Die Erforschung des Sachverhalts strafbarer Handlungen: Ein Leitfaden für Beamte des Polizei- und Sicherheitsdienstes [6. ergänzte Aufl. Reprint 2021] 9783112409183, 9783112409176


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German Pages 242 [258] Year 1921

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Die Erforschung des Sachverhalts strafbarer Handlungen: Ein Leitfaden für Beamte des Polizei- und Sicherheitsdienstes [6. ergänzte Aufl. Reprint 2021]
 9783112409183, 9783112409176

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Dr. Hans Groh Vie

Erforschung der Sachverhalts strafbarer Handlungen. Ein Leitfaden für veamte des Polizei- und Sicherheitsdienstes.

6. ergänzte Auslage bearbeitet von

Dr. Erwein höpler, Generalstaatsanwalt am Obersten Gerichtshöfe In Wien.

Mit zahlreichen Abbildungen im Text.

t92t München, Berlin und ?eiv;i§ 3- Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Nachdruck verboten.

Alle Rechte, einschließlich des Rechtes der Übersetzung in

andere Sprachen, ausdrücklich Vorbehalten.

Copyright 1921 by I. Schweitzer Verlag, Publisher, München.

Druck von Dr. F. P. Datterer & Cte^ Freifing-Müncheu.

Borwort zur ersten Auflage.

Dem Auftrage, dieses Buch zu schreiben, bin ich um so lieber nachgekommen, als ich die Tätigkeit der Organe, denen die Sorge für unsere irdischen Güter in erster Linie anvertraut ist, aus langjähriger praktischer Arbeit kennen und schätzen gelernt habe. Die ausgezeich­ neten Leistungen der deutschen und österreichischen Polizei und Gen­ darmerie sind auf der ganzen Welt bekannt genug, viel zu nieder wird aber überall, und namentlich in der eigenen Heimat, eingeschätzt, wie schwer der Dienst ist, welch' harte Anforderungen er an die Ge­ sundheit, das Leben, den eisernen Willen und die Verstandeskräfte des Einzelnen stellt und welche Unsumme von Arbeit und Opfern der all­ tägliche Dienst oder gar ein außergewöhnlicher, schwerer Fall an den Einzelnen stellt. Nicht bloß das Publikum, sondern auch der Vorge­ setzte, der Richter und Staatsanwalt sieht manchmal bloß das Er­ gebnis einer langen mühevollen und oft gefährlichen Arbeit, der

man in der schmucklosen dienstlichen Darstellung auch beim besten Willen nicht ansehen kann, wieviel vom besten Wissen und Können, von Kraft und Aufopferung es gekostet hat, um das einfache, selbst­ verständlich aussehende Ergebnis zustande zu bringen. Nur wer lange Zeit eingehend und als Fachmann mit Gendarmerie und Polizei

verkehrt hat, weiß die Größe und Mühe ihrer Leistungen zu ermessen und vermag es auch zu erwägen, welch' tiefgreifenden Einfluß ihre Tätigkeit auf die ruhige und sicher vorschreitende Entwickelmrg des gesamten Volkes auszuüben vermag.

Ich unterschätze also sicher weder das, was unser Sicherheits­ dienst leistet, noch die Unsumme dessen, was der angehende Polizist und Gendarm zu lernen hat — ich wollte daher auch int Nachstehenden weder den im Dienste Erfahrenen Belehrung aufdrängen, noch die Masse dessen vermehren, was der Anfänger sich zu eigen machen muß: ich wollte dem Letzteren nur Das, was er ohnehin in müh­ samer Weise aus fremden Mitteilungen, aus Büchern, aus seiner

IV Erfahrung und nicht zum wenigsten aus verdrießlichen und gefähr­ denden eigenen Fehlern nach und nach lernen muß, in bequemer und übersichtlicher Weise zusammengestellt bieten. Der Sicherheitsdienst ist der Stolz und die Beruhigung des arbeitenden und leistenden Bürgers — konnte ich dem sicheren Gange vieses unsagbar schweren Dienstes eine kleine Erleichterung schaffen, so ist der Zweck dieses Buches erreicht. Bezüglich seines Gebrauches möchte ich bemerken, daß es sich nicht zum Auswendiglernen eignet; am besten wird oas Buch Ver­ werter, wenn man es gelegentlich wiederholt durchlieft, um mit dem Inhalte völlig vertraut zu sein und alles finden zu können, wenn man es braucht. Ich will deshalb insbesondere nachdrücklich auf das Register Hinweisen, welches so genau und umständlich als nur möglich abgefaßt ist; es enthält alle denkbaren Schlagworte, die im Buche vorkommen, häusig auch in mehreren Bedeutungen, so daß sicher alles Benötigte rasch und sicher gefunden werden kann. Ich würde aber auch raten, das Register einmal im voraus durchzusehen, um seinen Inhalt genau zu kennen; hiedurch wird seine Benützung und die des Buches erheblich erleichtert werden. — Prag, im Sommer 1902.

Prof. Dr. $>. Groß

Vorwort zur zweiten Auflage.

Die erste Auflage dieses Buches war schon drei Monate nach ihrem Erscheinen vollständig vergriffen, so daß eine Neuauflage not­ wendig wurde; sie unterscheidet sich von der ersten lediglich durch die Beseitigung einiger Druckfehler. Ich halte es für meine Pflicht, allen Behörden, welche sich für das Buch interessiert und seine Neuauflage in so überraschend kurzer Zeit notwendig gemacht haben, hiemit auf das Beste und Ergebenste zu danken.

Prag, Allerheiligen 1902.

Pros. Dr. H. Groß.

IV Erfahrung und nicht zum wenigsten aus verdrießlichen und gefähr­ denden eigenen Fehlern nach und nach lernen muß, in bequemer und übersichtlicher Weise zusammengestellt bieten. Der Sicherheitsdienst ist der Stolz und die Beruhigung des arbeitenden und leistenden Bürgers — konnte ich dem sicheren Gange vieses unsagbar schweren Dienstes eine kleine Erleichterung schaffen, so ist der Zweck dieses Buches erreicht. Bezüglich seines Gebrauches möchte ich bemerken, daß es sich nicht zum Auswendiglernen eignet; am besten wird oas Buch Ver­ werter, wenn man es gelegentlich wiederholt durchlieft, um mit dem Inhalte völlig vertraut zu sein und alles finden zu können, wenn man es braucht. Ich will deshalb insbesondere nachdrücklich auf das Register Hinweisen, welches so genau und umständlich als nur möglich abgefaßt ist; es enthält alle denkbaren Schlagworte, die im Buche vorkommen, häusig auch in mehreren Bedeutungen, so daß sicher alles Benötigte rasch und sicher gefunden werden kann. Ich würde aber auch raten, das Register einmal im voraus durchzusehen, um seinen Inhalt genau zu kennen; hiedurch wird seine Benützung und die des Buches erheblich erleichtert werden. — Prag, im Sommer 1902.

Prof. Dr. $>. Groß

Vorwort zur zweiten Auflage.

Die erste Auflage dieses Buches war schon drei Monate nach ihrem Erscheinen vollständig vergriffen, so daß eine Neuauflage not­ wendig wurde; sie unterscheidet sich von der ersten lediglich durch die Beseitigung einiger Druckfehler. Ich halte es für meine Pflicht, allen Behörden, welche sich für das Buch interessiert und seine Neuauflage in so überraschend kurzer Zeit notwendig gemacht haben, hiemit auf das Beste und Ergebenste zu danken.

Prag, Allerheiligen 1902.

Pros. Dr. H. Groß.

V

Borwort zur dritten Auflage. Diese Neuauflage unterscheidet sich von den früheren namentlich durch die Einfügung von Abbildungen. Außerdem wurden Ergän­ zungen nach dem heutigen Stande der Sache vorgenommen; der Inhalt ist vollkommen international gehalten. Graz, Neujahr 1909. Pros. Dr. H. Grotz

Boriyort zur vierten Auflage. Mit ehrfurchtsvoller Scheu trat ich an die Herausgabe der vierten' Auflage dieses Buches heran und damit allein schon war meine Auf­ gabe umgrenzt: Nichts zu ändern, was nicht durch die Zeit änderungs­ bedürftig geworden. Der Aufbau, die Anordnung itttb Behandlung des Stoffes mußten unberührt bleiben, der Geist des Schöpfers mußte auch fernerhin das Werk völlig beherrschen. Andererseits durften die weltgeschichtlichen Ereignisse der letzten Jahre das Buch nicht unberührt lassen, die kriminalistischen Er­ fahrungen des Krieges mußten verwertet werden. Insbesondere sollte der allgemeine Ruf nach geeignetem Schutz der Jugend auch hier seinen Widerhall finden. Die Erörterungen über das Geständnis, die Äernehmung Ju­ gendlicher und über Kindermißhandlung entsprangen diesem Bestreben. Die im Kriege so überaus emporgewucherte Gewinnsucht, die wohl noch lange in die Zeit des Friedens ihre Schatten werfen dürfte, machte es nötig, der Besprechung verschiedener Betrugsarten einen weiteren Spielraum zu gestatten. So entstanden die wesentlichen Ergänzungen. Den Kriegswucher glaubte ich nicht behandeln zu sollen, denn das Juch soll der Arbeit des Friedens dienen und der Kriegswucher wird -■ so wollen wir alle hoffen — als ein Kind des Krieges mit diesem begraben. Möge die vierte Auflage die freundliche Aufnahme finden, die der Schöpfer des Werkes, Hans Groß, verdiente!

Wien, im Sommer 1917.

Dr. Erwein Ritter u. Höpler.

V

Borwort zur dritten Auflage. Diese Neuauflage unterscheidet sich von den früheren namentlich durch die Einfügung von Abbildungen. Außerdem wurden Ergän­ zungen nach dem heutigen Stande der Sache vorgenommen; der Inhalt ist vollkommen international gehalten. Graz, Neujahr 1909. Pros. Dr. H. Grotz

Boriyort zur vierten Auflage. Mit ehrfurchtsvoller Scheu trat ich an die Herausgabe der vierten' Auflage dieses Buches heran und damit allein schon war meine Auf­ gabe umgrenzt: Nichts zu ändern, was nicht durch die Zeit änderungs­ bedürftig geworden. Der Aufbau, die Anordnung itttb Behandlung des Stoffes mußten unberührt bleiben, der Geist des Schöpfers mußte auch fernerhin das Werk völlig beherrschen. Andererseits durften die weltgeschichtlichen Ereignisse der letzten Jahre das Buch nicht unberührt lassen, die kriminalistischen Er­ fahrungen des Krieges mußten verwertet werden. Insbesondere sollte der allgemeine Ruf nach geeignetem Schutz der Jugend auch hier seinen Widerhall finden. Die Erörterungen über das Geständnis, die Äernehmung Ju­ gendlicher und über Kindermißhandlung entsprangen diesem Bestreben. Die im Kriege so überaus emporgewucherte Gewinnsucht, die wohl noch lange in die Zeit des Friedens ihre Schatten werfen dürfte, machte es nötig, der Besprechung verschiedener Betrugsarten einen weiteren Spielraum zu gestatten. So entstanden die wesentlichen Ergänzungen. Den Kriegswucher glaubte ich nicht behandeln zu sollen, denn das Juch soll der Arbeit des Friedens dienen und der Kriegswucher wird -■ so wollen wir alle hoffen — als ein Kind des Krieges mit diesem begraben. Möge die vierte Auflage die freundliche Aufnahme finden, die der Schöpfer des Werkes, Hans Groß, verdiente!

Wien, im Sommer 1917.

Dr. Erwein Ritter u. Höpler.

VI Vorwort zur fünften Auflage. Schon wenige Monate nach ihrem Erscheinen war die vierte Auflage vergriffen und eine Neuauflage notwendig geworden; sie unterscheidet sich von der früheren außer durch kleine Ergänzungen auf S. 28 und 195 nur durch Einfügung des Absatzes über die sach­ verständigen Zeugen. Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich allen Behörden, die durch ihre ehrende und werktätige Förderung des Buches in so kurzer Zeit eine Neuauflage notwendig machten, den besten und er­ hebendsten Dank sage. Wien

im Herbste 1918.

Dr. Erroein Ritter v. Höpler.

Borwort zur sechsten Auflage. Seit dem Erscheinen der fünften Auflage fand die militärische Seite des Weltkrieges ihr Ende und die Nachkriegszeit brachte na­ mentlich auf dem Gebiete der Kriminalpsychologie manch Neues. Diese Erfahrungen mußten in der neuen Auflage ebenso ver­ wertet werden, wie die in kriminologischer Hinsicht gemachten tech­ nischen Fortschritte. Nebstdem wurden Ergänzungen überall dort vor­ genommen, wo sich in der Bearbeitung des Stoffes Lücken bemerkbar gemacht hatten.

Wien, im Jänner 1921. Dr. ©mein Höpler.

VI Vorwort zur fünften Auflage. Schon wenige Monate nach ihrem Erscheinen war die vierte Auflage vergriffen und eine Neuauflage notwendig geworden; sie unterscheidet sich von der früheren außer durch kleine Ergänzungen auf S. 28 und 195 nur durch Einfügung des Absatzes über die sach­ verständigen Zeugen. Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich allen Behörden, die durch ihre ehrende und werktätige Förderung des Buches in so kurzer Zeit eine Neuauflage notwendig machten, den besten und er­ hebendsten Dank sage. Wien

im Herbste 1918.

Dr. Erroein Ritter v. Höpler.

Borwort zur sechsten Auflage. Seit dem Erscheinen der fünften Auflage fand die militärische Seite des Weltkrieges ihr Ende und die Nachkriegszeit brachte na­ mentlich auf dem Gebiete der Kriminalpsychologie manch Neues. Diese Erfahrungen mußten in der neuen Auflage ebenso ver­ wertet werden, wie die in kriminologischer Hinsicht gemachten tech­ nischen Fortschritte. Nebstdem wurden Ergänzungen überall dort vor­ genommen, wo sich in der Bearbeitung des Stoffes Lücken bemerkbar gemacht hatten.

Wien, im Jänner 1921. Dr. ©mein Höpler.

Inhaltsverzeichnis. Einleitung.

ALtgernetrrer Teil. I Abschnitt.

Bon dem Vernehmenden....................................................

Scite.

1. Allgemeines..................................................................................................... ’ 2. Die Auffassungdes Falles............................................................................ 3. Sonstiges......................................................................................................

1 1 3 6

II. Abschnitt. Bon de« -» Vernehmenden 1. Von den Zeugen.......................................................................................... a) Wenn der Zeuge die Wahrheit nicht sagen kann...................... b) „ „ , „ „ will...................... 2. Von den sachverständigenZeugen.......................................................... 3. Von dem Beschuldigten.............................................................................. 4. Vom Geständnis.......................................................................................... 5. Bon der Vernehmung Jugendlicher........................................................

8 8 8 12 15 16 18 20

III. Abschnitt. Der Lokalangenscheirr 1. Allgemeines...................................................................................................... 2. Aufsuchen von Verborgenem.................................................................... VI. Abschnitt. Über die SachverftLndige»................................................. 1. Allgemeines................................................... z............................................... 2. Die Arzte.................................................................................................... 3. Die Mikroskopier......................................................................................... a) Bei Blutspuren..................................................................................... b) „ Exkrementen..................................................................................... c) „ Haaren ........................................................................................... d) „ Schriftfälschungen.......................................................................... e) „ Stoffen, Fäden usw........................................................................... f) „ Untersuchung vonVerunreinigungen........................................... 4. Die Chemiker................................................................................................ 5. Die Pysiker, die Mineralogen, Zoologen und Botaniker .... 6. Die Sachverständigen im Schießfache.................................................. 7. Der Photograph.......................................................................................... 8. Die Schriftsachverständigen.........................................................................

22 22 26 28 28 30 31 31 32 32 33 33 34 35 36 36 37 39

V. Abschnitt. Gannertnisfe................................... 1. Änderung des Aussehens......................................................................... 2. falscher Name................................................................................................ a) Anthropometrie.................................................................................... b) Daktyloskopie.......................................................................................... 3. Vortäuschen von Krankheiten und Leiden............................................. a) Erkrankung von Vorgeladenen ........................................................ b) Plötzliche Erkrankung während der Vernehmung a) Vortäuschen von Schwerhörigkeit............................................. ß) „ „ Fallsucht und Geisteskrankheit .... y) „ „ Ohnmacht..........................................................

greift. Es kann nicht dringend genug verlangt werden, daß auf die verschiedenen Wirkungen des Aberglaubens aufgemerkt werde, da man hierdurch eine Menge von Anhaltspunkten für begangene Verbrechen, Erklärungen für harmlos scheinende wichtige, und wichtig scheinende harmlose Vorgänge, und vielfach Zusammenhang zwischen weitab liegenden Erscheinungen zu finden vermag. Durch die verschiedenen Ereignisse des Weltkrieges hat der Aber­ glaube in allen seinen Erscheinungen, vor allem anderen aber in der Wahrsagerei, überall noch mehr um sich gegriffen, und es tritt daher an den modernen Kriminalisten mehr denn je die Pflicht heran, dem Aberglauben und seinem Einfluß auf die Kriminalistik volle Auf-! merksamkeit zu schenken. Schon bei einfachen, alltäglichen Vorkommnissen kann Aber­ glauben einwirken, wenn z. B. eine wichtige vorgeladene (vielleicht sehr vornehme) Zeugin nicht erscheint und dadurch Verwirrung in den ganzen, wohlüberdachten Vernehmungsplan bringt: es ist Freitag, und die Dame konnte doch nicht an einem Unglückstage das erstemal in ihrem Leben bei Gericht erscheinen. Ein andermal wird ein armes Mädchen beim Verkaufe eines höchst wertvollen Opalringes betreten; sie behauptet in bedenklichster Weise, den Ring auf der Straße von einer eleganten „Unbekannten" geschenkt bekommen zu haben. Zufällig kann erwiesen werden, daß die unwahrscheinliche Sache doch wörtlich wahr ist: die Dame hat den teuren Ring geerbt, der schöne Opal ist aber ein „Unglücksstein", und von dem jetzt drohenden Unglück kann man sich nur retten, wenn man den Stein samt Unheil dem ersten, besten Begegnenden schenkt und das hatte die vorsichtige Dame getan. Die Entdeckung und somit Rettung des armen Mädchens war aber nur dem Umstande zu danken, daß der amtierende Beamte den Aberglauben mit dem Opal kannte, die Vermutung des wahren Herganges auf-, nahm und in dieser Richtung weiterforschte.

80 ihm dies häufig den Tod bringt. Fremde Kost und Kleidung, nament­ lich die aufgedrungene Ordnung und Reinlichkeit wirken störend mit, und so leidet der Zigeuner unter einer Freiheitsstrafe mehr als der Kulturmensch. Ebenso leicht wie Krankheiten überwindet der Zigeuner körperliche Verletzungen. Mit welchen Wunden er noch fliehen und die Wander­ züge seiner Truppe mitmachen kann, ist unglaublich, ebenso die Kürze der Zeit, innerhalb welcher seine Verletzungen heilen. Dieser Umstand ist bei vielen Überlegungen, Schlüssen und Berechnungen nicht außer Augen zu lassen. VIII. Abschnitt.

Der Aberglauben. Von den Erscheinungen im täglichen Leben, die tief in das Wesen des Strafrechtes eingreisen, hat man wenige so gering geachtet, wie die des Aberglaubens, und seitdem man ihm entsprechende Berücksichtigung zuteil werden läßt, sieht man von Tag zu Tag, wie tief er da ein-> greift. Es kann nicht dringend genug verlangt werden, daß auf die verschiedenen Wirkungen des Aberglaubens aufgemerkt werde, da man hierdurch eine Menge von Anhaltspunkten für begangene Verbrechen, Erklärungen für harmlos scheinende wichtige, und wichtig scheinende harmlose Vorgänge, und vielfach Zusammenhang zwischen weitab liegenden Erscheinungen zu finden vermag. Durch die verschiedenen Ereignisse des Weltkrieges hat der Aber­ glaube in allen seinen Erscheinungen, vor allem anderen aber in der Wahrsagerei, überall noch mehr um sich gegriffen, und es tritt daher an den modernen Kriminalisten mehr denn je die Pflicht heran, dem Aberglauben und seinem Einfluß auf die Kriminalistik volle Auf-! merksamkeit zu schenken. Schon bei einfachen, alltäglichen Vorkommnissen kann Aber­ glauben einwirken, wenn z. B. eine wichtige vorgeladene (vielleicht sehr vornehme) Zeugin nicht erscheint und dadurch Verwirrung in den ganzen, wohlüberdachten Vernehmungsplan bringt: es ist Freitag, und die Dame konnte doch nicht an einem Unglückstage das erstemal in ihrem Leben bei Gericht erscheinen. Ein andermal wird ein armes Mädchen beim Verkaufe eines höchst wertvollen Opalringes betreten; sie behauptet in bedenklichster Weise, den Ring auf der Straße von einer eleganten „Unbekannten" geschenkt bekommen zu haben. Zufällig kann erwiesen werden, daß die unwahrscheinliche Sache doch wörtlich wahr ist: die Dame hat den teuren Ring geerbt, der schöne Opal ist aber ein „Unglücksstein", und von dem jetzt drohenden Unglück kann man sich nur retten, wenn man den Stein samt Unheil dem ersten, besten Begegnenden schenkt und das hatte die vorsichtige Dame getan. Die Entdeckung und somit Rettung des armen Mädchens war aber nur dem Umstande zu danken, daß der amtierende Beamte den Aberglauben mit dem Opal kannte, die Vermutung des wahren Herganges auf-, nahm und in dieser Richtung weiterforschte.

81 Ebenso entstehen oft andere unbegründete Verdächtigungen. Der Bestohlene erscheint bei der Behörde, »reldet einen ihm widerfahrenen Diebstahl und verdächtigt den X mit größter Bestimmtheit. Die Ver­ dachtsgründe sind vielleicht nicht gerade schlagend, sie werden aber mit so großer Sicherheit vorgebracht, daß man keinen Grund findet, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln, und gegen den X vorgeht. Erst später gelingt es, festzustellen, daß der Bestohlene zuerst bei einer „be­ rühmten" Kartenschlägerin und dann erst bei der Behörde war, und daß ihm die erstere den X („der bei ihm Wohnende" — „ein guter Freund" — „ein naher Verwandter der Frau") als Täter bezeichnet hatte. Ist bei solchen leichtgläubigen Leuten einmal ein Verdacht rege gemacht, so tut Einbildung und Suggestion das ihre, und bis er zur Behörde kommt, ist seine Überzeugung von der Täterschaft des X bereits so fest, daß er mit bestem Gewissen den vollkommen uw­ schuldigen X belastet; solche Dinge hat jeder Kriminalist erlebt und jeder könnte die Reihe dieser Beispiele vergrößern. Viel gefährlicher wird aber die menschliche Dummheit, wenn sie zu abergläubischen Dingen treibt, die oft die schädlichsten Wirkungen haben können. Hierher gehören vor allem die unzähligen Verjüngungsmittel, Liebestränke und Heilmittel, die nicht bloß oft höchst ekelhaft, sondern sogar das Leben bedrohend sind; nur einige der allerverbreitetsten seien als Beispiele erwähnt: warmes Menschenblut (übrigens vielleicht auch durch ein Verbrechen gewonnen) heilt Fall­ sucht; das morsche Holz von einem Sarge, im Munde zerkaut, ver­ schiedene andere Krämpfe; der Schaum vom Munde eines Verstor­ benen wendet genossen Trunksucht ab; Fallsüchtige trinken das Wasser, womit Tote gewaschen werden, und Leichenwachs (adipocire) wird auf Wunden aufgelegt; Menschenfett mit einem Tropfen eigenen Blutes wendet die Liebe dessen zu, der es ißt, und Jauche von einem faulenden Toten, auf den Kopf geschmiert, heilt den Grind; — wenn die Folge einer jeden dieser Kuren nicht schwere Krankheit oder Tod ist, so muß es jedesmal als Wunder bezeichnet werden, und in manchen der tödlich ausgehenden Fällen ist vielleicht eine Unter­ suchung wegen Giftmord oder ähnlichem eingeleitet worden — an die grenzenlose Dummheit, die eigentlich schuld war, hat niemand gedacht. Vor Jahren fanden zwei Soldaten ein altes Buch, in dem sie lasen, daß, wenn jemandem unter bestimmten Zauberformeln der Kopf abgeschnitten und dann wieder unter bestimmten Formeln angezaubert werde, so habe der Geköpfte und wieder Geheilte die Kraft erlangt, unermeßliche Schätze zu heben. Richtig ließ sich der eine vom andern, seinem besten Freunde, den Kopf äbschneiden und dieser rief erst entsetzt um Hilfe, als das Anzaubern des Kopfes nicht gelang. Alle solche Vorgänge müssen als Ergebnisse des Aberglaubens erkannt werden, sonst geht man in der gröblichsten Weise irre — alle bestehenden Aberglauben kennt niemand und kann sie nicht kennen, aber es ist Pflicht eines jeden der Justiz Dienenden, sich mit den Groß-H-pler, Erforschung. 6. Ausl.

6

82 verschiedenen Aberglauben bekannt zu machen, die in seiner Gegend herrschen. Durch gegenseitiges Mitteilen und Bekanntmachen solcher Dinge kann viel Unheil verhütet werden. Waren das alles nur abergläubische Vorstellungen ehrlicher Leute, die wegen ihrer Dummheit oft nicht einmal strafbar sein können, so müssen die Aberglauben der Verbrecher in anderer Richtung, beachtet und verwertet werden. Hier sind zwei Gruppen zn unterscheiden. In die eine gehören alle jene abergläubischen Vorstellungen, bei welchen die Dinge an sich harmlos und in strafloser Weise zu erlangen sind, die aber dann Verwendung bei der Begehung strafbarer Handlungen finden sollen. Ihre Wichtigkeit im Strafrechte besteht in der An­ deutung aus ihrem Vorhandensein, daß der Besitzer ein Verbrechen begangen hat oder eines begehen will; namentlich sind sie dann ein wichtiges Beweismittel, wenn man aus ihrem Besitze dartun kann, daß er zuerst das, dann in ernsthafter Weise Durchgesetzte, zuerst mit abergläubischen Mitteln verübt hat; so ist schon mancher Mord ent­ deckt worden: zuerst Zaubermittel, dann Messer oder Gewehr, und das Vorfinden der ersteren ließ aus den Gebrauch der letzteren schließen. Zur zweiten Gruppe gehören aber jene Arten von Aberglauben, bei welchen einer in den Besitz des Zaubermittels nur durch ein Ver­ brechen, in der Regel Mord, gelangen konnte. ;jur ersten Gruppe gehören vor allem jene harmlosen, überaus verbreiteten Dinge, die zur Verübung verschiedener Verbrechen benützt werden, also nur aus­ klärenden Wert besitzen. Gleichwohl ist auf ihr Vorkommen, sorgfältig zu achten, da man häufig Licht für einen ganzen Fall bekommt, wenn man erst eines dieser bezeichnenden und den Besitzer sicher verratenden Dinge gesunden hat. Am häufigsten findet man noch die verschiedensten Amulette und Freibriefe, wobei der Inhalt der letzteren in der Regel andeutet, wozu er dienen soll — also bei Wilddiebereien, bei Diebstahl und Raub oder allgemein gegen die Kugeln der Gendarnien, gegen das Verhaftet-, werden usw. Ähnlich sind die sogenannten Segen, die aus uralter Zeit stammen, aber heute noch vielfache Verwendung finden. So gibt es Schußsegen gegen das Getroffenwerden oder für das Treffen, dann Fesselsegen oder Haftsegen, durch welche man angelegte Bande sprengen, oder aus dem Gefängnisse entweichen kann; die Sprung­ segen verleihen Schnelligkeit beim Laufen, und mit Hilfe eines Stock­ segens erlangt man entweder Vorteile beim Wandern oder inan ver­ mag mit dessen Hilfe einen Abwesenden zu prügeln. Solche Stock­ segen haben schon wiederholt mindestens den Nachweis geliefert, daß ihr Besitzer gegen den Betreffenden üble Gesinnung hegte. Ähnliche Wirkungen hat der sog. Bildzauber, indem man mit Hilfe der Nachbildung eines Menschen oder einer Gliedmaße (wobei in die Formmasse Haare, Nägelschnitzel oder sonst etwas vom Körper des Betreffenden eingeknetet sein muß) ihm allerlei übles antun kann. Hierher gehört auch das Mordbeten oder Mordmesselesenlassen, wobei man durch entsprechende Formeln bei einem Gebete bzw. während einer angeblich zugunsten eines Menschen gcleseuen Messe dessen Tod herbeiführen kann.



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Das urgermanische, heute nur mehr bei Slawen und ihren Nach­ barn vorkommende Schattenmessen besteht darin, daß mit einem Stabe die Länge des Schattens eines Menschen unter gewissen Zauber­ formeln abgenommen wird; den Stab legt man auf einen Kreuzweg und spricht eine gewisse Formel, während zufällig ein Wagen darüber­ fährt; dann stirbt der Betreffende. Eine Reihe von Unannehmlichkeiten (namentlich Impotenz) kann man seinem Mitmenschen durch das sog. Nestelknüpfen zufügen; dies ist ebenso alt, als heute noch verbreitet und besteht darin, daß zu gewisser Zeit und unter gewissen Formeln eigenartige Knoten (aus Fäden, Haaren, Ruten usw.) geknüpft werden. Auch diese häufig nicht ichwer zu entdeckenden Dinge lassen Schlüsse auf die Gesinnung zu.

Eine eigenartige Rolle spielen gewisse seltsame, geheiligte oder schwer zu erlangende Dinge, die mitunter und zwar durchaus nicht selten, auf das Handwerk eines Menschen schließen lassen. So haben oft Wilddiebe, namentlich in den Alpen, sog. Johanneshändchen bei sich; sie werden ans gewissen Farnkrautwnrzeln gewonnen, sind kleine haarige handförmige Gebilde und sichern dem Träger unfehlbaren Schuß. Noch wichtiger sind die ähnlichen Springwurzeln, Alraunen, Galgenmünnchen, die aus gewissen Wurzeln bestehen und fingerlange, braune, zottige Männchen darstellen. Einst für Liebe und Glück ver­ wendet, dienen sie jetzt nur zum Offnen versperrter Schlösser und so ist ihr Fund bezeichnend genug; sie sind durch ganz Deutschland jund Österreich noch sehr verbreitet. — Der Besitz einer geweihten Hostie macht gegen die Behörden unnahbar, alle Teile des Wiedehopfs werden beim Falschschwören verwendet und der Falschspieler braucht das Herz einer Fledermaus. Andere Zwecke verfolgen wieder Dinge, die nach einem Ver­ brechen auf dem Tatorte zurückgelassen werden müssen. In der Regel muß cs etwas vom Täter selbst sein — es stellt den uralten Gedanken eines Opfers dar, durch welches sich der Täter von der Entdeckung loskauft. Die älteste Form ist sicher die des Rücklassens eigenen Blutes: der Täter fügt sich eine kleine Verletzung zu und läßt einige Tropfen seines Blutes zurück; für noch wirksamer wird angenommen, wenn der Täter mit seinem Blute die Handfläche oder Fußsohle bestreicht und so den Abdruck einer blutigen Hand oder eines blutigen Fußes zurückläßt. Solche Funde haben zahlreiche Male Anlaß zu den abenteuerlichsten Annahmen und Vermutungen gegeben, während sie, richtig gedeutet, wichtige Anhaltspunkte hätten bieten können. In abgeschwächter Form wird die Sache so gemacht, daß der Täter sich am Tatorte die Hände wäscht und das Waschwasser zurück­ läßt, oder daß er ein Kleidungsstück, namentlich häufig seine Schuhe, hinlegt. Auffallend verbreitet und im Süden und Norden vorkommend ist das Zurücklassen von Exkrementen, welche man oft sorgsam zu­ gedeckt findet; es herrscht nämlich der Glaube, daß durch das Zurück­ lassen überhaupt der Täter nicht entdeckt wird, solange die Exkre­ mente aber warm sind, wird auch die Tat selbst nicht wahrgenommen. 6*

84 Zigeuner lassen, wie erwähnt, ans dem Tatorte Stechapfelsamen zurück (vielleicht ein Opfer für die bösen und neidischen Geister), manchesmal lassen sie auch Gehstöcke stehen, angeblich damit die Hunde nicht bellen. Im großen und ganzen sind diese Dinge, wie erwähnt, wenigstens insoferne als harmlos zu bezeichnen, als ihre Gewinnung keine Ver­ brechen erfordert. An sich gefährlich sind aber alle Aberglauben, bei welchen schon eine strafbare Handlung begangen werden muß, nm das Zaubermittel zu gewinnen; daß damit ivieder ein Verbrechen begangen werden soll, ist in zweiter Linie wichtig. Abgesehen von dem Vampyr­ glauben, der aber in deutschen Landen nur ausnahmsweise vor­ kommt und nur Leichname als Angriffsobjekte braucht, sind alle jene Aberglauben von Bedeutung, bei welchen Teile des lebenden menschlichen Körpers benützt werden müssen. Schlummer­ lichter, welche angezündet, das Aufwachen der zu Bestehlenden ver­ hindern, müssen aus dem Fette unschuldiger, womöglich ungeborener Kinder gebildet werden. Eine Anzahl von Mordtaten, die entweder als unerklärlich oder als Lustmorde bezeichnet wurden, sind dahin zu erklären, daß man sich bei einer wirklich oder vermeintlich Schtvangereu der Leibesfrucht bemächtigen wollte. Weniger gefährlich ist der Glaube, daß man zu solchen Lichtern das Blut einer bei einer Zwillingsgeburt verstorbenen Frau beimengen müsse; hierbei kann es sich in der Regel wohl nur um Leichenschändung handeln. Das gleiche Delikt wird be­ gangen, wenn man sich des Daumens eines bei Neumond Berstorbenen und neun Wochen begrabenen Menschen oder der rechten Hand eines neun Tage Begrabenen bemächtigt; beides wird ähnlich wie die Schlummer lichter bei Diebstählen verwendet. Entsetzliche Mordtaten wurden und werden durch den Glauben an die Folgen des Menschenfleischfressens veranlaßt. So wird überall geglaubt, daß man fliegen oder sich unsichtbar machen kann, wenn man das Herz eines unschuldigen Kindes frißt; Schätzeheben erlernt man durch das Trinken lebenswarmen Menschenblutes und wer einen Teil des eigenen und gebratenen Kindes verzehrt, der kann alle Derbrechen begehen, ohne daß ihm die Behörden nahekommen können. Ob es lediglich Dummheit oder ein Rest des alten Blutaber­ glaubens ist, wenn die Leute glauben, sich von Geschlechtskrankheiten dadurch zu heilen, daß sie mit einer Jungfrau Beischlaf pflegen, ist nicht zu entscheiden, sicher ist es aber, daß durch diesen Glauben unab­ sehbares Unheil angerichtet wird. Eine eigene Gruppe verbreitetsten Aberglaubens bildet die Über­ zeugung, daß man unter Umständen straflos falsch schwören dürfe. Hierfür gibt es zahlreiche Mittel, jede Gegend hat ihre besonderen Meinungen und es empfiehlt sich dringend, sich wenigstens um jene zu kümmern, die in der eigenen Gegend gebräuchlich sind. Die ver­ breitetsten sind: Wiedehopfaugen bei sich tragen; einen Knochen des eigenen Kindes in der Hand halten; den Daumen einschlagen; mit der linken Hand Faust machen oder diese in die Seite stemmen; während des Eides einen Hosenknopf abdrehen; vor und nach dem Schwören

85 dreimal ausspucken; sieben Steinchen oder ein Goldstück unter die Zunge legen; eine geweihte Hostie auf der Brust tragen, oder Blätter von der Mistel in den Schuh legen. Das verbreitetste Mittel ist das sog. Ableiten des Eides, indem man die linke Hand ebenso formt, wie die rechte beim Schwören und die drei Schwurfinger der linken Hand ebenso gegen den Boden richtet, wie die Schwurfinger der rechten Hand gegen den Himmel gestreckt werden, dann „geht der falsche Eid ohne Schaden durch". Endlich wäre noch aller jener Aberglauben Erwähnung zu tun, durch welche auf die Dummheit der Menschen gerechnet und ihnen mehr oder weniger Geld abgenoinmen wird. Bei allen diesen Vor­ gängen sind die Täter kluge Leute mit scharfem, psychologisch geschultem Blick, welche sich entweder im voraus über die Verhältnisse ihrer Kundschaften unterrichten lassen, oder diese zum Erzählen bringen, wodurch sic von den Leuten selbst.alles erfahren, was sie brauchen. Da hierbei auf der einen Seite oft erstaunlich viel Menschenkenntnis aufgcwendet wird und auf der anderen Seite oft die unglaublichste Harmlosigkeit vorliegt, so ist es begreiflich, daß häufig Überraschendes geleistet wird und daß sich die hierbei angewendeten Kunstgriffe und der Glaube an das Geleistete seit Mcnschengedenken erhalten hat und sich auch noch lange erhalten wird. Wie es die Zauberer machen, ist immer und überall gleich, die Handgriffe selbst sind gleichgültig, die Hauptsache ist das erwähnte geschickte Benützen der menschlichen Dummheit. Hierher gehört das Wahrsagen, Kartenschlagen, der Freiseher, der den Dieb im Traume sieht, der Guckkasten, in welchem der Beschädigte den Dieb selber sehen darf, die Zaubertrommel, auf welcher hüpfende Körner die gestellten Fragen beantworten, das Erbsieb, auf welchem sich der Erdschlüsse! dreht, dann die unzähligen Formen des Schatz­ grabens, das Traumdeuten und endlich die Chiromantie, bei welcher aus den Handlinien gewahrsagt wird. Eine hierher gehörige Form des Wahrsagens übte eine elegante Pariser Wahrsagerin, die.alle Fragen aus den Falten des Hodensacks des Neugierigen zu beant­ worten vorgab.

IX. Abschnitt.

Über Waffen. Das Folgende soll selbstverständlich keine kurzgefaßte Waffen­ lehre darstellen, sondern eigentlich nur die verschiedenen oft nicht allgemein bekannten Ausdrücke, wie sie bei Waffen gebraucht und verstanden werden müssen, erklären, da die Söhne eines Volkes in Waffen zwar in der Regel die modernen Kriegswaffen, nicht aber die zwar veralteten, aber immerhin noch im Gebrauche befindlichen Waffen und ihre Bestandteile kennen. Selbstverständlich wird man sich, immer, wenn es sich um eine Waffe handelt, der entsprechenden Sachverstän­ digen bedienen. Man hat solche aber häufig im ersten und gerade

85 dreimal ausspucken; sieben Steinchen oder ein Goldstück unter die Zunge legen; eine geweihte Hostie auf der Brust tragen, oder Blätter von der Mistel in den Schuh legen. Das verbreitetste Mittel ist das sog. Ableiten des Eides, indem man die linke Hand ebenso formt, wie die rechte beim Schwören und die drei Schwurfinger der linken Hand ebenso gegen den Boden richtet, wie die Schwurfinger der rechten Hand gegen den Himmel gestreckt werden, dann „geht der falsche Eid ohne Schaden durch". Endlich wäre noch aller jener Aberglauben Erwähnung zu tun, durch welche auf die Dummheit der Menschen gerechnet und ihnen mehr oder weniger Geld abgenoinmen wird. Bei allen diesen Vor­ gängen sind die Täter kluge Leute mit scharfem, psychologisch geschultem Blick, welche sich entweder im voraus über die Verhältnisse ihrer Kundschaften unterrichten lassen, oder diese zum Erzählen bringen, wodurch sic von den Leuten selbst.alles erfahren, was sie brauchen. Da hierbei auf der einen Seite oft erstaunlich viel Menschenkenntnis aufgcwendet wird und auf der anderen Seite oft die unglaublichste Harmlosigkeit vorliegt, so ist es begreiflich, daß häufig Überraschendes geleistet wird und daß sich die hierbei angewendeten Kunstgriffe und der Glaube an das Geleistete seit Mcnschengedenken erhalten hat und sich auch noch lange erhalten wird. Wie es die Zauberer machen, ist immer und überall gleich, die Handgriffe selbst sind gleichgültig, die Hauptsache ist das erwähnte geschickte Benützen der menschlichen Dummheit. Hierher gehört das Wahrsagen, Kartenschlagen, der Freiseher, der den Dieb im Traume sieht, der Guckkasten, in welchem der Beschädigte den Dieb selber sehen darf, die Zaubertrommel, auf welcher hüpfende Körner die gestellten Fragen beantworten, das Erbsieb, auf welchem sich der Erdschlüsse! dreht, dann die unzähligen Formen des Schatz­ grabens, das Traumdeuten und endlich die Chiromantie, bei welcher aus den Handlinien gewahrsagt wird. Eine hierher gehörige Form des Wahrsagens übte eine elegante Pariser Wahrsagerin, die.alle Fragen aus den Falten des Hodensacks des Neugierigen zu beant­ worten vorgab.

IX. Abschnitt.

Über Waffen. Das Folgende soll selbstverständlich keine kurzgefaßte Waffen­ lehre darstellen, sondern eigentlich nur die verschiedenen oft nicht allgemein bekannten Ausdrücke, wie sie bei Waffen gebraucht und verstanden werden müssen, erklären, da die Söhne eines Volkes in Waffen zwar in der Regel die modernen Kriegswaffen, nicht aber die zwar veralteten, aber immerhin noch im Gebrauche befindlichen Waffen und ihre Bestandteile kennen. Selbstverständlich wird man sich, immer, wenn es sich um eine Waffe handelt, der entsprechenden Sachverstän­ digen bedienen. Man hat solche aber häufig im ersten und gerade

86 wichtigsten Augenblicke nicht zur Hand und eS ist auch für die Vernehmung der Zeugen und Beschuldigten notwendig, wenigstens die notdürftigsten Begriffe genau zu kennen. Auch hier sei wiederholt, daß man die gewöhnlichen Sachverständigen, Büchsenmacher und Waffenerzeuger, nur für einfache, rein technische Fragen verwenden soll; für alles Feinere und Wissenschaftliche müssen unbedingt Ärzte, Physiker, Techniker, Waffcnoffiziere und erfahrene Jäger herangezogen werden. A. Feuerwaffen. Es ist nötig, sich auch mit Waffen recht veralteter Formen zn kümmern, da wiederholt Verbrechen oder wenigstens Selbstmorde mit Waffen aus Sammlungen begangen wurden und da sich int Besitze von Bauern noch häufig sehr alte (Gewehre und Pistolen vorfinden. Der konservative und sparsame Bauer erwirbt überhaupt gerne Dinge der vorletzten Mode, da er weiß, daß er so zwar veraltete, aber oft gute und einmal sehr teuere Sachen billig erwerben kann. Dieser Erfahrungssatz ist auch deshalb nicht unwichtig, weil man hierdurch in vielen Fällen aus der aufgefundenen Waffe auf den Besitzer und umgekehrt aus dem Besitzer auf die von ihm etwa verwendete Waffe schließen kann.

I. A llgemein e s. Mit Kanonen, Mitrailleusen, Mörsern und ähnlichem haben wir nichts zu tun. Uns interessieren nur die Handwaffen: Gewehre, Pistolen, Terzerole, Revolver und Selbstladepistolen. Diesen ist ge­ meinsam: der Lauf, der Schaft, das Schloß und das -fubehör; ist der Lauf lang und der Schaft zum Anstennnen an die Schulter bestimmt, so heißt die Waffe Gewehr, Flinte, Büchse, Zwilling, Drilling usw. Ist der Schaft kurz und nur für die Faust bestimmt, so ist es eine Pistole, ein Terzerol, ein Revolver. Wird die Ladung von der Mündung aus eingebracht, so haben wir einen Vorderlader, geschieht die Ladung beim Schloß mit Hilfe eines sog. Verschlusses, so ist es ein Hinterlader. Eine Faustwaffe, bei der jeder Lauf besonders geladen werden muß, ist eine Pistole oder ein Terzerol; wird ein einziger Lauf durch eine mehrfach geladene Trommel oder aber ein sog. Magazin ver­ sehen, so haben wir einen Revolver oder eine Magazinpistole. Die Pistole hat einen Schaft (also Holz bis zur halben Lauflänge oder bis zur Mündung) und das Schloß seitwärts; beim Terzerol ist der Lauf frei und aufgeschraubt, das Schloß hinter diesem angebracht.

II. Arten der Feuerwaffen. I. Gewehre. Man teilt sie ein in einläufige und mehrläufige und die letzteren in Doppelgewehre, wenn die Läufe gleichartig sind, und Zwillinge oder Drillinge, wenn die Läufe verschieden (also für Schrot und Kugel bestimmt) sind; Bockflinten heißen Doppelflinten, bei welchem die

87 Läufe nicht neben-, sondern übereinander liegen. Dann unterscheidet man Vorderlader und Hinterlader; Schrotgewchre und Kugelgewehre. Bezüglich der Geschosse haben wir wieder: Schrot nennen wir jene kleinen kugelförmigen Geschosse, die lose geladen und durch einen Pfropf festgehalten sind. Sie werden entweder aus größerer Höhe oder mit Hilfe der Zentrifugalkraft durch Siebe gegossen und müssen deshalb einen Zusatz von Arsen bekommen. Dieser Zusatz und die Legierung des Bleies überhaupt ist infofeine von Wichtigkeit, als unter Umständen durch chemische Untersuchung der Schrotkörner, die auf dem Tatorte und jener, die im Besitze des Verdächtigen gefunden wurden, wichtige Schlüsse bezüglich der Gleich­ artigkeit gezogen werden können. Ebenso wichtig, vielleicht noch wichtiger, ist auch die Legierung von Kugeln, namentlich dann, wenn der Verdächtige sich die Kugel selbst gegossen und hierzu im Hause vorrätiges Material (Bleiknöpfe, Zinnlöffel usw.) verwendet hat. Pfosten, auch Hagel genannt, nennen wir ganz große Schrot­ körner, die meistens in Formen gegossen und daher mit sog. Gieß­ rändern und Zapfenansätzen versehen sind. Heute werden sie aller­ dings ebenso wie die Kugeln meistens gepreßt und sind daher dreh­ rund und glatt. , Kugeln nennen wir alle Geschosse, welche einzeln verwendet und nicht lose, sondern eingepreßt im Laufe geführt werden. Bei den Vorderladern erhält die Kugel zum Zwecke der leichteren Ein­ bringung fast immer ein sog. Pflaster, ein rundes, eingefettetes Stück Stoff; dieses wird auf die Mündung gelegt, darauf kommt die Kugel und diese wird nun mit dem Pflaster in den Lauf gedrückt odergeschlagen und dann mit dem Ladestock hineingeschoben. Dieses Pflasterist zu Erkennungszwecken oft wichtig: entweder kann cs gefunden und mit Stoffresten im Besitze des Verdächtigen verglichen werden, öder­ es drückt sich so fest an der weichen Bleikugel ab, daß auch dieser Abdruck in Ermangelung des Pflasters selbst mit Stoffresten int Besitze des Verdächtigen verglichen werden sann. Bei Hinterladern wird kein Pflaster verwendet. Bezüglich der Form der Kugeln (gegossen oder meistens gepreßt) ist es bekannt, daß man außer den runden, wirklichen Kugeln, Spitz­ kugeln und Langgeschosse unterscheidet. Die Spitzkugeln sind Zylinder mit vorne aufgesetzten Kegeln; sie haben meistens rückwärts zwei oder mehrere Ringe, welche das Einfügen in den Lauf und dessen Züge besorgen sollen. Mitunter sind sie auch rückwärts hohl und haben bisweilen eine Scheibe aus Holz, Metall oder Ton (sog. Treibspiegel) eingesetzt, welcher die hohlen Wände der Kugel auseinandertreiben und in die Laufzüge einpressen soll. Die Langgeschosse haben unverhältnismäßig geringen Querdurch­ messer gegen den Längsdurchmesser. Ersterer geht bis auf sieben, sogar sechs Millimeter herunter; sie haben die Form eines vorne abgerundeten Zylinders, mitunter sind sie auch vollständig zylinder­ förmig, ohne Spitze, sog. Dumdumgeschosse. In der Regel sind die

88 Langgeschosse mit einen, Mantel versehen, ein umpreßtes oder ange­ lötetes Blech, welches beim Schusse häufig reißt und dann besonders gestaltete Wunden erzeugt. In der Regel Pflegt man von dem aufgefundenen Geschosse auf das verwendete Gewehr zu schließen und begeht hierbei oft Fehlgriffe mit schweren Folgen. Tas einzige, was mit Sicherheit gesagt werden kann, geht dahin, daß eine Kugel nicht aus einem Laufe stammen kann, der enger ist als der Durchmesser der Kugel, obwohl auch hier eine Kugel durch Anprallen derart cntformt worden sein kann, daß man ihren Durchmesser falsch, zu groß, veranschlagt. Alle anderen Schlüsse von Geschoß auf Gewehr und von Gewehr auf Geschoß sind um so unverläßlicher, als durch sog. Falschladen Irreführungen häufig beabsichtigt wurden und auch gelungen sind. Dies geschieht namentlich dann, wenn der Täter den Besitz der Waffe nicht zu ver­ heimlichen braucht und wegen seines Standes oder zum Zwecke persön­ lichen Schutzes im Besitze einer Waffe sein darf. In der Regel wird man einerseits zur Schonung der Waffe und andererseits wegen des sicheren Schusses nur jene Geschosse zur Ladung verwenden, welche für die Waffe bestimmt sind; man wird also Schrote nur aus einem Schrotgewehr und Kugeln nur aus einem Kugelgewehr und auch hier nur die passenden schießen. Handelt es sich aber um ein Verbrechen, so entfällt die Rücksicht auf die Waffe immer, und die auf die Schußsicherheit auch dann, wenn aus sehr geringer Entfernung geschossen werden soll. Es wird daher in solchem Falle z. B. auch mit Schrot aus einem feingezogenen Kugelgewehr ohne Rücksicht auf das sog. Verbleien des Laufes geschossen werden. Ebenso kann auch ohne Gefahr eine Kugel aus einem Schrotlauf ge­ schossen werden, wenn sie wesentlich kleiner ist als der Durchmesser des Laufes und nur durch Papier, Moos, Leinwand usw. festgehalten wird. Bei Kugelschüssen mit Kugelgewehren wird die Irreführung häufig mit schon gebrauchten Kugeln bewerkstelligt. Sagen wir, es hätte einer ein Gewehr mit fünf Zügen, so wird er mit ziemlicher Berechtigung annehmen dürfen, daß man eine Kugel für nicht von ihm herrührend halten wird, wenn diese die Spuren von vier oder sechs Zügen aufweist. Eine solche Kugel kann er sich aber leicht ver­ schaffen, wenn er eine Kugel aus einem Gewehre mit vier oder sechs Zügen in einen Sandhaufen schießt, oder wenn er sich eine möglichst wenig verunstaltete Kugel aus dem Kugelfänger eines Schießstandes aussucht. Diese Kugel, die natürlich nicht unwesentlich kleiner sein muß, als das Kaliber des zu benützenden Gewehrlaufes, wird in Papier, Leinwand, Moos usw. gepackt und fest in den Lauf einge­ schoben. Die Züge dieses Gewehres drücken sich selbstverständlich auf der Kugel nicht mehr ab, und wird das Gewehr des Verdächtigen mit seinen fünf Zügen mit der Kugel, die vier oder sechs Züge zeigt, verglichen, so wird die Zusammengehörigkeit der beiden in den meisten Fällen ausgeschlossen. Daß eine Kugel unbenutzt oder schon mit eingeprägten Zügen von einem früheren Schusse, aus einem Schrotlaufe geschossen werden

89 kann, ist selbstverständlich. Auch sie muß kleiner sein, als der Durch­ messer des Schrotlaufes, ihre Befestigung geschieht entweder durch Umwicklung mit Papier usw., oder durch Nachschieben eines Pfropfens aus irgendeinem weichen Stoffe. Auf größere Entfernung kann man mit solcher Ladung allerdings nicht schießen, wie weit, hängt von der Beschaffenheit des Gewehres und nainentlich von der Art der Ladung ab: ob nämlich die Kugel genau in der Mitte des Laufes gelagert war, ob man die Befestigung sorgfältig veranlaßt hat usw. Diesfalls müßten Versuche unter ähn­ lichen Bedingungen angestellt werden. Überhaupt ist bei Vorderladern, namentlich bei Schrotschüssen, die Ladung von größter Wichtigkeit, wenn timit darum fragt, wie weit und scharf der Schuß tragen konnte und wie der sog. Streukegel beschaffen war, d. h. ob die Schrotkörner beisammen blieben oder stark auseinandergestreut wurden. Hierbei muß wieder zwischen Kugel- und Schrotgcwehr geschieden werden. Sieht inan bei beiden von allen Ver­ letzungen und Abnützungen ab, so handelt es sich beim Kugelgewehr in erster Linie um sorgfältige, genaue Arbeit, gutes Material, gute Erhaltung und dann um genaue richtige Ladung. Beim Schrotgewehr ist Material der Läufe und auch Art der Arbeit Nebensache, hier kommt es hauptsächlich auf das richtige Verhältnis zwischen Durchmesser und Länge der Läuse, Verjüngung des Kalibers (Choke­ bore) und Verhältnis der Läufe zur Ladung an; bei dieser ist wieder Verhältnis von Pulver und Schrot, Art der Pfropfen, ihre Be­ handlung und Verwendung von größter Wichtigkeit. Bezüglich des „Zusammenhaltens der Schrote" kommt es auch wesentlich auf alle genannten Verhältnisse, außerdem aber auf gewisse Griffe an: es ist kein Aberglauben, daß die Schrote besser beisammenblerben, wenn man sie in Leinwand einbindet, oder sie mit Unschlitt zu einem' Zapfen formt und diesen in den Lauf schiebt, weiter, daß Schrote von ungleicher Größe schlecht beisammenbleiben usw. Alle diese Eigen­ arten der Ladung machen daher das Probieren, auch mit b entfetten Gewehre und ähnlicher Munition so überaus unverläßlich — Äuße­ rungen über einen Schuß bloß nach dem, wenn auch sorgfältigen Ansehen und Untersuchen des Gewehres, sind wertlos. Bezüglich des Materials des Laufes ist zu merken, daß dies auf die Güte des Schusses keinen Einfluß hat, sondern nur auf die Dauerhaftigkeit des Gewehres und die Sicherheit des Schützen, tm ein gewöhnlicher Lauf springen, ein Band- oder Damastlauf über nur reißen kann. Band- oder Rubanläufe werden aus Eisen- und Stahlbändern, Damastläufe aus geflochtenem Eisen- und Stahldraht mit nachfolgender Beizung zusammengeschweißt, sie haben also gewebe­ artige Konstruktion und können daher nur so reißen, wie ein anderes Gewebe. Das sind natürlich bedeutende Vorteile, aber wenn ein gewöhnlicher Eisenlauf und der feinste Damastlauf neu oder in gleich abgenutztem Zustande sind (der erstere nützt sich natürlich viel eher ab), so sind beide gleich gut im Schusse. Dies ist bei der Beurteilung von Schußwirkungen stets zu beachten.

90 Für strafrechtliche Fälle sind zwei Arten von Gewehren von besonderer Wichtigkeit: die sog. Stockflinten und die zerlegbaren, sog. Abschraubegewehre, da beide zu heimlichen Zwecken dienen und oft mit nennenswertem Scharfsinn hcrgestellt werden, so daß sie nicht leicht wahrzunehmen und zu entdecken sind. Die Stockflinten bestehen aus einem gewöhnlich rohrartig lackiertem Lauf, der den eigentlichen Stock darstellt und aus einem krückenartigen Griff, der sich mitunter so auseinandcrlegen läßt, daß er einen Ge­ wehrkolben, aber gewissermaßen im Skelett, darstellt; Drücker und Hammer sind im Innern des Stockes verborgen intb können erst im Bedarfsfälle ausgeklappt werde». Eine gut gemachte Stockflintc er­ kennt man nur schwer als solche, wenn man sie nicht anfassen kann; nur beim Niederfallen hört man metallischen Klang und merkt auf­ fallendes Gewicht; ist der Erzeuger sehr vorsichtig, so bringt er an der Mündung des Laufes, also am unteren Ende des Stockes, einen vor jedem Schusse abzuschraubcnden Schuh aus Horu an, der das metallische Klingen beim Niederstellcn des Stockes fast völlig ver­ schwinden macht. In der Regel werden Stockgewehre nur zu kleinen gelegentlichen Wilddiebereien verwendet, die Behauptung, daß sie zur persönlichen Verteidigung gebraucht werden, kann meistens als Ausrede bezeichnet werden, da es für diesen Zweck wohl nicht leicht etwas ungeschickteres und untauglicheres geben kann, als ein Stockgewehr. Dagegen sind häufig allerlei hinterlistige Angriffe mit diesen Werkzeugen geschehen, und es ist daher vollkommen berechtigt, wenn man sie als gefährlich bezeichnet. Ähnliche Gesichtspunkte gelten für die sog. Abschraubegewehre, die in erster Linie wohl nur zu Wilddiebstaht verwendet werden, aber auch zahlreichen Jägern beim Kampfe mit Wildschützen den Tod gebracht haben. Ihre Erzeugung geschieht in den meisten Fällen nicht von Fachleuten, sondern von Pfuschern, die aber häufig soviel Mühe und Zeit auf die Arbeit verwendet haben, daß mitunter bewunderungs­ werte Werkzeuge zustande kommen. Die Hauptsorgfalt >vird hierbei auf die Art der Verbindung der einzelnen Teile verwendet, wobei alle er­ denklichen Formen zutage treten: Verschraubungen, Kippvorrichtungen, Charnierbewegungen, Kreuzhaken- und Spannkuppelungen, Muffen­ dopplungen und sonstige Verbindungen kommen allein oder mit­ einander in Verwendung. Das Augenmerk ist darauf gerichtet, daß die Verbindung möglichst rasch und sicher geschehen kann, unh da dieser Zweck häufig vortrefflich erreicht wird, so hat man gegebenen Falles auch hierauf zu sehen. Wo die Grenze für die Kleinheit der einzelnen Teile gegeben ist, läßt sich kaum sagen; übertrieben und sprichwörtlich sagt man: der richtige Wildschütze trage sein Gewehr in der Westentasche. Und dabei ist nicht zu übersehen, daß solche Gewehre trotz der zahlreichen Verbindungsstellen häufig sehr gut schießen. Wenn wir diese und die Stockflinten zusammen mit dem rauch- und knallschwachen Pulver bringen, so läßt sich allerdings nicht sagen, welchen Gefahren man hierbei entgegengeht.

