Die Pflichten des Waisenrates: Ein praktischer Leitfaden für Waisenräte und Verwaltungsbeamte [2., verm. u. verb. Aufl. Reprint 2020] 9783112381120, 9783112381113


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German Pages 33 [41] Year 1897

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Die Pflichten des Waisenrates: Ein praktischer Leitfaden für Waisenräte und Verwaltungsbeamte [2., verm. u. verb. Aufl. Reprint 2020]
 9783112381120, 9783112381113

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Die

WMm ife.s 3Uaisenrfttes. Kill prMWr Leilfa-en für

Wslsenräte und Verwaltungsbeamte bearbeitet von

F. Baum Amtsgericht5rat und vorinundschaftsrichter des Anitsgerichts Görlitz.

Zweite verniebrte und verbesserte Auflage.

Berlin H897. 3. 3- Seines Verlag.

Abkürzungen. Absatz = Abs. Allgemeines preußisches Landrecht = Allg.L R. Bürgerliches Gesetzbuch = B G B. Civilprozeßordnung = C.P.O. Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung --- Ges. ü. d. allg. L.Verw. Gesetzsammlung = G.S. Konkursordnung = K.O. Kreisordnung = Kr.O. Landgemeinde-Ordnung = Landgem.O. Ministerialblatt für innere Verwaltung = M.Bl. f. i. V. Seite — S. Städteordnung = St.O. Strafgesetzbuch = St.GB. Vormundschaftsordnung = VO. Zuständigkeitsgesetz = Zust.G.

Inhaltsverzeichnis. Seite

L Organisation des Waisenrates............................... 1—5 1. Das Waisenratsamt............................................. 1 2. Wahl des Waisenrates....................................... 2 3. Verpflichtung des Waisenrates........................ 3 4. Welche Personen find von der Gemeinde zu Waisenräten zu wählen?................................ 4 5. Verbindung des Waisenrates mit der Armenkommisfion............................................... 4 6. Verbindung des Waisenrates mit der Schulkommisfion...................................................... 4,5 7. Der Waisenrat benachbarterGemeinden ... 5 8. Anzeige seitens der Aufstchtsbehörde an das Vor­ mundschaftsgericht von der Verpflichtung der Waisenräte.......................................................... 5

II. Thätigkeit und Wirksamkeit des Waisenrates 5-28 1. Die vom Waisenrat zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen........................................................... 6,7 2. Aufsicht des Waisenrates über die Mündel a. bei der gerichtlich eingeleiteten Vormundschaft 8,9 b. bei den nach dem Gesetz vom 13. März 1878 in Zwangserziehung gebrachten Kindern 10 3. Verpflichtung des Waisenrates des bisherigen Aufenthaltsortes des Mündels, bei einem Wechsel des Wohnortes seitens des letzteren den Waisenrat des neuen Aufenthaltsortes von diesem Verzüge zu benachrichtigen . . 10,11

Seite

4.

Ersuchen des Vormundschaftsgerichls an den Waisenrat um Benennung eines Vormundes oder Gegenvormundes.......................... 12

5.

Verpflichtung des Waisenrates, die Verhältniffe der als Vormünder vorzuschlagenden Personen — insbesondere bei Vormundschaften mit Ver­ mögensverwaltung — zu prüfen .... Beim Vorschläge eines Vonnundes oder Gegen­ vormundes vom Waisenrat zu beachtende ge­ setzliche Bestimmungen.......................... 13,14

6.

7. 8. 9.

13

Gesetzlich berufene Vormünder......................... 14 Die Mutter als Vormund ihrer Kinder ... 15 Der durch eine gesetzlich gültige Urkunde berufene Vormund..........................................................15,16 10. Religiöses Bekenntnis ......... 16 11. Zur Führung der Vormundschaft unfähige Personen ........................................................... 16-19 12. Gesetzliche Vormundschaft.....................................19-22 a. Gesetzlicher Vormund eines unehelichen Kindes ist der Vater der Mutter desselben 19 b. Benachrichtigung des Waisenrates von der gesetzlichen Vormundschaft, verbunden mit dem Ersuchen um Mitteilung über Fähig­ keit bezw. Unfähigkeit des mütterlichen Großvaters eines unehelichen Kindes zur Führung der Vormundschaft über dasselbe 20 c. Antwortschreiben des Waisenrates ... 21 d. Benachrichtigung des Vaters der unehelichen Mutter davon, daß er gesetzlicher Vormund seines Enkels sei.................................... 21 e. Die Verpflichtung einer unehelichen Mutter als Vormund ihres Kindes ist in der Regel zu unterlassen......................................... 22 f. Der Vater eines unehelichen Kindes darf nie dessen Vormund werden............... 22

Seite

13.

Ter Stiefvater als Vormund...........................

14.

Gesetzliche Ablchnungsgründe bezüglich der Ueber­

15.

nahme einer Vormundschaft................. 23,24 Beamte als Vormünder........................................ 23,24

16.

Notwendigkeit

einer

Rücksprache

Waisenrates mit der

feiten-

des

als Vormund vorzu­

schlagenden Person................................

17.

23

24

Einholung einer Auskunft über die Verhaltniffe

einer vorzuschlagenden Person bei der Ortspolizeibehörde oder dem Ortsgeistlichen

.

.

18.

Verzeichnis A über gesetzliche und gerichtlich ein­

19.

geleitete Vormundschaften..................... Verzeichnis B betreffend Eintragungen

20.

Nutzen der obigen Verzeichniffe und ihre Be­

21.

Ersuchen deS Dormundschastsgerichts

25

25 beim

Wechsel des Wohnortes seitens der Mündel

26

handlung durch den Waisenrat.......... 26-28

an

den

29

Waismrat um Benennung eines Pflegers

22.

Pflegschaften, bei denen der Waisenrat keinen

Pfleger vorzuschlagen hat und keine Benach­ richtigung von der Verpflichtung deS Klägers

erhalt............................................................

29

IIL Geschäftsverkehr deS WaifenrateS mit dem DormuudfchaftSgericht............................... 30 IV. Geschäftsführung deS WaifenrateS .... 30-31 Ausgabenbuch....................................................................

31

Vorwort zur zweiten Auflage. Die in dem „Jrmstischen Litteraturblatt" 9kr. 63 vom 15. März 1895 enthaltene Kritik hat den Verfasser dieses praktischen Leitfadens, dessen erste Auflage bereits vergriffen

ist, veranlaßt, in der vorliegenden zweiten Auflage die ge­ rügten Mängel möglichst abzustellen.

Daß die kleine Schrift neben den mehrfach vorhandenen ähnlichen doch, wie der schnelle Umsatz erwiesen hat, brauch­

bar gewesen ist, gereicht dem Verfasser zur größten Freude, verpflichtet chn aber gleichzeitig zum Dank denjenigen Herren

gegenüber, welche für die Verbreitung des Merkchens thätig

gewesen sind. Außer auf Abstellung der der ersten Auflage anhaftenden

Mängel ist Verfasser auch darauf bedacht gewesen, die von

den verschiedenen Behörden inzwischen erlassenen Verfügungen thunlichst zu berücksichtigen, und erlaubt sich an dieser Stelle

namentlich

Herrn Pastor Schmogrow-Kummerwitz,

Kreis

Görlitz, seinen verbindlichsten Dank für die Zustellung der Verordnungen der geistlichen Oberbehörden, sowie für zahl­

reiche

andere nützliche Minke geziemend zum Ausdruck zu

bringen. Verfasser bittet auch diese

zweite Auflage

freundlich

aufnehmen zu wollen.

Görlitz, im April 1897.

Der Verfasser.

L HrganWion -es DaisenraLes. Das durch die Vormundschasts-Ordnung vom 5. Juli

eingeführte

1875

des Waisenrates

nach

ist

§

52,

„Dem Vormundschastsgericht sind für jede Gemeinde,

oder

Amt

welcher wie folgt lautet: für örtlich

abzugrenzende Gemeindeteile

ein oder mehrere Ge­

meindeglieder als WaifenrSte zur Seite zu setzen.

Für benachbarte Gemeindebezirke können dieselben Personen zu Waisenraten bestellt werden. DaS Amt deS Waisenrates ist ein unentgeltliches Gemeinde­ amt.

Durch Beschluß

der Gemeindebehörde

kann

das Amt

des

Waisenrats besonderen Abteilungen der Gemeindeverwaltung über;

tragen

oder

mit

schon

bestehenden

der

Organen

Gemeinde­

verwaltung verbunden werden.

Aus

selbständige

Gutsbezirke

findm

die

vorstehenden Be-

sttmmungen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die

Waisemäte von dem Gutsvorsteher ernannt werden"

ein unentgeltliches Gemeindeamt und wird in der Gemeinde

von

einem

oder mehreren Gemeindegliedern

als Waisen­

räten versehen.

