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German Pages 172 Year 1990
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 64
Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts
Von
Friedrich Barner
Duncker & Humblot · Berlin
FRIEDRICH BARNER
Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 64
Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts
Von
Friedrich Barner
Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufhahme der Deutschen Bibliothek Barner, Friedrich: Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts / von Friedrich Barner. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Schriften zum Wirtschaftsrecht; Bd. 64) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07017-8 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-07017-8
Für R. Κ.
Inhaltsverzeichnis Einführung
11
Kapitel 1 Entlastungsverfahren I. Entlastete
19 19
1. Mehrpersonenverbände
19
2. Einpersonenverbände
21
II. Entlastende
24
III. Entlastungsformalien
27
1. Entlastungszeitpunkt
27
2. Entlastungsvoraussetzungen
28
3. Entlastungsperiode
30
4. Entlastungsbeschlußfassung
33
a) Beschlußanforderungen
33
b) Stimmverbote . .
35
IV. Ergebnis
43
Kapitel 2 Entlastungserteilung - Verzichtswirkung I. Überblick II. Verzichtswirkung aufgrund Rechtsgeschäfts 1. Zweiseitige Rechtsgeschäfte a) Allgemeine Bedenken b) Bedenken gegenüber einzelnen Vertragstypen
44 44 49 50 50 55
(1) Vergleich
55
(2) Erlaßvertrag (3) Negativer Schuldanerkenntnisvertrag
57 59
8
Inhaltsverzeichnis
2. Einseitige Rechtsgeschäfte
60
a) Verzichtserklärung eigener Art
60
b) Genehmigung
63
c) Quittung
66
3. Organisationsrechtliche Verzichtserklärung eigener Art
68
III. Zwischenergebnis 1 - Rechtsnatur der Entlastung: Wertungsakt
68
IV. Verzichtseffekt aufgrund gesetzlicher Anordnung
71
1. Ausdrückliche gesetzliche Regelung
71
2. Treu und Glauben-§ 242 BGB
71
a) Verbot des venire contra factum proprium
71
(1) Allgemeine Begründungsansätze
71
(2) Spezielle Begründungsansätze
76
aa) Werkvertragsrecht
76
bb) Recht der Zeugniserteilung
77
cc) Konkursrecht
79
b) Verwirkung V. Verzichtswirkung aufgrund Gewohnheitsrechts VI. Zwischenergebnis 2 - Ende der Verzichtswirkung VII. Zwischenergebnisüberprüfung
80 83 85 86
1. Notwendiger Zusammenhang zwischen Vertrauenskundgabe und Verzichtseffekt?
86
2. Notwendige Differenzierung bei den Entlastungsfolgen wegen unterschiedlicher Strukturen innerhalb der einzelnen Verbände?
87
a) Aktiengesellschaft b) GmbH
87 90
c) Genossenschaft d) Ergebnis
92 93
3. Notwendige Gleichbehandlung der Verbandsorgane in Haftungsfragen?
93
4. Praktische und funktionale Bedeutung des Verzichtseffekts
95
5. Unerwünschte Folgen des Verzichtseffekts
98
6. Fortbestehende Bedeutung der Entlastung
102
Vm. Endergebnis
104
Inhaltsverzeichnis
9
Kapitel 3 Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Stellung der Entlastungsempfänger als Organ waiter/ Angestellte des Verbandes I. Aktiengesellschaft
105 106
1. Vorstand
106
a) Organverhältnis
106
b) Anstellungsverhältnis
109
2. Aufsichtsrat
113
II. GmbH ohne Aufsichtsrat
115
1. Organverhältnis
115
2. Anstellungsverhältnis
117
III. GmbH mit Aufsichtsrat
118
1. Freiwilliger Aufsichtsr at
118
2. Obligatorischer Aufsichtsrat
119
IV. Genossenschaft
120
V. Verein
121
VI. Personengesellschaften
121
VII. Ergebnis
122 Kapitel 4 Entlastungs Verweigerung
I. Rechte des Verbandes 1. Änderung der allgemeinen Stellung des Organmitglieds
123
123 123
a) Aktiengesellschaft b) Genossenschaft
123 127
c) GmbH
127
2. Ersatzansprüche
129
10
Inhaltsverzeichnis
II. Rechte der Organmitglieder
130
1. Allgemeine Reaktionsmöglichkeiten
130
a) Organverhältnis
130
b) Anstellungsverhältnis
131
2. Rechtliche Schritte gegen die Entlastungsverweigerung
133
a) Entlastungs-Leistungsklage
133
b) Entlastungs-Feststellungsklage
140
c) Entlastungs-Auskunftsklage
151
III. Ergebnis
155 Zusammenfassung
157
Literaturverzeichnis
161
Einführung A m 20. Mai 1985 wies der Bundesgerichtshof die Klage des Geschäftsführers einer GmbH gegen die Gesellschaft, ihn für das Geschäftsjahr 1981 zu entlasten, ab 1 . A m 21. April 1986 hatte dasselbe Gericht über den Umfang der mit der Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers verbundenen Verzichtswirkung zu entscheiden: Sie erfasse auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, sofern die die Bereicherung begründende Vermögensverschiebung auf Maßnahmen der Geschäftsführung beruhe 2 . Beide Urteile betreffen wichtige, miteinander zusammenhängende Teilaspekte des im Wirtschaftsleben bedeutenden Vorgangs der Entlastung der Organe von Verbänden: Gibt es ein „Recht auf Entlastung"? Welche Auswirkungen hat der Entlastungsbeschluß auf die Rechtsstellung des betroffenen Organmitglieds? Gesetzlich ist wenig geregelt. §§ 119f. A k t G , 46 Nr. 5 GmbHG, 48 Abs. 1 GenG befassen sich fast ausschließlich mit Formalien und Zuständigkeitsfragen, lediglich § 120 Abs. 2 A k t G gibt Hinweise auf Inhalt und materielle Bedeutung des Entlastungsbeschlusses. Satz 2 dieser Vorschrift versagt der Décharge ausdrücklich jeden Einfluß auf Ersatzansprüche der Aktiengesellschaft gegen ihre Organwalter. Immer dann, wenn in Rechtsverhältnissen über eine längere Zeit der Geschäftsbesorgung für andere Rechenschaft in Form der Rechnungslegung zu geben ist, steht dieser Rechenschaftslegung als Korrelat 3 das Institut der „Entlastung" gegenüber. Privatrechtliche Personenvereinigungen, die die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Mitteln zum Ziel haben, fassen, sofern die Verwaltung des Verbandes gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigt ist oder nicht sämtliche Mitglieder an ihr teilhaben, gewöhnlich einmal im Jahr Entlastungsbeschlüsse, durch die sie die Amtsführung der Verwaltungsorgane billigen. § 120 Abs. 2 Satz 1 A k t G wörtlich: „Durch die Entlastung billigt die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats".
1 BGHZ 94, 324; veröffentlicht auch in NJW 1986, 129; WM 1985, 1200; GmbHR 1986, 356. 2 BGHZ 97, 382; veröffentlicht auch in NJW 1986, 2250; WM 1986, 79. 3 Isele,„Geschäftsbesorgung", S. 133.
12
Einführung
Hat die Erteilung der Entlastung vor allem verbandsinterne Aufgaben und Effekte - Billigung der Geschäftsführung für die Vergangenheit, Vertrauensbekundung für die Zukunft, bei bestimmten Organisationen nach allgemeiner Ansicht auch die NichtVerfolgbarkeit gewisser Ersatzansprüche - , wirkt die Entlastungsverweigerung daneben auch stark nach außen: Zwar ist die Organstellung des Betroffenen nicht unmittelbar berührt, seine Autorität innerhalb und außerhalb des Verbands ist jedoch erschüttert. Der Amtsinhaber ist „angeschlagen", sein berufliches Fortkommen mit einer möglicherweise schwerwiegenden Hypothek belastet. Auf diese Weise kann das Instrument der Entlastungsverweigerung zu einer starken Waffe der Kontrolle gegenüber den Verwaltungs- und Aufsichtsorganen eines Verbandes werden. Das Interesse der Betroffenen an wirksamen und handhabbaren Gegenmitteln ist also verständlich. Gerade in größeren Wirtschaftsunternehmen sind bei einer Nichterteilung des Vertrauensbeweises neben dem persönlichen Betroffensein des Geschäftsleiters selbst die Rückschlüsse der (Fach-)Öffentlichkeit auf den Zustand des Verbandes zu berücksichtigen. Nicht nur Fähigkeiten und „Fortune" des Nichtentlasteten, auch das Unternehmen selbst werden einer aufmerksamen Analyse unterzogen: Wie steht es um Geschäftspolitik und Management einer Gesellschaft, deren Verwaltung nicht das Vertrauen der Anteilseigner genießt? Diese mehr psychologischen Effekte sind nicht zu unterschätzen. In Hinblick auf die angedeuteten, unter Umständen schwerwiegenden materiellen und immateriellen Weiterungen einer erteilten oder nicht erteilten Décharge liegt es nahe, daß auch formelle Aspekte des Beschlußverfahrens große Bedeutung gewinnen können. In diesem Zusammenhang geht es häufig um das Eingreifen von Stimm verboten. Vielschichtigkeit und Bedeutung der mit dem Institut der Entlastung verbundenen Probleme werden an Beispielsfällen deutlich: Falli Die Gesellschafterversammlung der X-GmbH (Möbelhersteller mit 1000 Arbeitnehmern) entlastet die Geschäftsführer, die Mitglieder des Aufsichtsrats und diejenigen des „Verwaltungsrats" der Gesellschaft. Den „Verwaltungsrat" bilden Vertreter der Anteilseigner, der Hausbank des Unternehmens sowie der Großkunden der Gesellschaft. Er hat die Aufgabe, die Geschäftsführung in allen wichtigen Fragen der Unternehmenspolitik zu beraten sowie wirtschaftliche Grundentscheidungen auf ihre Marktorientiertheit hin zu überprüfen. Zwei Jahre später stellt sich bei einer erneuten Durchsicht der Geschäftsunterlagen heraus, daß sich die Geschäftsführer während der Entlastungsperiode mit Wissen von Aufsichts- und „Verwaltungs"-Rat auf sehr riskante Warentermingeschäfte eingelassen hatten, um eine vorübergehende Liquiditätskrise der Gesellschaft zu überwinden. Der Gesellschaft sind dadurch existenzbedrohende Verluste in Millionenhöhe entstanden.
Einführung
In dem geschilderten Sachverhalt geht es um eine der wichtigsten Folgen des Entlastungsbeschlusses, nämlich um die Frage, ob und wie er sich auf die Verfolgbarkeit von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgane einer Gesellschaft auswirkt. Für die Aktiengesellschaft ist die Situation klar. Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 A k t G enthält die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche. Anders bei allen sonstigen Entlastungsvorgängen: In GmbH, Genossenschaft, Personengesellschaft und Verein soll nach allgemeiner Ansicht die Billigung der Geschäftsführung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen ausschließen, sofern nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen4. Diese scheinbar so eindeutige Rechtslage erfährt bemerkenswerte Einschränkungen, sobald eine mitbestimmte Gesellschaft betroffen ist. Im Ausgangsfall ist die X-GmbH dem BetrVG 1952 unterworfen, das in § 77 Abs. 1 für Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern die Bildung von Aufsichtsräten anordnet. Auf diese findet u. a. § 116 A k t G Anwendung, der wiederum ohne Einschränkung auf § 93 A k t G verweist. Nach Abs. 4 Satz 3 dieser Vorschrift kann die Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen frühestens nach Ablauf von drei Jahren auf Ersatzansprüche verzichten. Der obligatorische Aufsichtsrat einer GmbH ist also erheblich schlechter gestellt als die Geschäftsführung derselben Gesellschaft, deren Entlastung keinem gesetzlichen Verzichtsausschluß unterliegt 5 . Unterstellt, es habe sich im Ausgangsfall bei den Warentermingeschäften um pflichtwidrige, weil das hinnehmbare Risiko überschreitende „gewagte Geschäfte" 6 gehandelt, könnten die Geschäftsführer, einmal entlastet, hinsichtlich eines aus den Geschäftsunterlagen erkennbar werdenden Fehlverhaltens nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Anderes gilt für die Mitglieder des Aufsichtsrats. Haben sie ihre Pflicht, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 77 Abs. 1 BetrVG 1952 i . V . mit § 111 Abs. 1 AktG), nicht ordnungsgemäß erfüllt, insbesondere die Geschäftsführer nicht beraten und nicht gewarnt, kann die Gesellschaft trotz der Entlastung weiterhin gegen sie vorgehen. Aus der Sicht der überkommenen Meinung ist die Situation besonders „unstimmig", wenn, wie in unserem Fall, dem obligatorischen Aufsichtsrat aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Regelung als weiteres Organ ein (Verwaltungs-)Beirat zur Seite gestellt ist. Dann führt der Grundsatz, Gesellschaftsorgane in bezug auf ihre Haftung gleich zu behandeln7, nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Liegt es im konkreten Sachverhalt einerseits nahe, den Verwaltungsrat dem Aufsichtsrat, da wie dieser mit Kontroll- und Überwa4 Β GHZ 29, 385(390); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 VI, S. 319. 5 Es sei denn, bestimmte unverzichtbare Ansprüche zum Schutz des Stammkapitals der Gesellschaft sind betroffen, z.B. §§ 43 Abs. 3, 9 b Abs. 1, 30, 31 GmbHG. 6 Dazu Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 43 Rdnr. 15. 7 Wunsch, NJW 1957, 1307(1308).
14
Einführung
chungsaufgaben befaßt, hinsichtlich der Verzichtswirkung einer Entlastung gleichzustellen, kann andererseits nicht ohne weiteres daran vorbeigegangen werden, daß grundsätzlich die Billigung der Amtsführung das Abstandnehmen von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen bedeuten soll: So z.B. auch für den freiwillig eingerichteten Aufsichtsr at einer GmbH 8 ; § 52 Abs. 1 GmbHG verweist lediglich auf die Absätze 1 und 2 des § 93 A k t G , nicht aber auf den Absatz 4. Fall 2 Die Y-GmbH führt die Geschäfte mehrerer Publikumspersonengesellschaften, u.a. auch die der M-GmbH & Co. KG, einer Gesellschaft mit 500 Kommanditisten und der Y-GmbH als einzigem Komplementär. F und G sind alleinige Gesellschafter der YGmbH, F auch ihr Geschäftsführer. Nachdem F Einlagen der Kapitalzeichner in großer Höhe für private Zwecke verwendet hatte, entlastet G ihn9. Auch in dieser Sachverhaltsgestaltung ist der ersatzanspruchhemmende Effekt des Déchargebeschlusses einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Geschäftsführer F hat Kapitaleinlagen für eigene Zwecke genutzt, seine Pflichten also gröblichst verletzt. Dadurch wurde in erster Linie nicht die GmbH, sondern die K G geschädigt. Zwar stehen der K G gegen die Y-GmbH wegen ihrer fehlerhaften Geschäftsführung Ersatzansprüche zu. Denn die GmbH hat nach § 31 BGB für ein Fehlverhalten ihres Geschäftsführers F einzustehen. Solche Kompensationsforderungen sind in der Regel jedoch dann wertlos, wenn, wie häufig bei reinen Geschäftsführungs- und Verwaltungsgesellschaften, die GmbH lediglich mit dem gesetzlichen Mindestkapital ausgestattet ist. Aussichtsreicher wäre es deshalb, wenn die K G auch in Fällen, in denen keine Deliktstatbestände verwirklicht wurden (hier haftet der Betroffene grundsätzlich immer), direkt oder indirekt gegen den Geschäftsführer ihrer Komplementärin vorgehen könnte. Der Bundesgerichtshof hat in Fällen, in denen die Geschäftsführung der GmbH & Co. K G die einzige Aufgabe der Komplementär-GmbH gewesen war, Schadensersatzklagen der K G gegen deren Geschäftsführer stattgegeben 10 . Die Schutzwirkung des zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer geschlossenen Anstellungsvertrages erfasse auch die KG, weil sie bei einem Bruch dieses Vertrages typischerweise geschädigt werde. Denn obwohl sie selbst keinen direkten Einfluß auf die Leitung der Geschäfte habe, beträfe (und gefährde) doch jede Geschäftsführungsmaßnahme sie unmittelbar. Notwendig sei daher ein direkter Anspruch gegen den Geschäftsführer, auf den 8
Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 52 Rdnr. 46. Vereinfachende Abwandlung zu BGHZ 75, 321. 10 BGHZ 75, 321; 76, 326 und öfter; so schon Reinfeld, Die Haftung des Geschäftsführers der GmbH & Co., S. 75ff. 9
Einführung
die GmbH und über sie der Geschäftsführer keinen Einfluß, z.B. durch eine Entlastung, nehmen könnten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat Kritik erfahren. Insbesondere die Übertragung der in sich schon nicht unumstrittenen und konturenlosen Rechtsfigur des „Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte" auf einen Sachverhalt, dem es an dem wesentlichen Spezifikum eines solchen Rechtsverhältnisses, dem „personenrechtlichen Einschlag" mit seiner gesteigerten Fürsorgepflicht für die Rechtsgüter anderer (der „Dritten"), fehlt, wird als fehlerhafter Ansatz moniert 11 . Ein enges Obhuts- und Fürsorgeverhältnis bestehe allenfalls zwischen K G und Komplementär-GmbH, in der Regel aber nicht zwischen K G und Geschäftsführer 12. Zumal wenn es um Vermögensschäden gehe, könne eine Schutzwirkung als letzter Rettungsanker nur angenommen werden, wenn der Dritte nicht die Möglichkeit gehabt habe, einen echten Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB abzuschließen. Dies sei aber gerade für die Kommanditisten kein Problem: Ihre starke Stellung beim Abschluß des Gesellschaftsvertrags erlaube es ihnen, die Grundlage für direkte Vertragsbeziehungen zu dem Geschäftsführer zu schaffen 13. In der Literatur wird demgegenüber eine Fortbildung des § 43 GmbHG vorgeschlagen: Die im Gesetz angeordnete Haftung des Managements einer Gesellschaft gegenüber den Unternehmensträgern (normalerweise also gegenüber der GmbH) auf die K G als Trägerin des von der GmbH verwalteten Unternehmens auszudehnen, sei eine angemessene Fortentwicklung des in § 43 GmbHG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willens für nicht vorhersehbare und nicht vorausgesehene Lebenssachverhalte 14. Oder man leitet aus dem Gesellschaftszweck der GmbH, die Geschäfte der K G zu führen, ab, daß auch die K G als unmittelbar von der Geschäftsführung Betroffene einen direkten Anspruch gegen den Geschäftsführer auf seine Dienste und entsprechend bei Schlechtleistung auf seine Schadensersatzleistung habe 15 . Schließlich wird gefordert, „mit dem ITT-Urteil 1 6 ernst zu machen": Die Haftung habe den Kompetenzen zu folgen, der Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH also der K G für Fehler geradezustehen 17.
h Grunewald, BB 1981, 581(582f.); Hüffer, ZGR 1981, 348 (354,356). ι 2 Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 264. ι 3 Grunewald, BB 1981, 581(583). 14 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II 4 c, S. 124, § 56 IV 3 b, S. 812; ders., GmbHR 1984, 272(279); ähnlich Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 265, der die GmbH und Co als Konzern begreift und deshalb das leitende Organ der Obergesellschaft, d.i. der GmbH-Geschäftsführer, für verpflichtet hält, auch im Verhältnis zur KG die Sorgfah eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. 15 Hüffer, ZGR 1981, 354(358). 16 BGHZ65,15. 17 Grunewald, BB 1981, 581(586).
16
Einführung
Wichtigstes Ziel einer Lösung des skizzierten Problems muß es sein, der K G die Möglichkeit zu verschaffen, gegen den Geschäftsführer vorzugehen, „ohne hieran durch irgendwelche Machenschaften der Komplementär-GmbH und damit des Beklagten (sc.: des Geschäftsführers) selbst gehindert zu sein" 18 . Die dargestellten Vorschläge versuchen dies mit den Mitteln einer weiten Vertrags· bzw. Gesetzesauslegung zu erreichen. Unabhängig von solchen, den unmittelbaren Vertrags- und Gesetzesinhalten zusätzliche Wertungen unterlegenden Ansätzen, sollte überprüft werden, ob nicht das kodifizierte Recht andere, weniger „freie", dabei aber ebenso interessengerechte Lösungswege bereit hält. Dazu sind die Ansprüche der GmbH gegen ihren Geschäftsführer genauer zu untersuchen. Die GmbH hat für ein Fehlverhalten ihres Geschäftsführers der K G gegenüber nach § 31 BGB einzustehen. Der Geschäftsführer haftet der GmbH dafür, daß diese nicht aufgrund seiner Geschäftsführung Regreßansprüchen der Kommanditgesellschaft ausgesetzt ist, § 43 GmbHG. Dies gilt immer dann, wenn der Geschäftsführer durch Fehlverhalten Pflichten gegenüber der GmbH verletzt. Dies ist ein häufiger, aber nicht unbedingt zwangsläufiger Fall: ausnahmsweise können es die Interessen der GmbH erfordern, sich einem Ersatzanspruch der K G auszusetzen. Den Anspruch der GmbH kann die K G de iure pfänden und sich überweisen lassen19. Haupteinwand gegen die Praktikabilität eines solchen Vorgehens ist jedoch, daß die GmbH-Gesellschafter die Möglichkeit haben, die Inanspruchnahme des Geschäftsführers F zu erschweren oder unmöglich zu machen. So können sie die Geschäftsleitung entlasten. Mißt man dem Entlastungsbeschluß eine „Verzichtswirkung" zu, bleibt nichts zum Pfänden übrig. In unserem Fall könnte F nicht mehr belangt werden. Es bliebe nur die Y-GmbH selbst. Sich an sie zu halten, hätte nur Sinn, wenn mehr als das gesetzliche Mindestkapital zur Verfügung stünde. Die Auflösung dieses Dilemmas erfordert jedoch nicht zwingend die, wie gezeigt, dogmatisch nicht bedenkenfreie Konstruktion direkter Ansprüche zwischen K G und GmbH-Geschäftsführer. Vielmehr wäre schon mit einer Décharge geholfen, die keine Auswirkungen auf bestehende Ausgleichsansprüche hat. Unabhängig davon, daß Entlastungsbeschlüsse unter Umständen wegen bewußter Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig und damit unwirksam sein können, ist daher zu untersuchen, ob wegen bestehender Strukturunterschiede zwischen den betroffenen Verbänden eine differenzierte Behandlung ι» BGHZ 75, 321(324). 19 Zu seiner Geltendmachung bedarf sie dann - anders als die GmbH-Gesellschafter - keines Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG; vgl. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 152.
Einführung
der Entlastungsfolgen - ggfs. mit gewissen Modifikationen - weiter geboten ist, oder ob in Fortführung der im Aktiengesetz für die Aktiengesellschaft getroffenen Entscheidung für alle Entlastungsvorgänge eine Verzichtswirkung verneint werden sollte. Fall 3 A ist Geschäftsführer der Z-GmbH. Die Gesellschafterversammlung lehnt es ab, ihn für das Geschäftsjahr 1981 zu entlasten, weil er sein Privathaus durch Personal der Gesellschaft habe bewachen lassen20. 1. Abwandlung A wird die Entlastung unter Hinweis auf möglicherweise bestehende, nicht näher zu konkretisierende Ersatzansprüche verweigert. 2. Abwandlung A wird mit der Begründung nicht entlastet, man sei mit der Art, wie er die Geschäfte führe, nicht zufrieden. Das hier angesprochene Problem hängt mit den in den beiden ersten Fällen behandelten Wirkungen der Déchargeerteilung zusammen. Schließt der Entlastungsbeschluß die Verfolgung bestimmter Ersatzansprüche gegenüber Mitgliedern der Verwaltung eines Verbandes aus, stellt sich sofort die Frage, ob die betroffenen Organwalter ihre Entlastung bei Einhaltung gewisser Formalien verlangen können, ob sie also ein „Recht auf Entlastung" haben. Ohne Zweifel haben sie im Hinblick auf die „Verzichtswirkung" ein Interesse daran, entlastet zu werden. Aber genügt das? Kann A gegen die X-GmbH mit dem Ziel Klage erheben, ihn für das Geschäftsjahr 1981 zu entlasten? Der Bundesgerichtshof hat dies, wie oben bereits erwähnt, für den Fall eines GmbH-Geschäftsführers abgelehnt. Trotz des Verzichtseffekts könne bei Berücksichtigung des Inhalts des Entlastungsbeschlusses - Billigung der Geschäftsführung für die Vergangenheit, Vertrauenskundgabe für die Zukunft - eine Leistungsklage keinen Erfolg haben. Subjektive Wertung sei nicht justitiabel. Berühme sich die Gesellschaft jedoch konkreter Ersatzansprüche, bliebe es dem Organmitglied unbenommen, gerichtlich das Nichtbestehen dieser Ansprüche feststellen zu lassen. Ist für den Ausgangsfall damit eine klare Entscheidung gefällt, bleiben für andere Sachverhaltskonstellationen Fragen offen. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Betroffene, wenn das für die Entlastung zuständige Gesell20
Β GHZ 94, 324.
2 Barner
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Einführung
schaftsorgan, wie in Abwandlung 1, keine bestimmten, seiner Ansicht nach schadensersatzbegründende Sachverhalte benennt, sondern es lediglich bei einem vagen Hinweis beläßt? Soll auch in einer solchen Situation eine negative Feststellungsklage zulässig sein? Oder ist den gefährdeten Interessen des Verwaltungsmitglieds zur Vorbereitung eigener rechtlicher Schritte mit der Zuerkennung eines Informationsanspruchs, gerichtet auf Mitteilung darüber, ob die Gesellschaft Ersatzansprüche für gegeben hält und diese auch durchzusetzen gedenkt, hinreichend gedient? Auch in der 2. Abwandlung stellt sich die Frage nach den Reaktionsmöglichkeiten des Geschäftsführers. Auf den ersten Blick scheint er „rechtlos" zu sein, denn die verweigerte Vertrauenskundgabe eines Nichtvertrauenden kann nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Und das für ein Feststellungsinteresse notwendige „Sichberühmen" von Ansprüchen liegt nicht vor: Die Gesellschaft behauptet gerade nicht, Schadensersatzforderungen zu haben. Und da nicht zuletzt die „Fortune" des Verwaltungsorgans bei der Führung der Geschäfte zur Beurteilung durch die Gesellschafter ansteht, scheint eine derartige Mißfallensbekundung uneingeschränkt zulässig zu sein. Was aber, wenn die zuständigen Gremien eine solche „allgemein" gehaltene Begründung nur vorschieben, etwa um eine Klage des Geschäftsführers für den Moment zu verhindern und Zeit zu gewinnen für eine umfassende Sichtung des möglichen Prozeßstoffs ohne Druck von außen? Hat der Betroffene dann die Möglichkeit, aktiv insbesondere dem drohenden Reputationsverlust innerhalb und außerhalb der Gesellschaft zu steuern? Wie die Beispielsfälle zeigen, steht im Mittelpunkt der mit dem Institut der Entlastung verbundenen Probleme die Frage nach dem rechtlichen Einfluß der Décharge auf die Verantwortlichkeit der Organmitglieder für schädigendes Fehlverhalten. Die hergebrachten Betrachtungsweisen wollen außerhalb des Aktienrechts trotz der dargestellten Ungereimtheiten weithin an einem Verzichtseffekt der Entlastung festhalten. Für die hier zu entwickelnde Lösung ergibt sich aus eben diesen Widersprüchlichkeiten der Prüfungsansatz, auf eine Verzichtswirkung ganz zu verzichten. Um hierfür eine überzeugende Begründung zu gewinnen, werden im folgenden Inhalt und Folgen eines Entlastungserteilungs- wie eines Entlastungsverweigerungsbeschlusses untersucht werden. Zu behandeln ist zunächst das Procedere des Entlastungsvorgangs (2. Kapitel), im Anschluß die Frage der Verzichtswirkung einer Déchargeerteilung (3. Kapitel) sowie ihre möglichen sonstigen Rechtsfolgen (4. Kapitel). Im Mittelpunkt eines abschließenden 5. Kapitels stehen die Probleme im Zusammenhang mit einer negativen Entlastungsentscheidung.
Kapitel 1
Entlastungsverfahren Das entscheidende Problem des Entlastungsinstituts ist die Frage nach einem möglichen Verzichtseffekt der Décharge. Der überkommenen Ansicht, die dies bejaht, wird die These vom „Verzicht auf den Verzicht" entgegengesetzt. Soweit das Gesetz selbst nicht wie in § 120 Abs. 2 A k t G Auskunft gibt, muß daher untersucht werden, welchen rechtlichen Gehalt ein Déchargebeschlufi hat, ob er einen „gewollten", rechtsgeschäftlich herbeigeführten Verzicht enthält, oder ob ihm die Rechtsordnung bei/trotz Fehlen(s) eines solchen Inhalts eine entsprechende gesetzliche Folgewirkung beimißt. Ausgangspunkt dieser Untersuchung hat die Klärung der tatsächlichen Grundlagen des Déchargevorgangs zu sein. Die Gesetze sehen, wenn sie sich überhaupt äußern, die Entlastung als formalisiertes Verfahren vor, dessen Voraussetzungen im einzelnen zu bestimmen sind. Es geht darum herauszufinden, ob die in den Normierungen für den Entlastungsbeschluß aufgestellten Anforderungen bereits seine materiell-rechtliche Einordnung präjudizieren, bzw. inwieweit sie wenigstens Anhaltspunkte für die materiell-rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung zu liefern vermögen, oder ob sie sich in formellen, verfahrensgerichteten Aussagen erschöpfen, die die Alternative zwischen „nur" wertender Vertrauenskundgabe und „auch" rechtlich gestaltender Entscheidung offenlassen.
I. Entlastete Entlastung und Geschäftsbesorgung gehören eng zusammen. Wer in einem Verband Geschäftsführungs- oder Kontroll- und Überwachungsaufgaben übernommen hat, ist zu entlasten. 1. Mehrpersonenverbände Normiert ist wenig. Regelungen finden sich im Aktiengesetz (§§ 119f., 285), GmbH-Gesetz (§ 46 Nr. 5) und Genossenschaftsgesetz (§ 48 Abs. 1). Der Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft werden danach ebenso entlastet wie die entsprechenden Organe einer Genossenschaft. Das 2*
20
Kapitel 1: Entlastungsverfahren
gleiche gilt für den persönlich haftenden Gesellschafter und den Aufsichtsrat einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sowie für die Geschäftsführer einer GmbH. Die Déchargeerteilung an einen aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen oder mitbestimmungsgesetzlicher Regelungen gebildeten Aufsichtsrat ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, entspricht aber weitverbreiteter Übung 1 . Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält keine Bestimmung darüber, ob dem Vorstand eines Vereins Entlastung zu erteilen ist oder nicht. Üblicherweise wird diese Frage in den Vereinssatzungen geregelt 2. Auch im Recht der Personengesellschaften fehlen gesetzliche Vorschriften. Wenn keine Gesamtgeschäftsführung vorliegt, werden aber auch in diesen Verbandsformen die geschäftsführenden Gesellschafter regelmäßig, sei es aufgrund gesellschaftsvertraglicher Abreden, sei es, weil eine entsprechende faktische Übung besteht, entlastet3. Das gilt insbesondere auch für die (Publikums-)Personengesellschaften 4. In einer als GmbH & Co. K G verfaßten Publikumsgesellschaft ist dabei der Entlastungsvorgang innerhalb der Komplementär-GmbH, bei dem es um die Beurteilung der Leistungen der GmbHGeschäftsführer geht, von demjenigen in der Kommanditgesellschaft als solcher, in dessen Mittelpunkt die Aufgabenerledigung durch die GmbH als geschäftsführender Gesellschafterin steht, zu unterscheiden. Keine Besonderheiten bestehen, wenn, wie im Eingangsfall l 5 , der Gesellschaftsvertrag die Einrichtung eines Beirats (Verwaltungsrats, Gesellschafterausschuß u. ä.) neben oder statt eines Aufsichtsrats vorsieht. Diese Gremien haben je nach Aufgabengestaltung Geschäftsführungs- oder Beratungs- und Kontrollaufgaben oder sollen die Rechte einzelner Gruppen von Anteilseignern bündeln 6 . Namentlich in Publikumspersonengesellschaften spielen derar1 Vgl. Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 52 Rdnr. 46, 122; HachenburgSchilling, GmbHG, §52 Rdnr. 147, 151; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rdnr. 14. 2 Reichert / Dannecker / Kühr, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rdnr. 958; Reuter in: MünchKomm, BGB, § 27 Rdnr. 19; vgl. auch RG JW 1936,1893 m. Anm. Lehmann; BGH WM 1987, 651; BGHZ 24, 47; Soergel-Schultze v. Lasaulx, BGB, § 27 Anm. 26; Staudinger-Helmut-Coing, BGB, § 27 Anm. 26. 3 BGH WM 1983, 910 (912); A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, S. 190f.; Fischer in: Großkomm. HGB, § 116 Rdnr. 23; Baumbach / Duden / Hopt, HGB, § 114 Anm. D; Heymann-Emmerich, HGB, § 114 Rdnr. 14; Heymann-Horn, HGB, § 166 Rdnr. 27; Staudinger-Keßler, BGB, § 713 Rdnr. 9. 4 Vgl. u.a. G. Wilhelm, „Die Problematik der Massen-KG", S. 116; Wenninger, Personengesellschaften mit körperschaftlichen Strukturelementen, S. 58f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 70. 5 Siehe oben Einführung. 6 Zur Zulässigkeit und zu den Grenzen der Bildung solcher Beiräte vgl. Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 61 ff.; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 8 ff.
I. Entlastee
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tige Beiräte eine große Rolle 7 , da es in solchen Gesellschaften, die in erster Linie als Sammelbecken für Risikokapital dienen, häufig an Mechanismen fehlt, die es den Anlegern ermöglichen, ihre Interessen effektiv wahrzunehmen: Die Kapitalzeichner werden mit vorformulierten, nicht änderbaren Vertragsbestimmungen konfrontiert und stehen, anders als nach dem Idealbild der Personengesellschaft vorgesehen, in keinerlei persönlicher oder sonstiger Beziehung zu den eigentlichen Unternehmensgesellschaftern 8. Die Einrichtung besonderer Geschäftsführungs- und Überwachungsorgane ist daher geboten9. Auch die Mitglieder solcher auf vertraglicher Grundlage eingerichteten Gesellschaftsinstitutionen können, wenn die Satzung dies bestimmt oder eine entsprechende tatsächliche Übung besteht, entlastet werden 10 . 2. Einpersonenverbände Solange in Einpersonenverbänden keine personale Identität zwischen Anteilseigner und Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgan besteht, unterscheiden sich die Entlastungssachverhalte nicht von denen in den übrigen Gesellschaften 11 . In einer Ein-Mann-Aktiengesellschaft/GmbH entlasten die Haupt- bzw. die Gesellschafter-„Versammlung" den Vorstand und den Aufsichtsrat bzw. die Geschäftsführung. Anders ist die Situation, wenn ζ. B. der einzige Gesellschafter der Aktiengesellschaft deren Vorstand oder Aufsichtsrat angehört oder der Ein-MannGesellschafter der GmbH auch deren Geschäftsführer ist und es jeweils um die eigene Entlastung geht. Es stellt sich die Frage, ob in solchen Fällen eine Déchargeerteilung überhaupt zulässig oder auch nur sinnvoll ist. Vergegenwärtigt man sich Inhalt und allgemein konsentierte Folgen einer Entlastungserklärung, gilt folgendes: Durch die Entlastung bekunden die Verbandsmitglieder ihr Einverständnis mit und ihr Vertrauen in die Art und Weise der Geschäftsbesorgung durch die Verwaltungsorgane; wichtigste Folge dieser Erklärung soll nach h . M . 1 2 entweder der Wegfall oder die Hemmung der Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen gegen die Entlasteten sein 13 . 7 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 106; Kaligin, „Die spezifischen Risiken des Abschreibungsgesellschaftskommanditisten", S. 34ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 57 II 2 b, S. 1259; Hüffer, ZGR 1980, 320ff. β Β GHZ 64, 238 (241); 84, 11 (13f.). 9 Kellermann in: Festschr. f. Walter Stimpel, S. 295 (299). 10 Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 209f.; Hölters, Der Beirat der GmbH & Co. KG, S. 50. 11 Zöllner in: Köllner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 32; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 10. 12 Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 VI 2, S. 319. 13 Zu den Rechtsfolgen eines Entlastungsbeschlusses im einzelnen vgl. unten Kap.2, I, Kap. 3.
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
Kann der Entlastungsbeschluß in einer Ein-Personen-Gesellschaft Bedeutung haben?
diese
In der Aktiengesellschaft hat die Décharge keine Konsequenzen für die Fragen nach Wiedergutmachung eines durch organschaftliches Fehlverhalten entstandenen Schadens, § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG. Ob man eine Selbstentlastung aus dem Interesse des Alleinaktionärs an einer Freistellung zulassen sollte, ist daher eine müßige Frage. Es bleibt der Billigungs- und Vertrauensaspekt des Beschlusses. Man könnte anführen, das Gesetz sähe unabhängig von der Zahl der Anteilseigner und deren Funktion innerhalb der Gesellschaft die Entlastung der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane generell vor 1 4 . Auch der Ein-MannGesellschafter sei daher als Organmitglied zu entlasten. Probleme ergeben sich dann allerdings bei der Ausübung des Stimmrechts. § 136 Abs. 1 Satz 1 A k t G untersagt die Stimmabgabe durch denjenigen, der entlastet werden soll. Läßt man allerdings in den hier fraglichen Sachverhalten eine Ausnahme von diesem Verbot zu, entfällt diese Schwierigkeit 15 . Das überzeugt nicht. Das schlichte Abstellen auf formale Notwendigkeiten vermag die Sinnhaftigkeit eines Vorgangs insbesondere dann nicht zu begründen, wenn gleichzeitig seine Bedeutungslosigkeit für den Ein-Mann-Gesellschafter betont wird 1 6 . Aber auch grundsätzliche Bedenken sind anzumelden. Die Entlastungserteilung ist das wichtigste nach außen hin sichtbare Zeichen für eine funktionierende innergesellschaftliche Gewaltenteilung. Sie ist der Abschluß eines öffentlichen Kontroll- und Bewertungsvorgangs 17. Als Antwort auf die erfolgte Rechenschaftslegung setzt die Décharge daher per definitionem ein Gegenüber von Urteilendem und Beurteiltem voraus. Die an die Öffentlichkeit gegebene Mitteilung, man sei mit sich selbst zufrieden und blicke zuversichtlich in die Zukunft, zeugt zwar von Selbstbewußtsein, bringt im übrigen aber wenig Sinn 18 : Weder nach innen noch nach außen dürfte für die Organperson ein autoritätssteigernder Effekt zu verzeichnen sein. Die notwendige Seriosität kommt nur einem Entlastungsverfahren zu, dessen Ergebnis potentiell offen ist, das heißt einem solchen, das wenigstens theoretisch auch mit einer Déchargeverweigerung enden könnte. Daß sich ein Alleinaktionär aber selbst die Entlastung verweigert, ist schlechterdings nicht vorstellbar, denn der Wille der juristischen Person wird von dem der natür-
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Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 19. Barz in: Großkomm, zum AktG, § 136 Anm. 10; Obermüller / Werner / Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 228. 16 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 19. 17 Vgl. dazu Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 33. ι» Vgl. auch Hachenburg-W.Schmidt, GmbHG, 5. Aufl. 1927, § 46 Anm. 25 b. 15
I. Entlastee
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lichen gebildet. In der Aktiengesellschaft ist eine Entlastung des Ein-MannGesellschafters daher unzulässig19. Für die GmbH gelten im Prinzip dieselben Überlegungen. Eine Akzentverschiebung könnte sich allerdings daraus ergeben, daß die Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers einem Verzicht der Gesellschaft auf erkennbare Ersatzansprüche gleichkommen soll 20 . Diese Tatsache kann Bedeutung haben, wenn Gesellschaftsgläubiger solche Ansprüche zu pfänden beabsichtigen oder Erwerber von Gesellschaftsanteilen den Gesellschaftergeschäftsführer wegen Fehlleistungen während der Ein-Mann-Periode belangen wollen. Auch kann es bei einer Verminderung der Gesellschafterzahl im Interesse des Geschäftsführers liegen, für Tätigkeiten im Interesse des Mehrpersonenverbandes Entlastung zu erhalten. Im zuletzt genannten Fall lassen sich die Schwierigkeiten allerdings dadurch relativ einfach vermeiden, daß der verbleibende Gesellschafter rechtzeitig vor dem Ausscheiden der übrigen einen Entlastungsbeschluß herbeiführt 21 . Formelle Bedenken hinsichtlich der Feststellbarkeit des genauen Zeitpunkts an der Déchargeerteilung 22 haben mit Einführung des § 48 Abs. 3 GmbHG im Jahr 1980 an Gewicht verloren. Diese Vorschrift hält den EinMann-Gesellschafter dazu an, jede Beschlußfassung schriftlich niederzulegen und zu unterzeichnen. Allerdings führt ein Verstoß gegen diese Regelungen nicht zu einer Nichtigkeit gefaßter Beschlüsse23. Interessanter ist schon die Frage, ob überhaupt das Entstehen von Schadensersatzforderungen, die durch eine Entlastung ihre Durchsetzbarkeit verlieren könnten, denkbar ist. Der Geschäftsführer in der GmbH macht sich ersatzpflichtig, wenn er in den Angelegenheiten der Gesellschaft nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwendet, § 43 Abs. 1, 2 GmbHG. Soweit die Art und Weise der Geschäftsbesorgung ihre Grundlage in Weisungen anderer Gesellschaftsorgane (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat, Beirat etc.) findet, tritt eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich nicht ein 24 . Nun kann sich ein Gesellschafter-Geschäftsführer schlechterdings nicht selbst anweisen. Vielmehr stimmen aufgrund der Personenidentität das Handeln des geschäftsführenden Organs und die Intentionen des einzigen Gesellschafters immer überein 25 . Eine Ersatzpflicht scheidet deshalb mangels 19 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 33; Im Ergebnis auch GeßlerEckardt, AktG, § 120 Rdnr. 10 unter Hinweis auf das Stimmverbot. 20 Vgl. z.B. BGHZ 94, 324 (328); 97, 382 (384). 21 Das gilt entsprechend bei einem Gesellschafterwechsel in der Aktiengesellschaft. 22 Griebel, Die Einmanngesellschaft, S. 26. 23 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 48 Rdnr. 29. 24 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rdnr. 25ff. 25 Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 184; Griebel, Die Einmanngesellschaft, S. 30.
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
Pflichtwidrigkeit von vornherein aus. Das gilt jedenfalls solange, wie nicht zwingende Gläubigerschutzbestimmungen verletzt werden. Ein Verstoß z.B. gegen § 30 GmbHG kann weder durch Weisungen von Gesellschaftsorganen noch durch ein begleitendes Einverständnis des Gesellschaftergeschäftsführers geheilt werden, § 43 Abs. 3 GmbHG. Die Haftung des Geschäftsführers bleibt bestehen, soweit seine Inanspruchnahme zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger notwendig ist. In dieser Beziehung besteht aber kein Unterschied zu den Folgen eines Entlastungsbeschlusses. Auch ein möglicher Verzichtseffekt der Décharge könnte nur solche Ersatzforderungen erfassen, deren Erlaß das Gesetz zuläßt 26 . Unabhängig davon also, wie man die Frage nach der Verzichtsfolge der Entlastungserteilung beurteilt 27 , unterscheiden sich Ein-Mann-Aktiengesellschaft und Ein-Mann-GmbH in bezug auf die Entlastungsproblematik nicht. Auch der Gesellschaftergeschäftsführer kann sich daher nicht selbst entlasten 28 . Aufgabe und Inhalt der Déchargeerteilung lassen dies nicht zu. Wer entlastet werden kann, richtet sich also nicht nach den möglichen oder nicht möglichen Folgen eines Déchargebeschlusses, sondern hängt allein von der personellen Zusammensetzung der betroffenen Organisation ab. Besteht keine Identität zwischen Gesamtgesellschafterbestand und zu Entlastendem, spielt es für die Beantwortung der Frage, ob Amtswalter entlastet werden können, keine Rolle, wie der Verband verfaßt ist. Dagegen kann es in Ein-Mann-Organisationen eine Entlastung des Geschäftsleiters nicht geben. Denn die Décharge hat Bedeutung nicht, weil sie eventuell Einfluß auf Ersatzansprüche hat, sondern weil sie das Ergebnis eines Kontrollvorgangs dokumentiert. Die Zulassung einer Selbst-Kontrolle aber müßte zu einer Denaturierung des Instituts und zur Irreführung Außenstehender führen.
I I . Entlastende Geschäftsbesorgung und Entlastung stehen in funktionaler Wechselbeziehung. Deshalb sind grundsätzlich diejenigen zu einer Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Décharge berufen, die im übrigen nicht unmittelbar an der Verwaltung des Verbandes, sei es geschäftsführend, sei es beaufsichtigend, beteiligt sind. Im einzelnen folgt daraus: In der Aktiengesell2 6 BGHZ 97, 384 (389); Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 23; RowedderKoppensteiner, GmbHG, § 43 Rdnr. 37. 27 Dazu unten Kap. 2,1. und VI. 28 Scholz-Winter, GmbHG, 6. Aufl., § 13 Rdnr. 85; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 48 Rdnr. 30; Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 13 Rdnr. 36; Griebel, Die Einmanngesellschaft, S. 30; A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (192).
II. Entlastende
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schaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien liegt die Entlastungszuständigkeit bei der jeweiligen Hauptversammlung (§§1191 Nr. 3, 285 I Nr. 2 AktG), in der GmbH bei der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Letzteres gilt ebenso für die Personengesellschaften, wenn nicht alle Gesellschafter die Geschäfte führen. In der Genossenschaft und im Verein erteilen die General- (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GenG) bzw. die Mitgliederversammlung Entlastung. Zum Teil sind diese Zuständigkeiten zwingend. In der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien kann nur die Hauptversammlung 29 , in der Genossenschaft nur die Generalversammlung 30 entlasten. Weder ist es möglich, diese Macht an zusätzliche Gremien wie Beiräte, Ausschüsse, Verwaltungsräte etc. zu delegieren, noch ist eine Satzungsbestimmung wirksam, die etwa eine gegenseitige Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat erlaubt. Solche „Entlastungen" können allenfalls als Ausdruck des guten Willens, sich für eine Déchargeerteilung durch die Hauptversammlung einzusetzen, angesehen werden 31 . § 23 Abs. 5 AktG, bzw. §§ 27 Abs. 2 Satz 2,18 Satz 2 GenG schließen zwar die Schaffung fakultativer Organe grundsätzlich nicht aus, verbieten aber die Übertragung von Zuständigkeiten der Haupt-(General-) Versammlung 32 . Die Binnenstruktur der übrigen Verbände ist flexibler und läßt von der Grundregel abweichende Lösungen zu. In der GmbH (und den Personengesellschaften) fallen (kapitalistische) Beteiligung an der Gesellschaft und Einfluß auf die konkrete Geschäftspolitik nicht in dem Maße auseinander wie in Aktiengesellschaft und Genossenschaft, in denen der Vorstand die Geschäfte in eigener Verantwortung zu leiten hat, §§76 Abs. 1 AktG, 27 Abs. 1 Satz 1 GenG. Vielmehr definieren die Gesellschafter selbst ihren Aufgaben- und Machtbereich 33 . Mangels einer starren Kompetenzordnung kann daher der Gesellschaftsvertrag einer GmbH die Übertragung der Entlastungskompetenz ζ. B. auf einen Gesellschafterausschuß oder einen (freiwilligen) 34 Aufsichtsrat/
29 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 11; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 7; Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 13; abweichend Ritter, AktG, § 104 Anm. 2f. 30 Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, §48 Rdnr. 1, 12; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 1; Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 1. 31 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 13. 32 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 23 Anm. 18; Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 27 Rdnr. 35. 33 § 45 Abs. 1 GmbHG weist der Satzung die entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung der Gesellschafterrechte zu. 34 Nicht dagegen auf einen obligatorischen Aufsichtsrat, dessen Befugnisse sich zwingend nach § 111 AktG richten, auf den § 77 Abs. 1 BetrVG 1952, 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG verweisen.
