreize zu übervorsichtigem Verhalten nicht beseitigen. Die dauerhafte Abstandnahme von der Inanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds steht zudem im Spannungsverhältnis mit der Regelung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG,364 da die Nichtdurchsetzung einem Verzicht gleicht, welchem die Aktionäre zustimmen müssten.365 Die Inanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds entspricht überdies abstrakt betrachtet dem Gesellschaftswohl.366 Schließlich wird hierdurch das Gesellschaftsvermögen gemehrt. Eine Nichtdurchsetzung ist dem Aufsichtsrat wegen des Gesellschaftswohls nur gestattet, wenn der Gesellschaft durch die Inanspruchnahme hinreichend konkrete Vermögensschäden drohen, welche den voraussichtlich beitreibbaren Schadensersatz erreichen oder übersteigen.367 Der Aufsichtsrat muss daher den vom Vorstandsmitglied zu erlangenden Betrag und die bei der Inanspruchnahme drohende betragsmäßige Schadensvertiefung prognostizieren und zueinander ins Verhältnis setzen. Vage Schätzungen darf er insoweit nicht anstellen.368 Vielmehr bedarf es konkreter Anhaltspunkte für die erstellten Prognosen.369 Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass nicht nur das aktuelle Vermögen des Vorstandsmitglieds relevant ist. Vielmehr kann ein titulierter Anspruch auch durch das zukünftige Einkommen des Vorstandsmitglieds oder etwaige Pensionsansprüche beitreibbar sein.370 Zwar wird man dem Aufsichtsrat hinsichtlich der Prognosen und seiner darauf basierenden Entscheidung einen Ermessensspielraum zugestehen müssen.371 Jedoch bedeutet dies nicht, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis negiert wird. Die Entscheidung, ein Vorstandsmitglied trotz der grundsätzlich bestehenden Inanspruchnahmepflicht zu verschonen, muss in plausibler Art und Weise nachvollzogen werden können, was nur der Fall ist, wenn die Gründe für die Abstandnahme von der Anspruchsdurchsetzung überwiegen.372 364 Vgl. Fehrenbach, AG 2015, 761, 765 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 123; a. A. Paefgen, AG 2014, 554, 573. 365 Zum Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung bei einem Verzicht siehe noch Teil 3 D. II. 6. b) bb) (2) (a). 366 Ebenso Fehrenbach, AG 2015, 761, 765. 367 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 123; vgl. auch Lutter/Krieger/Verse, Aufsichtsrat, § 7 Rn. 449. 368 Vgl. Fehrenbach, AG 2015, 761, 765 f. 369 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 121. 370 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 135 f. 371 Faßbender, NZG 2015, 501, 505 f.; Fehrenbach, AG 2015, 761, 766; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 787; Lutter/Krieger/Verse, Aufsichtsrat, § 7 Rn. 449. 372 So wohl auch Fehrenbach, AG 2015, 761, 766; Lutter, in: FS Hoffmann-Becking, S. 747, 753; Lutter/Krieger/Verse, Aufsichtsrat, § 7 Rn. 449; im Ergebnis ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 159.
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Die Verschonung eines Vorstandsmitglieds lässt sich jedenfalls nicht allein mit schwerwiegenden persönlichen Konsequenzen für das Vorstandsmitglied begründen.373 Vor diesem Hintergrund kommt dem Aufsichtsrat nur ein sehr begrenzter Ermessensspielraum hinsichtlich der Entscheidung über die Verschonung eines Vorstandsmitglieds zu. 3. Fazit Hält man den Aufsichtsrat in der Regel für verpflichtet, Ansprüche gegenüber dem Vorstand in voller Höhe durchzusetzen, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass existenzvernichtende Ersatzansprüche durchgesetzt werden. Doch selbst wenn man dem Aufsichtsrat – entgegen dem hier gewonnenen Untersuchungsergebnis – einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Anspruchsgeltendmachung einräumt, besteht eine nicht geringe Gefahr der existenzvernichtenden Inanspruchnahme. Nur wenn der Aufsichtsrat den Vorstand auf Ersatz in Anspruch nimmt, kann er mit Sicherheit eine eigene Haftung wegen einer pflichtwidrigen Nichtgeltendmachung vermeiden.
II. Durchsetzungsmöglichkeit der Aktionäre Die Durchsetzungswahrscheinlichkeit wird überdies dadurch gesteigert, dass den Aktionären bei pflichtwidriger Nichtdurchsetzung eines Ersatzanspruchs durch den Aufsichtsrat, kraft Gesetzes Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, den Anspruch gegenüber Vorstandsmitgliedern durchzusetzen. So kann die Hauptversammlung den Aufsichtsrat gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss zur Anspruchsdurchsetzung verpflichten. Erfolgt ein solcher Beschluss, darf der Aufsichtsrat selbst dann nicht von der Anspruchsdurchsetzung absehen, wenn aus seiner Sicht die Anspruchsverfolgung dem Gesellschaftsinteresse widerstreitet oder keine Aussicht auf Erfolg besteht.374 Hinzu kommt, dass die Aktionäre nach § 147 Abs. 2 Satz 1, 2 AktG einen besonderen Vertreter für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs bestellen können. In diesem Fall verliert der Aufsichtsrat seine 373 BGH, Urt. v. 21.4.1997 (II ZR 175/95), BGHZ 135, 244, 255 f. – „ARAG/ Garmenbeck“; Fehrenbach, AG 2015, 761, 767 f.; Heermann, AG 1998, 201, 207; Lutter/Krieger/Verse, Aufsichtsrat, § 7 Rn. 449; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 119; wohl auch Faßbender, NZG 2015, 501, 506; zur etwaigen Verschonung eines Vorstandsmitglieds aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft siehe noch Teil 4 B. 374 Bezzenberger, in: Großkomm AktG, § 147 Rn. 20; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 113 f.; Schröer, in: MüKo-AktG, § 147 Rn. 32.
F. Risiko der Durchsetzung von existenzvernichtenden Haftungsansprüchen 97
Kompetenz zur Durchsetzung des Anspruchs375 und der besondere Vertreter ist zur schonungslosen Durchsetzung des Ersatzanspruchs verpflichtet.376 Außerdem hat selbst eine Aktionärsminderheit, die den hundertsten Teil des Grundkapitals erreicht oder einen Betrag von 100.000 € am Grundkapital vorweisen kann, die Möglichkeit, durch Einleitung eines Klageerzwingungsverfahrens nach § 148 AktG, einen Ersatzanspruch durchzusetzen. Allerdings ist das Klageerzwingungsverfahren gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 3 AktG auf Fälle beschränkt, in welchen Tatsachen den Verdacht einer auf Unredlichkeit oder auf einer groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung beruhenden Schadenszufügung begründen. Hinzu kommt, dass die praktische Bedeutung des § 148 AktG bisher gegen Null konvergiert.377 Auch angesichts dieser vielfältigen bei pflichtwidriger Nichtdurchsetzung durch den Aufsichtsrat bestehenden Verfolgungsmöglichkeiten wird man davon ausgehen können, dass die Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern nicht nur ausnahmsweise erfolgt.
III. Durchsetzung von Ersatzansprüchen in der Praxis Gegen die vorstehende formal juristische Betrachtung ließe sich einwenden, dass eine Inanspruchnahme von Vorständen gleichwohl faktisch unterbeleibt. Vor einigen Jahren hätte dieser Einwand auch zugetroffen,378 was die Stimmungslage der Bevölkerung jedenfalls teilweise erklären kann. Dass aber noch heute die Inanspruchnahme von Vorständen die Ausnahme ist, wird man kaum mehr behaupten können.379 In den letzten Jahren ist nicht nur die Gesamtzahl der Inanspruchnahmen von Vorstandsmitgliedern deutlich gestiegen, sondern auch eine Steigerung der in Rede stehenden Haftungssummen zu verzeichnen.380 Dies lässt sich nicht zuletzt in den deutlich 375 Bezzenberger, in: Großkomm AktG, § 147 Rn. 52; Hirschmann, in: Hölters, § 147 Rn. 10; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 114; Schröer, in: MüKoAktG, § 147 Rn. 47; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 307. 376 Bezzenberger, in: Großkomm AktG, § 147 Rn. 56; Mock, in: Spindler/Stilz, § 147 Rn. 84, 88; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 114; vgl. auch Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 307. 377 Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1222; Koch, in: Hüffer/Koch, § 148 Rn. 3; Mock, in: Spindler/Stilz, § 148 Rn. 24. 378 Vgl. Habersack, in: Karlsruher Forum, S. 5, 34 f. und Redeke, BB 2010, 910, 911, die diesen Zustand noch in den Jahren 2009 und 2010 beklagen. 379 Ebenso Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 40; vgl. auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 160; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757 f.; Verse, ZGR 2017, 174, 175 f. 380 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 40; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757 f.; siehe auch die ausführliche Erläuterung der Rechtstatsachen von Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 11 ff.; vgl. auch Grunewald, AG 2013, 813, die
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Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
steigenden Prämien für D&O-Versicherungen ablesen.381 Ferner ist zu bedenken, dass die Zahl der nicht öffentlich bekannten Organhaftungsfälle riesig ist.382 Es wird geschätzt, dass nur 5 % aller Organhaftungsfälle öffentlich bekannt werden.383 Zu Recht wird deswegen von einem „Trend zur persön lichen Haftung“ von Vorstandsmitgliedern gesprochen.384 Den Grund für die erhöhte Inanspruchnahme wird man weniger in der Möglichkeit des Klageerzwingungsverfahrens sehen können,385 als in der immer größer werdenden Sensibilität der Aufsichtsräte für ihre Pflichten im Bereich der Prüfung und Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen nach der ARAG / Garmenbeck-Rechtsprechung des BGH.386
IV. Fazit Die Pflicht des Aufsichtsrats zur Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegenüber dem Vorstand und die Anspruchsverfolgungsmöglichkeiten der Aktionäre tragen dazu bei, dass Ersatzansprüche gegenüber dem Vorstand zunehmend tatsächlich durchgesetzt werden. Auch die Berichte aus der Praxis legen nahe, dass die Inanspruchnahme von pflichtvergessenen Vorstandsmitgliedern eher die Regel als die Ausnahme bildet. Es lässt sich daher nicht behaupten, dass die Gefahr der existenzvernichtenden Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern nur auf dem Papier existent ist.
G. Eingeschränkte Absicherbarkeit existenzvernichtender Haftungsrisikendurch D&O-Versicherungen Die Gefahr der existenzvernichtenden Inanspruchnahme kann nicht durch den Abschluss einer Versicherung gebannt werden. Zum einen liegt dies an der Tatsache, dass so gut wie kein Markt für eine Versicherung der Haftungsdavon spricht, dass die Haftungsrisiken zunehmen; siehe auch Berger/Scholl, ZBB 2016, 237, 238; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 223. 381 Handelsblatt Online, veröffentlicht am 13.1.2015 um 15.04 Uhr, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge/versicherung/versicherungen-fuerfuehrungskraefte-praemien-fuer-manager-policen-von-bankern-explodieren/11222626. html. 382 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 40. 383 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 40; Ihlas, D&O, S. 121. 384 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 42; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 4; vgl. auch Brock, WM 2016, 2209 f. 385 Vgl. Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757; Schmolke, ZGR 2011, 398, 402 ff.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 241 f. 386 Ebenso Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757.
G. Eingeschränkte Absicherbarkeit existenzvernichtender Haftungsrisiken99
risiken eines Vorstandsmitglieds auf eigene Rechnung besteht.387 Wenn eine Individualpolice am Markt erhältlich ist, reicht die gewährte Deckung regelmäßig bei weitem nicht aus, um die Haftungsrisiken des Vorstandsmitglieds abzusichern.388 Zum anderen erweist sich der Versicherungsschutz durch sogenannte D&O-Versicherungen (Gruppenversicherungen), welche die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin zugunsten ihrer Organmitglieder abschließen kann,389 – wie die folgenden Ausführungen zeigen werden – als unzureichend.390 Hinzu kommt, dass eine Gesellschaft nicht verpflichtet ist, eine D&O-Versicherung für ihre Vorstandsmitglieder abzuschließen.391 Ein Vorstandsmitglied kann sich daher nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass für ihn eine D&O-Versicherung abgeschlossen wird. Allenfalls ist es durch geschickte Verhandlungen über den Anstellungsvertrag möglich, eine hinreichend konkrete D&O-Verschaffungsklausel auszuhandeln, welche die Gesellschaft zum Abschluss einer D&O-Versicherung verpflichtet.392
I. Unzulänglichkeiten der D&O-Versicherung im Einzelnen Eine D&O-Versicherung stellt nur eine äußerst lückenhafte Absicherung gegen die existenzvernichtenden Haftungsrisiken des Vorstands dar.393 Weil es 387 Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 309; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 74; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 451; Ihlas, D&O, S. 335 f., jedenfalls bei großen Unternehmen; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 161. 388 Ihlas, D&O, S. 335 f., „die Einzelpolice bietet nur eine niedrige Versicherungssumme“; siehe auch Scholl, Vorstandshaftung, S. 509; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 451; die nachfolgenden Ausführungen zur D&O-Gruppenversicherung können für die Individualpolice entsprechend herangezogen werden. 389 Ausführlich zur D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung i. S. der §§ 43–48 VVG Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung, § 2 Rn. 10 ff. 390 Ebenso davon ausgehend, dass das Risiko existenzvernichtender Haftungsansprüche nicht versicherbar ist Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 455; Ihlas, D&O, S. 423, 425; Koch, AG 2012, 429, 432; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 224. 391 BeschlussE Rechtsausschuss VorstAG, BT-Drucks. 16/13433 S. 11; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 57; Fleischer, NZG 2009, 801, 806; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 236 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 455; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 404; Ihlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 28; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 58; Kort, DStR 2006, 799, 802; Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 243; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 162 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 84 Rn. 101. 392 Siehe hierzu Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung, § 5 Rn. 41 ff.; Hemeling, in: FS Hoffmann-Becking, S. 491, 506 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 163 ff.; vgl. auch Ihlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 31. 393 Vgl. Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 57, „keinen sicheren Schutz“; Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 115, „sehr lückenhaft“; Grunewald, AG 2013, 813; 815, „gerade wegen der hohen Haftungssummen […] keine vollstän-
100 Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
weder eine gesetzliche Regelung der D&O-Versicherung gibt noch ein einheitlicher Markt- oder Bedingungsstandard existent ist,394 können allgemeingültige Aussagen hinsichtlich konkreter Vertragsgestaltungen kaum getroffen werden. Dennoch bietet sich ein Blick auf häufig anzutreffende Gestaltungen der D&O-Versicherungsbedingungen an. Als Grundlage der Darstellung dienen die Musterbedingungen (AVB-AVG) des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) mit dem Stand August 2017.395 1. Umfangreiche Ausschlusstatbestände Zunächst stellt eine D&O-Versicherung wegen der sehr umfangreichen Ausschlusstatbestände keine Absicherung gegen das Risiko einer existenzvernichtenden Inanspruchnahme dar. Die AVB-AVG sehen insbesondere in Fällen, in welchen mit sehr hohen Schadenssummen zu rechnen ist, Haftungsausschlüsse vor. So sind in den Ziffern 5.3–5.5 AVB-AVG Ausschlusstatbestände enthalten für Schäden wegen in den Verkehr gebrachter Produkte (Produkthaftung), wegen Umwelteinwirkungen und wegen Tätigkeiten außerhalb der EU, wegen der Verletzung des Rechts von Nicht-EU-Staaten und wegen Schäden, die vor außerhalb der EU befindlichen Gerichten geltend gemacht werden. Überdies sieht Ziffer 5.9 AVB-AVG Ausschlüsse für Haftpflichtansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs oder Wettbewerbsbeschränkungen sowie wegen der Verletzung von Berufsgeheimnissen, Urheber-, Patent-, Warenzeichen-, Geschmacksmuster und vergleichbaren Immaterialgüterrechten vor. Hinzu kommen die Ausschlüsse nach den Ziffern 5.10 und 5.12 AVB-AVG, nach welchen keine Deckung für Vertragsstrafen, Kautionen, Bußgelder und Entschädigungen mit Strafcharakter sowie für Schäden im Zusammenhang mit Bestechungen, Schenkungen, Spenden oder ähnlichen Zuwendungen besteht. Neben vielen weiteren Haftungsausschlüssen sind außerdem Schäden aus Spekulationsgeschäften (Ziffer 5.13 AVB-AVG) und Schäden, die durch Pflichtverletzungen nach Eintritt der Insolvenzreife entstehen (Ziffer 3.4 AVB-AVG), nicht gedeckt. dige Deckung“; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 223 f., „keine Absicherung existenzvernichtender Haftungsrisiken“. 394 Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung, § 1 Rn. 6; Ihlas, in: MüKoVVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 15; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 310; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 208; vgl. auch Beckmann, in: Versicherungsrechts-HdB, § 28 Rn. 19, der davon spricht, dass es am Markt eine Reihe von D&O-Versicherungen mit variierenden Deckungsschutzkonzepten gibt; vgl. zudem Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 451; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 241. 395 Die AVB-AVG sind unter http://www.gdv.de/wp-content/uploads/2017/09/ AVB_DandO_August_2017.pdf abrufbar.
G. Eingeschränkte Absicherbarkeit existenzvernichtender Haftungsrisiken 101
2. Begrenzte Absicherung von Innenhaftungsansprüchen Für Vorstandsmitglieder besonders einschneidend ist es, wenn nach den Versicherungsbedingungen nur eine begrenzte Deckung von Innenhaftungsansprüchen besteht. Zwar sehen die AVB-AVG mit dem Stand August 2017 keine Beschränkung der Innenhaftungsansprüche vor. Jedoch wird aus der Praxis berichtet, dass viele D&O-AVB Begrenzungen der Innenhaftungsansprüche enthalten.396 Als Beispiel kann die noch in den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft aus dem Jahr 2011 in Ziffer 1.3 vorgesehene Bestimmung herangezogen werden. Sie lautet: „Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin gegen versicherte Personen besteht unter der Voraussetzung, dass diese von der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung initiiert und auch gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, der Versicherer verzichtet auf die Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung.“397
Diese Regelung führt dazu, dass Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nur ersatzfähig sind, wenn diese von der Hauptversammlung nach §§ 147, 148 AktG durchgesetzt werden.398 Wird ein Innenhaftungsanspruch dagegen von dem an sich hierfür zuständigen Aufsichtsrat399 oder im Stadium der Insolvenz von einem Insolvenzverwalter geltend gemacht, besteht keine Deckung durch die D&O-Versicherung.400 Diese Regelung dient der Vermeidung einer freundlichen Inanspruchnahme des Versicherers.401 Ohne eine solche Einschränkung des Versicherungsschutzes besteht aus Sicht des Versicherers die Gefahr, dass sich der Vorstand und die Gesellschaft einigen, einen unternehmerischen Verlust in einen haftpflichtigen Schaden umzudeuten, der vom Versicherer zu tragen ist.402 Für Vorstandsmitglieder hat eine derartige Bestimmung zur Folge, dass sie bei vom Aufsichtsrat verfolgten Innenhaftungsansprüchen keinen Versicherungsschutz genießen.403 Da eine Anspruchsdurchsetzung durch die HauptIhlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 634. bei Ihlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 680. 398 Beckmann, in: Versicherungsrechts-HdB, § 28 Rn. 92; vgl. auch Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 471. 399 Zur Pflicht des Aufsichtsrats zur Anspruchsdurchsetzung siehe Teil 1 F. I. 400 Ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 216 f. 401 Beckmann, in: Versicherungsrechts-HdB, § 28 Rn. 92; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 215 f. 402 Vgl. Ihlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 646 ff.; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 470. 403 So auch Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung, § 7 Rn. 90 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 216 f.; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 471. 396 So
397 Abgedruckt
102 Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
versammlung nur sehr selten erfolgt,404 kann sich der Vorstand in solchen Fällen auch bei Existenz einer D&O-Versicherung nicht darauf verlassen, dass Innenhaftungsansprüche versichert sind. In Anbetracht des Umstands, dass Begrenzungen der Innenhaftungsdeckung zur Vermeidung der Kollusionsgefahr in vielen D&O-AVB vorzukommen scheinen, dürfte einer nicht zu unterschätzenden Anzahl von Vorstandsmitgliedern allenfalls eine äußerst begrenzte Deckung von Innenhaftungsansprüchen zuteilwerden. Gruber, Mitterlechner und Wax prognostizieren dementsprechend, dass die Versicherer in Zukunft jedenfalls im Segment der Großrisiken auf einen Ausschluss der Innenverhältnisdeckung hinarbeiten werden.405 3. Eingeschränkte Absicherung durch begrenzte Deckungssummen Die allgemein übliche betragsmäßige Begrenzung der Deckungssummen in D&O-Versicherungsbedingungen406 führt dazu, dass bei Großschäden zumeist nur ein Teil des Schadens von der D&O-Versicherung ersetzt wird, während das Vorstandsmitglied für den darüber hinausgehenden Betrag allein verantwortlich ist.407 Eine Inanspruchnahme des Vorstandsmitglieds in Höhe des überschießenden Betrags übersteigt regelmäßig dessen Privatvermögen deutlich.408 Dass begrenzte Deckungssummen nicht nur ein theoretisches Problem darstellen, veranschaulicht der durch ein Interview von Rolf Breuer verursachte Schadensersatzprozess zwischen der Deutschen Bank AG und Leo Kirch bzw. dessen Erben. Im Zusammenhang mit diesem Haftungsprozess wurde bekannt, dass die D&O-Versicherung der Deutschen Bank AG eine 404 Zur
Anspruchsverfolgung durch die Hauptversammlung siehe Teil 1 F. II. D&O-Versicherung, § 7 Rn. 98; vgl. auch Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 471, der davon spricht, dass das Innenhaftungsrisiko gelegentlich vollständig aus dem Deckungsschutz herausgenommen oder beschränkt wird. 406 Zur Üblichkeit einer betragsmäßig begrenzten Deckungssumme Ihlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 506; vgl. auch Ziffer 4.3 Satz 1 AVB-AVG; Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung, § 6 Rn. 23 schätzen, dass im Mittelstand Deckungssummen zwischen 1 Mio. € und 25 Mio. € und bei Großunternehmen zwischen 50 Mio. € und 400 Mio. € üblich sind. 407 Vgl. Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 125; Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung, § 6 Rn. 22; Ihlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 531; Ihlas, D&O, 423, 425; Koch, AG 2014, 513, 520; Pammler, D&O-Versicherung, S. 41; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 209 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 248. 408 Vgl. Grunewald, AG 2013, 813; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 209 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 248. 405 Gruber/Mitterlechner/Wax,
G. Eingeschränkte Absicherbarkeit existenzvernichtender Haftungsrisiken 103
Deckungssumme von maximal 500 Mio. Euro hatte.409 Der von Leo Kirch geltend gemachte Schaden hat diese Deckungssumme um ein Vielfaches überschritten.410 Trotz des später geschlossenen Vergleichs, in welchem sich die Deutsche Bank AG zu einer Zahlung von 925 Mio. Euro an die Erben von Leo Kirch verpflichtet hat,411 war der bezifferte Schaden mindestens 425 Mio. höher als die vereinbarte Deckungssumme. 4. Weitere Verringerung des Deckungsschutzes durch konzeptionelle Besonderheiten Hinzu kommt, dass die Deckungssumme in einem Haftungsfall oftmals wegen konzeptioneller Besonderheiten einer D&O-Versicherung nicht in Gänze zur Schadensbegleichung zur Verfügung steht. a) Anrechnung der Verteidigungskosten Eine D&O-Versicherung übernimmt typischerweise412 alle Aufwendungen, die zur Verteidigung gegen einen geltend gemachten Anspruch nötig sind.413 Diese Kosten werden gemäß Ziffer 4.3 Satz 2 AVB-AVG – abweichend von § 101 Abs. 2 VVG – auf die vereinbarte Deckungssumme angerechnet. Da zu diesen Verteidigungskosten auch Stundenhonorare von Anwälten zählen, die deutlich über den RVG-Gebühren liegen, erscheint es nicht gerade als fernliegend, dass die Deckungssumme bereits durch diese Kosten deutlich vermindert oder gar aufgezehrt wird.414 Etwa die Aufwendungen für die in409 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 07.4.2006, Nr. 83, Seite 17, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/kirch-gegen-die-deutsche-bankbreuer-muss-bangen-1329128.html. 410 Nach Presseberichten forderte die Kirch Seite zwei Milliarden Euro, SPIEGEL ONLINE, veröffentlicht am 20.2.2014 um 13:11 Uhr, abrufbar unter http://www.spie gel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bank-zahlt-kirch-erben-fast-eine-milliardeeuro-a-954613.html. 411 FAZ.NET, veröffentlicht am 20.2.2014 um 13:11 Uhr, abrufbar unter http:// www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/eilmeldung-kirch-vergleich-kostet-deut sche-bank-925-millionen-euro-12811886.html. 412 Beckmann, in: Versicherungsrechts-HdB, § 28 Rn. 91; Gruber/Mitterlechner/ Wax, D&O- Versicherung, § 6 Rn. 24. 413 Nach Ziffer 4.1 Satz 1 AVB-AVG umfasst der Versicherungsschutz „die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung der versicherten Personen von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen.“ Auch aus Ziffer 4.3 Satz 2 AVB-AVG ergibt sich, dass die Verteidigungskosten von der D&O-Versicherung getragen werden. 414 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 211; vgl. auch Ihlas, D&O, S. 437; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 462.
104 Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
terne Aufklärung des Schmiergeldskandals bei der Siemens AG, die sich nach Medienberichten auf 2,5 Milliarden Euro belaufen haben,415 verdeutlichen, dass die Verteidigungskosten exorbitant hohe Ausmaße erreichen können. Denn ohne eine hinreichende Aufklärung der Vorkommnisse wird regelmäßig keine gute Verteidigung möglich sein. Zudem erwarten die Behörden (z. B. die US-amerikanische Securities and Exchange Commission) vielfach eine solche Aufklärung, bevor sie zu Bußgeldnachlässen bereit sind. Ferner kann der Versicherer die Verteidigungskosten selbst in die Höhe treiben. Er ist nach Ziffer 4.4 Satz 1, 2 AVB-AVG dazu bevollmächtigt, alle ihm dienlich erscheinenden Erklärungen zur Abwehr von Schadensersatzansprüchen abzugeben und die Prozessführung im Namen der versicherten Person zu übernehmen. In diesem wegen des Eigeninteresses der Versicherung nicht selten auftretenden Fall hat der Vorstand keinen Einfluss darauf, in welcher Höhe Verteidigungskosten begründet werden und damit die Deckungssumme geschmälert wird. Bei Ansprüchen, welche die Versicherungssumme erreichen oder übersteigen, bestehen sogar bei geringen Abwehrchancen erhebliche Anreize für den Versicherer, alle möglichen Verteidigungschancen wahrzunehmen.416 Da der Versicherer höchstens die Deckungssumme aufwenden muss, hat er – wie Scholz treffend formuliert – „nichts mehr zu verlieren“.417 Die entstehenden Verteidigungskosten sind aufgrund der Anrechnung auf die Deckungssumme für den Versicherer irrelevant, solange sie die Deckungssumme nicht übersteigen. Eine Verteidigung auch in relativ aussichtslosen Fällen bietet dem Versicherer daher die zumindest nicht ganz auszuschließende Möglichkeit, den Anspruch gänzlich abzuwehren und somit die Differenz zwischen den nach dem RVG nicht ersatzfähigen Verteidigungskosten und der Deckungssumme einzusparen.418 b) Aggregate Limits, claims-made-Prinzip und Gruppenversicherung Die vertraglich vereinbarte Deckungssumme gilt außerdem nicht pro Schadensfall. Vielmehr steht sie für alle während eines Versicherungsjahres eintretenden Versicherungsfälle zusammen zur Verfügung (aggregate limits).419 Treten mehrere Versicherungsfälle in einem Jahr auf, kann also die Deckungssumme bereits durch den ersten Versicherungsfall deutlich gemindert 415 Handelsblatt Online, veröffentlicht am 22.4.2014 um 15.41 Uhr, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/milliardenschwere-korrup tion-prozess-gegen-ex-siemens-vorstand-kommt-voran/9790090.html. 416 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 212. 417 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 212. 418 Ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 212. 419 Vgl. Ziffer 4.3 Satz 1 AVB-AVG.
G. Eingeschränkte Absicherbarkeit existenzvernichtender Haftungsrisiken 105
oder gar aufgezehrt werden.420 Ein Vorstandsmitglied kann sich daher nicht darauf verlassen, stets in Höhe der Deckungssumme abgesichert zu sein. Die Konstruktion der D&O-Versicherung nach dem Anspruchserhebungsprinzip (claims-made-Prinzip) trägt dazu bei, dass selbst in unterschiedlichen Versicherungsjahren verursachte Schäden, die Deckungssumme eines Versicherungsjahres aufzehren können. Denn nach Ziffer 2 Satz 1 AVB-AVG gelten als Versicherungsfall all diejenigen Ansprüche, die während der Dauer eines Versicherungsjahres erstmalig geltend gemacht werden. Auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung und den Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruchs kommt es mithin – vorbehaltlich der Verjährung – nicht an. Ob die Deckungssumme ausreicht, kann daher auch von dem zufälligen Zeitpunkt der Anspruchsgeltendmachung abhängen.421 Ferner stellt die D&O-Versicherung eine Gruppenversicherung dar. Mit ihr wird nicht nur ein einzelnes Vorstandsmitglied versichert, sondern eine Vielzahl von Personen. So besteht der Versicherungsschutz nach Ziffer 1.1 Satz 1 AVB-AVG für alle gegenwärtigen und ehemaligen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Versicherungsnehmerin sowie für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ihrer Tochtergesellschaften. Viele D&O-Versicherungen erstrecken den Versicherungsschutz sogar auch auf leitende Angestellte.422 Angesichts der Vielzahl der versicherten Personen wird deutlich, dass ein Vorstandsmitglied der Gefahr ausgesetzt ist, dass die vereinbarte Deckungssumme bereits durch einen anderen Haftungsfall geschmälert oder aufgezehrt wurde.423 5. Selbstbehaltsverpflichtung Schließlich kommt hinzu, dass eine Gesellschaft bei Abschluss einer D&O-Versicherung nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG verpflichtet ist, einen Selbstbehalt für Vorstandsmitglieder vorzusehen. Der Selbstbehalt muss mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe der eineinhalbfachen jährlichen fixen Vergütung des Vorstandsmitglieds betragen. Sofern der Selbstbehalt in den Versicherungsbedingungen auf maximal das eineinhalbfache der jährlichen fixen Vergütung festgesetzt wird und die D&O-Versiche420 Scholz,
Existenzvernichtende Haftung, S. 213. auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 214. 422 Beckmann, in: Versicherungsrechts-HdB, § 28 Rn. 59; Gruber/Mitterlechner/ Wax, D&O-Versicherung, § 1 Rn. 12; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 451; Ihlas, in: MüKo-VVG, Band 3, Nr. 320 D&O Rn. 175; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 241; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 460. 423 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 451; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 214. 421 So
106 Teil 1: Allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Vorstandshaftung
rung in einem die Deckungssumme nicht überschreitenden Schadensfall eingreift, wird es nicht zu einer existenzvernichtenden Haftung des Vorstands kommen.424 Da es sich bei dem eineinhalbfachen der jährlichen fixen Vergütung aber um eine Mindestanforderung handelt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Selbstbehalt stets derartig niedrig vereinbart wird.425 Veranschaulicht wird dies auch durch die nicht erfolgte Festlegung in den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft auf einen im Verhältnis zur fixen Vorstandsvergütung zu bestimmenden Höchstbetrag. So besagt Ziffer 4.3 Satz 5 AVB-AVG: „Sofern kein höherer Selbstbehalt vereinbart ist, tragen die versicherten Personen im Versicherungsfall einen Selbstbehalt von … % des Schadens bis zur Höhe des …- fachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds.“
Sofern eine hohe prozentuale Beteiligung des Vorstandsmitglieds an dem zu ersetzenden Schaden durch die Selbstbehaltsregelung vereinbart ist, kann schon eine Inanspruchnahme in diesem Rahmen zu einer existenzvernichtenden Haftung führen.426
II. Fazit Das Risiko der existenzvernichtenden Haftungsansprüche ist – zumindest derzeit – durch eine D&O-Versicherung nur in einem geringen Ausmaß abdeckbar. Weder kann der Vorstand auf eigene Rechnung eine Versicherung abschließen, noch kann eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung für die Absicherung des existenzvernichtenden Haftungsrisikos in befriedigender Art und Weise Sorge tragen. Vor allem wegen der begrenzten Deckungssummen und der weitreichenden Ausschlusstatbestände erweist sich die D&O-Versicherung zur Absicherung dieser Risiken als untauglich. Auch die erläuterten konzeptionellen Eigenschaften der D&O-Versicherung (Gruppenversicherung, Anrechnung der Verteidigungskosten) tragen dazu bei, dass sich der Versicherungsschutz insbesondere bei hohen Schäden als weitestgehend unzureichend erweist. Sind in den Versicherungsbedingungen ein hoher Selbstbehalt und / oder eine Begrenzung der Innenhaftungsdeckung vorgesehen, wird die ohnehin schon lückenhafte Absicherung nochmals deutlich verringert.
auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 209. Existenzvernichtende Haftung, S. 209. 426 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 209. 424 So
425 Scholz,
H. Fazit zu Teil 1 der Arbeit
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H. Fazit zu Teil 1 der Arbeit Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die aus der Legalitätspflicht und der allgemeinen Sorgfaltspflicht zu entnehmenden Vorstandspflichten streng sind. Ebenfalls wurde belegt, dass die Entstehung exorbitant hoher Schäden rechtsformtypisch für eine Aktiengesellschaft ist. Da der Vorstand nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für jede leicht fahrlässige Pflichtverletzung haftet, ist eine existenzvernichtende Haftungsgefahr für Vorstandsmitglieder allgegenwärtig. Dies gilt umso mehr, als die Fülle der Vorstandspflichten ein äußerst hohes Maß erreicht hat. Außerdem trägt die nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG bestehende Beweislastumkehr dazu bei, dass der Vorstand dem Risiko ausgesetzt ist, nachweisen zu müssen, dass seine Handlung pflichtkonform war. Auch dies führt zu einer gesteigerten Haftungsgefahr. Wenn Hopt und Roth von einem „für Organmitglieder nicht mehr abschätzbaren Existenzrisiko“ sprechen,427 ist ihnen mithin zuzustimmen. Dieses Haftungsrisiko wird nicht über die Business Judgment Rule derartig verringert, dass Vorstände eine Inanspruchnahme nur selten zu fürchten brauchen. Selbst wenn eine D&O-Versicherung existent ist, bleiben Vorstandsmitglieder einem erheblichen, ihre wirtschaftliche Existenz gefährdenden Haftungsrisiko ausgesetzt. Hinzu kommt der Umstand, dass ein Vorstandsmitglied angesichts der Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats und der vielfältigen Durchsetzungsmöglichkeiten der Aktionäre stets mit einer Inanspruchnahme rechnen muss. Ein für Vorstandsmitglieder allgegenwärtiges Risiko der existenzvernichtenden Inanspruchnahme ist als Tatsache anzuerkennen. Infolgedessen stellt sich die Frage, ob eine Eingrenzung dieser Haftungsgefahr als sinnvoll erscheint. Falls dies zu bejahen ist, muss außerdem die Frage beantwortet werden, ob eine Begrenzung der Haftung mit den aktienrechtlichen Normen de lege lata in Einklang zu bringen ist. Alledem wird in den nun folgenden weiteren Teilen der Arbeit nachgegangen.
427 Hopt/Roth,
in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 42.
Teil 2
Ist eine Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands zu befürworten? Die vorstehenden Untersuchungen haben gezeigt, dass Vorstandsmitglieder ständig dem Risiko ausgesetzt sind, selbst für leichteste Fehler in einem Ausmaß zu haften, welches ihre wirtschaftliche Existenz zerstört. Allein in der Haftung des Schuldners mit existenzvernichtendem Ausmaß ist aber kein hinreichender Grund für seine Entlastung zu sehen.428 Deswegen muss genauer betrachtet werden, welche Argumente für und welche Argumente gegen eine Beschränkung der Vorstandshaftung sprechen.
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung I. Auseinandersetzung mit den Einwänden genereller Art Zum Teil wird im juristischen Schrifttum behauptet, dass eine Beschränkung des Haftungsrisikos für Vorstandsmitglieder dazu führe, dass man die Kleinen hängt, während man die Großen laufen lässt.429 Es sei generell davon auszugehen, dass bei pflichtwidrig und schuldhaft verursachten Schäden mit dem gesamten Privatvermögen gehaftet werde.430 Dem Schuldner sei es möglich, Privatinsolvenz anzumelden, sodass er nach Ablauf der Wohlverhaltensphase schuldenfrei sei. Dies müsse auch für Vorstandsmitglieder gelten.431 Betrachtet man jedoch die Situation bei der Haftung der Arbeitnehmer und der Vorstandsmitglieder aus juristischer Sicht, stellt sich heraus, dass von Rechts wegen von einer umgekehrten Sachlage auszugehen ist.432 Während ein Arbeitnehmer vom richterrechtlich anerkannten Grundsatz des innerbetrieblichen Schadensausgleichs profitiert und für leicht fahrlässig verursachte 428 Hierzu ausführlich Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 73 ff.; siehe auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 227. 429 So Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. 430 Fehrenbach, AG 2015, 761, 772; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. 431 Fehrenbach, AG 2015, 761, 772; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. 432 Vgl. Brommer, AG 2013, 121, 129; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 399; Koch, AG 2014, 513, 515; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 228 f.
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung
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Schäden nicht sowie für mit mittlerer und teils sogar für mit grober Fahrlässigkeit verursachte Schäden nur anteilig haftet,433 haften Vorstände auch für kleinste Fehler unbeschränkt. Überdies ist der Aufsichtsrat nach der ARAG / Garmenbeck-Rechtsprechung des BGH zur Beitreibung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern verpflichtet,434 während eine korrespondierende Pflicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Arbeitnehmern nicht existiert. Der Hinweis, dass Vorstandsmitglieder über ein Privatinsolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung erlangen können, kann schon deswegen nicht als Argument gegen eine Haftungsbeschränkung ernst genommen werden, weil dies dann ebenso für Arbeitnehmer gelten müsste, die aber – anders als die Vorstandsmitglieder – über den Grundsatz des innerbetrieblichen Schadensausgleichs eine Haftungsbeschränkung oder gar eine Haftungsbefreiung erlangen.435 Auch lässt sich nicht behaupten, dass Menschen in verantwortungsvollen Positionen stets mit dem gesamten Vermögen zu haften hätten.436 Ein Blick auf Geschäftsführer einer GmbH, Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zeigt, dass die Haftung dieser Personen weitestgehend begrenzt werden kann. So kann die Haftung von GmbH-Geschäftsführern nach herrschender Auffassung selbst für grobe Fahrlässigkeit im Voraus beschränkt werden.437 Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer können ihre Haftung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BRAO, § 67a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StBerG, § 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO betragsmäßig durch vorformulierte Vertragsbedingungen beschränken. Für Abschlussprüfer ist sogar in § 323 Abs. 2 HGB eine gesetzliche Haftungsbeschränkung auf eine Million Euro bzw. bei der Prüfung von Aktiengesellschaften, die zum regulierten Markt zugelassen sind, auf vier Millionen Euro vorgesehen. Bei Einführung der Vorgängervorschrift (§ 262 g HGB 1931) zu § 323 Abs. 2 HGB hat der Gesetzgeber erläutert, dass „dem Prüfer bei Fahrlässigkeit eine Höchstgrenze für seine Haftpflicht [gewährt wird]. Hierfür war die Überlegung maßgebend, daß erfahrungsgemäß bei Prüfun433 Ausführlich zum innerbetrieblichen Schadensausgleich m.w.N. Henssler, in: MüKo-BGB, § 619a Rn. 5 ff.; speziell zur nach verschuldensgraden abgestuften Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers Henssler, in: MüKo-BGB, § 619a Rn. 32 ff. 434 Zu den steigenden Prämien für D&O-Versicherungen siehe den Artikel in der Onlineausgabe des Handelsblatts vom 13.1.2015, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge-versicherung/nachrichten/versicherungen-fuer-fuehrungskraefte-praemien-fuer-manager-policen-von-bankern-explodieren/11222626.html. 435 So auch Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 57; im Ergebnis ebenso Koch, AG 2014, 513, 516. 436 In diesem Sinne auch Eßwein, Vorstandshaftung, S. 120 f.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395. 437 Siehe hierzu noch Teil 3 D. II. 7. b) aa).
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Teil 2: Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands
gen, der hier zu erörternden Art geringfügige Versehen zu ungewöhnlich großen Schäden führen können und dass ein Prüfer zum Nutzen seiner Arbeit von der drückenden Besorgnis, unbeschränkt zum Ersatz verpflichtet zu sein, befreit werden müsse.“438
Die vom Reichsgesetzgeber beschriebene Haftungssituation der Abschlussprüfer ist durchaus mit der von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Wie erläutert439 können schon leichteste Versehen von Vorstandsmitgliedern zu exorbitant hohen Schäden führen. Die Entstehung hoher Schäden ist – wie gezeigt440 – in Aktiengesellschaften geradezu rechtsformtypisch. Auch kann sogleich441 belegt werden, dass die Befreiung des Vorstandsmitglieds von seiner Besorgnis, auch bei geringen Fehlern existenzvernichtend in Anspruch genommen zu werden, ebenso „zum Nutzen seiner Arbeit“ ist, wie die durch gesetzliche Regelung erfolgte Befreiung des Abschlussprüfers von dessen Haftungssorgen. Die zum Teil im Schrifttum erhobenen Einwände gegenüber einer Beschränkung des Haftungsrisikos für Vorstandsmitglieder vermögen nach alledem nicht zu überzeugen. Daraus lässt sich aber noch kein Bedürfnis nach einer Haftungsbeschränkung ableiten. Vielmehr bedarf es hierfür guter Gründe, die für eine Beschränkung der Haftungsgefahr sprechen.
II. Argumente für die Begrenzung des Haftungsrisikos 1. Vermeidung von Anreizen zu risikoaversem Verhalten Eine sehr strenge und dem Umfang nach unbegrenzte Haftung, wie sie nach der lex lata für Vorstandsmitglieder besteht, schafft Anreize zu übervorsichtigem Verhalten und Absicherungsmaßnahmen gegen alle irgendwie denkbaren Risiken.442 Vorstandmitglieder können daher geneigt sein, Risiken zu scheuen, obwohl ihre Hinnahme gesamtwirtschaftlich betrachtet sinnvoll wäre. 438 Reichstagsprotokolle, Wahlperiode 1930, Band 450, Anlage Nr. 848, S. 16 zu § 55 h des Entwurfs eines Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen. Die vorgeschlagene Regelung hat letztlich als § 262 g HGB Eingang ins Gesetz gefunden, vgl. Schmölder, JW 1931, 2925, 2927 sowie ders., JW 1930, 3687 f. 439 Hierzu bereits in Teil 1 A. 440 Dazu ebenfalls Teil 1 A. 441 Siehe Teil 2 A. II. 1. 442 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927; Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 82 ff.; Koch, AG 2012, 429, 434; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 236 ff.; Spindler, AG 2013, 889, 894 f.; vgl. auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312 f.; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 294; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530; Vetter, NZG 2014, 921, 923; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251.
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung
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a) Vermeidung von risikoscheuem Verhalten durch Gesetzgeber bezweckt Dass der Gesetzgeber eine zu große Risikoaversion von Vorstandsmitgliedern vermeiden möchte, wurde im Zuge der Normierung der Business Judgment Rule zum Ausdruck gebracht.443 Die Business Judgment Rule versucht – wie bereits erläutert – dem Problem ex ante unkontrollierbarer Haftungsrisiken bei unternehmerischen Entscheidungen Herr zu werden. Dieser mit der Business Judgment Rule verfolgte Regelungszweck ist jedoch zumindest nicht unmittelbar als Argument für eine Begrenzung der über den Bereich unternehmerischer Entscheidungen hinausgehenden Haftungsrisiken verwertbar.444 Denn aufgrund des Verschuldenserfordernisses erscheint die Begründung der Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zumindest auf den ersten Blick als ex ante von Vorstandsmitgliedern vollständig beherrschbar. So vermeidbar das Haftungsrisiko wegen des Verschuldenserfordernisses auf den ersten Blick auch erscheinen mag, ergibt sich doch bei Inblicknahme der Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass keine trennscharfen Grenzen zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren Haftungsrisiken gezogen werden können.445 Gelingt es einem Vorstandsmitglied nicht nachzuweisen, dass er sich sorgfaltskonform verhalten hat, haftet das Vorstandsmitglied auch, wenn sein Verhalten an sich nicht zu beanstanden ist. Die Tragweite der Beweislastumkehr im hiesigen Kontext wird durch Berichte deutlich, nach welchen viele potentiell Betroffene die Sorge mit sich tragen, trotz ordentlichem Verhalten allein aus Beweisnot verurteilt zu werden.446 Zudem verschärft das allseits bekannte Problem der hindsight bias die Sorge von Vorstandsmitgliedern, eine Haftung trotz höchster Sorgfaltsanstrengungen nicht vermeiden zu können. Hinzu kommt, dass die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auch deswegen für Vorstandsmitglieder zumindest teilweise unvermeidbar ist, weil sie trotz hoher Sorgfaltsanstrengungen nicht ausschließen können, irgendwann während ihrer langjährigen Tätigkeit einen (leicht) fahrlässigen Fehler zu begehen.447 Auch insofern sind Vorstandsmitglieder einem allgegenwärtigen und unvermeidbaren Haftungsrisiko ausgesetzt. 443 Zum
Regelungszweck der Business Judgment Rule siehe bereits Teil 1 E. I. Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 236; Fehrenbach, AG 2015,
444 Ebenso
761, 773. 445 Ebenso Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 237. 446 So Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 33. 447 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 237; vgl. auch Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 293; Koch, AG 2014, 513, 516.
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Teil 2: Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands
Erschwerend wirkt sich zudem aus, dass vor allem besonders fleißige Vorstandsmitglieder einer hohen Haftungsgefahr ausgesetzt sind. Im Vergleich zu Vorstandsmitgliedern, die alle delegierbaren Aufgaben abgeben, ist für sie die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher, irgendwann einmal einen haftungsauslösenden Fehler zu begehen. Dies liegt nicht nur daran, dass eine umfassendere Aufgabenwahrnehmung auch eine erhöhte Fehleranfälligkeit mit sich bringt, sondern auch daran, dass sich die Vorstandspflichten bei einer Aufgabendelegation in Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungspflichten erschöpfen, die wesentlich leichter zu erfüllen sind.448 Man kann daher sogar sagen, dass fleißige Vorstandsmitglieder mit einer besonders hohen Gefahr der existenzvernichtenden Haftung bestraft werden und deswegen Anreize zur möglichst weitgehenden Delegation von Aufgaben bestehen. Schließlich kann hinzugefügt werden, dass das Trennungsprinzip im Kapitalgesellschaftsrecht gerade dazu dient, die aufgrund eines drohenden Totalverlusts bestehende irrationale Risikoaversion zu beseitigen.449 Es ist gewissermaßen widersprüchlich, wenn man einerseits die drohende Risikoaversion durch die Bereitstellung haftungsbeschränkter Rechtsformen einzudämmen sucht, andererseits aber eine dem Umfang nach zwingend unbegrenzte und auch ansonsten derartig strenge Haftung vorsieht, dass die Geschäftsleiter aus Angst vor persönlicher Inanspruchnahme zu risikoaversem Verhalten neigen. All dies rechtfertigt es, die mit der Business Judgment Rule verfolgten Gedanken auch für eine Begrenzung der Vorstandshaftung nutzbar zu machen. Hier wie dort liegt es weder im Interesse der Gesellschaft, noch kann es als volkswirtschaftlich förderlich betrachtet werden, wenn der Vorstand aus Angst vor einer Inanspruchnahme wirtschaftlich sinnvolle Risiken scheut.450 Da eine sehr strenge Haftung einen Anreiz für risikoaverses Verhalten begründet und sich die Haftung nicht per se als unvermeidbar darstellt, ist eine Begrenzung der Vorstandshaftung ein probates Mittel zur Vermeidung von zu großer Risikoscheue.451
Aufgabendelegation siehe Krause, BB 2009, 1370, 1372 f. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 716; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 238. 450 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 237 ff.; vgl. auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251 sowie Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 223. 451 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312 f.; Vetter, NZG 2014, 921, 923. 448 Zur
449 Ebenso
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung
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b) Kein unlösbarer Konflikt mit der verhaltenssteuernden Funktion Auch wenn die Auswirkungen jeder Haftungsbeschränkungsvariante stets individuell beurteilt werden müssen452 und daher keine pauschale Aussage zur Vereinbarkeit von Haftungsbeschränkungen mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung getroffen werden kann, erscheint ein etwaiger Konflikt nicht per se als unlösbar.453 So wird etwa die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung bei einer summenmäßigen Beschränkung jedenfalls solange nicht unterlaufen, wie die Haftung nicht weiter eingeschränkt wird, als es nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt bei Existenz einer D&O-Versicherung möglich ist.454 Denn ausweislich des Berichts des Rechtsausschusses hat der Gesetzgeber im Zuge der Normierung der besagten Bestimmung zum Ausdruck gebracht, dass bei einer solchermaßen beschränkten Eigenhaftung des Vorstands von einer ausreichenden verhaltenssteuernden Wirkung auszugehen ist.455 Hinzu kommt, dass Vorstandsmitglieder – auch bei Gewährung einer Haftungsbeschränkung – aufgrund ihrer fremdnützigen Tätigkeit nicht die Schadensvorsorgekosten zu tragen haben. Sie profitieren daher nicht von einer Absenkung der Vorsorgekosten, weswegen sie auch bei einer Begrenzung der Haftung nicht dazu angehalten sind, ihre Vorsorgemaßnahmen bzw. ihr Sorgfaltsniveau herabzusenken.456 c) Zwischenfazit Zur Vermeidung von Anreizen zu übertrieben risikoaversem Verhalten des Vorstands ist eine die verhaltenssteuernde Funktion der Vorstandshaftung wahrende Beschränkung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr geeignet. Ein Abbau solcher Anreize ist aus rechtsökonomischer Sicht wünschenswert, da ein risikoscheues Verhalten des Vorstands den Interessen der Gesellschaft zuwiderläuft und auch volkswirtschaftlich betrachtet nicht als förderlich be452 Dazu 453 Vgl.
Teil 3 und Teil 4. Koch, AG 2012, 429, 435; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitglie-
dern, S. 38. 454 Zum Selbstbehalt und den Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG bereits ausführlich in Teil 1 G. I. 5. 455 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433 S. 11; ebenfalls von einer ausreichenden verhaltenssteuernden Wirkung ausgehend, wenn keine unbegrenzte Organhaftung besteht Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 237 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 193; ders., AG 2013, 889, 896; vgl. auch Koch, in: Hüffer/ Koch, § 93 Rn. 58; siehe hierzu außerdem die noch umfassenderen Ausführungen in Teil 3 D. II. 4. b). 456 Ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 238.
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Teil 2: Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands
zeichnet werden kann. Zudem konfligieren aus rechtssystematischer Sicht Anreize zu risikoaversem Verhalten mit dem Regelungszweck der Bereitstellung von haftungsbeschränkten Rechtsformen. Schließlich wurden diese haftungsbeschränkenden Gesellschaftsformen vom Gesetzgeber gerade zur Vermeidung einer irrationalen Risikoaversion geschaffen. 2. Gewinnung geeigneter Vorstandskandidaten Bei einer Haftung die auch bei leichten Verfehlungen in einem existenzvernichtenden Ausmaß droht, besteht die Gefahr, dass geeignete Kandidaten davor zurückschrecken, einen Vorstandsposten anzunehmen. Möchte man, dass Vorstandsposten nicht ausschließlich von Hasardeuren oder risikoscheuen eher passiv veranlagten Menschen angenommen werden, die es allein auf die üblicherweise hohe Vergütung abgesehen haben und nahezu blind darauf vertrauen, dass ihnen kein haftungsauslösender Fehler unterläuft, oder die sich sicher sind, die Haftungsgefahr durch passives Verhalten einschränken zu können, wird man um eine Beschränkung der nach der lex lata drohenden Haftungsgefahren nicht herum kommen. Denn kreative, besonnene und rational denkende Kandidaten, die für solche Positionen aufgrund ihrer verantwortungsvollen Aufgabe gegenüber Hasardeuren oder eher passiv veranlagten Menschen vorzugswürdig erscheinen, werden es sich gründlich überlegen, ob sie sich als Vorstandsmitglied bestellen lassen und den geschilderten Haftungsgefahren aussetzen.457 Gerade besonnene und kreative Personen wissen, dass ihnen während einer mehrjährigen Amtszeit trotz größter Sorgfaltsanstrengungen Fehler unterlaufen können, die eine Haftung mit existenzvernichtendem Ausmaß zur Folge haben können.458 Besonders solche Vorstandskandidaten, die bereits vor einer etwaigen Bestellung über ein hohes Vermögen verfügen, haben viel zu verlieren, sodass die Hinnahme des Haftungsrisikos aus ihrem Blickwinkel geradezu als unvernünftig erscheint.459 Vor allem für kleinere und mittlere Gesellschaften, die weder prestigeträchtige Vorstandsämter noch eine Bezahlung anbieten können, die denen der DAX-Unternehmen gleicht, können sich aufgrund der abschreckenden Haftungsgefahren erhebliche Probleme bei der Gewinnung geeigneter Vorstandskandidaten ergeben.460 457 Vgl. Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 293 f.; Koch, AG 2014, 513, 517; Peltzer, in: FS Hoffmann-Becking, S. 861, 864 f.; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 798; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 230 f. 458 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 230 f.; vgl. auch Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 293 f. 459 Vgl. Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 230 f. 460 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 232.