Das Amt, wie die Person, welche es bekleidet, führt den Namen „Waisemat"^. *) Das B.G.B. hat dem von der B.O. eingeführten Waisen­ rat den Namen „Gemeinde-Waisenrat" gegeben und damit, wie es in der Denkschrift zum Entwurf deS B.G.B. heißt, „der Gemeinde eine gewisse Mitwirkung bei der Führung der Obervormundschaft gesichert."

9

2.

Wahl des Waiscnrates.

Die Wahp) des Waisenrats wird in den Ltädten von

dem Magistrat nach Anhörung der Stadtverordneten, auf dem

Lande

von

der

Gemeinde-Versammlung

Gutsvorständen bewirkt.

bezw.

den

Jedes stinnnfähige Gemeindeglied

ist verpflichtet, das Amt eines Waisenrats, welches in der Regel lebenslänglich ist, zu übemehmen und 3 Jahre lang zu verwalten, falls ihm nicht Entschuldigungsgründe^», wie

das Alter von 60 Jahren,

dauernde Krankheit,

die Ver­

waltung eines Staats- oder eines anderen Gemeindeamtes, Geschäfte,

welche eine

häufige oder lang andauernde Ab­

wesenheit vom Wohnort mit sich bringen, oder Verhältnisse, welche nach dem Ermessen^) der Behörden eine gültige Ent­

schuldigung begründen, zur Seite stehen. Dasjenige Gemeindeglied, welches sich ohne gesetzlichen

Entschuldigungsgrund weigert^), das Amt eines Waisenrats zu übernehmen oder 3 Jahre lang zu verwalten, oder welches als

gewählter Waisenrat

verwaltet,

sein Amt nicht ordnungsgemäß

kann der Ausübung

der Gemeinderechte bezw.

seines Rechts auf Teilnahme an der Vertretung und Ver­

waltung der Stadt bezw. des Kreises für einen Zeitraum

von 3—6 Jahren auf Beschluß des Magistrats bezw. Kreisarrsschusses

für verlustig

erklärt werden und um ’/g—

2) Städteordnung v. 30. Mai 1853, S. 56 und die Vor­ schriften der einzelnen Landgemeinde-Ordnungen. 3) § 74 der St.O. und § 65 d. Landgem. Ord. v. 3. Juli 1891, G.S.S. 233. 4) Über den von dem Gemeindegliede geltend gemachten Entschuldigungsarund entscheidet in den Städten der Magistrat, auf dem Londe der Kreis - Ausschuß durch Beschluß. Dieser Beschluß ist durch Klage bei dem Bezirksausschuß anfechtbar. § 60 des Ges. v. 26. Juli 1876, § 8 der Kr.O. v. 13. Dez. 1872 u. tz 4 des Ges. ü. d. allg. L.Berw. v. 30. Juli 1883, G.S.S. 195. °) 8 74 der St.O., 8 10 des Zust.G. vom 1. Aug. 1883, 8 8 der Kr.O. vom 13. Dez. 1872 und 8 4 des Ges. ü. d. allg. L.Berw. vom 30. Juli 1883.

3.

Verpflichtung deS Waisenrats.

3

stärker als die übrigen Stadt- bezw. Kreis-Eingeseffenen zu

den Kommunal- bezw. Kreis-Abgaben herangezogen werden^). Die Verpflichtung des WaisenrateS findet nur durch die Gemeindeorgane, also Magistrat bezw. Landrat, bezw. Guts-

vorstand, nicht aber durch das Bormundschastsgericht statt. Daher untersteht der Waisenrat nicht der Aufficht des Bornumdschaftsgerichtes,

wohl aber hat dieses,

wenn fich bei

der Bestellung eines Waisenrates ergiebt, daß eine durchaus

unwürdige Persons gewählt und verpflichtet ist, das Recht der Beschwerde bei denjenigen politischen Behörden, welche

die Aufsichtb) über den Waisenrat haben.

Dasselbe Recht

hat es auch, wenn der Waisenrat in der Geschäftsführung Pflichtwidrigkeiten und Verzögerungen begeht.

Die V.O. stellt an die Waisenräte hohe Anforderungen. Es

find

daher

zu Waisenräten

nur

solche Männers zu

wählen, von denen zu erwarten steht, daß sie, durchdrungen von dem Bewußtsein der ihnen obliegenden Pflichten, mit

«) § 65 der Landgem.Ord. v. 3. Juli 1891, G.S.S. 233. 7) AIS durchaus unwürdig ist die Person zu bezeichnen, von der amtlich bekannt ist, daß sie einen unsittlichen Lebenswandel führt, ein Trunkenbold ist, oder in früherer Zeit sich strafbarer Handlungen, insbesondere Sittlichkeits» und Eigentums«Vergehen schuldig gemacht hat. ®) Die Aufsicht über die Waisenrate führt in den Städten der Magistrat, auf dem Lande der Kreis-Ausschuß, vertreten durch den Vorsitzenden, den Landrat § 56 Nr. 6 d. St.O., §§ 24 u. 36 d. Zust.G. Die Beschwerde in weiterer Instanz ist an den Regierungs­ präsidenten bezw. Oberpräsidenten zu richten. ®) Die Verfügung des Herrn Oberpräsidenten der Provinz Schlesien vom 12. Nov. 1895 empfiehlt die Wahl der Herren Geistlichen in den Waisenrat. Es ist dies sehr wünschenswert, da diese Herren die Mitglieder ihrer Gemeinde kennen und imstande sind, die geeigneten Personen zu Vormündern in Vorschlag zu bringen. Demzufolge sind im hiesigen Gerichtsbezirk fast alle Herrm Geistlichen auf dem Lande im Waisenrat und führen darin den Vorsitz. Das VormundschastSgericht steht im regsten Verkehr mit ihnen und kann ihre Wahl in den Waisenrat nur befürworten.

4

4. Welche Pers, sind o. d. Gem. -u Waisenraten zu wählen?

Eifer und Einsicht an der Erziehung von Mündeln teilnehmen und das ihnen von der Gerneinde geschenkte Der-

trauen rechtfertigen werden.

Nach Abs. 1 des § 52 d. A.O.

kann das Waisenratsamt einem oder mehreren Gliedern der

Gemeinde und nach Abs. 4 besonderen Abteilungen

der

Gemeindeverwaltung übertragen oder mit schon bestehenden

Organen der Gemeindeverwaltung verbunden werden.

Dem

entsprechend werden sowohl in den Städten wie auf dem Lande meist mehrere Personen zu Waisenräten gewählt und

die Geschäfte von dem Vorsitzenden des Waisenrates geführt. Eine Verbindung des Waisenrats in den Städten mit

den Armenkommisfionen wird von vielen für unzweckmäßig gehalten,

weil die Thätigkeit des Waisenrats nur in der

Fürsorge für das geistige und leibliche Wohl des Mündels

gipfele,

die Armenkommission dagegen das

teresse der Armenverwaltung wahrnehme.

finanzielle In­

Verfasser kann

sich dieser Ansicht nicht anschließen, weil gerade die Shmienkommission in einer Stadt besonders Gelegenheit hat. in die

Verhältniffe der ärmeren Volksklassen Einblick zu erhalten und Mittel und Wege zu finden, um der Verwahrlosung in

solchen Verhältnissen aufwachsender Kinder vorzubeugen.

Auch eine Verbindung des Waisenrates mit der Schul­ kommission dürfte zu empfehlen sein, da diese als Aufsichts­

behörde der Schule mit dem Lehrer^) in unmittelbarer Ver­ bindung

steht und von ihm daraus aufmerksam

gemacht

werden kann, inwiefern in der Erziehung des von unterrichteten Mündels eine Änderung eintreten muß.

ihm In

größeren Städten besteht meist ein Zentralwaisenrat unter

10) Die Versüguna des Herrn Präsidenten der Kgl. Negierung zu Liegnitz vom 20. April 1896 bestimmt, daß die Lehrer auf die schulpflichtigen Kinder, welche sich in Ziehe befinden, ein wachsames Auge haben sollen, und daß, wenn ihre persönliche Einwirkung auf die Pflegeeltern zu keinem Erfolge führe, sie die Vernachlässigung dem Vormunde, Waisenrate oder der Polizei anzuzeigen haben.