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
Beirat 35 vorsehen 36. Der Spielraum ist weit. Lediglich eine Satzungsregelung, die auf eine Selbstentlastung der Geschäftsführer hinausläuft, verbietet sich aus dem Sinn und der Aufgabe des Instituts 37 . Da auch die dem gesetzlichen Normaltypus entsprechende Gesellschafterversammlung gleichermaßen Weisungs- wie Entlastungsrechte hat, ist eine Zusammenfassung dieser Befugnisse bei einem Beirat ebenfalls möglich 38 . Die funktionale Trennung von Macht und Kontrolle mag zwar besonders im Hinblick auf den geschwächten Aussagewert, der einem von einer gleichsam omnipotenten Gesellschafterinstitution ausgesprochenen Entlastungsbeschluß zukommen kann, wünschenswert sein, als strikte Regel liegt sie dem GmbH-Innenrecht nicht zugrunde. Das zeigt die vom Gesetz vorgesehene umfassende Befugniszuweisung an die Gesellschaftergesamtheit 39. Eine ganz andere Frage ist, ob ein Gesellschaftsorgan, das die Geschäftsführer umfassend anzuweisen befugt ist und dies auch tut, diesen später die Entlastung verweigern darf. Die bei einem Sonderorgan zulässigerweise angesiedelte Entlastungskompetenz ersetzt das allgemeine Déchargeerteilungsrecht der Gesellschafterversammlung. Eine verdrängende, nicht lediglich konkurrierende Zuständigkeit kann also vereinbart werden 40 . Die auch im Rahmen der Satzungsautonomie notwendig anzustrebende Ausgewogenheit der Gesellschaftsverfassung 41 wird durch eine solche Festlegung nicht gestört. Der Gesellschafterversammlung muß zwar als höchstem Gesellschaftsorgan zwingend die Möglichkeit erhalten bleiben, zumindest mittelbar über eine Kontrolle der Kontrollorgane die Geschäftsführung zu überwachen 42 . Das Entlastungsrecht gehört aber nicht zum unverzichtbaren Kernbereich der Gesellschafterrechte. Wird allerdings das beauftragte Organ handlungsunfähig, lebt die Beschlußkompetenz der Gesellschaftergesamtheit wieder auf 43 . Im übrigen haften das Organ und seine Mitglieder der Gesellschaft für ein mögliches Fehlverhalten während des Ent35 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 22; Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, S. 90; A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (192); a. A. Brodmann, GmbHG, § 46 Anm. 6 k. 36 Das gilt auch für die Personengesellschaft. 37 BGHZ 43, 261 (264); Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 45 Rdnr. 5. 38 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 45 Rdnr. 9; a. A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S. 183. 39 Zu der (umstrittenen) Frage, ob der Geschäftsführung ein weisungsfreier Kembereich der Verantwortung bleiben muß, vgl. Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 37 Rdnr. 36 ff. 40 Zurückhaltend Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 88f. 41 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 45 Rdnr. 5. 42 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 45 Rdnr. 9; Weitergehend Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 88; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 63; Hachenburg-Schilling, GmbHG, §45 Rdnr. 20; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 2: unabdingbare Parallelkompetenz. 43 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 63; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 3.
III. Entlastungsformalien
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lastungsverfahrens 44. Darüber hinaus unterliegen die Beschlüsse von Beiräten einer Rechtskontrolle 45 . Fällt die Gesellschaft in Konkurs, ergeben sich gewisse Besonderheiten, falls die Entlastung tatsächlich Einfluß auf Ersatzansprüche des Verbandes gegen die Organwalter haben sollte. Durch die Konkurseröffnung werden die Rechte der Gesellschafterversammlung (und die der übrigen Gesellschafterinstitutionen) in dem Maß eingeschränkt, wie dies die Zuständigkeitszuweisung an den Konkursverwalter und die aus § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG folgende Auflösung der Gesellschaft erfordern 46 . Insbesondere geht das Recht, das zur Konkursmasse gehörende Gesellschaftsvermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen, auf den Konkursverwalter über, § 6 Abs. 2 KO. Von dieser Kompetenzverlagerung ist das Recht der Gesellschafter, die Leistungen der Geschäftsleiter wertend zu beurteilen, aber nicht erfaßt. Es bleibt daher den Verbandsmitgliedern unbenommen, ihnen Billigung und Vertrauen auszusprechen 47. Der Konkursverwalter ist dazu nicht berufen 48 . Nur ist wegen § 6 Abs. 2 KO einer nach Konkurseröffnung erteilten Entlastung in jedem Fall, unabhängig von Inhalt oder Folge einer „normalen" Décharge, eine Verzichtswirkung abzusprechen 49.
I I I . Entlastungsformalien 1. Entlastungszeitpunkt In allen Verbänden überprüfen die Mitglieder in periodischen Abständen deren wirtschaftlichen Zustand. Es liegt nahe, in denselben Abständen und zu demselben Zeitpunkt auch die Leistungen derjenigen zusammenfassend zu beurteilen, die für eben diesen Zustand verantwortlich sind. §§ 175, 120 A k t G legen dementsprechend die Tagesordnung einer ordentlichen Hauptversammlung wie folgt fest: Vorlage des Jahresabschlusses nebst Geschäftsbericht des Vorstands und Bericht des Aufsichtsrats, Beschlußfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses, soweit die Hauptversammlung dazu nach §§ 173, 286 A k t G berufen ist, sowie neben der Beschlußfas44
Zur Haftung der Mitglieder fakultativer Gesellschaftsorgane vgl. Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 203ff.; Hölters, Der Beirat der GmbH & Co. KG, S. 48ff. 45 Voormann, aaO., S. 192ff.; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 45 Rdnr. 15. 46 Schulze-Osterloh in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 63 Rdnr. 39. 47 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 17; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, § 63 Rdnr. 86; Kuhn / Uhlenbruck, KO, § 1 Rdnr. 48; Hobrecht, DB 1968, 471 (472). 4 « A.A. KG GmbHR 1959, 257. 49 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (432). Eine vor Konkurseröffnung erteilte Entlastung kann als masseschädigende Rechtshandlung der Konkursanfechtung unterliegen, Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 17.
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
sung über die Verwendung des Bilanzgewinns diejenige über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Hauptversammlung hat alljährlich 50 in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden, §§ 175 Abs. 1 Satz 2, 120 Abs. 1 Satz 1 AktG. Diese Frist kann nicht verlängert, wohl aber durch die Satzung verkürzt werden 51 , da das Gesetz lediglich eine Verzögerung der Rechenschaftslegung verhindern will. Wird die Entlastungsfrist überschritten, bleibt ein DéchargebeschluB allerdings dennoch voll wirksam 52 . § 120 Abs. 1 Satz 1 A k t G ist eine Sollvorschrift. Die Entlastung der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane der Gesellschaft kann also auch außerhalb der ordentlichen Hauptversammlung stattfinden. So z.B., wenn der ursprüngliche Entlastungsbeschluß erfolgreich angefochten wurde und nunmehr eine neue Entscheidung zu treffen ist. Eine ähnliche Regelung wie im Aktiengesetz findet sich in § 48 Abs. 1 GenG. Der Termin der (ordentlichen) Generalversammlung einer Genossenschaft muß in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres liegen. In der GmbH wird üblicherweise anläßlich der Feststellung des Jahresabschlusses über die Entlastung der Geschäftsführer für das abgelaufende Geschäftsjahr entschieden, also innerhalb der Fristen, die § 42 a Abs.2 GmbHG festlegt. Von diesem festen Zeitrahmen kann abgewichen werden, etwa wenn ein Geschäftsführer ausscheidet53. In den übrigen Verbänden ergibt sich der Entlastungszeitpunkt aus der Satzung oder einer tatsächlichen Übung. 2. Entlastungsvoraussetzungen Unabhängig davon, ob sich der Déchargebeschlufi in einer wertenden Vertrauensaussage erschöpft oder zu einer Vernichtung oder Hemmung von Ausgleichsansprüchen führt, seiner Aufgabe kann der Entlastungsvorgang nur dann gerecht werden, wenn er vor dem Hintergrund möglichst präziser und umfassender Information abläuft. Vor der Entlastungserteilung ist daher Rechenschaft abzulegen. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft muß, bevor über die Décharge verhandelt werden kann, der Hauptversammlung den Jahresabschluß, den Lagebericht und den Bericht des Aufsichtsrats vorlegen, § 120 Abs. 3 Satz 2 A k t G ; 50
Das gilt ausnahmslos. Es besteht keine Möglichkeit, die ordentlichen Hauptversammlungen für mehrere Jahre zusammenzufassen; Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 14. 51 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 6; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 11 ff.; a. A. Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 14. 52 Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 15. 53 Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 25.
III. Entlastungsformalien
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die Verhandlungen über die Entlastung und die Verwendung des Jahresgewinns sollen verbunden werden, § 120 Abs. 3 Satz 1 AktG. Sämtliche Unterlagen sind vom Zeitpunkt der Einberufung der Versammlung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zugänglich zu machen, um den Anteilseignern eine Einsichtnahme zu ermöglichen. Jeder Aktionär kann Abschriften verlangen, § 120 Abs. 3 Satz 3 i . V . mit § 175 Abs. 2 AktG. Auf der Hauptversammlung soll der Vorstand seine Vorlagen, der Aufsichtsratsvorsitzende den Bericht des Aufsichtsrats erläutern, § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG. Den Aktionären sind die zur Entscheidungsfindung notwendigen Auskünfte zu erteilen (§ 131 Abs. 1 A k t G ) 5 4 : Dazu können Informationen zum beruflichen Werdegang und zu Nebentätigkeiten der Organwalter ebenso gehören 55 wie Hinweise zu weiter zurückliegenden Vorgängen, wenn diese Auswirkungen auf die aktuelle Vertrauensbildung haben können 56 . A l l dies hat zu geschehen, „damit sich die Aktionäre über die Tätigkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats unterrichten und sich schlüssig werden können, ob sie die Verwaltung der Gesellschaft billigen" 57 . Werden die Vorlage- und Publizitätsgebote nicht oder nur unzureichend beachtet, kann der Entlastungsbeschluß angefochten werden, da eine ordnungsgemäße Rechnungslegung Voraussetzung der Déchargeerteilung ist 58 . Das Genossenschaftsrecht sieht eine ähnliche zeitliche und inhaltliche Vorgehensweise wie das Recht der Aktiengesellschaft vor. Vor der Déchargebeschlußfassung ist von der Generalversammlung der Jahresabschluß festzustellen sowie über die Gewinnverwendung bzw. die Verlustabdeckung zu entscheiden, § 48 Abs. 1 GenG. Ohne Feststellung des Jahresabschlusses kann eine Entlastung nicht erfolgen 59 . Die schriftlich fixierten Entscheidungsgrundlagen (Jahresabschluß, Lagebericht, Bericht des Aufsichtsrats) sollen wenigstens eine Woche vor dem Versammlungstermin den Genossen in geeigneter Form zugänglich gemacht werden; sie können Abschriften verlangen, § 48 Abs. 3 GenG. Der vom Aufsichtsrat über seine Prüfungstätigkeit abgegebene Bericht (§ 38 Abs. 1 Satz 3 GenG), die Erläuterungen und Auskünfte der Verwaltung sowie die Ergebnisse der Diskussion über die Vorlagen schließlich bilden die Basis der Entlastungsentscheidung der Generalversammlung 60. 54 Von Rechenberg, Die Hauptversammlung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft, S. 37; Nitschke / Bartsch, AG 1969, 95 (96ff.); Trouet, NJW 1986, 1302; A. Reuter, DB 1988, 2615; Kretschmar, AG 1987, 121. 55 OLG Düsseldorf WM 86, 1435 (1436); vgl. auch BGH AG 1987, 344; OLG Düsseldorf ZIP 87, 1555, dazu Vossel, ZIP 88, 755; Trouet, NJW 1986, 1302 (1304). 5 6 Geßler-Eckardt, AktG, § 131 Rdnr. 38. 57 Begründung RegE AktG 1965, Kropff, § 120, S. 167. 58 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 4; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 31. 59 Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 48 Rdnr. 19. 60 Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 9.
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
In der GmbH richten sich die Formalien der Rechenschaftslegung nach den §§ 42, 42a GmbHG, 238 ff, 264 ff HGB, auf die Personengesellschaften finden die §§ 238 ff HGB Anwendung. Im Vereinsrecht fehlen besondere gesetzliche Vorschriften über die Art und Weise, wie die der Entlastungserteilung vorausgehende Rechenschaftslegung zu erfolgen hat. Notwendig ist sie auch hier. Denn zum einen kann man einen Vorgang nur billigen, wenn man ihn (wenigstens bis zu einem gewissen Grad) kennt, zum anderen liegt eine möglichst umfassende Unterrichtung der Verbandsmitglieder anläßlich der Feststellung des Jahresabschlusses oder der Abgabe des Rechenschaftsberichts auch im Interesse der um Entlastung Nachsuchenden. Der Umfang des mit dem DéchargebeschluB nach h . M . 6 1 zu verbindenden Verzichtseffekts soll sich nämlich grundsätzlich nach dem richten, was für das Entlastungsorgan aus der Rechenschaftslegung erkennbar war: Je genauer die Information, desto weiter die Erlaßwirkung. Unabhängig davon ergibt sich die motivierende und autoritätssteigernde Folge des Beschlusses für Betroffene und Außenstehende glaubhaft nur dann, wenn eine Kontrolle auszuüben faktisch, d.h. auf der Grundlage einer Tatsachendarlegung überhaupt möglich war 62 . Zwar sind abstrakt gesehen auch Billigungs- und Vertrauenserklärungen „ins Blaue hinein" vorstellbar. Solche pauschalen Treueschwüre werden der Funktion des Entlastungsvorgangs im Leben der Verbände jedoch nicht gerecht. Die Rechenschaftslegung muß nicht notwendig eine schriftliche Grundlage haben. Im Vereinswesen wird es häufiger zu einer Entlastung des Vorstands nach lediglich mündlich erstatteter Rechenschaft kommen 63 , zumal wenn sich dessen Aufgabe und Aktivitäten in einem für das „normale" Mitglied überschaubaren Rahmen halten. Festzuhalten ist aber: Ohne Rechenschaftslegung keine Entlastung 64 . 3. Entlastungsperiode Welchen Zeitraum die Décharge umfaßt, richtet sich nach dem notwendigen Zusammenhang zwischen Rechenschaft und Entlastung. Der Umfang der Entlastungsperiode läßt sich umso präziser bestimmen, je mehr die Rechenschafttsgebung durch eine formalisierte Rechnungslegung zu erfolgen hat. In Verbänden mit gesetzlich umschriebenem Rechenschafts- und Entlastungsverfahren wird regelmäßig für die Zeit, die seit der letzten routinemäßigen Déchargeerteilung vergangen ist, entlastet. Das gilt insbesondere für Aktien61 Vgl. nur BGHZ 94, 324 (326); Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 26. 62 Vgl. zum Parallelproblem in der Ein-Mann-Gesellschaft oben 1.2. 63 Vgl. dazu BGH WM 87, 651 (652). 64 Vgl. auch RGZ 34, 57 (58).
I I I . Entlastungsformalien
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gesellschaft, GmbH und Genossenschaft. Allerdings kann es auch zu größeren Zeitspannen kommen, so z.B., wenn in einer Aktiengesellschaft die Entlastungsbeschlußfassung vertagt worden war und während der nächsten ordentlichen Hauptversammlung eine Gesamtentlastung erteilt wird, oder wenn sich die Hauptversammlung nach zunächst erfolgter Entlastungsverweigerung später eines besseren besinnt und die Décharge doch noch erteilt. Im letzteren Fall muß aber aus der Beschlußfassung deutlich werden, daß auch die frühere Geschäftsführung gebilligt sein soll. Denn es kann durchaus in der Absicht des Entlastungsorgans liegen, Vertrauen in die Leistungen während der abgelaufenden Entlastungsperiode zu bekunden, die Mißbilligung derjenigen der vorangegangenen jedoch aufrechtzuerhalten 65. Der Grad der Formalisierung der Rechnungslegung hat auch Bedeutung für die Frage, ob der Entlastungszeitraum verkürzt werden kann. Wird z.B. das Management einer Aktiengesellschaft während des Geschäftsjahres ausgetauscht oder geht die Gesellschaft in einer anderen durch Fusion auf, kann das Bedürfnis nach außerplanmäßiger Décharge entstehen. Zwar ist prinzipiell gegen ein solches Vorgehen nichts einzuwenden66. Den auf der außerordentlichen Hauptversammlung anwesenden Aktionären muß aber in jedem Falle eine ausreichende Entscheidungsgrundlage gegeben werden 67 . Voraussetzung für eine Entlastungserteilung ist also eine dem normalen Jahresabschluß vergleichbare Rechnungslegung, die zu geben im Normalfall große praktische Schwierigkeiten machen dürfte. In Verbänden, in denen ein formalisiertes Abrechnungsverfahren und die Déchargeentscheidung weniger eng aufeinander bezogen sind, stimmen zwar im Normalfall ebenfalls Geschäftsjahr und Entlastungsperiode überein. Hier sind aber Abweichungen leichter möglich, so wenn beispielsweise ein GmbHGeschäftsführer ausscheidet68 oder der Vorstand eines Vereins um Entlastung für ein Rumpfgeschäftsjahr nachsucht69. Fraglich ist, ob auch für einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen Entlastung gewährt werden kann. Vom Grundsatz her ist die Déchargeerteilung das Ergebnis der übergreifenden Gesamtschau einer abgelaufenen Zeitspanne der Geschäftsbesorgung. Zwar kann wegen eines Fehl Verhaltens im Einzelfall die Entlastung ebenso verweigert werden, wie es möglich ist, sie trotz einem Fehler zu erteilen. Immer aber gibt dabei der Décharge Vorgang ein zusammenfassendes Urteil und nicht eine sachverhaltsspezifische Einschätzung wieder. 65
Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 35. Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 36; Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 13; abl. Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 4; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 31. 67 RGZ 34, 57 (58); unklar Obermüller / Werner / Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 222. 68 Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 25. 69 BGH WM 87, 651 (652). 66
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Kapitel 1 : Entlastungsverfahren
Auch bleibt der Sinn einer solchen Einzelentlastung unklar. Im Aktienrecht hat die Entlastung keinesfalls Verzichtswirkung (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG). Auf Ansprüche kann erst nach drei Jahren unter gewissen Umständen verzichtet werden (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG). Eine Ersatzpflicht tritt nur dann nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht (§ 93 Abs. 4 Satz 4 AktG), der, wie schon der Gesetzeswortlaut ergibt, dem Tun vorauszugehen hat. Der Vorstand muß, will er sicher gehen, nach § 119 Abs. 2 die Hauptversammlung um eine Stellungnahme bitten. Versäumt er dies, kann eine Einzelfallentlastung keine Abhilfe schaffen, denn der über sie allenfalls zu erlangende (nachträgliche) Billigungseffekt wird auch über die gesetzestypische „Pauschalentlastung" erreicht. Für die Aktiengesellschaft ist daher die Zulässigkeit eines auf einen spezifischen Geschäftsführungskomplex gerichteten Déchargebeschlusses zu verneinen 70 . Aber selbst wenn man außerhalb des Aktienrechts eine Freistellungswirkung der Entlastung anerkennen sollte, ist nicht ersichtlich, welchen Zweck eine Décharge in den hier zu diskutierenden Sachverhaltskonstellationen haben sollte. Stehen besonders riskante Geschäftsführungsmaßnahmen an, kann der Geschäftsführer einer GmbH um eine Weisung durch die Gesellschafter nachsuchen, die eine Ersatzpflicht bereits ex ante ausschließt71. Sollte dies wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr möglich sein, kann später ein den speziellen Anlaß betreffender Β er einigungs vertrag geschlossen werden, der den Vorteil hat, wirklich sämtliche und nicht nur die erkennbaren Ansprüche auszuschließen72. Für die übrigen Fälle ist auch hier auf die „normale" Entlastung zu verweisen 73. Eine Spezialentlastung ist überflüssig. Der Entlastungsbeschluß ist immer retrospektiv auf einen abgelaufenden Zeitabschnitt der Verwaltungs- oder Aufsichtstätigkeit bezogen74. Seine Billigungs- und Vertrauensaussage wirkt zwar in gewisser Weise auch über die Entlastungsperiode hinaus in die Zukunft 7 5 , allerdings nur als eine Art Reflex, der es den Mitgliedern der Verwaltung erlaubt, das Vertrauensvotum als Hinweis auf die Richtigkeit ihres „Kurses" zu begreifen und als Aufforderung, auch fürderhin entsprechend fortzufahren. Für konkretes in der Zukunft lie70
Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 37; Baumbach / Hueck, AktG, § 93 Rdnr. 12; a. A. Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 5. 71 Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rdnr. 67ff. 72 Zum Bereinigungsvertrag vgl. Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 26; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 103ff. 73 A.A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §46 Rdnr. 94; Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 22; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 25. 74 BGH WM 1976, 204 (205); Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 7; Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 34; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 13. 75 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 7.
III. Entlastungsformalien
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gendes Geschäftsführungshandeln darf im Voraus keine Entlastung erteilt werden 76 . Ein dennoch als „Entlastung" deklarierter Beschluß kann allenfalls als - verbindliche - Gesellschafterweisung interpretiert werden 77 . Mit dem Déchargeinstitut hat er nichts zu tun 7 8 .
4. Entlastungsbeschlußfassung a) Beschlußanforderungen Das zuständige Verbandsorgan trifft die entlastende Entscheidung durch einen Beschluß, für dessen Zustandekommen in der Regel die einfache Stimmenmehrheit ausreicht. Die Satzung kann aber andere Mehrheitserfordernisse aufstellen 79. Der Déchargebeschlufi muß nicht als solcher bezeichnet werden, entscheidend ist sein materieller Gehalt. Braucht einerseits die gesellschafterintern gefaßte Entscheidung, gegen einen Organwalter wegen Pflichtverletzungen nicht vorzugehen, nicht auf eine Billigung der Geschäftsführung hinzudeuten 80 , kann andererseits die als „Genehmigung" 81 bezeichnete zustimmende Kenntnisnahme eines vom Vorstand und Aufsichtsrat über den Zustand der Gesellschaft erstatteten Berichts „Entlastung" sein 82 , sofern sich die Handelnden dies deutlich machen: Konkludente Entlastungserteilungen gibt es nicht 83 . Der Déchargebeschlufi ist auch deutlich von sonstigen, im Rahmen der Rechenschaftslegung zu fällenden Entscheidungen zu trennen. So ist der Bilanzfeststellungsbeschluß, da auf Tatsachenfeststellung und nicht auf Wertungsergebnis gerichtet, nicht Entlastung, sondern nur deren Voraussetzung 84 . Ähnliches gilt, wenn § 120 Abs. 3 Satz 1 A k t G die Verbindung der Beratung über die Verwendung des Jahresgewinns mit derjenigen über die Entlastung vorsieht: Zwar kann aufgrund dieser Sollbestimmung die Diskussion über beide Tagesordnungspunkte zusammengefaßt werden 85 , dies enthebt die Hauptversammlung aber nicht der Notwendigkeit, gesonderte Beschlüsse zu fassen.
76 A.A. Seyboldt, DNotZ 1934, 716 (720). 77 Vgl. dazu BGH WM 1976, 204 (205). 78 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 34. 79 Vgl. dazu Geßler-Eckardt, AktG, § 133 Rdnr. 39, 49ff.; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 6ff.; Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 8. 80 RG JW 1935, 921 m. Anm. Boesebeck. 81 Allerdings kann diese Kennzeichnung im Einzelfall auch auf den Abschluß eines Bereinigungsvertrages o.ä. hindeuten. S2 RGZ 106, 258 (262); vgl. auch RGZ 115, 246 (250). 83 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 92. 84 Hachenburg / Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 22. 85 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 15. 3 Barner
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
Die einzelnen Verwaltungs- und Aufsichtsorgane eines Verbandes werden getrennt entlastet. Wie sich schon aus dem Wortlaut der §§ 120 Abs. 1 Satz 1 A k t G und 48 Abs. 1 Satz 1 GenG ergibt, ist es nicht möglich, z.B. dem Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft durch einen einzigen Beschluß Décharge zu gewähren 86. Zwar wird die Entlastung den Mitgliedern des Vorstands und den Mitgliedern des Aufsichtsrats, nicht also den Organen als solchen erteilt. Dies bedeutet aber nicht, daß deshalb notwendig immer eine Einzelentlastung zu erfolgen hätte. Normalerweise wird in der Aktiengesellschaft wie in den anderen Verbänden vielmehr en bloc für sämtliche Mitglieder eines Gremiums abgestimmt 87 . Allerdings kann auch anders verfahren werden. So ist in der Aktiengesellschaft über die Entlastung eines einzelnen Amtsinhabers besonders abzustimmen, wenn die Hauptversammlung dies beschließt oder eine Minderheit von Aktionären es verlangt, vorausgesetzt, ihre Anteile erreichen 10% des Grundkapitals oder einen Nennbetrag von 2 Millionen D M , § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG. Beide Möglichkeiten sind auseinanderzuhalten. Stimmt bei einer Beschlußfassung der Hauptversammlung über die Frage der Einzelentlastung eine Minderheit von 10 % des Grundkapitals (oder 2 Millionen D M Nennbetrag) dafür, liegt damit nicht unbedingt ein Minderheitsquorum im Sinne der zweiten Variante vor 8 8 . Die Minorität muß sich außerhalb der Entscheidungsfindung durch die Hauptversammlung artikulieren 89 . Grundsätzlich braucht eine Forderung nach Einzelabstimmung nicht begründet zu werden. Sie kann aber vom Leiter der Hauptversammlung zurückgewiesen werden, wenn eine Schikaneabsicht deutlich wird 9 0 . Dabei ist der Zeitaufwand in Rechnung zu stellen, der für ein solches Procedere besonders in Gesellschaften mit einer großen Anzahl von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern zu veranschlagen ist. Allerdings ist es auch möglich, lediglich einzelne Personen von dem Gesamtentlastungsbeschluß auszunehmen. Ein solches Verfahren bietet sich an, wenn die Leistungen einiger Organwalter von denjenigen der übrigen in positivem oder negativem Sinn deutlich abweichen und die Hauptversammlung die Alternative „Entlastungserteilung an alle oder an keinen" vermeiden will. Deuten sich in der Diskussion über die Rechenschaftslegung der Verwal86 Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 17; Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 16; Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 12; Klaus Müller, GenG, §48 Rdnr. 8; a.A. Obermüller / Werner / Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 223; W. Vogel, „Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung", S. 180. 87 Zum österreichichen Recht vgl. Dorait in: Festschr. f. Kurt Wagner, S. 75ff. 88 A.A. Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 17. 89 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 14; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 26. 90 Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 25.
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tung derartige differenzierende Einschätzungen an, hat daher auch der Leiter der Hauptversammlung die Möglichkeit, nach pflichtgemäßen Ermessen von sich aus eine getrennte Abstimmung anzuordnen 91 . Dagegen kann ein einzelnes Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied selbst nicht um eine Einzelentlastung nachsuchen, mag objektiv betrachtet seine Leistung auch tadellos gewesen sein 92 . Ferner ist es unzulässig, bei der Entlastung des Aufsichtsrats nach Gruppen (Kapitalvertreter/ Arbeitnehmervertreter) zu differenzieren 93. In den übrigen Verbänden ist es ebenfalls möglich, die Organpersonen einzeln zu entlasten 94 . Zu entscheiden hat darüber die Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlung. Ein Recht der Minderheiten entsprechend § 120 Abs. 1 Satz 2 A k t G gibt es nicht 95 . b) Stimmverbote Niemand, der selbst entlastet werden soll, darf an der Beschlußfassung darüber teilnehmen, §§ 136 Abs. 1 Satz 1 AktG, 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG 96 . Zweck der gesetzlich normierten Stimmverbote ist es, das Bestehen einer gewissen „Richtigkeitsgewähr" für die Korrektheit der Willensbildung im Verband zu dokumentieren 97 . Betrifft den Abstimmenden das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses in besonderem Maße persönlich, ist zu besorgen, daß er Verbands- und Eigeninteressen nicht zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen vermag. Zwar gibt es keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluß bei Interessenkollisionen 98. In bestimmten Konfliktsituationen läßt es das Recht aber nicht bei einer Mißbrauchskontrolle der Stimmabgabe bewenden 99 , sondern verbietet eine Teilnahme an der Entscheidungsfindung überhaupt, um so die Belange der Gesamtorganisation ebenso wie die ihrer
91
Obermüller / Werner / Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 226; Werner, AG 1967, 102 (106); Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 17; a.A. Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 19; Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 18. 92 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 16; a. A. Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 8. 93 Feuth, NJW 1958, 11 (12). 94 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 27; Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 48 Rdnr. 22. 95 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 22. 9 * Vgl. auch § 34 BGB. 97 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 I 2, S. 338. 98 Β GHZ 97, 28 (33); Geßler-Eckardt, AktG, § 136 Rdnr. 10; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rdnr. 10; Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 287. 99 Dazu Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 28ff.; Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 47 Rdnr. 103ff. 3*
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
übrigen Mitglieder zu schützen 100 . Eigeninteressen zu haben ist nicht illegitim, es muß jedoch verhindert werden, daß jemand Rechtsgeschäften zustimmt, die mit ihm selbst abgeschlossen werden sollen, oder gezwungen ist, über sein Handeln als „Richter in eigener Sache" zu befinden. Ob der Stimmrechtsausschluß im Entlastungsrecht Ausdruck des Verbots eines Insichgeschäfts 101 ist, kann dahinstehen. Wäre mit der Décharge ein wie auch immer gearteter Verzichtseffekt verbunden, läge eine solche Annahme nicht fern. Jedenfalls aber ist das Stimm verbot Konsequenz der inhaltlichen Aussage des Entlastungsbeschlusses. Ob ein Amtsträger seine Aufgaben korrekt und erfolgreich durchgeführt hat, kann einigermaßen unbefangen nur ein Dritter, nicht direkt Handelnder bewerten, ob jemand Vertrauen verdient hat und weiter verdient, muß derjenige entscheiden, der dies Vertrauen entgegengebracht hat und entgegenbringt, nicht der, dem es gilt. Gerade wenn die Entlastungserteilung auch der Ausweis einer funktionierenden innerverbandlichen Gewaltenteilung sein soll 1 0 2 , müssen die Entscheidungsformalien ein Gegenüber von Entlastendem und Entlastetem sicherstellen 103 . Aus der eben skizzierten Regel folgt zunächst der Ausschluß desjenigen von der DéchargebeschluBfassung, dem sie erteilt werden soll. Er darf weder sein eigenes Stimmrecht wahrnehmen, noch kann er als Vertreter fremder Rechte auftreten, auch wenn der Vertretene selbst an der Abstimmung teilnehmen könnte, § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG. Die prinzipielle Schwierigkeit, in Bezug auf sich selbst „gerecht" zu sein, hängt nicht davon ab, in wessen Namen eine beurteilende Bewertung vorgenommen wird, sondern folgt aus dem persönlichen Betroffensein. § 136 Abs. 1 Satz 2 A k t G formuliert eine weitere Konsequenz aus der Notwendigkeit, die Willensbildung im Verband vor übermäßiger Beeinflussung durch Einzelinteressen zu schützen: dem, der Entlastung begehrt, ist es nicht erlaubt, seinerseits einen Vertreter zu bestellen, um so das Stimmgewicht der eigenen Anteile indirekt doch in die Waagschale zu werfen. Die eigene Befangenheit teilt sich dem Vertreter (und dem Untervertreter) mit. Das gilt auch außerhalb der Aktiengesellschaft 104 . Werden Mehrpersonenorgane en bloc entlastet, sind sämtliche Mitglieder nicht stimmberechtigt 105 , da eine Gesamtleistung zur Beurteilung ansteht, die 100 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 47 Rdnr. 44; Roth, GmbHG, § 47 Anm. 5.2.1. 101 Dazu Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 66ff.; ders., JZ 1976, 674. 102 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 25. 103 Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, S. 214. Zur Situation in der Ein-Mann-Gesellschaft siehe oben I. 2. 104 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 47 Rdnr. 49; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 47 Rdnr. 34. 105 Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 136 Anm. 6; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 47 Rdnr. 45; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 93; Klaus Müller, GenG, § 43 Rdnr. 62; a. A. Schütze, AG 1967, 165 (166).
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nicht in Einzelkomponenten aufgespalten werden kann. Weniger eindeutig ist die Situation, wenn über Einzelentlastungen entschieden werden muß. Ihrem Wortlaut nach schränken die gesetzlichen Vorschriften die Stimmacht nur desjenigen ein, dem der Déchargebeschlufi direkt zugute kommt. Ob dagegen ein Vorstandsmitglied einer A G oder Genossenschaft, der Geschäftsführer einer GmbH mitstimmen darf, wenn ein Kollege entlastet werden soll, ist nicht geregelt. Man könnte die Frage deshalb bejahen 106 , man könnte aber auch auf das Ausmaß der gemeinsamen Verantwortung im Einzelfall abstellen, und eine Stimmabgabe immer dann verbieten, wenn eine gesamtschuldnerische Haftung in Frage kommt 1 0 7 oder eine Nichtbeteiligung nicht feststeht 108 . Für ein uneingeschränktes oder nur im Einzelfall ausgeschlossenes Stimmrecht ließe sich der persönliche Bezug der Entlastungsentscheidung anführen. Die Décharge wird nicht einem Gremium, sondern immer dem einzelnen Amtsinhaber gewährt, auch wenn die Beschlußform diese Tatsache nicht erkennen läßt. Auf der anderen Seite ist im Normalfall eine strikte Trennung der Tätigkeitsfelder der jeweiligen Organwalter nicht erreichbar. Immer sind die Aufgabenstellungen zum Wohl des Gesamtverbandes aufeinander bezogen, immer wird bei der Einzelentlastung zumindest indirekt auch das Verhalten des Gesamtorgans überprüft. Ein neutrales, unvoreingenommenes Abstimmen kann aber von niemandem erwartet werden, der - in welcher Form auch immer - ein Tun mitzuverantworten hat: persönliche Rivalitäten und Animositäten, Absprachen, Loyalitätsgefühle oder auch die Hoffnung, durch gemeinsames „unauffälliges" Verhalten, Unliebsames möglicherweise verdecken zu können, gefährden die vom Sinn des Déchargeinstituts geforderte Mindestneutralität des Abstimmungsvorgangs. Zweck der Stimmverbote ist es, bestimmte Interessenkollisionen abstrakt-generell ohne Rücksicht auf die im Einzelfall tatsächlich gegebene Situation nicht auf die Willensbildung durchschlagen zu lassen. Zweck einer Einzelentlastung ist es dagegen, den Verbandsmitgliedern die Dokumentation eines differenzierten Urteils zu ermöglichen, also einige Verwaltungsmitglieder zu loben, andere zu tadeln. Die aus der Sicht der zu Entlastenden eher zufällige Aufspaltung des Beschlußprocederes darf aber nicht zu einer Ausweitung ihrer Stimmrechtsmacht führen. Auch bei der Einzeldécharge sind sämtliche Organwalter nicht stimmberechtigt 109 . 106
Ritter, AktG, § 114 Anm. 7a; W. Schmidt in: GroßKomm. zum AktG, 2. Aufl. 1961, § 114 Anm. 33; Obermüller / Werner / Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 119f.; vgl. auch Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 136 Anm. 6. 107 Baumbach / Hueck, AktG, § 136 Rdnr. 4; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 47 Rdnr. 57, 60. 108 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 134; Immenga / Werner, GmbHR 1976, 53 (56); Siegmund, BB 1981, 1674 (1676). 109 Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 203f.; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 43 Rdnr. 24; Rowedder-Koppensteiner,
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
Dasselbe gilt für Mitglieder des Aufsichtsrats bei der Entlastung des Vorstands und umgekehrt 110 . Das Aufeinanderbezogensein von Geschäftsführungs- und Kontrollaufgaben erlaubt keine unvoreingenommene Stellungnahme des Verbandsmitglieds: Insbesondere wenn Fehler gemacht worden sind, wird z.B. ein Aufsichtsratsmitglied die Décharge des Vorstands befürworten, um mögliche eigene Kontrollmängel zu verdecken. Die Gefahr unsachlicher Ausübung von Stimmrechten besteht häufig weiter dann, wenn ein Gesellschafter mit einem anderen, von den gesetzlichen Regelungen direkt betroffenen Verbandsmitglied persönlich eng verbunden ist, z.B. als Bruder, Schwester, Ehepartner etc. Gerade in personalistischen GmbH's, in denen mehrere (oft miteinander verfeindete) Familienstämme Anteile halten, werden Machtkämpfe häufig über ein die jeweils andere Seite zu benachteiligen trachtendes Stimm verhalten geführt. Das belegen nicht zuletzt Beispiele aus der Rechtsprechung 111. Allerdings ist das Tatbestandsmerkmal „Nähebeziehung" inhaltlich zu unbestimmt, als daß es eine eindeutige Handhabung erlaubte. Welcher Grad der „Nähe" hindert ein Mitstimmen? Sind auch Verlobte oder entfernte Verwandte betroffen? Schon um die einzelnen Entscheidungsprozesse nicht einer potentiellen Rechtsunsicherheit auszusetzen, bedarf es aber eindeutiger Abgrenzungsgrundlagen 112. Abgesehen davon knüpft eine so verstandene Stimmrechtsbegrenzung an äußerliche, formale Umstände an, deren Signifikanz für das Vorhandensein nicht hinnehmbarer Interessenkonflikte nicht sicher feststeht. Begegnen einerseits Geschwister einander in vielen Fällen mit vollkommener Gleichgültigkeit, können andererseits „gute Freunde", die nicht unter das „Nähe-Verdikt" fallen, einer Gesellschaft außerordentlich schaden, wenn sie zusammenhalten. Wenn überhaupt, müßte also auf eine „innere" Nähe abgestellt werden, die im Einzelfall festzustellen wäre. Stimm verböte greifen aber abstrakt-generell. Das Stimmrecht ist zudem eines der wichtigsten Rechte eines Gesellschafters. Es zu beschneiden kann nur erlaubt sein, wenn das Bestehen einer in der Person des Betroffenen nicht lösbaren Interessenkollision (fast) sicher ist. Auch einem anderen Gesellschafter persönlich nahestehende Mitgesellschafter dürfen daher ihre Stimme abgeben 113 . In Mißbrauchsfällen genügt das Anfechtungsinstrumentarium, um den Verband und seine Mitglieder zu schützen 114 . GmbHG, §46 Rdnr. 23; a.A. Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 136 Anm. 6; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 47 Rdnr. 60. 110 Zöllner, aaO., S. 204; Roth, GmbHG, § 47 Anm. 5.4.2.; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 43 Rdnr. 24; a.A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 134. in Vgl. BGHZ 68, 107; 97, 28; BGH GmbHR 1977, 129. 112 BGHZ 80, 69 (71); Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 281 f.; Siegmund, BB 1981, 1674 (1675); Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 47 Rdnr. 51. » 3 A.A. Wank, ZGR 1979, 222 (228); U. Schneider, ZHR 150 (1986), 609 (615f.); Roth, GmbHG, § 47 Anm. 5.4.4.
III. Entlastungsformalien
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Kompliziert ist die Situation, wenn der zu Entlastende Organmitglied in mehreren verbundenen Unternehmen ist, er z.B. in einem (faktischen) Konzern Geschäftsführungs- oder Aufsichtsaufgaben in Mutter- und Tochtergesellschaft wahrnimmt. Solche Doppelorganschaften 115 kommen in der Praxis häufig vor. Sie eröffnen auf relativ einfache Weise den Weg zu einer einheitlichen Konzernleitung: Der Wille der Obergesellschaft kann ohne große Reibungsverluste in den abhängigen Unternehmen durchgesetzt werden 116 . Allerdings sind auch negative Folgen derartiger Organisationsmodelle nicht zu übersehen. Da der einzelne Amtswalter sein Handeln sowohl an den Belangen der Mutter- wie auch an denen der Tochtergesellschaft auszurichten hat, ist er im Einzelfall oder auch dauernd schweren Interessenkonflikten ausgesetzt, die in seiner Person kaum lösbar erscheinen 117 . Hier geht es jedoch nicht darum, mögliche Wege aus diesem Dilemma aufzuzeigen 118 , vielmehr ist zu untersuchen, ob und wie sich die so gestaltete Binnenstruktur eines Unternehmensverbundes auf die Stimmbefugnis bei der Entlastung von Doppelmandataren auswirkt. Der betroffene Amtsinhaber muß in allen Gesellschaften entlastet werden, in denen er tätig ist. Die Décharge in der Obergesellschaft ersetzt diejenige im Tochterverband ebensowenig wie umgekehrt 119 . Darüber hinaus ist gegebenenfalls in der Muttergesellschaft darüber zu befinden, wie die Entscheidung in der Gesellschafterversammlung des abhängigen Unternehmens aussehen soll. Keine Probleme bereitet die Beschlußfassung im Mutterverband über die Entlastung des Vorstands 120 /der Geschäftsführer für die Konzernleitung 121 . Hält das Vorstandsmitglied/der Geschäftsführer selbst Anteile, darf er nicht mitstimmen. Ist im GmbH-Konzern das Tochterunternehmen beteiligt, darf er dieses nicht bei der Abstimmung vertreten, auch wenn es zu den Aufgaben der Geschäftsleitung gehört, Rechte aus Beteiligungen geltend zu machen 122 . Aus den oben dargestellten Gründen wandelt sich das Stimmverbot in ein Vertretungsverbot. 114 Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rdnr. 10; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 154; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 47 Rdnr. 40. 115 Zur Problematik derartiger Organisationsstrukturen vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570; Lindermann, AG 1987, 225. 116 Säcker, ZHR 151 (1987), 59. 117 Dazu Ulmer in: Festschr. f. Walter Stimpel, S.705 (707); Säcker, ZHR 151 (1987), 59 (67ff.). 118 Für das Aktienrecht hat Lutter Inkompatibilitätsregeln aufgestellt, vgl. ZHR 145 (1981), 224 (234ff.); zu den Pflichten des Doppelorganmitglieds vgl. auch Geßler in: Festschr. f. Harry Westermann, S. 145 (156f.). 119 U. Schneider, ZHR 150 (1986), 609 (627). 120 Bzw. des Aufsichtsrats für die Überwachung der Vorstandsarbeit. 121 Dazu Hommelhoff, „Die Konzernleitungspflicht", S. 194f.; Lutter in: Festschr. f. Harry Westermann, S.347 (357). 122 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rdnr. 12.
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Kapitel 1: Entlastungsverfahren
Dasselbe gilt in bezug auf die Entlastungserteilung in der Tochtergesellschaft 123 . Fraglich ist aber, ob hier ein Stimmrecht der Obergesellschaft überhaupt besteht. Außerhalb einer Konzernlage ist der Verband nur dann ausgeschlossen, wenn der direkt vom Stimm verbot Betroffene dessen Stimmverhalten maßgeblich beeinflussen kann 1 2 4 . In einem Konzern mit einheitlicher, unter Umständen durch Doppelmandate abgesicherter Leitung, in dem das abhängige Unternehmen eine von anderer Seite vorformulierte Geschäftspolitik unselbständig ausführt, verschiebt sich jedoch der Inhalt der Entlastungsaussage. Zwar steht auch in einem solchen Fall nicht direkt das Verhalten eines Gesellschafters (der Konzernmutter) zur Beurteilung an. Scheinbar geht es wiederum nur um die Leistung der Verwaltungsleiter. Gerade wenn man aber das Ziel einer einheitlichen Konzernführung ernst nimmt, die ganze Kraft der Einzelverbände synergetisch zusammenzuführen und selbständiges, nicht auf den Gesamtorganismus gerichtetes Wirtschaften zu verhindern, wird im Ergebnis eben diese Leistung begutachtet. Eine aus der Sicht der Obergesellschaft optimale oder zumindest angemessene Umsetzung wird dokumentiert, die Belange des Tochterunternehmens, für das sich die einzelnen Maßnahmen, quasi von unten betrachtet, anders ausnehmen, treten zurück. Für die Vertreter des vorgesetzten Verbandes ergibt sich nicht ein persönlicher, sondern ein sachlicher Interessenkonflikt. Zu der auch bei relativer Selbständigkeit der Unternehmen auftretenden Schwierigkeit, einerseits das Stimmrecht den Interessen der Obergesellschaft gemäß auszuüben, andererseits aber die Leistung der Amtsinhaber an den Belangen der untergeordneten Gesellschaft messen zu müssen, kommt das Problem, die Exekution einer selbstveranlaßten Geschäftspolitik aus der Sicht der Tochter „gerecht" zu beurteilen. Dieser Interessengegensatz läßt sich nicht auflösen. Die Fallkonstellation ist den in den Gesetzen geregelten Tatbeständen der Interessenkollision gleichzustellen. Die Obergesellschaft darf an der Abstimmung nicht teilnehmen 125 . Wenn dem so ist, droht aus der Sicht der um Décharge nachsuchenden Verwaltungsmitglieder in dieser Beziehung eine Abhängigkeit vom Wohlwollen möglicher Minderheitsgesellschafter, die, gerade weil sie die Geschäftspolitik der Konzernspitze häufig als Diktat empfinden mögen, geneigt sein könnten, ihren Unwillen über ihr Abstimmungsverhalten zu formulieren. In einer konkreten Konfrontationslage dürfte sich der Appell, Konflikte nicht auf den Rücken der Amtsinhaber auszutragen 126, als frommer Wunsch erweisen. 123
Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, S. 55; Boesebeck, NJW 1955, 1657. 124 BGHZ 36, 296 (299); 56, 47 (53); Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 47 Rdnr. 52; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rdnr. 11. 125 U. Schneider, ZHR 150 (1986), 609 (628); Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 281; Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, S. 54. 126 U. Schneider, ZHR 150 (1986), 609 (628).