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung
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Dass diese Probleme bisher noch nicht in gravierender Art und Weise zu Tage getreten sind, liegt wohl an dem sich erst bildenden Bewusstsein der Vorstandskandidaten für die bestehenden Haftungsgefahren.461 Letzteres lässt sich wohl damit erklären, dass die Vorstandshaftung lange Zeit in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle spielte und erst seit kurzer Zeit ein verstärkter Trend zur Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern zu verzeichnen ist.462 Es kann aber vermutet werden, dass angesichts der prominenten Haftungsfälle und der in Rede stehenden Haftungssummen in Zukunft eine größere Sensibilität für die Haftungsgefahren bei potentiellen Vorstandskandidaten vorhanden sein wird. Dementsprechend muss befürchtet werden, dass in Zukunft ohne Haftungsbegrenzungsmaßnahmen Probleme bei der Gewinnung von Vorstandsmitgliedern entstehen werden. Auch aus diesem Blickwinkel erscheint eine Begrenzung der Haftungsgefahren als sinnvoll und geboten. 3. Aktienrechtliche Risiko- und Nutzenverteilung unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 87 AktG Zum Teil wird eine Beschränkung der Vorstandshaftung bei leichten Pflichtverletzungen schon deswegen für erforderlich gehalten, weil Vorstandsmitglieder – ohne wesentlich am Erfolg beteiligt zu sein – ein erhebliches Risiko auf sich nehmen, um für eine Aktiengesellschaft unternehmerisch zu handeln und ihr Vermögen zu mehren.463 Gerade im Vergleich zu einem persönlich haftenden Unternehmer sei es systemwidrig, dem Vorstand die Risiken der unbegrenzten Haftung aufzubürden, ohne ihn auch am wirtschaftlichen Erfolg maßgeblich zu beteiligen.464 In der Tat kommt einer Aktiengesellschaft und ihren Aktionären der volle wirtschaftliche Nutzen der Vorstandstätigkeit zu, während der Vorstand trotz seines Haftungsrisikos allenfalls über einen etwaigen variablen Vergütungsbestandteil an dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Entscheidungen partizipiert.465 Es sprechen daher gute Gründe dafür, dass ein Ungleichgewicht in der Risiko- und Nutzenverteilung des Aktiengesetzes besteht. Selbst wenn man allein daraus noch kein Bedürfnis für eine Haftungsbeschränkung anerkennen mag,466 ergeben sich, spätestens seit der Gesetzgeber 461 Scholz,
Existenzvernichtende Haftung, S. 231 f. Existenzvernichtende Haftung, S. 231; siehe auch bereits Teil 1 F. III. 463 Vgl. Brommer, AG 2013, 121, 128 f.; ders., Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 111 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. 464 Brommer, AG 2013, 121, 128. 465 Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. 466 So Fehrenbach, AG 2015, 761, 769 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 240. 462 Scholz,
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die Vertragsfreiheit hinsichtlich der Vorstandsvergütung begrenzt hat, erhebliche Bedenken gegenüber der aktienrechtlichen Risiko- und Nutzenverteilung.467 Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG darf die übliche Vergütung nicht ohne besonderen Grund überschritten werden. Das Kriterium der Üblichkeit stellt die gesetzliche Obergrenze der verhandelbaren Vergütung dar.468 Eine einerseits unbegrenzte Haftung, von der angesichts der Strenge der Sorgfaltspflichten und der rechtsformtypisch hohen Schadenssummen ein erhebliches Risiko für eine existenzvernichtende Haftung ausgeht, verträgt sich nicht mit einer andererseits gesetzlich beschränkten Vergütung.469 Nun könnte man hiergegen einwenden, dass die übliche Vergütung schon jetzt das Haftungsrisiko der Vorstandsmitglieder kompensiert. Die zumindest in großen börsennotierten Gesellschaften üppige Vorstandsvergütung – im Durchschnitt lagen die Gesamteinkünfte der Vorstandsmitglieder der 30 DAXUnternehmen im Jahr 2016 bei dem 50-fachen des durchschnittlichen Lohns eines Arbeitnehmers in diesen Unternehmen470 – mag dies auf den ersten Blick nahe legen. Jedoch kann aus der in großen börsennotierten Unternehmen bestehenden hohen Vergütung nicht automatisch geschlossen werden, dass das Haftungsrisiko der jeweiligen Vorstandsmitglieder hierdurch abgegolten ist. Die hohe Managervergütung ist auch vor dem Hintergrund des Risikos einer schnelleren Kündigung und der auf maximal fünf Jahre begrenzten Bestellung sowie der üblicherweise erheblichen Arbeitsbelastung zu sehen. Ferner sind mögliche Schäden im Milliardenbereich vollkommen außer Verhältnis zu der während der Berufstätigkeit als Vorstandsmitglied erzielbaren Vergütung. Vor dem Hintergrund der bei einer mehrjährigen Tätigkeit stets möglichen leichten Pflichtverletzung und der sehr hohen Schadenssummen liegt eine unzureichende Abgeltung des existenzvernichtenden Haftungsrisikos des Vorstands trotz einer hohen Vergütung nicht gerade fern.471 467 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 241 f. 468 BeschlussE des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433 S. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 87 Rn. 15; Koch, in: Hüffer/Koch, § 87 Rn. 3; Spindler, in: MüKoAktG, § 87 Rn. 54; Weber, in: Hölters, § 87 Rn. 22. 469 Im Ergebnis ebenso Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 241 f. 470 Götz/Stahl, CF 2017, 287, 290 f. 471 Vgl. Brommer, AG 2013, 121, 124, „generell unbeschränkte Innenhaftung unangemessen und bedenklich“; von einem erheblichen Missverhältnis ausgehend Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 293 ist der Ansicht, dass das Haftungsrisiko in der Regel nicht im Vorhinein mit der Vergütung abgedeckt ist; Koch, AG 2012, 429, 434 sowie, in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 340 f., spricht von einem „unverhältnismäßigen Haftungsrisiko“ bzw. von einer „unverhältnismäßigen Belastung“; nach Casper, ZHR 176 (2012), 617, 638 schießt die „vollumfängliche Durchsetzung von hohen Schadensersatzposi
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Da hier aber gewiss nicht für höhere Managergehälter plädiert werden soll und das Anliegen des Gesetzgebers bezüglich der angestrebten Vergütungsbegrenzung als erstrebenswert erscheint, bietet es sich an, das Gleichgeweicht zwischen Vergütung und Haftungsrisiko durch eine Haftungsbeschränkung wiederherzustellen. Jedenfalls in den Fällen einer leicht fahrlässigen Pflichtverletzung erscheint eine anteilige Schadenstragung durch die Gesellschaft angesichts der einerseits bestehenden beschränkten Vertragsfreiheit hinsichtlich der Vorstandsvergütung und der andererseits existenten Gefahrgeneigtheit der Vorstandstätigkeit und des Missverhältnisses zwischen der exorbitanten Schadenshöhe und der Schwere der Verfehlung als gerecht.472 Schließlich würde der Vorstand bei einer vollständigen Inanspruchnahme trotz eines nur kleinen Fehlers regelmäßig um die Früchte seiner jahrelangen erfolgreichen Vorstandstätigkeit gebracht. Auch aus dem Blickwinkel einer gerechten Risiko- und Nutzenverteilung bietet sich daher eine angemessene Begrenzung der Haftungsgefahren des Vorstands an. 4. Bessere Risikovorsorge durch Gesellschaft und weitestgehende Irrelevanz der Schadenskompensation durch den Vorstand Vorstandsmitglieder sind aufgrund ihres begrenzten Privatvermögens nur selten in der Lage, entstandene Schäden vollumfänglich zu ersetzen. Sie sind deswegen – im Gegensatz zur Gesellschaft – als Träger von Haftungsrisiken bei hohen Schäden ungeeignet.473 Dies haben auch die bekannt gewordenen Haftungsfälle um Rolf Breuer und Hans Joachim Neubürger eindrucksvoll gezeigt. In keinem der Fälle hätte das Privatvermögen der Betroffenen auch nur ansatzweise zur Deckung der in Rede stehen Schadenssummen genügt. Die betroffenen Gesellschaften konnten dagegen ohne weiteres für die entstandenen Schäden aufkommen. Aus dem Blickwinkel eines gut diversifizierten Anlegers wird nicht viel gewonnen, wenn ein Vorstandsmitglied Schadensersatz an eine Gesellschaft tionen bisweilen über das Ziel hinaus“; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116 halten eine unbegrenzte Haftung bei leichter Fahrlässigkeit vor dem Hintergrund der enormen Schadenssummen für unfair und völlig unangemessen; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395 spricht in diesem Zusammenhang von „zwangsläufig unangemessenen Ergebnissen“; siehe auch Bachmann, ZIP 2017, 841, 848 f.; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 93 Rn. 38. 472 Vgl. auch Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Koch, AG 2012, 429, 436 f.; ders., in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 340 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 241 f. 473 So auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 253; wohl ebenso Heyers, WM 2016, 581, 585 f.; vgl. auch Bachmann, ZIP 2017, 841, 844.
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Teil 2: Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands
leistet.474 Die geleistete Zahlung wird kaum je zu einer bemerkbaren anteiligen Wertsteigerung seiner Geschäftsanteile führen und erst recht nicht zu einer spürbaren Steigerung seines Portfoliowertes beitragen. Noch weniger Sinn ergibt die Schadenskompensation durch den Vorstand aus dem Blickwinkel der Gesellschaft. Denn sie erhält in der Regel diejenigen Gelder zurück, die sie dem Vorstandsmitglied in Form von Gehaltszahlungen geleistet hat475 – soweit das Vorstandsmitglied sie nicht bereits ausgegeben hat. Bei hohen Haftungsrisiken sind auch hohe Gehälter gerechtfertigt. Deswegen täte die Gesellschaft an sich viel besser daran, die Haftungsrisiken einzugrenzen und die an Vorstandsmitglieder zu leistenden Risikoprämien entsprechend zu kürzen. Der Gesetzgeber hat außerdem durch die ausdrückliche Zulassung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung zu erkennen gegeben, dass er die Schadenskompensation zumindest auch als Versicherungsproblem der Gesellschaft begreift.476 Denn die Zulassung einer Versicherung, bei der das Opfer selbst die Prämien zahlt, wäre ansonsten sinnentleert. Folglich kann festgehalten werden, dass es aus dem Blickwinkel der Gesellschaft Sinn ergibt, die Vorstandshaftung zu begrenzen und die Gehaltszahlungen entsprechend um eine etwaige Prämie für das Haftungsrisiko zu kürzen. Mit den gesparten Gehaltszahlungen kann die Gesellschaft eine – im Vergleich zu der von Vorstandsmitgliedern zu erwartenden Schadenskompensation – wesentlich bessere Schadensvorsorge betreiben, die auch den Aktionären zugutekommt.477 5. Verringerung von Fehlanreizen und Sicherung der Mitwirkung des Vorstands bei Aufklärung von Missständen Wenn Vorstandsmitgliedern eine existenzvernichtende Haftung selbst bei leichten Verfehlungen droht, werden sie sich aus Sorge, dass etwa ein Überwachungsverschulden festgestellt wird, welches erhebliche Haftungsfolgen nach sich zieht, nur wenig daran beteiligen, die Entstehung von Missständen im Unternehmen aufzuklären. Vielmehr bestehen sogar Anreize dafür, Missverhalten zu vertuschen.478 Insbesondere für international tätige Gesellschaf474 Heyers, WM 2016, 581, 585 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 253 f.; vgl. auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 352. 475 Heyers, WM 2016, 581, 585; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254. 476 So ausdrücklich auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 281. 477 Im Ergebnis ebenso Grunewald, AG 2013, 813, 817 f. 478 Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 75 f.; vgl. Koch, AG 2012, 429, 434.
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung
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ten ist dies von erheblichem Nachteil. Denn oft machen ausländische, aber auch deutsche Behörden die Höhe eines Bußgeldes davon abhängig, ob die Gesellschaft mit der jeweiligen Behörde umfassend kooperiert und alle verfügbaren Informationen liefert. Die Mitwirkung des Vorstands an der Aufklärung kann mithin dazu beitragen, dass der für die Gesellschaft entstehende Schaden deutlich geringer ausfällt. Eine Begrenzung der Haftung könnte diese Fehlanreize verringern. Droht Vorstandsmitgliedern keine Haftung mit existenzvernichtendem Ausmaß, bestehen weniger Anreize zur Verdeckung eines etwaigen Fehlverhaltens. 6. Größere Bereitschaft des Aufsichtsrats zur tatsächlichen Haftungsdurchsetzung Eine Haftung, welche für die Vorstandsmitglieder zwar deutlich spürbar ist, die Vorstandsmitglieder aber wegen des begrenzten Haftungsumfangs „leben lässt“, dürfte ferner bereitwilliger vom Aufsichtsrat durchgesetzt werden als eine Haftung, bei welcher der Aufsichtsrat befürchten muss, dass die wirtschaftliche Existenz des in Anspruch zu Nehmenden vernichtet wird.479 Es liegt daher nahe, dass eine Haftungsbegrenzung einen Beitrag zur besonders häufigen Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern leistet. Damit würde zugleich der verhaltenssteuernde Effekt der Vorstandshaftung verstärkt, da Fehlanreize zur Verschonung der Vorstandsmitglieder beseitigt würden.
III. Haftungsbegrenzung auch für grob fahrlässige Verletzung der Pflichten? Ein Seitenblick auf die rechtsfortbildend von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich zeigt, dass Arbeitnehmer nicht nur bei leicht fahrlässigen bzw. mit mittlerer Fahrlässigkeit begangenen Pflichtverstößen von einer grenzenlosen Haftung entlastet werden. Auch bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen kommt eine Haftungsreduktion in Betracht, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht und eine Haftung die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers zerstören würde.480 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 233 ff. Urt. v. 28.10.2010 (8 AZR 418/09), NZA, 2011, 345 Tz. 17 ff.; BAG, Urt. v. 18.4.2002 (8 AZR 348/01), NZA 2003, 37, 41; BAG, Urt. v. 15.11.2001 (8 AZR 95/01), NZA 2002, 612, 614; BAG, Urt. v. 12.11.1998 (8 AZR 221/97), NZA 1999, 263, 264; BAG, Urt. v. 12.10.1989 (8 AZR 276/88), NZA 1990, 97, 98. 479 Vgl.
480 BAG,
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Teil 2: Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands
Angesichts der nicht selten anzutreffenden, extrem hohen Schadenssummen und der auch Vorstandsmitgliedern drohenden Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz liegt der Schluss nahe, dass Haftungsbegrenzungen im Bereich grob fahrlässiger Pflichtverletzungen auch für Vorstandsmitglieder nicht per se als unbillige Begünstigung ausgeschlossen werden dürfen. Für eine bei grober Fahrlässigkeit eingreifende Haftungsbeschränkung spricht, dass ein Vorstandsmitglied auch bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen nur zu einer schadensmindernden Mitwirkung bei der Aufklärung von Missständen bereit sein wird, wenn ihm nicht durch eine Inregressnahme der wirtschaftliche „Todesstoß“ droht. Ferner spielt angesichts der potentiellen Schadenssummen auch bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen die von einem Vorstandsmitglied zu erlangende Kompensation nur eine sehr untergeordnete Rolle. Hinzu kommt, dass schon die gesellschaftsfinanzierte D&OVersicherung – dort wo die Deckungssumme ausreicht und kein spezieller Deckungsausschluss vorgesehen ist – zu einer Enthaftung des Vorstands bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen führt, da sich in den Policen kein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit finden lässt.481 Dennoch sprechen die besseren Argumente gegen eine Haftungsbeschränkung im Bereich der groben Fahrlässigkeit. Bei genauer Betrachtung ist ein Bedürfnis für eine derartige Beschränkung der Vorstandshaftung nämlich nicht identifizierbar.482 Grobe Fahrlässigkeit setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht nur in objektiver Hinsicht eine das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigende Schwere des Sorgfaltsverstoßes voraus.483 Vielmehr ist es auch aus subjektiver Hinsicht erforderlich, dass sich der Pflichtverstoß als „schlechterdings unentschuldbares Fehlverhalten“ darstellt.484 Bei der Beurteilung, ob grob fahrlässiges Fehlverhalten vorliegt, müssen damit die besonderen situationsbedingten Umstände sowie die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden berücksichtigt werden.485 Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit, wo subjektive Merkmale des Handelnden – wie die persönliche Eigenart, seine Fähigkeiten, Kenntnisse, ErScholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 376. wohl auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 780; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 642. 483 BGH, Urt. v. 11.5.1953 (IV ZR 170/52), NJW 1953, 1139; BGH, Urt. v. 29.1.2003 (IV ZR 173/01), VersR 2003, 364; BGH, Urt. v. 10.5.2011 (VI ZR 196/10), NJW-RR 2011, 1055 Tz. 10. 484 BGH, Urt. v. 29.1.2003 (IV ZR 173/01), VersR 2003, 364; BGH, Urt. v. 10.5.2011 (VI ZR 196/10), NJW-RR 2011, 1055 Tz. 10 ff. 485 Vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1953 (IV ZR 170/52), NJW 1953, 1139; BGH, Urt. v. 10.5.2011 (VI ZR 196/10), NJW-RR 2011, 1055 Tz. 10 ff.; Caspers, in: Staudinger, § 276 Rn. 94; Looschelders, in: MüKo-VVG, Band 1, § 81 Rn. 68; Pfeiffer, in: Soergel, § 276 Rn. 133. 481 Ebenso 482 So
A. Für und Wider der Haftungsbeschränkung
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fahrungen und der Grad seiner Einsicht – aufgrund des abstrakten Maßstabs für die Entlastung keine Rolle spielen, können die subjektiven Umstände und Eigenarten des Handelnden bei der Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit gegeben ist, entlastend wirken.486 Ein objektiv das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigender Sorgfaltsverstoß kann daher dennoch wegen der subjektiven Umstände nicht als grob fahrlässig einzuordnen sein. Beispielhaft kann insoweit auf die aus dem Versicherungsrecht bekannte Figur des Augenblicksversagens verwiesen werden, mit welcher objektiv schwerwiegende Sorgfaltsverstöße aufgrund von situationsbedingten – subjektiven – Umständen gleichwohl nicht als grob fahrlässige Pflichtverletzung eingeordnet werden.487 Im Gegensatz zur vorstehend geschilderten Erforderlichkeit der Entlastung von Vorstandsmitgliedern für mit leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit begangene Pflichtverletzungen, erscheint eine vollumfängliche Haftung bei einem schlechterdings unentschuldbaren Pflichtverstoß als angemessen. Im Bereich der grob fahrlässigen Pflichtverletzungen bedarf es keines Abbaus von Anreizen zu risikoaversem Verhalten. Während die Vermeidbarkeit von mit leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit begangenen Pflichtverletzungen – jedenfalls bei einer langjährigen Tätigkeit, wie vorstehend geschildert – nicht stets bejaht werden kann, ist die Vermeidung von subjektiv schlechterdings unentschuldbaren Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern ohne weiteres forderbar. Bei der Beurteilung der Unentschuldbarkeit werden – wie erläutert – die subjektiven Umstände des Handelnden berücksichtigt. Dabei wird bei der Beurteilung auch die Frage eine Rolle spielen, ob das Fehlverhalten derartig gravierend ist, dass es nicht mehr als negativer Ausreißer zu bezeichnen ist. Nicht als grob fahrlässig wird man ein Verhalten einordnen müssen, welches in Anbetracht der Dauer der Tätigkeit des jeweiligen Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft und der sonstigen situationsbedingten Umstände einen negativen Ausreißer darstellt, der zwar einerseits nicht passieren sollte, der aber andererseits unter diesen Umständen nicht völlig unverzeihlich erscheint. Gewiss besteht die Gefahr, dass etwaige Pflichtverstöße bei der Rückbetrachtung als schwerwiegender eingeordnet werden, als sie in der damaligen Entscheidungssituation tatsächlich waren (hindsight bias). Jedoch lässt sich auch in Anbetracht dieser Problematik nicht mit Grunewald darauf schließen, dass es im Bereich der groben Fahrlässigkeit einer Haftungsbeschränkung 486 BGH, Urt. v. 18.12.1996 (VI ZR 321/95), NJW 1997, 1012, 1013; BGH, Urt. v. 29.1.2003 (IV ZR 173/01), VersR 2003, 364. 487 Vgl. Halbach, in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, AKB Rn. 921 ff.; Heß/ Höke, in: Versicherungsrechts-HdB, § 30 Rn. 38 ff.; Langheid, in: Langheid/Rixecker, VVG, § 81 Rn. 86 ff.; Looschelders, in: MüKo-VVG, Band 1, § 81 Rn. 81 f.
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Teil 2: Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands
bedarf.488 In der Tat kann die Abgrenzung der Fahrlässigkeitsgrade – wie es Grunewald anführt489 – mit Schwierigkeiten behaftet sein. Dies ist jedoch ebenso wie der hindsight bias ein allgegenwärtiges Problem.490 Wird ein Verhalten eines Vorstandsmitglieds nicht allzu schnell als grob fahrlässig eingeordnet, sondern sachgerecht beurteilt, bleibt es dabei, dass für eine Entlastung der Vorstandsmitglieder bei einem schlechterdings unentschuldbaren Verhalten kein Bedürfnis besteht.
IV. Fazit Es hat sich gezeigt, dass gute Gründe für eine Begrenzung der Vorstandshaftung sprechen: Die Begrenzung kann dazu beitragen, die von der strengen und unbegrenzten Haftung ausgehenden Anreize zu risikoaversem Verhalten des Vorstands abzubauen. Nicht nur für die Gesellschaft und ihre Aktionäre ist dies dienlich. Der Abbau von solchen Fehlanreizen ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht zu befürworten. Überdies bietet sich eine Begrenzung der Vorstandshaftung an, um auch zukünftig eine Gewinnung von geeigneten Vorstandskandidaten zu ermöglichen. Eine zu strenge und zum Teil unvermeidbare Haftung schreckt potentielle Kandidaten vor der Annahme eines Vorstandsamtes ab. Ferner trägt eine Begrenzung des Haftungsrisikos zu einer gerechten Risiko- und Nutzenverteilung bei. Außerdem können mit einer Haftungsbegrenzung Fehlanreize zur Vertuschung von Missständen verringert werden. Schließlich können Fehlanreize zur Verschonung der Vorstandsmitglieder durch eine Beschränkung der Vorstandshaftung abgebaut werden, da eine der Höhe nach begrenzte Haftung vom Aufsichtsrat bereitwilliger durchgesetzt wird als eine Haftung, welche die wirtschaftliche Existenz des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds vernichtet. Eine Haftungsbegrenzung für Vorstandsmitglieder ist für Pflichtverletzungen unterhalb der Schwelle der groben Fahrlässigkeit zu befürworten. Zwar gibt es durchaus Gründe, die auch für eine Haftungsbeschränkung bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen streiten. Jedoch hat die Abwägung der für und wider eine derartige Haftungsbegrenzung sprechenden Argumente ergeben, dass im Ergebnis von einer Einschränkung der Haftung im Bereich der 488 Grunewald, AG 2013, 813, 815; de lege ferenda für eine Haftungsbeschränkung auch bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen Bayer, NJW 2014, 2546, 2549; Gaul, AG 2015, 109, 114; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 376; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278 ff. 489 Grunewald, AG 2013, 813, 815. 490 Man denke etwa nur an das bei grober Fahrlässigkeit bestehende Leistungskürzungsrecht nach § 81 Abs. 2 VVG, dazu Looschelders, in: MüKo-VVG, Band 1, § 81 Rn. 34 ff. zur groben Fahrlässigkeit Rn. 68 ff.
B. Breiter Zuspruch für Haftungsbeschränkungen
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groben Fahrlässigkeit abgesehen werden sollte. Es erscheint als angemessen, Vorstandsmitglieder bei einer schlechterdings unentschuldbaren Pflichtverletzung vollumfänglich in die Haftung zu nehmen.
B. Breiter Zuspruch für Haftungsbeschränkungen Angesichts der vorstehenden Erläuterungen überrascht es nicht, dass Haftungsbeschränkungen im juristischen Schrifttum einen breiten Zuspruch erfahren.491 Der 70. Deutsche Juristentag hat mit großer Mehrheit dafür plädiert, dass der Gesetzgeber ausdrücklich eine Begrenzung der Innenhaftung des Vorstands durch Satzungsbestimmungen ermöglicht.492 Neben satzungsmäßigen Haftungshöchstsummen493 wurde vom 70. Deutschen Juristentag 491 Für eine Begrenzung der Haftungsdurchsetzung de lege lata Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff.; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776 f.; für eine materiellrechtliche Haftungsbegrenzung de lege lata Bayer, in: FS K. Schmidt, S. 85, 97 f.; ders., NJW 2014, 2546, 2548 f.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 ff.; Brock, WM 2016, 2209, 2010 f.; Brommer, AG 2013, 121, 127 ff.; ders., Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 260 ff.; Eufinger, WM 2015, 1265, 1271; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396 ff.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 398 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51; ders., in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 338 ff.; ders., AG 2012, 429, 435 ff.; ders., AG 2014, 513, 515 ff.; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 228 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 37 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 227 ff.; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172; ders., AG 2013, 889, 894 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 ff.; wohl auch Bachmann, ZIP 2017, 841, 841, 842 ff.; für eine summenmäßige Haftungsbegrenzungsmöglichkeit de lege lata Grunewald, AG 2013, 813, 815 ff.; für eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit de lege ferenda Peltzer, in: FS Hoffmann-Becking, S. 861, 865; Semler, in: FS Goette, S. 499, 510; für die Möglichkeit, die Haftung de lege ferenda durch Satzungsbestimmung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu beschränken Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 58 ff.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 401; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 3; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1602; Spindler, AG 2013, 889, 894 ff.; Vetter, NZG 2014, 921, 923 f.; wohl auch Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 223 f.; für eine betragsmäßige Begrenzung der Haftung de lege ferenda Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 62 ff.; Gaul, AG 2015, 109, 114; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 275 ff.; wohl auch Heyers, WM 2016, 581, 582 ff.; Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 46. 492 Der Vorschlag „Es sollte im Grundsatz unter Wahrung berechtigter Informationsinteressen möglich sein, die aktienrechtliche Innenhaftung der Organmitglieder durch die Satzung zu begrenzen.“ wurde in der Abteilung Wirtschaftsrecht mit 74 JaStimmen, 7 Enthaltungen und 6 Gegenstimmen angenommen, siehe AG 2014, R 301. 493 Der Vorschlag „Die Satzung sollte dabei die Innenhaftung der Organmitglieder für einfache Fahrlässigkeit ausschließen können (ggf. ab einer bestimmten Schadenssumme).“ wurde in der Abteilung Wirtschaftsrecht mit 60 Ja-Stimmen, 14 Enthaltungen und 11 Gegenstimmen angenommen, siehe AG 2014, R 301.
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Teil 2: Beschränkung des Haftungsrisikos des Vorstands
eine satzungsmäßige Beschränkung der Innenhaftung auf grob fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzungen494 befürwortet. Bei Lichte betrachtet wird der Ruf nach dem Gesetzgeber jedoch auf absehbare Zeit nicht erhört werden. Ein Gesetz zur Beschränkung der Managerhaftung erscheint angesichts der Stimmungslage in der Bevölkerung politisch nicht durchsetzbar.495 Wohl auch aufgrund dieser Tatsache werden im Schrifttum vermehrt Versuche unternommen, eine de lege lata zum Tragen kommende Haftungsbeschränkung auf der Grundlage der Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern herzuleiten.496 Dies geschieht jedoch stets unter der Prämisse, dass satzungsmäßige Haftungsbeschränkungen de lege lata unzulässig sind.497 Wenn aber entgegen dieser Annahme satzungsmäßige Haftungsbegrenzungen rechtlich möglich sind, ist einer dogmatisch mit der Fürsorge- bzw. Treuepflicht und letztlich mit § 242 BGB begründeten Haftungsbeschränkung zumindest in weiten Teilen der Boden entzogen. Die Schutzbedürftigkeit der Vorstandsmitglieder stünde schon deswegen in Frage, weil sie die Möglichkeit hätten, ihre Bestellung davon abhängig zu machen, dass die Hauptversammlung einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung zustimmt. Außerdem müsste die Grundentscheidung der Hauptversammlung akzeptiert werden, wenn keine die Haftung beschränkende Satzungsbestimmung gewährt wird. Allenfalls in sehr begrenzten Ausnahmefällen ließe sich bei Zulässigkeit von haftungsbeschränkenden Satzungsbestimmungen an eine Haftungsreduktion aufgrund der Fürsorge bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären denken.
494 Der Vorschlag „Die Satzung sollte dabei Haftungshöchstgrenzen einführen können.“ wurde in der Abteilung Wirtschaftsrecht mit 64 Ja-Stimmen, 16 Enthaltungen und 4 Gegenstimmen angenommen, siehe AG 2014, R 301. 495 Vgl. Gaul, AG 2015, 109, 115; Jahn, AG 2014, R300; zweifelnd auch Bayer, NJW 2014, 2546, 2548; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Koch, AG 2014, 513, 525; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 371. 496 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 ff.; Brommer, AG 2013, 121, 127 ff.; ders., Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 260 ff.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51; ders., in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 338 ff.; ders., AG 2012, 429, 435 ff.; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776 f.; Seibt, NZG 2015, 1097, 1101 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 277 ff.; Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 172; ders., AG 2013, 889, 894 ff.; vgl. auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff. 497 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Brommer, AG 2013, 121, 129; ders., Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 178 ff.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1800; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 2; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 777; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 106 ff., 264; Seibt, NZG 2015, 1097, 1102; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 27; wohl auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 640.
C. Fazit zu Teil 2 der Arbeit
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Aufgrund all dieser Umstände ist die im dritten Teil dieser Arbeit erfolgende Untersuchung, ob nicht schon de lege lata Satzungsbestimmungen zur Begrenzung der Vorstandshaftung möglich sind, umso wichtiger. Erst im Anschluss daran kann beurteilt werden, ob dem Vorstand aufgrund der Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft eine Haftungsbeschränkung zugutekommt.
C. Fazit zu Teil 2 der Arbeit Im zweiten Teil der Arbeit hat sich gezeigt, dass gute Gründe für eine Beschränkung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr des Vorstands sprechen. Eine Haftungsbegrenzung trägt dazu bei, die von der strengen und unbegrenzten Haftung ausgehenden Anreize zu risikoaversem Verhalten des Vorstands abzubauen. Auch die Gewinnung von geeigneten Vorstandkandidaten kann durch eine Haftungsbeschränkung gefördert werden. Eine zu strenge und zum Teil unvermeidbare Haftung schreckt potentielle Kandidaten vor der Annahme eines Vorstandsamtes ab. Überdies wird durch eine Begrenzung des Haftungsrisikos eine gerechtere Risiko- und Nutzenverteilung geschaffen. Ferner können mit ihr Fehlanreize zur Vertuschung von Missständen verringert werden. Eine Haftungsbeschränkung ist sowohl für die Gesellschaft und für ihre Aktionäre als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht dienlich. Deswegen ist eine angemessene Beschränkung der Haftungsgefahren zu befürworten. Insbesondere bei leicht fahrlässigen und mit mittlerer Fahrlässigkeit begangenen Pflichtenverletzungen drängt sich eine Haftungsbeschränkung geradezu auf. Die dagegen erhobenen Einwände gehen fehl.
Teil 3
Beschränkung der Vorstandshaftung durch eine Satzungsbestimmung (de lege lata) A. Ausgangspunkt Lange Zeit bestand im juristischen Schrifttum Einigkeit, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wegen des Grundsatzes der Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG satzungsfest ist, sodass eine Modifikation der Haftung – wie sie im GmbH-Recht möglich ist498 – ausscheidet.499 Von dieser auch heute noch herrschenden Auffassung weichen jedoch neuerdings erste Stimmen ab. Namentlich Grunewald hält eine Beschränkung der Haftung durch eine Satzungsbestimmung auch bei Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für möglich.500 Während der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG satzungsfest sei, könne eine angemessene Haftungshöchstsumme eine zulässige Ergänzung im Sinne des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG darstellen.501 Hopt und Roth folgen zwar der herrschenden Sichtweise, jedoch ist es nach ihrer Ansicht erwägenswert, § 23 Abs. 5 AktG schon de lege lata einschränkend auszulegen.502 498 Ausführlich hierzu m.w.N. zum Meinungsstand Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 298 ff.; ders., BB 2011, 2435 ff.; siehe auch BGH, Beschluss v. 18.2.2008 (II ZR 62/07), NZG 2008, 314, 315 f. Tz. 11 ff.; BGH, Urt. v. 16.9.2002 (II ZR 107/01), NJW 2002, 3777, 3778; Janert, BB 2013, 3016 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 43 Rn. 60 ff.; Oetker, in: Henssler/Strohn, § 43 GmbHG Rn. 10; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 351 f.; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 17; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 5. 499 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 813 f.; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 3; Fleischer, ZIP 2014, 1305 f.; ders., WM 2005, 909, 914; ders., in: HdB Vorstandsrecht, § 11 Rn. 5 f.; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 11 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 2, 52; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 3; Kust, WM 1980, 758, 762; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 AktG Rn. 5; Lutter, in: HdB Managerhaftung, § 1 Rn. 19; Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 8; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 348; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 38; Schmolke, Organwalterhaftung, S. 291; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 27; U. H. Schneider, in: FS Werner, 795, 802 ff.; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 350. 500 Grunewald, AG 2013, 813, 815 ff. 501 Grunewald, AG 2013, 813, 815 f. 502 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 47; wohl auch Eßwein, Vorstandshaftung, S. 126 f.
B. Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG
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Hoffmann hält sogar eine im Anstellungsvertrag geregelte Haftungshöchstsumme für wirksam.503 Seibt vertritt die Auffassung, dass das Ermessen des Aufsichtsrats bei der Entscheidung über die Durchsetzung eines Anspruchs gegenüber Vorstandsmitgliedern durch eine Regelung im Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds im Voraus gebunden werden kann und so eine Beschränkung der Haftung auf das halbe Vermögen eines jeden Vorstandsmitglieds erfolgen kann.504 Nachfolgend soll untersucht werden, ob der Gefahr der existenzvernichtenden Vorstandshaftung für fahrlässige Pflichtverletzungen wirksam durch eine Satzungsbestimmung begegnet werden kann. Auf die Zulässigkeit von anstellungsvertraglichen Regelungen zur Begrenzung der Haftung wird in Teil 4 dieser Arbeit zurückzukommen sein. Zur Reduzierung des Haftungsrisikos sind mehrere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. Möglich wäre etwa eine Modifikation des für die Haftung erforderlichen Verschuldensgrads durch eine Satzungsbestimmung. Eine entsprechende Regelung könnte – ihre rechtliche Wirksamkeit vorausgesetzt – vorsehen, dass Vorstandsmitglieder nur für grob fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzungen zur Verantwortung herangezogen werden könnten. Als weitere Gestaltungsalternative zur Minderung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr505 wäre die Festsetzung eines Haftungshöchstbetrags für fahrlässige Pflichtverletzungen in der Satzung zu erwägen. Ob solche Satzungsbestimmungen rechtlich zulässig sind, hängt maßgeblich von ihrer Vereinbarkeit mit dem im Aktiengesetz verankerten Grundsatz der Satzungsstrenge ab. Gegenstand der weiteren Untersuchung ist daher zunächst, inwieweit § 23 Abs. 5 AktG allgemein die Aufnahme von Satzungsbestimmungen beschränkt. Im Anschluss daran soll untersucht werden, ob Satzungsgestaltungen im vorgenannten Sinn mit § 23 Abs. 5 AktG und den anderen Bestimmungen des Aktiengesetzes vereinbar sind.
B. Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG Gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG sind Abweichungen vom Aktiengesetz nur möglich, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Das Wort „ausdrücklich“ ist dahin zu verstehen, dass sich die Abweichungsbefugnis zumindest mittels der Gesetzesauslegung eindeutig ergeben muss.506 Ein Schweigen 503 Hoffmann,
1. b).
504 Seibt,
NJW 2012, 1393, 1395 ff.; hierzu noch ausführlich unter Teil 4 A. I.
NZG 2015, 1097 ff.; dazu noch ausführlich unter Teil 4 A. II. existenzvernichtenden Haftungsgefahr siehe Teil 1 der Arbeit. 506 Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 35; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 161; Pe trikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 21 f.; Röhricht/Schall, in: 505 Zur
128 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
des Gesetzes genügt nicht, um eine Befugnis der Abweichung annehmen zu können.507 Das Aktiengesetz ergänzende Bestimmungen sind dagegen gemäß § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG auch ohne ausdrückliche Gestattung möglich.508 Eine Abweichung vom Aktiengesetz liegt nach allgemeinem Verständnis vor, wenn eine gesetzliche Regelung durch eine andere Regelung ersetzt wird.509 Von einer Ergänzung i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ist demgegenüber auszugehen, wenn das Gesetz über die in der Satzung geregelte Frage nichts bestimmt oder wenn die Satzungsregelung die gesetzliche Bestimmung in ihrem Gedanken weiterführt und daher im Grundsatz nicht berührt.510 Mit der Wendung „die Satzung kann von Vorschriften dieses Gesetzes nur abweichen …“ wird zum Ausdruck gebracht, dass nur Abweichungen vom Aktiengesetz („dieses Gesetzes“) einer ausdrücklichen Zulassung bedürfen. Von außerhalb des Aktiengesetzes befindlichen dispositiven Normen kann in der Satzung auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Gestattung im Aktiengesetz abgewichen werden.511 Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG liegt dabei nicht vor. Die Einordnung einer Satzungsbestimmung als Abweichung oder aber als Ergänzung kann mitunter schwierig zu beurteilen sein. Sofern das Aktiengesetz in einer Norm eine abschließende Regelung enthält, scheidet eine ergänzende Satzungsbestimmung nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG aus. Mit den Worten „es sei denn, dass dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält“ wird allerdings in § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG zum Ausdruck gebracht, dass eine abschließende Regelung im Aktiengesetz die Ausnahme darstellt.512 Großkomm AktG, § 23 Rn. 176; Wahlers, ZIP 2008, 1897, 1899; vgl. auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 23 Rn. 54. 507 Eßwein, Vorstandshaftung, S. 34; Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 35; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 161; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 21 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 23 Rn. 54. 508 Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 24, vgl. auch Röhricht/Schall, in: Großkomm AktG, § 23 Rn. 245 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 23 Rn. 57. 509 Eßwein, Vorstandshaftung, S. 34; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 29; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 160; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 23 Rn. 54; Solveen, in: Hölters, § 23 Rn. 30; Vetter, in: Henssler/Strohn, § 23 AktG Rn. 23. 510 Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 149; Eßwein, Vorstandshaftung, S. 35; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 30; Röhricht/Schall, in: Großkomm AktG, § 23 Rn. 242; Solveen, in: Hölters, § 23 Rn. 31; Vetter, in: Henssler/Strohn, § 23 AktG Rn. 24. 511 Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 136; Eßwein, Vorstandshaftung, S. 34; Röhricht/Schall, in: Großkomm AktG, § 23 Rn. 180, 245; vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 34; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 22 f. 512 Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 149; Eßwein, Vorstandshaftung, S. 35; Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 37; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfrei-
B. Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG
129
Denn das Gesetz sieht – im Bereich nicht abweichender Regelungen – angesichts der Wendung „es sei denn“ die Satzungsfreiheit eher als Regel und das Verbot ergänzender Satzungsbestimmungen eher als Ausnahme an.513 Mithin ist im Grundsatz davon auszugehen, dass das Aktiengesetz keine abschließenden Regelungen enthält. Der abschließende Charakter einer gesetzlichen Regelung ist vielmehr ein begründungsbedürftiger Ausnahmefall, der durch Gesetzesauslegung zu ermitteln ist.514 Ergibt die Auslegung, dass nicht ausnahmsweise von einer abschließenden Regelung im Aktiengesetz auszugehen ist, darf jede zusätzliche Regelung als Ergänzung i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG in die Satzung aufgenommen werden.515 Der Ausfüllung eines gesetzlichen vorgegebenen Rahmens bedarf es nicht.516 Mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge verfolgt der Gesetzgeber das Anliegen, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen, sodass die Aktie ein standardisiertes Produkt darstellt.517 Sowohl zukünftige als auch gegenwärtige Anleger sollen vor unliebsamen Überraschungen geschützt werden.518 Jedoch ist zu konstatieren, dass dieses Ziel inkonsequent umgesetzt wird. Beispielsweise kann nach § 60 Abs. 3 AktG eine von § 60 Abs. 1 und 2 AktG abweichende Verteilung des Gewinns durch Satzungsregelung festgelegt werden. Es ist daher denkbar, dass bestimmten Aktionären ein höherer Gewinnanteil zugestanden wird als anderen. Sobald ein Anleger beim Erwerb von Aktien nicht die Satzung prüft, geht er das Risiko ein, nur ein Anrecht auf einen geringeren Gewinnanteil zu bekommen, als er ihm nach der Regelung des § 60 Abs. 1 AktG zusteht. Da der Gewinnanteil neben dem Stimmrecht eines der wichtigsten aus der Mitgliedschaft resultierenden Rechte eines Aktionärs ist, kann von einem standardisierten Produkt nicht die Rede sein, wenn bei Erwerb der Aktie ohne Blick in die Satzung unklar ist, in welchem Umfang dieses Recht gewährt wird. Doch auch wenn de lege lata nicht alle heit, S. 25; Röhricht/Schall, in: Großkomm AktG, § 23 Rn. 245; Seibt, in: K. Schmidt/ Lutter, § 23 Rn. 57; Solveen, in: Hölters, § 23 Rn. 31; Vetter, in: Henssler/Strohn, § 23 AktG Rn. 24. 513 So auch Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 25. 514 Ebenso Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 25, der von der Erforderlichkeit einer besonderen Begründung spricht; vgl. auch Röhricht/Schall, in: Großkomm AktG, § 23 Rn. 245 und Solveen, in: Hölters, § 23 Rn. 31. 515 Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 150; Eßwein, Vorstandshaftung, S. 35; Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 37; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 26; Röhricht/Schall, in: Großkomm AktG, § 23 Rn. 247 f. 516 Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 150; Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 37; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 26. 517 Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 130 ff.; Eßwein, Vorstandshaftung, S. 32 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 34, Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 37 f.; Röhricht/Schall, in: Großkomm AktG, § 23 Rn. 173 ff. 518 Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 37 f.
130 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Vorschriften des Aktiengesetzes vollumfänglich dem mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge verfolgten Anliegen des Gesetzgebers gerecht werden, kann § 23 Abs. 5 AktG (de lege lata) nicht unbeachtet bleiben.
C. Modifizierung des Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstabsdurch Satzungsbestimmung? Eine Änderung des für die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG erforderlichen Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstabs ist – vorbehaltlich der rechtlichen Zulässigkeit – durch unterschiedliche Satzungsbestimmungen denkbar. Zur Modifizierung des Sorgfaltsmaßstabs wäre etwa eine Regelung im nachfolgenden Sinn möglich: Variante 1: Statt der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft nur diejenige Sorgfalt zu wahren, die sie auch in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.
Alternativ könnte der für die Haftung erforderliche Verschuldensgrad durch folgende Varianten modifiziert werden: Variante 2: Vorstandsmitglieder haften gegenüber der Gesellschaft nur für grob fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzungen. Die Verpflichtung eines jeden Vorstandsmitglieds zur Wahrung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bleibt hiervon ebenso unberührt wie die aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu entnehmenden Sorgfaltsanforderungen. Variante 3: Vorstandsmitglieder haften gegenüber der Gesellschaft nur für vorsätzliche Pflichtverletzungen. Die Verpflichtung eines jeden Vorstandsmitglieds zur Wahrung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bleibt hiervon ebenso unberührt wie die aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu entnehmenden Sorgfaltsanforderungen.
Durch eine Änderung des in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG normierten Sorgfaltsmaßstabs i. S. der Variante 1 käme es nicht nur zu einer Begrenzung der Haftung auf Pflichtverletzungen, bei welchen die eigenübliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Vielmehr würden hierdurch auch die allgemeinen Vo raussetzungen für die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung verändert. Während nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG von einer Sorgfaltspflichtverletzung auszugehen ist, wenn ein Vorstandsmitglied sich nicht so verhalten hat, wie es ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter getan hätte (objektive Pflichtverletzung), könnte nach der Satzungsbestimmung i. S. der Variante 1 eine Sorgfaltspflichtverletzung nur angenommen werden, wenn ein Vor-
C. Modifizierung des Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstabs
131
standsmitglied die eigenübliche Sorgfalt missachtet hat. Das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung sowie die Annahme von schuldhaftem Verhalten würden – bei Wirksamkeit der Satzungsbestimmung – nicht mehr nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG beurteilt, sondern nach den in der Satzung geregelten Voraussetzungen geprüft. Demgegenüber führen Satzungsbestimmungen wie die der Varianten 2 und 3 nur zu einer Veränderung des für die Haftung maßgeblichen Verschuldensgrads. Der Satz, „Die Verpflichtung eines jeden Vorstandsmitglieds zur Wahrung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bleibt hiervon ebenso unberührt wie die aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu entnehmenden Sorgfaltsanforderungen“, macht deutlich, dass der Vorstand den aus § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG zu entnehmenden Verhaltensanforderungen verpflichtet ist. Nur die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wird durch eine solche Satzungsbestimmung auf grob fahrlässige und / oder vorsätzliche Pflichtverletzungen beschränkt. Eine weder vorsätzliche noch grob fahrlässige Abweichung von der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist daher auch nach den Satzungsbestimmungen als pflichtwidriges Verhalten einzuordnen. Wenngleich ein Vorstandsmitglied nach der Variante 2 nicht für leichte Fahrlässigkeit und nach der Variante 3 auch nicht für grobe Fahrlässigkeit gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG haftbar ist, bedeutet dies nicht, dass solche Pflichtverletzungen stets sanktionslos bleiben müssten. Jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 84 Abs. 3 AktG könnte der Vorstand vom Aufsichtsrat abberufen werden, da nach ganz herrschender Auffassung519 hierfür kein (haftungsbegründendes) Verschulden vorausgesetzt wird.
I. Unwirksamkeit einer Veränderung der Sorgfaltspflichten durch Satzungsbestimmung Um der Gefahr der existenzvernichtenden Haftung zu begegnen, erscheint die Abmilderung des von Vorstandsmitgliedern nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu beachtenden Sorgfaltsmaßstabs und damit zugleich des Pflichtenprogramms (i. S. der Variante 1) als denkbar. Weniger umfangreiche Pflichten könnten bewirken, dass Vorstandsmitglieder seltener ihre Pflichten zu verletzen drohen und daher auch weniger häufig eine existenzvernichtende Haftung befürchten müssen. Eine solche Gestaltung ist aber mit dem Sinn und Zweck von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG sowie dem Grundsatz der Satzungsstrenge unvereinbar. 519 BGH, Urt. v. 24.2.1992 (II ZR 79/91), NJW-RR 1992, 993, 994; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 100; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 35; Spindler, in: MüKo-AktG, § 84 Rn. 129.
132 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Gesetzlich normierte Vorstandspflichten bestehen nicht ohne Grund. Sie dienen je nach dem Regelungsanliegen des Gesetzgebers entweder den Interessen der Allgemeinheit oder aber den Interessen der Aktiengesellschaft, ihrer Aktionäre oder ihrer Gläubiger.520 Eine Verringerung des Pflichtenprogramms durch eine Satzungsbestimmung würde zwingend dazu führen, dass der Vorstand gewisse Interessen zumindest nicht mehr in dem gesetzlich vorgesehenen Ausmaß wahren müsste. Damit liefe eine solche Abmilderung oder gar eine gänzliche Abbedingung bestimmter gesetzlich normierter Pflichten dem Schutzzweck der die Pflicht regelnden Norm zuwider. Überdies regelt § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu beachten haben. Eine Satzungsbestimmung, die den Vorstand auf ein hiervon abweichendes Pflichtenprogramm – wie etwa die Beachtung der eigenüblichen Sorgfalt – verpflichtet, weicht davon ab. Da § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG Abweichungen vom Aktiengesetz nur bei ausdrücklicher Gestattung zulässt und es an einer solchen Gestattung mangelt, verstößt jede das Pflichtenprogramm des Vorstands ändernde Satzungsbestimmung gegen § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG.521 Eine Abmilderung der für Vorstandsmitglieder normierten Pflichten durch eine Satzungsbestimmung wird daher nach zu Recht allgemeiner Ansicht für unzulässig erachtet.522
II. Unwirksamkeit der Modifizierung des haftungsbegründenden Verschuldensgrads durch Satzungsbestimmung Die ganz herrschende Auffassung hält den Verschuldensgrad modifizierende Satzungsgestaltungen ebenfalls für unwirksam.523 Da § 93 Abs. 2 AktG 520 Vgl.
LG Mannheim, Beschluss vom 21.9.1954 (9 T 2/54), WM 1955, 116, 117. auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 71; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 11 ff.; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 121. 522 Vgl. Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 178 ff.; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 3; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 71; Grunewald, AG 2013, 813, 815; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 13; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 47 f.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 3; Lutter, in: HdB Managerhaftung, § 1 Rn. 19; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 121 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 27; vgl. auch Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 350; Wiesner, in: Münchener HdB GesR, § 26 Rn. 8; vgl. auch LG Mannheim, Beschluss vom 21.9.1954 (9 T 2/54), WM 1955, 116, 117. 523 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 4; Grunewald, AG 2013, 813, 815; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 12, 251; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 3; Lutter, in: HdB Managerhaftung, § 1 Rn. 19; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 27; vgl. auch Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Dauner-Lieb, 521 Vgl.
C. Modifizierung des Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstabs
133
in all seinen Einzelteilen zwingenden Charakter habe, könne der Grad des Verschuldens nicht durch eine Regelung in der Satzung verändert werden.524 Der zwingende Charakter ergebe sich aus § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG.525 Überdies wird angeführt, dass geringere Anforderungen an den Grad des Verschuldens mit der eigenverantwortlichen Stellung des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) unvereinbar seien.526 Ferner sollen solche Satzungsbestimmungen nicht mit der in § 93 Abs. 5 AktG zum Ausdruck kommenden Gläubigerschutzfunktion zu vereinbaren sein.527 Auf den ersten Blick erscheint die herrschende Sichtweise zumindest nicht unangreifbar zu sein. Es stellt sich nämlich die Frage, woraus zu entnehmen ist, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG eine Haftung für jeden Fahrlässigkeitsgrad vorsieht. Man könnte zunächst die Auffassung vertreten, dass sich die Haftung für jeden Fahrlässigkeitsgrad erst in Verbindung mit der Bestimmung des § 276 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 BGB ergibt. Nachdem § 276 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 BGB keine Norm des Aktiengesetzes ist, könnte der Grundsatz der Satzungsstrenge bei diesem Verständnis nicht als Argument gegen die Zulässigkeit von, den Verschuldensmaßstab modifizierenden Satzungsbestimmungen angeführt werden. Denn § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG steht nur Abweichungen vom Aktiengesetz („dieses Gesetzes“) entgegen,528 nicht aber Abweichungen von dispositiven Bestimmungen des BGB. Eine genauere Betrachtung führt aber zu dem Ergebnis, dass § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht nur die dem Vorstand obliegenden Pflichten normiert, sondern zugleich den für Vorstandsmitglieder typisierten und für die Haftung relevanten Verschuldensmaßstab bestimmt.529 Neben der Normierung, dass Vorstandsmitglieder sich so zu verhalten haben, wie es ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter tun würde, kommt in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG durch das Wort „Sorgfalt“ zum Ausdruck, dass Vorstandsmitglieder Fahrlässigkeit und Vorsatz zu vertreten haben. in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 3; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 47; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 5; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 350; Wiesner, in: Münchener HdB GesR, § 26 Rn. 8. 524 So ausdrücklich Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 3 f.; vgl. auch DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 3; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 5. 525 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 3. 526 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 4; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 27. 527 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 4; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 27; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 Rn. 5. 528 Siehe hierzu Teil 3 B. 529 Vgl. Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1575; Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 93 Rn. 2; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 6; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 205; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 6; Semler, AG 2005, 321, 324; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 176.
