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German Pages 69 [76] Year 1920
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn Vom V e r f a s s e r der vorliegenden Schrift erschien f e r n e r in unserem V e r l a g e :
Arzt und R.V.O.
Der Arzt und die deutsche Reichsversicherungsordnung Von D r . Th. Rumpf Geh. Med.-Rat und Prof. an der Universität Bonn
P r e i s geh. M. 3.—, geb. M. 3.80 Mit Teuerungszuschlag geh. M. 4.—, geb. M. 5.— Zeitschrift für Bahn- und Bahnkassenärzte: Die Schrift f ü h r t in die n e u e n u n d nicht immer ganz leichten Aufgaben ein, die die R. V. O. den Ärzten bringt. Die Kenntnis der Kranken-, Unfall-, Invaliden- u n d Hinterbliebenen-Versicher u n g gehört zu dem täglich erforderlichen Rüstzeug des Arztes; er findet es übersichtlich u n d klar in dem vorliegenden Buche hergerichtet. Berliner klinische Wochenschrift: D e r verdienstvolle Verfasser hat es v e r s t a n d e n , auf w e n i g m e h r als 100 Seiten das Notwendigste zusammenzufassen, w a s der Arzt von der R. V. O. wissen muß. U n t e r der Knappheit der Sprache hat die Verständlichkeit nicht gelitten, im Gegenteil liest sich das Buch, das eine F ü l l e von B e l e h r u n g bringt, leicht, fließend u n d höchst anregend. Das Buch k a n n jedem Arzte, der sich über die Rechte u n d Pflichte, die die R. V. O. den Ärzten auferlegt, eine Kenntnis verschaffen will, auf das w ä r m s t e empfohlen w e r d e n . Der Amtsarzt: Das B u c h ist zur E i n f ü h r u n g der Ärzte in dieses Gebiet bestimmt u n d erfüllt seine Aufgabe in vollkommenem Maße. Mtinchener medizinische Wochenschrift: D e m praktischen Arzt u n d dem Studierenden w i r d die kleine Schrift zur ersten E i n f ü h r u n g in das Gebiet der Versicherungsmedizin gute Dienste leisten. Medisinai-Archiv für das Deutsche Reich: Das W e r k erfüllt seinen Zweck in h e r v o r r a g e n d e r Weise. Besonders lobend hervorzuheben ist, daß der Verfasser u n t e r Verzicht auf die A n g a b e von P a r a g r a p h e n z a h l e n die f ü r die Ärzte wichtigen Bestimmungen des R. V. O. ihrem wesentlichen I n h a l t nach wiedergegeben u n d in i h r e r Zugehörigkeit zueinander u n d ihrer B e d e n t u n g f ü r die P r a x i s g e w ü r d i g t hat. Ärztl. Sachverständigen Zeitung: . . . . Sein Bestreben, die trockene P a r a g r a p h i e r u n g durch eine dem gegenwärtigen Stande der P r a x i s angepaßte, m e h r persönliche Schilderung der Verhältnisse zu ersetzen, tritt gegenüber a n d e r e n gleichartigen Schriften dabei angenehm hervor. Schweiz. Zeitschrift f . Unfallmed. und Unfallrechtsprechung: . . . . D i e L e k t ü r e des Buches ist auch Schweizer Ärzten w a r m zu empfehlen, bringt u n s doch unser neues Unfallgesetz ganz ähnliche Pflichten u n d Aufgaben.
Die Erhaltung der
geistigen Gesundheit Von
Dr. Th. Rumpf Professor der sozialen Medizin an der U n i v e r s i t ä t B o n n
Bonn 1919 A. M a r c u s & E. W e b e r ' s V e r l a g Dr. jur. A l b e r t A h n .
Alle Hechte, besonders das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. C o p y r i g h t 1919 b y A. M a r c u s & E. W e b e r ' s V e r l a g in Bonn.
Vorwort. Ein schweres Schicksal lastet auf dem deutschen Volk. Unendlichen Verlusten an Leben, Gesundheit, Vermögen hat sich ein geistiger Zusammenbruch zugesellt. T a f e l n , welchen Alter und Gewohnheit ein vielleicht nicht mehr berechtigtes Ansehen verliehen, sind'z erbrochen. Satzungen, die als wertvolle Erbschaft übernommen und betrachtet wurden, sind umstritten. Eine g e i s t i g e Störung, welche s e u c h e n a r t i g um sich greift, droht den Umsturz a l l e r seitherigen "Werte. Aber wie im XIV. Jahrhundert die Folgen des schwarzen T o d e s , die G e i ß l e r f a h r t e n und J u d e n v e r f o l g u n g e n mit den anschließenden sittlichen und wirtschaftlichen Schäden überwunden wurden, so dürfen wir hoffen, daß der jetzigen geistigen Seuche die Eückkehr zur Genesung folgt, und die in langem menschlichen Entwicklungsgang erkämpften geistigen Schätze wieder volle Geltung erlangen. Möge dieses Büchlein, das Vorlesungen an der Universität seine Entstehung verdankt, dazu beitragen, daß dem deutschen Volk die bedrohte geistige Gesundheit nicht verloren geht. Bonn, im Mai 1919. Th. Rumpf.
Inhalt. Seite
A. Die E n t w i c k l u n g der g e i s t i g e n Fähigkeiten 1. Unsere Kenntnisse von den Gehirnprovinzen 2. D i e E n t w i c k l u n g des Gedächtnisses 3. D a s Bewußtsein 4. B e w e g u n g u n d "Wille B. Die Mittel zum Schutz der g e i s t i g e n Gesundheit
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1. F e r n h a l t u n g organischer Störungen
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2. Die Erziehung der J u g e n d a) höhere Schulen
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3. Die E r z i e h u n g zum Staatsbürger
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4. Die E i n w i r k u n g e n des Lebens
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5. Die Stählung a) Erziehung b) Erziehung c) Schickung
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des W i l l e n s zur P f l i c h t e r f ü l l u n g zur L e b e n s f r e u d e in den Tod. . *
C. Z u s a m m e n f a s s e n d e L e b e n s r e g e l n
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A. Die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten. In Berichten über Gerichtsverhandlungen lesen wir häufig, daß die Richter die Frage aufwerfen, ob bei einem Menschen ein die f r e i e W i l l e n s b e s t i m m u n g a u s s c h l i e ß e n d e r Zustand krankhafter Störung der G e i s t e s t ä t i g k e i t bestand. Es kann sich bei der letzteren einmal um eine o r g a n i s c h e G e h i r n k r a n k h e i t handeln, das heißt eine solche, in welcher das Gehirn selbst nachweisbar krankhaft verändert ist, und sodann um eine G e i s t e s k r a n k h e i t , für welche eine erkennbare Veränderung des Gehirns einstweilen fehlt. In solchen Fällen geistiger Unzurechnungsfähigkeit kann naturgemäß von g e i s t i g e r G e s u n d h e i t k e i n e Rede sein. Aber die Natur kennt keine scharfen Grenzen, und von der wohl charakterisierten Geistesstörung sehen wir die verschiedensten Übergänge bis zur geistigen Gesundheit. Unser Urteil über diese gründet sich auf die Form, in welcher der Ausdruck der geistigen Tätigkeit uns entgegen tritt. Diese ist im allgemeinen eine doppelte, einmal durch die Äußer u n g d e r G e d a n k e n , also die Sprache, und sodann durch die H a n d l u n g e n . Da aber das Denken und das daraus resultierende Handeln bei den einzelnen Völkern verschieden sind, so ist der Begriff g e i s t i g e G e s u n d h e i t auch ein v ö l k i s c h v e r s c h i e d e n e r . Es bedarf in dieser Hinsicht wohl kaum eines Hinweises auf die Verschiedenheiten ethischer Anschauungen zwischen gewissen Negerrassen und Weißen. Aber auch unter den letzteren fehlt es nicht an auffallenden Gegensätzen. In drei Richtungen treten uns die Erscheinungen des geistigen Lebens entgegen, zunächst in der Art, wie der
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Die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten
einzelne s e i n Leben gestaltet, sodann wie er sich seinen A n g e h ö r i g e n und drittens, wie er sich gegenüber der A l l g e m e i n h e i t und dem S t a a t verhält. Wenn wir in dem Nachfolgenden von geistiger Gesundheit sprechen, so gehen unsere Anforderungen im allgemeinen weit höher, als daß der Betreffende frei von einer krankhaften, die freie "Willensbestimmung ausschließenden Geistestätigkeit ist, wir verstehen an erster Stelle darunter, daß das D e n k e n und H a n d e l n des Menschen gemäß den körperlichen Anlagen und Kräften durch eine gute Erziehung so entwickelt ist, daß der E i n z e l n e die M ö g l i c h k e i t hat, seine K r ä f t e in d e r W e l t z u v e r w e r t e n . Da aber der Mensch nicht als Einzelindividuum lebt, so erheischt die Forderung der geistigen Gesundheit des Menschen an zweiter Stelle, daß seine Handlungen, soweit sie seine U m g e b u n g , seine F a m i l i e , seine M i t a r b e i t e r betreffen, die Rechte der Mitlebenden in gleicher Weise berücksichtigen wie die eigenen, und drittens, daß er gegenüber der Allgemeinheit und dem Staat die P f l i c h t e n und L a s t e n willig auf sich nimmt, welche dieser fordern muß. Egoismus und Altruismus müssen in einem gewissen Einklang mit den allgemeinen Auffassungen der Volksgenossen stehen. Auf das große Gebiet der geistigen Erkrankungen können wir hier naturgemäß nicht eingehen; wir können uns nur mit den G e f a h r e n beschäftigen, welche dem Nervensystem drohen und, teils durch K r a n k h e i t e n , welche besonders gern das Nervensystem befallen, teils durch die E r z i e h u n g im weitesten Sinne die geistige Gesundheit zu schädigen geeignet sind. Zuvor aber werden wir die Entwicklung dieser und demgemäß die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten überhaupt zu betrachten haben. Yon A r i s t o t e l e s bis auf K a n t stimmen die Philosophen darin überein, und ich kann mich ihnen nur anschließen, daß Jedem von uns die Kenntnisse der A u ß e n w e l t nur in der Weise seiner Vorstellung, zuletzt nur in der Weise seiner durch die S i n n e s o r g a n e vermittelten Erkenntnisse gegeben
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ist. Eine ähnliche Auffassung vertritt S t . T h o m a s von Aquino indem er schreibt: „Nur d a s k a n n in u n s e r e n V e r s t a n d E i n g a n g f i n d e n , w a s s e i n e n "Weg d u r c h u n s e r e S i n n e g e n o m m e n hat". Durch die äußeren Sinnesorgane werden die Eindrücke dem Centraiorgan der geistigen Tätigkeit übermittelt, und neben diesen Eindrücken von Seiten der A u ß e n w e l t wirken diejenigen, welche der Mensch von seinem e i g e n e n Körper und dessen O r g a n e n durch äußere und innere Empfindungen erhalten hat und ständig erhält. Es wird heute nicht mehr bezweifelt, daß als Sitz der geistigen Funktionen oder der Seele, wie man früher sagte, das Gehirn betrachtet werden muß. Diesem ziehen alle Bahnen der E m p f i n d u n g s n e r v e n des Kopfes zu, treten in die Gehirnsubstanz ein, verzweigen sich hier in vielfachen Verknüpfungen und Zwischenstationen und endigen in der g r a u e n E i n d e n s c h i c h t d e s Großh i r n s . Auch die Empfindungsnerven, welche in das Rückenmark eintreten, streben in vereinten Bahnen dem Gehirn zu und endigen in ähnlicher Weise, wenn auch nicht für jede einzelne Leitung die Endstation uns bekannt ist, und nur Analogieschlüsse auf die Gehirnrinde hinweisen. Wenn die Empfindungsnerven dem Gehirn zustreben, so gilt das umg e k e h r t e von den B a h n e n d e r B e w e g u n g , welche in der grauen Binde ihren Ursprung haben und teils Kopf, Gesicht, Hals, Atmung, Herztätigkeit usw. durch die Kopfnerven beherrschen, teils eine Strecke im Rückenmark verlaufen und durch die Wirbellöcher aus dem Kanal austreten, um zu den Muskeln des übrigen Körpers zu gelangen. Im R ü c k e n m a r k besteht auch eine V e r k n ü p f u n g zwischen E m p f i n d u n g s n n d B e w e g u n g s n e r v e n , welche durch große, als Ganglienz e l l e n bezeichnete, Gebilde vermittelt wird und ein Überspringen des Empfindungsreizes auf die Bahnen der Bewegung ermöglicht, ohne daß die geistigen Funktionen hieran beteiligt sind. Ähnliche Ganglienzellen von verschiedener Größe und in verschiedenen Lagen, in Verbindung mit reichen Fasernetzen und feinsten Blutgefäßen charakterisieren auch die graue Rindenschicht des Gehirns.
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Von jeder Ganglienzelle des Gehirns, welche aus einem eiweißartigen Gebilde mit Kern besteht, gehen Pasern aus, in der Regel eine stärkere als Achsencylinderfortsatz bezeichnet und viele schwächere, die yermutlich mit anderen Ganglienzellen, teils der Rinde, teils tieferer Gehirnteile, sowie mit anderen Fasern in Verbindung treten. Ob diese Verbindung in einer Verschmelzung oder nur in enger Anlehnung besteht, ist zweifelhaft. Das Gehirn selbst besteht aus dem G r o ß h i r n und dem K l e i n h i r n . Das Großhirn aus zwei halbkugeligen Gebilden, die vermittels des Balkens oder der vorderen großen Commissur mit einander durch ein reiches Fasernetz verknüpft sind und in ihrem Innern außer den mächtigen nach abwärts strebenden Bahnen kernige Gebilde und kleine Hohlräume enthalten; das K l e i n h i r n durch die als B r ü c k e bezeichnete Bahn mit dem Großhirn verknüpft, stellt ebenfalls zwei unregelmäßige Kugeln dar; die Funktion desselben besteht vor allem in der Erhaltung des Körpergleichgewichts, vielleicht auch in Regelung der Reizstärke in den Nervenbahnen. Aus der Brüpke entspringt das verlängerte Mark mit einem kleinen Hohlraum, dem IV. Ventrikel, an dessen Boden die Ganglienzellen liegen, welche für die A t m u n g s - u n d H e r z b e w e g u n g e n B a h n e n entsenden. Aus dem verlängerten Mark entspringt weiter das Rückenmark, welches in dem Rückenmarkskanal geschützt verläuft und durch dessen Öffnungen Bewegungsnerven entsendet und Empfindungsnerven empfängt. Die Oberfläche des Großhirns ist durch tief eingeschnittene Furchen, in welche die etwa 3 mm dicke Rindenschicht mit eindringt, in einzelne Provinzen geteilt, unter welchen das Schläfenhirn (abgetrennt durch die fossa Sylvii) am stärksten hervortritt, sodann das Stirnhirn mit einigen "Windungeh, die sogenannten Centraiwindungen und das Hinterhauptshirn sich abgrenzen lassen. Neben dem Gehirn besitzt der Körper noch ein weiteres, teils centrales, teils peripheres nervöses Gebilde, das sogenannte s y m p a t h i s c h e N e r v e n s y s t e m . Der Hauptteil desselben zieht in feinen, zeitweise knotenartig anschwellenden Strängen zu beiden Seiten der "Wirbelsäule im Innern des
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Körpers herab, er geht mit den verschiedensten Gehirn- und Rückenmarksnerven Faserverknüpfangen ein und begleitet in seinen peripheren Verzweigungen vor allem die B l u t g e f ä ß e zu den von ihnen versorgten Organen. Wenn der Mensch bei besonderen Ereignissen e r r ö t e t , wenn der A n b l i c k und vor allem der G e r u c h einer S p e i s e den A p p e t i t und die M a g e n t ä t i g k e i t anregt, wenn infolge peripherer Erregungen oder innerer Vorgänge G e h i r n t e i l e zur Arbeit angeregt und mit einem r e i c h e r e n Blutstrom versorgt werden, so verdanken wir diese R e g u l a t i o n den s y m p a t h i s c h e n N e r v e n , deren Bezeichnung ihrer Punktion entnommen ist.
1. Unsere Kenntnisse von den Gehirnprovinzen. Als ich im Jahre 1872 die Universität bezog, war H y r t l ' s Lehrbuch der Anatomie das am meisten geschätzte. In der aus dem Jahre 1867 stammenden 10. Auflage zitiert H y r t l über das Gehirn als noch gültig, was F a n t o n i einhundert und fünfzig Jahre früher geschrieben hatte: Obscura textura, obscuriores Punktiones, morbi obscurissimi. (Unbekannt ist der Bau, noch weniger bekannt die Punktionen, am unbekanntesten die Krankheiten.) Nicht berücksichtigt hatte H y r t l bei diesem Zitat, daß schon längere Zeit vor ihm der französische Kliniker B r o c a bei Zerstörungen der d r i t t e n l i n k e n S t i r n w i n d u n g U n v e r m ö g e n der S p r a c h e g e f u n d e n und hier das Sprachzentrum gesucht hatte. Allerdings wollte der hervorragende Arzt T r o u s s e a u diese Anschauung nicht anerkennen, da er bei Lähmung der Sprache die dritte Stirnwindung links gesund und andere Gehirnteile erkrankt gefunden hatte, eine Verschiedenheit der Auffassung, die später durch W e r n i c k e ihre Erklärung gefunden hat. Aber in dem gleichen Jahre 1872, als ich die Hochschule bezog, fanden die Deutschen F r i t s c h uud H i t z i g , daß an der Oberfläche des Großhirns und zwar in den erwähnten Zentralwindungen sich Stellen finden, von welchen aus die
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einzelnen Muskeln der gegenüberliegenden Körperseite durch elektrische Reize in B e w e g u n g gesetzt werden können. Da nun Zerstörung dieser umschriebenen Partien Lähmung der Gesichts-, der Arm-, der Beinmuskulatur im Gefolge hatte, so bezeichneten F r i t s c h und H i t z i g diese Stellen als die B e w e g u n g s z e n t r e n des Gehirns. Munck glaubte diese Stellen später als F ü h l s p h ä r e bezeichnen zu müssen, indessen .wurden von m i r und von B r i e g e r Fälle mitgeteilt, in welchen teils nur d i e B e w e g u n g s f ä h i g k e i t durch Rindenerkrankung gelitten hatte, teils auf derselben Grundlage Lähmung des G e f ü h l s und der B e w e g u n g s e m p f i n d u n g der Glieder ohne eigentliche Lähmung der Muskulatur bestand. Heute ist es wohl allgemein anerkannt, daß die G e f ü h l s z e n t r e n für die gegenüberliegende Körperseite in den h i n t e r e n Z e n t r a l W i n d u n g e n liegen, während die B e w e g u n g s z e n t r e n in den v o r d e r e n ihren Sitz haben. Durch eingehende entwicklungsgeschichtliche Studien konnte dann F l e c h s i g . d i e Bewegungsbahnen in ihrem ganzen Verlauf von der Gehirnrinde, durch die weiße Substanz, das verlängerte Mark und das Rückenmark verfolgen. Die Entdeckung B r o c a s klärte sich in der Folge in der Art, daß die d r i t t e S t i r n w i n d u n g links das motorische oder B e w e g u n g s z e n t r u m f ü r d i e S p r a c h e ist, bei dessen Zerstörung ein Mensch nicht sprechen kann, daß aber das G e h ö r mit dem aufgestapelten L a u t - W o r t s c h a t z seinen Sitz in den S c h l ä f e n w i n d u n g e n hat. Ist letzteres Zentrum zerstört, so kann der Kranke weder sprechen noch hören; sind die Verknüpfungen zwischen beiden Zentren lädiert, so muß die Sprache deshalb leiden, weil die Leitung nicht normal funktioniert. Ist aber das S p r a c h z e n t r u m zerstört und das G e h ö r z e n t r u m e r h a l t e n , so vermag der Mensch a l l e g e s p r o c h e n e n V o r t e zu v e r s t e h e n , er gibt auf erhaltene Aufforderung einen Gegenstand, kurz, er reagiert auf alle "Worte wie ein Gesunder. In der Folge wies de la Camp nach, daß auch das musikalische Verständnis allein verloren gehen kann. "Weiterhin fand sich, daß das S e h v e r m ö g e n im H i n t e r h a u p t s l a p p e n seinen Sitz hat, und daß das r e c h t e Gehirn
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das Sehen l i n k s der Mittellinie, das l i n k e G e h i r n dasjenige r e c h t s der Mittellinie vermittelt. In den Hinterhauptslappen sind auch die E r i n n e r u n g s b i l d e r des G e s i c h t s einschließlich der geschriebenen und gedruckten Worte aufgestapelt, so daß ein Mensch, dessen Gehörzentrum zerstört ist, Gedrucktes und Geschriebenes teilweise zu lesen, aber kaum zu verstehen vermag. Das K l e i n h i r n ist ebenso wie zwei in den Felsenbeinen liegende Organe, die L a b y r i n t h e , ein Zentrum, welches der Orientierung im Eaum dient und dessen Erkrankung mit der Störung dieser Fähigkeit zu Taumeln und unsicherem Gang führt. Ist aber von Geburt an oder in früher Kindheit der Mensch eines wichtigen Organes, des A u g e s , des G e h ö r s , des A r m s und B e i n e s ganz oder teilweise b e r a u b t , so macht sich dieser Ausfall auch durch D e f e k t e an bestimmten Stellen des Gehirns bemerkbar. Bei Tieren konnte ich nachweisen, daß das von allen Nervenverbindungen gelöste Gehirn dem Untergang anheimfällt. Bei dem Menschen sind bisher nur teilweise Atrophien gefunden worden. So konnte ich an dem Gehirn eines in früher Jugend durch ein Rückenmarksleiden halbseitig gelähmten Menschen nachweisen, daß die C e n t r a i w i n d u n g e n des G r o ß h i r n s der anderen Seite ohne Krankheitserscheinungen ein Zurückbleiben im Wachstum darboten. Umgekehrt führt eine primäre A t r o p h i e von Gehirnteilen zu schweren Störungen in den körperlichen Funktionen. So fand ich bei einer Katze, welche von Geburt an unfähig war sich normal^u bewegen, welche taumelte, bei Bewegungsversuchen umstürzte und diese deshalb ängstlich vermied, das K l e i n h i r n außerordentlich im Wachstum zurückgeblieben (rudimentär entwickelt). Wenn aber im G r o ß h i r n und speziell in der H i r n r i n d e alle Erregungen der Sinnesorgane zusammenfließen, wenn von hier aus die B e w e g u n g s i m p u l s e einschließlich der Sprache ausgehen, also im Großhirn diejenigen Funktionen vereint sind, welche als Ausdruck der geistigen Funktionen betrachtet werden müssen, so müssen wir das, was als
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D e n k p r o z e ß bezeichnet wird, e b e n d a suchen. Man könnte dagegen anführen, daß jedes Glied des Körpers ein gewisses Bewußtsein besitzt; aber wenn der Mensch eines Armes oder eines Beines beraubt ist, so besteht zunächst das Gefühl des Armes oder des Beines noch weiter, und wenn ein Mensch schon lange des Augenlichtes beraubt ist, so kann er im Traum die schönsten Bilder wie lebendig vor sich sehen, ein Beweis, daß dieses B e w u ß t s e i n nicht in der Peripherie, sondern im Z e n t r a l o r g a n seinen Sitz hat, und daß Erinnerungsbilder in diesen die Ursache der Vorstellungen sind. Es schließt sich deshalb sofort die Frage an: wie kommen diese Erinnerungsbilder, welche die Grundlage für das Gedächtnis sind, zu Stande?