91 Bezüglich der einzelnen Zündvorrichtungen ist vor allem zu merken, daß für unsere Fälle vielleicht vom Steinschlosse angefangen bis zum modernsten Gewehre alle Formen vorkommen können. Von den erstgenannten sind manche ausgezeichnet schießende Gewehre in die Hände von Bauern gekommen, die nicht einsehen, warum sic sich davon trennen und ein ungewohntes, neues Gewehr kaufen sollten, bei welchem die Patroncnbeschaffung schwierig und teuer ist. Diese alten Steinschlösser, die namentlich int Gebirge nicht ganz selten.sind, müssen insoferne berücksichtigt werden, als bei ihrer Benützung manche Erscheinungen kenntlich sind, indem zwischen Zünden und Losgehen Zeit vergeht, und da auch die frischen Kratzer am Pfannendeckel zeigen, wann geschossen wurde. Die Nachfolger der Steinschlösser innren die Perkussionsschlösser, bei welchen zuerst die Zündpillen und dann die kleinen Kupferkapseln statt der Feuersteine in Verwendung kamen. Diese Art der Gewehre dürfte heute noch bei der Landbevölkerung am verbreitetsten sein. Findet man bei einer Haussuchung nicht das Gewehr, so achte man auf gewisses Zubehör, das nur bei Pcrkussionsgewehren Verwendung findet: Pistons und Pistonschlüsscl, Kapselsetzcr, Pulverhörner und Schrotbeutel, geivisse Formen von Papier- und Kuhhaarpfropfen usw. Von den Hinterladern sind alle erdenklichen Systeme, oft auch gauz moderne, unter die Leute gekommen. Es erklärt sich dies daraus, daß so Manchem irgendein neues System nicht paßte und daß somit solche Gewehre um so billiger verschleudert wurden, als sie von Kennern desivegen abgelehnt wurden, weil die Patronen eines vorüber­ gehenden Systenis nicht zu beschaffen sind. An das dachten unerfahrene Käufer nicht oder sie begnügten sich mit einer kleinen Anzahl mit­ bekommener Patronen. Ebenso sind unzählige mißlungene Probestücke für Militärgewehre unter die Leute gekonimeu, und so geschieht cs, daß man mitunter in entlegenen Orten die seltensten Hinterladergewehre sehen kann. Diese aufzuzählen, hat keinen Zivcck, zumal das ivichtigste in jedem neuen Konversationslexikon nachgclesen werden kann. Bemerkt wird, daß hauptsächlich drei Gattungen von Patronen­ zündung unterschieden werden müssen. (Findet man eine volle oder ausgeschossene Patrone, so kann man wenigstens sofort auf eine der drei Gruppen bezüglich des Gewehres schließen.) Stiftzünder tragen in der Mitte des Bodens eine senkrecht zur Längsachse stehende Kapsel, in welcher ein aus der Patrone im rechten Winkel vorragender Stift steckt, auf diesen schlägt der Hahn des Gewehres. Der Lauf hat dann am unteren Ende die dem Stifte entsprechende Kerbung. Zentralzünder haben die Kapsel in der Mitte des Patronen­ bodens parallel mit der Längsachse eingefügt; der Hahn des Ge­ wehres trägt eine stumpfe, kegelförinige Spitze, welche direkt gegen die Kapsel schlägt. Randzünder haben keine Kapsel, der Zündsatz ist ringsum im Rande des Patronenbodens eingepreßt. Die Zündung geschieht durch

92 Schlag auf einen zangensörmigen Bolzen, dessen Enden auf den Patronenrand schlagen. Welcher Art eine Patrone angehört, zeigt also der erste Blick darauf. Bezüglich der Überbleibsel bei einem Schusse ist außer auf die etwa zurückgelassene leere Patronenhülse noch besonders auf die Mste des Kugelpflasters bei Vorderladern und die Pfropfen bei Schrotgewehren zu achten. Ist schon das Aufsuchen dieser Dinge nicht leicht, so gibt es noch besondere Schwierigkeiten, wenn nachgewiesen werden soll, daß z. B. irgendein Papierfetzen der Rest eines Schußpfropfens oder ein Leinwandstückchen ein Kugelpflaster sein soll, und gar, daß diese Dinge gerade zum fraglichen Schusse gehört haben. Es muß aber diesfalls zur äußersten Vorsicht gemahnt werden, weil durch Zufall oder absichtliche Irreführung unzählige Mißgriffe geschehen sind — es darf z. B. nicht vergessen werden, daß ein an den A gerichteter und als Gewchrpfropfen benützter Brief zufällig oder absichtlich auch von einem anderen verwendet worden sein kann; es sind sogar Fälle bekannt, in welchen einer mit einem Hinterlader und Filzpfropfen geschossen hat und absichtlich einen mit Pulverschmauch beschmierten und etwas angebrannten Papierpfropf hinlegte, um glauben zu machen, daß mit einem Vorderlader geschossen worden ist. Sorgfältige Untersuchung von derlei wichtigen Funden, namentlich durch Mikroskopier und Chemiker, ist unbedingt notwendig. Bon Wichtigkeit sind, wie schon oben erwähnt, die sog. Züge des Kugelgewehres. Es sind dies tiefere oder seichtere, breitere oder schmälere Rinnen im Innern des Laufes, welche nicht gerade, sondern in Windung angebracht sind: diese Windung heißt der Drall des Gewehres und soll mit den Zügen bewirken, daß sich die Kugel fest einpreßt und gewissermaßen hcrausschraubt, wodurch sie Drehung erhält und mehr eben fortfliegt. Auf die Zahl und Breite dieser Züge ist sorgfältig zu merken, weil aus ihren Abdrücken, wenigstens in der Regel, ein gewisser Zusammenhang zwischen Gewehr und Kugel nachgewiesen werden kann. Hat man ein Gewehr rasch und oberflächlich zu untersuchen (eigentliche und innere Untersuchung ist selbstverständlich den Sach­ verständigen zu überlassen), so wird man bezüglich seiner Leistungs­ fähigkeit nicht weit irregehen, wenn man vor allem auf sorgfältige Arbeit und bessere Ausstattung sieht, da es keinem Büchsenmacher ein­ fällt, ein schlechtes Gewehr kostbar auszustatten. Das weitere Augen­ merk richtet man auf die Erhaltung des Gewehres; hierbei sind alle Eingriffe, die für die Sachverständigen wichtig sein können, unbedingt zu unterlassen: Man darf also nicht mit dem Finger in die Mündung fahren, um etwa frischen Pulverschmauch zu entdecken, oder in den Lauf blasen, um zu wissen, ob das Gewehr geladen ist, ja nicht ein­ mal den Hahn spannen, weil dadurch später wichtige kleine Ver­ änderungen erzeugt werden können. Muß man unbedingt eine Unter­ suchung vornehmen, so darf dies nur mit äußerster Vorsicht geschehen; muß man z. B. wissen, ob ein Gewehr geladen ist, so mißt man mit

93 einem dünnen Stabe den Lauf auswendig und inwendig, wobei bei einem geladenen Gewehr das Jnnenmaß um die Ladung kürzer ist als das Außenmaß. Muß man wissen, wie der Lauf innen aussieht, so soll ein Hinterlader nur im äußersten Falle abgekippt werden; will man dies nicht tun oder handelt es sich um einen Vorderlader oder geladenen Hinterlader, so hält man die Mündung des Gewehres schräg gegen das Licht und führt einen schmalen Streifen weißen glatten Papieres ein; die so erzeugte Spiegelung läßt wenigstens nahe an der Mündung den Jnnenzustand des Laufes beurteilen. Muß aus irgendeiuem Grunde doch der Hahn gespannt werden, so tue man dies grundsätzlich nur über einem Blatt Papier, damit etwa abfallende Reste von Zündhütchen usw. nicht verloren gehen. Hat man eine dieser Vornahmen geschehen lassen müssen, so muß dies vermerkt werden; ebenso ist für alle Fälle der zum Messen verwendete Stab oder der als Spiegel benützte Papierstreifen usw. beizulegen. Kommt es endlich zur Untersuchung durch die Sachverständigen, so muß auch hier auf peinliche Sorgsamkeit geachtet werden. Man achte namentlich beim Entladen, daß dies über einer glatten Fläche geschehe, damit nichts verloren gehe; herausgenommene Pfropfen, Schrot, Kugeln, Pulver, abgenommene Kapseln und Patronen müssen immer abgesondert verwahrt und ebenso besonders bezeichnet werden: zur Zeit der Vornahme weiß man niemals, was später wichtig werden kann. Wird das Gewehr von den Sachverständigen zerlegt, so achte man auch hierbei auf alle Kleinigkeiten, namentlich auf die Fabriksmarke, alle, wenn auch unbedeutenden Beschädigungen und frühere Ausbesserungen, endlich auch auf Schmutz und Staub, der sich an manchen Stellen anzusammeln pflegt; so findet man z. B. bei Vorderladern in der Dille, in welche der Ladestock gesteckt wird, mitunter sogar Papierfleckchen, die wichtig sein können. Eine sorgfältige Beschreibung durch die Sachverständigen verdient endlich auch der Zustand aller Nebenvorrichtungen, von denen doch oft der Schuß abhängt. (Abgehen des Drückers, sicherer Stand und Schlag des Hahnes, Unversehrtheit von Visier und Mücke usw.). Nicht zu vergessen ist auch eine Angabe, ob sich an der Außenseite der Waffe Feuchtigkeit, Flecken und Spuren sowie sonstige Verunreinigungen finden, und eine Bemerkung über die Beschaffenheit des Ortes, wo das Gewehr gefunden wurde. Das ist namentlich dann wichtig, wenn der Erhaltungszustand des Gewehres und seine Brauchbarkeit davon ab­ hängig sein kann; ist z. B. das Gewehr lang geschäftet und an einem feuchten Orte, wenn auch nur kurze Zeit, verwahrt, so kann sich der Holzschaft verziehen, wodurch eine kaum wahrzunehmende, aber den Schuß lebhaft behindernde Krümmung des Laufes entstehen kann. Besondere Vorsicht verlangt die Entladung eines VorderladerKugelgewehres. In der Regel wird dies von den ^Sachverständigen" mit einem mehr oder minder guten Kugelzieher besorgt; dieser wird in die Kugel eingebohrt und so kommt diese gewöhnlich nach mehreren vergeblichen Versuchen in beklagenswertem Zustande zum Vorschein. Handelt es sich dann später um weitere Untersuchungen, so sind diese

94 in der Regel mit der zerstörten Kugel nicht anzustellen. Wenn anders möglich, bestehe man daher in einem solchen Falle darauf, daß, was allerdings mühsam und unter Umständen nicht ungefährlich ist, die sog. Schwanzschraube entfernt und die Ladung von hinten gewonnen werde; wird dies geschickt gemacht, und wird die Kugel mit einem weichen Holzstabe von der Mündung aus zurückgedrückt,' so erhält man das Geschoß fast im selben Zustande, wie es sich im Laufe befunden hatte. Sehr oft werden Gewehre und auch Handschießtvaffeu aus Sicher­ heitsgründen entladen, ehe dem Uiltersuchuugsrichter die Anzeige er­ stattet und die Möglichkeit gegeben wurde, zur Frage der Unter­ suchung der Waffe Stellung zu nehmen. Ich halte diesen Borgang für vollkommen verfehlt, weil hierdurch mitunter sehr wichtige Be­ weise verloren gehen können. Meines Erachtens wird es bei nicht allzu großen Entfernungen kaum schwierig sein, deni Untersuchungs­ richter das Gewehr, wie man es gefunden, nur mit entsprechender Sicherung von Hand zu Haud zu übergeben. Sind die Entfernungen allzu große, so ist das Gewehr vorerst in Verwahrung der Sicherheits­ behörde zu belassen. Vielleicht gestattet der Untersuchungsrichter mit Rücksicht auf die übrige Beweislage die Entladung in seiner Ab­ wesenheit. Hält er die Besichtigung des nicht entladenen Gewehres jedoch für sehr wichtig, dann wird er unter Umständen einen gericht­ lichen Augenschein an Ort und Stelle unter Zuziehung der Sach­ verständigen anordnen, andererseits die Abholung der Waffe ver­ anlassen. 2. P i st o l e n und T e r z e r o l e. Diese vormals so wichtigen Waffen haben infolge des geringen Preises der Revolver und Repetierpistoleu ihre Bedeutung sehr ein­ gebüßt. Am ehesten sind sie in der Kriminalistik noch beim Zwei­ kampf und bei zweifelhaften Selbstmorden zu finden; zu Angriffen auf fremdes Leben werden zumeist Revolver benützt. Über den Unterschied zwischen Pistolen und Terzerolen wurde oben gesprochen; sicheren Schuß gewährt verhältnismäßig die Pistole, die meistens mit Absehen erzeugt wird; zu hinterlistigem und gefähr­ lichem Angriff taugt besser das in der Regel kurze Terzerol, mit welchen häufig aus der Hosen- oder der Rock­ tasche auf den nichts ahnenden Gegner ge­ schossen wird. Auffallend verbreitet ist auch bei uns die . amerikanische Art zu schießen, durch welche es in der Tat ermöglicht wird, auch im Finstern zu treffen, wenn man die Stellung des Gegners durch seine Stimme oder Schritte usw. weiß. Der Amerikaner ist gewöhnt, nicht mit dem Zeigefinger,

95 sondern dem Mittelfinger loszudrücken, während der Zeigefinger parallel mit dem Laufe an diesen angelegt wird. Hierdurch hat man über die Richtung des Laufes durch das Gefühl des Zeigefingers eine verhältnismäßig recht genaue Kenntnis. Handelt es sich darum, die Treffsicherheit einer dieser Waffen zu bestimmen, so halte man sich gegenwärtig, daß hier die Unterschiede sehr wesentlich sind; während man mit der langen, sorgsam gear­ beiteten, mit Visier und Korn versehenen und gezogenen Scheiben­ pistole besser schießt, als mit manchem Gewehr, weiß man bei manchem kleinen Terzerol, sog. Puffer, kaum, wo die Kugel hingeht. 3. R e v o l v e r. Bon den ersten Revolvern, bei welchen die Trommel eigentlich sechs Vorderlader bildete, die mit Pulver, Kugel und Kapsel besonders geladen wurden, sind nur mehr wenige in Sammlungen erhalten. Was heute in großer Menge im Besitze der Leute ist, sind Revolver, die sich fast nur in die,älteren Stiftzünder und die neueren Zentral­ zünder unterscheiden, von welch letzteren viele noch mit sog. Patronen­ auswerfern versehen sind. Im übrigen unterscheiden sich die Revolver nur durch Größe und Kaliber und durch die Güte der Arbeit, welch letztere bei keiner Schußwaffe solchen Unterschied zu machen vermag, als gerade beim Revolver. Gleichwohl ist die Frage, ob ein Revolver gut oder schlecht schießt, niemals auf den ersten Blick zu unter­ scheiden; der älteste, verrostete und scheinbar wertlose Revolver kann vortrefflich schießen, und schöne und moderne Revolver sind gar nichts wert, ja es kann sogar bei demselben Revolver ein Teil der Schüsse sehr scharf kommen und ein Teil ganz ungefährlich sein. Zum Teil um dies zu erklären, zum Teil wegen der großen Zahl der mit Revolvern begangenen Verbrechen, werde der Revolver kurz be­ schrieben. Außer dem Griff, dem Drücker, dem Hahn, der Gehäuse­ wand sTronunelrahmen), dem Patronenschieber und der Garnitur besteht der Revolver noch aus der sog. Trommel und dem Lauf. Die Trommel ist ein Stahlzylinder, welcher eine Zentralbohrung für die Drehachse und soviele, im Kreise um die Drehachse angebrachte weitere Bohrungen hat, als der Revolver auf einmal Ladungen haben soll. In der Regel sind es deren sechs. Die Drehachse ist um so viel tiefer als die Laufachse angebracht, daß immer eine der Trommelbohrungen die oberste, in derselben Achse wie die des Laufes zu liegen fonwit; Durch eine Vorrichtung wird bewirkt, daß sich beim jedesmaligen Spannen des Hahnes die Trommel um soviel nach rechts dreht, daß wieder ihre nächste Bohrung in der Laufachse zu liegen kommt. Hieraus ergibt sich, daß jede Kugel während des Schusses ihren Weg zum Teile durch die Trommelbohrung, zum Teile durch den eigent­ lichen Lauf nehmen muß, und hieraus ergibt sich wieder weiter, daß sie beim Übergange aus der Trommel in den Lauf eine, wenn auch uoch so kurze Strecke springen muß, Allerdings kann sich die Trommel ein klein wenig zwischen Hahn und Lauf bewegen und wird daher durch die nach vorne drängende Kugel gegen den Lauf gepreßt. 'Dies gelingt aber nur bei sorgfältiger Arbeit und guter Erhaltung des

96 Revolvers, int Gegenfalle paßt Trommelbohrung und Lauf weder zentral noch seitlich zusammen, Pulvergase entweichen und die Kugel windet sich nur mühsam aus der Trommel in den Lauf. Entstehen schon hierdurch wesentliche Verschiedenheiten bei einzelnen Revolvern und einzelnen Schüssen aus demselben Revolver, so werden diese Verschiedenheiten noch gesteigert durch die Verschiedenheit der ein­ zelnen Patronen. Abgesehen davon, daß diese nur in den besten Fabriken vollkommen gleichmäßig erzeugt werden, so übt die Zeit auf die Patronen nicht die gleiche Wirkung aus. Das Pulver zersetzt sich nach und nach in jeder Patrone (sog. protrahierte Explosion), wie rasch dies aber geht, hängt wahrscheinlich, abgesehen von feuchter oder trockener Aufbewahrung, davon ab, wie die Kugel in die Metallhülse eingepreßt wurde. Tatsache ist es, daß von einer Anzahl Patronen aus demselben Paket ein Teil sehr scharf, ein Teil elend schießt, wobei die Zahl der letzteren immer größer wird, je länger und je schlechter sie aufbewahrt bleiben. Daraus folgt, daß eigentlich über die Wirkung eines Revolver­ schusses selbst dann nichts bestimmtes gesagt werden kann, wenn man auch weiß, aus welcher Bohrung der Schuß gekommen ist; die be­ treffende Patrone hat man einmal nicht mehr und Vergleiche mit anderen geben nur ungefähre Sicherheit. Diese läßt sich vergrößern, wenn man vor allem dafür sorgt, daß kein Zweifel darüber entstehen kann, mit welcher Bohrung der fragliche Schuß abgegeben lvurde; es ist aber in der Regel nicht mehr festzustellen, da in unbegreiflicher Sorglosigkeit mit dem bei der Tat verwendeten Revolver vom ersten, der ihn in die Hand bekommt, herumgespielt und herumgedreht wird. Ein weiterer Anhaltspunkt, aber nicht mehr als dies, läßt sich finden, wenn man eine größere Anzahl von Patronen aus demselben Paket zur Verfügung hat, aus welchem die verwendete Patrone stammte. Werden diese sorgsam untersucht und hatten sie alle die gleiche Be^ schaffenheit, so darf allerdings angenommen werden, daß die ver­ wendete Patrone auch nicht anders war. In der Regel werden die untersuchten Patronen aber verschiedene Eigenschaften zeigen, und dann ist keinerlei Schluß auf die verwendeten zulässig. Auch daraus ergibt sich, wie zweckwidrig das nicht sachgemäße Entladen gerade bei den Revolvern ist; die wichtigsten Spuren können auf diese Weise unwiederbringlich verloren gehen. 4. Selbstladepistolen. Diese neuesten Waffen nehmen an Verbreitung ungemein zu, da sie überall verhältnismäßig billig und unter den günstigsten Zahlungs­ bedingungen erhältlich sind. Sie eignen sich — namentlich die Taschen­ pistolen — auch am besten zu heimtückischen Angriffen, zumal der Schuß meist nur wie ein Peitschenknall vernommen wird, daher leicht mißdeutet, ja auch überhört werden kann, was die Entdeckung der Tat erschwert. Dies und die außerordentliche Durchschlagskraft diesser Waffen machen sie zu den gefährlichsten. Die Abbildung 27 stellt eine Browningpistole der Waffensabrik in Herstal bei Lüttich dar. Vor dem Kriege waren 300 000 Stück;

97 solcher Pistolen verkauft gewesen. Man beachte die Größenverhält­ nisse, die es ermöglichen, die Waffe in der Westentasche zu tragen und die den heimtückischsten Angriff gestatten. Die Zahl der Sy­ steme solcher Selbstlade­ pistolen ist eine überaus große. In Österreich ist das System „Stadt Steyr" am meisten ver­ breitet. 5. Die Munition. Diese ist für den Kri­ minalisten ebenso wich­ tig, wie die Waffe selbst, namentlich bei den Vor­ derlader - Schrotgeweh­ ren, bei denen die Abbild. 27. Schußwirkung jedes ein­ Caliber 6,3b Millimeter siebenschüssig. tiänge 111/« Zentimeter, Gewicht 350 (Sh ii nun. zelnen Schusses nur nach (Nach der Preisliste der Waffenfabrik Herstal bei Lüttich). dessen Ladung sicher be­ urteilt werden kann. Für die Schärfe des Schusses ist beim Kugelgewehr die Kugel (deren richtiges Aufsitzen und richtiges Verhältnis zum Gewehr­ kaliber), beim Schrotgewehr der Pfropfen von der größten Bedeutung; beide haben die Aufgabe, das Entweichen der Gase zu verhindern, diese voll auszunützcn und das Verbrennen des Pulvers herbeizuführen. Es ist daher beim Schrotgewehr die Untersuchung des Pfropfens zur Beurteilung des Schusses unbedingt nötig. Wie bereits erwähnt, traten an die Stelle der Kugel, die nur selten noch angetroffen wird, mit der Zeit die sog. Spitzgeschosse, die ein besseres Einpressen des Geschosses in den Lauf durch die Wirkung der Explosionsgase ermöglichen.. Wir unterscheiden: n) Kompressionsgeschosse, die an ihrem rückwärtigen Teil tiefe Riefelungen tragen, welche durch die nachwirkenden Pulver­ gase zusammengedrückt, somit ringförmig auseinander- und in die Gewehrzüge eingepreßt werden; sie stehen senkrecht zur Längsachse des Geschosses. b) Expansionsgeschosse. Diese sind an der rückwärtigen breiten Seite mit einer Höhlung versehen, durch welche die eintretenden Pulvergase die Wände der Höhlung auseinander- und in die Züge einpressen. Durch eine in die Höhlung eingefügte Scheibe aus Holz, Ton oder Metall (Treibspiegel) kann diese Wirkung noch verstärkt werden (vgl. S. 84). c) Die Pressionsgeschosse sind massiv erzeugt und zeigen am Führungsteile mitunter Kannelierung. Nicht übersehen darf werden, daß seit Beendigung des Krieges sich eine Menge von Spezialmunition im Privatbesitz befindet, die auf

030

Groß-Höpler, Erforschung.

6. Ausl.

7

98 besondere Durchschlagskraft eingerichtet war (Wachpatronen, Patronen gegen Maschinengewehrpanzer, Flugzeuge u. a.), aber mit unhalt­ barem Kriegspulver geladen ist, das mit der Zeit der Selbstentzündung unterliegt. Es können daher durch das bloße Aufbewahren solcher Munition die schwersten Unglücksfälle herbeigeführt werden. B. Hieb- und Stichwaffen. Im weitesten Sinne genommen, kann als Hieb- und Stichwaffe allerdings eine unabsehbare Menge von Gegenständen bezeichnet werden, alles, womit man hauen oder stechen kann. Zu bemerken ist diesfalls nur, daß man bei der ersten Beurteilung einer Verletzung bezüglich des verursachenden Werkzeuges (etwa noch vor Ankunft Sachverständiger) sehr vorsichtig sein muß und namentlich keinen folgenschweren Schluß fällen darf, durch den die Werkzeuge auf einen bestimmten Kreis eingeschränkt, oder ein gewisses Gebiet ganz aus­ geschlossen werden soll. Ebenso traue man sich da nie ein endgültiges Urteil zu und vergesse auch nicht, daß für die äußere Verletzung und für die Frage, welches Werkzeug in Anwendung gekommen sein konnte, eine Reihe von Handwerkern, oft Landleute usw., schätzenswerte Aus­ künfte geben können. Auch wenn die Gerichtsärzte bereits gesprochen und vorsichtigerweise z. B. bloß von „einem spitzen, zum Stechen geeigneten" oder von „einem stumpfen, zum Schlagen passenden Werkzeuge" sprechen durften, kann man noch immer allerlei Werk­ leute um ihre Meinung fragen. Was sie sagen, ist selbstverständlich kein maßgebendes Gutachten, es kann aber zu weiteren Forschungen und Fragen an die Ärzte dienen. Als Regel hat zu dienen, daß man sich immer ein ähnliches Werkzeug verschafft, wie jenes ist, auf welches der Verdacht gelenkt wird, selbst wenn man das betreffende Werkzeug auch sonst gut kennt. Man stellt sich auch die gewöhnlichsten Dinge, namentlich bezüglich ihrer Größe und Ausdehnung, falsch vor; wird daher irgendein Werk­ zeug als das verursachende genannt, so wird man häufig anders urteilen, wenn man bloß nach der Erinnerung schätzt, als wenn man sich ein solches Werkzeug verschafft und es in natura mit der Wunde vergleicht. Bezüglich der eigentlichen Hieb- und Stichwaffen sind einige Ausdrücke hinsichtlich ihrer Anwendung nicht gleichgültig.

Hiebwaffen sind: a) der Säbel; so heißt eine Hiebwaffe dann, wenn sie lang, ge­ schwungen und nur vorne zweiseitig, dann aber bloß einseitig geschliffen ist. Ist das Blatt (zur Gewichtsverminderung) der Länge nach leicht ausgenommen, so heißt dies Blutrinne. Der Griff besteht aus dem eigentlichen, gewöhnlich rauh gehaltenem Heft, dem Faustschutz, dem sog. Korb mit Parierstange oder Parierblatt; d) der Pallasch ist ein gerader, häufig durchaus zweischneidiger

Säbel;

99 c) der Degen ist auch gerade und spitz und dient nur zum Stich; ck) Handschar ist geschwungen, mit bedeutender Vorschwere und von hechtschnabelartiger Form; er hat bloß Heft, keine Parier­ stange, keinen Korb; e) Aatag an ist dem Handschar ähnlich, aber viel gerader, schmäler und leichter, bloß vorne leicht aufgeschwungen; f) Hirschfänger ist halblang, gerade, ohne Korb, mit Stichblatt und Heft versehen. Vor Zeiten war er ein wirklicher Säbel. Zu den Stichwaffen gehören:

a) vor allem sämtliche mess er artigen Werkzeuge, die wir so nennen, wenn sie Rücken und Schneide haben und eigentlich zum Schneiden bestimmt sind; die Spitze kann zweiseitig geschliffen sein; b) der Dolch hat keinen Rücken, sondern zwei, drei, vier, selten mehr Schneiden; seit dem Kriegsende spielt der als Kriegswerk­ zeug eingeführte zweischneidige Jnfanteriedolch bei Körperver­ letzungen häufig eine Rolle; c) das Wort Stilett hat keine feste Bedeutung; in der Regel nennt man so einen Dolch mit geringer Breite; es kann so kurz sein, wie ein Dolch, darf aber die Länge eines Degens nicht erreichen; ist in einem Spazierstock ein Stoßeisen verborgen, so nennt man ihn einen Degenstock, wenn das Eisen lang ist, einen Stilettstock, wenn es nur kurz ist; d) Knicker heißt ein kurzes, im Griff feststehendes Messer, in der Regel mit schwach 8 förmiger Parierstange und etwa bis zur Hälfte zweischneidig geschliffen; e) Standhauer heißt ein langes, schweres, vorne meist halbrund geschliffenes Messer mit meist rundem Stichblatt und schwerem Rücken. Die Verletzungen, die durch diese einzelnen Waffen zugefügt werden, | a JL, können in der Regel aus der Wunde f I allein von den Sachverständigen beAbbild. 29. züglich des verletzenden Werkzeuges Durchschnitt der Dolch- u. smettform««. unterschieden werden. X. Abschnitt.

Über Spuren. A. Fußspuren. I. Allgemeines.

Die Wichtigkeit der Fußspuren ist vielfach übersehen worden, weil man sie nicht zu finden und zu verwerten versteht; infolgedessen werden sie auch in Berichten selten erwähnt, und wenn dies geschieht, so ist das Gebrachte nicht verwendbar, ja wegen Ungenauigkeit und Unrichtigkeit sogar irreführend und gefährlich. Allerdings erfordert das Finden und Verwerten von Fußspuren Vorübung und Mühe. 7*

99 c) der Degen ist auch gerade und spitz und dient nur zum Stich; ck) Handschar ist geschwungen, mit bedeutender Vorschwere und von hechtschnabelartiger Form; er hat bloß Heft, keine Parier­ stange, keinen Korb; e) Aatag an ist dem Handschar ähnlich, aber viel gerader, schmäler und leichter, bloß vorne leicht aufgeschwungen; f) Hirschfänger ist halblang, gerade, ohne Korb, mit Stichblatt und Heft versehen. Vor Zeiten war er ein wirklicher Säbel. Zu den Stichwaffen gehören:

a) vor allem sämtliche mess er artigen Werkzeuge, die wir so nennen, wenn sie Rücken und Schneide haben und eigentlich zum Schneiden bestimmt sind; die Spitze kann zweiseitig geschliffen sein; b) der Dolch hat keinen Rücken, sondern zwei, drei, vier, selten mehr Schneiden; seit dem Kriegsende spielt der als Kriegswerk­ zeug eingeführte zweischneidige Jnfanteriedolch bei Körperver­ letzungen häufig eine Rolle; c) das Wort Stilett hat keine feste Bedeutung; in der Regel nennt man so einen Dolch mit geringer Breite; es kann so kurz sein, wie ein Dolch, darf aber die Länge eines Degens nicht erreichen; ist in einem Spazierstock ein Stoßeisen verborgen, so nennt man ihn einen Degenstock, wenn das Eisen lang ist, einen Stilettstock, wenn es nur kurz ist; d) Knicker heißt ein kurzes, im Griff feststehendes Messer, in der Regel mit schwach 8 förmiger Parierstange und etwa bis zur Hälfte zweischneidig geschliffen; e) Standhauer heißt ein langes, schweres, vorne meist halbrund geschliffenes Messer mit meist rundem Stichblatt und schwerem Rücken. Die Verletzungen, die durch diese einzelnen Waffen zugefügt werden, | a JL, können in der Regel aus der Wunde f I allein von den Sachverständigen beAbbild. 29. züglich des verletzenden Werkzeuges Durchschnitt der Dolch- u. smettform««. unterschieden werden. X. Abschnitt.

Über Spuren. A. Fußspuren. I. Allgemeines.

Die Wichtigkeit der Fußspuren ist vielfach übersehen worden, weil man sie nicht zu finden und zu verwerten versteht; infolgedessen werden sie auch in Berichten selten erwähnt, und wenn dies geschieht, so ist das Gebrachte nicht verwendbar, ja wegen Ungenauigkeit und Unrichtigkeit sogar irreführend und gefährlich. Allerdings erfordert das Finden und Verwerten von Fußspuren Vorübung und Mühe. 7*

100 Als Vorübung kann jeder Dienst- oder Spaziergang auf kotiger, beschneiter oder staubiger Straße verwendet werden; am besten eignet sich recht feiner Straßenstaub zu Beobachtungen, wenn man sich zuerst die verschiedenen Formen, Größen, Entfernungen und sonstige Eigen­ tümlichkeiten der verschiedenen wahrzunehmenden Spuren genau ein­ geprägt und studiert, dann einzelne Spuren herausgreift und solange als möglich zu verfolgen sucht. Man gewinnt sofort Interesse und überraschend bald bedeutende Kenntnisse und Geschicklichkeit, auch im Finden und Festhalten von undeutlichen oder nur teilweise erhaltenen Spuren. Ohne diese, länger fortgesetzten Vorübungen, vermag man im Ernstfälle nie etwas zu leisten, während sie, wenn einigermaßen mühsam betrieben, bald bedeutende Erfolge sichern. Im Ernstfälle ist fast das Wichtigste: nichts verderben; es muß verhindert werden, daß die vorhandenen Spuren zerstört werden, und daß neue Spuren Verwirrung anrichten. Um dies zu erreichen, ist vor allem Schnelligkeit nötig, damit nicht Neugierige oder die Haus­ leute herumtreten. Man sorge also sofort dafür, daß niemand weiter auf dem Tatorte herumgehe, man habe aber auch darauf acht, daß man nicht selbst Spuren erzeuge, die später Zweifel erregen könnten. Sobald als möglich trachte man, solche Spuren, die wichtig sind oder sein könnten, zu schützen: darüber gelegte Kistchen, unterstützte und unterlegte Brettchen oder flache Steine tun die besten Dienste; im Notfälle und für kurze Zeit genügen auch daneben in den Boden gesteckte Holzstückchen u. ähnl. Wichtig ist es auch, daß man nicht bloß unmittelbar auf dem Tatorte, sondern auch in größerer Entfernung davon ebenfalls nach Spuren suche; dort werden andere Leute noch nicht so viel herumgetreten sein und es läßt sich leichter feststellen, ob eine Spur vom Täter herrührt oder nicht; häufig wird sich dieser nicht auf dem gewöhnlichen Wege, sondern rück- oder seitwärts vom Hause wegbegeben haben; man wird, wenn dies in der Nacht geschehen ist, häufig feststellen können, daß der Täter den Weg nicht gut gesehen hat: er ist an einem Steine angestoßen, über eine Unebenheit gestolpert, ist einer Pfütze nicht ausgewichen, hat vielleicht über einen Zaun, eine Hecke usw. steigen müssen, ist im Bogen zur Straße zurückgekehrt, er hat neben sich etwas weggelegt und wieder ausgenommen — alles Umstände, die sich an der Spur leicht wahrnehmen lassen und stets eher auf den Täter als auf zufällige Entstehung schließen lassen. Hat man das Suchen und Schützen der Spuren beendet (wobei man vorläufig lieber zu viel als zu wenig als verdächtig ansieht), so geht man an eine Sichtung der Spuren, indem man (durch Fragen und Messen) darauf zu kommen sucht, welche von den für verdächtig gehaltenen Spuren von Hausleuten, Nachbarn und sonst Dazu­ gekommenen entstanden sind. Was dann übrig bleibt, betrachtet man einstweilen als wichtig und geht an das Sichern der Spuren. Jede wichtige Spur muß zum mindesten genau beschrieben und vermessen werden. Die Beschreibung betrifft nicht bloß das Aussehen der Spur, sondern auch ihre Lage, Richtung und ihre Umgebung (Entfernungs­ angabe vom Tatort usw.).

101 Bei der Vermessung gehe man tunlichst vorsichtig vor, nehme möglichst viel Maße und bestimme deren Richtungen so, daß später kein Zweifel entsteht, ob gerade oder schief gemessen wurde. Am besten: vorerst die Länge der Spur in der Mitte gemessen, und dann alle Quermaße immer senkrecht auf das Längsmaß. Solche Ver­ messungen sind mitunter sehr schwierig und es werden verschiedene Vermessungsarten empfohlen. Hakon Jörgensen in Kopenhagen hat einen sog. „Millimeterspurmesser" erfunden, den er auch zum Messen von Fußspuren verwendet, der aber meines Erachtens für den die ersten Erhebungen pflegenden Kriminalisten, der rasch arbeiten muß, zu mühsam und verwickelt, übrigens wohl auch zu kostspielig ist, um an alle Gendarmen verteilt zu werden. Ich möchte dache'-, empfehlen, dort, wo man auf ein Messen der Fußspuren angewieM ist, nach dem oben Angedeuteten die Messung durchzuführen und womöglich die Spur zu sichern, damit eine abermalige Messung seitens des Untersuchungsrichters möglich ist, falls dieser eine solche nach besonderen Gesichtspunkten oder mit eigenen Meßapparaten für nötig finden sollte. Wenn halbwegs möglich, zeichne.man auch die Spur ab, wenn auch noch so unbeholfen, denn durch die Größenangaben wird die Zeichnung ja ergänzt; handelt es sich um einen Fuß abdruck (nicht Eindruck), so muß gezeichnet werden, ebenso wie ein Ein­ druck, wenn anders möglich, abgeformt werden soll (s. später). Sehr vorteilhaft, aber selten durchzuführen ist das Photographieren einer Spur. Besonders dann, wenn Gefahr vorliegt, daß die Spur beim Abformen verdorben wird, ist ein vorausgegangenes Photographieren höchst wichtig. Auch ein Abpausen der Fußspur ist nicht schwierig, doch muß es möglichst vorsichtig ohne Gefährdung oder Änderung der Spur erfolgen. Bei einem Fußabdruck genügt das Auflegen von Paus­ papier, Pausleinwand oder Zellit, bei einem Fuße in druck kann die infolge der Unebenheit entstehende Schwierigkeit des Abpausens durch eine Glasscheibe beseitigt werden, die in einen, die Spur um­ fassenden Rahmen eingespannt und dem Eindruck möglichst nahe gebracht wird, worauf sie bei halbwegs entsprechender Beleuchtung als Unterlage für das Abpausen zu verwenden ist. Aber^ allein kann man mit Spuren und deren Verwertung nicht immer fertig werden, man braucht mehrseitige Unterstützung. Der wichtigste Gehilfe in Fragen von Fußspuren ist der Arzt, der namentlich dann unersetzlich ist, wenn aus der unregelmäßigen Spur geschlossen werden soll, ob der, der die Spur erzeugt hat, etwa fuß­ leidend (krumm, lahm, hinkend, plattfüßig usw.) oder krank (infolge gewisser Hirn- oder Rückenmarksleiden, Lähmungen, Gicht usw.), oder schwer verletzt, betrunken oder von auffallender Erscheinung (sehr groß, klein, besonders dick) usw. gewesen ist. Da der Laie aber selten im voraus beurteilen kann, ob nicht solche wichtige Fragen zur Sprache kommen werden, so soll in wichtigen Fällen die Heranziehung eines Arztes nie versäumt werden. Sehr viel Hilfe kann unter Umständen ein erfahrener Jäger,-

102 bringen, namentlich wenn es sich um das Alter einer Spur, ,um Fragen über Glitschen, Rutschen, Springen und namentlich um das Weiterverfolgen einer wiederholt verlorenen Spur handelt. Führt die Spur durch Feld und Wald, so ist die Hilfe des Jägers fast unentbehrlich. In anderer Richtung ist der Schuster ein brauchbarer Gehilfe; er kann sagen, ob das Schuhwerk landesüblich, städtisch oder ländlich, alt oder neu, Passmd oder drückend ist, er findet aufgesetzte Flicke und sonstige Ausbesserungen, Sonderlichkeiten in der Benaglung, vielleicht auch im Tritte, kurz auf ihn ist in wichtigen Fällen nicht zu vergessen; allerdings must er ein intelligenter Mann und für die Sache intevessiert sein. II. Besonderes.

A. Allgemeine Erscheinungsformen. 1. Bekleidung. Ob der Fuß, der die Spur erzeugt hat, nackt oder bekleidet war, hat ins »ferne Bedeutung, als davon die Feststellungsart abhängt. Der nackte Fuß hat weichere, runde Formen, die Abdrücke sind daher nicht kantig und bestimmt, so daß das Messen sehr schwer wird, zumal es auch in dm Messungen Unterschiede macht, ob der Fuß nur seicht, mit der Sohle, aufgetreten oder in der Unterlage (Kot, Staub, Sand) tiefer eingesunken ist, so daß die Seitenteile des Fußrandes den Ab­ druck erzeugt haben. Dafür hat aber der nackte Fuß, wenn man so sagen darf, mehr Physiognomie, er ist leichter zu merken, es gibt keine Fälschung (durch zu große oder zu kleine Schuhe). Der Mangel an Physiognomie des beschuhten Fußes ist um so fühlbarer, je mehr die Fabriksware auch auf dem flachen Lande die Heimarbeit verdrängt, so daß sich auf den Großteil der Bewohner eines ganzm Gebietes nur eine Anzahl von Schuhgrößen verteilt, innerhalb deren alle Schuhe einander gleichen, solange sie nicht einer Herrichtung unterzogen wurden, oder die besondere Art der Abnützung (Abtreten des Wsatzes, der Spitze usw.) auf Eigenarten des Trägers hindeutet. Schließlich kann man die Schuhe wechseln, den nackten Fuß aber nicht. Gegen diese wichtigen Merkmale des unbekleideten Fußes hat der beschuhte wieder den Vorteil, daß Sohle und Absatz scharfe, deutliche Kanten, daher leicht und genau messbare Spuren haben, wobei noch vorkommmden Falles Nägel, aufgesetzte Flicke und schadhafte Teile deutliche und nicht leicht zu verwechselnde Merkmale bieten. Man wird also den Spuren des nackten und beschuhten Fußes gegenüber anders Vorgehen müssen, bei ersterem muß man sich mehr mit Beschreiben und Zeichnen helfen, während man bei letzterem Mehr messen und zählen kann. Die Photographie ist in beiden Fällen gleich wertvoll.

2. Entstehungsart. Wir sprechen von Fußabdruck, wenn der Fuß in irgendeine färbende Flüssigkeit und dann auf eine mehr oder minder glatte, feste Unterlage getreten ist — und von Fuß eindruck, wenn der Fuß

103 in irgendeine formbare Masse getreten ist und darin seine Form ganz oder teilweise zurückgelassen bat. Erstere sind daher Flächengebilde, letztere Körpergebilde. Die Abdrücke kommen verhältnismäßig selten vor, da sie einerseits die färbende Masse und andererseits eine passende Fläche zu ihrer Entstehung nötig haben; am ersten kommen sie noch im Innern von Gebäuden vor, wenn der Eingedrungene ein Gefäß umgestoßen hat, oder im Freien, wenn einer in dünnen Kot usw. getreten ist. Auch Blut kann das Mittel für Fußabdrücke liefern. Man merke, daß Abdrücke wesentlich verschieden aussehen, je nachdem auf dem Fuße mehr oder weniger Farbmasse haftete; tritt jemand in Farbe (auch bloß in Wasser) und dann auf eine glatte Fläche, so sind die ersten Abdrücke groß, voll, breit, fast wie von einem Plattfüße herrüh'rend (bei nackten Füßen); jeder spätere Abdruck wird kleiner, dünner, schmäler, zuletzt nur aus runden Flächen (Ferse, Ballen, Zehen), ohne Verbindung, bestehend — kurz, der erste hat mit dem letzten, noch wahrnehmbaren, wenig Ähnlichkeit. Deshalb muß man im Ernstfälle von der verdächtigen Person unter möglichst ähnlichen Umständen (ähnliche Farbe, ähnliche Unterlage) eine Reihe von Abdrücken machen lassen und zum Vergleiche mit der fraglichen Originalspur jene aus­ suchen, die möglichst gleich viel Farbmasse aufweist. Die Eindrücke sind desto häufiger; sie finden sich in Erde, Lehm, Kot, Sand, Schlamm, Schnee, Staub, Mehl, in feinen Ab­ fällen, unter Umständen auch in Gras, Moos, feuchten Stoffen usw. Die Hauptschwierigkeit besteht, abgesehen vom Schützen und Erhalten, darin, daß die Eindrücke häufig wesentlichen Veränderungen, nament­ lich durch Ausdehnen der zusammengedrückten Unterlage und deren Austrocknen ausgesetzt sind. Außerdem sind sie auch oft schwierig als Spuren zu erkennen, wenn nur kleine Teile auf mehr oder minder harter Unterlage erhalten sind. 3. Bewegungsart. . Unter Umständen läßt sich die Spur von Gehen, Laufen und Springen ganz gut unterscheiden. Von einer eigentlichen Stehspur läßt sich nicht reden, da das Stehen stets der Anfang oder das Ende von Gehen sein wird. Daß einer stehen geblieben ist, erkennt man an dem Nachsetzen des zweiten Fußes, worauf (zur völligen Herstellung des Gleichgewichtes) gewöhnlich der erste Fuß ebenfalls um eine kleine Strecke nachgesetzt wird, so daß die Spur des ersten Fußes doppelt erscheint. Ist einer länger stehen geblieben, so wird in der Regel öfter gewechselt, hin- und hergetreten, so daß man mit einiger Sicher­ heit sagen kann: Je öfter hin- und hergetreten, desto länger gestanden. Wichtig ist es, zu untersuchen, warum einer stehen geblieben ist, da man bisweilen feststellen kann, daß er z. B. hier einen Ausblick hatte, nach rückwärts sehen konnte, daß er über die einzuschlagende Richtung zweifelte, wegen eines Hindernisses überlegte usw. Dies kann zu dem Schlüsse führen, ob er bei Tag ging, also etwas sehen konnte, ob er mit der Gegend vertraut oder in ihr fremd war, was er beabsichtigte, ob er sich mit einem Genossen verständigte usw.

104 Gehen und Laufen zu unterscheiden ist nicht so leicht, als man meistens annimmt, und sicher zu unterscheiden ist es nur, wenn mehrere Spuren zur Verfügung stehen und wenn diese halbwegs gut ausgeprägt sind. Vor allem wichtig ist die Schrittlänge in Ver­ bindung mit der Größe des Fußes. Kann man aus letzterer an­ nehmen, daß es sich um einen erwachsenen Mann handelt, so kann man Gehen annehmen bei einer Schrittlänge von 76—87 Zentimeter. Kleinere Schritte als 76 und größere als 87 Zentimeter kommen bei Erwachsenen selten vor; 78 ist das häufigste Maß, Mittelmaß kann mit 80 Zentimeter angenommen werden. Ist die Schrittlänge gegen die Fußlänge auffallend klein, so darf auf einen alten Mann geschlossen werden. Man behauptet, daß derselbe Mann mit 30 Jahren um 10 Zentimeter größere Schritte macht, als mit 60—70 Jahren. Ist die Schrittlänge größer als 98 Zentimeter, so kann sicher Lauf angenommen werden. Das Laufen geschieht so, daß man mit einem Fuße vom Boden abschnellt, eine Strecke in der Luft fliegt, und mit dem anderen Fuße auf den Boden tritt, um wieder abzuschnellen. Man muß also an der Spur das Abschnellen und Niederfallen er­ kennen; ersteres durch starkes Eindrücken der Fußspitze (vor­ dersten Schuhkante bzw. beim nackten Fuß der Zehenspitzen), letzteres durch Eindrücken der Abbild. 29. Fußballen (beim Mäßig­ Verschiedenheit de- Auftreten- bei mäßigem und laufen), oder der Ferse (beim raschestem Laufen. Rennen). Je schneller man nämlich läuft, desto mehr wird das n gestreckt, und so muß beim Langsamlaufen der Ballen, beim Schnellrennen der Absatz mit Wucht zu Boden kommen. Besser als alle Worte es sagen können, zeigt es jeder einfache Versuch: man gehe z. B. aus staubiger Landstraße einige Schritte, und laufe dann daneben ebensoweit — vergleicht man beide Spuren sorgfältig, so kennt man den Unterschied ein für allemal. Springspuren sind namentlich dann leicht zu erkennen, wenn einer mit beiden Füßen zugleich gesprungen ist; in diesem Falle kommen fast immer die Fersen zuerst zu Boden und drücken sich hier ein. Springt einer mit einem Fuße voraus, so gewinnt er den Boden in der Regel mit den Zehenballen. Übrigens wird man auf das Vor­ handensein einer Springspur schon dadurch aufmerksam, daß man den Grund entdecken kann, warum gesprungen wurde, denn das Hindernis, das zum Sprunge veranlaßte, bleibt ja und ohne Grund springt man bei einem Verbrechen nicht.

4. Gangart. Diese wird durch die Zeichnung klargelegt: I ist normaler Gang; 11 sog. breitspuriger, auch wackeliger Gang; III überschlagender Gang. ** Denken wir uns die Richtung, in der ein Mensch geht, durch eine auf dem Boden gezeichnete Linie dargestellt, so haben wir die sog.

105 Richtungslinie, an der die Gangarten der Menschen zum Aus­ drucke kommen, je nachdem, wie sich die Absätze der einzelnen Spuren zu dieser Linie stellen (a a, a'a', a'a"). Bei normalem Gange tritt die Mitte des Absatzes jedesmal auf die Linie, so daß die Verbindung der einzelnen Absatzmitten die Richtungslinie selbst darstellt (I). Bei breitspurigem Gange tritt der rechte Absatz rechts von der Richtungslinie, der linke, links vor ihr; so gehen Dicke, Schwer­ fällige, Schwangere, Leute mit Bruchschäden, auch Seeleute (II).

Bei überschlagendem Gang tritt der rechte Absatz links von der Richtungslinie, der linke rechts von ihr; so gehen bummelige und phlegmatische Leute; manchesmal gehen auch normal gehende Leute kurze Zeit „überschlagend", wenn sie zögern oder nachdenken. Übrigens ist auch das, was wir bei Frauen „graziösen, zierlichen" Gang nennen, häufig nichts anderes als leicht überschlagender Gang (III). Festzustellen, welche Gangart im besonderen Falle vorliegt, ist zu Erkennungszwecken wichtig; wenn möglich, säume man nicht, sie durch einige Hilfslinien zu konstruieren.

106 5. Trittart. So nennt man die Winkelhaltung der beiden Füße gegeneinander, gewöhnlich redet man von der „Gewohnheit, aus- oder einwärts zu gehen".

Man geht: Gerade, wenn die Sohlen beider Füße ganz oder fast parallel zueinander gehalten werden. Diese Haltung ist für das Vorwärts­ kommen am wirtschaftlichsten, es gehen daher Leute so, die vorwärts kommen müssen, also zumeist die der arbeitenden Klasse. Aber auch Leute, die sonst auswärts gehen, tun dies unter Umständen nicht, wenn es durch Umstände erfordert wird. Also: beim Bergauf - und Bergabgehen, um die Reibung auf dem Boden zu vermehren und das Gleiten zu verhindern; beim Last trag en, um sichere (recht­ eckige) Grundlage zu gewinnen; beim Laufen, weil man da eben vorwärts kommen will; beim Bloßfüßiggehen, um die empfind­ licheren Teile der Sohle zu schonen; beim Zehengehen, um nicht mit den Fersen aneinanderzustoßen. Auswärts, wenn man es nicht eilig hat und wenn man „schöner" gehen will. Außerdem gehen (besonders) auswärts Platt­ füßige, weil diese Haltung den: Bau ihrer Füße besser entspricht, dann Dickbäuchige, Schwangere, Fußleidende, weil sie mehr wackelnd, breitspurig gehen müssen und daher eine Unterstützung in der Richtung der Wackelbewegung brauchen. Einwärts gehen bloß Leute mit krummen, verdrehten oder verletzten Beinen, ausnahmsweise auch bei drückendem S ch u h w e r k. Auf die Trittart bei Spuren zu achten, ist sehr nötig, da man hierdurch leicht zu Sicherstellungen gelangen kann; wenn nicht beson­ dere Gründe vorliegen, so behält einer seine gewöhnliche Trittart sicher bei, so daß sie unter Umständen ein ziemlich verläßliches Kenn­ zeichen ist. Form der Spur, Schrittweite, Gangart und Trittart zusammen und sorgfältig miteinander verbunden geben erst den wahren Wert einer Spur.

107 6. Fälschung von Fußspuren. Sie kommen selten vor, sind auftretenden Falles sehr gefährlich, jedoch bei einigem Aufmerken ganz gut zu entdecken. Natürlich: an einer einzelnen Spur läßt sich Fälschung nur ausnahmsweise ent­ decken, aber wer durch eine solche irreführen will, der sorgt dafür, daß zahlreiche und deutliche Spuren, sozusagen recht aufdringlich, vor­ handen sind und dann ist es leicht zu arbeiten. Wird durch Änderung der Schrittweite oder der Gang - undTrittart gefälscht, so ist einerseits der Zusammenhang zwischen Fußgröße und Schrittweite sorgsam im Auge zu behalten, andererseits aber zu beachten, daß jeder Mensch in der Regel gleich große Schritte macht und auch Gangart und Trittart beibehält. Fälscht er eines oder mehreres davon, so bleibt er dabei nie konsequent, sondern fällt häufig in seine sonstige Gewohnheit zurück. Sorgfältige Messungen führen da stets zur Entdeckung, wenn nur hierzu ge­ nügendes Material vorhanden ist. Ist einer rückwärts gegangen, so erkennt man dies daran, daß die Richtungslinie wackelig und unsicher ist, daß die Schrittweite auffallend gering ist, daß man den Spuren die Unsicherheit des Ganges ankennt und daß die Fußspitze auffallend fest eingesetzt wurde: man versuche einmal, rückwärts zu gehen — dann ist die Sache sofort klar. Handelt es sich um Fuß­ abdrücke, so nimmt der Farbstoff natürlich scheinbar zu anstatt ab, da ja die (angeblich) letzten Abdrucke mit dem meisten Farbstoff gemacht wurden. Wurden f r e in d e Schuhe verwendet, uni den Verdacht auf den wirklichen Eigentümer der Schuhe zu lenken, so hat natürlich alle Kunst ihr Ende, wenn der Fälschende und der Eigentümer der Schuhe annähernd gleiche Größe haben. Hat aber ein kleiner Mensch die Schuhe eines wesentlich größeren angezogen, so kennt man vor allem das Schleppende, Ungeschickte im Tritte mit viel zu großen Schuhen. Weiter aber wird der Kleine solche Schritte gemacht haben, wie sie der Größe der Füße nicht entsprechen; hat er sich aber bemüht, so große Schritte zu machen, wie sie zu den großen Schuhen passen, so wird doch ihre Länge nie ganz gleich ausfallen, und es werden die Spuren ungeschickt, sozusagen „patschend" ausfallen. Man versuche einmal, übermäßig große Schritte zu machen, so wird man verstehen, was ich meine. Daß ein großer Mensch sehr kleine Schuhe benützt, ist auch schon vorgekommen und zwar wohl nur so, daß er die ihm zu kleinen, also für ihn unanziehbaren Schuhe, unter seine Sohlen gebunden hat, oder daß er bloß die Spitze seines Fußes in den kleinen Schuh steckte. Im ersteren Falle sieht man doch zumeist die Schnur, mit welcher der Schuh angebunden wurde, im letzteren Falle erscheint die Spur so ungeschickt und unsicher, daß man sofort zum mindesten merkt, es sei etwas nicht in Ordnung. Dann ist man aber schon gewarnt. — Verkehrt aufgebundene Schuhe kommen auch vor, wenn die Richtung, in der einer gekommen ist, gefälscht werden soll. Auch hier wird man das Befestigungsmittel und den unsicheren Gang

108 wahrnehmen können, zumal auch in diesen Fällen dafür gesorgt worden sein wird, daß die Spuren zahlreich und deutlich sind: Man wollte ja eben beweisen. B. Besondere Erscheinungsformen.

1. Größen. Wie erwähnt, ist als die häufigste Größe der Schritte 78—80 Zentimeter anzunehmen. Soldaten, Feldmesser und Eisenbahnleute machen besonders große Schritte; alte Leute, Gebrechliche, Frauen und Jäger (die vorsichtig auftreten müssen) machen besonders kleine Schritte. Bezüglich der einzelnen Fußspuren ist es wichtig, daß die Größe häufig nicht mit der wirklichen Größe des Fußes stimmt; man hat bei zahlreichen Messungen Verschiedenheiten in der Länge bis zu 23 Millimeter, in der Breite bis zu 8 Millimeter nachweisen können. Dies kommt allerdings nur vor, wenn die Unterlage schlüpfrig ist, so daß der Fuß nicht sicher aufruht, hin- und hergleitet und vorne und hinten oder rechts und links feste Grenzen abdruckt, so daß das Gleiten nicht wahrgenommen werden kann; daß bei Abdrücken die Menge des Farbstoffes auf die Spurgröße Einfluß nimmt, wurde schon erwähnt. Die Abdrücke des bloßen Fußes sind beim Gehenden länger und schmäler als beim Stehenden; sie sind um so verbreiterter, je schwerer der Mensch trug. Bei Eindrücken in feuchter Erde oder Lehm kann beim Trocknen des Materiales eine Verkleinerung der Spur bis um 20 Millimeter in der Länge und 6—7 Millimeter in der Breite eintreten. Bei Schneespuren bleibt als Rest beim Austauen des Schnees dort, wo Ballen und Ferse auftrat, je ein vereister Fladen übrig, die also nur die Entfernung von Ballen und Ferse festhalten (solche Spuren entstehen natürlich nur, wenn nach der Bildung der Spur Frost ein­ getreten war). Ungleiche Entfernungen der einzelnen Spuren müssen genau angesehen werden. Ist die Entfernung vom rechten Fuße zum linken ungleich, die der Spuren des rechten und die des linken untereinander aber gleich, so hat der Betreffende gehinkt. Will man wissen, mit welchem Beine er hinkte, so faßt man den größeren Schritt heraus: die vordere Spur ist vom gesunden, die Hintere vom hinkenden Bein. Wenn aber auch die Entfernungen der je rechten und je linken Spur ungleich, und die Verbindungslinie eine unregelmäßige Zickzack­ linie ist, so ist der Betreffende krank, betrunken, verletzt oder betäubt gewesen; der Arzt wird aus der Spur Genaueres sagen können, er ist also in solchen Fällen stets zu fragen. 2. Formen. An besonderen Formen und Erscheinungsarten können sich Unter­ schiede durch die Unterlage und durch den Gehenden ergeben. Man merke: Beim Abrollen der Sohle vom Boden macht man eine deutliche Drehung (der Sohle auf dem Boden), vom inneren Fußrande gegen

109 den Ballen der kleinen Zehe; diese Drehung (Torsion) ist in deut­ licher Spur gut zu scheu, und stets um so stärker, je schneller gegangen wurde. Auf diese Torsion (in Verbindung mit verhältnismäßig großen Schritten) ist stets zu achten, wenn es sich um die Gehschnelligkeit handelt. Wird sehr rasch gegangen, so kann man noch ein eigentüm­ liches „Zurückkratzen" mit der Fußspitze (beim Abschnellen vom Boden) bemerken; auch dies muß einmal angesehen werden; nm es sich dann leicht zu merken.

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Abbild. 32. Die Bogenform des Sohlenelndruckes (übertrieben gezeichnet).

)

Abbild. 33. Teilweiser Abdruck im barten Boden.

Müde, alte, tölpelhafte, kranke und gebrechliche Leute heben die Füße nicht genügend (beugen die Knie nicht stark) und erzeugen daher in weichem Untergründe (tiefem Sand, Schnee usw.) sog. Schleif­ spuren, indem sie mit der Fußspitze (vor dem Niederstellen) über die Oberfläche streifen; es ist dann jede Fußspur mit der nächsten durch einen Strich auf der Oberfläche verbunden. Geht man in Kot, weicher Erde, Sand usw., so schiebt man beim Niederstellen des Fußes die Unterlage mit dem Absätze nach vorne, beim Abheben des Fußes aber die Unterlage mit der Fußspitze nach rückwärts; so kommt es, daß Eindruck von Absatz und Fußspitze merklich näher zusammenkommen, als es dem Fuße entspricht, während in der Mitte eine Erhebung entsteht. Würde man (was man im Ernstfälle nie tun darf) den Schuh in die Spur stellen, so paßt er nicht: er ist zu lange und zu wenig gewölbt. Dies ist wichtig. Ist der Boden so fest, daß keine deutliche Spur bleibt, so nimmt er häufig doch noch zwei Eindrücke auf: einen vom niedersetzenden rückwärtigen Absatzrande und einen vom abstoßenden vordersten Schuhspitzrand. Man erhält also zwei halbmondförmige, gegeneinander gewölbte Strichelchen, welche immerhin angeben: wie groß der Fuß war und daß schwer und kräftig gegangen wurde, denn sonst wären die Eindrücke nicht entstanden. Solche Strichelchen sind häufig, werden aber selten beachtet; freilich ist der Nachweis, daß es sich ihn eine Fußspur handelt, und nicht bloß um zufällige Erscheinungen, nicht leicht zu erbringen. Nicht gleichgültig ist die Art der Abnützung einer Sohle; die weitaus meisten, normal gehenden Menschen nützen den äußeren, Hinteren Rand des Absatzes am meisten ab, so daß es ein auffallendes Kennzeichen abgibt, wenn jemand den Absatz in anderer Weis« abge­ nützt hat. Besonders wichtig sind Abdrücke von Schuhnägeln in der Spur, sie können leicht zu Irrungen führen. Es kann ein Nagel später ausgefallen oder später ersetzt worden sein; ebenso kann ein Nagelkopf auf ein Steinchen gekommen und so in der Spur ausge-

110 blieben sein. Ist die Spur in L-ehm oder Erde erzeugt worden und ist dann später Trocknung entstanden, so kann diese, wenn im Lehm Gras, Stroh usw. eingetreten war, so ungleichmäßig vor sich gegangen sein, daß absonderliche Zwischenräume zwischen den Nägelköpfen ent­ standen sind; es kann aussehen, als ob ein Nagel fehlt, oder als ob einer zu viel wäre. Hat man dann den betreffenden Schuh, so ist sorgsamste Vergleichung und Untersuchung, ob die Nägelköpfe abgetvetzt und eingerostet sind, dringend notwendig. (Über Abnehmen von Fußspuren siehe: Abformen.)

B. Blutspuren. Daß Blutspuren wichtig und oft das Wichtigste im Prozesse sind, ist so bekannt, daß darüber nicht zu sprechen ist. Trotzdem kann aber behauptet werden, daß ihnen oft viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, daß man sich häufig um die kleinsten, oder vom Tatorte weiter entfernt vorkommenden, deshalb aber nicht minder wichtigen Blut­ spuren nicht kümmert, und daß man namentlich beim Aufsuchen, Beschreiben und Sichern der Blutspuren zu wenig sorgsam und der Sache entsprechend vorgeht. Liest man Akten über Prozesse, in welchen Blutspuren eine Rolle spielen, so hat man fast nie das befriedigende Gefühl: es sei geschehen, was zu geschehen hatte; die wichtigsten Blut­ spuren wurden übersehen, andere verwischt und zertreten, an ord­ nungsmäßiger Sicherung geschieht gar nichts, und öfters hat man den Verdacht, es sei irgendein behördliches Organ in der ersten Hast in eine Blutlache getreten und herumgegangen, worauf dann ein zweiter oder gar er selber die so erzeugten blutigen Trittspuren als verdächtig sorgfältig vermessen und beschrieben hat. Daß dann die Verwirrung auf allen Linien fertig ist, braucht nicht gesagt zu werden, wohl aber darf man nachdrücklich betonen, daß das Ver­ hindern solcher Vorkommnisse zuvörderst ins Auge gefaßt werden muß. 1. Das Aufsuchen. Kommt man also an einen Tatort, wo Blutspuren vorhanden sind, so sei das erste, diesen sofort gegen Zutritt Unberufener tunlichst abzusperren. Dann schützt man ängstlich alle Spuren, die zertreten oder sonst geschädigt werden können: im Hause durch Überbrücken mit Brettchen, die von unterlegten Steinen frei getragen werden, im Freien, namentlich wenn schlechtes Wetter droht oder die Nacht ein­ bricht, durch Überdecken mit Töpfen, Kesseln, Kisten usw., wobei auf abschüssigem Grunde auch dafür gesorgt werden muß, daß kein Regen­ wasser auf dem Boden zur Spur geleitet werde. Das nächste, was zu geschehen hat, ist die Feststellung, wer vor dem Eintreffen der Kommission den Tatort betreten und etwa in die Blutspuren gekommen sein kann. Im ersten Augenblicke läßt sich dies meistens mit Sicherheit erheben, später wissen es die Leute nicht mehr. Liegt die Möglichkeit vor, daß neue Blutspuren erzeugt wurden, so besichtige man die Beschuhung der betreffenden Leute, vermesse das Schuhwerk genau und versichere sich dessen, wenn anders möglich.

111 Erst wenn alle diese Sicherungsarbeiten geschehen sind, mache man sich an das Aufsuchen der Spuren, was mit denkbarster Sorgsamkeit geschehen muß. Auch jetzt trachte man, etwa durch Anstoßen, An­ lehnen, Anstreifen keine Spritzer an den Wänden zu schädigen, man verlasse sich nicht auf seine eigenen Augen, sondern bediene sich der Hilfe einer findigen Bertrauensperson und dehne den Kreis seiner Nachforschungen tunlichst weit aus, da auch entfernt gelegene Spuren wichtig sein können. Handelt es sich um Spuren im Freien, so bediene man sich der Hilfe eines verläßlichen und erfahrenen Jägers, der im Aufsuchen von Blutspuren der richtige Sachverständige ist; müssen Spuren auf größere Entfernung gesucht werden, so ist die Hilfe eines Polizeihundes fast unerläßlich. Gute Dienste leistet in allen solchen Fällen auch eine gute Lupe, mit der man Stellen, die Spuren haben können, sorgfältig, Zoll für Zoll, absucht. In geschlossenen Räumen, besonders beim Absuchen von braunpolierten oder -gestrichenen Möbeln bediene man sich stets, auch bei Tage, künstlichen Lichtes. Trockenes Blut auf braunem Holze hat fast die gleiche Farbe mit der Unter­ lage und ist bei Tageslicht schwer zu sehen; leuchtet man aber mit der Kerze hin und her, so kann der firnisartige irisierende Glanz trockener Blutspuren nicht übersehen werden. Es ist weiters zu beachten, daß schon auf gewöhnlicher, nicht gefärbter Grundlage die Beleuchtungsverhältnisse, insbesondere das Sonnenlicht, die Farbe des Blutes wesentlich verändern können. Auch bezüglich der Objekte, an denen gesucht wird, tut peinliche Sorgfalt not: man vergesse nicht, die Unterseite von Schubladen, in denen der Täter Geld usw. gesucht haben mag, nach verschmiertem Blut abzusuchen, ebenso die Unterseite der vorstehenden Tischplatte, an welche sich Leute so überaus häufig beschmutzte Finger abwischen. An umherliegenden Tüchern usw. kann sich der Täter die blutigen Hände gereinigt haben, ebenso in Gefäßen mit Wasser, die etwa im Zimmer stehen, oder in Wasserleitungen, wobei namentlich auf den sog. Syphon Bedacht zu nehmen ist. Jedes Papierschnitzel im Raume ist anzusehen, auch im Ofen Nachschau zu halten, ob nicht blutiges Papier usw. hineingeworfen wurde. Besondere Sorgfalt beanspruchen natürlich die Wände dann, wenn sie mit dunklerer Farbe bemalt oder mit dunklen Tapeten bespannt sind, da in dem krausen Gewirre eines kleinen Musters Blut­ spritzer nur schwer zu entdecken sind; deshalb bediene man sich auch hier einer Kerze und vergesse nicht, daß gerade an den Wänden Blut keineswegs immer die bekannte braunrote Farbe haben muß, sondern auch rosa, schwarz, grün, blau, ja selbst grauweiß aussehen kann. Die verschiedenen Farben der Zimmermalerei oder der Tapeten werden im Blutspritzer gelöst und wirken ändernd oder rümzierend auf ihn; so wird z. B. Blut auf Goldbronze der Tapeten durch das sofort erzeugte Kupferoxyd sehr bald deutlich grün. Blutstropfen auf gewissen Stoffen werden grau, wenn das Objekt der Sonne ausgesetzt wird. Selbstverständlich wird man auch Leute, die schon früher da waren, um wahrgenommene Blutspuren befragen; man vergesse nicht.

112 daß die (verhältnismäßig häufig vorkommenden) Farbenblinden, die rot und grün nicht scheiden können, z. B. Blut auf Gras nicht wahrnehmen. Bezüglich der Form von Blutspuren merke inan: a) Wichtig ist namentlich alles, was Abdruck ist oder sein kann: von Fingern, von Stoffmustern (wenn z. B. der Täter zuerst sich in Blut und dann auf das Opfer gekniet hat), von Werkzeugen, Schuhen usw. '

Abbild. 34.

im Stehen,

Blutstropfen, erzeugt:

im Gehen.