134 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
So wie § 276 Abs. 2 BGB die Fahrlässigkeit als die „Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ definiert, lassen sich die Worte „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG in ihrer negativen Wendung zur Definition des für Vorstandsmitglieder geltenden typisierten Fahrlässigkeitsbegriffs verwenden: Ein Vorstandsmitglied handelt fahrlässig, wenn es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters außer Acht lässt.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber dem mit dem Verschuldensgrad eng verbundenen Wort „Sorgfalt“ keine eigenständige Bedeutung in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG beimessen wollte. Nicht zuletzt zeigt auch ein Vergleich mit den Bestimmungen der §§ 347 Abs. 1 HGB, 43 Abs. 1 GmbHG, dass in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG auch der für die Haftung maßgebliche Verschuldensmaßstab normiert ist. Wortlaut des § 43 Abs. 1 GmbHG: „Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.“
Wortlaut des § 347 Abs. 1 HGB: „Wer aus einem Geschäfte, das auf seiner Seite ein Handelsgeschäft ist, einem anderen zur Sorgfalt verpflichtet ist, hat für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen.“
Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG: „Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.“
Sowohl § 43 Abs. 1 GmbHG als auch § 347 Abs. 1 HGB wird nach allgemeinem Verständnis eine typisierte Normierung des Verschuldensmaßstabs der jeweiligen Normadressaten entnommen.530 Da sich die durch den Wortlaut zum Ausdruck kommende Regelungstechnik in den drei Bestimmungen gleicht, wird sich nicht bestreiten lassen, dass § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG den für die Vorstandshaftung maßgeblichen Verschuldensmaßstab eigenständig festlegt. Kommt § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG folglich eine Doppelfunktion zur positiven Pflichtenbestimmung und zur Normierung des für die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG maßgeblichen Verschuldensgrads zu, scheitert eine den 530 Zu § 43 GmbHG siehe Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 255; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 43 Rn. 8; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 8; zu § 347 HGB siehe Bünger-Meyer, in: Haag/Löffler, § 347 Rn. 9; allerdings misst K. Schmidt, in: MüKo-HGB, § 347 Rn. 1 f. der Bestimmung des § 347 Abs. 1 HGB nur deklaratorische Bedeutung bei, da sich der gleiche Verschuldensmaßstab bereits aus § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
135
Verschuldensmaßstab modifizierende Satzungsbestimmung an § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG. Eine Satzungsbestimmung, die eine Verantwortlichkeit des Vorstands bei leicht fahrlässigen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen gänzlich ausschließt, weicht von der Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ab. Denn § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bringt zum Ausdruck, dass ein Verschulden eines Vorstandsmitglieds bei jedem Grad der Fahrlässigkeit anzunehmen ist.531 Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nichts darüber besagt, welcher Grad des Verschuldens für die Haftung erforderlich ist. Denn § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nimmt insoweit auf den vorangehenden Absatz Bezug und macht den dort bestimmten Verschuldensgrad für die Haftung maßgebend.
III. Fazit zur Modifizierung des Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstabs durch Satzungsbestimmung Weder der Sorgfaltsmaßstab532 noch der Verschuldensmaßstab533 kann in rechtlich zulässiger Weise durch eine Satzungsbestimmung modifiziert werden. Solche Satzungsgestaltungen würden dazu führen, dass der Regelungsgehalt des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG durch eine andere Regelung ersetzt wird. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Zulassung der Abweichung sind derartige Satzungsbestimmungen nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unzulässig.
D. Begrenzung der Vorstandshaftungdurch in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme Die vorangegangenen Untersuchungen haben ergeben, dass weder eine Modifikation der Pflichten des Vorstands noch eine Veränderung des für die Haftung erforderlichen Verschuldensgrads mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge vereinbar sind. Nachfolgend ist zu untersuchen, ob die Vorstandshaftung gegenüber der Gesellschaft durch eine in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme beschränkt werden kann. Im Ausgangspunkt denkbar wäre es etwa, eine der folgenden Bestimmungen zur Verankerung eines Haftungshöchstbetrags in die Satzung einer Ak tiengesellschaft aufzunehmen: 531 Statt aller Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 32; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 205 f.; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 11 ff., 251; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 176 ff. 532 Etwa im Sinne der zu Beginn von Teil 3 C genannten Variante 1. 533 Etwa im Sinne der zu Beginn von Teil 3 C genannten Varianten 2 und 3.
136 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung Beispiel 1: Im Rahmen der Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für nicht mit (grober Fahrlässigkeit oder) Vorsatz begangene Pflichtverletzungen haftet ein jedes Vorstandsmitglied bis zu einem Höchstbetrag von 3 Millionen Euro. Beispiel 2: Im Rahmen der Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für nicht mit (grober Fahrlässigkeit oder) Vorsatz begangene Pflichtverletzungen ist der maximal zu ersetzende Schaden durch die Höhe der letzten 1,5 Jahresgehälter des jeweils in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds begrenzt.
I. Meinungsstand Nach fast einhelliger Ansicht ist allerdings jede Milderung der Vorstandshaftung – und somit auch die Regelung einer Haftungshöchstsumme in der Satzung – rechtlich unwirksam.534 Zur Begründung wird überwiegend nur pauschal darauf verwiesen, dass Haftungsmilderungen generell aufgrund des zwingenden Charakters der Vorstandshaftung unzulässig seien.535 Fleischer führt an, dass der historische Gesetzgeber im Zuge der Aktienrechtsnovelle aus dem Jahr 1884 eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, dass sämtliche haftungsmildernden Vereinbarungen nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ausgeschlossen sind.536 Nur ganz vereinzelt wird die rechtliche Unvereinbarkeit einer in der Satzung vorgesehenen Haftungshöchstsumme mit weiteren Argumenten untermauert, auf welche sogleich537 eingegangen wird. 534 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 813 f.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Brommer, Beschränkung der Vorstands innenhaftung, S. 181 ff.; Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 93 Rn. 17; Fleischer, ZIP 2014, 1305 f.; Gaul, AG 2015, 109, 115; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 71; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116; Habersack, NZG 2015, 1297, 1299; ders., ZHR 177 (2013), 782, 794; Heyers, WM 2016, 581, 583 f.; Ihlas, D&O, S. 308; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 3; Lutter, in: HdB Managerhaftung, § 1 Rn. 19; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 122 f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 348; Paefgen, AG 2014, 554, 569; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 38; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 803 f.; U. Schmidt, in: Heidel, § 93 AktG Rn. 5; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 350. 535 So Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Gaul, AG 2015, 109, 115; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 71; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116; Habersack, NZG 2015, 1297, 1299; Ihlas, D&O, S. 308; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 3; Paefgen, AG 2014, 554, 569; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 38; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 803 f.; Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 350. 536 So Fleischer, ZIP 2014, 1305. 537 Zu diesen Argumenten, in: Teil 3 D. II.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
137
Demgegenüber ist nach Grunewald die Regelung angemessener Haftungshöchstbeträge in der Satzung rechtlich möglich.538 Sie begründet dies damit, dass der Wortlaut nicht besagt, dass der Schaden vollumfänglich zu begleichen ist.539 Eine angemessene Haftungshöchstsumme könne die Vorstandshaftung i. S. von § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzen, weil das Haftungsregime dadurch lediglich weitergeführt werde, sein Grundsatz aber unberührt bleibe.540 Der bisherige Diskussionsstand fordert eine vertiefte Untersuchung der Frage heraus, ob eine Haftungshöchstsumme in rechtlich wirksamer Art und Weise in die Satzung einer Aktiengesellschaft aufgenommen werden kann.
II. Untersuchung Die rechtliche Zulässigkeit einer in der Satzung bestimmten Haftungshöchstsumme hängt maßgeblich davon ab, ob sie mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge vereinbar ist. Denn wie bereits erläutert541 darf nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG von Bestimmungen des Aktiengesetzes nur abgewichen werden, wenn dies ausdrücklich gesetzlich zugelassen ist. Mangels einer ausdrücklichen Abweichungsbefugnis in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ist eine Haftungshöchstsumme nicht mit § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG vereinbar, wenn die Satzungsbestimmung von der Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG abweicht. Eine Abweichung wäre nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG zu bejahen, wenn die Satzungsbestimmung zur Haftungshöchstsumme den Regelungsgehalt des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zumindest teilweise durch eine andere Bestimmung ersetzt.542 Demgegenüber wäre von einer Ergänzung i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG auszugehen, wenn das Gesetz über die in der Satzung geregelte Frage nichts bestimmt oder wenn die Satzungsregelung die gesetzliche Bestimmung in ihrem Gedanken weiterführt und daher im Grundsatz nicht berührt.543 Während die vorangegangenen Untersuchungen belegt haben, dass ein Haftungsausschluss für leicht fahrlässige Pflichtverletzungen entweder den haftungsbegründenden Sorgfaltsmaßstab verändert und / oder den für die Haf538 Grunewald,
AG 2013, 813, 815 ff. AG 2013, 813, 815; dem Wortlautargument zustimmend Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 182. 540 Grunewald, AG 2013, 813, 815 f. 541 Siehe bereits Teil 3 B. 542 Zu den Voraussetzungen der Abweichung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG siehe bereits Teil 3 B. 543 Siehe hierzu bereits ebenfalls Teil 3 B. 539 Grunewald,
138 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
tung erforderlichen Grad des Verschuldens modifiziert, kommt eine in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme aus dogmatischer Sicht erst auf der Rechtsfolgenseite zum Tragen. Durch sie wird ausschließlich der (im Rahmen der Vorstandshaftung) zu ersetzende Schaden der Höhe nach begrenzt. Eine in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme könnte damit nur eine Abweichung von dem in § 249 Abs. 1 BGB normierten Prinzip der Totalreparation darstellen,544 die haftungsbegründende Norm des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG aber unberührt lassen. Es geht zunächst folglich um die Frage, ob § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG selbst die Rechtsfolge derart normiert, dass eine vollständige Wiedergutmachung (Totalreparation) zu erfolgen hat, oder ob der Umfang des Schadensersatzes nicht von der haftungsbegründenden Norm, sondern durch die §§ 249 ff. BGB bestimmt wird. Sollte der Umfang des Schadensersatzes nicht von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG als haftungsbegründender Norm geregelt werden, sondern ausschließlich durch die §§ 249 ff. BGB, läge in der Satzungsbestimmung zur Haftungshöchstsumme keine Abweichung von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Vorbehaltlich einer Abweichung von einer anderen Bestimmung des Aktiengesetzes wäre eine in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme mit § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG vereinbar, da sie nur von den Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB abweicht. Letzteres ist im Grundsatz nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unschädlich, da es sich bei den §§ 249 ff. BGB nicht um Normen des Aktiengesetzes handelt (vgl. die Worte „dieses Gesetzes“ aus § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG).545 Die rechtliche Zulässigkeit wäre dann allein an der für satzungsmäßige Ergänzungen maßgeblichen Bestimmung des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG zu messen. Hinzu kommt, dass die §§ 249 ff. BGB grundsätzlich dispositiv sind.546 Nur wenn eine Bestimmung – wie die §§ 276 Abs. 3, 444, 639 BGB oder § 8 a Satz 1 StVG, § 49c LuftVG, § 7 HaftpflG – zum Ausdruck bringt, dass ein Ausschluss und / oder eine Begrenzung der Haftung im Voraus unzulässig ist, kann nicht von den §§ 249 ff. BGB abgewichen werden.547 § 276 Abs. 3 BGB, § 444 BGB, § 639 BGB, § 8 a Satz 1 StVG, § 49 c LuftVG und § 7 544 Vgl. Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff. Rn. 10 i. V. m. § 249 Rn. 2; Paschke, in: Oetker HGB, § 433 Rn. 10. 545 Hierzu bereits Teil 3 B; siehe außerdem die weiteren Ausführungen in Teil 3 D. II. 1. ff. 546 Zum disponiblen Charakter der §§ 249 ff. BGB siehe die ausführliche Kommentierung von Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff., Rn. 11 ff.; siehe überdies Ekkenga/Kuntz, in: Soergel, Vor § 249 Rn. 8; Schubert, in: Bamberger/Roth, § 249 Rn. 6; vgl. auch Ebert, in: Erman BGB, Vor §§ 249–253, Rn. 6; Luckey, in: Prütting/Wegen/Weinreich, Vor §§ 249–255 Rn. 4 hinsichtlich Abweichungen durch Schadenspauschalierungen. 547 Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff., Rn. 11 f.; siehe auch Ekkenga/ Kuntz, in: Soergel, Vor § 249 Rn. 8.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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HaftpflG normieren ein ausdrückliches Verbot des Haftungsausschlusses. Das Aktiengesetz enthält keine spezielle, mit diesen Normen vergleichbare Bestimmung. Nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG werden nur in allgemeiner Art und Weise Abweichungen von Bestimmungen des Aktiengesetzes für unzulässig erklärt. Dass eine Haftungshöchstsumme von einer Norm des Aktiengesetzes abweicht, ließe sich aber nur behaupten, wenn das Aktiengesetz selbst klar zum Ausdruck bringen würde, dass eine Haftung nach dem Prinzip der Totalreparation zu erfolgen hat. Nur dann könnte die über § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG zwingende aktiengesetzliche Regelung auf die §§ 249 ff. BGB ausstrahlen. Ob dies der Fall ist, wird nachfolgend untersucht. 1. Anhaltspunkte aufgrund der Gesetzeshistorie und der juristischen Methodenlehre a) Gesetzeshistorie Erste Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, ob § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG eigenständig die vollständige Wiedergutmachung (Totalreparation) anordnet, lassen sich der Gesetzeshistorie des Tatbestands der aktienrechtlichen Vorstandshaftung entnehmen. Dieser geht zumindest in seinen Grundzügen auf Artikel 241 ADHGB aus dem Jahr 1861548 zurück. Mit dem Handelsgesetzbuch, welches zeitgleich mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch am 1. Januar 1900 in Kraft trat, wurde die nun wesentlich detaillierter geregelte Vorstandshaftung in § 241 HGB normiert.549 Das Aktiengesetz 1937 übernahm die in § 241 HGB vorgesehene Haftung in § 84 AktG. Seit diesem Zeitpunkt ist die Vorstandshaftung – mit leichten Veränderungen im Detail – im Aktiengesetz verortet. Wie bereits eingangs erwähnt550, entnimmt Fleischer den nachfolgend zitierten, im Zuge der Aktienrechtsnovelle aus dem Jahr 1884 geäußerten Erör548 Wortlaut des Art. 241 ADHGB: „Die Mitglieder des Vorstandes sind aus den von ihnen im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen Dritten gegenüber für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich nicht verpflichtet. Mitglieder des Vorstandes, welche außer den Grenzen ihres Auftrages, oder den Vorschriften dieses Titels oder des Gesellschaftsvertrages entgegen handeln, haften persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Dies gilt insbesondere, wenn sie der Bestimmung des Artikels 217. entgegen an die Aktionäre Dividenden oder Zinsen zahlen, oder wenn sie zu einer Zeit noch Zahlungen leisten, in welcher ihnen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hätte bekannt sein müssen.“ 549 Der Wortlaut kann in der Guttentagschen Sammlung von Textausgaben mit Sachregister zum Handelsgesetzbuch nebst Einführungsgesetz, J. Guttentag Verlagsbuchhandlung G.m.b.H, Berlin 1903, auf S. 98 f. eingesehen werden. 550 Teil 3 D. I.
140 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
terungen der Reichstagskommission, dass sämtliche haftungsmildernde Vereinbarungen nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ausgeschlossen sind.551 Träfe dies zu, wäre eine den ersatzfähigen Schaden begrenzende und damit die Haftung mildernde satzungsmäßige Haftungshöchstsumme nicht mit § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG vereinbar, da sie dem Willen des historischen Gesetzgebers widerstreiten würde. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch, dass das Verständnis von Fleischer nicht überzeugt. Mit den Worten „Gelegentlich der Berathung […] ist zur Sprache gekommen, ob die Vorschriften über das Maaß der vom Aufsichtsrath und vom Vorstand anzuwendenden Sorgfalt durch Gesellschaftsvertrag abgeändert werden könnten. Darauf ist […] erwidert, daß die bezüglichen Vorschriften, welche auch das Interesse der Gläubiger berücksichtigen, derartig öffentlichen Rechts seien, daß sie nicht gemindert werden können.“552
wird nur zum Ausdruck gebracht, dass der im Aktiengesetz aus dem Jahr 1884 normierte Sorgfaltsmaßstab nicht unter das dort vorgesehene Maß in dem Gesellschaftsvertrag – heute der Satzung – herabgesetzt werden darf. Damit wird aber nicht zugleich eine den Sorgfaltsmaßstab nicht tangierende Regelung zur Haftungshöhe – etwa eine Begrenzung des ersatzfähigen Schadens – im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen. Überdies wird auch keine Aussage darüber getroffen, ob der damalige Haftungstatbestand eigenständig das Prinzip der Totalreparation anordnet. Folglich ergeben sich für die hiesige Fragestellung keine Rückschlüsse aus den zitierten Erörterungen der Reichstagskommission. Stattdessen lassen sich aber der weiteren Gesetzeshistorie Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht eigenständig die vollständige Wiedergutmachung (Totalreparation) anordnet. Aufgrund des zeitgleichen Inkrafttretens des BGB mit dem die Vorstandshaftung regelnden HGB und dem Mangel an einer speziellen, den Inhalt und Umfang des Schadensersatzes regelnden Bestimmung des damaligen HGB, liegt es nahe, dass das HGB hinsichtlich der Konkretisierung der Rechtsfolge „Schadensersatz“ die Bestimmungen des im BGB verorteten allgemeinen Schadensrechts für maßgeblich hielt. Jedenfalls bestand ausweislich der Kommentarliteratur zum Aktiengesetz 1937 bei Aufnahme der Vorstandshaftung in das Aktiengesetz Klarheit, dass der damalige § 84 Abs. 2 Satz 1 AktG auf die in den §§ 249 ff. BGB konkretisierte Rechtsfolge „Schadensersatz“ Bezug Fleischer, ZIP 2014, 1305. der IX. Kommission über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und die Aktiengesellschaften, in Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 5. Legislaturperiode, IV. Session 1884, 4. Band, S. 1009, 1020. 551 So
552 Bericht
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
141
nahm.553 Dementsprechend wird auch bis heute einhellig der Umfang des im Rahmen der Vorstandshaftung zu leistenden Ersatzes anhand der §§ 249 ff. BGB bestimmt.554 b) Betrachtung nach der juristischen Methodenlehre In den allgemeinen Regelungen des BGB zum Recht der Schuldverhältnisse normieren die §§ 249 ff. BGB nach einhelliger Ansicht – vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen oder hiervon abweichender Vereinbarungen555 – den Inhalt und den Umfang der Rechtsfolge „Schadensersatz“ sowie die Ersatzfähigkeit von Schäden.556 Wie § 249 Abs. 1 BGB mit den Worten „Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat …“ zum Ausdruck bringt, setzen die §§ 249 ff. BGB tatbestandlich eine dem Grunde nach bestehende Verpflichtung zum Schadensersatz voraus.557 Diese dem Grunde nach bestehende Pflicht regeln die auf Schadensersatz gerichteten Anspruchsgrundlagen (z. B. § 280 Abs. 1 und § 823 Abs. 1 BGB). Nach der Methodenlehre ist eine auf Schadensersatz gerichtete Anspruchsgrundlage als vollständiger Rechtssatz zu bezeichnen, wenn ihr Tatbestand und ihre Rechtsfolge umfassend von der Anspruchsgrundlage normiert werden und es daher keines Rückgriffs auf ergänzende Hilfsnormen bedarf.558 Sowohl die haftungsbegründenden Normen als auch die §§ 249 ff. BGB stellen daher aus Sicht der juristischen Methodenlehre für sich genommen unvollständige Rechtssätze dar. Die haftungsbegründenden Normen werden erst durch die Ergänzungs- bzw. Hilfsnormen der §§ 249 ff. BGB (hinsichtlich der Haftungsausfüllung) komplettiert.559 Ergänzungsnormen können aus 553 Teichmann/Koehler,
in: Kommentar zum AktG 1937 (1. Auflage), § 84 S. 146. Urt. v. 28.11.1996 (6 U 11/95), AG 1997, 231, 237; Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 93 Rn. 22; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 34; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 213; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 409; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 47; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, § 93 Rn. 36; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 171. 555 Ausführlich zu spezialgesetzlichen Regelungen Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff., Rn. 7 ff; siehe auch Ekkenga/Kuntz, in: Soergel, Vor § 249, Rn. 3. 556 Ebert, in: Erman BGB, Vor §§ 249–253, Rn. 4; Luckey, in: Prütting/Wegen/ Weinreich, Vor §§ 249–255 Rn. 1; Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 1; Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff., Rn. 1; Teichmann, in: Jauernig, Vorbem. §§ 249– 253, Rn. 1. 557 Vgl. Ebert, in: Erman BGB, Vor §§ 249–253, Rn. 2; Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 1; Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff. Rn. 4. 558 Siehe dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 129 ff.; Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff. Rn. 4. 559 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 79, 81. 554 OLG Düsseldorf,
142 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
dem Blickwinkel der Regelungstechnik unterschiedliche Funktionen einnehmen. Während manche eine Legaldefinition eines in diesem Gesetz häufig verwendeten Begriffs vorsehen und damit eine verbindliche Sprachgebrauchsregelung treffen,560 füllen andere Hilfsnormen einen im Hinblick auf unterschiedliche Fallgestaltungen allgemein gehaltenen Ausdruck inhaltlich aus und ergänzen bzw. komplettieren damit den Tatbestand.561 Wieder andere Hilfsnormen bedienen sich der Technik der Gesetzesverweisung und setzen hierdurch tatbestandliche Voraussetzungen einer anderen Norm voraus oder bringen eine Rechtsfolge zur Anwendung.562 Da die §§ 249 ff. BGB die Art und den Umfang eines dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruchs sowie die Ersatzfähigkeit von Schäden normieren, kommt ihnen die Funktion der Ausfüllung der Rechtsfolge „Schadensersatz“ zu.563 Mangelt es an einer spezialgesetzlichen Regelung und an einer abweichenden Vereinbarung, bestimmen sie den Inhalt und den Umfang eines Ersatzanspruchs sowie die Ersatzfähigkeit eines Schadens.564 § 249 Abs. 1 enthält in den Worten, „Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat …“, eine Gesetzesverweisung auf diejenigen Rechtssätze, aus denen sich eine Schadensersatzpflicht ergibt.565 Ein auf Schadensersatz gerichteter Rechtssatz ist somit erst durch das Zusammenspiel der haftungsbegründen Norm mit den §§ 249 ff. BGB i. S. der juristischen Methodenlehre vollständig. Weil § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG mit den Worten, „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“, wortgleich mit den auf Schadensersatz gerichteten Anspruchsgrundlagen des Bürgerlichen Gesetzbuchs566 die Schadensersatzpflicht anordnet, spricht viel dafür, dass aus dem Zusammenspiel der haftungsbegründenden Normen des BGB mit dem allgemeinen Schadensrecht, Rückschlüsse auf das Verhältnis von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu den §§ 249 ff. BGB zulässig sind. Denn die diesbezügliche Wortgleichheit bringt zum Ausdruck, dass sich der Gesetzgeber einer einheitlichen Regelungstechnik bedient hat. hierzu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 131a. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 78 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 131 f. 562 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 81 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 132. 563 Die §§ 249 ff. BGB als Hilfsnormen bezeichnend Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff. Rn. 4; siehe auch die ausdrücklich auf die §§ 249 ff. BGB bezogenen Ausführungen von Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 78 f., 81 f. 564 Zum disponiblen Charakter der §§ 249 ff. BGB siehe die Nachweise in Fn. 546. 565 So ausdrücklich Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 81. 566 Siehe etwa § 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, § 826 Abs. 1 BGB. 560 Siehe 561 Vgl.
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Überträgt man daher das vorstehend geschilderte Zusammenspiel einer haftungsbegründenden Norm mit den §§ 249 ff. BGB auf die aktienrechtliche Vorstandshaftung, bedeutet dies, dass sich der gesamte Tatbestand der Vorstandshaftung aus dem (haftungsbegründenden) § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG und den (haftungsausfüllenden) §§ 249 ff. BGB zusammensetzt. c) Zwischenfazit Es lässt sich mithin durchaus konstatieren, dass die Gesetzeshistorie des Tatbestands der Vorstandshaftung dafür spricht, dass der Umfang der Rechtsfolge „Schadensersatz“ nicht durch die haftungsbegründende Norm des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG normiert wird, sondern durch die haftungsausfüllenden §§ 249 ff. BGB. Auch die einheitliche Verwendung der Worte, „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“, durch § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG und die auf Schadensersatz gerichteten Anspruchsgrundlagen des Bürgerlichen Gesetzbuchs spricht aus methodischer Sicht für dieses Ergebnis. 2. Grammatische Auslegung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG Bei der Beurteilung, ob § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG eigenständig eine vollständige Wiedergutmachung anordnet, spielt der Wortlaut der genannten Bestimmung eine maßgebliche Rolle. Dieser lautet: „Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet.“
Die Worte „Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzten“ betreffen allein die Haftungsbegründung und sind daher für die hiesige Frage irrelevant. Selbiges gilt auch für die Worte „sind der Gesellschaft“, da sie nur normieren, wer Anspruchsberechtigter ist. Entscheidend sind dagegen die Worte „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“. Durch diese Wendung ordnet § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, wortgleich mit nahezu allen zum Schadensersatz verpflichtenden Anspruchsgrundlagen,567 die Rechtsfolge an. Im Ausgangspunkt lässt sich festhalten, dass die Worte „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ohne weiteres dahin verstanden werden können, dass sie schlicht die durch andere (allgemeine) Normen bestimmte Rechtsfolge „Schadensersatz“ zur Anwendung bringen.568 In diese Richtung lässt sich auch Grunewald 567 Vgl.
etwa § 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, § 117 AktG, § 42 GmbHG. wohl auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 81, die ausdrücklich anführen, dass die Rechtsfolge in einer zum Schadensersatz verpflichtenden Norm „nur vage umschrieben wird“. 568 So
144 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
verstehen, welche die Auffassung vertritt, dass den Worten „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“ nicht entnommen werden kann, dass „der Schaden vollumfänglich zu begleichen ist“.569 Die Worte, „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“, stehen einem Verständnis offen gegenüber, das allein den §§ 249 ff. BGB die Funktion zuweist, die nähere Bestimmung der Rechtsfolge „Schadensersatz“ vorbehaltlich spezialgesetzlicher Bestimmungen und zulässiger hiervon abweichender Vereinbarungen vorzunehmen.570 Scholz scheint jedoch die Worte „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“ dahin zu verstehen, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG mit ihnen eigenständig – und damit von den §§ 249 ff. BGB unabhängig – den Umfang des Schadensersatzes sowie den ersatzfähigen Schaden normiert, wenn er ausführt: „Aus dem Wortlaut des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG („des daraus entstehenden Schadens“) ergibt sich zunächst unzweifelhaft, dass mit Schaden der gesamte aus der Pflichtverletzung erwachsene Schaden gemeint ist. Wenn es weiter heißt, die pflichtvergessenen Vorstandsmitglieder sind „zum Ersatz […] verpflichtet“, so ist auch damit freilich keine Einschränkung der Ersatzpflicht verbunden. Selbst ohne Rekurs auf § 249 BGB und das Prinzip der Totalreparation ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass mit „Ersatz“ in Ermangelung einschränkender Zusätze die vollständige Wiedergutmachung gemeint ist. […] Von daher kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG von einer umfänglichen Pflicht zum Ersatz des der Gesellschaft aus der Pflichtverletzung entstehenden Schadens ausgeht.“571
Aus dem Blickwinkel der juristischen Methodenlehre müsste es sich demnach bei der haftungsbegründenden Norm – hier § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG – um einen vollständigen Rechtssatz handeln,572 der auch den Umfang des Schadensersatzanspruchs und den ersatzfähigen Schaden bestimmt. Mit dieser Begründung vertritt Scholz ganz auf der Linie der eingangs573 geschilderten herrschenden Sichtweise die Auffassung, dass die Verankerung einer Haftungshöchstsumme in der Satzung von der nach seinem Verständnis von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG angeordneten vollständigen Wiedergutmachung abweicht.574 Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Zulassung kommt er 569 Grunewald,
AG 2013, 813, 815. wohl Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 79. 571 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 108 f.; vgl. auch Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 123. 572 Zur Unterscheidung zwischen vollständigen und unvollständigen Rechtssätzen siehe Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 78 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 129. 573 Teil 3 D. I. 574 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 109. 570 Ebenso
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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zu dem dann folgerichtigen Ergebnis, dass die Abweichung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unzulässig ist.575 Die übrigen Stimmen der herrschenden Sichtweise, die sich gegen die rechtliche Vereinbarkeit einer Haftungshöchstsumme mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge aussprechen, gehen erst gar nicht auf den genauen Regelungsgehalt des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ein. Vielmehr wird die bloße Behauptung aufgestellt, dass eine Haftungshöchstsumme von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG abweicht.576 Blickt man genauer auf die von Scholz geäußerten Argumente, schwindet ihre Überzeugungskraft. Scholz begründet sein Verständnis der entscheidenden Worte allein mit einem behaupteten allgemeinen Sprachgebrauch. Seine Aussage, dass dem Wort „Ersatz“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ohne die Verwendung eines einschränkenden Zusatzes stets die Bedeutung einer „vollständigen Wiedergutmachung“ zukommt, wird ohne jeden Nachweis für die Existenz dieses Sprachgebrauchs geäußert. Auch wenn insoweit zuzugeben ist, dass das Verständnis von Scholz bei bloßer Betrachtung des Wortlauts als vertretbar – aber keineswegs zwingend577 – erscheint, ergeben sich insbesondere aus gesetzessystematischer Sicht erhebliche Bedenken gegen dieses Verständnis. 3. Weitere Anhaltspunkte aufgrund der Gesetzessystematik Sieht man mit Scholz in den Worten „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“ eine eigenständige und von den §§ 249 ff. BGB unabhängige Normierung der „vollständigen Wiedergutmachung“ durch die haftungsbegründende Norm des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, müsste man annehmen, dass § 254 BGB leerläuft. Denn von einer vollständigen Wiedergutmachung des Schadens durch den Anspruchsgegner kann im Fall eines Mitverschuldens keine Rede sein, wenn § 254 BGB Anwendung findet.578 Die Anordnung der „vollständigen Wiedergutmachung“ durch die zum Schadensersatz verpflichtende Anspruchsgrundlage müsste dem im allgemeinen Schadensrecht verorteten § 254 BGB als speziellere Regelung vorgehen, sodass eine Anspruchskürzung nach der letztgenannten Norm ausscheiden würde. 575 Scholz,
Existenzvernichtende Haftung, S. 109. Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Ihlas, D&O, S. 308; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 38; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 803 f. 577 Dass der Wortlaut auch anders verstanden werden kann, wurde bereits soeben in Teil 3 D. II. 2. erläutert. 578 Vgl. Ebert, in: Erman BGB, § 254 Rn. 1; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel, § 254 Rn. 1; Oetker, in: MüKo-BGB, § 254 Rn. 2; Luckey, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 254 Rn. 1; Teichmann, in: Jauernig BGB, § 254 Rn. 1 spricht davon, dass die Bestimmung „das Prinzip der Totalreparation […] durchbricht“. 576 Vgl.
146 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Dass dem nicht so ist, wird soweit ersichtlich einhellig vertreten. § 254 BGB kommt unter den dort normierten Voraussetzungen bei jedem Schadensersatzanspruch zur Anwendung.579 Auf den ersten Blick könnte man hiergegen einwenden, dass ein Mitverschulden der Gesellschaft im Bereich der Vorstandshaftung nur sehr selten denkbar ist und es sich daher eher um ein Scheinproblem handelt. Weil aber die Worte, „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“, – wie bereits mehrfach erwähnt – nicht nur in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, sondern in nahezu allen zum Schadensersatz verpflichtenden Anspruchsgrundlagen enthalten sind, ist das vorstehende Ergebnis keineswegs auf die Organhaftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG beschränkt. Will man die Worte nicht nur in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, sondern auch in allen anderen haftungsbegründenden Normen dahin verstehen, dass sie eine vollständige Wiedergutmachung anordnen, verbleibt für § 254 BGB kein Anwendungsbereich. Denn jede dieser Normen würde als lex specialis mit der Anordnung der „vollständigen Wiedergutmachung“ § 254 BGB verdrängen. Ein Verständnis, welches den Worten „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“ die eigenständige und von den §§ 249 ff. BGB unabhängige Anordnung der „vollständigen Widergutmachung“ beimisst, ist folglich nicht mit der gemeinhin üblichen Anwendung des allgemeinen Schadensrechts in Einklang zu bringen. Ferner spricht gegen das Verständnis von Scholz, dass immer wieder der Vorschlag unterbreitet wurde, nicht den Regelungen zum Anspruchsgrund, sondern den §§ 249 ff. BGB eine Reduktionsklausel beizufügen, mit welcher der Umfang des zu ersetzenden Schadens aus Billigkeitsgründen reduziert werden kann.580 Die entsprechenden Entwürfe haben dabei nie eine Veränderung des Wortlauts der einzelnen zum Schadensersatz verpflichtenden Anspruchsgrundlagen vorgesehen.581 Vielmehr entsprach es wohl dem allgemeinen und aus systematischer Sicht gerechtfertigten Verständnis, den §§ 249 ff. BGB – vorbehaltlich abweichender spezialgesetzlicher Regelungen – die inhaltliche Ausfüllung der Rechtsfolge Schadensersatz komplett zu überlassen. 579 Ebert, in: Erman BGB, § 254 Rn. 7 ff.; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel, § 254 Rn. 7 ff.; Oetker, in: MüKo-BGB, § 254 Rn. 7 ff.; Luckey, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 254 Rn. 2; Schiemann, in: Staudinger, § 254 Rn. 5 ff.; Teichmann, in: Jauernig BGB, § 254 Rn. 1. 580 So der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Bestimmungen, Januar 1967 (§ 255a BGB-E); ebenso befürwortend Hohloch, Allgemeines Schadensrecht, S. 375, 459 ff., 464; zuletzt Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 32. 581 Vgl. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Bestimmungen, Januar 1967 (§ 255a BGB-E); Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 32, S. 122; Hohloch, Allgemeines Schadensrecht, S. 375, 459 ff., 464.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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Auch Bachmann, der sogar explizit für eine ebenfalls die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG betreffende allgemeine Reduktionsklausel streitet, sieht keine Kollision zwischen einer im allgemeinen Schadensrecht zu verortenden Reduktionsklausel und der durch § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG angeordneten Rechtsfolge.582 Wenn aber die nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG zwingende und gegenüber den allgemeinen Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB speziellere Bestimmung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG – wie von Scholz behauptet – eigenständig die „vollständige Wiedergutmachung“ anordnen würde, hätte eine in den §§ 249 ff. BGB enthaltene Reduktionsklausel für die Vorstandshaftung keine Bedeutung. Gegen die vorstehende Argumentation lässt sich nicht einwenden, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG dynamisch auf die §§ 249 ff. BGB in ihrer jeweiligen Fassung verweist und insofern auch ihr Regelungsgehalt über § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG zwingend ist. Die §§ 249 ff. BGB sind keine Normen des Aktiengesetzes i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG. Selbst wenn § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ausdrücklich bestimmen würde, dass „Schadensersatz nach den Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB zu leisten ist“, würden die §§ 249 ff. BGB nicht dem Grundsatz der Satzungsstrenge unterliegen. Denn zu Recht wird allgemein angenommen, dass Normen, auf die im Aktiengesetz verwiesen wird, keine Bestimmungen „dieses Gesetzes“ i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG sind.583 Vielmehr ist die Möglichkeit einer Abweichung von dem Gesetz, auf welches das Aktiengesetz verweist, danach zu beurteilen, ob es selbst zwingenden Charakter hat.584 Exemplarisch können insoweit die Normen zur Wahl des Aufsichtsrats angeführt werden. § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG verweist hinsichtlich der Wahl der die Arbeitnehmer vertretenden Aufsichtsratsmitglieder auf die jeweils geltenden Mitbestimmungsgesetze.585 Diesbezüglich wird fast ganz herrschend die Auffassung vertreten, dass sich der zwingende Charakter der Mitbestimmungsgesetze zur Wahl der Arbeitnehmervertreter nicht aus § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG ergibt, sondern aus der zwingenden Natur der jeweiligen Normen selbst.586 Geßler hat seine abweichende Auslegung zu Unrecht auf eine Gesetzesanalogie gestützt. Er äußerte vor über 35 Jahren die Ansicht, Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 32, S. 123. Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 136; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 28a; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 156; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 23; Sailer-Coceani, in: Münchener HdB GesR, § 6 Rn. 10. 584 Vgl. Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 136; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 28a; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 156; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 23; Sailer-Coceani, in: Münchener HdB GesR, § 6 Rn. 10. 585 Habersack, in: MüKo-AktG, § 101 Rn. 4. 586 Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 136; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 28a; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 156; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestal582 Vgl. 583 Vgl.
148 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
dass § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG analog auf die Mitbestimmungsgesetze anzuwenden sei.587 Zu Recht wird dieser Ansicht jedoch mangels einer Regelungslücke588 nicht gefolgt. Vor diesem Hintergrund kann nicht einmal ein ausdrücklicher Gesetzesverweis eine derartige Inkorporation des Regelungsgehalts der zur Anwendung bestimmten Norm in das Aktiengesetz bewirken, dass sie vom Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG erfasst wird. Daraus lässt sich folgern, dass eine Inkorporation erst recht nicht angenommen werden kann, wenn die Anwendung anderer Normen mangels speziellerer Bestimmungen vom Aktiengesetz nur stillschweigend vorausgesetzt wird. Denn aus regelungstechnischer Sicht kann die stillschweigend vorausgesetzte Anwendung einer allgemeinen Bestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuchs mangels spezialgesetzlicher Regelung als schwächer angesehen werden als ein unmittelbarer und ausdrücklicher Gesetzesverweis. Da § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht ausdrücklich auf die §§ 249 ff. BGB verweist, sondern deren haftungsausfüllenden Charakter mangels spezialgesetzlicher Regelung voraussetzt, kann im Zuge des soeben geschilderten Erst-Recht-Schlusses gefolgert werden, dass der Regelungsgehalt der §§ 249 ff. BGB nicht dem Grundsatz der Satzungsstrenge aus § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unterliegt. Ein zwingender Charakter der nicht im Aktiengesetz enthaltenen Normen ist nur zu bejahen, wenn die Normen selbst zwingend sind.589 Dies ist bei den §§ 249 ff. BGB gerade nicht der Fall.590 All dies spricht aus dem Blickwinkel der Gesetzessystematik gegen ein Verständnis, das § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG – wie von Scholz behauptet – eine eigenständige Anordnung der vollständigen Wiedergutmachung zukommen lässt. Eine gegenteilige Beurteilung wäre nur erforderlich, wenn eine Haftungshöchstsumme den Zwecken der Vorstandshaftung widersprechen würde. 4. Auslegung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nach dessen Sinn und Zweck Der Sinn und Zweck der Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wird nach allgemeiner Ansicht anknüpfend an den Meinungsstand im Recht tungsfreiheit, S. 23; Sailer-Coceani, in: Münchener HdB GesR, § 6 Rn. 10; vgl. auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 34. 587 Geßler, ZGR 1980, 427, 441. 588 Zum Fehlen einer Regelungslücke Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 156. 589 Vgl. die Nachweise in Fn. 584. 590 Hierzu bereits Teil 3 D. II. siehe auch die Nachweise in Fn. 546.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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der außervertraglichen Haftung591 sowohl in der Schadenskompensation als auch in der Verhaltenssteuerung unter dem Gesichtspunkt des sorgfältigen und der Treupflicht entsprechenden Vorstandshandelns gesehen.592 Bei Inblicknahme des nach der juristischen Methodenlehre vollständigen Rechtssatzes der Vorstandshaftung (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. §§ 249 ff. BGB) überzeugt dies. Durch die Androhung der Haftung soll der Vorstand dazu bewegt werden, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters an den Tag zu legen und sich loyal gegenüber der Gesellschaft und ihren Anteilseignern zu verhalten (Verhaltenssteuerung).593 Die in den §§ 249 ff. BGB normierte Totalreparation sorgt für einen Ausgleich der beeinträchtigten Interessen (Kompensation).594 Jedoch stellt sich die Frage, ob § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auch isoliert betrachtet unumstößlich die vollständige Kompensation bezweckt, oder ob die Kompensationsfunktion erst über die Ergänzungsnormen der §§ 249 ff. BGB Einzug hält. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur wurde bisher – soweit ersichtlich – nicht weiter untersucht, an welcher Stelle die Präventionsfunktion und an welcher Stelle die Kompensationsfunktion dogmatisch zu verorten sind. Insoweit bietet sich eine Differenzierung zwischen dem Zweck der haftungsbegründenden Norm und dem Zweck der §§ 249 ff. BGB an.595 a) Schadenskompensation nicht eigenständig in zwingender Form durch § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bezweckt Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde bereits erläutert, dass die Sinnhaftigkeit einer zuvörderst die Schadenskompensation bezweckenden Vorstandshaftung ernsthaften Zweifeln ausgesetzt ist.596 Wenn der Gesetzgeber aber – 591 Ebenfalls davon ausgehend, dass die weit überwiegende Ansicht sich durch eine Anknüpfung an den Meinungsstand im Recht der außervertraglichen Haftung gebildet hat Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 252; zum Meinungsstand im Recht der außervertraglichen Haftung ausführlich Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9 ff. 592 Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 21; Eßwein, Vorstandshaftung, S. 49 ff., 55 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 2; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 28; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 1; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 33 ff.; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 8. 593 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 2; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 28; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 8. 594 Ebert, in: Erman BGB, Vor §§ 249–253, Rn. 1; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel, Vor § 249, Rn. 10; Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 8; Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. §§ 249 ff., Rn. 3; Teichmann, in: Jauernig, Vorbem. §§ 249–253, Rn. 2. 595 Ebenso eine Differenzierung zwischen dem Zweck der §§ 249 ff. BGB und dem Zweck der haftungsbegründenden Norm für erforderlich haltend Eßwein, Vorstandshaftung, S. 54 f.; Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 8.
150 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
wie wohl bisher einhellig vertreten597 – mit der haftungsbegründenden Norm des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG eine vollständige Kompensation des Schadens durch das seine Pflichten verletzende Vorstandsmitglied bezweckt haben sollte, muss dies de lege lata akzeptiert werden. Eine Umdeutung des Normzwecks würde selbst bei einer grundlegenden Wandlung der bei Verkündung des Gesetzes anzutreffenden und damit in den Gesetzesmotiven berücksichtigten Umständen die Grenze der Rechtsfortbildung überschreiten.598 Dass der haftungsbegründende Tatbestand des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG jedoch nicht für jeden Fall zwingend die vollständige Schadenskompensation bezweckt, lässt sich dem weiteren Regelungsgehalt des § 93 AktG entnehmen. Namentlich § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG bestimmt die Voraussetzungen für einen Anspruchsverzicht. Ein generelles Verbot, auf Ansprüche der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu verzichten, enthält die Bestimmung nicht.599 Sofern der Gesetzgeber ausnahmslos die vollständige Kompensation hätte anordnen wollen, hätte er konsequenter Weise den Verzicht auf Vorstandshaftungsansprüche generell verbieten müssen. Hierzu hat sich der Gesetzgeber jedoch nicht entschieden. Vielmehr belegt die Möglichkeit eines Anspruchsverzichts nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG, welche etwa von der Siemens AG, der MAN SE, der Telekom AG und der Deutsche Bank AG praktiziert wurde,600 dass die Schadenskompensation nicht stets zwingend mit der Vorstandshaftung bezweckt ist. Allenfalls im Grundsatz könnte von einer vollständigen Schadenskompensation gesprochen werden, welche aber wiederum kein unumstößliches Prinzip darstellt. In § 93 Abs. 2 Satz 3 sieht das Aktiengesetz überdies eine Möglichkeit vor, die Ersatzpflicht des Vorstands in bestimmten Fällen und bei Existenz einer D&O-Versicherung im Ergebnis auf einen Mindestselbstbehalt zu begrenzen. Zwar ist der Vorstand auch bei Existenz einer D&O-Versicherung gegenüber der Gesellschaft zur Schadenstragung verpflichtet. Jedoch stellt die Versicherung – bei entsprechender Deckungspflicht – den Vorstand von der Haftung frei, soweit die Haftungssumme den vereinbarten Selbstbehalt übersteigt. Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Schadenskom596 Siehe hierzu Teil 2 A. II. 4.; auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 253 ff. hält die Vorstandshaftung unter Kompensationsgesichtspunkten für sinnlos. 597 Vgl. die Nachweise in Fn. 534. 598 Dazu ausführlich Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 952 ff. 599 Ebenso Paefgen, AG 2014, 554, 573; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 284. 600 Zum Vergleich zwischen der Siemens AG und ihrem früheren Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149 ff.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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pensation zumindest auch als Versicherungsproblem der Gesellschaft begreift.601 Mit der ausdrücklichen Zulassung des Abschlusses einer D&OVersicherung durch den Gesetzgeber wurde bestätigt, dass sich eine Gesellschaft gegen schädigendes Vorstandshandeln versichern kann. Der Gesetzgeber sah wohl einen Bedarf für den Abschluss solcher Versicherungen. Zugleich hat er durch die Möglichkeit eines begrenzten Selbstbehalts eine Entlastung des Vorstands im Haftungsfall ermöglicht und die Kompensation nicht zwingend allein dem seine Pflichten verletzenden Vorstandsmitglied zugewiesen. Mithin kann weder von einer in jedem Fall durch den Gesetzgeber bezweckten und nach § 93 AktG angeordneten vollständigen Kompensation gesprochen werden, noch kann die Rede davon sein, dass die Kompensation stets allein dem seine Pflichten verletzenden Vorstandsmitglied obliegt. Dass diese Gedanken zur Konkretisierung des Normzwecks von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG hinzugezogen werden, erscheint aus methodischer Sicht geradezu geboten, da die Bestimmungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG und die des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vorstandshaftung stehen und somit ihren Normzweck zumindest mitprägen.602 Wenn also die mit der Vorstandshaftung zusammenhängende Bestimmung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zum Ausdruck bringt, dass unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG keine Schadenskompensation durch den Vorstand zu erfolgen hat, wird man nicht annehmen können, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG – isoliert betrachtet – der gesetzgeberische Zweck einer zwingenden Schadenskompensation zukommt. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Zweck der vollständigen Schadenskompensation nach dem Willen des Gesetzgebers in den, den Inhalt und den Umfang des Schadensersatzes sowie die Ersatzfähigkeit von Schäden normierenden §§ 249 ff. BGB verankert wurde, deren Inhalt aber dispositiv ist.603 Es kann nach alledem nicht behauptet werden, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG – isoliert betrachtet – eine vollständige Schadenskompensation bezweckt und daher die Regelung einer Haftungshöchstsumme dem Zweck des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG widerstreitet. Die Regelung einer Haftungshöchstsumme in der Satzung stellt nur neben § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG einen weiteren Fall dar, in welchem die vollständige Schadenskompensation nicht erfolgt und von dem in den §§ 249 ff. BGB angeordneten Grundsatz der Totalreparation abgewichen wird. ausdrücklich auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 281. Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 281. 603 Zur Möglichkeit der Abweichung von den §§ 249 ff. BGB siehe bereits die Ausführungen in Teil 3 D. II. (zu Beginn). 601 So
602 Vgl.
152 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Weil § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG zum Ausdruck bringt, dass eine gesellschaftsfinanzierte Versicherung zulässig ist, die im Schadensfall zumindest teilweise zur Kompensation beiträgt und bei Vereinbarung eines begrenzten Selbstbehalts, den Vorstand im Ergebnis zu einem nicht unerheblichen Teil aus der Verantwortung entlässt, kann außerdem gefolgert werden, dass der Gesetzgeber (sogar mit Kosten verbundene) Absicherungsmaßnahmen für den Schadensfall als teilweisen Ersatz für die Vorstandshaftung akzeptiert. Eine zwingende und alleinige Schadensabwälzung auf pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder ist mithin vom Gesetzgeber nicht mit § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bezweckt. In der Entlastung des Vorstands durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme ist mithin auch kein Verstoß gegen den Gesetzeszweck des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu sehen. Dies gilt umso mehr, als es auch bei Existenz einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme der Gesellschaft – wie von § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG ausdrücklich gestattet – unbenommen bleibt, sich gegen durch den Vorstand verursachte Schäden zu versichern.604 b) Vereinbarkeit der Haftungshöchstsumme mit dem verhaltenssteuernden Zweck des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG aa) Dogmatische Verortung der verhaltenssteuernden Funktion Dass die verhaltenssteuernde Funktion aus dogmatischer Sicht der haftungsbegründenden Norm des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG entspringt, hat der Gesetzgeber im Zuge der Normierung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG zum Ausdruck gebracht. Ausweislich des Berichts des Rechtsausschusses wurde der Selbstbehalt zur Gewährleistung der verhaltenssteuernden Wirkung der Vorstandshaftung auch bei Existenz einer D&O-Versicherung in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG verankert.605 Demgegenüber haben die §§ 249 ff. BGB für sich genommen in der Regel keine präventive Wirkung gegen schädigendes Verhalten.606 Die Verhaltenssteuerung geht – wenn sie bezweckt ist – zuvörderst auf die haftungsbegründende Norm zurück. Allerdings bewirken die §§ 249 ff. BGB durch die Regelung des Umfangs des Schadensersatzes, dass die Ersatzpflicht nicht bloß symbolischen Charakter hat.607 Insoweit strahlt allenfalls eine etwaige präventive Funktion der haftungsbegründenden Norm auf die Ergänzungsnormen der §§ 249 ff. BGB aus.608 604 Vgl.
bereits die Ausführungen in Teil 1 G. des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433 S. 11. 606 Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 9. 607 So auch Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 9. 608 Vgl. Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 9. 605 Bericht
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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bb) Kein Konflikt einer Haftungshöchstsumme mit der verhaltenssteuernden Funktion im Allgemeinen Fragt man sich nun, ob der verhaltenssteuernde Zweck des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG durch eine Haftungshöchstsumme konterkariert wird, könnte man im Ausgangspunkt daran denken, dass durch die Einschränkung der Ersatzpflicht der Höhe nach auch die Stärke der verhaltenssteuernden Wirkung gemildert wird. Denn der Vorstand hätte bei einer entsprechenden Haftungshöchstsumme zumindest bei (leicht) fahrlässigen Pflichtverletzungen keine unbegrenzte Haftung mehr zu befürchten. Dagegen spricht aber schon, dass – wie erörtert –, der Umfang der Haftung nach dem gesetzgeberischen Willen nicht von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG geregelt und erfasst wird. Wenn aber der Umfang nicht geregelt und erfasst wird, kann zumindest grundsätzlich eine Umfangsbeschränkung der Haftung die vom Gesetzgeber intendierte verhaltenssteuernde Wirkung nicht beeinflussen. Diese gesetzgeberische Zurückhaltung in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wird dadurch bekräftigt, dass zu bezweifeln ist, ob dem verhaltenssteuernden Zweck der Organhaftung nur mit einer – auch bei (leicht) fahrlässigen Pflichtverletzungen – unbegrenzten Haftung entsprochen wird.609 Entscheidend ist, dass es nur um eine Beschränkung des Haftungsumfangs und nicht um einen Haftungsausschluss geht. Denn auch von einer Haftung, die bei (leicht) fahrlässigen Pflichtverletzungen beispielsweise auf eineinhalb Jahresgehälter des jeweiligen Vorstandsmitglieds begrenzt ist, wird eine nicht unerhebliche verhaltenssteuernde Wirkung ausgehen. Zwar mangelt es aufgrund der fehlenden Messbarkeit der Abschreckungswirkung an gesicherten Erkenntnissen, inwiefern eine Haftungsnorm tatsächlich präventive Wirkung entfaltet.610 Jedoch erscheint es als nicht evident, dass tatsächlich die Unbegrenztheit der Haftung zu einer sorgfältigeren Wahrnehmung der Vorstandsaufgaben führt.611 Zumindest wenn die drohende Haftsumme keinen ganz unwesentlichen Teil des Vorstandsvermögens ausmacht, dürften sich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Verhaltenssteuerung ergeben.612 609 Wohl zweifelnd Spindler, AG 2013, 889, 895; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310 f. geht davon aus, dass eine zu strenge Haftung ab einem gewissen Punkt kon traproduktiv ist; ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 237 f. 610 So auch Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 171. 611 So auch Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 406; siehe auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 237 f. 612 Ebenso Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 64; Grunewald, AG 2013, 813, 816; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 279; wohl auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310 f.; Spindler, AG 2013, 889, 895.
154 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Zudem lässt sich aus § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG und dem diesbezüglichen Bericht des Rechtsausschusses entnehmen, dass bei Wahrung der dort normierten Anforderungen auch nach dem Willen des Gesetzgebers von einer ausreichenden verhaltenssteuernden Wirkung auszugehen ist.613 § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG bestimmt, dass Aktiengesellschaften beim Abschluss einer D&O-Versicherung für Vorstandsmitglieder einen Selbstbehalt vereinbaren müssen. Der Selbstbehalt muss dafür Sorge tragen, dass ein Vorstandsmitglied für mindestens zehn Prozent der Schadenssumme bis zu einem Höchstbetrag, der das Eineinhalbfache seines jährlichen Fixgehalts beträgt, haftet. Zur Verwirklichung des verhaltenssteuernden Zwecks ist es nach der gesetzgeberischen Vorgabe folglich erforderlich, die Haftung eines jeden Vorstandsmitglieds mindestens in der Höhe des nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG bestimmten Selbstbehalts zu gewährleisten.614 Sofern der Gesetzgeber die verhaltenssteuernde Wirkung der Organhaftung nur bei einer unbegrenzten Haftung als gegeben ansehen würde, hätte er den Abschluss einer D&O-Versicherung für unzulässig erklärt. Denn im Ergebnis trägt bei einem den Versicherungsschutz auslösenden Haftungsfall die D&OVersicherung den Schaden. Lediglich für den vereinbarten Selbstbehalt muss ein Vorstandsmitglied aufkommen. Um selbst selten auftretende Konflikte mit der verhaltenssteuernden Wirkung auszuschließen, sollte die satzungsmäßige Haftungshöchstsumme den ersatzfähigen Schaden nicht in Anlehnung an § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG auf eine prozentuale Quote des entstandenen Schadens begrenzen. Stattdessen empfiehlt es sich, das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung des Vorstands betragsmäßig nicht zu unterschreiten. Denn eine Beschränkung, nach welcher beispielsweise zehn Prozent des ersatzfähigen Schadens vom Vorstand zu ersetzen sind, kann bei geringen Schadenssummen dazu beitragen, dass die Rechtsdurchsetzungskosten – etwa bei Vereinbarung von über den RVG-Gebühren liegenden Stundenhonoraren – den ersatzfähigen Betrag nahezu erreichen. Ist dies der Fall, könnte für die Gesellschaft aus ökonomischer Sicht ein Hemmnis für die Haftungsdurchsetzung entstehen. Denn auch wenn der Anspruch gegenüber dem Vorstand durchgesetzt werden kann, hat die Gesellschaft etwaige, über den RVG-Gebühren liegende Rechtsdurchsetzungskosten zu tragen. Unter Berücksichtigung der Prozessrisiken wird der 613 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433 S. 11; ebenfalls von einer ausreichenden verhaltenssteuernden Wirkung ausgehend, wenn keine unbegrenzte Organhaftung besteht Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 237 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 193; vgl. auch Bachmann, ZIP 2017, 841, 847; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 58. 614 Im Ergebnis ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 279 f., 316 f., vgl. auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 641; Koch, in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 348.