2. Die Entwicklung des Gedächtnisses. Die erste Aufgabe, welche an den heranwachsenden Menschen herantritt, ist die S c h a f f u n g d e s G e d ä c h t n i s s e s . Wenn wir das Heranwachsen eines kleinen Kindes beobachten, so sind die erstenÄußerungen des Lebens Bewegungen, wozu ich das Atmen und das Schreien rechne. Wir wissen auch, daß Schreion vielfach hervorgerufen' wird, damit die Atmung gut vonstatten geht. Aber alles, was das Kind in der ersten Zeit des Lebens tut, geschieht mehr instinktiv und reflektorisch, ohne eigentliches Bewußtsein, wobei ein Empfindungsreiz direkt die Bewegung auslöst, wie auch ein e n t h a u p t e t e r F r o s c h , trotz Fehlens des Gehirns noch einen Tropfen S c h w e f e l s ä u r e von der B a u c h h a u t abz u s t r e i c h e n sucht. Hier geht der Eeiz von den Empfindungsnerven des Rückenmarks auf dieses über, und setzt sich sofort in die Bewegung der A b w e h r um. Der p r i m i t i v s t e D e n k v o r g a n g beginnt in dem Augenblick, in welchem die Bedeutung eines ein Sinneszentrum treffenden B e i z e s in Beziehung gesetzt wird zu dem entsprechenden Reiz, welcher in ein anderes Sinneszentrum eingeschrieben ist. Das Kind fühlt die Mutterbrust, und in erwachtem Instinkt trinkt es reflektorisch, es f ü h l t Durst, das Anlegen an die Brust der Mutter stillt Hunger und Durst.
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Dann beginnt es vielleicht das B i l d von der M u t t e r b r u s t oder der F l a s c h e auch mit den Augen zu erkennen, es greift darnach. Als nächstes wird vielleicht das Bild der Mutter wiedererkannt. Hier haben wir die e r s t e n E r s c h e i n u n g e n d e s G e d ä c h t n i s s e s . Man hat daran gedacht, daß im Gehirn eine unzählige Zahl von Bildern, ^twa wie photographische Platten, aufgestapelt sind, die miteinander in Verbindung treten können. Aber dieser -Gedanke war nur eine Umschreibung für etwas, was unserer Vorstellung große Schwierigkeiten machte und macht. Jedenfalls müssen E i n s c h r i t t e n in das Gehirn in -eigentümlicher Art erfolgen, und die Erklärung V e r w o r n s , daß die Träger dieser Einschritten G a n g l i e n z e l l e n sind, welche infolge der häufiger erfolgenden Heizung hypertrophieren, hat manches für sich. "Wir müssen dann annehmen, daß die einmal durch die gleichen Erregungen in Schwingungen versetzte Ganglienzelle stets in der gleichen "Weise schwingt, woher ihr auch der Reiz zugeführt wird, ob vom peripheren Sinnesorgan, ob durch zentrale Fasern von anderen Bahnen. Als Vergleichsgegenstand können wir auf die Funktion einer Klavierseite verweisen, deren Erregung, welcher Art sie auch ist, stets von dem gleichen Ton gefolgt ist. Nun besteht das Gehirn außer einer milliardenfachen Zahl von Ganglienzellen, aus zuleitenden und ableitenden Nervenbahnen, und ferner aus Fasern, welche diese Ganglienzellen untereinander mehr oder weniger eng verknüpfen. Nehmen wir nun an, daß die Endigungen der Geschmacksnerven im Gehirn, die Ganglienzellen des Geschmacks, durch die von dem Milchgenuß kommenden Erregungen gewisse Schwingungen empfangen haben und bei jedem neuen Beiz in gleicher Weise schwingen, daß weiter das A u g e n b i l d ' der M i l c h f l a s c h e in gleicher "Weise im Gehirn gewisse Ganglienzellen in Schwingungen versetzt hat, so besteht das e r s t e aufleuchtende Verständnis darin, daß das A u g e n b i l d der M i l c h f l a s c h e mit dem G e s c h m a c k s b i l d in Verbindung gebracht wird. "Wir erkennen die geistige Tätigkeit an der Bewegung, die das Kind macht, die Flasche zu
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nehmen und vielleicht an den Mund zu führen. Aber jetzt tritt auch die G e f ü h l s e m p f i n d u n g von der Flasche in Tätigkeit, und wir haben schon die Verknüpfung der Endigungen dreier Sinnesorgane. Erst etwas später wird der L a u t , das Wort Milch verstanden, d. h. in Beziehung zu den anderen entsprechenden Ganglienkomplexen gebracht. Bei dieser Vorstellung ist es sehr wohl denkbar, daß, wie auch H e n s c h e n ausgeführt hat, die Schwingungen der einzelnen Sinneszentren durch Zwischenglieder umgesetzt werden, um so in anderen Sinneszentren die entsprechenden Erregungen hervorrufen zu können. Es könnte das besonders von der Verknüpfung der G e h ö r - und der G e s i c h t s empfindungen gelten, deren S c h w i u g u n g s z a h l so verschieden ist. Gehen wir zu dem "Wort „Mutter" über. Hier wird vielleicht zuerst das Gesichtsbild der Mutter in dem Gehirn des Kindes fixiert werden, aber bald wird auch das durch das Ohr eindringende Klangbild „Mutter" sich mit dem Gesichtsbild verknüpfen, vielleicht auch mit dem Bild der Mutterbrust und Geschmacks- oder Geruchsempfindungen; das Kind, welches das "Wort Mutter hört, dreht den Kopf, um sie zu sehen, oder der Anblick der Mutter regt Bewegungen des Mundes zum Saugen an. Die Eingrabungen in die Sinneszentren, in Ganglienzellen und Fasern erlangen also erst dadurch ihre V e r w e r t u n g , daß sie durch Bahnen mit anderen Sinneszentren in Verbindung treten und so den primitivsten Denkprozeß ausmachen. Dabei müssen wir voraussetzen, daß alle diese zentralen Niederschriften nicht allein von der Peripherie, sondern auch rückläufig von jeder geeigneten Verknüpfung in Schwingungen versetzt werden können. Wird aber diese von den Sinnesorganen aus erfolgte Eingrabung in das zugehörige Sinneszentrum von der Verknüpfung mit anderen Sinneszentren losgelöst, wie es in Krankheiten geschehen kann, so geht diei B e d e u t u n g der äußeren Erregung für den Menschen v e r l o r e n . Der Mensch, dessen Augenzentrum keine Verknüpfung mit anderen Zentren hat, wird, wie es medizinisch genannt wird, s e e l e n b l i n d ,
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er sieht zwar den vorgehaltenen Gegenstand, aber er vermag ihn nicht in sein Gedankenreich aufzunehmen, er erkennt ihn nicht und vermag ihn nicht zu benennen, bis die Verbindung wieder hergestellt ist. Das gleiche gilt aber auch für das Gehör und alle anderen Sinneszentren. Vielleicht vermag ein Beispiel das ausgeführte noch klarer zu machen. Nehmen wir das Wort: P
O
A
H
T
E
H
H
Für denjenigen, der die Zeichen der Sprache nicht kennt, ist die B e d e u t u n g des W o r t e s ebenso unklar, als wenn er s e e l e n b l i n d wäre. Er sieht die Zeichen, vermag sie aber nicht zu deuten. Nun* lernt er die Aussprache ßoditjeli, er kann es lesen, nachschreiben, aber der Sinn desselben ist ihm fremd, bis er die Bedeutung des russischen Wortes als „Eltern" erfährt. Sofort ist das Verständnis vorhanden, und bei tiefer und dauernder Eingrabung hat der Lernende ein russisches Wort in sein Gedächtnis aufgenommen. Im Laufe des Lebens reiht sich ein Eindruck an den anderen und wird unter bestimmten Bedingungen im Gedächtnis festgelegt. Außer den A u g e n b i l d e r n wird eine B i b l i o t h e k von g e h ö r t e n , g e d r u c k t e n und g e s c h r i e b e n e n W o r t e n , eine Bibliothek der m u s i k a l i s c h e n Klänge, der G e r u c h s - und G e s c h m a c k s e m p f i n d u n g e n im Gehirn niedergelegt. Aber alle diese Bibliotheken bestehen, wie wir annehmen müssen, nur aus Ganglienzellen, die in bestimmter Art und Verknüpfung schwingen, deren Schwingung uns die von den Sinnesorganen eingetretenen Erregungen vortäuscht und somit häufig in die Peripherie verlegt wird, die aber ihre W e r t u n g erst durch V e r k n ü p f u n g mit anderen zugehörigen Ganglienkomplexen erhält. So entsteht langsam ein G e s a m t b i l d der A u ß e n w e l t , ein riesige Sammlung von schwingungsfähigen Ganglienkomplexen, und es entsteht ebenso der Ausdruck der geistigen Funktion, die S p r a c h e , zunächst ein Nachsprechen von Lauten, hervorgerufen von den K l a n g b i l d e r n und langsam
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Die Entwicklung des Gedächtnisses
verknüpft mit den Gesichtsbildern und den Endigungen der übrigen Sinnesorgane, verknüpft auch mit der eigenen Person. Ebenso wie die Erinnerungsbilder von der Außenwelt, bildet sich aber auch ein Kreis der i n n e r e n Erinnerungsbilder, die dem eigenen Körper und seinen Erfahrungen entstammen und in dem Wort
Ich in der Folge ihren Brennpunkt finden. Nur ganz langsam entwickelt sich das Verständnis für das Wort „Ich". Vermutlich ruft das Gefühl von H u n g e r und Durst, oder von S c h m e r z die ersten Niederschriften von der eigenen JPerson hervor. Aber diese Allgemeingeftlhle teilt das Kind mit dem einfachsten Lebewesen. Sie können also kaum als wirklicher Beginn der geistigen Fähigkeiten bezeichnet werden, wenn sie auch den primitivsten Gedächtniseindrücken zugerechnet werden müssen. Wesentliche Niederschriften -von der eigenen Person dürften aber durch andere Empfindungen erfolgen. Das Kind strampelt mit Beinen und Händen und lernt langsam die e i g e n a r t i g e n S t e l l u n g s v e r ä n d e r u n g e n der Gel e n k e , der A r m e , H ä n d e , F i n g e r , der B e i n e und Z e h e n kennen. Es greift nach einzelnen Teilen seines Körpers und konstatiert durch das G e f ü h l und das Auge, vielleicht auch durch den Spiegel, daß die Umgebung ähnliche Gebilde hat, es greift an die e i g e n e N a s e und diej e n i g e d e r M u t t e r , und im Anschluß daran dürfte die erste Empfindung eines Eigenwesens erwachen. Vielleicht benennt sich das Kind noch in der dritten Person, gemäß dem Namen, den es als den seinigen erkennt, aber es unterscheidet schon zwischen sich und anderen. Auch die Schilderungen von der blind und taubgeborenen H e l e n e K e l l e r weisen darauf hin, daß die Unterscheidung der eigenen Person gegenüber anderen mit dem Augenblick beginnt, in dem die Betreffende durch das Gefühl den Unterschied zwischen den eigenen Gliedern und denen der Lehrerin empfand. Daß bei dem Kind lange Zeiträume vergehen, ehe die Bewegungs- und Stellungsempfindungen eine freie B u m p f , Geistige Gesundheit.
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Bewegung im Baum ermöglichen, braucht nicht betont zu werden. Nur sehr langsam erweitert sich der Kreis der Vorstellungen von der e i g e n e n Person, er wächst aber entsprechend den E r f a h r u n g e n des L e b e n s und nimmt an Umfang zu. Auch der Entwicklung der Geschlechtsfunktion dürfte eine wesentliche Bedeutung zukommen. Daß bei allen diesen Eingrabungen in das Gehirn Eindrücke der Außenwelt sich vielfach mit denen der Innenwelt verknüpfen, lehrt die tägliche Erfahrung. So entsteht ein vielverzweigtes Innenreich von Vorstellungen, die in dem "Worte »Ich* gegenüber der Umwelt verknüpft sind und die im Laufe der Zeit durch Aufnahme aller Erinnerungsbilder an Gewolltes und Erstrebtes, an E r r e i c h t e s und N i c h t e r r e i c h t e s , an L e i d e n s c h a f t e n und i h r e F o l g e n , ebenso wie an die B i l d e r der s c h ö p f e r i s c h e n P h a n t a s i e ein großes Beich darstellen, ein Beich, in welchem das »Ich" in vielfach wechselnden Bildern erscheint, die sich in Krankheitszuständen sogar in g e t r e n n t e P e r s o n e n auflösen können. Und außerdem besitzt das Gehirn die Fähigkeit gleichsam in einem h ö h e r e n Bewußtsein das e i g e n e I c h mit allen seinen Eigenschaften, seinen Verknüpfungen und den Eingrabungen aus alter und neuer Zeit als Objekt d e s Denk e n s einer i n n e r l i c h e n B e t r a c h t u n g zu unterziehen, und so Kritik an die eigene Tätigkeit anzulegen. Die Möglichkeit alle V e r b i n d u n g e n der Ganglienzellen jederzeit in E r r e g u n g zu versetzen und so die verschiedensten Komplexe von Ganglienzellen zu verbinden, in ihrer Eigenart schwingen zu lassen, und auf diese "Weise sowohl von ä u ß e r e n Sinnesreizen aus, als von i n n e r e n Erregungen die E r i n n e r u n g s b i l d e r zu reproduzieren, bezeichnen wir als V o r s t e l l u n g s v e r m ö g e n oder als G e d ä c h t n i s . S e m o n (die Mneme Leipzig 1904) ist der Meinung, daß derartige Eingrabungen in Ganglienzellen auch ererbt vorkommen und mit dem sogenannten Instinkt identisch sind. Ist dieses auch nicht wahrscheinlich, so ist es doch denkbar, daß eine Hypertrophie gewisser Ganglien-
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zellenkomplexe ererbt vorkommt, und diese rür gewisse Erregungen eine besonders starke Empfindlichkeit haben. "Wir haben also in dem Gedächtnis die Eingrabungen zweier vielfach mit einander verknüpften Kreise vor uns, die sich als K r e i s der ä u ß e r e n und als K r e i s der i n n e r e n E r i n n e r u n g s b i l d e r schematisch differenzieren lassen. Alle diese Eingrabungen in das Gehirn oder diese Niederschriften in Ganglienzellen und Fasern betreffen aber nur das M a t e r i a l als Grundlage f ü r u n s e r Denken. Diese Grundlage ist aber bei den einzelnen Menschen infolge der verschiedenen Sinnesorgane verschieden. "Wir kannten schon früher taub Geborene, die zunächst stumm waren, weil sie die Lautsprache nicht verstanden. Durch Eintreten von Gesichtsbildern für die Lautbilder lernten sie zunächst die Zeichensprache und in der Folge auch eine nicht sehr melodische Lautsprache. Aber H e l e n e K e l l e r war taub und außerdem blindgeboren; so blieben die G e h i r n p r o v i n z e n für G e s i c h t und L a u t e ohne Erregung von Seiten der Augen und Ohren. Durch Eintreten, besonders der G e f ü h l s e m p f i n d u n g e n , des Ger u c h s , des G e s c h m a c k s für das verlorengegangene entwickelte sie sich unter Führung einer aufopfernden Lehrerin zu einem denkenden sprechenden und schriftstellernden Menschen. Das Gesicht von Freunden lernt sie durch den Tastsinn kennen, ebenso Blumen, Blätter. Bäume; an der Art d e s S c h r i t t e s erkennt sie, ob frühe J u g e n d , ob Mißmut, oder m ü d e s A l t e r ihr nahe kommen. Das Anlegen der Hand an die Kehle, an ein Musikinstrument gibt ihr Differenzen, die uns für gewöhnlich entgehen. Der Geruch gibt ihr ein ßeich, das wir in der Eegel nicht besitzen. So verknüpft sich ein Eindruck mit dem anderen zum Eeiche des Denkvermögens, wenn dieses Eeich in seinen Provinzen und Ansiedelungen sich gewiß auch von demjenigen eines Menschen unterscheidet, dessen Sinnesorgane von Geburt an normal sind. Aber das Substrat des Gehirns, die Verknüpfungen der Sinneszentren, die Empfänglichkeit für eintretende Reize und die daraus resultierende
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Tiefe der Eingrabungen sind auch bei Gesunden verschieden. Einflüsse der V e r e r b u n g , welche durch Generationen wirksam gewesen sind, haben dem Gehirn Eigentümlichkeiten und Entwicklungsbegünstigungen in der einen oder anderen Richtung gegeben und beeinflussen so die durch die SinnesOrgane übermittelten Eindrücke. So sehen wir, um Beispiele anzuführen, wie in Familien, welche für M u s i k besondere Begabung haben, immer wieder einzelne Glieder (keineswegs alle), die diesen Einwirkungen besonders zugängig sind, wie in anderen Familien das Verständnis für andere Kultureinwirkungen ( " W i s s e n s c h a f t , T e c h n i k , L i t e r a t u r ^ H a n d e l ) auf besonders empfänglichen Boden fällt, während sonstige durch die Sinnesorgane übermittelte Eindrücke bei Seite geschoben werden. Wir sehen aber auch weniger erfreuliche Anlagen in einzelnen Familien immer wiederkehren, so die N e i g u n g zum T r u n k , die A n l a g e zur Ü b e r t r e t u n g der G e s e t z e . Man könnte daran denken, daß diese Abweichungen auf Erziehung zurückzuführen sind, aber die Erfahrung hat gelehrt, daß auch bei K i n d e r n , welche sehr früh dem Einfluß der E l t e r n e n t z o g e n wurden, im weiteren Leben E i n f l ü s s e der V e r e r b u n g sich geltend machen können und so auf verschiedene Eigenschaften der Gehirnsubstanz und der Verknüpfung der erhaltenen Eindrücke hinweisen. Aber das Reich des Denkvermögens bedarf zur Verwertung seiner Funktion, die zwar im Vorhergehenden schon gestreift, aber doch nicht eingehend erörtert ist, des Bewußtseins. Wir müssen dies als etwas ganz besonderes, eine besondere Funktion des Nervensystems betrachten^ Vermutlich erfolgt ein Teil der Eingrabungen in die Ganglienzellen der Sinneszentren unter dem Einfluß des Bewußtseins, von anderen ist es wahrscheinlich, daß dieselben durch häufig wiederholte Erregungen unterhalb des eigentlichen Bewußtseins entstehen.