I I I . Entlastungsformalien
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Man muß aber ganz unabhängig von eventuell vorhandenen rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten der Organwalter 127 fragen, ob bei einer Kombination von einheitlicher Konzernleitung und Doppelorganschaft das Entlastungsinstitut seinen Zweck überhaupt zu erfüllen vermag. Welche Aussage, welche Wirkung sollte ein Déchargebeschlufi in einer derartigen Situation eigentlich noch haben? Innerhalb des Verbandes dürfte der durch die Vertrauenskundgabe bezweckte autoritätssteigernde Effekt wohl ziemlich gering sein, da alle Mitarbeiter wissen, wo die Entscheidungen wirklich fallen, nämlich „oben". Im Außenverhältnis werden nur Nichteinge weihte, die von der Unternehmensverbindung nicht wissen, das Votum ernst nehmen. Als Ausweis einer innerverbandlichen Gewaltenteilung kann es jedenfalls nicht gelten. Das Interesse des Verwaltungsmitglieds selbst wird ebenfalls relativ begrenzt sein, weiß es sich doch „bestätigt" durch sein Handeln in der Obergesellschaft und die dort erteilte Décharge, die ja unter anderem auch die ordnungsgemäße Verwaltung der Beteiligungen und somit die des zum Vermögen der Mutter gehörenden abhängigen Unternehmens umfaßt. Allenfalls zusätzlich motivierend könnte die Zustimmung auch der Minderheitsgesellschafter wirken. Insgesamt sollte deshalb auf die Décharge von Doppelmandataren in der Tochtergesellschaft ganz verzichtet werden. Da die Wahrnehmung der Befugnisse aus Beteiligungen im Grundsatz zu den Aufgaben der Geschäftsleiter gehört, entscheidet - vorausgesetzt, die Unternehmen werden nicht einheitlich geführt - die Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft eines GmbH-Konzerns über die Art und Weise der Ausübung dieser Mitgliedschaftsrechte in bezug auf die Entlastungserteilung in Tochterverbänden nur in zwei Fällen. Einmal wenn sie sich dies vorbehalten hat, zum anderen, falls den Gesellschaftern, die in der abhängigen Gesellschaft Organaufgaben wahrnehmen, durch die Décharge unter Umständen Vermögensvorteile zufließen, die als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren sind. Eine solche gewinngleiche Sonderzuwendung könnte die von der überkommenen Meinung angenommene anspruchshemmende Wirkung der Entlastung darstellen. Zwar haftet 128 ein Organwalter wegen fehlerhafter Geschäftsführung direkt nur der Gesellschaft, für die er tätig ist, nicht aber den Gesellschaftern. Ansprüche, die die Tochtergesellschaft nicht durchsetzt, mindern jedoch den Wert der Beteiligung der Muttergesellschaft, also deren Gesellschaftsvermögen. Davon sind auch ihre Mitglieder betroffen. Der Fall liegt nicht anders, als wenn die Konzernspitze eine Forderung gegen einen Gesellschafter zunächst an die Tochter abtritt und diese im Anschluß von einer Geltendmachung absieht. Kommen Gesellschaftern Leistungen aus dem Gesell127
Dazu unten Kap. 4, II. Ansprüche wegen § 43 Abs. 2 GmbHG und Schlechterfüllung des Geschäftsbesorgungsvertrages . 128
42
Kapitel 1: Entlastungsverfahren
schaftsvermögen außerhalb der förmlichen Gewinnverteilung zugute und geschieht dies, ohne daß eine entsprechende Gegenleistung erbracht wird, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor 1 2 9 . Läßt man solche Ausschüttungen bei der GmbH zwar im Grundsatz zu 1 3 0 , sind dennoch verschiedene Schranken zu beachten: Weder darf das Stammkapital angetastet werden 131 , noch ist ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und die gesetzliche Zuständigkeitsordnung zulässig 132 . Die Verteilung des Gewinns aber obliegt den Gesellschaftern einer GmbH, nicht ihren Geschäftsführern, § 49 Nr. 1 GmbHG. Hält man an der Verzichtswirkung eines Entlastungsbeschlusses fest, muß die Gesellschafterversammlung der Konzernobergesellschaft entscheiden. A n dieser Entscheidung darf der Gesellschafter, der Organfunktionen im abhängigen Verband wahrnimmt, in keinem Fall mitwirken, auch dann nicht, wenn keine Doppelorganschaft besteht. Das gilt unabhängig von der Frage nach möglichen Verzichtsfolgen einer Décharge; die rechtliche Verfassung der Tochtergesellschaft spielt keine Rolle 1 3 3 , es kann sich um eine Aktiengesellschaft ebenso wie um eine GmbH handeln. Auch die mögliche Präjudizierung des einen Entscheidungsvorgangs durch den anderen ist nicht ausschlaggebend: Werden die Mindestvoraussetzungen für ein korrektes Beschlußverfahren eingehalten, kann also eine Abstimmung den Interessen des jeweiligen Verbandes gemäß erfolgen, braucht das Ergebnis der Entscheidungsfindung im Tochterunternehmen nicht dasjenige in der Obergesellschaft vorwegzunehmen, wenngleich es in der Praxis schwer vorstellbar erscheint, daß, wenn man an der Notwendigkeit einer zweifachen Entlastung festhalten will, einem Doppelmandatar dort die Décharge erteilt, im Anschluß hier aber verweigert wird. Entscheidend für die Stimmachtseinschränkung ist vielmehr das sich aus den gesetzlichen Anordnungen ergebende allgemeine Gebot, bestimmte charakteristische Interessengegensätze aus dem Beschlußvorgang unter allen Umständen herauszuhalten. Berücksichtigt man dies Anliegen, kann es, sofern sich inhaltlich beide Voten weitgehend decken, nicht darauf ankommen, ob der eigentliche Déchargeerteilungsakt ansteht oder eine Entscheidung gefällt werden soll, die diesem vorausgeht. Denn in beiden Fällen geht es im Ergebnis um eine Bewertung von Geschäftsleiterleistungen, die der nicht objektiv vornehmen kann, der sie selbst erbracht hat. Die äußerliche, formale Aufspaltung in zwei unabhängige Beschlüsse hebt den inneren Konflikt nicht auf. Das Ergebnis der Abstimmung in der Obergesellschaft ist mehr 129
Hueck in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 29 Rdnr. 68. Zum Meinungsstand: Hueck in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 29 Rdnr. 71; vgl. auch Hager, ZGR 1989, 71 ff. »ι § 30 GmbHG. 132 Scholz-Emmerich, GmbHG, § 29 Rdnr. 116. 133 A.A. U. Schneider, ZHR 150 (1986), 609 (632). 130
IV. Ergebnis
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als eine schlichte Weisung an die Geschäftsführer, die nicht unter § 47 Abs. 4 GmbHG fiele 134 . Es wird nicht lediglich von allen Gesellschaftern die Arbeit des Verbandes gemeinsam organisiert, sondern ein Teil der Mitglieder wird einer Zwangslage ausgesetzt, die das Gesetz für in ihrer Person sachlich nicht lösbar definiert. Sie dürfen deshalb nicht abstimmen 135 .
I V . Ergebnis Die Anforderungen, die für eine Entlastung im Hinblick auf die Beteiligten/ Betroffenen, den Entlastungszeitpunkt und die Entlastungsperiode, die Verknüpfung mit der Rechenschaftslegung und schließlich in bezug auf die Beschlußfassung (Stimmverbote) nach den gesetzlichen Regelungen bestehen, und deren Grundgedanken und Wertungen für Verbandsformen ohne solche Vorschriften unter Beachtung ihrer jeweiligen strukturellen Besonderheiten entsprechend heranzuziehen sind, weisen die Décharge als eine gewissen Formalien unterworfene Entscheidung aus. Ihre Funktion ergibt sich aus der Gewaltenteilung zwischen der an einem Fremdinteresse ausgerichteten Verwaltung des Verbandes und der Kontrolle durch seine, diese Interessen definierenden Mitglieder. Die Frage, ob sich aus dem Entlastungsbeschluß über die Manifestation einer allgemeinen Billigung hinaus auch Rechtsfolgen hinsichtlich der Verantwortung der Déchargeempfânger für fehlerhaften Machtgebrauch ergeben, bleibt offen. Sie kann nur auf der Grundlage weiterer Überlegungen beantwortet werden.
134 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 147. 135 Enger U. Schneider, ZHR 150 (1986), 609 (632).
Kapitel 2
Entlastungserteilung - Verzichtswirkung I. Überblick „Die durchschnittliche Sitzungsdauer betrug in den Jahren 1965 - 1981 etwa 10 Minuten; viele Gesellschafterversammlungen dauerten sogar nur 3 - 5 Minuten. Lediglich im Jahr 1982 kam es . . . zu zwei längerdauernden, teilweise kontrovers verlaufenden Gesellschafterversammlungen" 1. Im Mittelpunkt der überkommenen Vorstellungen von den Wirkungen einer Entlastungserteilung steht der Verzichtseffekt: „Entlastung ist, wie der Name sagt, Befreiung von Lasten" 2 . Wesen der Décharge sei es, „eine Person, die Geschäfte für einen anderen geführt hat, im bestimmten Umfang von der Verantwortung für diese Geschäftsführung freizustellen" 3 . Überblickartig ergibt sich folgendes Bild: Ist ein Organwalter entlastet worden, soll es dem Verband versagt sein, gegen ihn Ansprüche aus fehlerhafter Aufgabenerledigung während der Entlastungsperiode geltend zu machen4. Auch die sachliche Reichweite dieser für den Entlasteten angenehmen Folge ist unumstritten: Sämtliche aus dem schriftlichen oder mündlichen Rechnungslegungsprozeß erkennbaren scha1
Ulmer, ZIP 1987, 323 (326) über die Dauer der Gesellschafterversammlungen der gewerkschaftseignen „Neue Heimat gemeinnütziger Wohnungsbau- und SiedlungsGmbH". 2 Ritter, AktG, § 104 Anm. 2a; Brox, BB 1960, 1226. 3 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 21. Ausnahme: Aktiengesellschaft, § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG. 4 Vgl. nur RG DR 1941, 506 (508) mit Anm. Dietrich; RGZ 115, 246 (250); BGHZ 24, 47 (54); 94,324 (326); 97, 382 (384); BGH WM 1988,531 (534); A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (190); Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (216f.); K. Schmidt, ZHR 1978, 425 (426); Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 94; Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 41; Flume, „Juristische Person", S. 352; Fleck, GmbHR 1974, 224 (228); Großfeld / Noelle, AG 1986, 275 (276); Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 206; Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 26; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 89 m.w.N.; Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 48 Rdnr. 13; einschränkend für die Genossenschaft Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 10; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8: In der Regel kein Verzicht auf Ersatzansprüche; vgl. auch Lammel, ZfG 36 (1986), 125 (139).
I. Überblick
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densersatzträchtigen Sachverhalte werden erfaßt 5 und zwar ohne Rücksicht auf zugrundeliegende Anspruchsgrundlagen 6, sofern die ihre Tatbestandsmerkmale erfüllenden Handlungen sachlich dem Vorgang der Geschäftsführung zuzurechnen sind 7 . Der Anwendungsbereich ist weit. Ausgenommen sind lediglich solche Forderungen, auf die im Interesse der Gesellschaftsgläubiger nicht verzichtet werden kann 8 , geheilt werden also nicht Verstöße gegen zwingende KapitalerhaltungsVorschriften 9. Die schadensersatzvernichtende oder -hemmende Folge des Déchargebeschlusses ist also im Prinzip auf das beschränkt, was im Rahmen des üblichen Entlastungsprocedere von dem Entlastungsorgan erkannt wurde oder erkannt werden konnte. Entscheidend ist der Umfang der Rechenschaftslegung einschließlich sämtlicher zugänglich gemachter Unterlagen 10 , da im Normalfall das zuständige Verbandsgremium nicht in der Lage ist, die Verwaltung selbständig einer Nachprüfung zu unterziehen. Außerhalb dieser Regel kann sich der in Anspruch genommene Organwalter auf eine Décharge nur berufen, wenn sämtlichen entscheidungsbefugten Mitgliedern ein nicht in dem Rechenschaftsgebungsverfahren auftauchender Vorgang positiv bekannt war 11 . Ausnahmsweise soll allerdings auch in einem solchen Fall Erkennbarkeit genügen, falls der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH - als Mitgeschäftsführer oder als Aufsichtsratsmitglied 12 - die Unregelmäßigkeit hätte feststellen können 13 . Dies gilt natürlich nur in Fällen, die den Gesellschafter nicht selbst betreffen 14 . Die Verzichtswirkung entfällt nach diesem Ansatz nicht ohne weiteres, wenn die Entlastenden die Vorlagen und die Berichte der Geschäftsleiter nur oberflächlich zur Kenntnis nehmen. Sie sind vielmehr zur sorgfältiger Prüfung verpflichtet 15 . Ein allgemein gültiger Maßstab dafür, was „erkennbar" ist, läßt sich allerdings nicht aufstellen. Es kommt auf die Art des Verbandes und die individuellen Fähigkeiten der Mitglieder des Entlastungsorgans an. Sind die Unterlagen uneindeutig oder unvollständig, ist entscheidend, was bei Anle5 Β GHZ 94, 324 (326); BGH WM 1987, 651 (652); WM 1958,1503 (1504) mit Anm. Goerdeler, JR 1959, 300; WM 1968, 1350 (1351); st. Rspr; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rdnr. 12; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 24. 6 BGHZ 97, 382 (388). 7 Roth, GmbHG, § 46 Anm. 9.2. 8 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 95; Tellis, aaO., S. 110; HachenburgSchilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; Fleck, GmbHR 1974, 224 (229). 9 §§ 9b Abs. 1, 30, 31, 43 Abs. 3 Satz 2, 57 Abs. 4, 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG. 10 BGH WM 1976, 736 (737); Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 22. h BGH WM 1958, 1503 (1504); Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (217). ι 2 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 26. 13 BGH WM 1968, 1350 (1351). 14 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 94. 15 BGH WM 1976, 736 (737).
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
gung eines „lebensnahen vernünftigen Maßstabes" 16 überblickt werden könnte. So brauchten die Mitglieder eines eingetragenen Vereins, in dem sich Apotheker(l) aus dem gesamten Bundesgebiet organisiert hatten, um Rezepte gegenüber den Krankenkassen abrechnen und Beiträge einziehen und an die Kassen weiterleiten zu lassen, nicht unbedingt zu bemerken, daß objektiv hohe, Jahr für Jahr steigende Kosten der Verwaltungstätigkeit von Vorstandsund Verwaltungsratsmitgliedern nicht lediglich einen zulässigen Aufwendungsersatz-, sondern einen bei ehrenamtlicher Vereinstätigkeit unzulässigen Entgeltcharakter haben könnten 17 : Allein der beklagte ehemalige Vorsitzende des fünfköpfigen Vereinsvorstands erhielt zwischen 1976 und 1984 dafür, daß er die hauptamtlich tätigen Geschäftsführer überwachte und Verwaltungsratsund Mitgliederversammlungen einberief, (ohne Reisekosten) 789.009,07 D M (Jahresbezüge 1984: 118.069,48 DM). - Die zu Entlastenden haben es also in der Hand, die Reichweite des Verzichtseffekts durch das Maß der eigenen Offenheit zu bestimmen. Das eben beschriebene Beispiel und die am Anfang des Kapitels zitierten Ausführungen zur durchschnittlichen Dauer der Gesellschaftsversammlungen eines bedeutenden Wirtschaftsunternehmens deuten bereits auf ein Auseinanderklaffen von dem, was der Décharge Vorgang idealtypisch sein soll, und dem, wie man ihn in der Realität handhabt. Sind sie einmal entlastet worden, bleiben die Organwalter verpflichtet, dem Verband infolge früheren Fehlverhaltens drohenden Schaden tatkräftig auf das mögliche Minimum zu begrenzen 18. Eine diesbezügliche Unterlassung stellt eine neue, von dem DéchargebeschluB nicht im Voraus gedeckte Pflichtwidrigkeit dar. Die von der h . M . angenommene Verzichtswirkung tritt erst mit tatsächlich erfolgter Beschlußfassung ein. Lediglich die Aussicht darauf, entlastet zu werden, führt zu keiner Einschränkung der Verfolgbarkeit von Ersatzansprüchen, und sei sie auch noch so begründet. So ist der Vorstand eines Vereins nicht gehindert (eher möglicherweise sogar dazu verpflichtet), im Vorfeld eines anstehenden Entlastungsverfahrens Ansprüche gegen ausgeschiedene Vorstandsmitglieder beizutreiben oder ihre prozessuale Verfolgung vorzubereiten 19 . Allerdings bleibt es nach allgemeiner Ansicht der Mitgliederversammlung unbenommen, durch eine Déchargeerteilung den geltend gemachten Forderungen die sachlich-rechtliche Grundlage zu entziehen 20 , wenn ihr dies opportun erscheint.
16 17 18 19 20
BGH WM 1988,531 (535). BGH WM 1988, 531 (535). BGH WM 1977, 361 (363). BGHZ 24, 47 (54) = BGH LM Nr. 1 zu § 27 BGB m. Anm. Fischer. Fischer in: Anm. zu BGH LM Nr. 1 zu § 27 BGB.
I. Überblick
47
Objektiv „an sich" erkennbare Pflichtwidrigkeiten sollen sanktioniert werden können, wenn sie „verschleiert" worden waren, um eine Entlastung zu erschleichen 21. Demgegenüber erscheint es folgerichtiger, Verschleiertes als nicht erkennbar zu werten. Die als „virtuell" 2 2 bezeichnete schadensersatzhindernde Folge der Entlastungsentscheidung ist gegen nachträgliches, diese Wirkung zu beschränken oder rückgängig zu machen suchendes Vorgehen weitgehend geschützt. Zwar kann der DéchargebeschluB in Extremfällen nichtig sein; er unterliegt auch, wie jeder Gesellschafterbeschluß der juristischen Person der Anfechtung wegen eines Verstoßes gegen Gesetz oder Satzung23. Eine Anfechtung nach §§ 119ff. BGB scheidet aber ebenso aus 24 wie der Versuch scheitern muß, bei unerwartet auftauchenden Ersatzforderungen die „Entlastung" mit Hilfe der Grundsätze über den Ausgleich ungerechtfertigter Bereicherungen, §§ 812ff. BGB, zurückzufordern 25 . Das ist konsequent: Wenn es bei der Déchargeerteilung „anlagemäßig" = „virtuell" tatsächlich darum geht, einem Organwalter eine (konkrete) Schadensersatzlast umfassend zu nehmen, muß folgerichtig ein späterer Rückgriff auf sämtliche Anspruchsgrundlagen verboten sein, sofern ein Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Geschäftsführung feststellbar ist 26 . Die Grundlage für das Verständnis der Entlastung als allgemeines rechtsformübergreifendes Institut mit Verzichtswirkung hat das Reichsgericht geschaffen, Bundesgerichtshof und Schrifttum sind ihm mit Abstufungen in der Begründung, nicht aber im Ergebnis fast einhellig 27 gefolgt 28 . Abweichendes gilt nur im Recht der Aktiengesellschaft. § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG: „Die Entlastung enthält keinen Verzicht auf Ersatzansprüche". Das ist eindeutig und erlaubt keine Ausnahmen. Die unmißverständliche Klarheit der Norm ist eine Reaktion auf Irritationen, die bei der Anwendung des in dieser 21
RG DR 1941, 506 (508); Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 22; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; vgl. auch LG Essen, GmbHR 1983, 221. 22 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (427). 23 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 25; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 99; allg. M. 24 RG DR 1941, 506 (508). 25 A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (194); Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 23. 26 Β GHZ 97, 382 (386, 388). 27 Abweichungen bei Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 10; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8. 28 Zuletzt Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 86ff.; Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 23 ff; anders jetzt BGH NJW 1989,1151: keine Verzichtswirkung der Entlastung des Präsidiums der (öffentlichrechlich verfaßten) Bundesrechtsanwaltskammer.
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Beziehung weniger stringenten Aktiengesetzes von 1937 entstanden waren. Dies hatte sich zu den Folgen einer Entlastung zwar direkt nicht geäußert, ordnete aber in § 84 Abs. 4 Satz 3 an, daß die Gesellschaft - unter bestimmten Voraussetzungen - frühestens fünf Jahre nach ihrer Entstehung auf Ersatzansprüche verzichten könne. Diese Regelung mußte Auswirkungen auf das Institut der Décharge haben, auch wenn das teilweise geleugnet wurde 29 . Die Rechtsprechung verfuhr auch entsprechend, bis der Bundesgerichtshof im Jahre 1958 entschied: Erfolgt die Entlastung einstimmig, hat sie sofortige Verzichtswirkung. Denn das Gesetz wolle Minderheitsaktionäre zwar schützen, aber nicht gegen ihren Willen 3 0 . - Wie immer man zu der Begründung steht 31 , für Aktiengesellschaften ist dieser Ansatz durch das Aktiengesetz vom 6. September 1965 nunmehr endgültig überholt 32 . Das Wegfallen ausgerechnet dieser, die Entlastungsdiskussion immer beherrschenden Folge einer Décharge gerade in diesem Verband hätte, sollte man meinen, wenn schon nicht zu einer Neuorientierung, so doch zu einem erhöhten Begründungsbemühen für die Richtigkeit des hergebrachten Ansatzes führen können und sollen. Denn die rechtliche Ausformung der Aktiengesellschaft war und ist von jeher (positiver oder negativer) Ausgangspunkt für die Kodifikation und Rechtspraxis anderer Gesellschaftsformen 33. A n ihr orientieren sich die übrigen Vereinigungen in bezug auf die Rechte und Pflichten der Verwaltungsorgane. Ihr gesetzliches Regelwerk enthält als einziges materielle, wenn auch nicht abschließende Aussagen über Inhalt und Folgen eines Entlastungsbeschlusses. Darüber hinaus ist die vom Ausgangspunkt der überkommenen Meinung erstaunliche Tatsache zu konstatieren, daß die Reduktion der Entlastungserteilung in der Aktiengesellschaft vom Verzichtsgeschäft auf eine „bloß platonische Vertrauenserklärung" 34 die Bedeutung dieses Entscheidungsgegenstandes für die inner- und außergesellschaftliche Position der Betroffenen nicht entfallen ließ, daß sich die Décharge vielmehr unabhängig von weiteren Folgen als das entscheidende Mittel erweist, den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern die Stimmung der „Basis" zu vermitteln 35 . Eine solche vertiefte Diskussion fand nicht statt 36 . Zwar deutet sich vereinzelt ein gewisses Unbehagen an dem diametralen Auseinanderfallen von 29 Schippert, BB 1958, 1191 (1192); von Godin / Wilhelmi, AktG 2. Aufl. 1950, § 104 Anm. 4. 30 BGHZ 29, 385 (390). 31 Zur Kritik vgl. Schuler, NJW 1960, 601; Brox, BB 1960, 1226 (1227f.). 32 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 9. 33 Man braucht nur die Übertragung der Wertungen des aktiengesetzlichen Konzernrechts auf den GmbH-Konzern zu beachten, vgl. dazu BGHZ 95, 330 („Autokran"). 34 Breit, Anm. zu RG JW 1917, 657 (658); Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (220). 35 Schuler, AG 1960, 1 (3); Westhoff, DNotZ 1958, 226 (227). 36 Ahrens, ZGR 1987, 129 (131).
II. Verzichtswirkung aufgrund Rechtsgeschäfts
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aktienrechtlicher und sonstiger Entlastung an 37 . Im übrigen zog man sich jedoch auf lapidare, aber apodiktische Hinweise auf „strukturelle Unterschiede" zwischen den Verbänden 38 , die Nichtübertragbarkeit der aktienrechtlichen Entscheidung 39 und ein „es war schon immer so" 4 0 zurück, wobei fast nie der Hinweis auf die Notwendigkeit eines einheitlichen Entlastungsbegriffs für alle Verbandsformen fehlt 41 . Auch die Gewichtung innerhalb der Argumentationsführung ist auffällig: Fast der gesamte Begründungsaufwand konzentriert sich auf das „Das" der Entlastungsverzichtsfolge, kaum auf das „Wie" und „Warum". Insofern konstatieren diese Äußerungen einen vermeintlichen (Rechts-)Zustand eher, als daß sie sein Bestehen wirklich erklärten.
I I . Verzichtswirkung aufgrund Rechtsgeschäfts Über die Rechtsnatur des Entlastungsbeschlusses ist viel gestritten worden 42 . Im Mittelpunkt der Deutungsversuche steht die (schuld-)rechtliche Einordnung der Verzichtswirkung. Es geht also um die Frage, aus welchem Grund Schadensersatzansprüche gegen Verwaltungsmitglieder, die sich pflichtwidrig verhalten haben, nach einer Déchargeerteilung nicht mehr durchsetzbar sein sollen. Der wertend/beurteilende Aspekt der Entlastung tritt demgegenüber in der Diskussion häufig zurück. Der anspruchsvernichtende oder -hemmende Effekt einer Déchargeerklârung könnte eintreten, weil die Entlastenden dies wollen. Einem solchen rechtsgeschäftlichen Verständnis des Entlastungsinstituts folgt die überwiegende Meinung. Sie entwickelt verschiedene Konzeptionen zur Rechtsnatur des Vorgangs, deren Zentrum der schuldrechtliche Verzicht bildet: Ersatzforderungen sollen entweder durch Vertrag mit den Organwaltern oder aufgrund einseitiger „Verzichtserklärungen" untergehen. Daneben finden sich organschaftliche Erklärungsversuche. Sämtliche Lösungsansätze stehen vor der Schwierigkeit, die aktienrechtliche Décharge trotz § 120 Abs. 2 Satz 2 A k t G in ein einheitliches Entlastungs37 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 89: „Rechtspolitisch nicht unproblematisch". 38 A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (190); Rümker in: Festschr. f. Klemens Pleyer, S. 99 (101); Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 36ff. 3 9 BGH NJW 1959, 192 (193); Flume, „Juristische Person", § 10 I 4, S. 351: § 120 AktG ist „Konträrnorm". 40 Buchner, GmbHR 1988, 9 (14): „Seit jeher sieht man ihren (d.i. die Entlastung) Sinn aber gerade darin, daß . . . schadensersatzrechtliche Konsequenzen ausgeschlossen sein sollen." 41 Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 39ff.; Buchner, GmbHR 1988, 9. 42 Überblick bei Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (201 f.). 4 Barner
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
institut einzufügen, an dem festzuhalten schon die gleichartige Primärfunktion des Vorgangs in allen Verbänden - Billigungs- und Vertrauenskundgabe nahelegt. 1. Zweiseitige Rechtsgeschäfte Schuldvertragliche Lösungsvorschläge, die die Entlastungsentscheidung als Abschluß eines Vergleichs, Erlasses oder negativen Schuldanerkenntnisses fassen wollen, sehen sich neben Bedenken in bezug auf das Vorliegen vertragsspezifischer Tatbestandsmerkmale 43 bereits Einwänden hinsichtlich der Subsumierbarkeit des Beschlußprozesses unter die allgemeinen Erfordernisse eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts zwischen den Beteiligten ausgesetzt. a) Allgemeine Bedenken Verträge nach §§ 779 Abs. 1, 397 Abs. 1 oder 397 Abs. 2 BGB kommen durch Angebot und Annahme zustande. Entweder müssen also die Verbandsmitglieder eine Offerte der Amtswalter akzeptieren oder diese ein Angebot des Entlastungsorgans. Man könnte erwägen, die der Entlastungserteilung vorausgehende Rechnungslegung44 als Antrag der Verwaltungsleiter, die gewährte Entlastung als Annahme durch den Verband anzusehen45. Der Zusammenhang zwischen Rechenschaftslegung und Entlastungserteilung ist in der Tat eng. So hielt früher das Reichsgericht die Entlastung des Vorstands einer Aktiengesellschaft für von dem Bilanzgenehmigungsbeschluß umfaßt 46 . Der ursprüngliche Charakter der Entlastung als Bestandteil der Rechnungslegung, wie er in den Artt. 239, 239a A D H G B vorgesehen war, wurde aber bereits in § 260 HGB vom 10. Mai 1897 aufgegeben: Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (einer Aktiengesellschaft) trat als selbständiger, wenn auch inhaltlich in naher Beziehung stehender 47 Tagesordnungspunkt der Generalversammlung neben die Genehmigung der Bilanz und die Beschlußfassung über die Gewinnverteilung. So ist es geblieben, wie sich aus den §§ 119 A k t G , 46 GmbHG und 48 GenG ergibt. Die Eigenständigkeit beider Beschlußgegenstände zeigt sich auch daran, daß die Hauptversammlung einer 43 44 45
2a.
Dazu im einzelnen unten b). Zu den Einzelheiten siehe oben Kap. 1, III. 2. Picenoni, „Der Entlastungsbeschluß", S. 22; vgl. auch Ritter, AktG, § 104 Anm.
46 RGZ 44, 66 zu Art. 239 a ADHGB in der Fassung der Aktiennovelle vom 18.7.1884; vgl. auch RG JW 1898, 609. 47 Das zeigt sich deutlich an § 120 Abs. 3 AktG 1965, der für den Regelfall eine Verbindung der Verhandlungen über Entlastung und Gewinnverwendung sowie über die Berichte von Vorstand und Aufsichtsrat vorsieht; dazu Koch, AG 1969, 1 (2).
II. Verzichtswirkung aufgrund Rechtsgeschäfts
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Aktiengesellschaft den Vorschlägen der Verwaltung hinsichtlich der Gewinnverteilung und Feststellung des Jahresabschlusses zustimmen, gleichwohl aber von einer Entlastung der Organe absehen kann 48 . Auch ist es z.B. möglich, den Vorstand eines Vereins für Rumpfgeschäftsjahre, für die kein Kassenbericht vorgelegt wurde, zu entlasten, wenn dies der Mitgliederversammlung gerechtfertigt erscheint 49 , wie überhaupt eine in besonderer Weise formalisierte Rechnungslegung nicht begriffsnotwendig der Déchargeerteilung vorauszugehen hat 50 . Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob dem auf die faktische Darstellung von Tatsachen angelegten Vorgang der Rechenschaftslegung ohne weiteres ein Willenserklärungsmoment unterlegt werden kann. Aus all dem wird deutlich: Die Billigung des Geschäftsberichts ist nicht Entlastung. Bleibt also der eigentliche Entlastungsvorgang. Der Gesetzeswortlaut selbst gibt sich hinsichtlich der Rechtsnatur der Décharge neutral: § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG: „Die Hauptversammlung beschließt . . . über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats"; § 46 Nr. 5 GmbHG: „Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführer sowie die Entlastung derselben"; § 48 Abs. 1 Satz 2 GenG: „Sie (sc.: die Generalversammlung) beschließt... über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats". Welche rechtliche Qualität der erfolgte Entlastungsbeschluß hat, bleibt unentschieden. Allenfalls ließe sich - mit aller Vorsicht - aus den Formulierungen „Die Hauptversammlung (Generalversammlung) beschließt . . . " , „Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen . . . " der Hinweis entnehmen, daß die Entlastenden aus eigenem Recht abschließend über die Déchargeerteilung befinden können sollen, ohne auf ein wie auch immer geartetes (vertragliches) Zusammenwirken mit den Entlasteten angewiesen zu sein. Äußerlich erkennbar ist im Normalfall: Das zuständige Entlastungsorgan (z.B. die Hauptversammlung einer A G , die Gesellschafterversammlung in der GmbH, die Generalversammlung einer Genossenschaft) beschließt die Entlastung der Verwaltung in deren Anwesenheit. Im Einzelfall, insbesondere in Gesellschaften mit beschränkter Haftung und in Personengesellschaften, mögen dieser offiziellen Kundgabe interne Abreden dahingehend, keine Ersatzforderung gegen die Mitglieder der Verwaltung zu erheben, vorangegangen sein. Diese Übereinkünfte müssen bei der Prüfung der Frage, ob für die Gesellschaft eine auf den Abschluß eines vertraglichen Verzichts gerichtete Willenserklärung abgegeben wurde, außer Betracht bleiben, da sie nicht nach außen dringen und also nicht zugehen. Der öffentlich erklärte Déchargebeschluß mag aber, sofern man ihm einen Verzichteffekt zumißt, als Vertrags48
Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 28. BGH WM 1987, 651 (652). 50 Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (214); vgl. aber auch § 120 Abs. 3 AktG und dazu BGHZ 62, 193 (194f.). 49
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angebot anzusehen sein 51 . Fraglich ist allerdings, welches der Inhalt eines „Entlastungsangebots" im Aktienrecht sein könnte. Mangels einer Verzichtswirkung (§ 120 Abs.2 AktG) bringt die Entlastung hier lediglich die Anerkennung der Geschäftsführungsleistungen in der Vergangenheit und das Vertrauen in die Zukunft zum Ausdruck. Billigungs- und Vertrauenskundgabe sind als Vertragsinhalte aber nur schwer vorstellbar. - Die aktienrechtliche Décharge müßte also als Ausnahme zu einem im übrigen einheitlich auf Verzicht gerichteten Entlastungsangebot verstanden werden. Wird die Offerte auch angenommen? Ausdrücklich wohl nie. Ein Mitglied der Verwaltung, das dem Entlastungsorgan erklärte, die angebotene Entlastung anzunehmen, träfe wohl auf Erstaunen, wenn nicht auf Verständnislosigkeit 52 . Auch eine Annahme durch konkludentes Handeln dürfte ausgeschlossen sein. Die entlasteten Personen schweigen zu dem Déchargebeschluß. Kann dies Schweigen als Angebotsannahme angesehen werden? Schweigen, d.h. die Nichterklärung eines Willens, hat im deutschen Recht grundsätzlich keine rechtliche Bedeutung 53 . Reagiert die Gegenpartei auf einen Antrag nicht, kommt es zu keinem Vertragsabschluß. Zwar muß die Annahme nicht notwendigerweise dem Antragenden gegenüber erklärt werden, so wenn dieser auf sie verzichtet hat oder wenn nach der Verkehrssitte eine Erklärung nicht zu erwarten ist, § 151 Satz 1 BGB. Überflüssig wird nach dieser gesetzlichen Regel aber nur der Zugang der Willenserklärung, nicht dagegen ihre Abgabe 54 . In irgendeiner Form müßten die Entlasteten ihren Willen also äußern 55 . Es fehlen Anhaltspunkte, die auf einen Verzicht der Entlastungsorgane auf einen Zugang der Annahmeerklärung hindeuten 56 , ebenso wie es an Hinweisen auf eine diese Erklärung überflüssig machende Verkehrssitte mangelt 57 . Unabweisbare Praktikabilitätsgründe lassen sich jedenfalls nicht anführen. In den meisten Fällen wäre es völlig unproblematisch, von dem Betroffenen eine Stellungnahme zu dem „Entlastungsangebot" zu erlangen: Beide potentiellen Vertragsparteien befinden sich in demselben Raum, eine übermäßige Verzögerung der Aufgabenerledigung durch die Gesellschafterversammlung ist daher nicht zu besorgen. Die Raschheit und Einfachheit des Rechtsverkehrs zu fördern, ist aber die Aufgabe des § 151 BGB 5 8 . Schon der faktische Nachweis eines Vertragsschlusses bereitet also Schwierigkeiten 59 . 51
Picenoni, „Der Entlastungsbeschluß", S. 55; Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (215). Boesebeck, ZAkDR 1935, 675 (676); Picenoni, Der Entlastungbeschluß, S. 20. 53 Medicus, BGB AT Rdnr. 345. 54 Larenz, BGB AT, § 28 I, S. 530. 55 Kramer in: MünchKomm, BGB, § 151 Rdnr. 49. 56 Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 20. 57 A.A. Schifferer, Die Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft, S. 32. 58 Kramer in: MünchKomm, BGB, § 151 Rdnr. 46. 52
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Ein weiteres Problem betrifft die Frage nach der Befugnis der jeweiligen Entlastungsorgane, für den Verband einen „Déchargevertrag" zu schließen. Für die Aktiengesellschaft gilt: Gegenüber dem Vorstand wird die A G durch den Aufsichtsrat vertreten, § 112 A k t G , der Vorstand vertritt diese gegenüber dem Aufsichtsr at, § 78 Abs. 1 AktG; die Hauptversammlung ist also für Vertragsabschlüsse nicht handlungsbefugt 60. Nun mag für die A G angesichts der eingeschränkten Entlastungswirkungen (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG) Besonderes gelten. Für die GmbH ohne Auf sichtsr at schließen, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht, zwar die Gesellschafter den das Organverhältnis ergänzenden Anstellungsvertrag mit den Geschäftsführern 61, im übrigen aber fällt die Gestaltung und Betreuung der obligatorischen Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Verwaltungsmitgliedern in die Kompetenz der (Mit-) Geschäftsführer, § 35 Abs. 1 GmbHG 6 2 . Anderes soll allerdings für den Abschluß eines „Generalbereinigungsvertrages" gelten. Während bei der Entlastung das Bestehen schadensstiftender Pflichtwidrigkeiten unsicher ist, hat eine Bereinigungsabrede die Beseitigung von Schadensersatzansprüchen zum Ziel, von deren Existenz beide Seiten ausgehen63. Einen solchen (Erlaß-)Vertrag zu schließen soll - weil quasi das Gegenteil - ebenso Sache der Gesellschafter sein, wie nach § 46 Nr. 8 GmbHG über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Geschäftsführer zu entscheiden64. Geht man von einer Vertragskonstruktion aus, könnte die nahe Verwandtschaft zwischen Décharge und Bereinigung eine parallele Kompetenzverteilung immerhin vertretbar erscheinen lassen. In einer GmbH mit fakultativen Aufsichtsrat wird die GmbH nach § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 112 A k t G gegenüber dem Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat vertreten, falls der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt. Dasselbe gilt kraft zwingenden Rechts für mitbestimmte Gesellschaften, §§ 72 Abs. 1 BetrVG1952, 3 Abs. 2 MontanMitbestG, 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG. Für die GmbH handeln gegenüber dem Aufsichtsrat die Geschäftsführer. Die Gesellschafter selbst haben kein Vertretungsrecht. § 39 Abs. 1 GenG ermächtigt den Auf sichtsrat einer Genossenschaft, diese beim Abschluß von Verträgen mit dem Vorstand zu vertreten. Im übrigen hat 59 Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (144): „Aber mit dem Versuch des Nachweises eines Erlaßvertrages wird man in den weitaus meisten Fällen, . . . , Fiasko machen." 60 Schuler, AG 1960, 1. 61 BGH LM § 46 GmbHG Nr. 3; Zöllner, in Baumbach / Hueck, GmbHG, § 35 Rdnr. 95. 62 Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 35 Rdnr. 30; umstritten ist, wem die Änderung des Anstellungsvertrages obliegt, vgl. dazu Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 35 Rdnr. 172f. 63 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (431); zum Generalbereinigungsvertrag vgl. auch BGH WM 1968, 114; GmbHR 1975, 182; WM 1976, 736. 64 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 26.
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der Vorstand eine umfassende Vertretungskompetenz, § 24 Abs. 1 GenG, welche allenfalls in bezug auf die Anstellungsübereinkunft eingeschränkt ist 65 . Die Generalversammlung ist zwar zur Déchargeerteilung (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GenG), nicht aber zum Vertragsschluß berufen. Schon diese kurze Analyse zeigt, daß Entlastungskompetenz und Vertretungskompetenz in fast allen Fällen nicht übereinstimmen. Dies spricht gegen eine Deutung der Déchargeerteilung als Schuldvertrag. Neben den genannten Problemen sind sonstige Konsequenzen einer Vertragslösung zu bedenken. Niemand ist gezwungen, ein Vertragsangebot anzunehmen. Die Verwaltungsmitglieder könnten eine „Entlastungsofferte" auch ablehnen 66 . Sind z.B. der Déchargeerteilung langwierige Diskussionen über die Geschäftsführung und mögliche Pflichtverletzungen vorausgegangen und wurde der Beschluß mit knapper Mehrheit gefaßt, könnte der Betroffene die Entlastung zurückweisen, um anschließend im Wege der negativen Feststellungsklage die Vorwürfe klären zu lassen. Ein Weg, der ihm bei erfolgter Décharge mit Verzichtswirkung verwehrt wäre: In diesem Fall fehlte dem Kläger das für diese Klageart notwendige Feststellungsinteresse 67. Unklar ist auch, welche Konsequenzen eine unterschiedliche Reaktion der zu Entlastenden auf ein „Déchargeangebot" hätte. Wie soll verfahren werden, wenn nach einer bei Mehrpersonenorganen üblichen Gesamtentlastung68 beispielsweise bei einer GmbH der eine Geschäftsführer die Entlastung „annimmt", der andere ihr jedoch widerspricht? Läßt sich die ursprünglich einheitliche Entscheidung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufspalten 69? Mögen diese Beispiele in der Praxis auch kaum vorkommen, so zeigt sich an ihnen doch ein grundsätzlicher Nachteil der Vertragslösung: Die Déchargeerteilung ist nicht mehr ein klar abgrenzbarer Vorgang, sondern wird den Unwägbarkeiten ausgesetzt, die mit jedem Vertragsschluß verbunden sind. Das Zustandekommen der Entlastung aber von einem (willkürlichen) Wollen oder Nichtwollen der Verwaltungsmitglieder abhängig zu machen, widerspricht ihrem Charakter als einer autonomen, eigenverantwortlichen und nicht zuletzt abschließenden Entscheidung des dazu berufenen Gesellschaftsorgans 70.
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Klaus Müller, GenG, § 36 Rdnr. 64. So in der Tat Schifferer, Die Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft, S. 32. 67 Zum Feststellungsinteresse als Prozeßvoraussetzung vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256 Anm. 3. 68 Es kann auch eine Einzelentlastung erfolgen, vgl. dazu Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 22. 69 Verneinend RG DR 1941, 506 (508). 70 Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 22. 66
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b) Bedenken gegenüber einzelnen Vertragstypen Unabhängig von den eben genannten grundsätzlichen Einwänden fragt sich, welchem der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen sich die Entlastung zuordnen läßt. (1) Vergleich Durch einen Vergleich versuchen die beteiligten Parteien, Streit oder Ungewißheit über ein Rechtsverhältnis durch beiderseitiges Abrücken von einer Maximalposition zu beenden, § 779 Abs. 1 BGB. Die Neuordnung der Rechtsbeziehung soll ein Zurückgehen auf zuvor streitige und/oder ungewisse Verhältnisse ausschließen71. Die Erteilung der Décharge steht in engem Zusammenhang mit der Rechenschaftslegung der betroffenen Organmitglieder. So hat, wie bereits erwähnt 72 , z.B. der Vorstand einer Aktiengesellschaft, bevor die Hauptversammlung über seine Entlastung verhandelt, den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats vorzulegen, § 120 Abs. 3 Satz 2 AktG. Sämtliche Vorlagen müssen darüber hinaus zur Ermöglichung der Einsichtnahme durch die Aktionäre ausgelegen haben; Abschriften können verlangt werden, § 120 Abs. 3 Satz 3 i . V . mit § 175 Abs. 2 AktG. Vergleichbare Regeln gelten auch für das Procedere in den anderen Gesellschaften. Die tatsächlichen Grundlagen der zur Entscheidung stehenden Sachverhalte dürften daher im Normalfall zwischen den Verwaltungsmitgliedern und den Entlastungsorganen außer Streit stehen73. Aber auch abgesehen davon ist zweifelhaft, ob man die erteilte Entlastung als das Ergebnis gegenseitigen Nachgebens ansehen kann. Vergleich ist Konfliktbereinigung durch mehrseitiges, nicht einseitiges Abrücken von Maximalpositionen. Zwar ist dies für das Vorliegen eines Vergleichsvertrages konstitutive Tatbestandsmerkmal bei der gebotenen weiten Auslegung schon dann erfüllt, wenn die Parteien einander irgendwelche, nicht notwendig gleichwertige Zugeständnisse machen 74 . Bei genauerer Untersuchung möglicher Fallkonstellationen erscheint es dennoch fraglich, ob der Entlastungsvorgang unter den Vergleichstatbestand gefaßt werden kann. Wird ein Mitglied der Verwaltung eines Verbandes entlastet, ohne daß das Entlastungsorgan erkennbare Ansprüche - nur aus den vorgelegten Geschäftsunterlagen erkennbare Schadensersatzforderungen sollen von der 71
BGH NJW 1963, 1197 (1198); Pecher in: MünchKomm, BGB, § 779 Rdnr. 1. Siehe Kap. 1, III. 2. 73 Schifferer, Die Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft, S. 22. 74 BGH NJW 1964, 1787; Pecher in: MünchKomm, BGB, § 779 Rdnr. 18. 72
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Verziehtswirkung erfaßt werden 75 - auch tatsächlich erkennt, ist der Betroffene wegen seines diesbezüglichen Fehlverhaltens nicht mehr zu belangen76. Diesen Vorteil erlangt der Entlastete aber nicht aufgrund bewußten Nachgebens der anderen Seite, sondern weil ein Déchargebeschlufi eine solche anspruchshemmende Wirkung haben soll. Das Abrücken von einem zuvor eingenommenen Standpunkt ist aber etwas anderes als das Abschneiden von Ersatzforderungen, „Nicht-mehr-geltend-machen-können" ist nicht unbedingt „Nachgeben", schon gar nicht beiderseitiges. Vielmehr liegt in einem solchen Fall auf Seiten der für die Entlastung Zuständigen schon gar keine subjektive Unsicherheit über ein Rechtsverhältnis vor, die die Grundlage eines Vergleichs bilden könnte. Subjektive Ungewißheit (oder Streit) über Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ist aber Voraussetzung für einen Vertragsschluß nach § 779 BGB 7 7 . Etwas anders stellt sich die Lage dar, wenn ein Organmitglied entlastet wird, obschon das zuständige Gremium das Bestehen von Ersatzansprüchen erkannt hat. Da die Erteilung der Décharge in der Regel nicht die Beurteilung einzelner Geschäftsführungsvorgänge im Auge hat, sondern die Einschätzung der gesamten Tätigkeit der Verwaltung während eines bestimmten Zeitraums durch die Verbandsmitglieder zum Ausdruck bringen will, kann es durchaus vorkommen, daß das Entlastungsorgan nach einer Gesamtschau der Leistung der Organmitglieder Fehlverhalten im Einzelfall zugunsten eines positiven Endresultats auf sich beruhen läßt. Nimmt man eine Verzichts Wirkung der Entlastung an, erlangt der Betroffene bei einer solchen Vorgehensweise in jedem Fall etwas: Er wird nicht länger mit der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen bedroht. Fraglich ist aber, worin die Gegenleistung des Entlasteten liegen könnte. Es ist nicht erkennbar, in welcher Beziehung er von einer Rechtsposition abgerückt wäre. Zwar mag es Situationen geben, in denen z.B. der Geschäftsführer und die Gesellschafterversammlung einer GmbH über die Ordnungsgemäßheit einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen und das Bestehen damit zusammenhängender Ausgleichsforderungen verschiedener Meinung sind. Zahlt der Geschäftsführer dann einen gewissen Betrag und erklärt sich die Gegenseite bereit, auf den Rest zu verzichten, wird ein Vergleichsvertrag geschlossen. Dies geschieht aber nur als eine Art Parallelaktion anläßlich einer Entlastungserteilung und um diese überhaupt zu ermöglichen. Ein allgemeiner Rückschluß auf die Rechtsnatur einer Entlastung läßt sich aus dem Vorgehen in einer solchen Sonderkonstellation nicht ziehen. Entscheidend ist, daß das Bild vom Vergleich nicht für den Normalfall einer Déchargeerteilung paßt. Haben nämlich, wie in den meisten Fällen üblich, die 75
Vgl. zuletzt BGHZ 97, 382 (389); a.A. Picenoni, „Der Entlastungsbeschluß", S. 49ff. 76 H.M., Ausnahme: Aktiengesellschaft, § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG. 77 Staudinger-Marburger, BGB, § 779 Rdnr. 19.