.

b) Spritzer an der Wand gestatten die Annahme, daß sie mög»: licherweise von einer verletzten Arterie herrühren (verletzte Venen fließen, Arterien spritzen); eine solche Feststellung kann Wert haben, wenn es sich um die Stellung von Täter und Opfer handelt. Der Unterschied zwischen Blutspuren und Blutflecken, die von zerdrücktem Ungeziefer, z. B. Bettwanzen, herrühren, ist derart in die Augen springend, daß eine Verwechslung wohl kaum möglich ist, obwohl sie wiederholt vorkommt. c) Findet man eine Tropfspur, so kann es wichtig sein, festzu-i stellen, ob diese im Stehen oder in Bewegung und im letzteren Fall in welcher Richtung sic entstanden ist. Fast jede Tropfspur besteht aus einem Haupttropfen und aus Seitenspritzern. Ist die Spur ent­ standen, während der Blutende stand, so ist der Haupttropfen an­ nähernd kreisrund, die Seitenspritzer gleichmäßig um den Haupt­ tropfen nach allen Richtungen strahlenförmig ausgehend. War der Blutende aber in Bewegung, so ist der Haupttropfen länglich (Längsachse in der Richtung der Bewegung) und die Seitenspritzer gehen sämtlich nach vorwärts, in der Richtung, in der sich der Betreffende bewegte. Je energischer und schärfer die Seitenspritzer nach vorne gehen, desto energischer und schärfer ist der Blutende gegangen oder gelaufen. Von dieser wichtigen Regel gibt es nur eine einzige Ausnahme: hat einer eine Verletzung an der Hand, schlenkert er mit ihr während des Gehens und fällt der Blutstropfen gerade dann ab, wenn er die Hand nach rückwärts schlenkert, so muß der

113 Blutstropfen sich natürlich verkehrt gestalten. In solchen Fällen findet man aber in der Regel mehrere Tropfspuren,und alle werden nicht gerade unter solchen Verhältnissen entstanden sein, so daß man auf den besonderen Vorgang aufmerksam wird. Unschätzbare Hilfe beim Suchen von Blutspuren bietet die Photo­ graphie, namentlich deshalb, weil die photographische Platte für rot­ braun besonders empfindlich ist und dieses mit großer Deutlichkeit wiedergibt; Blutspritzer auf rauher Unterlage: Holz, Steinen, Felsen, Erde, Wänden usw., die kein menschliches Auge sieht, zeigt die Photo­ graphie mit voller Deutlichkeit. Ebenso verrät sie ausgewaschene Blut­ flecken auf Leinwand, ja sogar ausgetrennte Zeichen, wenn von der roten Merkwolle auch nur unbedeutende Fäserchen im Stoffe zurück­ geblieben sind: dann: unbedeutende Kratzer, Würgespuren, Stock­ hiebe usw., die für das Auge unsichtbar sind, treten aus der Photo­ graphie deutlich und dunkel hervor (Flachhiebe von Studentenmensuren treten noch nach Jahren auf einer Photographie hervor, als ob sie dicke rote Narben wären). Ist daher ein Fall wichtig und ein Photograph zu beschaffen, so muß er herangezogen werden und wenn es sich um nichts anderes handelt, als um das Aufsuchen von Blutspurcn. Was die Sachverständigen (Ärzte, Mikroskopiker und Chemiker) heute über Blutspuren sagen können, ist verhältnismäßig sehr viel. Allerdings muß ihnen vorgearbeitet und das Material reichlich, sorg­ fältig verzeichnet, nach Tunlichkeit gut verwahrt und rasch geliefert werden. Mit schlecht beschriebenem, übelverwahrtem und lange ver­ legenem Material erschwert man den Sachverständigen die Arbeit oder macht sie ganz unmöglich. 2. Das Zeichnen. Wie bei allen Feststellungen, ist auch hier das Zeichnen von größtem Wert — auch die einfachste, aber sorgfältig gemachte Zeich­ nung ist durch keine Beschreibung zu ersetzen. Selbstverständlich muß jede Zeichnung eine genaue Beschreibung voraussetzen, einerseits weil durch sie^die Zeichnung erst verständlich wird, andererseits weil auch durch das Zeichnen an der Spur selbst etwas verdorben werden kann. Das Zeichnen von Blutspuren im Freien wird sich in der Regel auf eine Skizze beschränken, auf der alle Gegenstände, die um die Blutspur vorhanden waren, angegeben werden, worauf die Punkte eingezeichnet werden, auf welchen Blutspuren zu finden waren. Da ja nur die gegenseitige Lage festgestellt sein soll, liegt hier die Haupt­ aufgabe darin, daß mit größter Genauigkeit die Entfernungen ge­ messen und eingezeichnet werden. Anders bei Blutspuren in einem gedeckten Raume, Zimmer usw. Daß von einem solchen Raume eine Skizze mit allen darin befind-, lichen Möbeln usw. angefertigt wird, ist selbstverständlich; handelt es sich nun darum, die dort befindlichen Blutspuren zu zeichnen, so rät es sich nicht, in diese Skizze die Blutspuren einzuzeichnen, da hier­ durch die Übersichtlichkeit leidet. Am besten macht man die „Blutskizze" abgesondert. Man legt auf die Zimmerskizze ein Blatt recht durchGroß-Höpler, Erforschung. 6. Aufl.'

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114 sichtiges, aber widerstandsfähiges Pauspapier oder Pausleinwand; dann zeichnet man von der Zimmerskizze bloß die vier Mauern, Türen und Fenster (mit schwarzer Tinte), nicht aber die Möbel und sonstige Gegenstände durch, und gibt dann (auf dem Pauspapier, das noch auf der Zimmerskizze liegt) an der richtigen Stelle mit roter Tinte die einzelnen Blutspuren in entsprechender Größe an, gleichviel, ob sie sich auf dem Fußboden, an Möbeln, Öfen usw. befinden. Für Blutspuren an den Wänden müssen natürlich Sonderskizzen angelegt werden, ebenso wie für deit Grundriß. Man macht eine Skizze von dieser Wand, zeichnet die darin stehenden Möbel, Ofen usw. flächensörmig ein und macht ebenso, wie früher angegeben, mit Paus­ papier eine besondere „Blutskizze". Wer dann die Akten liest, unter­ richtet sich vorerst im allgemeinen an der Hauptskizze und legt zuletzt die „Blutskizze" auf die Hauptskizze, um die Lage der Blutspuren wahrzunehmen. Außer diesen zwei Skizzen wird häufig noch das Anlegen von kleinen Skizzen nötig sein, wenn z. B- auf einem Schrank, einem Ofenkachel usw. mehrere Spritzer zu fiuden waren, die auf der Haupt­ skizze nicht deutlich genug dargestellt werden konnten. Auf der Hauptskizze sind die einzelnen Objekte natürlich mit Buchstaben bezeichnet sT — Türe, O — Ofen, T — Tisch usw.). Tann heißt es: „Neben­ skizze zu T.", oder „zu O." usw. 3. DasSicher n. Als Regel gilt: In Natur mitnehmen, was in Natur mitgenommen werden kann; kleinere Möbelstücke, Fensterflügel, kleinere Türen, Steine, Holzstücke ustv. werden ganz mitgenommen, ivcnn sie Blutspuren tragen. Stücke des Bodens werden sorgfältig auf die Richtung bezeichnet und dann hcrausgestemmt; Ecken von ^wertlosen) Möbeln abgesägt; wenn Verdacht vorhanden ist, daß Blutspuren vom Boden ausgewaschen wurden, wird dieser abgehobelt, die Ticlenritzen ausgekratzt und Späne und Mist mitgenommen. Tapeteit mit Blut­ spuren werden sorgfältig abgelöst, ebenso Mauerteile mit Blut; im letzteren Falle geht es nur leicht, wenn die Mauer wiederholt getüncht wurde, so daß sich diese Lagen gut abblättern lassen; ist dies nicht der Fall, so muß der entsprechende Teil ausgestemmt werden. Immer, wenn Mauer abgelöst werden soll, muß die Blutspur eher gesichert werden, was sich übrigens auch bei Spuren auf Tapeten empfiehlt, wenn das Blut so dick ausgetrocknet ist, daß Abspringen befürchtet werden kann. Die Sicherung besteht darin, daß man vor Beginn der Arbeit auf die Stelle, wo der Blutfleck sichtbar ist, ein Stück Pauspapier oder Pausleinwand (etwa 8—10 mal so groß als die Spur selbst) klebt und vollkommen trocknen läßt. Als Klebemittel darf (wegen der etwa nötigen Arbeit der Chemiker) nur reiner arabischer Gummi, recht dickflüssig, verwendet werden. Ist das Ab­ lösen gelungen, so wird auch die Rückseite durch aufgeklebtes Paus­ papier gesichert, so daß das ganze Objekt eingeschlossen ist. Gelangte Blut auf den Erdboden und soll dies mitgenommen werden, so muß man vor allem mit einer Stange oder einem Steine

115 wiederholt rund herum auf den Boden schlagen, wodurch sich die Regenwürmer entfernen (unterließe man dies und man kriegt einen Regenwurm mit, so verzehrt er das Blut). Dann wird die Erde ausgestochen und in einer Kiste oder Schachtel verwahrt. Hiemit wird auch der mitunter sehr wichtige Beweis über die gefundene Blut­ menge gesichert werden. Um in den Fällen quantitativen Blutnach­ weises die Blutentnahme möglichst zu sichern, empfiehlt sich die vor­ herige Erweichung des Blutes mittels 0,85«/oiger Kochsalzlösung.

Ist Blut auf Gras, Blättern usw. wichtig und mitzunehmen, so schneidet man die betreffenden Pflanzen mit scharfem Instrument ab, und frischt sie sofort in Kalkwasser oder besser in ein Gemenge von Wasser und Glyzerin; hierduvch werden die Pflanzen zwar dunkel, grünschwarz, aber sie vertrocknen nicht. Trocknen sie, so fallen die Blutspuren in ganzen Schollen ab. Von großer Wichtigkeit sind Blutspuren auf dem Leibe der Ver­ dächtigen, da merkwürdigerweise an deren Beseitigung oft sehr un­ vorsichtig zu Werke gehen; namentlich an der Haar- und Bartgrenze, in den Nagelbetten der Finger, an den Unterarmen findet man oft verhältnismäßig lange nach der Tat noch deutliche Spuren. Diese ohne weiteres zu belassen, wäre sehr unvorsichtig. Sind sie auf der Haut, sv hebe man sic vorsichtig mit einem Messer (über unter-» gehaltenem Papier) ab; das Nagelbett schabe man ab, den Schmutz unter den Nägeln gewinne man mit einem stumpfen Hölzchen (abge­ branntes Zündholz). Sollte sich auf dem Fingernagel ein ganzer Blutspritzer finden, so bestreicht man ein Streifchen Papier recht trocken mit sehr dicker Gummilösung, drücke das Papier auf den Nagel und ziehe das Papier sorgfältig ab: der Tropfen bleibt auf dem Papier, wenn nicht beim ersten, so beim nächsten Versuche. — Beim Absuchen von Gesicht, Kopf und Händen bediene man sich jedenfalls einer scharfen Lupe. Ebenso sorgfältig müssen Kleider (namentlich dunkle) und Stiefel untersucht werden, da die Leute diesfalls wenig ängstlich im Be­ seitigen sind. Wurde doch gesucht, diese Spuren zu beseitigen, so ver­ gesse man nicht, daß (namentlich Männer) zu diesem Zwecke heißes Wasser nehmen, wodurch der Blutstoff niedergeschlagen wird und schwer ganz zu beseitigen ist. Mitunter wird Kleesalz (Oxalsäure) benutzt, welches der Chemiker leicht nachweist — damit ist fast eben­ soviel dargetan, als wenn Blut gefunden wurde. Endlich versäume man nie, alle Taschen genau nach Blut zu untersuchen und, wenn Waschversuche gemacht wurden, auch die Säume auftrennen zu lassen^ da sich hier noch Blutrestchen hineingeschwemmt erhalten haben können. Bei Mauern usw. ist auf abgekratzte oder frischgetünchte, bemalte Stellen zu achten, da hier in der Regel doch ganz kleine Nebensvritzer zu beseitigen vergessen werden; ist anzunehmen, daß ein Fußboden sorgfältig gereinigt wurde, so lasse man den Chemiker dort auf Spuren von Schwefelsäure und Soda suchen, da die Kenntnis dieser Tilgnngsmittel im Volke ziemlich verbreitet ist.

116 Überhaupt merke man: der Nachweis, daß Blut beseitigt wurde oder beseitigt werden wollte, ist nicht viel weniger wert als der Nach­ weis von Blut selbst, zumal dann die Behauptung: das Blut sei harmlosen Herkommens (Nasenbluten, eigene kleine Verletzung, Tier­ blut usw.) schwer aufrecht zu halten sein wird. Mitunter wird, wenn die Blutspur durch Zeichnung oder durch ein Lichtbild genau festgehalten wurde, deren Abziehen genügen, was bei Platten Flächen mittels Filtrierpapiers geschehen kann. Bei un­ ebenen Flächen, deren Abstemmen unmöglich ist (Felsen u. ähnl.), muß man sich mit dem Abschaben begnügen, das nötigenfalls in der Weise durchzuführen ist, daß man die Blutspur in Wasser auflöst und mit einem Stäbchen in ein aus reinem Wachs hergestelltes Schüsselchen schabt. Auch hierbei hat man sich gegenwärtig zu halten, daß selbst die feinste Blutspur wertvoll und mit Hilfe eines Mikroskopikers von Bedeutung sein kann.

C. Fingerabdrücke. Es ist bereits an anderer Stelle erörtert worden, daß der Fett­ gehalt der Finger an den berührten Gegenständen allenthalben Spuren zurückläßt, die mehr oder weniger deutlich die Papillarlinien erkennen lassen. Das Ausfindigmachen solcher Fingerspuren gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben jedes Kriminalisten. Bei ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen wird das Absuchen der einzelnen Gegenstände mittels Kerzen- oder elektrischen Lichtes, bei Versagen des freien Auges mittels einer Lupe oder unter Zuhilfe­ nahme von photographischen Aufnahmen bei Magnesiumlicht zu er­ folgen haben. Große Schwierigkeiten bereitete früher die Sicherung der ge­ fundenen Fingerspuren. Sie konnte nur dadurch erfolgen, daß man den die Fingerspur tragenden Gegenstand photographisch aufnahm. Selbst in den Fällen, in denen Licht- und Raumverhältnisse eine halbwegs brauchbare Aufnahme gestatteten, und in denen ein Licht­ bild gelang, krankte die Aufnahme allzuoft an Mangel an Deut­ lichkeit, sei es infolge Auftretens von Glanzlichtern, sei es infolge des mehrfarbigen Untergrundes. Diese Schwierigkeiten wurden erst beseitigt, seit Verfahren erfunden wurden, welche die Abnahme der Spur an Ort und Stelle allerdings nur bei glatten Flächen gestatten; von diesen glaube ich die Verfahrensarten des Brasilianers Dr. Dubois und des Parisers Dr. Stocki nicht besprechen zu sollen, weil sie sich für den praktischen Gebrauch wenig eignen, und werde daher nur folgende drei Verfahren erörtern: 1. Der Beamte der Wiener Holizeidirektion Rudolf Schneider empfiehlt folgenden Vorgang mit den von ihm erfundenen, aus einer schwarzen leimartigen Masse bestehenden Folien: Jene Stellen, die Abdruckspuren vermuten lassen, sind zunächst mit einem geeigneten Einstaubpulver (Argentorat) einzustauben, indem

117 man sie mit einem breiten weichen Pinsel, der in das Pulver ein­ getaucht wurde, überstreicht. Dann ist der Pinsel durch sorgfältiges Ausklopfen zu reinigen, worauf mit ihm die eingestaubten Stellen solange vorsichtig abgepinselt werden, bis das überschüssige Pulver entfernt ist und die Abdruckspur sich vom Untergründe deutlich sicht­ bar abhebt. Von der mit dem Zelluloid-Schutzblatt noch bedeckten Folie ist ein der Abdruckspur entsprechendes großes Stück abzuschneiden, die Zelluloidplatte von einer Ecke aus vorsichtig abzuziehen und die so freigelegte Folie unter möglichster Vermeidung von Luftblasenbildung sanft auf die eingestaubte Abdruckspur aufzudrücken. Dies wird am besten dadurch erzielt, daß man die Folie zunächst mit einer Ecke auf den die Abdruckspur tragenden Gegenstand aufsetzt, dann behutsam weiter auflegt und schließlich auf der Rückseite mit dem Finger leicht überstreicht. Dadurch legt sich die Folie sanft und luftblasenfrei auf die Abdruckspur. Sie kann gleich darauf abgezogen werden und zeigt ein in allen Einzelheiten übereinstimmendes Bild der Abdruckspur. Um die übertragene Abdruckspur gegen Beschädigungen zu schützen, ist sie mit einem abgeschnittenen Teil der Zelluloidplatte zu bedecken. Hiebei ist, insbesondere zur Verhütung von Luftblasenbildung, der oben beschriebene Vorgang zu beachten. Die auf den Folien übertragenen Abdruckspuren zeigen das seiten­ verkehrte Linienbild, weiß auf schwarzem Grunde; sie zeichnen sich durch große Schärfe aus und sind deshalb zur photographischen Wiedergabe vorzüglich geeignet. 2. Der Dresdner Kriminalbeamte Birnstengel benützt zur Übertragung der Abdrücke abziehbares Brom- oder Chlorsilberpapier. Ist der Abdruck übertragen, so quetscht man das photographische Papier mit der Gelatinschicht auf ein Stück weißer Pappe, das früher mit einer dünnen Kleisterschicht überzogen wurde. Ist das ganze vollständig getrocknet, springt das Papier, auf dem sich die Gelatin--! (Bromsilber-)schicht ursprünglich befand, von selbst ab und man erhält ein auf Karton aufgezogenes Bild des Abdruckes. Selbstverständlich wird auch hier die Spur vorher eingestaubt.

3. Der Sicherheitskommissär Josef Rubner in München ver­ wendet zur Abnahme der vorher mit Schneiderschem Pulver ein-, gestaubten Spuren einen Streifen Gelatinpapicr, das er mit 50%' Glyzerin und 50% Gummilösung präpariert hat. Er faltet diesen Streifen in zwei Hälften, deren eine nach Befeuchten durch Anlegen an die Spur diese abdrückt, während die zweite Hälfte als Schutz über den Abdruck geklappt wird.

4. Eine Verbesserung des R u b n e r s ch e n Verfahrens schlägt R. K o ck e l in Leipzig vor, indem er die gebräuchlichen Eastmannschen Films verwendet wissen will, die er mit Glyzerinleim über­ streicht.

118 Meines Erachtens ist das Schneidersche Verfahren den anderen weit vorzuziehen. Es wird ihm zwar vorgeworfen, daß der Abdruck kein seiten­ richtiges Bild zeige, daß der Vergleich des Abdruckes mit registrierten Fingerabdrücken dadurch erschwert sei, daß letztere die Zeichnung schwarz aus weiß, das Schneidersche Blatt weiß auf schwarz zeige, allein der erste Nachteil ist, wenn nötig, durch einen Spiegel leicht zu beheben, der letztere stört einen Halbwegs Geübten gewiß nicht.

Abbild. 35. a Abdruckspuren auf einer Spiegelfläche. b Das unmittelbar hergestellte Photogramm zeigt infolge der Reflexion des Spiegelbildes ein unscharfes Linienbtld. c Die mittels der Folie abgehobenen Abdruckspuren, d Das Photogramm der Folie c.

Dagegen weisen die anderen Verfahren Nachteile auf, die, abge­ sehen von anderem, auch die Beweiskraft des Abdruckes gefährden können. Das Papier Birnstengels rollt stark, blättert leicht ab, das Trocknen der Abdrücke nimmt viele Stunden in Anspruch und macht ein rasches Arbeiten an Ort und Stelle unmöglich. Die Arbeit mit Gelatin- und Films, wie es Rubner und Kockel empfehlen, ist sehr heiklich; das Papier verrutscht leicht, die aufgequollene Gelatinschicht ist schlüpfrig, bei Birnstengel ist der Abdruck nicht hinreichend

119 geschützt. Außerdem ist das Verfahren nach Rudolf Schneider das einfachste und dabei sicherste, so daß jeder Gendarm beweissichere Arbeit nahezu mühelos liefern kann.

a.

Abbild. 36. a Abdruckspur auf einem GlaSfläschchen. b DaS unmittelbar hergestellte Photogramm zeigt durch das Auftreten von Glanzlichtern sowie durch die starke Rundung des Gegenstandes ein unterbrochene-, verzerrtes Linieudild. c Die mittels der Folie abgehobene Abdruckspur. d Das Photogramm der Folie c zeigt die Abdruckspur in ihrer ganzen natürlichen Form.

Die Abbildungen 35 bis 37 sind von der Polizeidirektion Wien in deren Verlag herausgegebenen „Anleitung zur Fixierung von Fingerabdrucksspuren auf dem Tatorte nach einem neuen Verfahren" (Druck von Koch und Werner, Wien VII, Kaiser-

120 straße 30) entnommen und zeigen, wie deutlich und klar die nach Schneiders Verfahren hergestellten Abdrücke sind und wie leicht ein Halbwegs Geübter mit ihnen auch ohne Zuhilfenahme der Photo-« graphie zu arbeiten vermag.*) Das Abnehmen der Spur mittels Folien ist, wie bereits erwähnt, nur bei glatten Flächen anwendbar; von rauhen Gegenständen kann

Abbild. 87. a Abdruck auf einem polierten Marmorstück. b DaS unmittelbar hergestellte Photogramm zeigt infolge des mehrfarbigen Untergrundes ein gänzlich zerrissenes Ltnienbtld. c Die mittels der Folie abgehoben- Abdruckspur, d DaS Photogramm der Folie c zeigt das Linienbild in voller Form.

nur mittels Photographie die Spur festgelegt werden; ist die Spur un­ deutlich, mit freiem Auge kaum sichtbar, so ist sie entweder mittels Joddämpfe, oder durch eine 8o/oige Höllensteinlösung, oder mittels gewässerter Tinte, die über die Spur (insbesondere auf Papier) ge­ strichen wird, oder am allerbesten mit Graphitstaub deutlicher hervor­ zurufen und dann — bei Anwendung von Joddämpfen baldmöglichst — zu photographieren. *) Das Präsidium der Polizeidirektion Wien hat nicht bloß den Abdruck der Abbildungen zuvorkommendst gestattet, sondern auch die Klischees in liebens­ würdigster Weise zur Verfügung gestellt, wofür auch an dieser Stelle der verbind­ lichste Dank ausgesprochen wird.

121 Sind die aufgesundenen Fingerspuren abgezogen, so erübrigt nur der Vergleich mit den Fingerabdrücken des Verdächtigen oder die Einsendung des Abzuges an die nächste Polizeidirektion zwecks Vergleiches mit den dort registrierten Fingerabdrücken.

Abbild. 39. B. Schlingenmuster.

Abbild. 40, C. Wirbelmuster. Vergröberte Fingerabdrücke.

Der Vergleich selbst erfordert naturgemäß die genaueste Be­ obachtung der Spurenabdrücke mit einer guten Lupe; am zweckmäßigsten ist die Herstellung photographischer Vergrößerungen. Als Maßstab der Vergleichung hat zunächst das Muster des Abdruckes zu dienen; dies­ bezüglich sind im wesentlichen drei Hauptmuster festzuhalten (vgl. die aus der „Instruktion für den daktyloskopischen Dienst der Gen­ darmerie" H. Gussek Krenisier entnommenen Abbildungen 38—40) A das Bogenmuster, B das S ch li n g e n m u st e r, C das Wir-

122 belmuster. Ist die Gleichheit des Musters gefunden, so ist zum Zweck des weiteren Vergleiches auf gewisse Unregelmäßigkeiten im Muster zu achten. Als solche können hauptsächlich in Betracht kommen: Auf­ fällige Enden der Linien, deren Unterbrechungen, Einlagerungen und Inseln, die sich im Muster befinden, delta- A ähnliches Zusammen­ treffen der Linien u. ähnl. Der Vergleich der Fingerspuren wird — namentlich wenn es sich um wenig charakteristische Teile eines Abdruckes handelt — durch eine netzartige Teilung des Vergleichsfeldes erleichtert. Auf die Abzüge wird je ein umrahmtes, festes Netz gelegt, das aus gleich großen quadratischen Feldern besteht und die Beobachtung der in die einzelnen Felder verteilten Abschnitte der Spuren erleichtert. Sehr zweckmäßig ist der von vielen Polizeibehörden geübte Vor­ gang, bei gewissen Verbrecherarten, insbesondere bei Einbrechern in die für die Registratur bestimmte daktyloskopische Karte auch den Albdruck der Handflächen aufzunehmen,wodurch eine Spurenver­ gleichung auch dann ermöglicht wird, wenn nur Abdrücke von Hand­ flächenteilen z. B. des Daumenballens gefunden wurden. Schließlich ist bei Abnahme und Vergleich von Fingerspurcn nicht zu übersehen, daß es auch vorgetäuschte Spuren gibt. Der Vorgang ist folgender: der Täter stellt auf einer Gummiplatte lz. B. einem Stück Radiergummi) mittels Aufdruckes eines einge­ fetteten oder blutigen Fingers einen Abdruck her, den er dann zur Täuschung der Behörde auf verschiedenen Gegenständen aufdrückt. Hiedurch wird der Eindruck erweckt, als hätte man es z. B. mit dem Negativ des rechten Mittel- und Ringfingers zu tun, während tat­ sächlich das Positiv des linken Zeige- und Mittelfingers vorliegt. Besonders deutliche an aufdringlichen Stellen Vorgefundenen Finger­ spuren müssen daher mit einigem Mißtrauen behandelt werden. Was nun die Vorbereitung des gerichtlichen Be­ weises anlangt, der sich in der Form eines Sachverständigenbeweises abspielen wird, ist die Anfertigung deutlich sichtbarer Vergrößerungen anzuempfehlen, an deren Hand der als Sachverständiger auftretende Kriminalbeamte die Gleichheiten darzulegen haben wird. Überaus zweckmäßig ist das bei der Polizeidirektion München eingeführte sog. Ergänzungsverfahren; es besteht darin, daß mittels photo­ graphischer Herstellung und Vergrößerung die am Tatort gefundene Spur durch Anfügen des fehlenden Teiles aus der daktyloskopischen Registratur oder aus der dem Beschuldigten abgenommenen Spur derart ergänzt wird, daß die Abbildung die zusammengehörigen Teile des Fingerabdruckes einheitlich zum Ausdruck bringt. Diese Art des Beweisvorbringens ist vor Geschworenen besonders wirksam.

D. Schichspuren. So wichtig diese unter Umständen sein können, so werden sie häufig insoferne vernachlässigt, als man sich lediglich darum kümmert,

l) Es empfiehlt sich hierbei, als Unterlage des Ausnahmeblattes eine Flasche zu verwenden, die die Hand gleichsam umfaßt.

123 welche Spuren das Geschoß am getroffenen Menschen hinterlassen hat. Die Spuren an anderen Gegenständen sind aber wegen der Beweis­ führung oft fast ebenso wichtig, und es kann z. B. bei Schrotschüssen unter Umständen ganz objektiv ein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, ob beim Schusse Zufall, böse Absicht, Notwehr usw. vorlag. In solchen Fällen muß nach Tunlichkeit der sog. Streukegel gesucht und bestimmt werden; darunter versteht man den von einem Schrot­ schuß durch die auseinandergehenden Schrotkörner bestrichenen Raum, der durch Aufsuchen der verletzten Gegenstände (Mauern, Wände, Bäume, Blätter usw.) festgelegt werden kann. Findet man solche (an Felsen, Mauern, Steinen als bleistiftähnliche Striche) und weiß man, wo der Verletzte gestanden ist, so ist behauptetes zufälliges Losgehen des Gewehres wahrscheinlich, wenn sich der Beschossene mehr am Rande des festgelegten Streukegels befunden hat. Ähnliche Fest­ stellungen können auch bei behaupteter Notwehr wichtig werden.

Abbild. 41. Berechnung des Standortes de- Schützen.

Unbedingt gesucht und gesunden werden muß die Ablenkungsstelle, wenn Prellschüsse, sog. „Geller", behauptet werden. Sie entstehen, wenn das Geschoß auf einen Stein, eine Mauer, hartes Holz, Erde (angeblich unter Umständen schräg auf eine Wasserfläche) trifft und dann (Einfallswinkel Reflexionswinkel) abgelenkt weiterfliegt. Da also ein getroffener, widerstehender Körper vorliegen muß und da man auch aus dem Stande des Schießenden und Getroffenen ungefähr berechnen kann, wo die Kugel abgeprallt sein mag, so muß meistens die Stelle gefunden werden. Sind schwierige Fragen zu beantworten oder Berechnungen vorzunehmen, so ist der Physiker heranzüziehen. Von Wichtigkeit sind Schüsse durch Fensterscheiben, da nicht selten durch geschlossene Fenster in ebenerdige Räume geschossen wird; man merke: 1. Wenn man die im Zimmer getroffene Stelle mit dem Schußloch in der Fensterscheibe durch eine Gerade verbindet und diese nach außen verlängert, so muß man die Stelle finden, wo der Schie­ ßende gestanden ist. Wurden zwei Scheiben (Doppelfenster) durch­ schossen, so ist die Konstruktion noch sicherer; a ist der Getroffene, b das durchschossene Fenster, c der Schütze.

124 2. Ein Kugelschuß auf eine Glasscheibe reißt an der Austrittsstelle um die Öffnung herum kleine, muschelförmige Lamellen von der Scheibenoberfläche los. Jene Seite, auf der also diese charak­ teristischen Substanzverluste zu sehen (und noch deutlicher zu fühlen) sind, ist immer die Austrittsstelle. Wurde senkrecht gegen die Scheibe geschossen, so sind diese muschelförmig abgesprengten Teile ziemlich gleichförmig um das Loch herum angebracht; wurde von rechts geschossen, so sind auf der rechten Seite der Austrittsöffnung wenig muschelförmige Verluste, da­ gegen viele auf der linken zu sehen und zwar je mehr schräge von rechts geschossen wurde, um so mehr Verletzungen sind links. Umgekehrt, wenn von links, entsprechend wenn von oben oder unten geschossen wurde. Also: die Kugel reißt immer dort ab, wo sie a u s tritt und zwar immer auf der Seite mehr, auf der sie weiterfliegt (also links, wenn sie von rechts nach links geht). Sehr nahe abgegebene (Kugel­ oder Schrot-) Schüsse zertrüm­ mern die Scheibe durch den Druck der Pulvergasc voll­ ständig. Schrotschüsse aus geringer Entfernung wirken überhaupt wie Kugelschüsse und machen in. der Scheibe ein großes Loch (weil alle Schrote noch beisam­ men sind). Aus etwas größerer Entfer­ nung durchbohren bisweilen Abbild. 42 (oben). Zentraler Schuß. einzelne Schrotkörner die Abb ild. 43^ (unten). Schuß'von vorne rechts. Scheibe ganz scharf. 7. Kleine, sehr scharf geworfene Steine wirken wie Kugelschüsse, doch sind die muschelförmig abgesprengten Lamellen nicht so gut sichtbar. 8. Kleine, runde, gegen sehr dicke Scheiben geworfene Steine be­ wirken kegelförmige Aussprengungen. Die Spitze eines solchen herausfallenden Glaskegels steht an der getroffenen Seite

125 der Scheibe, die Grundfläche des Kegels an der entgegengesetzten Fläche. 9. Wurde eine Scheibe zwei oder mehrere Male durchschossen oder durchworfen, so läßt sich die Reihenfolge der Löcher fast immer bestimmen. Das Schußloch ist in der Regel nicht scharf, sondern sendet lange Sprünge strahlenförmig nach allen Richtungen. Beim ersten Loch gehen diese Sprünge ungehindert in der ein­ geschlagenen Richtung; die Strahlen des zweiten Loches finden aber irgendwo schon einen oder mehrere Strahlen vom ersten Loch und können über die schon vorhandenen Strahlen nicht weiter: sie bilden mit ihnen zwei Winkel. Die Strahlen des dritten Loches stoßen schon auf die Strahlen der zwei ersten Löcher und wer­ den da im Weiterspringen gehindert usf. Diese Be­ stimmungen sind ebenso leicht zu machen, wie unter Umständen wichtig. Als Beispiel diene die Abbildung einer Schau­ fensterscheibe, in welche ein Hufeisen geflogen ist. Zwei­ fellos muß zuerst das Ende a, dann der Griff b und zu­ letzt das Ende c angeflogen sein. Ähnlich kann man die Reihenfolge stets bestimmen. 10. Durchschossene, durchworfene oder sonstwie beschädigte Fenster­ scheiben sind stets zu sichern und mitzunehmen, was Wohl in der Regel durch Mitnahme des betreffenden Fensterflügels ge­ schehen wird; nur ausnahmsweise wird man die Scheibe durch den Glaser herausnehmen lassen. Jedenfalls sichert man sich den Gegenstand aber dadurch, daß man die geschädigte Scheibe mit einem Blatt starken Papieres, Pausleinwand usw. über­ klebt, damit keine weiteren Scherben und Splitter abfallen können. Man kann dann auch trachten, die schon abgefallenen Glasteile wieder an ihre frühere Stelle zu bringen. Diese müssen aber besonders bezeichnet werden, damit später kein Zweifel darüber entsteht, was ursprünglich fest war, und was erst später dazu kam.

E. Sonstige Spuren. Auch Spuren von Tieren, Rädern, Gehstöcken usw. können von Wert sein und verdienen — wenn sie anders mit der Tat in Zu­ sammenhang stehen — stets sorgfältige Beachtung. Was im gegebenen Falle von Wichtigkeit sein kann, läßt sich im

126 allgemeinen nicht erörtern. Man achte auf alles. Von Bedeutung können insbesondere die Spuren von Werkzeugen sein. In Verbindung mit einer Fußspur wird auch die Spur eines Stockes verfolgt werden müssen. Geht sie links oder rechts von der Gehrichtung? Iß der Stock bei jedem Schritt.aufgestoßen worden oder nur hier und da, was auf ein Bummeln hindcuten könnte? Wurde der Stock als Stütze benützt, hat sich der Besitzer stark auf ihn gestützt? All das sind Dinge, die von Wichtigkeit sein können und die sich aus der Stockspur feststellen lassen, die untersucht, gegebenenfalls abgeformt werden muß. Bei Spuren von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen wird auf besondere Kennzeichen, Fehler und Ausbesserungen an der Bereifung (Schutzreifen) Gewicht zu legen sein. Fragt es sich um die Richtung, in der Räder sich bewegt haben, so achte man auf die feinen Schollen, die namentlich in feinem Staub, halbtrockenem Kot, Schnee usw. ent­ standen sind: Will man diese be­ seitigtdenken, d. h. wissen, in welcher Abbild. 45. Richtung der Wagen gekommen ist, Das Aufziehen von Staub, Schnee usw. so muß man das Rad in Gedanken durch Wagenräder (übertrieben deutlich in entgegengesetzter Richtung lausen und massiv gezeichnet). lassen, als es gekommen ist. Nicht zu übersehen sind die Spuren, die durch Anstoßen, An­ fahren, Anschießen, Kratzen mit Schuhen usw. entstanden sind. Sie müssen sorgfältig gesucht, vermessen, gezeichnet, allenfalls photo­ graphier! werden. Von besonderer Bedeutung sind die Spuren von schartigen Werkzeugen, die stets photographiert und möglichst gesichert werden müssen. Zum Zweck des Vergleiches dieser Spuren mit dem in Betracht kommenden Werkzeug dient das von Professor Kockel erprobte Verfahren. Über einer Platte aus Wachs oder aus einer aus Zinkweiß und Wachs zusammengesetzten Masse wird die Werkzeug­ schneide derart gezogen, daß die Schartenspuren in Form von Leisten und Rinnen festgehalten werden. Dann erfolgt die photographische Aufnahme und Vergrößerung, die einen sicheren Vergleich mit den aufgesundenen Schartenspuren zuläßt. Dieses Verfahren hat sich ins­ besondere bei Knochenverletzungen bewährt, ist aber auch bei Ein­ bruchsdiebstählen, Sachbeschädigungen u. ähnl. bestens zu empfehlen. F. Verwahren und Versenden von Spuren. Vor allem befleißige inan sich einer peinlichen Genauigkeit und Umständlichkeit im Bezeichnen jedes Gegenstandes. Zur Zeit, als mau es gewonnen hat, weiß man allerdings sehr gut, was es ist und vorstellt, woher man es genommen hat, wie es gelegen ist und welche sonstigen Nebenumstände dazu gehören: aber in kürzester Zeit weiß

127 man es eben nicht mehr und ergänzt die Daten entweder gar nicht oder, was noch gefährlicher ist; falsch. Außerdem haben mit diesen Gegenständen auch noch andere zu arbeiten: Richter, Staatsanwalt, Verteidiger usw., diese waren nicht dabei, wie das Objekt gewonnen wurde und diese brauchen umständliche Beschreibung. Die Erfahrung lehrt täglich, daß durch mangelhafte Daten Objekte wertlos oder sogar für die Wahrheit gefährlich wurden, obwohl sie an sich von Wichtigkeit wären. Verwechslungen, falsche Orientierung, Mißverständ­ nisse und arge Irrtümer entstehen alle Augenblicke, nur weil man sich im Anfänge gedacht hat: „Das merke ich mir doch:" — man merkt es sich eben nicht, und die Verwirrung ist fertig. Daher die Grundregel: „Jmmerund ausnahmslos das er st e Objekt sofort genaue st ens bezeichnen, ehe man zum nächsten üb e r g e h t."

Abbild. 46. i Sicherung von Blutspuren.

Abbild. 47. Sicherung von Blutspuren.

Das zweite, streng zu berücksichtigende, sieht noch kleinlicher aus, ist aber fast ebenso wichtig: '„M itPackmaterialnicht sparen!" Es muß alles Nichtzusammengehörige besonders und alles Zusammen­ gehörige sorgsam verpackt werden. Nichts darf sich gegenseitig stoßen oder reiben, alles muß gegen Beschädigung von außen geschützt sein, sehr feine Dinge, Pulver, Geschabsel usw. müssen in besonders glattem Papier (wie vom Apotheker die Pulver) verwahrt werden, Flüssig­ keiten gehören in gut verschlossene Glasflaschen, überall, namentlich dort, wo noch der Chemiker zu tun haben wird, muß äußerste Reinlichkeit zur Pflicht gemacht sein — di e Verantwortung ist zu groß! Besondere Sorgfalt verlangen aber auch große, schwere Gegenstände, namentlich, wenn sie Blutspuren tragen oder tragen können: Hacken, Beile, Stangen, große Steine usw. Häufig werden solche wichtige Gegenstände „dem Gemeindeamte" zur Beförderung übergeben, von diesem aber oft in nachlässigster Weise versendet, so daß Spuren verloren gehen oder gar neue dazukommen. Ja, es geschehen sogar Verwechslungen, und die Sachverständigen untersuchen dann auf das sorgfältigste z. B. die harmlose Axt des Bürgermeisters und dieser behält die des Mörders im Gebrauche. Solche Gegenstände müssen nicht bloß in Kisten verwahrt, son­ dern auch (durch Löcher in einer Kistenwand) festgebunden werden, damit keine Blutspur usw. gescheuert werden kann. Nur allzu große Cbjefte, z. B. lange Stangen, können unverpackt bleiben. Dann müssen aber neben der Blutspur oder einer anderen wichtigen Stelle



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Schutzbacken festgebunden werden, erst dann darf darüber die eigent­ liche Hülle befestigt werden. Abb. 46 zeigt, wie eine blutige Hacke, Abb. 47, wie eine Stange, auf welcher bei a Blut vorhanden ist, verpackt werden muß, bevor sie in das Behältnis (Kiste) kommt. Urkunden, insbesondere mit Blei-, Färb- oder Tintenstift herge­ stellte, müssen derart verpackt werden, daß der geschriebene Teil der verläßlich befestigten Urkunde hohl liegt und vor jeder Reibung oder "Verletzung gesichert ist. Zumindest muß dies mit jenem Teil der Ur­ kunde geschehen, der für die Untersuchung von Bedeutung ist. Zu vergessen ist auch nicht, daß bei allen organischen Gegen­ ständen, die von Chemikern, Botanikern, Mikroskopikern usw. unter­ sucht werden sollen, Eile nottut; diese können oft das Wichtigste sagen, wenn sie das Objekt bald bekommen, gar nichts, wenn viel Zeit vergangen ist. Dies gilt namentlich von Blut, Eiter, Samen, Mageninhalt, pflanzlichen oder tierischen Giften, Schmutzflecken, Exkre­ menten usw. Endlich muß stets darauf gesehen werden, ivichtige Gegenstände auch dauernd zu erhalten. Zu diesem Zwecke ist bei allen ge­ webten, gestrickten, genetzten oder gefilzten Stoffen, insbesondere auch bei Papier, folgender Vorgang einzuhalten: Der Stofs wird reichlich mit Zellit eingepinselt und dann auf eine mit Spiritus und Kreide sorgfältig gereinigte Glasplatte gelegt und mittels Zellit antrocknen gelassen. Dann wird auf den Stoff eine zweite, gleich große, gleich gereinigte Glasplatte gelegt, worauf die beiden Glasplatten luftdicht mittels geleimter Papierstreifen ver­ bunden werden. XI. Abschnitt.

Zeichnen und Verwandtes. 1. Allgemeines. Wer jemals Akten durchgesehen und darauf gemerkt hat, wodurch man über das Dargestellte am besten Verständnis erlangt, der wird bemerkt haben, wie schwer man sich auch mit der besten Beschreibung zurechtfindet, und wie einfach und sicher Klarheit gewonnen wird, wenn eine, auch noch so unbeholfene Zeichnung, ein Abdruck oder eine ähnliche Darstellung beigelegt wurde, ja manche Dinge lassen sich überhaupt gar nicht beschreiben, man begreift sie nur, wenn sie in Natur oder in einer Darstellung vorgeführt werden. Man stelle sich z. B. nur vor, welche umständliche Beschreibung, sagen wir das erste, beste Zimmer erfordert, wenn man sich darüber klar werden soll, was darin steht, welchen Raum jeder Gegenstand beansprucht und wie die einzelnen Verhältnisse gegeneinander zu denken sind; und hat man die langatmige Beschreibung studiert, so ist gewöhnlich noch keine oder eine falsche Vorstellung gewonnen. Wie rasch, sicher und verläßlich ist man aber über alles unterrichtet, wenn mit einigen,



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Schutzbacken festgebunden werden, erst dann darf darüber die eigent­ liche Hülle befestigt werden. Abb. 46 zeigt, wie eine blutige Hacke, Abb. 47, wie eine Stange, auf welcher bei a Blut vorhanden ist, verpackt werden muß, bevor sie in das Behältnis (Kiste) kommt. Urkunden, insbesondere mit Blei-, Färb- oder Tintenstift herge­ stellte, müssen derart verpackt werden, daß der geschriebene Teil der verläßlich befestigten Urkunde hohl liegt und vor jeder Reibung oder "Verletzung gesichert ist. Zumindest muß dies mit jenem Teil der Ur­ kunde geschehen, der für die Untersuchung von Bedeutung ist. Zu vergessen ist auch nicht, daß bei allen organischen Gegen­ ständen, die von Chemikern, Botanikern, Mikroskopikern usw. unter­ sucht werden sollen, Eile nottut; diese können oft das Wichtigste sagen, wenn sie das Objekt bald bekommen, gar nichts, wenn viel Zeit vergangen ist. Dies gilt namentlich von Blut, Eiter, Samen, Mageninhalt, pflanzlichen oder tierischen Giften, Schmutzflecken, Exkre­ menten usw. Endlich muß stets darauf gesehen werden, ivichtige Gegenstände auch dauernd zu erhalten. Zu diesem Zwecke ist bei allen ge­ webten, gestrickten, genetzten oder gefilzten Stoffen, insbesondere auch bei Papier, folgender Vorgang einzuhalten: Der Stofs wird reichlich mit Zellit eingepinselt und dann auf eine mit Spiritus und Kreide sorgfältig gereinigte Glasplatte gelegt und mittels Zellit antrocknen gelassen. Dann wird auf den Stoff eine zweite, gleich große, gleich gereinigte Glasplatte gelegt, worauf die beiden Glasplatten luftdicht mittels geleimter Papierstreifen ver­ bunden werden. XI. Abschnitt.

Zeichnen und Verwandtes. 1. Allgemeines. Wer jemals Akten durchgesehen und darauf gemerkt hat, wodurch man über das Dargestellte am besten Verständnis erlangt, der wird bemerkt haben, wie schwer man sich auch mit der besten Beschreibung zurechtfindet, und wie einfach und sicher Klarheit gewonnen wird, wenn eine, auch noch so unbeholfene Zeichnung, ein Abdruck oder eine ähnliche Darstellung beigelegt wurde, ja manche Dinge lassen sich überhaupt gar nicht beschreiben, man begreift sie nur, wenn sie in Natur oder in einer Darstellung vorgeführt werden. Man stelle sich z. B. nur vor, welche umständliche Beschreibung, sagen wir das erste, beste Zimmer erfordert, wenn man sich darüber klar werden soll, was darin steht, welchen Raum jeder Gegenstand beansprucht und wie die einzelnen Verhältnisse gegeneinander zu denken sind; und hat man die langatmige Beschreibung studiert, so ist gewöhnlich noch keine oder eine falsche Vorstellung gewonnen. Wie rasch, sicher und verläßlich ist man aber über alles unterrichtet, wenn mit einigen,

129 noch so kunstlosen Strichen eine Skizze des Zimmers angefertigt wurde. Nehmen wir weiter an, durch irgendein Werkzeug sei hei einem Einbruchdiebstahle an der erbrochenen Lade ein Eindruck her­ vorgerufen worden, oder man fände anläßlich eines Mordes an einer Türe oder einem Baume eine kleine Verletzung, die vielleicht von einer Pistolenkugel herrühren kann: kein Mensch kann eine solche Be­ schädigung derart beschreiben, daß sich der Leser auch nur ungefähr ein Bild davon machen kann. Nimmt man aber ein Stückchen erwärmtes Wachs und bildet in noch so einfacher Weise einen Abdruck von der verletzten Stelle, so ersetzt ein Blick auf diesen vorgelegten Abdruck nahezu vollständig die Ansicht der verletzten Stelle selbst. Aber auch für den Arbeitenden hat die bildliche Darstellung großen Wert. Abgesehen von der Beruhigung, die es ihm gibt, wenn er weiß, daß auch die anderen die Sache möglichst genau sehen können, tut er sich selbst viel leichter, wenn er schon vor der Beschreibung eilte Skizze ausgenommen und bezeichnet hat, so daß er bei der Beschreibung oder bei den zahlreichen späteren Zeugenvernehmungen sich lediglich auf die Bezeichnung der Skizze beziehen kann. Hat er keine Skizze, so muß er z. B. sagen: „Die an der nordwestlichen Seite des Hauses befindliche zweite Türe von der Straße aus gerechnet." Vernimmt man nun nach einigen Wochen einen Zeugen, so hat man diese Be­ zeichnung vielleicht vergessen und nennt dieselbe Türe: „Die gegen den Bach führende näher gegen das Dorf Altenberg gelegene Türe." Ist aber eine Skizze vorgelegen, so heißt diese Türe ein für allemal: „Die Türe T." Welche Erleichterung dies für den Beschreibenden und jeden Lesenden mit sich bringt und wie sehr dadurch Irrungen ausgeschlossen werden, ist nicht weiter zu erörtern. Es kann daher im allgemeinen nur dringend geraten werden, daß man sich bemüht, die wenigen notwendigen Handgriffe zu erlernen und daß man keine Gelegenheit versäumt, aufmerksam znzusehen, wenn man bei anderen solche Vornahmen lernen tarnt; manches ist auch hier aus Beschreibungen schwer zu erlernen, während man es richtig machen kann, wenn man es ein einzigesmal gesehen hat; im folgenden soll nur von jenen einfachen Dingen die Rede sein, die mit wenigen Worten mitgeteilt werden können und wobei es weder auf Geschicklichkeit noch Vorkenntuisse, sondern nur auf guten Willen und Anfmerken ankommt.

2. Das Zeichnen. Das Nachfolgende ist weder für Leute berechnet, die ohnehin zeichnen können, noch sollen solche, die nicht wissen, wie man einen Bleistift angreift, zu geübten Zeichnern herangebildet werden; es will nur jenen, die einige, wenn auch sehr geringe Vorkenntnisse haben, mitgeteilt werden, aus was es in unseren Fällen ankommt. Selbst­ verständlich soll hier in keiner Weise von kunstvollen Darstellungen die Rede sein; es handelt sich nur um das, was man eine Skizze nennt, wie sie jeder machen kann. Muß ausnahmsweise wirklich einGroß-tzöpler, Erforschung. 6. Ausl. 9

130 mal eine bildliche Darstellung gemacht werden, so ist ja ohnehin ei» wirklicher Zeichner, ein Techniker oder ein Photograph heranzuziehen; wir sprechen also nur von dem, was jeder nicht allzu ungeschickte Mensch leisten kann; allzu ungeschickte Leute sind aber für unsere Arbeiten überhaupt nicht zu brauchen. Merke: a) Man skizziere einfach alles, was sich nur überhaupt durch eine Zeichnung darstellen läßt und ivenn es auch nur einige wenige Striche oder Punkte sind, welche Richtungen oder Lageverhältnissc darstellen. Sagen wir, es handelt sich z. B. um drei Kratzer, die auf einer Mauer wahrgenommen werden: macht man auf einem Blatt Papier drei Striche, welche das Längen­ verhältnis, die Richtung und Neigung der Striche darstellen und vermerkt man, wo oben und unten, Norden und Süden ist, so hat man alles geleistet, was zu leisten ist, und die Sicherheit und Klarheit erscheint wesentlich gefördert. Oder es befinden sich irgendwo die Merkmale von mehreren Schrotkörnern: man macht auf einem Blatt Papier wieder einzelne Punkte mit Tinte, in der gleichen Zahl wie die Schrotkörner, verbindet die einzelnen Punkte mit geraden Bleistiftstrichen und schreibt auf diese die sorgfältig vermessenen Entfernungen in Zentimetern. Das kann jeder machen und es ist alles geleistet, was geleistet werden soll. Im allgemeinen mache man es sich zum Grundsatz, so viel als möglich zu zeichnen; im Anfang hat man nie eine Vor­ stellung davon, was wichtig ist und es werden kann, und später bedauert man oft lebhaft, daß man eine nicht mehr nachzu­ holende Aufnahme versäumt hat; ist eine Skizze wirklich über­ flüssig, so braucht man sie ja weiter nicht vorzulegen und viel Zeit ist damit nicht verloren worden, ein zuviel kann hierbei nie schaden und immer klärt man sich selbst durch Zeichnen der Sache am besten auf. b) Unbedingte Notwendigkeit ist peinlichste Genauigkeit im Messen. Unter Umständen kommt es allerdings auf ein paar Zentimeter durchaus nicht an, ob dies aber im einzelnen Falle so ist, weiß man im Anfänge niemals, wohl aber ist es sicher, daß es unter Umständen lediglich gerade auf diese paar Zentimeter ankommt. Sehr häufig macht man sich auch durch Ungenauigkeit int Messen selbst erhebliche Schwierigkeiten, weil es dann, wie man zu sagen pflegt, irgendwo nicht ausgeht, oder weil die fertige Skizze nicht den richtigen Eindruck macht. Entweder kann man dann wieder von vorne anfangen, oder man liefert etwas Falsches. Hierbei sind wieder namentlich zwei Punkte wichtig: Man zeichne nie zum Teile nach dem Augenmaße, zum Teile nach sorgfältiger Vermessung. Unter Umständen wird eine ganz nach Augenmaß gemachte Skizze nicht nur genügen, sondern auch das Gewollte besser darstellen, als eine sorgfältig gemessene steife Darstellung; wird aber nur teilweise gemessen, so entsteht

131 nie etwas Brauchbares. Sagen wir, es mißt einer Länge und Breite eines Zimmers, Lage und Größe der Türen auf den Millimeter genau ab und stellt sie auch so genau dar. Dann zeichnet er aber die einzelnen Einrichtungsstücke bloß ungefähr nach dem Augenmaße ein: irgendwo stimmt es dann sicher nicht: entweder ist an den Wänden zu viel oder zu wenig Raum ge­ blieben oder es stimmt in der Mitte mit dem freien Platz nicht, kurz die Arbeit ist wertlos, vielleicht sogar schädlich, weil sich der Beschauer falsche Vorstellungen machen kann. Also: ent­ weder alles nach dem Augenmaß zeichnen (und diesen Umstand vermerken) oder alles genau messen und hiernach zeichnen. Ein weiterer oft begangener Fehler besteht darin, daß map mit einem nur ungefähr richtigen Maße mißt und ein voll­ kommen genaues Maß einsetzt. Z. B. es wird nur mit Schritten gemessen und hierbei z. B. 70 Schritte gefunden. Diese werden aus Meter umgerechnet und in die Skizze werden dann 56 Meter eingesetzt. Wurde mit Schritten gemessen, so muß der Leser auch wissen, daß es sich nur um ein ungefähr richtiges Maß handelt, liest er aber 56 Meter, so glaubt er, daß es sich wirklich genau, um so viel handelt. c) Man suche über das zu Skizzierende einen vollen Überblick zu gewinnen, bevor man mit dem Zeichnen anfängt. Daß dies in der Regel nicht geschieht, merkt man an so vielen Skizzen: es wurde bei irgendeinem Zipfel zu zeichnen angefangen und ge­ zeichnet, bis das Papier zu Ende war. So macht man es beim Schreiben, aber nicht beim Zeichnen, denn sonst wird Unwichtiges deutlich und auf den besten Platz, Wichtiges aber nebensächlich oder gar nicht untergebracht. Kann man sich daher das zu Zeichnende nicht vorher vollständig im Kopfe vorstellen, so lasse man sich die Mühe nicht verdrießen, vorerst ein Paar ganz flüchtige Probeskizzen zu machen und mit der Ausführung erst zu beginnen, wenn man mit dem Aufzunehmenden zufrieden ist. So erspart man viele Arbeit oder die Lieferung von etwas Unbrauchbarem. d) Man suche den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann die Skizze aufzunehmen ist. Wie eben erwähnt, darf man nicht anfangen, bevor man weiß, was wichtig ist und was gezeichnet werden muß, aber man soll die Skizze schon fertig haben, wenn man mit der Beschreibung und Zeugenvernehmung beginnt. Es kann ja sein, daß dieser Zeitpunkt unter Umständen sich als zu früh gewählt Herausstellen mag, man kann aber in solchen Fällep durch Ergänzungen oder eine zweite Seitenskizze oder durch Einzelnzeichnungen immer abhelfen; der Vorteil, den man aber hat, wenn man bei Beschreibung und Vernehmung sich schon auf die Skizze berufen kann, ist so groß, daß man auf ihn nicht verzichten soll. Wie oben erwähnt, kann man bei Borliegen der Skizze sich leicht und jede Verwechslung ausschließend auf die Türe T, auf den Baum B, auf den Kasten K beziehen. AußerS'

132

c)

k)

g)

h)

i)

k)

l)

dem gelingt auch die Verständigung mit den Zeugen viel leichter, wenn man ihnen bei der Besprechung die Skizze vorlegen kann. Endlich hat man noch den großen Vorteil, daß sich bei der Beschreibung der Skizze oder bei der Zeugenvernehmung Mängel, Auslassungen und Fehler Herausstellen, die iiimi dann noch rechtzeitig zu verbessern vermag. Man unterlasse cs nie, auf jeder Skizze von feststehenden Dingen die Weltgegend anzugeben, auch wenn die Skizze nur aus einem einzigen Striche bestünde. Dabei darf man diese Angabe aber nur nach der Magnetnadel machen; geschieht es ausnahmsweise nur ungefähr nach dem Sonnenstände, so muß dies bemerkt werden, Man zeichne nichts Überflüssiges und plage sich nicht mit Schön­ heiten, Schattierungen und sonstigem Aufputz: je einfacher und schmuckloser, desto besser. Man mache es sich zur Regel, nur ganz ausnahmsweise eine Skizze in die Beschreibung selbst aufzunehmen, sie muß immer auf einen: abgesonderten Papier gezeichnet werden; einerseits ist die Benützung für jeden Lesenden weitaus bequemer und andererseits arbeitet man auch viel leichter, tuet £ man eine etwa mißlungene, abgesonderte Skizze wieder wegwerfcn kann, dies aber nicht leicht tut, wenn man schon einige Seiten Beschreibung ausgenommen hat. Der Maßstab ist stets im Dezimalmaße zu halten und, wenn möglich, in einem leicht umzurechnenden Verhältnisse zur Natur zu gestalten (1:10, 1:100, 1:1000). Das Verhältnis ist natürlich auf der Skizze anzugeben. Die Buchstabenbezeichnung wird viel bequemer, wenn man die Anfangsbuchstaben des betreffenden Gegenstandes wählt (Türe mit T, Baum mit ß, Fichte mit F usw.). Bei der Aufnahme macht man natürlich alles mit Bleistift, bei der Ausführung wird die Zeichnung mit schwarzer Tinte veranlaßt, während man die Buchstaben, wenn möglich, mit roter Tinte einsetzt; hier­ durch gewinnt die Deutlichkeit der Zeichnung wesentlich. Man verlasse sich nie, grundsätzlich nie darauf, daß man die Sache später zu Hause genauer ausführen werde. Dies sagt man sich häufig, wenn man für heute genug hat und wenn Kälte, Hitze, vorgerückte Zeit und mangelnde Bequemlichkeit lästig werden. Man merkt sich die Dinge eben nur solange, als man sie vor Augen hat und jederzeit Ergänzungen machen kann. Zu Hause weiß man sie nicht mehr und ergänzt dann gar nicht oder in gefährlicher Weise falsch. Sehr zweckmäßig ist es, wenn man eine fertige Zeichnung, die später in die Hände von vielen Zeugen, Geschworenen usw. kommen kann, vor allerlei Schädigungen schützt. Dies kann man leicht tun, wenn man sie entweder mit einer Lösung von einem Teil Stearin in drei Teilen Kollodium übergießt und dann eine Viertelstunde trocknen läßt, oder wenn man die Zeichnung mit Zapynlack tränkt, den man bei Händlern mit photographischen

133 Bedarfsartikeln billig bekommt. Zaponlack schützt das Papier ganz vortrefflich, ist aber äußerst feuergefährlich, weshalb der nicht feuergefährliche, allerdings schwer erhältliche glashelle Zellit in Lösung zu empfehlen ist. m) Zum Zeichnen und Skizzieren verwende man das sog. Millim e t e r p a p i e r, ein festes, gut geleimtes, zähes, in jeder besseren Papierhandlung erhältliche Papier, das mit einem Netze von Quadraten von ein oder zwei Millimeter Seitenlänge überdeckt ist, wobei die Quadrate von 5 und 10 mm Seitenlänge in stärkeren Linien hervorgehoben sind. Dieses Papier bietet den großen Vorteil, daß die ermittelten Maße mit Leichtigkeit in das bereits vermessene Papier übertragen werden können, und daß man der Mühe enthoben ist, rechte Winkel erst bilden zu müssen. A. Skizzieren eines JnnenraumeS.

Als Beispiel Abb. 48. Dies ist eine häufig vorkommende und verhältnismäßig noch leichte Arbeit. In der Regel genügt ein Verhältnis von 100 :1, so daß ein Meter der Natur einem Zentimeter auf dem Papiere entspricht. Man mache sich zur Regel, daß der Umfang des Zimmers besonders ge­ nau gemessen und dargestellt werde, sonst hat man immer Schwierigkeiten. Zuerst über­ zeugt man sich (am einfachsten durch Hineinschieben eines viereckigen Tisches usw.), ob die Ecken des Zimmers recht­ winklig sind; ist dies nicht der Fall, so findet man den betreffenden Winkel am leich­ testen, wenn man ein steifes Blatt Papier solange in den Winkel hält und zuschneidet, bis es paßt, dann überträgt man diesen Winkel auf die Zeichnung. Hat man alle vier Ecken festgestellt, so mißt man eine Seite und trägt das in Metern erhaltene Maß in Zentimetern auf die Skizze, dann errichtet man auf dieser Linie dem Winkel entsprechend die zwei Seitenwände, vermißt sie und verbindet die Endpunkte. Zuletzt wird diese vierte Seite auf dem Papier und in Natur gemessen und beide miteinander verglichen; stimmen die Maße nicht, so steckt irgendwo ein Fehler, der unbedingt gesucht und verbessert werden muß. Dann werden ebenfalls mit dem Maßstab Türen, Fenster und der Ofen vermessen und eingezeichnet und zuletzt die Einrichtungsstücke dargestellt. Dies geschieht in der

134

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Weise, daß immer jener Raum gezeichnet wird, welchen die Möbel auf dem Fußboden beanspruchen. Es wird also z. B. ein Bett durch ein Rechteck dargestellt, dessen Länge und Breite der äußeren Länge und Breite des Bettes entspricht. Handelt es sich um besondere Genauigkeit, z. B. darum, ob in der Mitte eines Zimmers dies und

jenes geschehen konnte, ob ein Einrichtungsstück für einen Vorgang hinderlich war usw., so müssen zuletzt noch Prüfungsmaße vorge­ nommen werden, indem die Entfernung der einzelnen wichtigen Gegenstände voneinander nachgemessen und überprüft werden. Zuletzt gibt man auch die Mauerdicke an, die entweder bei den Fenstern und Türen oder von außen gemessen werden muß. Von besonderer Deutlichkeit und nicht schwer zu machen ist die sog. Kreuzprojektion, deren Wesen sich aus Abb. 49 von selbst ergibt.

135 B. Skizzieren einer Wohnung.

Als Beispiel Abb. 50. Diese bietet ungleich mehr Schwierigkeiten als jene auch vieler einzelner Zimmer, weil die Lage der Zimmer zueinander häufig nicht leicht zu entnehmen ist. Verhältnismäßig wenig Schwierigkeiten bietet die Sache, wenn man zuerst das d e ganze Haus von außen messen und zeichnen kann, weil man A I dann schließlich doch nur dieses im Innern einzuteilen hat und ;=> c jeden Fehler entdeckt, wenn die d v Einzelmaße der Räume mit dem SchJ Gesamtmaße des Hauses nicht stimmen. Kann man dies also R n tun, so mißt und zeichnet man 1 Sj?- ] zuerst das Haus von außen, trägt die Mauerdicken ein und r K z L-JL beginnt von innen in jener Ecke 4=?. b zu zeichnen, wo sich voraussicht­ a LT Abbild. 50. lich die wenigsten Schwierigkeiten Skizzierung einer Wohnung. ergeben werden. Sagen wir, es liege eine Seite des zuerst aufgenommenen Eckzimmers gegen Westen, so bleibe man bei der Westseite des Hauses und nehme nacheinander alle an dieser Westseite des Hauses gelegenen Räume in Angriff. Hat man den nordwestlichen Eckraum eingezeichnet, so gehe man grundsätzlich nicht eher weiter, als bis man sicher ist, daß die Einzel­ ausdehnung der nach Westen gelegenen Räume zusammen der Gesamt­ ausdehnung des Hauses entsprechen; steckt und bleibt hier schon ein Fehler, so kommt die Arbeit zu keinem Ziele. Dann nimmt man die nach Norden gelegenen Räume, dann die östlichen, dann die südlichen in Angriff und geht zu der nächsten Seite erst über, ivenn die vorhergehende überprüft und richtiggestellt worden ist. Bleiben dann in der Mitte noch Räume, so müssen sich deren Maße von selbst ergeben. Man merke, daß Zeitverlust durch genaues Messen immer noch Zeitgewinn darstellt, denn wenn man jedes einzelne Maß peinlich genau nimmt, so ist man nach dem letzten Raume auch wirklich fertig; eine einzige Ungenauigkeit macht aber endlose Verbesserungen, viel­ leicht sogar die Neuaufnahme der ganzen Arbeit notwendig. Ist ein Haus, wie es wohl meistens der Fall sein wird, nicht ringsum zugänglich, so kann man doch zum mindesten in allen Fällen eine Seite von außen vermessen; man tut dies, und beginnt dann bei der Innenseite mit jenen Räumen, welche an der vermessenen Seite gelegen sind. War dies z. B. die Westseite, so nimmt man zuerst diese, dann die Nord- und Südseite und erst zuletzt die Ostseite und die Mittelräume; so gewinnt man doch immerhin einige Kontroll­ maße, man muß aber womöglich noch genauer vorgehen als dann, wenn man durch sämtliche Außenmaße sichere Anhaltspunkte ge­ wonnen hat.