Das Bewußtsein
3. Das Bewußtsein.
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Das Bewußtsein ist der K r e i s d e r V o r s t e l l u n g e n , der bei dem einzelnen Menschen in einem g e g e b e n e n Augenblicke in dem Zustand von E r r e g u n g sich befindet, der verschieden groß bei den einzelnen Menschen ist und sich in stets wechselnder Verschiebung befindet. Man kann diesen Zustand mit dem Beleuchtungseffekt einer Laterne vergleichen, welche in einem dunklen Räume bald diese bald jene Teile sichtbar macht, doch mit dem Unterschied, daß das B e w u ß t s e i n nicht in einem engen Lichtkegel, sondern vielfach v e r z w e i g t verläuft. Dieses Bewußtsein hängt eng mit dem Leben, d. h. den normalen Umsetzungen in der Substanz des Gehirns zusammen, erhalten durch die immer neu eintretenden Sinnesreize, unterbrochen in der Norm durch den Schlaf, in welchem die ermüdeten Sinneszentren für die Aufnahme äußerer Eindrücke sich verschließen. Die einfachste Form des Bewußtseins beginnt, wie auch H e l e n e K e l l e r schildert, als sie den Begriff von „ich" und »mir" gegenüber der Umgebung kennen lernte. Erst damit erwachte ihre geistige Funktion, „das Erwachen der Seele". Aus dem Gedankenmaterial der Erinnerung, aus der Vorstellung aller Eindrücke und ihrer Verknüpfung baut H e l e n e K e l l e r in der Folge ihr Gedankenreich auf. Es ist ein Reich, das der "Wirklichkeit gewiss nicht ganz entspricht ; denn das Baumaterial besteht aus beschränkten Sinneseindrücken. Aber das Gleiche ist. wie ich früher anführte, bei uns allen der Fall. Bis zu einem gewissen Grade sind wir alle, wie der Amerikaner Carl S n y d e r ausführt, H e l e n e K e l l e r ähnlich. Von der Fülle von Strahlen, welche die Welt durcheilen, ist nur ein kleines zwischen infrarot und ultraviolett liegendes Band unseren Augen sichtbar, während die W ä r m e s t r a h l e n , die e l e k t r i s c h e n und e l e k t r o m a g n e t i s c h e n Schwingungen, die R ö n t g e n s t r a h l e n und viele andere dem u n b e w a f f n e t e n Auge u n s i c h t b a r sind. Ebenso sind unsere Gefühlsnerven und unsere Gehörempfindungen nur für eine b e s c h r ä n k t e Zahl von Schwingungen zugängig.
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Man ist deshalb durchaus zu der Frage berechtigt, und sie ist auch von Philosophen aufgeworfen, ob denn u n s e r "Weltbild a l s e i n e der "Wirklichkeit e n t s p r e c h e n d e Beproduktion a n g e s e h e n w e r d e n kann,und demgemäß unser B e w u ß t s e i n die eigenen E r i n n e r u n g s b i l d e r g e d a n k l i c h so v e r w e r t e n kann, als h a n d l e es sich um "Wirklichkeiten. Aber der Umstand, daß die mit allen Mitteln moderner Naturwissenschaft bewaffneten und somit erweiterten Sinnesorgane bei einer g r o ß e n Zahl hervorragender Menschen im wesentlichen die g l e i c h e n Ergebnisse zu Tage fördern, läßt den Schluß zu, daß unser i n n e r e s Bild die von uns erkannten Teile der tatsächl i c h e n Verhältnisse im großen und ganzen widergibt. Naturgemäß vermögen nicht alle Meeschen schwierigen Gedankengängen zu folgen und ein entsprechendes "Weltbild zu schaffen. Dazu ist die Bibliothek von Gehirnbildern und ihre Verknüpfung bei den einzelnen Menschen doch zu verschieden. Das Gehirn muß aber auch die Fähigkeit besitzen die Erinnerungsbilder zeitlich zu ordnen und in Verbindung mit alten und neuen Bildern zu bringen. Die r i c h t i g e Bew e r t u n g n e u e r S i n n e s e i n d r ü c k e , im Verhältnis zu f r ü h e r e n und darauf das bewußte Handeln aufzubauen, ist die w i c h t i g s t e jedem Menschen gestellte A u f g a b e . Je mehr die eingegrabenen Bilder der "Wirklichkeit entsprechen und im Verhältnis zu n e u e n Eindrücken r i c h t i g verwertet werden, um so h ö h e r dürften die g e i s t i g e n Funktionen des Einzelnen einzuschätzen sein. Daß es aber nicht immer leicht ist, über den gesamten geistigen Besitz die Herrschaft auszuüben, ergibt sich aus der Tatsache, daß wir einzelner "Worte, Namen u. s. w. im Augenblick uns nicht zu erinnern vermögen; andererseits hat der Mensch die Möglichkeit, den elektrischen "Wellen, welche das Gehirn durcheilen, g e w i s s e "Wege zu weisen, die auch teilweise von den g e'b a h n t e n "Wegen der Erfahrung a b w e i c h e n . Denn häufig ist das Gedankenspiel auch ein derartiges, daß es gar nicht das Bestreben hat, "Wirklichkeitsbilder zu schaffen. "Wenn der Mensch sich seinen
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P h a n t a s i e n hingibt, wenn er die im Gehirn vorhandenen Erinnerungsbilder mit einander verknüpft, ohne daß diese Verknüpfung den angelernten Bahnen entspricht, wenn er diese Bilder mit anderen Eigenschaften ausstattet (wie die Tiere mit Sprachvermögen), wenn er sie in Orte und Zeiten verlegt, denen sie nicht in der "Wirklichkeit entsprechen, so waltet die P h a n t a s i e , das M ä r c h e n . In ähnlicher "Weise verknüpft der Traum Dinge, die nicht zusammengeh ören. Aber der Mensch kann auch E r f a h r u n g e n , die' er auf einem Gebiet gemacht hat, willkürlich auf a n d e r e Gebiete übertragen und die Möglichkeit der Verknüpfung erwägen, auch aus gewissen Erfahrungen schließen, wie die Folgen von diesem oder jenem Ereignis sein könnten. So ist die P h a n t a s i e gleichzeitig die s c h ö p f e r i s c h e K r a f t neue Versuche anzuregen, auf Grund neuer Verknüpfungen zu forschen und ev. Fortschritte herbeizuführen. Der Philosoph E r d m a n n hat zur Vorstellung unserer Denkprozesse ein Zitat aus Goethe's Faust herangezogen: Zwar ist's mit der Gedankenfabrik Wie mit einem Webermeisterstttck, Wo ein Tritt tausend Fäden regt, Die Schifflein herüber, hinüber schießen, Die Fäden ungesehen fließen. Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt
nur daß das Weberschifflein verhältnismäßig langsam in grader Linie sich bewegt, während die Bahn, welche die einzelne Erregung im Gehirn des Menschen, mit blitzartiger Schnelligkeit die Sinneszentren verknüpfend, durchläuft, eine sicher viel verzweigtere ist. Aber das Bewußtsein ist nicht immer vorhanden. So fehlt es in tiefem Schlaf und in Zuständen von Ohnmacht mit Bewußtlosigkeit. Der Übergang in leichteren Schlaf und die Träume, welche als ein ungeordnetes Spiel der Erinnerungsbilder bezeichnet werden können und welche so leicht durch äußere Sinnesreize hervorgerufen werden, zeigen aber, daß das Bewußtsein an erster Stelle unter dem direkten E i n f l u ß ä u ß e r e r Sinneserregungen steht, und daß eine von diesen
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fortlaufende Erregungswelle die Verknüpfung der Sinnesorgane anregt. Aber auch ohne direkte äußere Eindrücke vermag der Mensch durch Erinnerungsbilder, die von innen angeregt werden, das Bewußtsein in gewisse Bahnen zu leiten und so dem Gedankengang bestimmte Richtungen zu geben. Die Frage, ob zur Verknüpfung der Erinnerungsbilder der Außenwelt und derjenigen der eigenen Eerson mit dem Substrat des Gehirns und seinen angeborenen Eigenschaften noch etwas besonderes notwendig ist, was von den D u a l i s t e n a l s S e e l e bezeichnet wird, können wir hier außer Acht lassen. Als Naturforscher müssen wir ohne Annahme einer für uns nicht erkennbaren von dem Körper losgelösten Seele operieren, als denkende Menschen müssen wir betonen, daß selbst u n s e r e b e w a f f n e t e n A u g e n nur einen m i n i m a l e n T e i l j e n e r S t r a h l e n zu erfassen vermögen, w e l c h e d i e "Welt e r f ü l l e n , wie ich das bezüglich der elektrischen Wellen und der erst vor Jahren entdeckten R ö n t g e n s t r a h l e n schon erwähnt habe. Wir können also unmöglich behaupten, daß u n s e r e s e i t h e r i g e n Forschungsergebnisse a l l e s ergründet haben, und nichts unbekanntes der Forschung unzugängliches mehr erübrigt.
4. Bewegung und Wille. Oben habe ich schon ausgeführt, daß ein e n t h a u p t e t e r Frosch einen Tropfen Schwefelsäure von der Bauchhaut abzustreichen sich bemüht. Auch der Mensch, der durch Durchtrennung des Rückenmarks kein Gefühl von seinen Beinen und keine willkürliche Bewegungsfähigkeit dieser besitzt, zeigt bei B e r ü h r u n g d e r F u ß s o h l e oder B e k l o p f e n d e r S e h n e n Z u c k u n g e n d e r B e i n e . Diese Bewegungen erfolgen nicht durch Erregung von den Sinneszentren aus, und wir bezeichnen sie als r e f l e k t o r i s c h e . Reflektorischerfolgt auch, beeinflußt durch die W ä r m e - und K ä l t e e m p f i n d u n g e n der Haut, die Regulation der Körperwärme. Die Empfindungen gehen naturgemäß häufig mit gleichzeitiger Er-
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regung von Sinneszentren einher. "Wenn unserem Auge ein kleines Insekt naht, und das Bild dieses von der Netzhaut des Auges in die erste Reizstelle des Gehirns eingetreten ist, so folgt sofort eine reflektorische Schließung des Auges. Diese Schließung erfolgt meist r a s c h e r , als der G e d a n k e einer dem Auge drohenden G e f a h r e r w o g e n ist. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 m in der Sekunde pflanzt sich der Reiz in den Nervenbahnen fort, wobei die Zeit für die Reizilbertragung in den Ganglienzellen etwas größer ist. Aber immerhin reist der das Nervensystem treffende Reiz mit blitzähnlicher Geschwindigkeit. Während nun der Reflex ohne Beteiligung der Sinneszentren ganz gesetzmäßig erfolgt, hat der in die Sinnesorgane eintretende Reiz nicht nur die F ä h i g k e i t , B e w e g u n g e n a u s z u l ö s e n , s o n d e r n auch zu hemmen. So können durch Übung selbst reine Reflexe unterdrückt werden. In welcher Weise Hemmungen zu Stande kommen, läßt sich aus der physiologischen Beobachtung schließen, daß gewisse Reize bewegungshemmend, andere bewegungssteigernd wirken. Weiterhin wissen wir, daß Steigerung der Funktion der Nervenfasern stets von einem kurzen Abfall der Erregbarkeit gefolgt wird. Tritt in das Bewußtsein ein Reiz von außen, so stehen ihm für die Weiterleitung vielfache Bahnen zur Verfügung. Nehmen wir an, ein Freund bittet mich, einen Baum mit seinen Früchten anzusehen und über die Früchte ein Urteil abzugeben! Die Aufforderung dringt in das Ohr und ruft durch Verknüpfung von Ganglienzellen die V o r s t e l l u n g d e s G a r t e n s hervor. Ich folge der angeregten Vorstellung durch Eintritt in den Garten. Ein Baum mit Früchten ruft das Erinnerungsbild Apfelbaum wach. Ich erinnere mich vieler Apfelbäume, verschieden aussehender Früchte, ihres Geruchs, ihres Geschmacks, und diese Vorstellungen im Verein mit der neuen können durch Übergang auf die Sprachzentren eine Erregung dieser auslösen. Ich versichere vielleicht dem Freund, daß es ein schöner Baum mit köstlichen Früchten sei. Ebenso kann ich dem Freund aber auch sagen, der Baum und der Apfel seien nicht mein Geschmack, oder
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ich kann die Aufforderung des Kostens mit Ja oder mit Nein beantworten. Hier waltet der f r e i e W i l l e , vielleicht beeinflußt von der Neigung den Freund zu erfreuen, oder von der Abneigung gegen die betreffende Frucht. Aber ebenso gut kann ich auf der Gründlage meines Willens die in das Gehörzentrum eintretende Erregung ohne Hervorrufung einer Bewegung unbeachtet lassen. Denn zwischen die Erregung der Sinneszentren schaltet sich das B e w u ß t s e i n d e s I c h m i t s e i n e m W i l l e n ein, das höhere Bewußtsein, das zweifellos in weitverzweigten Haupt- oder Nebenbahnen die verschiedensten Verknüpfungen älterer und jüngerer Erfahrungen umfaßt und auf diesen Wegen teils b e w e g u n g s s t e i g e r n d e , teils b e w e g u n g s h e m m e n d e Einwirkungen entfalten kann. Daß aus dem B e w u ß t s e i n allein, auch ohne äußeren Sinneseindruck, Bewegung und Sprache ausgelöst werden kann, bedarf keiner Betonung. Wir haben hier den aus dem Bewußtsein direkt entspringenden Willen vor uns. Von manchen Forschern ist behauptet worden, daß es einen freien Willen überhaupt nicht gibt, insofern die Handlungen des Menschen nur die Besultate gesetzmäßig ablaufender Gehirnfunktionen seien. Das ist nur in beschränktem Grade richtig. Jeder Mensch weiß, daß er in der Lage ist, gewisse Vorstellungen zu begünstigen oder zu unterdrücken, also die Bahn des Gedankenlebens zu beeinflussen. Damit ist aber der Ablauf gewisser geistiger Funktionen, von dem eintretenden Beiz durch die Vorstellungen bis zur ausgeführten Handlung abhängig von den im Gehirn durch den Willen ausgebildeten Bahnen. Dazu kommt, daß der Wille des gesunden Menschen jederzeit in der Lage ist, selbst auf einen Beflexvorgang hemmend einzuwirken. Ich brauche nur darauf zu verweisen, daß der Mensch Zornausbrüche unterdrücken kann. Daß krankhafte Zustände hiervon eine Ausnahme machen, sei nur kurz erwähnt. Aber wir kennen auch krankhafte Zustände, in welchen Zwangsvorstellungen quälender Art den i n n e r e n D r a n g zu e i n e r H a n d l u n g auslösen, ohne daß es zur Handlung kommt. Die G e g e n v o r s t e l l u n g , daß diese eventuelle H a n d l u n g u n e r f r e u l i c h e
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Folgen für den Handelnden hat, führt zur H e m m u n g der Ausführung, so lange der "Wille stark genug ist. Aber es ist der "Wille des Menschen, welcher hier direkt hemmt. Fassen wir die seitherigen Ausführungen zusammen, so ergibt sich als ßesultat: Die Ausführungen und Handlungen des Menschen in positiver und negativer Richtung sind abhängig 1. von dem durch die äußeren Sinnesorgane eingetretenen oder durch innere Vorgänge in den Erinnerungsbildern ausgelösten stärkeren oder schwächeren Erregungsvorgang, 2. von dem Substrat des Gehirns mit der bei den einzelnen Menschen verschiedenen Erregbarkeit des ganzen Zentralnervensystems oder umschriebener Gebiete desselben, 3. von den durch das Leben geschaffenen Erinnerungsbildern der Außenwelt und der eigenen Person mit ihren Verknüpfungen, 4. von dem Willen des Menschen, die in das Gehirn eingetretenen oder in ihm entsprungenen Erregungen in gewisse Bahnen zu lenken oder zu hemmen.
B. Die Mittel zum Schutz der geistigen Gesundheit. Das geistige Leben des Menschen vollzieht sich unter dem Einfluß ä u ß e r e r S i n n e s e i n d r ü c k e und i n n e r e r E r r e g u n g s v o r g ä n g e . Nur ein Übermaß dieser schädigt die geistige Gesundheit. Stärkere von außen zugeführte Erregungen lassen sich nicht immer abhalten, wenn auch dem Menschen eine gewisse Möglichkeit gegeben ist, dieselben zu vermeiden. Den Erregungsvorgängen, welche durch Erinnerungsbilder im Gehirn selbst ausgelöst werden, steht aber der Gesunde nicht völlig machtlos gegenüber. Hier kann der W i l l e des Menschen mit seiner häufig unterschätzten Macht eintreten. Mit dessen Entwicklung haben wir uns später eingehend zu beschäftigen. Das Organ der geistigen Funktionen, das Substrat dos Gehirns mit seinen Ganglienzellen und viel verzweigten Fasern bietet naturgemäß auch bei gesunden Menschen Verschiedenheiten der Reizbarkeit und der Eeizleitung. Diese sind meist angeborene Eigenschaften, welche nur in geringem Grade durch die geistige Schulung der Beeinflussung zugängig sind. Dagegen gibt es andere Störungen der Gehirnfunktion, welche durch vermeidbare Krankheiten und Schädigungen ausgelöst werden. Es handelt sich hierbei sowohl um o r g a n i s c h e E r k r a n k u n g e n als um Schädigungen durch G i f t e .
Fernhaltung organischer Störungen
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1. Fernhaltung organischer Störungen. Daß gewisse I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n das Gehirn schwer schädigen, ist aus der Tatsache bekannt, daß S i n n e s t ä u s c h u n g , daß B e n o m m e n h e i t , daß D e f e k t e der Int e l l i g e n z mit ihnen so leicht verknüpft sind. Ich erinnere an den U n t e r l e i b s t y p h u s , " der wegen seiner Gehirnerscheinungen früher den Namen N e r v e n f i e b e r hatte; weiterhin kommen die verschiedenen "Vergiftungen in Betracht, wie z. B. der c h r o n i s c h e A l k o h o l i s m u s usw., welche zerstörend auf die nervösen Bestandteile des Gehirns und somit auf die geistigen Funktionen wirken. Auf die vielfachen B e w u ß t s e i n s t r ü b u n g e n infolge der Alkoholvergiftung brauche ich nicht einzugehen. Ein französischer Forscher hat berechnet, wie hoch die Kosten des Staates für eine Familie sich gestellt haben, deren Großahne nachweislich schwerem Alkoholismus ergeben war, und deren Sühne, Enkel und Urenkel nach verschiedenen Richtungen degenerierten. Die Kosten für diese eine Familie an Armenpflege, Gefängnis, Zuchthaus belaufen sich auf viele Millionen. In Deutschland erfolgten vor dem Kriege im Jahre nach F l a d e etwa 250000 Verurteilungen wegen Vergehen und Verbrechen, welche im A l k o h o l r a u s c h vollbracht waren. Welche Fülle von Elend führen sie mit sich! In Deutschland sind allein in den Jahren 1898 bis 1901 65 433 Menschen an Säuferwahnsinn erkrankt, in den Jahren 1902 bis 1904 noch 27 373. Dabei sind die vielfachen anderen Erkrankungen nach Alkoholmißbrauch nicht berücksichtigt. Bestrebungen zur Bekämpfung dieser an der Volkskraft zehrenden Seuche sind vorhanden, aber es bedarf eines energischeren Vorgehens als bisher. "Während in anderen Ländern wie S c h w e d e n und N o rwegen die K n e i p e n fortschreitend eine " V e r m i n d e r u n g erfahren, und der Schnaps fast verdrängt ist, kann in deutschen Städten von mehr als 15000 Einwohnern jeder beliebige infolge selten versagter Genehmigung der Stadtverwaltung eine Kneipe eröffnen. Als neue Kulturerrungenschaft sind vor dem Krieg auch die B a r s und der nervenvergiftende A b s i n t h in die deutschen Städte eingezogen.