5. Verbind. beS Waisenr. rc. — 6. Verpflicht. deS Magistrats rc.

5

einem Vorfitzenden, der die Geschäfte des gesamten Waisen­ rates der Stadt führt, und dürfte sich hier allerdings eine Verbindung desselben mit einer Armen- oder Schulkommisfion dann wohl erübrigen. Nach Abs. 2 des § 52 d. V.O. können für benach­ barte Gemeindebezirke dieselben Personen zu Waisenräten gewählt werden. Dies ist jedoch wenig empfehlenswert, weil das betreffende zum Waisenrat gewählte Gemeinde­ glied auf dem Lande erfahrungsgemäst an und für sich schon wenig Interesse für die in der Gemeinde wohnenden Mündel hat, um Mündel aber, die in einer Nachbargemeinde wohnen, sich noch viel weniger kümmert. Wenn aber zwei benach­ barte Gemeinden einen gemeinschaftlichen Waisenrat von mehreren Personen gewählt haben imb das eine Mitglied dieses Waisenrates verzieht aus der Gemeinde in einen anderen Bezirk, so scheidet dieses Gemeindemitglied damit auch aus dem Waisenrate aus, und die Verwaltungsbehörde hat eine Neuwahl zu veranlassen. Leider kommt es in der Praxis vor, daß die Aufsichtsbehörde die unter ihr stehende Gemeindebehörde nicht genügend kontrolliert und ein aus der Gemeinde verzogenes Gemeindeglied, das bisher das Amt eines Waisenrates bekleidet hat, in den Waisenrats­ listen weiter führt. Die Gemeinden, und zwar in den Städten der Magistrat, auf dem Lande der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses, haben die Verpflichtung, dem Vormundschaftsgericht die ginnten der verpflichteten Waisenräte mitzuteilen"), und, wenn Waisenräte ihr Amt niedergelegt haben oder durch den Tod ausgeschieden sind, dies anzuzeigen, sowie die an Stelle derselben neu gewählten Waisenräte namhaft zu machen. n) Reskript Sr. Exc. des Ministers des Inneren vom 3. Nov. 1875, M.Bl. f. d. i. V., S. 269.

6

Die von d. Waismr. zu beachtenden gesetzt. Bestimmungen.

IL Sie Migkeit Mö Mrksmkett -es Aaiseurals. Die Besümmungen der V.O., welche sich auf die Thätig­ keit deS Waisenrats beziehen und von ihm zu beachten sind, find folgende: § 11.

„Minderjährige*) erhalten einen Vormund, wenn sie

nicht unter väterlicher^) Gewalt stehen, wenn die väterliche Gewalt

nach den Vorschriften deS bürgerlichen Rechts ruljt8) oder wenn ihr Vater selbst bevormundet ist4* ).2* 6* 7 § 81.

1.

Großjährige erhalten einen Vormund:

wenn sie für geisteskrank erklärt sind;

2.

wenn sie für Verschwender erklärt sind;

3.

wenn sie taub,

stumm oder blind,

und hierdurch an Be­

sorgung ihrer Rechtsangelegenheiten gehindert sind.

§ 61.

Die Vormundschaft hört auf, wenn der Mündel die

Großjährigkeit^) erreicht, wenn er für großjährig8) erklärt wird, wenn er in väterliche Gewalt tritt und wenn das Ruhen der väterlichen Gewalt oder die Bevormundung des Vaters aufhört*^.

*) Nach dem Reichsgesetze v. 17. Februar 1875 dauert die Minderjährigkeit bis zum vollendeten 21. Lebensjahre. §§ 2 u. 1773 d. B.G.B. 2) Zu dieser Kategorie gehören eheliche und uneheliche Kinder, deren väterlicher Gewalthaber gestorben ist. 3) Die väterliche Gewalt ruht, wenn der Vater zu mehr als zweijähriger Gefängnisstrafe verurteilt ist. § 255 Tit. 2 T. H. Allg.L.R. 4) Wenn der Vater zu Zuchthaus oder mehr als 10 jähriger Gefängnisstrafe verurteilt ist. § 255 Tit. 2 T. II. Allg.L.R. oder, wenn der Vater wegen Geisteskrankheit oder Verschwendung entmündigt und unter Vormundschaft gestellt ist. § 261 Tit. 2 T. H. Allg.L.R. 6) Der Mündel muß das 21. Lebensjahr vollendet haben. 6) Die Großjährigkeitserklärung ist nach vollendetem achtzehnten Lebensjahre zulässig. Abs. 2 des § 61 d. 93.C. 7) Bei der Adoption durch einen Dritten, § 666 Tit. 2 T. II. Allg.L.R., und wenn der Vater eines unehelich geborenen Kindes deffen Mutter heiratet und vor dem Standesamt daS Kind als (ein eheliches anerkennt §§ 25, 26 des Gesetzes vom 6. Febr.

Die von d. Waisenr. zu beachtenden gesetzl. Bestimmungen.

7

einen Großjährigen

hört

§ 84.

Die Vormundschaft

über

auf, wenn der Grund zu deren Einleitung gehoben ist; die über einen Abwesenden

namentlich auch,

wenn derselbe für tot, für

verschollen oder im Bezirk deS AppellationSgerichtShofeS zu Köln

für abwesend erklärt worden ist. § 53.

Der Waisenrat hat die Aufsicht über daS persönliche

Wohl deS Mündels und über dessen Erziehung zu führen, ins­ besondere Mängel oder Pfiichtwidrigkeiten, welche er bei der körper­

lichen oder sittlichen Erziehung des Mündels wahrnimmt, -anzu-

-eigen, auch auf Erfordern über die Person des Mündels Auskunft zu erteilen. Er hat diejenigen Personen vorzuschlagen, welche im einzelnen

Falle zur Berufung als Vormund ober Gegenvormund geeignet erscheinen.

§ 54.

DaS Vormundschaftsgericht hat dem Waisenrate deS

Bezirks, in welchem der Mündel wohnt, von der einzuleitenden

Vormundschaft, sowie in den Fällen des zweiten Absatzes des § 12 und des § 13 von der gesetzlichen Vormundschaft Kenntnis zu geben und den Vormund namhaft zu machen. Von

der Verlegung

der Wohnung

des Mündels

andere Gemeinde oder einen anderen Bezirk, den Waisenrat zu benachrichtigen.

in eine

hat der Vormund

Dieser hat dem Waisenrate

deS neuen Aufenthaltsortes Kenntnis zu geben.

§ 91.

Auf die Pflegschaft

finden

die Vorschriften dieses

Gesetzes über die Vormundschaft entsprechende Anwendung;

die

Bestellung eineS Gegenvormundes ist nicht erforderlich.

Die Pflegschaft hort auf, wenn der Grund zu deren Ein­ leitung gehoben ist.

Was also die Thätigkeit und den Wirkungskreis des Waisenrates anlangt, so liegt der eigentliche Kern- und Schwerpunkt seiner gesamten Thätigkeit in der Aufsicht über das persönliche Wohl der in seinem Bezirke wohnenden Mündel und deren Erziehung. 1875. Die Bevormundung des entmündigten Vaters hört auf, wenn die Entmündigung durch Beschluß des Amtsgerichts auf­ gehoben ist. § 616 C.P.O.

8

Aufsicht d. WaisenratS. a) Gericht!, eingeleit. Vormundschaft.

Bis zum Erscheinen der V.O. übte die Aufsicht über bcn Mündel der Vormund in Gemeinschaft mit dem Dor-

mundschastsrichter aus.

Damals wurden alljährlich die so-

gmannten Erziehungsberichte von den Vormündern ausgestellt, in der Regel dem Ortsgeistlichen übergeben und von diesem mit den etwa erforderlichen Bemerkungen versehen zu den Sehr oft nahm dann der

Dormundschaftsakten eingereicht.

Vormundschastsrichter Gelegenheit,

auf Grund der ihm er­

statteten Berichte den Mündel und den Vormund zu laden und durch Rücksprache imb Ermahnungen in die Erziehung

des Mündels einzugreifen.

In dem vom Landrichter Max Schulhenstein bearbeiteten Dormundschaftsrecht des Professor Dernburg wird in § 30 S. 122 gesagt, daß ein vom Waisenrat dem Vonnundschafts-

gericht

etwa

alljährlich

zu erstattender

und

Mündel zweckmäßig wäre,

Bericht

über die

daß die Gemeinde denr

Waisenrat einen derartigen Bericht auferlegen könne.

Ein

solcher Bericht würde indeß nach Ansicht des Verfassers nur bezüglich derjenigen Mündel erforderlich und zweckmäßig sein,

welche durch ihre Führung zu Tadel und Erinnerungen

Anlaß geben; bei Mündeln,

gegen deren Betragen nichts

einzuwenden ist, erübrigt sich ein solcher Bericht vollständig, da er doch nur wie der größere Teil der Erziehungsberichte als wertloses Aktenmaterial zu betrachten sein würde. Gerade

durch die Einführung

des

Waisenratsamtes

find diese Erziehungsberichte entbehrlich geworden.