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Verwaltungsorgane einer Gesellschaft ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt und sich in keiner Weise pflichtwidrig verhalten, liegen Streit oder Ungewißheit, die durch gegenseitiges Nachgeben beendet werden könnten, nicht vor 7 8 . Der Normalfall aber muß die Grundlage für die Einordnung eines tatsächlichen Vorgangs in rechtliche Kategorien sein. Zu unterscheiden ist zwischen dem allgemeinen Institut der Entlastung und der Frage, ob im Einzelfall darüber hinaus ein Rechtsgeschäft geschlossen wird/werden kann, das zum „Verzicht" führt. Selbst wenn es der Zweck des Déchargebeschlusses sein sollte, einen bestimmten Komplex von Geschäftsführungshandlungen zwischen den Organen und der Gesellschaft ein für allemal außer Streit zu stellen und ein Wiederaufgreifen dieser Sachverhalte auszuschließen79, ist die Entlastung unter § 779 BGB nicht zu subsumieren 80. (2) Erlaßvertrag Im Hinblick auf die behaupteten schadensersatzausschließenden Folgen eines Entlastungsbeschlusses nimmt es nicht Wunder, daß es Versuche gegeben hat, die Décharge als Erlaßvertrag im Sinne des Bürgerlichen Rechts zu interpretieren; aus Verzichtswirkung wurde Verzichts vertrag. Die Äußerungen in Rechtsprechung und Literatur sind allerdings sehr beiläufig und von lapidarer Kürze. So heißt es in einem Urteil des Reichsgerichts vom 2. Februar 192981 über einen Beschluß, der die „Genehmigung" eines vom Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft über den Zustand der Gesellschaft erstatteten Berichts durch die Generalversammlung betraf, er bedeute nach der Sachlage, „daß sich die Generalversammlung mit der Geschäftsführung der berichtenden Organe einverstanden erklärte und damit auf Ansprüche gegen sie verzichtete". Und RGZ 115, S. 246: Ein nicht als „Entlastung" bezeichneter, dieser aber inhaltlich entsprechender Generalversammlungsbeschluß bringe neben dem (nachträglichen) Einverständnis der Aktionäre mit der Geschäftsführung den Verzicht derselben zum Ausdruck, Ansprüche wegen Überschreitens der Machtbefugnisse geltend zu machen. Eine solche Genehmigung enthalte „eine Entlastung, einen Verzicht auf etwaige Regreßansprüche der Gesellschaft aus dem Vorgehen der Verwaltung" 82 . Vorsichtiger ist der Bundesgerichtshof: er stellt fest, im Vereinsrecht wirke die Entlastung wie 78
Vgl. auch Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 15. Flechtheim, JW 1920, 700. 80 Schifferer, Die Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft, S 22. si RGZ 106, 258 (262). 82 RGZ 115, 246 (250); beide Entscheidungen betreffen die damals in § 260 HGB geregelte Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft, der noch Verzichtswirkung zukam. Erst das Aktiengesetz 1937 veränderte durch Einführung des § 84 Abs. 4 Satz 3, der anordnete, daß die Gesellschaft unter gewissen Voraussetzungen frühstens nach Ablauf von 5 Jahren auf Ansprüche verzichten könne, die Bedeutung der Déchargeerteilung der AG. 79
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ein Verzicht (oder ein negatives Schuldanerkenntnis) 83. Ganz klar aber RGZ 76, S. 244: „Die Entlastung von Organen der Gesellschaft stellt eine rechtsgeschäftliche Erklärung, einen Verzicht auf Ersatzansprüche dar" 8 4 . Ähnlich kurz sind die Ausführungen in der Literatur: „Zunächst kann es keinen Zweifel geben, daß die Entlastung einen Verzicht auf weitere Ansprüche enthält .. ." 8 5 . „Sie (sc.: die Entlastung) bildet einen Verzicht des Entlastenden auf weitere Ansprüche" 86 . Deshalb sei jedenfalls die vom Organmitglied angenommene Entlastung Verzicht 87 . Durch den Abschluß eines Vertrages nach § 397 Abs. 1 BGB wird auf bestehende Schuld Verhältnisse verfügend eingewirkt 88 , wobei allein auf zur Zeit des Erlasses existierende Forderungen verzichtet werden kann 89 . Die Entlastung kann also (nur) dann ein Verzichtsvertrag sein, wenn sich die Organwalter tatsächlich ersatzpflichtig gemacht haben. Zwar wird es solche Situationen geben. In den weitaus meisten Fällen aber gibt die Handhabung der Geschäfte durch die dafür Zuständigen zu Klagen keinen Anlaß. Vielmehr wird die Entlastung deshalb erteilt, weil die Verwaltung korrekt gearbeitet hat. Sind jedoch keine pflichtwidrigen Handlungen begangen worden und sind demzufolge auch keine Regreßansprüche entstanden, kann die Décharge auch nicht unter § 397 Abs. 1 BGB subsumiert werden: Es mangelt an einem Schuld Verhältnis im Sinne dieser Vorschrift. Auch wenn man die Entlastung als eine Art allgemeingültiger Verzichtserklärung für „alle Fälle", sowohl bekannte als auch unbekannte Ansprüche betreffend, begreifen wollte, wäre nichts gewonnen. Zwar kann im Zivilrecht grundsätzlich auch auf unbekannte Ansprüche verzichtet werden 90 , das aber auch nur, wenn solche wirklich existieren 91 . Wie gezeigt, ist dem aber normalerweise nicht so. Aber selbst dann, wenn sich im Einzelfall ein Verwaltungsmitglied tatsächlich ersatzpflichtig gemacht hat, bleiben Zweifel: Wollen die Entlastenden « BGHZ 24, 47 (54) = BGH LM BGB § 27 Nr. 1; vgl. aber auch BGH WM 1987, 651 (652) für das Vereinsrecht: „Entlastung ist Verzicht ...". 84 RGZ 76, 244 (248). 85 Staub-Pinner, HGB, § 260 Anm. 13. 86 Dernburg, „Schuldverhältnisse", Band 2, § 40 Anm. 2, S. 100; vgl. auch Ritter, AktG, § 104 Anm. 2 a; von Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 104 Anm. 4; Boeters, JW 1920, 699; ähnlich Heymann-Emmerich, HGB, § 114 Rdnr. 14; HeymannHorn, HGB, § 166 Rdnr. 27. 87 Staudinger-Kaduk, BGB, § 397 Rdnr. 96, für das Vereinsrecht. 88 Allerdings nur hinsichtlich einzelner Forderungen. Anders der Aufhebungsvertrag, der das Schuldverhältnis als Ganzes zum Gegenstand hat; zu letzterem vgl. Gernhuber, „Erfüllung", S. 237, 365. 89 Staudinger-Kaduk, BGB, § 397 Rdnr. 62. 90 Gernhuber, „Erfüllung", S. 350; von Feldmann in: MünchKomm, BGB, § 397 Rdnr. 2. 91 Abgesehen davon könnten im Hinblick auf den nach h. M. beschränkten Umfang des Verzichtseffekts einer Entlastung allenfalls unbekannte, aber erkennbare Vorgänge erfaßt werden.
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wirklich bestehende Rechte aufgeben, oder ist das Geltendmachen von Ersatzforderungen nach einem DéchargebeschluB nicht lediglich deshalb ausgeschlossen, weil deren Grundlagen erkennbar waren? Wenn dem so ist, geht es nicht um den Untergang von Rechten durch einen Willensakt der Inhaber, eine Rechtsbeschränkung könnte sich vielmehr allenfalls als Folge (§ 242 BGB) der Entscheidung ergeben 92. Der, immerhin mögliche, Fall einer Entlastung trotz aktuell erkannten Fehlverhaltens dürfte selten sein. Ein konkreter Verzichtswille wird üblicherweise nicht gebildet 93 . Ihn dennoch allgemein zu unterstellen, hieße mit Fiktionen arbeiten. Der Erlaßvertrag des BGB vermag also allenfalls Teilaspekte des Entlastungsvorgangs rechtlich befriedigend zu klären, läßt wesentliche Fragen aber offen 94 und muß deshalb als das Institut allgemein charaktisierendes Erklärungsmodell ausscheiden. (3) Negativer Schuldanerkenntnisvertrag Ein Teil der Rechtsprechung 95 und Literatur 96 sieht in der Entlastungserteilung den Abschluß eines negativen Schuldanerkenntnisvertrages nach § 397 Abs. 2 BGB oder hält eine solche rechtliche Einordnung wenigstens für möglich 97 . Gerade im Hinblick auf häufig bestehende Unsicherheiten hinsichtlich der Existenz von Schadensersatzansprüchen schlössen die Betroffenen einen Vertrag, der jede Ungewißheit zu beenden hätte 98 : Die Gesellschaft erkenne an, daß die Verwaltungsmitglieder ihr nichts schuldeten. Klare Verhältnisse für die Zukunft zu schaffen, sei Aufgabe der Entlastung 99 . Auch über die Feststellung der wirklichen Rechtslage hinaus solle der zur Zeit des Déchargebe92
Dazu unten IV. Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (144). 94 Das erkennen stillschweigend auch Staub-Pinner, HGB, § 260 Anm. 13, an, indem sie feststellen, die Entlastung enthalte neben dem Verzicht auf weitere Ansprüche das Anerkenntnis, daß Regreßansprüche nicht bestehen. 95 RG JW 1926, 2904 mit Anm. Bing; RG JW 1935, 921 mit Anm. Boesebeck; OLG Hamburg, BB 1960, 996; vgl. auch RGZ 115, 368 (371) zum (vom RG verneinten) Recht des Vormunds auf Entlastung durch das Mündel. 9 * Bing, Anm. zu RG JW 1926, 2904; Lehmann, Anm. zu RG, JW 1936, 1893; Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, Kap. 58 Anm. A III, S. 306; Schifferer, Die Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft, S. 24; vgl. auch von Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 104 Anm. I I 4; Großfeld / Apel, Anm. zu LG München, Urteil vom 27. 7. 1971 -18 Ο 414/71, ZfG 1975, 236; Ritter, AktG, § 104 Anm. 2a; Schippert, BB 1958,1191 (1192); Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (215, vgl. aber S. 210); Staub-Pinner, HGB, § 260 Anm. 13; Vogel, GmbHG, § 46 Anm. 6. 97 Von Feldmann in: MünchKomm, BGB, § 397 Rdnr. 10; Lieb in: MünchKomm, BGB, § 812 Rdnr. 320; Staudinger-Kaduk, BGB, § 397 Rdnr. 95. 98 Breit, Anm. zu RG, Urteil vom 6. 2. 1917 - 385/16 II, JW 1917, 657. 99 RG JW 1926, 2904. 93
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schlusses bestehende Zustand in einer das spätere Geltendmachen von Ersatzansprüchen ausschließenden Weise abschließend festgelegt werden 100 . Das negative Schuldanerkenntnis ist ein „Feststellungsgeschäft", durch das das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses unter den Beteiligten verbindlich konstatiert wird 1 0 1 . Sieht man den Schwerpunkt der Entlastungs-(Rechts-)Folgen in dem Verzichtseffekt, scheint eine Subsumtion unter § 397 Abs. 2 BGB zunächst naheliegend: Kann doch auf diese Weise jedweder weiteren Diskussion der Verbandsmitglieder über die Konsequenzen eines möglichen Fehlverhaltens der Verwaltung der Boden entzogen werden. Auch hier ist aber fraglich, ob sich die abstrakten Norm Voraussetzungen und der konkrete Entlastungssachverhalt tatsächlich decken. Das negative Anerkenntnis ist ein formlos zu schließender 102 Vertrag, kommt also durch die Annahme eines entsprechenden Antrags zustande. Da das Anerkenntnis für den Fall einer tatsächlich bestehenden Schuld einen Erlaß enthält und ein einseitiger (schuldrechtlicher) Verzicht mit Rücksicht auf einen möglicherweise bestehenden Leistungswillen des Schuldners wirkungslos ist 1 0 3 , genügt der Déchargebeschlufi für sich genommen nicht den Anforderungen des § 397 Abs. 2 BGB. Die allgemeinen Voraussetzungen für einen Vertragsschluß (Abgabe einander entsprechender Willenserklärungen, Zugang derselben, Anfechtbarkeit der Abreden etc.) fehlen in der Regel aber, wie oben bereits festgestellt wurde 104 . Die den Beteiligten jederzeit offenstehende Möglichkeit, im Anschluß an die Rechenschaftslegung (bewußt) ein negatives Schuldanerkenntnis zu vereinbaren, läßt als Ausnahme zum normalerweise üblichen einen Schluß auf den Rechtscharakter der Entlastung dagegen gerade nicht zu. 2. Einseitige Rechtsgeschäfte a) Verzichtserklärung eigener Art Die bisher erörterten Vertragsmodelle werden neben anderem insbesondere auch den kompetenziellen Zuordnungsverhältnissen der Gesellschaftsorgane untereinander nicht gerecht. Aus diesem Grund verstehen Teile der Rechtsprechung 105 und Literatur 1 0 6 die Entlastung als einseitige Verzichtser100 RG, aaO. 101 Larenz, SchR AT § 19 I a, S. 268. 102 RGRK-Weber, BGB, § 397 Rdnr. 2. i°3 Staudinger-Kaduk, BGB, § 397 Rdnr. 6. 104 Siehe oben 1. a). 105 RG DR 1941, 506 (508); BGHZ 24, 47 (54) = BGH LM § 27 BGB Nr. 1 mit Anm. Fischer; BGHZ 29, 385 (390); BGH WM 1958, 1503 (1504) = GmbHR 1959, 89 m.Anm. Wilhelm; BGH WM 1976, 204 (205); LG Essen GmbHR 1983, 221 (223); vgl. auch BGHZ 94, 324 (326); 97, 382 (384) (wohl stillschweigend).
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klärung eigener Art. „Die Entlastung von Geschäftsführern einer GmbH wirkt wie ein Verzicht auf Ersatzansprüche oder das Anerkenntnis des Nichtbestehens derartiger Ansprüche . . . Sie ist eine einseitige, keiner Annahme bedürftige organschaftliche Erklärung, .. . 1 0 7 . " Die erteilte Entlastung soll also mögliche Ersatzansprüche zum Erlöschen bringen, und zwar ohne daß der Entlastete dem zustimmen müßte, ja selbst gegen seinen ausdrücklichen Willen 1 0 8 . Für einen einseitig wirksamen Vorgang könnte das Wort „Entlastung" stehen: Den Verantwortlichen soll eine Last abgenommen werden. Allerdings darf der faktischen Bezeichnung eines Sachverhalts bei der Frage nach seiner rechtlichen Einordnung keine zu große Bedeutung beigemessen werden. Das Gesetz (AktG, GmbHG, GenG) verwendet den Begriff jedenfalls nicht eindeutig: Wiewohl genauso benannt, hat der Vorgang in der Aktiengesellschaft keinen „Lastenbefreiungseffekt" für die Amtswalter. Ein Indiz kann der Begriff „Entlastung" aber immerhin sein. Versteht man die Décharge als einseitig zu setzenden A k t , werden die Unzulänglichkeiten einer Vertragskonstruktion weitgehend vermieden. Eine willkürliche Ablehnung der Entlastung ist ausgeschlossen, das Organmitglied kann die Gesellschaft z.B. nicht durch Verzögerungstaktikten der Gefahr unliebsamen öffentlichen Interesses aussetzen. Die Loslösung vom Vertrag wird allerdings zum Teil nicht konsequent vollzogen. So wird vertreten, die Entlastung selbst sei einerseits zwar eine einseitige, nach Zugang bindende 109 Verzichtserklärung hinsichtlich erkennbarer Ersatzansprüche und deshalb kein Vertrag nach § 397 B G B 1 1 0 . Endgültig anspruchshindernd (nach § 397 BGB!) soll sie auf der anderen Seite aber erst mit ihrer Annahme durch die geschäftsführungs- bzw. aufsichtsbefugten Personen werden 111 . Welche Vorteile diese Fortentwicklung den üblichen Vertragsmodellen gegenüber haben könnte, bleibt unklar. Auch hier ist der Ent106 Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rdnr. 12; Hume, „Juristische Person", S. 352; Gernhuber, „Erfüllung", S. 360f.; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 23; Hueck, GmbHR 1959, 189 (190); Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; Lang-Weidmüller, GenG, § 48 Rdnr. 13; RGRK-HeimannTrosien, BGB, § 812 Rdnr. 113; RGRK-Weber, BGB, § 397 Rdnr. 36; Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 195; vgl. auch Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 26; Brox, BB 1960, 1226; Heuer, GmbHR 1951, 151; von Feldmann in: MünchKomm, BGB, § 397 Rdnr. 5, 10; Neflin in NJW 1959, 1666 (1667); Staudinger-Kaduk, BGB, § 397 Rdnr. 95; Vogel, GmbHG, § 46 Anm. 7. 107 BGH WM 1958, 1503 (1504). 108 RG DR 1941, 506 (508); Flume, „Juristische Person", S. 352; Rümker in: Festschr. f. Klemens Pleyer, S. 99 (103). ™ Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (213). Schönle, aaO. S. 210. 111 Schönle, aaO. S. 215.
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
lastungsvorgang potentiell mit den Unsicherheiten belastet, die sich aus den unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten der zu Entlastenden ergeben. Zweifelhaft erscheint darüber hinaus, ob man die Gesellschaft tatsächlich unbefristet an ihr „Angebot" binden sollte, wenn die Antragsgegner in keiner Weise reagieren. Abgesehen von Bedenken in Einzelfragen ist aber auch grundsätzliche Kritik anzumelden. Diese Verzichtskonstruktion will zwar nicht Vertrag sein 112 , trägt aber doch deutlich in diese Richtung weisende Züge 1 1 3 , wobei ihr eigentliches Ziel die endgültige Außerstreitstellung tendenziell schadensträchtiger Sachverhalte ist. Diese eindeutige Akzentsetzung muß auf ihre Vereinbarkeit mit dem Normalfall einer Déchargeerteilung überprüft werden. Festzustellen ist: Üblicherweise steht nicht die schadensstiftende, sondern die schadensfreie Verwaltung eines Verbandes zur Beurteilung durch das Entlastungsorgan an. Haben sich aber die zur Verwaltung oder Aufsichtsführung berufenen Personen korrekt verhalten, verliert ein „Verzichtseffekt" seinen Sinn. Die Entlastung bekundet vielmehr das Einverständnis mit den Leistungen der Geschäftsleiter. „Sie (sc.: die Entlastungserklärung) ist eine . . . Erklärung . . . , die im Grunde ihrem Inhalt nach nichts weiter zum Ausdruck bringt als die Billigung der Geschäftsführung und das Vertrauen in diese" 114 . Der Schwerpunkt der Déchargeaussage liegt auf dem wertend/beurteilenden Aspekt. Der Einwand, allzu großes Gewicht auf den Fragenkreis Pflichtverstoß, Schadensstiftung, Ersatzabwicklung zu legen, bleibt auch dann bestehen, wenn die Décharge als einseitiges negatives Schuldanerkenntnis begriffen wird. Zwar gibt in diesem Fall das Entlastungsorgan (deklaratorisch) 115 lediglich seiner Überzeugung Ausdruck, daß keine Ansprüche bestehen und also Forderungen nicht untergehen sollen. Der Blick ist aber weiterhin auf das Schadensersatzproblem gerichtet. Die Existenz oder Nichtexistenz von Ersatzforderungen ist jedoch in keiner Weise vorgreiflich für das Ergebnis der Beratung über eine Entlastungserteilung an die Verwaltung. Das Entlastungsorgan ist vielmehr ungebunden und hat einen großen Ermessensspielraum 116. Ob die Verwaltung eine „glückliche Hand" gehabt hat, kann nur eine Gesamtschau ergeben, bei der Ersatzpflichten eine zwar wichtige, aber keineswegs die einzige Entscheidungsgrundlage bilden. Der komplexe Bedeutungsinhalt der U2 RG DR 1941, 506 (508). 113 Staudinger-Kaduk, BGB, § 397 Rdnr. 95; ablehnend Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 24. 114 RG DR 1941, 506 (508); vgl. auch RGZ 167, 151 (166); BGH WM 1976, 204 (205). 115 Vgl. zum (zweiseitigen) deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnis Gernhuber, „Erfüllung", S. 59. 116 BGHZ 94, 324 (327).
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Entlastung kann deshalb nicht auf eine Aussage über das Bestehen oder Nichtbestehen bzw. die Verfolgbarkeit oder NichtVerfolgbarkeit von Schadensersatzforderungen reduziert werden. Unabhängig davon spricht entscheidend gegen diesen Lösungsvorschlag, daß auch er der Gefahr ausgesetzt ist, mit Fiktionen zu arbeiten. Die Annahme einer einseitigen Verzichtserklärung bedarf des Nachweises einen entsprechenden Verzichts willens der Handelnden. Dieser Nachweis kann im Normalfall nicht erbracht werden. Einen rechtsgeschäftlich bewirkten Anspruchsuntergang lediglich an die Tatsache der Déchargeerteilung selbst zu knüpfen, ist bei einem Vorgang, der aus der Sicht der einzelnen Verbandsmitglieder gerade auch wirtschaftlich eine ganz andere Bedeutung hat - Vertrauenskundgabe/Dokumentation einer funktionierenden innerverbandlichen Gewaltenteilung - , nicht zulässig. b) Genehmigung Um sowohl dem wertend/beurteilenden Charakter der Entlastung gerecht zu werden, als auch um den durch sie vermeintlich bewirkten Verzichtseffekt plausibel erklären zu können, wird die Décharge von manchen als Genehmigung der Geschäftsführung während der Entlastungsperiode aufgefaßt 117 . Diese Genehmigung enthalte keine Verzichtserklärung, sondern bewirke, „daß etwaige Ersatzansprüche wegen mangelhafter Geschäftsführung untergehen" 118 . Sie bestünden nicht mehr 1 1 9 . Der Effekt sei derselbe, wie wenn der Auftraggeber Weisungsüberschreitungen des Beauftragten (§ 665 BGB) nachträglich billige oder der Geschäftsherr dem Tätigwerden des Nichtbeauftragten ex post nach § 684 Satz 2 BGB zustimme und damit Ansprüchen aus § 678 BGB die Grundlage entzöge 120 . Die Gefahren, die sich aus der Kombination einer Schwerpunktbildung bei einem Verzichtseffekt und einem möglichen Recht des Betroffenen auf Entlastungserteilung 121 ergeben könnten - Was soll z.B. passieren, wenn ein fehlerhaft handelnder Geschäftsführer den von ihm angerichteten Schaden nachträglich ausgleicht? Muß die Gesellschafterversammlung Entlastung erteilen? - werden durch dieses Erklärungsmodell verringert: Der „Wille" der Entla117
Boesebeck, Anm. zu RG JW 1935, 921 (922); ders., ZAkDR 1935, 675 (676); vgl. auch Brox, BB 1960, 1226. us Boesebeck, JW 1935, 921 (922). Brox, BB 1960, 1226. 120 Boesebeck, ZAkDR 1935, 675 (676). 121 Ein solches Recht nimmt eine weitverbreitete Meinung (außer im Aktienrecht) an; vgl. Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 30; Heymann-Emmerich, HGB, § 114 Rdnr. 14; Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 79.
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Stenden ist nunmehr auch konzeptionell eindeutig auf den Gesamtkomplex „Fortune bei der Aufgabenerfüllung" gerichtet. Stützen läßt sich dies Ergebnis darüber hinaus mit einer Überlegung zur Art und Weise, wie in Gruppen Entscheidungsprozesse ablaufen. Die Annahme, daß z.B. die Teilnehmer der Mitgliederversammlung eines Vereins, denen vom Vorstand ein komplexer Rechenschaftsbericht gegeben wurde, bei einer Entlastungsentscheidung in erster Linie an mögliche Ersatzleistungen dächten, erscheint psychologisch zweifelhaft. Vielmehr wird es häufig auf allgemeinere, außerrechtliche Aspekte ankommen. So dürften Charakter und Persönlichkeit der zu Entlastenden eine große Rolle spielen. Damit soll natürlich nicht der Vorstellung von einem „gesunden Empfinden", dessen man sich 1935 als Rechtsquelle bedienen zu können glaubte 122 , das Wort geredet werden. Der Erklärungsansatz ist jedoch von seinem Ausgangspunkt her problematisch. Die Parallelenbildung (zum Auftragsrecht und) zur Geschäftsführung ohne Auftrag erweist sich bei näherem Betracht als nicht tragfähig. Genehmigt der Geschäftsherr ex post des Handeln des nichtberechtigten Geschäftsführers, so wird letzterer von diesem Zeitpunkt an nach den Grundsätzen der berechtigten Go A behandelt 123 . Er hat die Rechte und Pflichten desjenigen, der zulässigerweise in einen ihm fremden Rechtskreis eingreift 124 . Der Charakter seines Tuns als fremdorientiert wird nicht geändert, er bleibt eine Art „Vertreter" des Geschäftsherrn. Grundsätzlich anders stellt sich demgegenüber das Tätigwerden von Verbandsorganen dar. Nicht nur ist es die Aufgabe z.B. eines GmbH-Geschäftsführers, die Angelegenheiten der Gesellschaft zu besorgen; ein Vergleich mit einem Tätigsein aus eigenem Antrieb liegt also eher fern. Darüber hinaus wird die Gesellschaft erst durch ihre Organe zum Willens- und Handlungsträger, durch sie agiert sie selbst und wird also nicht von ihnen wie durch Dritte vertreten 125 . Der Gedanke, die Gesellschaft genehmige mit einer Déchargeerteilung gleichsam ihr eigenes Handeln, überzeugt deshalb nicht 1 2 6 . Die Genehmigung nach § 684 Satz 2 BGB, auf die die Vorschriften der §§ 182ff. BGB zumindest analog angewendet werden, ist drittbezogen. Unabhängig von diesen Bedenken ist gegen die Genehmigungstheorie folgendes vorzubringen. Sowohl die Genehmigung von Weisungsüberschreitungen des Beauftragten durch den Auftraggeber (§ 665 BGB) als auch diejenige des Geschäftsherrn nach § 684 Satz 2 BGB hat Einfluß auf nur einen Teil des Fehlverhaltens des Handelnden. Beim Beauftragten sind die mit der Über122
Boesebeck, ZAkDR 1935, 675 (676). Seiler in: MünchKomm, BGB, § 684 Rdnr. 11; Staudinger-Wittmann, BGB, § 684 Rdnr. 11. 124 RGRK-Steffen, BGB, § 684 Rdnr. 17. 125 Zur sog. Organtheorie vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 2, S. 197f. 126 Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 29. 123
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schreitung zusammenhängenden Pflichtwidrigkeiten gedeckt, im Rahmen der unberechtigten GoA die aus § 678 BGB, der Geschäftsführer wird also vom Übernahmeverschulden freigestellt 127 . Die allgemeine Verschuldenshaftung für die Ausführung bleibt bestehen 128 . Jede interessenswidrige, schadensverursachende Durchführung des Nichtauftrages löst also grundsätzlich Ansprüche aus, wenn nicht die Umstände des Einzelfalls den Schluß auf eine umfassende, auch die Art und Weise der Geschäftsbesorgung selbst ergreifende Billigung durch den Geschäftsherrn zulassen129. Mißt man dem Entlastungsbeschluß tatsächlich eine weitgehende, lediglich durch das Kriterium der Erkennbarkeit der Ersatzforderungen eingeschränkte Verzichtswirkung zu, kann diese Tatsache nicht befriedigen, zumal ein Verschulden durch Geschäftsanmaßung bei bestellten Verwaltungsorganen nur in Ausnahmefällen vorstellbar und somit der eigentliche Regelungsbereich der Β GB-Vorschriften nicht betroffen ist. Zureichend wäre nur die direkte oder entsprechende Anwendung einer sämtliche (erkennbaren) Ansprüche erfassenden Norm. Zu Zweifeln Anlaß gibt auch wieder der rechtsgeschäftliche Hintergrund des Genehmigungsmodells. Die Genehmigung nach § 684 Satz 2 BGB ist eine zugangsbedürftige Willenserklärung 130 , die nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 119ff. BGB) angefochten werden kann 1 3 1 . Dagegen ist nach verbreiteter Ansicht eine Entlastungserklärung weder zugangsbedürftig 132 noch nach BGB-Regeln anfechtbar 133 . Einschlägig sind vielmehr die gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsvorschriften 134 . Insgesamt betrachtet weisen ein Déchargebeschlufi und die Genehmigung von (unberechtigten) Geschäftsführungsmaßnahmen zu große strukturelle Unterschiede auf, als daß sie mit denselben Maßstäben gemessen werden könnten.
127
Palandt-Thomas, BGB, § 684 Anm. 2; Staudinger-Wittmann, BGB, § 684 Rdnr. 11; Erman-Hauß, BGB, § 678 Rdnr. 2. 128 RGRK-Steffen, BGB, § 684 Rdnr. 19; Staudinger-Wittmann, BGB, § 684 Rdnr. 11, Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (215). 129 RGRK-Steffen, BGB, § 684 Rdnr. 19. 130 Staudinger-Wittmann, BGB, § 684 Rdnr. 7; RGRK-Steffen, BGB, § 684 Rdnr. 14. 131 Seiler in: MünchKomm, BGB, § 684 Rdnr. 10. 132 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 23; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 33; Flume, „Juristische Person", S. 352; Schuler, AG 1960,1 (3); a. A. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 75; Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (211); Reuter in: MünchKomm, BGB, § 27 Rdnr. 19. 133 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 23; K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (435). 134 RG DR 1941, 506; Flume, „Juristische Person", S. 353. 5 Barner
Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
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c) Quittung Um sich nicht, wie die Anhänger einer Verzichts-/negativen Schuldanerkenntniskonstruktion, dem Vorwurf auszusetzen, einer präzisen Qualifizierung der Rechtsnatur der Décharge dadurch auszuweichen, daß man eine ihrer präsumtiven Rechtsfolgen, den Verzichtseffekt, in den als vorhanden unterstellten Parteiwillen der Entlastenden verlegt 135 , setzen manche die Entlastung mit einer Quittungserteilung gleich 136 . Ginge man vom Normalfall aus, von Sachverhalten also, in denen sich die Verwaltungsorgane korrekt verhalten hatten, sei die Décharge nichts anderes als ein Empfangsbekenntnis über „ordnungsmäßige Rechnungsablage", d.h. Quittung 137 . Dem Organmitglied nütze ein Vorgang nichts, der das Abschneiden von Regreßansprüchen zum Ziel habe, wenn es sich selbst nichts habe zu Schulden kommen lassen. Vielmehr sei eine öffentliche Kundgabe eben dieser Tatsache vonnöten. Nach allgemeiner Lebensauffassung bescheinige deshalb eine Entlastung die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung 138. Wie jeder andere Leistende habe aus diesem Grund die Organperson nach § 368 BGB einen Anspruch auf Quittungserteilung, der jedoch, um dem Entlastungsorgan die Möglichkeit von Überprüfung zu geben, nicht Zug um Zug zu erfüllen sei 139 . Für das Quittungsmodell könnten die Entlastungsregelungen im Aktiengesetz sprechen: Nach § 120 Abs. 3 Satz 2 A k t G hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft vor der Beschlußfassung über eine Entlastung der Hauptversammlung durch Vorlage des Jahresabschlusses, des Geschäftsberichts, sowie des Berichts des Aufsichtsrats über seine Prüfungen Rechenschaft zu geben; Abs. 2 Satz 2 dieser Vorschrift spricht der Déchargeerteilung jeden Einfluß auf Ersatzforderungen der Gesellschaft gegenüber ihren Verwaltungsorganen ab. Nimmt man die Quittung als eine Bescheinigung des Gläubigers, die Leistung empfangen zu haben 140 , und strebt man einen allgemeinen Entlastungsbegriff an, könnten diese Vorschriften ein Ausgangspunkt sein. Der für das Entlastungsrecht charakteristische enge Zusammenhang von Rechnungslegung und Entlastungserteilung kann als mit dem bürgerlich-rechtlichen Quittungsbegriff wenigstens teilidentisch verstanden werden. Lediglich teilidentisch deshalb, weil der wertende/beurteilende Aspekt des Déchargebeschlus135
Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (144). Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143ff.; vgl. auch Isele, „Geschäftsbesorgung", S. 131; Koch, AG 1969, 1; Vogel, GmbHG, § 46 Anm. 6; Zempelin, AcP 155 (1956), 209 (231); Großfeld / Apel, Anm. zu LG München, Urteil vom 27. 7. 1971 - 18 Ο 414/ 71, ZfG 1975, 232 (236); OLG Hamburg, BB 1960, 996 = ZfG 1962, 141 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld. 137 Hoeniger, DJZ 1922 Spalte 143 (145). 138 Hoeniger, aaO. Spalte 147. 139 Hoeniger, aaO. Spalte 146. 140 Gernhuber, „Erfüllung", S. 463. 136
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ses nicht erfaßt wird. Mit der Hergabe einer Quittung bescheinigt der Gläubiger nämlich nicht notwendig die Ordnungsgemäßheit der Leistung 141 , sondern lediglich, sie erhalten zu haben 142 . Stillschweigend erkennt diesen Unterschied auch der hier vorzustellende Lösungsvorschlag an: er läßt die Entlastung als Wissenserklärung über die „ordnungsmäßige Rechnungsablage"143 gelten, um so zu einer Aussage über die eigentliche Tätigkeit der Verwaltungsorgane (der Geschäftsführung bzw. deren Beaufsichtigung) zu kommen. Einen derartigen wertenden Beiklang hat die Quittung aber ganz unabhängig von der Schadensersatzproblematik normalerweise nicht 1 4 4 . Der deklaratorische Charakter einer Quittungshergabe vermag auch keinen Hinweis auf mögliche Verzichtseffekte zu liefern. Quittung ist Wissens-, nicht Willenserklärung 145 und damit haftungsrechtlich grundsätzlich neutral 146 . Allenfalls als geschäftsähnliche Handlung läßt sie sich begreifen 147 , nicht aber als Rechtsgeschäft 148. Zwar mag es im Einzelfall doppelfunktionale Empfangsbescheinigungen geben, wenn die Parteien ihren Erklärungen zusätzliche Inhalte beimessen wollen 1 4 9 : so kann z.B. im Geben und Nehmen einer Quittung zugleich auch der Abschluß eines negativen Schuldanerkenntnisvertrages (§ 397 Abs. 2 BGB) liegen. Im Grundsatz aber ist die Quittung lediglich eine Beweisurkunde für den Schuldner 150 . Um der Notwendigkeit gerecht zu werden, die auch von diesem Erklärungsansatz akzeptierte anspruchsvernichtende Wirkung einer Entlastung rechtlich einordnen zu müssen, wird deshalb zusätzlich mit einer gesetzlichen „Zurechnung" argumentiert, nämlich mit einem Hinweis auf das Recht der Verwirkung: der Entlastende verwirke die aus den Rechnungsunterlagen erkennbaren Haftungsansprüche 151. Die Tragfähigkeit dieser These wird weiter unten im einzelnen untersucht werden 152 . Für sich genommen vermag das „Quittungsmodell" eine umfasLarenz, SchR AT, § 18 III, S. 246. Staudinger-Kaduk, BGB, § 368 Rdnr. 2. 143 Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (145). 144 Gernhuber, „Erfüllung", S. 486; Picenoni, „Der Entlastungsbeschluß", S. 9; Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 23. 145 Larenz, SchR AT, § 18 III, S. 246; Gernhuber, „Erfüllung", S. 484; vgl. auch Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (147); zum (überholten) Streit über die Rechtsnatur der Quittung Staudinger-Kaduk, BGB, § 368 Rdnr. 5ff. 146 Picenoni, „Der Entlastungsbeschluß", S. 8. 147 Stötter, MDR 1978, 632. 148 Heinrichs in: MünchKomm, BGB, § 368 Rdnr. 2. 149 Staudinger-Kaduk, BGB, § 368 Rdnr. 9, 16; Heinrichs in: MünchKomm, BGB, § 368 Rdnr. 2. 150 Larenz, SchR AT, § 28 III, S. 246; Erman-H.P. Westermann, BGB, § 368 Rdnr. 1. 151 Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (147). i» Siehe unten IV, 2 b). 142
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sende und in sich stimmige rechtliche Einordnung des Entlastungsinstituts nicht zu leisten. 3. Organisationsrechtliche Verzichtserklärung eigener Art Den innerverbandlichen Kompetenzstrukturen wird entsprochen, wenn man die Déchargeerklârung im Recht der Körperschaften als einseitige organisationsrechtliche Verzichtserklärung eigener Art definiert 153 . Fragen, wie sie oben für die Vertragsmodelle erörtert wurden 154 , nach der Befugnis des Entlastungsorgans, Ansprüche des Verbandes gegen seine Organwalter zum Untergang zu bringen, entstehen dann nicht. Neben dem Problem, daß die jeweiligen Gesetze eine entsprechende Verzichtserklärung nicht kennen, bleibt außerdem wieder die Schwierigkeit, für den Normalfall einen Verzichtswillen der Entlastenden nachzuweisen. Aber selbst, wenn dies gelänge, kommt folgendes hinzu: Die Pflichtenstellung eines Amtsinhabers ergibt sich einmal aus seiner Position als Organ des Verbandes, zum anderen aus seiner Position als Partner des zwischen ihm und der Gesamtorganisation geschlossenen Anstellungsvertrages. Ein fehlerhaft handelnder Organwalter verletzt seine Pflichten aus beiden Rechtskreisen. Eine organisationsrechtliche Verzichtserklärung kann aber nur die organschaftlich begründeten Ersatzforderungen betreffen, die Ausgleichsansprüche aus dem Anstellungsverhältnis erfaßt sie nicht. Wie diese im Rahmen einer Entlastungserteilung beseitigt werden könnten, bleibt nach diesem Lösungsvorschlag offen. Aus dem Gesellschaftsrecht ergibt sich keine entsprechende Möglichkeit.
I I I . Zwischenergebnis 1 Rechtsnatur der Entlastung: Wertungsakt Die rechtskonstruktive Einordnung der Entlastung muß mangels aussagekräftiger gesetzlicher Regelungen über eine genauere Analyse ihrer Funktion im Rechtsleben erfolgen. Als Ausgangspunkt ist festzustellen: Die Erteilung der Décharge bzw. ihre Verweigerung sowie die dem Entlastungsbeschluß vorausgehenden Beratungen über die Geschäftspolitik der Gesellschaft sind in vielen Fällen die einzige Gelegenheit für die Gesellschafter, Zustimmung oder Ablehnung zu der Art und Weise, wie die Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgane ihre Aufgaben während der Entlastungsperiode erfüllt haben, zu signalisieren. Das gilt zunächst 153
Brox, BB 1960, 1226; A. Hueck, GmbHR 1959, 189; Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 195. 154 Siehe oben II, l a ) .
III. Zwischenergebnis 1 - Rechtsnatur der Entlastung: Wertungsakt
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für die Aktiengesellschaft mit ihrer in der Regel einmal jährlich tagenden Hauptversammlung, aber auch für Genossenschaft und Verein, in denen sich die Vorstände ebenfalls normalerweise nur im Jahresabstand dem Urteil der Genossen bzw. Vereinsmitglieder stellen. Im GmbH-Recht sind auf den ersten Blick die Rechte der Gesellschafter so verteilt, daß eine kontinuierliche Beobachtung und Beeinflussung der Tätigkeit der Geschäftsführer gewährleistet ist, § 46 Nr. 6 GmbHG. In der „personalistischen" GmbH, für die sich eine einer Personengesellschaft vergleichbare Binnenstruktur zumindest vereinbaren läßt, werden die Gesellschafter oft, zumal wenn sie in Personalunion auch die Geschäftsführung übernehmen, gleichmäßig und ununterbrochen auf den Gang der Geschäfte Einfluß nehmen. Aber nicht immer entscheidet der einzelne Gesellschafter über Wohl und Wehe des Ganzen. In größeren, kapitalistisch orientierten Gesellschaften erschöpft sich in vielen Fällen die Stellung eines Gesellschafters in dem Halten eines Anteils am Gesellschaftsvermögen. Das GmbH-Recht ist weitgehend nachgiebig: § 45 Abs. 1 GmbHG erklärt den Gesellschaf tsvertrag für maßgeblich und stellt damit die §§ 46ff. in großem Umfang zur Disposition. Oft werden die Rechte der Gesellschaftergesamtheit hinsichtlich der Steuerung und Überwachung der Geschäftsführung durch die Einführung von Beiräten (Verwaltungsräten, Aufsichtsräten, Gesellschafterausschüssen etc.) 1 5 5 mediatisiert und auf ein Minimum von Kompetenzen zurückgestuft. Dann bleiben die Verhandlungen über die Entlastungserteilung an Geschäftsführung und sonstige Gremien auf der im Normalfall einmal 156 im Geschäftsjahr tagenden Gesellschafterversammlung die alleinige Möglichkeit zur Stellungnahme. Der Situation in einer „kapitalistischen" GmbH ist die in einer GmbH & Co. K G ähnlich, insbesondere, wenn es sich um eine Publikumspersonengesellschaft handelt. Zwar wird bei diesen Gesellschaftsformen äußerlich noch auf das Personengesellschaftsrecht rekurriert, ihrer inneren Struktur nach sind solche Kommanditgesellschaften aber oft dem Recht der Körperschaften angenähert, zumal in bezug auf die Ausgestaltung der Kommanditistenrechte. Auch hier haben die Kommanditisten in erster Linie das notwendige Gesellschaftskapital aufzubringen, wollen und sollen im übrigen aber vom Einfluß auf Geschäftsführungsmaßnahmen ferngehalten werden. Deshalb wird der Gesellschafterversammlung häufig ein Beirat an die Seite gestellt, der die der Komplementär-GmbH obliegende und von deren Geschäftsführung praktisch durchgeführte Geschäftsführung zu lenken und zu kontrollieren hat 1 5 7 . 155 Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 23ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S. 185ff.; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 13; Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 45 Rdnr. 7. 156 Es sei denn, die Voraussetzungen der §§ 49 Abs. 2, 3 bzw. 50 GmbHG liegen vor. 157 Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 19ff.
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Allgemein läßt sich in allen Gesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern, unabhängig davon, ob es sich um Personen- oder Kapitalgesellschaften handelt, die Tendenz feststellen, einer drohenden Schwerfälligkeit und Unbeweglichkeit bei der Aufgabenbewältigung durch die Zwischenschaltung flexibler Kleingremien zu steuern 158 und die Rechte der Gesellschaftergesamtheit zu beschneiden. Wenn also die Erteilung bzw. die Verweigerung der Entlastung und die diesen Beschlüssen vorausgehenden Beratungen in vielen Fällen die einzige Möglichkeit der Verbandsmitglieder ist, Einverständnis oder Dissens mit der Leistung der Verwaltungsorgane einer Organisation öffentlich kundzutun, muß dieses wertend/beurteilende Moment auch im Mittelpunkt der Überlegungen zur Rechtsnatur der Entlastung stehen. Vertrauen drückt sich in dem Entlastungsbeschluß aus und Vertrauen ist auch genau das, was ausgedrückt werden soll. Der einzelne Anteilseigner einer größeren Gesellschaft ist normalerweise gar nicht in der Lage, die komplexen Einzelheiten der Geschäftsvorgänge zu durchschauen. Er wird deshalb bei der Entscheidung, ob der Verwaltung Décharge gewährt werden soll oder nicht, nur in den seltensten Fällen einen konkreten Pflichtverstoß vor Augen haben. Allenfalls wird ein vages Gefühl für die jedem menschlichen Tun immanente Unvollkommenheit mitschwingen. Es wäre daher verfehlt, in den Entlastungsbeschluß eine Aussage über den Willen oder das Bewußtsein des Entlastungsorgans hineinzulesen, Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder der Geschäftsführungs- oder Aufsichtsgremien zu verlieren. Ihrer Beurteilungsaufgabe müssen sich die Betroffenen vielmehr völlig unvoreingenommen und uneingeschränkt durch rechtskonstruktive Modelle widmen können. Zusammenfassend kann festgestellt werden: Die Entlastungserteilung bzw. die Entlastungsverweigerung sind für sich genommen Werturteile der Entlastungsorgane über die Qualität der Arbeit von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen eines Verbandes während eines gewissen Zeitraums, sind Vertrauenskundgabe bzw. Mißtrauensvotum. Die Äußerung von Billigung oder Mißbilligung hat keinen vertraglichen oder auch nur rechtsgeschäftsähnlichen Charakter und ist damit nicht eine auf einen konkreten Rechtserfolg ausgerichtete Willenserklärung, sondern ist Ausdruck und Ergebnis eines komplexen Bewertungsprozesses. Von dieser Definition des Inhalts des Déchargebeschlusses ist die Frage nach seinen möglichen Auswirkungen auf die allgemeine Rechtsstellung des Entlasteten 159 und speziell auf die Durchsetzbarkeit von Ersatzforderungen der Gesellschaft gegen Organmitglieder strikt zu trennen. 158 Vgl a u c h H. Westermann, Handbuch der Personengesellschaften Band I, Rdnr. 150; Baumbach / Duden / Hopt, HGB, § 164 Anm. 2 B. 159 Dazu unten Kap. 3.
IV. Verzichtseffekt aufgrund gesetzlicher Anordnung
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Im folgenden ist daher zu untersuchen, ob es einen Verzichtseffekt „kraft Gesetzes" geben kann, die Vernichtung von Ansprüchen oder die Hemmung ihrer Durchsetzbarkeit also unter Umständen eine von der Rechtsordnung gebotene Folge der vorangegangenen Entlastungsentscheidung ist.
I V . Verzichtseffekt aufgrund gesetzlicher Anordnung 1. Ausdrückliche gesetzliche Regelung Im kodifizierten Recht gibt es keinen Hinweis auf einen Verzichtseffekt des Entlastungsbeschlusses. Im Gegenteil: § 120 Abs. 2 Satz 2 A k t G schließt für das Aktienrecht einen Einfluß der Décharge auf Ersatzforderungen ausdrücklich aus. Diese Regelung könnte aber eventuell lediglich als Klarstellung zu verstehen sein: Im Aktienrecht ist auch der von den Beteiligten bewußt und gezielt angestrebte Verzicht anläßlich der Déchargebeschlufifassung ausgeschlossen. § 120 A k t G wäre dann eine Ausnahme- bzw. Spezialregelung gegenüber einem allgemeinen Grundsatz. 2. Treu und Glauben - § 242 BGB a) Verbot des venire contra factum proprium (1) Allgemeine Begründungsansätze Das allgemeine Verbot des venire contra factum propium wird als Argumentationsgrundlage für das Bestehen eines Verzichtseffekts herangezogen 160 . „Der Leistung der Rechnungslegung durch den Vorstand s t e h t . . . auf der Seite des Entlastungsorgans eine Obliegenheit zur Prüfung der Rechnungslegung gegenüber, deren Nichterfüllung zur Präklusion führt. Die Verzichtswirkung der Entlastung beruht damit rechtstheoretisch auf dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens, weil es nicht angängig ist, einerseits die Geschäftsführung aufgrund der vorgelegten Unterlagen und mündlichen Berichte zu billigen und später Ersatzansprüche geltend zu machen aufgrund von Sachverhalten, die im Entlastungszeitpunkt erkennbar waren" 1 6 1 . Oder: „Erhebt die Gesellschaft nach Fassung des Entlastungsbeschlusses Ersatzansprüche gegen ihre Organmitglieder, dann setzt sie sich unzweifelhaft in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten" 162 . 160 Vgl. K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (434); Flechtheim, JW 1920, 700; RowedderKoppensteiner, GmbHG, §46 Rdnr. 24; Reuter in: MünchKomm., BGB, §27 Rdnr. 19; vgl. auch BGHZ 97, 382 (388); Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 36f.; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8. 161 Rümker in: Festschr. f. Klemens Pleyer, S. 99 (103).
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Diese Argumentation ist bei näherem Betracht in verschiedener Hinsicht brüchiger, als es zunächst den Anschein hat. Schon ein Blick auf die aktienrechtliche Situation zeigt, daß es nicht a priori widersprüchlich sein muß, beides zu haben: Déchargebeschlufi und Ersatzanspruch 163 . Das hat in diesem Zusammenhang noch gar nichts mit der Frage nach möglichen oder notwendigen Konsequenzen infolge der unterschiedlichen Struktur der einzelnen Verbände zu tun, sondern verweist lediglich auf die Tatsache, daß Entlastung und Verzicht eben keine unlösbare Einheit bilden, es insbesondere nicht per definitionem gegen Treu und Glauben verstößt, wenn einmal Entlastete später Ausgleichsansprüchen ausgesetzt werden. Denn die gesetzliche Regelung wird nicht ausdrücklich etwas anordnen, was § 242 BGB diametral entgegenstünde164. Unabhängig davon muß überprüft werden, ob es wirklich „unzweifelhaft" 165 ein Widerspruch ist, wenn z.B. die entlasteten Geschäftsführer einer GmbH wegen eines Fehlverhaltens während der Entlastungsperiode belangt werden sollen. Das Verbot des venire contra factum poprium ist eine Ausprägung des die gesamte Rechtsordnung bestimmenden Prinzips, jede Rechtsausübung nur im Rahmen von Treu und Glauben zu gestatten. Leitet man das Unerlaubtsein eines „Selbstwiderspruchs" 166 nicht von vorgeblich rechtsgeschäftlicher Willensbetätigung 167 ab, sondern nimmt man es als Konsequenz vorausgegangenen, zurechenbar berechtigtes Vertrauen erzeugenden Handelns 168 , müssen sich im konkreten Fall die Beteiligten in einer bestimmten Weise verhalten haben: Derjenige, der ein Recht verliert, muß beim Gegenüber den Anschein des Nichtgeltendmachens von Ansprüchen gesetzt haben, dieser wiederum muß daraufhin billigerweise darauf vertrauen dürfen, unbehelligt zu bleiben. Fraglich ist nun, ob die Déchargeerteilung für sich genommen ein tauglicher Anknüpfungspunkt für die scharfe Rechtsfolge eines Abschneidens sämtlicher erkennbarer Ersatzansprüche ist. Betrachtet man zunächst die Seite der entlastenden Verbandsmitglieder, ergeben sich sowohl im Hinblick auf den komplexen allgemeinen als auch in bezug auf einen möglichen speziellen schadensersatzrelevanten Inhalt des Entlastungsbeschlusses Bedenken. 162 Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 86. 163 Vgl. auch Buchner, GmbHR 1988, 9 (12). 164 Auf die Gründe, die zur Regelung im Aktienrecht geführt haben, wird unten näher eingegangen, s. unten VII, 2 a). 165 Tellis, aaO., S. 86. 166 Soergel-Teichmann , BGB, § 242 Rdnr. 314. 167 So Wieling, AcP 176 (1976), 334 (336); ablehnend Soergel-Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 312. 168 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 287ff.; Larenz, SchR AT, § 10 II b, S. 134; vgl. auch BGH WM 1980, 341.