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Der Krieg mit der großen Einschränkung des Alkoholkonsums hat wenigstens die eine gute Folge gehabt, daß die Aufnahmezahl der durch Alkohol bedingten Geistesstörungen in Krankenhäusern sich erheblich vermindert hat. Noch eine andere schwerwiegende Volksseuche, welche in späterem Stadium vor allem das Zentralnervensystem angreift, muß ich erwähnen: die Syphilis. Sie wird gewöhnlich den Geschlechtskrankheiten zugerechnet, weil ihre Übertragung vor allem im innigsten Verkehr stattfindet. Aber bei wieviel Individuen erfolgt sie auf anderem Wege. Von Dienstmädchen kann die Erkrankung auf Kinder, von Patienten auf den Arzt übertragen werden. Ich erinnere mich mit Bedauern eines Studenten der Theologie, der im Übermut mit anderen eine Kellnerin küßte und einen S c h a n k e r an der Lippe und S y p h i l i s davontrug. Welche Verbreitung die Seuche hat, zeigt B l a s c h k o s Eechnung, der auf vier Männer in Berlin einen mit Syphilis infizierten rechnet. Und Köln mit Umgebung stehen nicht in besserem Kuf. In paralysim solvitur et apoplexiam, L ä h m u n g und S c h l a g f l u ß können die Folge sein, schrieb U l r i c h v o n H u t t e n in seinem berühmten Büchlein über die gallische K r a n k h e i t vor vier Jahrhunderten. Er hat Becht behalten. Besonders in den späteren Stadien der Erkrankung pflegt das Zentralnervensystem zu leiden. Die Zahl der Geisteskranken in Deutschland beträgt etwa 120000 bis 126000; von etwa 14000 Todesfällen von Geisteskranken im Jahr stirbt ein Siebentel an Dementia paralytica oder, wie es im Volksmund heißt, an Gehirnerweichung. Ist auch die Syphilis vielleicht nicht die einzige Ursache dieser Erkrankung, so ist sie doch die wesentlichste. Ohne Syphilis würden vielleicht 2000 Menschen weniger mitten aus blühendem Mannesalter und aus voller Arbeitskraft herausgerissen, um der Verblödung anheimzufallen, nachdem dieser meist ein Stadium größter Erregung mit Tätigkeitsdrang Größenideen, Sprachstörung, und Verlust aller ethischen Gefühle vorausgegangen ist. Und diese schweren Folgen hat vielfach eine Ansteckung
F e r n h a l t u n g organischer S t ö r u n g e n
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in der Kindheit oder ein Kuß im Jünglingsalter hervorgerufen! Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Dementia paralytica keineswegs als die einzige Folge der verheerenden Syphilis bezeichnet werden kann. Es würde aber zu weit führen, wollte ich auf alle Erkrankungen des Nervensystems bei Syphilitischen eingehen. Mit welcher Gleichgültigkeit die Seuche häufig betrachtet wird, möge ein Beispiel zeigen. Ein Arzt behandelte einen jungen Herrn kurze Zeit an der Krankheit, er verbietet ihm das Heiraten, macht ihn auf die Polgen für Frau und Kinder aufmerksam, aber der Betreffende hört nicht, er heiratet. Zehn Monate später teilt er brieflich dem Arzt stolz die Geburt eines kräftigen Knaben mit, aber nach drei Tagen stirbt dieser plötzlich, wie es bei ererbter Syphilis vorkommt. Ein Jahr später erkrankt die Frau , des früheren Patienten an einer völlig unklaren Krankheit. Die Ärzte, welche über die vorangegangene Syphilis nicht unterrichtet waren, sind ratlos. Dieses hört der erste Arzt, sucht den einen Kollegen auf und rät ihm einen Versuch mit antisyphilitischen Mitteln. Die Frau erholt sich. Durch die Vorwürfe der Ärzte über die verschwiegene Krankheit hört der Gatte der Kranken von dem Eingreifen seines früheren Arztes und zeigt diesen wegen Bruch des Berufsgeheimnisses dem Staatsanwalt an. Die Anklage wird natürlich abgewiesen. Außer den schweren Erkrankungen des Infizierten kommt aber in Betracht, daß die Seuche auch die Nachkommenschaft in Mitleidenschaft zieht. Die Kinder syphilitischer Eltern gehen vielfach frühzeitig zu Grunde, andere zeigen Entartungen des Körpers und Geistes. Dr. K e l l e r von den Alsterdorf er Anstalten in Hamburg hat berechnet, daß etwa ein Drittel der Insassen der Idiotenanstalten Merkmale angeborener Syphilis zeigen. Die rationelle B e k ä m p f u n g der S y p h i l i s mit allen Mitteln der modernen Prophylaxe steht noch aus, sie wird aber immer dringender, und ich hoffe, daß die vielfachen Bedenken, welche ethische Anschauungen mit einer gewissen Vogelstraußpolitik immer erneut vorführen, überwunden werden. Die neuerdings eingerichteten Beratungsstellen für Geschlechtskranke sind ein Schritt auf diesem Wege.
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Außer durch Alkohol und Syphilis kann das Gehirn durch die verschiedensten Gifte und Infektionskrankheiten geschädigt werden, durch I n f l u e n z a , G e n i c k s t a r r e , T u b e r k u l o s e , Bleivergiftung, narkotische Mittel — aber die Zahl der durch diese Geschädigten ist gegenüber den erwähnten gering. Auch nach lange dauerndem Mißbrauch von Kaffee oder Thee kommen Störungen des Nervensystems vor, die sich durch größere Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Herzklopfen, Magenstörungen, bemerkbar machen. "Weiterhin sei auf die vielfache Schädigung des Nervensystems durch E h e n u n t e r V e r w a n d t e n an dieser Stelle aufmerksam gemacht. Wenn durch Vererbung gewisse die Gesundheit gefährdende körperliche und geistige Eigenschaften bei beiden Ehegatten angeboren sind oder günstige Entwickelungsmöglichkeiten bieten, so liegt die Gefahr einer krankhaften Steigerung in der einen oder anderen Richtung bei der Nachkommenschaft vor. Die Vererbung von angeborenen und erworbenen Eigenschaften ist sowohl bei Menschen als bei Tieren und Pflanzen der Gegenstand eifriger Forschung. Das Studium derselben beim Menschen ist allerdings sehr schwierig, da nur Beobachtungen bei vielen Generationen von "Wert sind, und die Beurteilung der geistigen Eigenschaften mit der Vielgestaltigkeit der angesammelten Erinnerungsbilder und der Vielgestaltigkeit der einzelnen auslösenden Momente immer komplizierter wird. Eine weitere große Aufgabe besteht darin, die Erinnerungsbilder des Menschen und die daraus entspringenden Verknüpfungen so zu gestalten, daß die Handlungen des Menschen sowohl den eigenen Anforderungen als denjenigen der Mitwelt gerecht werden. Diese Aufgabe betrifft zunächst:
2. Die Erziehung der Jugend. Die Erziehung der Jugend nimmt auch die erste Stelle ein, wenn angeborene schädliche Neigungen und Eigenschaften bekämpft werden sollen. Das "Wort in Goethes Faust: »"Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu be-
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sitzen 8 sollte nur für die guten Eigenschaften gelten. Für die weniger erfreulichen sollte es heißen: „"Was du e r e r b t v o n d e i n e n V ä t e r n h a s t , b e h e r r s c h e e s , um n i c h t b e h e r r s c h t zu w e r d e n " . Zweifellos ist der "Wille des Menschen viel stärker, als es vielfach angenommen wird. Der Mensch muß aber zum Wollen erzogen werden. Für die Erziehung des Menschen kommt zuerst die Familie in Betracht. "Wenn wir uns die Entwickelung der geistigen Funktionen und ihren Ausdruck beim Kinde nochmals in Erinnerung rufen, so ergibt sich, daß die Erscheinungen des geistigen Lebens lange Zeit nichts anderes sind, als die Wiedergabe des Gehörten, des Gesehenen oder die Benennung eines Gegenstandes, den das Kind erkennt und dessen Benennung in dem Gehörzentrum festgelegt ist, Erscheinungen die in der gewöhnlichen Sprache als Nachahmungstrieb bezeichnet werden. Aber sie sind schon die Folgen von Eindrücken in den Sinneszentren und ihren Verknüpfungen und stellen die unterste Form primitivsten Öenkens dar, wobei naturgemäß die Anlage des Gehirns und die Fähigkeit der Verknüpfung eine hervorragende Rolle spielen. Aber auch das kompliziertere Denken baut sich auf dieser Grundlage der Eindrücke auf, welche das Kind vom ersten Tage seines Lebens an in sich aufgenommen hat. So kann die A m m e , kann das erste Kindermädchen einen Einfluß auf die geistigen Funktionen des Kindes ausüben. Denn die Erziehung beginnt schon mit der regelmäßigen Einteilung des Tages, der Mahlzeiten, der Gewährung oder Nichtgewährung aller der Wünsche, in denen das Kind noch keine Beschränkung kennt. Das Kind, das vom ersten Tage an das L e b e n im Hause mit einer gewissen O r d n u n g sich abspielen sieht, wird von diesen Eindrücken und dem Muß der Ordnung während des ganzen späteren Lebens sich schwer freimachen. Das gleiche gilt bezüglich des G e h o r s a m s gegenüber den Eltern. Die regelmäßige Tätigkeit der Eltern muß das Kind ebenso beeinflussen, wie die Bilder, welche ErholungsBumpf, Geistige Gesundheit
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stunden und Ruhestunden der Angehörigen bei ihm hinterlassen. Ein Kind, das P f l i c h t t r e u e im H a u s u n d im B e r u f stets vor sich sieht, wird diese Pflichttreue leichter im Leben bewahren, als ein anderes mit entgegengesetzten Eindrücken. Ein Kind, das in seiner Umgebung bei kleinen Aufregungen oder Unannehmlichkeiten ein a u f g e r e g t e s "Wesen, K l a g e n , S c h r e i e n oder Zornausbrüche als regelmäßige Erscheinungen kennen lernt, wird solches Gebahren für notwendig halten und als selbstverständlich betrachten. Ein Kind, das im elterlichen Hause in E h r f u r c h t vor der G o t t h e i t erzogen wird, dürfte diese auch im späteren Leben bewahren. Wenn aber Ausdrücke der Unzuf r i e d e n h e i t mit allem, des N e i d e s auf andere und der N ö r g e l e i stets an sein Ohr klingen, wird eine Beeinflussung für das ganze Leben nicht ausbleiben. Ein Kind, das im Elternhause den ä u ß e r e n S c h e i n als Schwerpunkt des Lebens kennen lernt, dem die L ü g e etwas vertrautes ist, wird im späteren Leben nur schwer bessere Anschauungen gewinnen. Auch den Begriff des E i g e n t u m s und seiner Unverletzlichkeit soll das Kind in früher Jugend lernen. Die Erfahrungen in einzelnen kleinen Gemeinden zeigen, daß die meisten Eigentumsvergehen durch Generationen hindurch in denselben Familien vorkommen, im wesentlichen eine Folge schlechter Erziehung und schlechter Beispiele. Aber selbst ohne D i e b s t a h l s g e l ü s t e sehen wir Menschen und insbesondere Kinder in fremden Gärten und Anlagen Blumen und Zweige abreißen und sie nach kurzer Zeit achtlos bei Seite werfen. Daß dieser unerfreulichen Neigung durch Erziehung entgegengetreten werden kann, sei an einem Beispiel ausgeführt. Der verstorbene Forstmeister Hoffmann in Bonn hatte in seinem gebirgigen Garten auf dem Hunsrück eine Felsenpartie mit seltenen Alpenpfanzen geschmückt. Als er diese Freunden zeigte, äußerten sie, er werde nicht lange Freude daran haben, da die eigenen Kinder nach ihrer Art die Pflanzen abreißen würden. Aber diese Befürchtung erwies sich als falsch. Herr Hoffmann trug seine noch kleinen Kinder zu dem Alpengärtlein, lehrte
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sie die schönen Pflanzen bewundern und einzelne auch streicheln, wehrte aber das Abreißen als ein schweres Vergehen. Und so gedieh das Alpinum und ebenso dank solcher Erziehung die Kinderschaar. Immer und immer wieder muß betont werden, daß die im E l t e r n h a u s empfangenen Eindrücke und Beispiele die tiefsten Eingrabungen in die Ganglienzellen der Gehirnrinde bewirken. Aber auch Lehren und Zurechtweisungen, die von verehrten Personen öder unter besonderen Umständen erfolgen, können nachhaltigen Einfluß ausüben. Besondere Berücksichtigung bedarf der angeborene E g o i s m u s des Kindes. Dieser wird häufig im Kreise der Geschwister leichter bekämpft, als bei einzelnen Kindern. Aber er bedarf doch häufig energischer Zurechtweisung. Alle Erfahrungen der Weltgeschichte zeigen, wie leicht das Menschengeschlecht dem Notwendigen sich anpaßt, wie der N u t z e n und die F u r c h t v o r S c h a d e n das Handeln beeinflussen. "Wir sehen das gleiche bei Kindern, aber es bedarf des Z u s a m m e n w i r k e n s b e i d e r E l t e r n in dem gleichen Sinn, um das Handeln des Kindes nicht zu beirren. Daß die Erziehungsich ebenso fern v o n ü b e r t r i e b e n e r S t r e n g e wie von ü b e r t r i e b e n e r Z ä r t l i c h k e i t halten soll, darin stimmen alle Pädagogen überein. Oft wirkt ein verweisendes Scherzwort mehr als eine strenge Strafe. Ein glückliches Familienleben im Elternhaus ist jedenfalls die beste Mitgabe für ein Kind, ein Haus, in dem Yater und Mutter ihren Pflichten leben, aber nach des Tages Arbeit an fröhlicher Geselligkeit, an Spielen mit den Kindern, an Musik und schöner Literatur sich erfreuen. Daß die allzuhäufige Bewunderung, welche geputzten Mädchen zu Teil wird, der Eitelkeit und Putzsucht Vorschub leistet, bedarf kuum der Erwähnung. Mit Recht forschen wir bei jedem hervorragenden Menschen nach den Vorfahren, den Eltern und besonders der 3Iutter. Die letztere ist, wenn selbst gut erzogen, die b e s t e E r z i e h e r i n i h r e r K i n d e r und damit d e s V o l k e s , und diese naturgemäße Aufgabe ist größer und wichtiger als jede andere. Ihre Erziehung und ihr Einfluß vermag
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auch^ häufig ein Gegengewicht gegen unerfreuliche Einwirkungen von anderer Seite zu schaffen. Um Beispiele anzuführen erinnere ich nur an zwei berühmt gewordene Mütter, die Frau Rath und die Mutter von Schopenhauer. Daß jedes Kind nach seinen Eigenschaften einer gewissen i n d i v i d u e l l e n E r z i e h u n g bedarf, ist naturgemäß. Aber auf gewisse a l l g e m e i n e F e h l e r der d e u t s c h e n Erz i e h u n g aufmerksam zumachen halte ich für Pflicht. Viel zu viel Wert wird dem A n h ä u f e n v o n "Wissen im Gegensatz zur Ausbildung des Charakters und des Willens beigelegt. Auch minder Begabte werden höheren Schulen übergeben, in dem Gedanken, daß die gelehrten Berufe das höchste seien. Ein häufig krankhafter Ehrgeiz, in dem Streben die Examina zu überwinden, wird geweckt, d e r N e i d auf begabtere Mitschüler macht sich geltend, und alle Hebel werden in Bewegung gesetzt, den Nachkommen die Gunst höher Stehender zu erwerben. Leider ist auf diesem Wege in Deutschland der Bürgerstolz und die Zuversicht auf eigenes Können vielfach zu kurz gekommen. Auch die Erkenntnis der Pflichten gegenüber den Nächsten wird' bei solchen Gedankengängen nicht gefördert. Bei den höheren Schulen scheinen mir noch weitere Gesichtspunkte beachtenswert. Der älteste Vertreter dieser, das G y m n a s i u m hat seinen Namen dem Griechischen entlehnt, weicht aber von dem hellenischen Vorbild sehr weit ab, indem es die G y m n a s t i k d e s G e i s t e s an Stelle derjenigen des Körpers p f l e g t . An dem Festhalten an diesem Schulsystem sehen wir, wie stark ü b e r l i e f e r t e S u g g e s t i o n wirkt trotz zweifelloser G e s u n d h e i t s b e e i n t r ä c h t i g u n g durch dasselbe. Am intensivsten hat sich dieses in J a p a n gezeigt. Im Beginn der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts begann dieses sein Unterrichtssystem nach deutschem Muster einzurichten. Unter anderen wurde der damalige Privatdozent der Medizin Dr. B a e l z nach Japan berufen. Aber schon wenige Jahre nach Einführung eines dem d e u t s c h e n G y m n a s i u m entsprechenden U n t e r r i c h t s -
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s y s t e m s fiel der japanischen Aushebungsbehörde bei s der Musterung zum Militärdienst auf, daß K ö r p e r g r ö ß e , B r u s t u m f a n g , M u s k e l b i l d u n g und S e h s c h ä r f e der jungen Studierenden gegenüber der früheren Zeit ungünstigere "Werte zeigten, und als dieses Eesultat nach etwa zehn Jahren noch deutlicher hervortrat, trat unter Teilnahme von Prof. Baelz eine Kommission zusammen, welche alsbald eine Umgestaltung des Unterrichts im Sinne b e s s e r e r A u s b i l d u n g des Körpers durch das j a p a n i s c h e T u r n e n e m p f a h l . Die Ausführung der vorgeschlagenen Änderungen im Unterrichtsplan, ergab, wie ich einer persönlichen Mitteilung von Kollegen Baelz verdanke, nach wenig Jahren wieder b e s s e r e Resultate bei der militärischen Musterung. Auch bei uns fehlt es nicht an schweren leider meist außer Acht gelassenen Schädigungen durch die Art des Unterrichts. G y m n a s t i k , T u r n s p i e l e und ähnliches stärken aber nicht allein den K ö r p e r , sondern auch den G e i s t , indem sie die S i n n e s o r g a n e schärfen, den W i l l e n k r ä f t i g e n und die E n t w i c k l u n g rascher E n t s c h l u ß f ä h i g k e i t anregen. Eine stärkere Inanspruchnahme der k ö r p e r l i c h e n B e t ä t i g u n g ist auch geeignet, dem durch langes Sitzen auf Schulbänken und allzu intensive literarische Beschäftigungbegünstigtenfrühen Auftreten des G e s c h l e c h t s triebs entgegenzuwirken. Gewiß sind in den letzten Jahrzehnten Anläufe zur Besserung gemacht worden, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß der formalen Ausbildung in alten Sprachen zum Nachteil wichtigerer Dinge noch zu viel Wert beigelegt wird. Ich kann dabei an S c h i l l e r erinnern, der o h n e K e n n t n i s d e s G r i e c h i s c h e n und mit g e r i n g e n Kenntnissen des L a t e i n i s c h e n die G ö t t e r G r i e c h e n l a n d s geschrieben hat. Allerdings hatte er auch einen H e r d e r als Lehrer und Interpreten der alten Kultur und Götterlehre. Ich selbst habe das volle Verständnis der Schönheiten der griechischen und teilweise auch der römischen Literatur erst nach der Gymnasialzeit aus Übersetzungen gewonnen. Aber hervorragende Lehrer können auch auf dem Gym-
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nasium, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, einen außerordentlichen Einfluß auf die Schüler ausüben. Ich glaube deshalb aus dem Herzen vieler zu sprechen, wenn ich wünsche, daß die Lehrer der Jugend auf der Höhe unserer Kultur stehen und im Staate diejenige hervorragende Anerkennung und Stellung erhalten, welche ihnen gegenüber falschen Wertungen nicht immer zu Teil geworden ist. In den Bezeichnungen als Studien-Referendar und Assessor kann ich dieselbe allerdings nicht erblicken. In allen Schulen spielen aber die Einflüsse der Mitschüler eine große Eolle. Prof. A n t o n in Halle hat darauf aufmerksam gemacht, wie ungünstig das Z u s a m m e n l e b e n mit E n t a r t e t e n und P s y c h o p a t h e n auf jagendliche Gemüter zu wirken vermag. Da es unter diesen auch Hochbegabte gibt, so ist der g e i s t i g e Einfluß auf ihre Altersgenossen häufig groß. Von diesem Gesichtspunkt aus hat auch die Erziehung in Alumnaten mit einer größeren Schülerzahl und gemeinschaftlichen Schlafsälen Bedenken. Nur allzuleicht wirken Erzählungen nnd üble Angewohnheiten des einzelnen auf die Kameraden ein, zumal in Deutschland hinreichend g e p f l e g t e r S p o r t , der das I n t e r e s s e in Anspruch nimmt und die Jünglinge abends stark körperlich ermüdet zur Ruhe gehen läßt, fehlt. Auch die Schulen, besonders der größeren Städte, vermögen trotz bester Lehrkräfte, den unerfreulichen Einflüssen der Schüler auf einander nicht immer genügend entgegenzuwirken. Vielfach ist die Zahl der Schüler zu groß, um dem Einfluß der Jugenderzieher den nötigen Raum zu geben, oft wirkt auch das E l t e r n h a u s der S c h u l e r z i e h u n g entgegen. Das in der Schule bestrafte Kind wird von den Eltern bedauert, oder die Gerechtigkeit des Lehrers wird gegenüber dem Kinde in Zweifel gezogen. Aber trotz mancher Gefahren kommt, der Schule, dem Einfluß der Lehrer und der Altersgenossen eine außerordentliche und wertvolle Bedeutung zu. Hier lernt der Heranwachsende häufig zuerst, daß er nur ein Glied der Allgemeinheit ist, in welcher jeder die gleichen Ansprüche macht, hier wird der Egoismus besonders energisch bekämpft.