136 Auch bei diesen Aufnahmen kommt man am leichtesten auf Irr­ wege, wenn es mit den Ecken der Räume nicht stimmt und wenn sie nicht rechte Winkel darstellen. Am sichersten geht man in der oben genannten Weise mit dem zuzuschneidenden Papiere zu Werke. Handelt es sich um viele Winkel, so kann man sich auch für ungefähre Maße mit einem zusammenlegbaren Maßstabe helfen, dessen einzelne Glieder noch ziemlich stramm aneinandergehen. Man biegt ihn in der Mitte ab, paßt den so erhaltenen Winkel in die Ecken und prüft den jetzt erhaltenen Winkel an einem sicher rechtwinkeligen Gegenstände (Tisch­ platte usw.). Wird der Winkel als kein rechter befunden, so kann man ihn mit dem Maßstabe, den man in der gefundenen Neigung beläßt, sofort auf das Papier übertragen. Hat man mehrere Stockwerke zu zeichnen, so kann man allerdings die Zeichnung des einen für das darunter oder darüber liegende benützen, muß aber genaue Nachmessungen vornehmen. Vorerst merke man, daß die Mauern in jedem höheren Stockwerke um einen Ziegel dünner sind als in dem darunterliegenden Raume; die Räume sind also oben nicht unwesentlich größer. Mauern, die in einem Stockwerk vorhanden sind, können im oberen fehlen, ist aber oben eine Zwischen­ mauer mehr, so erkennt man dies unten durch das Vorhandensein eines Bogens, einer Gurte oder eines eisernen Trägers. Nur dünne Riegelwände oder die modernen leichten Mauern aus Gipsdielen werden ohne weiteres auf den Fußboden gestellt. Eine wesentliche Erleichterung kann man sich verschaffen, wenn man den häufig beim Hause verwahrten Bauplan erhalten kann. Aber eine genaue Überprüfung ist auch hier nötig, da später Ver­ änderungen vorgenommen worden sein können, oder während des Banes häufig der Plan nicht genau eingehalten wurde; namentlich Türen, auch Ofen und Fenster sind oft an anderen Stellen cingsbracht, als es im Plane beantragt war. C. Skizzieren der Umgebung eines Hauses.

Als Beispiel Abb. 51.

Diese ist entweder so gedacht, daß man sie um die genaue Zeichnung eines Hauses anbringt, oder daß diese eine beson­ dere Zeichnung darstellt, während auf der Um­ gebungsskizze das Haus bloß von außen und ganz klein eingezeichnet wird. Auf jeden Fall ist es hier besonders wichtig, daß man sich vor allem mit dem Raume abfindet, den man für die Skizze auf dem Papiere zur Verfügung hat. Man muß sich also zuerst darüber klar sein, wieviel

137 dargestelll werden muß; diesen Raum schreitet man ab, und weiß nun die Länge und Breite des zu Zeichnenden, wenn man die Um­ wandlung der Schritte in Meter vorgenommen hat; (ein Schritt = 80 Zentimeter.) Sagen wir, der Raum wäre 30 Schritt lang und 20 Schritt breit = 24 X16 Meter; wir hätten einen halben Bogen Papier zur Verfügung (meist 34 x 21 Zentimeter), so können wir, im Verhältnis von 100:1 darstellend, so zeichnen, daß oben und unten je 5 Zentimeter, rechts und links je 4i/2 Zentimeter frei bleiben (den Bogen quer gelegt). Diese Feststellung ist in wenigen Minuten gemacht und erleichtert die Arbeit ungemein. Selbstverständ­ lich sucht man dann irgendeinen Ausgangspunkt für den Anfang der Aufnahme, der zweckmäßig ungefähr die Mitte des Papieres ein­ nehmen soll; man mißt nun ab, wie weit dieser Gegenstand, z. B. ein Baum, vom Rande der Skizze nach oben und (z. B.) nach rechts entfernt ist, überträgt dies auf seinen Maßstab und zeichnet bann den Baum auf dem entsprechenden Platze ein. Nun verbleibt man bei diesem Anhaltspunkte: man mißt z. B. das diesem Baum Zunächst­ liegende, überträgt den Maßstab und zeichnet ein; von diesem geht man wieder weiter, bis man auf dieser Seite fertig ist. Am meisten empfiehlt es sich, vom Mittelpunkte aus zuerst hinauf, dann nach links, dann rechts, zuletzt nach unten zu gehen. So^hat man immer Überblick und verdeckt sich nichts schon Gezeichnetes. Ist alles fertig, so empfiehlt es sich sehr, die üblichen miliitärischeu Bezeichnungen (für Wald, Feld, Wiese usw., dann für die verschiedenen Straßen und Wege, Gebäude usw.) einzusetzen, was die Übersichtlichkeit und Verwendbarkeit der Zeichnung wesentlich erhöht. Man erhält in jeder Buchhandlung ein Taschenbuch hierfür, nötigen­ falls zeigt cs jeder Offizier; die Zeichen sind sehr einfach, leicht zu machen und werden überall verstanden; sie entsprechen ihrer Bedeutung derart, daß man die meisten versteht, auch wenn man sie nicht erklärt erhalten hat. v. Skizzieren eines größere» Teiles der Landschaft.

Als Beispiel Abb. 52. Will man einen größeren Geländeteil aufs Papier bringen, so geht man im allgemeinen genau so vor, wie eben dargestellt, nur genügt nicht ein Gegenstand in der Mitte, man muß trachten, eineMittelliniezu finden. Vorerst hat allerdings das Maßstab­ suchen eine gewisse Schwierigkeit, namentlich, wenn man keine Aus­ wahl in Papier hat, und in der Regel wohl darauf beschränkt sein wird, auf einem halben Bogen Papier (im gewöhnlichen Ausmaße von 34x21 Zentimeter) zu zeichnen. Vorerst muß selbstverständlich der Raum, den man zeichnen will, der Länge und Breite nach abge­ schritten werden. Sagen wir, es ergibt sich: 920 Schritt Länge und 615 Schritt Breite, also 73 600 Zentimeter X 49 200 Zentimeter. Teilen wir die natürliche Länge (73600) durch die Papierlänge (34), so ergibt sich die Zahl 2165, d. h. ein Zentimeter Papier muß ungefähr 2000 Zentimeter = 20 Meter darstellen. Nun zeichnet man einen

138 Maßstab, d. h. man macht nach dem Maßstab einen Strich von 10 Zentimetern, teilt ihn in 10 Teile und bezeichnet die Teilstriche mit: 0, 20, 40, 60, 80, 100, 120, 140, .... Meter. Nun sucht man sich in der Natur eine Linie, die möglichst gerade und möglichst in der Mitte durch das zu zeichnende Gelände quer durchgeht — irgend etwas findet sich: Straße, Bach, Kulturgrenzen, äußersten Falles bloß eine gedachte Linie zwischen mehreren Gegenständen: einem Baum, einem Wegkreuz, einer Feldecke. Diese Linie zeichnet man auf seinem Papier eilt und sie bildet die Grundlinie für die ganze weitere Arbeit. Man denkt sich nämlich von jedem Punkte, der auf der Skizze ersichtlich sein soll, eine Senkrechte auf die genannte Grund­ linie (also von jedem Baum, jeder Hausecke, dem Beginn und dem Ende einer Kulturgattung usw.), schreitet die Senkrechte ab, und von dem Punkte, wo diese getroffen wird, wieder die Grundlinie bis zu ihrem Beginn. Die zwei Zahlen werden in Meter und diese iin

Zentimeter nach dem Maßstabe umgewandelt, diese werden auf dem Papiere aufgetragen und man weiß nun aus diesen zwei Linien, wo der Punkt festzulegen ist. Als Beispiel: Meine Grundlinie ist eine Straße, die quer durch das Gelände läuft; ich will zuerst einen Baum einzeichnen, der oberhalb der Straße liegt; ich gehe auf der Straße solartze, bis ich den Baum senkrecht ober der Straße habe —ich bin 50 Meter gegangen. Nun schreite ich gerade auf den Baum (von der Straße weg) zu — macht 60 Meter. Ich messe also auf meiner Straße auf dem Papier 2i/2 Zentimeter (=50 Meter), von da senk­ recht' nach aufwärts 3 Zentimeter (= 60 Meter) und hier muß der Baum eingezeichnet werden. In dieser Weise geht die Arbeit zwar nicht sehr rasch, die auf­ gewendete Mühe bezahlt sich aber durch die Verläßlichkeit des Ge­ leisteten; um dem Leser eine Andeutung darüber zu geben, wieweit die Aufnahme richtig ist, empfiehlt sich ein Vermerk: „Ausgenommen nach dem Koordinatensystem". —

139 E. Skizzieren von Geschehnissen auf der Strotze.

Wer je zu beurteilen hatte, wie sich der oder jener Unfall auf der Straße zugetragen hat, ob ein Kutscher, ein Randfahrer, ein Kraftwagenlenker oder ein Triebwagenführer das Verschulden an einem Zusammenstoß trägt, wird die Wohltat einer guten Skizze zu würdigen wissen. Wie einfach und anschaulich spielt sich jede Ver­ nehmung an der Hand einer solchen Skizze ab! Das beste ist, in allen derartigen Fällen den in Frage kommenden Teil des Stadtplanes 10 fach vergrößert auf ein Blatt Papier zu übertragen und in diese Skizze nach der vorzüglichen Anleitung Dr. Weinlichs alle Geschehnisse mit einfachen Strichen — aus der Vogelschau gesehen — einzuzeichnen. W e i n l i ch empfiehlt nach­ stehende Zeichen.

er

a.

für einen Menschen, wobei die den Füßen entsprechenden 2 Striche die Gehrichtung anzeigen, f* für ein Roß, wobei der breitere Teil der Kruppe entspricht.

für einen Lastwagen,

für einen Straßenbahnwagen mit eingezeichneter Fahrtrichtung,

d

e

C

für einen Kraftwagen.

Abbild. 53 a bi« e.

Dieses Zeichen in der Draufsicht ist nicht bloß das einfachste, sondern auch das richtigste. Es ist auch viel übersichtlicher als ein Lichtbild, das niemals die Lage in ihrer Gesamtheit derart überblicken

Abbild. 54.

140

läßt, wie eine solche Skizze. Diese Art des Zeichnens ist auch deshalb wärmstens zu empfehlen, weil sie selbst dem nicht Zeichenkundigen die Möglichkeit gibt, mühelos eine vollkommen entsprechende Skizze zu liefern. Die Abb. 54 zeigt ein Beispiel einer derartigen Skizze, aus der zu erkennen ist, auf welcher Straßenseite der.Lastwagenkutscher fuhr, als er mit dem Straßenbahnwagen zusammenstieß, und wo die vier als Zeugen in Betracht kommenden Personen zur Unfallszeit sich befanden. Im Großteil der Fälle wird die Skizze, abgesehen vom Stadt-?, plan, nicht auf Grund eigenen Augenscheines, sondern nach den An-i gaben der Tatzeugen angefertigt werden. Selbstverständlich ist dies zu vermerken; nötigenfalls kann durch andersfärbige Tinte die etwa abweichende Darstellung anderer Tatzeugen in die Skizze eingetragen werden. 3. Das Netzzeichnen.

Soll bei irgendeiner Zeichnung eine wesentliche Vergrößerung oder Verkleinerung vorgenommen werden, so leistet das bekannte Netzzeichnen gute, mitunter unersetzliche Dienste. Es beruht auf der Tatsache, daß man leichter arbeitet, wenn das Darzustellende ein­ geschränkt ist. Man kann das Netzzeichnen sowohl zum Vergrößern als zum Verkleinern benützen. Wollte man irgendeine Erscheinung

■3!

Abbild. 56. Beispiel zum Netzzeichnen.

unmittelbar zeichnen, so verliert sie sich int Raume, während durch ein darübergelegtes Netz eine Menge von Anhaltspunkten gegeben werden; allerdings ist die Anwendung nur möglich, wenn die abzu­ zeichnende Fläche eben, zugänglich und nicht zu groß ist. Wir nehmen als Beispiel Blutspuren, die auf einem Zimmerboden in der Aus­ dehnung von mehreren Quadratmetern verbreitet sind und die ab-

141

gezeichnet werden sollen. Es handelt sich darum, vorerst über diese Fläche ein Netz aus gleiche» Quadraten zn breiten. Man zeichnet nun um die zu zeichnende Fläche etwa mit Kreide vorerst zwei aneinander­ stoßende Seiten eines Quadrats oder Rechtecks, je nachdem es die Ausdehnung der Spuren erfordert, und trägt, von der Ecke aus­ gehend, auf diesen zwei Seiten gleich große Teilstriche auf, sagen wir von je 25 Zentimeter. Ist man hiermit beiderseits soweit gekommen, daß alle Spuren i» den Rahmen fallen werden, so errichtet man an den Endpunkten Senkrechte, so daß das ganze zu Zeichnende in einem Rechteck oder Quadrat eingeschlossen ist. Auf den zwei neu gezeichneten Seiten wird die gleiche Einteilung aufgetragen, schließlich werden die Teilstriche verbunden und nun ist der ganze Raum in Quadrate ein­ geteilt. . In der Regel wird cs unzulässig sein, die Striche direkt zu machen, man wird sich also besser mit Fäden behelfen, indem totan an den Teilstrichen Nägel einschlägt und diese mit dem ersten besten Faden verbindet. Auf Holzboden wird man eiserne, im Freien hölzerne Nägel einschlagen. Ist das Einschlagen aus irgendeinem Grunde unzulässig, so muß man um den anfzunehmenden Raum vier Bretter legen, diese flüchtig zusammennageln oder beschweren und die Eisennägel auf ihnen cinschlagcn. Sagen wir, man hätte auf der Längsseite 6, aus der Schmalseite 4 Teilstriche ausgetragen und Hütte also 24 Quadrate erhalten. Nun zeichnet man sich auf dem Papier das gleiche Netz, aber viel kleiner, also etwa auf der Schmalseite mit vier Teilen zu je 5 Zentimeter, auf der Längsseite mit sechs Teilen ebenfalls zu 5 Zentimeter. Man hat also wieder 24 Quadrate im fünften Teil der Naturgröße, und hat nun in jedes Quadrat auf dem Papier das zu zeichnen, was int entsprechenden großen Quadrate in der Natur enthalten ist. Selbst­ verständlich geht die Arbeit um so leichter und sicherer, je mehr und je kleinere Quadrate man gezeichnet hat; die Schwierigkeiten des Zeichners sind natürlich hierdurch nicht behoben, aber so wesentlich ver­ ringert, daß dies auch ein ungeschickter Mensch zuwege bringen muß. Eine wesentliche Vereinfachung, die allerdings nicht für hori­ zontale Flächen zu brauchen ist, bieten sie sog. Netzspiegel, die bei jedem Optiker zu haben sind. Es sind dies kleine, schwarze Spiegel, die wesentlich verkleinert wiedergebcn; gewöhnlich sind die Gläser etwa 15 Zentimeter lang und 10 Zentimeter breit, in schmalen Holz­ rahmen, so daß sie leicht eingesteckt werden können. Der Holzrahmen ist mehrfach derart durchbohrt, daß mittels durchgezogener Fäden der Spiegel in Quadrate geteilt erscheint. Bei Benützung stellt man den Spiegel senkrecht vor das zu Zeichnende, und zwar um so näher, je größer das zn Zeichnende ausfallen soll. Auf dem Papier zeichnet man sich wieder ein Quadratnetz mit ebensovielen Quadraten, wie auf dem Spiegel, und zeichnet in jedes der Quadrate dasjenige, was sich int entsprechenden Quadrate des Spiegels abspiegelt. Mit diesem empfehlenswerten Apparate arbeitet man leicht und sicher, er ist vielfach zu verwenden.

142

Außerdem gibt es für diese und ähnliche Zwecke eine Menge mehr oder weniger schwierig zu behandelnde Vorrichtungen: Storch­ schnabel, Pantograph, Mechanograph, Dikatopter, Camera lucida usw., die gute Dienste leisten, aber zur Verwendung ziemlich viel Geschicklichkeit erfordern. Wer sich eine solche Vorrichtung anschafft, erhält ohnehin eine Gebrauchsanweisung mit, so daß hierauf nicht näher eingegangen zu werden braucht.

4. Das Modellieren. Hier ist nur von der Darstellung sog. Reliefkarten die Rede, deren Anfertigung nicht leicht, aber immerhin einfacher ist, als es den Anschein hat. Der Wert solcher Darstellungen für das Ver­ ständnis ist so groß, daß niemand gegebenen Falles deren Herstellung versäumen sollte, der es zuwege bringen kann. Es sind verschiedene Systeme denkbar.

a) Das P l a t t e n s y st e ni. Auf jeder sog. Spezialkarte sind sog. Isohypsen angebracht, d. h. feine, kreisähnliche Linien, welche alle jene Punkte um eine Erhebung herum verbinden, welche gleich hoch über der Meeresfläche liegen; sie sind daher zum Teile nebeneinander, zum Teile aber ineinander gezeichnet. Will man nun einen bestimmten Teil aus der Spezial­ karte plastisch darstellen, so zeichnet man zuerst mittels Pauspapier sämtliche auf dem betreffenden Kartenteile vorkommenden Isohypsen durch. Dann schwärzt man die Rückseite des Pauspapieres mit Kohle, legt es auf Pappendeckel und fährt mit einem harten Bleistift jede Isohypse stark aufdrückend nach; hierbei werden die Isohypsen aber nicht mehr ineinander, sondern alle nebeneinander ge­ zeichnet. Nun werden diese sämtlich mit einem scharfen Messer aus­ geschnitten und auf einem Brett oder einem Pappendeckel genau so nebeneinander und aufeinander festgeleimt, wie sie auf der Karte ersichtlich sind. Die nun vorhandenen und etwas störenden Stufen kann man dadurch beseitigen, daß man sie mit irgendeiner Formmasse verstreicht (z. B- feingepulverter Lehm, Mehl und Leimwasser gemengt). Wäre der Maßstab in dieser Weise zu klein, so müßte die Spezial­ karte zuerst in irgendeitter Weise, z. B. mit dem Netze, vergrößert werden. b) Das Nagelsystem.

Dies ist viel leichter und rascher zu machen. Außer den Isohypsen haben die Spezialkarten auch Höhenaugaben, indem an vielen Punkten mit feiner Schrift Zahlen eingetragen sind, welche die Seehöhe des betreffenden Punktes in Metern ausdrücken. Für dieses System muß die Karte vorerst mindestens zehnmal vergrößert werden; ist dies geschehen, so legt man die Vergrößerung auf ein glattes Brett und durchsticht und bezeichnet jeden Punkt, der eine Höhenangabe enthält. Die betreffenden Höhenzahlen werden dann auf dem Brett vermerkt.

143 Ist man hiermit zu Ende, so nimmt man Nägel verschiedener Länge und schlägt bei jeder Höhenangabe einen ein. Da Höhe etwas Rela­ tives ist, so kommt es nur aus das Verhältnis der Akägel unter­ einander an, und wir können bei zehnfacher Vergrößerung einer Karte (1: 75 000) 1 Zentimeter Nagel — 50 Meter Höhe annehmen. Ist die Höhenangabe also mit 175 Meter angesetzt, so wird der Nagel 3,5 Zentimeter hoch sein. Sind alle Nägel eingeschlagen imb noch­ mals mir dem Millimetermaße richtiggestellt, so nimmt man irgend­ eine Knetmasse und trägt diese solange auf, bis alle Nagelköpfe ver­ schwunden sind, aber auch nicht mehr. Ist dies fertig, so muß die Karte vollkommen der Wirklichkeit entsprechen. Als solche Knetmasse darf Lehm allein nicht genommen werden, weil er sich zusammenzieht und die Nägel schief drückt; zur Not tut es Lehm, Mehl und Leimwasser, besser ist Lehm, Chamottemehl und Leimwasser; vortrefflich eine Mischung von 8 Teilen Zement, 16 Teilen Kreide, 2 Teilen starkes Leimwasser und l Teil Petroleum. Diese Masse wird sehr hart und springt nicht.

c) Das Aufnehmen nach dem Augenmaß. Wer dies zusammenbringt, liefert eine zwar nicht genaue, aber den Anblick in der Regel am besten wiedergebende Arbeit. Sie kann richtig nur an Ort und Stelle, zur Not auch nach der Spezialkarte angefertigt werden. Man nimmt eine entsprechende Menge von Modelliermasse (am besten Lehm, Chamottemehl, Leimwasser und etwas Glyzerin, um das rasche Trocknen zu verhindern) und sucht die Formen von Berg und Tal, wie sie die Natur oder die Karte darstellen, nach Möglichkeit treu wiederzugeben. Da die Modellier­ masse sich immer ändern und verbessern läßt, so ist nie etwas ver­ dorben, und man modelt und drückt eben so lange, bis die Sache einen richtigen Eindruck macht. In der Regel gelingt es überraschend gut. Ist die nach einem der genannten Systeme hergestellte Reliefkarte trocken, so kann man ein übriges tun, wenn man sie zur größeren Deutlichkeit mit Wasserfarben bemalt: Felder gelb. Wiesen hellgrün, Wälder dunkelgrün, Wege braun, Gewässer blau, Gebäude rot; auch sollen die übrigen Bezeichnungen mit Tusch aufgesetzt werden. Ist es möglich, so kann man ja zu diesen Arbeiten einen Gips­ gießer, Bildhauer oder Modellierer heranziehen; jedenfalls suche man die Herstellung solcher Reliefmodelle zu ermöglichen, wenn es sich um Verständigung über Höhenverhältnisse handelt und der Fall von größerer Wichtigkeit ist.

5. Das Abformen. Darunter sind hier kleine Handgriffe gemeint, die ebenso leicht zu machen, als wichtig und unter Umständen auch wertvoll sind. Wie schon früher erwähnt, lassen sich gewisse kleine, aber plastische Spuren weder beschreiben noch zeichnen, wohl aber mit geringer Mühe so gut ') Am besten sog. Wagnernägel, welche ganz kleine, rundliche Köpfe haben.

144 abformen, daß die gewonnene Form ebensoviel bietet, als der Gegen­ stand selbst. Hierher gehören Spuren von Geschossen, von Einbruchs Werkzeugen, Beschädigungen an Mauern, Steinen, Bäumen, Zäunen und sonstigem Holzwerk, von Schlüsseln, Gittersprossen, Bruchstellen usw.; dann Gebiß und Fingernägel, auch von Werkzeugen selbst, da man die durch sie hervorgebrachten Eindrücke und Beschädigungen mit dem Abdruck leichter vergleicht, als mit dem Werkzeug selbst. Der Vorgang ist hierbei sehr einfach: man fettet das Abzu­ druckende leicht ein und drückt die zur Verfügung stehende Masse gut an, vergleicht das Erhaltene sorgfältig mit der Urform und wieder-, holt die Arbeit so lange, bis sie vollkommen gelungen erscheint. Zu-i meist wird man Wachs hierzu benützen, es hat aber den Fehler, daß es im ganz kalten Zustande zu hart und spröde, im weichen Zustande aber zu nachgiebig, schmierig und klebrig wird; auch sind die Formen in der Regel zu zart und zu wenig widerstandsfähig. Im äußersten Notfälle kann man feinen Lehm, Mchlteig und geknetete Krume frischen Brotes nehmen, sie haben aber alle den Fehler, daß sie sich beim Trocknen wesentlich verkleinern, krümmen und verziehen, so daß man nichts Verläßliches erhält. Wenn möglich, suche man sich eine der wirklichen, namentlich von Graveuren benützten Knetmassen zu verschaffen, z. B. 100 T. Kautschuk, 20 T. Schwefel, 40 T. Magnesia, 40 T. Goldschwesel und 40 T. Steinkohlenpech vorsichtig zusammen­ geschmolzen; oder: 40 T. Wachs, 60 T. Kolophonium und 20 T. Schwefelblumen zusammengeschmolzen (ist sehr gut, muß aber warm verwendet werden); oder: 3T. Wachs und IT. Schellack zusammen­ geschmolzen; oder: 1 T- Wachs, V2 T. Öl und 1 T. Roggenmehl in Wasser gemengt; oder: 6 T. Leim, 2 T. weißes Pech, 2T. Terpentin und soviel Kreide und Leinölfirniß, daß die Masse knetbar wird. Sehr geeignet zum Abformen ist auch das sog. Plastelin und die Formmasse der Zahnärzte. Für größere Gegenstände empfiehlt sich ein Gemenge von feiner Holzasche, Mehlkleister und zerstampftem Löschpapier.

6. Abklatschen. Noch mehr Verwendung findet das sog. Abklatschen, welches kaum mehr Geschicklichkeit erfordert als das Abformen. Es beruht auf dem Umstande, daß sich nasses Löschpapier unebenen Flächen leicht und gut anschmiegt und trocken die angenommene Form behält; es findet seine Anwendung dort, wo es sich um die Wiedergabe von größeren, unebenen Flächen, z. B. Steinplatten, Ofenflächen, Holz­ platten usw., dann von Kanten und Ecken, Hervorragungen und ähn­ lichen Formen handelt. Man geht so vor: nicht zu starkes, weißes, ungeleimtes Druckpapier, gutes Lösch- oder Seidenpapier, Filtrier­ papier, am weitaus besten aber das ausgezeichnete, nur für diesen Zweck erzeugte Abklatschpapier/) wird naß gemacht und auf den

*) Dasselbe, welches Professor Mommsen zum Abklatsche» vieler Tausender römischer Steininschriften verwendete; zu bekommen bei Brüder Ebart, Berlin,

145 betreffenden Gegenstand gelegt. Wäre der Gegenstand, z. B. eine Steinplatte, so groß, daß ein einziger Bogen nicht ausreicht, so wird ein zweites Stück genommen, das den ersten Bogen etwa daumenbreit überdeckt. Hierbei und auch bei allen folgenden Stückelarbeiten merke man, daß die Ränder des Papieres nicht geschnitten, sondern gerissen werden müssen, weil sich so beide Teile viel besser vereinigen. Sobald das Abzusormende überdeckt ist, klopft man mit einer steifen Bürste das Papier fest auf seine Unterlage (also mit den Spitzen der Borsten). Natürlich reißt das Papier an allen Stellen, wo nennenswerte Erhabenheiten oder Vertiefungen darunter liegen, da es nur wenig dehnbar ist. Auf alle gerissenen Stellen legt man entsprechend große Stücke.desselben befeuchteten Papiers (Ränder gerissen) und klopft sie wieder mit der Bürste fest, wodurch sich das unten liegende Papier und die aufgeklopften Flicke fast vollständig miteinander vereinigen. Entstehen irgendwo neue Risse, so werden sie in der gleichen Weise geflickt und so wird fortgefahren, bis von der Unterlage nirgends etwas durchzusehen ist. Nun kommt eine zweite Lage desselben Papieres, das aber nicht mit Wasser, sondern einem guten, aber dünnen Klebstoffe befeuchtet wurde: Leim, Kleister, Gummi, Dextrin usw. Jetzt wird wieder mit der Bürste geklopft, Risse werden durch mit Klebstoff versehene Flicke ausgebessert und wieder mit der Bürste geklopft. Hat man starkes Papier genommen, so genügt diese zweite Auflage, war es sehr dünn, so muß noch eine zweite oder dritte erfolgen (ebenfalls Klebstoff, ebenfalls Klopfen mit der Bürste). Dann läßt man das ganze vollständig trocken werden, was bei großer Eile durch darüber gehaltenes heißes Blech, daneben angemachtes Feuer usw. beschleunigt werden kann; zuletzt zieht man den Abklatsch ab und hat nun einen Abdruck erhalten, der fast ebenso genau ist wie Gips, dabei leicht und dauerhaft; er läßt sich rollen und werfen, einfach verpacken, kurz diese Art der Abklatsche kann nicht dringend genug empfohlen werden.

7. Absormen von Fußspuren. Eine besondere hierher gehörige Arbeit ist die Erhaltung von Fußspuren. Handelt es sich um Abdrücke, so läßt sich diesfalls nicht viel mehr sagen, als daß sie in Natur mitgenommen werden müssen; es muß also der Holzboden ausgestemmt, der Lehmboden ausgehoben, eine Steinplatte abgenommen werden usw.; im äußersten Falle, wenn das Mitnehmen in Natur nicht möglich sein sollte, muß unbedingt zuerst photographiert und dann ein Abzug versucht werden (z. B. ein Fuß­ abdruck auf einer Felsplatte). Zuerst muß festgestellt werden, woraus der Abdruck besteht, d. h. worin der Farbstoff löslich ist. Das Lösungs­ mittel wird entweder Wasser, oder Spiritus, oder Terpentin, oder Benzin sein. Mit dem betreffenden Stoff befeuchtet man ein ent* Charlottenstraße 36; fast ebenso gut ist japanisches Packpapier und für Notfälle auch Klosrttpapier. Nach meiner Ansicht das Beste ist: erste Lage Mommsenpapier, die sehr Plastisch ist, zweite Lage Klosettpapier, welches die Zähigkeit liefert. Grotz-Höpler, Erforschung. 6. Aufl.-

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146 sprechend großes Stück Löschpapier oder Filtrierpapier, legt es auf die Spur und klopft nun mit einer Bürste so lange, bis sich das Papier an die Unterlage vollkommen angeschlossen hat. Ist das Lösungsmittel mittlerweile verdunstet (z. B. Benzin), so kann man vorsichtig das Papier auf der Oberseite nochmals mit demselben Lösungsmittel besprengen. Dann wartet man das Trocknen ab und zieht das Papier langsam in die Höhe. Mitunter erhält man ganz gute Bilder, häufig ist die Spur aber völlig verdorben und deshalb muß erst photographiert worden sein. Handelt es sich aber um Eindrücke (von menschlichen Füßen, Tierfüßen, Gehstöcken usw.), so muß ein Abguß gemacht werden. Was man hierzu benützt, wird von den Umständen, d. h. davon abhängen, was man zur Verfügung hat, und auch davon, worin die Spur ein­ gedrückt wurde.

a) Tischlerleim. Dies ist für sehr weiche Spuren, also solche in lockerem Schnee, weichem Kot, Schlamm usw. meines Wissens das einzige Mittel. Man läßt gewöhnlichen Tischlerleim so dick als möglich kochen, nimmt ihn vom Feuer und läßt ihn so lanae abkühlen, bis sich an der Ober­ fläche eine Haub gebildet hat; diese wird durchstochen und die dicke, halb warme Masse vorsichtig in die Spur gegossen; Schnee z. B. schmilzt zwar, aber zuvor ist der Leim doch so weit fest geworden, daß die Spur erhalten ist. Die gewonnene Form ist recht genau und widerstandsfähig, verzieht und verkleinert sich aber beim Trocknen, so daß sie möglichst bald in Gips abgeformt werden muß. War die Spur in Kot, Schlamm, Morast usw., so ist zwar ein vorheriges, vor­ sichtiges Einfetten zweckmäßig, aber meistens nicht durchzuführen, weil man die Spur hierbei zerstören würde. Kann man also nicht ein­ fetten, so wird die Leimspur herausgehoben und mit einem Pinsel von anhängendem Kot usw. gereinigt. Die Gefahr des Abschmelzens der Schneespur läßt sich dadurch vermeiden, daß man (nach Lübden Hülsebosch in Amsterdam) vor Einführung der Masse ein Gemisch von trockenem Gipspulver und Cerebossalz durch ein Sieb in die Spur einführt, wodurch sich eine kalte Kruste bildet. b) Stearin. Dieses ist wieder das einzige Mittel, um Spuren in Sand, Staub, Mehl usw. zu retten, weil das Eingießen jeder anderen Masse die zarte Spur zerdrücken wurde. Man nimmt eine gewöhnliche Stearinkerze und schabt mit einem Messer feine Flocken in die Spur, die, wenn nötig, vorher mit Löschpapier zu entwässern ist. Je zarter die Spur ist, desto feinere Flocken muß man schaben und desto näher über die Spur muß man die Kerze halten. Ist die Spur mit den feinen Stearinflocken bedeckt, so hält man ein heißes Eisen (Blech, Pflugschar, Schaufel oder Plätteisen) solange darüber, bis das Stearin geschmolzen und in die Spur (Sand, Staub, Mehl) eingedrungen ist. Wo Stellen nicht betroffen wurden, schabt man wieder Stearin auf

147 und erwärmt abermals. Ist das Stearin erkaltet, so kann man die Kruste aus Sand, Staub, Mehl und Stearin allerdings herausheben und mitnehmen, sie ist aber doch ein so zartes Ding, daß es sich empfiehlt, sie vor dem Herausnehmen mit Gips auszugießen. Hat man keinen Gips zur Hand, so muß man das Ausschaben von Stearin und das Erwärmen so oft als möglich wiederholen: hierdurch dringt das Stearin immer tiefer in den Staub usw. ein und man erhält so wenigstens eine recht dicke Kruste, die aber noch immer äußerst vor­ sichtig behandelt werden will. Bei besonders feinem Sand empfiehlt Lübden Hülsebosch die Entwässerung zu unterlassen, dafür aber Salz einzufügen und auf das Salzwasser feinsten Gipsstaub durch ein Sieb zu streuen, c) Gips. Für alle anderen Fälle also, die am häufigsten vorkommenden Spuren in Erde, Lehnr, steifem Kot, festem Schnee usw. ist in erster Linie Gips zu empfehlen. Dieser soll möglichst frisch gebrannter, bester Bildhauergips sein, den man niemals frei, sondern in einer erwärmten und nach dem Füllen gut verkorkten Flasche aufbewahren soll. — Bevor man an die Arbeit geht, muß man aus der Spur alles später hineingekommene entfernen: Steinchen, Hölzchen usw.; stehendes Wasser muß mit Löschpapier ausgesaugt werden,' wenn möglich, soll man die Spur fester machen, d. h. mit einer Lösung von Schellack in Spiritus (gewöhnliche Tischlerpvlitur) bespritzen oder sorgsam be­ feuchten. Dies ist namentlich zweckmäßig, wenn die Spur noch sehr weich oder brüchig ist. Sobald der Schellack fest geworden ist, muß die ganze Form sorgfältig mit Ol, besser mit weichem Fett (ganz gleichgültig welches) gleichmäßig, aber dünn bestrichen werden (mit einem Pinsel, einer Feder oder einem an einem Stäbchen befestigten Wattebäuschchen). Auch nicht mit Schellack bestrichene Spuren sollen eingefettet werden, unbedingt nötig ist dies jedoch nicht. Dann richtet man sich eine Anzahl von Hölzchen: ein bis zwei, etwas kürzer als die Länge der Spur, und eine größere Anzahl etwas kürzer als ihre Breite (s. Abb. 56). Diese müssen ent­ weder von grünem Holze stammen Abbild, ütz. oder zuvor in Wasser gelegt wer- • und Versteifung eines Gipsabgusses. den; ebenso richtet man sich einige Sicherung g 2—3 Spannen lange, ebenfalls befeuchtete Schnüre. Nun wird die Gipsmasse bereitet; bezüglich der Menge merke man, daß man für eine Spur eines erwachsenen Menschen ungefähr 600 Gramm Gips und einen starken Viertelliter Wasser braucht (am besten gleichviel Wasser und Gips). 600 Gramm Gips entsprechen ungefähr der Menge, die man mit beiden aneinandergehaltenen Hohlhänden (gehäuft) auf einmal fassen kann. Beim Mischen von Gips und Wasser schütte man den Gips langsam in das Wasser (gewiß nicht das Wasser auf den Gips), dann wird rasch umgerührt, vorsichtig in die Spur gegossen, verteilt, und womöglich während des Eingießens durch eine zweite Person das Einlegen der genannten Hölzchen und der Schnüre 10*

148 in die Gipsmasse besorgt; hat man Teilten vorbereiteten Gehilfen, so muß dieses Einlegen und Eindrücken sofort nach dem Eingießen besorgt werden. Diese Hölzchen bilden in der Spur eine Art Gerippe und verleihen Festigkeit, die Schnüre geben Zähigkeit. Ist der Gips gut, so muß er in wenigen Minuten halbfest und warm, in fünf bis zehn Minuten ganz fest werden. Dann wird er herausgenommen, man überzeugt sich, ob die Spur und der gewonnene Abdruck genau stimmen und verzeichnet etwa wahrgenommene Fehler, Auslassungen usw.

Wollte man haben, daß der Gips langsamer erhärtet (wenn man z. B. eine größere Reihe von Stockspuren abzuformen hätte), so setzt man entweder dem Wasser etwas Spiritus oder dem Gips etwas gepulverten, frisch gebrannten Kalk zu. (Auf je 600 Gramm eine Messerspitze voll). Ebensogut ist etwas feingepulverte Eibischwurzel, die man aber kaum haben wird. Will man später die erhaltene Gipsspur härten und widerstandssähig machen, so macht man eine Mischung von einem Teil Alaun und fünf Teilen heißem Wasser und läßt die Gipsspur in der heißen Lösung 15—30 Minuten liegen. d) Schwefelspuren. Diese sind leicht, fest und genau, überdies ist Schwefel (gemeiner Stanaenichwefel) auch auf dem Lande fast überall zu bekommen. Für je eine Spur eines Erwachsenen braucht man etwa 400 Gramm Schwefel, der in einer eisernen Pfanne auf einem Feuer geschmolzen wird, welches wegen der erstickenden Dämpfe im Freien angemacht werden muß. Sobald der Schwefel unter Um­ rühren geschmolzen ist, so wird er in die Spur gegossen, wo er rasch erhärtet. Hat man ihn zu lange auf dem Feuer gelassen, so fängt er zu brennen an und brennt auch in der Spur weiter; besonders bei heller Beleuchtung sieht man das Brennen wegen der ganz schwach blauen Farbe der Flamme aber nicht; es ist daher zweck­ mäßig, gleich nach dem Eingießen eine dünne Schichte Sand oder feine Erde über die ganze Oberfläche zu streuen; man kann.auch etwas Wasser daraufgießen, muß sich aber vor dem Umherspritzen des heißen Schwefels in acht nehmen. Ebenso wie Schwefel ist:

e) Wachs sehr zu empfehlen, besonders für recht ungeschickte Leute. Das Wachs (rohes Bienenwachs oder eine Wachskerze) wird in irgendeinem Gefäß geschmolzen und möglichst kühl in die Spur gegossen; ist es zu heiß, so dringt es in das umgebende Material zu tief ein. Sobald das Wachs fest ist, wird (etwa eine Hand breit von der Spur entfernt) diese samt der umgebenden Erde, Lehm usw. mittels einer Schaufel herausgestochen und der ganze Klumpm in Wasser gelegt: Erde und Lehm löst sich, und die reine Wachsspur/ bleibt zurück. Sie unmittelbar auszuheben, ist wegen der Brüchigkeit des Wachses gefährlich, kann aber zuerst versucht werden. Übersehen darf nicht werden, daß die Form nicht unbedeutend kleiner ist als die Spur.

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f) Pech und Harz, wie man es entweder von Bierbrauern oder bei Landleuten oder aber von Nadelholzbäumen bekommt, tut int Notfälle recht gute Dienste; die Verwendung geschieht gerade so wie bei Wachs; während des Schmelzens entfernt man etwa bei­ gemengte, obenauf schwimmende Holz- und Rindenstückchen. g) Gleichfalls nur im Notfälle kann man zu Zement greifen. Man nimmt zwei Volumteile Zement, ein Volumteil zuverlässig lehmfreien Sand und einen halben Teil reines, ja nicht lehm­ trübes Wasser. Hat man reinen, trockenen Sand, so mischt man zuerst Zement und Sand und gießt dann Wasser zu, mußte man den Sand waschen oder ist er sonst naß, so mische man zuerst Sand und Wasser und schütte den Zement in diesen Brei. Das Ganze wird in die Spur gegossen, die Erhärtung dauert nach Beschaffenheit des Zements länger oder kürzer, die erhaltenen Spuren sind nie so genau als die von Gips, aber sehr fest. h) Sonstige Behelfe. Hat man alles Genannte nicht zur Verfügung, so kann man zur äußersten Not Unschlitt, Lehm, Mehlteig und geknetete Brotkrume verwenden; Unschlitt wird wie Wachs be­ handelt und ist wohl nur bei kaltem Wetter zu verwenden, aber in diesem Falle und bei aufgewendeter großer Sorgsamkeit immerhin zu verwerten. Lehm, Teig und die geknetete Krume frischen Brotes kann man selbstverständlich nur verwenden, wenn die Spur fest oder mit Schel­ lack und Spiritus festgemacht worden ist. In diesem Falle drückt man das genannte Material nach und nach in die zuvor eingefettete Spur und zwar so fest, als es möglich ist, ohne die Spur zu beschädigen. Hat man so die ganze Spur ausgefüllt, so hebt man diese Ausfüllung heraus, läßt sie aber zu Hause sofort in Gips abgießen, da Lehm, Teig und Krume sich beim Trocknen verzieht und wesentlich kleiner wird. Zu empfehlen ist es in diesem Falle, jedes neue Stückchen Krume, Teig oder Lehm, welches man als zweite und folgende Lage auf das schon eingebrachte Material aufdrückt, zuvor mit Wasser oder besser mit Gummilösung zu befeuchten, damit es sich mit dem anderen Materiale gut verbindet. Zur Abnahme und Sicherung von Spuren, die Schuhnägel und -Stifte in Holzböden in Form von Eindrücken zurücklassen, empfiehlt S t o ck i s folgenden Vdrgang: der Boden wird an der Eindruckstelle mit einem weichen schwarzen Bleistift genau und ohne Druck ge­ schwärzt; dann wird durch leichtes Aufpressen eines befeuchteten weißen und fixierten photographischen Gelatinpapieres ein Abdruck genommen, der das Negativ darstellt und auf photographischem Wege leicht in das Positiv umgewandelt werden kann. Der Vergleich einer Schuheindrucksspur mit dem etwa hierzu passenden Schuh wird wesentlich erleichtert, wenn beide auf gleich großen Glas- oder völlig klareren Zellitplatten photographiert und dann übereinandergelegt werden, wodurch die Gleichheiten bzw. Un­ gleichheiten in allen Einzelheiten klar hervortreten.

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8. Vervielfältigen von Schriften, Zeichnungen usw. Handelt es sich um rasche und ganz genaue Vervielfältigung von einseitig Beschriebenem, Gezeichnetem oder Gedrucktem, so ist das jetzt vereinfachte Lichtpausverfahren außerordentlich wertvoll; man kann es zwar selbst machen, wenn man das nötige Papier und einen Kopierrahmen besitzt, wird aber in der Regel besser tun, wenn man sich an eine jener Lichtpauseanstalten wendet, die es in jeder größeren Stadt gibt, und die diese Arbeit rasch und billig besorgen. In gewissen Fällen leistet das sog. Jndigopapier, blaues Paus­ papier, treffliche Dienste, wenn man sehr rasch eine Zuschrift, einen Auftrag usw. in mehreren Ausfertigungen braucht. Man legt ab­ wechselnd ein Blatt dünnes Schreibpapier und ein Blatt Kopier(Paus-)papier aufeinander, zu oberft kommt ein Blatt des ersteren, auf welchem man nun mit hartem Bleistift fest aufdrückend schreibt. Man hat dann sofort so viele Ausfertigungen, als man Kopierblätter hatte. Je nach dessen Güte kann man 3—6 Ausfertigungen erhalten. (Die Verwendung kann übrigens jeder Post- oder Eisenbahnbeamte zeigen, da diese Manipulation dort seit langem mit bestem Erfolge geübt wird.)

9. Zusammensetzung zerrissener Papiere. Diese Arbeit kommt häufig vor und ist in der Regel um so schwieriger, als der Inhalt des Zerrissenen wichtig ist, da man gleich­ gültige Papiere nicht sorgfältig zu zerreißen pflegt. Hat man eine solche Arbeit zu machen, so gelte der Grundsatz, daß man mit der Befestigung erst vorgeht, wenn der Platz jedes Stückchens sicher bestimmt ist, und daß Lesbarkeit und Ausschluß von Zweifeln das Wichtigste ist. Vor allem sorge man für eine reine, glatte und mög?lichst gleichfärbige dunkle Unterlage und breite auf dieser den ganzen Vorrat von Papierfleckchen aus; womöglich berühre man sie wenig mit der Hand (namentlich, wenn es sich um leicht verwischbare Bleistiftschrift handelt), sondern benütze eine große, gut fassende und sehr-weich federnde Pinzette. Dann suche man für jedes Stück das Vorne und Hinten zu bestimmen; leicht geht das, wenn bloß eine Seite beschrieben ist; ist das nicht der Fall, so kümmere man sich um den Text vorerst gar nicht, sondern suche zu bestimmen, ob nicht eine Seite mehr beschmutzt oder sonst von der anderen zu unterscheiden ist. Sehr häufig ist schon von der Fabrikation her eine Seite des Papieres anders beschaffen als die andere (z. B. glatter oder rauher, mit gewissen Linien versehen usw.), was man leicht mit einer scharfen Lupe herausbringt. Wird man auf diese Art über das Borne und Hinten nicht klar, so muß man sich mit dem Text zurechtfinden. Was man auf eine dieser Arten bestimmen kann, bringt man zusammen. Was unbestimmbar bleibt, legt man einstweilen zurück. Dann sucht man sich vor allem die Eckstücke, weil diese einen sicheren Anhalts­ punkt bilden. Sind diese bestimmt, so werden die Randstücke gesucht (also oben und unten, links und rechts) und ungefähr dorthin gelegt,

151 wo sie hingehören. Dann werden nach und nach die bezüglich des Vorne und Hinten bestimmten eingerückt und hat man auf diese Art eine genügende Anzahl von Anhaltspunkten, so findet man sich später auch mit den nicht bestimmten Stücken allmählich zurecht. Hat man den richtigen Platz für jedes Stück gefunden und bestehen keine Zweifel, so wird das Befestigen und Sichern besorgt. Dies muß deshalb in bestimmter Weise erfolgen, weil die Rückseite auch dann nicht abgedeckt werden darf, wenn sie unbeschrieben ist; man kann nicht wissen, ob nicht auch dieser Umstand später untersucht werden muß, es darf daher vorne und hinten nur Glas zur Sicherung benützt werden. Man bestimmt also ungefähr die Größe, welche das Papier­ blatt bekommen wird, und verschafft sich zwei ganz gleichgroße, rein weiße Glasplatten, nicht unwesentlich größer als das Papier­ blatt sein wird. Die Platten werden sorgfältig, am besten mit Spiritus, und sehr feiner Kreide, gereinigt und dann wird auf eine von ihnen ein Stückchen nach dem anderen gelegt, nachdem man es in ganz reines Wasser getaucht hat, und abtropfen ließ. Hierbei achte man darauf, daß die Fleckchen, welche schief gerissene Ränder haben, beim Aneinanderschieben in der richtigen Weise über- und untereinander geschoben werden. Ist man mit dieser müh­ samen Arbeit fertig, so wird die zweite Platte darauf gelegt. Da die Ränder beider Platten gut aufeinander passen müssen, so muß dies sorgfältig geschehen, denn ein Hin- und Herschieben ist unbe­ dingt zu vermeiden. Nun läßt man das Papier in vollkommener Ruhe trocknen, was stets lange dauert, weil das Wasser nur langsam an den Rändern verdunsten kann. Am besten ist es, wenn man die Glasplatten aufrecht lehnt, was aber nur zulässig ist, wenn kein Ver­ schieben zu befürchten ist. Ist die Trocknung zuverlässig beendet, so vereinigt man die Platten mit vier Streifen von aufgeklebtem zähem Papier. Sehr mißlich ist es, wemr die Schrift auf dem Papiere fließende Tintenschrift ist. Dann darf man die Fleckchen natürlich nicht be­ feuchten, sondern muß sie trocken aneinander legen und so zwischen den Platten einschließen, wodurch allerdings nie etwas Sauberes, zustande kommt. Ist in einem solchen Falle das Papier nur ein­ seitig beschrieben, so macht man mit einem Fleckchen den Ver­ such, ob es Tränken in reinem Speiseöl verträgt; bejahenden Falles kann man dann ein Fleckchen nach dem anderen in Öl tränken und in dieser Weise das Auf- und Aneinanderliegen besorgen. Dies gelingt unter Umständen fast besser als mit Wasser, aber, wie bemerkt, nur wenn das Beschreiben einseitig geschehen war. Hier sei auch darauf aufmerksam gemacht, daß man häufig Papiere in die Hand bekommt, die ohne Schutz bald zugrunde gehen; es sind dies solche, welche übel behandelt wurden; z. B. klein zu­ sammengefaltet in schmutzigen Taschen verwahrt waren, oder die man im Wasser, oder in der Erde, oder bei Leichen gefunden hat. Solche Papiere sind der Nährboden für verschiedene Bakterien, welche dem Papiere ein rasches Ende bereiten, wenn es einerseits im Dunklen

152 (in den Akten) verwahrt wird, andererseits aber oft angesehen, aus-? einandergelegt und wieder zusammengefaltet werden muß; es kommt dann vor, daß ein solches Schriftstück, welches zur Zeit der Auffindung sich noch in leidlichem Zustande befand, bei der Verhandlung schon unleserlich ist. Solche Papiere sind zuverlässig zu retten, wenn man sie möglichst bald mit Zaponlack oder mit einer Zellitlösung (Zellit ist nicht wie Zaponlack feuergefährlich) hinten und vorne bestreicht. Hierdurch wird das Papier zäh und haltbar, alle Bakterien sind getötet und beinahe schon zerstörtes Papier wird überraschend wider­ standsfähig. Zur Sicherheit ist aber jedesmal, bevor man eine solche Zaponbehandlung vornimmt, der Gerichtschemiker um seine Zu­ stimmung zu befragen, da hierdurch später etwa nötige Untersuchungen gestört werden können.

10. Verkohltes Papier. Die verdrießliche Arbeit, solches Papier lesbar zu machen, muß dann geleistet werden, wenn der Verdächtige etwa in Vorahnung einer Haussuchung wichtige Papiere verbrannt hat, oder wenn solche in einer feuersicheren Kasse verkohlt wurden. In der Regel wird sich derlei verkohltes Papier im Ösen oder Küchenherd vorfinden; man wird sich damit selten sofort befassen können, man muß aber unbedingt gleich nach der Entdeckung, daß sich hier verkohltes Papier befindet, der weiteren Zerstörung dadurch vorbeugen, daß man den Luftzug im Ofen unterbricht: man schließt die Rauchklappe oder nimmt die Ofenröhre heraus und verstopft sie: sonst reißt der Luftzug nach und nach immer mehr Stücke des verkohlten Papieres fort. Kommt man dann zur Arbeit, so handelt es sich darum, die verkohlten Papierstücke mit einer sicheren Unterlage zu versehen; viel Brauchbares wird selten zustande kommen, aber mitunter gelingt es doch, die wichtigsten Be­ weise herzustellen. Für die Sicherung gebt es verschiedene Arten, von denen ich zu folgender rate: Vor allem hebt man die einzelnen verkohlten Stücke, ant besten mittels schmaler, steifer Papierstreifen, aus dem Ofen, breitet sie auf einzelne Papierbogen und stürzt einstweilen zum Schutze Gläser, Schachteln usw. darüber. Dann sucht man sich über den Inhalt soweit klar zu werden, daß man z. B. Gedrucktes zur Seite legt, wenn man bloß nach Briefen fahndet. Das Gesuchte kann sehr verschieden aus­ sehen: das Papier kann schwarz verkohlt oder rein weiße Asche ge­ worden sein; ebenso kann Schrift oder Druck glänzend schwarz, grau wie schmutzigweiß sein — dies hängt von Papier, Tinte, Drucker­ schwärze und den verschiedenen Verbrennungsverhältnissen ab. Ob das Geschriebene oder Gedruckte gut oder schlecht leserlich ist, sei einst­ weilen gleichgültig, da sich dies nach der Sicherung ändern kann. Am wichtigsten ist es, ob sich die Papierkohle im Wasser damit vollsäuft oder nicht, denn die immer krumm gezogenen Papierstücke müssen erweicht und geglättet werden, sonst ist ein Aufkleben unmöglich.

153 Man versucht daher mit einem kleinen Stückchen der Papierkohle, ob sie weich wird und sich flach auslegt, wenn man sie auf Wasser legt. Will sie auch nach längerer Zeit kein Wasser aufnehmen, so muß man mit Brennspiritus arbeiten. Nehmen wir an, die Papierkohle säuft sich mit Wasser an, man kann also mit Wasser arbeiten. Nun nimmt man gutes, recht durchsichtiges Pauspapier, bestreicht es mit Gummilösung, läßt es trocknen und zerschneidet es in schmälere und breitere Streifen; noch besser eignet sich gummierter und dann ge­ trockneter Zellit; dann nimmt man ein innen weißes Waschbecken, füllt es fast bis zum Rande mit Wasser, das man allenfalls zu 1/5 mit Glyzerin mischt, und legt dann ein Stückchen Papierkohle auf die Oberfläche. Nimmt es überhaupt Wasser an, so glättet es sich, dehnt sich und liegt flach auf dem Wasser; häufig sinkt es auch bald unter. Sobald es ganz flach wurde oder zu sinken beginnt, unterfährt man es mit einem der genannten Pauspapierstreifen (gummierte Seite nach oben) und hebt das verkohlte Papierstück sorgsam heraus; hat mau Glück gehabt, so ist es auf dem gummierten Papier gut ausge­ breitet und festgeklebt; hat man es nicht erwischt, bevor es zu Boden gesunken, sv bleibt das betreffende Stück allerdings meistens verloren. Man kann freilich versuchen, das Stückchen auf dem gummierten Papier vom Boden des Beckens aufzuheben, dies gelingt aber selten, oder wenigstens nicht gut. Den Papierstreifen mit dem gehobenen Stück läßt man trocknen und fährt in der gleichen Weise fort, bis man die ganze Papierkohle derart aufgefischt hat. Ist alles trocken, so schneidet man von den einzelnen Pauspapierstreifen alles übrige weg. so daß um die einzelnen Stücke von Papierkohle möglichst wenig Rand verbleibt; diese Stücke müssen dann zusammengesetzt werden. Will die Papierkohle kein Wasser aufnehmen, so nimmt sie zu­ verlässig Spiritus an. Man verfährt dann mit dem Spiritus ebenso, wie mit Wasser, nur wird man ein kleineres Gefäß nehmen (Teller) und wird das Pauspapier nicht mit Gummilösung, sondern mit einer Lösung von Schellack mit Spiritus bestreichen. Das Verwahren des Zusammengesetzten soll auch zwischen Glas­ platten geschehen, diese dürfen aber nicht fest verbunden werden, weil man die Papierkohle zum Lesen vielleicht doch wieder aus den Gläsern herausnehmen muß. Um das Entziffern der Schriftzüge zu erleichtern oder zu ermöglichen genügt ein Überpinseln der Papierasche mit Blutlaugen­ salz; hierdurch werden die Tintenreste von Eisenoxyd in Berlinerblau umgewandelt und treten auf frisches Papier übertragen deutlich hervor. Dr. Heiduschka in München empfiehlt folgendes Verfahren: Die verkohlten Papierstücke kommen auf ein ebenes Stück Blech und mit diesem in einen Muffelofen, in dem das Papier verascht. Nach Erkalten der vollkommen zusammenhängend bleibenden Asche wird eine entsprechend große Glasscheibe auf die Asche gelegt, das Ganze dann umgekehrt und das Blech durch eine zweite, mit der ersten gleich großen Glasscheibe ersetzt, worauf die Ränder der Scheiben mit Klebestreifen befestigt werden.

154 Handelt es sich um verkohlte Bücher oder Hefte, wie sie z. B. in Kassen, die dem Feuer ausgesetzt waren, vorkommen, so müssen die oft fest zusammengebackenen Massen vorsichtig mit Wasser befeuchtet und dann großer Hitze, z. B. auf der Herdplatte, besser in einem Gasofen, ausgesetzt werden. Es heben sich dann die Blätter eines nach dem anderen von selbst und Schrift und Druck werden überraschend gut leserlich. Freilich zerfallen solche Objekte bald vollständig, es muß daher mit dem Abschreiben oder Photographieren geeilt werden. Zu bemerken ist noch, daß größere Mengen frischer Papierkohle oft leicht von selbst zu brennen anfangen, namentlich bei plötzlichem Luftzutritt, was bei der Verwahrung solcher Dinge nicht vergessen werden darf.

11. Zerkautes Papier. Um auch zerkautes Papier, selbst wenn es in einzelne Knöllchen zerteilt wurde, untersuchen zu können und die allfälligen Schriften zu entziffern, betupfe man die einzelnen Knöllchen mit Zellit und falte sie mit Präpariernadeln auseinander. Die einzelnen so behandelten Teile werden dann, wie oben geschildert, zusammengesetzt.

12. Lesbarmachen von Überstrichenom, Verlöschtem oder Verblasstem. Mit gutem Tusch überstrichene Schrift wurde auf folgendem -Wege lesbar gemacht. Jede Schrift drückt mehr oder weniger die Papieroberfläche ein; die Schrift liegt daher tiefer, der Tusch aber, der über die Schrift gestrichen wurde, höher als die Papieroberfläche. Gelingt es nun, den Tusch längs der Buchstaben abzuschaben und letztere freizulegen, so wird die Schrift lesbar. Die Arbeit ist zwar eine schwierige und zeitraubende, wurde aber von Hans Groß wiederholt mit Erfolg durchgeführt. Wurden eisenhaltige Tintenschriftzüge verlöscht oder sonst zu tilgen versucht, lassen sich die verborgenen Abdrücke durch ein von Paul Ermel (Berlin-Friedenau) erfundenes Fluid sichtbar machen. Dieses besteht aus 100 g destilliertem Wasser, in dem 5 g Höllenstein aufgelöst werden und dem drei Tropfen Salpetersäure, 1 g Zitronen­ säure und Vag Weinsäure beigemengt werden. Diese Lösung erhält soviel Ammoniak, bis sie völlig klar ist; es wird nun das Papier mit dieser Lösung eingepinselt und nach Trocknung dem Tageslicht aus­ gesetzt. Mit den gewöhnlichen Fixiermitteln kann das hervorgetretene Schriftbild bleibend gemacht werden. Verblaßte Schriften können mitunter durch Auflegen färbiger Gelatinblätter lesbar werden, wobei man natürlich jene Farbe wählen muß, die die entsprechende Farbenwirkung nach sich zieht, also so lange Versuche anstellen muß, bis man zu der Farbe gelangt, die das Hervortreten der Schrift bewirkt.

155 XII. Abschnitt.

Sprengstoffe und deren Aussehen. Oster als man vermuten luüibe, sind Durchsuchungen nach Sprengmitteln durchzuführen und da ist es wvhl für den Kriminalisten unerläßlich, wenigstens annähernd zu wissen, wie die gebräuchlichsten Sprengstoffe aussehen. Ein geeigneter Sachverständiger steht ja nicht immer und insbesondere nicht immer rechtzeitig zur Verfügung, ist übrigens auch nicht dazu da, die Durchsuchung als solche vorzunehmen. Ich halte es daher für zweckmäßig, eine von Hans Groß im Archiv Bd. 60 S. 94 gegebene Zusammenstellung der gebräuchlichen Sprengstoffe hier einzufügen, welche die grobe, äußere Erscheinungs­ form als Einteilungsgrund zeigt. A. Flüssige 5orin. Nitroglyzerin ist, wenn ganz rein, wasserhell, ölig, geruchlos. Gewöhnlich aber verunreinigt und dann weingelb bis schmutzig­ gelb, in der Konsistenz wie gewöhnliches Glyzerin. B. Formlos. Melinit: Angeblich geschmolzene Pikrinsäure oder kristallisierte Pikrinsäure mit Schießbaumwolle gemengt. Pikrinsäure ist gelbes, trockenes, grobkörniges Pulver. Schießbaumwolle sieht aus wie gewöhnliche Baumwolle, auch unterm Mikroskop. Letztere im polarisierten Licht gelb, rötlich, erstere irisiert; diese Schießbaumwolle ist spröder, rauher und wird, zwischen den Fingern gerieben, elektrisch. Ekrasit, schwefelgelb, settliche Masse. Knallquecksilber, weiß oder weißgrau; wegen Feuchtigkeit stets in Büchsen aus Papiermache oder ähnlichem Stoff verwahrt.

C. Prismen, etwa in der Größe einer Schachtel mit schwedischen Zündhölzern: Dynamit I braunrot, undurchsichtig; Dynamit II ebenso; Sprenggelatine grünlich durchscheinend (etwa wie Glyzerinseife), biegsam, schneidbar; Amongelatine braunrot, undurchsichtig; Pannonit ebenfalls braunrot, undurchsichtig. D. Mehrfach durch lochte kleine Prismen (sechsseitig). Maximpulver; Schupphauspulver. E. Nadelförmige Kristalle. Trinitrokresol, gelb, nadelsörmig.

F. Gekörnt. Schwarz, bröselig, wie frische Gartenerde: Dynamit IIB, III; wie trockener Kaffeesatz: Rhexit;

156 rötlich, grob, mehr trocken: Guhrdynamit; dunkelgelb, trocken, grob: Pikrinsäure; rosafarben, großgekörnt: Amberit; Kohlenwetterdynamit: rotbraun, trocken, grob; grau, kleingekörnt: Walsrode K.; weiß, kleingekörnt: Walsrode R. P.; braun: Plastomenit; weiß, grobgekörnt: Cooppalpulver; gelblich bis bräunlich, grob, bröselig, durch Feuchtigkeit bald fest zusammengebacken (daher in paraffinierten oder staniolbezogcnen Patronen): Roburit, Bellit, Jndurit, Sekurit, Westphalit. Dahmenit, Progressit, Köln-Rotweiler Sprengpulver, Ammonit, Kohlenkarbonit, Sodawetterdynamit, Grisoutit, Plastomenit usw., glänzende Körner im Durchmesser von 1—1, 6 mm: Poudre pyroxlee; gelb, grau oder orange und nach Kampfer riechend: E. 0.-Pulver. G. Verschiedene amerikanische wolle. H. Französisches Jagdpulver

Stäbchenform. Pulver aus Nitroglyzerin und Schießbaum­

Splitterform. „I", grünlichbraun.

J. Zylindersegmente. Cannonit, schwarz, rauh.

K. Schnurpulver. Von Faden- bis Schnurdicke; dünne heißen Filite, dicke Cordite. Gelochte Schnüre in Makkaroniform (Österreich, Deutschland, England), dazn die röhrenförmigen Maximite.

L. Blätterpulver. Heute eine verbreitete Form. Die Blättchen sind vier- oder sechs­ eckig oder rund, in der Regel im Durchmesser von li/zrnrn und 0,3 mm Dicke. Farbe wechselnd, undurchsichtig oder hornartig durch­ scheinend. Manchmal bleiben sie in Bandform. Dünne Blättchen, graphitiert: Jagdballistit. Dünne Blättchen, matt: Försters Jagdpulver. Licht- bis dunkelbraun: die Riflite. Weiß, holzartig: Schutze's Pulver. Runde Scheibchen: Osterr. Militärpulver. Graphitierte, stärkere Blättchen: 22-Pulver. Kleine Blättchen, viereckig: sog. Normalpulver; in Deutschland und Frankreich Militärpulver. Die Patronen, in welchen die Sprengstoffe verwahrt werden, sind meistens etwa spannlange, daumendicke Röhren aus Papier oder Pappe, mit Paraffin oder Stanniol überzogen.

Besonderer Teil. XIII. Abschnitt.

Über Körperbeschädigung.