Der

Waisenrat steht inmitten seiner Gemeinde und

kann daher die Mündel und überwachen.

Er wird, wenn

deren Erziehung er es

am besten

ernst mit der über­

nommenen Pflicht eines Waisenrates nimmt, seiner Befugnis gemäß jährlich wenigstens einmal sich von dem persönlichen

Wohl des Mündels überzerrgen, indem er den Mündel in seiner Behausung

aufsucht

oder

ihn durch den Vormund

bezw. die Organe der Ortsbehörde zu sich bestellt, um durch

Rücksprache

mit dem

Mündel

sich

Kenntnis

von

dessen

Charakter zu verschaffenb).

der Erziehung

Wenn der Waisenrat Mängel in

des

Mündels oder Pflichtwidrigkeiten des Vormundes wahrnimmt, so hat er dies dem Vormundschaftsrichter anzuzeigen, damit

dieser nach Anhörung des Vormundes und der des Mündels

Erziehung leitenden Personen die ihm zur Abhilfe der Mitzstände erforderlich scheinenden Maßregeln durch den bisherigen

oder einen neu zu verpflichtenden Vormund treffen kann. Dieses Aufsichtsrecht des Waisenrates bezieht sich aber

nur

auf

auf

seine

das persönliche Wohl

des Mündels,

Demnach

Vermögensverhältnisse.

keine Verpflichtung,

nicht

hat

er

aber also

über das Mündelvermögen zu wachen

oder gar über seine Anlegung und Verwaltung dem Vor­

munde Vorschriften

zu machen,

indessen

gebietet

chm

die

Pflicht, über das persönliche Wohl des Mündels zu wachen, gewissermaßen doch auch,

Pflichtwidrigkeiten

falls er Unregelmäßigkeiten und

des Vormlrndes in der Verwaltung des

Mündelvermögens^) wahrnimmt, diese schleunigst dem Vor-

mundschaftsrichtcr anzuzeigen, damit der lässige und ungetreue Vormund zur Verantwortung gezogen

und nötigen Falles

seines Ehrenamtes entsetzt werden kann.

Der Waisenrat übt aber nicht bloß über die in den §§ 63, 54, 91 d. V.O.

befohlenen

die Aufsicht

genannten

aus,

Mündel und

sondern

Pflege­

nach tz 9 d. G. v.

8) Um über die Erziehung des Mündels genau unterrichtet zu sein, dürste es sich für den Waisenrat empfehlen, Besprechungen mit den Vormündern einzuführen und in diesen Erziehung und Führung der Mündel, auf Grund der von ihm geführten Listen zu erörtern. Etivaige Übelstände kann er dann eventuell mit Hilfe des BormundschaftSrichters beseitigen lasten. ®) Das B.G.B. macht in § 1850 Abs. 2 diese bisher mo­ ralische Pflicht des Waisenrates zu einer gesetzlichen.

10

b) Über Kinder in Zwangserziehung. — Pflicht d. Waisenr.

13. Marz 1878 betreffend die Unterbringung venvahrloster Kinder G.S. S. 132 auch über die nach diesem Gesetz in Zwangserziehung gebrachten, nicht bevormundeten, unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder. Die Kommunalverbände haben die Verpflichtung, dem Waisenrate des Aufenthalts­ ortes eines solchen Kindes von der Unterbringung und jedem Wechsel des Aufenthalts eines Zöglings Kenntnis zu geben. Der Waisenrat hat mithin, sobald ihm die Mitteilung wird, daß ein in Zwangserziehung genommenes Kind in seinem Bezirke sich aufhält, d. h. einer Familie gitr Erziehung über­ wiesen oder in die Lehre gegeben ist, sich um ein solches Kind zu kümmem. Der Waisenrat hat ferner auf Erfordern dem Vonnundschaftsrichter jederzeit über die Person des Mündels, also z. B. über die Wahl des Lebensbenlfes, die Adoption, die körperliche und sittliche Erziehung, sowie über die etwaige Hilfsbedürftigkeit Auskunft zu erteilen, und, wenn Streitig­ keiten über die Erziehung des Mündels zwischen der Mutter und dem Vormund entstehen und die Erziehung des Kindes der Mutter genommen werden soll, dem Vormundschaftsrichter auf Befragen seine Ansicht mitzuteilen. Für die Thätigkeit des Waisenrates enthält der oben angeführte § 54 in seinem zweiten Absätze eine sehr zu be­ achtende Bestimmung, gegen welche sowohl die Vormünder wie die Waisenräte häufig fehlen. Die Vormünder haben nänrlich die Verlegung der Wohnung eines Mündels in einen anderen Bezirk dem Waisenrat anzuzeigen. Ebenso hat dann der Waisenrat des bisherigen Aufenthaltsortes des Mündels die Pflicht, dem Waisenrat des neuen von dieser Verlegung Kenntnis zu geben. Beide kommen, wie die Praxis zeigt, nur in den seltensten Fällen dieser Verpflichtung nach. Die Vormünder wissen meist nicht, ob ein Mündel noch in ihrem Bezirk wohnt, und der Waisenrat achtet in-

folge des Unterlassens der Anzeige seitens des Vormundes

nicht darauf, ob ein Mündel in seinen Bezirk gezogen ist. Beiden muß die Beachtung des zweiten Absatzes des § 54

d. V.O. dringend empfohlen werden, damit Mündel, welche

zu Leichtsinn und Liederlichkeit neigen und ihrm Wohnsitz

mit einem neuen ost nur deshalb vertauschen, um möglichst weit von dem Vormunde und dem Waisenrate ihres Bezirkes

entfernt zu sein, von dem Waisenrate des neuen Wohnsitzes beobachtet und nötigen Falles bracht werdm können.

auf dm richtigm Weg ge­

Die Praxis bietet hinrrichmd Bei­

spiele davon, daß Mündel vom Lande nach der Stadt ziehen

und sich in dm Fabriken chrm Unterhalt suchen, um in ihren Bewegungm freier und einer Kontrolle durch dm Waisenrat mthoben zu werden.

Gerade für solche Fälle

ist die Beachtung der gesetzlichen Bestimmung dringend ge­

boten und es dürfte sich gleichzeitig sehr empfehlm, daß der Waisemat, sobald er von dem Vormunde die Nachricht von

dem Verzüge des Mündels nach der Stadt erhält, sofort dem Waisemat der betreffendm Stadt mit der Anzeige des

Verzuges auch eine Schilderung des Lebens und des Cha­ rakters des betreffenden Mündels zukommen läßt. würde

durch

eine derartige rechtzeitige

Sicherlich

Anzeige

mancher

Mündel vor dem Untergange behütet werden sönnen, zumal

da der Waisemat des neuen Aufenthaltsortes unzweifelhaft auch befugt ist,

den in seinen Bezirk verzogenen Mündel

zu sich zu bestellen und, wenn nötig, zu verwarnen.

Unterläßt übrigens

ein Vormund

die Anzeige vom

Verzüge seines Mündels, so hat der Waisemat dem Vor­

mundschaftsgericht davon Mitteilung zu machen, damit dieses

den Vormund zm ErMung

seiner Pflicht

erforderlichen

Falles durch Ordnungsstrafm anhalten kann. Nach Abs. 1 des Z 54 d. V.O.

schaftsgericht

hat das Vormund-

den Waisemat des Bezirks,

in welchem der

12

Ersuchen deS BormundschastSgerichtS an den Waisenrat.

Mündel wohnt, von der einzuleitenden Vormundschaft in

Kenntnis zu setzen und ihn um Benennung einer Person, welche als Vormund oder Gegenvormund verpflichtet werden

soll, zu ersuchen, und der Waisenrat hat nach Abs. 2 des § 54 b. B.O. diejenige Person, welche er zu diesem Amte sür geeignet erachtet, vorzuschlagen.

Bei diesem Vorschläge

ist jedoch der Waisenrat nicht an Personen seines Bezirkes gebunden,

er kann auch aus anderen Bezirken Personen,

welche in irgend einer Beziehung zum Mündel stehen, wie

z. B. Verwandte und Freunde der Eltern des Mündels oder solche Personen, die ihm zur Übernahme des Amtes geeignet erscheinen und sich dazu bereit erklären, machen.