IV. Verzichtseffekt aufgrund gesetzlicher Anordnung
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Die erteilte Décharge bringt eine Gemengelage von Motiven und Vorstellungen zum Ausdruck, die in erster Linie nicht um die Frage nach Schadensersatz kreisen. Entlastung will ein sichtbares Zeugnis der Billigung eines Gesamtkomplexes von Handlungen sein, Zufriedenheit mit dem Erreichten ausdrücken und Ansporn und Motivation für die Bewältigung der kommenden Aufgaben bewirken. Sie ergeht nicht notwendig auf rationaler, sondern häufig auch - wie es bei einer Vertrauensäußerung kaum anders möglich ist auf emotionaler Grundlage. Nun fragt sich, ob ein allgemeiner Ausdruck des Zufriedenseins notwendig einen schadensersatzbezogenen Aspekt haben muß, der eine spätere Ersatzeinforderung zwangsläufig als verbotenen Selbstwiderspruch erscheinen läßt. Zunächst ist man geneigt, einen gegen vorher gesetztes Verhalten gerichteten Verstoß nur dann anzunehmen, wenn ein speziell Ersatzforderungen betreffendes Tun der Entlastenden feststellbar ist, also in Fällen, in denen in Ansehung erkannter schadensstiftender Pflichtwidrigkeiten Décharge erteilt wird. Denn dann sind Handeln und Bezugspunkt des Handelns direkt und bewußt aufeinander bezogen. Der Beschluß bekommt den Charakter einer „Verzeihung" oder wenigstens den eines „Vergessenwollens" 169 , das eine später dennoch erfolgende Sanktion in der Tat als widersprüchlich erscheinen läßt. Nach h . M . 1 7 0 sollen aber nicht nur erkannte Ansprüche einschließlich derjenigen, die allen 171 Beteiligten privat bekannt wurden 172 , sondern auch sämtliche erkennbaren Forderungen ihre Durchsetzbarkeit verlieren. Auf diese Weise wird bei genauerem Betracht auf das Erfordernis des bewußten „Zeichensetzens" verzichtet und die Rechtsfigur des verbotenen Selbstwiderspruchs gefährlich ausgedehnt. Denn „erkennbar" ist eben nicht „erkannt". Das Entlastungsorgan, das trotz erkennbarer Ansprüche den Déchargebeschluß faßt, nimmt zu dem, was es nicht kennt, natürlich schlechterdings auch nicht Stellung, handelt insoweit nicht 1 7 3 . Eine in unaufgeklärter Situation getroffene Entlastungsentscheidung drückt zwar möglicherweise ebenfalls Vertrauen aus. Ein so geartetes Vertrauen muß jedoch angesichts der Unübersichtlichkeit des zu beurteilenden Geschäftsablaufs, der Komplexität des Entscheidungsinhalts, der Irrationalität der Entscheidungsfindung und der in vielen Fällen inkonsistenten Zusammensetzung des Entscheidungsorgans 174 Vgl. BAG ZfG 57, 218 (220) m. Anm. von Carolsfeld; ähnlich auch Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8. In einer solchen Situation ist man allerdings nicht mehr weit von dem Abschluß eines regelrechten Erlaßvertrags entfernt. 170 Vgl. nur BGHZ 97, 382 (384). 171 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 94. 172 BGH NJW 1959, 192 (194). 173 Allenfalls zeigt es eine gewisse Nachlässigkeit. 174 Häufig dürften z.B. „wirtschaftlich unerfahrene Apotheker" zur Entscheidung berufen sein; vgl. BGH WM 1988, 531.
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eher als Hinweis auf die Hoffnung verstanden werden, es werde schon nichts „passiert sein", nicht dagegen als ein Freistellungssignal an die Organwalter. Denn ein allgemeines Hoffen setzt kein positives Verzichtszeichen, sondern beschwört bestenfalls einen als wünschenswert erkannten Zustand. Insgesamt erscheint es also zweifelhaft, ob die Entlastungserteilung ein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Feststellung sein kann, ein späteres Inanspruchnehmen der Organwalter verletze das „Widerspruchsverbot der Gerechtigkeitsidee" 175 und sei deshalb unzulässig. Die überkommene Meinung versucht das Unbehagen, das die nicht unproblematische Verbindung von allgemeiner Entlastungsaussage und spezieller Entlastungsfolge gerade auch im Hinblick auf die Interessen des Verbandes als Ganzem verursacht, durch eine situationsbezogene Umschreibung des im konkreten Sachverhalt jeweils Erkennbaren zu beseitigen. Das Moment der „Erkennbarkeit" erweist sich dabei als vielfältig einsetzbares Mittel, im Einzelfall zum „richtigen" Ergebnis zu kommen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich die Multifunktionalität dieses Begriffs. In der Normalsituation, wenn sich die Verwaltungsmitglieder korrekt verhalten haben, ist seine Verwendung überflüssig, aber unschädlich und klangvoll 176 . Gibt es im Einzelfall doch Forderungen, dient das Merkmal zunächst dazu, den dogmatischen Notwendigkeiten („positives Verzichtssignal") wenigstens oberflächlich betrachtet zu entsprechen 177 . Weiter eröffnet es der Verzichtsfolge erst einen Anwendungsbereich, denn wenn Ersatzansprüche erkannt worden sind, wird entweder die Entlastung verweigert oder es liegt der oben beschriebene direkte Bezug zwischen Handeln und Folge vor bzw. der Abschluß eines (Bereinigungs-)Vertrags ist relativ unproblematisch zu konstatieren. Schließlich können über den Erkennbarkeitsmaßstab allzu krasse Folgen eines objektivierten Ansatzes verhindert werden, indem in der konkreten Situation, d.h. im Ergebnis dann, wenn die Schäden für den Verband sehr hoch sind, die Erkennbarkeit eines Pflichtverstoßes einfach verneint wird 1 7 8 . Diese Vorgehensweise kann aber kein Ersatz für eine stringente Herleitung der Tatbestandsvoraussetzungen eines widersprüchlichen Verhaltens sein. Das Anknüpfungsproblem löst sich auch nicht durch einen Hinweis auf eine (angebliche) Obliegenheitsverletzung durch die Entlastenden, die eine genaue Prüfung der vorgelegten Unterlagen und Berichte unterlassen haben und sich daran festhalten lassen müssen 179 . Zwar kann auch ein Unterlassen ein ver175
Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 288. Ein im Hinblick auf den im Ganzen emotionsorientierten Inhalt des Déchargevorgangs nicht zu unterschätzender psychologischer Vorteil. 177 Denn was noch nicht einmal erkannt werden konnte, scheidet als Bezugspunkt eigener Widersprüchlichkeit endgültig aus. So z.B. in BGH WM 1988, 531 (Apotheker-Verein). 179 Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. lOOf.; Rümker in: Festschr.f. Klemens Pleyer, S. 99 (103); vgl. auch BGH WM 1976, 736 (737); Buchner, GmbHR 1988, 9 (12). 176
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trauensauslösendes Verhalten im Sinne des § 242 BGB sein, nämlich dann, wenn ein Vertrauen zerstörendes Handeln geboten gewesen wäre 180 . Eine solche Situation ist aber in bezug auf den Déchargevorgang nicht gegeben. Ein Blick auf die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen eines unzulässigen Selbstwiderspruchs macht das deutlich. Das Verbot des venire contra factum proprium ist ein auf Gegenseitigkeit gerichtetes Prinzip. Sämtliche Beteiligten müssen handeln, sei es durch (aktives) Zeichen setzen, sei es durch (passives) Schlüsse ziehen. § 242 BGB will hier das bewußte Vertrauen des Gegenübers eines Rechtsinhabers auf den Bestand eines einmal gesetzten Vorverhaltens schützen 181 . Es stellt sich damit die Frage nach der richtigen Perspektive bei der wertenden Abwägung der beteiligten Interessen: Welche Seite ist schutzwürdig? Darf derjenige vertrauen, der die Ursachen für schadensstiftende Vorfälle selbst gesetzt hat, der als Aufsichtspflichtiger über deren Hintergründe und Folgen vollständig informiert ist, der die zur Entlastungsentscheidung Berufenen nicht unterrichtet 182 , sondern es dem Zufall oder der Findigkeit derselben überläßt, Fehler selbst zu entdecken, oder verdienen nicht eher diejenigen Schutz, die auf der Grundlage einer aufbereiteten (d.h. verkürzten), wenn auch - wie zuzugeben ist durch eigenes Bemühen vertiefbaren Faktendarstellung 183 einen nicht direkt Ersatzforderungen betreffenden Beschluß fassen müssen? Anerkanntermaßen ist ein Schuldner um so weniger schutzwürdig, je besser er im Vergleich zum Berechtigten die Sach- und Rechtslage überblicken kann 1 8 4 . Es ergäbe ein schiefes Bild, wenn sich diejenigen, die um ihr Fehlverhalten wissen, auf ein aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitetes rechtsvernichtendes Prinzip berufen könnten. In diesem Zusammenhang ist wiederum auf die Komplexität des Entscheidungsvorgangs und des Entscheidungsinhalts hinzuweisen. Den Mitgliedern einer Verbandsverwaltung ist klar, daß die Déchargeerteilung häufig nicht aufgrund rationaler Überlegung erfolgt, sondern ein emotional gefärbter, aus taktischen Gründen oft auch auf Außenwirkung zielender abstrakt-genereller Wertungsakt 185 ist, der nur selten einen Bezug zu konkret-individuellen Pflichtverstößen hat. Die - verständliche - Hoffnung, nicht belangt zu werden, bekommt vor diesem Hintergrund einen zweifelhaften Beiklang. Zwar mag sie in vielen Fällen als Ausdruck der Erwartung anzusehen sein, eine 180
Soergel-Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 317. Larenz, SchR AT, § 10 II b, S. 133; RGRK-Alff, BGB, § 242 Rdnr. 93. 182 Problemfälle, auf die die Organwalter hinweisen, bleiben ebenso außer Betracht wie solche, in denen sie auf Anweisung der Verbandsmitglieder handeln. 183 In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf Ulmer, ZIP 1987, 323 (326) zur Dauer der Gesellschafterversammlungen der „Neue Heimat gemeinnützige Wohnungsbau und Siedlungs-GmbH" verwiesen: durchschnittliche Dauer 5 - 10 Minuten. 184 Roth in: MünchKomm., BGB, § 242 Rdnr. 335. 185 Gerade der zusammenfassende Charakter macht den Wert der Décharge für die Betroffenen innerhalb und außerhalb des Verbandes aus. 181
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überkommene Praxis werde fortgesetzt. Bei etwas weniger neutraler Betrachtung zeichnet sich jedoch die Existenz möglicher anderer Motive ab: Die zu entlastenden Organwalter könnten darauf spekulieren, daß das Gegenüber Fehler entweder nicht bemerkt, oder, vor die Alternative „spektakuläre Entlastungsverweigerung 186 oder Verlust von Ansprüchen" gestellt, den weniger aufsehenerregenden Weg wählt. Ein solches „Vertrauen" wird über § 242 BGB aber nicht geschützt. (2) Spezielle Begründungsansätze Zur Sicherung gegen mögliche Einwände wird versucht, den Treu-undGlauben-Ansatz durch einen Verweis auf dem Entlastungsvorgang (vermeintlich) vergleichbare Problemsituationen in anderen Rechtsgebieten zu stützen. Es geht um gesetzliche Regelungen des Werkvertragsrechts, des Rechts der Zeugniserteilung sowie solchen des Konkursverfahrens. aa) Werkvertragsrecht § 640 Abs. 1, 2 BGB knüpft an die vorbehaltlose Abnahme eines bestellten Werks die Präklusion gewisser vertraglicher Rechte, wobei bei nichtverkörperten Leistungen an die Stelle der tatsächlichen Hinnahme des Werks die Anerkennung desselben als im wesentlichen vertragsgerecht erbracht tritt. Was dem bürgerlich-rechtlichen Schuldrecht nicht fremd sei, könne auf das Verbandsrecht übertragen werden, so wird behauptet 187 , zumal das Bedürfnis nach formalisierter Abnahme und damit verbundener Entlastung des Verpflichteten um so mehr wachse, je komplizierter und differenzierter die geschuldete Leistung, je weiter der Beurteilungsspielraum bei deren Einschätzung und je länger der zu bewertende Zeitraum sei 188 . Diese Argumentation trägt nicht. Zugestanden sei das Interesse der Verwaltungsmitglieder daran, komplexe Vorgänge ab einem gewissen Zeitraum nicht mehr verantworten zu müssen, wobei sich aus der Sicht des Verbandes gerade wegen der Vielschichtigkeit des Geschäftsablaufs frühzeitige Freistellungen verbieten sollten. Entscheidend ist folgendes: Wie sich schon aus dem Gesetz ergibt - „Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk ab, obschon er den Mangel kannte", § 640 Abs. 2 BGB - , erfaßt die Präklusionswirkung des Werkvertragsrechts lediglich konkret erkannte Mängel. Voraussetzung ist also positive Kenntnis des Bestellers, Fehler, von denen er nichts weiß, die ihm 186 Zu der Frage, ob dem Organwalter mehr mit einer Entlastungsverweigerung oder einer Entlastung ohne Verzichtsfolge gedient ist, siehe unten VII, 6. 187 Buchner, GmbHR 1988, 9 (11). 188 Buchner aaO.
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aber bei entsprechender Prüfung des Werkes nicht hätten entgehen können, werden von dem Rechtsverlust nicht erfaßt 189 . Im Entlastungsrecht geht es aber gerade darum zu begründen, warum auch die lediglich erkennbare Pflichtverletzung nach einer Entlastungserteilung nicht mehr verfolgt werden kann. In dieser Beziehung geben die Regelungen der §§ 633ff. BGB nichts her. Abgesehen davon erscheint es nicht möglich, die gesetzliche Anordnung auf das Entlastungsrecht, in dem ein entsprechender Befehl des Normsetzers gerade fehlt, zu übertragen. Die Situation, in der sich die Beteiligten jeweils gegenüberstehen, ist kaum vergleichbar. Die Parteien eines Werkvertrages verfolgen jede für sich eigene Interessen, die außer der Tatsache, daß sie sämtlich das zu erstellende Werk betreffen, nichts gemeinsames haben. Ist die Leistung erbracht, ist die (vertragliche) Beziehung grundsätzlich beendet. Die Regelung in § 640 BGB soll lediglich eine praktikable, risikoangemessene Lösung möglicher nachfolgender Konflikte hinsichtlich der vertragsgemäßen Beschaffenheit des Werks vorzeichnen. Anders ist die Situation in einem Verband. Hier sind nicht zwei eigennützig handelnde Partner eines schuldrechtlichen Vertrages betroffen, sondern Entlastende und Entlastete sind in ein und dieselbe Organisation eingebunden. Diese Verbundenheit ist prinzipiell auf Dauer und auf gemeinsames Streben nach dem größtmöglichen Nutzen für den Verband gerichtet. Die Fragestellung im Rahmen des Entlastungsvorgangs betrifft in der Regel nicht ein einzelnes Werk oder einen abgeschlossenen Vorgang, sondern vielfältige Leistungen während eines längeren Zeitraums. Anders als die Abnahme ist die Décharge normalerweise nicht der Schlußpunkt einer vertraglichen Beziehung, sondern ein regelmäßig wiederkehrender Bewertungsvorgang, der Pflichtwidrigkeiten nur bedingt betrifft und eine Basis für die zukünftige Arbeit sein soll. A l l dies schließt eine Übertragung werkvertraglicher Wertungen auf das Entlastungsrecht aus. bb) Recht der Zeugniserteilung Arbeitsrechtliche Erwägungen zum Recht der Zeugniserteilung, § 630 BGB, werden ebenfalls zur Untermauerung des gewünschten Ergebnisses herangezogen190. Ebensowenig wie der Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit bescheinigt hat, gegen diesen später unter Hinweis auf Nachlässigkeiten oder fehlerhafte Aufgabenerledigung Ersatzansprüche aus bereits bekannten Sachverhalten geltend machen dürfe 191 , sei es erlaubt, einmal entlastete Organmitglieder später zu belangen. Arbeitnehmer 189
Soergel in: MünchKomm., BGB, § 640 Rdnr. 18. Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 92 f. 191 BAG NJW 1972, 1214 (1215). 190
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wie Organwalter dürften vielmehr aus den positiven Aussagen des Zeugnisses bzw. des Entlastungsbeschlusses schließen, daß Vorwürfe nicht erhoben würden 1 9 2 . Ein Zeugnis ist eine Erklärung über aktuelles, nicht über potentielles Wissen. Die angeführte Rechtsprechung bezieht sich auf Vorgänge, die dem Arbeitgeber vor der Zeugniserteilung bekannt gewesen waren. Urteilt er dennoch wohlmeinend, muß er sich daran festhalten lassen 193 . Etwas Vergleichbares wird hier für die Frage nach den Déchargefolgen ebenfalls angenommen: Eine Entlastungserteilung in Ansehung bekannter PflichtverstöBe enthält ein „Verzeihensmoment", das eine spätere Anspruchserhebung ausschließt194. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt die These, daß ein verbotener Selbstwiderspruch grundsätzlich nur dann vorliegt, wenn der handelnde Rechtsinhaber zurechenbar Vertrauen beim Gegenüber erweckt hat. Weiß er nichts von seinem Recht, handelt er insoweit auch nicht im Sinne des § 242 BGB. Die Frage, warum auch erkennbare, nicht nur erkannte Schadensersatzforderungen nach einer Entlastung präkludiert sind, bleibt bei diesem Begründungsansatz also offen. Im übrigen unterscheidet sich die Funktion beider Rechtsinstitute fundamental voneinander. Zwar gibt es gewisse Parallelen. Zeugnis und Entlastungsbeschluß enthalten beide ein Bewertungselement. Ein Zeugnis dient jedoch in erster Linie dem Fortkommen des Beurteilten im weiteren Arbeitsleben nach Beendigung seiner bisherigen Tätigkeit 195 . Nur ausnahmsweise werden Zwischenzeugnisse erteilt, deren Sinn aber ebenfalls in der Ermöglichung eines Arbeitsplatzwechsels liegt 1 9 6 . So wenn der Arbeitnehmer von sich aus eine neue Stellung suchen will. Dagegen soll der Déchargebeschlufi in der Regel die Grundlage weiterer vertrauensvoller Zusammenarbeit sein. Aus diesem Grund ist die Wertungsfrage beim Entlastungsvorgang auch viel weiter gestellt als bei der Erteilung eines Zeugnisses: Es geht nicht nur um die wahrheitsgemäße Bestätigung der objektiven Korrektheit einer Tätigkeitsverrichtung, sondern dem Verwaltungsmitglied wird bestätigt, bei der Führung der Geschäfte des Verbandes eine „glückliche Hand" gehabt zu haben 197 . Schließlich ist die tatsächliche Situation, in der sich der Arbeitgeber und das Entlastungsorgan befinden, nicht vergleichbar. Im Arbeitsleben ist normalerweise der Arbeitgeber über Vorgänge sehr viel besser informiert als der Arbeitnehmer, der nur sein Tätigkeitsfeld überblickt. Das Entlastungsorgan 192 Tellis, aaO., S. 93. 193 Vgl. auch Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 146 Anm. 6. 194 Siehe oben IV, 2 a), (1). 195 Schwerdtner in: MünchKomm., BGB, § 630 Rdnr. 1, 22. 196 Staudinger-D. Neumann, BGB, § 630 Rdnr. 8. 197 Vgl. BGHZ 94, 324 (327).
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urteilt hingegen meist aufgrund zusammenfassender, Details nicht berücksichtigender Berichte und Unterlagen, während die Verwaltungsmitglieder umfassend unterrichtet sind. Zeugnis- und Entlastungserteilung sind deshalb nicht vergleichbar. cc) Konkursrecht Auch der Versuch einer Parallelwertung zum Konkursrecht 198 erweist sich als nicht gangbar. Der Konkursverwalter ist verpflichtet, nach Beendigung seines Amtes der Gläubigerversammlung eine Schlußrechnung zu stellen, § 86 Satz 1, 2 KO. Erheben die Gemeinschuldner, die Konkursgläubiger und ggfs. der nachfolgende Verwalter keine Einwendungen, gilt sie als anerkannt, § 86 Satz 4 KO. Mögliche Ansprüche sind damit präkludiert, der Konkursverwalter insoweit - um eine Formulierung der Rechtsprechung aufzugreifen - „entlastet" 199 . Da sich diese Präklusion auf Vorgänge beschränke, für die Rechnung gelegt worden war, sei die Parallele zur Entlastung sinnfällig 200 . In der Tat ist eine Teilidentität beider Vorgänge gegeben: Jeweils ist ein „Rechenwerk" Grundlage eines Handelns. Damit endet jedoch die Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Soll die Schlußrechnung darüber Auskunft geben, ob der Verwalter korrekt gehandelt hat, geht es für den Organwalter darum, ob die Verbandsmitglieder seine Tätigkeit nicht nur als ordnungsgemäß, sondern auch als erfolgreich bewerten. Deshalb sind die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entlastungserteilung getrennte Beschlußgegenstände201. Denn nicht eine Rechnungslegung steht im engeren Sinn zur Beurteilung an, sondern ein Gesamtkomplex von Geschäftsführungsmaßnahmen. Der wesensmäßige Unterschied der Rechtsfiguren wird auch an den Folgen eines Nichthandelns durch die Betroffenen deutlich. Schweigen der Gemeinschuldner, die Konkursgläubiger und der Nachfolger des Verwalters, gilt die Schlußrechnung als anerkannt, kommt es dagegen im Verband zu keiner Beschlußfassung, wird eine Entlastungserteilung keineswegs fingiert. In der Gesamtschau führen die aufgeführten gesetzlichen Sonderbestimmungen bei der Diskussion um mögliche Folgen einer Entlastungserteilung also nicht weiter. Ohne über den speziellen Regelungsbereich, für den sie geschaffen wurden, hinauszuweisen, stellen sie in gewisser Weise Konkretisierungen des Treu-und-Glauben-Grundsatzes aus § 242 BGB für bestimmte Lebenssachverhalte dar.
198 Buchner, GmbHR 1988, 9 (11). 199 Vgl. BGHZ74, 316(321). 200 Buchner aaO. 201 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 23.
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Auf das allgemeine Verbot des venire contra factum propium kann, so ist hier festzustellen, die Verzichtsfolge der Entlastung nicht zurückgeführt werden. b) Verwirkung Ein eigenen Grundsätzen folgender Unterfall des verbotenen Selbstwiderspruchs ist die Verwirkung. Wie bereits erwähnt 202 , wird versucht, eine schadensersatzbeschränkende Folge der Décharge dadurch herzuleiten, daß man sie als Quittung deutet und mit dieser Rechtsfigur kombiniert 203 : Wer entlastet, verwirkt, so die Annahme, die aus den Rechnungsunterlagen erkennbaren Ausgleichsforderungen. Zur Begründung unterlegt dieser Lösungsvorschlag zum einen der Quittungserteilung ein wertendes Moment (Bescheinigung über „ordnungsmäßige Rechnungslegung"), zum anderen wird eine Parallele zum handelsrechtlichen Mängelrügerecht, §§ 377f. HGB, gezogen. Ebenso wie der Kaufmann auf Mängel einer Kaufssache sofort hinzuweisen habe, wolle er sich seine Gewährleistungsrechte erhalten, müsse dies auch der Empfänger einer Rechnungslegung tun. Widrigenfalls gehe er seiner Ersatzforderungen verlustig 204 . Der Verwirkungstatbestand läßt an sich bestehende Rechte untergehen oder hemmt sie zumindest in ihrer Durchsetzbarkeit 205 . In bezug auf die Entlastung kommt eine Verwirkung von Schadensersatzansprüchen wegen vorausgegangenen mißbilligenswerten Tuns 2 0 6 von vornherein nicht in Betracht: Sämtliche Beteiligten handeln gemäß ihren Rechten und Pflichten. Zu prüfen ist eine Verwirkung durch Zeitablauf. Unabhängig vom Eingreifen der Verjährungsregeln können Rechte verloren gehen, wenn sie vom Rechtsinhaber über einen gewissen Zeitraum nicht ausgeübt werden und der Schuldner dieses Nichtgeltendmachen als ein „Auf-sich-beruhen-lassen" verstehen durfte 207 . Zeit- und Umstandsmoment treffen in einer Weise zusammen, die als Folge langdauernder Ausübungsunterlassung das weitere Bestehen auf einem Recht wie ein „venire contra factum proprium" erscheinen , und deshalb bei einer Gesamtabwägung der konkreten Sachverhaltsumstände die schwerwiegende Folge einer Rechtsverwirkung im Interesse der Gegenpartei geboten sein läßt 2 0 8 . 202
Siehe oben II, 2 c). ° Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (147). 204 Hoeniger, aaO., Spalte 147f. 205 Zum Streit über die Rechtsfolgen der Verwirkung vgl. Staudinger-J. Schmidt, BGB, § 242 Rdnr. 501 ff. 206 Dazu Roth in: MünchKomm., BGB, § 242 Rdnr. 275ff. 207 BGHZ 87, 169 (177); BGH NJW 1980, 880; Larenz, SchR AT, § 10 II b, S. 220; Soergel-Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 332; Roth in: MünchKomm., BGB, §242 Rdnr. 290. 2 °8 BGH WM 1968, 916 (918). 2 3
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Verallgemeinerungsfähige Aussagen hinsichtlich der Zeitdauer und sonstiger vertrauensbildender 209 Umstände lassen sich kaum treffen; die im Hinblick auf die scharfe Rechtsfolge unbedingt notwendige Einzelfallbezogenheit des Ausnahmetatbestandes macht es schwer, handhabbare Kriterien für die Entscheidung zu finden, ob eine „mit der Wahrung von Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität im Verhalten des Berechtigten" 210 vorliegt. Immerhin ist wesentlicher Anknüpfungspunkt die beim Gegenüber vertrauenschaffende Unterlassung der Forderungserhebung über ein gewissen Zeitraum hinweg. Versucht man diese Richtschnur an den Entlastungsvorgang anzulegen, ist festzustellen: Der Verzichtseffekt einer Déchargeerteilung tritt, sofern man ihn überhaupt für möglich hält, sofort mit der Beschlußfassung ein. Eine Differenzierung nach Zeitabläufen - die Gesellschaft beschließt, sofort, nach mehreren Monaten, nach einem Jahr Schadensersatz einzufordern - findet nicht statt. Entscheidend ist allein die Tatsache der Entlastung selbst. Ihre präsumtive Funktion, einen bestimmten Zeitabschnitt ein für allemal außer Streit zu stellen 211 , erfordert eine eindeutige Entscheidung: Entweder gehen Ersatzansprüche unter oder sie bleiben bestehen. Ein Dazwischen gibt es nicht. Ein durch langandauernde Zurückhaltung in der Rechtsausübung genährtes Vertrauen kann also bei den entlasteten Organen nicht entstehen. Insoweit paßt der Verwirkungstatbestand nicht. Hinzu kommt, daß sich der Verzichtseffekt einer Entlastung auf sämtliche erkennbaren und nicht nur die erkannten Ansprüche beziehen soll 2 1 2 . Die einschneidende Folge der Verwirkung, ein Recht zu verlieren, kann grundsätzlich immer nur demjenigen zugemutet werden, der von seinem Recht weiß. Zwar ist nicht in jedem Fall positive Kenntnis nötig 2 1 3 , es lassen sich aber kaum Situationen denken, in denen das Bestehen auf einem bisher wegen schlichten Nichtkennens nicht beanspruchten Rechts als Ausdruck einer die Gegenseite grob benachteiligenden Illoyalität gewertet werden müßte 214 . Denn der Zeitfaktor ist für sich genommen nicht ausschlaggebend. Hinzu kommen muß ein Verhalten des Berechtigten, das beim Schuldner ein schützenswertes Vertrauen erzeugt. In diesem Zusammenhang ist auch wieder zweifelhaft, ob denn die Entlasteten einen Déchargebeschlufi überhaupt als Grundlage für die Erwartung, keinen Schadensersatz leisten zu müssen, betrachten dürfen. Dürfen sich Organwalter, einmal entlastet, von jeder Verantwortung aus Gründen der Billigkeit freigestellt sehen? 209
Soergel-Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 337. BSG NJW 1969, 767. 211 RG JW 1926, 2904. 212 Vgl. BGHZ 97, 382 (389). 213 Roth in: MünchKomm., BGB, § 242 Rdnr. 354; Staudinger-J. Schmidt, BGB, § 242 Rdnr. 492. 2 4 * Vgl. auch BGH WM 1971, 1084 (1086): Keine Verwirkung, obwohl seit der Anspruchsbegründung 28 Jahre vergangen waren. 210
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Um diese, sich aus dem bürgerlich-rechtlichen Verwirkungsbegriff ergebenden Einwände abzuschwächen, versucht man durch Heranziehung der §§ 377f. HGB eine besondere Art der Verwirkung zu entwickeln. So wie ein Kaufmann, der es unterlasse, die ihm übersandten Waren auf Mängel zu untersuchen und diese, falls vorhanden, dem Vertragspartner mitzuteilen, seine Gewährleistungsrechte verliere, könne auch der, der eine Rechnungslegung ungeprüft billige, später nicht deren Fehlerhaftigkeit rügen 215 . Die Regelungen der §§ 377 f. HGB sind Ausdruck des im Handelsverkehr herrschenden Bedürfnisses nach Klarheit und Schnelligkeit der Geschäftsabwicklung 216 . Um einen reibungslosen und zeitsparenden Austausch zumal leicht verderblicher Waren zu ermöglichen, werden die Gewährleistungsvorschriften des BGB teilweise modifiziert. Damit für den Verkäufer die durch Zeitablauf drohende Beweisnot nicht zu groß wird, soll es ihm ermöglicht werden, umgehend Beanstandungen des Abnehmers nachzugehen217. Der Käufer hat deshalb empfangene Ware unverzüglich auf erkennbare Fehler zu untersuchen und diese dem Verkäufer kundzutun, will er sich seine Gewährleistungsansprüche erhalten. Dasselbe gilt, wenn sich Mängel erst später zeigen, § 377 Abs. 3 HGB. § 377 HGB legt dem Handelskäufer aber keine Rechtspflicht auf, deren Nichtbeachtung Gegenansprüche des Vertragspartners auslöst, sondern formuliert nur eine Obliegenheit 218 , d.h. eine „Pflicht gegen sich selbst" 219 , die zu ignorieren lediglich den Verlust des Rügerechts nach sich zieht und die Ware als „genehmigt" fingiert, § 377 Abs. 2 HGB. Zwar gehen auch hier wie bei der Verwirkung die Ansprüche unter. Die Unmöglichkeit der faktischen Durchsetzung von Ersatzforderungen beruht rechtskonstruktiv jedoch auf zwei zwar miteinander verwandten 220 , aber dennoch klar unterscheidbaren Phänomenen: Geht es in dem einen Fall um Rechtsverlust, weil ein anderer billigerweise mit einer Inanspruchnahme nicht mehr rechnen mußte (Verwirkung), werden in dem anderen Fall die Konsequenzen aus einer Nachlässigkeit gegen sich selbst gezogen (§ 377 H G B ) 2 2 1 . Aber auch unabhängig davon bleibt die Übertragung einer handelsrechtlichen Sondervorschrift, die an die Übergabe einzelner körperlichen Sachen 215 Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (147f.). 216 Brüggemann in: Staub, Großkomm, zum HGB, § 377 Rdnr. 3. 217 Zur ratio legis des § 377 HGB BGH BB 1978, 1489; vgl. aber auch Marburger, JuS 1983, 1. 218 K. Schmidt, Handelsrecht, § 28 III 1 d, S. 702; Marburger, JuS 1983,1 (5); Brüggemann in: Staub, Großkomm, zum HGB, § 377 Rdnr. 60; Schlegelberger-Hefermehl, HGB, § 377 Rdnr. 2. 2iQ Zur rechtlichen Bedeutung der Obliegenheiten vgl. Kramer in: MünchKomm., BGB, Einl. vor § 241 Rdnr. 44ff. 220 Brüggemann in: Staub, GroßKomm. zum HGB, § 377 Rdnr. 164. 221 So im Ergebnis auch Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 28.
V. Verzichtswirkung aufgrund Gewohnheitsrechts?
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Rechtsfolgen knüpft, auf einen allgemeinen Rechtsvorgang, der wie die Entlastung einen komplexen Tatsachenbestand zur Grundlage und einen umfassenden Bewertungsprozeß zum Inhalt hat, Bedenken ausgesetzt. Grundsätzlich und entscheidend gegen die Heranziehung einer Verwirkungskonstruktion im Recht der Déchargeerteilung spricht jedoch die prinzipielle Offenheit und Einzelfallbezogenheit des Verwirkungstatbestandes. „Bei dieser Auffassung (d.h., wenn man die Entlastung als Kombination von Quittungserteilung und Verwirkung begreift; Verf.) hat die Rechtsprechung einen ganz anderen Spielraum, das Angemessene zu treffen, als bei der starren Konstruktion des subintelligierten Verzichts. Sie wird bei dem Ausmaß der Prüfungspflicht alle individuellen Umstände, insbesondere Geschäftskenntnis und Geschäftserfahrung der Parteien, berücksichtigen können" 2 2 2 . Was hier als Vorzug beschrieben wird, erweist sich bei näherem Betracht als Nachteil. Die strukturelle Unbestimmtheit der Tatbestandsvoraussetzungen wirkt sich in zweifacher Hinsicht negativ aus. Zum einen wird es durch die Subjektivierung der „Prüfungspflicht" innerhalb der Verbände häufiger zu Streitigkeiten über die Reichweite eines Entlastungsbeschlusses kommen, so daß die Rechtsprechung schlichtend eingreifen muß: Ob die Sachkenntnis eines Gerichts die Geschäftserfahrung der eigentlich zu einer Entscheidung Berufenen immer zu ersetzen vermag, kann bezweifelt werden. Zum anderen wird der Entlastungsvorgang selbst mit einer konstruktionsbedingten Unsicherheit belastet, die seiner Funktion zuwiderläuft, einen bestimmten Zeitabschnitt der Geschäftsbesorgung abschließend einer Beurteilung zu unterwerfen.
V. Verzichtswirkung aufgrund Gewohnheitsrechts? Gewohnheitsrecht könnte die Grundlage einer Verzichtswirkung des Entlastungsbeschlusses sein. Immerhin wurde der Décharge bis zur Regelung des § 84 Abs. 4 Satz 3 A k t G 1937 ohne Ausnahme für sämtliche Verbände eine schadensersatzhemmende oder -vernichtende Folge beigemessen, allerdingswie oben gezeigt 223 - aufgrund rechtsgeschäftlicher Überlegungen, die sich bei genauerer Untersuchung als nicht haltbar erwiesen. Die Abkehr von überkommenen Erklärungsversuchen hat jedoch nicht zu einem Fallenlassen des überkommenen Ergebnisses geführt. Entsteht dadurch Gewohnheitsrecht? Das heißt dann, wenn man einem tatsächlichen Erklärungstatbestand eine von ihm nicht umfaßte, ihm aber nach weitverbreiteter Meinung zukommende Rechtsfolge beilegt? Nur um diese Verzichtsfolge geht es hier, nicht um eine
222 Hoeniger, DJZ 1922, Spalte 143 (148). 223 Siehe oben II. 6*
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
gewohnheitsrechtliche Fundierung des Entlastungsinstituts selbst oder eines möglichen „Rechts auf Entlastung" 224 . Gewohnheitsrecht im ursprünglichen Sinn ist ungeschriebenes, durch allgemeinen Rechtsgeltungswillen gesetztes Recht, das entsteht, wenn eine Regel zwischenmenschlichen Verhaltens über einen längeren Zeitraum in der Überzeugung befolgt wird, einem Gebot des Rechts nachzukommen 225 . Ausreichend ist nicht ein rein tatsächliches Verhalten, vielmehr muß sich eine Rechtsüberzeugung ausdrücken 226 . Eine langandauernde Übung läßt sich in bezug auf die Entlastungsfolgen ohne weiteres feststellen; und ebenso der Mangel an Begründungen, die einen Rückschluß auf die geforderte „opinio necessitatis" 227 zuließen. Es bleibt oft bei der (schlichten) Beschreibung einer vermeintlichen Tatsache: „Es handelt sich um (eine) einseitige körperschaftliche Erklärung, an die sich . . . eine gewisse Verzichtswirkung knüpft" 2 2 8 . Der Verzicht darauf, eine Rechtsfolge zu erklären, bedeutet aber nicht, daß ihre Grundlage ohne weiteres im Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gefunden werden könnte; eine dogmatische Lücke läßt sich nicht durch die dauernde Wiederholung einer Behauptung schließen, auch wenn sie in Formulierungen ergeht, die eine Nähe zur gewohnheitsrechtlichen Terminologie aufweisen 229 . Aus einer gleichförmigen (höchstrichterlichen) Rechtsprechung kann ebenfalls Gewohnheitsrecht entstehen; sie ist heute vielleicht die einzige Quelle für die Schaffung gewohnheitsrechtlicher Rechtssätze. Richterrecht vermag dieselbe Effektivität wie ein Gesetz zu entwickeln, wenn es zu einer Rechtsüberzeugung in den beteiligten Kreisen - das sind auch Nichtjuristen - führt 2 3 0 . Auch hier genügt nicht die ständige Übung 2 3 1 , hinzukommen muß das Überzeugtsein von der Richtigkeit und Rechtlichkeit der Vorgehensweise. Dabei darf man die Funktion von Präjudizien, als Medium der richterlichen Rechtserkenntnis 232 zu dienen, nicht mit der Frage nach einem außerhalb des einzelnen richterlichen Entscheidungsvorgangs liegenden Normgehalt einer Urteilsfolge vermengen. Die regelbildende Kraft höchstrichterlicher Praxis beruht auf ihrer fortbestehenden sachlichen Richtigkeit und ihrer Übereinstimmung 224
Dazu unten Kap. 4, II, 2. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 231. 226 Enneccerus-Nipperdey, BGB AT 1. Halbband, § 39 11, S. 265. 227 Nörr in: Festschr. f. Wilhelm Felgenträger, S. 353 (354). 228 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 26. 229 Buchner, GmbHR 1988, 9 (14): „Seit jeher sieht man ihren (sc. Entlastung) Sinn aber gerade darin, daß ... die spätere Berufung auf pflichtwidriges Verhalten und daraus folgende schadensersatzrechtliche Konsequenzen ausgeschlossen sein sollen". 230 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 305f. 231 Die im Entlastungsrecht durchaus feststellbar ist, vgl. zuletzt z.B. BGH WM 1988,531. 232 Esser in: Festschr. für Fritz von Hippel, S. 95 (114). 225
VI. Zwischenergebnis 2 - Ende der Verzichtswirkung
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mit der gelebten Rechtsüberzeugung 233. Das allmähliche Fallenlassen unbrauchbarer Begründungsansätze müßte deshalb zumal angesichts der eindeutigen Regelung in § 120 Abs. 2 Satz 2 A k t G 1965 in bezug auf die Folgen einer Déchargeerteilung entweder mit dem Aufzeigen neuer Argumentationslinien oder wenigstens mit verstärktem Bemühungen einhergehen, den fortbestehenden allgemeinen Glauben an die Richtigkeit und Gerechtigkeit der bisher geübten Praxis deutlich zu machen. Ob an der Verzichtsfolge aus Gewohnheit 234 oder aus Überzeugung festgehalten wird, ist nicht leicht festzustellen. Es mehren sich aber die Stimmen, die Zweifel äußern. Zum Teil werden zwar nur Bedenken gegen die rechtspolitische Sinnhaftigkeit unterschiedlicher Entlastungsfolgen in den einzelnen Verbänden geltend gemacht 235 . Andere Ansätze aber kommen zu demselben Ergebnis, das der Gesetzgeber für das Aktienrecht gefunden hat: Auch nach der Entlastungserteilung können noch Ansprüche gegen die Mitglieder der Verwaltung erhoben werden 236 . Dem ist zuzustimmen. Es gibt kein Gewohnheitsrecht, das als Rechtsquelle die Begründung für eine Verzichtsfolge der Décharge liefern könnte. Selbst wenn man eine langandauernde gleichmäßige tatsächliche Übung zugestehen mag, führt eine Überprüfung des Ergebnisses am Maßstab der sachlichen Richtigkeit und der ethischen Gerechtigkeit 237 dazu, die Interessen des Verbandes und seiner (entlastenden) Mitglieder denen der betroffenen Organwalter vorzuziehen. Denn daß Entlastete nicht mehr belangt werden dürften, wurde als „gegeben" hingenommen, nicht aber als außerhalb der niedergelegten Normordnung „zu gebendes Recht" entwickelt.
V I . Zwischenergebnis 2 Ende der Verzichtswirkung Zusammenfassend kann festgestellt werden: Es gibt keinen Begründungsansatz, der die Verbindung „Entlastungserteilung - Verzichtseffekt" hinreichend eindeutig belegt. Unabhängig von der Verbandsform führt die Décharge nicht zu einem Untergang oder zu einer Präklusion von Ersatzansprüchen, es sei denn, sie wird bewußt in Ansehung konkreter Pflichtwidrigkeiten erteilt. 233
Esser aaO. S. 129. Und nicht wegen eines Gewohnheitsrechte. 235 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 89. 236 Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 10; Ausnahme: Sämtliche Genossen haben zugestimmt; vgl. auch Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8.; BGH NJW 1989, 1151 (1152) verneint eine Verzichtswirkung der Entlastung des Präsidiums der Bundesrechtsanwaltskammer, weil diese als öffentlichrechtliche Körperschaft dem Haushaltsrecht unterliege, das einen sogearteten „Verzicht" verböte. 237 Esser in: Festschr. f. Fritz von Hippel, S. 95 (129). 234
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Die Untersuchung ist für sämtliche Entlastungstatbestände zu einem Ergebnis erlangt, das § 120 Abs. 2 Satz 2 A k t G 1965 lediglich für die Aktiengesellschaft anordnet. Grundlage ist nicht eine analoge Anwendung dieser Norm auf andere, von ihr nicht erfaßte Sachverhalte, sondern das Fehlen einer rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Basis für eine gewollte oder normierte Verzichtsfolge des Déchargebeschlusses. Dies hat die genaue Analyse des komplexen Vorgangs „Entlastungserteilung" ergeben. Etwas anderes gilt nur, wenn im Einzelfall besondere Umstände zu dem allgemeinen Déchargetatbestand hinzutreten.
V I I . Zwischenergebnisüberprüfung Im folgenden soll das gefundene Ergebnis gegen mögliche Einwände abgesichert werden. 1. Notwendiger Zusammenhang zwischen Vertrauenskundgabe und Verzichtseffekt? Kein Einwand gegen den hier vertretenen Ansatz ergibt sich aus der These, Vertrauenskundgabe und Verzichtseffekt bedingten einander und seien nicht losgelöst von einander zu denken. Schon die Regelung in § 120 A k t G zeigt die Unhaltbarkeit dieser Behauptung. Nur eine spezifische Billigungserklärung kann zwangsläufig auch eine spezifische Verzichtsfolge haben. Die Frage, die die um Entlastung Nachsuchenden an das Entlastungsorgan richten, lautet aber nicht: „Sollen wegen bestimmter (bekannter oder erkennbarer) fehlerhafter Geschäftsführungs- oder Aufsichtsmaßnahmen Ansprüche erhoben werden?" Sondern: „Sind die Mitglieder des Verbandes mit der während der Entlastungsperiode geleisteten Arbeit zufrieden und soll auf dem eingeschlagenen Weg fortgefahren werden?" 238 . Das Reichsgericht stellt in einem Urteil vom 6. Juni 1903 fest: „Wenn . . . über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen wird, so handelt es sich nicht um eine Entscheidung darüber, ob gegen dieses oder jenes Organmitglied kein Anspruch wegen einer Pflichtverletzung bestehe, sondern darum, ob die . . . Verwaltungstätigkeit... für einwandfrei erklärt werden soll oder nicht" 2 3 9 . Die unterschiedliche Akzentsetzung wird indirekt auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem „Recht" des Geschäftsführers einer GmbH auf Entlastung deutlich. Das Gericht verneint einen solchen Anspruch. Die Geselischafterversammlung habe vielmehr einen freien Ermes238 Vgl. Koch, AG 1969, 1 (2). 239 RGZ 55, 75 (77); 75, 308 (310); vgl. auch Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 37.