1. Wundm. So sehr sich jeder Kriminalist unbedingt und strenge vor jeder Pfuscherei hüten muß, d. h. nichts tun darf, was nicht seines Amtes ist, so muß er doch häufig rasch eine Entscheidung treffen, bevor er Sachverständige, namentlich Ärzte, zur Seite hat. Eine Verhaftung, eine Verfolgung, eine Hausdurchsuchung, irgendeine Sicherheitsvor­ kehrung kann eine Strafsache in die richtige Bahn bringen, wenn rasch gehandelt wird, die ganze Untersuchung kann verloren sein, wenn im Anfänge gezögert oder ein Fehlgriff gemacht wird. Ob das eine oder das andere geschieht, wird in vielen Fällen davon ab? hängen, ob sich der Kriminalist, der ohne ärztlichen Beistand etwas verfügen muß, nicht verblüffen läßt, und ob er, namentlich in medi­ zinischen Fällen, bei Körperverletzungen und Tötungen, sich nicht von falschen Vorstellungen, die verbreitet genug sind, leiten läßt. Es soll daher im folgenden lediglich in Schlagworten darauf hingewiesen werden, welche Fragen im ersten Augenblicke, also bevor man noch die Hilfe des Arztes zur Verfügung hat, wichtig sein können, und wie man arge Mißgriffe vermeiden kann.

Man merke hauptsächlich: 1. Verletzungen durch Schlag oder Stoß m i t stumpfen Werk­ zeugen lassen sich in der Regel von Fall oder Wurf auf stumpfe, harte Unterlage nicht unterscheiden; die Annahme der Entstehung auf die eine oder andere Art darf ohne ärztliche Untersuchung nie ausgeschlossen werden. 2. Die durch stumpfe Werkzeuge erzeugten Verletzungen müssen nicht immer auf den ersten Anblick auf solche schließen lassen, es können auch hierbei scharfrandige Wunden entstehen: a) vor allem, wenn das stumpfe Werkzeug doch scharfe Kanten oder Spitzen hat, oder zur Zeit der Tat hatte; so kann z. B. ein Stück Holz fast ganz rund sein und nur an einer kleinen, kaum merkbaren Stelle eine Kante besitzen, die eine Verletzung hervor­ ruft, als ob ein Beil oder Säbel verwendet worden wäre. Ein Zaunpfahl kann einen Nagel; ein Prügel ein scharfes Ast-

158 stümpfchen; ein Knüttel einen abstehenden kurzen, scharfen Splitter tragen. Beim Wegwerfen des Werkzeuges nach der Tat kann der Nagel herausfallen, das Aststümpfchen, der Splitter abbrechen. b) Aber auch ganz stumpfe Werkzeuge können scharfrandige Wunden Hervorrufen, wenn sie Körperteile treffen, auf denen die Haut über dem Knochen ohne wesentliche Zwischenlage gespannt ist, z. B. auf dem Schädel, an der Achsel, auf dem Schienbein; durch kräftigen Schlag, z. B. mit der Flachseite eines Brettes, einer Stange usw. kann die Haut so Platzen, daß man einen Messerschnitt zu sehen glaubt. Auch die Bauchdecke kann durch sehr heftige, stumpfe Gewalt das Aussehen bekommen, als ob sie mit scharfem Werkzeuge geschlitzt worden wäre. 3. Blutunterlaufungen beweisen für die aufgewendete Gewalt nicht viel; an manchen Körperstellen und bei manchen Menschen (z. B. Kindern und Greisen) entstehen bei geringer Veranlassung ausgedehnte Unterlaufungen, wie sie in anderen Fällen nur bei schweren Angriffen zu entstehen pflegen. 4. Hat das stumpfe Werkzeug eine Wunde erzeugt, so sieht diese gequetscht aus, wenn die Wirkung mehr oder weniger senkrecht war, sic hat lappensörmiges Aussehen, wenn das Werkzeug abgeglitten ist. 5. Ist Ruptur eines inneren Organes erfolgt (Berstung des Magens, Riß in der Leber, Abreißen des Darmes usw.), so erfolgt zwar in der Regel der Tod, der Verletzte kann deshalb aber doch tagelang leben. Auch bei Herzverletzungen muß der Verwundete nicht sofort sterben. 6. Bei plötzlicher Einwirkung sehr großer Gewalt, bei Stürzen, Zerdrückung, Verschüttung usw. können ausgedehnte innere Ver­ letzungen entstehen, ohne daß man außen etwas davon wahrnimmt; aber auch ohne innere Verletzung kann hierbei der Tod eintreten lNervenchok); solche Fälle wollen allerdings besonders sorgsam behandelt werden. 7. Sehr zahlreiche und ausgedehnte Blutunterlaufungen können zusammen schwere Erfolge, selbst den Tod hervorrufen, wenn auch jede für sich von geringer Bedeutung wäre. 8. Bei Bißwunden sind die Ränder gequetscht und gerissen, es können hierbei unwahrscheinlich aussehende Verletzungen vorkommen, z. B. Daumenglieder abgebissen werden. 9. Bei aufgefundenen Leichen beobachtete Blutung ist immer wichtig, es muß Vorsorge getroffen werden, daß deren Besichtigung später den Gerichtsärzten möglich gemacht wird. In der Regel beweist starke Blutung, daß die Verletzung im Leben zugefügt wurde; aber auch an Leichen hervorgebrachte Verletzungen können Blutungen größeren Umfanges bewirken, wenn z. B. der Schädel zertrümmert wurde, oder wenn tiefgehende Verletzungen abhängiger Körperpartien vorgekommen sind (z. B. an den Beinen bei mit dem Kopfe nach aufwärts gelagerten Leichen). 10. Bei einigen Verletzungen, die durch schneidende Werkzeuge entstanden sind, kann man auf das Werkzeug Schlüsse ziehen. Abge-

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sehen davon, daß man Verletzungen, die von besonders scharfen Werk­ zeugen stammen, als solche erkennt, z. B. von Rasiermessern, ist auch öfter die Form charakteristisch. So sehen Verletzungen von zerbrochenen Gläsern (häusig bei Gasthausraufereien) so aus, als ob sie aus lauter kleinen Bögen zusammengesetzt wären (fast ebenso muschelig wie der Bruch des Glases). Auch erkennt man leicht die zackenförmigen, abge­ setzten Schnitte, die von der gehämmerten Schneide der Sensen und Sicheln herstammen. 11. Bei Hieb- und Stichwunden lasse man sich nicht beirren, wenn die Form der Wunde ganz anders aussieht, als das vermutlich verwendete Werkzeug; auch die frische Wunde wird durch Zusammen­ ziehung der Muskel wesentlich in der Form geändert, und die eigentlich sofort nach der Verletzung beginnende Heilung macht die Erscheinung der Verletzung wenigstens für den Laien bezüglich des Werkzeuges unkenntlich. Bei Stichwunden kommt noch etwas anderes dazu. Vor allem wird z. B. ein Messer selten so herausgezogen wie es hinein-^ gestoßen wurde, so daß hierbei fast immer die Wunde vergrößert wird. Weiters ist nicht zu vergessen, daß die menschliche Haut spaltbar ist; der Rücken eines stechenden Messers drängt daher die Haut aus­ einander und reißt sie ein, so daß die Wunden von Messern oft zweispitzig sind und den Gebrauch eines zweischneidigen Dolches vor­ täuschen. . Es können aber auch Wunden kleinere Eingangsöffnung haben, als es dem gebrauchten stechenden Werkzeuge zu entsprechen scheint. Dies kommt dort vor, wo die Haut nicht über Knochen gespannt ist, z. B. Bauch, Hals, Brust, zwischen den Rippen usw. Besonders wenn das Werkzeug nicht sehr spitz ist, buchtet es zuerst die dehnbare Haut ein und durchsticht sie erst, wenn sie schon mehr gespannt ist; nach deni Herausziehen zieht sich die Haut wieder zusammen und das Loch ist kleiner als das Werkzeug breit ist — natürlich nur um wenUg. 12. Unter Umständen kann ein einziger Schnitt das Aussehen mehrerer oder vieler Schnitte hervorbringen (man denke sich einen Schnitt über ein zusammengeballtes Tuch) ; solche Täuschungen kommen daher an Körperstellen mit faltiger, loser Haut vor, z. B. am Halse alter Leute. Ebenso läßt ein Schnitt durch das Ohr dieses wie zerfranst aussehen, weil sich die drei Lagen der Ohrmuschel dann verschieden zusammenziehen, so daß man sechs Hautzipfel zu sehen bekommt. 13. Die Frage, in welcher Richtung ein Schnitt geführt wurde, kann der Arzt aus der Wunde selbst nicht immer beurteilen; hier ist die Loge der Leiche, ein feiner Blutspritzer, die Anordnung der Kleider usw. wichtig, weshalb oft alles verdorben ist, wenn auf solche Kleinig­ keiten im Anfänge nicht geachtet wurde. 14. Tödliche Stichwunden können außen oft so klein und ohne Blutung sein, daß sie entweder ganz übersehen oder als gleichgültig betrachtet werden. Als äußerster Fall wird jener genannt, in welchem ein Anatomiediener seine betrunkene Frau durch einen Stich mit einer langen Nadel getötet hatte; der Stich führte unter der stark

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entwickelten herabhängenden linken Brust ins Herz und wurde bei der Totenbeschau völlig übersehen. 15. Bei allen Kopfwunden merke man sich den richtigen Aus­ spruch der Chirurgen: „Keine Kopfverletzung ist so leicht, um nicht tödlich werden zu können, und keine so schwer, um unbedingt tödlich, sein zu müssen." 16. Scharf geschliffene Messer müssen nicht immer scharfe Schnitt­ wunden bei der Verwendung erzeugen; werden sie nämlich nicht nach der Schneide, sondern stark aufdrückend nach der Breite über die Haut geführt, so erzeugen sie zackige, gerissene Verletzungen:

Abbild. 57. Richtung a-b scharfer Schnitt, Richtung c—d zackiger Ritz.

17. Kratzwunden sind oft und namentlich dann von Bedeutung, wenn sie in wichtigen Fällen von Gegenwehr herrühren. Findet man beim Verletzten oder Verdächtigen Spuren von Kratzwunden, so ist es unbedingt notwendig, sich des Schmutzes unter den Nägeln des Gegners au versichern. Er wird mittels eines reinen spitzen Hölzchens gesammelt und in reinem, glatten Papier (für jeden Finger abgesondert und entsprechend bezeichnet) aufbewahrt; finden dann die Gerichtsärzte Spuren von Blut oder Hautschüppchen, so hat man ein wichtiges Beweismittel gewonnen. 18. Man merke die eigentümliche Erscheinung, daß selbst ge­ ständige Täter, die das gebrauchte Werkzeug vorweisen, oft nicht das richtige abgeben; überraschend oft wird das gebrauchte Werkzeug, namentlich Messer, als verloren bezeichnet. 19. Auch an sich tödliche Schädelverletzungen lassen es mitunter zu, daß der tödlich Verletzte noch stundenlang, vielleicht mit dem Gefühl, nur leicht verletzt zu sein, lebt, wenn eine langsame Blutung das Gehirn nur allmählich belastet und schließlich lähmt. Es ist dies auch wichtig für die Beurteilung der Aussagen derart Verletzter, die trotz der tödlichen Wunde mitunter ganz klare Angaben zu machen vermögen. Nicht übersehen darf werden, daß insbesonders bei alten Leuten eine ohne besondere Gewalt mit einem ganz harmlosen Werkzeug (dünnen Stäbchen) zugefügte Kopfverletzung einen tödlichen Schädel-

161 bruch zur Folge haben kann, wenn ein besonders dünner Knochen getroffen wurde. Diese Möglichkeit ist auch dann gegeben, wenn der Verletzte einmal eine schwere Schädeloperation mitmachte, die das Fehlen eines Knochenteiles zur Folge hatte. 20. Seit dem Kriegsende mehren sich die Fälle schwerer, meist tödlicher Bauchverletzungen; als Werkzeug dient nicht selten der im Kriege gebräuchlich gewesene zweischneidige Jnfanteriedolch; spricht der Befund über die Wunde für eine „vorschriftsmäßige" Führung der Waffe, so wird wohl mit Recht der Täter unter den Frontsoldaten zu suchen sein. Bezüglich vorkommender Schußverletzungen merke man: 1. Bei einem Schusse kann wirken: a) das oder die Geschosse, b) der Pfropf beziehungsweise das „Pflaster", c) die Explosionsgase, d) die unverbrannten Pulverkörner, e) die Pulverflamme, f) der sog. Pulverschmauch. 2. Aus der Wirkung allein läßt sich im allgemeinen weder auf die Entfernung, noch auf die Güte des gebrauchten Werkzeuges schließen, da häufig Nahschuß aus schlechtem Gewehr und Fernschuß aus guter Waffe gleichmäßig wirken. 3. Unmittelbaren Nahschuß kennzeichnet die große, durch die nach­ dringenden Pulvergase zerrissene Eingangsöffnung, das Verbrennen oder Versengen von Haaren oder Kleidungsstücken, Schwärzung durch den Pulverschmauch und eingedrungene Pulverkörner, die schrotartig in die Haut eingeschossen wurden. Ktzin Beweis für die Nähe des Schusses ist der sog. Brandsaum, d. 1. ein vertrockneter Rand um die Einschußöffnung. Die eingedrungenen Pulverkörner sind übrigens auch deshalb wichtig, weil sie einen entfernten Schluß auf die ver­ wendete Waffe gestatten; je besser die Kugel in den Lauf paßte und je enger sie sich herauswinden mußte, desto vollständiger wird das Pulver verbrannt sein, und desto weniger Pulverkörner können in die Haut unverbrannt eingesprengt werden. Die Angaben, aus welcher Entfernung noch Pulverkörner in die Haut dringen können, schwanken zwischen ein bis zwei Meter. 4. Schüsse mit kleinen Spitzkugeln können, namentlich aus der Entfernung von mehreren Metern abgegeben, kleine schlitzförmige Öffnungen erzeugen und sogar dem Arzt eine Stichwunde vortäuschen. 5. Schrotschüsse aus geringer Entfernung abgegeben, können das Aussehen von Kugelschüssen erzeugen, wenn die Schrotkörner noch beisammen geblieben sind. Auf welche Entfernung dies der Fall ist, hängt ganz vom Gewehr und der Ladung ab. 6. Ob Schrotkörner tief in den' Körper eingedrungen sind und hier arge Verletzungen hervorgerufen haben, hängt nicht bloß von der Entfernung, sondern wahrscheinlich am meisten von der inneren Oberfläche des Laufes ab. Ist diese glatt oder gar eingefettet, so gleiten die Schrotkörner nur mit Vorwärtsbewegung heraus und richten verhältnismäßig wenig Schaden an. Ist der Lauf innen rauh oder verrostet, so erhalten die rollenden Schrotkörner auch drehende Groß-Höpler, Erforschung. 6. Ausl.

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162 Bewegung um die eigene Achse und dringen bohrend und reißend ein. Findet man, daß die in den Körper gedrungenen Schrotkörner Haare, Kleiderfetzen usw. um sich gewickelt und in den Körper mitgerissen haben, so darf man annehmen, daß man nach einem Gewehre zu suchen hat, dessen Lauf innen verrostet oder sonst gerauht ist. Nicht zu vergessen ist es, daß unter Umständen ausgedehnte Verletzungen, auch Knochenzerschmetterungen vorkommen können, ohne daß das betreffende Kleidungsstück verletzt wurde. Matte Kugeln können z. B. starkes Tuch oder weiches Leder einstülpen, den darunterliegenden Knochen zerschmettern, das Tuch oder das Leder aber nicht durch­ dringen. Bei der ersten Hilfeleistung oder beim Wenden und Tragen der Leiche kann der eingestülpte Stoff herausgezogen und die Kugel verloren werden. Es wird auch behauptet, daß Kugeln, die man aus Blei, Antimon und Quecksilber zusammenschmilzt und tagelang er­ härten läßt, beim Aufschlagen auf einen Körper die darunterliegenden Knochen zerschmettern, aber selbst in kleinste Teilchen zerfliegen, so daß niemand einen Schuß annimmt. 7. Das Vorkommen von sog. Luftstreifschüssen, bei welchen z. B. jemand taub werden kann, wenn ihm eine Kugel knapp an den Ohren vorbeifliegt, ist bei schweren (Artillerie) Geschossen möglich. 8. Bezüglich der häufigen kleinkalibrigen Geschosse müssen ganz unerwartete Ergebnisse noch als inöglich bezeichnet werden. Man weiß Fälle, bei welchen Leute auf Entfernungen von fast einer Geh­ stunde Weges getötet wurden; natürlich ist von Zielen da keine Rede. Die Wirkungen dieser kleinkalibrigen Gewehre sind außerordentlich verschieden. Manchesmal geht die Kugel mit winziger Ein- und Austrittsöffnung glatt durch, verletzt oft unbedingt tödlich, obwohl der Getroffene noch längere Zeit die Verletzung kaum merkt, bis er plötzlich tot zusammenfällt. Manchesmal wieder werden so ausge­ dehnte Ein- und Austrittsöffnungen bewirkt, daß man nicht an einen Schuß, sondern an einen Zündschlag denkt. 9. Streifschüsse können rinnenförmige Schußkanäle erzeugen, die eine Riß- oder Schnittwunde vortäuschen; unter Umständen sieht die Wirkung wie ein Striemen aus, so daß man an einen kräftigen Stock­ hieb glaubt. 2. Marken bei Erdrosselten und Erhängten.

Die diesfälligen Fragen sind für uns deshalb wichtig, weil eine Menge von Morden dadurch verdeckt wird, daß Selbstmord durch Aufhängen vorgetäuscht wird. In solchen Fällen achte man insbe­ sondere auf die Form der sog. Hängemarke, des Eindruckes des Strickes um den Hals. Diese verläuft in der Regel quer über den Vorderhals, steigt beiderseits ziemlich steil hinter die Ohren und ver­ liert sich in der behaarten Kopfhaut. Allerdings kommt es auch vor, daß sie vom Nacken gegen die Kehle verläuft, oder daß andere Formen austreten. Jedenfalls ist es wichtig, daß die Lage, in der der Erhalte gefunden wurde, nach Möglichkeit sichergestellt wird. Weiteres ist zu

163 bemerken, daß die Unterscheidung von Strangfurchen oder Würge­ spuren in der Richtung: ob im Leben oder im Tode erzeugt, schon für den Arzt schwierig, für den Laien unmöglich zu machen ist. Die genaueste Feststellung aller umgebenden Verhältnisse ist nirgends so wichtig als gerade in solchen Fällen. Erwürgen kommt als Selbstmord nicht vor. Der Strick, mit betii das Erhängen oder die Erdrosselung er­ folgten, ist — das darf nicht übersehen werden — ein Gegenstand weitverbreiteten Aberglaubens, daher auch eines Diebstahls. Daraus folgt einerseits die Notwendigkeit seiner sofortigen Sicherung, anderer­ seits die Zwecklosigkeit, das Abhandenkommen des Strickes mit allerlei Unwahrscheinlichem in Zusammenhang zu bringen. Ist der Strick gestohlen worden, so muß mit allen Mitteln seine Wiedererlangung angestrebt werden, weil er für die Ausforschung des Täters, die Art seiner Verknotung für das ärztliche Gutachten von Wichtigkeit sein kann.

3. Leichen im Wasser gefunden. Werden Leichen im Wasser gefunden, so 'können verschiedene Straftaten vorliegen: Fahrlässigkeit durch mangelhafte Beaufsichtigung oder Verwahrlosung eines Steges oder Weges, es kann jemand ab­ sichtlich lebend in das Wasser geworfen worden sein, es kann aber auch anderweitige Tötung erfolgt sein, bevor der Leichnam in das Wasser gelangte. Für solche Fälle wäre genaueste Feststellung über die Lage der Leiche notwendig, es wird dies aber feiten möglich sein, da im Wasser gefundene Leichen in der Regel zu Bergungs- oder Wiederbelebungsversuchen aus dem Wasser gebracht werden. Wieder­ belebungsversuche werden oft an Leichen vorgenommen, die schon Fäulniserscheinungen an sich tragen. Will man sich darüber klar werden, ob die Leiche lebend oder tot in das Wasser kam, so kann dies aussen Erscheinungen am Körper nicht entnommen werden; alles, was man diesfalls als Beweismittel angeführt hat, kann nur sicherstellen, daß die Leiche im Wasser gelegen ist, nicht aber, daß der Betreffende ertrunken ist. Deshalb sind auch hier alle denkbaren äußeren Umstände: Lage, Kleidung, Inhalt der Taschen oder der geschlossenen Faust, Schmutz unter den Finger­ nägeln usw. von der größten Wichtigkeit. Hierbei hüte man sich vor übereilten Schlüssen: deshalb, weil eine Wasserleiche z. B. einen Schuß int Kopfe trägt, muß kein Mord vorliegen, weil sich Selbst­ mörder mitunter so erschießen, daß der Körper nach dem Schusse ins Wasser fällt; ebenso ist man häufig vorschnell mit dem Schlüsse auf „Ertrunken beim Baden" fertig, wenn im Sommer eine nackte Wasser­ leiche gefunden wird. Hierbei ist nicht zu vergessen, daß Leichen in reißenden Gebirgswässern oft alle Kleider verlieren, mit Ausnahme der Schuhe: der Fuß schwillt an, das Leder schrumpft, und so gehen Schuhe hierbei nur ausnahmsweise verloren. Endlich sind auch Fälle bekannt, in welchen ein Ermordeter lediglich mit einer Schwimmhose 11*

164 bekleidet und ins Wasser geworfen wurde, so daß natürlich Ertrinken beim Baden angenommen wurde. Nicht beweisend sind Verletzungen an der Leiche: diese können ebensogut von Mörderhand zugefügt worden, als dadurch ent­ standen sein, daß der lebende oder tote Körper an Steine, Äste und sonstige Holzteile angeschleudert wurde; hierbei kommen mitunter Ver­ letzungen wie von Dolchstichen herrührend vor. Übrigens darf gerade in solchen Fällen Selbstmord oder Zufall niemals voreilig ange­ nommen werden.

Bemerkt sei noch, daß dann, wenn der Leichnam eine Taschenuhr bei sich trägt, dies mitunter ein wichtiger Anhaltspunkt zur Fest­ stellung der Zeit sein kann, wann der Leichnam ins Wasser gelangte. Nur sehr sorgfältig gearbeitete Uhren gehen noch eine Zeit lang im Wasser weiter, die meisten bleiben im Wasser sofort stehen. Ist die Frage in einem besonderen Fall maßgebend, so müßte mit derselben Uhr ein Versuch gemacht werden. Das Werk wird selten wieder instand zu setzen sein, ist aber hier auch nicht wichtig, den Ausschlag gibt das Gehäuse; man könnte also in das Gehäuse irgendein zur Not gehendes Werk einfügen lassen und dann die Uhr in Wasser tauchen, um zu sehen, wie gut das Gehäuse schließt, d. h. wie lange die Uhr noch weiter geht.

4. Vergiftungen. In allen den oft schwierigen Vergiftungsfällen hängt häufig die ganze Frage, ob der Arzt oder der Mikroskopiker etwas sagen kann, allein davon ab, ob und wie ihm bei den Erhebungen geholfen wurde. Vergiftungen mit mineralischen Giften (Arsen, Kupfer, Quecksilber usw.) geben freilich nicht viele Schwierigkeiten und unsere Aufgabe beschränkt sich hauptsächlich darauf, daß bei Haussuchungen und Nach­ fragen vorsichtig und eingehend gearbeitet wird. Sehr bedeutend sind aber die Schwierigkeiten, wenn pflanzliche Gifte in Verwendung kamen. Es wird viel zu wenig berücksichtigt, daß sich jeder Mensch bei uns eine Menge der gefährlichsten Giftpflanzen (giftige Pilze, Tollkirsche, Bilsenkraut, Stechapfel, Schierling usw.) mit Leichtigkeit verschaffen kann und daß der Nachweis über die Verwendung dieser Gifte nur schwer zu erbringen ist. Ebenso kann sich aber auch einer durch Zusammensparen gewisser Medikamente die bedenklichsten Stoffe verschaffen. Bezüglich der Pflanzengifte merke man vor allem, daß der Nach­ weis häufig nicht auf chemischem, sondern auf mikroskopischem Wege er­ bracht werden kann, daß aber vom Mikroskopiker mit Hilfe des Bota­ nikers alles gesagt werden kann, wenn man z. B. in dem Erbrochenen oder in dem Sacktuch, mit welchem sich der Vergiftete nach dem Er­ brechen den Mund abgewischt hat, oder auf dem Kopfpolster, oder vielleicht an seinen Lippen, im Bart usw. eine winzige Blattspitze oder sonst einen Pflanzenrest gefunden hat. Auf solche Dinge muß mit

165 größter Sorgfalt geachtet werden; namentlich ist nach Spuren des Erbrochenen unbedingt zu forschen: Gefäße, in welche erbrochen wurde, sind mitzunehmen, der Fußboden, auf welchen erbrochen wurde, ist abzuhobeln und das Abgehobelte sowie der Inhalt der Dielenritzen ist mitzunehmen und das Möglichste daran zu setzen, um dort, wohin das Erbrochene gebracht wurde, noch Spuren hievon zu finden. Bei Haussuchungen ist sorgfältig vorzugehen und lieber zu viel als zu wenig mitzunehmen; getrocknete Kräuter, angebliche Teesorten, Fläsch­ chen oder Schachteln mit Medikamenten sind unbedingt zu nehmen; man vergesse auch nicht, daß eine Menge ausländischer, oft höchst giftiger Samen, z. B. die sog. Kalabarbohne, Krotonsamen uf%. unbegreiflicherweise häufig in den Besitz der Leute gelangen, so daß deren bedenkliche Verwendung möglich ist. Auch Dinge, welche im Haushalte notwendig sind, aber zu Vergiftungen verwendet werten können, versäume man nie zu berücksichtigen, z. B. Vitriol, Laugmessenz, Zuckersäure usw.; liegt Verdacht vor, läßt sich aber rem Gift finden, so erhält man vielleicht wichtige Aufklärungen durch genaues Befragen von Nachbarn usw., die den Verdächtigen etwa im Besitze von Giftstoffen sahen oder wissen, daß er solche sammelte, oder sich dafür interessierte. Sehr viel hilft in dieser Richtung die Kenntnis dessen, welche Auffassung in dieser Richtung unter den Leuten herrscht; auffallenderweise wird in manchen Gegenden nur einer einzigen Gift­ pflanze besondere Wirkung zugeschrieben, z. B. der Tollkirsche oder dem Bilsenkraut; weiß man dies, so kann man seine Erhebungen wesentlich einschränken. Außerdem kümmere man sich auch um gewisse abergläubische Vorstellungen, die unter den Leuten herrschen; manchesmal glauben die Leute, daß gewisse Pflanzengifte z. B. nur Männern oder nur Weibern schaden; oder es herrscht der Glaube, daß ein gewisser Stoff keine Vergiftungserscheinungen, sondern nur Schwind­ sucht hervorruft usw.; derlei Meinungen können häufig zu Ent­ deckungen führen. Überhaupt merke man, daß Vergiftungen sicher viel häufiger Vor­ kommen, als wir glauben, und daß Erkrankungen, welche gewöhnlich als Vergiftungserschcinungen bezeichnet werden (Üblichkeiten, Schwindel, Kopfschmerz, brennender Durst usw.) bei vielen Vergiftungen, aber nicht bei allen, auftrcten. Von großer Wichtigkeit ist es auch, daß man Gelegenheit suche, das Aussehen der wichtigsten pflanzlichen oder mineralischen Gifte kennen zu lernen. Tut man dies nicht, so hat man nicht bloß bei den Hausdurchsuchungen, sondern auch bei der Verneh­ mung des Beschuldigten und der Zeugen die größten Schwierigkeiten. Ist der Verdacht gegeben, daß eine Vergiftung durch verdorbene Nahrungsmittel vorliegt, so ist insbesondere myfy auf das Vorhanden­ sein von Speiseresten Gewicht zu legen. Fleisch, Wurst, Konserven, Mais oder ähnliche leicht verderbliche Gegenstände sind ebenso zu untersuchen wie Verdächtiges, etwa unreines oder Grünspan ent­ haltendes Kochgeschirr. Es ist für beste Sicherung und rascheste Einsendung der sachgemäß zu verpackenden Gegenstände an die Sachverständigen Sorge zu tragen.

166 Daß bei der Verwahrung und Bezeichnung aufgefundener, ver­ dächtiger Substanzen überhaupt die größte Sorgsamkeit herrschen muß, ist selbstverständlich; man bezeichne auch stets genau den Ort, wo das Betreffende gefunden wurde; es genügt nicht, zu sagen: „im Besitze des A gefunden", es muß z. B. heißen: „gefunden in der Truhe des A (zugegebenermaßen ihm gehörig) ganz unten, in einem Hemde eingewickelt." Beim Verpacken solcher Dinge sei man mit dem Gebrauche von Siegellack vorsichtig, da dieses oft mit giftigen Farben (Zinnober) ver­ setzt ist. Hat man einen Pflanzenrest gefunden, der nicht ohnehin schon vollkommen trocken ist, so hindert man, wie schon erwähnt, dessen Vertrocknen und Unkenntlichwerden dadurch, daß man ihn in einem reinen Fläschchen mit einigen Tropfen reinen Wassers verwahrt.

5. Abtreibung der Leibesfrucht. Unter den Verbrechen, welche insbesondere feit dem Weltkriege überaus häufig begangen und verhältnismäßig verschwindend selten zur Entdeckung und Anzeige gelangen, steht die Abtreibung der Leibesfrucht in oberster Reihe, und da die Heimlichkeit, nut der es betrieben wird, keine größere ist, als die bei vielen anderen Verbrechen, so muß der Grund der seltenen Entdeckung in den mangelhaften Er­ hebungen liegen, und diese werden wieder dadurch erklärt, daß die wenigsten, die damit zu tun haben, darüber unterrichtet sind, auf was sie zu sehen und was sie zu suchen haben. Die Mittel, welche zum Abtreiben verwendet werden, lassen sich in drei Gruppen einteilen: solche, die auf den Körper von außen angewendet werden, solche, die man in die weiblichen Geschlechtsteile einführt, und solche, die innerlich zu nehmen sind, also durch den Magen wirken sollen. a) Zur ersten Gruppe gehören alle heftigen Bewegungen, denen sich die Schwangere aussetzt; Laufen, Tanzen, Springen; daün das Heben (namentlich Hochheben über den Kopf) schwerer Lasten, endlich das Kneten, Drücken und Stoßen des Unterleibes, oft unter dem Titel „Massieren" empfohlen und angewendet — alles Mittel, welche unter Umständen eine Abtreibung bewirken können. Daß solche Mittel angewendet, wurden, wird sich allerdings bisweilen feststellen lassen, es wird aber nur ausnahmsweise möglich sein, nachzuweisen, daß es in der fraglichen Absicht geschehen ist. b) Die Mittel der zweiten Gruppe bestehen entweder darin, daß scharfe oder reizende Dinge in die Scheide eingeführt werden (Glyzerin, warmes Wasser, Ol, verdünnte Säuren, Knoblauch usw.), oder daß außen ziehende Pflaster, z. B. aus Krotonöl, Terpentin, Koloquinten, Jriswurzel usw. aufgelegt werden, oder daß durch eine Operation zu wirken gesucht wird: Eihautstich (oft nur mit einer Stricknadel), Einlegen von Preßschwamm, Einführen von Wasser mit besonderen Apparaten usw. In dieser Richtung sind Entdeckungen wesentlich leichter zu machen, wenn entweder die Arzneien oder die Werkzeuge

167 aufgefunden werden. Auf was in dieser Richtung das Augenmerk zu richten ist, läßt sich aus dem Gesagten ungefähr entnehmen. Zu dieser Gruppe können auch die überaus häufig angewendeten, sog. ableitenden Mittel gerechnet werden, welche hauptsächlich in heißen Fußbädern, die mit scharfen Substanzen (Asche, Salz, Pfeffer, Senf­ mehl usw.) versetzt werden, bestehen. Auch gewisse Zugpflaster ge­ hören hierher. c) Die Arzneien werden wohl am häufigsten verwendet; ihre Anzahl ist unübersehbar, so daß im allgemeinen gesagt werden kann, daß wohl alle scharfen, tierischen, pflanzlichen und mineralischen Stoffe zu dem fraglichen Zwecke verwendet worden sind. Wissenschaftlich steht fest, daß allerdings jeder heftig wirkende Stoff, namentlich starke Brech- und Abführmittel, eine Abtreibung verursachen kau n, jedoch nur dann, wenn er in solcher Menge genossen wird, daß er auch das Leben der Mutter gefährdet. Ein sicher wirkendes inneres Abtreibungsmittel, das für die Mutter unschädlich oder wenigstens nicht gefährlich wäre, ist bis jetzt nicht bekannt. Im allgemeinen wird man sich vorerst darüber zu unterrichten haben, was in der betreffenden Gegend als Abtreibungsmittel ge­ bräuchlich ist, dann wird man aber, z. B. bei einer Hausdurchsuchung, nicht bloß scharfe Stoffe, dann Abführ-, Brech- und urintreibende Mittel beachten, sondern überhaupt alles, was als Medikament dienen könnte. Beispielsweise seien von den gebräuchlichen Mitteln genannt: Tierische Mittel: Spanische Fliegen, Rosenkäfer, Wasserdreh­ käfer und der sog. Maiwurm. Mineralische Stoffe: Brechweinstein, verdünnte mineralische Säuren, Phosphor, Arsen und alle eisenhaltigen Mittel (so z. B. das Wasser im Schleiffteintroge). Pflanzliche Stoffe: Am meisten vcrlvendet sind die frischen Zweigspitzen des sog. Jungfrauenrosmarin, Sebenbaum oder des Eibenbaums und der Thuje; fast ebenso beliebt ist die Raute, der Rainfarn und Sennesblätter (sog. Mutterblätter). Auch der Wacholder, Safran, Nießwurz, Osterluzei, Mutterkorn, Zwiebel und Knoblauch, Kellerhalsblätter — alles mit Wein angesetzt, sind beliebte Ab­ treibungsmittel. Alle diese Mittel lassen sich zum größten Teile leicht selbst suchen; ist dies nicht möglich, so werdeü sie in der Apotheke, beim Kräuter­ händler usw. unter dem Namen von Abführ- oder Brechmitteln ver­ langt. Muß sich die Schwangere aber doch an einen Kurpfuscher um Hilfe wenden, so wird etwas verlangt, was „die in Unordnung gekommene monatliche Zeit" oder „das gestockte Geblüt" wieder in Ordnung bringt. Vorkommenden Falles richte man seine Nach­ forschungen hierauf ein. Kommt eine Hebamme als Mitschuldige in Betracht, so handelt es sich im Großteil der Fälle um mechanische Eingriffe. Die Ver­ antwortung der Hebamme geht meist dahin, sie habe an der Schwangeren lediglich, „um diese zu beruhigen", eine völlig Harm-

168 lose Ausspülung der Scheide mit lauem Wasser vorgenommen. Man wird diesen immer und immer wiederkehrenden Ausreden wohl mit einer gewissen Vorsicht entgegentreten müssen, doch ist andererseits nicht zu übersehen, daß es nicht selten vorkommt, daß Schwangeren unter der Vorgabe, ihnen die Frucht abzutreiben, ziemlich hohe Beträge entlockt werden, ohne daß irgend etwas zur Abtreibung Geeignetes unternommen würde. Derartige Betrügereien sind ein­ träglich und ziemlich gefahrlos, weil eine Anzeige kaum zu be­ fürchten ist.

6. Verdächtige Todesfälle, Selbstmord und Scheintod. Die Fälle, in denen jemand „unter verdächtigen Umständen" gestorben ist und der Totenbeschauer, vielleicht auch der behandelnde Arzt nicht in der Lage ist, die Todesursache festzustellen, sind nicht selten. Der Kriminalist muß diesen Fällen sein besonderes Augen­ merk zuwenden und die gerichtliche Leichenöffnung wird der einzige Weg sein, restlose Aufklärung zu schaffen. Pflicht der Sicherheits­ behörde ist es, raschestens die gerichtliche Anzeige zu erstatten, gleich­ zeitig aber unter Zuziehung eines erfahrenen Arztes an Ort und Stelle die eingehendsten Erhebungen über die Umstände des Todes zu pflegen. Die Fälle natürlichen plötzlichen Todes ohne nachweisbare krank­ hafte Veränderung der Organe auf Grund sogenannter lymphatischer Veranlagung sind nicht häufig. Es spricht daher jeder Todesfall unter verdächtigen Umständen regelmäßig für gewaltsamen Tod, sei es von fremder, sei es von eigener Hand. Es dürfte nicht übertrieben sein, wenn man eine recht große Anzahl der vielen sog. „mysteriösen, motivlosen und überraschenden" Selbstmorde als verdeckte Mordtaten auffaßt. Wird jemand gefunden, der durch Selbstmord geendet haben soll, so wird der Vorfall mit Rücksicht und Verhinderung von allem Aufsehen angefaßt, man will die Angehörigen nicht belästigen, der Selbstmord ist zweifellos und es erfolgt Beerdigung ohne viele Feststellungen. Es soll nicht behauptet werden, daß man in jedem Falle von Selbstmord sofort großen Lärm schlagen und Aufsehen erregen soll, wohl wird aber geraten, bei allen diesen Fällen von der Möglichkeit auszugehen, daß der Selbstmord nur vorgctäuscht wurde und daß eine strafbare Handlung vorliegen kann. Als Grundregel gelte: Man halte die Augen offen, lasse sich nicht verblüffen und stelle sich den Hergang so, wie er sich ereignet zu haben scheint, während seiner Ereignung recht lebhaft vor. Dieses letztere Mittel wirkt nahezu untrüglich, da sich hinterdrein die Vorgänge selten so gestalten lassen, wie sie sich wirklich ereignet haben. Hält man sich dann vor Augen, wie der Verstorbene alles gemacht haben soll, was er gemacht zu haben scheint, wie sich die Verhältnisse aneinander gereiht haben sollen und wie das Bild ent­ standen sein kann, welches man heute vor sich hat, so wird sich.

169 falls die Sache nicht in Ordnung ist, irgendwo eine Schwierigkeit, eine Unmöglichkeit oder zum mindesten etwas Unwahrscheinliches finden, so daß Zweifel rege werden; sind aber diese vorhanden, dann hat man das Recht, sich die Sache genauer anzusehen und nach weiteren Anhaltspunkten zu forschen. Auf der anderen Seite merke man aber auch, daß in der Tat echte Selbstmorde in unwahrscheinlicher Weise, mit seltsamen, scheinbar ungenügenden Werkzeugen und mit auffallenden Erfolgen unternommen werden; dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Betreffende geisteskrank oder loenigstens nicht normal gewesen ist. In allen diesen Fällen ist Vorsicht doppelt ge­ boten, da man ja auch ungerechtfertigte Verdächtigungen auf das Äußerste zu vermeiden hat. Es kommt übrigens verhältnismäßig nicht selten vor, daß Selbst­ morde wieder als solche verdeckt werden; dies geschieht mitunter vom Selbstmörder schon vor der Tat, wenn er den ©einigen z. B. einen Ruhegenuß oder eine Versicherungssumme retten wollte. Mitunter geschieht dies auch von den Angehörigen, entweder aus demselben eben angeführten Grunde, oder um der „Schande" wegen des Selbst­ mordes zu entgehen; mitunter geschieht es auch vom Wartepersonale, welches nicht aufkommen lassen will, daß es den nun Verstorbenen übel beaufsichtigt hat. Man kennt genug Beispiele, in welchen das Verheimlichen eines begangenen Selbstmordes so geschickt gemacht wurde, daß Mord angenoinmeu wurde; dies ist namentlich dann möglich, wenn Fußspuren oder ähnliches gefälscht, die Zeit des Todes geändert oder sonstige Täuschungen vorgenommcn werden sollten, die dann nach und nach entdeckt werden. Im allgemeinen lassen sich nur wenige Mittel angeben, welche diesfalls aus der recht oft schwierigen Sachlage hcraushelfen. Abge­ sehen von dem früher erwähnten Vorstellen des Herganges, ist das nächst Wichtige, daß man die Situation, wenn nur irgend möglich, photographieren läßt. Freilich müßte hierzu alles in dem Zustande geblieben sein, in welchem man es gefunden hat; dies wird aber selten vorkommen, da man in der Regel Rettungsversuche oder sonstige Änderungen vorgenommen hat. Aber auch dann ist das Photo­ graphieren noch immer von unschätzbarem Werte, besonders deshalb, weil manche Kleinigkeiten, die im Bilde festgehalten sind, erst später von Wert sein könnten. Außerdem halte man sich gewisse Erfahrungstatsachen vor Augen, welche natürlich niemals Beweise, wohl aber, wenn auch ganz schwache, Anhaltspunkte bieten können. So weiß man z. B., daß Selbstmorde wesentlich häufiger bei Tag als bei Nacht vorkommen; ebenso ist es bekannt, daß die meisten Selbstmorde im Mai unternommen werden; man glaubt, daß hieran Schirokkowetter und tiefer Barometerstand Schuld tragen, welche beide Ursachen auf sehr nervöse Leute depri­ mierend wirken; Nervosität, Depressionen, Mangel an Lebensfreude und Selbstmord hängen aber häufig zusammen. Herrschte also zur Zeit des angeblichen Selbstmordes Schirokko und ist der Verstorbene sehr nervös gewesen, so ist Selbstmord um eine Spur wahrscheinlicher.

170 Nicht ganz gleichgültig ist die Art des Selbstmordes in Beziehung auf die Person des Verstorbenen; ein Soldat oder Jäger wird sich erschießen, ein Arzt vergiften; Frauen stürzen sich ins Wasser, bei niederen Volksstämmen ist Erhängen das Häufigste, bei jugendlichen Personen Herabstürzen aus größeren Höhen. Stimmt also'Todesart und Person gar nicht (erhängter Offizier), so ist man zum Verdacht berechtigt. Bei Doppelselbstmorden weiß man, daß sie häufig bei Liebes­ paaren, mitunter bei Ehepaaren, selten bei Personen desselben Ge­ schlechtes vorkommen, merkwürdig selten kommt es bei einem Doppel­ selbstmord vor, daß die beiden verschiedene Todesart gewählt hätten: hätten sich nicht beide erhängt, erschossen, vergiftet, sondern etwa eines sich erschossen, das andere sich den Hals abgeschnitten, so wäre dies zum mindesten auffallend und näheren Besehens wert. Einen sehr wichtigen Anhaltspunkt bieten aber die zurückgelassenen Briefe der Selbstmörder, die schon unzählige Male gefälscht worden sind. Wenn möglich, verschaffe man sich zum Vergleiche zweifellose Handschriften des Verstorbenen oder stelle wenigstens einen Vergleich dahin an, ob der Stand des Verstorbenen und seine Schrift, Stil und Rechtschreibung ungefähr zusammenstimmen. Ist im Briefe ein Grund angegeben, dessen Richtigkeit sich nachweisen läßt (körperliches Leiden, Geldverlust, Familiensorgen), so suche man so rasch als möglich sich über das Vorhandensein dieses Grundes zu vergewissern; wird etwas nicht Überprüfbares angegeben (Lebensüberdruß, Furcht vor etwas nicht Ausgedrücktem usw.), so wird man um so vorsichtiger werden, als vielleicht schon andere verdächtige Umstände zutage ge­ treten sind. Von größter Wichtigkeit ist es dann festzustellen, woher Papier, Tinte und Feder des Abschiedsbriefes stammen; ist der Tote in seiner Wohnung gefunden worden, so wird ein Vergleich mit den vorhandenen Vorräten leicht und schnell zu machen sein. Wurde er auswärts gefunden, so muß diese Untersuchung gleichwohl gemacht werden. Die übrigen Beobachtungen betreffen dann die Todesart. Bei Schußverletzungen merke man, daß Selbstmörder die Mün­ dung der Waffe zwar in der Regel gegen die Schläfe, Stirne, Mund oder Herz richten, daß aber auch genug der abenteuerlichsten Schüsse bei Selbstmördern vorgekommen sind, z. B. auf den Scheitel, Hinter­ kopf, Magen usw.; vielfach sind hierbei eigentümliche Vorstellungen des Selbstmörders schuld, häufig kommen aber auch sog. verrissene Schüsse vor, namentlich wenn die Waffe mit zuviel Pulver geladen und fest an den Körper angedrückt wurde; es kann dann kommen, daß die Mündung zwar an die Schläfe angesetzt wurde, daß der Schuß aber den Kiefer traf, oder daß aus einem beabsichtigten Herzschuß ein Magenschuß wurde. Ebenso beweist das Vorliegen mehrerer tödlicher Schüsse allein noch nicht Mord, daselbst nach sehr gefährlichen Schüssen der Tod nicht so rasch eintritt, daß! nicht noch ein zweiter Schuß abgegeben werden könnte; wie es im besonderen Falle war, wird später der Arzt sagen. Ist die Waffe zersprungen, so darf wohl

171 Selbstmord angenommen werden; dies geschieht entweder durch Über­ laden der Waffe oder durch zu festes Andrücken an den Körper: beides wird wohl nur der Selbstmörder tun. Ebenso kommt es überraschend oft vor, daß Selbstmörder in der Aufregung vergessen, das Geschoß zu laden; solche blinde Schüsse können oft furchtbare Verwüstungen anrichten, es wird aber kaum vorkommen, daß der Mörder auf das Geschoß vergißt. Sehr wichtig ist es, darauf zu merken, ob der Verstorbene pulver­ geschwärzte Hände hat; ist dies bei beiden Händen der Fall, so ist anzunehmen, daß die rechte Hand durch rückströmende Pulvergase, die linke dadurch geschwärzt wurde, daß die Mündung der Waffe gehalten hat. Ist an keiner Hand eine Spur von Pulverschwärzung zu finden, so sei dies immer eine Mahnung zur Vorsicht. Das Auffinden der Waffe beweist gar nichts; es wäre denn, daß der seltene Fall eintritt, in welchem die aufgefundene Waffe und das verwendete Geschoß nicht zusammenstimmt. Hält der Tote die Waffe kranlpfhaft in der Hand, so beweist dies nur, daß er sie schon zu Lebzeiten in der Hand gehalten hat; einem Toten kann man einen Gegenstand nie mehr so in die Hand pressen, daß er sie krampfhaft zu halten scheint. Aber Selbstmord beweist das krampfhafte Halten der Pistole auch nicht unbedingt: er kann sie zu Verteidigungszwecken ergriffen haben, ja er kann auch im Zweikampf gefallen sein. Wurde die.Leiche an einem allgemein zugänglichen Orte gefunden, so beweist auch das Fehlen der Waffe nichts, weil diese gestohlen worden sein kann (es soll dies häufig zu abergläubischen Zwecken geschehen). Übrigens kennt man auch Fälle, in welchen Leute, um Selbstmord zu decken, das Verschwinden der Waffe bewerkstelligt haben; es ist wieder­ holt vorgekommen, daß sich einer auf einer Brücke erschossen hat, wobei er die Pistole mit einer langen Schnur an einem schweren über das Brückengeländer gehängten Stein befestigt hat. Nach dem Schusse zog der Stein die Pistole über das Geländer in das Wasser. Häufige Verschleierungen von Mordtaten geschehen durch Auf­ hängen des Getöteten. Abgesehen von den nicht seltenen Fällen, in welchen einer einfach überfallen, überwältigt und aufgehängt wurde (wohl nur bei Betrunkenen usw. vorkommend), lassen sich Fälle denken, in welchen der Mord in anderer Weise geschah und dann durch Aufhängen gedeckt wurde. Selbstverständlich darf es nicht Er­ schießen, Erstechen usw. sein, obwohl man auch Fälle kennt, in welchen Leute mit feinen Instrumenten erstochen und dann aufgehängt wurden; meistens wird cs sich um Erwürgte, Erstickte und besonders um Ver­ giftete handeln. Die Fälle, in welchen man bei Erhängten eine Unter­ suchung auf Vergiftung gemacht hat, sind verschwindend klein, und doch werden Mordtaten in dieser Art häufig genug vorkommen. Wie es bei Erhängten mit der Strangfurche und mit den Er­ scheinungen des Hängetodes steht, werden die Ärzte bestimmen — unsere Aufgabe kann nur sein, die Sachlage zu prüfen und auch hier festzustellen, ob der Verstorbene alles das machen konnte, was er scheinbar gemacht haben soll, wie es mit dem Abschiedsbriefe steht,

172 ob das Strangulierungswerkzeug aus seinem Besitze oder woher sonst stammt usw. Einen kleinen Anhaltspunkt, über welchen sich auch der Laie Gewißheit verschaffen kann, bildet die Färbung der Beine des Erhängten: sind diese dunkel gefärbt (rot oder rotblau), hat sich also das Blut stark dahin gesenkt, so ist dies ein Beweis dafür, daß der Körper mindestens einige Stunden aufgehängt war. Bei Verletzungen mit scharfen Werkzeugen ist wenig Sicheres zu sagen, da Selbstmörder gerade in dieser Richtung Unglaubliches leisten: es kommt vor, daß sich Leute selbst durch Beilhiebe oder Hammerschläge oder durch Schnitte in den Nacken oder Bauch getötet haben. Bei Halswunden ist allerdings die Lage und Führung der Wunde sehr wichtig; auch hier wird sich oft der Laie vollkommen klar, wenn er sich den Hergang in der einen und der anderen Weise vorzustellen sucht. Selbstmord durch Erstechen ist auffallend selten, um so häufiger wird Mord in dieser Weise begangen. Ein Anhaltspunkt in dieser Richtung kann, außer durch die ganze Situation, dadurch gegeben werden, daß die Kleider an der betreffenden Stelle auseinandergeschoben wurden, welcher Umstand wohl auf Selbstmord zu schließen erlaubt. Übermäßige Bedeutung wird bei solchen Fällen der Frage bei­ gemessen, ob der Verstorbene mit Blut besudelte Hände besitzt, da dies ein Zeichen eigener Handanlegung jein soll; man weiß aus Erfahrung, daß Leute, die von anderen angegriffen werden, unwill­ kürlich nach der verletzten Stelle greifen und so blutige Hände be­ kommen. Mehrartigcr Selbstmord kommt häufig vor; entweder hat der Selbstmörder nach einem anderen Mittel gegriffen, wenn das erst­ gebrauchte nicht rasch wirkte, oder er hat von Anfang an zwei oder mehrere Mittel in Verwendung gebracht: sich z. B. vergiftet und dann mit der Schlinge um den Hals oder auf der Fensterbrüstung erschossen. Die größten Schwierigkeiten ergeben sich da bei aufge­ fundenen Wasserleichen, welche Schußverletzungen oder sonstige töd­ liche Beschädigungen aufweisen. Ausgeschlossen ist Selbstmord auch hier nicht, da sich der Betreffende auch im oder am Wasser erschossen oder vergiftet haben kann. Mitunter wird bei überraschenden, plötzlichen Todesfällen na­ mentlich auf dem Lande die Frage des Scheintodes aufgeworfen. Selbstverständlich ist zur Entscheidung auch dieser Frage ausschließlich der Arzt berufen; die in einzelnen Totenbeschauordnungen vorgeschrie­ benen Lebensproben sind nicht unbedingt verläßlich und haben daher — von einem Laien vorgenommen — selbst dann keinen Wert, wenn sie nicht streng ärztliche Tätigkeit verlangen z. B. das Vorhalten einer zarten Feder oder eines Spiegels vor Mund und Nase, das Vor­ halten einer brennenden Kerze vor das Auge und ähnl.

173 XIV. Abschnitt.

Diebstahl. A. Allgemeines. Der Diebstahl bildet so ziemlich den größten Teil unserer For­ schungsarbeit, und wenn wir nach seiner Güte fragen, so werden wir zur Überzeugung kommen, daß sie nicht sehr hoch zu veran­ schlagen ist, insbesondere was den Erfolg anlangt. Vor dem Welt­ kriege wurde die Forschung meist dadurch begünstigt, daß durch Aufpassen auf die Ausgaben des Verdächtigen, seiner Angehörigen und insbesondere seiner Geliebten Schuldbeweise gesammelt werden konnten, da sich Diebe selten beherrschen können, die Früchte ihrer Tat erst zu genießen, wenn der Diebstahl einigermaßen vcrgesslen ist. Seit dem Kriege, insbesondere aber seit dem Zusammenbruche ist eine derartige Vermehrung dunkler, schwer erforschbarer aber dabei sehr ergiebiger Geldquellen erfolgt, daß die kriminalistische Arbeit bedeutend erschwert ist. Hiezu kommt die ungeheure Ver­ breitung der Hehlerei und die allgemein beobachtete durch die Knapp­ heit an Allem erklärbare Sucht, nach der Herkunftquelle nicht viel zu forschen und sie nicht zu verraten. In diesem sittlichen Nieder­ gang des Rechtsgefühls liegt der Hauptgrund dafür, daß so viele Diebe unentdeckt bleiben und daß durch diese Tatsache der Anreiz zum Diebstahl stets zunimmt. Mehr dann je müssen wir uns daher heute hüten, die einfachen, langweiligen Diebstähle oberflächlich zu behandeln nnd es zu ver­ säumen, für die großen, schwierigen Fälle an den einfachen gelernt zu haben. Fragt man den ersten besten alten Dieb, der einmal auf­ richtig sein will, so wird man erfahren, daß zwischen dem ersten Diebstahl einer alten Spindeluhr und dem letzten und raffinierten und großartigen Kasseneinbruch kein wesentlicher Unterschied besteht, und daß er an dem ersten für den letzten gelernt hat. So müssen wir es aber auch machen und es wird daher nur derjenige etwas leisten, der schon dem unbedeutenden und einfachen Diebstahl Aufmerksamkeit zu­ gewendet hat.

B. Besonderes. 1. Auskundschaften. Dieses ist für den Dieb und für uns das Wichtigste: für den Dieb, weil hiervon meistens der ganze Erfolg abhängt, für uns, weil häufig beim Auskundschaften der einzige Anhaltspunkt für die Fest­ stellung des Täters zu finden ist. Man vergesse nicht, daß ein nennenswerter Diebstahl ohne Kenntnis der Verhältnisse kaum aus­ zuführen ist, und daß daher diese im voraus festgestellt werden müssen. Es ist auch nicht zu viel gesagt, wenn man annimmt, daß jeder Mensch, der unbekannt und unberufen in eine Wohnung kommt, ein Kundschafter wenigstens sein kann: der Bettler, der Hausierer, der Kolporteur, der Eckensteher, der Handlungsreisende, der verkleidete

174 Polizeidiener, das junge Mädchen, das um Arbeit oder Rat bittet, das alte Mütterchen, welches ein Anliegen vorbringt — sie alle können Kundschafter sein, und wenn später wirklich ein Diebstahl verübt wird, so war auch eines von ihnen wahrscheinlich ein solcher. Sie schauen um das woher und wohin, das hinein und hinaus, sie studieren die Lage der Wohnung, der Verbindungen, der Türen, des Schreibtisches, die Zahl der Leute, angebrachte Telegraphen, sie nehmen vielleicht den Wachsabdruck eines Schlosses, drücken den Riegel einer Hintertüre zurück oder schieben einen Blumentopf auf dem Fenster­ brett vom Offnungsflügel zum Stehflügel — kurz sie erfahren eine Menge und bereiten Wichtiges vor, so daß der eigentliche Dieb weniger Schwierigkeiten hat. Den Dieb hat man aber nicht gesehen, den Kundschafter wohl, und so nmß man sich um letzteren kümmern. Hierbei ist es wichtig, daß die Leute vom Kundschafter selten etwas sagen und immer meinen, daß er nicht zur Sache gehört. Man muß daher selbst bei intelligenten Zeugen wie bei einem Kinde abfragen: ob ein Bettler, ein Reisender, ein Kind, ein Mädchen, ein Polizei­ mann usw. da war. Bejahenden Falles erhebe man in dieser Richtung besonders genau, denn man kann wenigstens einen der Bande gefunden haben. In wichtigen Fällen kommen mit geteilten Ausgaben auch mehrere Kundschafter; einer kommt nie zweimal. War ein Diebstahl von größerer Bedeutung und läßt sich ein Kundschafter oder eine des Kundschaftens verdächtige Person gar nicht feststellen, so ist anzu­ nehmen, daß die Kundschaftung entweder von außen erfolgte oder daß sie nicht nötig war, weil einer der Beteiligten ohnehin die nötigen Kenntnisse besitzt, also wohl ein früherer Dienstbote oder Hausgenosse war. Die Kundschaft von außen erfordert natürlich mehr Geschicklich­ keit oder Zeit als eine andere; sie ist besonders leicht auf dem Lande durchzuführen, wo man bei der immer ziemlich ähnlichen Bauart der Häuser, aus den Türen und Fenstern, aus den Rauchfängen und der abendlichen Beleuchtung fast alles entnehmen kann, was man zur Sache braucht; sieht man es nicht beim Vorbeigehen, so beobachtet man es aus dem nahen Walde oder sonst einem Versteck. Hierin leisten namentlich Zigeuner oft Überraschendes. In der Stadt erfolgt die Beobachtung von außen aus einem bequem liegenden Schnaps­ laden oder Kaffeehaus, in wichtigen Fällen wird auch ein Zimmer gegenüber oder im selben Hause gemietet. Auf das Verschwinden solcher Mieter eines möblierten Zimmers nach einem großen Diebstahl im Gegenüberhause ist immer zu merken. Aus jeden Fall erfährt der Kundschafter (wenn möglich von innen und von außen) die ganzen Verhältnisse in der betreffenden Wohnung, das Ein- und Ausgehen, das Lichtmachen und Lichtauslöschen, die Stunden der Mahlzeiten, die Gewohnheiten, Beziehungen und Ver­ hältnisse der Hausleute und alle Umstände, welche entwäwr den Dieb­ stahl erleichtern oder vielleicht annehmen lassen, daß aus gewissen Gründen ein zugegangener Diebstahl nicht angezeigt oder der Verdacht auf jemanden anderen geworfen werden wird.

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Nie vergesse man, daß auch hier das sexuelle Moment eine große Rolle spielt: das Stubenmäbdjen hat einen Geliebten, der es nur zum Zwecke der Auskundschaftung wurde, und der Hausdiener hat eine Geliebte, deren Bruder einer von der Bande ist; der Hausherr hat eine Bekanntschaft, der man vielleicht auch den Diebstahl zutrauen kann; die Hausfrau hat vielleicht aus irgendeinem Grunde öfters eine Hintertüre offen und die Kinder des Hauses müssen gewisser Korrespondenz wegen allerlei heimlichen Boten Zutritt im Hause gewähren — alle diese Fragen sind für den Dieb von großer Wichtig­ keit, er muß über sie unterrichtet sein, und wollen wir nicht irre­ geführt werden, so müssen auch wir davon Kenntnis bekommen. Das Fragen um solche Dinge ist nicht angenehm, im großen und ganzen geht es hierbei aber einfacher ab, als man glaubt, und fragt man ernst und sachlich, so wird auch häufig ziemlich aufrichtig geantwortet — so weit eben ein Zeuge die Wahrheit sagt. Hat man auf jemanden Verdacht als Kundschafter bekommen, so darf diese Spur nicht mehr ausgelassen werden. Man sucht seine Tätigkeit mit der etwa festgestellten eines zweiten und dritten in Verbindung zu bringen und sieht sich unter allen Umständen die betreffende Örtlichkeit auf das hin an, was die verdächtige Person etwa sehen konnte. Man läßt sich zeigen, wo der Betreffende im Zimmer war, man sieht sich den Schnapsladeu an, in dem er gewesen sein soll, oder das Zimmer, in dem er gewohnt hat, kurz diese örtliche Erhebung versäume man nie, weil sie allein darüber unterrichtet, was der Dieb sehen und wissen konnte, und wie diese Kenntnis mit dem Vorgänge beim Diebstahle stimmt. Insbesondere ist es wichtig, über das Benehmen des Verdächtigen möglichst genau klar zu werden: was er sprach und wollte, wohin er schaute und wohin er drängte, wie lang er da war, wann es war usw., alles ist unter Umständen von größtem Wert, und die Richtigkeit einer Erhebung wegen Dieb­ stahl läßt sich an nichts so gut ermessen, als an den Feststellungen über das Kundschaften. 2. Sonstige Vorbereitungen. Wie schon gesagt, hat der Kundschafter nebstbei auch dafür zu sorgen, daß gewisse Hindernisse (Riegel, Vorlegehaken, Blumentöpfe) beseitigt, Abdrücke gemacht, Schlüssel gestohlen werden usw. Fast ebenso wichtig ist es, daß nicht nur hindernde Sachen, sondern auch hindernde Menschen unschädlich gemacht werden. Es werden also Dienstleute in der Regel durch ein veranstaltetes Stelldichein vom Hause fortgelockt; dasselbe geschieht wohl auch mit einem oder dem andern Mitgliede der Familie selbst, wobei duftende, rosenfarbige Briefe mit falscher Unterschrift (ober auch ohne solche) unzählige Male selten versagende Dienste geleistet haben. Vor mehreren Jahren war es besonders in Dresden, Berlin und Hamburg geradezu Mode geworden, ganze Familien durch zugesendete Karten für Theater, Konzerte usw. aus dem Hause zu locken und während dieser Zeit die Wohnung auszuräumen.

176 Auf dem Lande besteht eine wichtige Vorbereitung in dem Be­ seitigen des Wachhundes. In der Regel wird der Hund einen oder zwei Tage vor dem Diebstahle vergiftet (Peigern nennen es die Leute). Einer vergifteten Wurst, welche z. B. ein bettelndes Mütterchen dem Hunde zuwirft, widersteht nicht leicht ein Hund. Als Mittel werden fast ausnahmslos die sog. Krähenaugen benützt; es sind dies die Früchte von Strychnos nux vomica, welche heftig und rasch wirken; sie sehen etwa so aus wie sog. gepreßte Kranzfeigen, aber viel kleiner, etwa zwei Zentimeter im Durchmesser und etwa einen halbm Zenti­ meter dick; kreisrund, hellgelbgrau, hart und seidenglänzend; der Besitz solcher harmlos aussehender Früchte ist immer höchst verdächtig. Gelingt das Vergiften des Haushundes nicht oder besitzt der Betreffende kein Gift, so kommt oft eine läufige Hündin zur Ver­ wendung, in der Regel unmittelbar vor dem Diebstahl; es nähert sich einer, der eine läufige Hündin an der Leine führt, in der Wind­ richtung des Hauses und bewirkt dadurch, daß der Hund zuverlässig nicht bellt, sondern der Hündin zuläuft, dann entfernen sich alle drei und der Hund kann unterwegs unschädlich gemacht werden. Ist er an der Kette, so gestattet er nicht nur Annäherung ohne Bellen, sondern er läßt sich auch gerne von der Kette lösen und mitnehmen. Ähnliche Dienste leistet der uralte Abdeckerbrauch, seine Kleider an den Ge­ schlechtsteilen einer läufigen Hündin zu reiben. Ist in einem Hause kurz vor einem Diebstahle der Haushund verschwunden oder getötet worden, so stelle man fest, ob und wer sich etwa von fremden Leuten mit ihm zu schaffen gemacht hat; läßt sich dies erheben, so weiß man wenigstens einen von der Bande.

3. Ausrüstung des Diebes. Daß der Besitz von Nachschlüsseln, Brecheisen, Feilen und ähn­ licher Dinge verdächtig ist, braucht nicht besprochen zu werden. Im übrigen kann überhaupt alles für verdächtig gehalten werden, dessen Notwendigkeit und harmlose Bestimmung nicht erweisbar ist. Zu nennen wären: Leichte P anto ff el oder ein Paar sehr dicke, kurze Strümpfe, mit welchen Gasthofdiebe usw. auf den Gängen lautlos umherzu­ schleichen pflegen. Ein Stück schwarzes Zeug wird oft als eine Art Larve vor das Gesicht gehängt. Ein Licht st ümpfchen (Talg, Wachs, Stearin) oder eine elek­ trische Taschenlaterne hat jeder Einbrecher oder Einschleicher bei sich, um sich nötigenfalls in dunklen Räumen zurecht zu finden. Klebrige Substanzen (Pech, Kleister, Teer, Heftpflaster und besonders Fliegenpapier, tangle-foot) sind immer notwendig, wenn Glasscheiben eingedrückt werden sollen, weil zuvor das Klebe­ mittel auf ein Stück Stoff gebreitet und an das Glas gedrückt wird, damit die abfallenden Scherben nicht klirren. Taschen, lange, sackförmige, braucht jeder Markt- und Laden­ dieb, um das Gestohlene unterzubringen.