Bevor er jedoch

namhaft

eine in einem anderen Bezirke

wohnende Person als Vormund

oder Gegenvormund in

Vorschlag bringt, wird er, wenn ihm über ihr Leben und

chren Charakter nichts bekannt ist, sich mit dem Waisenrate des Bezncks, in welchem der Vorzuschlagende wohnt, in Ver­

bindung setzen müssen, um die erforderliche Auskunft zu er­ halten, damit nicht hinterher etwa sich ein Mißgriff offen­

bart, sodaß die Entlassung des Vormundes bezw. Gegenvormundes nötig wird. Anträge des Vormundschaftsgerichts, welche den Vor­

schlag oder die Begutachtung von Vormündern für uneheliche Kinder betreffen, sind von demjenigen Waisenrate zu erledigen,

in dessen Bezirke die Mutter wohnt, falls Mutter und Kind sich in verschiedenen Bezirken aufhalten sollten.

Bei Bestellung

eines Vormundes

für einen Geistes­

kranken ist der Waisenrat des Bezirkes zuständig, in welchem der Geisteskranke vor seiner Unterbringung in einer Anstalt

gewohnt hat. Ergeht also an einen

mäß

nichtzuständigen

Waisenrat ge­

§ 53 Abs. 2 d. V.O. die gerichtliche Aufforderung

zur Benennung eines Vormundes oder die Benachrichtigung

von der Verpflichtung eines Vormundes gemäß § 54 Abs. 1 d.

V.O., so muß diese unmittelbar dem zuständigm Waisenrate übersandt werden.

Eine Zurücksendung an das Bor­

mundschaftsgericht würde eine unnütze Weiterung sein. Bei der Auswahl der Vormünder und Gegenvormünder hat der Waisemat mit ganz besonderer Smgfalt zu ver­ fahren und sich nicht bloß damit zu begnügen, irgend eine

beliebige Person, wie dies bedauerlicher Weise sehr oft ge­

schieht, vorzuschlagen.

Er hat vielmehr bei der Auswahl

von Bormündem für begüterte Mündel die Zuverlässigkeit der vorzuschlagenden Person durch geeignete Ermittelungen

vorher festzustellen, damit die Mündel vor Dermögensnach-

teilen geschützt werden.

von Gegenvormündern

Ebenso muß er bei der Auswahl

namentlich

darauf sehen,

daß die

vorzuschlagenden Personen sich durch Geschäftsgewandtheit

auszeichnen

und

mit

dem Vormund weder

in verwandt­

schaftlicher noch geschäftlicher Beziehung stehen, um dadurch ein

durch

derartige Verhältnisse leicht herbeigeführtes Zu­

sammenwirken

des Vormundes und Gegenvormundes zum

Schaden des Mündels zu verhindern. Was die zu Vormündern und Gegenvormündem vor­ zuschlagenden Personen

insbesondere

anlangt,

so hat der

Waisemat zu beachten: 1. ob sie vom Gesetz als Vormünder oder Gegenvor­ münder berufen find;

2. ob sie zur Führung der Vormundschaft bezw. GegenVormundschaft fähig sind; 3. ob sie die Übemahme der Vormundschaft bezw.

Gegenvormundschaft ablehnen können.

Hinsichtlich der unter Nr. 1 gedachten berufenen Vor­ münder und Gegenvormünder hat der Waisenrat § 17 und

§ 83 Abs. 2 d. V.O. zu berücksichtigen: § 17. berufen:

„Als Vormünder sind in nachstehender

Reihenfolge

Gesetzlich berufene Vormünder.

14 1.

wer, ohne die väterliche Gewalt zu erwerben, den Mündel an KindeSstatt angenommen hat;

2.

wer von dem Vater in einem Testament oder in einer ge­

oder

richtlich

notariell

geschriebenen

und

beglaubigten

eigenhändig

oder

unterschriebenen

Urkunde

be­

nannt ist, sofern der Vater zur Zeit seines Todes die väter­

liche Gewalt über den Mündel gehabt hat, oder unter Vor­ aussetzung

der

bereits erfolgten Geburt desselben

gehabt

haben würde, oder sofern der Vater bis zum Tode die Vor­ mundschaft geführt hat; 3.

die Mutter über ihre ehelichen, nicht an Kindesstatt hingegebenen Kinder;

4.

wer von der Mutter in der unter Nr. 2 bestimmten Form benannt ist, sofern die Mutter biS zum Tode die Vormund­

schaft geführt hat;

5. 6.

der Großvater väterlicherseits;

der Großvater mütterlicherseits. Die Mutter ist nicht berufen, wenn sie mit einem anderen

alS dem Vater des Mündels verheiratet, oder wenn die Ehe mit

dem Vater des Mündels durch Urteil getrennt ist. Ist einer Ehefrau ein Vormund zu

bestellen, so darf vor

jedem nach diesem Paragraphen Berufenen der Ehemann bestellt werden.

§ 83.

Abs. 2.

Die

Ehefrau

ist zur

Führung der Vor-

mundschaft fähig und hat die in diesem Gesetz dem Ehemann

beigelegten Rechte."

Geht bei dem Vormundschaftsgerichte die Anzeige des

Standesbeamten über den

Tod eines Ehemannes, der mit

Hinterlassung von minorennen Kindern gestorben ist, ein, so richtet das Vormundschaftsgericht an die Witwe eine Auf­

forderung, die unter anderem die Frage enthält, ob sie be­ reit sei, die Vormundschaft über ihre minderjährigen Kinder zu übernehmen.

Erklärt sie sich dazu bereit, so kann nach

§ 19 d. V.O.: „Kann die Vormundschaft keinem der nach § 17 Berufenen

hat daS BormundschastSgericht nach An­

übertragen werden, so

hörung des Waifrnrates (§ 52) einen Vormund zu berufen und

dabei geeignete Verwandte oder Verschwägerte des Mündels zu­ nächst zu berücksichtigen.

Bei der Auswahl des Vormundes ist auf das religiöse Be­ kenntnis des Mündels Rücksicht zu nehmen.

DaS

hat in der

BormundschastSgericht

Mündel, sowie

Regel

für

eine»

für mehrere Geschwister nur einen Vormund zu

berufen"

daS

den Waisenrat übergehen

Bormundschaftsgericht

der Kinder

die Mutter pflichten.

Es

kann

ohne weiteres

aber

aus

und

als Vormund ver­

praktischen

Gründen dm

Waisemat darüber hören, ob sich die nach § 17 d. D.O. berufene Person, insbesondere die Mutter, zm Übernahme der Bormundschaft eignet, und chn gleichzeitig ersuchen, eine

andere Person vorzuschlagen, falls Bedenken gegen die Ver­ pflichtung

der Mutter als

Vormund vorliegm.

Letzteres

wird in allen den Fällen sich empfehlen, wenn es sich bei der Führung der Vormundschaft um Verwaltung eines be­

deutenden oäterlichm Nachlasses handelt, und der Bormund­ die Mutter wegen ihrer Unkenntnis in der

schaftsrichter

Verwaltung von Grundstücken und Kapitalim nicht für ge­ eignet zur Führung der Vormundschaft erachtet.

Der Vor-

mundschastsrichter wird es auch dankbar anerkennen, wenn der Waisemat in derartigen Fällen, oder wenn die Mutter in moralischer Beziehung sich zm Führung der Vormund­

schaft nicht eignet, gleich eine andere Person in Vorschlag Nach Nr. 2 und 4 des § 17 d. V O. können der

bringt. Vater

und

die Mutter in einer eigenhändig geschriebmm

und unterschriebenen Urkunde

berufen.

Hat der Waisemat

eine Person zum Vormund

von

einer solchen Urkunde

Kenntnis, so hat er dem Vormundschastsgericht davon Mtteilung zu machen und gleichzeitig sich über die Person zu

äußern, wenn

er meint,

daß

es

nicht

im Interesse des

16

Religiöses Bekenntnis. — Zur Führung d. Vormundschaft rc.

Mündels liegt diese Person als Vormund zu verpflichten.

Der Dormundschastsrichter kann, wenn er die Gründe des Waisenrats für vollwichtig hält, von der Verpflichtung der berufenen Person mit deren Zustimmung Abstand nehmen

und eine vom Waisenrat benannte Person verpflichten.

Bei

der Auswahl

obigem §

Rücksicht

soll

des Vormundes

ferner

nach

19 auf das religiöse Bekenntnis des Mündels

Dies ist regelmäßig zu be­

genommen werden.

achten, jedoch find Ausnahmen zulässig, wenn es im Interesse

gerade diese und keine andere Person

des Mündels liegt,

als

Vormund

in

Vorschlag

zu bringen,

und,

wenn

für

mehrere Mündel, d. h. für Geschwister verschiedener Religions­ bekenntnisse

Vormund

ein

in

Vorschlag

zu

bringen

ist.