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Die Entlassung aus der Schule bringt dann wieder manche Gefahren. Hier können Portbildungsschulen mit einer nicht zu großen Zahl Schüler, welche nicht nur der Anhäufung von Wissen, sondern auch der Erziehung des Körpers und des Willens zur "Wahrhaftigkeit und zur Selbstzucht gegenüber dem Nächsten dienen sollen, ausgezeichnetes leisten. Denn wie ür- B l u m b e r g e r ausführt, würde die Erziehung von Herrenmenschen, die auf Kosten ihrer Nächsten nur dem eigenen Egoismus fröhnen jede Treue und Sittlichkeit untergraben und den Staat dem Untergang zuführen. Daß Schulen und Jugendvereine, welche nur den Zweck haben, die Kinder für eine politische Partei zu erziehen, von großem Übel sind, brauche ich nicht zu betonen. Gewiß können neben ungünstigen Einflüssen auf die Entwickelung des Geistes auch andere, günstigere Einflüsse der Vererbung, Erziehung oder Erfahrung sich geltend machen, aber sie treten dann in einen schweren Kampf mit ungünstigen Faktoren. Wie ich früher ausgeführt habe, verknüpft das Kind die äußeren Eindrücke mehr und mehr miteinander und bringt sie in eine gewisse Beziehung zur eigenen Person. Daß hierbei mannigfache Irrtümer unterlaufen, bis die fortschreitende Erfahrung Klarheit schafft, ist nicht wunderbar. Hier muß auch einer eigentümlichen Erscheinung gedacht werden, der sogenannten K o n f a b u l a t i o n . Wir sehen gelegentlich bei Kindern, welche in sorgfältigster Weise erzogen sind, daß sie plötzlich lange Geschichten erzählen und von eigentümlichen Ereignissen berichten, deren Bilder in dem Gehirn haften geblieben sind, deren Verknüpfung indessen der Phantasie entstammt. G o t t f r i e d K e l l e r erzählt in seinem grünen Heinrich, wie dieser in seinem siebenten Lebensjahre ein großes Phantasiegewebe mitteilte, das seine Mitschüler völlig falsch beschuldigte, Schimpfworte gebraucht, Kartoffeln gestohlen und sich recht schlecht aufgeführt zu haben. Alles das teilte er in geläufiger Rede einem examinierenden Lehrer mit, während er sonst wenig gesprächig war. Ich erinnere mich einer ähnlichen Begebenheit mit einem siebenjährigen
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Knaben, der auf das eingehendste erzählte, daß ein Herr in der gleichen Straße gestorben sei, wie das geschehen, wie die Verwandten gekommen, und er selbst die Leiche mit angesehen habe. Diese Erzählung schloß sich an das Ereignis' mehrerer Todesfälle in der Familie an, welche die Phantasie des Knaben stark beschäftigt hatten. Auch G o e t h e berichtet ähnliches von sich. Man tut gut, derartige Phantasiegespinste nicht zu ernst zu nehmen und den Erzähler als Phantasten mehr scherzhaft abzuweisen. Man darf allerdings nicht vergessen, daß derartige Phantasiegewebe auch unerfreuliche Polgen haben können, daß sfe gerichtliche Eingriffe gelegentlich zur Folge haben, daß r e l i g i ö s e E r r e g u n g e n einer Bevölkerung sich bemächtigen können, wenn die Kinder ihre P h a n t a s i e in h i m m l i s c h e n Erscheinungen schwelgen lassen. Diese Vorgänge haben erst in jüngerer Zeit das Interesse der Ärzte, Philosophen und auch der Juristen wachgerufen. Aber die reproduzierten Bilder sind stets nur solche, welche durch die Sinnesorgane dem Zentralnervensystem übermittelt wurden, und nur die Verknüpfungen bezüglich des Ortes, der Zeit, der Personen sind falsch. Auch Dinge, von welchen die Eltern glauben, daß die Kinder sie nicht gehört oder nicht verstanden haben, regen heimlich die Phantasie an, wirken auf die ganze Lebensauffassung des Kindes ein und beschäftigen den Geist durch Jahre, bis oft ein Zufall eine Aussprache herbeiführt. Diese Erfahrung weist daraufhin, wie peinlich ängstlich die Eltern von den Kindern alles fernhalten müssen, was in dieser Beziehung ungünstig wirkt, besonders Dinge welche den Verkehr beider Geschlechter betreffen. Vielfach spielt auch, wie früher schon erwähnt, bei der Erziehung unserer Jugend das Streben nach vielem "Wissen eine größere Bolle, als die Erziehung zu P f l i c h t g e f ü h l und zur S e l b s t b e h e r r s c h u n g . Diese Erziehung zur Sei bsbeherrschung sollte bei den Kindern schon in frühester Jugend beginnen. Eltern, die bei jedem kleinen Schmerz ihr Kind bemitleiden, fügen der Zukunft desselben oft unheilbaren Schaden zu, diejenigen welche die Energie wecken, schenken ihm einen wertvollen Schatz für das Leben. W e r n e r v o n
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S i e m e n s schildert aus seiner Jugend, wie er dem Auftrag seines Vaters folgend, mit dem Schwesterehen den Gutshof durchschreiten wollte. Da stellte sich ihm ein Gänserich drohend entgegen. Als er nun zu seinem Yater lief und klagte, daß der böse Gänserich ihn nicht durchlassen wollte, riet ihm dieser einen Stock zu gebrauchen. Mit diesem bewaffnet trat er mutig den Weg an, und der Gänserich floh. Seitdem hat "W". v. S i e m e n s bei mancher angesagten Gefahr feststellen können, daß es sich nur um einen Gänserich handelte, dem mutig entgegenzutreten stets erfolgreich war. Aber an Stelle von Pflichtgefühl und Selbstbeherrschung wird vielfach von törichten Eltern bei den Kindern eine gewisse Eitelkeit und Genußsucht groß gezogen mit dem Gedankengang, die Kinder möchten etwas vom Leben haben. An unerfreulichen Bildern dieser Art hat es leider im Frieden und im Krieg nicht gefehlt. Alle ärzlichen Erfahrungen lehren, daß w e d e r g r o ß e r E e i c h t u m n o c h g r o ß e A r m u t g u t e Grundlagen für die Erhaltung der Gesundheit bieten. Beamtenfamilien, Familien von Hofbesitzern liefern vielfach durch Jahrhunderte dem Staat tüchtige Männer und brave Bürger. Das gleiche finden wir oft in Herrenhuter Familien. Auf die vielen ausgezeichneten Männer, welche aus evangelischen Pfarrhäusern hervorgegangen sind, sei ebenfalls hingewiesen. Wir Verden hier der Tradition, welche von Generation zu Generation im B e i s p i e l d e r E l t e r n und in der E r z i e h u n g d e r K i n d e r auf eine p f l i c h t t r e u e L e b e n s f ü h r u n g hinweist, ein großes Verdienst zuschreiben müssen. Die Freiheit von nagender Sorge um das tägliche Brot gestattet daneben die so notwendige gesunde Entwicklung des Körpers. Aber auch aus den einfachsten Verhältnissen können bei guter Erziehung, Energie und Pflichtgefühl Menschen zu hervorragenden Stellungen im Staat gelangen, wie unter anderem das Beispiel berühmter Kirchenfürsten zeigt. Im allgemeinen vollzieht sich aber der Aufstieg zu einer höheren Stufe im Laufe von einigen Generationen. Daß an d i e h ö h e r e S t e l l u n g und B i l d u n g auch höhere Anforderungen in B e z u g auf W i l l e n s t ä r k e u n d s i t t l i c h e s V e r -
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h a l t e n g e s t e l l t w e r d e n k ö n n e n u n d m ü s s e n , ist selbstverständlich. Fallen diese Eigenschaften fort, so bleibt ein Zurücksinken auf eine tiefere Stufe und gelegentlich ein j ä h e r F a l l nicht aus. Nach dem Gesagten brauche ich kaum zu betonen, zu welchen unglücklichen Folgen die Erziehung durch u n g e * e i g n e t e W ä r t e r i n n e n führen kann. Ich kenne viele Fälle, in welchen heranwachsende Kinder die Liebesabenteuer ihrer Kinderfräulein teils erlebten, teils von diesen erfuhren und jahrelang ihre Phantasie heimlich mit diesen Dingen erfüllten. Auch männliche Dienstboten und Kutscher können einen ähnlich schädlichen Einfluß ausüben. Sexueller Mißbrauch der Jugend ist, wie auch Prof. Anton in Halle ausgeführt hat, ebenfalls nicht selten. Es ergibt sich daraus, welchen großen Gefahren die von den Eltern vernachlässigte Jugend, besonders auch der g r o ß e n S t ä d t e , ausgesetzt ist. Sie sieht das D i r n e n l e b e n auf der Straße und vielfach auch im Hause, sie lernt es kaum als etwas verachtenswertes kennen. Törichte Eltern sehen vielfach in Denkfaulheit die körperlichen und geistigen Gefahren nicht, welche ihren Kindern drohen. Nur die Aufklärung über Krankheitsübertragungen und ihre Folgen, die Erziehung zu sittlichen Auffassungen, können hier helfend eingreifen, ebenso die rechtzeitige E i n f ü h r u n g der Kinder in die B i o l o g i e des Menschen. Wenn dem Erwachsenden in einfacher Form dargestellt wird, daß das L e b e n des Kindes vor der Geburt u n t e r dem H e r z e n der Mutter statt hat, so dürfte ein großer Teil des geheimnisvoll Prickelnden in den Gedankengängen und Erzählungen der Jugend fortfallen. Daß auch die N a c h a h m u n g s s u c h t eine Rolle spielt, bedarf ebenfalls der Erwähnung. Ich erinnere mich eines Knaben, der die hysterischen Anfälle seiner verstorbenen Mutter kopierte, bis ein spanisches Rohr ihn kurierte. Krampfanfälle, die in Pensionaten um sich zu greifen drohen, werden häufig durch einen Eimer kalten Wassers erfolgreich bekämpft. Auch für erregte drohende Volksmassen dürfte ge
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legentlich die Anwendung kalten Wassers in Art der Dampfspritze von Nutzen sein. Mit der geschlechtlichen Differenzierung vom Mädchen zur Jungfrau, vom Knaben zum Jüngling, sollte auch eine verschiedene Erziehung einsetzen. Der Jüngling bereitet sich zu einem Beruf vor, aber gleichzeitig erwächst ihm die Aufgabe, als Staatsbürger seine Pflichten im Heere zu erfüllen, um im Notfälle für das Vaterland sein Leben einzusetzen. Eine stramme körperliche Ausbildung, Erziehung zu Gehorsam und Pflichtgefühl sind die Kernpunkte dieser Entwicklung, die auch für das Berufsleben den Mann zu kräftigen geeignet sind. Daß Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr die Gesundheit zu untergraben geeignet sind, muß die Jugend durch geeignete Führer erfahren. Die Aufgaben, die an das heranwachsende Mädchen gestellt werden müssen, betreffen an erster Stelle die E r z i e h u n g zur E h e f r a u und F a m i l i e n m u t t e r . Von Vertreterinnen der Frauenentwicklung wird über diese Aufgaben vielfach gelächelt. Aber wo wären dieselben, wenn sie nicht selbst eine Mutter gehabt hätten. Und jeder Staat, dessen Frauen dieser wichtigsten Aufgabe sich weigern würden, müßte zu Grundo gehen, ebenso wie wenn die Männer sich weigern wollten, ihre militärischen Pflichten zu erfüllen. Man hat im Kreise der Frauenbewegung das weibliche Dienstjahr erfunden. Ich glaube nicht, daß ein Mann sich dagegen auflehnen wird, dieses eingeführt zu sehen. Es müßte aber den Aufgaben der Frau angepaßt sein und die Pflichten des Haushalts und der Ernährung der Familie, die Pflege des Säuglings, die Pflege von Kranken umfassen. In allen diesen Gebieten liegt ein so reiches Arbeitsfeld vor, daß ein Dienstjahr kaum genügen dürfte. Leider bringt es das Leben mit sich, daß viele Frauen auch eine Berufsausbildung zur Erhaltung des Lebens und zur Betätigung erstreben und erstreben müssen. Soweit es angängig ist, sollte sich diese nicht zu weit von den eigentlichen Aufgaben der Frau entfernen. Nur sehr wenige Frauen sind stark genug, Männerberufe auf sich zu nehmen, und jeder erfahrene Mann weiß, wie viel kostbare Leben an diesen Bestrebungen gescheitert sind. Allerdings hat der
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Krieg durch das Fehlen männlicher Kräfte viele Frauen gezwungen, Männerarbeit zu leisten. Auch Kinder und Greise mußten eintreten. Mit Bewunderung sahen wir Frauen den Pflug lenken, im Dienst der Bahnen und der Post tätig sein und daneben vielfach Hausfrauenpflichten erfüllen. Als eine Einrichtung von Dauer dürfen wir diese Belastung nicht erstreben, aber wir dürfen hoffen, daß die Widerstände gegen weitere Erschließung von Frauenberufen und die Verleihung von Rechten nach dem Krieg schwinden werden. Oft ist schon die Frage erörtert worden, ob nicht das Becht besteht, Menschen mit unerfreulichen Anlagen zu isolieren oder von der Fortpflanzung auszuschließen. Im praktischen Leben und bei fehlendem größeren Besitz tritt diese erwünschte Erscheinung oft ohne besonderen Zwang ein. Bei vorhandenem Vermögen nimmt die Eheschließung häufig keine Rücksicht auf etwaige weitere Degeneration der Nachkommenschaft. Da aber der Besitz starkem Wechsel unterliegt, so fallen die Nachkommen aus solchen Ehen schließlich der Allgemeinheit zur Last, eine Tatsache, die genügen dürfte, eine gewisse Staatsaufsicht zu heischen. Jedenfalls erscheint es zweckmäßig, daß vor der E h e s c h l i e ß u n g ein G e s u n d h e i t s z e u g n i s beigebracht wird, und weiterhin ist der amerikanische Vorschlag, notorische Verbrecher und Geisteskranke durch Behandlung mit Röntgenstrahlen von der Fortpflanzung auszuschließen, beachtenswert.
3. Die Erziehung zum Staatsbürger. Nicht als Einzelwesen lebt der Mensch in der Welt, sondern in einer Gemeinschaft: wie die engere Familie, so verlangt auch die weitere ihr Recht. Zum Schutz gemeinschaftlicher Interessen und zur Lösung gemeinschaftlicher Aufgaben haben sich Dorf- und Stadtgemeinden, Genossenschaften und Landesteile zusammengeschlossen und heischen die Mitarbeit des einzelnen. Auf Grund gemeinschaftlicher Abstammung, gemeinsamer Sprache, Sagen, Lieder und
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staatenbildender Ereignisse hat sich der Begriff des V a t e r l a n d e s gestaltet, in welchem die Gesamtheit aller gemeinsamen Interessen ihren Brennpunkt findet. Diese Entwicklung hat meist Jahrhunderte erfordert; vielleicht bringt der in die Welt eintretende Mensch eine Anlage zu ihrem Verständnis mit, aber zur Erfassung der Aufgaben ist eine staatsbürgerliche Erziehung notwendig. Dieser Erziehung dienten seither wesentlich die S c h u l e n und der M i l i t ä r d i e n s t ; daß diese beiden allein den zu stellenden Aufgaben nicht mehr genügt haben, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Außer der Familie, der V o l k s c h u l e , den Jugend,o r g a n i s a t i o n e n m ü s s e n auch die U n i v e r s i t ä t e n , müssen k o m m u n a l e und s t a a t l i c h e Verwaltungen zur Erziehung im staatsbürgerlichen Geist herangezogen werden. Bezüglich der Volkschnle scheinen mir die Schweizer Einrichtungen nachahmenswert zu sein. Daß ein Engadiner, der nur die Volkschule besucht hat, seinen Jürg Jenatsch in historischer, romanhafter und dramatischer Bearbeitung kennt, ist vielleicht nicht allzu überraschend, daß aber der gleiche junge Mann, mit dem ich einst vom Berninahospiz nach Alp Grüm ging, über die Bundesverfassung, das Gerichtswesen, die Militärpflicht seiner Heimat gut unterrichtet war, berührte mich tief, wenn ich daran dachte, wie wenige meiner studierenden Zuhörer mir die Frage beantworten konnten, was in Preußen die unterste Verwaltungsbehörde sei. Auch der U n i v e r s i t ä t s u n t e r r i c h t ist nach mancher Richtung v e r b e s s e r u n g s b e d ü r f t i g . Es fehlt an kurzen Übersichtsvorlesungen, welche vielleicht am besten in Einzeldarstellungen die g e s c h i c h t l i c h e , die w i r t s c h a f t l i c h e , die s o z i a l e , die p o l i t i s c h e , die m i l i t ä r i s c h e Entwicklung unseres V a t e r l a n d e s darstellen. Und ähnliche der staatsbürgerlichen Erziehung des Volkes dienende Vorträge müßten in größeren und kleineren Vereinigungen, in Bürgerund Arbeiterkreisen gehalten werden. Auch in den Jugendorganisationen und der militärischen Dienstzeit ließe sich Kaum für solche Aufgaben gewinnen. Kommunale und staatliche Verwaltungen müßten einen Stolz darin sehen,
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zur Verbreitung dieser Kenntnisse beizutragen. Auch die P r e s s e müßte für diese patriotische Aufgabe gewonnen •werden. Die staatsbürgerliche Erziehung hat aber auch die Aufgabe dem in Deutschland mehr als in anderen Staaten "wuchernden K a s t e n g e i s t entgegenzutreten. Es ist gewiß «chön, wenn die Eltern ihre Kinder in einem gewissen Stolz auf die Leistungen von Vätern und Großvätern erziehen. Aber es müssen an erster Stelle die Leistungen für das A l l g e m e i n w o h l hervorgehoben werden, mit der Betonung, daß der einzelne ohne eigene tüchtige Leistungen keinen Grund hat stolz zu sein. Aber auch eigene Leistungen sollen nicht zu Stolz und Überhebung über die Volksgenossen führen. Häufig ist in dieser Beziehung über gewisse Beamtenkategorien geklagt worden, die vergessen haben, daß das Amt für die A l l g e m e i n h e i t da ist, und sie selbst nur die Beauftragten und Besoldeten dieser sind. Daß nach dem Sturm der Revolution die Vorgesetzten ihre Stellung gegenüber den Untergebenen mißbrauchen, ist kaum zu erwarten, eher dürfte nunmehr der Mangel an Disziplin von Schaden sein. Dem Staatsbürger erwächst aber auch die Verpflichtung, je nach seinen Gaben mitzuarbeiten im Dienst des Vaterlandes. Neue Fragen und Aufgaben drängen sich auf. Diese objektiv zu prüfen und sich dann nicht mit Äußerungen am Stammtisch zu begnügen, sondern in größerem Kreis die Meinung anderer zu hören und die eigenen zur Erwägung zu stellen, ist die Aufgabe. Bei dieser bis jetzt nur von einzelnen geübten Betätigung habe ich, ebenso wie bei anderen Gelegenheiten, häufig einen spezifisch deutschen Mangel konstatieren müssen. Mit Bedauern habe ich in meiner Assistenten- und ersten Dozentenzeit an mir selbst erfahren, wie kümmerlich die Ausbildung der Gymnasiasten und der Studierenden in der R e d e k u n s t ist, wie s c h w i e r i g es aber auch anderen fiel und fällt, ihre G e d a n k e n in einer F o r m auszudrücken, welche das v o l l e V e r s t ä n d n i s der Gedanken ermöglicht. Auch die d e u t s c h e S p r a c h e ist, wie ich immer erneut
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ans Arbeiten meiner Schüler sehe, ein S t i e f k i n d vieler höherer Bildungsanstalten. In dieser Hinsicht ist uns der Engländer weit überlegen, der die Kunst der Eede und der Diskussion auf seinen höheren Schulen besonders pflegt und damit große politische Erfolge erzielt. In Deutschland lebten die Gelehrten meist zu abgeschlossen von der Welt, um ihre Gedanken mit dem mächtig wirkenden Eindruck der Rede außerhalb der Hörsäle zu schmücken. So geschah es, daß Anschauungen zu Wort und Wirkung kamen und kommen, denen die volle wissenschaftliche Beife fehlt. Auch in dieser Hinsicht ist eine Besserung dringend erwünscht. Vielleicht läßt die schwere Not des Vaterlandes einen zweiten P i c h t e erstehen, « der dem deutschen Volk neue Wege zeigt, welche den W i r k l i c h k e i t s t a t s a c h e n und dem I d e a l i s m u s in gleicher Weise gerecht werden.