177 Handschuhe sind namentlich dann verdächtig, wenn sie einzeln und mit langen Stulpen versehen vorgefunden werden; sie werden ausgestopft in den auch etwas gefüllten Ärmel genäht und dienen als falsche Hand, wenn der Eisenbahndieb mit der echten stiehlt. Ruten oder Fischbeinstäbchen braucht der Opferstockdieb; sie werden mit Vygelleim bestrichen und dienen zum Herausfischen von Geldstücken aus Opferstöcken. In der Regel werden die Ruten in hohlen Spazierstöcken, namentlich aus Bambusrohr, verwahrt; der Besitz eines Wanderstabes aus Rohr macht einen Landfahrer immer von weitem verdächtig; in der Regel werden solche Fischbeine usw. darin verborgen sein. Fischangeln benützen auch andere Gauner z. B. Juwelen­ diebe in ähnlicher Weise wie Zigeuner (f. S. 77). Ringe bei Männern und Armbänder bei Frauen untersuche man immer dann genau, wenn sie auffallend dick und breit sind: sie enthalten häufig kleine, auf Sprungfedern angebrachte Messerchxn, mit welchen Taschendiebe, namentlich auf Eisenbahnen, die Taschen von außen auszuschneiden pflegen. Keile aus hartem Holz, sog. Vorleger, werden sehr häufig zum Aufsprengen von Türen, sogar bei eisernen Kassen verwendet; die Keile aus trockenem, harten Holz (in der Regel aus Weißbuchen- oder Quittenholz) werden in schmale Spalten eingetrieben und befeuchtet, worauf sie sich mit unwiderstehlicher Gewalt ausdehnen und Raum für immer stärkere Keile bieten. Dünne Stricke mit eisernen Haken haben den Zweck, auf Balköne, Gänge oder Veranden geworfen zu werden, wo sich der eiserne Haken fangen und die Möglichkeit bieten soll, an dem Stricke emporzuklettern. Sackartige Schürzen sind das Werkzeug der Ladendiebinnen. Gewerbsmäßige Einbrecher, die die Welt bereisen, werden eine ganze Sammlung feinsten, für alle Fälle berechneten Werkzeuges besitzen, das sie dann 'in feinen, möglichst unauffälligen Reisekoffern bei sich führen. Aufschreibungen sehen ost harmlos aus, sind aber mit­ unter von Wichtigkeit, da auf ihnen Mitschuldige, Bestohlene oder noch zu Bestehlende verzeichnet sein können. Der Besitz eines Verzeichnisses der Jahrmärkte in der Umgebung, einer Landkarte mit gewissen Unterstreichungen, von Fahrplänen, Fahrkarten, Aufzeichnungen von Ereignissen, die einen besonderen Massenzulauf bedingen, deutet regel­ mäßig auf einen Dieb oder Professionsspieler. 4. G e h i l f e n. a) Aufpasser. Der wichtigste Gehilfe ist der Aufpasser, der während des Stehlens Überraschungen verhindert und, wie schon oben ausgeführt, nur zeit­ weiliges Einstellen der Arbeit oder aber Flucht veranlaßt. Im letzteren Falle wird also das verabredete Zeichen laut und ohne Verstellung gegeben, im ersteren durch etwas'scheinbar Harmloses: singen, lachen, niesen, einen Hund rufen usw. Eine besondere und wichtige Arbeit G roß-H öple r, Erforschung. 6. Aufl.

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178 des Aufpassers ist das Aufhalten oder Weglocken von Vorüber­ gehenden, die gefährlich werden könnten, besonders aber von Poli­ zisten, Patrouillen, Wachposten usw.; hierbei ist der Schlauheit und dem Witz des Aufpassers ein weites Feld geöffnet. Entweder spricht er die Entgegenkommenden an, fragt um einen Weg, um die Wohnung eines Arztes, einer Hebamme, oder um die Zeit, um den nächst­ abgehenden Zug usw., oder er veranlaßt, daß er angesprochen wird, indem er Krankheit, Verletzung, einen Verlust oder sonst etwas vorgibt. Kommen Wachposten usw., so teilt er ihnen etwas Wichtiges mit: verdächtigen Rauch, herumschleichende Leute, einen wütenden Hund, einen kranken Menschen oder sonst etwas hat er gesehen, was das Einschreiten der Wache nötig macht — natürlich lockt er diese in die entgegengesetzte Seite von der, wo seine Leute arbeiten. Nützt das nichts, so muß äußersten Falles etwas tunlichst Unbedeutendes begangen werden: er stellt sich trunken, beschimpft die Wache, ja er begeht sogar eine Majestätsbeleidigung und redet sich dann auf Trunkenheit aus, kurz, er sucht zu erzwingen, daß man sich mit ihm befaßt und so seine arbeitenden Genossen in Ruhe läßt. Diese Fälle sind zwar häufig, kommen aber selten zur Sprache, einerseits, weil man später nicht daran denkt, den an einem Ende einer Straße begangenen Einbruchdiebstahl mit jenem betrunkenen „famosen Kerl", der die Wache am anderen Ende der Straße be­ schäftigt hat, in Verbindung zu bringen, andererseits, weil die Wache, die sich so irreführcn ließ, es nicht gerne eingesteht, auch wenn sie an den Zusammenhang denkt. Zweifellos ist auch die Lage der Wache in einem solchen Falle recht schwierig: wird ihr z. B. von einem

anständig ausschenden Menschen mitgeteilt, daß dort und da ein Kranker auf der Straße liegt, oder daß es irgendwo zu brennen scheine usw., so kann der betreffende Schutzmann diese Anzeige doch nicht unberücksichtigt lassen, selbst wenn er sie für falsch hält — ebenso­

wenig wird er sich mit offenen Augen irreführen lassen. Sind zwei Wachleute beisammen, so wird der eine der Anzeige nachgehen,' der andere aber erst recht in der entgegengesetzten Richtung aufpassen; ist bloß einer allein, so erübrigt nichts anderes, als auf die Meldung einzugehen und Nachschau zu pflegen, aber den Anzeiger mit­ zunehmen, am besten unter dem Vorwande, man benötige ihn als Wegweiser zur fraglichen Stelle. Ergibt sich die Anzeige als falsch und vermag der Anzeiger nicht den Hergang zu erklären, so versichere man sich seiner Person — dann hat man wenigstens einen der Bande. Hat jemand, der ein Aufpasser sein kann, ein Delikt begangen, welches in gewiß aufdringlicher Weise sichtlich nur zum Zwecke der Verhaftung begangen wurde, dann trachte man es nicht zu bemerken, namentlich wenn es sich nur um Ausschreitung in der Trunkenheit, Wache­ beleidigung usw. handelt. Auf jeden Fall ist der Schaden geringer, wenn solch ein Ding ungesühnt bleibt, als wenn ein großer Einbruch­ diebstahl ungestört verübt werden kann. Zu bemerken ist noch, daß die besten Aufpasser weiblichen Ge­ schlechtes sind; sie sind aufmerksamer, sorgfältiger und verläßlicher

179 als Männer, sie finden leicht eine Ausrede für ihre Anwesenheit — krankes Kind, vom betrunkenen Gatten verjagt, von der Stiefmutter geprügelt usw. Sehr oft sind solche Aufpasser halberwachsene Mädchen, die angeblich vom Hause fort mußten, obdachlos sind oder sonst eine Klage vorzubringen wissen. Übrigens ist auch die Kehrseite zu betrachten: wurde irgendwo ein Einbruch verübt, so ist es ratsam, festzustellen, ob nicht in der­ selben Nacht in der Nähe des Diebstahlsortes eine Festnahme ob Trunkenheit, Wachebeleidigung usw. erfolgte: eine Nachforschung, ob zwischen diesem Verhafteten und dem Diebstahl nicht ein Zusammen­ hang besteht, lohnt häufig die Mühe. Bei den Erhebungen darüber, ob jemand etwa den Aufpasser gesehen hat und sich von ihm irreführen ließ, hat man zweierlei zu beobachten: erstens muß der räumliche Bezirk weit gezogen werden, da mitunter, namentlich bei größeren Unternehmungen, die Aufpasser oft auch in größerer Entfernung aufgestellt werden: dann nimmt der Laie kaum an, daß seine Begegnung mit dem, in der dritten oder vierten Straße begangenen Diebstahle zusammenhängt. Zweitens muß bei den Nachforschungen viel Geduld und Vorsicht angewendet werden, weil es die meisten (namentlich Wachorgane) nicht gerne eingestehen, daß sic sich auf eine oft nicht einmal sehr geschickt angelegter Weise haben irresühren lassen. War der Aufpasser weiblichen Geschlechtes, so kommen öfter noch andere Gründe dazu, warum der Jrregeführte sich nicht gerne meldet. Übrigens glauben solche Leute häufig auch, daß sie dafür verantwortlich oder gar haftbar werden, wenn sie sich haben täuschen lassen, man muß also auch in dieser Richtung vorzu­ bauen trachten. b) Eigentliche §’e lf er. Die Tätigkeit der mitarbeitenden Helfer ist nach der Art des Diebstahles eine sehr verschiedene und nimmt auch wieder bei jeder Gattung von Diebstählen nach Bedarf verschiedene Formen an. Beim T a s ch e n d i e b st a h l kommt namentlich vor: das „Wand­ machen", das darin besteht, daß sich einer so vorstellt, daß die Vorüber­ gehenden oder Danebenstehenden es nicht merken, wie der zweite einem dritten etwas aus der Tasche zieht. Eine andere Tätigkeit hat der, der den „wilden Mann" macht: er beton,mt einen Anfall, stellt sich trunken, fängt mit Vorübergehenden Streit an, kurz er veranlaßt Stehenbleiben und Auflauf der Leute, so daß sein Genosse int Ge­ dränge leicht einen, meistens mehrere Taschendiebstähle verüben kann. Außerdem hat der Taschendieb häufig einen Genossen zum „zu­ planten"; dies tun meistens solche Diebe, die den Behörden schon als solche bekannt sind und für die es daher besonders gefährlich wäre, wenn sie bei einer rasch vorgenommenen Untersuchung im Besitze des Gestohlenen gefunden werden. Der Gehilfe ist daher oft ein noch unbestrafter Mensch, der das Gestohlene sofort geschickt übernimmt und damit verschwindet; oft hat er zugleich auch den „Wandmacher" abgegeben. Besondere Geschicklichkeit entwickeln hierbei weibliche Ge12*

180 Hilfen, die leichtabstreifbare Niederschuhe, Strümpfe ohne Spitzen und Taschen an der Innenseite des Unterrockes (ganz unten, ober dem Saume des Rockes; die modernen kurzen Röcke begünstigen diese Art Diebstahls besonders) tragen. Der Dieb läßt die gestohlene Börse sofort an seinem Körper unmerklich und lautlos zu Boden gleiten; seine Helferin stellt sich rasch darüber, zieht den Fuß aus dem Schuh, erfaßt mit den freien Zehen die Börse, hebt den Fuß und bringt die Börse in die genannte Tasche; so braucht sich keines zu bücken oder eine verdächtige Bewegung zu machen und niemand schöpft Verdacht. Manche Weiber brauchen nicht einmal die bedenklichen Taschen, ©ie heben den Fuß mit der Börse mit Hilfe der außen angelegten Hand zwischen die Beine und halten sie hier mit den Schenkeln an dm Geschlechtsteilen fest; dies heißt „Ritt machen". Mitunter hat der Helfer die Aufgabe, den zu Bestehlenden abzulmken: er stößt gröblich an ihn oder reißt ihn zurück, „damit er nicht überfahren werde", oder er putzt ihn scheinbar ab usw. Während der Tätigkeit des einen stiehlt der zweite, denn das Opfer lmkt seine ganze Aufmerksamkeit auf den Stoß, das Reißen, das Abgeputzt­ werden usw. Der Taschendieb auf der Eismbahn hat meistens einen weiblichen Gehilfen; dieser sitzt gegenüber, der Dieb neben dem Opfer. Die Gehilfin beschäftigt das Opfer durch Gespräch oder etwas Intimeres, der Dieb scheint zu schlafen, er hat eine echte und eine falsche Hand vorne miteinander gekreuzt und mit der zweiten echten Hand stichlt er, schiebt das Gestohlene der Gehilfin zu und diese steigt in der nächsten Station aus. Der Dieb bleibt in der Regel noch eine Weile sitzen, läßt sich erforderlichen Falles untersuchen und bleibt regel­ mäßig verdachtsrei. Der H o t e l d i e b hat häufig einen Genossen in Gestalt eines Passagiers, der im Hotel absteigt. Nötiges auskundschaftet und ein­ springt, wenn es der eigentliche Dieb braucht; dieser komint als Bote, Rasierer, Hebamme, Schuster, Hühneraugenoperateur usw. und kann als solcher — unter dem Vorwande, er habe die Zimmernummer vergessen oder falsch verstanden — ein Zimmer nach dem andern abklappern und stehlen, wo sich Gelegenheit ergibt. Entsteht Ver­ dacht oder Schwierigkeit, so ruft ihn der Genosse, als zu ihm bestellt, in sein Zimmer. Der Genosse des Ladendiebes hat die verschiedenste, in Zeitungen vielfach beschriebme Tätigkeit: er beschäftigt den Juwelier mit einer großen Bestellung, während der Dieb stiehlt, er erscheint als Bettler unter der Türe und läßt sich von der handelnden eleganten Dame einige gestohlene Ringe scheinbar als Almosen in den vorgehaltenen Hut werfen, die Gehilfin kommt als Amine mit einem Kinde und legt dieses so auf den Ladentisch, daß die „Mutter des Kindes" dahinter stehlen kann usw. Eine eigene Art von Ladendieben ist in der Gaunersprache unter der Bezeichnung Chilfener bekannt. A tritt in einen Laden, kauft eine Kleinigkeit und legt behufs Bezahlung eine größere Note

181 auf den Tisch; der indessen eingetretene Genosse B frägt nach einer anderen Ware oder kauft eine solche, wobei die Ablenkung der Auf­ merksamkeit des Verkäufers dazu benützt wird, daß A oder B die Note verschwinden läßt. A verlangt dann sein Wechselgeld und B bestätigt gesehen zu haben, wie der Verkäufer die Note an sich genommen habe. Das Aufmerken auf den Helfer ist namentlich deshalb wichtig, weil man diesen viel eher erwischen kann, als den Dieb selbst; dieser hat alle Ursache, sich verborgen zu halten, während der Helfer dies nicht so nötig hat, da er sich immer auf scheinbar harmloses Tun berufen kann. Vorkommenden Falles ist es daher notwendig, durch genaues Abfragen herauszubringen, wer von den Anwesenden oder Umstehenden als Helfer gewirkt haben kann; dies ist um so schwieriger, als die Leute selten davon zu überzeugen sind, daß diese oder jene anständig oder harmlos aussehende Person an einem Verbrechen be­ teiligt gewesen sein soll. Hat man aber oen Helfer sestgestellt, so erwischt man meistens auch den Täter selbst.

5. Der Diebstahl s elbst. Das Wichtigste für uns ist die Tatsache, daß man bei einigem Aufmerken aus der Tat selbst Anhaltspunkte für die Person des Täters finden kann, und daß die Ausrede: „der Dieb habe nun einmal nicht seine Visitenkarte zurückgelassen" — keine stichhaltige ist. Es gibt eine Menge von Anhaltspunkten, die dem aufmerksamen Beobachter soviel zeigen, daß er oft beim ersten Anblick weiß, wo er zu suchen hat. Diesfalls sind mehrere Dinge von Wichtigkeit. I. Die Gattung des Diebstahls. Die verschiedenen Arten des Diebstahls stellen so verschiedene Ansprüche an die Eigenschaften des Diebes, daß auch nur ganz verschiedene Leute verschiedene Dieb­ stähle ausführen. Gerade so, wie niemand auf den ersten Anblick einen Grobschmied für einen Schneider halten wird, ebenso wird niemand einen Kasseneinbrecher mit einem Taschendieb verwechseln. Es ist daher begreiflich, daß jeder, der sich dem Diebshandwerk zu­ wendet, sich jenen Zweig aussucht, der für seine Eigenschaften am besten paßt, aber auch, daß ein Dieb, der sich einmal für eine gewisse Art des Stehlens ausgebildet hat, bei dieser verbleibt. Alles auf der Welt will gelernt sein, und so wird der Dieb, also ein Mensch, der nicht gerne arbeitet, die Arbeit des Lernens nicht gerne beiseite werfen um wieder von vorne anzufangen. Wenn also der aufmerksame Kriminalist auf die Leute seines Gebietes aufmerkt, so wird er bald wissen, welcher Gruppe von Leuten er einen begangenen Einbruch, einen Ladendiebstahl, ein Eisenbahn­ manöver zutrauen darf, und hat man einmal die Gruppe sicher­ gestellt, so ist die Arbeit wesentlich verkleinert. Will er dann die Gruppe wieder weiter einengen, so hat er II. auf die Eigenheiten des Diebes zu merken. Diese sind von größerer Wichtigkeit, als man in der Regel annimmt; wer auf Eigentümlichkeiten aufpaßt, wird vorerst allerdings nur feststellen können, daß eine gewisse Anzahl von Diebstählen wahrscheinlich von

182 demselben Täter herrührt, wird aber dann der Täter eines einzigen Diebstahls aus dieser Gruppe entdeckt, so darf man wenigstens ver­ muten, daß viele auf diese Weise verübte Diebstähle vom Verdächtigen begangen wurden. Hierher gehören vorerst die Übergänge von den unter I genannten Fällen, also die sog. Spezialisten, z. B. „Stiegen­ läufer", Dachbodeneinschleicher, Türklinken-, Fußabstreifer-, Fenster­ flügeldiebstähle usw., Winterrock- und Büchermarder, Leute, die Visitkarten von den Türen stehlen und damit Betrügereien ausüben usw. Eine zweite Gruppe von Spezialisten sind jene, welche aus einem früheren Handwerke irgendeine Gewohnheit oder Fertigkeit mitge­ nommen haben, z. B. Schlosser, Schreiner, Holzschnitzer, deren Technik bei Verübung des Diebstahls zutage tritt. Oder bei einer bestimmtm Hantierung: der Matrose, der Müller, der Fischer, der Fleischer hat seinen bestimmten und nur ihm geläufigen Griff, einen Knoten zu schürzen, und er hat gestohlen und ergibt sich die Notwendigkeit, einen Knoten zu machen, so wird er dies nach seiner Gewohnheit machen und hierdurck Anhaltspunkte zu weiterem geben. Eine dritte Gruppe hat rein persönliche Eigentümlichkeiten, wie sie ja auch bei ehrlichen Leuten als Folge von Gewohnheit, körper­ lichen und geistigen Absonderlichkeiten usw. Vorkommen. Diese sind besonders wichtig, da sie häufig auf einen bestimmten Menschen weisen: der eine Dieb hat die Gewohnheit, alle Uhren in den Zimmern der erbrochenen Wohnung stehen zu lassen, der zweite ließ regelmäßig, wohl aus Aberglauben, einen Rosenkranz zurück, der dritte läßt es sich nicht verdrießen, sich die Hände im Waschbecken zu waschen und das Wasser in der Richtung der vier Ecken zu verspritzen usw. Solche Kleinigkeiten müssen beobachtet, vorgemerkt und im gegebenen Falle vorsichtig verwertet werden — nicht leicht kann sonstwo sicherer Erfolg versprochen werden als hier, wenn aufgemerkt wird. a) Einbruchdieb st ah l. Was man so dm eigentlichen Einbruch nennt: Überfall des Hauses, Sprengm der Türe und Überwältigung der Bewohner, kommt in normalen Zeiten nicht leicht vor, auch nicht in einsamsten Gegenden zivili­ sierter Länder. Dagegen um so öfter Einbruch bei Nacht ohne Lärm oder in Abwesenheit der Bewohner. Auch hier ist sorgfältiges Beobachten nötig: die Art des Einbruches, die Spuren der verwendeten Werk­ zeuge, zurückgelassene Kleinigkeiten, Finger- und Fußspuren, letztere nicht bloß in der Nähe des Tatortes, sondern so weit entfernt, als sie sich verfolgen (affen. Gerade hier lassen sich oft lediglich aus den Fußspuren weitgehende Aufklärungen gewinnen: wieviel Diebe, wieviel Aufpasser waren, welchem Geschlechte, Alter, vielleicht auch welchem Stande sie angehören, wo die einen eindrangen und die anderen Wache standen, wo sie sich entfernten, wie die Last verteilt war, wo sie gerastet und sich getrennt haben usw. — kurz, die Mühe des sorgsamen Auf­ merkens erspart eine große Menge späterer Arbeit, ja in gewisser Beziehung ist sie überhaupt durch nichts anderes zu ersetzen. Ist man mit diesen Feststellungen fertig, so sucht man sich über den Vorgang klar zu werden und berücksichtigt alle Eigentümlichkeiten

183 und Besonderheiten, die etwa wahrzunehmen sind; man erhebt, ob und welche Auskundschaftereien und sonstige Vorbereitungen nötig waren, ob etwas zurückgelassen wurde, in welchem Falle ein Polizei­ hund vielleicht gute Dienste wird leisten können, wie der Plan ent­ worfen war, ob man aus sicherem und zielbewußtem Vorgehen auf einen Geübten, oder aus planlosem Herumarbeiten auf einen An­ fänger schließen darf, ob geschickt Gelegenheiten benützt wurden (z. B. eine Leiter aus dem Hintergebäude, eine Wagenwinde des Nachbars). Hierbei merke man, daß namentlich der Meisterdieb zum Teile aus Bequemlichkeit, zum Teile aus Vorsicht, ungerne Werkzeuge mit sich trägt; Nachschlüssel und Brechwerkzeuge nimmt er erst im letzten Augenblick an sich, größere Werkzeuge (Leiter, Hebestangen, Winden usw.) trägt er immer ungern und daher nur ausnahmsweise auf größere Strecken. Aus diesem Grunde ist es immer wichtig, sich um das Herkommen der verwendeten Werkzeuge zu bekümmern, festzu­ stellen, seit wann sie auf ihrem letzten Aufbewahrungsorte waren, ob und wer sich damit zu schaffen gemacht, ihretwegen Fragen gestellt oder sie nur betrachtet hat. Bei der Untersuchung über die Handgriffe beim Einbruch verlasse man sich nie auf seine eigenen Kenntnisse, feinen eigenen Blick; die Dinge sehen oft sehr einfach, selbstverständlich und kunstlos aus, ob­ gleich irgendeine langgewohnte Geschicklichkeit, ein sicherer Handgriff dahintersteckt, und den nimmt nur der Fachmann wahr. Ist daher der Fall Halbwegs wichtig, so versäume man nicht, Handwerker heran­ zuziehen, die oft auf die wichtigsten Umstände aufmerksam machen. Als solche, oft unersetzliche Sachverständige sind in der Regel die Handwerker der großen Stadt am wenigsten zu brauchen, da sie entweder Spezialisten oder bloß Verkäufer sind und, man möchte sagen, des größeren Blickes entbehren. Der kleine Landhandwerker, der nicht bloß die Dinge seines eigentlichen Faches, sondern auch Ver­ wandtes machen muß, der keine Gesellen und Lehrjungen hat, sondern alles selber arbeitet, ist für solche Dinge der rechte Mann; er legt sich den Fall zurecht, fühlt sich in seinem Fache oder seinen verschiedenen Fächern und entdeckt auch Ferncliegendes. Der Schreiner des kleinen Dorfes ist nicht bloß Verfertiger von Möbeln, sondern auch von allen Bautischlereien, er beschlägt selbst, drechselt sich manches und besorgt die tausenderlei Herrichtungen, die ihm die Leute zutragen; der Landschlosser macht alles, was Eisen ist, Schlösser nnd Bau­ beschläge, bessert Gewehre, Nähmaschinen und Fahrräder aus, er darf sich nie verblüffen lassen, wenn er nicht verhungern will, und bringt man solche Leute zum erbrochenen Schrank, zum abgedrehten Schloß, so ist ihnen nichts fremd und sie raten verläßlich. Am besten, weil am vielseitigsten, sind die sog. Tausendkünstler, die es überall gibt, die alles können und die gewöhnlich mit besonderer Vorliebe dreingehen, wenn man sie vor eine schwierige Frage stellt; kennt man solche Leute, um so besser, ist man im Orte fremd, so fragt man den Bürgermeister oder sonst eine verläßliche Person um einen solchen Helfer, der dann auch in anderen Fragen von Wert ist.

184 Aber auch hier vergesse man nie, daß der Dieb mit der Leicht­ gläubigkeit der Behörden gerne und häufig mit Erfolg rechnet; er läßt Dinge (Zettel, Rockknöpfe, Kleiderfetzen, Werkzeuge usw.) zurück, die er irgendwo zu diesem Zweck aufgelesen hat, die mit ihm und der Tat nicht das Mindeste zu tun haben und die dann die Er­ hebungen nicht bloß auf falsche Spuren von ihm weg, sondern geradezu auf einen Unschuldigen leiten können. Ebenso werden die Spuren oft in einer Weise angelegt, daß auf Diebstahl von Dienst­ leuten oder Hausleuten veranschlagt werden soll; allerdings kommt auch das Umgekehrte oft vor: durch angelegte und recht auffällig zurück­ gelassene Leitern, eingedrückte Fensterscheiben, erbrochene Schlösser usw. soll ein von Dienstleuten begangener Diebstahl so aussehen gemacht werden, als ob Fremde die Täter gewesen wären. Auch hier hilft recht lebhaftes, pedantisch vorgehendes Vorstellen des Herganges, wie er nach der Sachlage gewesen sein soll. Bloßes Angaffen und langweiliges Nachdenken hilft gar nichts, man muß Schritt vor Schritt, Sekunde auf Sekunde die angebliche Tätigkeit des Diebes verfolgen: „Hier hat er die Leiter getragen, dort hat er sie angelehnt". Nun steigt man selber auf die Leiter, so weit der Dieb gestiegen sein soll, und stellt sich vor, wie er die Scheibe ein­ gedrückt und das Fenster geöffnet haben, wie er ringest legen sein und seinen Weg weiter genommen haben soll usw. Geht man in dieser Art sorgfältig vor, so entdeckt man den etwa vorliegenden Schwindel zuverlässig, weites plötzlich nicht recht weiter geht, weil man den Über­ gang nicht findet oder sonst aus Schwierigkeiten der Weiterentwicklung stößt. Ist dies der Fall, so kann man überzeugt sein, daß etwas nicht in Ordnung ist, d. h. anders dargestellt wurde, als es sich wirklich zugetragen hat; hat man aber diesen Verdacht, ist man gewarnt, dann findet sich das Richtige leicht und fast von selbst und man ist vor einem schweren Irrtum bewahrt. Um zu wissen, ob der Täter ein Geübter oder ein Neuling war, hat man endlich noch darauf zu merken, wie die Sicherung gegen Überraschungen und für das Entweichen im Falle der Entdeckung beschaffen war — je besser und vorsichtiger dies veranlaßt war, desto erfahrener ist der Dieb — er kennt eben die großen Gefahren und will sich ihnen nicht aussetzen. Die Maßregeln betreffen das Wachenaufstellen, das Bereithalten eines zweiten oder auch dritten Flucht­ ausganges und den Schutz gegen Überraschungen. Wie das letztere von den Zigeunern durch Zubinden oder Verspreizen der Türen gemacht wird, ist bei dem Abschnitt „Zigeuner" besprochen; unsere Diebe erreichen ähnliches durch Anlehnen von Stangen, Brettern, Holzscheitern usw., die dem Öffnenden entgegenfallen und so ge­ nügenden Aufenthalt verursachen. Beim Eindringen durch Fenster sind verschiedene Hindernisse denkbar: Balken, Glasfenster, Gitter, Rollvorhänge und Gegenstände auf dem Fensterbrette. Balken werden wie Türen behandelt. Sind sie fest und solid, so müssen entweder die Füllungen mit kurzen, starken Messern herausgeschnitten oder Löcher gebohrt werden

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(„Lewone legen"), durch die mit einem Draht, einer Zange oder tnit der tzand eingedrungen wird, um die Riegel zu öffnen. S. Abb. 58. Die Fensterflügel werden, namentlich auf dem Lande bei liederlicher, übler Art der Schlosserarbeit, dadurch geöffnet, daß man die Angeln, Kegel heraushebelt und dann beide Flügel ab­ hebt. Geht das nicht, so wird eine Scheibe mit einem sog. „Pflaster" überklebt und eingedrückt, damit dann die Fenster­ verschlüsse von außen geöffnet werden können. Das „Pflaster" besteht am besten au/ einem Leinwandfleck, etwas größer $a, aui6o2"'nb68äu8f(6nelbtn als bte Scherbe, der mrt Vogellerm, einer Öffnung. Schusterpech oder sonst etwas gut Kleben­ dem, im Notfälle auch mit weichem Lehm, Kuhmist usw. bestrichen ist. Durch das Klebemittel wird das Abfallen klirrender Scheiben verhindert. Beim Fenstergitter wird immer zuerst ein Fehler gesucht und in der Regel auch gefunden; die meisten Gitter sind zu weit, denn wo man mit dem Kopf samt angelegtem Arme durch kann, dort findet auch der übrige Körper Raum, und da die meisten Gitteröffnungen nicht quadratisch, sondern langviereckig sind, so sind alle Gitter, deren Sprossen weiter als 14 Zentimeter von­ einander entfernt sind, ganz zwecklos. Vgl. die Abb. 59. Aber auch wenn sie enge sind, haben sie meistens einen Fehler. Entweder ist irgendwo die Niete zu stark und daher die Sprosse arg geschwächt, oder es ist eine Schweißung nicht gut ausgeführt, oder es Abbild. 59. ist eine Sprosse an der Einmauerung durch­ .Probe fürs Durch schlüpfen. gerostet, oder es ist das ganze Gitter recht nachlässig oder seicht in die Mauer einge­ lassen, kurz, irgendwo kann man den meisten Gittern beikommen. In der Abb. 60 ist die erste Sprosse durch eine zu große Niete ge­ schwächt, die zweite ist unten abgerostet, die dritte schlecht geschweißt. In der Regel wird, und zwar an der schwächsten Seite, durch Sägen mit Laubsägen, Federn oder feinsten Feilen so lange nachgeholfen, bis man eine Sprosse bei a abbiegen kann. Darf man Abbild. 60. Fehler an Gitterstäben. gar keinen Lärm machen, so werden Natur­ kräfte benützt: man macht sich den Umstand zunutze, daß sich neue Stricke durch Nässe zusammenziehen, und daß Holz sich durch Nässe ausdehnt. Es werden also zwei Sprossen mit vielfach umwundenen Stricken fest zusammengebunden und die Stricke mit Wasser begossen; wiederholt man das oft, so kann eine starke

186 Auseinanderzwängung erfolgen. Ebenso keilt man recht trockenes Holz zwischen die Stäbe und zwar nicht nach der Länge der Holzfaser, und begießt es mit Wasser. Kann man Lärm machen, so wird entweder lediglich mit einem langen Hebebaum das ganze Gitter „ausgewogen" oder mit Hilfe einer starken Wagenwindc gehoben. Abb. 61 zeigt die Art der An­ wendung einer Winde, die ver­ längert werden mußte. Die Kraft dieser beiden Werkzeuge ist eine ungeheure, und wenn sie richtig angewendet werden, leistet kaum ein Fenstergitter Abbild. 61. auf die Dauer Widerstand; Verlängerung der Wagenwinde zum Gitterausheben. allerdings bedarf ihre An­ wendung festen Untergrund, so daß diese nur bei ebenerdigen Fenstern geschehen kann. Sehr gefürchtet sind von Einbrechern Rollvorhänge (tote sie z. B. in Landwirtshäusern Vorkommen, aus steifem, stark appretiertem Stoff); entweder sucht man durch die eingedrückte Glastafel zur Schnur zu gelangen und dann aufzuziehen, oder man schneidet den Vorhang mit einer Schere oder einem scharfen Messer querüber ab. Gegenstände auf dem Fensterbrett (Blumentöpfe, Geschirre usw.) müssen vorsichtig herausgeholt werden, da man das Fenster nicht öffnen kann, bevor diese beseitigt sind. Bezüglich der Angriffe auf Türen sind natürlich verschiedene Wege möglich. Vor allem kann eine Türe ganz ausgehoben werden, was nicht unbedingt vielen Lärm machen muß; namentlich bei gut schließenden Türen werden zuerst seine und dann immer gröbere Keile aus hartem, sehr trockenem Holz eingezwängt und naß gemacht: das arbeitet geräuschlos und sicher. Will man das nicht tun, so hebelt man mit einer Axt oder einer Brechstange die häufig sehr liederlich befestigten Türangeln oder Türkegel aus. Auch die Ver­ fertigung der Türe selbst bietet manchmal Gelegenheit zu Angriffen, da die sog. eingeschobenen Türen (Rahmen mit Füllungen) dort schwache Stellen haben, wo die Füllung in den Rahmen eingelassen ist; hier kann häufig mit einem starken Messer durchgcschnitten und die ganze Füllung hcrausgenommcn werden. Geht das alles nicht, so wird auch hier „Seroorte gelegt", d. h. es wird ein Loch gebohlt und damit durch einen Draht, ein sonstiges Werkzeug oder die Hand selbst geöffnet. Von Wichtigkeit ist an der Türe noch der sog. Stemmriegel bei Flügeltüren, die überhaupt der ganzen Verfertigung nach weniger Sicherheit bieten, als die einfachen Türen. Früher pflegte man die Stemmriegel an der Innenseite der Türe anzubringen und mit einer sog. Schnappfeder zu versehen, wodurch sie von außen schwer zu­ gänglich wurden; heute sind sie fast immer in der Dicke des Holzes eingelassen, so daß sie von außen mit jedem Bohrer erreicht und

187 herab- bzw. hinaufgeschoben werben können; dann geht jede Türe auf, wenn sie nicht etwa ein Vorhängeschloß trägt. Diese Stemmriegel haben noch besondere Bedeutung bei den heute so oft verwendeten Vorlegeketten, die vortrefflich bei einfachen Türen, fast wertlos bei Flügeltüren sind. Ist bei letzteren die Kette an einem Flügel, der Laufschlitz am anderen Flügel befestigt, so kann man die Türe stets so weit öffnen, daß man mit der Hand oder mit einem Draht die Stemmriegel erreichen und rückschieben kann; dann bringt man aber die Flügel leicht so weit auseinander, daß man auch mit der Hand den Laufknopf aus dem Schlitz bringen kann. Ebenso zwecklos ist eine Türkette, wenn der Laufschlitz senkrecht statt wag­ recht angebracht ist, da sich dann beim Einführen der Hand die Tür­ spalte nicht verengert. Was nun die Schlösser anlangt, so weiß jeder, daß mit Nach­ schlüsseln und Dietrichen ein förmliches Kunsthandwerk getrieben wird, und daß nur die wenigsten Schlösser einem geschickten Einbrecher zu widerstehen vermögen. Vor allem merke man, daß nicht jedes kunst­ voll aussehende Schloß nur kunstvoll geöffnet werden kann: manches Schloß ist sehr teuer und hat einen höchst abenteuerlichen Schlüssel, aber mit einem krummen Draht ist es auch zu öffnen. Ebenso lassen sich die allerdings sehr sinnreichen und schönen Schlösser, die mit einem komplizierten Stechschlüssel geöffnet werden, auch durch ein Bündel hineingeschobener und dann fixierter Nadeln oder durch hineingestopften feuchten Zwirn und ein meißelartiges Holz, ja sogar durch eine scharf treibende Wasserspritze öffnen. Man ist in solchen Fällen schon oft arg irregegangen, weil man, vor der eröffneten und ausgeleerten Kasse stehend, immer annahm, daß es da höchst kunst­ reich und umständlich zugegangen ist — in den meisten Fällen urteilt man auch hier richtig, wenn man das Einfachste und Naheliegendste annimmt. Allerdings bieten die sog. einbruchssicheren Kassen sehr viel Arbeit, wenn einmal eine geöffnet und ausgeleert wurde: die Kassen­ fabrikanten ersinnen immer bessere Sicherungen, die Einbrecher immer bessere Werkzeuge. Früher bestand der ganze Trick der Einbrecher darin, daß sie mit einem einfachen Drillbohrer (meistens mit Iridium­ oder wirklicher Diamantspitze) ein feines Löchelchen bohrten; dieses wurde etwas „ausgerieben" (mit stählernen vierkantigen Bohrern) und dann wurde mit großer Hebelkraft eine kegelförmige Stahlschraube eingedreht, die immerhin ein Loch von 4—6 Zentimeter Durchmesser erzeugte. Dann kamen Schnabelstangen, stählerne, meterlange Brech­ eisen, die das Kesselblech packen und so geht das Offnen, wie bei einer Sardinenbüchse. Aber diese einfachen Kunststücke langen nur für ältere Kassen, die allerdings noch sehr häufig im Gebrauche sind, aus; die modernen Kassen mit Stahlwänden und Gußkegelverstärkungen verlangen auch modernen Angriff und dieser wird ihnen durch Knallgasgeblüse, Schmelzpulyer (Thermit), das sog. „Schneideverfahren", das auf der Verbrennung glühenden Eisens beruht und ähnlichen; als Gegenmittel kommt elektrische Sicherung, Bolzensysteme u. a. und

188 so geht es immer weiter, weshalb es gerade auch hier wichtig ist, sich die Hilfe entsprechender Sachverständiger zu verschaffen; freilich tuts da weder der erste beste Schlosser, noch der Kassenfabrikant, da hierzu einerseits besondere Kenntnisse, andererseits Freisein von Einflüssen der Konkurrenz, des Geschäftsgeheimnisses usw. erfordert wird; raten kann jedenfalls der wissenschaftliche Fachmann an einer technischen Hochschule oder Gewerbeschule. Handelt es sich um Anwendung von Gebläsen, Schmelzpulvern oder Sprengmitteln, so muß der Chemiker, mitunter auch der Physiker heran. Vorhängeschlösser bieten Sicherheit in den Straßen der Städte, wenn Vorübergehende und Wachen den Dieb stören, sonst haben sie selten Wert, da sie soviele Angriffspunkte bieten, um mit Hebelkraft abgedreht („gewürgt") zu werden. Interessantes ist da selten viel zu finden. Nicht zu vergessen ist endlich, daß auch ohne Erbrechen einge­ drungen wird, wenn sich der Dieb irgendwo in einem winkeligen großen Hause versteckt hat, durch den Schornstein über die Dächer eingedrungen ist, sich auf dem Dachboden einschließen ließ usw. Ge­ rade in diesen Fällsr geschehen so oft falsche Beschuldigungen der Dienstboten, einfach aus dem Grunde, weil „die Sache sonst nicht zu erklären ist". b) Taschendiebstahl. Alles Beiwerk bei dieser so häufigen Art des Stehlens ist in gewisser Richtung für den Kriminalisten von größter Bedeutung, in gewisser aber von gar keiner. Wir sind gewohnt, in den Tages­ blättern alle möglichen Kunststücke darüber zu lesen, wie da und dort dieser und jener Taschendieb ein neues Stücklein aufgesührt hat; ob er nun mit Hilfe eines anderen arbeitete, ob er dem, der seinen Schatz in der Brusttasche fürsorglich mit der Hand hielt, einen „Mückenstich" versetzte, damit dieser mit der Hand die „Mücke" abwehrt, ob der Dieb eine falsche Hand hatte, ob er an den zu Bestehlenden anstieß usw. — das ist im großen und ganzen gleich­ gültig. Zu merken hat man dreierlei: 1. Das Äußere des echten Taschendiebes ist stets bezeichnend, er sieht bieder, anständig, vielleicht sogar elegant aus, denn hat er das Aussehen eines bedenklichen Menschen, so fürchtet jedermann seine Nähe und er kommt zu keinem „Geschäft". Weiters hat er verhältnis­ mäßig wohlgepflegte, durch keine Arbeit gehärtete, lange, schmale Hände, die meistens durch Fett, Vaselin, Glyzerin usw. weich und geschmeidig erhalten werden. Denn hat er keine solchen Hände, so muß er sich einem anderen Gewerbe zuwenden, er taugt nicht zum Taschendieb. In der Regel fällt auch, auf, daß an seinen Händen der Mittelfinger nicht wesentlich länger ist, als die zwei benachbarten Finger (Zeige- und Ringfinger). Dies braucht er beim „Schere­ machen" (Punkt 3). Man sagt, daß erfahrene Taschendiebe einem Anfänger nur dann zu ihrem Gewerbe raten, wenn er Hände von der genannten Beschaffenheit besitzt. Ist man im Zweifel, ob ein Ver­ dächtiger ein Taschendieb ist oder nicht, so achte man auf die Aus-

189 bildung seiner linken Hand: ist er ein „Richtiger", so kann er die linke so benützen, wie die rechte; er ist kein „Linkshänder", sondern das, was der Lateiner einen Ambidexter nannte, ein Mensck» der sozu­ sagen zwei rechte Hände hat, denn er kann es sich häufig nicht aus­ suchen, von welcher Seite er sich dem Opfer nahen wird, und mutz daher beide Hände gleich ausgebildet haben. Da dies gewöhnlich nicht leicht vorkommt, so ist das Zeichen nicht gleichgültig. Selbstver­ ständlich trägt der richtige Taschendieb weder Stock oder Schirm noch Handschuhe. 2. Das Wichtigste für den Taschendiebstahl ist das Ablenken der Aufmerksamkeit des zu Bestehlenden. Eskamoteur, Taschendieb und Falschspieler haben das eine gemeinsam: sie wissen: wenn man be­ obachtet wird, kann man gar nichts Geheimes tun, tvenn die Auf­ merksamkeit abgelenkt ist, aber alles. Hierüber belehrt uns der Erst­ genannte am besten, und die beiden anderen machen es auch nicht anders. Der Taschendieb stiehlt also, wenn etwas Interessantes auf der Straße los wird, wenn das Opfer gerade einen Stoß bekommt, wenn der Eisenbahngast den Schalter verläßt und fast alle die vielen Diebstähle im Straßburger Münster geschehen in dem Augenblicke, in dem der Hahn an der berühmten Uhr kräht. In den Großstädten erfolgt durch jedes Ereignis, das gro&e Mengen von Menschen heranzieht, auch ein Zuströmen aller gewerbs­ mäßigen Taschendiebe. 3. Das eigentliche Stehlen geschieht ausnahmslos mit der vielgenannten „Schere"; hier­ bei gilt es, die Hand so schmal und lang als möglich zu machen, um leicht und tief eindringen zu können; regel­ mäßig wird der Rücken der Hand gegen den Körper des Opfers gehalten und die Tasche vom Körper abgezogen, um den Körper nicht zu berühren. Es gibt zwei Formen der Schere: entweder wird der Daumen eingeschlagen und die Börse mit der Spitze des dritten und vierten Fingers gepackt; oder es wird Daumen, Abbild. 62. vierter und fünfter Finger Die sog. „Schere" Velin Taschendtebstahl. eingeschlagen und dann mit der Spitze des zweiten und dritten Fingers gefaßt. Welche Form der Dieb wählt, hängt davon ab, welcher Finger an seiner Hand länger ist: ist der Ringfinger annähernd so lang wie der Mittelfinger, so stiehlt er nach der Form a, Abb. 62, ist der Zeigefinger länger, so wählt er die Form b. Sicherer

190 ist die erste, weil bei ihr die Hand etwas schmäler und die ganze Gestalt glatter wird, aber bei den meisten Leuten ist der Ringfinger zu schwach, um fest packen zu können, und gepackt muß schon werden, wenn die Börse erst zwischen den Spitzen ist.

c) Der Eins chleich di eb. Dieser braucht sicheres Auftreten, gutes Aussehen und Geistes­ gegenwart, um seine Anwesenheit auch am unwahrscheinlichsten Orte rasch und sicher zu rechtfertigen. So verschieden seine Tätigkeit auch ist, kommt sie doch immer auf dasselbe heraus: er benützt Abwesen­ heit um zu stehlen, und rechtfertigt sich, wenn er erwischt wird; wie er das macht, ist gleichgültig: er schiebt die Türklingel bei solchen Laden zur Seite, bei welchen die Wohnung anstößt, und wo die Leute etwa beim Mittagmahl sitzen, er schleicht in Küchen, wenn zwar keine Dienstleute, wohl aber die zu reinigenden Silberlöffel vorhanden sind, er kommt in Hotelzimmer, während die Leute noch schlafen, sagt immer leise „Guten Morgen" und nimmt, was auf dem Nacht­ kästchen liegt, er schleicht auf Dachböden und räumt hier auf, ja man kennt Fälle, in welchen sich der Dieb in einem Hause einsperren ließ und sich in Wohnungen einschlich, in welche die Leute eben von einem Balle usw. gekommen waren und reichen Schmuck auf Tischen und Kästen herumgelegt hatten, bevor sie ermüdet eingeschlafen sind. In diesen und vielen ähnlichen Fällen muß allerdings die Wohnungs­ türe aufgesperrt und vorerst der innen steckende Schlüssel sicher be­ seitigt werden; dies geschieht entweder mit eigenen schmalen, seinen Zangen oder dünnen Blechröhrchen; mit einem dieser Werkzeuge wird der Schlüsselkopf gepackt, gedreht und dann, wenn er richtig zum Schlüsselloch steht, nach innen gestoßen. Wacht niemand durch den Lärm auf, so wird dann die Wohnungstüre mit einem Dietrich geöffnet. Letzteres stellt man sich viel schwerer vor, als es ist: man sehe einmal zu, wie rasch der erste beste Schlosserjunge eine (nicht verdorbene) Türe aufsperrt — der Dieb kann das noch viel besser. d) Markt- und Ladendiebstahl. Daß die Marktdiebstählc deshalb abnehmen, weil der Märkte immer weniger werden, ist sicher; aber ebenso können wir wahr­ nehmen, daß die Ladendiebstähle nur in gewisser Richtung eine Ein­ schränkung erfahren. In allen jenen Läden, welche mittelgroß sind, die im Rücken der Käufer eine „Kassa" aufgestellt haben, nehmen die Diebstähle sehr stark ab, weil die Person an der Kasse nebenbei auch die Überwachung der Kunden besorgt, oder dies wenigstens tun kann, so daß der Dieb immer in Sorge sein muß, er werde im Rücken beobachtet. Um so häufiger sind aber Diebstähle in kleinen Laden, wo vielleicht der Eigentümer lediglich mit einem Jungen den Verkehr besorgt, und wo ein Ablenken der Aufmerksamkeit keine Schwierigkeit bietet; dann in Juwelierläden, wo die verhältnismäßige Kleinheit und der hohe Wert der Gegenstände Diebstähle leicht und lohnend macht, und endlich besonders die Diebstähle in den modernen ganz großen Läden, den sog. Kaufhäusern. Wie beim Juwelier mit allen erdenklichen Feinheiten in tausend verschiedenen Arten gestohlen toiriv

191 das weiß man aus den Berichten der Tagesblätter zur Genüge. Zu merken ist auch hier, daß solche Diebstähle in der Regel mit Hilfe eines zweiten oder dritten Gehilfen geschehen; gar zu bequem macht es ja der Händler dem Diebe auch nicht, und so kann einer allein nur ausnahmsweise stehlen. Hat man also vom Beschädigten das Wichtigste über die.Person des Verdächtigen erfahren, so befasse man sich sofort und eindringlich mit den „Nebenpersonen", also jenen Leuten, welche zugleich mit dem Verdächtigen, unmittelbar vor oder nach ihm im Laden waren und die nicht durch ihre Stellung usw. über jeden Verdacht erhaben sind. Ob diese Leute einen sichtlichen Zu­ sammenhang mit dem Verdächtigen hatten, oder scheinbar ganz zu­ fällig erschienen sind, das ist vollkommen gleichgültig. Der Gehilfe kann auch nur gekommen sein, um einen scheinbaren größeren Kauf zu niachen und hierdurch den Juwelier vom ersten Käufer abzu­ ziehen. Deshalb ist der zweite häufig eine elegante Dame, welcher der erste artig den Vortritt im Bedientwerden überläßt, um unterdessen stehlen zu können; ebenso kann eine mitgenommene Dienstperson, ein eintretender Bettler, ein Mensch mit einer Anfrage, ein verkleideter Polizist usw. der Helfer gewesen sein, und auf diese zu achten und sie auszuforschen ist stets leichter und sicherer, als den eigentlichen Täter zu erreichen. Von eigentümlicher Bedeutung sind die erwähnten Diebstähle in den großen Kaufhäusern; über diese ist viel geschrieben worden, man hat auch Erörterungen darüber angestellt, daß wohl die große Menge der verlockend ausgestellten Waren einen eigenen, bestrickenden Reiz auf schwache Gemüter ausüben muß, die dem Verlangen nach diesen Schätzen nicht widerstehen können.' Tatsächlich wird da auch aus­ nehmend viel gestohlen; die Dinge müssen mehr oder minder frei oder wenigstens zur Besichtigung und Auswahl vorgelegt werden, der Andrang der Leute ist häufig und namentlich zu gewissen Tages­ zeiten sehr stark, die vielen Bediensteten laufen hin und her und wenn dann einer mit weggclegten Plaids, Muffs, eigens hierzu vor­ gerichteten Paketen, die er auf die ausgebreiteten Waren legt, richtig arbeitet, so kann er viel mitnehmen. Man behauptet, daß in großen Städten oft in einer entlegenen Vorstadt einer einen kleinen Laden hält, der ausschließlich mit Waren ausgestattet ist, die in einem einzigen solchen Kaufhaus gestohlen werden. Freilich ist da häufig Mittäterschaft eines Angestellten des Ladens im Spiele. Aber das eigentlich bezeichnende bei diesen Diebstählen sind die Frauen, die, oft in gar nicht schlechten Verhältnissen, dem Reiz der Spitzen, Bänder und sonstiger Schätze nicht widerstehen und stets wenig, aber oft stehlen; dies gelingt ihnen um.so leichter, als sie bei ehrbarem Aus­ sehen von den Angestellten nicht scharf bewacht werden; in den gleichen Fehler darf aber vorkommenden Falles der Kriminalist nicht geraten, er muß da manche Frau solcher Diebstähle für fähig halten. e) Streifwagendiebstahl. Dieser erlangte durch den Weltkrieg ganz besondere Bedeutung. Die Preissteigerung aller Waren, die ganz besonders gesteigerte Kauf-

192 tust, die wieder für die Hehler einen bedeutenden Antrieb brachte, zeitigten ein sprunghaftes Ansteigen derartiger Diebstähle. Sie werden regelmäßig von mehreren Personen, oft von einer gantzen Diebs­ bande ausgeführt, wobei Jugendliche die Hauptrolle spielen. Schein­ bar aus Übermut springt ein Bursche auf einen Streifwagen, lockert die Befestigung der Waren und veranlaßt, daß bei der nächsten scharfen Biegung eine Kiste oder ein Bündel vom Wagen fällt; der mitlaufende oder bereitgestellte Genosse besorgt die Bergung. Daß unbeaufsichtigt gelassene Streifwägen von der Diebsbande besonders heimgesucht werden, ist klar. f) Hausdieb st ah l. Darunter ist freilich vorerst der Diebstahl durch Dienstleute ge­ meint, im weiteren Sinne ist darunter auch jeder Diebstahl durch Fa­ milienmitglieder und sonstige Hausgenossen zu verstehen. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn behauptet wird: nirgends geschehen häufigere Fehl­ griffe, als gerade beim Hausdiebstahl. Vor allem wird niemandem so oft unrecht getan, als den Dienstboten: sobald man nicht recht begreift, wie ein fremder Dieb die Sache angestellt haben, wie er herein- und hinausgekommen sein soll, sobald eine Sache in etwas zerstreuter Weise verlegt oder verloren wurde, kurz, sobald der oft höchst natürliche Hergang über den Fassungskreis des Bestohlenen und der nachforschenden Obrigkeit hinausgeht — in allen diesen, leider so oft vorkommenden Fällen, muß ein armer Dienstbote den Verdacht auf sich nehmen. Hat dieser noch das Unglück, daß er erst seit kurzem im Hause ist und noch nicht Gelegenheit hatte, Feuerproben seiner Ehrlichkeit abzulegen, so kann es ihm schlimm ergehen. Außerdem kommen nicht leicht sonstwo so häufige Verleumdungen und falsche Beschuldigungen vor, wie unter Dienstboten. Neid und Eifersucht spielen überhaupt im Leben eine übergroße Rolle, und nicht am wenigsten unter Dienstboten. Es kommt daher viel öfter vor, als man annimmt, daß ein Dienstbote den anderen verdächtigt und ihm auch angeblich gestohlene Dinge in seinen Koffer usw. versteckt, um einen vollen Beweis herzustellen; ist nun der Verleumdende, der den anderen fortbringen will, zufällig länger im Hause und in besserer Stellung als der Verleumdete, so ist die Lage des letzteren fast immer sehr gefährdet; man kann daher in dieser Richtung nicht vorsichtig genug verfahren. Auch seitens der Dimstgeber kommen derartige Verleumdungen vor; insbesondere bei aus dem Osten stammenden Judenfamilien mit zweifelhafter Beschäftigung habe ich sie wiederholt beobachtet. Durch ein hohes Lohnversprechen wird das Dienstmädchen angelockt; der erste Monatslohn wird pünktlich ausbezahlt, wenige Tage später aber wieder „ausgeliehen"; im zweiten, vielleicht auch dritten Monat wird das Mädchen vertröstet. Verlangt der Dienstbote schließlich sein Geld, so wird ihm Diebstahl vorgeworfen, aus seinem Bett oder Koffer werden einige der Herrschaft gehörige Gegenstände oder ein Löffel u. ähnl. hervorgezogen und der Dienstbote ist schließlich froh, durch „Ausgleich" der Diebstahlsuntersuchung entronnen zu sein.

193 Es ist daher ein Gebot der Vorsicht, sich bei Diebstahlsanzeigen auch den Anzeiger anzusehen. Kommt dieser etwa nach erstatteter An­ zeige plötzlich mit der Mitteilung, das Gestohlene habe sich gefunden, möge immer nachgeforscht werden, ob nicht eine Verleumdung vorliegt, dazu bestimmt, den Dienstboten um den Lohn zu prellen. Auf der anderen Seite ist es freilich wieder wahr, daß durch Dienstboten Unmengen, meistens in zahlreichen kleinen Angriffen, gestohlen werben. Man merke: Wirklich gefährlich ist auch ein Dienst­ bote als Dieb nur dann, wenn er es über sich bringt, das Gestohlene nicht sofort in irgendeiner Form zu genießen, sondern es vorsichtig für spätere ■ Zeit zu sammeln und zu verwahren. Tut er das, so versagt das eigentlich einzige Kennzeichen eines unehrlichen Dienste boten: Aufwand über die Verhältnisse, vollständig, und er kann jahre­ lang fortstehlen. Aber das kommt überraschend selten vor, weil in der Regel doch erst gestohlen wird, wenn ein dringendes Bedürfnis vor­ liegt, und dies muß rasch befriedigt werden. Deshalb stiehlt das Dienstmädchen, wenn es jung und hübsch ist, meist dann, wenn es putzsüchtig ist; ist sie aber das, so will sie sich nicht erst putzen, wmn sie alt wird, sondern sofort; ist also eine sehr putzsüchtig, so wird sie dadurch immer verdächtig (wenn es nicht der Liebhaber bezahlt). Ebenso gefährlich sind alte, häßliche Weiber, wenn sie männersüchtig sind, denn sie müssen die Liebe bezahlen. Eine traurige Sache bleibt es immer, wenn eine für ein oder mehrere Kinder zu sorgen hat: der Lohn reicht nicht zur Leistung der verhältnismäßig hohen Kostgelder und so ist die unglückliche Mutter auf das Stehlen fast angewiesen: zuerst Zucker und Kaffee, später anderes. Männliche Dienstboten stehlen in der Regel aus Trunksucht und aus Liebe. Auf letztere ist in solchen Fällen stets sorgsam zu achten: ist der Knecht jung und hübsch, so ist sie meistens mit harmlosen billigen Geschenken zufrieden; ist seine Person aber nicht begehrens­ wert und sie sehr anspruchsvoll, dann treibt der Mammon sein böses Spiel. Außer diesen beiden Triebfedern gibt es allerdings noch andere, z. B. Spiel, Lotto, gewisse Liebhabereien usw., sie kommen aber gegen Trunksucht und Liebe wenig in Betracht. g) Diebstahl aus Aberglauben. Daß aus Aberglauben gestohlen wird, ist ebenso bekannt, als meistens nicht beachtet. Überall gibt es Sprichwörter über den Wert gestohlener Sachen, und überall handelt man darnach; natürlich können es die anständigsten Menschen sein, die z. B. zum FettMachen der Kühe fremdes Gras, oder zu abergläubischen Zwecken fremdes Holz, Linnen, Hunde, Schlüssel, Wein, Kleidungsstücke, Waffen von Selbstmördern und tausend andere Sachen stehlen, wobei ungerechter Verdacht auf alle möglichen Leute, nur nicht auf den Richtigen fallen kann. Es darf also auch hier, wie in vielen Fällen unserer Arbeit der so überaus wichtige Aberglauben nicht außer acht gelassen werden; namentlich ist es nötig, sich um die Arten des Aberglaubens in seiner Gegend zu kümmern, da diese nach Land und Leuten sehr stark wechseln. • Gerade aus dieser Richtung erhält man ebenso über­ raschende als wichtige Aufklärungen in sonst unverständlichen Fällen. Groß-Höpler, Erforschung. 6. Aufl.

13

194 XV. Abschnitt.

Betrug und Fälschung. A. Allgemeines.

Daß diese Verbrechen dem Kriminalisten besondere Schwierig­ keiten machen und, sagen wir es aufrichtig, so selten Erfolg für ihn bringen, hat seinen Grund in zwei Umständen: einerseits darin, daß ein Ungeschickter nicht leicht einen Betrug begehen wird, so daß das Vorliegen eines Betruges an sich schon eine gewisse Menge von Schlauheit verbürgt, andererseits aber darin, daß beinahe zu jedem Betrug, also sowohl zur Verübung als zur Entdeckung, gewisse be­ sondere Fachkenntnisse nötig sind, ohne welche man der Sache machtlos gegenübersteht. Was man da an Kenntnissen braucht, ist von der verschiedensten Art, es fängt an mit jenen über die Tätigkeit des Landmannes und einfachsten Handwerkers und hört auf mit der höchsten des Gelehrten und Staatsmannes. Stellen wir uns irgendeinen Fall vor — es sei z. B. in einer Mühle, bei einer Holzlieferung, bei einem Pferde­ handel, in einer Weberei ein. arger Betrug vorgekommen, und es seien die Erhebungen darüber zu pflegen: wenn nun einer gar keine Kenntnisse davon hat, wie es in einer Mühle, bei Holzlieferungen, beim Pferdehandel, beim Weben zugeht, so kann er unmöglich Rich­ tiges herausbringen, er erhebt das, was ihm eben die Leute sagen, wahr oder falsch, je nachdem diese Leute ehrlich und gescheidt, oder unehrlich und dumm sind. Hieraus ergibt sich wieder die Lehre, daß ein Kriminalist alles, was er vom Leben lernt, mindestens ein­ mal gut gebrauchen kann, und daß er alles, was er nicht kennt, ebenso­ oft schmerzlich entbehren wird. Und dabei ist es gar nicht so schwierig, sich eine Menge der brauchbarsten und wertvollsten Kenntnisse an­ zueignen, wenn man sich nur merkt: keine Gelegenheit vorübergehen zu lgssen, ohne das zu lernen, was die Gelegenheit bietet. Wenn ich auf einem Spaziergange oder Dienstwege ausruhen muß, so kann ich mich in ein Gasthaus oder neben den Weg setzen und sinnlos ins Blaue schauen. Ich kann aber auch in eine Mühle, eine Lohstampfe, eine Schmiede, eine Ziegelbrennerei treten, mit den Leuten ein Ge­ spräch anfangen und mir von ihnen Gang und Einrichtung ihres Werkes erklären lassen; habe ich das einmal gesehen, so weiß ichs für mein Leben lang, und brauche ich im Dienste die Kenntnis, so ist sie bequem herzunehmen. Ebenso muß man ja so oft mit Leuten bei­ sammen sein: auf einem Wege, in Gesellschaft, auf der Eisenbahn usw.; hierbei kann man allerdings vom Wetter, schlechten Zeiten und ähnlichem dummen Zeug reden, man kann aber auch ebensogut den Mann auf sein Fach bringen und sich davon erzählen und die Dinge erklären lassen; jeder redet gerne von dem, was er versteht und jeder belehrt noch lieber, es geht also immer, man lernt eine Menge, kann es gewiß einmal brauchen und mußte hierzu weder Zeit noch Mühe verwenden.

195 Hat man es aber versäumt, sich solche Kenntnisse zu verschaffen, oder ist man trotz gegebener Mühe int einzelnen Falle über das Sach­ liche nicht unterrichtet, so unterlasse man es nie, dies nachzuholen, bevor man an die eigentliche Arbeit geht. Sagen wir, es handelt sich um Erhebungen über einen großen Betrug in einer Lohgerberei — so wäre es die erste Aufgabe, sich einmal den Betrieb in einer solchen Anlage anzusehen und erklären zu lassen. Was man da an Zeit verliert, gewinnt man vielfach an Raschheit und Sicherheit der eigentlichen Arbeit. Man lasse sich nur ja nicht durch den so häufigen Gedanken irreführen: „Ach das Ding ist so einfach, das verstehe ich auch, ohne es gesehen zu haben" — dies ist eben nicht wahr, aus! das erste Mal kann man nur die allerwenigsten Dinge, alles will gelernt und gesehen werden. Das ist so ziemlich das Wichtigste, was über Betrügereien gesagt werden kann, im nachfolgenden soll nur ein einzelnes über jene Fälle gebracht werden, die nicht allzu große Einzelnkenntnisse verlangen (Börsebetrug usw.), und wo einzelne Griffe "wesentliche Erleichterungen bringen können. B. Urkundenfälschungen.