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mit der Anspruchsdurchsetzung verbundene Erwartungswert bei kleinen Schadenssummen schnell negativ. Ist dagegen stets eine Haftung mit einem substanziellen Betrag gewährleistet, wie es bei der Haftung mit mindestens dem Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstands der Fall ist, wird der ersatzfähige Schaden erst ab einer Mindesthöhe gedeckelt, sodass die Rechtsverfolgungskosten nicht derartig ins Gewicht fallen. cc) Kein Konflikt einer Haftungshöchstsumme mit dem verhaltenssteuernden Zweck der Haftung bei Treuepflichtverletzungen Im Ausgangspunkt kann festgehalten werden, dass ein Vorstandsmitglied stets vorsätzlich gegen die ihm obliegende Treuepflicht verstößt, wenn es unmittelbar eine eigene Bereicherung zu Lasten der Gesellschaft anstrebt. Dass insoweit keine Haftungshöchstsumme eingreifen darf, ergibt sich bereits aus § 276 Abs. 3 BGB.615 Nach dieser Bestimmung darf die Haftung für vorsätzliche Pflichtverletzungen nicht im Voraus erlassen werden. Zu einer Einschränkung der Haftung kann es mithin nur im Bereich der fahrlässigen Treuepflichtverletzungen kommen. Gleichwohl vertritt Fleischer die Auffassung, dass es zu einem „weitgehenden Freibrief“ zur Bereicherung der Organmitglieder „auf Kosten der Gesellschaft“ kommt, wenn eine Haftungshöchstsumme bei Treuepflichtverletzungen die Haftung der Höhe nach begrenzt.616 Warum eine Haftungshöchstsumme aber einen derartigen „Freibrief“ darstellen soll, ist nicht ersichtlich.617 Dies gilt umso mehr, als der Gesellschaft auch bei nicht vorsätzlichen Treuepflichtverletzungen gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglied stets ein – von § 93 AktG unabhängiger und damit auch nicht von der Haftungshöchstsumme tangierter – Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB (GoA) oder ein Anspruch bereicherungsrechtlicher Art zustehen dürfte, mit welchem die Herausgabe eines vom Vorstand erlangten Vorteils gefordert werden kann. Allein deswegen kann eine die Haftung bei Treuepflichtverletzungen beschränkende Haftungshöchstsumme nicht die verhaltenssteuernde Funktion der Vorstandshaftung unterminieren. Selbst wenn der festgesetzte Haftungshöchstbetrag kleiner ist als der Wert des Vorteils, den das seine Treuepflicht verletzende Vorstandsmitglied durch diese erlangt, kann dieser Vorteil über die GoA oder das Bereicherungsrecht abgeschöpft werden. 615 Hierzu
noch ausführlich unter Teil 3 D. II. 7. a). ZIP 2014, 1305, 1315. 617 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 330 f. 616 Fleischer,
156 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Argumentativ lässt sich die hiesige Sichtweise auch damit stützen, dass der Gesetzgeber in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht zwischen Sorgfalts- und Treuepflichtverletzungen differenziert.618 Damit bringt er zum Ausdruck, dass er auch hinsichtlich Treuepflichtverletzungen von einer ausreichenden verhaltenssteuernden Wirkung ausgeht, wenn ein Vorstandsmitglied bei einer Treuepflichtverletzung für mindestens eineinhalb feste Jahresgehälter haftet. Infolgedessen muss eine Haftungshöchstsumme die Haftung wegen Treuepflichtverletzungen des Vorstands nicht aussparen. Die verhaltenssteuernde Wirkung der Vorstandshaftung wird auch dann gewahrt, wenn eine Haftungshöchstsumme Treuepflichtverletzungen erfasst. dd) Fazit zur Vereinbarkeit des verhaltenssteuernden Zwecks mit einer Haftungshöchstsumme Mithin lässt sich festhalten, dass der verhaltenssteuernde Zweck der Organhaftung keine unbegrenzte Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft erfordert. Einer Haftungshöchstsumme, welche die Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht weiter einschränkt, als es von § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt vorgeschrieben ist, steht der verhaltenssteuernde Zweck nicht entgegen. 5. Folgerungen zur Vereinbarkeit einer Haftungshöchstsumme mit § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG Die vorstehende Untersuchung hat ergeben, dass die Gesetzeshistorie des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für ein Verständnis spricht, nach welchem § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht die Pflicht zur vollständigen Kompensation zu entnehmen ist. Die methodische Untersuchung des Zusammenspiels von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG und §§ 249 ff. BGB hat gezeigt, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG keine Verpflichtung zur vollständigen Kompensation enthält. Vielmehr ist § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG aus dem Blickwinkel der juristischen Methodenlehre ein unvollständiger Rechtssatz. Die von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht näher bestimmte Rechtsfolge „Schadensersatz“ wird durch die den Inhalt und den Umfang sowie die Ersatzfähigkeit von Schäden normierenden §§ 249 ff. BGB bestimmt. Deswegen ist die Pflicht zur vollständigen Kompensation in den §§ 249 ff. BGB zu verorten. Ferner konnte belegt werden, dass der Wortlaut diesem Verständnis nicht entgegensteht. Auch wurde aufgezeigt, dass es gesetzessystematisch zu Unstimmigkeiten kommt, wenn man die Anordnung der vollständigen Kompensation in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG verorten will. 618 Vgl.
Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 330.
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Schließlich konnte dargelegt werden, dass der Telos des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG keine vollständige Kompensation des eingetretenen Schadens erfordert und die verhaltenssteuernde Wirkung mit einer Haftungshöchstsumme vereinbar ist, wenn sie die Haftung nicht weiter einschränkt, als es für den Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG vorgesehen ist. Mangels einer Regelung der Pflicht zur vollständigen Kompensation in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ist damit in einer durch Satzungsbestimmung geregelten Haftungshöchstsumme keine Abweichung von dem Regelungsgehalt des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG feststellbar, sofern die Höchstsumme die Haftung des Vorstands nicht weiter einschränkt, als es nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt bei Abschluss einer D&O-Versicherung möglich ist. Die Haftungshöchstsumme betrifft nur die haftungsausfüllenden §§ 249 ff. BGB, da sie lediglich die inhaltliche Ausfüllung der Rechtsfolge „Schadensersatz“ durch die Ergänzungsnormen der §§ 249 ff. BGB dahin abändert, dass an die Stelle der Totalreparation die Haftung bis zu einem bestimmten Höchstbetrag tritt.619 Weil die §§ 249 ff. BGB keine Normen des Aktiengesetzes sind, steht § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG einer Abweichung von den §§ 249 ff. BGB nicht entgegen. Eine gegenteilige Auslegung widerspricht dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, der die Satzungsstrenge auf die Normen des Aktiengesetzes („dieses Gesetzes“) beschränkt. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG mit den Worten „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“ derartig auf die §§ 249 ff. BGB Bezug nimmt, dass deren Regelungsgehalt über § 93 Abs. 2 Satz 1 in das Aktiengesetz inkorporiert wird und daher die Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme eine Abweichung von den §§ 249 ff. BGB begründet, die zugleich eine nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unzulässige Abweichung von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG darstellt. Der Regelungsgehalt der §§ 249 ff. BGB gehört nur insoweit zum geschützten Kernbestand der aktienrechtlichen Normen, wie es die verhaltenssteuernde Funktion der Vorstandshaftung erfordert. Diesbezüglich ist der vom Gesetzgeber mit § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG zum Ausdruck gebrachte Rahmen maßgebend.620 Danach erfordert die verhaltenssteuernde Funktion des § 93 AktG, dass bei einer Pflichtverletzung mindestens für eineinhalb feste Jahresgehälter gehaftet wird. Insoweit ist anzuerkennen, dass weder die Haftungshöchstsumme den gesetzlichen Mindestbetrag des Selbstbehalts unterschreiten darf noch die Ersatzfähigkeit einzelner in den §§ 249 ff. BGB für ersatzfähig erklärter Schadensarten abbedungen werden dürfen. Eine weitergehende Abbedingung würde zwingend mit der in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG vorausgesetzten Min619 Zur
Abdingbarkeit der §§ 249 ff. BGB siehe bereits Teil 3 D. II. (zu Beginn). bereits ausführlich unter Teil 3 D. II. 4. b) bb).
620 Hierzu
158 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
desthaftung und damit zugleich mit dem verhaltenssteuernden Zweck der Vorstandshaftung kollidieren. Die darüber hinausgehende, von den §§ 249 ff. BGB normierte vollständige Kompensation gehört im Gegensatz hierzu gerade nicht zu dem von § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG gegen abweichende Vereinbarungen geschützten Kernbestand aktienrechtlicher Normen. Selbst wenn § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ausdrücklich bestimmen würde, dass „Schadensersatz nach den Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB zu leisten ist“, würden die §§ 249 ff. BGB nicht dem Grundsatz der Satzungsstrenge unterliegen. Folglich stellt eine in der Satzung vorgesehene Haftungshöchstsumme keine Abweichung i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG dar, wenn die Haftungshöchstsumme die Vorstandshaftung nicht weiter einschränkt, als es nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt zulässig ist. Haftungshöchstsummen konkretisieren die von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht näher bestimmte Rechtsfolge – wie erwähnt – lediglich abweichend von den Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB. Sie sind deswegen als ergänzende Bestimmungen i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG zu begreifen. Ob sich eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge verträgt, ist daher anhand der Bestimmung des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG zu beurteilen. 6. Satzungsmäßige Haftungshöchstsumme als zulässige Ergänzung des AktG i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG a) Voraussetzungen einer Ergänzung nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG Die vorstehende Untersuchung621 hat ergeben, dass eine durch Satzungsbestimmung geregelte Haftungshöchstsumme keine Abweichung von § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG darstellt. Vielmehr ergänzt eine Haftungshöchstsumme die Bestimmung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Dies ist jedoch nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG nur zulässig, sofern die zu ergänzende aktienrechtliche Norm keinen abschließenden Charakter besitzt („es sei denn, dass dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält“).622 § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG geht angesichts der Wendung, „es sei denn“, davon aus, dass eine abschließende Bestimmung des Aktiengesetzes den Aus621 Teil
3 D. II. 1. bis Teil 3 D. II. 5. bereits Teil 3 B.
622 Hierzu
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nahmefall bildet.623 Damit ist – wie bereits erläutert – nicht die Unvollständigkeit, sondern der abschließende Charakter einer Norm des Aktiengesetzes begründungsbedürftig.624 Dass § 93 AktG von der Regel des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG keine Ausnahme bildet und nicht abschließend sowie eigenständig alle mit der Vorstandshaftung zusammenhängenden Fragen normiert, hat bereits die vorstehende Untersuchung625 ergeben. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wird hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs des Schadensersatzanspruchs sowie hinsichtlich des ersatzfähigen Schadens von den §§ 249 ff. BGB ergänzt. § 93 AktG ist – wie bereits erörtert – diesbezüglich unvollständig. Da eine Haftungshöchstsumme aus dogmatischer Sicht – wie geschildert626 – ausschließlich bestimmte Regelungen der ergänzenden §§ 249 ff. BGB ersetzt, wird gerade der unvollständige Teil des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG durch eine Satzungsbestimmung ergänzt. Ein abschließender Charakter des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG kann insoweit nicht bestehen. Ebenso wie die §§ 249 ff. BGB die Norm des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs des Schadensersatzanspruchs sowie der Ersatzfähigkeit eines Schadens komplettieren, ist auch in einer durch Satzungsbestimmung geregelten Haftungshöchstsumme eine Komplettierung bzw. Ergänzung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu sehen. § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG steht einer solchen Ergänzung mangels einer abschließenden Regelung offen gegenüber. b) Sind satzungsmäßige Haftungshöchstsummen nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG unzulässig? Man könnte jedoch auf den Gedanken kommen, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG („es sei denn, dass dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält“) abschließend bestimmt, in welchen Fällen auf Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG verzichtet werden darf und daher eine – wie ein Teilverzicht wirkende – satzungsmäßige Haftungshöchstsumme unzulässig ist.627 623 Siehe
dazu die Ausführungen in Teil 3 B. die Nachweise in Fn. 514. 625 Teil 3 D. II. 1. bis Teil 3 D. II. 5. 626 Dazu Teil 3 D. II. 5. 627 Von einer abschließenden Regelung des Verzichts ausdrücklich ausgehend Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168; nicht ausdrücklich, aber ebenfalls in diese Richtung weisend Bauer/Krets, DB 2003, 811, 813; Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 46; Wagner, VersR 2001, 1057, 1062. 624 Siehe
160 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Der Wortlaut des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG besagt: „Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt.“
Eine derartig abschließende und satzungsmäßige Haftungshöchstsummen verbietende Regelung kann allerdings nur in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG normiert sein, wenn die Bestimmung Vereinbarungen über erst zukünftig entstehende Ansprüche erfasst. Denn eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme begrenzt in aller Regel nur diejenigen Ansprüche, die erst nach der Verankerung einer Haftungshöchstsumme in der Satzung entstehen. Solche Ansprüche werden durch die Haftungshöchstsumme von vornherein nur in der durch die Satzungsbestimmung geregelten Höhe begründet.628 Ein Verzicht über einen bereits entstandenen Anspruch ist darin nicht zu sehen. Nur wenn ausnahmsweise zum Zeitpunkt der Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme bereits ein Ersatzanspruch gegenüber dem Vorstand besteht, kann die Wirkung einer Haftungshöchstsumme einem nachträglichen Verzicht entsprechen. Mithin gilt es der Frage nachzugehen, welcher Regelungsgehalt § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG in Bezug auf bereits entstandene und in Bezug auf zukünftig entstehende Ansprüche zukommt. aa) „Abschließende Regelung“ für den Verzicht auf bereits entstandene Vorstandshaftungsansprüche § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG bestimmt abschließend, unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht bzw. ein Vergleich über bereits entstandene Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG möglich ist. Nach einhelliger Auffassung werden von § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG trotz des engeren Wortlauts auch alle Rechtshandlungen erfasst, die tatsächlich wie ein Vergleich oder ein Verzicht wirken.629 Derartige Rechtshandlungen sind mithin hinsichtlich bereits entstandener Ansprüche nur unter den für einen Verzicht oder Vergleich von § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG normierten Bedingungen möglich.630 Grunewald, AG 2013, 813, 816. in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 287; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 309; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 522; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 171. 630 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 45 f.; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 286 f.; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 308 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 76 ff. 628 Vgl.
629 Fleischer,
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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Da die Wirkung einer Haftungshöchstsumme auf zum Zeitpunkt ihrer Verankerung in der Satzung bereits bestehende Ansprüche der eines Teilverzichts gleichkommt, wird man die Begrenzung eines bereits entstandenen Anspruchs aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG durch eine Haftungshöchstsumme nur für zulässig erachten können, wenn die in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG genannten Modalitäten (Ablauf von drei Jahren seit Entstehung des Anspruchs, Zustimmung der Hauptversammlung und kein Widerspruch zur Niederschrift von einer Minderheit die mindestens 10 % des Grundkapitals erreicht) erfüllt sind. Um Unklarheiten und eine etwaige Unwirksamkeit der Haftungshöchstsumme zu vermeiden, sollte in der Satzungsbestimmung geregelt werden, dass von ihr nur solche Ansprüche begrenzt werden, die nach ihrer Verankerung in der Satzung entstehen. Zur Begrenzung bereits entstandener Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG erscheint es ohnehin als praktikabler, einen Vergleich oder einen Verzicht ohne Zuhilfenahme einer Satzungsbestimmung abzuschließen. bb) Auch „abschließende Regelung“ des Vorausverzichts durch § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG (analog)? In der Literatur werden zu der Frage, ob § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auch eine Regelung über den Vorausverzicht enthält, unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Manche sehen in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nur die Modalitäten für einen Verzicht bzw. einen Vergleich über bereits entstandene Ansprüche normiert.631 Konsequenter Weise ergibt sich dann, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG für zukünftig entstehende Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG keine „abschließende Regelung“ über den Verzicht und diesem gleichgestellte Rechtshandlungen enthält.632 Andere Stimmen in der Literatur633 gehen davon aus, dass sich § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auch entnehmen lässt, dass eine haftungsmildernde Vereinbarung über zukünftige Ansprüche ausgeschlossen ist. Eine Begründung für die letztgenannte Sichtweise wird allerdings nur von Bauer, Krets und Uwe H. Schneider geliefert. Ihrer Ansicht nach folgt aus den für einen Verzicht oder einen Vergleich über bereits entstandene Ansprüche normierten Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erst 631 So Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 283 f.; wohl auch Eßwein, Vorstandshaftung, S. 108 f.; vgl. ebenfalls Grunewald, AG 2013, 813, 816. 632 Zumindest Grunewald, AG 2013, 813, 816 scheint hiervon auszugehen; vgl. auch Eßwein, Vorstandshaftung, S. 108 f. 633 Vgl. Bauer/Krets, DB 2003, 811, 813; Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht, S. 500 f.; Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 46; Reese, DStR 1995, 532, 535 f.; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 802 f.; Wagner, VersR 2001, 1057, 1062; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168.
162 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
recht, dass im Voraus vereinbarte Haftungsmilderungen unzulässig sind.634 Die übrigen Stimmen, die von einer abschließenden Regelung auch für zukünftige Ansprüche ausgehen, bleiben eine Begründung für ihre Sichtweise schuldig. Blickt man genauer auf die soeben geschilderte Begründung, wird deutlich, dass auch Bauer, Krets und Uwe H. Schneider davon ausgehen, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nur den Verzicht über bereits entstandene Ansprüche normiert.635 Denn ein Erst-Recht-Schluss ist aus methodischer Sicht nichts anderes als ein Analogieschluss.636 Genau genommen befürworten die Vertreter des Erst-Recht-Schlusses eine Anwendung der den nachträglichen Verzicht regelnden Bestimmung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auch für den nicht geregelten Fall eines Vorausverzichts. Ein solcher Erst-Recht-Schluss setzt aber voraus, dass die Normzwecke des geregelten Falls noch stärker in dem nicht geregelten Fall Geltung beanspruchen.637 Damit lässt sich der Gang der weiteren Untersuchung präzisieren. In einem ersten Schritt ist zu untersuchen, ob sich dem Wortlaut des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG tatsächlich entnehmen lässt, dass durch ihn nur ein Verzicht über bereits entstandene Ansprüche normiert wird und daher in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG keine „abschließende Regelung“ des Vorausverzichts enthalten ist. Sofern dies zu bejahen ist, muss im Anschluss daran der Frage nachgegangen werden, ob die Normzwecke des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG einer Haftungsmilderung im Voraus widerstreiten. Denn nur dann ließe sich möglicherweise im Wege einer Analogie zu § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG folgern, dass auch haftungsmildernde Vereinbarungen über zukünftig entstehende Ansprüche ausgeschlossen sind. (1) Erstreckt sich der Wortlaut des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf den Verzicht auf zukünftig entstehende Ansprüche? Der Wortlaut des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG besagt wie bereits erwähnt: „Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die 634 Bauer/Krets. DB 2003, 811, 813; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 802 f.; wohl auch Reese, DStR 1995, 532, 535 f., „legt den Schluss nahe […], dass erst recht“; vgl. auch Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht, S. 500 f. 635 U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 802 f. führt ausdrücklich an, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nur bereits entstandene Ansprüche betrifft. 636 Siehe dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 897 f.; vgl. auch Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 208, „der Analogie nahe verwandt“. 637 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 208; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 898.
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Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt.“
Mit den Worten „Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs“ beschränkt der Wortlaut § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ausschließlich auf bereits entstandene Ansprüche.638 Nicht nur die Worte „nach der Entstehung“ belegen, dass einzig der Verzicht über entstandene Ansprüche normiert wird. Weiter wird durch die Verwendung des bestimmten Artikels, „des Anspruchs“, bestätigt, dass ein konkreter Anspruch existent sein muss. Ein solcher besteht bei einem Vorausverzicht jedoch nicht. Die Voraussetzung des fehlenden Widerspruchs einer zehnprozentigen Minderheit bringt ebenfalls zum Ausdruck, dass die Norm nur auf bereits entstandene Ansprüche anwendbar ist. Denn die vorgenannte Voraussetzung soll gewährleisten, dass eine Minderheit ein Klageerzwingungsverfahren nach § 148 AktG einleiten kann.639 Ein solches Klageerzwingungsverfahren setzt aber einen bereits entstandenen Anspruch voraus. Mithin trifft es zu, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ausdrücklich nur den Verzicht auf bereits entstandene Ansprüche normiert. Eine unmittelbare Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf eine Vereinbarung über die Milderung erst zukünftig entstehender Ansprüche kommt daher nicht in Frage. Denjenigen,640 die ohne Begründung behaupten, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG (unmittelbar) eine „abschließende Regelung“ auch für den Vorausverzicht zu entnehmen ist, kann nicht gefolgt werden. Die Unzulässigkeit solcher Satzungsbestimmungen könnte sich allenfalls bei analoger Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf Satzungsgestaltungen über die Haftungshöhe von zukünftig entstehenden Ansprüchen – etwa im Zuge eines Erst-Recht-Schlusses – ergeben.
638 Vgl. Grunewald, AG 2013, 813, 816; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 802; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 284. 639 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 280; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 315; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 514; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 78; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 161; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 286. 640 Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 46; Wagner, VersR 2001, 1057, 1062; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168.
164 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
(2) Analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf Haftungshöchstsummen für zukünftige Ansprüche? Man könnte – wie soeben angedeutet – allenfalls daran denken, § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG analog641 auf Vereinbarungen über die Haftungshöhe von zukünftigen Ansprüchen aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG anzuwenden, um den daraus zu entnehmenden Wertungen auch hinsichtlich eines Vorausverzichts Geltung zu verschaffen. Nicht nur der von Bauer, Krets und Uwe H. Schneider befürwortete Erst-Recht-Schluss, sondern auch ein BGH-Urteil neueren Datums642 weisen in diese Richtung. In dem Urteil befasst sich der BGH mit der Frage, ob der Aufsichtsrat allein die Übernahme einer womöglich in der Zukunft gegenüber dem Vorstand verhängten Geldbuße durch die Gesellschaft beschließen kann, auch wenn das die Geldbuße begründende Verhalten des Vorstands gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig war.643 Der BGH beantwortet diese Frage wie folgt: „Die Gesellschaft kann die Bezahlung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage, die gegen ein Vorstandsmitglied verhängt wurde, nicht in jedem Fall allein auf Grund eines Beschlusses des Aufsichtsrats übernehmen. Wenn die von dem Vorstandsmitglied begangene Straftat gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft ist, muss entsprechend § 93 IV 3 AktG die Hauptversammlung einer Übernahme der Sanktion durch die Gesellschaft zustimmen.“644
Das Erfordernis der Hauptversammlungszustimmung begründet der BGH mit einer (teil-)analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Nicht entnehmen lässt sich dem Urteil, ob auch die übrigen Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG analog herangezogen werden sollen, oder ob der BGH nur eine Teilanalogie zur Begründung der Hauptversammlungszuständigkeit befürwortet.645 Die nachfolgende Untersuchung der Normzwecke des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG geht der Frage nach, inwieweit diese auch bei einem Verzicht auf erst 641 Vgl. Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 108, die eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf im Anstellungsvertrag geregelte Haftungshöchstsummen bejahen; eine Teilanalogie zu § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG unter Aussparung der 3-JahresFrist bei der Übernahme von womöglich in der Zukunft gegenüber dem Vorstand verhängten Geldbußen befürwortend, Mohamed, CCZ 2015, 111, 119; ähnlich Schmidt-Bendun, DB 2014, 2756 f.; wohl ebenfalls für eine analoge Anwendung Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 372 ff. 642 BGH, Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), NZG 2014, 1058 ff. 643 Zum Sachverhalt siehe BGH, Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), NZG 2014, 1058. 644 BGH, Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), NZG 2014, 1058, 1059 Tz. 11. 645 Eine Teilanalogie zu § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG unter Aussparung der 3-JahresFrist bei der Übernahme von womöglich in der Zukunft gegenüber dem Vorstand verhängten Geldbußen befürwortend, Mohamed, CCZ 2015, 111, 119.
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zukünftig entstehende Ansprüche Geltung beanspruchen. Wie erörtert setzt eine analoge Anwendung neben einer Regelungslücke voraus, dass der Sinn und Zweck des geregelten Sachverhalts derartig auf den nicht normierten Sachverhalt zutrifft, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber diesen ebenso geregelt hätte.646 (a) Vereinbarkeit mit dem Normzweck des Zustimmungserfordernisses Gemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG muss die Hauptversammlung einem Vergleich bzw. einem Verzicht zustimmen. Der Zweck dieser Bedingung wird nach allgemeiner Ansicht in der Vermeidung einer gegenseitigen Enthaftung von Vorstand und Aufsichtsrat gesehen.647 Eine gegenseitige Enthaftung droht, wenn der Aufsichtsrat mit dem Vorstand ohne Beteiligung der Hauptversammlung einen Verzicht oder einen Vergleich über einen Ersatzanspruch aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wirksam abschließen könnte. Dieser Normzweck wird durch die Aufnahme einer Haftungshöchstsumme in die Satzung nicht tangiert. Durch die Einführung einer Haftungshöchstsumme wird keine gegenseitige Enthaftungsmöglichkeit für den Vorstand und den Aufsichtsrat geschaffen. Allein die Hauptversammlung entscheidet über die Einführung einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme. Damit ist ein Konflikt des Normzwecks mit einer solchen Satzungsgestaltung ausgeschlossen. Es droht keine gegenseitige Enthaftung von Vorstand und Aufsichtsrat. Satzungsänderungen erfordern sogar nach § 179 Abs. 2 AktG ein höheres Zustimmungsquorum (drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals) als es nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG durch das Quorum der einfachen Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG) für den nachträglichen Anspruchsverzicht bzw. Vergleich vorgeschrieben ist.648 Mithin ist eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme mit dem Normzweck des Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung auch ohne analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG vereinbar. Selbst wenn man also eine entsprechende Anwendung des mit dem ZustimmungserforderRüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889. ZIP 2015, 149, 150; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 278; Habersack, in: FS Baums, S. 531; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 306; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 506; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 161; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 285; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 252; Zimmermann, in: FS Duden, S. 773, 774. 648 Vgl. auch Grunewald, AG 2013, 813, 816; zum Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit Bürgers, in: Bürgers/Körber, § 93 Rn. 38; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 279; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 77; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 252. 646 Vgl.
647 Bayer/Scholz,
166 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
nis verfolgten Rechtsgedankens befürworten sollte, ließe sich daraus nicht auf eine Unzulässigkeit der nur zukünftige Ansprüche erfassenden Haftungshöchstsumme schließen. Eine solche Haftungshöchstsumme begründet nicht die Gefahr einer gegenseitigen Enthaftung von Vorstand und Aufsichtsrat. Sie dient vielmehr der Vermeidung von übertrieben risikoaversem Verhalten, zu welchem der Vorstand – wie erläutert649 – verleitet werden kann, wenn ihm eine zu strenge Haftung droht. (b) V ereinbarkeit mit dem Normzweck des Vetorechts einer zehnprozentigen Minderheit Als weitere Bedingung für einen wirksamen Verzicht normiert § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG, dass kein Widerspruch von einer Minderheit erklärt wurde, die zehn Prozent des Grundkapitals erreicht. Diese Bestimmung bezweckt, die Möglichkeit einer Klageerzwingung nach § 148 AktG durch eine Aktionärsminderheit abzusichern.650 Gemäß § 148 AktG kann eine qualifizierte Aktionärsminderheit einen Ersatzanspruch gegen ein Vorstandsmitglied zwangsweise durchsetzen, auch wenn der an sich dafür zuständige Aufsichtsrat untätig bleibt. Allerdings ist das Klageerzwingungsverfahren auf schwerwiegende Fälle beschränkt (Verdacht von unredlichem Verhalten des Vorstands oder einer groben Gesetzes- bzw. Satzungsverletzung), in welchen davon auszugehen ist, dass die Nichtverfolgung des Anspruchs durch den Aufsichtsrat aus sachfremden Erwägungen erfolgt.651 Nachdem durch das KonTraG und das UMAG das erforderliche Quorum für das Klageerzwingungsverfahren von ursprünglich zehn Prozent des Grundkapitals auf nun den hundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 € herabgesetzt wurde, ohne auch § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG dahin anzupassen, stellt der Widerspruch von zehn Prozent des Grundkapitals in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG einen Fremdkörper in diesem System dar.652 Man wird diesem Erfordernis aber gleichwohl noch immer den Normzweck entnehmen können, dass die Durchführung des Klageerzwingungsverfahrens bei einem Widerspruch von mindestens zehn Prozent des Grundkapitals nicht ver649 Hierzu
bereits Teil 2 A. II. 1. ZHR 176 (2012), 617, 645; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 280; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 315; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 514; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 78; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 161; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 286, 372. 651 Schröer, in: MüKo-AktG, § 148 Rn. 30. 652 So auch Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 253; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 645 spricht von einer Relativierung des Normzwecks; vgl. auch Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 46. 650 Casper,
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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eitelt werden soll.653 Der Schutzzweck des Klageerzwingungsverfahrens wird damit in die Norm des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG inkorporiert. Deswegen muss auch untersucht werden, ob sich eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme mit dem Schutzzweck des Klageerzwingungsverfahrens verträgt. Das Klageerzwingungsverfahren bezweckt, die Durchsetzung von Ersatzansprüchen zu erleichtern.654 Dahinter steht der Gedanke, dass dem Vorstand eine Inanspruchnahme bei schweren Verfehlungen nicht nur theoretisch drohen soll, sodass die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftungsandrohung ihren Zweck erfüllen kann.655 Eine Verschärfung der Vorstandshaftung wird allerdings nicht mit dem Klageerzwingungsverfahren bezweckt.656 Auf den ersten Blick ließe sich daran denken, dass durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme in der Zukunft mögliche Klageerzwingungsverfahren einschränkt werden. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Begrenzung zukünftig entstehender Ansprüche durch eine Haftungshöchstsumme kein Hemmnis für die Einleitung eines Klageerzwingungsverfahrens darstellt. (aa) H aftungshöchstsummen, die nur bei Pflichtverletzungen unterhalb der Schwelle grober Fahrlässigkeit eingreifen Für satzungsmäßige Haftungshöchstsummen, die nur unterhalb der Schwelle grob fahrlässiger Pflichtverletzungen zum Tragen kommen, ergibt sich dies schon aus der Tatsache, dass die Einleitung des Klageerzwingungsverfahrens – wie bereits erwähnt – bei leichtesten Pflichtverletzungen des Vorstands ausscheidet. Denn § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG beschränkt das Klageerzwingungsverfahren auf Situationen, in welchen der Verdacht einer Unredlichkeit oder einer groben Pflichtverletzung besteht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen davon neben evidenten bzw. besonders schweren und nicht mehr hinnehmbaren Sorgfaltspflichtverletzungen auch „ins Kriminelle reichende Treuepflichtverstöße“ erfasst werden, deren „Nichtverfolgung unerträglich wäre und das Vertrauen in die gute Führung und Kontrolle der deutschen Unternehmen und damit in den deutschen Finanzplatz erschüttern würde“.657 Eine leichte Pflichtverletzung reicht nicht aus, um das Klageerzwingungsver653 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 286; vgl. Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 280; Habersack, in: FS Baums, S. 531, 532; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 315; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 78. 654 Koch, in: Hüffer/Koch, § 148 Rn. 1; Schröer, in: MüKo-AktG, § 148 Rn. 2. 655 Vgl. RegE. UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 20. 656 Ebenso Schröer, in: MüKo-AktG, § 148 Rn. 2. 657 Vgl. Regierungsbegründung des UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 22.
168 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
fahren einzuleiten – auch dann nicht, wenn sie zweifelsfrei erwiesen ist.658 Für dessen Einleitung muss sich die Minderheit in der Regel auf eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung berufen.659 Allenfalls wenn man auch unterhalb der Schwelle grober Fahrlässigkeit in ganz seltenen Ausnahmefällen eine grobe Pflichtverletzung i. S. des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG bzw. eine Unredlichkeit bejahen möchte,660 erscheint es als denkbar, dass eine nur leicht fahrlässige Pflichtverletzungen erfassende Haftungshöchstsumme eine im Klageerzwingungsverfahren durchsetzbare Forderung tangiert. Dies ist jedoch nur möglich, wenn man die Gröblichkeit der Pflichtverletzung i. S. des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG allein an objektiven Kriterien bestimmt und daher die subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit außer Betracht lässt.661 Folgt man aber denjenigen, die für eine grobe Pflichtverletzung i. S. des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG mehr als nur mittlere Fahrlässigkeit fordern,662 ist jede Beeinträchtigung des Klageerzwingungsverfahrens durch eine solche Satzungsbestimmung von Anfang an ausgeschlossen. Dass auch bei einer möglichen Durchsetzung eines Ersatzanspruchs im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens kein Konflikt zwischen einer Haftungshöchstsumme und dem Schutzzweck des Klageerzwingungsverfahrens bzw. des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG gegeben ist, wenn der ersatzfähige Schaden im Voraus durch eine Haftungshöchstsumme begrenzt wird, belegen die nachfolgenden Ausführungen. (bb) H aftungshöchstsummen für leicht und grob fahrlässige Pflichtverletzungen Auch Haftungshöchstsummen, die den ersatzfähigen Schaden sowohl bei leicht als auch bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen begrenzen, stehen nicht im Konflikt mit dem Schutzzweck des Klageerzwingungsverfahrens oder des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Wie erläutert bezweckt das Klageerzwingungsverfahren eine erleichterte Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern. Damit soll gewährleistet werden, dass eine Haftung des Vorstands auch tatsächlich stattfindet und der verhaltenssteuernde Effekt der Haftungsandrohung Wirkung entfaltet. Folglich darf die erleich658 Regierungsbegründung
des UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 22. Schröer, in: MüKo-AktG, § 148 Rn. 35. 660 Dafür wohl Rieckers/Vetter, in: KK-AktG, § 148 Rn. 320. 661 So wohl Rieckers/Vetter, in: KK-AktG, § 148 Rn. 320; zu den subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit siehe bereits Teil 2 A. III. 662 So G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: Großkomm AktG, § 148 Rn. 136; Schröer, ZIP 2005, 2081, 2085; Thümmel, DB 2004, 471, 473 f.; wohl auch Happ, in: FS Westermann, S. 971, 989; Mock, in: Spindler/Stilz, § 148, Rn. 77. 659 Vgl.
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terte Durchsetzung der Ersatzansprüche nicht behindert werden. Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme beeinträchtigt diesen Regelungszweck nicht. Ansprüche, die aufgrund einer Haftungshöchstsumme von vornherein nicht in der von den §§ 249 ff. BGB vorgesehenen Höhe entstehen, können genauso im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens geltend gemacht werden wie Ansprüche, deren Höhe ausschließlich nach den §§ 249 ff. BGB bestimmt wird.663 Der einzige Unterschied liegt darin, dass sich die Höhe der im Klageerzwingungsverfahren verfolgbaren Ansprüche unterscheidet. Dies würde aber dem Schutzzweck des Klageerzwingungsverfahrens bzw. dem des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nur widerstreiten, wenn entweder § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG oder das Klageerzwingungsverfahren den Schutz des Gesellschaftsvermögens bezwecken würden. Teilweise wird – ohne nähere Begründung – behauptet, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG eine das Gesellschaftsvermögen schützende Funktion zukommt.664 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.665 § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG verhindert allenfalls eine Ausbeutung des Gesellschaftsvermögens durch den Vorstand und den Aufsichtsrat, indem den Aktionären eine Möglichkeit zur Eintreibung von Ersatzansprüchen eingeräumt wird.666 Die davon ausgehende mittelbare Schutzwirkung für das Gesellschaftsvermögen erweist sich jedoch allein als Rechtsreflex.667 Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG kein Verzichtsverbot vorsieht, sondern einen Verzicht nur von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht.668 Denn die ausdrückliche Gestattung eines Verzichts zeigt, dass eine vollständige Kompensation durch das seine Pflichten verletzende Vorstandsmitglied gerade nicht zwingend ist und eine dauerhafte Schmälerung des Gesellschaftsvermögens akzeptiert wird. Zum anderen wird dies durch die bereits erläuterte Einschränkung der Aktionärsklage auf durch unredliches Verhalten oder durch grobe Pflichtverletzungen begründete Ersatzansprüche (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) zum Ausdruck gebracht. Denn auch wenn ein Verzicht über einen bereits entstandenen Anspruch nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zur Vermeidung der Vereitelung des Klageerzwingungsverfahrens unwirksam ist, wenn eine zehnprozentige Minderheit dagegen Widerspruch einlegt, ist bei durch leichte Pflichtverletzungen begründeten Haftungsfällen Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 286. in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 276; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 306; Schmidt/Bendun, DB 2014, 2756; U. H. Schneider, in: FS Werner, 795, 808. 665 Vgl. auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 283 f. 666 Vgl. Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151. 667 So auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150. 668 Ebenso Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 284. 663 Vgl.
664 Fleischer,
170 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
eine Wiederauffüllung des Gesellschaftsvermögens durch Verfolgung des Ersatzanspruchs im Klageerzwingungsverfahren durch eine Aktionärsminderheit ausgeschlossen. Bleibt der Aufsichtsrat untätig und beschließt die Hauptversammlung nicht mit einfacher Stimmenmehrheit den, Anspruch geltend zu machen (§ 147 AktG), kommt es wie bei einem Verzicht zu einer dauerhaften Minderung des Gesellschaftsvermögens, welche vom Gesetzgeber offensichtlich hingenommen wird. Ein besonderer Schutz des Gesellschaftsvermögens wird vor diesem Hintergrund von § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG und dem Klageerzwingungsverfahren nicht bezweckt.669 Mit dem Klageerzwingungsverfahren wird vielmehr durch die erleichterte Durchsetzung von Ersatzansprüchen die Verhaltenssteuerung der Haftungsandrohung in den Vordergrund gerückt. Letzteres verkennt Scholz, wenn er einwendet, dass der Aktionärsminderheit durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme das letzte Wort über einen Anspruchsverzicht entzogen werde.670 Der Einwand hätte nur Relevanz, wenn den Minderheitsaktionären das Klageerzwingungsverfahren zum Schutz des Gesellschaftsvermögens an die Hand gegeben worden wäre. Dies ist aber – wie erläutert – gerade nicht der Fall. Die verhaltenssteuernde Wirkung der Vorstandshaftung wird auch bei einer auf eineinhalb Jahresgehälter beschränkten Haftung gewährleistet. Dies hat der Gesetzgeber im Zuge der Normierung des Selbstbehalts in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG eindeutig zum Ausdruck gebracht.671 Dementsprechend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schutzzweck des Klageerzwingungsverfahrens oder des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG beeinträchtigt wird, wenn die Haftungshöchstsumme den ersatzfähigen Schaden in den Grenzen des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG deckelt. Dies gilt umso mehr, wenn die Haftungshöchstsumme dahin ausgestaltet wird, dass auch bei ihrem Eingreifen stets in nicht ganz geringer Höhe gehaftet wird, wie es etwa bei einer Begrenzung der Haftung auf das Eineinhalbfache der jährlichen Vergütung des Vorstands der Fall ist.672 Damit wird gewährleistet, dass eine Haftungshöchstsumme den ersatzfähigen Schaden nicht derartig einschränkt, dass nur noch eine sehr geringe Schadenssumme übrig bleibt, die nach dem Willen des Gesetzgebers aus überwiegenden Gründen des Gesellschaftswohls i. S. des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG nicht mit dem Klageerzwingungsverfahren durchgesetzt werden soll.673 669 Vgl. auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 283 f. 670 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 372 f. 671 Hierzu bereits ausführlich in Teil 3 D. II. 4. b) bb). 672 Für ein Formulierungsbeispiel siehe noch Teil 3 E. VI. 673 Vgl. Regierungsbegründung des UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 22; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 287.
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Man wird auch nicht einwenden können, dass mit der Deckelung des ersatzfähigen Schadens das Klageerzwingungsverfahren für die betreibenden Aktionäre weniger attraktiv wird.674 De lege lata bestehen keine unmittelbaren finanziellen Anreize zur Durchführung eines Klageerzwingungsverfahrens, welche die klagenden Aktionäre am erstrittenen Schadensersatz teilhaben lassen.675 Die Aktionäre können allenfalls mit der Durchsetzung eines uneingeschränkten Anspruchs das Gesellschaftsvermögen und damit den Wert ihrer Aktien etwas weitergehend mehren, als dies bei der Durchsetzung eines gedeckelten Anspruchs der Fall ist. Da aber – wie erläutert – in Aktien gesellschaften bei Pflichtverletzungen des Vorstands typischerweise hohe Schäden entstehen, zu deren Begleichung das Vermögen der Vorstandsmitglieder kaum je ausreicht,676 wird sich die Wertsteigerung der Aktien in der Praxis so gut wie nie bemerkbar machen. Dies wird neben der rationalen Apathie auch der Grund dafür sein, dass seit der Einführung dieses Verfahrens im Jahr 2005 trotz der bisher vollumfänglichen Haftung nur eine einzige gerichtliche Entscheidung über den Antrag zur Einleitung eines Klageerzwingungsverfahrens dokumentiert wurde.677 Nach alledem wird das Klageerzwingungsverfahren durch eine Haftungshöchstsumme weder gehemmt noch vereitelt, wenn sie nur zukünftig entstehende Ansprüche betrifft. Weil die Einführung einer Haftungshöchstsumme mithin weder dem Normzweck des Klageerzwingungsverfahrens, noch dem des Vetorechts einer zehnprozentigen Minderheit widerstreitet, erscheint eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG insoweit nicht geboten. (c) Vereinbarkeit mit dem Normzweck der 3-Jahres-Frist Gemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG kann sich der Vorstand mit der Gesellschaft erst 3 Jahre nach der Entstehung eines Anspruchs im Wege eines Verzichts oder Vergleichs wirksam einigen. Nach allgemeiner Ansicht ist diese Regelung von dem Gedanken getragen, dass nicht schon zu einem Zeitpunkt, in welchem das wahre Schadensausmaß noch nicht ersichtlich ist, ein übereilter Vergleich bzw. Verzicht abgeschlossen werden soll.678 Der im Ergebnis ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 286 f. Existenzvernichtende Haftung, S. 286 f. 676 Hierzu bereits Teil 1 A. 677 Mock, in: Spindler/Stilz, § 148 Rn. 24. 678 Begr. RegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 123; Bayer/ Scholz, ZIP 2015, 149, 150; Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 153; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 645; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 77; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 164; Mohamed, CCZ 2015, 111, 119; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 288; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 251; Zimmermann, in: FS Duden, S. 773, 774. 674 Wohl
675 Scholz,
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Hauptversammlung soll die Gelegenheit gewährt werden, ihre gegenüber dem Vorstand bestehende strukturelle Informationsunterlegenheit während dem Lauf der 3-Jahres-Frist auszugleichen.679 Diese mit der 3-Jahres-Frist verfolgte Wertung wird durch eine nur zukünftige Ansprüche betreffende Haftungshöchstsumme nicht tangiert.680 Bei der Entscheidung über die Einführung einer solchen Satzungsgestaltung gibt es kein strukturelles Informationsdefizit der Hauptversammlung gegenüber dem Vorstand, welchem die 3-Jahres-Frist Rechnung tragen könnte. Die Hauptversammlung entscheidet nicht über einen konkreten Anspruch dessen tatsächlichen Umfang sie aufgrund ihrer Informationsunterlegenheit nicht richtig abschätzen kann. Sie entscheidet stattdessen über eine generelle Deckelung des ersatzfähigen Schadens bei (leicht)681 fahrlässigen Pflichtverletzungen. Ein rationaler Aktionär geht bei der Entscheidung über die Einführung einer solchen Haftungshöchstsumme vom Schlimmsten aus und akzeptiert ihre Wirkung im Worst Case Szenario. Mithin handelt es sich bei der Entscheidung über die Einführung einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme um eine vollkommen andere Situation als bei der Entscheidung über den Verzicht auf einen konkreten Anspruch. Soll etwa auf einen konkreten Anspruch wegen einer vorsätzlichen Pflichtverletzung verzichtet werden, ergibt es durchaus Sinn, die Aktionäre mit allen verfügbaren Informationen zu versorgen, damit sie sachgerecht entscheiden können, ob in diesem Fall verzichtet werden soll. Bei einer Entscheidung über eine generelle Einführung einer Haftungshöchstsumme für fahrlässig verursachte Schäden, haben die Aktionäre alle erforderlichen Informationen, die sie zur Beurteilung benötigen. Dies verkennt Scholz, wenn er aus der – auch nach seiner Auffassung nur682 – den nachträglichen Verzicht regelnden Bestimmung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG automatisch schließen will, dass der Regelungszweck der Sperrfrist ebenso für satzungsmäßige Haftungshöchstsummen maßgeblich sein muss, die nur zukünftig entstehende Ansprüche betreffen.683 Ein Gläubiger kann nach unserer Rechtsordnung trotz der stets bestehenden Möglichkeit des unüberlegten Handelns im Grundsatz auf erst in der Zukunft entstehende Ansprüche verzichten.684 auch Harbarth, in: Liber amicorum M. Winter, S. 215, 227. auch Grunewald, AG 2013, 813, 816. 681 Zur Frage, ob eine Begrenzung des ersatzfähigen Schadens auch bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen zulässig ist, siehe noch Teil 3 D. II. 7. b). 682 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 283 f. 683 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 372. 684 Zur grundsätzlich bestehenden Möglichkeit eines Vorausverzichts Schlüter, in: MüKo-BGB, § 397 Rn. 7 m.w.N. 679 So
680 Wohl
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Gegen all dies lässt sich auch nicht einwenden, dass erst recht von einer Unzulässigkeit des Vorausverzichts auszugehen ist, weil die geltende Rechtsordnung der Freiheit der Rechtsinhaber, ex ante über ein noch nicht bestehendes Recht zu disponieren, teilweise engere Grenzen setzt, als für die Freiheit über bereits entstandene Ansprüche zu disponieren (vgl. etwa § 311 b Abs. 2 BGB, § 1229 BGB, § 276 Abs. 3 BGB, § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB).685 Es verfängt nicht, aus diesen verstreuten Rechtsnormen einen allgemeinen Grundsatz dahin herzuleiten, dass die Freiheit zur Disposition über einen künftig entstehenden Anspruch stets mindestens ebenso eingeschränkt sein muss wie die Freiheit zur Disposition über einen bereits entstandenen Anspruch. Auch die Wertung der in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG normierten 3-JahresFrist rechtfertigt keine Analogie dahin, dass ein Vorausverzicht ausscheidet. Selbst wenn der Übereilungsschutz bei einem Vorausverzicht von manchen als wünschenswert bezeichnet werden sollte,686 bleibt es dabei, dass bei einem Vorausverzicht kein strukturelles Informationsdefizit zwischen den Aktionären und der Gesellschaft bzw. dem Vorstand besteht, welchem die 3-Jahres-Frist Rechnung tragen soll. Deswegen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Normzweck des geregelten Falls ebenso oder gar noch zwingender im gesetzlich nicht geregelten Fall Geltung beansprucht.687 Unterstützend ist hinzuzufügen, dass die Bestimmung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG insbesondere aufgrund ihrer 3-Jahres-Frist nahezu allgemein aus rechtspolitischer Sicht kritisiert wird.688 Auch angesichts dieser Kritik erscheint eine extensive Anwendung des Regelungsgehalts als problematisch.689 Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312. Ausschluss eines Vorausverzichts auf Haftungsansprüche wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzungen im GmbH-Recht für erwägenswert haltend, im Ergebnis jedoch ablehnend Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312; eine Gefahr für zu managementfreundliche und nicht im Gesellschaftsinteresse liegende Haftungsregeln durch desinformiert beschließende und rational apathische Aktionäre sehen, Fuchs/Zimmermann, JZ 2014, 838, 844. 687 Zu den Voraussetzungen eines Erst-Recht-Schlusses bereits Teil 3 D. II. 6. b) bb). 688 Der 70. Deutsche Juristentag 2014 in Hannover hat sich mit 58 Ja-Stimmen, 19 Enthaltungen und 9 Gegenstimmen für den ersatzlosen Entfall der 3-Jahres-Frist des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ausgesprochen, siehe AG 2014, R302; vgl. auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 645; Fleischer, WM 2005, 909, 918 f.; Grunewald, AG 2013, 813, 816; Habersack, in: FS Baums, S. 531, 544 f.; Harbarth, in: Liber amicorum M. Winter, S. 215, 227 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 505; ders. ZIP 2013, 1793, 1802 f.; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 307, 311; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 93 Rn. 77; Krieger, in: HdB Managerhaftung, § 3 Rn. 46; Krieger/SailerCoceani, in: K. Schmidt/Lutter, § 93 Rn. 65; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 164; Reichert, AG 2016, 677, 683 f. 689 So auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 645; Grunewald, AG 2013, 813, 816. 685 Ebenso 686 Den
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Im Ergebnis kann eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf eine durch Satzungsgestaltung geregelte Haftungshöchstsumme, welche nur zukünftig entstehende Ansprüche erfasst, nicht befürwortet werden.690 Es bewendet bisher dabei, dass einer solchen satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme keine Einwände gegenüberstehen. Bis dato kommt sie als zulässige Ergänzung i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG in Betracht. (d) K ein entgegenstehender gläubigerschützender Zweck des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG Zum Teil wird – ohne nähere Begründung – behauptet, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ein gläubigerschützender Zweck zukommt.691 Dies überzeugt jedoch nicht. Der Gläubigerschutz wird ausschließlich692 über den noch zu behandelnden § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG gewährleistet. Diese Norm bestimmt, dass die Ersatzpflicht gegenüber den Gläubigern nicht durch einen Verzicht der Gesellschaft aufgehoben wird. Dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG kein gläubigerschützender Zweck zu entnehmen ist, lässt sich auch daraus schließen, dass nach allgemeiner Ansicht693 die Aktionäre bei der Entscheidung über einen Verzicht nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG keine Rücksicht auf die Gläubigerinteressen zu nehmen haben.694 Mithin kann festgehalten werden, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG keine gläubigerschützende Funktion zukommt, die in entsprechender Anwendung Haftungshöchstsummen für zukünftige Ansprüche entgegenstehen könnte. cc) Fazit zur Vereinbarkeit des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG mit in der Satzung geregelten Haftungshöchstsummen Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, dass § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nur die Modalitäten eines Verzichts auf bereits entstandene Ansprüche abschließend bestimmt. Eine davon abweichende Satzungsgestaltung scheitert an der i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG abschließenden Regelung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Grunewald, AG 2013, 813, 816. in: Bürgers/Körber, § 93 Rn. 36; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 77; U. H. Schneider, in: FS Werner, 795, 808. 692 Ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 284; wohl auch Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 300 f. 693 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 284; vgl. auch Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 252; Habersack, in: FS Baums, S. 531, 542 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 78; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 163. 694 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 284. 690 Ebenso
691 Bürgers,
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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Der Vorausverzicht auf zukünftig entstehende Ansprüche wird nicht von § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG geregelt. Diesbezüglich enthält § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG keine „abschließende Regelung“ i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG. Einer das Aktiengesetz hinsichtlich des Vorausverzichts ergänzenden Satzungsbestimmung, welche den ersatzfähigen Schaden von zukünftig entstehenden Ansprüchen aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begrenzt, steht § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nicht unmittelbar entgegen. Die mit dem § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG verfolgten Wertungen sind ferner mit einer ausschließlich zukünftige Ansprüche betreffenden satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme vereinbar. Die mit § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG verfolgten Schutzzwecke können daher weder ein Bedürfnis für eine analoge Anwendung einzelner noch ein Bedürfnis für eine analoge Anwendung aller Modalitäten des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf im Voraus wirkende satzungsmäßige Haftungshöchstsummen begründen. c) Generelle Unzulässigkeit von Haftungshöchstsummen nach § 93 Abs. 5 AktG? Es bleibt die Frage, ob sich § 93 Abs. 5 AktG ein Verbot von satzungsmäßigen Haftungshöchstsummen entnehmen lässt. § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG bestimmt, dass der Anspruch der Gesellschaft gegenüber einem Vorstandsmitglied auch von Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden kann. Hierfür ist es erforderlich, dass die Gläubiger bei der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen konnten. Ferner dürfen die Gesellschaftsgläubiger nach § 93 Abs. 5 Satz 2 AktG nur solche Ansprüche geltend machen, die entweder durch eine gröbliche Pflichtverletzung des Vorstands begründet wurden oder aber auf § 93 Abs. 3 AktG beruhen. Überdies bestimmt § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG, dass die Ersatzpflicht des Vorstands gegenüber den Gläubigern weder durch einen Vergleich noch durch einen Verzicht der Gesellschaft aufgehoben wird. § 93 Abs. 5 AktG verfolgt damit den Zweck, eine erleichterte Gläubigerbefriedigung zu ermöglichen.695 Die Gesellschaftsgläubiger müssen aufgrund dieser Bestimmung nicht den Umweg der Pfändung und Überweisung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen das schadensersatzpflichtige Vorstandsmitglied nach §§ 829, 835 ZPO gehen. Zum Teil wird angenommen, dass § 93 Abs. 5 AktG den Gesellschaftsgläubigern das Recht einräumt, den Anspruch der Gesellschaft unter den dort normierten Voraussetzungen als Prozessstandschafter geltend zu ma695 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 293; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 322; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 547; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 80; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 267.