Jnunechin wird aber der Waisenrat es zu begründen haben,

wenn er eine Person,

welche einem anderen Religionsbe­

kenntnisse als der Mündel angehört, zum Vormund vorschlägt. Der Waisenrat

wird

endlich

bei

dem

von

chm

zu

machenden Vorschläge von der Benennung der Mutter Ab­ stand nehmen können, wenn sie mit einem anderen als dem

Vater des Mündels vecheiratet ist, oder wenn die Ehe mit dem Vater des Mündels getrennt ist, da sie in diesen Fällen

nicht zu den gesetzlich berufenen Personen gehört.

In zweiter Linie hat der Waisenrat darauf zu achten, ob

die

von ihm in Vorschlag zu bringende Person auch

wicklich fähig ist, die Vormundschaft zu führen.

Den er­

forderlichen Anhalt hierfür bietet ihm der § 21 d. V.O., welcher folgendermaßen lautet: Unfähig zur Führung einer Vormundschaft sind: 1.

2.

Bevormundete oder Handlungsunfähige;

wer

das einundzwanzigste Lebensjahr noch

nicht zurück-

gelegt hat;

3.

wer der

bürgerlichen Ehrenrechte verlustig erklätt ist, nach

Maßgabe des Strafgesetzbuches; 4.

Gemeinschuldner während der Dauer des Konkursverfahrens;

Zur Führung der Vormundschaft unfähige Personen.

17

5.

wer offenkundig einen unsittlichen Lebenswandel führt;

6.

wer von dem Vater oder von der Mutter nach Maßgabe

der in tz 17 für die Berufung eines Vormundes gegebenen Vorschriften auSgeschloffm worden ist;

7.

weibliche Personen.

Richt unfähig zur Führung einer Vormundschaft sind jedoch die Mutter über ihre ehelichen, unehelichen oder angenommenen Kinder,

und

die Großmutter,

sofern

sie

bei

nicht

etwaiger

Trennung der Ehe für den schuldigen Teil erklärt sind, sowie diejenigen weiblichen Personen, welche nach § 17 Nr. 2 und 4 berufen sind.

Eine Frau, welche mit einem anderen alS dem Later deS

Mündels verheiratet ist, darf nur mit Einwilligung deS Ehe­

mannes zum Vormund bestellt werden.

Die Praxis lehrt täglich, daß bei den Vorschlägen die in

vorstehendem

Paragraphen

aufgeführten

Unfähigkeits­

gründe von einem großen Teile der Waisenräte nicht beachtet

werden und zwar, wie wohl weil

der Waisenrat

nicht

anzunehmen ist, nur deshalb, im Besitze

die Gründe nicht

infolgedessen

kennt.

einer B.O. ist und Der Waisenrat be­

gnügt sich, wie bereits oben erwähnt, aus das vom Vor­

mundschaftsrichter an ihn gestellte Ersuchen, irgend eine in seinem Bezirke wohnende Person in Vorschlag zu bringen, ohne vorher eine genaue Prüfung

ihres Charakters, ihres

Vorlebens und der Verhältnisse, in

denen sie sich befindet,

vorzunehmen.

Daher kommt es denn auch, daß sich oft erst

in

Verpflichtung

dem

zur

des

Vormundes

anberaumten

Termine ergiebt, daß die in Vorschlag gebrachte Person zur

Übernahme

der Vormundschaft

mundschaftsrichter bleibt in

übrig,

als

den

unfähig

ist.

Dem Vor­

solchen Fällen nichts

Unfähigkeitsgrund

festzustellen

anderes

und

unter

Mitteilung desselben den Waisenrat um Benennung einer anderen Person zu ersuchen.

jedem

Vorschläge

eine

Der Waisenrat möge also vor

genaue

Prüfung

der

betreffenden

Zur Führung der Bormundschast unfähige Personen.

18

falls er selbst über sie und

Person vornehmen, indem er,

ihr Vorleben nichts weiß, sich an die Ortspolizei oder den

Ortsgeistlichen mit der Bitte um Auskunft wenden. Aus obigem, auf S. 16 und 17 angeführten § 21 d.

V.O. kann der Waisenrat ersehen, welche Personen von der Führung der Vormundschaft

ausgeschloflen sind',

um chm

indeffen jeden Zweifel über die Unfähigkeitsgründe zu nehmen, sei hier noch Folgendes bemerkt: Bevormundete, d. h. Personen, welche unter Vormund»

schäft

also noch nicht das

stehen,

21. Lebensjahr

zurück­

gelegt haben oder als Großjährige für geisteskrank oder für Verschwender

erklärt

oder taub,

stumm

sind,

blind

oder

können niemals als Vormünder in Vorschlag gebracht werden ;

ebensowenig auch Handlungsunfähige, d. h. Personen, welchen

das Vermögen, frei zu handeln, mangelt, und die sich daher nicht verpflichten können,

wie z. B. Geisteskranke, die noch

nicht entmündigt sind, sowie Mönche und 9konnen,

ein Klostergelübde

abgelegt

haben.

Ferner

ist

welche

derjenige,

welcher das 21. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, aber vom Vormundschaftsgericht auf Anttag für großjährig erklärt

ist, zm Führung

einer Vormundschaft unfähig.

Ganz be­

sonders möge der Waisenrat bei seinen Vorschlägen die 9k. 3

des § 21 d. V.O. beachten

und Personen, welche einmal

der bürgerlichen Ehremechte verlustig erklärt sind, auch dann

nicht als Vormünder vorschlagen, wenn sie dieselben wieder-

erlangt

haben.

Die

Unfähigkeit

bürgerlichen Ehrenrechte

verlustig

desjenigen, erklärt

ist,

welcher

dauert

der nach

§ 24 St.G.B. nur solange, als der Verurteilte die Ehren­

rechte nicht wiedererlangt hat.

Somit wäre der Waisenrat

befugt, solche Personen, sobald die durch Urteil festgesetzte

Zeit der Unfähigkeit zur Vormundschaft abgelaufen ist, vorzuschlagen; allein er wird wohl daran thun, solche Personen,

die z. B. wegen Sittlichkeits- oder Eigentumsvergehen be-

Zur Führung btt Vormundschaft unfähige Personen.

19

straft sind, niemals in Vorschlag zu bringen, da eine sittliche Erziehung eines Kindes durch diese ausgeschlossen zu sein scheint, ja sogar zu befürchten ist, dass der Mündel dann sittlich

zu Grunde geht.

Nach Nr. 4 des § 21 d. V.O. ist der Gemeinschuldner während der Dauer des Konkurses, also nur zeitweise zur Führung der Vormundschaft unfähig. d. K.O. v.

Er verliert nach § &

10. Februar 1877 mit der Eröffnung des

Konkurses die Befugnis,

sein zur Konkursmasse

gehöriges

Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen,

und nach 88 206 u. 208 Tit. 2 T. IL d. Allg.L.R. auch

die Verwaltung des nicht freien Vermögens seiner Kinder. Mit Rücksicht darauf hat die V.O. chm die Fähigkeit, vor­

mundschaftliche Geschäfte zu führen, während der Dauer deS Konkurses abgesprochen.

Der Waisenrat hat also, sobald

ihm bekannt wird, daß der Vormund eines seiner Aufsicht anvertrauten Mündels in Konkurs geraten ist,

Vormundschaftsgericht

anzuzeigen,

damit

dieses

dies dem

den

be­

treffenden Vormund bis zur Beendigung des Konkurses oder,

wenn es mit Rücksicht auf die Verwaltung des Vermögens für geboten erachtet wird, ganz der Vormundschaft entsetzt

und einen anderen zuverlässigen Vormund verpflichten kann. Daß der Waisenrat eine Person,

welche offenkundig

einen unsittlichen Lebenswandel führt, also z. B. einen Bettler,

Trunkenbold, Landstreicher nicht Mn Vormund vorschlagen wird, liegt auf der Hand.

Indessen sind für ihn folgende

Bestimmungen sehr beachtenswert. Nach 8 12

Abs. 2 d. V.O. wird

der Vater eines

außerehelich geschwängerten Mädchens gesetzlicher Vormund

deS unehelichen Kindes seiner Tochter, falls nicht das Vor­

mundschaftsgericht einen anderen Vormund bestellt. der

allgemeinen

Verfügung

des

Justizministeriums

Nach vom

15. Januar 1896 I 6931 soll der Vormundschaftsrichter in

Gesetzliche Vormundschaft.