V I I . Zwischenergebnisüberprüfung
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senspielraum, denn sie befinde, wenn sie entlaste unter anderem darüber, ob der Betreffende bei der Führung des Unternehmens eine glückliche Hand gehabt habe 240 . Eine „glückliche Hand" in diesem Sinn kann aber auch der haben, der im Einzelfall Fehler macht, den Geschäftsablauf im übrigen aber erfolgreich gestaltet. Es ist deshalb weder begrifflich noch tatsächlich notwendig widersprüchlich, im allgemeinen mit der Leistung z.B. der Geschäftsführer einer GmbH einverstanden zu sein, einzelne Fehler aber zu monieren und auf eine Folgenbeseitigung zu dringen. Im Entlastungsrecht geht es dabei nur um die Frage, ob ein solches Vorgehen im Anschluß an einen Déchargebeschlufi grundsätzlich noch möglich sein soll oder nicht 2 4 1 . 2. Notwendige Differenzierung bei den Entlastungsfolgen wegen unterschiedlicher Strukturen innerhalb der einzelnen Verbände? Wichtiges Argument gegen eine Parallelenbildung zur aktienrechtlichen Regelung ist der Hinweis auf Strukturunterschiede innerhalb der Organisation der jeweiligen Verbände. Es wird vorgebracht, die Lösung des Aktienrechts nehme in spezieller Weise Rücksicht auf die Besonderheiten im Verhältnis Vorstand-Aufsichtsrat-Hauptversammlung 242 . Im Vergleich gerade zur GmbH, in der die Entlastung ebenfalls eine große Rolle spiele, sei insbesondere die unterschiedliche Stellung 243 von Vorstand der Aktiengesellschaft (selbständige Definition der Geschäftspolitik) und Geschäftsführern der GmbH (Durchführung der Weisungen der Gesellschafterversammlung) zu beachten 244 . a) Aktiengesellschaft In der Tat ist § 120 Abs. 2 Satz 2 A k t G der Schlußpunkt einer durch das Aktiengesetz 1937 eingeleiteten Entwicklung, die als Folge einer innergesell240
BGHZ 94, 324 (327). Nicht geht es darum, den Verbandsmitgliedern das Ergreifen bestimmter Maßnahmen vorzuschreiben. _ 242 BGH NJW 1959, 192 (193) = GmbHR 1959, 69 (70) m. Änm. Wilhelm; OLG Hamburg, ZfG 1962, 141 m. Anm. von Carolsfeld; A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (190); Schippert, BB 1958,1191 (1192); Heuer, GmbHR 1951,151; Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 114; Flume, „Juristische Person", S. 351; Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 48 Rdnr. 13; vgl. auch Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 196; Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (223). 243 Dazu Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdnr. 2; Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 38 f. 244 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 89; vgl. auch Bergmann, NJW 1953, 81 (83). 241
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schaftlichen Machtverschiebung die Möglichkeit der Gesellschaft, auf Ansprüche gegen die Organwalter zu verzichten, stark einschränkte. Dies führte zu einer Veränderung der Bedeutung einer aktienrechtlichen Entlastungsentscheidung. Um potentiell vergleichbare Problemsituationen auch in anderen Verbandsformen aufzuzeigen, ist an dieser Stelle kurz auf die Geschichte des Aktienrechts einzugehen. Strukturelle Schwächen der Rechtsform Aktiengesellschaft hatten sich bereits bald nach der Reichsgründung 1871 gezeigt, als es 1873 zu einer ersten wirtschaftlichen Rezession kam und viele Anleger Geld und Vermögen beim Bankrott von Schwindelfirmen während des Berliner Börsenkrachs verloren. Konsequenz war die Novelle des A D H G B vom 18. Juli 1884 245 , die vor allem schärfere Gründungs- und Aktionärsschutzvorschriften brachte 246 . Zu neuen Mißständen kam es nach dem ersten Weltkrieg durch Inflation und Weltwirtschaftskrise. Einige spektakuläre Firmenzusammenbrüche 247 und zahlreiche Mißbräuche insbesondere durch Verwendung von Mehrstimmrechtsaktien und Verwaltungsaktien brachten in den 20er Jahren eine Reformdiskussion in Gang, deren Ergebnis die 1930 und 1931 vom Reichsjustizministerium veröffentlichten Entwürfe eines neuen, aus dem HGB herausgelösten Aktiengesetzes waren. Aufgrund der parlamentarischen Situation kam es jedoch nicht zu einer Verabschiedung. Es wurden vielmehr lediglich Teile des Reformwerks von der Regierung Brüning durch Notverordnungen vom 19. September 1931 248 und 6. Oktober 1931 249 in Kraft gesetzt. Mit dem Entwurf I I befaßte sich in der Folgezeit der vorläufige Reichswirtschaftsrat unter der Leitung von Max Hachenburg. Das faktische Ende der Weimarer Republik am 30. Januar 1933 bedeutete auch das Ende dieser Periode einer wissenschaftlichen Durchdringung des deutschen Aktienrechts 250 . Das Aktiengesetz vom 30. Januar 1937 251 sollte die Aktiengesellschaft den Anforderungen des „neues Staats" anpassen, den in dieser Rechtsform organisierten Unternehmen aber auch das Bestehen im weltweiten Konkurrenzkampf ermöglichen. Ging es offiziell zwar darum, das „Führerprinzip" im Wirtschaftsleben zu verankern 252 und damit „nationalsozialistischen Grund245 RGBl S. 123. 246 Zu den Einzelheiten der Aktienrechtsnovelle vom 1884 vgl. Schubert / Hommelhoff, 100 Jahre modernes Aktienrecht, S. 55ff. 247 D armstädter-Nationalbank ; FA VAG. 248 RGBl I, S. 493.
249 RGBl I, S. 537. 250 Zu den Bemühungen um eine Aktienrechtsreform während der Weimarer Republik und zu dem Beitrag Hachenburgs hierzu vgl. Schubert / Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, S. Iff., 9ff., 823ff. (Ausschnitt aus dem Amtlichen Bericht vom 7. 3. 1933). 251 RGBl I, S. 107, berichtigt S. 588, 1140. 252 Bergmann, DJZ 1934, 371; Großmann, DRiZ 1934, 227.
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Sätzen auch auf dem Gebiet der Wirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen" 253 , wurde in concreto in großem Umfang auf die Vorarbeiten zurückgegriffen, die während der Weimarer Zeit und insbesondere kurz vor dem Machtwechsel in dem oben genannten Gremium unter Beteiligung namhafter Gesellschaftsrechtler aus Praxis und Theorie geleistet worden waren 254 . Zentrales Anliegen der Reform war eine Neuordnung des Kompetenzgefüges innerhalb der Gesellschaft. Die Stellung von Vorstand und Auf sichtsrat wurde auf Kosten der Hauptversammlung gestärkt 255 . Während jene weitgehend eigenverantwortlich ihren Geschäftsführungs- bzw. Kontroll- und Überwachungsaufgaben nachzugehen hatten, war dieser, wiewohl nominell weiterhin das oberste Organ des Verbandes, das „Schicksal eines abgesetzten Königs" 2 5 6 beschieden. Bis zum Jahr 1937 war es den Aktionären möglich gewesen, die Hauptversammlung (bzw. Generalversammlung) in entsprechender Anwendung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB über alle durch Gesetz oder Satzung nicht zwingend anderen Organen zugewiesenen Angelegenheiten beschließen zu lassen und auf diese Weise ihre Rechte „insbesondere in bezug auf die Führung der Geschäfte" 257 geltend zu machen. Das Aktiengesetz 1937 wies dagegen der Hauptversammlung nur bestimmte, in Gesetz oder Satzung festgelegte Entscheidungsgegenstände zu; mit Fragen der Geschäftsführung wurde sie nur auf ausdrückliches Verlangen des Vorstands befaßt, § 103 Abs. 2 A k t G 1937. Die Strukturreform sollte den Einfluß der Aktionäre zurückdrängen: Sie seien zum einen, so wurde unterstellt 258 , den Problemstellungen in national und international agierenden Großunternehmen fachlich nicht gewachsen, zum anderen aber, da in der Masse an der Gesellschaft lediglich kapitalistisch beteiligt und nicht persönlich für ihr Schicksal verantwortlich, mehr den eigenen (wirtschaftlichen) Interessen als denen des Verbandes verpflichtet 259 . 253 Vgl. „Begründung zum Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937", Deutscher Reichsanzeiger Nr. 28 vom 4. 2. 1937, S. 1. Als nach damaligem Sprachgebrauch typisch „plutokratische" Ausprägung anonymen Kapitalismus' paßte die Aktiengesellschaft nicht zu der offiziellen, ideologisch eher mittelstandsorientierten Wirtschaftspolitik der Nazis. 254 Zur entideologisierenden Wirkung einer Rede von Schacht (Reichsbankpräsident vor und während des Dritten Reichs) vor der Vollversammlung der Akademie für Deutsches Recht, die neben dem Reichsjustiz- und dem Reichswirtschaftsministerium mit der Vorbereitung der Reform befaßt war, instruktiv Schubert in: Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933 - 1945, Protokolle der Ausschüsse, Bd. 1 Aktienrecht, S. XXXIVff. 255 Schmidt-Meyer-Landrut in: Großkomm. AktG, 2. Aufl. 1961, § 70 Anm. 1. 256 Boesebeck, ZAkDR 1935, 675 (677). 2 7 * § 250 HGB aF. 258 Amtliche Begründung aaO., S. 1. 259 Überlegungen, die auf die Situation in aus Steuerersparnisgründen errichteten Publikumsgesellschaften übertragen werden können.
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Gesteigerte Macht sollte durch gesteigerte Verantwortung ausgeglichen werden. § 84 Abs. 4 Satz 3 A k t G 1937 erschwerte deshalb die Möglichkeiten der Gesellschaft, auf Forderungen gegen Vorstand und Aufsichtsrat mindernd einzuwirken: Ein Verzicht oder Vergleich konnte frühestens fünf Jahre nach Entstehung des Anspruchs und nur dann geschlossen werden, wenn die Hauptversammlung zustimmte und nicht eine Minderheit von mehr als 5% der Anteilseigner widersprach. A n dieser gesetzlichen Anordnung konnte auch die Entlastungserteilung nichts ändern; sie verlor jeden Bezug zur Schadensersatzfrage 260 . Das Aktiengesetz vom 6. September 1965 261 zeigt das schon im Wortlaut des § 120 Abs. 2 eindeutig. Ziel des Aktienrechts ist es also, die mit der verstärkten Unabhängigkeit der Leitungsorgane auf die Gesellschaft zukommenden Gefahren durch eine erhöhte Verantwortlichkeit der Organleiter aufzufangen. b) GmbH Vergleicht man die Binnenstruktur ζ. B. einer GmbH mit der einer Aktiengesellschaft, fällt die für den gesetzlichen Normaltypus vorausgesetzte 262 abhängige und unselbständige Stellung der (Fremd-)Geschäftsführer auf, die sie im Prinzip zu ausführenden Organen von Weisungen der Gesellschafter macht: Das kann im Einzelfall zu ihrer „Degradierung" zu reinen Befehlsempfängern führen, denen jeder Raum zur Entwicklung von Eigeninitiative gänzlich genommen ist 2 6 3 . In einer solchen Konstellation ist eine Nähe zur Stellung eines Vorstands in der Aktiengesellschaft nicht erkennbar und eine Verzichtswirkung des Entlastungsbeschlusses wäre auch weitgehend unschädlich 264 , zumal der Gesetzgeber diese Weisungsabhängigkeit in § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG haftungsrechtlich bereits berücksichtigt hat. Die den Gesellschaftern eingeräumte Befugnis, das Kompetenzgefüge innerhalb der Gesellschaft abweichend vom gesetzlichen Normalstatut zu regeln, § 45 Abs. 1 GmbHG, kann aber, wie erwähnt 265 , auch Organisationsformen hervorbringen, die denen einer Aktiengesellschaft durchaus ähnlich sind. Der Erfolg der GmbH beruht gerade auf ihrer Anpassungsfähigkeit, die es erlaubt, in diese Rechtsform Klein- ebenso wie Großunternehmen 266 zu fas260
A.A. nur von Godin / Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 104 Anm. 4. 261 BGBl I, S. 1089. 262 § 37 Abs. 1 GmbHG. 263 Instruktiv BGHZ 95, 330 („Autokran"). 264 w d i es kaum zu Pflichtverletzungen im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG oder des Anstellungsvertrages kommen kann. 265 Oben Kap. 1, II; Kap. 2, III. 266 Bosch, Krupp.
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sen. Geschäftsführungs- bzw. Aufsichts- und Kontrollaufgaben können verlagert, konzentriert oder abgeschwächt werden. Das geschieht in der Praxis häufig durch die Einräumung von Sonderrechten für einzelne Gesellschafter oder durch die Schaffung von Beiräten 267 . Solange den Gesellschaftern ein Mindestbereich an Kontroll- und Überwachungsrechten verbleibt, sind vielfältige Konstruktionen denkbar 268 . Zumal in einer „kapitalistischen" GmbH, in der der einzelne Gesellschafter außer dem allgemeinen Ziel einer Renditeoptimierung keinerlei konkretes Interesse an der Geschäftsabwicklung hat, sind die Befugnisse der Gesellschafterversammlung häufig auf dasjenige reduziert, was auch die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft darf: Die sich einmal im Jahr versammelnde Masse der Gesellschafter nimmt die Rechenschaftsberichte der Geschäftsführer und ggfs. die der Anweisungs- und Überwachungsorgane entgegen und segnet - durch einen Entlastungsbeschluß - die verfolgte Geschäftspolitik ab 269 . Das gilt für die Publikumsgesellschaft, deren Geschicke von wenigen (Gründungs)-Gesellschaftern bestimmt werden, ebenso wie für die Groß-GmbH mit Pflichtaufsichtsrat. Das - unabdingbare, § 51a Abs. 3 GmbHG - Recht eines jeden GmbHGesellschafters, von den Geschäftsführern Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen und Einsicht in die Bücher zu nehmen, § 51a Abs. 1 GmbHG, kann hier keinen Ausgleich schaffen. Wenngleich die Vorschrift vom Wortlaut her ein weitgehend schrankenloses Informationsrecht zuzugestehen scheint, ist die Ausübung dieses Rechts durch das Informationsinteresse des Gesellschafters begrenzt 270 : Es können nur die Auskünfte verlangt werden, die der Wahrnehmung der innergesellschaftlichen Befugnisse dienen 271 . Sind also die Kompetenzen der Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag eingeschränkt worden, vermindert sich entsprechend auch ihr Recht auf Auskunftserteilung und Einsichtsnahme 272 . Die Strukturen von Aktiengesellschaft und GmbH sind also nicht notwendig immer vollkommen unterschiedlich, sondern nähern sich oft einander an. Das geschieht vor allem, wenn es nicht darum geht, für den sprichwörtlich „kleinen Mann" eine „kleine Aktiengesellschaft" bereitzustellen, die seiner überschaubaren, personalistisch orientierten Unternehmung ein risikoangemessenes Wirtschaften erlauben soll, sondern die GmbH entweder lediglich dazu dient, (anonymes) Kapital zu sammeln (Anlagegesellschaft) oder den 267 Freiwillige Aufsichtsräte, Verwaltungsräte. Zu den Einzelheiten Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 45 Rdnr. 7ff.; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 8ff.; Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 88 f. 269 Zu mehr wären sie häufig schon von ihrer Ausbildung her gar nicht in der Lage. 270 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I 4, S. 783f. 271 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 51a Rdnr. 20. 272 Mertens in: Festschr. f. Winfried Werner, S. 557 (569). 268
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
Rahmen für ein in großem Stil am Wirtschaftsleben teilnehmendes Unternehmen zu bilden. In solchen Fällen verlieren auch angesichts der Komplexität der anfallenden Geschäftsvorgänge Argumente, die die unterschiedlichen Entlastungswirkungen in GmbH und Aktiengesellschaft auf die unterschiedliche Stellung von Haupt- und Gesellschafterversammlung und das Fehlen einer dem § 120 Abs. 2 Satz 2 A k t G entsprechenden Norm im GmbH-Gesetz zurückführen wollen, deutlich an Überzeugungskraft. Denn der entscheidende Risikofaktor, der im Aktienrecht zu einer verstärkten Verantwortlichkeit der Organwalter geführt hat, ist für beide Gesellschaftsformen derselbe: die aus der größeren Selbständigkeit der Geschäftsleitung resultierende erhöhte Gefahr für den Verband als Ganzen 273 . Im übrigen wird der Gesetzgeber den Unterschieden in beiden Verbandsformen bereits auf andere Weise gerecht. In der GmbH ist lediglich das Stammkapital gegen Eingriffe der Gesellschafter gesichert. Auf Ansprüche gegen Organwalter darf daher in viel größerem Umfang als in der Aktiengesellschaft (durch Rechtsgeschäft) „verzichtet" werden. Darüber hinaus kann die Weisungsabhängigkeit der GmbH-Geschäftsführer bereits Einfluß auf das Entstehen der Ausgleichsforderung haben, wie § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG zeigt. A l l dies zwingt nicht zu einer abweichenden Sicht des Instituts der Entlastung, im Gegenteil: Weitgehender Forderungsverzicht ist möglich, er muß aber als solcher auf einen Beschluß der Gesellschafter zurückgeführt werden können. Die Décharge für sich genommen genügt nicht. c) Genossenschaft Die Stellung des Vorstands einer Genossenschaft ist derjenigen des Vorstands einer Aktiengesellschaft durchaus vergleichbar: Er leitet die Genossenschaft unter eigener Verantwortung, § 27 Abs. 1 Satz 1 GenG. Der Vorstand hat also eine selbständige Entscheidungsbefugnis, die ihm grundsätzlich nicht entzogen werden kann 2 7 4 und die ihre Grenzen nur in den Beschränkungen findet, die in der Satzung festgesetzt worden sind, § 27 Abs. 1 Satz 2 GenG. Das Zwangsorgan Aufsichtsrat hat (wie in der Aktiengesellschaft) den Vorstand bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und sich zu diesem Zweck von dem Gang der Angelegenheiten der Genossenschaft zu unterrichten, § 38 Abs. 1 Satz 1 GenG. Die Generalversammlung befaßt sich in erster Linie mit der Feststellung des Jahresabschlusses, der Verwendung des Gewinns (bzw. der Deckung eines Verlustes) sowie der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, § 48 Abs. 1 Satz 1, 2 GenG. 273
Auf vergleichbare Gefahren in der Publikumspersonengesellschaft wurde bereits hingewiesen, s. III. 274 Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 27 Rdnr. 7.
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Es wundert nicht, daß angesichts dieser Ähnlichkeiten eine generelle Verzichtswirkung der Entlastungserteilung im Genossenschaftsrecht teilweise bereits verneint wird 2 7 5 . d) Ergebnis Insgesamt betrachtet ergibt sich aus einem Strukturvergleich der einzelnen Verbände kein Hinweis auf die Notwendigkeit, an einem Verzichtseffekt der Déchargeerteilung festzuhalten. Die Unterschiede zwischen den Organisationen fängt der Gesetzgeber durch eine unterschiedliche Dispositionsmacht der Gesellschafter über deren Vermögen auf. Für die Bedeutung der Entlastung können daraus keine Folgerungen gezogen werden. 3. Notwendige Gleichbehandlung der Verbandsorgane in Haftungsfragen? Wie im Eingangsfall l 2 7 6 gezeigt, kann die Annahme einer ersatzanspruchshindernden Wirkung der Décharge außerhalb des Aktienrechts nicht konsequent durchgehalten werden. Unterliegt z.B. eine GmbH der Mitbestimmung, ist deren Aufsichtsrat im Grundsatz wie der einer Aktiengesellschaft zu behandeln. Das bedeutet: Auf Schadensersatzforderungen zu verzichten, ist allenfalls nach Ablauf von drei Jahren und unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen möglich, §§ 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1952, 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, 3 Abs. 2 MontanMitbestG, jeweils i. V.m. §§ 116, 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder kann damit, auch wenn auf § 120 Abs. 2 A k t G nicht verwiesen wird, ihre behauptete „allgemeine" Bedeutung nicht entfalten 277 , ein Verzichtseffekt allenfalls der nach diesem Zeitpunkt ergangenen Décharge zukommen 278 , was in der Praxis selten aktuell werden dürfte. Für die übrigen zu entlastenden Gesellschaftsorgane ändert sich im Prinzip nichts. Sowohl die Geschäftsführer als auch die Mitglieder sonstiger freiwilliger Gesellschaftsorgane kommen in den Genuß der „normalen" Entlastungsfolgen 279 . Dies Ergebnis leuchtet umso weniger ein, je mehr sich, wie im Beispielsfall, die Aufgaben der Gremien überschneiden. Es ist nicht recht einzusehen, warum sich die Aufsichtsratsmitglieder einer Verantwor275
Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 10; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8; vgl. auch Lammel, ZfG 36 (1986), 125 (139); a. A. Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 48 Rdnr. 13; Großfeld / Noelle, AG 1986, 275 (276). 276 Oben Einführung. 277 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 52 Rdnr. 151; a. A. Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 361. 278 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 52 Rdnr. 122. 279 Vgl. für Beiräte: Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 210; Hölters, Der Beirat in der GmbH & Co. KG, S. 50f.
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tung stellen sollen müssen, die zu übernehmen die „Verwaltungsräte" mit einem Hinweis auf den Entlastungsbeschluß ablehnen können 280 . Die Reaktionen auf diese Unstimmigkeiten muten, wenn sie denn überhaupt stattfinden, nicht überzeugend an. Die einen fordern eine Gleichbehandlung sämtlicher Gesellschaftsorgane in bezug auf ihre Haftung und wollen deshalb die gesetzliche Regelung ignorieren 281 , die anderen konstatieren die Ungereimtheit, beklagen die gesetzgeberische Unachtsamkeit und belassen es dabei: die Diskrepanz müsse hingenommen werden 282 . Die Anordnung des Gesetzgebers mit einem Hinweis auf die Unzulänglichkeiten heutiger legislativer Aufgabenerledigung einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen oder ihnen sogar bewußt zuwiderzuhandeln, ist sicher kein zulässiger Weg. Zwar mögen bei der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 1952 die haftungsrechtlichen Konsequenzen eines uneingeschränkten Verweises auf § 84 A k t G 1937 ( = § 93 A k t G 1965) für die Mitglieder des Zwangsaufsichtsrats einer GmbH versehentlich übersehen worden sein 283 . Der Normgeber wollte lediglich die Gleichbehandlung sämtlicher aufgrund der Mitbestimmungsregelungen eingerichteter Aufsichtsräte sicherstellen und hatte nicht die Intention, unterschiedliche Entlastungsfolgen zu schaffen. Das Mitbestimmungsgesetz wurde 1976 jedoch ebenfalls mit einem Verweis auf den ganzen § 93 A k t G verabschiedet, obwohl in der Zwischenzeit die Problematik erkannt worden sein dürfte. Im übrigen ist die Notwendigkeit zu betonen, Gesetze so anzuwenden, wie sie erlassen worden sind. Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren häufig strukturbedingte Mängel aufweist, die beinahe zwangsläufig zu Unstimmigkeiten führen müssen, kann die eigene (vermeintlich) bessere Einsicht Entscheidungen des geschriebenen Rechts nicht überspielen 284 . Auf der anderen Seite macht es sich derjenige, der eine Diskrepanz schlicht feststellt, sehr einfach und zeigt indirekt, daß die Bedeutung der Entlastungserteilung offenbar nicht im Schadensersatzbereich liegt: Wäre es anders und drohten den Betroffenen tatsächlich schwerwiegende Nachteile, hätte man zu ihrem Schutz sicher nach tragfähigen Konstruktionen gesucht. Die klaglose Übernahme aktienrechtlicher Regelungen für die Behandlung von GmbHOrganen, an deren grundsätzlicher Stellung die Einführung der Mitbestimmung nichts geändert haben soll 2 8 5 , verwundert auch deshalb, weil in der sonstigen Diskussion immer wieder auf die Strukturunterschiede zwischen 280
Zu den Ungereimtheiten siehe oben auch Einführung. Wunsch, NJW 1957, 1307 (1308); Bergmann, NJW 1953, 81 (83); vgl. auch Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 52 Rdnr. 361. 282 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 52 Rdnr. 121; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 52 Rdnr. 122. 283 Wunsch, NJW 1957, 1307 (1308). 284 Vgl. auch Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (255). 281
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Aktiengesellschaft und GmbH verwiesen wird, die übereinstimmende Déchargefolgen angeblich nicht zuließen 286 . Die Forderung nach einem einheitlichen Entlastungsbegriff 287 erweist sich innerhalb der Konzeption der h.M. ebenfalls als argumentativ wenig abgesichert, wenn es schon innerhalb eines Verbandes zu unterschiedlichen Weiterungen der Entlastung kommen kann. Aufzugreifen ist aber der Hinweis auf die Notwendigkeit, Gesellschaftsorgane in Haftungsfragen gleichzubehandeln288 und sie nicht willkürlich anmutenden Abweichungen zu unterwerfen, zumal dann, wenn sich die jeweiligen Aufgabenstellungen kaum unterscheiden. Nur führt die Untersuchung zu einem anderen Ergebnis als dem, das von anderen 289 mit dieser Argumentation begründet wird: Nicht die Benachteiligung einiger ist unzulässig, die Privilegierung der übrigen ist vielmehr unangebracht. Die Entlastung hat für niemanden Verzichts Wirkung. 4. Praktische und funktionale Bedeutung des Verzichtseffekts Eine genauere Untersuchung verdient die Frage nach der praktischen Bedeutung der allgemein angenommenen Verzichts Wirkung. Oder anders: Kann der Verzichtseffekt einer Entlastung den ihm zugewiesenen Zweck, befriedend auf die Beteiligten zu wirken, überhaupt erfüllen? Die These ist, die Déchargeerteilung habe die Aufgabe, einen bestimmten Komplex von Geschäftsführungsmaßnahmen zwischen Organwaltern und Verbandsmitgliedern ein für allemal außer Streit zu stellen 290 . Mögliche Ersatzforderungen müßten deshalb entfallen, klare Verhältnisse ohne Rücksicht auf die wirkliche Rechtslage geschaffen werden 291 . Um diese Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen zu können, ist es hilfreich, sich am Beispiel einer GmbH die folgenden Tatsachen zu vergegenwärtigen: 285 Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, §52 Rdnr. 31; Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 37 Rdnr. 39ff.; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 52 Rdnr. 4; Roth, GmbHG, § 37 Anm. 2.4. 286 Siehe oben 2. 287 Buchner, GmbHR 1988, 9; Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 39ff.; vgl. auch Brox, BB 1960, 1226 (1229). 288 Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, S. 210. 289 Wunsch, NJW 1957, 1307 (1308); Bergmann, NJW 1953, 81 (83); Voormann, aaO., S. 210. 290 Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (206); Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 33; Schifferer, Die Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft, S. 6f.; Boeters, JW 1920, 699; Flechtheim, JW 1920, 700; A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (190); Baumbach / Duden / Hopt, HGB, § 114 Anm. 3d. 29 1 RG JW 1926, 2904; RG DR 1941, 506 (507).
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Für den normalen Entlastungssachverhalt spielt der Verzichtseffekt keine Rolle, denn es gibt, wenn die Verwaltung korrekt gehandelt hat, nichts, worum Streit entstehen könnte. Sind der Gesellschaft durch das Verhalten der Geschäftsführer Schäden entstanden, haften sie dieser, auch wenn sie bei der Aufgabenerledigung nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§43 Abs. 1 GmbHG) angewendet hatten, nicht in jedem Fall. Die Abhängigkeit der GmbH-Geschäftsleiter von den Weisungen der Gesellschaftergesamtheit hat auch ihre Kehrseite. Führen jene fehlerfrei nur das aus, wozu diese sie ordnungsgemäß angehalten hat, und läuft etwas schief, ist eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG nur ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn eine gesetzeswidrige Anweisung befolgt worden war 2 9 2 . - Unabhängig davon entfällt eine Einstandspflicht auch als Folge einer nachträglichen Genehmigung 293 . Haftungsbewehrte Fehler können den Geschäftsführern also in erster Linie im weisungsfreien Bereich unterlaufen, dann, wenn sich die Gesellschafter auf die Formulierung grobleitender Zielvorgaben beschränken und deren konkrete Umsetzung dem eigenverantwortlichen Gutdünken der Organwalter überlassen. Solche einmal entstandenen Schadensersatzforderungen gehen nach allgemeiner Ansicht infolge eines Entlastungsbeschlusses dann nicht unter, wenn dies zu einer Aufzehrung der vom Gesetz garantierten Kapitalmindestausstattung der Gesellschaft führte. Die Ansprüche aus §§43 Abs. 3, 9b Abs. 1, 30, 31 GmbHG sind im Interesse der Gesellschaftsgläubiger unverzichtbar 294 . Nur die danach noch verbleibenden Ausgleichsansprüche können demnach theoretisch von einer Verzichtsfolge der Déchargeerteilung erfaßt werden. Sollte einer Entlastung tatsächlich die Funktion zukommen, die Haftungslage zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft endgültig zu klären, müßten konsequenterweise eigentlich sämtliche Forderungen ihre Durchsetzbarkeit verlieren, unabhängig davon, ob die Pflichtverstöße erkennbar waren oder nicht. Denn Streit entsteht normalerweise nicht vor, sondern nach einem Déchargebeschluß, wenn schadensgeneigte Sachverhalte übersehen worden waren. Das zeigt exemplarisch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. April 1986 295 , in der die (widerklagende) Gesellschaft versuchte, die „anerkannten" Folgen einer Entlastungserteilung über eine bereicherungsrechtliche (§§ 812 ff 292 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rdnr. 25; Fleck, GmbHR 1974, 224 (226); Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 95. 293 BGHZ 75, 321 (326); Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 43 Rdnr. 86. 294 Vgl. nur BGH WM 1986, 789 (790); BGHZ 97, 382 (389); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 95; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 26; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rdnr. 12. 295 BGHZ 97, 382.
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BGB) Rückforderung dessen, was der Geschäftsführer infolge des vermeintlichen Verzichtseffekts erlangt hatte (ein überhöhtes Gehalt), zu unterlaufen. Das konnte auf der Basis der h.M. nicht erlaubt sein: Erkennt man eine Verzichtswirkung an, müssen folgerichtig sämtliche zivilrechtlichen Rückforderungsrechte ausgeschlossen sein, sofern die schadensstiftende Handlung auf Maßnahmen der Geschäftsführung beruht 296 . Die h.M. umgeht die unter Umständen fatalen Folgen einer umfassenden Verzichts Wirkung, indem sie diese auf das beschränkt, was bei sorgfältiger Prüfung erkennbar war. Das ist zwar kein feststehender und damit zweifelsfrei handhabbarer Maßstab: Zum einen gibt es nicht einen „Durchschnittsgesellschafter", dessen Erkenntnisfähigkeit als Anhalt dienen könnte 2 9 7 , zum anderen nimmt die Schwierigkeit, Sachverhalte präzise aufzuklären, proportional zur abgelaufenen Zeit zu 2 9 8 . Der spezielle Vorteil dieser Methode liegt jedoch darin, im Einzelfall einigermaßen flexibel festlegen zu können, wem die Last eines Schadens letztlich aufgebürdet werden soll, dem Organwalter oder dem Verband. Als Beispiel dafür sei die bereits erwähnte Entscheidung 299 des Bundesgerichtshofs genannt, in der es um die (im Ergebnis verneinte) Fähigkeit von Apothekern ging, Geldleistungen in sechsstelliger Höhe (789.009,70 D M ) an ein ehemaliges Mitglied des Vereinsvorstands, das ehrenamtlich relativ schlichte Verwaltungstätigkeiten erledigte, als unzulässige Vergütung zu erkennen 300 . Konstruktionsbedingter Nachteil dieses Ansatzes ist, daß die präsumtive Aufgabe der Entlastung, die Haftungssituation zwischen Organmitglied und Verband ein für allemal zu bereinigen, gerade nicht erreicht wird. Denn die Auseinandersetzungen beginnen dort, wo sie eigentlich vermieden werden sollten: in Zweifelsfällen. Wichtig ist der Verzichtseffekt nicht in Situationen, in denen das Entlastungsorgan die Ersatzansprüche kennt. Hier ist die Alternative Entlastungsverweigerung 301 oder Entlastungserteilung mit der Folge, wegen des Verbots eines unzulässigen Selbstwiderspruchs auf Pflichtverstöße nicht mehr zurückkommen zu dürfen, klar. Hier entsteht in der Regel ex post kein Streit. Anders bei nur erkennbaren Fehlern. Dort erfolgt die Entlastungserteilung in der Annahme, daß nichts passiert sei 302 . Stellt sich später das Gegenteil heraus, kann von Streitvermeidung nicht die Rede sein. Viel296 BGH aaO.; vgl. auch Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 99; RowedderKoppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 23. 297 So schon Ritter, AktG, § 104 Anm. 2a; Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 11; vgl. auch Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 195. 298 Buchner, GmbHR 1988, 9 (12); vgl. auch Schuler, NJW 1960, 601 (605). 299 Siehe oben I. 300 BGH WM 1988, 531 („Apotheker"). 301 Anschaulich BGHZ 94, 324. 302 Vgl. Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 91. 7 Barner
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mehr fordert man entweder den erlangten Vermögensvorteil zurück 303 oder man leugnet die Erkennbarkeit des Pflichtverstoßes 304. Damit kommen gerade die für die Geschäftsführer „interessanten" Sachverhalte, über die die Gesellschafterversammlung nicht umfassend informiert wurde, nicht in den Genuß der befriedenden Entlastungseffekte. Man könnte natürlich einwenden, es stehe dem Organwalter frei, durch eigene rückhaltlose Offenheit den Umfang der Verzichtswirkung selbst zu bestimmen 305 . Das leuchtet abstrakt zwar ein. In der Realität wird sich der Betreffende jedoch des Risikos einer bei zu genauer Information drohenden Entlastungsverweigerung bewußt sein und es, zumal bei unklaren Sachverhalten, in denen der schmale Grat zwischen noch erlaubtem und schon verbotenem Wagnis nicht klar auszumachen ist, eher vorziehen, auf sein Glück zu vertrauen, als möglicherweise vorzeitig die Pferde scheu zu machen. Der Verzichtseffekt greift also so, wie ihn die h.M. versteht, lediglich in wenigen Fällen. Er kann die ihm zugedachte Funktion, Streit zwischen dem entlasteten Organmitglied und dem Verband über die Aufgabenerledigung während eines längeren Geschäftsführungs- bzw. Kontrollzeitraums zu vermeiden, nur sehr bedingt erfüllen. 5. Unerwünschte Folgen des Verzichtseffekts Der dem Entlastungsbeschluß von der h . M . beigemessene anspruchsbeschränkende Effekt kann neben den für den Organwalter vorteilhaften Wirkungen fragwürdige Weiterungen im innergesellschaftlichen Machtkampf zeitigen. Das zeigt sich paradigmatisch wieder in der GmbH, wenn es, wie häufig in personalistischen Gesellschaften, zu sich verfestigenden Machtblöcken und damit verbunden zu der Gefahr einer permanenten Benachteiligung der Minderheiten kommt. Das verdeutlicht ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 1977 306 : Die (verklagte) Α-GmbH bestand aus einem klagenden Minderheits- und einem Mehrheitsstamm, der den Geschäftsführer stellte und dem zugleich die B-GmbH gehörte. Dem Geschäftsführer wurde ein Grundstück angeboten, das die Α-GmbH dringend für Produktionszwecke benötigte. Anstatt das Geschäft abzuschließen, wies dieser 307 die Β-GmbH auf die Offerte hin, die daraufhin das Grundstück erwarb und anschließend zu einem 303 BGHZ 97, 382. 304 BGH WM 1988,531. 305 BGH WM 1988, 531 (535). 306 BGH WM 1977, 361. 307 dig Kläger vortrugen und das Gericht für die Revisionsinstanz als wahr unterstellte, BGH aaO.,S. 362.
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erhöhten Zins an die Α-GmbH vermietete. Der Geschäftsführer wurde mit den Stimmen der Mehrheit gegen die der Minderheit entlastet. Der Geschäftsführer hat seine Pflicht zu sorgfältiger Geschäftsführung verletzt, § 43 Abs. 1 GmbHG. Er muß in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein deren Wohl und Wehe, nicht aber den eigenen Nutzen oder den Vorteil Dritter im Auge haben 308 . Das Grundstück wäre für die Α-GmbH anzukaufen gewesen, der Gesellschaft sind unnötige Belastungen entstanden, die der Geschäftsführer im Grundsatz auszugleichen hätte. Der Bundesgerichtshof hat der gegen den Entlastungsbeschluß gerichteten Anfechtungsklage stattgegeben, weil das kollusive Zusammenwirken von Geschäftsführer und Mehrheit einen Mißbrauch der Mehrheitsmacht zu Lasten der Minderheit bedeute 309 . Im konkreten Fall konnte den Minderheitsgesellschaftern damit zwar geholfen werden, im allgemeinen aber sind die Erfolgsaussichten solcher Klagen zweifelhaft, es sei denn, es werden (Verfahrens-)Mängel, also insbesondere Verstöße gegen Stimmverbote (§ 47 Abs. 4 GmbHG) 3 1 0 gerügt. Schon im Hinblick auf die Dauer des Rechtswegs und wegen der latenten Gefahr, durchsetzbare Ersatzforderungen gegen Organwalter infolge einer durch Zeitablauf erschwerten Aufklärbarkeit oder aufgrund von Manipulationen der Gesellschaftermehrheit zu verlieren, erscheint es demgegenüber geboten, die Entlastungserteilung in bezug auf Ausgleichsansprüche folgenlos zu lassen. Zwar können auf diese Weise mißbräuchliche Déchargebeschlûsse nicht immer verhindert werden, wenigstens aber ist das Gesellschaftsvermögen vor weiteren mit dem Fehlverhalten zusammenhängenden Gefährdungen zunächst geschützt. Auch wenn es zur konkreten Inanspruchnahme des pflichtvergessenen Geschäftsleiters eines (möglicherweise ebenfalls nur klageweise zu erreichenden) Gesellschafterbeschlusses bedarf, § 46 Nr. 8 GmbHG, dürfte davon unabhängig schon die drohende Möglichkeit, belangt zu werden, das Pflichtbewußtsein des Organmitglieds stärken. Auch der Eingangsfall 2 3 1 1 macht mögliche problematische Folgen des hergebrachten Ansatzes deutlich. Um den Kommanditisten einen „bestandssicheren" Ersatzanspruch zu verschaffen, bemüht der Bundesgerichtshof dann, wenn die Geschäftsführung für die Kommanditgesellschaft die Hauptaufgabe der GmbH ist, den „Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte": Der zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsleiter geschlossene schuldrechtliche Anstellungs308
BGH WM 1967, 679. 09 BGH WM 1977, 361 (363). 310 Dazu oben Kap. 1, III, 4 b). 311 Oben Einführung. 3
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vertrag erfasse auch die KG, da sie gleichsam unmittelbares Opfer möglichen Fehlverhaltens sei 312 . Dieser Weg mag im Einzelfall taugen. Hat das Ergebnis zwar Zustimmung gefunden 313 , weckt Bedenken doch die Methode, eine ihrer Natur nach eher schillernde Rechtsfigur auf Sachverhalte anzuwenden, die ihrerseits infolge der den Gesellschaftern in hohem Maß eingeräumten Gestaltungsfreiheit vielgestaltig sind und so stark variieren, daß eine klare verallgemeinerungsfähige Subsumtion fast unmöglich ist 3 1 4 . Darüber hinaus sind Fragen offen. Unentschieden ist, ob ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte noch angenommen werden kann, wenn die GmbH neben der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft noch einem eigenen Tätigkeitsbereich nachgeht oder, wie im Beispiel, Komplementärin in mehreren GmbH & Co.KGen ist. Dann kann von einer besonderen Nähebeziehung zu einer einzelnen Gesellschaft kaum die Rede sein. Hier müssen unzulässige Überdehnungen des Rechtsinstituts verhindert werden. Weiterhelfen kann die Konstruktion auch nicht, wenn der Geschäftsführer ohne Anstellungsvertrag arbeitet oder dieser zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, als die Kommanditgesellschaft noch nicht existierte: Dann braucht sich der Organwalter auf eine Erweiterung seiner Einstandspflicht nicht einzulassen315. Aber auch die Lösungsansätze, die als Haftungsgrundlage nicht auf die schuldrechtliche Anstellungsabrede zurückgreifen wollen, sind Einwänden ausgesetzt. Erstreckt man die in § 43 Abs. 1 GmbHG angeordnete Einstandspflicht des Geschäftsführers auf die Kommanditgesellschaft als Unternehmensträgerin - sei es durch eine Fortentwicklung dieser Norm 3 1 6 , sei es durch die Annahme von „Organpflichten mit Schutzwirkung für Dritte" 3 1 7 - , werden die konstruktionsbedingten Schwierigkeiten bei der Anwendung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte zwar teilweise vermieden, des Nachweises eines schadensersatzbewehrten Sonderrechtsverhältnisses zwischen Organwalter und GmbH & Co.KG ist man damit aber nicht enthoben. Mag das für die GmbH, die Geschäftsleiterin nur einer Kommanditgesellschaft ist, noch ohne weiteres gelingen, ergeben sich, falls das nicht so ist, dieselben Probleme wie bei der Lösung der Rechtsprechung. Vergleichbares gilt, wenn die Untersuchung des Zwecks 318 der GmbH einen direkten Anspruch der GmbH & Co.KG gegen den Geschäftsführer nicht begründen kann. 312 BGHZ 75, 321 (323). 313 Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 43 Rdnr. 263; H.P. Westermann, Anm. zu BGH, Urteil vom 28. 6. 1982 - II ZR 121/81, NJW 1982, 2869 (2870). 314 Zur Kritik am BGH siehe Einführung. 315 Hopt, ZGR 1979, 1 (14). 316 K. Schmidt, GmbHR 1984, 272 (279). 317 Brandes, WM 1987, Sonderbeilage Nr. 1, S. 7; Stimpel, AG 1986, 117 (119). 318 Vgl. Hüffer, ZGR 1981, 348 (354, 358).
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Kritisch ist gegen diese rechtsfortbildenden Ansätze insgesamt einzuwenden, daß sie sich relativ bedenkenlos über die Grundlage unserer Zivilrechtsordnung hinwegsetzen, die Rechte und Pflichten der Beteiligten einzelnen spezifischen, gegeneinander abgegrenzten Rechtsverhältnissen zuzuordnen. Eine Einheitsbetrachtung, die den mittelbaren Geschäftsleiter der Kommanditgesellschaft, den GmbH-Geschäftsführer, als den unmittelbar für das „Unternehmen" Verantwortlichen behandelt, mag zwar im Einzelfall den faktischen Verhältnissen entsprechen 319 , nur ist zweifelhaft, ob diese Tatsache ohne weiteres das Überspielen der bestehenden Rechtsbeziehungen erlaubt 320 . Den berechtigten Interessen der Kommanditisten dürfen die möglicherweise ebenso berechtigten Bedürfnisse des Geschäftsführers, nicht vor unabsehbare Haftungsrisiken gestellt zu werden, nicht a priori geopfert werden. Das gilt jedenfalls, wenn ein Gesellschaftsfremder Organwalter ist. Diese Bedenken legen das Beschreiten eines konstruktiv konservativeren Weges nahe, es im Grundsatz bei der Haftung innerhalb der jeweiligen Gesellschaft zu belassen und die Kommanditgesellschaft auf eine Pfändung und Überweisung der Ansprüche der GmbH gegen ihren Geschäftsführer zu verweisen. Das Interesse der ersteren an einer dem Einfluß der GmbH entzogenen Ersatzforderung wird befriedigt, wenn man die Entlastung von der ihr nicht per definitionem angehörenden Verzichtsfolge löst. Zwar mögen die genaue Untersuchung, ob potentiell präkludierte Ansprüche gegen den Organwalter wirklich der GmbH zustehen (und nicht der Kommanditgesellschaft), sowie die Möglichkeit, in der gesellschafteridentischen GmbH & Co.KG den Kommanditisten die Entlastungsentscheidung innerhalb der GmbH zuzurechnen 321 , im Einzelfall zu Ergebnissen führen, die dem herkömmlichen Déchargeverstândnis entsprechen und dennoch risikoangemessen sind. Gibt es jedoch Kommanditisten, die keine GmbH-Anteile halten, kann es durch den Verzichtseffekt zu schwerwiegenden Vermögensverlusten kommen, die diesen nicht zuzumuten sind. Die unter Umständen bestehende Möglichkeit, gegen Gesellschafter vorzugehen, die ihre Treuepflicht gegenüber den Kommanditisten durch eine sachlich unvertretbare, aber wirksame Entlastungserteilung verletzen 322 , sollte durch einen pfändbaren Anspruch gegen den pflichtvergessenen Geschäftsführer ergänzt werden. Auf diese Weise lassen sich die Schwierigkeiten, die sich für die h.M. als Folge ihres Entlastungsbegriffs bei der Begründung eines direkten Anspruchs der Kommanditgesellschaft gegen den GmbH-Geschäftsführer ergeben, vermeiden.
319 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, Anh. § 45 Rdnr. 8. 320 Kritisch auch Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rdnr. 54. 321 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 108. 322 Dazu Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rdnr. 57; Grunewald, BB 1981, 581 (583 ff.).
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6. Fortbestehende Bedeutung der Entlastung Das gefundene Ergebnis ist schließlich noch an den Interessen der am Décharge Vorgang Beteiligten zu messen. Können die berechtigten Belange von Entlastenden und Entlasteten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden, und behält darüber hinaus der verzichtsfolgenlose Entlastungsbeschluß auch für die lediglich mittelbar betroffene Öffentlichkeit einen hinreichenden Aussagewert? Betrachtet man zunächst die zu entlastenden Organmitglieder, so entspricht es auf den ersten Blick sicher ihren Vorstellungen, für Pflichtverstöße ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr einstehen zu müssen, von ihren Folgen befreit zu sein. Andererseits steht die Frage nach möglichem Schadensersatz über dessen tatsächliche Einforderung im Rahmen der Déchargebeschlufìfassung noch nicht entschieden wird - nicht im Mittelpunkt der inner- und außerverbandlichen Aufmerksamkeit, sondern die Alternative „Entlastungserteilung oder Entlastungsverweigerung". Entlastungsverweigerung bedeutet, zumal bei einer gewissen Verbandsgröße, für den Betroffenen fast unmittelbaren Reputations- und Autoritätsverlust innerhalb und außerhalb der Organisation 323 , den auszugleichen nur in seltenen Fällen gelingen dürfte. Hält man sich dies Faktum vor Augen, stellt sich die Frage, womit dem Organwalter mehr gedient ist: Mit einer traditionellen schadensersatzbezogenen Décharge, deren Erteilung bei Zufriedenheit im übrigen wegen eines einzelnen Fehlers oder sogar nur der Möglichkeit eines solchen zu scheitern droht 3 2 4 , oder mit einer Vertrauenskundgabe, die zwar ein „Sich-verantworten-müssen" nicht vollkommen ausschließt, die dem Betroffenen aber die Vorteile einer zustimmenden Gesamtbeurteilung beläßt. Es dürfte für Verwaltungsmitglieder sinnvoller sein, öffentlich entlastet zu werden und unter Umständen Ersatz zu leisten, als öffentlich blamiert dazustehen und außerdem noch zahlen zu müssen. Auf die Würdelosigkeit der Situation, in Zweifelsfällen das Entlastungsorgan nur in einem die Déchargeerteilung nicht gefährdenden Maß zu informieren, wurde bereits oben hingewiesen 325 . Der schadensersatzneutrale Entlastungsbegriff befreit das Entlastungsorgan aus dem Zwiespalt, einzelnes Versagen gegen ordnungsgemäßes Verlialten im übrigen stellen und mit möglicherweise zufälligem Ergebnis gegeneinander abwägen zu müssen. Es kann vielmehr unbelastet von der Frage nach Schadensausgleich das Für und Wider der während der Entlastungsperiode von den Verwaltungsmitgliedern geleisteten Arbeit bedenken und eine zusammenfassende Bewertung abgeben. Darüber hinaus ist es möglich, in Situationen, in denen das Verbandsinteresse aus der Notwendigkeit eines demonstra323 Schüler, AG 1960, 1 (3). 324 Das zeigt anschaulich BGHZ 94, 324. 325 Siehe IV, 2 a), (1).
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tiven Einigkeitsbeweises heraus eine „politische Entlastung" gebietet, diese zu gewähren, ohne damit den Begünstigten einen unangemessenen Vorteil zu verschaffen. Die verzichtsfolgenlose Décharge behält damit ihre Funktion und ihre Bedeutung. Das zeigt auch ein Blick auf die Situation in der Aktiengesellschaft. Obwohl dort die Entlastung unbestreitbar weitgehend keine unmittelbaren materiellen Rechtswirkungen hat, sind die psychologisch-außerrechtlichen Folgen einer öffentlichen Vertrauenskundgabe gar nicht hoch genug einzuschätzen326. Die Akzentverschiebung der Entlastungsaussage von der Frage nach Schadensersatz in Richtung einer Manifestation und Demonstration innerverbandlicher Geschlossenheit327 ist der Verwaltung zugute gekommen 3 2 8 , die durch den DéchargebeschluB ein deutliches Signal der Bestätigung und eine Aufforderung zur konsequenten Weiterverfolgung der eingeschlagenen Geschäftspolitik erhält. Gerade diese Aussagengewichtung macht auch in der Öffentlichkeit die Bedeutung der Entlastungserteilung bzw. der Entlastungsverweigerung aus. Die aktienrechtliche Entlastung ist (abwertend) als eine Art besonderes Nervenstärkungsmittel 329 für den Vorstand und den Aufsichtsrat bezeichnet worden, als A k t der Courtoisie 330 , der zwar Ansehen, Arbeitsfreude, Selbstvertrauen und Unternehmungsgeist der Betroffenen stärken könne 3 3 1 , im übrigen aber folgenlos und eher sinnlos sei 332 : Entlastung als platonische Vertrauenserklärung ohne haftungsrechtliche Konsequenzen 333 . Was dort als Kritik gemeint ist, erweist sich hier nach eingehender Analyse der beteiligten Interessen als Vorzug und gibt den entscheidenden Hinweis für die zutreffende rechtliche Einordnung des Déchargeinstituts. Plato steht nach christlich-abendländischem Verständnis für den bevorzugten Einsatz der Vernunft bei der Lösung anstehender Probleme. Andere, nicht platonische, tendenziell „sündhafte" Grundlagen menschlichen Tuns sollen demgegenüber zurückgedrängt werden. Auch wenn heute die Sinnhaftigkeit dieser Begriffe und Benennungen bezweifelt werden kann, das Verbandsrecht sollte Plato und damit der ratio den Vorrang geben.