176 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
chen.696 Nach der überwiegenden Auffassung handelt es sich bei § 93 Abs. 5 AktG aber um einen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch der Gesellschaftsgläubiger.697 Im hiesigen Kontext kann dieser Streit offenbleiben. Denn unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, lässt sich § 93 Abs. 5 AktG nicht entnehmen, dass Haftungshöchstsummen generell unzulässig sind. Vielmehr ordnet § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG lediglich an, dass ein Anspruchsverzicht der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand keine Wirkung den Gesellschaftsgläubigern gegenüber entfaltet, wenn die Gesellschaftsgläubiger den Anspruch – sei es als eigenen oder als solchen der Gesellschaft – nach § 93 Abs. 5 Satz 1, 2 AktG geltend machen.698 Da eine Haftungshöchstsumme – wie bereits erläutert699 – wie ein (Teil-)Verzicht wirkt, hat sie aufgrund von § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG nur im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Vorstand Relevanz und dies auch nur, solange die Gesellschaftsgläubiger nicht nach § 93 Abs. 5 Satz 1, 2 AktG vorgehen. Die Gläubiger können mithin trotz Existenz einer Haftungshöchstsumme die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand in voller Höhe geltend machen, wenn sie bei einer gröblichen Pflichtverletzung des Vorstands oder einem Anspruch nach § 93 Abs. 3 AktG keine Befriedigung bei der Gesellschaft erlangen konnten (§ 93 Abs. 5 Satz 1, 2 AktG). Ihre von § 93 Abs. 5 AktG normierten Rechte werden durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme nicht tangiert.700 d) Keine Unvereinbarkeit des hiesigen Ansatzes mit §§ 311, 317 f. AktG Zwar ließe sich infolge des hiesigen Untersuchungsergebnisses auf den ersten Blick daran denken, dass die Argumentationsweise auch auf die Haftung bei faktischer Abhängigkeit i. S. der §§ 311, 317 f. AktG übertragbar sein müsste und daher die Nachteilsausgleichspflicht im faktischen Konzern durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme unterlaufen zu werden droht. Denn im Ausgangspunkt könnte man auch insoweit davon ausgehen, dass die §§ 317, 318 AktG den Inhalt und den Umfang des Schadensersatzes nicht eigenständig regeln, sondern diesbezüglich auf die §§ 249 ff. BGB verwiesen wird, die dem Grundsatz der Satzungsstrenge i. S. des § 23 Abs. 5 696 OLG Frankfurt, Urt. v. 21.10.1976 (1 U 19/76), WM 1977, 59, 62; Habscheid, in: FS Weber, S. 197, 200 ff. 697 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 294; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 322; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 549 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 180; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 267. 698 Vgl. auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 291. 699 Siehe dazu Teil 3 D. II. 6. b) aa). 700 Ebenso Grunewald, AG 2013, 813, 817.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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Satz 1 AktG nicht unterliegen. Jedoch zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme in Bezug auf die §§ 311, 317 f. AktG unzulässig ist und somit keine Unterwanderung der Haftung für Nachteilszufügungen im faktischen Konzern droht. Während die vorstehende Untersuchung in Bezug auf § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ergeben hat, dass die vollständige Kompensation nicht eigenständig in § 93 AktG normiert ist, setzt der Telos des § 317 AktG eine vollständige Kompensation voraus. Ausweislich der Regierungsbegründung zum AktG 1965701 soll die Bestimmung des § 317 AktG dazu dienen, „daß die abhängige Gesellschaft nicht unter Verstoß gegen § 311 […] zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen veranlasst wird. Sie soll verhindern, daß ein herrschendes Unternehmen die mit einem Beherrschungsvertrag verbundene Leistungsmacht in Anspruch nimmt, ohne einen solchen Vertrag abgeschlossen zu haben.“
Dieser Zweck lässt sich nur verwirklichen, wenn sämtliche Vorteile, die mit einem nachteiligen Rechtsgeschäft oder einer nachteiligen Maßnahme für das faktisch herrschende Unternehmen verbunden sind, vollständig abgeschöpft und daher gegenüber der faktisch beherrschten Gesellschaft kompensiert werden müssen. Eine nur teilweise Kompensation der nachteiligen Maßnahme würde diese für das faktisch herrschende Unternehmen lohnenswert machen, was eine Umgehung des Erfordernisses des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages ermöglichen würde. Folglich spricht bereits der Telos dafür, dass § 317 AktG im Gegensatz zu § 93 AktG eigenständig das Erfordernis der vollständigen Kompensation voraussetzt. Letzteres führt dazu, dass eine satzungsmäßige Höchstsumme zur Begrenzung der Haftung nach §§ 311, 317 f. AktG als unzulässige Abweichung vom Aktiengesetz i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG einzuordnen wäre. Doch selbst wenn man aufgrund der ähnlichen Regelungstechnik auch in Bezug auf §§ 311, 317 f. AktG die Anordnung der vollständigen Kompensation ausschließlich in den Ergänzungsnormen der §§ 249 ff. BGB verortet sieht, ändert sich nichts daran, dass eine Unterwanderung der Haftung für Nachteilszufügungen im faktischen Konzern durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme ausgeschlossen ist. Sofern die herrschende Gesellschaft in ihrer Satzung eine Bestimmung aufnehmen würde, nach welcher Schadensersatzansprüche nach §§ 311, 317 f. AktG auf eine bestimmte Höchstsumme begrenzt werden, wäre diese Bestimmung als Vertrag zu Lasten Dritter (der faktisch abhängigen Gesellschaft) unwirksam. Eine alternative Gestaltung, mit welcher die faktisch herrschende Gesellschaft die Satzung der faktisch abhängigen Gesellschaft dahin gestalten 701 Abgedruckt
bei Kropff, AktG 1965, S. 418.
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würde, dass Schadenersatzansprüche nach §§ 311, 317 f. AktG durch eine Höchstsumme beschränkt werden, würde ebenfalls nicht zu einer wirksamen Beschränkung der Haftung nach §§ 311, 317 f. AktG führen. Zum einen dürfte die Zustimmung der faktisch herrschenden Gesellschaft zu der Aufnahme einer Haftungshöchstsumme für Ansprüche nach §§ 311, 317 f. AktG für sich genommen als nachteilige Maßnahme einzuordnen sein, die ihrerseits eine der Höhe nach unbegrenzte Ersatzpflicht nach §§ 311, 317 f. AktG begründet. Zwar führt die Zustimmung zur Einführung einer Haftungshöchstsumme nicht unmittelbar zu einem Schaden. Jedoch tritt dieser ein, wenn die faktisch herrschende Gesellschaft aufgrund einer weiteren nachteiligen Maßnahme keinen vollständigen Ausgleich leisten bzw. keinen vollwertigen Ausgleichsanspruch einräumen muss. Dieser Nachteil geht auch kausal auf die Zustimmung zur Einführung der satzungsmäßigen Höchstsumme zurück, sodass an der Existenz des Anspruchs keine Zweifel bestehen dürften. Zum anderen würde eine derartige Satzungsbestimmung in der Praxis wohl nie zustande kommen, da die faktisch herrschende Gesellschaft nach § 136 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AktG wohl einem Stimmverbot unterläge. § 136 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AktG sieht speziell für den Beschluss über die Befreiung von einer Verbindlichkeit ein Stimmverbot für denjenigen vor, demgegenüber die Befreiung erfolgen soll. Bei dem Beschluss über die Einführung einer die Haftung nach §§ 311, 317 f. AktG begrenzenden satzungsmäßigen Höchstsumme beschließt die faktisch herrschende Gesellschaft über den Teilerlass zukünftig entstehender Ansprüche, die gegen sie selbst gerichtet sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Stimmverbots sind daher erfüllt. Zwar wird bei satzungsändernden Beschlüssen, die zugleich die Befreiung von einer Verbindlichkeit bewirken, eine teleologisch einschränkende Auslegung der Norm und damit eine Ausnahme vom Stimmverbot erwogen.702 Jedoch kann die Ausnahme vom Stimmverbot bei ungleichmäßiger Betroffenheit der Aktionäre nur dann begründet sein, wenn nicht die Befreiung von der Verbindlichkeit im Vordergrund steht, sondern mit der Satzungsänderung vorrangig eine Anpassung der Gesellschaft an veränderte Umstände bezweckt wird.703 Allenfalls dann erscheint es als überzeugend, die (mittelbar) durch die Satzungsänderung profitierenden Aktionäre auch an der Entscheidung über die Anpassung der Gesellschaft teilnehmen zu lassen.704 Eine auf die Haftung nach §§ 311, 317 f. AktG zielende Haftungshöchstsumme bezweckt aber 702 Vgl. Holzborn, in: Bürgers/Körber, § 136 Rn. 6; Schröer, in: MüKo-AktG, § 136 Rn. 12; Tröger, in: KK-AktG, § 136 Rn. 32 f. 703 Schröer, in: MüKo-AktG, § 136 Rn. 12; noch strenger und bei asymetrischer Betroffenheit für ein generelles Stimmverbot Grundmann, in: Großkomm AktG, § 136 Rn. 34 und Tröger, in: KK-AktG, § 136 Rn. 33. 704 Vgl. Schröer, in: MüKo-AktG, § 136 Rn. 12.
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nicht eine Anpassung der Gesellschaft an veränderte Umstände. Vielmehr wird mit einer solchen Bestimmung eine nur zugunsten des faktisch herrschenden Unternehmens wirkende Regelung begründet. Das Stimmverbot des § 136 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AktG bedarf in einem solchen Fall keiner teleologischen Reduktion. Vielmehr entspricht es dem Schutzzweck der Norm, ein Stimmverbot in derartigen Situationen vorzusehen, um eine Selbstbegünstigung, welche mit Nachteilen für die Gesellschaft verbunden ist, zu vermeiden.705 Ohne die Stimmen des faktisch herrschenden Unternehmens werden die übrigen Minderheitsaktionäre nicht gewillt sein, ihre Zustimmung zu erteilen, um der herrschenden Gesellschaft einen Freibrief für Benachteiligungen zu gewähren, die auch die Minderheitsaktionäre durch eine Verringerung des Werts ihrer Beteiligung treffen würden. Ferner kommt hinzu, dass eine auf §§ 311, 317 f. AktG zielende satzungsmäßige Haftungshöchstsumme mit den §§ 57, 62 AktG konfligieren würde. Im Gegensatz zum GmbH-Recht setzt eine i. S. des § 57 AktG verbotswidrige Leistung gerade nicht voraus, dass das zur Deckung der Grundkapitalziffer notwendige Vermögen angegriffen wird.706 Jede für die faktisch beherrschte Gesellschaft nachteilige Maßnahme, die vom faktisch herrschenden Unternehmen veranlasst wurde und die für dieses einen vermögenswerten Vorteil darstellt, für den kein vollwertiger Ausgleich geschuldet wird, verstößt daher gegen §§ 57, 62 AktG. Weil eine auf die §§ 311, 317 f. AktG zielende satzungsmäßige Haftungshöchstsumme gerade von der Pflicht zum vollständigen Ausgleich des Nachteils befreien würde, verstößt eine derartige Satzungsbestimmung stets gegen die §§ 57, 62 AktG und ist daher unzulässig. Ein Konflikt des vorstehend gewonnenen Untersuchungsergebnisses mit der Haftung nach §§ 311, 317 f. AktG besteht daher nicht. e) Fazit zur Zulässigkeit einer das Aktiengesetz i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzenden Haftungshöchstsumme Schon oben hat sich gezeigt, dass § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG keine „abschließende Regelung“ i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG zukommt, die einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme entgegensteht. Ebenso wie die §§ 249 ff. BGB die Norm hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs des Schadensersatzanspruchs sowie der Ersatzfähigkeit eines Schadens komplettieren, 705 Vgl. auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 136 Rn. 1; Rieckers, in: Spindler/Stilz, § 136 Rn. 1; Schröer, in: MüKo-AktG, § 136 Rn. 1; Tröger, in: KK-AktG, § 136 Rn. 28. 706 Bayer, in: MüKo-AktG, § 57 Rn. 2; Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, § 57 Rn. 1; Koch, in: Hüffer/Koch, § 57 Rn. 2; Laubert, in: Hölters, § 57 Rn. 3.
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komplettiert auch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme die Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Allerdings gebietet die Gewährleistung der verhaltenssteuernden Funktion des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG, dass die Haftungshöchstsumme den ersatzfähigen Schaden nicht weiter einschränkt, als es nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt möglich ist (Begrenzung maximal auf das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung eines Vorstandsmitglieds). Die Haftungshöchstsumme kollidiert nicht mit den Wertungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG, sofern sie ausschließlich zukünftige Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG erfasst. Ferner steht die Bestimmung des § 93 Abs. 5 AktG solchen Haftungshöchstsummen nicht entgegen. Die Begrenzung des ersatzfähigen Schadens entfaltet gegenüber den Gläubigern nach § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG keine Wirkung. Vorbehaltlich der sogleich zu ermittelnden weiteren Grenzen, die sich dem Aktiengesetz für satzungsmäßige Haftungshöchstsummen entnehmen lassen, ist somit Grunewald darin zuzustimmen, dass eine solche Haftungshöchstsumme das Regime der Vorstandshaftung lediglich weiterführt, in seinen Grundzügen aber unberührt lässt.707 7. Weiterer gesetzlicher Rahmen für eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass in der Satzung geregelte und nur zukünftige Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG betreffende Haftungshöchstsummen das Aktiengesetz i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG in zulässiger Art und Weise ergänzen können. Nicht untersucht wurde jedoch, welche Grenzen allgemein, aber auch durch das Aktiengesetz für solche Haftungshöchstsummen existieren. Diesen Grenzen soll die nachfolgende Abhandlung auf den Grund gehen. a) Keine Erstreckung auf die Haftung für vorsätzliche Pflichtverletzungen Aus § 276 Abs. 3 BGB ergibt sich zunächst, dass eine Begrenzung des ersatzfähigen Schadens durch eine Haftungshöchstsumme bei vorsätzlichem Handeln ausscheidet.708 Die Bestimmung des § 276 Abs. 3 BGB, nach welcher die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erlassen werden kann, wird einhellig dahin verstanden, dass auch Haftungshöchstsummen im Bereich des 707 Grunewald, 708 Ebenso
AG 2013, 813, 815 f. Grunewald, AG 2013, 813, 816 f.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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vorsätzlichen Handelns nicht zulässig sind.709 Daher kann die Haftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für vorsätzliche Pflichtverletzungen nicht mit Hilfe einer den ersatzfähigen Schaden begrenzenden Haftungshöchstsumme eingeschränkt werden. Vorsätzliches Handeln erfassende Haftungshöchstsummen sind nach § 276 Abs. 3 BGB unwirksam.710 b) Erstreckung auf die Haftung für grob fahrlässige Pflichtverletzung möglich? Auch wenn bereits erläutert wurde,711 dass für eine Begrenzung der Haftung im Bereich grob fahrlässiger Pflichtverletzungen kein Bedürfnis identifizierbar ist, sondern umgekehrt eine vollumfängliche Haftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen als angemessen zu erachten ist, stellt sich die Frage, ob der Erstreckung einer Haftungshöchstsumme auf die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für grob fahrlässige Pflichtverletzungen aus gesetzlicher Sicht etwas entgegensteht. Im Ausgangspunkt ist insoweit festzuhalten, dass weder das Bürgerlichen Gesetzbuch noch das Aktiengesetz Bestimmungen enthalten, welche wie § 276 Abs. 3 BGB im Bereich des Vorsatzes auch für grob fahrlässige Pflichtverletzungen die Unzulässigkeit von Haftungsbegrenzungen normieren. Für Allgemeine Geschäftsbedingungen erklärt § 309 Nr. 7 lit. b BGB die Begrenzung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit für unwirksam. Dass die Satzung einer Aktiengesellschaft keine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt, ergibt sich bereits aus der für das Gesellschaftsrecht geltenden Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB.712 § 309 Nr. 7 lit. b BGB ist mithin diesbezüglich irrelevant.713 Bevor sogleich die Wertungen des Aktiengesetzes beleuchtet werden, ist zunächst das Augenmerk auf den Meinungsstand zur Begrenzung der Geschäftsleiterhaftung im GmbH-Recht zu wenden. Dies bietet sich insoweit an, als etwaig überzeugende Argumente, die gegen eine auch grob fahrlässige Pflichtverletzungen erfassende Haftungshöchstsumme sprechen, möglicherweise auch für die Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG fruchtbar gemacht werden könnten. 709 Grunewald, AG 2013, 813, 816 f.; Caspers, in: Staudinger, § 276 Rn. 119; Pfeiffer, in: Soergel, § 276 Rn. 219; Unberath, in: Bamberger/Roth, § 276 Rn. 46; Westermann, in: Erman BGB, § 276 Rn. 25. 710 Pfeiffer, in: Soergel, § 276 Rn. 218 f.; vgl. auch Caspers, in: Staudinger, § 276 Rn. 119, 123. 711 Siehe dazu Teil 2 A. III. 712 Basedow, in: MüKo-BGB, § 310 Rn. 86; siehe auch Janert, BB 2013, 3016, 3019 für GmbH-Gesellschaftsverträge. 713 Vgl. Grunewald, AG 2013, 813, 817.
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aa) Meinungsstand zur Begrenzung der GmbH-Geschäftsleiterhaftung bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der Geschäftsleiterhaftung im GmbH-Recht nur für leicht fahrlässige Pflichtverletzungen möglich ist.714 Zur Begründung, dass eine Haftungsbeschränkung im Bereich der groben Fahrlässigkeit ausscheiden müsse, wird darauf verwiesen, dass die Haftung für grobe Fahrlässigkeit dem absoluten Mindeststandard entspreche.715 Eine diesbezügliche Freizeichnung sei überdies nicht mit der umfassenden Verantwortung des Geschäftsführers in Einklang zu bringen.716 Ferner habe das Gesellschaftsvermögen der GmbH als Haftungsgrundlage für Dritte zu dienen, weshalb der Umgang hiermit nicht beliebig freigestellt werden könne,717 zumal der Geschäftsführer als Treuhänder fremder Vermögensinteressen tätig werde.718 Wenn die vorstehende Sichtweise zutreffend wäre, läge es nahe, entsprechend bei der Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu argumentieren und eine Haftungshöchstsumme nur im Bereich leicht fahrlässiger Pflichtverletzungen zuzulassen. Die vorstehend geäußerten Argumente für die Unzulässigkeit einer auch die Haftung für grobe Fahrlässigkeit erfassenden Haftungshöchstsumme, werden jedoch zu recht vom überwiegenden Schrifttum im GmbH-Recht719 für unzutreffend gehalten. Die Behauptung, dass die Haftung für grobe Fahrlässigkeit ein absoluter Mindeststandard ist, mag aus rechtspolitischer Sicht zutreffend sein. Sie entbehrt aber einer gesetzlichen Grundlage.720 Dass das Gesellschaftsvermögen nicht zum Schutz der GmbH-Gläubiger gegen einen 714 Konzen, NJW 1989, 2977, 2984; Lohr, NZG 2000, 1204, 1209; Reese, DStR 1995, 532, 536; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 5, 46; Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht, S. 489 ff.; Marsch-Barner/Diekmann, in: Münchener HdB GesR, Band 3, § 46 Rn. 4. 715 So Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 46. 716 So Lohr, NZG 2000, 1204, 1209. 717 So Reese, DStR 1995, 532, 536. 718 Vgl. Lutter, GmbHR 2000, 301, 311, der sich jedoch unter anderem mit dieser Begründung generell gegen die Möglichkeit einer im Voraus vereinbarten Haftungsbeschränkung für GmbH-Geschäftsführer ausspricht. 719 Vgl. Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312; Grunewald, Gesellschaftsrecht, § 13 Rn. 65; Heisse, Beschränkung der Geschäftsführerhaftung, S. 129; Janert, BB 2013, 3016, 3019; Joussen, GmbHR 2005, 441, 447; Krieger, in: Forum GesR 1995, S. 149, 163; Pelz, RNotZ 2003, 415, 423; Schaub, DStR 1992, 985, 987; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 261; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 Rn8 f.; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 17. 720 Die Behauptung ebenfalls für nicht überzeugend haltend Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 Rn. 312.
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Vorausverzicht gesichert werden muss, ergibt sich bereits daraus, dass die Gläubiger nicht über den Betrag des Stammkapitals hinaus gegen nachteilige Geschäftsführungsmaßnahmen abgesichert sind.721 Überdies verfängt auch das Argument nicht, dass die Freizeichnung für grobe Fahrlässigkeit nicht mit der umfassenden Verantwortlichkeit der Geschäftsführer vereinbar sei. Denn auch eine derartig umfassende Verantwortlichkeit ließe sich nur aus dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes rechtfertigen.722 Die Gesellschafter selbst sind insoweit nicht schutzwürdig, da sie der Haftungsmilderung für die Geschäftsführer zustimmen müssen.723 Mithin sind auch dem Diskussionsstand um die Begrenzungsmöglichkeiten der Geschäftsleiterhaftung im GmbH-Recht keine durchgreifenden Bedenken gegen die Einschränkung des bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. den §§ 249 ff. BGB ersatzfähigen Schadens zu entnehmen. bb) Entgegenstehende Wertungen des Aktiengesetzes? Zunächst kann festgehalten werden, dass eine Begrenzung des wegen einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. den §§ 249 ff. BGB ersatzfähigen Schadens die Haftung für grobe Fahrlässigkeit nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht unterläuft.724 Denn eine Haftung findet auch dann in der Höhe des festgesetzten Betrags statt. Dass der verhaltenssteuernde Zweck der Vorstandshaftung mit einer die Wertungen des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG beachtenden Haftungshöchstsumme nicht konterkariert wird, wurde bereits belegt.725 Ferner spricht die fehlende gesetzgeberische Differenzierung zwischen den bei einfacher und grober Fahrlässigkeit bestehenden Anforderungen an den in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG geregelten Selbstbehalt und den nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG normierten Verzicht dafür, dass auch die Haftung für grobe Fahrlässigkeit von einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme erfasst werden darf.726 721 Ebenso Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312; vgl. auch Joussen, GmbHR 2005, 441, 447. 722 Vgl. Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312. 723 Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312. 724 Ebenso Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 309, allerdings für eine auf der Treuepflicht fußende Haftungsbeschränkung bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen. 725 Siehe dazu Teil 3 D. II. 4. b) bb). 726 Vgl. Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 310, der dieses Argument für die Anwendung der Haftungsbeschränkung aufgrund der Treuepflicht bei groben Pflichtverletzungen ins Feld führt.
184 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Auch die eine solche Differenzierung erfassende Bestimmung des § 93 Abs. 5 Satz 2 AktG kann nicht dahin verstanden werden, dass eine Haftungshöchstsumme die Haftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen aussparen muss. Die fehlende Betroffenheit der Gläubiger von einer den ersatzfähigen Schaden begrenzenden Haftungshöchstsumme ergibt sich bereits – wie geschildert727 – aus § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG. Denn danach hat die Beschränkung der Haftung auf eine Höchstsumme in der Satzung gegenüber den Gläubigern keine Wirkung, sodass die Durchsetzung des Ersatzanspruchs durch die Gläubiger ungehindert bestehen bleibt. Außerdem konfligiert eine Begrenzung des ersatzfähigen Schadens auch bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen nicht mit der Wertung des fehlenden Widerspruchs einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Diesbezüglich wurde bereits dargelegt,728 dass auch der begrenzte Anspruch weiterhin mit der Aktionärsklage verfolgt werden kann. cc) Genereller Ausschluss einer Haftungsbegrenzung im Bereich der groben Fahrlässigkeit zum Schutz der Aktionäre vor sich selbst? Mit Fleischer könnte man es allerdings für erwägenswert halten, eine Haftungsbegrenzung im Voraus für grob fahrlässige Pflichtverletzungen eines Geschäftsleiters zum Schutz der Gesellschafter vor sich selbst zu versagen.729 Immerhin zeigt ein Blick auf die § 311 b Abs. 2 BGB, § 1229 BGB, § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB, dass die Rechtsordnung zur Verhinderung von unüberlegten Handlungen jedenfalls teilweise der Haftungsbeschränkung im Voraus engere Grenzen setzt als einer Beschränkung eines bereits entstandenen Anspruchs.730 Man wird aber – wie es auch Fleischer im Ergebnis annimmt731 – aus den verstreuten und aus dem Zusammenhang gerissenen Normen keinen allgemeinen Grundsatz dahin entnehmen können, dass eine Vorausbeschränkung der Vorstandshaftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen zum Schutz der Aktionäre vor sich selbst zu unterbleiben hat.
727 Siehe
Teil 3 D. II. 6. c). dazu Teil 3 D. II. 6. b) bb) (2) (b) (bb). 729 Vgl. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315, der gegenüber einer Freizeichnung für grobe Fahrlässigkeit (de lege ferenda) „gewisse Bedenken“ äußert; vgl. auch ders., in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312 zur Begrenzung der Haftung des Geschäftsführers im Bereich der groben Fahrlässigkeit nach § 43 Abs. 2 GmbHG. 730 So auch Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312. 731 Vgl. Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 312. 728 Siehe
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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dd) Fazit Es kann mithin festgehalten werden, dass weder den allgemeinen gesetz lichen Bestimmungen noch dem Aktiengesetz eine Wertung entspringt, die einer Begrenzung der Vorstandshaftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen entgegensteht. Gegenüber einer Haftungshöchstsumme, die sich auf alle fahrlässig begangenen Pflichtverletzungen erstreckt, bestehen daher keine Bedenken. c) Mindestens im Haftungsfall zu ersetzender Betrag In der vorstehenden Untersuchung konnten bereits gewisse Begrenzungen identifiziert werden, nach welchen der mindestens – auch bei Existenz einer Haftungshöchstsumme – zu ersetzende Schaden zu bestimmen ist. So ließ sich aus dem Mindestselbstbehalt nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG entnehmen, dass die Haftung nicht über den dort vorgesehenen Rahmen hinaus durch eine Haftungshöchstsumme in der Satzung eingeschränkt werden darf.732 Der Gesetzgeber hat diesen, vom Vorstand in jedem Fall zu ersetzenden Betrag vorgesehen, um den verhaltenssteuernden Zweck der Vorstandshaftung zu gewährleisten.733 Eine darüber hinausgehende Beschränkung der Haftung würde die gesetzgeberische Zielsetzung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG konterkarieren. Außerdem wurde erläutert, dass zur Vermeidung von im Verhältnis zu den Rechtsdurchsetzungskosten zu geringen Schadenssummen, die Mindest-Haftungshöchstsumme nicht anhand einer prozentualen Schadensquote, sondern durch einen Höchstbetrag, der eineinhalb feste Jahresgehälter des jeweiligen Vorstandsmitglieds nicht unterschreitet, bestimmt werden sollte.734 Bei der Festsetzung einer eineinhalb feste Jahresgehälter nicht unterschreitenden Haftungshöchstsumme haben die Parteien einen gerichtlich nur auf Missbrauch überprüfbaren Ermessensspielraum.735 Außer den Grenzen der §§ 138, 242 BGB bestehen daher keine weiteren Vorgaben.736
732 Siehe
Teil 3 D. II. 4. b) bb). auch Teil 3 D. II. 4. b) bb). 734 Siehe dazu auch Teil 3 D. II. 4. b) bb). 735 Vgl. Heisse, Beschränkung der Geschäftsführerhaftung, S. 128 und Janert, BB 2013, 3016, 3021 für die Ermittlung des auch durch eine Haftungshöchstsumme für GmbH-Geschäftsführer nicht unterschreitbaren Betrags. 736 Zu den §§ 138, 242 BGB in diesem Zusammenhang Caspers, in: Staudinger, § 276 Rn. 128; zu Haftungshöchstsummen im GmbH-Recht Janert, BB 2013, 3016, 3021. 733 Hierzu
186 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Letzteres ändert sich auch dann nicht, wenn man die Organe der Gesellschaft und somit auch die Hauptversammlung – wie hier vertreten – bei der Entscheidung über die Gewährung einer Haftungshöchstsumme an den Gesellschafts- oder Verbandszweck gebunden sieht.737 Denn auch wenn die Gesellschaft aufgrund einer Haftungshöchstsumme nur einen geringeren Betrag vom Vorstand ersetzt verlangen kann, ist eine Haftungshöchstsumme durch die damit verbundenen Vorteile – wie den Abbau von Anreizen zu übertrieben risikoaversem Verhalten – dem Verbandszweck nicht abträglich, sondern förderlich. d) Keine Erstreckung auf § 93 Abs. 3 AktG Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme darf sich nicht auf die Fälle des § 93 Abs. 3 AktG erstrecken.738 § 93 Abs. 3 AktG normiert einen eigenständigen Schadensersatzanspruch, der besteht, wenn gegen besonders wichtige Vorschriften verstoßen wird, die den Schutz des Gesellschaftsvermögens bezwecken.739 Zwar ist es durchaus denkbar, dass ein Vorstandsmitglied auch in diesen Fällen leicht fahrlässig gegen eine der „Todsünden“740 des § 93 Abs. 3 AktG verstößt. Jedoch weicht § 93 Abs. 3 AktG von den allgemeinen Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB ab741 und ist daher mangels Abweichungsbefugnis i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG als zwingende sowie gegenüber den §§ 249 ff. BGB speziellere Bestimmung zu begreifen. Im Gegensatz zu § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG überlässt § 93 Abs. 3 AktG nicht den §§ 249 ff. BGB die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens. Vielmehr besteht nach § 93 Abs. 3 AktG in Höhe des Mittelabflusses (Nrn. 1–3, 5–9) oder ihrer Vorenthaltung (Nr. 4) eine Schadensvermutung.742 Entgegen der 737 Zur
Bindung des Vorstands an den Verbandszweck siehe bereits Teil 1 B. II. Grunewald, AG 2013, 813, 816. 739 Grunewald, AG 2013, 813, 817; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 256; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 273; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 68; Mertens/ Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 125; Oechsler, in: FS Hüffer, S. 735, 741 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 221; a. A. Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957, 960 f., wonach es sich um einen verschuldensunabhängigen Folgenbeseitigungsanspruch handelt. 740 So etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 260 und Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 68. 741 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 AktG Rn. 40; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, § 93 Rn. 258; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 274; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 68; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 134; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 379; vgl. auch Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 221. 742 OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.2012 (16 U 176/10), AG 2013, 171 Tz. 48; OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 (20 U 5/09), AG 2010, 133 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 258; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 274; Koch, in: Hüffer/Koch, 738 Ebenso
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Schadensermittlung im Rahmen der §§ 249 ff. BGB findet keine Gesamtvermögensbetrachtung auf bilanzieller Grundlage unter Berücksichtigung bloßer Ansprüche auf Rückzahlung oder Einlagenleistung statt.743 Mithin scheidet eine § 93 Abs. 3 AktG i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzende Satzungsbestimmung aus. Dass sich eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme nicht auf die Fälle des § 93 Abs. 3 AktG erstrecken darf, widerspricht dem in dieser Arbeit vertretenen Zweck der Höchstsummenbeschränkung in der Satzung nicht. Die von § 93 Abs. 3 AktG erfassten Fälle sind nicht dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen, in dem sich ein risikoaverses Verhalten des Vorstands schädigend auswirken kann, sodass es in den besagten Fällen keines Abbaus von Anreizen zu risikoaversem Verhalten bedarf.744 Dem von § 93 Abs. 3 AktG verfolgten Schutz des Gesellschaftsvermögens gegen eine gesetzeswidrige Minderung wurde vom Gesetzgeber eine herausragende Bedeutung beigemessen.745 Es kann nicht schaden, wenn der Vorstand bei der Planung solcher Maßnahmen umfangreichen Rechtsrat einholt. e) Keine Erstreckung auf die Außenhaftung des Vorstands Dass sich eine Haftungshöchstsumme nicht auf die Außenhaftung des Vorstands gegenüber Dritten erstrecken darf, versteht sich von selbst. Ohne Zustimmung der jeweiligen Anspruchsinhaber stellt eine Haftungshöchstsumme, die auch Ansprüche Dritter gegenüber Vorstandsmitgliedern begrenzen soll, eine Regelung zu Lasten Dritter dar. Eine andere Frage ist es jedoch, ob die Gesellschaft ihre Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis von Schadensersatzansprüchen gegenüber Dritten jedenfalls in dem Umfang freistellen darf, in dem der Außenhaftungsanspruch des Dritten die vereinbarte Haftungshöchstsumme überschreitet. Dieser Frage wird sogleich nachgegangen.746
§ 93 Rn. 68; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 134; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 222. 743 OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.2012 (16 U 176/10), AG 2013, 171 Tz. 48; OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 (20 U 5/09), AG 2010, 133 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 258; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 68; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 93 Rn. 134; Oechsler, in: FS Hüffer, S. 735, 741 f.; Spindler, in: MüKoAktG, § 93 Rn. 222. 744 Vgl. Grunewald, AG 2013, 813, 817. 745 Grunewald, AG 2013, 813, 817; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 256; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 273; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 221. 746 Siehe Teil 3 D. II. 8.
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f) Fazit zum weiteren rechtlichen Rahmen Die vorstehende Untersuchung hat ergeben, dass eine auch vorsätzlich verursachte Schäden erfassende satzungsmäßige Haftungshöchstsumme gegen die Vorgaben des § 276 Abs. 3 BGB verstößt. Dagegen sind Haftungshöchstsummen für fahrlässige Pflichtverletzungen rechtlich möglich. Letzteres gilt auch für die Fälle grober Fahrlässigkeit. Die Vorstandshaftung darf den ersatzfähigen Schaden maximal auf das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung eines Vorstandsmitglieds begrenzen (arg. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG). Darüber hinausgehende Haftungshöchstsummen sind mit der verhaltenssteuernden Funktion des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG unvereinbar. Nicht erstrecken dürfen sich satzungsmäßige Haftungshöchstsummen auf die Außenhaftung des Vorstands und die Haftung nach § 93 Abs. 3 AktG. 8. Freistellung der Vorstandsmitglieder von der Außenhaftung gegenüber Dritten a) Ausgangspunkt Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass Vorstandsmitglieder nur dann effektiv von übermäßigen Haftungsgefahren befreit werden, wenn die gegenüber der Gesellschaft gewährte Haftungshöchstsumme nicht durch der Höhe nach unbegrenzte, im Zusammenhang mit der Vorstandtätigkeit begründete Ansprüche Dritter unterlaufen werden kann. Direktansprüche Dritter gegen Vorstandsmitglieder kommen nur in einer begrenzten Zahl von Fällen in Betracht. Ein in seiner Funktion als Organmitglied Handelnder haftet nach § 93 AktG grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber Dritten.747 Die Haftung nach § 93 AktG baut auf dem das aktienrechtliche Verantwortlichkeitsrecht des Vorstands prägenden Grundsatz der Haftungskonzentration auf.748 Eine unmittelbare Haftung des Vorstands gegenüber Dritten ist mit wenigen weiteren Ausnahmen im Wesentlichen nur aufgrund des Deliktsrechts749 oder aus einem vor747 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 307; ders., BB 2004, 2645; vgl. auch Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 360; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 648. 748 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 307; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 649; Verse, ZHR 170 (2006), 398, 407; vgl. auch Medicus, ZGR 1998, 570, 578. 749 Dazu ausführlich Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 656 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 323 ff.
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vertraglichen Schuldverhältnis (c.i.c.)750 denkbar. Wenn der Vorstand gegenüber Dritten haftet, haften in der Regel Gesellschaft und Vorstand gegenüber den Dritten als Gesamtschuldner. Denn nach § 31 BGB ist die Gesellschaft gegenüber Dritten grundsätzlich für jede zum Schadensersatz verpflichtende Handlung ihrer Vorstandsmitglieder verantwortlich.751 Dies gilt nur dann nicht, wenn die Handlung des Vorstandsmitglieds nicht in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung erfolgt ist.752 b) Gesetzliche Freistellungsansprüche der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft für Haftung gegenüber Dritten aa) Vorstandshandeln gegenüber der Gesellschaft pflichtgemäß Hat sich ein Vorstandsmitglied im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Gesellschaft einem Dritten gegenüber ersatzpflichtig gemacht, kann es nach herrschender Ansicht von der Gesellschaft nach §§ 675 Abs. 1, 670 BGB Ersatz verlangen, sofern seine Handlung nicht zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft dargestellt hat.753 Bei gegenüber der Gesellschaft pflichtgemäßem Verhalten besteht mithin bereits ein gesetzlicher Freistellungsanspruch und dies vollkommen unabhängig von einer etwaigen Haftungshöchstsumme. bb) Vorstandshandeln gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig Wenn aber – wie im Regelfall – die schadensbegründende Handlung des Vorstandsmitglieds auch gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist, scheidet ein Regress bei der Gesellschaft grundsätzlich aus.754 Mit der Zahlung 750 Siehe hierzu Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 652 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 321 f. 751 Vgl. Kort, in: Großkomm AktG, § 76 Rn. 207 ff; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 93, 95; Weick, in: Staudinger, § 31 Rn. 4 ff., 32 ff., 42 jeweils m.w.N. 752 BGH, Urt. v. 30.10.1967, (VII ZR 82/65), BGHZ 49, 19, 23; Kort, in: Großkomm AktG, § 76 Rn. 211, 214; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 76 Rn. 98; Weick, in: Staudinger, § 31 Rn. 39 f. 753 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 66; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 386; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 678 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 23; Kort, in: Großkomm AktG, § 84 Rn. 397 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 84 Rn. 90; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 341; Weber, in: Hölters, § 84 Rn. 51. 754 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 66; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 386; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 678 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 23; Kort, in: Großkomm AktG, § 84 Rn. 397 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 84 Rn. 90; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 341; Weber, in: Hölters, § 84 Rn. 51.
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des vom Vorstandsmitglied gegenüber dem Dritten erstatteten Betrags an das Vorstandsmitglied entstünde der Gesellschaft ein Schaden, der nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wiederum von dem Vorstandsmitglied ersetzt werden müsste.755 Existiert keine Haftungshöchstsumme, leuchtet dies ohne weiteres ein. Denn der von der Gesellschaft gezahlte Betrag müsste umgehend vom Vorstandmitglied nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG in voller Höhe an die Gesellschaft zurückerstattet werden. Einer Ersatzforderung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft stünde mithin § 242 BGB (dolo agit) entgegen. Ist dagegen eine Haftungshöchstsumme in der Satzung vorgesehen, greift der dolo agit-Einwand für den die Haftungshöchstsumme überschreitenden Betrag nicht ein. Durch die Haftungshöchstsumme ist – soweit sie eingreift – der maximal nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu ersetzende Schaden im Verhältnis zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft begrenzt. Der Gesellschaft steht gegenüber dem Vorstandsmitglied kein den Haftungshöchstbetrag übersteigender Anspruch zu. (1) Gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft gegenüber Dritten bei Existenz einer Haftungshöchstsumme Haften die Gesellschaft und ein Vorstandsmitglied gegenüber einem Dritten als Gesamtschuldner, ergibt sich aus einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme i. V. m. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB für das Innenverhältnis nachfolgende Haftungsverteilung: Das Vorstandsmitglied ist für den Schadensanteil verantwortlich, der den satzungsmäßigen Haftungshöchstbetrag nicht überschreitet, während die Gesellschaft für den die Haftungshöchstsumme überschreitenden Schadensanteil verantwortlich ist. Zwar sind Gesamtschuldner grundsätzlich untereinander nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gleichen Teilen verantwortlich. Jedoch gilt dies nicht, wenn „ein anderes“ i. S. des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt ist. Ein anderer Verteilungsmaßstab kann sich aus einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, dem Inhalt des zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder aus dem Gesetz ergeben.756 Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme bringt zum Ausdruck, dass ein Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft nur bis zum Haftungshöchstbetrag haften soll und der restliche Schaden endgültig von der Gesell755 So ausdrücklich Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 84 Rn. 90; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), ZIP 2014, 1729 Tz. 13 ff. 756 Looschelders, in: Staudinger, § 426 Rn. 49 m.w.N.
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schaft zu tragen ist. Damit wird für das Innenverhältnis bestimmt, dass ein Vorstandsmitglied bei Eingreifen der Haftungshöchstsumme nur für denjenigen Schaden verantwortlich ist, der den festgesetzten Höchstbetrag nicht überschreitet. Den darüberhinausgehenden Schaden hat stets die Gesellschaft zu tragen. Aus dem durch die Satzung mitgeprägten Rechtsverhältnis zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft ergibt sich damit zugleich, dass für den Gesamtschuldnerinnenregressregress ein anderer Verteilungsmaßstab und folglich „ein anderes“ i. S. des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt ist. Es macht weder wertungsmäßig noch wirtschaftlich einen Unterschied, ob die Gesellschaft wegen einer Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds einem Dritten einen Schaden ersetzt, den sie anschließend bei dem Vorstandsmitglied wegen einer Haftungshöchstsumme nur teilweise liquidieren kann, oder ob das Vorstandsmitglied direkt dem Dritten gegenüber Ersatz leistet und es sich im Anschluss über § 426 BGB den die Haftungshöchstsumme übersteigenden Betrag von der Gesellschaft erstatten lässt. Wenn die Gesellschaft und das Vorstandsmitglied gesamtschuldnerisch haften, hängt es vom Zufall ab, ob zunächst die Gesellschaft oder zunächst das Vorstandsmitglied von einem Dritten in Anspruch genommen wird. Auf die endgültige Schadenstragung kann dieser Zufall keinen Einfluss haben. Freilich gilt dies nur für diejenigen Haftungsfälle, in welchen die Haftungshöchstsumme eingreifen würde. Soweit die Haftungshöchstsumme nur für Pflichtverletzungen eingreift, welche die Schwelle der groben Fahrlässigkeit nicht überschreiten, besteht auch nur für mit leichter und mit mittlerer Fahrlässigkeit begangene Pflichtverletzungen ein Anspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB des Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft. Folglich hat ein Vorstandsmitglied, das gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft gegenüber einem Dritten haftet, einen Anspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber der Gesellschaft, wenn es einem Dritten einen Schaden ersetzt, der den zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied maßgeblichen Haftungshöchstbetrag überschreitet. Der Anspruch des Vorstandsmitglieds nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ist allerdings auf den die Haftungshöchstsumme überschreitenden Schadensbetrag begrenzt. Ferner setzt dieser Anspruch voraus, dass die Haftungshöchstsumme anwendbar wäre, wenn zunächst die Gesellschaft gegenüber dem Dritten Ersatz leisten würde und sodann Regress bei dem Vorstandsmitglied nehmen würde. Denn nur für diese Fälle kann aus der Haftungshöchstsumme die Wertung entnommen werden, dass die Gesellschaft im Innenverhältnis den die Haftungshöchstsumme überschreitenden Betrag endgültig zu tragen hat.
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(2) Sonderfall des Gläubigerverfolgungsrechts nach § 93 Abs. 5 AktG Einen Sonderfall der Außenhaftung der Vorstandsmitglieder bildet das Gläubigerverfolgungsrecht nach § 93 Abs. 5 AktG. Wie bereits erläutert,757 können die Gesellschaftsgläubiger unter den dort normierten Voraussetzungen Ansprüche der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern direkt gegenüber letzteren geltend machen. Allerdings setzt das Gläubigerverfolgungsrecht voraus, dass die Gesellschaftsgläubiger keine Befriedigung bei der Gesellschaft erlangen konnten. Ferner ist eine gröbliche, die Haftung des jeweiligen Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft begründende Pflichtverletzung erforderlich, wenn nicht ein Fall des § 93 Abs. 3 AktG gegeben ist. Aufgrund der Bestimmung des § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG ist den Gesellschaftsgläubigern gegenüber eine Haftungshöchstsumme irrelevant,758 sodass die Gläubiger den gesamten der Gesellschaft nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähigen Schaden vom Vorstandsmitglied ersetzt verlangen können. Allerdings ist der mit dem Gläubigerverfolgungsrecht (§ 93 Abs. 5 AktG) gegenüber den Vorstandmitgliedern beitreibbare Anspruch auf die Höhe des den Gläubigern gegenüber der Gesellschaft zustehenden Anspruchs begrenzt. Dies belegen die Worte „soweit sie [die Gesellschaftsgläubiger] von dieser [der Gesellschaft] keine Befriedigung erlangen können“ aus § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG. Zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied besteht in diesem Haftungsfall gegenüber den Gläubigern kein Gesamtschuldverhältnis, weil die Ansprüche nicht gleichstufig sind.759 Das Organmitglied haftet – wie erläutert – erst, wenn der Gläubiger von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen konnte.760 Mithin kann auch kein Anspruch des jeweiligen Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Ausgleich des die Haftungshöchstsumme überschreitenden Betrags bestehen. Allerdings steht dem Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft entweder ein Anspruch aus berechtigter GoA oder ein bereicherungsrechtlicher Anspruch zu, wenn er einen die Haftungshöchstsumme übersteigenden Betrag an einen Dritten zahlt und der Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied im Innenverhältnis aufgrund der Haftungshöchstsumme begrenzt ist. Durch die Zahlung an einen Gesellschaftsgläubiger, der im Rahmen des § 93 Abs. 5 AktG gegen das Organmitglied vorgegangen ist, wird 757 Siehe
hierzu bereits Teil 3 D. II. 6. c). bereits Teil 3 D. II. 6. c). 759 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 567; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 275. 760 Vgl. Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 275. 758 Dazu
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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nicht nur der Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied erfüllt, sondern auch die vom Haftungsanspruch vollkommen unabhängige Schuld der Gesellschaft gegenüber ihrem Gläubiger.761 Dies bedeutet zugleich, dass die Gesellschaft durch die Zahlung des Vorstandsmitglieds von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit wird. Das Organmitglied befriedigt folglich zugleich eine fremde Schuld. Sofern man bei einem „auch fremden Geschäft“ den Fremdgeschäftsführungswillen trotz einer eigenen Verpflichtung des Geschäftsherrn vermutet,762 hat das Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch nach §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB auf Ersatz des die Haftungshöchstsumme überschreitenden Betrags. Nach dieser Auffassung hindert eine eigene gesetzliche Verpflichtung des Vorstandsmitglieds – hier nach § 93 Abs. 5 AktG – die Existenz eines Fremdgeschäftsführungswillens nicht, wenn auch ein fremdes Geschäft – hier die Tilgung der fremden Schuld – geführt wird.763 Verneint man dagegen den Fremdgeschäftsführungswillen mit dem Argument, dass bei der Erfüllung einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung kein Raum für einen Fremdgeschäftsführungswillen ist,764 besteht ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aufgrund der Rückgriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB). Die Gesellschaft erlangt durch die Zahlung des Vorstandsmitglieds an den Gläubiger einen Vermögenswert ohne Rechtsgrund. Denn im Innenverhältnis steht der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied nur in Höhe der Haftungshöchstsumme ein Ersatzanspruch zu. Hinsichtlich des Vermögenswerts der darüberhinausgehenden Befreiung von der Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Gläubiger tritt bei der Gesellschaft eine Bereicherung ein, die im Rahmen der Rückgriffskondiktion vom Vorstandsmitglied abgeschöpft werden kann. In Abgrenzung zur conditio indebiti handelt es sich bei der Zahlung des Vorstandsmitglieds nicht um eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens der Gesellschaft. Vielmehr leistet das Vorstandsmitglied die Zahlung gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger nur, um den im Verhältnis zum Gläubiger unbegrenzten Haftungsanspruch der Gesellschaft zu erfüllen. Im Verhältnis zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft gilt die Begrenzung durch die Haftungshöchstsumme jedoch weiterhin, sodass hinsichtlich des die Haftungshöchst761 Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 273 f.; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 556, 565. 762 So speziell zum pflichtengebundenen Geschäftsführer BGH, Urt. v. 21.10.2003, (X ZR 66/01), NJW-RR 2004, 81, 82 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Mansel, in: Jauernig, § 677 Rn. 4; Sprau, in: Palandt, § 677 Rn. 7. 763 Vgl. die Nachweise in der vorstehenden Fn. 764 So Schubert, AcP 178 (1978), 425, 435 f.; ders., NJW 1978, 687, 688; Medicus, FamRZ 1971, 250, 251.
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summe übersteigenden Betrags in diesem Verhältnis eine Zahlung auf eine fremde Schuld erfolgt. In der Regel wird sich jedoch ein Anspruch – egal ob bereicherungsrechtlicher Art oder aus berechtigter GoA – aus praktischer Sicht als weitestgehend wertlos erweisen. Denn sofern die Gesellschaftsgläubiger bei der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen konnten (Voraussetzung des § 93 Abs. 5 AktG), wird auch das Vorstandsmitglied nur in den seltensten Fällen eine Befriedigung erlangen können.765 (3) Fälle alleiniger Verantwortlichkeit eines Vorstandsmitglieds gegenüber Dritten Aufgrund von § 31 BGB sind an sich so gut wie keine Fälle denkbar, in welchen ein Vorstandsmitglied in Ausübung seiner Vorstandstätigkeit einen Schaden verursacht, für den er im Außenverhältnis allein verantwortlich ist. Jedoch ist es ohne weiteres denkbar, dass gegenüber einem Vorstandsmitglied eine Geldbuße verhängt wird, für die nur das Vorstandsmitglied persönlich verantwortlich ist. In den Fällen der alleinigen Verantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds besteht kein gesetzlicher Freistellungsanspruch gegenüber der Gesellschaft – jedenfalls, wenn das die Verantwortlichkeit begründende Verhalten auch gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist. Mithin stellt sich die Frage, ob in der Satzung ein Freistellungsanspruch wirksam verankert werden darf. c) Satzungsmäßige Freistellung von Ersatzansprüchen Dritter aa) Ausgangspunkt Soweit eine satzungsmäßige Freistellung der Vorstandsmitglieder von Ersatzansprüchen Dritter nicht über die vorstehend geschilderten gesetzlichen Freistellungsansprüche hinausgeht, bestehen gegenüber einer solchen Satzungsgestaltung keine Bedenken. Vielmehr stellt die Satzungsbestimmung in diesem Fall nur eine deklaratorische Bestimmung dar. Eine andere Frage ist es jedoch, ob Vorstandsmitglieder auch von solchen Ansprüchen Dritter durch eine Satzungsbestimmung freigestellt werden können, für die kein gesetzlicher Freistellungsanspruch besteht. Dies betrifft – wie erläutert – bei Existenz einer Haftungshöchstsumme die Fälle, in welchen keine gesamtschuldnerische Haftung von Vorstand und Gesellschaft besteht und auch kein Fall des § 93 Abs. 5 AktG gegeben ist. 765 Vgl.
Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 346.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
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Ein zwingender Ausschluss einer satzungsmäßigen Freistellung von Ansprüchen Dritter ist jedenfalls für vorsätzlich durch ein Vorstandsmitglied begründete Haftungsansprüche gegeben. Würde eine Freistellung auch für derartige Ansprüche erfolgen, käme es dazu, dass sich eine Aktiengesellschaft bereits im Voraus der vorsätzlich begründeten Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begibt. Dies verträgt sich nicht mit der Bestimmung des § 276 Abs. 3 BGB.766 Ferner ist auch eine im Voraus erteilte satzungsmäßige Freistellung von Bußgeldern und Geldstrafen unzulässig.767 Dies gilt jedenfalls, wenn die das Bußgeld oder die Geldstrafe begründende Handlung des Vorstandsmitglieds noch nicht erfolgt ist. Eine solche auf Bußgelder und Geldstrafen bezogene Freistellungszusage ist entweder nach § 134 BGB oder gemäß § 138 BGB unwirksam.768 An § 134 BGB scheitert eine vorherige Übernahmezusage, sofern sie im Einzelfall eine Beihilfe- oder Anstiftungshandlung zur vorsätzlichen Haupttat darstellt.769 Ansonsten folgt die Unwirksamkeit aus § 138 BGB, weil eine vorherige Freistellungszusage dem Zweck von Straf- und Bußgeldvorschriften zuwiderläuft und geeignet ist, die Hemmschwelle des Organmitglieds herabzusetzen.770 Mithin ist nur zu untersuchen, ob außerhalb des straf- und bußgeldrelevanten Bereichs eine Freistellung der Vorstandsmitglieder von nicht vorsätzlich begründeten Ersatzansprüchen Dritter in der Satzung einer Aktiengesellschaft erfolgen kann. bb) Wohl allgemeine Ansicht Zwar wurde bisher – soweit ersichtlich – noch nicht konkret untersucht, ob eine derartige Freistellung der Vorstandsmitglieder von Ansprüchen Dritter durch eine Satzungsbestimmung erfolgen kann. Jedoch entspricht es der wohl allgemeinen Auffassung, dass Aktiengesellschaften ihre VorstandsmitPfeiffer, in: Soergel, § 276 Rn. 219 m.w.N. in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 72; Hasselbach/Seibel, GmbHR 2009, 354, 358; dies., AG 2008, 770, 775; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 95; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 356; Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch GmbHGeschäftsführung, § 29 Rn. 35. 768 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 72; Hasselbach/Seibel, GmbHR 2009, 354, 358; dies., AG 2008, 770, 775; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 95. 769 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 72; Hasselbach/Seibel, GmbHR 2009, 354, 358; dies., AG 2008, 770, 775; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 95; Ziemons, in: Oppenländer/Trölitzsch GmbH-Geschäftsführung, § 29 Rn. 35. 770 BAG, Urt. v. 25.1.2001, (8 AZR 465/00), NJW 2001, 1962, 1963; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 72; Hasselbach/Seibel, GmbHR 2009, 354, 358; dies., AG 2008, 770, 775; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 95. 766 Vgl.