20

jedem Falle des Eintrittes einer gesetzlichen Vormundschaft sorgfältig prüfen, ob der Vater der unehelichen Mutter zur Übernahme und Fühmng der Vormundschaft über das un­ eheliche Kind seiner Tochter fähig ist. Waisenrate

des Bezirks, in dem ein

boren ist, eine Benachrichtigung

Demzufolge wird dem uneheliches Kind ge­

zugesandt, daß der Vater

Ler Mutter dieses Kindes gesetzlicher Vormund sei.

wird

daS

Ersuchen

geknüpft,

dem

Hieran

Vormundschaftsgericht

uingehend mitzuteilen, wenn der Vater der Mutter des un­

ehelichen Kindes

ist,

zur Führung der Vormundschaft unfähig

Anführung

und unter

näherer Gründe

hierfür einen

anderen Vormund vorzuschlagen', ebenso sei auch Mitteilung

davon zu machen, wenn der gesetzliche Vormund des Kindes

im Laufe der Vormundschaft

gestorben sei, und wenn dem

Mündel etwa Vermögen zufalle. Infolge obiger Verfügung des Justiznnnisteriums hat

Verfasser als

Vormundschaftsrichter

Gerichtsbezirks Görlitz unter dem

Waisenräten

den

des

18. Mai 1896 eine Ver­

fügung Augesandt, worin er sie ersucht,

auf die an sie er­

gehende Benachrichtigung, daß der Großvater eines unehelichen Kindes dessen gesetzlicher Vormund sei, zu prüfen, ob dieser

wegen hohen Alters, Krankheit, Bescholtenheit, Trunksucht,

liederlichen Lebenswandels oder wegen

von dem Wohnorte

großer Entfernung

des Mündels keine Gewähr für eine

gewissenhafte Erfüllung seiner vormundschaftlichen Pflichten biete.

Gleichzeitig ist in der Verfügung gesagt, daß,

falls

auf die dem Waisenrate gesandte Benachrichtigung binnen

10 Tagen

keine

gericht annehme,

Erklärung

eingehe,

daß Bedenken

das

Vormundschafts­

gegen die Übernahme der

Vormundschaft seitens des Vaters der unehelichen Mutter nicht vorliegen, und dieser alsdann von der Übernahme und Führung der gesetzlichen Vormundschaft benachrichtigt werde.

Schließlich

wird der Waisenrat

aufgefordert, mit

der Äußerung über den Bater der unehelichen Mutter, falls

dieser zur Übernahme der Vormundschaft unfähig sei, einen

geeigneten Vormund in Vorschlag zu bringen.

Seit Erlaß dieser Verfügung find schon wiederholt von

den Waisemäten Schreiben eingegangen, in denen der Vater der unehelichen Mutter als ungeeignet zum Vormunde be­

zeichnet und ein

worden ist. notwendig

anderer Vormund

in Vorschlag

gebracht

Da jedoch manche dieser Schreiben Rückftagen

gemacht

haben,

so

möge als Muster für ein

Antwortschreiben auf die betreffende Benachrichtigung, welches direkt auf das Benachrichtigungsschreiben gesetzt werden kann,

folgendes dienen: Urschriftlich zurück an das Kgl. Amtsgericht -u N. mit dem Bemerken, daß der Vater der unehelichen Mutter Gartner

A. altersschwach und krank (ein Trunkenbold, liederlicher Mensch..)

ist und daher zur Führung der Vormundschaft ungeeignet ist, daß dafür aber der Gattenbesitzer B. hierdurch als Vormund in

Vorschlag gebracht wird.

Der Waisenrat N. N.

Wenn seitens

des Waisemates

Verfügung vom 18. Mai 1896 klärung

innerhalb

der in der

gestellten Frist

keine Er­

eingeht, wird die Benachrichtigung dem Vater der

unehelichen Mutter,

daß er gesetzlicher Vormund

des von

seiner Tochter außerehelich geborenen Kindes geworden sei, nach dem vorgeschriebenen Formular Nr. 1 zugesandt.

Hat

der

Waisemat

durch

das Vornmndschaftsgericht

die Nachricht von der Bestellung des gesetzlichen Vormundes

erhalten, so hat er, falls er selbst keine Bedenken trägt, dem Großvater des Mündels die Vorinundschaft anzuvettrauen,

den Namen und

den Geburtstag

des Mündels

und

die

Namen der Mutter sowie des Vormundes in das von ihm zu führende Verzeichnis einzutragen und die Benachrichügung

des Vormundschaftsgerichts seinen Akten einzuverleiben. Überhaupt kann es ihm nicht dringend genug anempfohlen

22

Gesetzliche Vormundschaft.

werden, alle ihm zugesandten amtlichen Schriftstücke zusammen zu heften und sorgfältig aufzubewahren, damit, wenn seitens des Gerichtes Anftagen an ihn gerichtet werden, er jederzeit imstande ist, dieselben sachgemäß zu beantworten. Die Bestimmung unter Nr. 6 des § 21 d. V.O. bedarf keiner weiteren Erörterung, indessen durfte es nötig sein, über die Nr. 7 des obigen Paragraphen noch einiges zu sagen. Der Gesetzgeber versteht unter weiblichen Personen nur solche, welche zu dem Mündel nicht im Verhältnis von Mutter und Großmutter stehen. Trotzdem möge der Waisen­ rat aber hinsichtlich der Mutter eines unehelichen Kindes, welche nach Abs. 2 d. § 21 nicht unfähig zur Führung der Vormundschaft über ihr Kind ist, sehr vorsichtig sein. Nach den in der Praxis gemachten Erfahrungen nämlich ist gerade die Mutter eines unehelichen Kindes in den seltensten Fällen zur Führung der Vormundschaft geeignet, da sie sehr ost mit dem Erzeuger des Kindes in wilder Ehe lebt. Durch ein solches Zusammenleben erhält das betreffende Kind ein schlechtes Beispiel und es ist zu erwarten, daß es entweder nach oder gar schon vor der Reise in den Fehler der Mutter verfällt. Der Waisenrat wird daher meistens wohl daran thmr, wenn er für ein uneheliches Kind eine männliche Person in Vorschlag bringt, die über das sittliche Wohl des Kindes wacht und nötigenfalls das Kind der Mutter entzieht, um es in sittliche Pflege zu bringen. Erwähnt sei hier noch, daß der Waisenrat niemals den Vater eines unehelichen Kindes in Vorschlag zu bringen hat, da dieser zur Alimentation des Kindes gesetzlich ver­ pflichtet ist, der Vormund hingegen darauf zu achten hat, daß der Erzeuger der ihm gesetzlich obliegenden Alimentations­ pflicht nachkommt. In gleicher Weise empfiehlt es sich aus praktischen

23

Stiefvater als Vormund. — Ablehnungsgründe.

einen Stiefvater

Gründen,

Vorschlag zu bringen,

seine Stiefkinder nicht in

für

da Erzieher und Vormund in einer

Person vereinigt würde und somit eine Kontrolle über die

Erziehung

der Kinder wegfiele.

Sollte

Waisenrat für besonders günstig erachten,

es

dennoch

der

für die Mündel

den Stiefvater als Vormund in Vorschlag zu bringen, so nmß er, um Rückftagen des Vormundschastsrichters thunlichst seinen Vorschlag besonders begründen und,

zu vermeiden,

falls der Sttefvater zum Vormund bestellt ist, alsdann auch

darüber wachen, daß die Mündel sittlich und

gut erzogen

Zeigen sich jedoch bei der Erziehung der Stieflinder

werden.

Mißstände und Pflichtwidrigkeiten seitens des Stiefvaters, so

hat er diese baldigst dem Vormundschastsrichter anzuzeigen, damit

dieser

nach

vorgenommener

Sachuntersuchung

den

Stiefvater der Vormundschaft entsetze. Endlich

hat bei dem Vorschläge

des Vormundes der

Waisenrat noch die §§ 22 u. 23 d. V.O. zu beachten. § 22.

Wer ein StaatSamt oder ein besoldetes Amt in der

Kommunal- und Kirchenoerwaltung bekleidet, bedarf zur Führung

einer von dem Vormundschaftsgericht eingeleiteten Vormundschaft der Genehmigung der zunächst vorgesetzten Behörde. § 23.

Die

Übernahme

einer

Vormundschaft

können

ab­

lehnen:

1.

weibliche Personen;

2.

wer das sechzigste Lebensjahr überschritten hat;

3.

wer bereits mehr als eine Vormundschaft oder Pflegschaft

4.

wer an einer die ordnungsmäßige Führung der Vormund­

5.

wer nicht

führt;

schaft hindernden Krankheit leidet;

im Bezirk^) des

Vormundschastsgerichts

seinen

Wohnsitz hat;

10) Der zum Vormund Vorgeschlagene kann nur dann ab­ lehnen, wenn er in dem Bezirke des Vormundschaftsgerichts (Amts­ gerichts) nicht seinen Wohnsitz hat.

AblehnungSgründe. — Beamte rc.

24

wer nach Maßgabe des § 58 zur Stellung einer Sicherheit

6.

angehalten wird;

7.

wer fünf oder mehr minderjährige eheliche Kinder hat.