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Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 3; Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 25; zurückhaltend Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 1. 327 Koch, AG 1969, 1 (2). 328 Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 2, S. 319. 329 Brox, BB 1960, 1226 (1228). 330 Heuer, GmbHR 1951, 151. 331 Schuler, NJW 1960, 601 (602); ders., AG 1960, 1 (3). 332 Buchner, GmbHR 1988, 9 (10). 333 Breit, Anm. zu RG JW 1917, 657 (658); Schönle, ZHR 126 (1964), 199 (220).
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Kapitel 2: Entlastungserteilung - Verzichtswirkung
V I I I . Endergebnis Die Entlastungserteilung hat im Grundsatz keine Auswirkung auf Schadensersatzansprüche des Verbandes gegen seine Organmitglieder. Das gilt auch, wenn die Entscheidung ohne Gegenstimme ergeht. Denn auch der einstimmige DéchargebeschluB bleibt ein zusammenfassendes, retrospektives Werturteil und eine zukunftsgerichtete Vertrauenserklärung. Einen direkten Bezug zu Ausgleichsforderungen hat er nicht. Nur ausnahmsweise, wenn im Einzelfall in Ansehung konkret erkannter Pflichtverstöße entlastet wird, setzt das Verbandsorgan ein Zeichen, an dem es sich später festhalten lassen muß. Der Entlastete darf darauf vertrauen, wegen dieser Vorfälle nicht mehr belangt zu werden, § 242 BGB. Sollen im übrigen Organwalter von Ansprüchen freigestellt werden, ist dies nur auf rechtsgeschäftlichem Weg zu erreichen. Die Beteiligten müssen einen entsprechenden Vertrag - Erlaßvertrag, negatives Schuldanerkenntnis, Bereinigungsvertrag - schließen. Praktische Schwierigkeiten bestehen nicht. Wurden während der Entlastungsperiode keine Fehler gemacht oder sind die Verbandsmitglieder im allgemeinen mit dem Tun der Geschäftsführer einverstanden, wird es, zumal in kleineren Gesellschaften, ohne weiteres möglich sein, eine entsprechende Vereinbarung zusammen oder im Anschluß an den Entlastungsbeschluß zu treffen. Der hier gewählte Ansatz ermöglicht es, einen Entlastungsbegriff zu bilden, der bruchlos für sämtliche Verbandsformen Anwendung finden kann. Die aktienrechtliche Décharge verliert ihre Sonderstellung. Eine Besonderheit besteht nur insoweit, als wegen der gesetzlichen Bestimmungen des § 93 Abs. 4 A k t G anders als in den anderen Verbänden auch nicht „gezielt" anläßlich einer Entlastung auf Ansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat verzichtet werden kann; ebenso wenig kommt § 242 BGB zur Anwendung. Der Entlastungsvorgang hat klare Konturen. Die jeweiligen Entscheidungsgegenstände - Bewertung einer Gesamtleistung zum einen, Behandlung einer Ersatzforderung zum anderen - sind klar voneinander geschieden. Über die Décharge kann unbelastet von Erwägungen über mögliche finanzielle Konsequenzen entschieden werden, im Falle eines Vertragsschlusses wissen die Parteien genau, was sie tun. Der Entlastungsvorgang verliert weitgehend den Aspekt eines Gnadenerlasses, jeder Streit darüber, welche Vorgänge im Entscheidungszeitpunkt erkennbar waren und welche nicht, ist ausgeschlossen. Die Gefahr, mit Fiktionen zu arbeiten, ist gebannt. Der Entlastungsbeschluß kann seine psychologisch-tatsächliche Bedeutung für die Stellung des Organmitglieds innerhalb und außerhalb des Verbandes umfassend entfalten, da er von Belastungen befreit ist, die ihm nicht von seinem Wesen her angehören.
Kapitel 3
Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Stellung der Entlastungsempfänger als Organwalter/Angestellte des Verbandes Entlastung ist somit Billigungserklärung und Vertrauenskundgabe. Erklären sich die Mitglieder eines Verbandes, wie pauschal auch immer, mit der Art einverstanden, wie die Verantwortlichen ihre Aufgaben während der Déchargeperiode erfüllt haben, so kann diese Tatsache, wenn die Entlasteten schon nicht aus der Verantwortung für schädigendes Verhalten entlassen werden, doch Auswirkungen auf ihre allgemeine Rechtsstellung haben. Es stellt sich damit die Frage, ob sich die Entlastung im rein tatsächlichen erschöpft, oder ob sie unter Umständen auch die Position der Betroffenen sowohl als Organwalter als auch als Angestellte des Verbandes zu beeinflussen vermag. In Aktiengesellschaft, GmbH und Genossenschaft wird das Organverhältnis der geschäftsführenden Personen von einem parallellaufenden Anstellungsverhältnis begleitet, das neben der Hauptpflicht zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Organaufgaben die schuldrechtliche Stellung des Betroffenen zur Gesamtorganisation regelt 1 , meist als Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag ausgestaltet ist und insbesondere Fragen der Höhe der Bezüge und sonstiger Leistungen sowie andere personenbezogene Angelegenheiten behandelt. Für die Stellung der Mitglieder der Überwachungs- und anderer Organe gilt im Prinzip dasselbe. Auch im Verein und in Personengesellschaften sind derartige Gestaltungen möglich. Beide Rechtsverhältnisse sind im Prinzip voneinander unabhängig2, insbesondere braucht das Ende des einen nicht zwangsläufig das des anderen nach sich zu ziehen3.
1
Vgl. Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 34f.; Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 35 Rdnr. 112ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II, S. 617. 2 Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, § 84 Anm. 40. 3 Baumbach / Hueck, AktG, § 84 Rdnr. 12; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 172.
106 Kapitel 3: Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
I. Aktiengesellschaft 1. Vorstand a) Organverhältnis Welche Konsequenzen hat die Décharge für das Organverhältnis des Vorstands einer Aktiengesellschaft? Über die Folgen einer Entlastungserteilung gibt § 120 Abs. 3 Satz 2 A k t G nur negative Auskunft: Mögliche Ersatzansprüche bleiben unberührt. Sonstige Auswirkungen werden nicht erwähnt. Zunächst ist selbstverständlich die Hauptversammlung gehindert, Vorgänge, die von der Décharge bewußt umfaßt wurden, nunmehr zum Anlaß eines Mißtrauensvotums zu nehmen. Das ergibt sich aus dem Verbot des venire contra factum proprium 4 . Interessanter ist die Frage nach einer möglichen Wirkung des Entlastungsbeschlusses im Dreiecksverhältnis Vorstand Aufsichtsrat - Hauptversammlung. § 84 Abs. 3 Satz 2 A k t G macht es dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft möglich, einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung zum Anlaß für die Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund zu nehmen5. Eine solche Mißtrauenskundgabe kann auch in der Verweigerung der Entlastung liegen6. Fraglich ist nun, ob umgekehrt ein Vertrauensbeweis durch die Aktionäre den Aufsichtsrat hindern kann, die Bestellung der Organwalter zu widerrufen. Ausgangspunkt der Überlegungen muß die uneinschränkbare, eigene, selbstgenügsame Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des Aufsichtsrats hinsichtlich der den Vorstand betreffenden Fragen sein7. Der Aufsichtsrat ist dazu berufen, sich eigenverantwortlich über die Maßnahmen klar zu werden, die nötig erscheinen, um der Gesellschaft eine möglichst effektive Geschäftsführung zu erhalten 8 . Diesen Entscheidungsspielraum können für sich genommen weder die Entlastungsverweigerung noch die Entlastungserteilung absolut eingrenzen. Die Déchargeerteilung ist deshalb a priori kein die Abberufung sperrender Beschluß der Hauptversammlung 9. Auf der anderen Seite ist, wie sich schon aus § 84 Abs. 3 Satz 2 A k t G ergibt, die Position des weitgehend autonom handelnden Vorstands im starken Maß auch gerade von
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LG Darmstadt AG 1987, 318 (319); Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 24. 5 Andere „wichtige" Gründe i.S. dieser Vorschrift bleiben hier unbehandelt. 6 Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 72; Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, § 84 Anm. 35. ι BGHZ 13, 188 (193); WM 1956, 1182; Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 61. 8 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 6. 9 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 28; vgl. aber auch Obermüller / Werner / Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 220f.
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dem Vertrauen der Anteilseigner abhängig 10 , wie zweifelhaft auch immer die Entstehung eines solchen Vertrauensverhältnisses in der Massengesellschaft sein mag 11 . Haben die Aktionäre ihr Einverständnis signalisiert, wird der Aufsichtsrat daran nicht vorbeigehen, zumal seine Mitglieder selbst von der Hauptversammlung (oder nach den Mitbestimmungsgesetzen) gewählt bzw. von Aktionärsgruppen entsandt werden, § 101 Abs. 1 AktG. Auch zeigt der Wortlaut des § 84 Abs. 3 Satz 2 A k t G das Bemühen des Gesetzgebers, die Verwaltung der Aktiengesellschaft nicht in zu starke Abhängigkeit vom Aufsichtsrat geraten zu lassen: Ihre Abberufung ist nur möglich, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Satzungsbestimmungen, die dem Auf sichtsrat ein uneingeschränktes Widerrufsrecht einräumen, sind unwirksam 12 . Eine indirekte Bindungswirkung wird eine Entlastungserteilung also haben 13 . Das ergibt sich auch aus der Ähnlichkeit der Entscheidungsfindung in beiden Fällen. Widerrufsbeschluß und Entlastungsbeschluß sind das Ergebnis abwägender Beurteilung vergangenen Verhaltens und zwar in der Regel desselben vergangenen Tuns. Zwar mag es in der Einschätzung einzelner Vorgänge Abweichungen geben. Der Aufsichtsrat ist permanent mit der Überwachung der Geschäftsführung befaßt, §§111, 90 AktG, während sich die Hauptversammlung lediglich aufgrund zusammenfassender Berichte und eigener Nachfragen ein Urteil zu bilden hat. Es erscheint für den Normalfall jedoch schlechterdings kaum möglich, Sachverhalte, die beiden Organen gleichermaßen bekannt waren, und die von den Anteilseignern, den wirtschaftlichen Eigentümern des Unternehmens, als „verzeihbar" oder als nicht übermäßig schwerwiegend bewertet worden sind, nunmehr zum Anlaß der genau gegenteiligen Einschätzung zu nehmen 14 . Dies gilt um so mehr, als der Aufsichtsrat die Aktionäre auf seine Bedenken hätte hinweisen können und müssen. Die Entlastungserteilung durch die Hauptversammlung erfolgt im Normalfall auf Empfehlung des Aufsichtsrats. Hat sich dieser für eine Décharge ausgesprochen, kann der Vorstand darauf vertrauen, daß dasselbe Gremium nicht die Gründe, in deren Kenntnis es seine Entlastung befürwortet hat, später zum Anlaß für seine Abberufung nimmt 1 5 .
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Baumbach / Hueck, AktG, § 84 Rdnr. 14. Kritisch dazu Duden, BB 1961, 225 (226); vgl. auch Dietel, Der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied bei Vertrauensentzug der Hauptversammlung, S. 40ff. 12 Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 67. ι 3 A.A. Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 113. 14 Schmidt / Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, 2. Aufl. 1961, § 104 Anm. 2 a; Teichmann-Köhler, AktG, 3. Aufl. 1950, § 104 Anm. 2 b; vgl. auch Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 28. 15 LG Darmstadt AG 1987, 318 (320). 11
108 Kapitel 3: Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
Es sind aber zwei Einschränkungen zu machen: Die erste betrifft die Natur des Vertrauens als die einer (flüchtigen) Regung zwischen „Hoffnung und Zuversicht" 16 und ist deshalb allgemeiner Art. Zwar ist es nicht leicht, Vertrauen zu gewinnen, aber desto einfacher, es wieder zu verlieren. Kann ein billigendes Einverständnis schon durch Ereignisse erschüttert werden, die zwar nicht in die Entlastungsperiode, aber noch vor die Entlastungsbeschlußfassung fallen 17 , so ist dies erst recht möglich, wenn nach dem Ende der Hauptversammlung eine Veränderung der Lage zum Schlechteren eintritt und den Aufsichtsrat zum Handeln zwingt. Denn auch wenn der Billigungs- und Vertrauensaspekt der Décharge eine gewisse Ausstrahlung über die Entlastungsperiode hinaus in die Zukunft hinein entwickelt 18 , so ist diese Fern Wirkung nur ein Reflex, nicht aber eine tragfähige Basis für ein Festhalten am status quo. Schon aus der rechtlichen Unzulässigkeit einer Entlastungserteilung für die zukünftige Geschäftsführung 19 folgt das Verbot einer faktischen Petrifizierung der Verwaltungsstruktur der Gesellschaft. Was ein wichtiger Grund für einen Widerruf der Bestellung ist, ergibt sich aus einer objektiven Bewertung der jeweiligen Interessen im Einzelfall. Es geht darum, ob der Gesellschaft die Amtsführung des Organwalters noch zugemutet werden kann 20 , wobei es auf ein Verschulden des Vorstandsmitglieds nicht ankommt 21 . Der zweite - speziellere - Hinweis betrifft die in ihrem Wesen zumindest teilweise auch irrationalen Komponenten des Déchargeerteilungsprozesses. Die Entlastung ist zwar ein verbandsinterner Vorgang, hat aber auch starke Wirkungen nach außen. Die spezielle und bei gewissen Gesellschaften und in einer bestimmten politisch/publizistischen Situation auch die allgemeine Öffentlichkeit nimmt die Reaktion der Verbandsmitglieder auf außergewöhnliche und herausragende Ereignisse im Leben der Gesellschaft während der Entlastungsperiode aufmerksam wahr. Als Ausdruck einer quasi öffentlichen Kontrolle hat die Décharge eine erhebliche Signalwirkung 22 . Es sind Situationen denkbar, in denen der vor der Entlastungsentscheidung auf das Unternehmen ausgeübte Druck zu einer Art „Trotzreaktion" führt und die Hauptversammlung dazu veranlaßt, einen in der Öffentlichkeit umstrittenen Vorstand aus der Überlegung eines „jetzt erst recht" heraus zu entlasten. Ein solches Vorgehen ist ζ. B. vorstellbar, wenn von der Aktiengesellschaft eine spektaku16
Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 3. RG DR 1941,2120(2123). 18 Barz in: Großkomm, zum AktG, § 120 Anm. 7; Wagner, Die Rechtsnatur der Entlastung im Gesellschaftsrecht, S. 36; Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 30. 19 Siehe oben Kap. 1, III, 4 a). 20 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 131 m.w.N. 21 BGH WM 1955, 1222; AG 1975, 242 (244)mit Anm. Mertens. 22 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 25. 17
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läre Umweltkatastrophe verursacht wurde oder wenn das Unternehmen Geschäftsbeziehungen zweifelhafter oder sogar gesetzwidriger Art ins Ausland unterhält. Ähnlich angeschlagenen Politikern, denen häufig unmittelbar vor ihrem Rücktritt noch einmal besonders eindringlich das Vertrauen von Partei und Fraktion ausgesprochen wird, wird die Verwaltung demonstrativ entlastet. Solche Bekundungen einer Nibelungentreue vermögen den Aufsichtsrat nicht der eigenverantwortlichen Entscheidung über die Abberufung des Vorstands zu entheben. In solchen Fällen kann der Entlastungsbeschluß keinerlei auch nur indirekt präjudiziellen Effekt haben. b) Anstellungsverhältnis Das Anstellungsverhältnis hat für den Betroffenen persönlich mindestens eine ebensolche Bedeutung wie seine Organposition, geht es doch neben der vertraglichen Festlegung seiner Pflichten um seine Ansprüche gegen die Gesellschaft auf Gehalt, Gewinnbeteiligung, Altersversorgungsleistungen etc., um seine existentielle Lebensgrundlage also, um alle.Rechte, die seine Stellung als Dienstverpflichteter der Gesellschaft betreffen 23 . Der Anstellungsvertrag wird üblicherweise als Dienstvertrag auf fünf Jahre 24 geschlossen, es sind aber auch andere Vertragsgestaltungen möglich, insbesondere können unter Umständen 25 auch kürzere 26 feste oder unbestimmte Laufzeiten vereinbart werden, wobei im letzteren Fall die gegenseitige Bindung fünf Jahre nicht überschreiten darf 27 , um den Auf sichtsrat nicht einem faktischen Zwang zur Wiederbestellung des Organmitglieds auszusetzen. Die Kündigung des Vertrages von Seiten der Gesellschaft obliegt ebenso wie sein Abschluß dem Auf sichtsrat oder einem Ausschuß 28 desselben. Die Déchargeerteilung könnte Auswirkungen auf die Möglichkeit des Aufsichtsrats haben, auf Vorgänge während der Entlastungsperiode zur Begründung einer Kündigung zurückzugreifen. Ist die Anstellungsvereinbarung, wie üblich, befristet geschlossen, richten sich die Kündigungsmöglichkeiten nach 23
Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 84 Rdnr. 26; Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 49; Fleck, WM 1981 Sonderbeilage 3, S. 3(6f). 24 Höchstdauer der Bestellung zum Organwalter, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. 25 Dazu Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, §84 Rdnr. 11 f.; Baumbach/ Hueck, AktG, § 84 Anm. 5. 26 Auf die Gefahren, die der vom Gesetz vorgesehenen eigenverantwortlichen, unabhängigen Stellung des Vorstands der Aktiengesellschaft bei der Vereinbarung kürzerer Vertragszeiten drohen, weist Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 118, hin. 27 § 84 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 AktG; automatische Verlängerungsklauseln sind aber möglich, § 84 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AktG; vgl. dazu Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 85. 28 § 107 Abs. 3 AktG; dazu einschränkend BGHZ 79, 38; Säcker, BB 1981, 1321 (1322); vgl. auch Semler, AG 1988, 60 (61f.).
110 Kapitel 3: Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
§ 626 BGB, wie sich aus § 84 Abs. 3 Satz 5 A k t G ergibt, der auf die „allgemeinen" Vorschriften verweist 29 . Nach § 626 Abs. 1 BGB kann der Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt werden. Dies hat innerhalb von zwei Wochen, nachdem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfahren hat, zu geschehen, § 626 Abs. 2 BGB. Es kommt auf eine umfassende Kenntnis aller einschlägigen Sachverhaltselemente an: Sind noch Ermittlungen zur Aufklärung des Geschehensablaufs nötig, läuft die Frist nicht 30 . Die Kürze dieses Zeitraums führt im Hinblick auf die grundsätzliche Unabhängigkeit von Organ- und Anstellungsverhältnis zwar nicht zu einer rechtlichen Begrenzung der Abberufungsmöglichkeiten, faktisch ist der Handlungsspielraum des Aufsichtsrats jedoch eingeschränkt, wenn er bei Fristüberschreitung, die besonders in mitbestimmten Gesellschaften wegen des komplizierten Verfahrens nach § 31 MitbestG drohen, das Vorstandsmitglied nur noch bei Weiterzahlung der Bezüge aus dem Amt entfernen kann 31 . Im Ergebnis kann die Frage nach möglichen Auswirkungen des Déchargebeschlusses praktische Bedeutung in bezug auf Ereignisse gewinnen, die in einen Zeitraum von höchstens zwei Wochen vor der Entlastungsentscheidung fallen. Nach dem Trennungsgrundsatz sind Widerruf der Organstellung und außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags scharf zu unterscheiden 32. „Wichtiger Grund" im Sinn des § 84 Abs. 3 A k t G ist nicht notwendig „wichtiger Grund" im Sinn des § 626 Abs. 2 BGB. Zwar ermöglicht ein Sachverhalt, der eine fristlose Kündigung erlaubt, allemal auch die Abberufung aus der Organstellung 33 . Das gilt aber nicht unbedingt umgekehrt 34 . Kommt es für § 84 Abs. 3 A k t G auf die Interessenlage der Gesellschaft an, ist im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB zu untersuchen, ob dem Verband die Weitergewährung der Vergütung und der sonstigen Leistungen (ohne entsprechende Dienstleistungen des Vertragspartners) zuzumuten ist. Die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung wird besonders deutlich in Fällen, in denen die Abberu29
Bei auf unbestimmte Dauer geschlossenen Anstellungsverträgen ist im Grundsatz auch die ordentliche Kündigung nach §§ 620 Abs. 2, 621 BGB möglich, Baumbach / Hueck, AktG, § 84 Anm. 18; Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 85; kritisch dazu unter Hinweis auf die vom Gesetz intendierte Unabhängigkeit des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat, Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 181. 30 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 125 IV 4, S. 857f.; Schwerdtner in: MünchKomm., BGB, § 626 Rdnr. 143. 31 Meyer-Landrut in: Festschr.f. Robert Fischer, S. 477 (484); deshalb schlägt Martens in: Festschr. f. Winfried Werner, S. 495 (514), vor, bei einem Vorrang des Organgegenüber des Anstellungsverhältnis die Frist des § 626 Abs. 2 BGB erst mit dem Zeitpunkt des Widerrufs der Organstellung in Gang zu setzen. 32 Schwerdtner in: MünchKomm., BGB, § 626 Rdnr. 14; Meyer-Landrut in: Großkomm. zum AktG, § 84 Anm. 40. 33 Flume, „Juristische Person", BGB, S. 348; Krieger, Personalentscheidungen des Auf sichtsrats, S. 176; Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 84 Rdnr. 58. 34 BGHZ 15, 71 (75); WM 1966, 968 (969); Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 83.
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fung aus Gründen erfolgt, die nicht unmittelbar in der Person des Betroffenen liegen, etwa weil die vom Vorstand betriebene Geschäftspolitik als nicht optimal empfunden wird oder es zu Reibungsverluste erzeugenden Mißhelligkeiten zwischen einzelnen Mitgliedern des Managements gekommen ist. Mag die Entfernung aus dem Amt gerechtfertigt sein, die fristlose Beendigung des schuldrechtlichen Vertrages wäre es nicht. Im Zusammenhang mit der Entlastungserteilung interessieren hier solche Fallkonstellationen, bei denen die Gründe für die außerplanmäßige Verkürzung der Vorstandsmitgliedschaft im Prinzip auch eine fristlose Kündigung der Anstellung erlaubten. Hätte in dem oben gebildeten Beispielsfall der Vorstand den Aufsichtsrat über die zweifelhaften, den Ruf der Gesellschaft gefährdenden Auslandsgeschäfte gar nicht oder nur unzureichend informiert und damit seine Pflicht zur unbedingten Offenheit diesem Gremium gegenüber verletzt 35 , läge im Grundsatz ein „wichtiger Grund" im Sinne beider Normen, des § 84 Abs. 3 A k t G ebenso wie des § 626 Abs. 1 BGB vor 3 6 . Ähnlich wäre zu entscheiden, wenn der Vorstand z.B. die von ihm im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung zu berücksichtigen Arbeitnehmerinteressen 37 massiv vernachlässigte. Auch hier könnte der Auf sichtsrat, zumal derjenige der mitbestimmten Aktiengesellschaft, grundsätzlich abberufen und kündigen. Wird der Vorstand in einer solchen Situation entlastet, kann dies nicht ohne Auswirkungen auf die Kündigungsmöglichkeiten des Anstellungsvertrages bleiben. Dies gilt unabhängig davon, daß der Aufsichtsrat den Betroffenen, wenn er sich trotz der Entlastung zu einer Abberufung entschließt, häufig lieber die Bezüge belassen wird, als das Risiko noch größerer publizistischer Aufmerksamkeit zu laufen 38 . Vielmehr folgt die Einschränkung des Kündigungsrechts aus dem Charakter der Décharge als primär verbandsinnenpolitischem Zustimmungs- und Vertrauensakt. Die Anstellungsabrede regelt das Innenverhältnis zwischen Verband und Organwalter. Ob es außerplanmäßig aufgelöst werden kann, ist nach einer Abwägung der widerstreitenden subjektiven Interessen zu entscheiden. Entlasten die Verbandsmitglieder den pflichtwidrig handelnden Vorstand, geben sie damit zu erkennen, daß sie das Verhalten der Geschäftsführenden für im Ergebnis tolerierbar halten. Die im Rahmen der Kündigungsprüfung notwendig vorzunehmende Perspektivenverschiebung von der objektiven Gesamtschau zur abwägenden Individualbetrachtung führt zu einer stärkeren „Bindungswirkung" des Ergebnisses des Entlastungsentscheidungsprozesses. Zwar liegt es im Interesse der Gesell35
Geßler-Hefermehl, AktG, § 84 Rdnr. 56. Β GHZ 20, 239 (249); hätte der Aufsichtsrat dagegen die Geschäftspraktiken des Vorstands toleriert oder gebilligt, schiede eine Kündigung des Anstellungsvertrages aus, Martens in: Festschr. f. Winfried Werner, S. 495 (512). 37 Geßler-Hefermehl, AktG, § 76 Rdnr. 26. 38 Vgl. auch Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 289. 36
112 Kapitel 3 : Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
schaft, von Zahlungsverpflichtungen gegenüber nicht amtierenden Vorstandsmitgliedern möglichst verschont zu bleiben. Eine Parallelentwicklung von Organ- und Anstellungsverhältnis ist deshalb, wann immer möglich, anzustreben. Ein in kritischer Situation ausgebrachtes Vertrauensvotum signalisiert aber das Einverständnis der Anteilseigner, gegebenenfalls ein Auseinanderfallen beider Rechtskreise in Kauf zu nehmen. Das wird besonders deutlich, wenn abweichend vom Normalfall jedem Organwalter für sich die Entlastung erteilt wird. Das öffentlich dokumentierte Vertrauen zu einem einzelnen Vorstandsmitglied mag zwar dessen Organposition nicht bestandsfest machen, für seine Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag muß jedoch etwas anderes gelten: Die Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer des Unternehmens im Sinne des Art. 14 GG haben in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Aktiengesellschaft Anspruch auf einen maßgeblichen Einfluß bei der Gestaltung des Verbandes 39 . Wenn die Anteilseigner „sehenden Auges", im Bewußtsein des Inhalts eines solchen Beschlusses für eine Décharge votieren, ist dies ein Datum, das der Aufsichtsrat nicht einfach mit dem Hinweis auf die kompetenzielle Machtverteilung zwischen Hauptversammlung und Aufsichtsrat ignorieren kann. Denn das die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft kennzeichnende System von „Gewaltenverzahnung und Gewaltenkontrolle" 40 darf nicht zu einem bloßen Nebeneinander von Entscheidungsprozessen führen, sondern intendiert eine gegenseitige Einflußnahme zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks. Ein befristeter Dienst-(Geschäftsbesorgungs-)Vertrag ist aus wichtigem Grund kündbar, wenn die Vertrauensbasis zwischen den Beteiligten irreparabel zerstört und dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht länger zumutbar ist 41 . Der DéchargebeschluB gibt die Überzeugung der wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft wieder, ein weiteres Festhalten an den Kautelen des Anstellungsvertrages nicht für unzumutbar zu halten. Dies kann bei der Interessengewichtung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht außer Betracht bleiben. Wenn die sorgfältige Trennung von Bestellung und Anstellung der Verwaltungsmitglieder ihren Grund unter anderem 42 in der Notwendigkeit findet, das Interesse der Gesamtorganisation an einem möglichst effektiven Geschäftsgang mit dem Bedürfnis des Betroffenen an einer möglichst störungssicheren Lebensgrundlage mit Hilfe unterschiedener, wenn auch nicht vollkommen voneinander geschiedener Abwägungsprozesse zu praktischer Konkordanz zu führen, muß eine Entlastungserteilung in den genannten Fällen dazu führen, im Rahmen eines Vorgehens 39
Säcker in: Festschr. f. Gerhard Müller, S. 745 (746). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V, S. 659. 41 Schwerdtner in: MünchKomm., BGB, § 626 Rdnr. 21. 42 Zu den praktischen Gründen für eine Aufteilung vgl. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 33ff. 40
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nach § 626 BGB ein Zurückgreifen des Aufsichtsrats auf von der Décharge umfaßte Kündigungsgründe unmöglich zu machen. 2. Aufsichtsrat Die allgemeine Bedeutung der Entlastung für die Rechtsstellung der Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft zeigt sich zunächst darin, daß ihre regelmäßige 43 Amtszeit nach § 102 Abs. 1 Satz 1 A k t G längstens bis zum Ende der Hauptversammlung dauern kann, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach der Amtsübernahme beschließt44. Nötig ist eine tatsächliche Entscheidung der Versammlung über die Déchargeerteilung, ihr bloßes Stattfinden genügt nicht 45 . Das Ergebnis der Beschlußfassung ist allerdings ohne Bedeutung. § 103 Abs. 1 Satz 1 A k t G erlaubt es der Hauptversammlung, Aufsichtsratsmitglieder, die von ihr ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden waren, jederzeit durch einen mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen zu fällenden Beschluß (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AktG) abzuberufen. Dieses Recht ist an keinerlei Vorgaben gebunden 46 , die Hauptversammlung ist in ihrem Ermessen frei 47 . Eine Décharge kann daher keine Bindungswirkung entfalten. Mit dem Amt verliert der Abberufene zugleich auch seine Ansprüche aus dem parallellaufenden schuldrechtlichen Anstellungsvertrag 48 : Es mangelt an einer die allgemeinen Vorschriften für anwendbar erklärenden Norm entsprechend § 84 Abs. 3 Satz 5 A k t G 4 9 . Das Dienstverhältnis ist nicht widerrufsfest, es sei denn, die Satzung oder der Vertrag sehen etwas anderes vor 5 0 . Einfluß könnte die Décharge im Rahmen der Abwägung nach § 103 Abs. 3 A k t G gewinnen. Jedes Aufsichtsratsmitglied kann unabhängig davon, wer es bestellt hat, durch das Gericht abberufen werden, wenn in seiner Person ein 43
Abweichende, die Amtszeit verkürzende Satzungsbestimmungen sind möglich, Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 102 Rdnr. 5ff.; Wiederbestellung ist zulässig. 44 Das laufende Geschäftsjahr zählt nicht mit, § 102 Abs. 1 Satz 2 AktG. 45 Geßler, AktG, §102 Rdnr. 8f.; Baumbach / Hueck, AktG, §102 Rdnr. 3; Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, § 102 Anm. 1; a.A. Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 102 Rdnr. 14: Ende der Amtszeit spätestens acht Monate nach Ablauf des vierten Geschäftsjahrs. 46 Die Satzung kann lediglich die Verfahrensvoraussetzungen abweichend regeln, § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG; dazu Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 103 Rdnr. 16. 47 Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, § 103 Anm. 1; Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 103 Rdnr. 7. 48 RGZ 81, 153 (155); 68, 223 (255). 49 Baumbach / Hueck, AktG, § 103 Rdnr. 4. 50 Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, § 103 Anm. 4. 8 Barner
114 Kapitel 3: Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
wichtiger Grund dafür vorliegt und der Aufsichtsrat einen entsprechenden Antrag stellt. Ob ein wichtiger Grund für einen gerichtlichen Eingriff in die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gegeben ist, hat der Richter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach einer eingehenden Analyse und Bewertung der beteiligten Interessen zu entscheiden51. Gegeneinander zu stellen sind das Bedürfnis der Gesellschaft nach funktionstüchtigen Organen und das Gewicht der durch den Betroffenen mitrepräsentierten Gruppeninteressen 52. Ein Vorgehen nach § 103 Abs. 3 A k t G ist nur als ultima ratio zulässig. Dem Versuch, mit Hilfe des Staates Partikularvorstellungen durch Ausschluß unliebsamer Organwalter durchzusetzen, muß vorgebeugt werden 53 . Nur wenn dem Antragsgegner in seiner Person ein schwerwiegender Pflichtenverstoß zur Last fällt, wenn die Arbeit des Gremiums nachhaltig behindert wird, wenn der Gesellschaft durch eine weitere Mitarbeit Gefahr droht oder wenn ähnlich schwerwiegende Sachverhalte gegeben sind, ist einem Antrag stattzugeben, ohne daß es allerdings auf ein Verschulden des Betroffenen ankäme 54 . Das Ergebnis der stark personenbezogenen Prüfung nach § 103 Abs. 3 A k t G könnte von einer vorangegangenen Décharge präjudiziell beeinflußt werden, ist doch auch sie, zumal wenn als Einzelentlastung erteilt, die Zusammenfassung eines personenbezogenen Bewertungsprozesses. Dem Urteil des Bestellungsorgans kommt in der Tat bei der notwendigen Abwägung ein gewisses Gewicht zu, insbesondere dann, wenn es der Abberufung widerspricht 55 . Im Hinblick darauf aber, daß die Regelung in § 103 Abs. 3 A k t G gerade für Fälle geschaffen wurde, in denen es nicht gelingt, das Aufsichtsratsmitglied auf andere Weise als mit Hilfe des Gerichts zu entfernen 56 , darf es auf sein Votum letztlich entscheidend nicht ankommen. Das gilt im Grundsatz auch für den Entlastungsbeschluß. Unter Berücksichtigung der oben 57 konstatierten Notwendigkeit einer rücksichtsvollen, die jeweiligen Kompetenzen gleichwohl beachtenden Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftsorganen kann allerdings folgende Leitlinie formuliert werden: Allein mit Vorgängen, die von einer Décharge umfaßt sind, kann ein Antrag nach § 103 Abs. 3 A k t G nicht begründet werden 58 . Der gerichtliche Eingriff ist nicht Selbstzweck, er hat dem Interesse der Aktiengesellschaft zu dienen. Entlasten die Anteilseigner das betroffene Aufsichtsratsmitglied, definieren 51
Zu diesem Abwägungsprozeß vgl. Hofmann in: Festschr. f. Wilhelm Westenberger, S. 57 (74ff.). 52 Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, § 103 Anm. 7. 53 Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 103 Rdnr. 32. 54 Geßler, AktG, § 103 Rdnr. 40. 55 Meyer-Landrut in: Großkomm, zum AktG, § 103 Anm. 7. 56 Eckardt, NJW 1967, 1010 (1011). 57 Siehe I, 1 b). 58 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 27.
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sie das Gesellschaftsinteresse als von dem (möglichen) Fehlverhalten nicht unzumutbar verletzt. Nur wenn nach dem Entlastungsbeschluß weitere Pflichtverletzungen bekannt werden, kann der Richter im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das frühere Tun des Organwalters zur Begründung einer stattgebenden Entscheidung heranziehen.
I I . GmbH ohne Aufsichtsrat In der GmbH ohne Aufsichtsrat (Beirat) sind die Gesellschafter sowohl für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer als auch für deren Entlastung zuständig, § 46 Nr. 5 GmbHG. Schwierigkeiten durch Kompetenzzuweisungen an verschiedene Gesellschaftsorgane, wie oben für die Aktiengesellschaft beschrieben, gibt es nicht. Die mögliche Beeinflussung der Rechtsstellung der Organwalter durch eine Entlastungserteilung ist deshalb ausschließlich aufgrund des sachlichen Inhalts des Déchargebeschlusses zu bestimmen. 1. Organverhältnis Die Bestellung der Geschäftsführer ist im Normalfall jederzeit widerruflich, § 38 Abs. 1 GmbHG. Die gesetzliche Regelung dient zum einen dem Schutz der Gesellschaft vor Machtmißbrauch durch die Geschäftsführer, die den Verband im Außenverhältnis uneingeschränkt und uneinschränkbar vertreten 59 . Zum anderen dokumentiert sie die untergeordnete Stellung der Geschäftsführenden, deren Aufgabenfeld es nicht ist, wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft selbständig eine Geschäftspolitik zu entwerfen und zu verfolgen, sondern die die Vorstellungen der Gesellschafter praktisch umzusetzen haben: Sie sind abhängig 60 , schon Zweifel an der optimalen, Reibungsverluste minimierenden Erledigung dieser Aufgabe erlauben eine Abberufung. Grenzen werden lediglich durch die §§ 226, 826 BGB gesetzt61. Das vom Gesetz vorgesehene gleichrangige Nebeneinander von Abberufungs-/Entlastungsrecht der Gesellschafterversammlung in § 46 Nr. 5 GmbHG und freier Widerruflichkeit der Geschäftsführerstellung in § 38 Abs. 1 GmbHG erlaubt den Schluß auf die inhaltliche Unabhängigkeit beider Vorgänge. Die Gesellschafter können die Geschäftsführung auswechseln, auch wenn sie eben : noch dem bisherigen Amtsinhaber ihre Zufriedenheit bekundet hatten. Die J^ufgäbe, das Interesse zumal des Fremdgeschäftsfüh59
Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 12. Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 38 Rdnr. 2; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdnr. 2. 61 Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 16; weiter Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, §§ 35 - 38 Rdnr. 113. 60
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116 Kapitel 3: Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
rers an einer stabilen Lebensgrundlage in ausreichendem Maß zu schützen, übernimmt auch hier das begleitende Anstellungsverhältnis, das funktional mit der Organstellung zusammenhängt, rechtsqualitativ aber etwas anderes, unabhängiges ist 62 . Führt ein Gesellschafter die Geschäfte, ändert dies im Grundsatz an der Regel des § 38 Abs. 1 GmbHG nichts, es sei denn, dem Betroffenen ist die Geschäftsführung als Sonderrecht 63 im Gesellschaftsvertrag 64 vorbehalten worden. Dann kann er nur mit seiner Zustimmung oder aus wichtigem Grund 65 abberufen werden. Dasselbe gilt, wenn man annimmt, in der personalistischen GmbH, einer Gesellschaft mit überschaubarem Gesellschafterkreis also, in der einige oder alle Teilhaber die Geschäfte selbst führen, verdichte sich die Organstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu einem mitgliedschaftsähnlichen (Sonder-)Recht, das „unter Bezugnahme auf die in §§ 117, 127 HGB zum Ausdruck gelangten Rechtsgedanken"66 nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden könne 67 . Unabhängig von den eben beschriebenen Fällen kann der Gesellschaftsvertrag - ausdrücklich oder konkludent 68 - die Möglichkeit, die Geschäftsführerstellung zu widerrufen, auf Fälle beschränken, in denen ein wichtiger Grund ein solches Vorgehen notwendig macht, § 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Gesellschaft von einem nicht am Kapital beteiligten Dritten oder von Gesellschaftern geleitet wird 6 9 . Was ein wichtiger Grund ist, ergibt sich, ähnlich 70 wie bei der Abwägung nach § 84 Abs. 3 A k t G , aus einer am Gesellschaftsinteresse orientierten Zumutbarkeitsprü62 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 284; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II, S. 807. 63 Dazu Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 38 Rdnr. 5; Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 38 Rdnr. 30. 64 Eine Beschränkung der Abrufbarkeit im schuldrechtlichen Vertrag zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung führt nicht zu einer Einschränkung der Rechte aus § 38 Abs. 1 GmbHG; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdnr. 12; ScholzU. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 54; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 38 Rdnr. 10. 65 Diese Möglichkeit bleibt - bei Fehlen milderer Sanktionen - immer bestehen: Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, §§ 35 - 38 Rdnr. 116; Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 41; Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 38 Rdnr. 4. Der betroffene Gesellschafter hat in diesem Fall kein Stimmrecht, Β GHZ 86, 177 (178). 66 Limbach, GmbHR 1968, 181. 67 Limbach, aaO.; ablehnend Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 38 Rdnr. 29; Fleck, GmbHR 1970, 221; Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 17. 6 8 Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdnr. 7. 69 Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, §§ 35 - 38, Rdnr. 115; Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 40; H.P. Westermann / Pöllath, „Abberufung", S. 49; a. A. Schönle / Ensslin, GmbHR 1969,103 (104); vgl. auch Reuter, GmbHR 1981,129. 70 Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, §§ 35 - 38 Rdnr. 117.
II. GmbH ohne Aufsichtsrat
117
fung 71 , die aber auch die Belange des Geschäftsführers nicht vollkommen außer Acht lassen darf 72 . Zumal in der personalistischen GmbH mit einem oder mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern ist die Blickrichtung insofern ins „Persönliche" verschoben, als nunmehr zum einen das Interesse des Gesellschafters an einer Tätigkeit in der eigenen Gesellschaft besonders zu berücksichtigen 73 , zum anderen zu fragen ist, ob den übrigen Gesellschaftern (und nicht lediglich „der Gesellschaft") ein Verbleiben des Betreffenden zugemutet werden kann 74 . Gerade für den letzten Fall wird die Bedeutung der Entlastung deutlich. Hat etwa der Geschäftsführer Weisungen nicht beachtet, unzulässige Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen vorgenommen 75 , seine Geschäftsführerstellung zur Verfolgung eigener Interessen ausgenutzt76 oder ähnliche schwerwiegende Anlässe für eine Abberufung nach § 38 Abs. 2 GmbHG gesetzt, und entlasten die (übrigen 77 ) Gesellschafter ihn, muß ein Rekurs auf diese Sachverhalte zur Begründung eines „wichtigen Grundes" ausscheiden78. Erklärt sich die Gesellschafterversammlung mit der Amtsführung des Gesellschafter-Geschäftsführers einverstanden, drückt sie ihm ihr Vertrauen aus, begibt sie sich damit der die Organstellung betreffenden Sanktionsmöglichkeiten. 2. Anstellungsverhältnis Für die Bestandssicherheit des AnstellungsVerhältnisses zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer macht es keinen Unterschied, ob die Organstellung jederzeit oder nur unter erschwerten Bedingungen beendet werden kann; beide Rechtskreise sind bis zu einem gewissen Grad voneinander unabhängig 79 . Der Dienstvertrag des Geschäftsleiters ist in der Regel, schon um ein Gegengewicht zu der relativ ungesicherten Organposition zu schaffen, vorzeitig nur aus besonderem Grund kündbar 80 , wobei es den Vertragspartnern 71
BGH WM 1960, 289 (291f.); U. Schneider, ZGR 1983, 535 (538). BGH WM 1968, 1325 (1326). 73 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 38 Rdnr. 9. 74 Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 43. 7 5 Dazu BGH WM 1984, 29. 7 6 Dazu BGH WM 1967, 679; OLG Hamburg GmbHR 1963,128 (130f.). 77 Der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst ist von der Abstimmung über seine Entlastung ausgeschlossen, § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG. 78 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 VI 2, S. 319. 79 Der Widerruf der Geschäftsführerbestellung erfolgt „unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen", § 38 Abs. 1 GmbHG; dazu Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 38 Rdnr. 1: „Unbeholfener" Hinweis des Gesetzgebers auf die Trennungstatsache. so Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 38 Rdnr. 34. 72
118 Kapitel 3 : Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
allerdings unbenommen bleibt, jeden Grund für die Beendigung der Organstellung als ohne weiteres auch „wichtig" im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB zu definieren 81 . Die Wirkung der Entlastungserteilung ist auch hier klar: Sämtliche von dem DéchargebeschluB erfaßten, potentiell zur Kündigung berechtigenden Vorkommnisse lassen sich zur Begründung einer vorzeitigen einseitigen Vertragsauflösung nicht mehr heranziehen 82.
I I I . GmbH mit Aufsichtsrat 1. Freiwilliger Aufsichtsrat Ist in einer GmbH freiwillig aufgrund gesellschaftsvertraglicher Abrede ein Aufsichtsrat/Beirat eingerichtet worden, muß folgendes beachtet werden. Normalerweise ist ein solches Gremium weder für die Bestellung noch für die Abberufung der Geschäftsführer zuständig: § 52 Abs. 1 GmbHG verweist nicht auf § 84 AktG. Häufig obliegt ihm aber - neben den einem Auf sichtsrat per definitionem zukommenden Kontrollrechten gegenüber der Geschäftsleitung 83 - die Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses: Schon aus praktischen Gründen ist es gerade in Verbänden mit einer Vielzahl von Beteiligten sinnvoll, solche Vertragsverhandlungen einer kleinen, überschaubaren Gruppe zu überlassen 84. In der Regel wird dann die Regelungskompetenz für das gesamte schuldrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsleitung einschließlich seiner Auflösung beim Aufsichtsrat/Beirat angesiedelt sein, also auch die Befugnis zu dessen Kündigung. Zur Entlastung der Geschäftsführung ebenso wie zu deren Abberufung bleibt die Gesellschafterversammlung berufen, § 46 Nr. 5 GmbHG 8 5 . Werden die Geschäftsführer zunächst entlastet, später aber abberufen und hat der Aufsichtsrat/Beirat über die Kündigung des Dienstvertrages zu befinden, kann sich dieser nicht über das Vertrauensvotum der Gesellschaftergesamtheit hinwegsetzen und etwa „verziehene" Vorfälle zur Begründung einer Kündigung (aus wichtigem Grund) heranziehen. Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Organ der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der (freiwillige) Auf sichtsr at/Beirat leitet seine Rechte von ihr ab, ist eine Art Hilfsorgan, darf die Stellung des 81 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 38 Rdnr. 37; das Anstellungsverhältnis kann auch als unselbständiger Annex der Organstellung gewollt sein, Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 35 Rdnr. 110. 82 BGH NJW 1969, 131; K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (427); Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 24; Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 95. 83 Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdnr. 10. 84 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 33; gegen diese Aufspaltungsmöglichkeit der Kompetenzen Großfeld / Brondics, AG 1987, 293 (297). 85 Es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht etwas anderes vor, § 45 Abs. 2 GmbHG.
I I . GmbH
Aufsichtsrat
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übergeordneten Verbandsgremiums nicht durch konterkarierende Entscheidungen aushöhlen86 und ist deshalb in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht zu einer erneuten (selbständigen) Prüfung und der Wertung der Geschäftsführerleistungen befugt 87 . 2. Obligatorischer Aufsichtsrat Der Situation in der Aktiengesellschaft vergleichbar ist die Ausgangslage, wenn bei der GmbH ein Aufsichtsrat aufgrund der Bestimmungen des Montanmitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes88 einzurichten ist. Dann bleibt zwar die Déchargeerteilungszuständigkeit bei den Gesellschaftern, nicht aber das Recht zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer: §§ 12 MontanMitbestG, 13 MitbestErgG und 31 MitbestG verweisen auf § 84 A k t G und damit auf die zwingenden Kompetenzen des Aufsichtsrats. Die oben 89 zur Aktiengesellschaft gebrachten Ausführungen sind deshalb nur um weniges zu ergänzen. Die Mitbestimmungsvorschriften führen zwar zu einigen Gewichtsverschiebungen innerhalb der kompetenziellen Struktur der GmbH, verändern sie aber nicht grundsätzlich. Insbesondere ist die dominierende Stellung der Gesellschafterversammlung nicht angetastet worden 90 : Der GmbH-Aufsichtsrat ist dem aktienrechtlichen Aufsichtsrat nicht gleichzusetzen, die Geschäftsführer haben keine dem Vorstand einer Aktiengesellschaft vergleichbar unabhängige Position gewonnen: Obschon die Abweichungen vom gesetzlichen Normalstatut der GmbH den Gesellschaftern die Personalkompetenz entziehen, bleibt ihre Sachbefugnis in Geschäftsführungsfragen unberührt 91 ; §§76 Abs. 1, 119 Abs. 1 A k t G , die die Unabhängigkeit des Vorstands der A G begründen und gegen die Einflußnahme der Gesellschafter sichern, sind von 86 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 114; ebensowenig darf durch eine vorzeitige Kündigung des Anstellungsvertrags der Widerruf der Bestellung präjudiziert werden, BGHZ 79,38 (41). 87 Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen ist von vornherein gebannt, wenn, was möglich ist, der Gesellschaftsvertrag eine Bündelung der Bestellungs-/Abberufungs-, der Anstellungs-/Kündigungs- und der Entlastungskompetenz bei einem Aufsichtsrat/Beirat vorsieht; dazu Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 18, 23. Die Gesellschafter bleiben mittelbares Kontrollorgan, vgl. Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 46 Rdnr. 88. 88 Nicht aber, wenn die Bildung des Auf sichtsrats aufgrund der Vorschriften des § 77 BetrVG 1952 erfolgt. 89 Siehe I. 90 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 52 Rdnr. 4. 91 Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 37 Rdnr. 11; Scholz-U. Schneider, GmbHG, § 37 Rdnr. 50ff.; Martens, ZHR 148 (1984), 183; a.A. Naendrup in: GemeinschaftsKomm zum MitbestG, § 25 Rdnr. 12ff; Reich / Lewerenz, AuR 1976, 261 (272); vermittelnd Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 52 Rdnr. 170; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 279 m. w.N.