767 Fleischer,
196 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
glieder nicht im Innenverhältnis von Ansprüchen gegenüber Dritten im Voraus freistellen dürfen, wenn die den Anspruch des Dritten begründende Handlung des Vorstandsmitglieds auch gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist.771 Zur Begründung wird überwiegend darauf verwiesen, dass Freistellungsvereinbarungen an § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zu messen seien und sie diesen Anforderungen nicht gerecht würden.772 Daraus wird man folgern können, dass nach wohl allgemeiner Ansicht derartige satzungsmäßige Freistellungsvereinbarungen an § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG scheitern sollen, da sie nach dieser Sichtweise der zwingenden Regelung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG widerstreiten. cc) Stellungnahme und eigene Ansicht Mit den im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Ergebnissen ist der bisher allgemeinen Sichtweise entgegenzutreten. Auch wenn das den Anspruch des Dritten begründende Vorstandshandeln gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist, darf eine Aktiengesellschaft ihre Vorstandsmitglieder von im Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit begründeten Ansprüchen Dritter freistellen. Eine satzungsmäßige Freistellung kollidiert nicht mit den vom Gesetzgeber mit der Norm des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG verfolgten Zwecken. Die im Rahmen dieser Arbeit im Zusammenhang mit der Abhandlung der Vereinbarkeit von Haftungshöchstsummen mit den Schutzzwecken des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erfolgte Argumentation773 gilt für eine satzungsmäßige Freistellung entsprechend. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf die dort zu findende ausführliche Begründung verwiesen. Auch der BGH hat in seinem Urteil vom 8.7.2014774 eine im Voraus von der Gesellschaft gegenüber einem Vorstandsmitglied erteilte Freistellungszusage an dem in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG enthaltenen Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung gemessen. Aus diesem Urteil ergibt sich nicht, dass eine satzungsmäßige Freistellung unzulässig ist. 771 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 138; Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 100 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 68; ders., WM 2005, 909, 916; Hopt/ Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 680; Kort, in: Großkomm AktG, § 84 Rn. 399; Marsch-Barner, in: HdB Managerhaftung, § 17 Rn. 28 f.; Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 84 Rn. 94 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 84 Rn. 98; wohl auch Weber, in: Hölters, § 84 Rn. 51; Zimmermann, DB 2008, 687, 690 f. 772 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 68; ders., WM 2005, 909, 916; Kort, in: Großkomm AktG, § 84 Rn. 399; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 84 Rn. 94; Spindler, in: MüKo-AktG, § 84 Rn. 98; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 680; Weber, in: Hölters, § 84 Rn. 51; Zimmermann, DB 2008, 687, 690 f. 773 Siehe hierzu Teil 3 D. II. 6. b). 774 BGH, Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), ZIP 2014, 1729 ff.
D. Begrenzung der Vorstandshaftung
197
Vielmehr hat der BGH in dem besagten Urteil entschieden, dass eine gegenüber einem Vorstandsmitglied verhängte Geldbuße, die durch ein Verhalten des Vorstands begründet wurde, das auch gegenüber der Aktiengesellschaft pflichtwidrig war, nur von der Gesellschaft wirksam übernommen werden kann, wenn die Hauptversammlung der Übernahme zustimmt.775 Zur Herleitung des Zustimmungserfordernisses hat sich der BGH – wie erwähnt – auf eine entsprechende Heranziehung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG gestützt.776 Die vom BGH für erforderlich gehaltene Zustimmung der Hauptversammlung ist bei einer satzungsmäßigen Freistellung gegeben. Die Hauptversammlung muss der Einführung einer solchen Freistellung zustimmen und dies sogar mit höherem Zustimmungsquorum (mit drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, § 179 Abs. 2 AktG) als es nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erforderlich ist (einfache Stimmenmehrheit, § 133 Abs. 1 AktG). Hinzu kommt, dass der BGH in dem besagten Urteil über eine im Voraus erfolgte Freistellungsvereinbarung für eine möglicherweise in der Zukunft gegenüber einem Vorstandsmitglied verhängbare Geldbuße zu befinden hatte.777 Lediglich die das Bußgeld begründende Handlung des Vorstandsmitglieds war bereits erfolgt. Grundsätzliche Bedenken gegenüber einer solchen im Voraus erfolgenden Freistellung hat der BGH nicht geäußert. Dies hätte aber – auch wenn die Freistellung in dem vom BGH zu entscheidenden Fall bereits mangels Hauptversammlungszustimmung unwirksam war – angesichts der 3-Jahres-Frist des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nahe gelegen, da der BGH die besagte Bestimmung schon zur Begründung des Zustimmungs erfordernisses fruchtbar gemacht hatte. Dass der BGH insofern keine Bedenken geäußert hat, deckt sich voll und ganz mit den im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Ergebnissen. Weder eine satzungsmäßige, im Voraus gewährte Haftungshöchstsumme noch eine satzungsmäßige, im Voraus gewährte Freistellung kollidiert mit dem Schutzzweck der 3-Jahres-Frist des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Für satzungsmäßige Haftungshöchstsummen wurde dies bereits ausführlich an anderer Stelle in dieser Arbeit begründet.778 Die Argumentation gilt insoweit entsprechend für eine satzungsmäßige Freistellung. Entsprechend der für Haftungshöchstsummen entwickelten Grenzen ist aber auch bei satzungsmäßigen Freistellungen zwingend zu gewährleisten, dass ein Vorstandsmitglied mindestens für eineinhalb feste Jahresgehälter 775 BGH,
Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), ZIP 2014, 1729 Tz. 17 ff. Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), ZIP 2014, 1729 Tz. 17 ff. 777 BGH, Urt. v. 8.7.2014 (II ZR 174/13), ZIP 2014, 1729 Tz. 1 ff. 778 Siehe dazu bereits Teil 3 D. II. 6. b). 776 BGH,
198 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
haftet. Die Wertung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG ist auch hier zur Aufrechterhaltung der verhaltenssteuernden Funktion maßgebend. Nur für den Teil, der die eineinhalbfache feste Jahresvergütung eines Vorstandsmitglieds übersteigt, darf daher eine satzungsmäßige Freistellung der Vorstandsmitglieder von Ersatzansprüchen Dritter gewährt werden.
III. Ergebnisse zur Vereinbarkeit satzungsmäßiger Haftungshöchstsummen mit dem Aktiengesetz Die Untersuchung hat ergeben, dass eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme mit den Normen des Aktiengesetzes vereinbar ist, sofern eine Mindesthaftung eines jeden Vorstandsmitglieds für das Eineinhalbfache seiner festen Jahresvergütung gewährleistet ist. Eine solche Haftungshöchstsumme weicht nicht i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG von § 93 AktG ab. Wird eine Haftungshöchstsumme wirksam beschlossen, kommt es lediglich zu einer Abweichung von den – § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ergänzenden – disponiblen Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB. Die Disponibilität der §§ 249 ff. BGB findet nur in Anlehnung an § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG – zur Gewährleistung der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung – bei der eineinhalb fachen festen Jahresvergütung eines Vorstandsmitglieds ihre Grenzen. Damit wird die Bestimmung des § 93 AktG durch die Haftungshöchstsumme i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzt. § 93 AktG ist keine derartig abschließende Regelung zu entnehmen, die einer Ergänzung des Aktiengesetzes bzw. speziell des § 93 i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG entgegen stünde. Insbesondere stehen auch nicht die Schutzzwecke des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG noch die Bestimmungen des § 93 Abs. 5 AktG einer derartigen Haftungshöchstsumme entgegen. Mit Ausnahme der Haftung für vorsätzliche Pflichtverletzungen kann die Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft daher durch eine Haftungshöchstsumme in der Satzung wirksam beschränkt werden. Eine satzungsmäßige Freistellung der Vorstandsmitglieder von Ersatzansprüchen Dritter, die im Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit begründet wurden, ist ebenfalls zulässig, sofern sie sich nur auf den Teil des Ersatzanspruchs eines Dritten erstreckt, der den Betrag von eineinhalb festen Jahresgehältern eines Vorstandsmitglieds übersteigt (Wertung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG). Dabei ist es unschädlich, wenn das die Haftung gegenüber dem Dritten begründende Vorstandshandeln auch gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist. Nicht erstrecken darf sich eine satzungsmäßige Freistellung der Vorstandsmitglieder jedoch auf den straf- und bußgeldrelevanten Bereich sowie auf vorsätzlich begründete Haftungsansprüche. Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme sowie eine satzungsmäßige Freistellung von Ersatzansprüchen Dritter muss – wie jede Satzungsände-
E. Gestaltung einer Haftungshöchstsumme
199
rung – nach § 179 Abs. 2 AktG von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals beschlossen werden.
E. Gestaltung einer Haftungshöchstsumme (und einer Freistellungsklausel) unter Berücksichtigung des verhaltenssteuernden Aspekts I. Ausgangspunkt Bei der konkreten Ausgestaltung einer Haftungshöchstsumme und einer korrespondierenden Freistellungsvereinbarung von Ersatzansprüchen Dritter geht es im Wesentlichen um die Entscheidung über eine möglichst effiziente Bewältigung der Principal-Agent-Problematik. Nach der sogenannten Agen cy-Theorie besteht die Gefahr, dass der Agent (hier der Vorstand) seinen Handlungsspielraum als eigennützig handelndes Wirtschaftssubjekt im eigenen Interesse nutzen wird und bei seiner Entscheidung die Interessen der Prinzipale (hier der Aktionäre) nicht hinreichend berücksichtigt.779 Bewältigen lässt sich dieses Problem bei fremdnützigem Handeln vor allem durch eine Schaffung von Anreizen, die einen weitgehenden Interessengleichlauf zwischen Agent und Principal ermöglichen. Neben der Haftung, die einen Anreiz zu pflichtkonformem Verhalten schafft, stellt die Vergütung eine Stellschraube dar, mit welcher bei sachgerechter Ausgestaltung ein zumindest teilweiser Interessengleichlauf zwischen den Vorstandsmitgliedern und den Aktionären geschaffen werden kann. Um Anreize für erfolgreiches unternehmerisches Handeln und / oder eine Steigerung des Unternehmenswertes zu schaffen, erhalten Vorstandsmitglieder üblicherweise neben einem festen Vergütungsbestanteil einen am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft oder an ihrem Aktienkurs zu bemessenden variablen Vergütungsanteil. Es lässt sich mithin sagen, dass die Vorstandshaftung und die Vergütung ein Bonus und Malussystem zur möglichst weitgehenden Gleichschaltung der Interessen schaffen kann. Völlig zu Recht hat daher Scholz darauf hingewiesen, dass man sich die „Vergütung und [das] Haftungsrisiko als ein System kommunizierender Röhren vorstellen“ muss.780 Zur Schaffung einer die Interessen der Aktionäre und des Vorstands möglichst weitgehend gleichschaltenden Anreizstruktur erscheint es als erforder779 Zur Agency-Theorie siehe Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 13 ff. m.w.N. 780 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 242.
200 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
lich, eine Haftungshöchstsumme dahin auszugestalten, dass sie stets in einem angemessenen Verhältnis zur Vergütungshöhe steht. Denn je höher eine etwaige Entlohnung ausfällt, desto höher sollte auch die Haftungsgefahr bei einem Fehlverhalten sein.781 Aus dieser Feststellung lässt sich zugleich schließen, dass bestimmte Gestaltungsvarianten einer Haftungshöchstsumme gegenüber anderen zu bevorzugen sind.
II. Keine Deckelung der Haftung auf einen absoluten Betrag So ist eine Deckelung der Haftung auf einen absoluten Betrag – wie sie etwa § 323 Abs. 2 HGB vorsieht – nicht zu befürworten. Mangels Möglichkeit zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Vergütungshöhe von Vorstandsmitgliedern ist sie als Steuerungselement zu unpräzise.782 Zudem müsste der absolute Betrag stets so gewählt werden, dass er das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung des am besten verdienenden Vorstandsmitglieds übersteigt.
III. Keine Bemessung der Höchstsumme am Vermögen der Vorstandsmitglieder Eine Bemessung der Haftungshöchstsumme am Vermögen des jeweiligen Vorstandsmitglieds – beispielsweise durch Angabe eines bestimmten Prozentsatzes – kann ebenfalls nicht befürwortet werden. Insbesondere wenn Vorstandsmitglieder über ein hohes Vermögen verfügen, haben sie bei solch einer Regelung viel zu verlieren. Die Gefahr von risikoaversem Verhalten könnte bei diesen Vorstandsmitgliedern nicht wirklich verringert werden. Ferner birgt eine solche Gestaltung ganz erhebliche praktische Probleme. Der Aufsichtsrat müsste vor einer Inanspruchnahme stets einen erheblichen Aufwand betreiben, um das Vermögen des Vorstandsmitglieds zu ermitteln.783 Zudem bestünden starke Anreize zu Vermögensverschiebungen auf nahestehende Dritte.784
Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224. Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 361. 783 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 361 f. 784 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 361 f. 781 Vgl.
782 Ebenso
E. Gestaltung einer Haftungshöchstsumme
201
IV. Bemessung der Höchstsumme an der Gesamtvergütung des jeweiligen Vorstandsmitglieds Auch wenn es in Anlehnung an § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG auf den ersten Blick nahe liegt, den festen Vergütungsbestandteil des Vorstands als Bezugspunkt für die Ausgestaltung des Selbstbehalts zu wählen, erscheint es demgegenüber als vorzugswürdig, die Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds als Ausgangspunkt für die Gestaltung einer Haftungshöchstsumme zu wählen. Insbesondere wenn der fixe Vergütungsbestanteil gering ausfällt und die in Aussicht stehende variable Vergütung dem Umfang nach hoch ist und durch die Setzung geringer Zielvorgaben schnell erreicht wird, vermag es nicht recht einzuleuchten, warum die Haftungshöchstsumme sich nur an dem festen Vergütungsbestanteil orientieren soll. Zur Schaffung eines ausgeglichenen Chancen- und Risikoverhältnisses und zur möglichst weitgehenden Gleichschaltung der Aktionärs- und Vorstandsinteressen sollte die Haftungshöchstsumme durch die Angabe eines Multiplikators der durchschnittlichen Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds festgesetzt werden. Mit der Anknüpfung an die Gesamtvergütung lässt sich eine Korrelation von Verantwortung und Gehalt bzw. Leistungsfähigkeit herstellen.785 Etwa ließe sich daran denken, die Haftungshöchstsumme auf das Eineinhalbfache der durchschnittlichen Gesamtvergütung eines jeden Vorstandsmitglieds zu begrenzen. Damit wäre gewährleistet, dass der Vorstand stets mit einem im Vergleich zu seinen Verdienstmöglichkeiten substantiellen Ausmaß haften muss. Auch würde einem etwaigen Gehaltsgefälle zwischen den einzelnen Vorstandsmitgliedern Rechnung getragen. Gewiss könnte auch ein höherer Multiplikator gewählt werden. Jedoch muss insoweit davor gewarnt werden, über das Ziel hinaus zu schießen. Führt man sich vor Augen, dass ein Vorstandsmitglied angesichts des regelmäßig für ihn maßgeblichen Spitzensteuersatzes, bereits bei einem Multiplikator von „eineinhalb“ drei Jahre lang sein volles Gehalt zur Seite legen muss, wird deutlich, dass selbst niedrige Multiplikatoren eine substanzielle Haftung gewährleisten. Die während der drei Jahre anfallenden Lebenshaltungskosten sind bei dieser Berechnung noch nicht berücksichtigt. Will man die Haftung von Vorstandsmitgliedern tatsächlich entschärfen, darf kein zu hoher Multiplikator gewählt werden. Jedenfalls, wenn keine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Vorstands gegeben ist, sollte zur Vermeidung von zu hohen Anreizen für risikoaverses Verhalten ein Multiplikator von eineinhalb nicht überschritten werden.
785 So
auch Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224.
202 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
Denkbar erscheint es auch, nur die einfache jährliche Gesamtvergütung des Vorstands als Haftungshöchstsumme festzusetzen. Eine solchermaßen begrenzte Haftung ist nicht von unerheblichem Ausmaß. Um der verhaltenssteuernden Wirkung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gerecht zu werden, bedarf es dann aber des Zusatzes, dass die einfache jährliche Gesamtvergütung durch das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung als Haftungshöchstsumme ersetzt wird, wenn die jährliche Gesamtvergütung kleiner als das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung ist.
V. Trotz rechtlicher Zulässigkeit keine Beschränkung der Haftung wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung Zwar konnte in dieser Arbeit belegt werden, dass eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme aus rechtlicher Sicht auch auf grob fahrlässige Pflichtverletzungen erstreckt werden darf.786 Jedoch bedeutet dies nicht zugleich, dass die Aktionäre von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen sollten. Eine Enthaftung der Vorstandsmitglieder für schlechterdings unentschuldbares Verhalten erscheint nicht als erforderlich, sondern sogar im Gegenteil als unangebracht.787 Für derartig schwerwiegende und auch subjektiv nicht entschuldbare Pflichtverletzungen ist es nicht ersichtlich, warum eine Entlastung von der umfänglichen Haftung (bereits im Voraus) erfolgen sollte. Wollen die Aktionäre gleichwohl die Haftung auch für grob fahrlässige Pflichtverletzungen der Höhe nach einschränken, ist jedenfalls zu empfehlen, für grob fahrlässige Pflichtverletzungen eine deutliche höhere Haftungshöchstsumme festzuschreiben als für mit leichter oder mit mittlerer Fahrlässigkeit begangene Pflichtverletzungen.
VI. Formulierungsvorschlag für eine in der Satzung geregelte Haftungshöchstsumme und eine korrespondierende Freistellungsklausel (1) Im Rahmen der Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ist der maximal von einem Vorstandsmitglied ersatzfähige Schaden bei Pflichtverletzungen, die nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wurden, abwei786 Dazu
bereits Teil 3 D. II. 7. b). ebenso Bachmann, Gutachten E 70. DJT, S. 60 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 642; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 780; Spindler, AG 2013, 889, 896; hierzu auch schon unter Teil 2 A. III.; dort auch zur Entkräftung der Argumente der Gegenauffassung. 787 Wohl
E. Gestaltung einer Haftungshöchstsumme203
chend von den §§ 249 ff. BGB auf einen Betrag beschränkt, der die eineinhalbfache jährliche Gesamtvergütung dieses Vorstandsmitglieds nicht überschreitet. (2) Zur Berechnung der jährlichen Gesamtvergütung ist die durchschnittliche Vergütung dieses Vorstandsmitglieds seit seiner letzten Bestellung maßgebend. Der Wert etwaiger seit der letzten Bestellung in diesem Zeitraum erworbener Pensionszusagen und sonstiger vermögenswerter Leistungen der Gesellschaft ist auf die Amtszeit seit seiner letzten Bestellung verteilt in Anrechnung zu bringen. (3) Die Haftungshöchstsumme findet auf die Haftung nach § 93 Abs. 3 AktG und nach § 93 Abs. 5 Satz 1, 2 AktG keine Anwendung. Keine Anwendung findet die Haftungshöchstsumme auch auf solche Ansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, die bereits zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieser Satzungsbestimmung entstanden waren. (4) Die Gesellschaft stellt ein jedes Vorstandsmitglied für den Teil von Schadensersatzansprüchen Dritter frei, der die eineinhalbfache jährliche Gesamtvergütung des jeweiligen Vorstandsmitglieds überschreitet. Die vorgenannte Freistellung erstreckt sich nur auf Ansprüche, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds durch eine weder vorsätzliche noch grob fahrlässige Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds begründet wurden. Ein Vorstandsmitglied hat keinen Freistellungsanspruch für gegenüber ihm persönlich verhängte Geldbußen und / oder Geldstrafen. Die Ansprüche der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft nach §§ 675 Abs. 1, 670 BGB bleiben von der vorstehenden Regelung unberührt. Zu Absatz 2 des Formulierungsvorschlags ist anzumerken, dass Vorstandsmitglieder oftmals hohe Pensionszusagen von der Gesellschaft erhalten und / oder einen Dienstwagen bzw. sonstige vermögenswerte Leistungen zur Verfügung gestellt bekommen. Da auch diese Leistungen einen Vergütungscharakter haben, sollten auch sie bei der Bemessung der Haftungshöchstsumme Berücksichtigung finden. Die Berechnung der durchschnittlichen Gesamtvergütung seit der letztmaligen Bestellung ist der Bezugnahme auf die Gesamtvergütung des letzten Jahres vorzuziehen. Denn ein längerer Berechnungszeitraum ermöglicht – in Anbetracht der schwankenden variablen Vergütung – eine weniger zufällige Abbildung der tatsächlichen Gesamtvergütung. Hinzu kommt, dass oftmals die Gesamtvergütung gerade dann geringer ausfallen wird, wenn der Vorstand eine Pflichtverletzung mit erheblichem Ausmaß begangen hat. In diesem Fall werden die für die variable Vergütung vereinbarten Zielmarken regelmäßig nicht erreicht. Es wäre widersprüchlich, wenn dann ausgerechnet
204 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
diese niedrige Gesamtvergütung als Bezugspunkt gewählt würde. Dem Vorstandsmitglied käme seine Pflichtverletzung dann sogar zugute, weil der maximale Haftungsbetrag entsprechend geringer ausfallen würde.
VII. Fazit hinsichtlich der Gestaltung einer Haftungshöchstsumme und einer korrespondierenden Freistellung Die Festsetzung einer Haftungshöchstsumme und einer korrespondierenden Freitstellung der Vorstandsmitglieder von Ersatzansprüchen Dritter sollte nicht in Form eines absoluten Höchstbetrags und auch nicht durch Bezugnahme auf das Vermögen eines Vorstandsmitglieds erfolgen. Eine alleinige Orientierung an der festen jährlichen Vergütung eines jeden Vorstandsmitglieds konnte ebenfalls nicht als bestmöglicher Bezugspunkt identifiziert werden. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die Anknüpfung an die Gesamtvergütung eines jeden Vorstandsmitglieds geeignet ist, eine wünschenswerte Korrelation von Verantwortung, Gehalt und Leistungsfähigkeit herzustellen. Dementsprechend lässt sich etwa eine Festsetzung der Haftungshöchstsumme und der korrespondierenden Freistellung auf die eineinhalbfache durchschnittliche jährliche Gesamtvergütung des jeweiligen Vorstandsmitglieds erwägen. Es kann jedoch auch ein höherer Multiplikator der Gesamtvergütung gewählt werden. Auch wenn die Erstreckung einer Haftungshöchstsumme auf grob fahrlässige Pflichtverletzungen rechtlich zulässig ist, sollten die Aktionäre von einer derartig umfänglichen Haftungsbegrenzung absehen. Vielmehr sollten sowohl eine Haftungshöchstsumme als auch eine korrespondierende Freistellung der Vorstandsmitglieder von Ersatzansprüchen Dritter nur für Pflichtverletzungen unterhalb der Schwelle der groben Fahrlässigkeit in der Satzung verankert werden.
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung und die gesamtschuldnerische Haftung Abschließend gilt es zu untersuchen, welche Auswirkungen eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme auf eine D&O-Versicherung und die gesamtschuldnerische Haftung des Vorstands hat.
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung 205
I. Satzungsmäßige Haftungshöchstsumme und D&O-Versicherung Hat eine Aktiengesellschaft für ihre Vorstandsmitglieder eine D&O-Versicherung abgeschlossen, muss vermieden werden, dass die Versicherung durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme von ihrer Deckungspflicht befreit wird. Dies ist insofern denkbar, als die Versicherung an die Haftung des Vorstands anknüpft. Eine Befreiung von der Deckungspflicht wäre insbesondere deswegen misslich, weil eine D&O-Versicherung auch dazu dient, das Gesellschaftsvermögen gegen den Ausfall der Vorstandsmitglieder abzusichern.788 Eine mögliche Deckungsbefreiung der D&O-Versicherung ist jedoch durch eine Klausel in der Satzungsbestimmung zur Haftungshöchstsumme vermeidbar. Denn die Anwendbarkeit der Haftungshöchstsumme kann ohne weiteres auf Fälle beschränkt werden, in welchen die D&O-Versicherung nicht oder nur teilweise eingreift.789 Da die Vorstandsmitglieder bei einer Einstandspflicht der D&O-Versicherung einen Freistellungsanspruch gegenüber dieser haben, droht ihnen insoweit keine existenzvernichtende Haftung. Beispielsweise könnte der bereits unterbreitete Formulierungsvorschlag für eine Satzungsbestimmung790 um einen Absatz mit der nachfolgenden Regelung ergänzt werden: (5) Die vorstehenden Regelungen finden keine Anwendung, wenn eine D&O-Versicherung für die Vorstandsmitglieder abgeschlossen wurde, die den entstandenen Schaden vollständig deckt. Wird der Schaden angesichts der begrenzten Deckungssumme, des vereinbarten Selbstbehalts oder aus sonstigen Gründen nur teilweise von der Versicherung gedeckt, kommt die Haftungshöchstsumme für denjenigen Teil des Schadens zum Tragen, der nicht von der D&O-Versicherung zu begleichen ist. Soweit das Vorstandsmitglied im Rahmen des Selbstbehalts in Anspruch genommen wurde, ist der Selbstbehalt in der Höhe der Inanspruchnahme auf die Haftungshöchstsumme anzurechnen. Selbstverständlich kann sich die Gesellschaft auch dazu entscheiden, durch die Bildung von Rücklagen selbst für etwaige Schäden vorzusorgen und die D&O-Versicherung zu kündigen. Allerdings ist diesbezüglich insofern Vorsicht geboten, als dem hinreichend bestimmte D&O-Verschaffungsklauseln 788 Vgl. Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 242; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 332. 789 Wohl ebenso Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 780, allerdings auf die Schaffung einer Haftungsbegrenzung de lege ferenda bezogen. 790 Siehe dazu Teil 3 E. VI.
206 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
in den Anstellungsverträgen der Vorstandsmitglieder entgegenstehen können. D&O-Versicherungen sichern auch die Außenhaftung des Vorstands ab.791 Die Außenhaftung bleibt aber – wie erläutert792 – von einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme unberührt, sodass eine D&O-Versicherung durchaus noch eine Daseinsberechtigung für die Vorstandsmitglieder bzw. die Gesellschaft haben wird.793
II. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf die gesamtschuldnerische Haftung 1. Ausgangspunkt Wird ein Schaden von mehreren Vorstandsmitgliedern in pflichtwidriger Art und Weise verursacht, sind alle am Verstoß beteiligten Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zur gesamtschuldnerischen Haftung verpflichtet. Die Gesellschaft darf sich daher nach § 421 Satz 1 BGB ein Vorstandsmitglied aussuchen und gegenüber diesem den gesamten Schaden geltend machen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Vorstandsmitglied im Vergleich zu den anderen pflichtwidrig Handelnden die Hauptverantwortung trägt oder ob es nur in einem ganz geringen Ausmaß für den Schaden verantwortlich ist. Voraussetzung ist lediglich, dass überhaupt eine Verantwortlichkeit des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds besteht.794 Im Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander besteht zwar nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (soweit nichts anderes bestimmt ist) eine Verantwortlichkeit zu gleichen Anteilen. Eine andere Bestimmung ergibt sich jedoch regelmäßig aus der Ressortverteilung in einem mehrgliedrigen Vorstand. Denn das ressortverantwortliche Vorstandsmitglied trifft im Vergleich zu seinen Vorstandskollegen eine höhere795, wenn nicht gar die alleinige796 Verhierzu Ihlas, D&O, S. 250 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 241. bereits Teil 3 D. II. 6. c). 793 Allerdings werden D&O-Versicherungen schätzungsweise nur in 20 % aller Versicherungsfälle wegen Außenhaftungsansprüchen in Anspruch genommen. 794 Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 35 ff. 795 Keine alleinige Verantwortlichkeit von ressortzuständigen Vorstandsmitgliedern wird von Brommer, AG 2013, 121, 130; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 465; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 57 und wohl auch Mertens/Cahn, in: KKAktG, § 93 Rn. 50 angenommen. 796 Eine alleinige Verantwortung des ressortzuständigen Vorstandsmitglieds wird von Guntermann, AG 2017, 606, 607; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 252 (zur GmbH), Thümmel, Haftung von Managern, Rn. 66 und von Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 164 f. bejaht. 791 Siehe 792 Dazu
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung 207
antwortung (§ 254 BGB).797 Eine unterschiedliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder wird daher eher die Regel als die Ausnahme sein. Den untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitgliedern steht daher ein Regressanspruch gegenüber dem Hauptverantwortlichen nach § 426 BGB zu. Existiert eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme, entfaltet diese grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen dem einzelnen Vorstandsmitglied und der Gesellschaft ihre Wirkung.798 Die Inanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds durch die Gesellschaft ist daher auf den in der Satzung für dieses Vorstandsmitglied bestimmten Höchstbetrag begrenzt. Erfüllt das Vorstandsmitglied den durch die Haftungshöchstsumme begrenzten Anspruch, werden damit weder die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den übrigen Vorstandsmitgliedern vollständig erfüllt noch werden die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern erlassen. Vielmehr tritt nur in Höhe des tatsächlich geleisteten Betrags Erfüllung ein. Ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter (Teil-)Erlass wirkt nach § 423 BGB für die übrigen Schuldner nur dann, wenn die Vertragschließenden das Schuldverhältnis insoweit aufheben wollten.799 Es bedarf besonderer Anhaltspunkte dafür, dass die Befreiung eines Schädigers (hier des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds) einen Vertrag zugunsten der anderen Gesamtschuldner darstellen soll.800 Derartige Anhaltspunkte sind bei Existenz einer Haftungshöchstsumme nicht gegeben. Zur Illustration der vorstehenden Ausführungen dient nachfolgendes Beispiel: A, B und C sind Vorstandsmitglieder der X-AG. Vorstandsmitglied A hat leicht fahrlässig einen Schaden in Höhe von 20 Mio. € durch eine in sein Ressort fallende pflichtwidrige Entscheidung verursacht. Die übrigen Vorstandsmitglieder trifft hinsichtlich der Schadensentstehung ein ebenfalls als leicht fahrlässig einzuordnendes Überwachungsverschulden. Die Satzung der X-AG sieht eine Haftungshöchstsumme für weder mit grober Fahrlässigkeit noch mit Vorsatz begangene Pflichtverletzungen vor, nach welcher ein jedes Vorstandsmitglied bis zur Höhe des Eineinhalb797 Zur Maßgeblichkeit des § 254 BGB siehe Brommer, AG 2013, 121, 130; Hopt/ Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 465; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 57; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 50; Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 148 ff. 798 Vgl. BGH, Urt. v. 3.2.1954 (VI ZR 153/52), BGHZ 12, 213, 217 f.; Guntermann, AG 2017, 606, 611 f.; Gebauer, in: Soergel, § 426 Rn. 43. 799 BGH, Urt. v. 27. 2 1989 (II ZR 182/88), NJW 1989, 2386, 2387; BGH, Urt. v. 21.3.2000 (IX ZR 39/99), NJW 2000, 1942, 1943; vgl. auch Bydlinski, in: MüKoBGB, § 423 Rn. 2 f.; Gebauer, in: Soergel, § 423 Rn. 1; Looschelders, in: Staudinger, § 423 Rn. 22 ff.; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S. 70 f. 800 BGH, Urt. v. 21.3.2000 (IX ZR 39/99), NJW 2000, 1942, 1943; BGH, Urt. v. 27.2.1989 (II ZR 182/88), NJW 1989, 2386, 2387.
208 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung fachen seiner jährlichen Gesamtvergütung haftet. Danach beträgt der Haftungshöchstbetrag aller Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft jeweils 1,5 Mio. €. Verhältnis der Gesellschaft zu den Vorstandsmitgliedern: Nimmt die X-AG das Vorstandsmitglied A in Höhe von 1,5 Mio. € in Anspruch, wird der im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied A bestehende Anspruch durch die Zahlung des A vollständig erfüllt. Da der Gesellschaft aber nach der Zahlung des A ein Schaden in Höhe von 18,5 Mio. € verbleibt, kann sie die Vorstandsmitglieder B und C ebenfalls in Höhe von jeweils 1,5 Mio. € in Anspruch nehmen.
Jedes Vorstandsmitglied haftet maximal in Höhe seiner individuellen Haftungshöchstsumme gegenüber der Gesellschaft. Es haftet nicht etwa auch gesamtschuldnerisch gegenüber der Gesellschaft für die Höchstsummen der anderen Organmitglieder. Ein Verstoß gegen die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung in § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ist darin nicht zu sehen. Zum einen erfolgt bis zur vereinbarten Haftungshöchstsumme auch gegenüber der Gesellschaft eine gesamtschuldnerische Haftung. Zum anderen werden die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass das Gesamtschuldverhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander völlig unabhängig von der Haftungshöchstsumme zur Entstehung gelangt. 2. „Gestörte Gesamtschuld“ durch Haftungshöchstsumme Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme stört das gesamtschuldnerische Haftungsverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft, wenn die Gesellschaft mehrere Vorstandsmitglieder im Rahmen der jeweiligen Haftungshöchstsumme in Anspruch nimmt. Denn gegenüber der Gesellschaft findet in diesem Fall – wie erläutert – keine die eigene Haftungshöchstsumme übersteigende gesamtschuldnerische Haftung der Vorstandsmitglieder statt. Mit Blick auf die Regressansprüche der untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder nach § 426 BGB stellt sich jedoch die Frage, zu wessen Lasten dieses „gestörte Gesamtschuldverhältnis“ aufzulösen ist.801 Denn auch wenn das hauptverantwortliche Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft nur im Rahmen der für ihn maßgeblichen Höchstsumme haftet, hat die Haftungshöchstsumme jedenfalls grundsätzlich keine Auswirkung auf das Ausgleichsverhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander.
801 Ausfühlich zur gestörten Gesamtschuld Looschelders, in: Staudinger, § 426 Rn. 175 ff. m.w.N.
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung 209
a) Keine Lösung zu Lasten der nicht hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieder Auf den ersten Blick könnte man daran denken, dass mangels Entstehung eines gesamtschuldnerischen Haftungsverhältnisses der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft, auch im Verhältnis der Organmitglieder untereinander kein Gesamtschuldverhältnis entsteht. Dies hätte zur Folge, dass den untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitgliedern keine Ansprüche nach § 426 BGB gegenüber dem hauptverantwortlichen Vorstandsmitglied zustünden und dies obwohl ohne Haftungshöchstsumme Gesamtschuldnerregressansprüche gegenüber dem Hauptverantwortlichen bestünden. Diese Lösung würde sich mithin zu Lasten der untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder auswirken und würde die im Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander bestehende Schadensverantwortlichkeit unberücksichtigt lassen. Ein jedes Vorstandsmitglied hätte höchstens für den seiner Haftungshöchstsumme entsprechenden Betrag einzustehen. Völlig zu Recht ist es heute jedoch allgemein anerkannt, dass eine nicht durch Gesetz angeordnete Haftungsbefreiung eines an sich gesamtschuldnerisch Haftenden nur das Verhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger berührt, das Gesamtschuldverhältnis der Schuldner untereinander aber hiervon unabhängig zur Entstehung gelangt.802 Würde auch das Gesamtschuldverhältnis der Schuldner untereinander tangiert, würden den untergeordnet verantwortlichen Schuldnern Regressansprüche ohne ihre Zustimmung entzogen. Eine derartige Regelung zu Lasten der anderen mithaftenden Schuldner ist ohne Zustimmung letzterer unwirksam.803 Allenfalls durch eine gesetzliche Freistellung eines Schädigers lässt sich eine solche Benachteiligung der anderen Schädiger rechtfertigen.804 Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme kommt durch einen Beschluss der Hauptversammlung nach § 179 AktG zustande. Auch wenn man Satzungsbestimmungen als objektive Normen der internen Organisationsverfas802 BGH, Urt. v. 3.2.1954 (VI ZR 153/52), BGHZ 12, 213, 217 ff.; BGH, Urt. v. 29.10.1968 (VI ZR 137/67), BGHZ 51, 37, 39 ff.; BGH, Urt. v. 9.3.1972 (VII ZR 178/70), BGHZ 58, 216, 220; Bydlinski, in: MüKo-BGB, § 426 Rn. 55 i. V. m. Rn. 60; Gebauer, in: Soergel, § 426 Rn. 42; Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 135; vgl. auch Bayer/Scholz, ZGR 2016, 619, 633. 803 BGH, Urt. v. 27. 2 1989 (II ZR 182/88), NJW 1989, 2386, 2387; BGH, Urt. v. 3.2.1954 (VI ZR 153/52), BGHZ 12, 213, 218 f.; BGH, Urt. v. 9.3.1972 (VII ZR 178/70), BGHZ 58, 216, 220; Bayer/Scholz, ZGR 2016, 619, 633; Gebauer, in: Soergel, § 426 Rn. 42; Hager, NJW 1989, 1640, 1643; Looschelders, in: Staudinger, § 426 Rn. 176; Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 135 f. 804 Dazu ausführlicher Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 135 f.; siehe auch Gebauer, in: Soergel, § 426 Rn. 42.
210 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
sung der Gesellschaft begreift,805 ändert dies nichts daran, dass die Einführung einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme auf einem Beschluss der Aktionäre basiert. Darin ist ein entscheidender Unterschied zu einer gesetz lichen Haftungsfreistellung zu sehen, bei der sich der Gesetzgeber unter wertender Betrachtung der betroffenen Interessen für eine Haftungsbefreiung entschieden hat. Nur aufgrund einer vom Gesetzgeber durchgeführten wertenden Betrachtung kann es aber als gerechtfertigt erscheinen, dass sich eine gesetzliche Haftungsbefreiung eines Schädigers im Binnenverhältnis zu Lasten mithaftender anderer Schädiger auswirkt. Anderweitig zustande gekommene Haftungsbefreiungen dürfen jedenfalls nicht ohne Zustimmung des Schädigers, in dessen Rechtskreis eingegriffen wird, gegenüber diesem Schädiger nachteilige Wirkungen entfalten. Da eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme keine gesetzliche Haftungsbefreiung darstellt, kann durch sie nicht zu Lasten der untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder, über die individuell wirkende Höchstsumme eines Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft hinaus, eine Befreiung des Hauptverantwortlichen von den Ansprüchen nach § 426 BGB erfolgen. Das Gesamtschuldverhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander wird daher durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme nicht tangiert. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass auch die untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder durch eine Haftungshöchstsumme ausschließlich begünstig werden. Denn sofern ein Vorstandsmitglied im Innenverhältnis allein für den Schaden verantwortlich ist, können die anderen Vorstandsmitglieder sämtliche gegenüber der Gesellschaft erbrachten Leistungen von dem Hauptverantwortlichen nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ersetzt verlangen. Im Ergebnis würden sie daher nach Durchführung des Gesamtschuldnerregresses nicht mal einen kleinen Betrag schultern, während sie bei Existenz einer Haftungshöchstsumme und Versagung des Anspruchs nach § 426 BGB den Betrag ihrer Haftungshöchstsumme – ohne einen Ersatzanspruch gegenüber dem Hauptverantwortlichen zu haben – an die Gesellschaft leisten müssten. Die Versagung eines Anspruchs nach § 426 BGB würde sie mithin schlechter stellen. Eine Lösung des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zu Lasten der nicht hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieder ist vor diesem Hintergrund abzulehnen.
805 Vgl. Arnold, in: KK-AktG, § 23 Rn. 8 f.; Körber, in: Bürgers/Körber, § 23 Rn. 4; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 3.
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung 211
b) Keine Lösung zu Lasten der Gesellschaft aa) Bedeutung Die Lösung des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zu Lasten der Gesellschaft würde dazu führen, dass es der Gesellschaft nach der Inanspruchnahme des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds im Rahmen der Haftungshöchstsumme verwehrt wäre, die übrigen Vorstandsmitglieder für den Verantwortungsanteil des Hauptverantwortlichen in Anspruch zu nehmen.806 Der Grundgedanke dieser Lösung ist, dass der vom Schadensfall unabhängigen Haftungshöchstsumme des jeweiligen Hauptverantwortlichen eine Art Erlasswirkung gegenüber den untergeordnet mitverantwortlichen Vorstandsmitgliedern zugemessen wird. Durch die Erlasswirkung zugunsten der untergeordnet schadensverantwortlichen Vorstandsmitglieder soll vermieden werden, dass der schon in Höhe der Haftungshöchstsumme in Anspruch genommene Hauptverantwortliche darüber hinaus von den anderen mithaftenden Vorstandsmitgliedern nach § 426 BGB in Regress genommen wird. Denn nach der Inanspruchnahme eines jeden Vorstandsmitglieds im Rahmen der Haftungshöchstsumme wäre der Hauptverantwortliche – ohne die vorstehend geschilderte Erlasswirkung – den Gesamtschuldnerbinnenregressansprüchen der anderen Haftenden ausgesetzt. Das hauptverantwortliche Vorstandsmitglied würde im Ergebnis über die Haftungshöchstsumme hinaus haften. Die nicht hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieder könnten daher nach der Lösung zu Lasten der Gesellschaft nur in Höhe ihres Verantwortungsanteils an dem entstandenen Schaden von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Insoweit würde die Verantwortlichkeit im Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander auf das Verhältnis der Gesellschaft zu den Vorstandsmitgliedern durchschlagen. Der Vorteil dieser Lösung bestünde darin, dass eine über die jeweilige Haftungshöchstsumme hinausgehende Haftung des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds vermieden werden könnte. Veranschaulichung anhand des vorstehenden Beispiels807: Wenn A im Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander nach Abwägung der Verursachungsbeiträge (gemäß oder analog § 254 BGB) die alleinige Verantwortung zukommt, kann die X-AG nach der Lösung zu Lasten der Gesellschaft nur das Vorstandsmitglied A in Anspruch nehmen. Die auf das Außenverhältnis durchschlagende alleinige Verantwortung des A führt dazu, dass die X-AG gegenüber B und C keinen Anspruch nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wegen der Verletzung der Überwachungspflicht geltend machen kann. 806 Zur Lösung zu Lasten des Gläubigers Looschelders, in: Staudinger, § 426 Rn. 179 ff. und Schmieder, JZ 2009, 189 ff. jeweils m.w.N. 807 Siehe hierzu Teil 3 F. II. 1.
212 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
bb) Konflikt mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung Die Lösung zu Lasten der Gesellschaft ist nicht mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung vereinbar. Der Anreiz zur Wahrnehmung der residualen Gesamtverantwortung für nicht ressortzuständige Vorstandsmitglieder sinkt, wenn das durch die Haftungshöchstsumme „gestörte Gesamtschuldverhältnis“ zu Lasten der Gesellschaft aufgelöst wird. Sofern ein Vorstandsmitglied – etwa aufgrund der Ressortverteilung – weiß, dass die Hauptverantwortung nicht bei ihm liegt und es selbst gegenüber der Gesellschaft maximal für den seinem Verantwortungsanteil entsprechenden Betrag haftet, sinkt die von der Haftungsandrohung ausgehende Anreizwirkung zu pflichtkonformem Verhalten. Die Situation, in welcher das hauptverantwortliche Vorstandsmitglied im Innenverhältnis den Schaden allein zu tragen hat, zeigt, dass die Lösung zu Lasten der Gesellschaft dazu führen kann, dass die untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder trotz einer Pflichtverletzung (zumeist Verletzung der Überwachungspflicht) nicht einmal im Außenverhältnis zur Gesellschaft haften würden. Dass sich eine vollständige Haftungsbefreiung gegenüber der Gesellschaft nicht mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung verträgt (Wertung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG), wurde bereits an anderer Stelle808 in dieser Arbeit erläutert. Wenngleich man auf den ersten Blick behaupten mag, dass es im Ergebnis – auch ohne Existenz von Haftungshöchstsummen – nach der Durchführung des Gesamtschuldnerregresses zu einer ähnlichen Entlastung der untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder kommt, entpuppt sich diese Annahme bei näherer Betrachtung als falsch. Die nicht hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieder haften – wie erläutert – im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch. Sie tragen damit das Insolvenzrisiko des Hauptverantwortlichen. Der Gesamtschuldnerregress nach § 426 BGB ist nur erfolgreich, wenn das hauptverantwortliche Vorstandsmitglied die Regressansprüche erfüllen kann. Die Lösung zu Lasten der Gesellschaft befreit die untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder daher mindestens von dem mit dem Gesamtschuldnerregress verbundenen Insolvenzrisiko des Hauptverantwortlichen. Sie kollidiert daher mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung.
808 Hierzu
bereits Teil 3 D. II. 4. b) bb).
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung 213
cc) Fazit zur Lösung zu Lasten der Gesellschaft Weil die Lösung zu Lasten der Gesellschaft nach alledem nicht mit dem verhaltenssteuernden Zweck der Vorstandshaftung vereinbar ist, kann sie bei Existenz von satzungsmäßigen Haftungshöchstsummen nicht befürwortet werden. c) Lösung zu Lasten des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds Die Lösung des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zu Lasten des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds führt dazu, dass das hauptverantwort liche Vorstandsmitglied durch den Gesamtschuldnerregress nach § 426 BGB im Ergebnis für einen höheren Betrag haftet als es durch die Höchstsumme vorgesehen ist. Die Begrenzung der Haftung wirkt nur zwischen der Gesellschaft und dem Hauptverantwortlichen. Das zwischen den Gesamtschuldnern bestehende Ausgleichsverhältnis wird nicht durch die Haftungshöchstsumme beseitigt. Vielmehr kommt dieses völlig unabhängig von der Haftungshöchstsumme zur Entstehung.809 Sofern ein Vorstandsmitglied im Innenverhältnis allein für den Schaden verantwortlich ist, können alle anderen von der Gesellschaft auf Ersatz in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder die von ihnen geleisteten Beträge über § 426 BGB von dem Hauptverantwortlichen ersetzt verlangen. Damit haftet ein im Innenverhältnis allein verantwortliches Vorstandsmitglied – unter Berücksichtigung der Ansprüche nach § 426 BGB – maximal in Höhe der addierten Haftungshöchstsummen aller bestellten Vorstandsmitglieder, die den Schaden gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig mitbegründet haben. Zwar haben hauptverantwortliche Vorstandsmitglieder nach dieser Lösung in manchen Fällen eine über ihre Haftungshöchstsumme hinausgehende Haftung zu befürchten, da sie in begrenztem Umfang neben der Haftung im Außenverhältnis Gesamtschuldnerregressansprüchen ausgesetzt sein können. Jedoch ist hierin noch immer eine ganz erhebliche Privilegierung gegenüber der Haftung ohne Höchstsumme zu sehen. Wie erörtert haftet ein hauptverantwortliches Vorstandsmitglied maximal für die Summe aller Haftungshöchstsummen der bestellten Vorstandsmitglieder. Würden keine Höchstsum-
809 Vgl. BGH, Urt. v. 3.2.1954 (VI ZR 153/52), BGHZ 12, 213, 217 ff.; BGH, Urt. v. 29.10.1968 (VI ZR 137/67), BGHZ 51, 37, 39 ff.; BGH, Urt. v. 9.3.1972 (VII ZR 178/70), BGHZ 58, 216, 220; Bydlinski, in: MüKo-BGB, § 426 Rn. 55 i. V. m. Rn. 60; Gebauer, in: Soergel, § 426 Rn. 42; Voß, Gesamtschuldnerische Organhaftung, S. 135.
214 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
men existieren, wäre die Haftungsgefahr des Hauptverantwortlichen der Höhe nach unbegrenzt. Die Folgen der Lösung zu Lasten des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds lassen sich am besten an nachfolgendem Beispielsfall veranschaulichen: A, B und C sind Vorstandsmitglieder der Y-AG. Sie verursachen jeweils leicht fahrlässig einen Schaden in Höhe von 20 Mio. €. Vorstandsmitglied A ist aufgrund der Ressortverteilung hauptverantwortlich. Die übrigen Vorstandsmitglieder trifft nur ein Überwachungsverschulden. Der Einfachheit halber wird von einer prozentualen Verantwortungsverteilung von 50 % für A und jeweils 25 % für die übrigen Vorstandsmitglieder ausgegangen. Die Satzung der X-AG sieht eine Haftungshöchstsumme für weder mit grober Fahrlässigkeit noch mit Vorsatz begangenen Pflichtverletzungen vor, nach welcher ein jedes Vorstandsmitglied bis zur Höhe des Eineinhalbfachen seiner jährlichen Gesamtvergütung haftet. Danach haften alle Vorstandsmitglieder für jeweils 1,5 Mio. €. Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft: Ein jedes Vorstandsmitglied haftet gegenüber der Gesellschaft für einen Betrag in Höhe von 1,5 Mio. €. Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander: Die Vorstandsmitglieder haben der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG insgesamt einen Betrag von 4,5 Mio. € ersetzt. Für diesen Betrag haften sie im Verhältnis zueinander gesamtschuldnerisch, sodass § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anwendung kommt. B und C haben jeweils 1,125 Mio. € (25 % von 4,5 Mio. €) zu verantworten. Folglich haben sie jeweils einen Anspruch in Höhe von 375.000 € gegenüber A. Mithin haftet A insgesamt für 2,25 Mio. € (50 % des ersetzten Schadens in Höhe von 4,5 Mio. €).
3. Möglichkeit der vertraglichen und / oder satzungsmäßigen Abbedingung des § 426 BGB Ganz ausschließen lässt sich die von § 426 BGB ausgehende Aushöhlung der Haftungshöchstsummen, wenn § 426 BGB durch eine Vereinbarung zwischen den Vorstandsmitgliedern abbedungen wird. a) Vertragliche Vereinbarung zwischen den Vorstandsmitgliedern Wollen die Vorstandsmitglieder ihre Haftungsgefahr stets auf die ihnen gewährte Haftungshöchstsumme begrenzen, können sie untereinander vereinbaren, dass in den Fällen, in welchen eine Haftungshöchstsumme ihre Haftung gegenüber der Gesellschaft begrenzt, auf Ansprüche aus § 426 BGB im Verhältnis der Organmitglieder untereinander verzichtet wird. Allerdings sollte dieser Verzicht auf Fälle begrenzt werden, in welchen das hauptverant-
F. Auswirkungen einer Haftungshöchstsumme auf D&O-Versicherung 215
wortliche Vorstandsmitglied aufgrund der Ansprüche der untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder nach § 426 BGB für einen höheren Betrag haften würde, als es seine gegenüber der Gesellschaft bestehende Haftungshöchstsumme vorsieht. Nur in solchen Fällen erscheint es als sinnvoll, die dem Verantwortungsbeitrag Rechnung tragende Bestimmung des § 426 BGB abzubedingen. All dem steht nichts entgegen, da § 426 BGB nach allgemeiner Auffassung dispositiv ist.810 Eine derartige vertragliche Vereinbarung zwischen den Vorstandsmitgliedern wird in der Praxis jedoch nur schwer umsetzbar sein, da mit jedem hinzutretenden Vorstandsmitglied eine neue Vereinbarung getroffen werden muss. b) Satzungsmäßige Abbedingung des § 426 BGB Angesichts der kaum praktikablen Abbedingung des § 426 BGB durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Vorstandsmitgliedern, stellt sich die Frage, ob „eine andere Bestimmung“ i. S. des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB durch eine Satzungsbestimmung erfolgen kann. Soweit ersichtlich sind dieser Frage in Bezug auf Aktiengesellschaften bisher nur Hopt und Roth nachgegangen. Mit dem Argument, dass eine unangemessene Benachteiligung eines Vorstandsmitglieds nicht gegeben sei, wenn das jeweilige Vorstandsmitglied bei der Aufnahme seiner Tätigkeit Kenntnis von der Satzungsbestimmung habe, bejahen sie die Zulässigkeit einer derartigen Satzungsbestimmung.811 Dieser grundsätzlich überzeugenden Sichtweise ist zuzustimmen, da potentielle Vorstandsmitglieder dem Verzicht auf ihre Ansprüche nach § 426 BGB zustimmen, wenn sie sich in Kenntnis einer solchen Satzungsbestimmung zum Vorstandsmitglied bestellen lassen. Sind vor der Einführung der Satzungsbestimmung schon Vorstandsmitglieder bestellt, wird man eine § 426 BGB abbedingende Satzungsbestimmung nur als wirksam erachten können, wenn die zu diesem Zeitpunkt bestellten Vorstandsmitglieder ausdrücklich ihr Einverständnis zu einer derartigen Regelung erteilen. Denn die bereits bestellten Vorstandsmitglieder haben sich nicht in Kenntnis dieser Satzungsbestimmung bestellen lassen, sodass von ihnen noch kein Einverständnis erteilt worden ist. Sofern eine Aktiengesellschaft bei Einführung einer Haftungshöchstsumme die Haftung der Vorstandsmitglieder auf einen absoluten Höchstbetrag festle810 Gebauer,
in: Soergel, § 426 Rn. 4. in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 466; für die GmbH die Frage ebenfalls – allerdings ohne nähere Begründung – bejahend Fleischer, in: MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 319; Ziemons, in: Michalski GmbHG, § 43 Rn. 379; Paefgen, in: Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 Rn. 200; U. H. Schneider, in: Scholz, § 43 Rn. 251. 811 Hopt/Roth,
216 Teil 3: Beschränkung der Vorstandshaftung durch Satzungsbestimmung
gen möchte, der nicht durch Regressansprüche anderer Vorstandsmitglieder nach § 426 BGB unterlaufen werden kann, ist ihr zu empfehlen, das Einverständnis der zum Zeitpunkt der Verankerung dieser Regelung bestellten Vorstandsmitglieder einzuholen. Entsprechend der vorstehenden Ausführungen zur vertraglichen Abbedingung des § 426 BGB sollte die satzungsmäßige Begrenzung des Binnenregresses nach § 426 BGB ebenfalls auf Fälle begrenzt werden, in welchen das hauptverantwortliche Vorstandsmitglied aufgrund der Ansprüche der untergeordnet verantwortlichen Vorstandsmitglieder nach § 426 BGB für einen höheren Betrag haften würde, als es seine gegenüber der Gesellschaft bestehende Haftungshöchstsumme vorsieht.