4. Die Einwirkungen des Lebens. Täglich treten die verschiedensten Eindrücke in das Bewußtsein des Menschen ein und beeinflussen die Gedanken und Handlungen. Dieser Einfluß muß auf Grund der früheren Erinnerungsbilder und der angeborenen Anlagen ein verschiedener sein. Frohe und trübe Anschauung des Lebens, Neigung zu energischem Handeln und zu untätigem Dahinleben, zu Übermut und zu Verzagen sehen wir als verschiedene Folgen dieser Einwirkungen auftreten. Soweit bei diesen Gedankengängen ruhige und kritische Erwägungen mitwirken, lassen sich dieselben nicht ohne weiteres zurückweisen. Aber häufig machen sich Einwirkungen geltend, welche mit Ausschluß jedes ruhigen und kritischen Überlegens den Gedankengang durch Worte, Schrift, Drucksachen oder Handlungen in einen k r a n k h a f t e n V o r s t e l l u n g s k r e i s bannen und auf diese Weise leidenschaftliche Empfindungen und Handlungen auslösen. Diese Erscheinung, welche wir als Sug-
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g e s t i o n bezeichnen, tritt am auffälligsten als Massenwirkung zu Tage. Die Erinnerung an berühmt gewordene Beden an Heere und Volk, an die G e i ß l e r f a h r t e n infolge des erwarteten Weltuntergangs, an die H e x e n p r o z e s s e , die verschiedenen R e v o l u t i o n e n , die P a n i k in E p i d e m i e - und K r i e g s z e i t e n wird genügen, diese Wirkungen der Suggestion klar zu machen. Aus dem Don Quixote des C e r v a n t e s ersehen ^wir, wie ein großer Teil des Volkes noch an veralteten Idealen des ßittertums krankte, E n g l a n d lebt seit Jahrhunderten unter der Suggestion das a u s e r w ä h l t e V o l k G o t t e s des n e u e n T e s t a m e n t s zu sein, dem die Herrschaft der Welt gehöre, F r a n k r e i c h träumt von seinem ß u h m und den Taten seiner Geisteshelden. Daß das d e u t s c h e Volk in seiner Masse der politischen Eeife entbehrt, war jedenfalls bis vor kurzem allgemeine und wie ich glaube, berechtigte Auffassung. Man braucht nur an die Bezeichnung querelles allemandes und an das Urteil der V e n e z i a n e r Gesandten zu erinnern, welche nach Hause berichteten, „daß die Deutschen das wesentliche als unwesentlich und das unwesentliche als wesentlich betrachteten." Zum Teil hängt diese Erscheinung mit dem deutschen Schulwesen und der ausgedehnten Bildung zusammen. Dieselben müssen zu einem großen Reichtum von Einzelanschauungen führen, deren Träger die gewonnene eigene Auffassung leicht überschätzen. Dazu kommt, daß von Seiten des Staates die Erziehung zum Staatsbürger nur eine laue Förderung und von manchen Seiten Ablehnung erfuhr. Die Beeinflussung durch künstlich geschaffene p o l i t i s c h e G r e n z e n , die Übertreibung r e l i g i ö s e r G e g e n s ä t z e durch angebliche Ideale in parteipolitischer und kulturhistorischer Entwicklung haben suggestiv eine solche Verwirrung im Gefolge gehabt, daß die wirklichen Aufgaben des Volkes vor Kleinlichkeiten zurückstehen müssen. Daß das g e d r u c k t e und der weiteren Verbreitung zugängliche W o r t hierbei eine große Rolle spielt, können wir täglich
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bei uns erleben, und haben es in dem schweren Krieg durch die Presse unserer Feinde genügend erfahren. Auch jetzt nach Beendigung des Krieges sehen wir mit Schmerz, wie größere Teile unseres Volkes, dem dringenden Erfordernis des Tages gegenüber mit Blindheit geschlagen sind und unter dem Eindruck u t o p i s c h e r Vorstellungen gefährlichen Suggestionen unterliegen. Da diese von dem Gedanken getragen sind, daß durch den U m s t u r z a l l e s b e s t e h e n d e n ein neues g l ü c k l i c h e r e s R e i c h erstehen könnte, so finden sie eine Menge von Anhängern unter denen, welche davon träumen, daß ein Staatswesen ohne energische Arbeit bestehen könne, und daß die Entlohnung der Arbeit eine von den allgemeinen Verhältnissen unabhängige Sache sei. Weiterer Zulauf erfolgt aber von solchen, welche in dem Umsturz alles bestehenden eine gute Gelegenheit zum Plündern und zu eigener Bereicherung sehen. Welcher gewaltige Schaden unserem Vaterland durch diese Geistesverblendung erwächst, läßt sich heute noch nicht übersehen. Derartig furchtbare Massensuggestion pflegt am leichtesten nach schweren Erschütterungen aufzutreten; in kleinerem Maße sahen wir sie gelegentlich als B i e r k r a w a l l e bei Preiserhöhung des Getränkes. Welche Erregung ergriff vor Jahren das ganze Volk, als auf Zündhölzer und andere Gebrauchsgegenstände eine nicht einmal sehr hohe Steuer gelegt wurde, und ein großer Teil der Presse die geringen Mehrkosten als unerschwinglich bezeichnete. Daß Zeitungen und Drucksachen auf ihren Leserkreis einen suggestiven Einfluß auszüben vermögen, bedarf nach dem Vorstehenden keiner Betonung. Wie ein ganzes Volk oder größere Teile desselben, so können auch Familien und einzelne Personen suggestiven Vorstellungen anheimfallen. Ein Kreis vergnügter Menschen suchte vor längerer Zeit in einem gewissen Übermut den Heilkünstler Ast auf. Bei dieser Gelegenheit entnahm dieser einer Dame einige Haare und erklärte ihr dann: „Sie haben es links". Am nächsten Tage blieb die Dame zu Bett und behauptete, sie hätte Schmerzen in der linken Seite und sei schwer krank. Weder ihr Mann, ein bekannter Spezialarzt, noch R u m p f , Geistige Gesundheit.
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der Hausarzt konnten die Dame davon überzeugen, daß sie gesund sei. Und diese Krankheitssuggestion hielt mehrere Wochen an. Häufig ist diese Beeinflußbarkeit durch Suggestion mit einer k r a n k h a f t e n S c h w ä c h e d e s N e r v e n s y s t e m s verknüpft. Zum Teil ist diese eine Folge unzweckmäßigen Lebens und falscher Erziehung, vielfach ausgelöst durch die moderne Jagd nach dem Auskosten des Lebens. Aber auch übermäßige Arbeit, schwere Sorgen und Erregungen, welche die Nachtruhe rauben, in Verbindung mit unzweckmäßiger Ernährung oder Alkoholmißbrauch können zu einem Versagen der normalen Leistungen des Nervensystems führen. Je nach der Disposition des Einzelnen entwickeln sich verschiedene Störungen. H y s t e r i e , bei welcher k r a n k h a f t e V o r s t e l l u n g e n die hervorragendste Eolle spielen, oder eine Krankheit, die wir nach der ersten Schilderung des Amerikaners B e a r d als N e u r a s t h e n i e bezeichnen. Die letztere ist seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine häufigere Erscheinung geworden, seitdem das Leben sich so viel unruhiger und aufregender gestaltet hat, und der Kampf um die Existenzbedingungen und um die Genüsse des Lebens so viel intensiver geworden ist. Daß diese Beeinträchtigung des Nervensystems für den Träger häufig ein schweres Leiden darstellt, brauche ich kaum zu betonen. Aber auch die Allgemeinheit hat ein großes Interesse an diesen Erscheinungen. Das H a f t p f l i c h t g e s e t z und die verschiedenen sozialen V e r s i c h e r u n g s g e s e t z e sind zweifellos den größten Portschritten der neueren Zeit zuzurechnen. Wir Ärzte, die wir mit dem Unglück, Krankheiten und der Invalidität so viel zu tun haben, freuen uns besonders, wenn der plötzlich arbeitsunfähig gewordene nicht dem Elend preisgegeben ist. Aber in vielen Fällen, stehen infolge ererbter oder erworbener Schwäche die Folgen eines Unfalles in keinem Verhältnis zu dem Unfallereignis. Häufig handelt es sich nur um eine Schreckwirkung und Furcht vor drohenden Folgen. Ohne daß eine eigentliche Verletzung stattgefunden hat, färbt tiefe Blässe die Gesichter, eine Frau beginnt zu weinen
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oder zu schreien, ein Mann zittert an allen Gliedern. Bei einem gesunden Menschen wird ein derartiger Chok bald überwunden, aber bei reizbarer Schwäche des Nervensystems können sich Herzklopfen, Schmerzen, Angstanfälle, Schlaflosigkeit in Erinnerung an den Unfall einstellen. Die Arbeitsfähigkeit ist zunächst gemindert. Gute Freunde machen auf alle möglichen Folgen und auf die Haftung des JJnternehmers aufmerksam. Und nun entwickelt sich mit der Furcht vor allem, was noch an Krankheit von dem Unfall kommen könnte, der Wunsch, unter allen Umständen für ein Verschulden anderer entschädigt zu werden. In der Eegel sind diese nicht bereit, die in Anspruch genommenen großen Entschädigungen zu zahlen. Kommt aber eine rasche Einigung zustande, so verlieren sich in der großen Mehrzahl der Fälle in kürzester Zeit die Beschwerden, und der eben noch schwer krank Erscheinende v e r g i ß t in der Arbeit des täglichen Lebens seinen ganzen Unfall. Denn das Vergessen unangenehmer Eindrücke und Erinnerungsbilder ist die Grundlage einer freudigen Gemütsstimmung. Aber andere beharren auf ihren großen Ansprüchen und hindern durch den Kampf um ihre suggerierten Ansprüche die Ausheilung der Beschwerden. Die gleiche Erscheinung sehen wir häufig auch bei der Arbeiterversicherung. Auch die Vortäuschung von Krankheitserscheinungen wurde und wird nicht allzu selten versucht. Vielfach führt auch Mangel an befriedigender Tätigkeit, an sorgfältiger Erziehung, Vertiefen in Bomane zu einer völlig falschen Auffassung des menschlichen Lebens, zu einer Überschätzung der eigenen Person und zum Ausfall der besprochenen Hemmungsvorrichtungen des "Willens. Ich darf vielleicht an dieser Stelle die Memoiren einer Sozialistin von der hervorragenden Schriftstellerin L i l y B r a u n erwähnen, die in einer noch für spätere Zeiten interessanten Weise das ganze Leben ihrer Heldin, ihre Erziehung, die Beeinflussung durch schlechte Bömane und Dienstboten, durch den näheren und ferneren Umgang mit Männern geschildert hat. Neben einer Beihe interessanter Kulturbilder,
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welche die Memoiren aufweisen, läßt sich als roter Faden der völlige Mangel an kritischer Selbstbeherrschung bei der Heldin der Memoiren verfolgen, eine Erscheinung, der wir nicht allein in einzelnen Zweigen der Frauenbewegung, sondern auch bei Männern gelegentlich begegnen. Dieser Mangel an Erziehung und Einsicht führte und führt häufig zu dem "Wunsch, die sogenannten Genüsse des Lebens nach Möglichkeit auszukosten, außerdem aber den K i n d e r n ein schöneres g e n u ß r e i c h e r e s Dasein zu schaffen, wie ich es oben schon erwähnt habe. Besorgte Yaterlandsfreunde sahen in diesen Erscheinungen und in der übertriebenen Genußsucht einzelner Kreise beängstigende Erscheinungen einer E n t a r t u n g unseres Volkes. Gewiß wird man eine körperliche und geistige Entartung in manchen Kreisen besonders der Großstädte nicht ableugnen können. Sie betrifft aber keineswegs allein die wohlhabenderen Klassen, die Arbeiterkreise stellen zu den Entarteten den weitaus größeren Anteil, wie die Erfahrungen in unseren I r r e n - u n d I d i o t e n a n s t a l t e n lehren, deren Insassen als zahlenmäßiges Schlußresultat aller geistigen Entartung betrachtet werden können und müssen. Gewiß hat die Zahl dieser zugenommen, aber die Erfahrungen der letzten Jahre haben doch auch gelehrt, daß die Mehrzahl des deutschen Volkes zu Beginn des Krieges noch nicht entartet war. Mit welcher O p f e r f r e u d i g k e i t trugen Männer und Frauen die schweren Lasten des Krieges 1 Wie mutig und stürmisch traten unsere Feldgrauen dem Feinde entgegen, und blickten dem Tode ins Auge! Ohne laute Klagen sahen wir Gattinnen, welche ihre Ernährer, Eltern, welche einen und mehrere Söhne durch den Tod fürs Vaterland verloren haben, Familien, in welchen Vater und Söhne hingerafft wurden. Und wenn zum Schluß schlechte Ernährungsverhältnisse dazu beitrugen, daß wir der Übermacht erlagen, so ist das nicht wunderbar. Furchtbar aber ist es, daß eigene Volksgenossen zum Teil von gefährlichen Suggestionen beeinflußt, zum Teil von fremdem Gold bestochen, dem Heer in den Bücken fielen und zu einem schmählichen Frieden zwangen. Jahrzehnte angestrengter Arbeit werden erforderlich sein, die Wunden, die
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der Krieg und das nachfolgende Elend geschlagen haben nur einigermaßen zu heilen. Schädliche S u g g e s t i o n e n zu b e k ä m p f e n , ist eine nicht ganz leichte Aufgabe, besonders in Deutschland, in dem die geistige Beeinflussung eine so vielseitige ist. Dem Historiker Stegemann wird der folgende Ausspruch zugeschrieben: „Der Deutsche lebt wie in einem Nebel; in diesen projiciert er seine Illusionen und hält sie dann ftir "Wirklichkeit." Vielleicht haben wir zu viel Märchenwelt in der Kindheit genossen, um "Wirklichkeitsmenschen zu werden; aber um in der Welt dauernd zu bestehen, müssen wir Menschen werden, die der "Wirklichkeit ins Auge sehen. Eine gewisse Erziehung in dieser ^Richtung ist auch der beste Schutzwall gegenüber schädlichen Einflüssen. Staatliche und kommunale Behörden müssen in Verbindung mit den Schulen, der Literatur und der Presse die Erziehung in diesem Sinne beeinflussen. Der Idealismus braucht dadurch nicht zu leiden; denn auch die "Wirklichkeit bietet des Schönen und Erhebenden genug, wenn nur das Auge geschult ist, es zu sehen. Leider ist im Augenblick ein Teil unserer Literatur und Presse der Träger unerfreulicher Beeinflussung der großen stets schärferer Einsicht entbehrenden und leicht beweglichen Massen. Die Aufgabe des einzelnen ist es aber, der Fülle von suggestiven Eindrücken ein gefestigtes Denken entgegenzusetzen entsprechend der Ode von Horaz: Aequam memento rebus in arduis Servare mentem, non secus in bonis Ab insolenti temperatam laetitia Der Seele Gleichmaß gilt es zu bewahren, Ob auch das Unheil hoch sich türmt, Ob auch der Freude Übermaß das Herz bestürmt. In schweren Erregungen Ruhe gewinnen, gelingt oft auch in Nachahmung indischer Priester, indem der Mensch bequem mit zurückgelegtem Kopf sich lagert und langsame und tiefe Bauchatmung pflegt (bei der Einatmung Bauch
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heraus, bei der Ausatmung Bauch herein). Buhiger schlägt dann das Herz, wenn alles Denken möglichst ausgeschaltet wird. Die frommen Indier glauben, daß sie auf diese Weise mit dem Allgott in Verbindung treten und göttlicher Friede in sie einzieht.
5. Die Stählung des Willens. a) E r z i e h u n g zur P f l i c h t e r f ü l l u n g . Die alten Philosophen bezeichneten als eine Hauptaufgabe des Menschen: E r k e n n e d i c h s e l b s t . Sie wußten also, daß wir imstande sind, unsere e i g e n e P e r s o n i n i h r e r S t e l l u n g z u r V e i t gleichsam subjektiv und objektiv zu betrachten, oder wie wir sagen, den Kreis unserer Bilder der Außenwelt und unseres inneren I c h in einem höheren Bewußtsein gleichsam von innen zu betrachten und Vergleiche zwischen uns und anderen anzustellen. Ohne die Möglichkeit, unsere Gedanken durch den "Willen zu lenken, wäre die Erfüllung dieser Aufgaben unmöglich. Ihre Lösung, welche die f e i n s t e n S a i t e n des Bewußtseins zwischen hoher S e l b s t b e f r i e d i g u n g und tiefer U n z u f r i e d e n h e i t schwingen läßt, ist naturgemäß keine leichte, noch schwieriger ist es, die richtigen Schlußfolgerungen der Erkenntnis zu ziehen und darnach zu handeln. S e l b s t e r k e n n t n i s kann aber, wie auch Goethe sagt, nur aus dem H a n d e l n , au? dem Versuch einer Pflichterfüllung hervorgehen. Aus den ersten Versuchen, aus den Erfolgen dieser entwickelt sich die Kenntnis der eigenen Person und ihrer Bewertung. Die Pflege der verliehenen Fähigkeiten führt aber stets zu einer Steigerung, wie die Vernachlässigung eine Verkümmerung zur Folge hat. Mit der Steigerung der Fähigkeiten stellt sich die Freude an den Erfolgen und ein kräftiger Wille zur Fortsetzung des Begonnenen ein. Aber der Mensch steht, wie immer wieder betont werden muß, nicht als Einzelwesen in der Welt, sondern seine Arbeiten, seine Erfolge stehen in engstem Zusammenhang mit den Bestrebungen seiner Volksgenossen. Ohne Einklang der Bestrebungen, ohne Abgrenzung der Rechte, ohne
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Zusammenarbeiten auch im Dienst der Allgemeinheit muß ein Chaos entstehen. Die Arbeit dient also doppeltem Interesse. Zu dieser Auffassung kann der Mensch nur langsam erzogen werden. Er wird es am leichtesten durch das V o r b i l d , welches die E l t e r n durch P f l i c h t t r e u e geben. In dieser Hinsicht wird viel gesündigt. Wenn ein Vater in einem Anflug von Zorn in Gegenwart der Kinder sich hinreißen läßt, sein Büro als Blechbude zu bezeichnen, so darf er nicht erwarten, daß die Kinder der Arbeit die notwendige Anerkennung zollen. Von einem mir lieben, bei Souchez gefallenen Offizier, weiß ich, wie sehr es ihn durch Jahre hindurch schmerzte, daß seine Mutter über eine mühsame Schnitzarbeit, die er als Weihnachtsgeschenk brachte, nicht sehr erfreut war, weil sie ihrem Geschmack nicht- entsprach. Soll die A r b e i t b e f r i e d i g e n , so muß sie mit F r e u d i g k e i t geleistet werden. Oft habe ich die oberflächliche Äußerung gehört und gelesen, die Arbeit der heutigen Zeit könne nicht erfreuen, weil der Arbeiter immer dasselbe Stück, meist mit Hilfe einer Maschine fertig zu stellen habe. Aber schon die Bedienung einer Maschine und die Beobachtung ihres Ganges regt einen denkenden Menschen an, und ich habe häufig persönlich von Arbeitern erfahren, wie sie stolz darauf waren, Verbesserungsmöglichkeiten der- Maschine gefunden und ihre Leistungen dadurch gesteigert zu haben. Die Zahl solcher denkenden Arbeiter ist größer, als man gewöhnlich glaubt. Ich darf vielleicht daran erinnern, daß ein junger Arbeiter P o 11 e r es war, der an einer der ersten Dampfmaschinen damit betraut war, zur Bewegung des Kolbens die Hähne für den zuströmenden Dampf zu schließen und zu öffnen, und der auf die Idee kam, diese Arbeit durch die Bewegung der Maschine mit Hilfe von Schnüren zu bewerkstelligen. So wurde er der Erfinder der S e l b s t s t e u e r u n g d e r D a m p f m a s c h i n e , die erst die heutige Entwickelung der Dampftechnik ermöglicht hat. Derartige, allerdings nicht immer gleich wichtige Verbesserungen wiederholen sich stets von neuem und haben der Technik die hervorragende Stellung in der heutigen Zeit erobert.
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Es gibt natürlich Fälle, in welchen Arbeiter eine lange ausgeführte mechanische Tätigkeit der gleichen Art infolge psychischer Hemmungen nicht mehr auszuführen vermögen. Dann bietet sich in dem Wechsel der Arbeit eine neue Möglichkeit der Befriedigung. Aber auch außerhalb der eignen Arbeiterkreise hat die Spezialisierung der Gebiete dazu geführt, daß Beamte und Angestellte vielfach eine mechanisch erscheinende Tätigkeit ausüben müssen. In dieser Hinsicht kann vielleicht die mühsame, teilweise mechanische und doch so wichtige Berechnung der Eisenbahnfahrpläne im Krieg als Beispiel dienen. Dann muß das Gefühl für ein Große3 und Ganzes, sei es Staat, sei es Gemeinde oder ein Unternehmen tätig zu sein, und wichtige Aufgaben zu erfüllen, Befriedigung geben. Der gleiche Gedanke muß ja auch den Mann beseelen, den der Kriegsdienst zur Yerteidigung des Vaterlandes ruft. Auch hier gilt es den Willen zur Pflichterfüllung zu stählen und auf der Grundlage eines festen Willens auch Schweres zu ertragen Daß angestrengte Arbeit vielfach von Lohn gekrönt ist, ist natürlich, und daß der Besitz auch erstrebenswert ist, haben selbst Stoiker wie Seneca nie bestritten. Aber der Besitz soll den Besitzer nicht zum Sklaven machen; vielmehr soll der Besitz in Dienstbarkeit zu Zwecken der Arbeit und zum Wohle des ganzen gezwungen werden. Nicht immer knüpft sich an die Arbeit großer Erfolg — oft arbeitet der einzelne nur im Getriebe des großen ganzen, für sich und für seine Familie. Nicht als Einzelwesen steht der Mensch in der Welt, Ein kleiner Bing begrenzt unser Leben, und viele Geschlechter reihen sich dauernd an ihres Daseins unendliche Kette. (Goethe.)