Die Führung einer Gegenvormundschast steht im Sinn der Nr. 3 der Führung einer Vormundschaft und Pflegschaft nicht

gleich. Das Ablehnungsrecht geht verloren, wenn es nicht bei dem VonnundschastSgericht vor der Verpflichtung geltend gemacht wird.

Beabsichtigt der Waisenrat eine der in den vorstehenden

Paragraphen naher bezeichneten Personen in Vorschlag zu bringen,

können,

so wird er nur dann einen Beamten wenn anzunehmen ist,

vorschlagen

daß die chm vorgesetzte Be­

hörde ihre Genehmigung dazu erteilt, und der Beamte zur

Übernahme der Vormundschaft bereit ist.

Ein Gleiches er­

scheint auch bei den übrigen unter Nr. 1—7 des § 23 aufgeführten Personen wünschens- und empfehlenswert, da öfters in der Praxis die vom Waisenrate in Vorschlag gebrachten Personen aus einem der in diesem Paragraphen genannten Gründe den

die Übernahme

der Vormundschaft

Vormundschaftsrichter

dadurch

zwingen,

ablehnen die

und

geladene

Person zu entlassen und ein neues Ersuchen an den Waisen­ rat zu richten.

Daß ein solches Unterlassen einer Rücksprache

des Waisenrates mit dem

in

Aussicht

genommenen

Vor­

munde den Geschäftsverkehr erschwert, bedarf keiner weiteren Begründung, und doch ist es für den in der Mitte seiner

Gemeinde bezw.

seines Bezirkes

stehenden Waisenrat,

der

infolgedessen auch die Gemeindeglieder ost persönlich kennt oder als Vertreter der Gemeinde doch wenigstens mit ihren Verhältnissen bekannt ist, sicher ein Leichtes, den: Vormund-

schastsrichter von vornherein nur zur Übernahme der Vor-

tnundschaft geneigte und geeignete Personen in Vorschlag zu bringen.

In der Praxis werden als Ablehnungsgründe nament­

lich geltend gemacht die Führung

von mehr als einer Vor-

Lrrzeichnis A. nwndschaft,

25

die Vollendung des 60. Lebensjahres und der

Besitz von 5 oder mehr minderjährigen ehelichen Kindem.

Alle drei Gründe find doch jedenfalls vom Waisemate noch

vor der Benennung eines Vormundes sehr leicht festzustellen, da, wenn er eine Rücksprache mit der betreffenden Person

auS persönlichen Gründen nicht nehmen will,

er doch aus

den von der Ortspolizeibehörde geführten Listen jederzeit er­ sehen kann, wie alt die betreffende Person ist und ob fie Ebenso wird er auch aus

5 oder mehr eheliche Kinder hat.

dem von ihm geführten Verzeichniffe fich vergewiffem können, ob

zwei Vormundschaften oder eine

der Vorzuschlagende

Vormundschaft und eine Pflegschaft führt.

Allem Anscheine

nach wird ein solches Verzeichnis, welches auf Grund der

Einficht in die Verzeichnisse des Vormundschaftsgerichts vom Waisenrat eigenhändig

werden kann

gefertigt

bezw.

auf

Gmnd der ihm von dem Vormundschastsgerichte gemachten

Mitteilungen von der Verpflichtung der Vormünder auftu-

stellen ist, nicht geführt.

solchen Verzeichnisses

Aber gerade die Anfertigung eines

empfiehlt

aus oben

fich

erwähnten

Gründen und erlaubt sich der Verfasser die Anlegung eines

solchen mit folgenden Spalten in Vorschlag zu bringen:

Verzeichnis A. Name deS DaterS und

Dor- u. Zuname 1

g

; 1

de-



Mündels.

!

Todestag ‘

desselben.

Name des

!

gerichtlich

!

verpflichteten Vormundes I

und Pflegers

bezw. des

g

i Name der \ unehelichen

D

|

Mutter.

gesetzlichen Vormundes, (mütterlich. Großvater » !

Bemerkungen-

Kontrolle deS Vormundes.

Verzeichnis B.

26

Mit Rücksicht auf § 54, Abs. 2 d. V.O. erachtet Der-fasset die Anlegung eines zweiten Verzeichnisses mit folgenden Spalten für erforderlich:

Verzeichnis B. Bezeichnung des

M ündels.

Dor- u. Zuname

beztrks, in Name des

■e

"5.

e 's"

1

Mündels.

und Gegen1 Vormundes.

bezirtS, in

und v. welchem welchem das

die Anzeige nach

I 54, Abs. 2 b.

! 1।

S

Mündel

D O. ergangen

!

lfL

j 1

verzogen ist.

Allenfalls ließen sich beide Verzeichnisse vereinigen, iiv Lem der Titel der drei letzten Spalten des Verzeichnisses B hinter die drei letzten des Verzeichnisses A gesetzt werden; indessen ist Verfasser der Ansicht, daß dann die Übersichtlich feit leicht leiden könnte. Aus den oben vorgeschlagenen Überschriften der einzelnen Spalten ersieht der Waisenrat, welche Eintragungen er zu machen hat. Führt er die beiden Verzeichnisse mit der nötigen Sorgfalt, so wird er dann stets wissen, welche Mündel in seinem Bezirke wohnen, welche Personen seines Bezirks Vormünder sind, wer von diesen mehr als eine Vor­ mundschaft führt, welche Mündel großjährig sind, beziv. welche Vormundschaft durch Eintritt in die Großjährigkeit beendet ist, und welche Mündel in seinen Bezirk verzogen sind. Was die Personen anbetrifft, welche mehr als eine Vormundschaft bezw. Pflegschaft führen, so ist zu erwähnen.

Benennung des Vormundes ohne Ersuchen.

27

daß es hier nicht ausgeschlossen ist, daß der Waisenrat sie wieder vorschlagen kann, falls sich die betreffende Person ausdrücklich bereit erklärt hat, noch eine weitere Vormund­ schaft führen zu wollen. Es ist deshalb durchaus notwendige daß der Waisenrat, bevor er eine solche Person vorschlägt, mit ihr Rücksprache nimmt und ihre Einwilligung einholt. Unterläßt er dies, so bereitet er dem Dormundschaftsgericht mehr Arbeit als nötig ist und verursacht der betreffenden Person nur unnütze Wege und Zeitversäumnisse, für die sie nicht einmal entschädigt werden kann. Das Verzeichnis A dient dem Waisenrate auch noch in anderer Richtung. Wird ihm der Tod eines Mitgliedes seines Bezirks bekannt, so hat er in dem Verzeichnisse nach­ zusehen, ob der Tote Vormund war. Ist dies der Fall gewesen, so ist er verpflichtet, dem Vormundschaftsgericht davon Anzeige zu machen und gleichzeitig eine andere Person als Vormund vorzuschlagen. Er wird dadurch unhaltbare Zustände, wie sie die Praxis häufig zeigt, beseitigen, denn es bestehen Vorrnundschaften, bei welchen sich erst beim Vermieten der Minderjährigen oder bei ihrem Eintritt in die Lehre ergiebt, daß der Vormund gestorben ist und somit die Minder­ jährigen jahrelang ohne Aufsicht eines Vormundes gelebt haben. Das Bormundschaftsgericht ist infolge der von ihm ge­ führten umfangreichen Verzeichnisse bei Eingang der ihm vom Standesamt gemachten Anzeige eines Todesfalls nicht imstande festzustellen, ob der Verstorbene eine oder mehrere Vormundschaften geführt hat, und daß somit Mündel ihren Vormund verloren haben, wohl aber kann dies der Waisen­ rat auf Grund des von chm geführten Verzeichnisses thun. Ganz besonders empfiehlt sich aber die Aufnahme der ge­ setzlichen Vormundschaften in das Verzeichnis A. Stirbt nämlich der nrütterliche Großvater eines unehelich geborenen

28

Verpflichtung eines gerichtlich zu bestellenden Vormundes rc.

Lindes, so erfährt das Vormundschaftsgericht in den seltensten Fällen etwas davon, und das betreffende unehelich geborene

das

Lind,

bleibt

oft einer strengen Aufsicht bedarf,

sehr

jahrelang ohne Vornmnd und läuft Gefahr, zu Grunde zu gehen.

Der Waisenrat hat

daher

die Pflicht,

das Wohl

und Wehe gerade dieser Kinder im Auge zu behalten und

im Falle des Ablebens eines mütterlichen Grotzvaters, dessen

Name und Wohnung ihm aus dem Verzeichnisse A ersichtlich ist,

dem

Vormundschaftsgerichte

unter

Benennung

einer

underen geeigneten Person sofort davon Kenntnis zu geben. Dieses verpflichtet nunmehr die ihm vorgeschlagene Person