Vor dem Kriege bildeten Arbeits-, Dienstboten-, Wanderbücher und andere Legitimationspapiere den Hauptgegenstand von Fälschungen. Durch den Krieg kam die Fälschung der verschiedenen Arten von Be­ zugsscheinen für Lebensmittel, Kleider u. ähnl. in Aufschwung. Da es nicht immer möglich ist, rasch einen Sachverständigen darüber zu hören, ob eine Fälschung vorliegt oder nicht, sei folgendes gemerkt: 1. Der Stand der verschiedenen, hier maßgebenden Wissenschaften (Chemie, Diplomatik, Mikroskopie, Physik, Photographie usw.) ist heute ein so hoher, daß man Hilfe von ihnen in Fällen erwarten darf, die dem Laien ganz verzweifelt erscheinen. Verschwundene, radierte, überschriebene, mit Tinte begossene Schrift können die be­ treffenden Fachleute oft lesbar machen; das Alter einer Schrift sicher oder vergleichsweise zu bestimmen, gelingt sehr oft; die Gleichheit oder Verschiedenheit verwendeten Papieres, benützter Tinte usw. kann erkannt werden usw., kurz: fragen, und meistens mit Erfolg fragen, kann man da immer — allerdings nicht Dilettanten, sondern immer Leute ersten Ranges, denn meistens ist die Antwort schwer und nur dann zu geben, wenn die letzten Feinheiten angewendet werden. Grundsatz bleibe, daß -man selbst gar nichts Störendes unternimmt, daß man die betreffende Urkunde sorgfältig verwahrt und sie tunlichst bald in die Hände des Sachverständigen bringt. Erklärt dieser, daß er einen Teil der Urkunde bei der Untersuchung gefährden oder zer­ störet: muß, so nehme man zuvor eine beglaubigte Abschrift der Ur­ kunde und eine gute Photographie davon — sonst ist die Zerstörung auch eines sehr kleinen Teiles der Urkunde nicht zulässig. 2. Selbst darf man mit der Urkunde (auch in dringenden Fällen) nur solche Untersuchungen vornehmen, die an der Urkunde nicht die

196 allergeringste Veränderung hervorbringen. So strenge dies gehand­ habt werden muß, so sehr sind doch gewisse gestattete Untersuchungen so wichtig und fördernd, daß sie häufig, wenn sorgsam vorgenommen, alle fremde Hilfe überflüssig machen. Hierher gehört vor allem: a) Die sog. innere Untersuchung, die darin besteht, daß man den Inhalt sorgfältig und wiederholt durchlieft, sich hierbei den Her­ gang bei der angeblichen Ausstellung der Urkunde lebhaft vorstellt und alles miteinander vergleicht, wie es zugleich, früher oder später geschehe» sein soll. Man vergesse hierbei nie den alten, oft aufge­ stellten Satz, daß auch der geriebenste Verbrecher bei der Verübung eine große Dummheit macht und daß man überraschend oft auf Widersprüche, Unmöglichkeiten und Fehler stößt, wenn man sich den Hergang, die betreffenden Leute und alles, was drum itni) dran hängt, recht lebhaft vergegenwärtigt. Man entdeckt z. B., daß die Schrift und Rechtschreibung der Urkunde unmöglich zum Stande des angeblichen Ausstellers passen kann, daß Leute als handelnd auf­ geführt werden, die zur Zeit der Ausstellung schon tot oder noch nicht geboren waren, daß der Aussteller das Bezeugte gar nicht wissen konnte, daß das Wasserzeichen im Papier jünger ist, als das Datum der Urkunde usw. Zu solchen Entdeckungen braucht man weder besondere Kenntnisse noch besonderen Scharfsinn, sondern nur Sorgsanlkeit und guten Willen. b) Die sog. äußere Untersuchung, die in der genauen Unter­ suchung der Urkunde mit Hilfe einer sehr guten Lupe (die jeder recht­ schaffene Kriminalist immer bei sich tragen soll), zu bestehen hat. Dies muß verschiedene Male geschehen: zuerst im auffallenden Lichte (also während die Urkunde ausgebreitet auf einem Tische liegt), dann im durchfallenden Lichte (also während die Urkunde auf der Fenster­ scheibe angehalten wird); dann.sowohl bei gutem Tageslicht, als auch bei der Lampe, ja selbst bei verschiedener Verfassung und Stimmung des Untersuchenden. Radierungen, Vorzeichnungen, verschiedene Tinten, Nachfahrungen usw. entdeckt man zuversichtlich — der Urkunde ge­ schieht gar nichts, die Mühe ist nicht groß und der Erfolg häufig überraschend. c) Das Photographieren, namentlich bei wesentlicher Vergröße­ rung. Auch hier gilt der Grundsatz, daß vorsichtig vorgegangen werden muß und namentlich, daß die Urkunde nicht aus der Hand gegeben wird; der Urkunde geschieht auch da nichts und auf der Photographie sieht man eine Menge von Dingen, die man auf dem llrbild nicht gesehen hat. Alle andere Handhabung, selbst Betupfen mit nassem Finger usw., sind strenge zu unterlassen, man hat seine Pflicht getan, wenn man die drei genannten Untersuchungen vorgenommen hat, auch sie führen in den meisten Fällen zum Ziele. Selbstverständlich sind auch diese Untersuchungen dann zu unter­ lassen, wenn auf der Urkunde Finger- oder andere Spuren zu ver­ muten sind, denn diese müssen zunächst gesichert werden. Eine wichtige Frage beim Urkundenfälschen ist die Art des Be­ nehmens dessen, der die Schrift vorweist; wie er sie überreicht, was

197 er dabei sagt, was er zu verbergen sucht und was er in den Vorder­ grund schiebt, das ist alles so wichtig, daß man häufig schon Verdacht bekommt, die Schrift sei nicht einwandfrei, bevor man einen Blick darauf geworfen hat. Ist eine Urkundenfälschung durch Radierung erfolgt, merke man: Leicht niedergeschriebene schwarze Bleistiftschrift und Rotstiftspuren sind mit Benzin, allenfalls nach Beimischen von Äther leicht vollkommen zu entfernen, nicht aber Blaustiftschrift. Radierte Tintenschrift wird gefunden, indem die Stelle mit einer Lösung von 2 g Silbernitrat in 50 g destillierten Wassers bestrichen und dann dem Sonnenlicht ausgesetzt wird; bei ständiger Beobach?tung der Urkunde wird alsbald ein Bräunen wahrzunehmen sein, das bei den Schriftzügen rascher von statten geht als auf den anderen Teilen. Der Vorgang ist verhältnismäßig einfach und kann daher bei Dringlichkeit von einem geschickten Polizeiorgan durchgeführt werden, es muß nur darauf geachtet werden, daß eine über der radierten Schrift befindliche spätere von der Lösung nicht berührt werden darf. Mit der Verbreitung der Maschinschrift nehmen natur­ gemäß auch die Fälschungen derart geschriebener Urkunden zu, doch ermöglicht auch hier eine Reihe von Einzelheiten eine Schriften­ vergleichung. Dr. Hubert Streicher („Die kriminologische Verwertung der Maschinschrift", Graz 1919, Verlag I. Mayerhoff) hat seine ein­ gehenden Untersuchungen über Maschinschriftvergleichung auf fol­ gender Gliederung der Merkmale aufgebaut: Nach der Einrichtung der Maschine (Färbesystem, Spurweite, Zeilenlänge, Zeilenabstand, Schriftart, Form, Größe und Neigungswinkel der Typen, Volltastatur oder Umschaltung), nach den Fehlererscheinungen in der Maschine (Typen-Verletzungen, -Drehungen, -Verschiebungen, -Vor- und Nach­ schläge) und nach der Person des Schreibers (Grad der Geübtheit, Art des Unterstreichens, Anordnung der Zeilen insbesondere am An­ fang, beim Datum, bei der Adresse und Unterfertigung, Art der Ver­ besserung der Fehler durch Radieren oder Überklopfen). Auf diesem Wege wird zunächst sestzustellen sein, ob das Ver­ gleichsstück mit einer oder mit mehreren Maschinen hergestellt wurde und dann nach der verwendeten Maschine zu forschen sein. Beim Suchen nach dem Schreiber wird auch hier die Herstellung von Schrift­ proben und die Beischaffung von Vergleichsschriften nötig werden (vgl. S. 39), um den Sachverständigenbeweis entsprechend vorzu­ bereiten. Dessen Durchführung wird auch hier der Regel nach bei Gericht erfolgen, wobei die Herstellung photographischer Vergröße­ rungen der einzelnen besonders charakteristischen Eigentümlichkeiten eine große Rolle spielen wird. Die Zuziehung von Schreibmaschinen­ kennern als Sachverständige wird kaum entbehrt werden können. Photographische Vergrößerungen werden auch dann onzuwenden sein, wenn es sich um das Zusammentreffen von Maschin- und Hand­ schrift und um die Frage handelt, welche Schrift die ursprüngliche, welche die spätere ist.

198 C. SiegelfSlschungen. 1. Siegel von Arbeitsbüchern und anderen öffentlichen Urkunden. Das Fälschen in den Büchern der Landfahrer usw. nimmt in demselben Maße zu, als die Nachforschungen über Arbeitslosigkeit und Bestrafungen wegen Landstreicherei strenger werden. Dazu kommt noch fortschreitende Geschicklichkeit und Austausch der Kenntnisse, so daß diese überaus gefährliche Kunst heute eine bedeutende Ver­ breitung erlangt hat; sie leistet aber wieder der Landstreicherei Vor­ schub, die als die Pflanzstätte des eigentlichen Verbrechertums be­ zeichnet werden kann. Im Kriege kamen noch die zahlreichen Fälle von Fälschungen hiezu, die zu dem Zwecke verübt wurden, der militärischen Dienstpflicht zu entgehen oder begangene Fahnenflucht zu decken. Die Verbreitung falscher Arbeitsbestätigungen ist eine ungeheure; Groß hat in wenigen Jahren 135 falsche Siegel gesammelt, die in einem einzigen, gar nicht großen Bezirke Landstreichern weggenommen wurden. Berechnet man noch, daß mit jedem dieser Siegel selbst­ verständlich für zahlreiche Landfahrer Arbeitsbestätigungen gemacht wurden und daß natürlich in jedem Bezirke dasselbe geschieht, so kann man sich vorstellen, welche Unmenge von falschen Bestätigungen täglich in die Hände der Behörden gelangen und von ihnen gläubig entgegen­ genommen werden; — eine eifrige Nachforschung ist daher dringend zu empfehlen. Man merke namentlich: a) Der Verwahrungsort falscher Stampiglien ist bei den Land­ streichern regelmäßig irgendeine Stelle der Kleidung, wo der Stoff doppelt liegt: Rockkragen, Taschenplattcn, Hosensaum, Stieselklappen, Stiefelfohlen und Absätze, namentlich aber der Hosenschlitz. b) Verdächtig, im Besitze eines Siegels zu sein, ist jeder Land­ streicher, der eine halbwegs gute Handschrift hat, denn mit dem Siegel allein ist nicht geholfen, es muß auch ein Zeugnis geschrieben werden, und es ist mindestens wünschenswert, daß derselbe Mann das Zeugnis schreibt und das Siegel beidruckt (sog. Fleppenmachen). c) Der Lieblingsstoff für falsche Siegel ist Schiefer, wie er für Schreibtafeln und Dachdeckziegeln verwendet wird. Er ist leicht zu haben, kann dünn gespalten und leicht verarbeitet werden. Außerdem kommt Steatit (Schneiderkreide, Taufstein, Speckstein), Holz, weiches Metall usw. in Verwendung, aber alles zusammen nicht so oft, wie Schiefer allein. Das Werkzeug ist häufig bloß eine mit einem Griff versehene Nähnadel, mit der gekratzt und gearbeitet wird. d) Bei Abdrücken in Arbeitsbestätigungen und sonstigen Zeug­ nissen ist schlechte Ausführung, falsche Rechtschreibung, verkehrt ge­ stellte Buchstaben, Verbesserungen usw. nicht unbedingt verdächtig: das kommt auf echten Siegeln kleiner Landgemeinden auch oft vor. Allerdings wird man aber zu zweifeln beginnen, wenn das Siegel einer größeren Stadt oder eines bedeutenden Unternehmens gar zu kläglich aussieht.

199 e) Nicht unbedenklich ist es aber, wenn irgendein recht oft vor­ kommender Namen ohne nähere Bezeichnung im Ziegel erscheint: z. B. Neukirchen, Hochfeld, St. Anna, Neumarkt, Altstadt usw. Man erwäge, daß jede Gemeinde, die den Namen „Neumarkt" führt, gewiß eine Bezeichnung beifügt, z. B. a. d. Elbe, bei Wien, a. d. Ostbahn usw., weil sie sonst Anstände bei vorgesetzten Behörden, auf der Post usw. erfährt. Steht aber bloß „Neumarkt", so liegt die Absicht nahe, nicht rasch dahinter kommen zu lassen, welches von den 100 bestehenden Neumarkt gemeint ist.

f) Hat man einen Verhafteten in Verdacht, daß er falsche Arbeits­ bestätigungen vorweist, ohne daß man ihm das sofort nachweifen kann, so benütze man einige kleine Mittelchen: Vor allem betrachte man die Hände des Menschen; kein echter Landstreicher hat die ehrlich abgearbeiteten Hände des braven Mannes, der vielleicht wirklich durch widrige Umstände eine Zeitlang keine Arbeit bekommen kann. Weiter bedenke man, daß sich der, der eine falsche Bestätigung in seinem Buche haben will, den Ort nicht aussuchen kann — er muß sich Arbeit in jenen Orten bestätigen lassen, die der „Fleppenmacher" gerade auf seinem Siegel hat. So laufen dann die angeblichen Arbeitsorte eigenartig im Zickzack herum. Scheint das verdächtig, so lasse man sich die Reise vom Betreffenden auswendig hersagen: war er dort, so kann er's, war er nicht dort, so versagt das Erzählen sofort. Auch ist das bekannte Mittel wichtig, die „Bettelstempel" (meistens auf der letzten Seite des Arbeitsbuches) mit ihrem Datum und denk der angeblichen Arbeit zu vergleichen: er hat dann oft am selben Tage irgendwo in Süddeutschlaick» gearbeitet und in Nord­ deutschland ein Bettelgeschenk bekommen. Hat man aber Verdacht, daß der Verhaftete selbst ein Fleppenmacher ist, d. h. daß er int Besitze eines falschen Siegels ist oder noch vor kurzem war, so suche man, wenn man schon das Siegel selbst nicht findet, nach einem Schächtelchen mit „Stiefelwichse", welches ganz offen und unverwahrt getragen wird. Findet man so etwas, so wird das Büchslein echt, d. h. eine wirkliche Stiefelwichs­ schachtel sein, die angebliche Stiefelwichse wird sich aber als Stempel­ farbe Herausstellen. Zum Schlüsse werde noch auf eine besonders gefährliche und heute schon recht verbreitete Art hingewiesen, nach welcher Siegel gefälscht werden, ohne daß man überhaupt einen Stempel besitzt. Dies geht allerdings nur mit Siegeln aus Anilinfarbe, aber diese sind heute die häufigsten, da man doch fast nur Kautschukstempel verwendet, die durch Ölfarbe verdorben würden. Wenn man nun irgendwo einen echten Abdruck eines solchen Siegels zur Verfügung hat, welcher nicht blaß, sondern recht farbstoffreich ist, und wenn man darauf fest einen elastischen und leicht feuchten Gegenstand drückt, so erhält man auf diesem einen verkehrten Abdruck des echten Siegels. Drückt man nun dieses verkehrte Siegel auf Papier, das zuvor leicht mit Wasser oder besser mit Spiritus befeuchtet wurde, so erhält man* wieder einen

200 aufrechten Abdruck, der sich vom ursprünglichen einzig und allein dadurch unterscheidet, daß er blässer ist. Als solche elastische Körper kann man glatt abgeschnittene Äpfel oder Kartoffeln, am besten den glatten Schnitt durch das Weiße eines hartgesottenen Eies benützen. Daher sind die modernen Kautschuksiegel mit Anilinfarben so überaus gefährlich; findet man auf irgendeiner Urkunde ein Siegel von einem Messingstempel mit Ölfarbe, so braucht man in der eben besprochenen Richtung natürlich keine Sorge zu haben. 2. Siegel von Briefen usw.

Seitdem man die gummierten Briefumschläge eingeführt hat, sind die gesiegelten Briefe selten geworden, man findet sie nur, wenn Wichtiges, Geld oder Geheimnisvolles im Umschläge enthalten ist, ja man kann eben aus dem Umstande, daß ein Brief versiegelt ist, ent­ nehmen, daß er Interessantes enthält. Das ist der Grund, warum heute Siegel noch immer erbrochen und gefälscht werden. Im allge­ meinen gibt es nur eine beschränkte Zahl gebräuchlicher Arten für das Eröffnen von Siegeln, die alle darauf hinausgehen, daß man sich vom (positiven) Siegel einen (negativen) Stempel macht, mit dem man wieder siegelt und so wieder einen positiven Abdruck erhält. Das gewöhnlichste Verfahren geht dahin, daß man aus steifem Mehl­ teig oder frischer, gekneteter Brotkrume (Schmolle) einen Abdruck macht, diesen trocknet und damit siegelt. Wer sorgfältiger vorgeht, macht um das Siegel einen Rand von Wachs, gießt Gipsbrei auf und siegelt dann mit diesem. Zu entdecken sind solche erbrochene und neu­ hergestellte Siegel meistens schon mit einer sehr scharfen Lupe, da am heißen Siegellack Teilchen vom Teig, der Krume oder dem Gips hasten bleiben, die dann die Fälschung verraten. Sieht man sie nicht mit der Lupe, so findet der Chemiker diese Teilchen. Eine uralte, heute noch geübte Art besteht darin, daß nmn den fraglichen Brief, mit dem Siegel nach oben auf einem Amboß oder sonst ein starkes, glattes Eisen und auf das Siegel eine dünne Blei­ platte legt. Haut man nun mit einem flachen schweren Hammer kurz und fajarf auf die Bleiplatte, so geht zwar das Lacksiegel zumeist in tausend Trümmer, hat sich aber zuvor recht deutlich in die Bleiplatte eingeprägt, so daß diese zur Erzeugung neuer Siegel benützt werden kann. Daß so vorgegangen wurde, erkennt man sicher daran, daß sich die Bleiplatte beim Schlage ringsum recht deutlich in das Papier eingedrückt hat. Bei solchen Siegelfälschungen versäume man nie, nachzusehen, ob sich nicht irgendwo Abdrücke der Papillarlinien finden, da der Täter leicht den Finger auf das Siegellack oder das Papier gedrückt haben kann. Hat man dann auf eine bestimmte Person Verdacht, so kann aus den Papillarlinien ein wichtiger Anhaltspunkt für weitere Erhebungen gewonnen werden.

201 D. Betrug beim Pferdehandel.

Nirgends wird so viel betrogen, wie beim Pferdehandel, einzig deswegen, weil nirgends Betrug so selten gestraft wird, als bei diesem Verkehr, und gestraft wird nicht, weil ein Kriminalist selten genügende Kenntnisse hat, um einen solchen Straffall durchzuführen. Durch diese Lässigkeit ist es auch gekommen, daß man Betrug beim Pferdehandel gar nicht als etwas Strafbares, ja sogar als eine Art von Sport ansieht, obwohl man doch nicht behaupten kann, daß sich der Betrug von einem anderen auch nur im mindesten unterscheidet. Diese Lässigkeit beim Verfolgen von solchen Betrügereien wird noch dadurch erklärlicher, daß man hier fast nie die richtigen Sachverständigen zur Hand hat: der Tierarzt kennt Fehler und Krankheiten der Pferde, aber nicht immer die verschiedenen Kunstgriffe beim Betrügen und der richtige Roßtäuscher, der die entsprechenden Kenntnisse besitzt, hütet sich, diese dem Gerichte zur Verfügung zu stellen. So ist der Kriminalist eigentlich auf sich selber angewiesen, er kann sich aber aus zwei Gründen helfen: einerseits handelt es sich in allen diesen Fragen fast nie um wirkliche Pferde kenntnis, sondern um Menschenkenntnis, denn auch der Roßtäuscher arbeitet sehr wenig mit ersterer und fast nur mit letzterer; andererseits dreht sich selbstverständlich die ganze Arbeit des Kriminalisten auch hier nur darum, den Zeugen und Beschuldigten richtig und erschöpfend zu befragen. Schließlich kommt es natürlich darauf hinaus, den Sachverständigen heran­ zuziehen, denn auf einen Fehler des Pferdes wird es ja immer an­ kommen, und diesen zu bestimmen ist seine Sache. Aber die erste Arbeit, das Material zu schaffen und namentlich: den Beschädigten richtig anzuhören, richtig zu fragen und auf das Richtige zu leiten, ist Sache der behördlichen Personen. Wer dies so machen will, daß gedeihlicher Erfolg erzielt wird, muß sich vor allem klar machen, daß der hier fragliche Betrug nur ausnahmsweise in einem bestimmten Augenblicke gefunden werden kann: beinahe immer liegt er im ganzen Hergänge; selten ist ein einziger kräftiger und grober Betrug, sondern eine ganze Reihe kleiner Betrügereien begangen worden, die einzeln und für sich genommen noch nichts Strafbares bedeuten, zusammen aber ein Verbrechen darstellen, das aber nur festgestellt werden kann, wenn alle Einzelheiten untersucht und bezeichnet wurden. Wollen wir die einzelnen Mittel, die beim Pferdeverkauf ange­ wendet werden, näher ansehen, so teilen wir sie zuerst in die, welche gewissermaßen an der Person des Käufers, und solche, die am Pferde selbst vorgenommen werden. Zu den ersteren gehören auch alle jene Vorgänge, die zwar mit dem Pferde geschehen, aber doch auf die Sinne des Käufers wirken sollen; also vor allem, was mit dem Stalle, der Haltung der Pferde und ihrer Vorführung zusammen­ hängt. Niemand wird behaupten, daß irgendein Verkäufer verpflichtet ist, seine Sache in unvorteilhaftem Lichte zu zeigen: wenn aber der Pferdehändler durch Beleuchtung und Haltung des Stalles, durch

202 Stellung und Zäumung der Pferde, durch Herrichten eines besonderen Vorführungsplatzes und durch besondere Geschicklichkeit seiner Vorreiter und Kutscher und tausend kleine, hierbei angewendete Mittelchen die Pferde nicht bloß so gut als möglich, sondern besser als sie sind erscheinen läßt, dann liegt wenigstens die Vorbereitung zu einem Betrüge vor. Hierbei handelt es sich noch gar nicht um das Verdecken wirklicher Fehler, sondern um die Benützung gewisser Er­ scheinungen bei Sinneswahrnehmungen, die der Händler kennt und geschickt ausnützt; für sich allein werden diese Dinge nicht strafbar, sic werden auch nicht genügen, um den Käufer zu einem, ihn schädi­ genden Kaufe zu veranlassen, kommt aber noch einiges, an sich auch „Harmloses" dazu, so ist beides erreicht. Hierher gehört z. B. das richtige Behandeln des Käufers durch Artigkeit oder Grobheit, durch tirten Wortschwall oder Schweigsamkeit, durch Anpreisen oder schein­ bare Aufrichtigkeit, durch Eingehen auf die Wünsche des Käufers oder Bewundern seiner Kenntnisse, Reit- oder Fahrkunst. Natürlich kann man alles das, was nach der verschiedenen Art des Käufers ver­ schieden angewendet wird, nicht als verboten bezeichnen, aber es kann doch alles dazu dienen, dem Käufer einen wichtigen Fehler, den er sonst nicht übersehen hätte, doch übersehen zu machen. Will man aber begreifen, wie es zu dem eigentlichen Kaufe gekommen ist, so muß man sich den ganzen Hergang vom Anfänge an nicht mit erzählen lassen, sondern man muß auch im voraus wissen, daß es derlei Dinge gibt und daß sie wichtig genug sind, um befragt werden zu müssen. Trotz ihrer scheinbaren Gleichgültigkeit sind diese Mittelchen für uns gerade am wichtigsten, denn wenn eine Krankheit, das Alter oder sonst ein wichtiger Fehler des Pferdes verdeckt wurde, so bringt das schon der Tierarzt heraus — für uns besteht die Arbeit darin, zu erheben, wie es kam, daß der Käufer veranlaßt wurde, den Fehler nicht zu bemerken und weiter, wie es geschehen konnte, daß einer ein Pferd um viel zu hohen Preis übernommen hat, das zwar keinen großen Fehler hat, aber durch die Summe seiner minderen Eigenschaften geringwertig ist; gerade diese letzteren Fälle sind die häufigsten, wichtigsten und schwierigsten. Bezüglich der einzelnen Verhüllungen der Pferdefehler, Mängel und Krankheiten sei kurz einiges bemerkt. 1. Alter des Pferdes. Die Mittel, die angewendet werden, um ein Pferd jünger erscheinen zu lassen, sind zahlreich: Ausreißen der langen und grauen Haare um Maul und Augen, Aufblasem der Augengruben, „Aufpulvern" durch Füttern mit Spießglanz oder Arsen, Eingeben verschiedener narkotischer Abkochungen und namentlich das Abfeilen oder Absägen der zu lang gewordenen Zähne und Neueingravieren und -brennen der sog. Kunden, Bohnen, Marken, auf deren Vorhandensein großes Gewicht bei der Altersbestimmung gelegt wird. Hierher gehören auch alle Mittel, durch welche ein altes (allerdings auch ein recht phlegmatisches oder kränkliches junges) Pferd frisch, lustig und munter erscheinen gemacht wird; recht ver­ breitet ist das hierher gehörige „Pfeffern" der Pferde: man zerkaut

203 schwarzen Pfeffer und praktiziert die erhaltene Pasta mit dem Finger in den After des Pferdes. Das so erzeugte Jucken animiert das Pferd unglaublich: auch ein alter Klepper tanzt mit hochgehobenem Schwänze herum, hebt die Beine, wiehert und sieht angeregt und feurig drein. Zeigt der Käufer dann später die traurige Mähre her und erzählt, wie mutig und schön das Tier beim Kaufe gewesen sei, so glaubt ihm das doch niemand, der nicht weiß, wie das Pferd damals behandelt wurde. Ebenso ist auch der sog. Zigeunersattel häufig in Verwendung, bei welchem unter den Pauschen Nägel angebracht sind, die der Reiter dem Pferde mit den Knien in das Fleisch drückt; er beruft sich darauf, daß er weder Sporen noch Peitsche braucht, und trotzdem gehe das Tier frisch und mutig. 2. Größe. Im allgemeinen sind größere Pferde immer mehr wert als kleinere, meistens kommt es aber darauf an, zwei Pferde, die sonst gut zusammenpassen (gleichständig sind) gleich groß zu machen, wenn an der Größe des einen nicht viel fehlt. Da gibt es eine Menge Mittel: zu große Pferde werden unbeschlagen, zu kleine mit Stollen vorgeführt; im Sande, auf weicher Lohe sinkt das Pferd ein und wird kleiner; die Größe des Reiters oder des angespannten Wagens macht viel aus, und am meisten kann mit dem Bandmaß gefälscht werden, je nachdem man spannt oder locker hält, gerade oder krumm mißt usw. Läßt man diese und noch andere Mittel zusammen­ wirken, so können ganz erkleckliche Unterschiede ausgeglichen werden. Unerklärlich, aber wahr ist es, daß leicht ungleiche Pferde gleich groß aussehen, wenn man das kleinere als Sattelpferd, das größere als Handpferd einspannt. 3. Farbe. Ob ein Pferd diese und jene Farbe hat, kann seinen Wert unter Umständen namentlich dann erhöhen, wenn der Käufer eine bestimmte Farbe zur Bedingung macht, oder wenn ungleiche Pferde gleichfärbig sein sollen. Oft sind gewisse Farben auch modern; man wird nicht aus einem Schimmel einten Rappen machen, wohl aber kann man z. B. einen Bräunen heller oder dunkler „stimmen" und so z. B. Goldfüchse, Kastanienbraune usw. machen. Alles das geht mit ver­ schiedenen Chemikalien leicht und recht dauerhaft, allerdings nicht auf länger, als bis zur nächsten Haarung, also bis zum nächsten Frühjahr oder Herbst. Ebenso kann man weiße Zeichnungen als häßlich be­ seitigen oder solche (wegen der Gleichständigkeit) erzeugen. Das alles hat keine große Wichtigkeit, wohl aber das Beseitigen von sog. „erworbenen Abzeichen", weiße Flecke, die dort entstanden sind, wo Satteldruck oder scharfe Einreibungen vorkamen; diese deuten aber auf vielen, schonungslosen Gebrauch oder bedenkliche Erkrankungen, beides mindert den Wert des Pferdes. 4. Kleinere, sog. Schönheitsfehler, z. B. haarlose Stellen, magere Partien, fehlerhafte Fußstellung, unschöne Kopf- und Schweifhaltung, verbildetes Rückgrat („Einsattlung", „Saukreuz", „Rosenkranz" usw.), traurig hängende Ohren, vorstehende Zunge und hundert andere störende Dinge müssen durch Zaum, Sattelzeug,

204 Beschlag und Geschirr verdeckt werden. Deshalb ist das alles beim Händler in schönster Ordnung und mit größter Schnelligkeit auf dem Pferde oben, bevor man noch viel untersuchen und kritisieren kann; Sattel ist bequem und gut sitzend, Zaumzeug hebt die Ohren, drängt die Zunge zurück und stellt den Kopf richtig, Geschirr ist breit und deckt alles mögliche Häßliche und der Beschlag richtet auch krumme Beine wenigstens für eine Zeit lang gleich. 5. Sog. Charakterfehler als: Scheuen, Bocken, Ausschlagen, Wanddrängen, Beißen und ähnliche „Unarten" müssen im Stalle die Stallburschen, beim Vorführen Kutscher und Bereiter verdecken. Sehr geschickte Leute können das auf kurze Zeit bewerkstelligen, aber der Käufer hat in der Regel solche Leute nicht und er will doch das Fehlen dieser Unannehmlichkeiten auch für die Dauer haben. Ebenso ist es aber auch Sache der vorführenden Leute, nie ihren Willen durchzusetzen, sondern das zu tun, was das Pferd tun will, und den Anschein .hervorzurufen, als ob sie dies hätten veranlassen wollen. Dann wundert sich der Käufer freilich über alle möglichen Fehler des Tieres, von welchen er beim Kaufe keinen einzigen wahrnehmen konnte, zumal auch ein bekannter Kunstgriff darin besteht, dem Käufer stets nur die Seite des Pferdes zu zeigen, welche die bessere ist. ' 6. Körpcrfehler werden mannigfach verdeckt: es gibt Äugen aus Glas, sog. Perückenfchwänze, selbst falsche Ohren sollen vor­ kommen und die gefährlichen, nur halbseitig kastrierten sog. Spitz­ hengste, wurden durch Schnitte im Hodensack scheinbar zu Wallachen gemacht. 7. Von Krankheiten können die meisten auf kurze Zeit ganz gut verdeckt werden; wenn also später der Tierarzt nicht nur die .Krankheit, sondern auch ihr langes Bestehen feststellt, so ist eben, wenn sic der Käufer nicht bemerkt hat, irgendeine der geschickten Ver­ deckungen vorgenommen worden. Gerade in solchen Fällen haben wir es am leichtesten, da der Tierarzt als Sachverständiger einspringen kann, aber es sei auch nochmals betont, daß auch hier, wie in allen anderen Fällen des Betruges von Pferdehandel jeder Kriminalist seine Pflicht tun kann, wenn er sich eine Handvoll Pferdekenntnis erwirbt, die ihm jeder Kenner in einer halben Stunde beibringen kann, und wenn er im übrigen mit Menschenkenntnis arbeitet, ebenso wie es der echte Roß-täuscher tut; ohne Menschenkenntnis kann aber überhaupt keiner von uns arbeiten.

E. Spielbetrug.

Kein Mensch weiß, welche Unsummen alljährlich durch falsches Spiel verloren werden, aber man weiß, daß viel gespielt wird und daß das Betrügen hierbei die größte Bü>eutung hat. Die Entdeckung des Falschspielens ist im allgemeinen nicht leicht, weil wenig äußerlich Kmnbares vorliegt, weil man stets schon Geschehenes beweisen soll

205 und namentlich weil die Beschädigten, zum Teil aus Furcht, auch gestraft zu werden, zum Teil um nicht ausgelacht zu werden, zum Teil weil sie gar nicht wissen, daß sie betrogen wurden, selten brauch­ bare Angaben zu machen vermögen. Der letztere Umstand macht es hauptsächlich notwendig, daß der Kriminalist Bescheid weiß und richtig zu fragen vermag, wenn er Verdacht auf Spielbetrug bekommen hat. Vor allem muß er sich über die Person der Falschspieler klar sein, was deshalb eigentlich nicht so schwierig ist, weil einerseits alle diese Leute, gleichviel ob sie in den feinsten Salons oder den niedrigsten Schenken ihr Wesen trieben, merkwürdig viel Ähnlichkeit haben, und weil andererseits ihre Kennzeichen so deutlich und klar sind, daß man sich nicht leicht irrt, wenn man sie erst einmal wahrgenommen hat. Sie alle stimmen darin überein, daß sie begabte Leute mit viel Geschicklichkeit und scharfen Sinnen sind; sie haben kaltes Blut, Menschenkenntnis und Unverfrorenheit, denn haben sie auch nur eine dieser Eigenschaften nicht, so finden sie ihr Brot als Falschspieler nicht, ebenso, wie sie bei ihrem Geschäfte verhungern müßten, wenn sie nicht feine, sorgfältig geschonte Hände besitzen, die sie bei der Kartenbehandlung so notwendig brauchen. Fast ebenso gleich wie ihre äußere Erscheinung ist das Vorleben dieser Leute. Etwas Anständiges waren diese Leute selten einmal: in der Regel haben sie sich auf der Schule begabt, aber unerziehbar erwiesen, wußten sich in verschiedener, aber nie rechtschaffener Weise Geld zu verdienen, hatten keinen Beruf oder nur einen zum Schein, haben es immer verstanden von Weibern oder Lüstlingen Geld zu bekommen und sind dann auf irgendeine Weise zu Falschspielern gekommen, mit denen sie dann weiter arbeiteten. Da sie also nie oder fast nie redlichen Erwerb nachweisen können, machen sie ungern Angaben über ihr Vorleben, erzählen abenteuer­ liche Erlebnisse, aber immer so, daß man nicht leicht zu einer Auf­ klärung kommen kann. Deswegen ist diese aber gerade so wichtig und darf nie unversucht bleiben — ist das Vorleben des Verdächtigen sichergestellt, so ist auch sein Falschspiel halb bewiesen, wenn sich Ersteres in der genannten bedenklichen Weise abgespielt hat. Was das Spiel selbst anlangt, so merke man vor allem, daß der Falschspieler fast alles braucht, was der Taschenspieler kann, und da wir bei diesem manches Kunststück als „unbegreifliche Zauberei" be­ zeichnen, so begreifen wir auch sehr vieles nicht, was der Falsch­ spieler doch gemacht hat, auch wenn es der Betrogene kurzweg als geschehen ableugnet und als unmöglich bezeichnet. Dazu kommt noch, daß man bei geschickter Behandlung gewisser menschlicher Eigenschaften überraschend viel wagen.kann. Versteht man es z. B. die Aufmerksamkeit der anderen auf etwas zu lenken, so kann man unter­ dessen alles mögliche tun, und wenn man auf gewisse Gewohnheiten der ^Menschen rechnet, so darf man annehmen, daß sie das Gewohnte erwarten und es nicht merken, wenn man statt dessen etwas anderes eintreten ließ. Hinterdrein schwört der Zeuge, er habe doch das gesehen, was er zu sehen gewohnt war. Benützt der Falschspieler diese und einige andere Eigenschaften der Menschen, so braucht er gar

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nicht viele andere Kunststücke, aber zur Sicherheit und Bequemlichkeit macht er doch von ihnen auch Gebrauch. Die gewöhnlichsten sollen hier kurz genannt werden: 1. Maquillage heißt alles Kennzeichnen der Karten, was oft sehr grob, oft aber so fein geschieht, daß man es nur bei Kenntnis der Sachlage entdeckt: man drückt mit dem Nagel oder der Spitze des Fingerringes Punkte oder Streifen ein, man durchsticht die Karten und deckt den Stich mit Wachs, man schleift einzelne Karlen mit Bimsstein, so daß sie rauh werden, oder beschneidet sie am Rande, bringt auf der Rückseite (int „Muster") feine Punkte an oder man macht mit einem spitzen nassen Hölzchen auf der Rückseite Zeichen, die nach dem Trocknen matt auf der glänzenden Fläche erscheinen. Außer diesen und ähnlichen Markierungen gibt es auch Karten, die schon von der Fabrik aus ein solches Rückenmuster haben, daß man die einzelnen Karten (allerdings nur bei sehr großem Scharfblick) daran erkennen kann. So gibt es ein bestimmtes Muster, sog. Blitzmuster, bei welchem im Muster eine zwar sehr verzerrte, aber doch kennbare Zahl (z. B. 57) angebracht ist, die bei den Figuren, beim Aß und bei den geringen Karten, stets an bestimmter gleicher Stelle erscheint. 2. Porte heißt das Einschmuggeln des gezeichneten Spieles gegen das auf dem Tische liegende unmarkierte; gewöhnlich legt der Spieler mit einer Hand das verdeckte Spiel auf und nimmt im richtigen Augenblicke das andere mit der zweiten Hand fort. Hierzu braucht er eigene, innen, vorne am Rock angebrachte Taschen. 3. Transportieren heißt das Beseitigen einiger Karten aus dem aufliegenden Spiele, die für längere oder kürzere Zeit auf dem Schoß bleiben und dann ebenso unvermerkt wieder dazukommeit. 4. Salatmachen heißt falsch mischen, d. h. nur so tun, als ob gemischt wurde, während die Karten alle auf demselben Fleck bleiben; dies und die zwei folgenden Kunststücke erfordern gar keine Geschicklichkeit, sondern bloß Frechheit: man kann es ganz dreist tun, es merkt's niemand. 5. „Falsche Coupe" heißt: derart abheben, daß es beim alten bleibt; entweder legt man eine Karte so, daß sie vorsteht: dann hebt der andere fast immer dort ab; oder man läßt ehrlich abheben, ergreift aber zuerst das abgehobene (früher obere) Päckchen und legt es auf das liegende (früher untere) Päckchen, so daß die Karten wieder so liegen wie eher. 6. Die „Filäge", wenn man statt der obersten Karte die (etwas vorgeschobene) zweite oder dritte oder gar die unterste Karte abzieht. So einfach und ergiebig diese Dinge sind, so gelingen sie, wenn man nur frech genug ist; äußersten Falles leugnet man oder schützt Irrtum vor. Von ebenso großer Wichtigkeit wie alle diese Fertigkeiten sind für den Falschspieler seine Gehilfen, die ihm die Opfer zutreiben, mit­ spielen oder durch Zeichen über die Karten des Opfers unterrichten. Der Gehilfe steht z. B. hinter dem Opfer und gibt verabredete Zeichen, z. B. mit der Zigarre: rechts, links im Munde, in der rechten oder

207 linken Hand, Rauch wegblasen, anzünden usw. — das kann so viele Zeichen geben, als man braucht. Aber auch der Spieler hat für sich allein seine Hilfen entweder durch wirkliche Spiegel oder spiegelnde Metallgegenstände, z. B. eine metallene Teemaschine, eine blank polierte nebenliegende Zigarettendose usw. Mit Hilfe eines solchen spiegelnden Dinges kann überraschend viel beobachtet werden. Natürlich gibt es immer wieder neue Kunsthilfen, die einmal da und einmal dort auftauchen, aber im ganzen lassen sie sich auf das Angeführte zurückbringen. Kein Spiel, sondern reiner Betrug sind mehrere Bauern­ fängereien, die sich von der Zeit der Landsknechte bis auf unsere Tage erhalten haben und immer wieder ihre Opfer finden. Das noch immer wichtigste ist das sog. „Kümmelblättchen", in Österreich „Naschi Waschi" genannt. Der Spieler nimmt drei Karten, eine Figur und zwei geringe Karten, in die hohle Hand, zeigt die unterste dem Opfer und legt sie so auf den Tisch, daß er scheinbar die unterste (hergezeigte) fallen läßt; dann zeigt er wieder die untere, läßt sie neben die erste fallen, zeigt die letzte und läßt sie wieder neben die zwei ersten fallen. Das Opfer glaubt natürlich genau zu wissen, welches die Figur und welche die anderen Karten sind; der Gauner legt nun die Karten hin und her, das Opfer verfolgt mit den Augen die „Figur" und rät zuletzt immer falsch, weil der Gauner das erste und zweite Mal nicht die unterste Karte fallen ließ, sondern geschickt die oberste abwarf. Daß eine vierte Karte hierbei benützt wird, wie immer behauptet wird, ist falsch. Ähnlich ist das „Meine Tante, Deine Tante", wobei eigentlich stets zwei Karten abgezogen und geteilt werden sollen, während der Gauner deren drei abzieht und zu eins und zwei verteilt. Das sog. Deckel-, Becher-, Pfefferkornspiel, auch „Kügelchen wo?" genannt, besteht darin, daß unter eine von drei Nußschalen oder Bechern ein „Pfefferkorn" gelegt wird, worauf die Becher hin und hergeschoben werden. Schließlich soll das Opfer raten, wo das „Pfeffer­ korn" ist, es ist aber einstweilen nirgends, sondern war ein Wachskügelchen, welches mit dem langen Fingernagel des Gauners heraus­ gezogen worden ist und später wieder beliebig wohin praktiziert wird. Sehr häufig ist heute das „Riemenstechen" oder „Kettenziehen". Eine lange endlose Uhrkette, eine (feuchtgemachte) Zwickerschnur usw. wird in bestimmten Windungen auf den Tisch gelegt, das Opfer stellt den Finger in eine beliebige Windung und wettet, ob ihn die Schnur beim Abziehen fängt oder nicht. Der Gauner zieht ab und gewinnt immer, weil er weiß, wo er die Schnur zu fassen hat, damit nicht das herauskommt, was das Opfer geglaubt hat. Hiermit werden unglaublich hohe Summen verspielt. . Das alte Würfelspiel war in letzter Zeit fast ganz vergessen, in unseren Jahren nimmt es auf Jahrmärkten, unter der Fabriks­ bevölkerung und in minderen Kneipen, aber aitch in besseren Gast­ häusern wieder außerordentlich zu — selbstverständlich nur als Bauernfängerei. Mit richtigen Würfeln kann niemand betrügen,.

208 wohl aber mit solchen, bei welchen das Gleichgewicht gestört ist und mit welchen man sich allerdings lange gut eingeübt hat. Gewöhnlich wird eine gewisse Kante abgeschliffen, oder es werden seitlich Bleistäbe eingezogen oder es befindet sich im hohlen Würfel laufendes Queck­ silber, loser Sand usw., oder es werden kurze Schweinsborsten ein­ gefügt, die sich am Tischtuch spießen usw. In der Regel sieht sich der Gauner zuerst die Würfel an, die in einem Gasthause in Verwendung sind, beschafft sich ähnliche, fälscht sie nach seinem Bedarf und schmuggelt sie dann vor Spielbeginn ein.

F. Betrug Bei Kunstsachen und Altertümern. Die Fragen, ,um die es sich hier handelt, sind in der Regel recht schwierig und die Summen, um die da betrogen wird, sind häufig sehr hohe, und so lohnt es sich allerdings der Mühe, wenn sich der Kriminalist nach diesen Dingen ernstlich umsieht. Die Hauptarbeit bleibt aber den Sachverständigen der verschiedensten Art, diese ist aber wieder vergeblich, wenn nicht der ganze, tatsächliche Hergang bei einem Kaufe oder Verkaufe klargestetlt wird; ohne diesen zu kennen, sind weder die Sachverständigen noch die Richter imstande, festzustellen, ob und welcher Betrug vorliegt. Um aber diesen Hergang aufklären zu können, braucht man gar keine Fachkenntnisse, man muß nur klar zusehen, wie es die Leute gemacht haben — auch hier handelt es sich nicht darum, die Sachen, sondern die M e n s ch e n zu kennen, auch hier muß man wissen, daß jeder, halbwegs nennenswerte Betrug doch immer mit gewissen Einleitungen verbunden wird, die dem gewöhnlichen Leben entnommen sind. Sehen wir uns zur Klar­ stellung ein ganz allgemein gefaßtes Beispiel an: Wenn der A dem B einen wertlosen Gegenstand als besonders wertvoll verkauft hat, so wird ein Beweis: A habe den B betrügen wollen, so lange schwer zu führen sein, als man nicht weiß, woher A die Sache bekommen hat. Ist dies festgestellt, und dies geht ohne die geringsten technischen Kenntnisse, so sind auch alle anderen Beweise leicht zu führen. Wenn wir das, was da an Wichtigem festgestellt werden kann, überblicken, so ergeben sich einige nennenswerte Vorgänge. 1. Einer der allerhäufigsten Kunstgriffe ist das Verbessern, Ver­ schönern, Ergänzen, Zusammensetzen usw., welches unter Umständen ganz einwandfrei, über einer gewissen Grenze aber Betrug ist. In solchen Fällen ist es also notwendig, den Zustand der Sache möglichst genau und verläßlich zu erheben und festzustellen, was geändert und verbessert wurde, so daß der vorige Zustand der Sache erkannt werden mag. Schwierig ist dieses Erkennen auch bei alten Streichinstrumenten, vor allem Geigen. Ein geschickter Fälscher vermag eine einzige echte alte Geige derart zu zerlegen und zu behandeln, daß er mit Zuhilfe­ nahme einiger gleichfalls alten, aber nicht wertvollen Geigenteile mehrere Geigen herstellt, deren jede als echte alte Geige ausgegeben werden kann, indem er z. B. die Schnecke, das Rückenblatt der echten Geige je auf einer unechten anbringt.

209 2. Da das kaufende Publikum heute einen schon hoch entwickelten Widerwillen dagegen hat, Altertümer usw. bei Händlern zu kaufen, so wird diesem Umstande häufig Rechnung getragen; vom Händler wird einerseits zu hoher Preis, andererseits Betrug vorausgesetzt, man glaubt billiger und sicherer anzukommen, wenn man die Dinge selbst bei „unverdächtigen" Privaten entdeckt. Gefälschte Dinge werden daher häufig zu entfernt wohnenden Bauern, alten Witwen usw. gebracht, der Käufer wird in geschickter Weise durch Agenten davon verständigt, daß dort etwas „Gutes" zu haben ist, und der Käufer kauft die Sache um einen lächerlich hohen Preis. Gewisse Dinge aus Stein, Ton, Por­ zellan werden sogar in alten.Häusern eingemanert, Türbeschläge, Schlösser, Griffe, Klopfer usw. an alten Türen angeschraubt, als ob sie seit Jahrhunderten dort wären, und so läßt sich das Publikum am leichtesten irreführen. Da es sich hier häufig um recht hohe Werte handelt, so lohnt es sich der Mühe, nach dem Herkommen eines solchen verkauften Stückes zu forschen und namentlich zu erheben, wie lange es bei dem Bauern, der alten Witwe war, seit wann cs an dem betreffenden Orte angebracht wurde usw. Eine einzige derartige Er­ hebung bringt Klarheit in einen sonst nicht zu lösenden Fall und ist mehr wert als alle anderen, mühsamen Schreibereien. 3. Ähnlich verhält es sich mit allen sog. Verbesserungen, Reno­ vierungen, Zusammenstellungen usw. Selbstverständlich kann man niemandem verbieten, seine Sache, auch wenn er sie verkaufen will, zu reinigen, auszubessern, ihr ein schöneres Ansehen zu geben, kurz zu trachten, daß er mehr dafür bekommt, als wenn er sie unrein, zer­ brochen und unansehnlich verkauft. Aber das hat gerade bei Alter­ tümern, Kunstsachen usw. seine gewisse Grenze — es kann natürlich jeder mit seiner Sache tun was er will, aber bei einem Verkaufe muß er sagen, was er damit vorgenommen hat. Was da an sog. Aus^ besserungen geschieht, ist fast unglaublich, und so kommt es vor, daß zu einem winzigen echten Stückchen das zehn- und mehrfache an Unechtem dazu gemacht wird, oder daß man die verschiedensten, teils echten, teils falschen Sachen zu einem einzigen Stücke vereinigt, worauf dann die mit geringen Kosten zusammengestellte „Antiquität" um eine große Summe verkauft wird. So schwierig die späteren Fragen sind: Was und wieviel in dieser Richtung erlaubt und verboten ist, wieviel eine derart zu­ sammengeflickte Sache eigentlich noch wert ist, ob und welcher Betrug vorliegt — so.leicht sind die Nachforschungen darüber, wie denn das betreffende Ding entstanden ist, woher es der Verkäufer hat, was er damit unternommen hat usw. Wird das genügend und sicher fest­ gestellt, dann sind die eigentlichen juristischen Fragen nicht schwer zu entscheiden. Daß man aber mit diesen Fragen selten zurecht kommt und darin so übergroße Schwierigkeiten findet, hat seinen Grund vornehmlich darin, daß nur selten der eigentliche Hergang, die Ent­ stehungsgeschichte erhoben wurde, und daß sich niemand die Mühe genommen hat, diese an sich nicht schwierigen Nachforschungen zu pflegen. Man wird auch in vielen Fällen schon im voraus von gev r o ß - b ö p l c r, Erforschung. 6. Ausl.

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210 wissen Leuten wissen, daß sie sich mit derlei bedenklichen „Reparaturen" gewerbsmäßig befassen und dann wird man gut tun, sich mit ihrem Treiben, ihren Verbindungen, ihren Bezugsquellen usw. genauer zu beschäftigen: es kommen da wichtige Wahrnehmungen zutage, auch findet man gegebenen Falles viel leichtere Arbeit, wenn man sich schon früher unterrichtet hat. 4. Bei Nachforschungen über gefälschte Dinge vergesse man nicht, daß oft falsche Sachen als echte unter die Leute geraten, ohne daß gerade strafbares Vorgehen vorliegt. Viele Sammler haben schöne, echte Sachen und kommen dadurch in den Ruf, daß sie eine wertvolle Sammlung besitzen. In Wirklichkeit.ist es aber mit dem Werte der Sammlung gar nicht so weit her: auch vorsichtige Kenner werden getäuscht und viele von ihnen kaufen auch gute Nachahmungen, die sie als solche kennen und bezahlen, aber als echte herzeigen, sei es, um mit der Größe und Vollständigkeit ihrer Sammlung zu prunken, sei es, um sich einen Scherz zu machen oder sonst einem anderen Grunde zulieb. Wehren kann man das niemandem, er kann haben und sagen was er will. Stirbt der Mann aber und seine Sammlung wird verkauft, ohne daß seine Erben von der Unechtheit vieler Stücke Kenntnis haben, so wird auf einmal alles echt: die Sammlung ist als wertvoll bekannt, der verstorbene Sammler wegen seiner Kenntnisse und seiner Vorsicht berühmt, und so geht alles als teuer und echt in fremde Hände und von diesen vielleicht weiter, obwohl es fast wertlose Dinge sind. 5. Aber auch der Verkäufer bedarf des Schutzes gerade heute, wo so Mancher genötigt ist, alte Familienstücke zu verkaufen, um dringende Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Allerdings ist heute nicht mehr viel Gutes und Teueres im Besitze kenntnisloser Leute, aber doch noch immerhin viel mehr, als man gewöhnlich an­ nimmt. Auch die Händler und Sammler sind noch recht zahlreich, die, mit untrüglichem Spürsinn ausgestattet, in allen Städtchen und auf dem Lande herumsuchen, doch noch etwas entdecken und es den armen Leuten um geringes Geld abdrücken, obwohl der eigentliche Wert für diese ein. Vermögen bedeutet hätte. Bringen doch die Tages­ blätter fast jeden Tag solche Mitteilungen, nach welchen jemand bei i ner alten Frau ein unschätzbares Bild, bei einem Bauer im Gebirge eine wertvolle Schnitzerei oder auf dem Dachboden eines armen Handwerkers eine kostbare Handschrift entdeckt und um geringes Geld erworben hat. Wie man diesfalls schützend eingreifen könnte, ist allerdings nicht leicht zu sagen. Am meisten möchte noch nützen, wenn man die Leute belehrt und darauf aufmerksam macht, daß sie sich wesentlich schädigen können, wenn sie sog. „alte Sachen" namentlich an Unbekannte ver­ kaufen, ohne zuvor eine vertrauenswürdige, verständige Persönlichkeit um Rat gefragt zu haben. Außerdem kann man auch auf fremde Händler und handelnde Privatpersonen ein besonderes Augenmerk richten und die von ihnen gemachten Einkäufe einer genauen Be­ achtung unterziehen. Allerdings ist das um so schwieriger,^als die Feststellung, was da verboten und was erlaubt ist, keineswegs vor­ liegt, so daß übereiltes Eingreifen bedenkliche Folgen haben kann. Aber zu berücksichtigen und zu studieren sind diese Dinge immer..

211 G. Agentenbetrug.

Mit diesem Ausdruck möchte ich das Ausschwatzen und Anhängen von an und für sich brauchbaren, jedoch für den Käufer unverwend­ baren Waren mit schwindelhaften, betrügerischen Mitteln umschreiben. Die Opfer derartiger Betrügereien find zumeist in der länd­ lichen Bevölkerung zu suchen, und der strafrechtliche Schutz versagt häufig, weil die Sache nicht richtig angefaßt und der Schutzsuchende an den Zivilrichter verwiesen wird. Der Agent kommt in eine verkehrsarme, dünnbevölkerte Gegend und hängt dem kleinen Dorfkaufmann oder Krämer eine solche Un­ menge nicht landläufiger Ware an, die vielleicht erst in Jahrzehnten abgesetzt werden könnte; trotzdem muß sie aber sofort oder in kurzer Frist gezahlt werden. Die hierdurch trotz der Gegenleistung in nicht verwertbarer Ware erfolgte Sch ädigung des Käufers ist klar, insbesondere dann, wenn es sich auch noch um Waren handelt, die leicht veralten und rasch entwerten, z. B. Zuckerbäckerei, Liköre, Essenzen. In solchen Fällen wird insbesondere geprüft werden müssen, mit welchen Mitteln dem Agenten der Warenabsatz gelungen ist. Sehr häufig liegt der Sachverhalt so, daß der aufdringliche und lästige Agent der Kunde die Unterfertigung einer Probesendung abschwatzt und dem Besteller dann entweder einen auf größere Mengen lautenden Bestellschein unterschiebt oder den erhaltenen auf größere Mengen verfälscht, z. B. statt 1 Paket zu 5 kg — 100 Pakete zu 5 kg oder 10 Pakete zu 50 kg einsetzt. Die L ieferung erfolgt dann nach dem unterschobenen bzw. ge­ fälschten B estellschein. Verweist man die geschädigte Kunde aus den Klagsweg und ver­ weigert man ihr den strafrechtlichen Schutz, dann wird ihr Schade meist noch größer, weil sie in ihrer vom Agenten ja wohl berechneten Unbeholfenheit die gesetzlich möglichen Schutzmaßnahmen, z. B. zur Verfügungstellen der Ware, nicht anwcndet und im Klagsfall fast regelmäßig ein Versäumnisurteil erwachsen läßt. Ähnlich ist es um die oft beachteten Fälle bestellt, in denen kleinen, vermögenslosen Häuslern teure landwirtschaftliche Maschinen angehängt werden; es geschieht dies sehr häufig in der Weise, daß dem Betreffenden die Maschine im Hofe aufgestellt wird, angeblich nur zu den Zwecke, damit die Nachbarn sie besichtigen können, und daß ein Kaufvertrag oder Wechsel zur Unterschrift unterschoben wird unter der Borgabe, es handle sich nur um die Bestätigung der Tat­ sache der erfolgten Aufstellung. Solche Fälle müssen genau geprüft werden und es wäre ein grober Fehler, ein kriminalistisches Einschreiten unter Hinweis auf den zur Verfügung stehenden Prozeßweg abzulehnen. Ist ja doch in allen diesen Fällen die Unbeholfenheit und Un­ erfahrenheit der ländlichen Bevölkerung in Fragen der Rechts­ durchsetzung, mitunter auch die Schwierigkeit und der Zeitmangel, sich dieser zu widmen, mit eine der Grundlagen, auf denen der Agent fernen betrügerischen Plan aufgebaut hat.

212 H. Schwindelunternehmungen.

In den Großstädten nehmen die gewerbsmäßigen Betrügereien einen breiten Raum ein; sie erscheinen um so gefährlicher, als die große Schädigung meist auf den ärmsten Schichten der Bevölkerung lastet und sie, im Einzelfall besehen, leicht dazu verleiten, den Ge­ schädigten auf den Klagsweg zu verweisen und die Einleitung des Strafverfahrens abzulehnen. Dies trifft vor allem dann zu, wenn diese Art Betrüger ihre Fangarme in das flache Land ausstrecken, wo der Gendarm, dem bloß die Anzeige vorliegt, nur ein strafrechtlich nicht zu behandelndes Ver­ tragsverhältnis zu erkennen glaubt. Es ist daher nötig, derartige Schwindelunternehmen zu kennen, um deren Erforschung richtig aufzufassen. Was Kautions-, Darlehens-, Vermittlungsschwindel' ist, bedarf keiner Erörterung. Häufig werden derartige Betrügereien durch Zeitungsanbote und Ankündigungen eingeleitet und unter einem Deckmantel verborgen, der die wahre Absicht des Täters verschleiern und ihn aus den Maschen des Gesetzes befreien soll. So wird z. B., um dem Vorwurf einer Veruntreuung zu entgehen, die Kaution als „Einlage" bezeichnet. Durch derartige Finten darf man sich nicht irreführen lassen; es ist von nebensächlicher Bedeutung, unter welcher Bezeichnung das Geld abgenommen wurde, wichtiger ist es, in welcher Absicht dies geschah und in welcher Weise sich diese Absicht betätigte. Da wird etwa folgendes zu beantworten sein: Hatte der Täter für eine Dienst­ person, einen Mitarbeiter Bedarf? Womit wurde der Beschädigte in dem angeblichen Dienstposten beschäftigt? Erhielt er seinen Lohn? Nahm er nicht wahr, daß er Schicksalsgenossen habe,., die sorgsam vor ihm verborgen werden sollten? Je nach Ausfall dieser und ähnlicher Erhebunngen wird auf die Absicht des Täters der richtige Schluß gezogen werden können. Zum Zwecke des Vermittlungsbetruges werden nicht selten eigene Zeitungsunternehmen gegründet. Aus anderen Zeitungen, insbe­ sondere Tagesblättern, werden Stellengesuche und Anstellungsanbote wahllos abgedruckt, ganz gleichgültig, ob sie zur Zeit des Erscheinens der Zeitung noch einen Wert besitzen; hierdurch wird dann Stellen­ suchenden vorgetäuscht, welchen Zuspruch das Blatt habe, unb, es wird den Leuten nicht nur die Bezugsgebühr, sondern auch ein sofort zu bezahlender Vermittlungsbeitrag abgenommen, wofür der Be­ treffende mehrere Nummern der für ihn wertlosen Zeitung erhält. Es wird daher zu prüfen sein, ob ein solches Zeitungsunter­ nehmen mit eigenen Aufträgen arbeitet, in welchem Falle ja ein strafbarer Tatbestand kaum anzunehmen ist, oder pb es, wie früher erwähnt, nur fremde, darunter auch völlig wertlose Ankündigungen aufnimmt und zu Betrugszwecken mißbraucht. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß sich hinter so manchem Dienstvermittler ein Mädchenhändler verbirgt; es

213 muß daher auch nach dieser Richtung nachgeforscht und festgestellt werden, welche wahre Natur der angebotene Dienstplatz hat. Auch bei Verdacht des Darlehensschwindels werden sich die Erhebungen insbesondere darauf richten müssen, ob der Vermittler wirklich die Möglichkeit hat, sein Versprechen auf Beschaffung von Darlehen unter den angebotenen Bedingungen zu erfüllen oder ob es ihm nicht nur darum zu tun war, von den Geldbedürftigen ledig­ lich die „Vorspesen", die ja allenfalls nur in den „vorher einzu­ sendenden Briefmarken" bestehen können, zu entlocken. Daß sich hinter so mancher hochklingenden und doch nichts­ sagenden Bezeichnung (Internationale Kommissionsagentur u. ähnl.) gar häufig Betrüger verbergen, die z. B. vom Austausch und Handel mit faulen Wechseln oder sog. Kavalierswechseln leben, darf ebensowenig übersehen werden als die Tatsache, daß ein „Kavalierwechsel", der falsche Unterschriften trägt, gerade deshalb wertvoller ist, weil er günstige Gelegenheit zu Erpressungen bietet. Es reicht in solchen Fällen gewiß nicht hin, sich nur mit dem „Wechselfälscher" zu beschäftigen; ebenso wichtig ist es zu erheben, ob und inwieweit der Vermittler an dieser Fälschung beteiligt ist. Viel­ leicht hatte dieser nur an einem Wechsel mit falschex Unterschrift ein Interesse, um die erhaltene Eskomptsumme um so sicherer für sich behalten zu können, ohne eine Anzeige seitens des Fälschers befürchten zu müssen. Eine in das Wirtschaftsleben der Gewerbetreibenden tief ein­ schneidende Betrugsart ist der Bauschwindel. EinGeldmann ver­ anlaßt vermögenslose Baupoliere, Baugründe zu kaufen und Häuser zu bauen; er gewährt den Baukredit, den er sich auf dem Grund sicherstellen läßt. Dieser Kredit wird schon zum Kaufe des Grundes — dessen Verkäufer oft der Geldgeber ist — verwendet, muß daher für den Hauptzweck, den Bau, zu kurz werden. Ist der Rohbau fertig, der auf den Namen des vermögenslosen Baupoliers geführt wird, schnürt der Geldgeber diesen plötzlich ein und bringt wegen Zinsenrückstandes das Haus unter den Hammer, um es selbst oder durch einen Strohmann billig zu erstehen, während die unbefriedigten Bauhandwerker leer ausgehen, weil das Meistbot gerade nur zur Bezahlung des Baukredits hinreicht. Selbstverständlich wird es hier darauf ankommen, die gesamte Geschäftstätigkeit des Verdächtigen zu überprüfen, denn der einzelne Fall für sich betrachtet wird stets nur den Eindruck machen, daß es sich um einen allerdings geriebenen und rücksichtslosen Geschäftsmonn handelt, der aber nur auf dem Wege des Gesetzes seine Rechte zu wahren weiß. Nur die genaueste Durchleuchtung der gesamten Tätigkeit und der gegenseitigen geschäftlichen Beziehungen mit den offenen oder versteckten Mitschuldigen wird Klarheit schaffen können. Die gleiche Genauigkeit der Forschungsarbeit erfordern die Fälle des Kreditbetruges (Entlockung von Waren auf Borg), dessen

214 Bekämpfung nicht bloß im Interesse der geschädigten Gläubigerschaft, sondern insbesondere auch deshalb dringend geboten ist, weil ein Mangel an tatkräftiger Bekämpfung des Kreditbetruges den Ruf und damit die Kreditwürdigkeit ganzer Wirtschaftsgebiete zu unter­ graben geeignet ist. Schon aus gewissen scheinbaren Kleinigkeiten und Äußerlich­ keiten läßt sich mitunter ein sicherer Schluß auf die Gebarung des Geschäftsmannes ziehen. Unverhältnismäßige, in der Auswahl der Mittel skrupellose Reklame, Verwendung hochtrabender Drucksorten, die mit dem tat­ sächlichen Geschäftsumfange in offenbarem Mißverhältnis stehen, als: Anführung von Telegrammadressen, Scheckkonti, den Schein von Welt­ oder anderen wohlbekannten Firmen erweckende Aufdrücke. Eine genaue Durchsicht der Bücher — auch die Art und Weise deren Führung wird von Bedeutung sein — und der Korrespondenzen wird der Feststellung der Geschäftsgebarung förderlich sein. Liegen Mahnschreiben und Beschwerden, Klagen und Zwangsvollstreckungen vor? Seit wann? Wie wurde ihnen begegnet? Was geschah mit den bestellten Waren? Ist der Lagerbestand im richtigen Verhältnis mit den Bestellungen und dem Geschäftsumfang? Liegt nicht Wechsel­ reiterei vor? Bezog der Geschäftsmann gleiche Ware von mehreren Firmen? Letztere Frage spielt eine gewisse Rolle, denn es ist immer verdächtig, wenn ein Geschäftsmann viele Gläubiger hat, deren Forderungen je aus einem einzigen Geschäfte , mit gleicher Ware her­ rühren, denn zumindest beweist es die Geringfügigkeit seines Kredites. Nicht selten kommt es vor, daß mehrere Geschäftsleute (Ver­ wandte oder Verschwägerte) zur Schädigung der Gläubigerschast einander in die Hände arbeiten, indem einer den anderen als Informationsquelle verwendet. Liegt der Verdacht vor, daß schon durch die Firmabezeichnung (Anlehnung an einen weltbekannten Firmennamen) eine Täuschung beabsichtigt war, wird die Entstehung der Firma festzustellen sein. Wie oft wird ein Mensch ‘nur wegen seines wohlklingenden Namens gekauft, um eben nur diesen Namen zu dem Schwindelunternehtnen zu leihen und die Verwechslung mit einer bestens bekannten Firma zu ermöglichen! Hiemit glaube ich einige der Wege angedeutet zu haben, die zur Erforschung betrügerischer Geschäftsgebarung führen können. Auf eine auch nur annähernde Vollständigkeit kann das Gesagte nicht Anspruch erheben, denn vielgestaltig wie die Lüge ist auch deren' strafrechtlicher Sproß, der Betrug.