Wer diese Stellung erfaßt und in der Schaffung eines glücklichen Familienlebens und in der Erziehung tüchtiger Nachkommen seine Hauptaufgabe sieht, ist für die Allgemeinheit ein tüchtiger Bürger.
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Daß der Arbeit auch eine Erholung sich anschließen muß ist selbstverständlich. Hervorragende Pädagogen behaupten wohl mit Recht, daß einer zweistündigen strengen Arbeit eine Pause folgen soll, die vor allem dem Genuß frischer Luft dient. Zweckmäßig dürfte es auch sein, in der Beschäftigung zwischen rein geistiger Tätigkeit und Übung der Handfertigkeit einen Wechsel eintreten zu lassen. Das läßt sich in einem größeren Betrieb nicht immer einrichten; aber hier schalten sich die Pausen für die Mahlzeiten ein, und die meisten größeren Betriebe lassen auch für die Arbeiter die Jahresarbeit durch Erholungsurlaub unterbrechen. / b) E r z i e h u n g zur L e b e n s f r e u d e . Der bekannte Physiolog P a w l o w hat uns in sorgfältig durchgeführten Versuchen an Hunden gezeigt, daß schon der A n b l i c k und der G e r u c h eines schönen Stückes Fleisch die V e r d a u u n g s d r ü s e n zur Ausscheidung von Salzsäure und Pepsin anregt, ohne daß die Zähne oder der Magen selbst vorher in Tätigkeit treten. Wurde an Stelle von Fleisch Gebäck hingehalten, so erfolgte eine Arbeitsleistung der für dieses bestimmten Drüsen. Mit dieser Tätigkeit der Drüsen ist aber ebenso wie in allen anderen tätigen Organen eine reichere Durchströmung von Blut verknüpft. Verfolgen wir den Vorgang von der Erregung der Augen- und Geruchsnerven an, so muß von dem Seh-und Geruchszentrum des Gehirns ein Reiz ausgehen, welcher einmal die sympatischen Nerven in Tätigkeit setzt, welche die Blutzirkulation in den Organen regeln, weiterhin aber die Drüsen zur Absonderung anregt. Hielt aber P a w l o w dem Hund ein Stück Fleisch vor und gleichzeitig eine f a u c h e n d e K a t z e , so erfolgte keine Ausscheidung von Verdauungssäften oder die eben begonnene stockte sofort. Diese Erscheinungen im Tierversuch sind eine erfreuliche Ergänzung der Erfahrungen von Menschen. Der Anblick einer schönen, Auge und Geruch anregenden Speise ruft beim nüchternen Menschen sofort Appetit hervor. Ein Ärger, der der beabsichtigten Mahlzeit vorangeht, stört die Eßlust und beeinträchtigt die Tätigkeit der Verdauungs-
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organe. "Wir ersehen daraus, welchen Einfluß die Gemütsstimmung auf die Funktion der körperlichen Organe ausübt. Aber auch die geistigen Funktionen folgen dem gleichen -Gesetz. In gehobener Stimmung löst der Mensch die ihm zufallenden Aufgaben spielend, in gedrückter Stimmung erscheint das zu bewältigende wie ein hoher Berg. Zweifellos ist eine gewisse N e i g u n g zu trüber oder froher Gemütsstimmung dem Menschen a n g e b o r e n . Der Trübsinn kann sich zu Krankheit steigern, und die frohe Stimmung zu einem die Pflichten vergessenden Leichtsinn. Aber bei der Mehrzahl der Menschen haben Erziehung und Selbstzucht den Haupteinfluß auf die Geistesrichtung. Im allgemeinen sind Lebensfreude und Leben mit einander verkettet. Es gehört zu den Ausnahmen, wenn ein Mensch nach einer überstandenen Krankheit mit dem Gefühl der R e c o n v a l e s c e n z nicht auch das Gefühl einer größeren L e b e n s f r e u d e empfindet. Die Umgebung sieht die ersten Anzeichen einer Eeconvalescenz an den Gesichtszügen, an dem klareren, froher erscheinenden Blick. Eine ähnlich frohe Stimmung pflegt sich an eine v o l l e n d e t e g l ü c k l i c h e A r b e i t oder Leistung, ja an die e r f ü l l t e P f l i c h t anzuschließen. Der Mensch, welcher seine Pflicht und seine Berufstätigkeit liebt, gewinnt auch ein Gefühl seines Wertes in der Welt, das ihm eine gewisse Sicherheit im "Verkehr verleiht und seinen Zügen ein Gepräge aufdrückt. Denn der i n n e r e n E m p f i n d u n g folgt in der Regel eine entsprechende Erregung der G e s i c h t s m u s k u l a t u r , falls nicht der energische Wille sie zu unterdrücken gelernt hat. Wer kennt nicht die Gesichtszüge des stets unzufriedenen Schwarzsehers, das glänzende Auge, das freiere Atmen des Fröhlichen. Wer immer schwarzseherisch Schlimmes erwartet, der empfängt es in der Regel. Denn die meisten Menschen gehen dem mißmutigen mit Recht aus dem Wege oder suchen sich zum Verkehr, zur Mitarbeit harmonische Menschen, Menschen, die kleine Beschwerden und Schmerzen nicht zu hoch einschätzen, die bestrebt sind, ihren Willen zu stählen und mit Ruhe allem im Leben auch unangenehm erscheinendem entgegenzutreten.
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"Wenn wir das gewöhnliche L e b e n mit F r e u d i g k e i t zu schmücken bestrebt sind, so tragen wir in unsere Arbeit, in unser Haus alles Schöne, was wir vermögen. Dann zieht auch das ein, was der Mensch als Glück bezeichnet. Häufig wird dieses nur der Fügung des Schicksals und äußeren Zufällen zugeschrieben. Mögen diese auch eine Rolle spielen, das G l ü c k oder das Glücklichsein ist vielfach nur der S i e g e s p r e i s des K a m p f e s des Individuums mit den von außen herantretenden Erlebnissen und den hieraus resultierenden Leidenschaften, Wünschen und Bestrebungen. Nur dann kann Frohmut einziehen, wenn der Mensch sein Leben mit freudigen Eindrücken zu schmücken sucht und die unfreudigen nach Möglichkeit abweist. Oft wird dem Arzt geantwortet, das sei nicht möglich, aber der "Wille des Menschen ist stärker als die Bequemlichkeit annimmt. Wie schon früher ausgeführt, vermag der Mensch seine Gedanken durch den Willen zu lenken, und was kann zuträglicher sein, als den Willen auf frohe Gemütsstimmung und Erkennen aller der Schönheiten zu lenken, welche die Welt zu bieten vermag. In diesem Schönheitssuchen bemüht sich der Mensch, das Idealbild seiner selbst zu verwirklichen, und in diesem Streben liegt schon ein Teil der Erfüllung. Wir brauchen nicht in Genußsucht nach immer neuen Reizen zu jagen, die aus der Ferne blenden. Der Münchener Hygieniker Prof. Grub e r hat vor einiger Zeit der Klage Ausdruck gegeben, daß die früheren kleinen F r e u d e n des b e h a g l i c h e n L e b e n s , Beschäftigung mit g u t e r Literat u r , mit K u n s t vielfach einem Jagen nach flüchtigen Genüssen Platz gemacht haben. Und der Direktor eines großen rheinischen Werkes hat mir gelegentlich der Vorlage des Privatbeamtenversicherungsgesetzes gesagt, wie außerordentlich wünschenswert ein solches sei, da viele der Beamten heute kaum an die Zukunft dächten, nicht mit den Freuden sich begnügten, die ein behagliches Heim gewährt, sondern an allen Sonn- und Festtagen den großen Städten zuströmten, um in guten oder mehr noch in schlechten Theatern, in ungesunden Vergnügungslokalen ihre Freistunden zu verbringen. Daß die körperliche und geistige Gesundheit der Familie
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auf diese "Weise schwere Einbuße erleidet, bedarf kaum der Erwähnung. Zweifellos wird dieses unerfreuliche Jagen nach immer neuen Lebensgenüssen von gewissen suggestiven und krankhaften Strömungen im Leben des Volkes hervorgerufen. Diesen Einflüssen sich zu entziehen ist nicht ganz leicht, um so schwerer, je weniger der einzelne ein gefestigtes Denken denselben entgegenzusetzen vermag. Man braucht als Beispiel nur auf die sogenannte Mode zu verweisen. Zu den Modesachen gehört es vielfach, daß der Mensch der Gesellschaft über die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete der Kunst, der Literatur, der besseren und schlechteren Theater, des Benehmens unterrichtet ist. Er wird als gebildet angesehen, wenn er diese Äußerlichkeiten beherrscht, selbst wenn er in den wirklich wertvollen Kulturgebieten ein Banause und in Herzensbildung ein italienischer Eseltreiber ist. Gegen diese Auswüchse der Lebensauffassung müßten der Staat, die Presse und die ganze Literatur vereint Front machen, um wieder ein einfaches und fröhliches Leben im Kreise der Familie als das wirkliche Ideal erscheinen zu lassen. Je mehr der Mensch sich bemüht, seine ganze Häuslichkeit harmonisch zu gestalten, seiner Umgebung den Stempel des S c h ö n e n in F o r m und A u s d r u c k aufzudrücken, die eigene Sprache mit A n m u t zu gebrauchen und so auf die Kinder im S c h ö u h e i t s s u c h e n einzuwirken, um so leichter wird er sich ein befriedigendes Heim schaffen. An dieser Stelle kann ich auch zwei häufig genannte Heilmethoden, die S u g g e s t i o n und die H y p n o s e , nicht übergehen. Bei beiden handelt es sich um Beeinflussung des Vorstellungslebens, sei es daß dieses allein krankhafte Erscheinungen hervorruft, sei es daß es vorhandene Störungen verschlimmert. Bei der Suggestion handelt es sich darum, in wachem Zustand Vorstellungen hervorzurufen, welche geeignet sind, die krankhaften Empfindungen zu unterdrücken und auszuschalten, bei der H y p n o s e um eine durch Suggestion erzeugte, dem Halbschlaf oder Traumbewußtsein ähnliche Veränderung der psychischen Vorgänge, bei welcher
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Urteilsvermögen und Willkür eingeschränkt, aber die Aufnahme von Sinnesreizen und die Verarbeitung von Vorstellungen nicht nur erhalten, sondern vielfach gesteigert ist. Diese in der Hypnose erweckten Vorstellungen pflegen häufig stunden - und tagelang nachzuwirken und tragen so zur Heilung von Beschwerden bei. Daß hypnotische Maßnahmen am besten vom Arzt ausgeübt werden, bedarf kaum der Betonung. Indessen sind nicht alle Menschen der Hypnose zugängig, wodurch deren Anwendung naturgemäß eingeschränkt ist. Die einfache Suggestion ist demgegenüber eine Erscheinung, die von der Umwelt ständig ausgeübt wird und das Vorstellungsleben im guten oder bösen beeinflußt. Suggestive Einwirkungen kann auch der einzelne auf sich selbst bei krankhaften Vorstellungen oder Verstimmungen entfalten, sei es, daß er andere Verstandeseinwirkungen hervorruft, sei es, daß er an Stelle trüber Vorstellungen andere setzt. Denn bei dem besten Wollen und Handeln bleibt es nicht aus, daß gelegentlich trübe Gedanken den Menschen quälen; ein Gedanke spinnt sich an den andern, aber immer dreht sich der Gedankenkreis und kehrt wie bei einem Karussel zum Ausgangspunkt zurück. Da ist es notwendig, aus dem Karussel herauszuspringen, sich aus diesem Bannkreis frei zu machen, in ein anderes Land zu flüchten. Für manche empfiehlt sich die Flucht zu einem guten Buch. Hier muß der einzelne nach seinem Geschmack wählen. Ich erinnere an Fritz R e u t e r , 0. F. Meyer, K e l l e r , S e y d e l , Raabe, S t o r m , S t i f t e r und vor allen Dingen an G o e t h e . Aber auch unter den neueren Dichtern sind einzelne, deren Werke in schweren Stunden den Menschen zu erheben vermögen. Hier muß die Neigung des einzelnen das für ihn passende aussuchen. Das es für jeden Menschen eine Wohltat ist, wie Z i t e l m a n n schreibt, täglich auf einen i d e a l e n T u r m zu steigen, um, das Kleinliche des Lebens vergessend, stark und froh zu werden, sei ebenfalls hier erwähnt. Es ist gleichsam eine Flucht aus dem Leben der Wirklichkeiten in ein Leben der Phantasie, in dem die alten Bausteine der Erinnerungsbilder in alter oder neuer Gruppierung die Vor Stellung erfüllen, der Alltag mit seinen kleinen Sorgen zurück-
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tritt und an Stelle scharfer verstandesgemäßer Gliederung das feine Spiel nicht kritisch zerlegter Gedanken tritt. Für den einen ist dieser Turm die schöne Literatur, für einen anderen die Kunst und vor allem die Musik, für manche eine andere Liebhaberei, für viele aber die Natur mit ihren Schönheiten, die Pflege eines eigenen G a r t e n s , für manche die A r b e i t f ü r das G e m e i n w o h l . Der bekannte deutschenglische Arzt Sir H e r m a n n W e b e r empfiehlt neben dem kräftigen Willen, gesund zu leben, t ä g l i c h einen S p a z i e r g a n g und an allen Sonntagen einen tüchtigen Marsch, um den Körper zu stählen und an den Bildern der Natur den Geist zu erfrischen. Dankbar müssen wir deshalb alle Bestrebungen begrüßen, welche auch dem Arbeiter ein behagliches Haus mit Gärtchen, eine gute und zweckmäßige Ernährung und eine Hebung des Geistes durch guten Lesestoff zu schaffen bemüht sind. Im eigenen, wenn auch kleinen Besitz und im behaglichem Familienleben findet die Unzufriedenheit einen weniger günstigen Boden. Auch die vielgeklagte Schlaflosigkeit ist eine Störung, welche häufig mit fehlerhafter Gedankentätigkeit verknüpft ist. Angestrengte geistige Arbeit soll am Abend rechtzeitig beendet werden. Alle unerquicklichen Erinnerungsbilder sollen verbannt werden, frohe sollen an ihre Stelle treten; wer schlaflos auf dem Lager Ruhe sucht, muß alle Gedanken an das tägliche Leben und seine Eindrücke vergessen, alle trüben Gedanken verbannen oder in das Märchenreich flüchten. c) S c h i c k u n g i n d e n T o d . Freudig und ohne Angst auch dem Kommenden entgegenzusehen und über dem Leben des Alltags ideale Ziele im Auge zu behalten, erhält den Menschen frisch und gibt ihm Zufriedenheit, auch im Angesicht des Todes, der unser aller Los ist. Da wir uns mit dieser Tatsache abfinden müssen, hat es wenig Wert, durch die Furcht vor dem Tode sich das Leben zu verbittern. Es ist gewiß ein Übergang in ein dunkles uns unbekanntes Reich, ob der Mensch in die Erde versenkt oder den Flammen übergeben wird. Am leichtesten
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verständlich erscheint uns der Ablauf des Lebens, wenn die körperlichen und geistigen Kräfte in Folge Alters langsam schwinden. Aber allzu häufig erfolgt das Ableben weit früher. Vielen Menschen gibt im Angesicht des nahenden Todes der Glaube einen Halt und eine feste Zuversicht. Wo aber der feste Glaube fehlt, Unsicherheit und Zweifel vorhanden sind, da gibt es kein anderes Heil, als dem Unabänderlichen mit Ruhe entgegenzusehen und das ganze Leben hindurch möglichst so zu handeln, daß die E r i n n e r u n g eine b e f r i e d i g e n d e ist und im A n g e s i c h t des Ablebens sein kann. Auch wer nicht vertrauensvoll auf ein Glaubensbekenntnis dem Jenseits entgegensieht, darf aus den Ergebnissen der Naturwissenschaften schließen, daß keine Energie dauernd stirbt. Wir können also unmöglich annehmen, daß alle Errungenschaften der menschlichen Geistestätigkeit des Einzelnen mit dem Tode völlig erlöschen. Ist auch die Art des Fortwirkens uns unbekannt, so müssen wir dieser Vorstellung doch bei dem Ausbau unserer Gedanken ebenso wie bei unseren Handlungen Rechnung tragen, eine Aufgabe, die sowohl mit dem Kernpunkt der meisten Religionen wie demjenigen gewisser philosophischer Anschauungen sich deckt. Die Lehren der Stoa, die so viel Übereinstimmung mit dem Christentum haben, betonen die P f l i c h t e n g e g e n u n s s e l b s t , g e g e n u n s e r e N ä c h s t e n , gegen unser V a t e r l a n d und heischen, daß wir nach erfüllter Pflicht auch dem Tode mutig ins Auge schauen sollen. Auf den Schlachtfeldern in Frankreich, in Italien, in Rußland und auf dem Meere haben unsere Brüder gezeigt, daß ihnen der Idealismus, welcher in der Erfüllung der Pflicht die erste Lebensaufgabe sieht, noch nicht verloren gegangen ist. Mögen auch einzelne Kreise dem krassesten Materialismus und der schnödesten Genußsucht fröhnen, der Kern unseres Volkes ist noch geistig gesund und wird es hoffentlich noch viele Jahrhunderte bleiben.