III. Fazit Die Untersuchung hat ergeben, dass bei Existenz einer D&O-Versicherung Vorkehrungen in der Satzung getroffen werden können, die vermeiden, dass der Versicherer durch die Haftungshöchstsumme von seiner Deckungspflicht befreit wird. Insofern ergeben sich keine Probleme, wenn eine Haftungshöchstsumme bei Existenz einer D&O-Versicherung abgeschlossen wird. Bei der Untersuchung der Auswirkungen von Haftungshöchstsummen auf die gesamtschuldnerische Haftung hat sich gezeigt, dass die satzungsmäßige Höchstsumme des im Innenverhältnis Hauptverantwortlichen durch den Gesamtschuldnerregress unterlaufen werden kann. Wenngleich ein hauptverantwortliches Vorstandsmitglied damit im Ergebnis wegen möglicher Regressansprüche nach § 426 BGB für einen höheren Betrag als den der satzungsmäßigen Höchstsumme haften kann, kommt Haftungshöchstsummen trotzdem eine erhebliche haftungsbeschränkende Wirkung zu. Denn ein hauptverantwortliches Vorstandsmitglied haftet nicht mehr der Höhe nach unbegrenzt, sondern maximal für die Summe der Haftungshöchstbeträge aller bestellten Vorstandsmitglieder. Wollen die Vorstandmitglieder, dass sie maximal für den Betrag der gewährten Höchstsumme haften, ist ihnen zu empfehlen, durch Vertrag mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Anwendung des § 426 BGB für den Fall des Eingreifens von Haftungshöchstsummen abzubedingen. Allerdings sollte die Abbedingung auf Fälle beschränkt werden, in welchen die Haftungshöchstsumme des Hauptverantwortlichen durch die Ansprüche der anderen Vorstandsmitglieder nach § 426 BGB überschritten würde. Der Gesamtschuldnerregress nach § 426 BGB kann auch durch eine Satzungsbestimmung abbedungen werden. Die abweichende Satzungsbestimmung stellt eine „andere Bestimmung“ i. S. des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
G. Fazit zu Teil 3 der Arbeit
217
Eine derartige Regelung ist jedoch nur wirksam möglich, wenn die zum Zeitpunkt ihrer Verankerung in der Satzung bestellten Vorstandsmitglieder ihr Einverständnis erklären.
G. Fazit zu Teil 3 der Arbeit Die Untersuchung hat gezeigt, dass weder eine Modifizierung des in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG vorgesehenen Sorgfaltsmaßstabs noch eine Veränderung des ebenfalls in dieser Vorschrift normierten Verschuldensmaßstabs in rechtlich zulässiger Art und Weise möglich ist. Der Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG steht dem entgegen. Die Gefahr der existenzvernichtenden Haftung des Vorstands kann daher nicht durch eine satzungsmäßige Modifizierung des für die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG erforderlichen Sorgfalts- und / oder Verschuldensmaßstabs begrenzt werden. Demgegenüber hat sich eine durch Satzungsbestimmung geregelte Haftungshöchstsumme als rechtlich zulässige und für die Begrenzung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr taugliche Option erwiesen. Es konnte belegt werden, dass eine solche Haftungshöchstsumme nicht von einer Bestimmung des Aktiengesetzes i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG abweicht. Vielmehr wird das Aktiengesetz durch eine dahin gerichtete Satzungsbestimmung ebenso i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzt wie durch die dispositiven Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB. Die mit der Vorstandshaftung verfolgten Zwecke werden hierdurch nicht beeinträchtigt, wenn die Höchstsumme die Haftung nicht weiter einschränkt, als es nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt bei Abschluss einer D&O-Versicherung möglich ist. Der Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG erstreckt sich nicht auf die §§ 249 ff. BGB, sodass einer Abweichung von diesen Normen durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme nichts entgegensteht.
Teil 4
Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung (de lege lata) Die vorstehende Untersuchung hat ergeben, dass eine Beschränkung der Vorstandshaftung durch eine Satzungsbestimmung in rechtlich wirksamer Art und Weise möglich ist. Im Schrifttum wird teilweise auch eine Haftungsbeschränkung durch eine anstellungsvertragliche Regelung für möglich gehalten.812 Ferner werden Haftungsbeschränkungen aufgrund der Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern angenommen.813 Schließlich wird die Inregressnahme von Vorstandsmitgliedern für gegenüber der Gesellschaft verhängte (kartellrechtliche) Geldbußen in Frage gestellt.814 Deswegen ist abschließend auch diesen Möglichkeiten zur Begrenzung der Haftung nachzugehen.
A. Ist eine anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung wirksam? Eine Beschränkung der Vorstandshaftung durch eine anstellungsvertrag liche Regelung ist nur durch eine Vereinbarung zwischen dem Vorstandsmitglied bzw. -kandidat und dem Aufsichtsrat denkbar. Denn nach § 84 Abs. 1 812 So Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395 ff.; wohl auch Seibt, NZG 2015, 1097, 1101 f., der sich jedoch ebenfalls auf die Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern stützt. 813 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 ff.; Brommer, AG 2013, 121, 127 ff.; ders., Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 260 ff.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51; ders., in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 338 ff.; ders., AG 2012, 429, 435 ff.; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776 ff.; Seibt, NZG 2015, 1097, 1101 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 277 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172; ders., AG 2013, 889, 894 ff. 814 Zuletzt wurde die Regressfähigkeit von kartellrechtlichen Bußgeldern vom LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 (16 Sa 459/14), CCZ 2015, 185, 186 ff. verneint; zustimmend Bachmann, BB 2015, 911; Kollmann/Aufdermauer, BB 2015, 1024; Labusga, VersR 2015, 634, 635; Thomas, NZG 2015, 1409, 1410 ff.; so bereits zuvor Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 104 ff.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Krause, BBSpecial Nr. 8 (2007), S. 2, 13; vgl. auch Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 56.
A. Ist eine anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung wirksam?
219
Satz 5 i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG ist ausschließlich der Aufsichtsrat für den Abschluss des Anstellungsvertrags einschließlich aller Nebenabreden zuständig.815 Eine anstellungsvertragliche Haftungsbegrenzung weist damit hinsichtlich ihrer Gewährung im Vergleich zu einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme einen wesentlichen Unterschied auf. Während erstere ausschließlich durch eine Entscheidung des Aufsichtsrats denkbar ist, kann eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme nur von den Aktionären beschlossen werden. Um eine unnötige Wiederholung zu vermeiden, kann zunächst festgestellt werden, dass anstellungsvertragliche Regelungen zur Veränderung des Sorgfalts- und / oder Verschuldensmaßstabs an den insoweit durch § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG zwingenden Regelungen des § 93 Abs. 1, 2 AktG scheitern. Zur Begründung kann auf die Ausführungen zur Unzulässigkeit von den Sorgfalts- und / oder den Verschuldensmaßstab modifizierenden Satzungsbestimmungen816 verwiesen werden, die hier entsprechend Geltung beanspruchen. Was in der Satzung nicht geregelt werden kann, darf erst recht nicht im Anstellungsvertrag bestimmt werden.817 Ansonsten könnte der Grundsatz der Satzungsstrenge stets durch eine außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarung umgangen werden. Mithin ist im Folgenden der Frage nachzugehen, ob der Aufsichtsrat andere Regelungen im Anstellungsvertrag vorsehen kann, um Ansprüche nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gegenüber Vorstandsmitgliedern zu begrenzen.
I. Haftungshöchstsumme durch eine anstellungsvertragliche Regelung? Nachdem bereits die Zulässigkeit von satzungsmäßigen Haftungshöchstsummen untersucht wurde, liegt es nahe, eine ähnliche Regelung statt in der Satzung im Anstellungsvertrag vorzusehen. Die Wirksamkeit einer entsprechenden Regelung vorausgesetzt, könnte die Gefahr der existenzvernichtenden Haftung hierdurch ebenso reduziert werden wie durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme.
815 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 33; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 15; Spindler, in: MüKo-AktG, § 84 Rn. 68; Weber, in: Hölters, § 84 Rn. 36. 816 Hierzu bereits Teil 3 C. 817 So auch Habersack, NZG 2015, 1297, 1299; vgl. ferner Kort, in: Großkomm AktG, § 84 Rn. 282.
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
1. Meinungsstand a) Fast ganz herrschende Ansicht Nach fast ganz herrschender Ansicht sind die Haftung eines Vorstandsmitglieds nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begrenzende und im Anstellungsvertrag geregelte Haftungshöchstsummen unwirksam.818 Zur Begründung wird im Wesentlichen angebracht, dass sich solche Gestaltungen nicht mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG vereinbaren lassen.819 Dem liegt wohl die Überlegung zugrunde, dass – entgegen des hier erreichten Untersuchungsergebnisses – Haftungshöchstsummen nicht wirksam in der Satzung geregelt werden können und mithin erst recht anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkungen ausscheiden müssen. Grunewald, die sich – wie bereits erörtert – für die Zulässigkeit von satzungsmäßigen Haftungshöchstsummen ausspricht, hält im Anstellungsvertrag geregelte Haftungshöchstsummen ebenfalls für unwirksam. Zur Begründung führt sie an, dass nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG Ergänzungen des Aktiengesetzes in der Satzung und eben nicht in Verträgen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, gestattet werden.820 b) Sichtweise von Hoffmann Hoffmann vertritt dagegen die Auffassung, dass analog zur Geschäftsführerhaftung im GmbH-Recht eine anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung auch für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft zulässig ist.821 Da die Haftungsnormen des § 43 GmbHG und des § 93 AktG im Wesent lichen deckungsgleich ausgestaltet sind, spreche nichts dagegen, die im GmbH-Recht nach herrschender Auffassung für zulässig erachtete anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung auch Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft zu ermöglichen.822 Unklar bleibt allerdings, ob Hoffmann von einer Analogie im rechtlichen Sinne spricht oder ob er anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkungen für 818 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 3 f.; Habersack, NZG 2015, 1297, 1299; Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 11; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 47 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 2; Lutter, in: HdB Managerhaftung, § 1 Rn. 19; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung, S. 348; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 38. 819 Statt vieler Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 3; Habersack, NZG 2015, 1297, 1299; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 2. 820 Grunewald, AG 2013, 813, 816. 821 Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397 f. 822 Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1398.
A. Ist eine anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung wirksam?
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Vorstandsmitglieder ohne eine solche Analogie mit dem Aktiengesetz für vereinbar hält. Bei Lichte betrachtet kann aber nur die letztgenannte Interpretationsvariante gemeint sein. Denn im GmbHG ist keine Norm enthalten, nach der anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkungen für zulässig erklärt werden. Vielmehr fußt die Möglichkeit solcher Haftungsbegrenzungen im GmbH-Recht darauf, dass gerade keine entgegenstehende Bestimmung des GmbHG existiert.823 Es fehlt mithin an einer gesetzlichen Regelung, die man entsprechend für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft heranziehen kann. Insofern wird man davon ausgehen können, dass Hoffmann anstellungsvertragliche Haftungsbegrenzungen für Vorstandsmitglieder ohne Analogie im rechtlichen Sinne für mit dem Aktiengesetz vereinbar hält. 2. Stellungnahme Soweit die Unzulässigkeit einer anstellungsvertraglichen Haftungshöchstsumme mit einem erst-recht-Schluss aus der von der herrschenden Sichtweise befürworteten Unzulässigkeit von satzungsmäßigen Haftungshöchstsummen geschlossen wird, kann dem nicht gefolgt werden. Wie erläutert sind Haftungshöchstsummen in rechtlich wirksamer Art und Weise in der Satzung einer Aktiengesellschaft regelbar. Wenn aber in der Satzung eine Haftungshöchstsumme enthalten sein darf, kann nicht im Zuge eines erst-rechtSchlusses gefolgert werden, dass solche Bestimmungen im Anstellungsvertrag unzulässig sind. Auch das Argument von Grunewald, dass § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG gerade zum Ausdruck bringe, dass das Aktiengesetz ergänzende Vereinbarungen in der Satzung und nicht in vertraglichen Nebenabreden gestatte, überzeugt nicht. Es entspricht der zu Recht herrschenden Auffassung, dass schuldrechtliche bzw. satzungsergänzende Nebenabreden in rechtlich wirksamer Art und Weise möglich sind, auch wenn der Gegenstand der Abrede in der Satzung geregelt werden könnte.824 Die Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG schützt nicht die Satzung vor schuldrechtlichen Abreden, sondern das Gesetz vor abweichenden Satzungsgestaltungen.825 Gegen die Sichtweise von Hoffmann ist aber einzuwenden, dass die Unzulässigkeit von anstellungsvertraglichen Haftungsbeschränkungen darauf fußt, dass nicht der Aufsichtsrat, sondern die Aktionäre für die Gewährung einer Haftungshöchstsumme zuständig sind. Bestimmungen, die in der Satzung regelbar sind, können nur unter Mitwirkung der Aktionäre durch eine schuld823 BGH,
Urt. v. 16.9.2002 (II ZR 107/01), NJW 2002, 3777, 3778. in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 195 ff.; vgl. auch Koch, AG 2015, 213, 217 ff. 825 Ebenso Koch, AG 2015, 213, 218. 824 Pentz,
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
rechtliche Abrede außerhalb der Satzung getroffen werden.826 Für den Abschluss des Anstellungsvertrags ist aber – wie bereits erläutert – ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig. Der Aufsichtsrat ist jedoch im Gegensatz zu den Aktionären nicht dazu befugt, satzungsergänzende Nebenabreden zu vereinbaren. Hoffmann übersieht, dass sich die Zuständigkeit in einer Ak tiengesellschaft wesentlich von der in der GmbH unterscheidet. Denn dort ist grundsätzlich die Gesellschafterversammlung für den Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrags zuständig (Annexkompetenz zur in § 46 Nr. 5 GmbHG geregelten Bestellung).827 Mithin widerstreiten anstellungsvertragliche Haftungshöchstsummen der über § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG zwingenden Kompetenzverteilung des Aktiengesetzes. Wenn etwas in der Satzung geregelt werden kann, ist den Aktionären die Entscheidungskompetenz darüber zugewiesen (§ 179 Abs. 1 Satz 1 AktG). Nach den Ergebnissen dieser Arbeit können Haftungshöchstsummen in der Satzung einer Aktiengesellschaft bestimmt werden. Für eine Beschränkung der Vorstandshaftung im Voraus sind daher die für Satzungsänderungen zuständigen Aktionäre und nicht der Aufsichtsrat berufen. Zudem kommt in den Bestimmungen des § 93 Abs. 4 Satz 1 – 3 AktG zum Ausdruck, dass nicht der Aufsichtsrat, sondern die Aktionäre die Ersatzpflicht (teilweise) ausschließen können. Während die Ersatzpflicht des Vorstands nach § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht durch die Billigung eines Beschlusses durch den Aufsichtsrat ausgeschlossen wird, erfolgt ein Haftungsausschluss, wenn die Handlung des Vorstands auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht (§ 93 Abs. 4 Satz 1 AktG). Dass der Aufsichtsrat nicht ohne Zustimmung der Hauptversammlung auf einen bereits entstandenen Anspruch verzichten kann (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), wurde bereits erläutert. Im Anstellungsvertrag geregelte Haftungshöchstsummen sind daher unwirksam.
II. Halbvermögensverschonung durch Vorwegbindung des Aufsichtsratsermessens im Vorstandsanstellungsvertrag? 1. Vorschlag von Seibt Einen neuartigen Vorschlag zur Begrenzung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr des Vorstands hat Seibt postuliert. Seiner Auffassung nach ist es zulässig, das Aufsichtsratsermessen hinsichtlich der Durchsetzung von 826 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 23 Rn. 45; Limmer, in: Spindler/Stilz, § 23 Rn. 41; Pentz, in: MüKo-AktG, § 23 Rn. 195; Solveen, in: Hölters, § 23 Rn. 39. 827 Jaeger, in: MüKo-GmbHG, § 35 Rn. 255; Lenz, in: Michalski GmbHG, § 35 Rn. 123; Oetker, in: Henssler/Strohn, § 35 GmbHG Rn. 88; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rn. 167.
A. Ist eine anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung wirksam? 223
Ersatzansprüchen durch eine anstellungsvertragliche Regelung derartig vorwegzubinden, dass der Aufsichtsrat bei einer Inanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds für eine leicht fahrlässige Pflichtverletzung verpflichtet ist das halbe Vermögen des Vorstandsmitglieds zu verschonen.828 Hierzu schlägt Seibt vor, im Anstellungsvertrag von Vorstandsmitgliedern eine wie folgt lautende Abrede zu treffen:829 (1) Sofern der Aufsichtsrat im Falle einer künftigen, schuldhaften Pflichtverletzung durch Herrn / Frau … bestehende und durchsetzbare Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Herrn / Frau … auf einer „ersten Stufe“ feststellt, wird der Aufsichtsrat – bei grundsätzlicher Beachtung seiner regelmäßigen Verpflichtung zur Verfolgung solcher Ersatzansprüche – die ihm auf einer „zweiten Stufe“ obliegende, im Unternehmensinteresse zu begründende Abwägungsentscheidung zwischen vollständiger, teilweiser oder ausbleibender Anspruchsverfolgung aus insoweit typisierbaren Gründen des Unternehmenswohls in Fällen einer groben Disproportionalität zwischen Haftungsumfang und Schwere des Pflichtverstoßes wie folgt treffen: Um seiner zwingenden organschaftlichen Treuepflicht gegenüber dem Vorstandsmitglied Herrn / Frau … ebenso Rechnung zu tragen wie der verfassungsrechtlich gebotenen angemessenen Verteilung des unternehmerischen Risikos, aber auch um das Halten und die Gewinnbarkeit qualifizierter Vorstandsmitglieder nicht zu gefährden und somit aus Unternehmensgründen, die einer unbeschränkten Anspruchsverfolgung entgegenstehen, wird der Aufsichtsrat die Anspruchsverfolgung dergestalt höhenmäßig begrenzen, dass Herrn / Frau … nach erfolgter Inanspruchnahme 50 % des Wertes der in einer Vermögensaufstellung im Sinne des Absatzes 3 enthaltenen Vermögensgegenstände (allerdings nicht zwingend mehr als … Mio. Euro) verbleiben (Halbvermögensverschonung). Ein Fall einer groben Disproportionalität im Sinne des Satzes 1 liegt dann vor, wenn der haftungsauslösende Pflichtverstoß nur [leicht] fahrlässig begangen wurde. Dem Aufsichtsrat bleibt es unbenommen, im Einzelfall im Rahmen seiner insoweit durch die vorstehenden Sätze 1–3 nicht gebundenen konkreten Abwägungsentscheidung auch einen geringeren oder gar keinen Ersatz des der Gesellschaft durch Herrn / Frau … zugefügten Schadens zu verlangen, wenn entsprechende Gesellschaftsinteressen und -belange die Gesichtspunkte, die für eine Anspruchsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest annähernd gleichwertig sind. (2) Die Halbvermögensverschonung nach Absatz 1 gilt ausnahmsweise nicht, wenn trotz grober Disproportionalität im Sinne des Absatzes 1 828 Seibt,
NZG 2015, 1097 ff.; ders., NZG 2016, 361 ff. nachfolgende Formulierung ist wörtlich dem Aufsatz von Seibt, NZG 2015, 1097, 1102 entnommen. 829 Die
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
Satz 2 die vom Aufsichtsrat typisierte Abwägungsentscheidung zu Gunsten einer Halbvermögensverschonung im Zeitpunkt der tatsächlichen Entscheidung über die Anspruchsverfolgung in Anbetracht der tatsächlichen Sonderumstände und / oder der dann geltenden Rechtslage gegen zwingendes Recht verstoßen würde; soweit zwingendes Recht nicht entgegensteht, ist dem Aufsichtsrat allerdings eine Abweichung von der nach Absatz 1 vorweggenommenen Abwägungsentscheidung aus Zweckmäßigkeitserwägungen nicht gestattet. (3) Die Vermögensaufstellung ist im Zeitpunkt der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs durch die Gesellschaft von Herrn / Frau … binnen einer Frist von [acht] Wochen aufzustellen. Für die Vermögensaufstellung gelten die Vorschriften des § 802 c Abs. 2 ZPO entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Termins i. S. v. § 802 f Abs. 1 ZPO die erstmalige schriftliche Geltendmachung des Anspruchs durch die Gesellschaft tritt. Herr / Frau … hat vor einem Notar an Eides statt zu versichern, dass [er / sie] die Angaben in der Vermögensaufstellung nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht hat. Die Regelung soll dazu führen, dass der Aufsichtsrat (leicht) fahrlässig verursachte Schäden nur insoweit bei einem pflichtvergessenen Vorstandsmitglied eintreiben kann, als dem Vorstandsmitglied nach der Inanspruchnahme sein halbes Vermögen erhalten bleibt.830 2. Bedenken gegenüber diesem Vorschlag Angesichts der in Absatz 2 von Seibt vorgesehenen Regelung, nach welcher die Halbvermögensverschonung nicht stattfindet, wenn sie gegen geltendes Recht verstößt, wird man zwar davon ausgehen können, dass die Regelung wirksam im Anstellungsvertrag verankert werden kann. Jedoch tritt eine Verschonung eines pflichtvergessenen Vorstandsmitglieds im Sinne von Seibt nur ein, wenn mindestens eine der folgenden mit der Regelung implizierten Prämissen zutreffend ist. a) Erste Prämisse von Seibt Die Regelung setzt zunächst voraus, dass der Aufsichtsrat aufgrund typisierbarer Unternehmensinteressen dazu befugt ist, seine Ermessensausübung gegenüber einem Vorstandsmitglied im Voraus durch einen Vertrag zu binden. Dies erfordert wiederum, dass dem Aufsichtsrat überhaupt ein Entschei830 Seibt,
NZG 2015, 1097, 1102; ders., NZG 2016, 361, 362 f.
A. Ist eine anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung wirksam?
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dungsspielraum zukommt, welcher es ihm erlaubt, ein Vorstandsmitglied nur in Höhe der Hälfte seines Vermögens in Anspruch zu nehmen. b) Zweite Prämisse von Seibt Zudem impliziert die Regelung, dass eine Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern existiert, nach welcher eine existenzvernichtende Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern durch eine Verschonung ihres halben Vermögens vermieden werden muss, wenn eine grobe Disproportionalität zwischen einem Schaden und der Pflichtverletzung besteht – was bei (leicht) fahrlässigen Pflichtverletzungen der Fall sein soll (vgl. Abs. 1 Satz 3 der Regelung). c) Zweifel gegenüber der ersten Prämisse Selbst wenn man dem Aufsichtsrat einen breiten Ermessenspielraum dahin gewährt, dass er von der Durchsetzung eines Ersatzanspruchs gegenüber Vorstandsmitgliedern absehen darf, wenn das Unternehmensinteresse keine Durchsetzung gebietet, erscheint es als äußerst fraglich, ob sich der Aufsichtsrat im Voraus gegenüber einem Vorstandsmitglied verpflichten kann, sein Ermessen in einer bestimmten Art und Weise auszuüben.831 Der Aufsichtsrat hat in erster Linie die Interessen der Aktiengesellschaft zu wahren. Eine Vorwegbindung schränkt seine Möglichkeiten ein, in der konkreten Situation aufgrund besonderer Umstände anders zu entscheiden. Zwar ist Seibt zuzugeben, dass aus der Sicht der Gesellschaft regelmäßig viel dafür sprechen wird, nicht den Anspruch in voller Höhe geltend zu machen, um zukünftige Vorstandskandidaten nicht abzuschrecken und um eine grobe Disproportionalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden zu vermeiden. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass diese ex ante vorgenommene Typisierung im Einzelfall fehl geht. Wäre dies der Fall, würde der Aufsichtsrat nicht die Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre verfolgen, sondern das Verschonungsinteresse des Vorstands, welchem er vorbehaltlich einer etwaigen Fürsorge- oder Treuepflicht der Gesellschaft nicht verpflichtet ist. Die Aufsichtsratsmitglieder würden sich damit gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig verhalten, was eine eigene Haftung der Aufsichtsratsmitglieder zur Folge haben kann. Ob Aufsichtsratsmitgliedern daher guten Gewissens die Vereinbarung einer solchen Regelung im Anstellungsvertrag angeraten werden kann, erscheint daher zumindest als zweifelhaft. 831 Habersack, NZG 2015, 1297, 1299 hält dies nicht nur für fraglich, sondern für eindeutig unzulässig.
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
Ebenfalls zweifelhaft ist es, ob sich der Aufsichtsrat unabhängig von seiner personalen Zusammensetzung als Organ gegenüber einem Vorstandsmitglied dazu verpflichten kann, sein Ermessen in einer konkreten Art und Weise auszuüben. Man muss sich insoweit vor Augen führen, dass es keinesfalls gewährleistet ist, dass diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, welche sich zu einer Vorwegbindung des Ermessens verpflichten, auch später diejenigen Aufsichtsratsmitglieder sind, die über die Geltendmachung des Anspruchs beschließen. Es ist mehr als fraglich, ob eine Entscheidung früherer Aufsichtsratsmitglieder auch ein später hinzutretendes Aufsichtsratsmitglied dahin binden kann, dass der ihm zur Verfügung stehende Ermessensspielraum im Voraus gebunden ist. Das später hinzutretende Aufsichtsratsmitglied wäre bei der Entscheidung über die Anspruchsdurchsetzung gewissermaßen zur Marionette degradiert. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat und nicht die Aktionäre bei einer anstellungsvertraglichen Regelung über die Höhe der Verschonung entscheidet. Da die Aktionäre und nicht der Aufsichtsrat von einer geringeren Inanspruchnahme betroffen sind, erscheint die Bindung des Aufsichtsratsermessens im Voraus durch eine vertragliche Regelung mit einem Vorstandsmitglied als noch zweifelhafter. d) Zweifel gegenüber der zweiten Prämisse Selbst wenn man die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern aufgrund einer Fürsorge- bzw. Treuepflicht für verpflichtet hält, bei einer groben Disproportionalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden von einer existenzvernichtenden Inanspruchnahme abzusehen (hierzu sogleich)832, bestehen Zweifel daran, ob dieser Treuepflicht stets entspringt, dass mindestens die Hälfte des Vorstandsvermögens vor einer Inanspruchnahme geschützt werden muss. Gesetzliche Anhaltspunkte für die Maßgeblichkeit dieser Grenze sind jedenfalls nicht existent, weswegen die von Seibt befürwortete Größenordnung aus dem Blickwinkel der Treuepflicht als willkürlich erscheint.833 Eine etwaige im Rahmen der Fürsorge- bzw. Treuepflicht gebotene Verschonung muss vielmehr im Einzelfall anhand von Kriterien wie dem Ausmaß der Schuld, der Höhe des eingetretenen Schadens, der Beschäftigungsdauer und dem Verdienst des Vorstandsmitglieds für das Unternehmen, sowie seiner Bezüge, seiner Vermögensverhältnisse und seiner familiären Situation bestimmt werden.834 832 Teil
4 B. Ergebnis ebenso Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 319 ff. 834 So auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172; wohl auch Brommer, AG 2013, 121, 129 f.; ders., Beschränkung der 833 Im
B. Beschränkung der Vorstandshaftung227
3. Fazit Der von Seibt geäußerte Vorschlag zur Begrenzung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr von Vorstandsmitgliedern ist erheblichen Bedenken ausgesetzt. Eine Haftungsbeschränkung durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme erscheint demgegenüber als vorzugswürdig.
B. Beschränkung der Vorstandshaftung aufgrund der Fürsorge- bzw. Treuepflicht? Nicht zuletzt ist der Frage nachzugehen, ob eine Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern existiert, welche die Gesellschaft dazu verpflichtet, im Einzelfall von der Durchsetzung eines existenzvernichtenden Ersatzanspruchs gegenüber Vorstandsmitgliedern abzusehen. Sofern eine solche Pflicht bereits de lege lata dem zwingenden Recht entspringt, könnten auch Vorstandsmitglieder in Aktiengesellschaften, in welchen keine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme beschlossen wurde, von einer Haftungsbeschränkung profitieren.
I. Meinungsstand 1. Breite Meinungsgruppe für Regressbeschränkung durch Fürsorge bzw. Treuepflicht Vor nicht allzu langer Zeit wurde zunächst von Bayer, Hüffer und Thole eine Begrenzung des Regresses aufgrund der Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern befürwortet, wenn eine Gesellschaft für ein gegen sie verhängtes Bußgeld bei Vorstandsmitgliedern in einer Höhe Regress nehmen möchte, welche deren Leistungsfähigkeit überschreiten würde.835 Koch hat sich sodann dafür ausgesprochen, eine solche Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern auch bei sonstigen Ansprüchen aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für Vorstandsinnenhaftung, S. 272 ff.; vgl. zudem Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804 und Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 319 ff., die den Gerichten die Aufgabe der Konkretisierung zuweisen. 835 Bayer, in: FS K. Schmidt, S. 85, 97 hat die Begrenzung des Regresses bereits in Anlehnung an die Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung befürwortet; Hüffer, in: Hüffer, 10. Auflage, 2012, § 84 Rn. 9, § 93 Rn. 15; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f. spricht sich für eine Beschränkung aus, bei welcher die Höhe des gegenüber Vorstandsmitgliedern ausschöpfbaren Bußgeldrahmens die Obergrenze des Regresses bildet.
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
maßgeblich zu erachten.836 Die Gesellschaft sei in Anlehnung an die Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit837 dazu verpflichtet, Ersatzansprüche gegenüber Vorstandsmitgliedern auf ein angemessenes Maß zu beschränken, wenn das Verschulden des in Anspruch zu nehmenden Vorstandsmitglieds vollkommen außer Verhältnis zu dem verursachten Schaden steht.838 Dem haben sich mit Unterschieden im Detail inzwischen viele Stimmen in der Literatur angeschlossen.839 Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass es dem Gerechtigkeitsgefühl widerstreite, wenn ein Vorstandsmitglied vollumfänglich mit dem betrieblichen Risiko belastet wird, obwohl der korrespondierende Nutzen der unternehmerischen Tätigkeit einem anderen zugewiesen ist.840 In eben diese Richtung geht das Argument, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Einkommen der Vorstandsmitglieder und ihrem Haftungsrisiko besteht, weswegen eine Haftungsbegrenzung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen anzunehmen sei.841 Nach dieser Sichtweise ergibt sich eine Beschränkung der Haftung bereits de lege lata aus dem zwingenden Recht. Besonders ausführlich hat sich Scholz im Rahmen seiner Dissertation damit befasst, die Vereinbarkeit einer Haftungsbeschränkung qua Fürsorgebzw. Treuepflicht mit den Bestimmungen des Aktiengesetzes zu untersuchen. Auch nach seiner Auffassung bedarf es einer Beschränkung der Vorstandshaftung.842 Wenngleich Scholz zu dem Ergebnis kommt, dass eine Haftungsbeschränkung durch die Fürsorge bzw. Treuepflicht mit der lex lata vereinbar ist, stellt sie nach seiner Ansicht eine offene Rechtsfortbildung praeter legem dar.843 Deswegen ergebe sie sich nicht aus dem zwingenden Recht, sondern 836 Koch,
AG 2012, 429, 435 ff.; ders., in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51 f. den Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit siehe die Nachweise in Fn. 433. 838 Koch, AG 2012, 429, 435 ff.; ders., in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51 f. 839 Brommer, Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung, S. 260 ff.; ders., AG 2013, 121, 127 ff.; Brock, WM 2016, 2209, 2010 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 398 ff.; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 228 ff.; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776 ff.; Seibt, NZG 2015, 1097, 1101 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172; ders., AG 2013, 889, 894 ff. 840 Brock, WM 2016, 2209, 2010; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637 f.; Koch, AG 2012, 429, 437; Spindler, AG 2013, 889, 894 f.; siehe auch Brommer, AG 2013, 121, 128 und Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 398. 841 Koch, AG 2012, 429, 436; ders., in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 341; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 775 ff.; Spindler, AG 2013, 889, 894 f.; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 399; Seibt, NZG 2015, 1097, 1101 f. 842 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 227 ff. 843 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 348 f.; siehe auch Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928. 837 Zu
B. Beschränkung der Vorstandshaftung229
sei davon abhängig, dass die Gerichte die ihnen zustehende Rechtsfortbildungskompetenz in diesem Sinne wahrnehmen.844 2. Ebenso breite Meinungsgruppe gegen Beschränkung der Vorstandshaftung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht In der Literatur sind etwa gleichgewichtig viele Autoren der Auffassung, dass eine Beschränkung der Vorstandshaftung aufgrund der Fürsorge- bzw. Treuepflicht abzulehnen ist.845 So wird argumentiert, dass allgemeine Billigkeitsgesichtspunkte eine solche Beschränkung nicht rechtfertigen können.846 Eine Anlehnung an die Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer verbiete sich, da sich die Tätigkeit eines weisungsgebundenen Arbeitnehmers nicht mit der eines weisungsunabhängigen Vorstandsmitglieds vergleichen lasse.847 Zudem wird der Einwand erhoben, dass es selbst bei Annahme einer solchen Haftungsbeschränkung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht an greifbaren Kriterien für die Bemessung der geschuldeten Verschonung fehle.848
II. Stellungnahme Dass ein Bedürfnis für eine Haftungsbeschränkung existent ist, wurde bereits an anderer Stelle in dieser Arbeit belegt.849 Da Vorstandsmitglieder im Rahmen einer langjährigen Vorstandstätigkeit trotz größter Sorgfaltsanstrengungen eine fahrlässige Pflichtverletzung nicht ausschließen können und weil die Entstehung hoher Schadenssummen geradezu rechtsformtypisch für 844 Scholz,
Existenzvernichtende Haftung, S. 348 f. AG 2015, 761, 767 f., 769 ff.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307 f.; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 591; Habersack, NZG 2015, 1297, 1298 f.; ders., ZHR 177 (2013), 782, 802 f.; Heyers, WM 2016, 581, 583; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 302; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1269; Paefgen, AG 2014, 554, 568 f.; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 704 ff.; Vetter, NZG 2014, 921, 922; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 276 ff. 846 So Fehrenbach, AG 2015, 761, 771 f.; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1269; Vetter, NZG 2014, 921, 922; wohl auch Goette, ZHR 176 (2012), 588, 591; Heyers, WM 2016, 581, 583; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 276. 847 Fehrenbach, AG 2015, 761, 769 ff.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 296 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 568; Schöne/ Petersen, AG 2012, 700, 704; Vetter, NZG 2014, 921, 922; wohl ebenso Goette, ZHR 176 (2012), 588, 591. 848 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 802 f.; Fehrenbach, AG 2015, 761, 767 bezeichnet die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern insgesamt als konturenlos; vgl. auch Heyers, WM 2016, 581, 583; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 705; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 277 f. 849 Siehe dazu Teil 2 der Arbeit. 845 Fehrenbach,
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
eine Aktiengesellschaft ist, hat eine Haftungsbegrenzung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht durchaus etwas für sich. Es ist auch vollkommen unstreitig, dass der Gesellschaft eine Fürsorge- bzw. Treuepflicht gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern obliegt.850 Jedoch stellt sich die Frage, ob dieser Fürsorge- bzw. Treuepflicht konkret entnommen werden kann, dass bei (leicht) fahrlässigen Pflichtverletzungen eine existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern vermieden werden muss. Dies ist insbesondere deswegen fraglich, weil selbst die Befürworter einer Haftungsbeschränkung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht anerkennen, dass es sich „bei der Fürsorgepflicht […] um ein amorphes dogmatisches Gebilde mit äußerst verschwommenen Konturen“851
handelt, dessen Grundlage sich letztlich auf § 242 BGB zurückführen lässt.852 Dieses Defizit kann bei genauer Betrachtung auch nicht in Anlehnung an die Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung behoben werden. Denn die Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer führt bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen zu einem gänzlichen Haftungsausschluss,853 der sich auch wegen der aus § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG zu entnehmenden Wertung854 nicht mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung vereinbaren lässt.855 Scholz hat völlig zu Recht im Zusammenhang mit den fehlenden Konturen der Fürsorge- bzw. Treuepflicht ausgeführt, dass „es sich bei der Fürsorgepflicht […] um eine Leerformel [handelt], die lediglich dem äußeren Anschein nach etwas Präzises aussagt. Die Krux mit derlei Generalklauseln ist es, dass sie ein Stück offengelassener Gesetzgebung darstellen und gleichzeitig als Maßstab zur Feststellung von Lücken im Gesetz dienen. Aus ihnen ließe sich somit – wenngleich argumentativ zirkulär – jede Abweichung vom Gesetz rechtfertigen.“856
Die konkrete Bestimmung dessen, was einer solchen „Leerformel“ bzw. einem solch „amorphen dogmatischen Gebilde“ entspringt, stellt einen norm850 Siehe etwa Casper, ZHR 176 (2012), 617, 638; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 31; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 11; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 84 Rn. 41; U. H. Schneider, in: FS Werner, S. 795, 806; Spindler, in: MüKo-AktG, § 84 Rn. 67. 851 So Koch, AG 2012, 429, 435. 852 So ausdrücklich auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 271; vgl. Koch, AG 2012, 429, 433. 853 Siehe hierzu die Nachweise in Fn. 433. 854 Siehe dazu Teil 3 D. II. 4. b) bb). 855 Ähnlich Fehrenbach, AG 2015, 761, 769 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 269 ff. 856 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 272.
B. Beschränkung der Vorstandshaftung
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setzenden bzw. rechtsfortbildenden Akt dar, wenn dadurch von einer gesetzlichen Anordnung abgewichen wird.857 Genau dies ist hier der Fall. Eine Haftungsbeschränkung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht würde von der gesetzlich nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. §§ 249 ff. BGB angeordneten Totalreparation abweichen. Folglich stellt eine Haftungsbegrenzung unter Zuhilfenahme der Fürsorge- bzw. Treuepflicht tatsächlich einen Akt der Rechtsfortbildung (praeter legem) dar.858 Diejenigen, die bereits der lex lata eine zwingende Haftungsbegrenzung unter Zuhilfenahme der Fürsorge bzw. Treuepflicht entnehmen, übersehen, dass die Kompetenz der Rechtsfortbildung den Gerichten zugewiesen ist.859 Die Rechtsprechung ist aber bisher nicht von einer derartig ausgestalteten Fürsorge- bzw. Treuepflicht ausgegangen. Eine de lege lata zwingende Haftungsreduktion aufgrund der Fürsorgebzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern ist vor diesem Hintergrund abzulehnen. Davon unabhängig ist allerdings die Beantwortung der Frage, ob eine gerichtliche Rechtsfortbildung in diesem Sinne – wie von Scholz befürwortet – zu empfehlen ist. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit ließe sich folgern, dass Vorstandsmitglieder nicht so schutzwürdig sind, dass eine – stets bei (leicht) fahrlässigen Pflichtverletzungen eingreifende – Rücksichtnahme- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft zur Haftungsbeschränkung rechtsfortbildend angenommen werden sollte. Denn die Vorstandsmitglieder können ihre Bestellung davon abhängig machen, dass ihnen eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme gewährt wird. Man wird auch annehmen können, dass sich Vorstandsmitglieder bei der Verhandlung über ihre Bestellung in einer gegenüber einfachen Arbeitnehmern deutlich stärkeren Verhandlungsposition befinden. Sofern der beste Kandidat für das Vorstandsamt nur bei Gewährung einer Haftungshöchstsumme bereit ist, sich bestellen zu lassen, spricht viel dafür, dass die Aktionäre der Einführung einer satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme zustimmen. Alledem könnte man andererseits entgegen halten, dass durchaus Ausnahmesituationen denkbar sind, in welchen keine Haftungshöchstsumme exis857 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 273 f.; siehe auch Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 446 f. 858 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 272 ff.; siehe ebenso Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 928; eine Haftungsbeschränkung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht ebenfalls nur im Rahmen der Rechtsfortbildung für möglich haltend Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307; wohl auch Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804. 859 Zur richterlichen Rechtsfortbildung ausführlich Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen, S. 90 ff.; Horn, Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, § 1 Rn. 30, § 7 Rn. 188 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 235 ff.
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
tiert, aber eine Schutzbedürftigkeit aufgrund eines besonders krassen Missverhältnisses zwischen dem geringen Verschulden des Vorstandsmitglieds und den Folgen der existenzvernichtenden Haftung sowie der hinzutretenden sonstigen Umstände besteht. Auch ließe sich anführen, dass der Gesetzgeber gerade das Anliegen verfolgt, ein übertrieben risikoaverses Verhalten des Vorstands zu vermeiden.860 Die unbegrenzte Haftung des Vorstands könnte diesbezüglich als konfliktträchtig angesehen werden. Ob in manchen Einzelfällen trotz der Zulässigkeit von satzungsmäßigen Haftungshöchstsummen eine die richterliche Rechtsfortbildung rechtfertigende Schutzbedürftigkeit der Vorstandsmitglieder existiert, muss im Rahmen dieser Arbeit offen gelassen werden. Maßgebend werden insofern die Umstände des Einzelfalls sein. Wie erläutert würde eine Haftungsbegrenzung qua Treue- bzw. Fürsorgepflicht von der durch § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. §§ 249 ff. BGB angeordneten Totalreparation abweichen. Eine dahin gerichtete richterliche Rechtsfortbildung wäre also praeter legem. Für eine Gesetzesabweichung durch Rechtsfortbildung bedürfte es aber schwerwiegende Gründe, welche die Interessen an der Rechtssicherheit überwiegen.861 Treffend führen Bernd Rüthers, Christian Fischer und Axel Birk insoweit aus, dass eine richterliche Gesetzesabweichung nur gerechtfertigt sein kann, „wenn der Richter überzeugt sein darf, dass die Gesetzgebung bei Anschauung der konkreten von ihm zu beurteilenden Interessenlage nach den für sie leitenden Rechtsgrundsätzen und Regelungszielen ebenfalls eine andere als die vorhandene gesetzliche Regelung getroffen hätte.“862
Hält man derartig schwerwiegende und für die Rechtsfortbildung praeter legem streitende Gründe – in manchen Fällen – für gegeben, wird man mit den Ergebnissen dieser Arbeit folgern können, dass sich eine Haftungsbeschränkung qua Treue- bzw. Fürsorgepflicht im Rahmen einer richterlichen Rechtsfortbildung ebenso mit den Normen des Aktiengesetzes vereinbaren lässt wie eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme. Allerdings wäre nach dem Ergebnis der vorangehenden Untersuchung auch insoweit zu beachten, dass die Haftung eines Vorstandsmitglieds keinesfalls unter den Betrag von eineinhalb festen Jahresgehältern reduziert werden darf (Wertung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG).863 Überdies wäre nach dem Ergebnis der Untersuchung eine Haftungsreduktion zu Lasten der Gläubiger nach § 93 Abs. 5 AktG aus860 Zu
diesem Anliegen des Gesetzgebers bereits Teil 1 E. I. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 961. 862 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 960; vgl. auch Heck, AcP 112 (1914), 1, 197 ff., 222. 863 Siehe hierzu die Ausführungen unter Teil 3 D. II. 4. b) bb). 861 Vgl.
C. Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses? 233
geschlossen.864 Schließlich dürfte eine Haftungsreduktion bei Ansprüchen aus § 93 Abs. 3 AktG ausscheiden.865 Angesichts der Tatsache, dass es vollkommen ungewiss ist, ob und, wenn ja, in welcher Höhe sich Gerichte im Rahmen der Rechtsfortbildung (praeter legem) für eine Haftungsbegrenzung entscheiden,866 stellt jedenfalls derzeit eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme de lege lata den einzigen gangbaren Weg zur Begrenzung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr des Vorstands dar.
C. Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses? Abschließend ist ein Blick auf die Frage zu werfen, ob ein gegenüber einer Aktiengesellschaft verhängtes (kartellrechtliches) Bußgeld nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ersetzt werden muss, wenn ein Vorstandsmitglied die Bußgeldverantwortlichkeit der Gesellschaft in pflichtwidriger Art und Weise (mit-) verursacht hat. Ausgeklammert wird insoweit, ob eine Begrenzung des Bußgeldregresses aufgrund der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern zu erfolgen hat. Die vorstehende Ausführung hat diesbezüglich ergeben, dass eine Begrenzung de lege lata nicht erfolgt, sondern davon abhängig ist, ob die Rechtsprechung zukünftig rechtsfortbildend eine derartige Treuepflicht annehmen wird. Bevor jedoch der soeben aufgeworfenen Frage nachgegangen wird, soll eingangs erwähnt werden, dass ein Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses die existenzvernichtende Haftungsgefahr von Vorstandsmitgliedern nur partiell für diesen Bereich verringern würde. Das Risiko, für andere exorbitant hohe Schäden nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG in Anspruch genommen zu werden, bleibt – selbst bei Annahme eines auf Bußgelder bezogenen Regressausschlusses – unberührt. Hinzu kommt, dass ein Regressausschluss bisher nur für gegenüber der Gesellschaft verhängte Kartellrechtsgeldbußen diskutiert wird. Ob er auch für andere Bußgelder, Vergleiche über Strafzahlungen – etwa mit US-amerikanischen Behörden – und andere bußgeldrelevante Sachverhalte maßgeblich sein soll, ist vollkommen offen.
864 Vgl.
die Erläuterungen in Teil 3 D. II. 6. c). dazu die Ausführungen in Teil 3 D. II. 7. d). 866 Habersack, NZG 2015, 1297, 1298 f. geht davon aus, dass sich der für die Haftung der Vorstandsmitglieder zuständige II. Zivilsenat des BGH nicht für die Anerkennung einer Haftungsbeschränkung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht entscheidet. 865 Vgl.
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Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
I. Urteil des LAG Düsseldorf vom 20.1.2015 (nicht rechtskräftig) Im Anschluss an eine teilweise in Schrifttum vertretene Ansicht867 hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 20. Januar 2015 entschieden, dass eine nach § 81 GWB gegen eine GmbH verhängte Kartellrechtsgeldbuße nicht von einem Geschäftsführer einer GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG ersetzt verlangt werden kann.868 Zur Begründung führt das LAG aus: „Der Ordnungsgeber [trifft] mit einer Bußgeldregelung wie der des § 81 GWB eine Entscheidung, wer die verhängte Buße tragen muss. […] Wenn die Klägerin als Normadressatin der Kartellbuße nach § 81 GWB in der Lage wäre, sich diese Buße über § 43 Abs. 2 GmbHG vollständig von ihren Organvertretern erstatten zu lassen, [… würde] die zivilrechtliche Innenhaftung im Gesellschaftsrecht dazu führen, dass die Entscheidung des Normengebers, dass ein Unternehmen nach § 81 GWB zur Verantwortung gezogen werden soll, ins Leere liefe. Das Zivilrecht würde quasi die ordnungsrechtliche Entscheidung korrigieren. Der mit einer Geldbuße verbundene wesentliche Zweck, eine bestimmte Ordnung zu garantieren, könnte nicht wirksam erreicht werden, wenn sich die Rechtsordnung zu sich selbst in Widerspruch setzt, indem sie durch die Zivilgerichte das wiedergibt, was sie zuvor wegen individuellen Fehlverhaltens als Sanktion genommen hat.“869
Weiterhin untermauert das LAG seine Auffassung damit, dass ein etwaiger bußgeldrechtlicher Vorteilsabschöpfungsanteil keinen Schaden für die Gesellschaft darstelle, sondern der Ausgleich einer Bereicherung sei.870 Zudem bringe die kartellrechtliche Kronzeugenregelung – welche dem ersten Antragsteller eine vollständige Bußgeldfreiheit gewährt – zum Ausdruck, dass die Geldbuße konkret auf das Unternehmen zugeschnitten sei.871 Gleiches lasse sich aus den unterschiedlichen Bußgeldrahmen für Unternehmen (bis zu 10 % des Umsatzes, § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB) und für natürliche Personen (maximal 1 Mio. €, § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB) schließen.872 867 Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 104 ff.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Krause, BBSpecial Nr. 8 (2007), S. 2, 13; vgl. auch Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 56. 868 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 (16 Sa 459/14), CCZ 2015, 185, 186 ff.; zustimmend Bachmann, BB 2015, 911; Kollmann/Aufdermauer, BB 2015, 1024; Labusga, VersR 2015, 634, 635; dies., VersR 2017, 394, 398 ff.; Thomas, NZG 2015, 1409, 1410 ff.; im Ergebnis ebenso Grunewald, NZG 2016, 1121, 1122 ff. 869 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 (16 Sa 459/14), CCZ 2015, 185, 186; in diesem Sinne auch Dreher, in: FS Konzen, S. 84, 104 ff.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Thomas, NZG 2015, 1409, 1411 f. 870 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 (16 Sa 459/14), CCZ 2015, 185, 187. 871 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 (16 Sa 459/14), CCZ 2015, 185, 188. 872 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 (16 Sa 459/14), CCZ 2015, 185, 188; dem zustimmend Bachmann, BB 2015, 911; wohl im Ergebnis ebenso Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 56; vgl. auch Horn, ZIP 1997, 1129, 1136.
C. Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses?
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Dass all dies nichts mit einer Haftungsbegrenzung wegen der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern zu tun hat, betont das LAG ausdrücklich.873
II. Relevanz des Urteils für Vorstandsmitglieder einer AG und Beurteilung der Tragfähigkeit 1. Übertragbarkeit auf Regressansprüche nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG Zwar ist das den Bußgeldregress ausschließende Urteil für die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG ergangen. Jedoch sind die urteilstragenden Gründe nicht speziell auf die GmbH-rechtliche Haftungsnorm bezogen. Vielmehr wird im Urteil allgemein argumentiert, dass das Ordnungswidrigkeitenrecht die Wertungen des zivilrechtlichen Regressanspruchs überlagern müsse. Nachdem es sich auch bei § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG um einen zivilrechtlichen Anspruch handelt und die aktienrechtliche Haftungsnorm mit der des GmbH-Rechts eng verwandt ist, kann davon ausgegangen werden, dass das LAG ebenso für ein Vorstandmitglied einer Ak tiengesellschaft entscheiden würde.874 Sofern die Urteilsbegründung überzeugen könnte, ist das Urteil folglich auch für die Haftung von Vorstandsmitgliedern nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG relevant.875 2. Mangelnde Tragfähigkeit der Urteilsbegründung Auch wenn aus rechtspolitischer Sicht viel für eine Begrenzung des Bußgeldregresses spricht,876 sind die vom LAG Düsseldorf vorgetragenen Argumente nicht über jeden Zweifel erhaben.
873 LAG Düsseldorf,
Urt. v. 20.1.2015 (16 Sa 459/14), CCZ 2015, 185, 186. ebenso hiervon ausgehend Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449 f. 875 Auch die sich für einen Regressausschluss aussprechenden Literaturstimmen plädieren auch im Rahmen der Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für einen Regressausschluss, siehe Dreher, in: FS Konzen, S. 85, 104 ff.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Krause, BB-Special Nr. 8 (2007), S. 2, 13; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 56. 876 Die – bereits in Teil 2 der Arbeit erläuterten – generell für eine Haftungsbeschränkung streitenden Gründe können auch hinsichtlich eines Ausschlusses des Bußgeldregresses angeführt werden. 874 Wohl
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a) Erhebliche Zweifel an der Untergrabung des Ordnungswidrigkeitenrechts Im Ergebnis stützt sich das Urteil im Wesentlichen darauf, dass die Wertungen des Ordnungswidrigkeitenrechts einen Ausschluss des zivilrechtlichen Bußgeldregresses erfordern, weil das Ordnungswidrigkeitenrecht ansonsten durch die Regressnahme bei einem Vorstandsmitglied unterlaufen zu werden droht. Dass eine Inregressnahme eines Organmitglieds den gesetzgeberischen Ordnungsgedanken tatsächlich untergräbt, erscheint mehr als fraglich.877 Das ordnungspolitisch Gewollte erfordert es nicht, dass ein Bußgeld endgültig von der Gesellschaft getragen wird.878 Vielmehr erscheint eine Regressnahme sogar als für das ordnungspolitische Ziel förderlich.879 Denn die Gesellschaft ist ohne ihre Organe handlungsunfähig. Eine drohende Sanktionierung der für die Gesellschaft handelnden Personen durch eine Inregressnahme schafft Verhaltensanreize zu kartellrechtskonformem Verhalten. Zudem würde die durch den Ausschluss des Bußgeldregresses eintretende Verringerung des Gesellschaftsvermögens letztlich die Aktionäre treffen, die aber mangels Weisungsrecht gegenüber Vorstandsmitgliedern der falsche Anknüpfungspunkt für die Verfolgung des ordnungspolitischen Ziels sind. Ferner droht auch die Repressionsfunktion des Ordnungswidrigkeitenrechts bei einer Inregressnahme nicht unterlaufen zu werden.880 Im Außenverhältnis haftet die Gesellschaft auch bei Existenz eines Regressanspruchs. Ob und, wenn ja, in welcher Höhe sie ein Vorstandsmitglied in Anspruch nehmen kann, ist vollkommen ungewiss. Jedenfalls bei hohen Bußgeldern wird der bei einem Organmitglied beitreibbare Betrag nur einen Bruchteil des gesamten Bußgelds ausmachen. Gewiss bringt die Anknüpfung der Bußgeldbemessung an den Umsatz des Unternehmens ebenso wie die Kronzeugenregelung zum Ausdruck, dass die Buße konkret auf das Unternehmen zugeschnitten ist. Jedoch lässt sich auch 877 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 451 ff.; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 288 ff.; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267 f.; Kleinert, in: FS Baums, S. 669, 682 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung S. 47 ff.; Fleischer, DB 2014, 345, 347; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 213 b; vgl. auch Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 255; Koch, in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 333 ff.; ders., in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 48; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 174 ff.; Zimmermann, WM 2008, 433, 437. 878 So auch Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 453, 451 ff.; wohl auch Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 289 f. 879 Wohl ebenso Fleischer, DB 2014, 345, 348; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 213 b; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 298; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267; Koch, in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 334 f. 880 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 452 f.; Kleinert, in: FS Baums, S. 669, 682 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 48 ff.
C. Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses? 237
daraus nicht folgern, dass eine Inregressnahme der Organmitglieder ausgeschlossen ist.881 Eine gesetzgeberische Wertung dahin, dass das Bußgeld zwingend allein von der Gesellschaft zu schultern ist, lässt sich dem nicht entnehmen. Wie soeben gezeigt, erfordert es weder die Präventionsfunktion noch die Repressionsfunktion des Ordnungswidrigkeitenrechts, dass ein Regress ausgeschlossen ist. Der Verweis auf die unterschiedlichen Bußgeldrahmen für Unternehmen und natürliche Personen ändert an dieser Bewertung nichts. Zwar ist ein Vorstandsmitglied als natürliche Person im Außenverhältnis nur mit einem geringeren Betrag bebußbar. Jedoch determiniert dies nicht seine zivilrechtliche Pflicht zum Schadensersatz.882 Der für natürliche Personen geringere Bußgeldrahmen ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dessen Auswirkungen zwischen mehreren Grundrechtsträgern (Organ und Gesellschaft) nur in begrenztem Maße Wirkung entfaltet.883 Es vermag nicht einzuleuchten, warum der Vorstand hinsichtlich eines Kartellrechtsverstoßes (Verletzung der Legalitätspflicht) nicht für einen durch ein Bußgeld verursachten Schaden in Regress genommen werden soll, wohingegen seine Ersatzpflicht bei einer einfachen Sorgfaltspflichtverletzung unbegrenzt sein soll.884 b) Kein Regress hinsichtlich des Gewinnabschöpfungsanteils Zuzustimmen ist dem LAG Düsseldorf darin, dass der gewinnabschöpfende Bußgeldanteil keinen ersatzfähigen Schaden darstellt.885 Nach der 881 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 453, 454; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 56; ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 213 b; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 303; Koch, in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 334 f.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172; zur im Vergleich zur Eingriffsverwaltung begrenzten Wirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen Grundrechtsträgern siehe Wagner, in: MüKo-BGB, Vor § 823 Rn. 76. 882 Vgl. Fleischer, DB 2014, 345, 348; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 213 b; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 346; Grunewald, NZG 2016, 1121 f.; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 291; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268; Zimmermann, WM 2008, 433, 437. 883 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 454; Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 291; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 56. 884 So auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 56. 885 So auch Fleischer, DB 2014, 345, 348; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 213 c; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 409, 419; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Krause, BB-Special Nr. 8 (2007), S. 2, 13; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 56; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 171; wohl ebenso durch „Vorabsaldierung“ Kaulich, Haftung für Rechtsanwendungsfehler, S. 277; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 528; wohl auch diejenigen, die für eine Vorteilsanrechnung keinen Raum sehen, wenn die Gewinne bereits abgeschöpft wurden Bicker, AG 2014, 8, 13; Habersack, in: Karls-
238
Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
Differenzhypothese liegt ein Schaden i. S. des § 249 Abs. 1 BGB vor, wenn das Gesellschaftsvermögen infolge des haftungsbegründenden Ereignisses weniger wert ist als ohne dieses Ereignis.886 Denkt man die kartellrechtswidrige Pflichtverletzung weg, wäre der Gesellschaft weder ein Bußgeld auferlegt worden, noch wäre ihr der Kartellgewinn zugeflossen.887 Da das Gesellschaftsvermögen folglich ohne den Kartellverstoß um den Kartellgewinn gemindert wäre, kann die Gesellschaft auf dem Boden der Differenzhypothese den durch ein Bußgeld abgeschöpften Gewinnanteil nicht von einem pflichtvergessenen Vorstandsmitglied zurückverlangen.888 Andernfalls stünde sie durch den Schadensfall besser als ohne den Kartellverstoß, was dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot zuwiderliefe.889 Zudem würde sich die Gesellschaft widersprüchlich verhalten, wenn sie einerseits das Vorstandsmitglied wegen seiner Pflichtverletzung in Regress nimmt, andererseits aber verlangt, so gestellt zu werden, als sei der Kartellverstoß erfolgt und als hätte sie die Gewinne vereinnahmt.890 Zu dem gleichen Ergebnis gelangen diejenigen, die entgegen des vorstehenden Begründungsansatzes die Grundsätze der Vorteilsausgleichung für maßgebend erachten.891 Zutreffend weist jedoch Fleischer darauf hin, dass der Gesellschaft der Nachweis unbenommen bleibt, dass sie auch ohne den Kartellverstoß nach den regelmäßig zu erwartenden Umständen den abgeschöpften Gewinn erzielt hätte.892 In dem Ersatz eines solchen rechtmäßigen hypothetischen Gewinns (entgangener Gewinn nach § 252 BGB) ist kein Verstoß gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot zu sehen.893 Ebenfalls kann der Gesellschaft dann kein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden.894 ruher Forum, S. 5, 34; a. A., jedoch durch Anwendung der Grundsätze der Vorteilsanrechnung zum gleichen Ergebnis kommend Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 450, 453 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 39 ff., 57 ff.; Zimmermann, WM 2008, 433, 438 f. 886 Ebenso Fleischer, DB 2014, 345, 348; vgl. auch Kleinert, in: FS Baums, S. 669, 682 f.; Oetker, in: MüKo-BGB, § 249 Rn. 18. 887 Mertens/Cahn, in: KK-AktG, § 93 Rn. 56; vgl. auch Fleischer, DB 2014, 345, 348; Kleinert, in: FS Baums, S. 669, 682 f. 888 Vgl. Kleinert, in: FS Baums, S. 669, 682 f.; Krause, BB-Special Nr. 8 (2007), S. 2, 13; Fleischer, DB 2014, 345, 348; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172; Wilsing, in: HdB Managerhaftung, § 27 Rn. 34. 889 Vgl. Fleischer, DB 2014, 345, 348; Krause, BB-Special Nr. 8 (2007), S. 2, 13. 890 So auch Fleischer, DB 2014, 345, 348. 891 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 450, 453 ff.; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1271 ff.; Mack, Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern, S. 183 ff.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 39 ff., 57 ff.; Zimmermann, WM 2008, 433, 438 f. 892 Fleischer, DB 2014, 345, 348. 893 Fleischer, DB 2014, 345, 348. 894 Fleischer, DB 2014, 345, 348.
C. Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses? 239
c) Keine methodische Rechtfertigung des Regressausschlusses hinsichtlich des Ahndungsanteils Der Ausschluss des Bußgeldregresses hinsichtlich des Ahndungsanteils wäre aus methodischer Sicht nur durch eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG jeweils i. V. m. §§ 249 ff. BGB möglich.895 Hierzu bedürfte es aber einer zwingenden gesetzgeberischen Wertung, die dem Regress entgegensteht.896 Bloße Billigkeitserwägungen können eine derartige teleologische Reduktion nicht rechtfertigen.897 Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass es dem Urteil an einer überzeugenden Begründung dafür mangelt, welche gesetzgeberische Wertung mit dem Bußgeldregress bei Organmitgliedern kollidiert. Da auch über die im Urteil genannten Gründe hinaus keine zwingenden gesetzgeberischen Wertungen ersichtlich sind, die einem Regress entgegenstehen könnten,898 lässt sich der Regressausschluss hinsichtlich des Ahndungsanteils des Bußgelds nicht methodisch rechtfertigen. Eine unfreiwillige Vermögenseinbuße der Gesellschaft i. S. der §§ 249 ff. BGB ist diesbezüglich fraglos gegeben.899
III. Fazit Aufgrund der erheblichen Zweifel an den urteilstragenden Gründen erscheint es zweifelhaft, ob sich die Sichtweise des LAG Düsseldorf in der Rechtsprechung durchsetzen wird. Die gegen das Urteil des LAG Düsseldorf eingelegte Revision hatte vor dem BAG Erfolg. Mit Urteil vom 29. Juni 2017 hat das BAG entschieden, dass das Landesarbeitsgericht entgegen den Vorgaben des § 87 Satz 2 GWB seine Zuständigkeit zur Entscheidung des Rechtsstreits angenommen habe.900 Da der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen des LAG nicht abschließend beurteilen könne, ob der Rechtsstreit ohne Beantwortung kartellrechtlicher Vorfragen entschieden werden 895 Vgl. Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 453, 451; Koch, in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 334; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172. 896 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 453, 451; Koch, in: Liber amicorum M. Winter, S. 327, 334; Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 46. 897 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 480; siehe auch Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 453, 451. 898 Ebenso Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 453, 451 ff.; wohl auch Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172. 899 Scholz, Existenzvernichtende Haftung, S. 39 ff.; Fleischer, DB 2014, 345, 347 f.; ders., in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 213 b; vgl. auch Hölters, in: Hölters, § 93 Rn. 255; Koch, in: Hüffer/Koch, § 93 Rn. 48; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93 Rn. 172; Wilsing, in: HdB Managerhaftung, § 27 Rn. 34. 900 BAG, Urt. v. 29.6.2017 (8 AZR 189/15), abrufbar bei juris.
240
Teil 4: Seitenblick auf andere Vorschläge zur Haftungsbeschränkung
kann, hat das BAG den Rechtsstreit zurück an das LAG Düsseldorf verwiesen.901 Vorstandsmitglieder sollten sich aufgrund der vorstehend geäußerten Zweifel an der Auffassung des LAG Düsseldorf nicht darauf verlassen, dass gegenüber der Gesellschaft verhängte Bußgelder nicht nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. §§ 249 ff. BGB ersatzfähig sind.
D. Fazit zu Teil 4 der Arbeit Der kurze Seitenblick auf andere Konzepte zur Begrenzung der existenzvernichtenden Haftungsgefahr der Vorstandsmitglieder hat gezeigt, dass de lege lata nur eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme zur Entschärfung der strengen Vorstandshaftung dienen kann. Während anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkungen mit der Kompetenzverteilung des Aktiengesetzes in Konflikt stehen, hängt eine Begrenzung der Vorstandshaftung aufgrund der Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern davon ab, ob die Gerichte sich für eine Rechtsfortbildung in diesem Sinne entscheiden werden, was bislang nicht geschehen ist. Für einen Ausschluss des (kartellrechtlichen) Bußgeldregresses fehlt eine im Ordnungswidrigkeitenrecht verankerte gesetzgeberische Wertung, welche mit der Inregressnahme eines Organmitglieds konfligiert.
901 BAG,
Urt. v. 29.6.2017 (8 AZR 189/15), abrufbar bei juris.
Zusammenfassung der Arbeit in Thesen 1. Das Risiko der existenzvernichtenden Haftung ist für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft allgegenwärtig.902 1.1. Hohe Schadenssummen sind geradezu rechtsformtypisch für Aktiengesellschaften.903 1.2. Die Wahrung der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft stellt für Vorstandsmitglieder zwar keine besonders schwierige Aufgabe dar.904 1.3. Die Beachtung der Legalitätspflicht ist für Vorstandsmitglieder aber ungleich schwerer. Der Legalitätspflicht ist eine äußerste strenge und aus dem Blickwinkel der Haftung sehr risikoreiche Pflichtenlage für den Vorstand zu entnehmen.905 1.3.1. Eine Handlung des Vorstands, welche für die Gesellschaft nützlich ist, stellt eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft dar, wenn sie gegen geltendes Recht verstößt. Selbst im Bagatellbereich darf sich der Vorstand nicht aus Nützlichkeitserwägungen über geltendes Recht hinwegsetzen.906 1.3.2. Bei eindeutiger Rechtslage und eigener Sachkunde zu deren Beurteilung ist ein Vorstandsmitglied aufgrund seiner Legalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft gehalten, sich entsprechend der Rechtslage zu verhalten.907 1.3.3. Die Entscheidung darüber, ob ein Vorstandsmitglied zur Ermittlung der geltenden Rechtslage die nötige Sachkunde besitzt, obliegt ihm selbst.908 1.3.3.1. Entscheidet sich ein Vorstandsmitglied gegen die Hinzuziehung eines fachlich qualifizierten sachkundigen Rechtsberaters, ist die von diesem Vorstandsmitglied erfolgte Rechtsermittlung anhand des für rechtsbera902 Teil 903 Teil 904 Teil 905 Teil 906 Teil 907 Teil 908 Teil
1. 1 A. 1 B. 1 C. 1 C. 1 C. 1 C.
II. II. 1. III. 1. a). III. 1. a).
242
Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
tende Berufe maßgeblichen Sorgfaltsmaßstabs zu messen.909 1.3.3.2. Bei fehlender eigener Sachkunde, genügt das Vorstandsmitglied den Anforderungen an die ihm obliegende Rechtsermittlungspflicht nur, wenn es sich unter umfassender Darstellung des Sachverhalts und Offenlegung der notwendigen Unterlagen von einem unabhängigen sowie für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und er den erhaltenen Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.910 1.3.4. Ist die Rechtslage unklar, sind die Vorstandsmitglieder dazu verpflichtet – gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines fachlich qualifizierten und sachkundigen Rechtsrats – anhand der allgemeinen Gesetzesauslegung die nach ihrer Auffassung am besten vertretbare Ansicht zu ermitteln und zu befolgen.911 1.3.4.1. Bei unklarer Rechtslage sind die Vorstandsmitglieder jedenfalls außerhalb des Aufsichtsrechts nicht dazu verpflichtet, der dem Regelungsanliegen des Gesetzgebers am besten entsprechenden Auffassung zu folgen.912 1.3.4.2. Jedoch muss ein Vorstandsmitglied ein Gericht davon überzeugen können, dass es einen ernsthaften Versuch unternommen hat, die Argumente verschiedener Sichtweisen unvoreingenommen und sachgerecht gegeneinander abzuwägen.913 1.3.5. Es besteht inzwischen eine extrem hohe Fülle an von Vorstandsmitgliedern im Rahmen ihrer Legalitätspflicht zu wahrenden rechtlichen Vorgaben.914 1.4. Die den Vorstandsmitgliedern bei Ermessensentscheidungen obliegenden Sorgfaltspflichten sind ebenfalls streng.915
909 Teil 910 Teil 911 Teil
912 Teil 913 Teil 914 Teil 915 Teil
1 1 1 1 1 1 1
C. III. 1. C. III. 2. C. III. 1. C. III. 1. C. III. 1. C. IV. 1. D.
a). b). b) cc). b) cc).
Zusammenfassung der Arbeit in Thesen243
1.4.1. Auch wenn Vorstandsmitgliedern bei nicht gebundenen Entscheidungen ein weiter Ermessensspielraum zusteht, bestehen strikte Anforderungen hinsichtlich der Entscheidungsvorbereitung.916 1.4.2. Übersieht ein Vorstandsmitglied bei der Entscheidungsvorbereitung wichtige Informationen oder geschehen Fehler bei der Quantifizierung der mit der Entscheidung verbundenen Chancen oder Risiken, kann der Ermessensspielraum die Vorstandsmitglieder nicht vor einer Haftung schützen.917 1.5. Die Business Judgment Rule führt nicht zu einer deutlichen Reduzierung des Haftungsrisikos. Es besteht kein Unterschied zwischen dem standard of review und dem standard of conduct.918 1.5.1. Bei Ermessensentscheidungen erfolgt die gerichtliche Prüfung der Pflichtkonformität des Vorstandshandelns im Wesentlichen durch eine Kontrolle des Prozesses der Entscheidungsfindung.919 1.5.2. Die Kontrolle der Merkmale „vernünftigerweise annehmen durfte auf einer angemessenen Informationsgrundlage und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ erfolgt anhand des Kriteriums der Nachvollziehbarkeit bzw. der rationalen Begründbarkeit aus der ex ante Perspektive des Vorstandsmitglieds.920 1.5.3. Die Grundlage dafür bildet der nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG zu erbringende Vortrag des Vorstandsmitglieds, welche Einschätzungen und welche Informationsbasis seiner Endentscheidung zugrunde gelegt wurden.921 1.5.4. Sobald eine Vorerwägung oder die endgültige Entscheidung aus der ex ante Perspektive nicht nachvollzogen werden kann, ist von pflichtwidrigem Handeln auszugehen.922 1.5.5. Die Merkmale „frei von Interessenkonflikten und in gutem Glauben an die Richtigkeit der Entscheidung“ sind gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar.923 916 Teil 917 Teil 918 Teil 919 Teil 920 Teil 921 Teil 922 Teil 923 Teil
1 1 1 1 1 1 1 1
D. II. 2. a). D. II. 2. a) und Teil 1 D. III. E. E. II. 1. E. II. 1. b). E. II. 1. b). E. II. 1. b). E. II. 2.
244
Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
1.6. Aus Sicht der Vorstandsmitglieder besteht ein nicht geringes Risiko, dass existenzvernichtende Haftungsansprüche tatsächlich durchgesetzt werden.924 1.6.1. Im Grundsatz ist der Aufsichtsrat zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern verpflichtet.925 1.6.2. Die Aktionäre haben die Möglichkeit, Ersatzansprüche gegenüber dem Vorstand nach §§ 147, 148 AktG zu verfolgen bzw. den Aufsichtsrat zur Geltendmachung zu zwingen, was aber in der Praxis kaum je geschieht.926 1.6.3. In der Praxis ist ein Trend zur verstärkten Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern durch den Aufsichtsrat zu verzeichnen.927 1.7. Das Risiko der existenzvernichtenden Inanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds ist nicht versicherbar.928 1.7.1. Eine D&O-Versicherung weist erhebliche Deckungslücken hinsichtlich der Absicherung existenzvernichtender Ersatzansprüche gegenüber Vorstandsmitgliedern auf.929 1.7.1.1. Die vereinbarte Deckungssumme reicht regelmäßig nicht zur Absicherung hoher Schadenssummen aus, zumal die Verteidigungskosten nach den Versicherungsbedingungen auf die Deckungssumme angerechnet werden.930 1.7.1.2. Der Charakter einer Gruppenversicherung und die Tatsache, dass die Deckungssumme für alle in einem Versicherungsjahr geltend gemachten Schäden zur Verfügung steht, können dazu beitragen, dass die Versicherungssumme bereits aufgezehrt ist, wenn ein weiterer Schaden verursacht wird.931 1.7.1.3. Vor allem für Haftungsfälle, in denen typischerweise hohe Schadenssummen zu erwarten sind, enthalten 924 Teil 925 Teil 926 Teil 927 Teil 928 Teil 929 Teil 930 Teil 931 Teil
1 1 1 1 1 1 1 1
F. F. I. F. II. F. III. G. G. I. G. I. 3. bis Teil 1 G. I. 4. a). G. I. 4. b).
Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
245
die Versicherungsbedingungen häufig umfangreiche Deckungsausschlüsse.932 2. Vor diesem Hintergrund ist eine Beschränkung der Vorstandshaftung zu befürworten.933 2.1. Die Beschränkung der Vorstandshaftung trägt dazu bei, Anreize zu risikoaversem Verhalten abzubauen.934 2.1.1. Auch besonnene und sehr pflichtbewusste Vorstandsmitglieder können nicht ausschließen, während ihrer beruflichen Tätigkeit einen fahrlässigen Fehler zu begehen, der erhebliche Haftungsfolgen nach sich zieht.935 2.1.2. Die Haftung erweist sich insofern für Vorstandsmitglieder als unvermeidbar.936 2.2. Die strenge Vorstandshaftung – wie sie nach der lex lata besteht – ist geeignet Vorstandskandidaten von der Annahme eines Vorstandsamts abzuschrecken.937 2.3. Aus dem Blickwinkel einer gerechten Risiko- und Nutzenverteilung ist eine Beschränkung der Vorstandshaftung zu befürworten.938 2.4. Eine einerseits unbegrenzte Haftung, von der angesichts der Strenge der Sorgfaltspflichten und der rechtsformtypisch hohen Schadenssummen ein erhebliches Risiko für eine existenzvernichtende Haftung ausgeht, verträgt sich nicht mit einer andererseits gesetzlich beschränkten Vergütung des Vorstands.939 2.5. Die Schadenskompensation durch ein Vorstandsmitglied ist weitestgehend irrelevant für die Gesellschaft und ihre Aktionäre.940 2.6. Durch eine Haftungsbeschränkung können Fehlanreize zur Vertuschung von Missständen abgebaut werden und es kann die Kooperation des Vorstands bei der Aufklärung von gesetzeswidrigem Verhalten gesichert werden.941 932 Teil 933 Teil 934 Teil 935 Teil 936 Teil 937 Teil 938 Teil 939 Teil 940 Teil 941 Teil
1 G. I. 1. 2. 2 A. II. 1. 2 A. II. 1. a). 2 A. II. 1. a). 2 A. II. 2. 2 A. II. 3. 2 A. II. 3. 2 A. II. 4. 2 A. II. 5.
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Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
2.7. Eine der Höhe nach begrenzte Haftung wird vom Aufsichtsrat bereitwilliger durchgesetzt als eine Haftung, welche die wirtschaftliche Existenz des in Anspruch zu nehmenden Vorstandsmitglieds zerstört.942 2.8. Eine Haftungsbeschränkung erscheint nur für Pflichtverletzungen unterhalb der Schwelle der groben Fahrlässigkeit als angebracht.943 3. Eine Modifikation des Vorstandsmitgliedern gesetzlich auferlegten Pflichtenprogramms durch eine Satzungsbestimmung stellt eine nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unzulässige Abweichung vom Aktiengesetz dar.944 4. Eine Modifikation des für die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG maßgeblichen Verschuldensgrads durch eine Satzungsbestimmung stellt ebenfalls eine nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG unzulässige Abweichung vom Aktiengesetz dar.945 5. Die Begrenzung der Vorstandshaftung durch eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme ist dagegen mit dem Aktiengesetz vereinbar, sofern die Haftung nicht weiter eingeschränkt wird, als es nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt bei Abschluss einer D&O-Versicherung zulässig ist.946 5.1. Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme weicht nicht i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG von § 93 AktG ab.947 5.1.1. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG lässt sich die Anordnung der vollständigen Wiedergutmachung nicht entnehmen.948 5.1.2. Weder dem Wortlaut noch der Gesetzeshistorie noch der Gesetzessystematik noch dem Telos lässt sich Gegenteiliges entnehmen.949 5.1.3. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ist nach der juristischen Methodenlehre ein unvollständiger Rechtssatz, der durch die Hilfsnormen der §§ 249 ff. BGB komplettiert wird.950
942 Teil 943 Teil 944 Teil 945 Teil 946 Teil 947 Teil 948 Teil 949 Teil 950 Teil
2 A. II. 6. 2 A. III. 3 C. I. 3 C. II. 3 D. II. 3 D. II. 1. 3 D. II. 4. 3 D. II. 1. 3 D. II. 1.
bis Teil 3 D. II. 5. a). und Teil 3 D. II. 4. b) und Teil 3 D. II. 3.
Zusammenfassung der Arbeit in Thesen247
5.1.4. Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme weicht nur von der in den dispositiven Hilfsnormen der §§ 249 ff. BGB angeordneten Schadenskompensation ab.951 5.1.5. § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG steht nur Abweichungen von Bestimmung des Aktiengesetzes entgegen.952 5.1.6. Selbst wenn das Aktiengesetz hinsichtlich der Ausfüllung der Rechtsfolge „Schadensersatz“ ausdrücklich auf die §§ 249 ff. BGB verweisen würde, stünde § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG einer Abweichung von den §§ 249 ff. BGB nicht entgegen.953 5.1.7. Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme ist mit der verhaltenssteuernden Funktion der Vorstandshaftung vereinbar, wenn sie die Haftung nicht weiter einschränkt, als es nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG für den Selbstbehalt bei Abschluss einer D&O-Versicherung gestattet ist.954 5.2. Eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme stellt entgegen der bislang herrschenden Meinung eine zulässige Ergänzung des Aktiengesetzes i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG dar.955 5.2.1. Ebenso wie die §§ 249 ff. BGB den unvollständigen Rechtssatz des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ergänzen, komplettiert eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme die besagte Norm.956 5.2.2. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG steht einer nur zukünftig entstehende Ansprüche betreffenden satzungsmäßigen Haftungshöchstsumme nicht entgegen.957 5.2.2.1. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG regelt nur den Verzicht von bereits entstandenen Ansprüchen abschließend.958 5.2.2.2. Der Verzicht auf noch nicht entstandene Ansprüche wird nicht von § 93 Abs. 4 Satz 3 erfasst.959 5.2.2.3. Die Schutzzwecke des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG begründen weder ein Bedürfnis für eine analoge Anwen951 Teil 952 Teil 953 Teil 954 Teil 955 Teil 956 Teil 957 Teil 958 Teil 959 Teil
3 3 3 3 3 3 3 3 3
D. B. D. D. D. D. D. D. D.
II. 4. a) f. II. II. II. II. II. II. II.
3. 4. 6. 6. 6. 6. 6.
b). b) aa). b) aa). b) bb).
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Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
dung einzelner noch ein Bedürfnis für eine analoge Anwendung aller Modalitäten der besagten Norm auf satzungsmäßige Haftungshöchstsummen, die nur zukünftig entstehende Ansprüche erfassen.960 Eine Haftungshöchstsumme konfligiert nicht mit den Schutzzwecken des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG.961 5.2.2.3.1. Dem Zustimmungserfordernis wird genügt, indem die Hauptversammlung der Einführung der Satzungsänderung zustimmt.962 5.2.2.3.2. Der Normzweck des Vetorechts wird nicht beeinträchtigt, weil die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht erschwert wird. Dass der Anspruch nicht in voller Höhe durchgesetzt werden kann, spielt keine Rolle, da weder § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG noch das Klageerzwingungsverfahren einen besonderen Schutz des Gesellschaftsvermögens bezweckt.963 5.2.2.3.3. Der Normzweck der 3-Jahres-Frist wird nicht tangiert, weil es bei der Entscheidung über erst zukünftig entstehende Ansprüche keine strukturelle Informationsunterlegenheit der Aktionäre gibt, der mit der 3-JahresFrist Rechnung getragen werden müsste.964 5.2.3. Aus § 93 Abs. 5 AktG ergibt sich nicht, dass eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme unzulässig ist.965 5.3. Eine Erstreckung der Haftungshöchstsumme auf vorsätzliche Pflichtverletzungen ist nach § 276 Abs. 3 BGB unzulässig.966 5.4. Auf grob fahrlässige Pflichtverletzungen darf sich eine satzungsmäßige Haftungshöchstsumme erstrecken.967 960 Teil 961 Teil 962 Teil 963 Teil 964 Teil 965 Teil 966 Teil 967 Teil
3 3 3 3 3 3 3 3
D. D. D. D. D. D. D. D.
II. II. II. II. II. II. II. II.
6. 6. 6. 6. 6. 6. 7. 7.
b) bb) b) bb) b) bb) b) bb) b) bb) c). a). b).
(2). (2). (2) (a). (2) (b). (2) (c).
Zusammenfassung der Arbeit in Thesen249
5.5. Eine Haftungshöchstsumme darf die Haftung nicht weiter einschränken als auf das Eineinhalbfache der festen Jahresvergütung eines Vorstandsmitglieds.968 5.6. Nicht erstrecken darf sich die Haftungshöchstsumme auf die Fälle des § 93 Abs. 3 AktG.969 5.7. Die Außenhaftung des Vorstands darf von einer Haftungshöchstsumme nicht tangiert werden.970 5.8. Jedoch können Aktiengesellschaften ihre Vorstandsmitglieder durch Satzungsbestimmung von im Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit begründeten Ansprüchen Dritter freistellen.971 Die Freistellung darf jedoch nur den Teil der Außenhaftung betreffen, der eineinhalb feste Jahresgehälter des jeweiligen Vorstandsmitglieds überschreitet (Wertung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG).972 Eine derartige Freistellung ist auch zulässig, wenn die haftungsbegründende Handlung des Vorstands ebenfalls gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist.973 Unzulässig ist eine satzungsmäßige Freistellung für gegenüber den Vorstandsmitgliedern persönlich auferlegte Straf- und Bußgelder sowie bei einer vorsätzlich begründeten Haftung.974 5.9. Die Haftungshöchstsumme sollte ebenso wie die korrespondierende Freistellung von Ansprüchen Dritter an der Gesamtvergütung eines jeden Vorstandsmitglieds ausgerichtet werden.975 5.9.1. Die Deckelung der Haftung in Höhe des Eineinhalbfachen der jährlichen Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds erscheint als angemessen.976 5.9.2. Die Ausrichtung an der Gesamtvergütung schafft eine wünschenswerte Korrelation zwischen der Verantwortung, dem Gehalt und der Leistungsfähigkeit eines jeden Vorstandsmitglieds.977
968 Teil 969 Teil 970 Teil 971 Teil 972 Teil 973 Teil 974 Teil 975 Teil 976 Teil 977 Teil
3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
D. II. 7. D. II. 7. D. II. 7. D. II. 8. D. II. 8. D. II. 8. D. II. 8. E. IV. E. IV. E. IV.
c). d). e). c). c). c).
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Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
5.9.3. Eine Deckelung der Haftung auf einen absoluten Höchstbetrag ist nicht zu befürworten.978 5.9.4. Die Bemessung der Haftungshöchstsumme am Vermögen eines jeden Vorstandsmitglieds ist ebenfalls nicht zu befürworten.979 5.10. Eine Haftungshöchstsumme und eine korrespondierende Freistellung von Ersatzansprüchen Dritter sollte sich nur auf mit leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit begangene Pflichtverletzungen erstrecken.980 5.11. Bei Existenz einer D&O-Versicherung ist eine Satzungsklausel zu empfehlen, die vermeidet, dass der Versicherer durch die Haftungshöchstsumme von seiner Deckungspflicht befreit wird.981 5.12. Bei Existenz einer Haftungshöchstsumme kommt es nur in Ausnahmefällen zu einer Aushöhlung des satzungsmäßigen Höchstbetrags durch den Gesamtschuldnerregress nach § 426 BGB. Dennoch tragen die Haftungshöchstsummen auch in diesem Fall zu einer erheblichen Begrenzung der Haftung des hauptverantwortlichen Vorstandsmitglieds bei.982 5.13. Eine Haftung bis zur Höhe der jeweils maßgeblichen Höchstsumme lässt sich auch in einem mehrgliedrigen Vorstand erreichen, wenn die Vorstandsmitglieder untereinander die Anwendung des § 426 BGB abbedingen, sofern die Haftung des Hauptverantwortlichen durch die Ansprüche der übrigen Vorstandsmitglieder nach § 426 BGB den Betrag der Höchstsumme übersteigen würde.983 5.14. Besonders praktikabel ist die Abbedingung des Gesamtschuldnerregresses (§ 426 BGB) in den vorstehenden Fällen durch Satzungsbestimmung.984 Jedoch bedarf es zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der zum Zeitpunkt der satzungsmäßigen Verankerung bestellten Vorstandsmitglieder.985
978 Teil 979 Teil 980 Teil 981 Teil 982 Teil 983 Teil 984 Teil 985 Teil
3 3 3 3 3 3 3 3
E. II. E. III. E. V. F. I. F. II. 1. F. II. 3. F. II. 3. F. II. 3.
und Teil 3 F. II. 2. a). b). b).
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6. Eine anstellungsvertragliche Beschränkung der Vorstandshaftung ist entsprechend § 23 Abs. 5 AktG unwirksam.986 6.1. Aus der Unzulässigkeit satzungsmäßiger Modifizierungen des für die Haftung maßgeblichen Sorgfalts- und / oder Verschuldensmaßstabs ergibt sich, dass erst recht entsprechende anstellungsvertragliche Modifizierungen unzulässig sind.987 6.2. Eine im Anstellungsvertrag von Vorstandsmitgliedern geregelte Haftungshöchstsumme ist unwirksam.988 Die Kompetenz für die Gewährung einer Haftungshöchstsumme ist nicht dem für den Anstellungsvertrag zuständigen Aufsichtsrat, sondern den Aktionären zugewiesen.989 Die Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme im Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds stellt eine Missachtung der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung dar.990 6.3. Gegen die Zulässigkeit der Vorwegbindung des Ermessens des Aufsichtsrats dahin, dass bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen nur eine Inanspruchnahme bis zur Höhe des halben Vermögens des jeweiligen Vorstandsmitglieds erfolgt, bestehen erhebliche Bedenken.991 Eine derartige Regelung im Anstellungsvertrag ist untauglich, um die Haftung der Vorstandsmitglieder rechtssicher zu begrenzen.992 7. Eine Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern, welche die Gesellschaft dazu verpflichtet, einen existenzvernichtenden Anspruch gegenüber einem Vorstandsmitglied nicht vollständig durchzusetzen, ist – auch für leicht fahrlässige Pflichtverletzungen – nicht dem de lege lata zwingenden Recht zu entnehmen.993 7.1. Eine Haftungsbeschränkung qua Fürsorge- bzw. Treuepflicht ist nur im Rahmen einer richterlichen Rechtsfortbildung möglich, zu der sich die Rechtsprechung bisher nicht bereitgefunden hat.994 7.2. Ob die Vorstandsmitglieder derartig schutzbedürftig sind, dass eine richterliche Rechtsfortbildung als geboten erscheint, ist fraglich.995 986 Teil 987 Teil 988 Teil 989 Teil 990 Teil 991 Teil 992 Teil 993 Teil 994 Teil 995 Teil
4 A. 4 A. 4 A. 4 A. 4 A. 4 A. 4 A. 4 B. 4 B. 4 B.
I. I. 2. I. 2. I. 2. I. 2. II. 2. c). II. 3. II. II.
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Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
8. Die Inregressnahme von Vorstandsmitgliedern für gegenüber der Gesellschaft verhängte (kartellrechtliche) Geldbußen ist nicht ausgeschlossen.996 8.1. Es fehlt an einer den Regress ausschließenden ordnungspolitischen Wertung des Gesetzgebers.997 8.2. Ein etwaiger in einem Bußgeld enthaltener Gewinnabschöpfungsanteil ist kein nach den §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Schaden.998 8.3. Der ahndende Teil der Geldbuße stellt dagegen einen i. S. der §§ 249 ff. BGB ersatzfähigen Schaden dar.999
996 Teil
4 4 998 Teil 4 999 Teil 4 997 Teil
C. C. II. 2. a). C. II. 2. b). C. II. 2. c).
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Stichwortverzeichnis Abbedingung Gesamtschuldnerregress 214–216 Absicherungsmaßnahmen 63 Abstellen von Verstößen 59–60 Abweichung vom Aktiengesetz 127– 129, 133 –– Abweichung von § 93 durch Haftungshöchstsumme 137–158 Aggregate Limits 104–105 Ahndungsanteil 239 Allgemeine Reduktionsklausel siehe Reduktionsklausel Angemessene Informationsgrundlage 67–70 Anspruchsverfolgung durch Gesellschaftsgläubiger 175–176 Anstellungsvertragliche Haftungsbeschränkung 218–227 –– Haftungshöchstsumme 219–222 –– Halbvermögensverschonung 222– 227 Aufklärung von Verdachtsmomenten 59–60 Aufsichtsrat 23–24, 91–96 –– Durchsetzungspflicht des Aufsichtsrats 91–96 –– Vorwegbindung Aufsichtsratsermessen 222–227 –– Wahl des Aufsichtsrats 147–148 Augenblicksversagen 121 Außenhaftungsfreistellung siehe Freistellung von Außenhaftung Begrenzung der Vorstandshaftung siehe Haftungsbeschränkung Vorstand Bemessung an Gesamtvergütung 201–202
Bereicherungsrechtlicher Anspruch 155, 192–194 Besonderer Vertreter 96 Betragsmäßige Mindesthaftung 185– 186 Beweislastumkehr 55, 80, 111 Business Judgment Rule 66–76, 77–90 –– angemessene Informationsgrundlage 67–70 –– dogmatische Bedeutung 75–76 –– Ermessensspielraum 79–88 –– ex ante Perspektive 79 –– gerichtlicher Kontrollmaßstab 77–90 –– Gutgläubigkeit 74 –– Nachvollziehbarkeit 83–88 –– Regelungsanliegen 77 –– Safe Harbour 77–90 –– Sonderinteressen 73–74 –– unternehmerische Entscheidung 66–74 –– Unverantwortlichkeit 81–83, 85–87 –– zum Wohle der Gesellschaft 70–73 Bußgeldregress 233–240 –– Ahndungsanteil 239 –– Gewinnabschöpfungsanteil 234, 237–238 –– LAG Düsseldorf 234–240 Bußgeldverantwortlichkeit 29 Claims-made-Prinzip 104–105 Compliance 58–60 Compliance-Organisation 59 –– Systemprüfungs- und Nachjustierungspflichten 59–60 Deckelung auf absoluten Betrag 200 Deckungsausschlüsse 100
Stichwortverzeichnis Deckungssumme 102 Dispositive Normen 128, 133, 138–139, 151, 214–215 D&O-Versicherung 98–106 –– Aggregate Limits 104–105 –– Anrechnung der Verteidigungskosten 103–104 –– begrenzte Innenhaftungsdeckung 101–102 –– claims-made-Prinzip 104–105 –– Deckungsausschlüsse 100 –– Deckungssumme 102 –– Gruppenversicherung 104–105 –– Selbstbehaltsverpflichtung 105–106 Durchsetzungspflicht des Aufsichtsrats 91–96 Durchsetzung von Haftungsansprüchen 90–98 –– Durchsetzung in der Praxis 97–98 –– Durchsetzungsmöglichkeit der Aktionäre 96–97 –– Durchsetzungspflicht des Aufsichtsrats 91–96 –– Klageerzwingungsverfahren 97 –– Regelverfolgung 91, 93–96 –– Verschonung des Vorstands 91–96 Dynamischer Verweis 147 Eilbedürftige Entscheidungen 55 Entscheidungen bei unklarer Rechtslage 44–45, 49–56 Entschuldigender Rechtsirrtum siehe Unvermeidbarer Verbotsirrtum Ergänzung des Aktiengesetzes 127–180 Ergänzungsnorm siehe Hilfsnorm Ermessensentscheidungen 65–74 Ermessensspielraum 79–88 Ex ante Perspektive 79 Faktischer Konzern siehe Nachteilsausgleichspflicht im faktischen Konzern Formulierungsvorschlag Freistellungsklausel 202–204
275
Formulierungsvorschlag Haftungshöchstsumme 202–204 Freistellung durch Satzungsbestimmung 194–198 –– betragsmäßige Mindesthaftung 197–198 –– Bußgelder 195 –– Formulierungsvorschlag 202–204 –– Geldstrafen 195 –– Vorsatz 195 Freistellung von Außenhaftung 188– 198 –– bereicherungsrechtlicher Anspruch 192–194 –– betragsmäßige Mindesthaftung 197 –– Bußgelder 195 –– Freistellung durch Satzungsbestimmung 194–198 –– Geldstrafen 195 –– Geschäftsführung ohne Auftrag 192–194 –– gesetzliche Freistellungsansprüche 189–194 –– Vorsatz 195 Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft 124, 223–227, 227–233 –– Meinungsstand 227–229 –– Rechtsfortbildung praeter legem 228–233 Gerichtlicher Kontrollmaßstab 77–90 –– angemessene Informationsgrundlage 79–88 –– ex ante Perspektive 79 –– Gutgläubigkeit 88–89 –– Nachvollziehbarkeit 83–89 –– Sonderinteressen 88–89 –– Unverantwortlichkeit 81–83, 85–87 –– zum Wohle der Gesellschaft 79–88 Gesamtschuldnerische Haftung Vorstand 206–216 –– Gesamtschuldnerregress zwischen Vorstandsmitgliedern 206–208
276 Stichwortverzeichnis –– Ressortverteilung und Verantwortlichkeit 206–207 Gesamtschuldnerregress 190–191 Gesamtschuldnerregress zwischen Vorstandsmitgliedern 206–208 –– Abbedingung durch Satzungsbestimmung 215–216 –– Ressortverteilung und Verantwortlichkeit 206–207 –– vertragliche Abbedingung 214–215 Geschäftsführung ohne Auftrag 155, 192–194 Gesellschaftsinteresse 25, 71, 73 Gesellschaftszweck 25, 73 Gesetzliche Freistellungsansprüche 189–194 Gestaltung Haftungshöchstsumme 199–204 –– Bemessung am Vermögen 200 –– Bemessung an Gesamtvergütung 201–202 –– Deckelung auf absoluten Betrag 200 –– Formulierungsvorschlag 202–204 –– grobe Fahrlässigkeit 202 –– Principal-Agent-Problematik 199 –– Vermeidung Deckungsbefreiung D&O-Versicherung 205–206 Gestörte Gesamtschuld 208–214 –– Lösung zu Lasten der Gesellschaft 211–213 –– Lösung zu Lasten des Haupt verantwortlichen 213–214 –– Lösung zu Lasten des nicht Haupt verantwortlichen 209–210 Gewinnabschöpfungsanteil 234, 237–238 Gewinnmaximierung 73 Gewinnung geeigneter Vorstands kandidaten 114–115 Gläubigerschutz 174 GoA siehe Geschäftsführung ohne Auftrag Grobe Fahrlässigkeit 86, 97, 108–110, 119–122, 123–124, 127, 134–135, 166–171, 181–184, 191, 201, 202
Grundsatz der Satzungsstrenge siehe Satzungsstrenge Gruppenversicherung 104–105 Gutgläubigkeit 74 Haftungsbeschränkung Abschlussprüfer 109 Haftungsbeschränkung Anwälte 109 Haftungsbeschränkung durch Satzungsbestimmung 126–217 –– betragsmäßige Mindesthaftung 185–186 –– Gläubigerschutz 174 –– Haftungshöchstsumme 135–217 –– keine Erstreckung auf § 93 Abs. 3 186–187 –– keine Erstreckung auf Außenhaftung 187 –– Modifizierung Sorgfaltsmaßstab 130–135 –– Modifizierung Verschuldensmaßstab 130–135 Haftungsbeschränkung GmbHGeschäftsführer 182–183 –– grobe Fahrlässigkeit 182–183 Haftungsbeschränkung Steuerberater 109 Haftungsbeschränkung Vorstand 108–122, 126–240 –– Anstellungsvertrag 218–226 –– Ausschluss Bußgeldregress 233–239 –– Freistellung von Außenhaftung 188–198 –– Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft 124, 223–227, 227–233 –– Gläubigerschutz 174 –– grobe Fahrlässigkeit 119–122, 181–184 –– Haftungsbeschränkung durch Satzungsbestimmung 126–127 –– Haftungshöchstsumme durch Satzungsbestimmung 135–217 –– Modifizierung Sorgfaltsmaßstab 130–135
Stichwortverzeichnis277 –– Modifizierung Verschuldensmaßstab 130–135 –– Pro und Contra 108–122 –– Reduktionsklausel 146–147 –– verhaltenssteuernde Funktion 113, 148–149, 152–156, 167, 168, 170, 212 –– Vermeidung von risikoaversem Verhalten 110–113 Haftungsbeschränkung Wirtschaftsprüfer 109 Haftungshöchstsumme durch Satzungsbestimmung 135–217 –– Abbedingung Gesamtschuldnerregress 214–216 –– Abweichung von § 93 137–158 –– Auswirkungen auf D&O-Versicherungen 205–206 –– Bemessung am Vermögen 200 –– Bemessung an Gesamtvergütung 201–201 –– betragsmäßige Mindesthaftung 185–186 –– Deckelung auf absoluten Betrag 200 –– Ergänzung des § 93 158–180 –– Formulierungsvorschlag 202–204 –– Freistellung von Außenhaftung durch Satzungsbestimmung 194–198 –– gesamtschuldnerische Haftung 206–216 –– Gesamtschuldnerregress zwischen Vorstand und Gesellschaft 190–191 –– Gesamtschuldnerregress zwischen Vorstandsmitgliedern 206–216 –– Gestaltung Haftungshöchstsumme 199–204 –– gestörte Gesamtschuld 208–214 –– Gläubigerschutz 174 –– grob fahrlässige Pflichtverletzung 181–184, 201–202 –– keine Erstreckung auf § 93 Abs. 3 186–187 –– keine Erstreckung auf Außenhaftung 187 –– Meinungsstand 136–137
–– Nachteilsausgleichspflicht im faktischen Konzern 176–179 –– vorsätzliche Pflichtverletzungen 180–181 Haftungsrisiko 30–125 –– Bußgeldverantwortlichkeit 29 –– existenzvernichtende Schadens summen 28–30 –– leichte Fahrlässigkeit 28–30, 62–63 Halbvermögensverschonung 222–227 Handeln entgegen herrschender Rechtsauffassung 40–44 Handeln zum Wohle der Gesellschaft 70–73 Hauptversammlung 24 Hilfsnorm 141–142 Hindsight bias 78, 111, 121–122 Informationsunterlegenheit 172 Innerbetrieblicher Schadensausgleich 108–109 Interessenkonflikt 31–34, 73–74, 88–89 Juritische Methodenlehre siehe Methodenlehre Kartellverstoß 29, 238 Klageerzwingungsverfahren 97 Kollegialorgan 80 Kompensation siehe Schadenskompensation Legalitätspflicht 37–64 –– Absicherungsmaßnahmen 63 –– Abstellen von Verstößen 59–60 –– Aufklären von Verdachtsmomenten 59–60 –– Bagatellverstoß 38–40 –– Compliance 58–60 –– Differenzierung Außen- und Innen verhältnis 38–46 –– Entscheidungen bei unklarer Rechtslage 44–45, 49–56 –– Handeln entgegen herrschender Rechtsauffassung 40–44, 49–56
278 Stichwortverzeichnis –– nützlicher Gesetzesverstoß 38–40 –– Rechtsbefolgungspflicht 37, 47, 49 –– Rechtsermittlungspflicht 47, 49 –– Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage 47–49 –– Strenge der Legalitätspflicht 60–64 –– vertragswidriges Verhalten 45–46 Leichte Fahrlässigkeit 28, 29–30, 62–63, 108–110, 113–119, 131, 134–135, 137–138, 153, 167–170, 172, 182, 186–187, 191, 202, 207–208, 214, 222–225, 227–233 Marktwertmaximierung 73 Methodenlehre 141–142 –– unvollständiger Rechtssatz 141–142 –– vollständiger Rechtssatz 141–142 Mindesthaftung siehe Betragsmäßige Mindesthaftung Mitbestimmungsgesetz 147–148 Modifizierung Sorgfaltsmaßstab 130–135 Modifizierung Verschuldensmaßstab 130–135 Nachteilsausgleichspflicht im faktischen Konzern 176–179 Nachvollziehbarkeit 83–88 Noch vertretbare Rechtsauffassung 51–52 Nützlicher Gesetzesverstoß 38–40 –– Bagatellverstoß 38–40 Optimierungsthese 52 Organe der Aktiengesellschaft 23–24 Pflichtenkollision siehe Rechtfertigende Pflichtenkollision Plausibilitätskontrolle 56–58 Principal-Agent-Problematik 199–200 Rechtfertigende Pflichtenkollision 55 Rechtsbefolgungspflicht 37, 47, 49 –– noch vertretbare Rechtsauffassung 51–52
–– Optimierungsthese 52 –– sicherster Weg 49–51 Rechtsermittlungspflicht 47, 49 –– eilbedürftige Entscheidungen 55 –– Rechtsrat 56–58 –– summarische Prüfung 55 Rechtsfortbildung praeter legem 228–229 –– Rechtsfortbildungskompetenz 228–229, 231 –– Voraussetzungen 232–233 Rechtsfortbildungskompetenz 228–229, 231 Rechtsirrtum siehe Unvermeidbarer Verbotsirrtum Rechtsrat 56–58 –– Plausibilitätskontrolle 56–58 Reduktionsklausel 146–147 Ressortverteilung und Verantwortlichkeit 206–207 Risikoaverses Verhalten 77–78, 110–114 Rückschaufehler siehe Hindsight bias Rücksichtnahmepflicht der Gesellschaft siehe Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage 47–49 –– eigene 47–49 –– fehlende 56–58 Safe Harbour 77–90 Satzungsstrenge 127–130, 132, 134–135 –– Abweichung vom Aktiengesetz 127–129, 133 –– Abweichung von § 93 durch Haftungshöchstsumme 137–158 –– Ergänzung des Aktiengesetzes 127–180 Schadensersatz als Rechtsfolge 141– 144 Schadensersatz dem Grunde nach 141–143
Stichwortverzeichnis279 Schadenskompensation 117–118, 137–138 –– Verortung 152 Schadensvorsorge 117–118 Selbstbehaltsverpflichtung 105–106, 150–151, 154–155, 185 Sicherster Weg 49–51 Sonderinteressen 73–74 Sorgfalt bei Ermessensentscheidungen 65–76 Sorgfaltsmaßstab 64–65 Sorgfaltspflicht 64–77 –– Business Judgment Rule 66–76, 77–90 –– Sorgfalt bei Ermessensentscheidungen 65–76 –– Sorgfaltsmaßstab 64–65 –– Strenge 76–77 Strenge der Legalitätspflicht 60–64 –– Nähe zur Erfolgshaftung 62–63 –– Vielzahl rechtlicher Bestimmungen 61–62 Strenge der Sorgfaltspflichten 76–77 Summarische Prüfung 55 Totalreparation siehe Schadenskompensation Treuepflicht 30–37 –– Ausprägungen 31–36 –– Interessenkonflikt 31–34, 73–74, 88–89 –– Strenge der Treuepflicht 36–37 Treuepflicht der Gesellschaft siehe Fürsorge- bzw. Treuepflicht der Gesellschaft Treuhänderische Stellung 31, 115 Unternehmensgegenstand 26–27 Unternehmensinteresse 70–73 Unternehmerische Entscheidung 66–74 Unverantwortlichkeit 81–83, 85–87 Unvermeidbarer Verbotsirrtum 41–42, 44 Unvollständiger Rechtssatz 141–142
–– Hilfsnorm 141–142 Verbotsirrtum siehe Unvermeidbarer Verbotsirrtum Vergütung 116–117 –– Begrenzung auf übliche Vergütung 115–116 Verhaltenssteuernde Funktion 113, 148–149, 152–156, 167, 168, 170, 212 –– Treuepflichtverletzung 155–156 Vertretbarkeit siehe Nachvollziehbarkeit Verzicht 150, 159–175 –– 3-Jahres-Frist 171–174 –– abschließende Regelung für entstandene Ansprüche 160–161 –– abschließende Regelung Voraus verzicht 161–174 –– Gläubigerschutz 174 –– Informationsunterlegenheit 171–172 –– Vetorecht einer zehnprozentigen Minderheit 166–171 –– Zustimmungserfordernis 165–166 Vollständige Wiedergutmachung siehe Schadenskompensation Vollständiger Rechtssatz 141–142 Vorsatz 46, 123–124, 155, 172, 180–181, 195 Vorstand 23 –– Abberufung 23, 34, 131 –– Absicherungsmaßnahmen 63 –– Beweislastumkehr 55, 80, 111 –– Business Judgment Rule 66–76, 77–90 –– Freistellung von Außenhaftung 188–198 –– gesamtschuldnerische Haftung 206–216 –– Gesamtschuldnerregress zwischen Vorstandsmitgliedern 206–208 –– Gewinnung geeigneter Vorstands kandidaten 114–115 –– Haftungsbeschränkung durch Satzungsbestimmung 126–217 –– Haftungsrisiko 30–125
280 Stichwortverzeichnis –– Interessenkonflikt 31–34, 73–74, 88–89 –– Kollegialorgan 80 –– Legalitätspflicht 37–64 –– Leitungsfunktion 23 –– risikoaverses Verhalten 77–78, 110–114 –– Sachkunde zur Beurteilung der Rechtslage 47–49 –– Sorgfalt bei Ermessensentscheidungen 65–76 –– Sorgfaltspflicht 64–77 –– Treuepflicht 30–37 –– treuhänderische Stellung 31, 115 –– unternehmerische Entscheidung 66–74 –– Vergütung 116–117 Vorstandshaftung 28–30, 137–180 –– Anspruchsverfolgung durch Gesellschaftsgläubiger 175–176 –– anstellungsvertragliche Haftungs beschränkung 218–226 –– Ausschluss Bußgeldregress 233–239 –– betragsmäßige Mindesthaftung 185–186 –– D&O-Versicherung 98–106 –– Durchsetzung von Haftungs ansprüchen 90–98 –– existenzvernichtende Schadens summen 28–30
–– Freistellung von Außenhaftung 188–198 –– gesamtschuldnerische Haftung 206 –– Gesamtschuldnerregress zwischen Vorstandsmitgliedern 206–216 –– Gesetzeshistorie 139–143 –– Grammatische Auslegung 143–145 –– Haftungsbeschränkung 108–122, 126–240 –– Haftungsbeschränkung durch Satzungsbestimmung 126–217 –– Haftungshöchstsumme durch Satzungsbestimmung 135–217 –– Modifizierung Sorgfaltsmaßstab 130–135 –– Modifizierung Verschuldensmaßstab 130–135 –– Schadenskompensation 117–118, 137–158 –– Sinn und Zweck 148–156 –– systematische Auslegung 145–148 –– verhaltenssteuernde Funktion 113, 148–149, 152–156, 168, 170, 212 –– Verzicht 150, 159–175 Vorwegbindung Aufsichtsratsermessen im Vorstandsanstellungsvertrag siehe Halbvermögensverschonung Wahl des Aufsichtsrats 147–148