215 XVI. Abschnitt.

Brandstiftung. Bei gewöhnlichen Brandlegungen, bei welchen vielleicht bloß mit einem einzigen Zündhölzchen ein großes Unheil angerichtet wurde, läßt sich in der Regel nicht viel von „Tatbestand" entdecken und fest­ stellen. Das Zündhölzchen ist mitverbrannt, und wenn man es auch findet, so ist damit nicht viel bewiesen, und selbst mit Fußspuren, läßt sich nicht viel machen, da diese um die Brandstätte herum in der Regel zertreten werden, und findet man auch weiter weg Fußspuren, die in den meisten Fällen die wichtigsten sind, so können sie hier auch von Leuten herrühren, die wegen der Hilfeleistung oder aus Neugierde auf große Strecken querfeldein gelaufen kamen. Allerdings soll damit nicht gesagt sein, daß den Feststellungen kein Gewicht beigelegt werden soll, denn auch außer dem Zündstoff und den Fußspuren ist noch genug Wichtiges zu erheben. Vor allem muß klargestellt werden, wo der Brand begonnen hat, da hierdurch allein oft Anhaltspunkte dafür gewonnen werden können, ob Unvorsichtigkeit, Zufall oder Böswillig­ keit vorlag; ebenso ist daraus oft zu schließen, ob unvorsichtige Vorübergehende, heimlich Übernachtende oder die eigenen Hausleute den Brand verschuldet haben. Auch durch Haustiere kann ein Brand verursacht werden. Es wird erzählt, daß eine Katze einmal in der Nähe des Herdes Feuer fing und brennend in die Scheune lief. Besonderes Augenmerk ist stets darauf zu richten, ob der Ort, wo das Feuer begonnen hat, für dessen Weiterverbreitung günstig und so gelegen war, daß das beginnende Feuer nicht leicht entdeckt werden konnte. Man wird sich die verschiedenen Möglichkeiten, wie das Feuer entstanden sein konnte, vor Augen halten und eine nach der anderen vornehmen, sie dem Tatbestände anpassen und sich fragen, ob alles Vorliegende mit der Annahme zusammenpaßt. Dieses einfache Mittel, durch welches man nach und nach durch Ausschließen der verschiedenen Möglichkeiten endlich bei einer Annahme haften bleibt, kann nicht genug empfohlen werden. Gar so viele Entstehungsursachen gibt es ja nicht: Blitz, Unvorsichtigkeit-von Vorübergehenden, heimlich Über­ nachtenden und Hausleuten, spielende Kinder, fehlerhafte Bauart der Feuerungsanlagen, Selbstentzündung in ihren verschiedenen Formen, Versicherungsbetrug, böswillige Brandstiftung — nimmt man diese nach und nach vor, entwickelt man bei jeder Annahme genügend viel Zeit und guten Willen, so kann man schließlich nicht gar weit fehlgehen. Ein eigentliches, ordnungsgemäßes Nachsuchen läßt sich aber denken, wenn sog. „Zeitzündung", „Brandstiftung auf Entfernung" vorliegt. Diese kommt in Anwendung, wenn jemand befürchtet, daß auf ihn der Verdacht fällt- so daß er für den Alibibeweis im voraus sorgen muß, oder wenn jemand sein eigenes Gut anzündet, um sich die Versicherungssumme zu erwerben, und ebenfalls für Beweise seiner

216 Unschuld sorgen muß. Diese Art von Brandlegung kommt heute oft vor, ja man kann annehmen, daß einer nur ausnahmsweise in ganz einfacher Weise Brand legt, wenn er sich in einer der beiden genannten Lagen befindet: die Anwendung ist leicht und meistens auch billig, die Wirkung bei einiger Geschicklichkeit vollkommen sicher und der Beweis der Täterschaft schwer zu führen; meistens bringt der Täter die Vor­ richtung an, begibt sich möglichst weit weg vom Tatort und sorgt dafür, daß nötigenfalls möglichst viele Zeugen bestätigen können, er sei zur Zeit des Brandes so und so viele Meilen weit von da im Wirtshause, auf dem Jahrmärkte, im Tanzsaale usw. gewesen. Zu­ dem ist die Beweisführung gegen den Täter auch deshalb schwer, weil die Vorrichtung bei einiger Geschicklichkeit der Aufstellung mitverbrennt, so daß im besten Falle nur Vermutungen übrig bleiben. Aber deshalb braucht man die Hände nicht in den Schoß zu legen: mitunter findet man im Brandschutt doch noch Reste der Vorrichtung, mitunter ergibt hie Hausdurchsuchung beim Verdächtigen Teile der Vorrichtung oder Werkzeuge, die zu ihrer Herstellung gedient haben, ja auch sorg­ fältige Nachforschungen über Einkäufe oder sonstige Erwerbungen, die der Verdächtige in letzter Zeit gemacht hat, können die wichtigsten Anhaltspunkte zu weiteren Erhebungen liefern. Unter Umständen kann man sogar aus den ganzen Verhältnissen, unter welchen der Brand entstanden ist, daraus, wo und wann er seinen Anfang nahm, wie er sich verbreitet hat, was man sonst wahrnahm, endlich aus dem Wesen des vermutlichen Täters, seiner Beschäftigung, seiner Geschick­ lichkeit, seinen Verbindungen und lausend anderen, scheinbar ganz gleichgültigen Dingen, ungefähre Schlüsse dahin ziehen, welcher Art die Vorrichtung gewesen, wie sie angebracht worden sein muß, wie sie wirkte usw. Allerdings erfordern solche Erhebungen die größte Mühe und Sorgfalt, aber sie sind oft auch ebenso ergiebig. Im großen und ganzen sind diese Vorrichtungen, so endlos verschieden sie auch gestaltet werden können, doch auf denselben Ge­ danken 'zurückzuführen; sie erfordern vor allem eine Zündung, die sicher sein muß, aber nur eine ganz kleine Flamme zu geben braucht; weiters muß eine größere Menge von Zündstoff angehäuft werden, der einerseits mit der genannten kleinen Flamme, anderseits mit einem brennbaren Teile des fraglichen Gebäudes in Verbindung steht, so daß, wenn die Flamme gegriffen hat, an ein vollständiges Weiterbrennen gedacht werden kann; endlich muß zwischen die Zeit der Jntätigkeitsetzung der Vorrichtung und die, in welcher die Flamme auf den Zündstoff greift, ein Hindernis gesetzt werden, welches eine längere Dauer des Vorganges sichert. Das einfachste Beispiel eines solchen Apparates bildet eine Kerze, die in irgendwelchen Zündstoff — Heu, Stroh, fein gespaltenes Holz, Papier usw. gestellt wird, wobei man Sorge trägt, daß dieser Zündstoff, wenn in Brand gesetzt, auf Strohvorräte, ein Stroh- oder Schindeldach oder ähnliches wirken kann. Zu solchen Einrichtungen wird mit Vorliebe eine recht dicke Wachskerze mit dünnem Dochte genommen, die viele Stunden, ja tagelang brennen kann, bis sie den unten angebrachten Zündstoff

217 erreicht, so daß der Täter genügend Gelegenheit hat, weit fort zu gehen und sein Alibi zu beweisen. Wiederholt wurde der Beweis einer solchen Tät in einfachster Weise dadurch erbracht, daß bei den betreffenden Händlern (allerdings nicht in unmittelbarer Nähe) nach dem Käufer einer solchen Kerze gefahndet wurde. Einen gewissen Nachteil hat eine solche Einrichtung dadurch, daß man das Licht der brennenden Kerze oft schwer verbergen kann. Deshalb werden lieber die im Volk gerade dieserhalben so sehr gefürchteten Brenngläser ver­ wendet. Zu haben ist ein solches (als Vergrößerungsglas, aus einem Fernrohr usw.) leicht genug ; es wird dann, etwa auf dem Dachboden neben einer Dachlucke, so festgemacht, daß es zu einer bestimmten Stunde, sagen wir um 10 Uhr vormittags, von der Sonne erreicht wird, deren Strahlen dann auf einem bestimmten Punkte vereinigt werden und die dort hingelegten Zündhölzchen entzünden können. Neben diesen liegt Papier, Heu, feines Holz usw. und dieser Brenn­ stoff steht mit Vorräten, dem. Strohdach usw. in Verbindung. Ist das alles hergerichtet, so wird das Brennglas bedeckt und so lange ge­ wartet, bis die Sonne das Brennglas heute nicht rnehr erreicht; ist das, etwa um 1 Uhr nachmittags, erreicht, so wird die Bedeckung hinweggenommen und der Täter kann sicher sein, daß der Brand nicht vor 10 Uhr des nächsten Tages entsteht, er hat also 21 Stunden Zeit, sich zu entfernen. Scheint am nächsten Tage keine Sonne, um so besser für ihn, er hat noch weitere 24 Stunden Zeit, um sich noch weiter hinweg zu begeben. In einem solchen Falle können Forschungen über den Besitz oder den Erwerb eines Brennglases wichtig werden, ja in einem bestimmten Falle wurde sogar ein Klümpchen geschmolzenes Glas an einer Stelle gefunden, wo anderes Glas nicht leicht hin­ kommen konnte. Einfacher, aber weniger verläßlich und nicht so viel Zeit sichernd, sind die sog. Zündschnüre, Zündbänder usw. Landleute stellen diese meistens so her, daß gewöhnlicher Zunder (Feuerschwamm) in schmale Streifen zerschnitten wird, die an den Enden zusammengenäht werden. Zündet man ein Ende an, so dauert es bei entsprechend langen Bändern allerdings lange, bis das andere Ende erreicht ist, aber die Gefahr des Auslöschens, besonders an den Nahtstellen, ist bedeutend. Außerdem werden häufig sog. Lunten verwendet, jene gelben Woll­ schnüre, die man an Feuerzeugen zu verwenden pflegt; sie brennen aber rasch, so daß der Täter gezwungen ist, viele Meter davon (wohl in verschiedenen Läden) zu kaufen und die einzelnen Stücke zu ver­ binden. Übrigens machen sich die Leute solche Lunten auch selbst, indem sie dicke Wollschnüre in starker Salpeterlösung tränken. Eine gewisse Verbreitung haben auch Weckeruhren gefunden, namentlich solche, die gleichzeitig mit dem Alarmgeben ein Wachs­ zündhölzchen (durch Loslassen einer gespannten Feder und Anreiben an rauher Fläche) entzünden. Natürlich wird der Lärm machende Klöppel herausgenommen, so daß der Wecker lediglich das Licht- bzw. Feuermachen besorgt. Die weitere Ausbildung dieses Gedankens ist in den sog. Thomas-

218 uhren gelegen, starke, möglichst leise gehende Uhrwerke, die so ein­ gerichtet sind, daß sie, einmal aufgezogen, lange Zeit, (bis zu nlehreren Wochen) fortgehen und dann zur gewünschten Zeit eine gespannte, starke Feder auslösen. Diese Feder hat an ihrem Ende einen hammer­ artigen Kopf, der auf eine Zündmasse schlägt, und so nach Belieben ein Feuer oder eine Explosion verursachen kann. Diese Uhren wurden schon oft auf hochversicherten, alten Schiffen untergebracht, so daß die Schiffe in die Luft gingen und sanken. Ebensogut können diese Uhren aber auch zu Brandstiftungen in der gefährlichsten Weise ver­ wendet werden. In Städten hat man auch die Läutetclegraphen zu derartigen Zwecken verwendet, welches Vorgehen in mehrfacher Beziehung ge­ fährlich ist. Aus dem Läutewerk eines gewöhnlichen Hanstelegraphen wird die Glocke entfernt und statt ihr ein recht dünnwandiges Fläschchen mit Schwefelsäure befestigt, unter welches ein Gefäß mit irgendeiner Substanz gestellt wird, die durch konzentrierte Säure zu brennen anfängt, z. B. ein Gemenge von chlorsaurem Kali und Zucker. Daneben kommt dann Zündstoff usw., wie sonst besprochen. Läutet nun jemand, z. B. ein deshalb gesendeter Bote oder ein Telegraphen­ bote, so zerschlägt der Klöppel das Fläschchen, die Schwefelsäure fließt in die Mischung usw. In ähnlicher Weise kann derselbe chemische Vorgang selbsttätig wirkend hergestellt werden, wenn man das Fläschchen verkorkt und verkehrt über der Mischung von chlorsaurem Kali und Zucker auf­ hängt: die Schwefelsäure frißt den Kork durch und fließt in die Feuermischung. Dabei hat man es vollkommen in der Hand zu bestimmen, nach welcher Zeit das Feuer entstehen soll, indem man den Kork nach Bedarf dicker oder dünner wählt — wie stark er sein soll, läßt sich durch Versuche leicht feststellen. Ähnliche chemische Wirkungen gibt es übrigens unzählige, sie sind unter den Namen „Flüssiges Feuer", „Griechisches, Lothringer, Fenisches Feuer" bekannt genug und in jedem Lehrbuche der Chemie beschrieben; die Hauptbestandteile sind Phosphor, Schwefelkohlenstoff, Benzin, metallisches Kalium, Wasser, Chlorschwefel, Ammoniak, Schwefelsäure, chlorsaures Kali, alle stickstoffhaltigen Substanzen usw. Je nach Bedarf können die Verbindungen so zusammengestellt werden, daß entweder von selbst, d. h. durch selbsttätige Vorgänge (Verdampfen, Zerstören einer Trennungsmasse, Zersetzen usw.) oder durch äußere Vorgänge (Erwärmung, Bewegung, Luftzutritt usw.) Feuer oder Zündschlag entsteht. Die Verwertung solcher Vorgänge ist natürlich eine ebenso sichere als vielfache. Daß man von den Dingen Kenntnis hat, ist deshalb von größter Wichtigkeit, weil sorgsame Forschungen leicht etwas Verdächtigendes, mitunter sogar Beweisendes zutage bringen können. Freilich muß vorerst durch peinliche Erhebung des kleinsten Tatbestandes ein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, in welcher Richtung- weiter gesucht werden soll. Hat man diesfalls gar keinen Hinweis, so tappt man im Finstern, aber irgendeinen Finger­ zeig gibt die Tatbestandserhebung fast immer, und dann ist die Frage

219 naheliegend, ob der Verdächtigte (oder irgendeine Person, die zur Sache Beziehungen hat), etwa eine Weckeruhr besaß oder erwarb, ob sie sich um chemische Dinge (Lehrbücher, Chemikalien usw.) gekümmert hat usw.; die weitere Frage um ein warum, >vohin, wozu usw. wird schon mehr Klarheit in die Sache bringen. Kurz, gerade in dieser Richtung kann nicht genug auf genaue Erhebung und Bertoertung des Gewonnenen gedrungen werden. So wichtig diese Erhebungen und Kenntnisse aber auch sind, und so wenig etwa zu Leichtsinn und Sorglosigkeit geraten werden soll, so sehr muß doch darauf hingewiesen werden, oaß man hier nicht allzu schwarz sehen und überall eine Brandstiftung vermuten soll, wo man die Brandursache nicht gleich entdecken kann. Vor allem ist die dumme Unvorsichtigkeit der Leute unglaublich groß und ist dadurch ein Brand entstanden, so gestehen sie ihre Schuld ebensowenig ein, wie etwa Kinder, die mit Zündhölzchen oder glühen­ den Kohlen gespielt und ein Unheil angerichtet haben. Ebenso darf nicht vergessen werden, daß es zwar eigentliche Pyromanie (krank­ hafte Sucht, Feuer zu machen) nicht gibt, daß aber eine eigentümliche Veranlagung in dieser Richtung doch nicht geleugnet werden kann. Besonders zu berücksichtigen sind da junge Leute in der Entwicklungs­ zeit (12—15 Jahre). Man kennt Beispiele, oaß sonst vortrefflich geartete Knaben wiederholt Feuer gelegt l)aben, bloß um das Ver­ gnügen zu haben, die Feuerwehr ausfahren zu sehen. Ebenso weiß mau, daß Mädchen im Pubertätsalter (13—15 Jahre) aus Langweile, Liebeskummer, besonders aber aus Heimweh zu Brandstiftungen griffen, bloß um ihren gedrückten Gefühlen Luft zu machen. Solche Möglichkeiten sind stets im Auge zu behalten, es kann mancher Ver­ dächtigung Unschuldiger dadurch vorgebeugt werden. Endlich darf nicht vergessen werden, daß Selbstentzündungen nicht bloß möglich sind, sondern auch häufiger vorkommen, als man an­ nimmt. Unter gewissen Umständen können manche Substanzen aus verschiedenen, nicht näher zu erörternden Gründen einfach Feuer fangen, ohne daß von außen eingewirkt wurde; für uns am wichtigsten ist: feucht eingebrachtes Heu, gewisse, namentlich Schwefelkies ent­ haltende Kohlen, dann Gewebe, die mit Öl getränkt sind (namentlich Putzlappen, Werg, Baumwolle, die zum Reinigen schmieriger Maschinen verwendet werden), Kienruß, Torsstreu, Getreide, Guano, Knochen­ mehl, Sägespäne, Stroh, Tabak und ähnliche Substanzen. Wahr­ scheinlich findet hierbei Selbstentzündung bloß statt, ioentt die Gegen­ stände feucht zusammengetan (namentlich gepreßt) oder mit Fett, besonders Leinöl, in Berührung gebracht wurden. Andere Gründe von Selbstentzündung liegen vor bei frisch verkohltem Papier, das bloß durch Luftaufnahme brennen kann und, was besonders wichtig ist, bei Benzin. Dieses so verbreitete und höchst gefährliche Ding brennt besonders leicht, wenn sich daneben eine Flamme (auch in großer Entfernung) befindet, weil die Dämpfe des Benzins durch Zug usw. bis zur Flamme geweht werden können. Es ist aber auch nicht zu bestreiten, daß Benzin unter Umständen ganz von selbst in

220 Brand geraten kann. Keine eigentliche Selbstentzündung liegt vor, wenn Räume mit Mehl-, Flachs-, Jute-, Hanfstaub usw. gefüllt sind; betritt man einen solchen Raum mit offenem Licht, so entzünden sich durch die Zugluft diese Staubatmosphären zündschlagartig. Hierher gehören auch Entzündungen durch ungelöschten Kalk, der naß wurde und ähnliche chemische Erscheinungen. Nicht übersehen darf es endlich werden, daß unter Umständen auch Sonnenstrahlen Brände erzeugen können, wenn sie durch gewisse Gläser usw. auf einen Punkt vereinigt werden. So ist es vorge­ kommen, daß eine Wasserflasche als Brennglas gewirkt und den Tisch­ teppich angezündet hat; ähnlich wirken aber viele Gegenstände, z. B. Brillen, die Linsen von Fernrohren, photographischen Apparaten, dann gewisse Glaskugeln, die als Beschwersteine oder zur Licht­ verstärkung verwendet werden, die sog. altdeutschen, kreisrunden Putzenscheiben, ja sogar gewisse Blasen und sog. Schlieren in gewöhn­ lichem Fensterglas. Auch als Brennspiegel können z. B. aufgehängte Schüsseln, Teller, Lampenblenden, vertiefte Metallscheiben usw. dienen und feuergefährliche Gegenstände auf größere Entfernung in Brand setzen. Wie oft durch Kurzschluß Brände entstehen können, ist wohlbekannt. Dies alles will berücksichtigt und verwertet werden, damit man nicht ungerecht und ohne Grund von verbrecherischer Brandstiftung redet.

XVII. Abschnitt.

Unfälle bei großen Betrieben. Die Schwierigkeit, die sich bei solchen Erhebungen immer für den Kriminalisten ergibt, liegt darin, daß hierzu eigentlich wesentliche technische Kenntnisse gehören, die er fast nie besitzt und die sich durch die beigebenen technischen Sachverständigen keineswegs vollkommen beheben lassen: einerseits hat man diese int wichtigsten, d. h. ersten Augenblick selten zur Hand und anderseits kann man nicht vor jeder Frage, die man an einen Zeugen oder Beschuldigten stellt, erst den Sachverständigen zu Rate ziehen und sich von ihm belehren lassen. Wer daher keine technischen Kenntnisse besitzt, wird sich die ersten Male, in welchen er bei einem größeren Unfälle in mannigfaltigen Betrieben arbeiten soll, sicher schwer tun und einen Fehler um den anderen begehen; aber das eine Gute haben diese Arbeiten doch: sie sind für den Kriminalisten sehr ähnlich, wenn sie auch äußerlich ganz anders aussehen, und wer einige Eisenbahnunfälle bearbeitet hat, der findet sich dann auch bei Kesselexplosionen, Gebäudeeinstürzen, Berg­ werksunglücksfällen und ähnlichem leichter zurecht, wenn er sich nur die ersten Male genügende Mühe gegeben hat. Auch hier gilt für den Kriminalisten abermals der Grundsatz, daß er viel mehr Menschen­ kenntnis als Sachkenntnis braucht, zum mindesten, daß er mit ersterer viel von letzterer ersetzen kann.

220 Brand geraten kann. Keine eigentliche Selbstentzündung liegt vor, wenn Räume mit Mehl-, Flachs-, Jute-, Hanfstaub usw. gefüllt sind; betritt man einen solchen Raum mit offenem Licht, so entzünden sich durch die Zugluft diese Staubatmosphären zündschlagartig. Hierher gehören auch Entzündungen durch ungelöschten Kalk, der naß wurde und ähnliche chemische Erscheinungen. Nicht übersehen darf es endlich werden, daß unter Umständen auch Sonnenstrahlen Brände erzeugen können, wenn sie durch gewisse Gläser usw. auf einen Punkt vereinigt werden. So ist es vorge­ kommen, daß eine Wasserflasche als Brennglas gewirkt und den Tisch­ teppich angezündet hat; ähnlich wirken aber viele Gegenstände, z. B. Brillen, die Linsen von Fernrohren, photographischen Apparaten, dann gewisse Glaskugeln, die als Beschwersteine oder zur Licht­ verstärkung verwendet werden, die sog. altdeutschen, kreisrunden Putzenscheiben, ja sogar gewisse Blasen und sog. Schlieren in gewöhn­ lichem Fensterglas. Auch als Brennspiegel können z. B. aufgehängte Schüsseln, Teller, Lampenblenden, vertiefte Metallscheiben usw. dienen und feuergefährliche Gegenstände auf größere Entfernung in Brand setzen. Wie oft durch Kurzschluß Brände entstehen können, ist wohlbekannt. Dies alles will berücksichtigt und verwertet werden, damit man nicht ungerecht und ohne Grund von verbrecherischer Brandstiftung redet.

XVII. Abschnitt.

Unfälle bei großen Betrieben. Die Schwierigkeit, die sich bei solchen Erhebungen immer für den Kriminalisten ergibt, liegt darin, daß hierzu eigentlich wesentliche technische Kenntnisse gehören, die er fast nie besitzt und die sich durch die beigebenen technischen Sachverständigen keineswegs vollkommen beheben lassen: einerseits hat man diese int wichtigsten, d. h. ersten Augenblick selten zur Hand und anderseits kann man nicht vor jeder Frage, die man an einen Zeugen oder Beschuldigten stellt, erst den Sachverständigen zu Rate ziehen und sich von ihm belehren lassen. Wer daher keine technischen Kenntnisse besitzt, wird sich die ersten Male, in welchen er bei einem größeren Unfälle in mannigfaltigen Betrieben arbeiten soll, sicher schwer tun und einen Fehler um den anderen begehen; aber das eine Gute haben diese Arbeiten doch: sie sind für den Kriminalisten sehr ähnlich, wenn sie auch äußerlich ganz anders aussehen, und wer einige Eisenbahnunfälle bearbeitet hat, der findet sich dann auch bei Kesselexplosionen, Gebäudeeinstürzen, Berg­ werksunglücksfällen und ähnlichem leichter zurecht, wenn er sich nur die ersten Male genügende Mühe gegeben hat. Auch hier gilt für den Kriminalisten abermals der Grundsatz, daß er viel mehr Menschen­ kenntnis als Sachkenntnis braucht, zum mindesten, daß er mit ersterer viel von letzterer ersetzen kann.

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Im besonderen merke: 1. Das Wichtigste liegt hier in der Raschheit des Handelns: sehr oft sieht man unmittelbar nach dem Unfälle alles, kurze Zeit später gar nichts mehr. Es ist begreiflich, daß aus verschiedenen Gründen oft bald mit der Beseitigung der Trümmer begonnen wird, wodurch das klärende Bild verwischt, das Corpus delicti beseitigt und der ganze Sachverhalt geändert wird. Außerdem wird natürlich ein solches Unglück, namentlich wenn es viel an Menschenleben gekostet hat, endlos besprochen, teils weil das schon so im Wesen der Leute gelegen ist, teils weil gewissen Beteiligten daran gelegen ist, den ganzen Unfall und die Schuld daran in einem bestimmten Lichte darzustellen. Ohne daß man jemanden zu falschen Angaben veranlaßt, glauben die Leute schließlich wirklich, daß sich alles so zugetragen hat, inte man es ihnen wiederholt und eindringlich gesagt hat, keiner weiß mehr, was er selbst wahrgenommen und zuerst geglaubt hat und was man ihm weiß zu machen suchte, und so kann bestimmt behauptet werden: gerade in solchen erschreckenden und aufregenden Fällen, bei welchen die Schuld nicht leicht festzustellen ist und viel von der Auffassung abhängt, sind nur solche Aussagen richtig und brauchbar, die sofort und unbeeinflußt abgegeben werden — Schnelligkeit ist daher die Hauptsache.

2. Kommt man rasch auf die Unfallstätte, so findet mau Schreck­ liches und Verwirrendes genug: Getötete, jammernde Verwundete, erschreckte Arbeiter und Trümmer und Zerstörung — alles erschwert ruhige Beobachtung und klares Sehen. In vielen Fällen wird man sofort von unterrichteter Seite mit Darstellungen über den Hergang bestürmt und davon unterrichtet, daß niemand die Schuld trägt oder höchstens derjenige, der dabei den Tod gefunden hat oder sonst nicht bestraft werden kann. Das nächste ist dann die Versicherung, cs müsse sofort mit „Sicherungsarbeiten" und „Rettungsaktionen" vorgegangen werden, weil Zündschläge, Einstürze, Feuersgefahr drohen und weil noch ein „Vermißter" unter den Trümmern gesucht werden müsse. Häufig ist das alles wahr, mitunter sollen aber diese Tätigkeiten nur den Zweck haben, die Sachlage zu verwirren, bedenkliche Anlagen, fehlerhafte Konstruktionen, Corpora delicti usw. zu beseitigen, kurz die Möglichkeit eines Schuldbeweises zu verstören. Sich gegen solche Arbeiten zu wehren ist nicht gut rötlich, da die Behauptungen doch wahr sein können und da niemand die betrefi'nde Verantwortung auf sich nehmen will. Was man hierbei tun kann, besteht einzig darin, daß man den auf „Räumungsarbeiten" Dringenden erklärt, was man vermutet, daß man sie für den Erfolg verantwortlich macht, daß man sich beeilt, den gegenwärtigen Zustand genau aufzunehmen und den Vorgang der angeblichen Sicherungsarbeiten Schritt für Schritt zu verzeichnen; endlich achte man strenge darauf, daß nichts beseitigt wird, was ein Corpus delicti darstellen kann, und daß unter keiner Bedingung die Räumungsarbeiten zu Verräumungsarbeiten werden, die nur den

222 . — Zweck haben können, die Aufklärungen der später eintreffenden Sach­ verständigen zu erschweren oder unmöglich zu machen. Geht man so vor, so verhütet man zuverlässig wenigstens die ärgsten Vertuschungen, die so oft zur Belastung Unschuldiger werden können. 3. Nach den heutigen Erfahrungen geht die Verantwortung bei solchen Unfällen leider häufig an irgendeinem Arbeiter, Heizer, Taglöhner, Maschinenwärter, Wächter usw. ans. Tatsächlich wird das auch richtig sein, er wird derjenige sein, der den Stein ins Rollen brachte und tatsächlich das Unglück veranlaßte. Anders gestaltet sich aber die Sache, wenn man fragt, ob der Mann nach seiner Kraft, seiner Intelligenz, seiner Stellung und nach der Anstrengung, der er ausgesetzt war, das Geforderte leisten und ver­ antworten konnte, was geschehen ist; dann wird man in der Regel finden, daß nicht er der Schuldige ist, sondern der, der ihn zur Arbeit bestellte, der ihn überanstrengte, seine etwa vorgebrachten Beschwerden nicht hörte, der, kurz gesagt, möglichst viel möglichst billig geleistet haben wollte. Erst dann, wenn man festgestellt hat, wer in unseliger Sparsamkeit und Geldmacherei den fraglichen Posten nicht genügend besetzt hat, erst dann hat man den Richtigen und nicht dann, wenn man bewiesen hat, daß ein Arbeiter vor Übermüdung eingeschlafen ist, oder daß ein Taglöhncr eine schwierig zu behandelnde Maschine nicht sachgemäß zu bedienen verstanden hat. 4. Durch das bloße Verursachen eines Unglücks­ falles ist noch nicht die Strafbarkeit des Verur­ sachenden eingetreten; hiezu bedarf es entweder der Vorsätzlichkeit oder einer Fahrlässigkeit; darauf ist bei der Erhebung Gewicht zu legen. Zu diesem Zwecke wird stets eine genaue Durchsicht der be­ stehenden Vorschriften (Arbeiterschutzgesetze, Betriebsordnung, Dienst­ vorschrift u. ähnl.) erfolgen müssen, mit denen man sich gleich zu Beginn der Amtshandlung wird vertraut machen müssen. Erst durch die Kenntnis dieser Vorschriften und Verfügungen wird ein sicherer Rahmen für das etwa vorliegende Verschulden einer oder mehrerer Personen gegeben sein, von dem sich die so häufig vorkommenden Fälle eines nicht voraussehbaren Unglücks, eines unglücklichen Zu­ falles abheben. Es wird aber auch zu erheben sein, ob die bestehenden Vor­ schriften auch durchaus ernst zu nehmen sind und von den Betroffenen ernst genommen werden mußten. Nicht selten kommt es vor, daß Vorschriften von der Aufsichtsbehörde nur herangezogen werden, wenn für einen Unfall ein Schuldtragender gefunden werden soll, und daß eine restlose Befolgung dieser Vorschriften durch alle Angestellten mit der Lahmlegung des Betriebes gleichbedeutend wäre. In solchen Fällen kann nicht der Wortlaut der Vorschrift, sondern die geübte und geduldete Art ihrer Durchführung von Entscheidung sein.

223 XVIII. Abschnitt.

Kindermißhandlung. Es ist eine der vielen bösen Folgen des Krieges, daß in den Großstädten offenbar unter Einwirkung der erschwerten Lebens­ bedingungen, vielleicht auch durch die Wertoerminderung des mensch­ lichen Lebens als Rechtsgut die Mißhandlungen von Kindern bei schweren Folgen, ja mit tödlichem Ausgange in starker Zunahme begriffen sind; es ist daher um so dringender geboten, auf die genaueste, rechtzeitige Erforschung des strafbaren Tatbestandes das Augenmerk zu richten. Ist doch die Unterscheidung zwischen zweck­ widriger, übertriebener Züchtigung einerseits und vorsätzlicher, viel­ leicht in Tötungsabsicht erfolgter systematischer Körperverletzung andererseits insbesondere dort eine schwierige, ivo nicht schon das zarte Alter des Kindes (vielleicht eines Säuglings) klar auf bösen Vorsatz hinweist. Ich verfolge seit Jahren alle mir bekannt gewordenen Fälle schwerer, vorsätzlicher Kindermißhandlung und kann feststellen, daß alle diese Fälle, was das Vorgehen der Beschuldigten im großen und ganzen, deren Verantwortung und die Beweggründe zur Tat anlangt, einander ungemein ähneln und daher eine Unterstellung unter einen allgemeinen Gesichtspunkt gestatten.

Der Regel nach kommen als Opfer schwerer Mißhandlungen Kinder im Alter von höchstens sechs Jahren, ausnahmsweise zurück­ gebliebene, ältere Kinder in Betracht. Es hängt dies offenbar mit der Schulpflicht zusammen, die ein Verbergen schwerer Mißhandlungs­ spuren bei einem schulpflichtigen Kind erschwert. Regelmäßig handelt es sich uin Kinder- die durch längere Zeit von einer öffentlichen Anstalt oder sonst außerhalb des Elternhauses aufgezogen und erst nach Jahren der außerehelichen Mutter oder den Eltern zur weiteren Versorgung und Erziehung übergeben wurden. Hierdurch allein schon tritt das Kind als eine Art Fremdkörper in die Familie ein; es wird als eine Last empfunden, lipt der gar nicht mehr gerechnet worden war. Das Kind ist durch die lange Ab­ wesenheit vom Elternhause diesem völlig fremd oder zumindest ent­ fremdet und bringt daher auch den Eltern nicht die Liebe entgegen, welche, sich diese vielleicht erwarten. Die Eltern bemühen sich aber gar nicht, das Kind für sich zu gewinnen, das Kind sehnt sich nach den früheren Verhältnissen um so mehr, je größer der Unterschied zwischen früher und jetzt ist, es fühlt, sehr viel verloren, nichts gewonnen zu haben und äußert diese seine Gefühle nach Kindesart mehr oder weniger unumwunden, was von den Eltern als Mangel an Kindesliebe, als angeborene Gefühllosigkeit, ja Schlechtigkeit aus­ gelegt wird und allmählich zu einem förmlichen Haß gegen das Kind führt. Das Kind wird vernachlässigt, schlecht behandelt, schlecht genährt und gepflegt, die allfälligen Geschwister werden ihm gegenüber bevor-

224 zugt; es wird nun störrisch und unfolgsam, aber auch schwächlich und kränklich, so daß es seinen Altersgenossen gegenüber zurückbleibt. Es entbehrt jeder Leitung und Sorgfalt, wird daher auch unsauber, unrein, vielleicht auch diebisch, weil es alles entbehren muß und Hunger leidet. Darauf aber antworten die Eltern unter dem Scheine von Berechtigung mit angeblichen Züchtigungen, in Wirklichkeit oft barbarischen Mißhandlungen und Quälereien. Werden einmal die Folgen dieser Mißhandlung sichtbar, dann wird alles getan, um das Kind von der Außenwelt möglichst abzu­ schließen. Fragen der Nachbarn nach dem Kinde werden mit dessen angeblicher Kränklichkeit und Schonungsbedürftigkeit, Vorhalte wegen gehörten Weinens und Jammerns mit einem Fall aus dem Bett, vom Sessel u. ähnl. zu beantworten und zu erklären versucht. Jeder Besuch, insbesondere der eines Arztes, wird streng vermieden. Ist dann das Kind schließlich seinen Qualen erlegen, dann wird zunächst die Leiche möglichst schön hergerichtet und gebettet und dann erst der Arzt gerufen, dem vorgetäuscht wird, das Kind sei seit der Geburt kränklich und schwächlich, niemals aber erkennbar schwer krank gewesen, und sei erst in der vergangenen Nacht unvermutet gestorben. Ein oberflächlicher Befund wird nur allzu leicht zum Schluffe kommen, daß eine natürliche Todesursache (Lungen-oder Herzlähmung, angeborene Schwäche, akuter Darm- und Magenkatarrh, Tuberkulose u. ähnl.) vorliege, wobei aber die wichtige Frage, wodurch diese un­ mittelbare Todesursache ausgelöst wurde, unbeantwortet ist. Aus dem Vorgesagten ergibt sich auch schon der einzuschlagende Weg zur Erforschung des Sachverhaltes. Das erste Wort gebührt dem Arzte, der gerade in solchen Fällen ein auch forensisch erfahrender Ge­ richtsarzt sein soll. Dieser wird zunächst die genaueste Untersuchung des Kindeskörpers nach allen etwaigen Mißhandlungsspuren vor­ nehmen und an der Hand seines Befundes prüfen, ob die Behauptung der Eltern, es handle sich um Folgen eines Sturzes, um die Spuren aufgekratzter Abszesse u. ähnl. Glauben verdient; er wird aber auch das Knochengerüst des Kindes, insbesondere auch die Rippen nach all­ fälligen Brüchen, Merkmalen oder Resten solcher genauestens abtasten und nötigenfalls mit Röntgenaufnahmen allen Knochcnverdickungen nachgehen, die vielleicht von Knochenbrüchen herrühren könnten; er wird endlich den Entwicklungs- und Ernährungszustand des Kindes durch Messen und Wägen genau feststellen und mit dem Alter des Kindes und den Lebensverhältnissen der Eltern in Vergleich ziehen. Je nach Ausfall dieser ärztlichen Untersuchung werden die nächsten Erhebungen einzurichten sein. Vor allem tvird eine gründ­ liche Hausdurchsuchung nach Züchtigungsmitteln und Werkzeugen ver­ anlaßt werden müssen. Der Arzt wird auch hier nicht fehlen dürfen, weil gerade er auf Grund der Besichtigungen der Verletzungen und Mißhandlungsspuren auf Gegenstände wird aufmerksam machen können, die mit den festgestellten Verletzungen in Zusammenhang stehen können. So werden z. B. scharfkantige Stücke gespaltenen

225 Holzes dazu verwendet, das Kind darauf knien zu lassen, es werden Handgriffe und Stellungen ausgeklügelt, die dem Kinde möglichste Schmerzen und Leiden verursachen sollen, das Kind wird in der nächsten Nähe des heißen Herdes oder Ofens angefesselt, wird in einem modrigen Loch angebunden eingesperrt u. ähnl. Zum Schlage» werden nicht bloß Stöcke, Besenstiele, sondern auch Kohlenschaufeln, Schürhaken u. bergt verwendet. Auch auf die Besichtigung und Durchsuchung der Lagerstätte des Kindes wird Gewicht zu legen sein, denn sie gestattet so manchen Schluß auf die Behandlung des Kindes im allgemeinen. Diese wird auch durch die Vernehmung der Nachbarsleute fest­ gestellt werden müssen; die früheren Pfleger des Kindes werden über dessen seinerzeitiges Aussehen, seine damalige Aufführung genaue Auskünfte geben können. Nicht zu übersehen wird die Erhebung sein, wie das gestorbene Kind mit Kleidern und Wäsche versorgt war, ob diese nicht etwa schon in Erwartung des herbeigesehnten Todes veräußert wurden. Ich habe, wie erwähnt, nur einen Rahmen umschrieben, in dem der Großteil der Fälle schwerer Kindermißhandlungen hineiirpaßt. Selbstverständlich gibt es Fälle, die anders liegen und — namentlich psychologisch — andere Erklärungsgründe haben. Es kann z. B. Sadismus eine Rolle spielen, Eifersucht in Betracht kommen, es kann auch der Haß gegen das Kind in einem abstoßenden Gebrechen des­ selben zu suchen sein. Der Zweck dieser Besprechung liegt zunächst darin, zu zeigen, wie der Sachverhalt erforscht werden kann. Man hüte sich, Todesfälle von Kindern nachlässig zu beurteilen und die Bewilligung zur Be­ erdigung vorzeitig zu geben, ehe ein erfahrener lAerichtsarzt die Kindcsleiche genauestens untersucht hat, denn gerade in solchen Fällen kann das Grab auch den Schuldbeweis verhüllen. Man hüte sich aber auch, bei Verdacht mehr oder wmiger schwerer Kindermißhandlungen die genaueste Untersuchung des Kindes zu unterlassen und die faden­ scheinigen Behauptungen angeblich notwendiger erziehlicher Züchtigung un geprüft hinzunehmen. Ich glaube aber auch mit dieser Besprechung den Weg gewiesen zu haben, den die Jugendfürsorge zu gehen hat, um schwere Kindermißhandlungen zu verhüten. Ein jahrelang dem Elternhaus fernestehendes, von den eigenen Eltern ausgestoßenes Kind behandle man nicht bloß vom Kosten­ standpunkt und stelle es den Eltern niemals zurück, wenn diese nicht darum ansuchen und für eine liebevolle zweckmäßige Erziehung ver­ läßliche Bürgschaft leisten!

Groß-Hövler, Erforschung. 6. Ausl.

15

Alphabetisches Sach- und Personenregister. Die Zahlen bedeuten die Seiten.

A. Abdrücke bei Fußspuren 101. Aberglauben 80. — Diebstahl aus 193. Abformen 143. — von Fußspuren 145. Abklatschen 144. Ablenken der Aufmerksamkeit beim Stehlen 180. Abpausen von Fußspuren 101. Absatzlaufen 104. AbschraubgewehreI90. Abtreibung 166. Agentenbetrug 211. Agnoszierung — Wiedererkennen. Ähnlichkeit auf Grund der Verwandtschaft 70. Ärzte 30. — bei Lokalaugenschein 22. — bei Kindermißhandlung 223. Alibibeweise, falsche 14. Almanach, Gothaer 47. Alraun 83. Alter der Zeugen 12. Altertümer, Betrug bei 208. Amulette 82. Angel der Zigeuner 75. — bei Diebstahl 177. Angreifen der corp. del. 25. Ängstliche Zeugen 11. Annahmen und Zeugenaussagen 9. Anonyme Leute 44. Anthropometrie 47, 70. Antipathie 6. Arbeitsbuchfälschüng 198. Ärbeiterschutzgesetze 222. Arsen bei Zigeunern 77. Arzt als Sachverständiger 30. Asa foetida bei Zigeunern 77. Auffassung des Falles 3. Ausfassungsänderung und neu durchsehen 5. Aufpassen beim Diebstahl 177. Aufregung bei Zeugen 11. Aufsuchen von Verborgenem 26. Ausschreibungen beim Dieb 177.

Aufträge, schriftlich gegeben 7. Augenfarbe, falsche 41. Augenmaß, Zeichnen nach 130, 143. Augenschein 22. Ausbohren beim Diebstahl 185. Auskundschaften beim Stehlen 173. Auskünfte aus dem Tatort 24. Auskunftspersonen, besondere 6. — stets nennen 6. Aussehen, Änderung des 41. — des Falles 5. Auswärtsgehen 106.

B. Ballenlaufen 104. Bartänderungen 40. Bauschwindel 213. Bedingungen beim Plan 5. Befehl wiederholen lassen 7. Begangene Fehler eingestehen 8. Bekleidung bei Fußspuren 102. Benzin und Selbstentzündung 219. Bertillonage 42. Beschuldigte, Vernehmung der 16. Besetzen verschiedener Linien bei bungen 5. Betriebe, große, Unfälle bei 220. Betriebsordnungen 222. Betrug 194. Bewachung des Tatorts 26. Bewegungsart und Fußspur 103. Bezeichnen von corp. del. 127. Bezeichnungen beim Zeichnen 137. Bilder beim Wahrnehmen 3. Bilderschrift 53. Bildzauber 82. Birnstingl, Kriminalbeamter 117. Bißwunden 158. Blätter mit Blutspuren 115. Bleibender Punkt, Messen vom 25. Bloßfußgehen und Spur 102, 106. Blutmenge 115. Blutspuren 110. — und Mikroskopier 31.

Erhe­

227 Blutspuren beim Verpacken 127. Blutungen bei Leichen 158. Blutunterlaufungen 158. Bogenform von Fußspuren 109. Botaniker als Sachverständige 36. Brandstiftung 215. — fingierte 5. Breitspuriger Gang 105. Brennspiegel und -Gläser und Feuerent­ stehen 217. Briefsiegelfälschung 200. Briefspolierung 36. Brotkrume zum Formen 149. Büchsenmacher als Sachverständige 36.

C. Chemiker als Sachverständiger 35. Chemische Zündungen 218. Chiffren, geheime ö6. Chilfener 181. Cocain, Verwendung zu Anfällen 51.

D. Daktyloskopie 42. Damastläufe 89. Darlehensschwindel 212. Daumen als Zaubermittel 84. Degen 99. Dialekt und falsche Namen 45. Dickbäuchige und Spur 105. Diebskerzen 83. Diebstahl 173. — fingierter 5. — der Zigeuner 73. Diebswerkzeuge der Zigeuner 77. Dienstbotendiebstahl 1Ä2. Dienstgeber als Verleumder 192. Dienstmänner als Auskunftsperson 6. Dienstvorschrift 222. D^lch"^"^^ bei Brandstifter 215. Doppellagen der Stoffe durchsuchen 57. Drillbohrer und Kassen 187. Drohungen zur Erlangung von Geständ­ nissen 18. Drückeberger 18. Dry als Zigeunergift 77. Dubois Fingerabdrücke nach 116. Dummheit, falsche 52. — bei Verbrechensbegehung 4.

E. Ehrgefühl, Jugendlicher 21. Eichberg Dr. Franz 38. Eifrige Zeugen 14. Einbrecher 182. Einbruchsichere Kassen erbrechen 187. Eindrücke bei Fußspuren 103. Einfachste Lösung als die richtige 4.

Eingangsstelle bei Wunden 159. Eingehende Vernehmung bei Zeugen 14. Eingelerntes bei Zeugen 14. Einschleichdiebstahl 190. Einwärtsgehen 106. Eisenbahndieb 180. Entfernungsangaben vom bleibenden Punkt 25. Entladen von Handfeuerwaffen 93. Epilepsie ---- Fallsucht. Erde und Blutspritzer 114. Erdrosselte, Marken von 162. Erhalten von gewebten, gestrickten, genetzten, gefilzten Gegenständen 128. Erhängte, Marken von 162. Erkranken von Vorgeladenen 48. Ermel Paul 154. Ertrunkene 163. Erzählenlassen bei Leuten mit falschem Namen 47. Exkremente und Aberglaube 83. — und Mikroskopiker 32. Expansivgeschoß 97.

»♦ Fäden zu untersuchen 33. Fall, Auffassung des 3. Fallsucht 51. Falsches Geständnis 18. Falsche Fußspuren 107. — Namen 42. — Verbrechen 5. Falschschwören und Aberglauben 84. Fälschung 194. Farbenblindheit, Bericht über 31. Fehler, begangene, eingestehen 7. Fenstergitter s. Gitter. Fensterscheiben s. Scheiben. Feuerwaffen 86. — Entladen der 93. Fingerabdrücke 42, 116. Fingerlinien 42, 43. Fingernägel und Blutspritzer 115. — Schmutz unter den 35. Fingierte Verbrechen 5. Fischangeln beim Dieb 177. Form von Fußspuren 108. Formmaffe zum Abformen 144. Frau, bei jedem Verbrechen 7. Frauen als Zeugen 12. Freibriefe 82. Freiseher 85. Fremde Schuhe und Spuren 107. Fremdwörter 7. „Fuhren" in den Gefängnissen 64. Furchtlosigkeit bei Vernehmungen 16. Fußboden, Verborgenes unter dem 27. Fußspuren 99. — abformen 143.

228

G. Galgenmännchen 83. Galtons Verfahren 42. Gastwirte als Zeugen 6. Gangart und Spur 104. Gaunerkniffe 40. Gaunersprache 66. Gedächtnis und Zeugen 8. Gedächtnishilfen 9. Gefälschte Fußspuren 107. Gefängnisse, Verkehr in den 63. Gegenüberstellung 67. Geheimchiffren 55. Geheimtinten 57. Geheime Verständigung 53. Geisteskranke, Erhebungen über 51. Geldmacherei und Unfälle 222. Generalstabskarte s. Karte. Gerichtsärzte s. Arzt. Geschworene, Arbeiten für 7. Gesichtsausschlag, falscher 41. Gesichtsfarbe, Änderung der 40. Gestaltsänderungen 41. Geständnis 18. Gewehre 86. Gift der Zigeuner 77. Gips zum Formen 147. Gitter und Diebstahl 185. Glasscheiben s. Scheiben. Glyzerin bei Blutspuren 115. Gothaer Almanach 47. Gras mit Blutspuren 115. Greise als Zeugen 12. Griechisches Feuer 218. Größe von Fußspuren 108.

H. Haare, Untersuchung von 32. Haarveränderungen 32. Haiduschka Dr. 153. Handschar 99. Handschuhe beim Dieb 177. Handwerker Merkmale 45. Harz zum Formen 149. Hausdiebstahl 192. Heilmittel, abergläubische 81. Heimweh und Feuerlegen 219. Heindl Dr. Robert 38. Heißes Wasser und Blutspuren 115. Heraldik, Anwendung der 48. Hiebwaffen 98. Hiebwunden 159. Hilfen des Gedächtnisses 9. Hilfsmittel zu benützen 3. Hineindenken in die Lage des Zeugen 10,11. Hinterlader 86. Hirschfänger 99. Hosenschlitz zu durchsuchen 57. Hoteldieb 180.

I Jadzinken 60. Jahrmarktnotizen beim Dieb 177. Identität des Zeugen 14. Jndigopapier zum Vervielfältigen 150. Jnfanteriedolch 99. Jnnenraum, Zeichnen eines 133. Johanneshändchen 83. Joergensen Hakon 101. Jugendliche Vernehmung der 19.

K. Kalkwasser bei Blutspuren 115. Karte, Wichtigkeit der 2. Kartenaufschlagen 85. Kaffen, einbruchsichere eröffnen 187. Kaufhäuser, Diebstähle in 191. Kautionsschwindel 212. Kavalierwechsel 213. Keile beim Dieb 177. Keller, Verborgenes im 26. Kellner als Zeugen 6. Kenntnisse anderer zu benutzen 3. — des Kriminalisten 1. Kenzinkeu 61. Kerzenlicht und Blutspuren 111. Kinder als Zeugen 12. Kinderdiebstahl der Zigeuner 76. Kindermißhandlung 223. Kirchenuhren und Zeitfragen 10. Kleesalz und Blutspuren 115. Kleidung bei Gaunern 40. Klopfen in den Gefängnissen 63. Knaben als Zeugen 11. Knicker 99. Knetmassen zum Abformen 149. Kockel R. 118, 126. Kollodium für Zeichnungen 132. Kommissionstasche 23. Kompressionsgeschoß 97. Konfrontation — Gegenüberstellung. Konventionelle Bezeichnungen 137. Kopfverletzungen 160. — bei Zeugen 10. Körperliche Eigenschaften der Zigeuner 79. — Merkmale, verschiedene 45. Körperbeschädigung 157. Körperbeschädigung Fingierungen bei 5. Körpermeßverfahren 42. Kotspuren 103. Krähen bei vergrabenen Leichen 27. Krankheiten, Simulation von 48. Kratzwunden 160. Kreuzprojektion, Zeichnen in der 134. Kreditbetrug 213. Kugelpflaster 89. Kundschafter beim Diebstahl 173. Kunstsachen, Betrug mit 208.

229 L. Ladendieb 180, 190. „Lampen" als Warnruf63. Landkarte beim Dieb 177. Landschaftsteile, Skizzieren der 137. Langsamkeit des Wahrnehmens 9. Lausspur 104. Läutetelegraphen und Brandstiftung 218. Lautzinken 62. Lebhafte Zeugen 11. Lehm zum Formen 149. Leibesfruchtabtreibung 166. Leichen, verscharrte zu suchen 27. \ — Leichenteile 70. Leichenagnoszierung und Haare 69. Leiden, Simulation von 48. Leinwand zu untersuchen 33. Leitungen in oen Arresten, zum Verkehr 63. Leute, Kennenlernen seiner 2. „Lewon" als Warnruf 63. Lewone legen beim Stehlen 185, 186. Lichtpausverfahren 150. Lichtstümpfchen beim Dieb 176. Liebestränke 81. Linkshändler 52. Lothringisches Feuer 218. Lokalaugenschein 22. Lockrufe der Gauner 62. Luftschreiben, sogenanntes 60. Luftstreifschüsse 162. Lügen der Zeugen 12. Lupe und Blutspuren 111, 115.

M. Mädchen als Zeugen 12. Mädchenhändler 212. Männer als Zeugen 11. Marken an Erdrosselten 162. Marktdieb 190. Maschinenschrift, Fälschung der 197. Maßstab beim Zeichnen 132. Mauer, Verborgenes in der 26. Mauern und Blutspritzer 112. Meineid und Aberglauben 84. Menschen, Kennenlernen der 2. Menschenfleischfressen 84. Menschenfreundlichkeit u. Vertraulichkeit 17. Merkmale, körperliche, verschiedene 45. Messen, Genauigkeit im 130. Messungen, Verlässigkeit der 25. Mietkutscher als Auskunftspersonen 6. Mikrophotographie 38. Mikroskopier 3, 31. Militärische konventionelle Bezeichnungen 137. Millimeterpapier 133. Millimeterspurmesser 101. Mineraloge als Sachverständiger 36. Mittellinie bei Skizzieren 137.

Modellieren 142. Mommsenpapier zum Abklatschen 145. „Mondschein" als Warnruf 63. Mord und Aberglauben 84. Munition 97. Musiker, Schwielen der 46. Muttermale, falsche 41.

Nagelsystem beim Modellieren 142. Naheliegendes, Wichtigkeit des 4. Nägel bei Fußspuren 109. Nähte zu durchsuchen 57. Namen, falsche 42. — der Zigeuner 78. Narben der Handwerker 46. Nasen und falsches Aussehen 41. Negatives Anführen über den Tatort 25. Nestelknüpfen 83. Netzzeichnen 140. Notzucht, fingierte 5.

O. Ohnmacht, falsche 51. Örtliches bei Gedächtnishilfen 10. Ort und Stelle, Vernehmung an 10. Oxalsäure und Blutspuren 115.

P. Packen von Spuren 126. Palympsestphotographie 40. Pallasch 98. Pantoffel beim Dieb 176. Papier zum Abklatschen 144. Papier zu untersuchen 33. Papierkohle, Entzündung der 153. Papillarlinien 42, 116. Pausverfahren 150. Pech zum Formen 149. Perkussionsgewehre 91. Pfarreien, Leute aus verschiedenen un5 Zeitfrage 10. Pferdehandelbetrug 194. Pflaster beim Dieb 185. — beim Kugelschuß zu untersuchen 88. — Verborgenes unter dem 27. Pfosten 87. Phantasievolle Zeugen 11. Phosphor bei Zigeunern 77. Photographie, Bedeutung der 37. — und Blutspuren 113.' Photogrammetrie 38. Physiker als Sachverständige 36. Pistolen 94. Plan für Erhebungen 4. Plattensystem beim Modellieren 142. Polizeiblätter 42. Polizeihund 27.

230 Prellschüsse 123. Pressen der Zeugen 11. — des Geständnisses, 18. Pressionsgeschoß 97. Prostituierte als Auskunfspersonen 6. Prüfung von Zeugen 9. Pseudonyme Leute 45. Pubertätsalter und Feuerlegen 219. Punkt, bleibender. Messen vom 25.s „Putz" als Warnruf 63. Pyromanie 219.

O. Quis, quid, ubi usw. 24. Quälerei des Zeugen 11. Querulant 6.

R. Raben bei vergrabenen Leichen 27J Radierung 191. Radspuren 126. Randzünder 91. Raub, firmierter 5. Rausch, Kopfverletzung und Zeugenaus­ sage 10. Religion der Zigeuner 77. Revolver 95. Richtighalten seiner Karte 2. Richtungslinie und Spur 105. Rollen der Finger zum Zwecke des Ab­ druckes 44. Rotwelsch 66. Rubner Josef 117. Rupturen, innere 158. Ruthen und Zigeunerzinken 177.

S. Säbel 98. Sachverständige 28. Sachverständige Zeugen 15. Sand, Spuren im 103. Schartenspuren 37. Schattenmessen 83. Schätzen bei Wahrnehmungen 9. Schatzgraben 85. „Scheere" beim Stehlen 189. Scheerenschleiferzeichen 65. Scheiben, Schüsse auf 124. Schieber 7. Schießfach, Sachverständige im 36. Schießspuren 122. Schlafwandler, Bericht über 31. Schlösser erbrechen 187. Schlummerlichter 84. Schlüsse, bei Zeugenaussagen 8. Schmutz zu untersuchen 35. Schneidende Werkzeuge, Wunden durch 158. Schneider Rudolph 116. - dessen Verfahren 116.

Schneider dessen Folien 116. Schnelligkeit des Wahrnehmens 11. Schnittwunden 159. Schriften vervielfältigen 150. Schriftfälschungen 195. Schriftproben 39. Schriftsachverständige 39. Schrittlänge 104. Schrot 87. Schuhnägel und Spuren 109. Schuldiger, der eigentliche bei Unfällen 222. Schulkinder als Gehilfen beim Suchen 27. Schußwunden 161. Schwangere 12. — ihre Spur 105. Schwefel zum Formen 148. Schweigsame Zeugen 11. Schwerhörigkeit, falsche 50. Schwielen der Handwerker usw. 45. Schwören und Aberglauben 85. Selbstentzündungen 219. Selbsterheben und messen 6. Selbstladepistolen 96. Selbstmord 168. Selbstzucht 5. Sicherheitsketten 187. Sicherung von Spuren 114, 145. Siegelsälschungen 198. Signalementslehre 67. Simulation — Vortäuschen. Singen im Arrest 63. Sittlichkeitsvergehen bei Jugendlichen 20. Skizzieren 113, 133. Slichener Zinken 65. Soda und Blutspuren 115. Sommersprossen, falsche 41. Sonne und Feuerentstehen 220. Spähblätter 42. Spielbetrug 204. Spielsucht und Diebstahl 193. Sprengstoffe 155. Spritzer von Blut 112. Spurensicherung 114, 145. Staub zu untersuchen 34. Standhauer 99. Stearin zum Formen 146. — für Zeichnungen 132. Stechapfelsamen bei Zigeunern 77. Stehlen der Zigeuner 73. Stehspur 103. Steine und Zigeunerzinken 64. Steinschlösser 91. Stemmriegel bei Flügeltüren 187. Sterbende, Aussagen der 12. Stichwaffen 98. Stichwunden 159. Stiftzünder 91. Stilet 99. Stöcke und Aberglauben 84. Stockflinten 90.

231 Stockt Dr. 116, 149. Stockspuren 126. Stoffe, Untersuchen der 33. Streicher Dr. Hubert 197. Streichinstrumente, Verfälschen der 208. Streifwagendiebstahl 191. Stricke beim Dieb 177. — des Selbstmörders, Gegenstand des Aberglaubens 163. Strümpfe beim Dieb 177. Suggestivfragen 19. Sympathie 5. Sympathetische Tinten 59.

'.T. Tätowierung als Geheimschrift 60. Tafeln, Arbeiten mit 7. Tapeten und Blutspuren 111. Tapezierer, Veränderung der Zähne 46. Tasche für Kommissionen 23. Taschen beim Dieb 176. Taschenbücher für adelige Leute 47. Taschenviebstahl 188. Taschenuhr bei Wasserleichen 164. Tatort, Bewachung des 26. Taubheit, falsche 50. Teig zum Formen 149. Teilspuren auf hartem Boden 109. Terzerol 94. Thomasuhren 217. Tinten, geheime 59. Tischlerleim zum Formen 146. Torsion bei Fußspuren 109. Traumdeuten 85. Trittart und Spur 106, 107. Tropfspuren von Blut 112. Trunkenheit, Erhebung der 15. Trunksucht und Diebstahl 193. Türen, Erbrechen von 186. Türenverbinder der Zigeuner 74.

U. Überschlagener Gang 105. überstrichenes lesbar machen 154. Übertreibungen zu vermeiden 6. Uhr im Wasser 164. Uhren und Zeitfrage 10. Umgebung eines Hauses, Skizzieren der 136. Unbestimmte Angaben, Vermelden von 25. Unfälle bei großen Betrieben 220. Unmögliche Situationen in Zeugenaus­ sagen 14. Unschlitt zum Formen 149. Unterstützungen des Gedächtnisses 9. Unwahrheit der Zeugen 12. Urkundenfälschung 195.

B. Vampyrglauben 84. Verblaßtes lesbar machen 154.

Verborgenes aufsuchen 26. Verbrecheralbum 68.^3 Verbrecherhandschriften 70. Verdächtige Todesfälle anzuzeigen 30. Vergessen von Vorausgegangenem 11. Vergiftungen 164. -- .Bericht über 31. Vergrabenes, Suchen von 26. Verhaftete, ihr Verkehr nach außen" 14. Verhaftung um Geständnis zu erlangen 1{L Verkehr, geheimer, in den Gefängnissen 63. Verkohltes Papier Herstellen 152. Verkttrzungsverhältnis beim Photogra­ phieren 38. Verlegen des Vorganges bei falschen Alibi­ beweisen 14. Verletzte, Identität der 14. Vermittlungsschwindel 212. Vernehmung, Art der 1. — an Ort und Stelle 10. — Jugendlicher 15. — von Zeugen 8. Verschweigen begangener Fehler 8. Versetzen der Buchstaben des^Namens 48, Verständigung, geheime 60. Vertrauensmänner, suchen 3. Vertraulichkeit zu meiden 15. Verunreinigungen zu untersuchen 34. Vervielfältigen von Schriften usw. 150. Verwahren von Spuren 126. Vorausgegangenes, Vergessen von 11. Voraussetzungen bei Zeugen 8. Vorbereitungen beim Diebstahl 175. — für den Lokalaugenschein 22. Vorladungen von Zeugenidentität 14. Vorleben abfragen 17. Vorlegeketten 187. Vorleger beim Dieb 177. Vorstellen des vom Zeugen Gesagten 14, Vortäuschen von Krankheiten, Dummheit, — Geisteskrankheit, Fallsucht und dgl. 48. Vorweisen des falschen Werkzeuges 160.

W. Wachs zum Formen 148. Waffen 85. Wagenwinde beim Gitterausheben 186. Wahrheit bei Vernehmungen 14. — und Zeugenaussagen 8. Wandmachen beim Stehlen 179. Wappenzinken 53. Warnrufe der Gauner 62. Warzen, falsche 41. Wasser- und Blutspuren 115. Wasserleichen 163. Wechseln, Betrug mit 206. Weinlich Dr., Zeichnen nach 139. Weltgegenden angeben 25. Wesensgleichheit, Feststellung der 67.

232 Werkzeug, Borweisen des falschen 160. — stumpfes 156. — Spuren von 126. — zu Kindermißhandlung 224. Widersprüche bei Vernehmungen 13. — Aufklären durch Gegenüberstellung 67. Widerruf des Geständnisses 17. Wiederholenlassen des Befehls 7. Wiedererkennen 68, 69. Wissensquelle bei Gegenüberstellungen 68. Witterungsverhältnisse, deren Berücksich­ tigung 25. Wohnung, Skizzieren einer 135. Wurfangel 75.

B. Datagan 99.

3. Zähne, Veränderungen an ihnen Beruf 46. — Wiedererkennen an den 68. — falsches Aussehen 41. Zaponlack für Skizzen 132. Zauberei 82. Zaubertrommel 85. Zehengang und Spur 104.

durch

Zeichnen 128. — von Blutspuren 113. Zeichnungen vervielfältigen 150. Zeitfrage und Uhren 10. Zeitliches bei Gedächtnishilfen 10. Zeitzündung 215. Zellit 128, 133, 152. Zement zum Formen 149. Zentralzünder 91. Zerkautes Papier, behandeln 154. Zerrissenes Papier, zusammensetzen 150. Zeugen, sachverständige 15. Zeugen, Vernehmung von 8. Zeugenprüfungen 9. Zigeuner 71. Zigeunerangel 75. Zigeunerzeichen 64. Zimmer, Zeichnen eines 133, 135. Zinken 60, 61, 65. Züge im Gewehr 92. Zündschnüre beim Brandlegen 217. Zündvorrichtungen 91. Zuplanten beim Stehlen 179. Zurückgelassenes auf dem Tatort 25. — aus Aberglauben 83. Zurückkratzen bei Fußspuren 109. Zusammensetzen zerrissenen Papieres 150.