C. Zusammenfassende Lebensregeln. Das große Ziel eines Volkes muß darin bestehen, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Einzelnen, der Gesamtheit und der nachfolgenden Generationen nach Möglichkeit zu steigern und das Leben der einzelnen und des Volkes zu einem befriedigenden zu gestalten. 1. An erster Stelle steht die Sorge ftir die k ö r p e r l i c h e G e s u n d h e i t . Eine verständige Ernährung mit möglichstem Fernhalten von Giften (Alkohol, starkem Kaffee, Thee, Tabak) ist die Grundbedingung für die Entwicklung des Körpers. Langsames Essen und Kauen sind die besten Hülfen zur Verdauung, ebenso richtige Verteilung der Mahlzeiten. Die Mahlzeiten sollen reichlich Gemüse, Obst und Schwarzbrot enthalten, für Kinder und Greise ist besonderer Wert auf Milch zu legen. Von saurer Milch wissen wir, daß sie in vielen Fällen den Verdauungsorganen von Nutzen ist. Der Mensch soll sich f r o h e n M u t e s z u r M a h l z e i t niederlassen, Arbeitssorgen und Ärger vergessen, ohne Hast essen und trinken und möglichst durch die Ernährung und Gewohnheit sorgen, daß täglich eine Stuhlentleerung erfolgt. 2. Unser Leben wechselt zwischen Tätigkeit und Ruhe. a) Zur Erzielung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist es notwendig, daß die K i n d e r in f r i s c h e r L u f t sich tummeln undauch die Erwachsenen tägliche L e i b e s ü b u n g e n machen. Daß ein Bedürfnis für tägliche Leibesübung vorhanden ist, zeigt auch das zeitweise Auftauchen besonderer Systeme an, die einige Zeit in der Mode bleiben, bis sie durch Verallgemeinerung und Übertreibung schaden. Dem-
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Zusammenfassende Lebensregeln
gegenüber muß der Einzelne das für ihn passende, F r e i ü b u n g e n oder S p o r t auswählen. Für viele Menschen ist es erwünscht, einmal in der Woche einen tüchtigen Marsch zu machen. Doch darf nicht vergessen werden, daß auch ein Übermaß des Sports Gefahren bringt. Ebenso erwünscht sind täglich kalte W a s c h u n g e n , Douchen, Bäder und wenn angängig S c h w i m m e n . Schlechte Luft in Wohn- und Schlafräumen muß vermieden werden. Die Wohnung soll möglichst trocken und sonnig sein. b) Die Ruhe soll im allgemeinen eine Nachtruhe sein. Nach entsprechender Tätigkeit und bei Vermeidung schwerer Mahlzeiten am Abend ist bei körperlich guten Funktionen der Schlaf in der Eegel ein ruhiger. Er soll je nach dem Bedürfnis der Einzelnen 6—8 Stunden betragen. Um aber ruhig zu schlafen, müssen die körperlichen und geistigen Funktionen ruhen. W e r in die Nacht hinein aufregend arbeitet, aufregende Bücher liest, darf sich nicht wundern, wenn er schlecht schläft. Das S o r g e n b u c h d e s T a g e s s o l l am A b e n d g e s c h l o s s e n w e r d e n . Denn im Schlaf sollen alle Organe, insbesondere das Herz, ihre Tätigkeit auf das mindeste Maß einschränken, das Gehirn soll ruhen, beide sollen die am Tage verbrauchten Kräfte in der Nacht wieder ergänzen. Unter starken seelischen Erregungen arbeitet aber das Herz in der Nacht stärker als es soll, und frühzeitiger Verschleiß des Gefäßsystems ist die Folge; ebenso antwortet das Nervensystem mit gesteigerter Erregbarkeit und dem was wir als reizbare Schwäche bezeichnen. 3. Körperliche Krankheiten sollen nach Möglichkeit ferngehalten werden; doch ist das Überstehen mancher Krankheiten wie Kuhpocken und Masern notwendig. 4. Die Erziehung der Kinder verlangt eine große A u f o p f e r u n g s f ä h i g k e i t seitens der Eltern und besonders seitens der Mütter. Die Mutter soll möglichst das Kind selbst stillen und seine Ernährung selbst leiten. Entsprechend den körperlichen und geistigen Fähigkeiten soll die Erziehung zu einem Leben von A r b e i t , P f l i c h t g e f ü h l und W a h r h a f t i g k e i t erfolgen. Der Vorstellungskreis soll von schädlichen geistigen Einwirkungen, sei es durch B i n p l , Geistige Gesundheit
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Zusammenfassende Lebenregeln
Gespielen, Dienstboten oder Lektüre frei gehalten werden. Das Kind muß es lernen den angeborenen Egoismus zu zügeln, ebenso wie dasselbe rechtzeitig angehalten werden muß, schmerzhafte Empfindungen oder unangenehme Stimmungen zu überwinden. 5. Auch der Erwachsende und Erwachsene soll bemüht sein, eine f r ö h l i c h e L e b e n s a u f f a s s u n g zu gewinnen, in t r e u e r P f l i c h t e r f ü l l u n g B e f r i e d i g u n g zu finden, ohne auf äußeren Dank zu rechnen und den Willen zur Ü b e r w i n d u n g v o n k r a n k h a f t e n G e f ü h l e n , Stimm u n g e n und M i ß e r f o l g e n zu stärken. Er soll sich freihalten von Leidenschaften. Denn diese entstellen meist auch Ausdruck, Gesichtszüge und Benehmen und schaden dem Träger direkt und indirekt im Verkehr mit anderen. Der Ausdruck der Leidenschaften wirkt auch zurück auf das Centrainervensystem und stört dessen Harmonie. Der Mensch soll deshalb unharmonische Menschen zu näherem Verkehr meiden und seine Lektüre und seinen Umgang von dem Gesichtspunkte wählen, daß er sich v e r e d l e n , nicht sich v e r s c h l e c h t e r n will. Weiter muß sich der Mensch klarmachen, daß der T o d das n o r m a l e E n d e des Lebens darstellt, daß es töricht ist, ihm mit Grauen entgegenzusehen, daß es das einzig richtige ist, das Leben so zu gestalten, daß die E r i n n e r u n g im A n g e s i c h t d e s A b l e b e n s e i n e b e f r i e d i g e n d e ist und nach erfüllten Pflichten der Tod seinen Stachel verliert. 6. Der Mensch soll aber nicht allein zur Ausbildung der eigenen Person, er soll zum G l i e d e d e r F a m i l i e und des S t a a t e s erzogen werden und sich selbst erziehen. Die Liebe zu beiden muß zunächst anerzogen werden. Es geschieht das vor allem dadurch, daß der einzelne sich mit dem Staat und seinen Einrichtungen beschiiftigt, daß er das Gute liebevoll hegt, daß er schädliche und unerfreuliche Seiten des öffentlichen Lebens beseitigen zu helfen seine Kräfte nicht versagt. Wir sehen ja derartige Bestrebungen in allen Schichten unseres Volkstums sich regen. Aber um den zu lösenden Aufgaben gerecht zu werden, genügen nicht Spekulationen mehr oder weniger geistreicher Art, vielmehr
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ist ein sorgfältiges Studium der gegebenen Verhältnisse und ihrer Entwicklung notwendig, eine Aufgabe, für welche die Arbeitskraft des Einzelnen sicher nicht ausreicht. Aber das eingehende Studium unserer häuslichen und staatlichen Verhältnisse, unserer Verwaltungseinrichtungen, unseres Lebens, und der Vergleich mit anderen Völkern älterer und neuerer Zeit, sorgfältige Erwägung des Erstrebenswerten und Erreichbaren werden uns gewiß fördern, wenn der Einzelne die Selbstzucht übt, dem A l l g e m e i n w o h l g e g e n ü b e r d e n e i g e n e n E g o i s m u s n i c h t i n d e n V o r d e r g r u n d zu s t e l l e n . Denn die körperliche und geistige G e s u n d h e i t des e i n z e l n e n ist auf die Dauer stets verknüpft mit derjenigen seines V o l k e s . Leider trübte die parteipolitische Zerissenheit unseres Vaterlandes lange Zeit einen frohen Ausblick in die Zukunft und tut es auch heute noch. Hoffen wir, daß die Liebe zum Vaterland und die Zurückstellung von Parteiinteressen wieder ein einheitliches Band um die in geistigen Auffassungen getrennten schlingt. Daß die Ansicht einzelner Schwarzseher, welche dem Vordrängen von Psychopathen in Literatur und Presse zu viel "Wert beilegten, von einer D e g e n e r a t i o n unseres Volkes falsch ist, hat oben schon Erwähnung gefunden. Der schwere Krieg hat gezeigt, daß die große Mehrzahl des Volkes noch geistig gesund ist, daß die Aufopferungsfähigkeit für das Vaterland noch nicht geschwunden ist, wenn auch die augenblickliche geistige Depression vieles vorhandene Gute verdeckt. Unsere Zukunft liegt, wie oben erwähnt, in der E r z i e h u n g d e r J u g e n d . In dieser sahen wir schon vor dem Kriege ein frisches Leben sich entfalten, gesunde Keime zu guter körperlicher und geistiger Entwickelung. In den studentischen Korporationen, welche heute mehr als früher die Zusammengehörigkeit zu einem großen Vaterland betonen und stets das Bestreben hatten, dem Staate treue und aufopferungsfähige Bürger zu stellen, sehen wir an Stelle des übermäßigen Trinkens Freude am Sport zu Lande und zu Wasser aufblühen. Wir sehen auch in den jüngeren Generationen ähnliche Bestrebungen, um den Körper und Geist
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gesund zu erhalten und die Liebe zur engeren und weiteren Heimat zu wecken. Ich will nur an den Jungdeutschlandbund mit der "Wandervogel- und Pfadfinderbewegung erinnern, die auch während des Krieges die Nützlichkeit ihrer Organisation erwiesen haben. Mögen die sittlichen Grundsätze der letzteren: W a h r h e i t und T r e u e gegenüber allen P f l i c h t e n , H i l f s b e r e i t s c h a f t , H ö f l i c h k e i t und F r o h s i n n völlig Allgemeingut unserer Jugend werden. Daß die körperliche Entwickelung der Jugend auch auf die geistige Entwickelung von hervorragendem Einfluß ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Vielleicht läßt sich unsere Jugendpflege noch weit mehr in dem Sinne einer dem M i l i t ä r d i e n s t ä h n l i c h e n A u s b i l d u n g entwickeln, indem das geplante Wehrschulgesetz die männlichen Altersklassen vom 17. Jahr an zu Leibesübungen, zur Schärfung der Sinne und zur Ausbildung rascher Entschlußfähigkeit vereinigt. Aber wir müssen uns hüten, durch Trennung der Jugendorganisationen nach Schulen dem Kasten- und Parteigeist neue Nahrung zu geben. Auch für die w e i b l i c h e J u g e n d ist eine dem Körper und den Anforderungen des Lebens entsprechende weitere A u s b i l d u n g nach der Schule dringend erwünscht. Diese Ausbildung würde zweckmäßiger "Weise an erster Stelle diejenigen Fächer betreffen, welche den Aufgaben der Frau am nächsten liegen. Dem Staat und den Gemeinden fallen zur Erhaltung der geistigen Gesundheit viele-Aufgaben zu. Von diesen seien nur genannt: die S o r g e f ü r e i n e p r e i s w e r t e E r n ä h r u n g , eine bessere Gestaltung des W o h n u n g s w e s e n s , Sorge für S p i e l - , T u r n - und S p o r t p l ä t z e , eine B e s c h r ä n k u n g d e r K n e i p e n , die B e k ä m p f u n g der T r u n k s u c h t , die E n t f e r n u n g d e s D i r n e n w e s e n s aus den Straßen uijd Familien, die Sorge für gute Volksb i b l i o t h e k e n , die Gestaltung der T h e a t e r und Schaus t e l l u n g e n in g e s u n d e m und v a t e r l ä n d i s c h e m Geist. Ich möchte aber noch eins hinzufügen. Wie oben ausgeführt, besteht eine große Gefahr für die geistige Gesundheit in Verseuchung durch schlechte Bücher, Bilder und eine schlechte Presse.
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£ Daß die Polizei und Polizeigesetze gegenüber diesen Gefahren versagen, hat die Erfahrung gezeigt. Nun könnte man aus dieser auch schließen, daß die Gefahr nicht so groß ist, und daß dasYolk in seiner Mehrheit eine geistige Verseuchung ablehnt. Aber die Gefahr hat erst begonnen, und es ist leichter gegen Seuchen vorbeugend vorzugehen, als die aufgetretenen zu bekämpfen. Einen wesentlichen Erfolg läßt nur das Zusammenarbeiten der B e h ö r d e n mit Organen der S e l b s t v e r w a l t u n g erhoffen. Eine S t a n d e s o r g a n i s a t i o n der P r e s s e , der B u c h h ä n d l e r im Zusammenarbeiten mit Organen der S e l b s t v e r w a l t u n g d e r P r o v i n z e n u n d S t ä d t e könnte gewiß von großem Nutzen sein, um eine geistige Verseuchung des Volkes zu verhindern. Die Standesorganisation der Rechtsanwälte und Ärzte sowie deren Ehrengerichtsbarkeit könnte vielleicht als Vorbild dienen."
Paul Bost & Co., G. m. b. H., Bonn, Sternstraße 102.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn Soeben erschien:
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Erkrankungen nach Eisenbahnunfällen mit besonderer Berücksichtigung von Verlauf und Entschädigungsverfahren E i n e k l i n i s c h e und b e g u t a c h t u n g s t e c h n i s c h e
von Dr. med. Paul Horn
Studie
Privatdozent der Universität Bonn Oberarzt am Krankenhause der Barmherzigen Brüder
Mit einem V o r w o r t von Dr. T h . Rumpf Geh. Mod.-Rat und Profossor an der Universität Bonn
Zweite völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage Preis geheftet M. 9.—, mit Teuerungszuschlag M. 9.90 gebunden „ 10.80, „ „ „ 11.90 Inhaltsverzeichnis. Vorwort von Geh.-Rat Prof. Dr. Rumpf Vorwort zur zweiten Auflage . . . 1. Geschichtliches UberUnfallneurosen 2. Häufigkeit u. praktische Bedeutung der Eisenbahnunfallneurosen . . . 3. Krankheitsformen i. Bedeutung d.Krankheitsbereitschaft 6. Untersuchung und Behandlung . . 6. Rechtsgrundlagen des Entschädigungsanspruchs
V IX 1 12 22 68 72
7. Verlauf bei Kapitftlabfilldang u.bei Rontengewährung 8. Vergleichende Bewertung der einzelnen Entschädigungsverfahren . 9. Begutachtung Leitsätze Literaturverzeichnis Sachregister
107 148 161 166 168 172
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Auszüge aas Besprechungen.
In der Vorliegenden zweiten Auflage werden die hinzugekommenen klinischen Erfahrungen über die Kriegsneurosen verwertet, ferner die neuen wichtigen Entscheidungen im Entschädigungsverfahren bei Unfallneurosen und ihre Auslegung durch die Gerichte erörtert. Endlich wird weiteres Material für die SchluBfolgerungen herbeigeschafft und die neueste Literatur gebührend berücksichtigt. Die Horn'sche Monographie ermöglicht bezw. erleichtert sehr die Beurteilung der nervösen Erkrankungen nach Eisenbahn- und Strafenbahnunfällen und die der sonstigen Unfallneurosen in medizinischer und juristischer Hinsicht. Zeitschrift für Bahn- und Bahnkassenärzte 1919. Nr. 2. Und somit kommt dieser Monographie, die das Wesen der Unfallneurosen erschöpft und die Wege zu ihrer Bekämpfung weist, besondere Bedeutung zu, und ihr Studium ist jedem, der Gutachtertätigkeit ausübt, angelegentlich zu empfehlen, gerade in der heutigen Zeit, da Gesundung des Volkes nujr aus der Arbeit erhofft werden kann, da jeder einzelne, auch der Unfallneurotiker, zur sozialen Mithilfe herangezogen werden mufi. Deutsche med. Wochenschrift 1919, Nr. 21. . . . ; . Das Buch ist in anregendem Tone gehalten und vermag dem behandelnden Arzte bei der Beurteilung der Unfallneurosen gute Dienste zu leisten. Schweizerische Bandschau f. Med. 1919, Kr. 3. Das Buch des Verfassers beschäftigt sich in erster Linie mit den Neurosen nach Eisenbahnunfällen, die j a durch die Haftpflichtgesetzgebung einer anderen Beurteilung unterliegen, als die in der Reichsversicherungsordnung zusammengefaßten Betriebsunfälle. Aber die Ausführungen des Verfassers sind so allgemein gehalten und vor allem so klar und prägnant, daß sie jedem mit Unfall beschäftigten Arzt dringend empfohlen werden können. Arztliche Sachverständ.-Zeitung 1919, Nr. 6.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. Jur. Albert Ahn) in Bonn
Lehrbuch der forensischen Psychiatrie Von Prof. Dr. A. H. Hübner
Oberarat d e r P s y c h i a t r i s c h e n und N e r v e n k l i n i k i n B o n n
P r e i s geh. M. 26.—, geb. M. 28.— Mit Teuerungszuschlag geh. M. 31.50, geb. M. 33.90 Zeitschrift für Psychiatrie: . . . D a s H ü b n e r s c h e Buch bringt trotz seiner Stärke n u r Notwendiges u n d W i s s e n s w e r t e s u n d dies in klarer verständlicher F o r m . Die illustrierenden Beispiele aus der P r a x i s sind knapp, kurz u n d treffend, die Gesetzesparagraphen u n d ihre Erläuterungen recht vollständig. Berliner klinische Wochenschrift-. I n der Tat dürfte es kaum eine einzige Rechtsfrage an den P s y c h i a t e r geben, die das Hllbnersche Buch nicht beantwortet. . . . E i n erschöpfendes Namenu n d Sachregister schließen das H ü b n e r s c h e Buch, dem Referent den wohlverdienten Erfolg herzlich wünscht. D a s B u c h ist ein treffliches Nachschlagebuch auch f ü r den e r f a h r e n e n Sachverständigen, u n d k a n n zugleich f ü r das schwierige Gebiet der forensischen Psychiatrie auf das beste vorbereiten. Archiv für Psychiatrie: . . . Das reiche Material, welches dem Verfasser zur V e r f ü g u n g gestanden hat, ist geschickt v e r w e n d e t worden. Die Darstellung erfreut durch Klarheit u n d Prägnanz. Das L e h r b u c h in seiner Vollständigkeit bildet einen guten Batgeber f ü r alle in das Bereich der forensischen Psychiatrie fallenden F r a g e n . Aerstliche Sachverständigen-Zeitung: I m B a h m e n einer Besprechung lassen sich die Einzelheiten eines so groß angelegten Buches nicht w ü r d i g e n . Mögen vorstehende A n g a b e n u n d Beispiele genügen, um zu zeigen, wie umfassend u n d doch wieder mit welcher selbständigen V e r t i e f u n g in wichtige Einzelheiten H ü b n e r sein W e r k ausgestaltet hat, dem ein bedeutender E r f o l g vorausgesagt w e r d e n kann.
Kurzer Leitfaden der Psychiatrie Für Studierende und Ärzte Von Dr. Ph. Jolly
Assistent an d e r P s y c h i a t r i s c h e n u n d N e r v e n k i l n i k (Geh.-Rat P r o f . Anton) in H a l l e a. d. S.
P r e i s geheftet M. 4.—, gebunden M. 4.80 Mit Teuerungszuschlag geh. M. 5.30, geb. M. 6.40 Wiener klinische Wochenschrift: Ein Schüler der Kieler Klinik (Siemerling) u n d der Hallenser Klinik (Anton) schreibt hier einen Leitfaden, der Vielseitigkeit des I n h a l t s mit einer überraschenden K ü r z e vereinigt. Allgemeine Psychiatrie, Historisches, forensische Psychiatrie nach reichsdeutschem Gesetzestext u n d spezielle Psychiatrie auf dem Boden eines mittleren S t a n d p u n k t e s u n t e r Berücksichtigung der allgemein anerkannten Tatsachen füllen das Büchlein, in welchem namontlich der Studierende rasch u n d leicht sich orientieren wird. Neurologisches Centraiblatt: I m V o r d e r g r u n d dieses Leitfadens, der in gedrängter F ü l l e den gesamten Stoff der Psychiatrie darbietet, stebt die H e r v o r h e b u n g der praktischen, den Studierenden u n d Arzt leitenden Gesichtspunkte, aus welchem G r u n d e besonders die Diagnostik ausführlich behandelt w u r d e . D i e einzelnen Psychosen sind in ihren spezifischen Symptomen kurz geschildert u n d zum Teil auch differentialdiagnostisch bearbeitet . . . Psych.-Neurologische Wochenschrift: . . . . J o l l y s Leitfaden verdient Studierenden u n d Ärzten bestens empfohlen zu w e r d e n .
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Der Muskelrheumatismus (Myalgie) auf Grund eigener Beobachtungen und Untersuchungen gemeinverständlich dargestellt von Professor Dr. Adolf Schmidt Geh. Med.-Bat, Direktor der medi'zin. U n i versitäts-Klinik in Bonn
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Allgemeine Schilderung' der Krankheit: Der
1 myalgische Schmerz. Ausbreitung u n d Sitz des myalfrischen Schmerzes. Störungen der Muskeltätigkeit. Allgemeinerscheinungen, Verlauf u n d Ausgang. — II. S c h w i e r i g k e i t e n d e r E r k e n n u n g u n d A b -
grenzung. Beziehungen zu anderen Krankheiten. A. Erkennung (Dia-
gnose), B. Beziehungen zu anderen Krankheiten. 1. A n d e r e Muskelerkrankungen. 2. Gelenkerkrankungen. 3. Neuralgien. 4. Fettgeschwülste des Unterhautzellgewebs (multiple Lipome). 5. Beziehungen zu E r k r a n k u n g e n innerer Organe u n d Allgemeinstörungen. — III. W e s e n u n d U r s a c h e n d e r M y a l g i e . 1. Anatomisches. 2. Die Myalgie ist eine Neuralgie der Muskelnorven. 3. "Wo greift die Schädlichkeit (Noxe) die sensiblen N e r v e n a n ? 4. Die Ursachen der Myalgie u n d Neuralgie. — IV. B e h a n d l u n g ( T h e r a p i e ) . 1. Ätiologische Behandlungsmethoden. 2. Symtomatsche Behandlungsmethoden. 3. Prophylaktische Behandlungsmethoden. Milnchener medizinische Wochenschrift: Schmidt hat f ü r seine kleine Monographie mit Höcht das Prinzip der Gemeinverständlichkeit gewählt, u m dieser Bearbeitung eines ebenso allgemein wichtigen, als ärztlich meist mißachteten Leidens nicht das Schicksal vieler Monographien, „unter Ausschluß der Öffentlichkeit" in Bibliotheken unbeachtet zu verstauben, auszusetzen . . . Das Buch verdient sehr die Aufmerksamkeit u n s e r e r P r a k t i k e r u n d ist auch f ü r die Beurteilung unserer militärischen P a t i e n t e n ein guter Batgeber. Deutsche militärische Zeitschrift: Dem Büchlein sei daher die weiteste V e r b r e i t u n g insbesondere bei den P r a k t i k e r n gewünscht.
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herausgegeben
von Professor Dr. Rudolf Finkelnburg in Bonn, 2. stark vermehrte Auflage. Preis geh. M. 15.50, mit Teuerungszuschlag M. 18.80 Preis geb. M. 17.50, mit Teuerungszuschlag M. 21.20
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. H., Direktor der Univ.-Poli. klinik für Ohren-, Hals- und Nasenkranke in Bonn, Über
Walb,
Brüche des knöchernen Trommelfellrandes.
Ein Beitrag
zur
Unfallehre. Mit 18 Figuren auf 4 Tafeln. Preis geh. M. 3.—, mit Teuerungszuschlag M. 4.— Preis geb. M. 4.—, mit Teuerungszuschlag M. 5.30 Winge, Dr. Paul, Der menschliche Gonochorismus und die historische Wissenschaft.
Preis M. 2.80, mit Teuerungszuschlag M. 3.10 PAUL ROST * OO., BONN. STeRNSTRA°&e 102