120 Kapitel 3: Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
der Verweisung ausgenommen. Die Gesellschaftergesamtheit bestimmt die Grundlagen der Geschäftspolitik, sie kann die Geschäftsführung zu einer bestimmten Vorgehensweise anweisen. Die Beschränkung der Abberufungsmöglichkeit auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes (§84 Abs. 3 Satz 1 AktG) dient lediglich dazu, die Geschäftsleiter nicht in zu große Abhängigkeit von dem interessenpluralistisch besetzten Auf sichtsr at kommen zu lassen. Haben die Gesellschafter die Mitglieder der Geschäftsführung entlastet und damit ihre Zufriedenheit mit der Art und Weise der praktischen Umsetzung der von ihnen vorgegebenen Unternehmensstrategie bekundet, muß der präjudizielle Effekt des Déchargebeschlusses in der mitbestimmten GmbH größer sein als in der Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat darf durch seine Personalpolitik keine verbandspolitischen Gegenakzente setzen 92 , so daß es nur in Ausnahmefällen, wenn es die Interessen der Gesellschaft gebieten, zu einem von der Einschätzung der Anteilseigner abweichenden Vorgehen des Aufsichtsrats kommen kann.
I V . Genossenschaft In mitbestimmungsfreien Genossenschaften und in solchen, in denen sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 77 BetrVG 1952 richtet, wird der Vorstand von der Generalversammlung bzw. der Vertreterversammlung (§ 43 a GenG) gewählt, § 24 Abs. 2 Satz 1 GenG. Zum Abschluß des die Organstellung ergänzenden schuldrechtlichen Anstellungsvertrages ist der Auf sichtsr at berechtigt, § 39 Abs. 1 GenG, auch die Generalversammlung kann aber dazu berufen sein 93 . Die Bestellung zum Vorstandsmitglied darf von der Generalversammlung 94 jederzeit, ohne daß ein wichtiger Grund (wie nach § 84 Abs. 3 A k t G für die Aktiengesellschaft) vorliegen müßte, nach freiem Ermessen widerrufen werden, § 24 Abs. 3 Satz 2 GenG. Eine vorausgehende Entlastungserteilung 95 schränkt dieses Ermessen nicht ein. 92
Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 280; Vollmer, GmbHR 1984, 5 (6). 93 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 126. In größeren Genossenschaften sieht das Statut aus Praktikabilitätsgründen häufig eine Zusammenfassung der Bestellungsund Anstellungskompetenzen beim Aufsichtsrat vor; § 24 Abs. 2 Satz 2 GenG ermöglicht solche Abweichungen. 94 Wie sich aus § 40 GenG ergibt, kann der Aufsichtsrat den Vorstand lediglich vorläufig bis zu einer Entscheidung der ohne Verzug einzuberufenden Generalversammlung von seinen Aufgaben entbinden; a. A. Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 24 Rdnr. 19: Aufsichtsrat ist abberufungsbefugt, wenn er nach dem Statut zur Bestellung berufen ist. 95 Durch die Generalversammlung: § 48 Abs. 1 Satz 2 GenG. - Ausscheidende Vorstandsmitglieder dürfen nicht vor einer Entlastungserteilung in den Aufsichtsrat gewählt werden, vgl. dazu Beuthien, ZfG 1979, 156.
VI. Personengesellschaften
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Die Abberufung vom Vorstandsamt erfolgt „unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen" (§ 24 Abs. 3 Satz 2 GenG): Der Anstellungsvertrag kann in der Regel vorzeitig nur durch eine Kündigung nach § 626 BGB beendet werden 96 . Diese hat normalerweise die Generalversammlung auszusprechen 97. Es gilt dann das für die Aktiengesellschaft/GmbH Ausgeführte entsprechend: „Wichtige Gründe" im Sinn dieser Vorschrift können nicht solche Vorgänge sein, die von der Décharge gedeckt sind. Die Generalversammlung darf sich nicht zu ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen. Ergeben sich die Mitbestimmungsmodalitäten aus dem MitbestG, fallen Bestellungs-/Anstellungs-, Abberufungs-/Kündigungszuständigkeit (Aufsichtsrat) und Entlastungskompetenz (Generalversammlung) auseinander. Wie in Aktiengesellschaft und mitbestimmter GmbH ist auch hier von einer zumindest indirekt präjudiziellen Wirkung der Entlastungserteilung auszugehen98.
V . Verein Im Vereinsrecht gelten keine Besonderheiten. Ist die Vorstandsstellung, wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgesehen, jederzeit widerruflich, hat die Entlastung keine die ungebundene Entscheidung des Abberufungsorgans 99 beschränkende Wirkung. Anders, wenn das Amt in der Satzung als nur aus wichtigem Grund beendbar gestellt ist: Die Décharge schließt eine Berufung auf die von ihr erfaßten wichtigen Widerrufssachverhalte aus. In bezug auf einen möglichen Anstellungsvertrag ist entsprechend dem für die übrigen Verbandsformen Entwickelten zu verfahren.
V I . Personengesellschaften Durch die Entlastung des Geschäftsführers einer Personengesellschaft bekunden die Mitgesellschafter ihr Einverstandensein mit dessen Tätigkeit. Sie begeben sich, soweit ihnen Vorfälle bekannt sind, sämtlicher seine Stellung betreffender Sanktionen: In der BGB-Gesellschaft ist die Geltendmachung der Rechtsfolgen der §§ 712 Abs. 1, 715, 723 Abs. 1 Satz 2, 737 Satz 1 BGB ausgeschlossen, in O H G und K G gilt dasselbe für diejenigen der §§ 117, 127, 133 Abs. 1,140 Abs. 1 H G B 1 0 0 . Denn aus dem Charakter der Entlastung 96 Dazu Schaffland, DB 1978,1773. 97 Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, § 24 Rdnr. 63. 98 Siehe oben I, 1 b). 99 In der Regel: Die Mitgliederversammlung. 100 A. Hueck, Das Recht der Offenen Handelsgesellschaft, § 12, 6, S. 191; Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage,
122 Kapitel 3: Entlastungserteilung - Auswirkungen auf die Entlastungsempfänger
als A k t der Vertrauenskundgabe sind für Personenzusammenschlüsse, die ihrer Struktur nach auf das vertrauensvolle Zusammenwirken ihrer Mitglieder gerichtet sind, die entsprechenden Folgerungen zu ziehen.
V I I . Ergebnis Die Déchargeerteilung bleibt als Vertrauenskundgabe nicht ohne jede Auswirkung auf die Rechtsstellung der Entlasteten. Zwar werden sie nicht von der Verantwortung für schädigendes Fehlverhalten befreit, ihre Position als Organwalter bzw. Angestellte des Verbandes wird aber dann beeinflußt, wenn und soweit sie wegen der gesetzlichen Bestimmungen oder der vertraglichen Ausgestaltung der Verbandsorganisation nicht nach freiem Ermessen entlassen oder gekündigt werden können. Muß für einen solchen Schritt ein wichtiger Grund vorliegen , darf ihre in die Entlastungsperiode fallende, bewußt zur Kenntnis genommene Amtsführung grundsätzlich nicht mehr herangezogen werden, um eine unüberwindbare Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zu begründen, die im Grundsatz einen solchen wichtigen Anlaß bilden kann 1 0 1 . Auch in der Aktiengesellschaft kann die Déchargeerteilung an die Vorstandsmitglieder für den Aufsichtsrat zumindest eine mittelbare Bindungswirkung entwickeln, obwohl dieser über eine vorzeitige Beendigung des Vorstandsamtes im Prinzip eigenverantwortlich zu entscheiden hat. Die Schranke „wichtiger Grund" soll den Amtsinhabern sowohl im Kräftespiel der einzelnen Verbandsorgane als auch in finanzieller Hinsicht eine gewisse Unabhängigkeit sichern. Unter anderem dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Organisation und Organ waltern nachhaltig zerrüttet ist, muß es dem Verband möglich sein, die Verbindung zu lösen. Durch die Erteilung der Entlastung signalisieren die Verbandsmitglieder jedoch, daß dieses Vertrauensverhältnis noch nicht unzumutbar beeinträchtigt ist.
S. 95. Zur Abberufung des Geschäftsführers einer Publikumspersonengesellschaft vgl. Reichert / Winter, BB 1988, 981. 101 Die Abberufung/Kündigung aus anderen, u.U. neben die Vertrauensstörung tretenden Gründen ist hiervon zu unterscheiden.
Kapitel
Entlastungsverweigerung Wird dem Organmitglied die Entlastung nicht erteilt, sei es durch ausdrücklichen Beschluß, sei es dadurch, daß die zur Abstimmung gestellte Décharge nicht die erforderliche Beschlußmehrheit erreicht, stellt sich die Frage nach möglichen Konsequenzen.
I. Rechte des Verbandes 1. Änderung der allgemeinen Stellung des Organmitglieds Die Entlastungsverweigerung hat keine direkten Auswirkungen auf die formale Stellung des Betroffenen. Auch wenn die psychologisch-tatsächlichen Folgen des Beschlusses, die im Einzelfall verheerend sein können, sofort eintreten und dadurch die Arbeitsbedingungen für den Organwalter augenblicklich verändern dürften, bleibt er zunächst das, was er ist. Er verliert seine Funktion nicht automatisch. Dazu bedarf es vielmehr weiteren Vorgehens 1. Zu unterscheiden sind wiederum das Organ- und das Anstellungsverhältnis. a) Aktiengesellschaft In der Aktiengesellschaft sind die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane klar von einander geschieden. Die Hauptversammlung ist zur Entlastungserteilung bzw. deren Verweigerung berufen, § 119 Abs. 1 Nr. 3 A k t G , der Aufsichtsrat hat über die Bestellung und Anstellung sowie über die Abberufung und Kündigung des Vorstands zu entscheiden, § 84 AktG. Ebenso wenig wie die Erteilung vermag die Déchargeverweigerung den Aufsichtsrat zu einer bestimmten Vorgehens weise gegenüber den Organwaltern zu zwingen. Ganz ohne Einfluß bleibt ein negativer Entscheid der Anteilseigner aber nicht. Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Mitglied des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund kann auch der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung sein, § 84 Abs. 3 Satz 1 , 2 A k t G 2 . ι BGH WM 1961,569. Ein Vertrauensentzug durch den Auf sichtsrat genügt nicht, vgl. Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten des Auf sichtsrats, Rdnr. 19; a.A. OLG München AG 1986, 234 (235). 2
124
Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
Vertrauensentzug und Entlastungsverweigerung sind zwar nicht notwendig identisch. Unter Umständen sind die Aktionäre zwar mit der Geschäftsleitung während des abgelaufenen Geschäftsjahrs unzufrieden, wollen aber dennoch die Zusammensetzung des Managements zunächst nicht geändert sehen. In der Regel aber dürfte die Déchargeverweigerung Ausdruck eines tiefgehenden Zerwürfnisses sein, der den Endpunkt einer irreparablen Vertrauenskrise markiert. Denn man wird mit voreiligen negativen Entlastungsentscheidungen schon wegen der mit ihnen verbundenen Außenwirkung zurückhaltend umgehen. Ganz eindeutig ist die Situation, wenn die Déchargebeschlufifassung mit der Entscheidung über einen Antrag verbunden ist, dem Vorstand ausdrücklich das Vertrauen zu entziehen3. Der Auf sichtsrat muß also nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, wie die Entlastungsverweigerung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft und der Organmitglieder zu bewerten ist. Er verletzt seine Pflichten, wenn er sie nicht zum Anlaß einer Prüfung nimmt, sie gänzlich ignoriert 4 . Die Beschränkung der Abberufungsmöglichkeiten auf das Vorliegen wichtiger Gründe hat den Zweck, den Amtsinhabern die Furcht vor einer grundlosen Entfernung aus dem Amt zu nehmen5. Der Vorstand hat die Geschicke der Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten, § 76 Abs. 1 AktG. Dies ist nur möglich, wenn seine Stellung im Verband im gewissen Umfang unabhängig von dem (andauernden) Wohlwollen der übrigen Organe ist. Deshalb vermag nicht auch das willkürliche Mißtrauensvotum einen Widerruf zu rechtfertigen: Das Vertrauen darf nicht aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden sein, § 84 Abs. 3 Satz 2 a. E. AktG. Auf der anderen Seite kann die Machtfülle, die mit dem Vorstandsamt verbunden ist, ihre Rechtfertigung nur finden, wenn sie sich auf ein Mindestmaß an Rückhalt bei den wirtschaftlichen Eigentümern des Unternehmens gründen kann 6 . Zwar läßt sich zumal in einer Großgesellschaft mit vielen anonymen Aktionären kaum je ein Vertrauensverhältnis im engeren Sinn feststellen, wenn darunter das Gefühl verstanden werden soll, sich auf jemanden verlassen zu können, weil man ihn kennt. Auch kommt es strukturbedingt nicht zu einer sogenannten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Hauptversammlung, da diese im Grundsatz nicht mit Geschäftsleitungsaufgaben befaßt ist 7 . Gesellschaftsrechtlich legitimiert ist die Tätigkeit des Vorstands auf Dauer aber nur, wenn sie vor dem Hintergrund eines allgemeinen Einver3
Meyer-Landrut in: GroßKomm. zum AktG, § 34 Anm. 35. Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 141. 5 Meulenbergh, Die rechtlichen Möglichkeiten der Einflußnahme auf den Vorstand der Aktiengesellschaft unter besonderer Berücksichtigung der mitgliedschaftlichen Beteiligungsrechte, S. 126. 6 BGHZ 13, 188 (192). 7 Duden, BB 1961, 225 (226); Dietel, Der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied bei Vertrauensentzug der Hauptversammlung, S. 46. 4
I. Rechte des Verbandes
125
ständnisses der Aktionäre erfolgt 8 . Die Verweigerung der Décharge wird deshalb im allgemeinen ein starkes Indiz für die Notwendigkeit der Ablösung der Geschäftsleiter sein9. Allerdings kann ein negativer Hauptversammlungsbeschluß verschiedene Ursachen haben. Möglicherweise war die Rechenschaftsgebung unzulänglich oder die Aktionäre vermuten das Vorhandensein von Pflichtverstößen bzw. wollen solche bereits konkret monieren. Schließlich - und das dürfte im Verhältnis Management-Anteilseigner den schwerwiegendsten Grund darstellen kann die Verweigerung Ausdruck einer allgemeinen und grundlegenden Unzufriedenheit und umfassenden Mißbilligung sein. Die Hauptversammlung hat bei dem Votum für oder gegen eine Entlastungserteilung ein weitgehend freies Ermessen 10, entscheidet sie doch nicht zuletzt darüber, ob die Organwalter bei der Erledigung ihrer Aufgaben eine „glückliche Hand" gehabt haben. Diese Entscheidungsfreiheit der Aktionärsversammlung ist von der Ermessensfreiheit des Auf sichtsrats zu unterscheiden. Jeder unzulässige Druck auf die Vorstandsmitglieder muß verhindert werden. So darf es ζ. B. der Mehrheit der Anteilseigner nicht gestattet sein, den Vorstand über die angedrohte oder wahrgemachte Entlastungsverweigerung zur Durchführung rechtswidriger Weisungen zu zwingen zu suchen11 und bei deren Nichtbeachtung über das „Sprachrohr" 12 Aufsichtsrat dessen Ablösung zu betreiben. Eine solche Gefahr droht namentlich, wenn ein oder mehrere Großaktionäre die Gesellschaft beherrschen 13. Das innergesellschaftliche Kompetenzgefüge muß unangetastet bleiben 14 . Das Mißtrauensvotum ist jedoch nicht nur dann hinreichender Grund für einen Widerruf der Bestellung, wenn Gründe angeführt werden, die, unterstellt, sie lägen vor, einen Geschäftsführungsfehler bedeuteten 15 . Denn wenngleich die Décharge ein starkes, wenn auch indirektes Mittel ist, die Geschäftsführung zu beeinflussen 16, läßt sich ihre Fragestellung nicht auf die 8
Vischer, Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft, S. 86 f.; Krieger, Personalentscheidungen des Auf sichtsrats, S. 134. 9 Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 84 Rdnr. 63; Baumbach / Hueck, AktG, § 120 Rdnr. 10; Geßler-Hefermehl, AktG, § 120 Rdnr. 72; Obermüller / Werner / Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 226; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 301 f.; a.A. Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 41; zurückhaltend auch Meyer-Landrut in: GroßKomm. zum AktG, § 84 Anm. 33. 10 BGHZ 94, 324 (327). 11 Mertens in: Kölner Komm, zum AktG, § 84 Rdnr. 63. 12 Duden, BB 1961, 225 (226). 13 Foerstner, BB 1961, 428. 14 Vischer, Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft, S. 90. 15 So aber Meulenbergh, aaO. S. 128. 16 Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 7.
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
Beurteilung von Pflichtverstößen reduzieren. Die Gründe für die Entlastungsverweigerung müssen deshalb aber objektiv erkennbar sein, damit der Aufsichtsrat eine sachliche Grundlage für seine Entscheidung hat 17 : Ist der Gesellschaft ein Verbleib der angeschlagenen Vorstandsmitglieder nicht länger zuzumuten, muß der Aufsichtsrat sie von ihren Pflichten entbinden 18 . Allerdings sind die Umstände des Einzelfalls zu beachten. Läuft die Amtszeit des Organwalters in absehbarer Zeit sowieso ab, kann eine vorzeitige Entfernung unzulässig sein 19 . Der schuldrechtliche Anstellungsvertrag ist nach dem „Trennungsdogma" 20 in seinem Schicksal grundsätzlich unabhängig von dem Bestand des Organverhältnisses. Ist er befristet geschlossen worden, ist er vor der Zeit nur kündbar, wenn ein wichtiger Grund dafür besteht und gewisse Formalien eingehalten werden, § 626 Abs. 1 BGB. Eine schuldhafte Veranlassung des Vertrauensentzugs kann gleichzeitig auch ein Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein 21 . Das ist aber nicht notwendig immer der Fall, weil die Tatsachen, die der Gesellschaft ein Belassen des Betroffenen in seiner Organstellung nicht zumutbar erscheinen lassen, nicht ohne weiteres auch die Unzumutbarkeit des Festhaltens an den eingegangenen Vertragsverpflichtungen bedeuten müssen22. Das wird besonders deutlich in Sachverhalten, in denen sich die Gesellschaft auf äußeren Druck hin von ihrem Management trennt. Den Parteien bleibt es aber unbenommen, im Rahmen der Privatautonomie eine Vereinbarung zu treffen, nach der jeder Grund für die vorzeitige Beendigung der Organstellung auch zur Auflösung der Anstellungsabrede führen soll. Wird ein Aufsichtsratsmitglied nicht entlastet, bedeutet das ebenfalls nicht den Verlust seiner Organposition; auch dann nicht, wenn das ablehnende Quorum eine 3/4 Mehrheit erreicht 23 . Über eine Abberufung muß gesondert abgestimmt werden, da auch hier die Déchargeverweigerung Ausdruck ganz verschiedener Motive sein kann. Gegebenenfalls sollte der Aufsichtsrat aber prüfen, ob er die Weigerung der Hauptversammlung nicht zum Anlaß nehmen sollte, eine gerichtliche Abberufung des Betroffenen zu beantragen, § 103 Abs. 3 A k t G 2 4 . 17 Dietel, Der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied bei Vertrauensentzug der Hauptversammlung, S. 92. 18 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 140f.; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 45. 19 BGH WM 1962, 811 (812); vgl. auch BGH WM 1961, 569 (570ff.). 20 Siehe oben Kap. 3 am Anfang. 21 Β GHZ 15, 71 (75). 22 Siehe auch oben Kap. 3,1, 1 b). 23 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 43. Vgl. § 103 Abs. 1 Satz 2, 3 AktG. 24 Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 46.
I. Rechte des Verbandes
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b) Genossenschaft In der Genossenschaft hat die Verweigerung der Décharge ebenfalls keine unmittelbaren Rechtswirkungen 25 . Der Vorstand bleibt im Amt, bis ihn die zuständige Generalversammlung in einem gesonderten Beschluß abberuft. Der Anstellungsvertrag kann, wenn er befristet geschlossen wurde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 626 BGB vorzeitig gekündigt werden 26 . Dagegen ist eine Entlassung aus der Organposition jederzeit und nicht nur bei Vorliegen besonderer Gründe möglich, § 24 Abs. 3 Satz 2 GenG. Der Widerruf ist sogar wirksam, wenn die Generalversammlung aufgrund fehlerhafter Annahmen gehandelt hat 27 . Werden die Vorstandsmitglieder nicht sofort abberufen, wird sich ihre weitere Arbeit in einer Organisation, in der sie selbst Mitglieder sind, § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG, besonders schwierig gestalten. Wenn es ihnen nicht gelingt, die Opposition der übrigen Genossen gegen die eigene Geschäftspolitik durch deren Umorientierung abzubauen und konsensfähig zu machen, dürfte der eintretende Autoritätsverlust zumindest eine Verlängerung der Amtszeit unwahrscheinlich machen 28 . c) GmbH Die Entlastungsentscheidung und diejenige, einen Geschäftsführer von seinen Aufgaben zu entbinden, sind zwei verschiedene Beschlußgegenstände, über die die Gesellschafterversammlung einer GmbH getrennt zu befinden hat, § 46 Nr. 5 GmbHG. Auch in diesem Verband hat also die Déchargeverweigerung keinen direkten Einfluß auf die Organstellung des Geschäftsleiters. Nach dem gesetzlichen Normalstatut kann ein Geschäftsführer jedoch jederzeit abberufen werden, § 38 Abs. 1 GmbHG. Da außerdem Entlastungsund Widerrufskompetenz in der Regel bei demselben Gesellschaftsorgan liegen, dürfte der nicht entlastete Organwalter normalerweise auch seinen Posten verlieren. Anders ist die Situation, wenn der Amtsinhaber nur aus wichtigem Grund abgelöst werden kann, § 38 Abs. 2 GmbHG. Dann stellt sich die Frage, ob „wichtiger Grund" in diesem Sinne wie in der Aktiengesellschaft auch der Vertrauensentzug durch die Gesellschaftergesamtheit ist. Das wird zum Teil für die nicht mitbestimmte 29 GmbH verneint 30 . Die von den Gesellschaftern 25 26 27 28 29 30
Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8. Dazu Schaffland, DB 1978, 1773. Klaus Müller, GenG, § 24 Rdnr. 66. Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 14. In Gesellschaften, die der Mitbestimmung unterliegen, gilt § 84 AktG. Th. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, S. 234.
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
vereinbarte Einschränkung der Abrufbarkeit verliere ihren Sinn, wenn sie durch jede beliebige Mißtrauenskundgabe überspielt werden könne 31 . Denn das liefe auf eine freie Widerruflichkeit der Bestellung hinaus 32 . Die aktienrechtliche Lösung sei deshalb, zumal wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer seine Position aufgrund eines ihm eingeräumten Sonderrechts innehabe, nicht für die GmbH zu übernehmen. Die Begrenzung der Ablösungsmöglichkeiten auf das Vorliegen schwerwiegender Gründe hat den Sinn, der Geschäftsleitung eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den Gesellschaftern zu sichern, die sie institutionell im Normalfall nicht hat. Soll diese Selbständigkeit nicht nur nominell, sondern tatsächlich bestehen, darf sie nicht beliebig über ein schlichtes Abstimmungsergebnis ausgehebelt werden. Allerdings können die Geschäftsführer einer GmbH ohne das Vertrauen und die zumindest moralische Unterstützung der Gesellschaftergesamtheit, ja möglicherweise gegen deren erklärten Willen, auf Dauer nicht sinnvoll arbeiten. In dieser Beziehung unterscheidet sich ihre Situation nicht von der des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Im Gegenteil, gerade in einer personalistischen GmbH kommt dem Moment des persönlichen Miteinanders besondere Bedeutung zu. Im Einzelfall ist daher zu untersuchen, ob auch nach einem Mißtrauensvotum dem Verband oder den übrigen Gesellschaftern ein Verbleiben des Betroffenen zugemutet werden kann 33 . In der Aktiengesellschaft genügt, wie gezeigt 34 , nicht jeder Vertrauensentzug, um das Management auszutauschen. Handelt die Hauptversammlung aus offenbar unsachlichen Motiven, darf der Auf sichtsrat nicht gegen den Vorstand vorgehen. Seine Ermessensentscheidung muß auf rationaler Grundlage ergehen, die Hauptversammlung hat deshalb Gründe für ihre Haltung zu benennen. Auch in der GmbH geht es, wenn ein wichtiger Grund erforderlich ist, um die Sicherung der Selbständigkeit der Geschäftsleiter. Trotzdem fragt sich, ob die Forderung, eine Entlastungsverweigerung nur dann als „wichtigen" Widerrufsgrund anzuerkennen, wenn sie Ausdruck einer auch nach der Einschätzung eines Dritten objektiv unzumutbaren Zerrüttung der Arbeitsgrundlage des Organwalters ist 3 5 , nicht zu weit geht. Zwar kann, wie in der Aktiengesellschaft, ein Vertrauensentzug, der keinerlei sachliche Grundlage hat, nicht genügen36. Das in Streitfällen angerufene Gericht muß sich jedoch davor hüten, die eigene Entscheidung als vermeintlich „objektiver" an die 31
Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 38 Rdnr. 13. Roth, GmbHG, §38 Anm. 3. 2. 4.; Hachenburg-Mertens, GmbHG, §38 Rdnr. 52; vgl. auch Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, §§ 35 - 38 Rdnr. 122; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdnr. 19; Vollmer, GmbHR 1984, 5 32
(6).
33
BGH NJW 1960, 628; WM 1968, 1347 (1348). Siehe oben a). 35 Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdnr. 19. 3 * U. Schneider, ZGR 1983, 535 (538). 34
I. Rechte des Verbandes
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Stelle derjenigen der direkt Betroffenen zu setzen37. Die Gesellschafterversammlung hat eine Einschätzungsprärogative. Ausreichend im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG sind daher sachlich nachvollziehbare 38 Gründe, die bei Würdigung aller Umstände ein gedeihliches Zusammenwirken der Beteiligten zum Wohl der Gesellschaft als ausgeschlossen erscheinen lassen39. Im übrigen ist die Binnenstruktur des Verbands zu berücksichtigen. In einer zweigliedrigen GmbH oder einer Gesellschaft, in der der Gesellschafter-Geschäftsführer die Mehrheit der Anteile hält, dürfte nur ein Vertrauensentzug zum Widerruf der Bestellung berechtigen, der auf begründeten Zweifeln an der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung beruht 40 . Anders, wenn ein Dritter die Gesellschaft leitet oder der Gesellschafter-Geschäftsführer nur eine Anteilsminderheit besitzt; hier genügen Bedenken in bezug auf die Zweckmäßigkeit der Geschäftspolitik 41 , da der Verband in einem solchen Fall nicht den beruflichen Lebensmittelpunkt des Betroffenen darstellen wird. 2. Ersatzansprüche Wie die Entlastungserteilung hat auch die Entlastungsverweigerung keinen unmittelbaren Bezug zu möglichen Schadensersatzansprüchen des Verbandes gegen die Organwalter. Die Motive, die das Entlastungsorgan zur Ablehnung der Décharge veranlassen, können ganz verschieden sein. Auch Amtsträger, die sich korrekt verhalten haben, verlieren unter Umständen das Vertrauen der Verbandsmitglieder, z.B., wenn sie glücklos agieren. Häufig spielen auch Vorgänge eine Rolle, die nichts mit den eigentlichen Aufgaben der Betroffenen zu tun haben, ihn dennoch aber als für die Organisation nicht tragbar erscheinen lassen42: Hierzu gehören der Abschluß zweifelhafter Geschäfte außerhalb des Tätigkeitsfeldes des Verbandes ebenso wie die mögliche Verwicklung in eine Straftat, auch wenn diese nicht gegen die Gesellschaft gerichtet ist. Wird ein Verwaltungsträger nicht entlastet, spiegelt diese Tatsache also nicht notwendig die Einschätzung des Verbandes wider, Ersatzforderungen gegen diesen zu haben 43 . Und selbst, wenn es im Einzelfall anders sein sollte, ist mit dem negativen Déchargebeschlufi keinesfalls die konkrete Geltendmachung dieser Ansprüche verbunden. Dazu bedarf es gesonderten Vorgehens 44 . 37
BGHZ 71, 40 (49). A.A. Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdnr. 19. 39 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 38 Rdnr. 8. 4 0 BGH WM 1968, 1347 (1348). 4 1 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 38 Rdnr. 52. 42 Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 27 f. 43 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 100. 38
9 Barner
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
I I . Rechte der Organmitglieder Die Reaktionsmöglichkeiten der nicht entlasteten Organwalter entsprechen nicht spiegelbildlich denen des Verbandes. Zwar geht es auch für sie zum einen um ihre Stellung in der Organisation, zum anderen (indirekt) um eventuelle Schadensersatzverpflichtungen. Der Akzent ist aber insoweit verschoben, als infolge der potentiell schwerwiegenden außerrechtlichen Weiterungen einer Entlastungsverweigerung die Frage zu beantworten ist, ob Organmitglieder, wenn sie sich objektiv oder nach eigener Einschätzung korrekt verhalten haben, eine Décharge verlangen und notfalls einklagen können. 1. Allgemeine Reaktionsmöglichkeiten a) Organverhältnis Autoritätsverlust, wenn nicht Schlimmeres - wie z.B. in der Öffentlichkeit bloßgestellt worden zu sein - können eine Tätigkeit, die im weiteren Sinne auf „Führung" eines Verbandes gerichtet ist, ohne Zweifel wesentlich erschweren. Auch in Gesellschaften, in denen offiziell über das Ergebnis der Entlastungsabstimmung nichts verlautet, wird sich eine Déchargeverweigerung nicht geheimhalten lassen, das Mißtrauensvotum dürfte sich vielmehr in kurzer Zeit herumgesprochen haben. Deshalb soll es dem Organmitglied im Grundsatz möglich sein, sich den im Einzelfall unter Umständen entwürdigenden Zuständen und Zumutungen zu entziehen und sein Amt vor der Zeit niederzulegen 45. Das gelte für alle Verbandsformen gleichermaßen: Gegen eine Atmosphäre des Mißtrauens anzuarbeiten, könne niemandem zugemutet werden 46 , zumal eine Beseitigung der Entlastungserteilungshindernisse und eine Wiederherstellung des Vertrauens in der Regel ausgeschlossen seien 47 . Das Innehaben und Ausfüllen z.B. der Position des Geschäftsführers einer GmbH ist in der Tat ohne einen gewissen Rückhalt bei der Gesellschaftergesamtheit kaum vorstellbar. Der Organwalter kann deshalb aus wichtigem Grund sein Amt zur Verfügung stellen 48 , wenn eine irreparable Vertrauenskrise das gegenseitige Verhältnis belastet. Die Beschränkung auf Anlässe von einigem Gewicht soll die Gesellschaft vor den möglicherweise verheerenden 44
Für die GmbH zeigt das bereits die Regelung in § 46 Nr. 8 GmbHG: Sollen Ersatzansprüche erhoben werden, ist ein gesonderter Gesellschafterbeschluß zu fällen. 45 Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 25; Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 6; Koch, AG 1969, 1 (5 Fn. 45); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 100. 46 Baumbach / Hueck, AktG, § 120 Anm. 11. 47 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (438). 48 Β GHZ 78, 82 (84); Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 38 Rdnr. 75; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdnr. 37.
II. Rechte der Organmitglieder
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Folgen einer plötzlichen Vertreterlosigkeit und damit verbundenen Handlungsunfähigkeit bewahren. Diese Interessenlage verbietet eine „Waffengleichheit" von Geschäftsführer und Verband in bezug auf die Beendigungsmöglichkeiten der Organstellung: Das Recht der Gesellschaft, den Geschäftsleiter jederzeit zu entlassen, § 38 Abs. 1 GmbHG, wird nicht durch eine entsprechende Befugnis desselben zur Demission ergänzt 49 . Nun ist die Déchargeverweigerung nicht immer ein Zeichen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten oder eines allgemeinen Mißtrauens. Haben Organwalter nur unvollständig Rechenschaft gegeben, hat das Entlastungsorgan das Recht, die Entlastung zunächst zu verweigern, ohne damit notwendig ein endgültiges Urteil zu sprechen. In einem derartigen Fall dürfte die Verwaltung allerdings in der Regel aus eigenem Interesse zunächst versuchen, diese Entlastungshindernisse zu beseitigen. Zweifelhaft ist aber, ob Geschäftsleiter, die ein Unternehmen durch eigene Fehlleistungen in Schwierigkeiten gebracht haben und die deshalb nicht entlastet wurden, die angeschlagene Gesellschaft einfach in Stich lassen dürfen. Über den allgemeinen Grundsatz hinaus, eine auf Dauer angelegte Tätigkeit nicht zur Unzeit zu beenden, wird man in einer solchen Situation das alte Management für verpflichtet halten müssen, wenigstens für eine Übergangszeit, bis neue Organwalter gefunden sind, die Geschäfte fortzuführen 50 , sofern die Verbandsmitglieder dies überhaupt wollen. Mit der Amtsübernahme sind die Betroffenen und die Organisationen in eine Art „FürsorgeVerhältnis" zueinander getreten, das jene dazu anhält, übermäßigen Schaden abzuwenden. Die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter darf nicht mittelbar durch die Drohung mit einer sofortigen Amtsaufgabe 51 eingeschränkt werden. Hat dagegen das Entlastungsorgan die Décharge ohne ersichtlichen sachlichen Grund verweigert, z.B. um den Geschäftsleiter für die Nichtbeachtung einer rechtswidrigen Weisung zu „bestrafen", kann dieser sofort zurücktreten 52 . b) Anstellungsverhältnis Der schuldrechtliche Anstellungsvertrag muß das Schicksal des Organverhältnisses nicht notwendig teilen. Zwar kann der Betroffene die Entlastungs49 BGHZ 78, 82 (85); Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, §§35-38 Rdnr. 132; a. Α. H. Schneider / U. Schneider, GmbHR 80, 4 (7): jederzeitige Niederlegungsbefugnis. 50 So auch Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 44 für die Aktiengesellschaft. 51 Allerdings ist eine aus wichtigem Grund erklärte Amtsniederlegung, auch wenn diese nur vorgeschützt ist, faktisch sofort wirksam, vgl. BGHZ 78, 82; Ausnahme: EinMann-GmbH, vgl. OLG Hamm ZIP 1988, 1048. 52 Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 29; Roth, GmbHG, § 46 Anm. 6.3.3., Neflin, NJW 1959, 1666 (1667); Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 408. 9*
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
Verweigerung als wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung desselben nach § 626 BGB nehmen. Er muß es aber nicht 53 . Der Trennungsgedanke hat einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Verbandsinteressen und den (materiellen) Bedürfnissen des Organwalters zu ermöglichen. Weder die Gesellschaft noch der Geschäftsleiter sollen nur aus Rücksicht auf die finanziellen Folgen zu einem Verhalten gezwungen werden, das weder der einen noch der anderen Seite nutzt. Deshalb kann es im Grundsatz zunächst nicht darauf ankommen, ob der Inhaber der Organstellung durch seine Resignation selbst die Ursache für die Unmöglichkeit gesetzt hat, seine vertraglichen Pflichten weiter zu erfüllen 54 . Die Erteilung oder die Verweigerung der Décharge steht im (freien) Ermessen der Verbandsmitglieder 55 . Hat der Amtsinhaber, z.B. der Geschäftsführer einer GmbH, keinen konkreten, vorwerfbaren Anlaß für ein Mißtrauensvotum gegeben und erhält er nur eine Quittung für sein vermeintlich glückloses Handeln, ist kein Grund ersichtlich, der den das Amt Niederlegenden zwingen sollte, auf die Ansprüche aus dem Anstellungs ver trag zu verzichten 56 . Vielmehr ist die Gesellschaft auf die Kündigung zu verweisen. Für die Übergangszeit ist der Betroffene je nach den Umständen verpflichtet, eine andere angemessene Tätigkeit in der Organisation zu übernehmen 57 . Weigert er sich insoweit, kann ihm fristlos gekündigt werden 58 . Sind dem Organmitglied zu Recht Pflichtwidrigkeiten vorgeworfen worden und tritt er nach einer Entlastungsverweigerung ab, ohne gleichzeitig auf seine schuldrechtlichen Ansprüche verzichten zu wollen, ist eine sofortige Kündigung ebenfalls möglich 59 . Denn in diesem Fall liegt kein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung vor 6 0 : Wollen die GmbH-Gesellschafter eine sofortige Entfernung nicht, hat der Organwalter zunächst weiterzuarbeiten. Die dennoch erfolgte Demission ist zwar faktisch wirksam, da dem Verband (z.B. im Fall eines Rechtsstreits) eine möglicherweise Jahre dauernde Ungewißheit über die Vertretungsverhältnisse 61 nicht zugemutet werden kann, bildet aber auch einen Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB und berechtigt die Gesellschaft gegebenenfalls zum Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB 6 2 .
53
BGH WM 1978, 85; Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 38 Rdnr. 41. 54 Dernbach, BB 1982, 1266 (1270). 55 Β GHZ 94, 324 (327). 56 BGH GmbHR 1978, 85 (86). 57 BGH GmbHR 1966, 277 m. Anm. Ganßmüller. 58 H. Schneider / U. Schneider, GmbHR 1980, 4 (10). 59 Dernbach, BB 1982, 1266 (1270). 60 Siehe oben a). 61 BGHZ 78, 82 (89). 62 H. Schneider / U. Schneider, GmbHR 1980, 4 (10).
II. Rechte der Organmitglieder
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2. Rechtliche Schritte gegen die Entlastungsverweigerung In Ansehung der möglichen materiellen und immateriellen Folgen einer Entlastungsverweigerung stellt sich für den betroffenen Organwalter die Frage, ob und wie er sich gegen ein als „ungerecht" empfundenes Mißtrauensvotum wehren kann. a) Entlastungs-Leistungsklage „Das Gesetz63 läßt deutlich erkennen, daß der Verwaltung, die durch die Vorlegung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie durch Abgabe der sonst etwa erforderlichen Erklärungen eine, soweit zu ersehen, einwandfreie Geschäftsführung nachgewiesen hat, die Entlastung nicht aus Willkür verweigert werden darf" 64 . Das stellt das Reichsgericht im Jahr 1917 fest und legt damit den Grundstein für die bis heute vertretene 65 These, Verwaltungsmitglieder hätten ein Recht darauf, entlastet zu werden 66 . Im Mittelpunkt der Begründung steht, wie angesichts der vermeintlich „virtuellen" Entlastungsfolgen nicht verwundert, wieder die von der h.M. angenommene schadensersatzhemmende Wirkung der Déchargeerteilung. Weil die Betroffenen ein (berechtigtes) Interesse daran hätten, Klarstellung über eine mögliche Schadensersatzpflicht zu erhalten, sei der Verband verpflichtet, sie unter gewissen Voraussetzungen zu entlasten. Das Entlastungsrecht sei Kehrseite und sachgerechte Entsprechung der Rechenschaftslegung 67, es 63
§ 260 HGB alter Fassung: „Die Generalversammlung beschließt über die Genehmigung der Jahresbilanz und die Gewinnverteilung sowie über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats". 64 RGZ 89, 396 = JW 1917, 657 m. Anm. Breit; Anm. Boeters JW 1920, 699; Anm. Flechtheim, JW 1920, 700. 65 Buchner, GmbHR 1988, 9 (14); Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 28; Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, S. 89; Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 79. 66 Von Godin / Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 104 Anm. I I 4; Ritter, AktG, § 104 Anm. 3; Teichmann / Koehler, AktG, § 104 Anm. 3; Fischer / Lutter, GmbHG, 11. Aufl. 1985, § 46 Anm. 12; Hachenburg / Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 26; Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, 31. Aufl. 1984, § 48 Rdnr. 16; Baumbach / Duden / Hopt, HGB , § 114 Anm. D ; Fischer in : GroßKomm zum HGB, § 116 Anm. 23; Heymann-Emmerich, HGB, § 114 Anm. 14; Heymann-Horn, HGB, § 166 Rdnr. 27; Schlegelberger-Geßler,HGB, § 114 Rdnr. 17; Ulmer in: MünchKomm, BGB, § 713 Rdnr. 9; Soergel-von Lasaulx, BGB, § 27 Rdnr. 26; Soergel-Hadding, BGB, § 713 Rdnr. 8; Staudinger-Keßler, BGB, § 713 Rdnr. 9; Immenga, „Die personalistische Kapitalgesellschaft", S. 328, Heuer, NJW 1951, 151; Schnorr von Carolsfeld, Anm. zu OLG Hamburg, Urteil vom 10. 6. 1960, - 1 U 6/60, ZfG 1962,142; Schuler, AG 1970, 1; Zöllner, „Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht", S. 205. 67 Flume, „Juristische Person", S. 354.
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
ergäbe sich aus Gewohnheitsrecht 68 , aus dem Anstellungsvertrag 69 , aus der gegenseitigen Treuepflicht 70 , aus allgemeinen Regeln 71 . Der Anspruch könne nötigenfalls mit der Leistungsklage geltend gemacht und nach § 894 ZPO vollstreckt werden: Die Rechtskraft des Urteils ersetze die Willenserklärung, d.h. die Entlastungserteilung 72. Die Fixierung auf die Schadensersatzproblematik wird wiederum deutlich an der Situation innerhalb der Aktiengesellschaft. Mit der Zurückführung der aktienrechtlichen Décharge auf eine nur „platonische Vertrauenserklärung" erstarb auch die Diskussion um einen Anspruch des Vorstands und Aufsichtsrats auf eine solche Zustimmungsbekundung fast vollkommen. Zwar gab es vereinzelte Gegenstimmen. Angesichts des Autoritätsverfalls im Anschluß an eine Décharge Verweigerung müsse den Betroffenen ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Entlastung zugebilligt werden 73. Zumal bei einer Leistungsklage sei die Gewährung von Rechtsschutz die Regel, sein Versagen die Ausnahme, weshalb ein entsprechendes Vorgehen zumindest zulässig wäre 74 . Habe sich das Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied außerdem korrekt verhalten und sei es seiner Rechenschaftspflicht nachgekommen, könne ein Urteil das Vertrauen der Aktionäre ersetzen. Das Vertrauen der Mehrheit der Anteilseigner aber sei für ein ersprießliches Weiterwirken im Unternehmen unerläßlich, sein Fehlen eine unzumutbare seelische Belastung. Ein obsiegendes Urteil habe darüber hinaus den Vorteil, außerhalb und innerhalb der Gesellschaft eindrucksvoller als ein lediglich mit geringer Mehrheit gefaßter freiwilliger Entlastungsbeschluß zu wirken 75 . Spätestens seit Inkrafttreten des Aktiengesetzes vom 6. September 1965 aber überwog die Ablehnung 76 . Eine Entscheidung, deren Inhalt nicht das Ergebnis eines logisch eindeutig nachvollziehbaren Prüfungsprozesses sei, die vielmehr die zusammenfassende subjektive Einschätzung eines Geschäftsfüh68 A. Hueck, GmbHR 1959,189 (190); Brox, BB 1960,1226 (1227); Schuricht, aaO., S. 79; Lehmann, Anm. zu RG, Urteil vom 3. 2. 1936 - IV 248/35, JW 1936, 1893. 69 Flechtheim, JW 1920, 700 (701). 70 Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 26; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 29. 71 A. Hueck, Das Recht der Offenen Handelsgesellschaft, § 12, 5, S. 191. 72 RGZ 89, 396 (397) = JW 1917, 657 (658); OLG Hamburg BB 1960, 996; Schuler, NJW 1960, 601 (602); Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 46 Rdnr. 26; A. Hueck, GmbHR 1959, 189 (191); Buchner, GmbHR 1988, 9 (14); Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 29; a.A. BGHZ 94, 324 (326); K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (440). 73 Schuler, NJW 1960, 601 (602). 74 Brox, BB 1960, 1226 (1228). 75 Schuler, NJW 1960, 601 (603). 76 Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 10; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 40; Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 45; Baumbach / Hueck, AktG, § 120 Rdnr. 11; von Godin / Wilhelmi, AktG, § 120 Anm. 4; Flume, „Juristische Person", S. 356.
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rungshandelns darstelle, könne von niemandem als den Aktionären gefällt werden 77 . Einen Anspruch auf Vertrauen gäbe es nicht 78 . Einer Entlastungsklage sei im Hinblick auf die faktische Bedeutung der Déchargeverweigerung zwar die Zulässigkeit nicht abzusprechen 79, wohl aber müsse sie als unbegründet abgewiesen werden: Das Entlastungsinstitut diene den Interessen der Aktionäre und der Öffentlichkeit, denen der Organmitglieder dagegen nur indirekt. Die Kontrollfunktion und die Einschätzungsprärogative der Hauptversammlung dürften nicht mit staatlicher Hilfe eingeschränkt werden 80 . Für die übrigen Verbände, insbesondere die GmbH, wurde im Gegensatz dazu bisher fast einhellig ein den Organmitgliedern zustehendes Recht auf die Entlastung anerkannt 81 . Nur wenige vertraten die Auffassung, die sogenannte Entlastungsklage könne allenfalls eine Art negativer Feststellungsklage sein: Der nicht entlastete Amtsinhaber dürfe sich lediglich das Nichtbestehen gegen ihn gerichteter Ersatzansprüche des Verbandes bescheinigen lassen82. Letzterem hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen83 und die Klage des Geschäftsführers einer GmbH auf Erteilung der Décharge abgewiesen: Vertrauen sei vorhanden oder sei nicht vorhanden. Ein Gericht sei nicht in der Lage, eine verlorengegangene Übereinstimmung zu ersetzen oder wiederherzustellen. Wie die Verbandsmitglieder die Mühewaltung der Verwaltungsorgane einschätzten und insbesondere, ob sie sie als das Verbandsinteresse angemessen verwirklichend beurteilten, stehe ihnen anheim. Ob jemand eine „glückliche Hand" gehabt habe, könne nur der entscheiden, zu dessen Nutzen diese sich zu regen habe 84 . Auch die Reduzierung der Problematik auf die Schadensersatzfrage helfe nicht weiter. Habe sich der Geschäftsführer korrekt verhalten, gehe eine Klage „auf Verzicht" ins Leere, sei dem nicht so, könne nicht erklärt werden, wieso der Organwalter die Gesellschaft sollte zwingen können dürfen, auf Forderungen zu verzichten: Schließlich stünde sein Fehlverhalten dann ja fest 85 . - Auch für die übrigen Entlastungstatbestände (für Genossenschaft, Verein, Personengesellschaft) dürfte die Rechtsprechung in Zukunft entsprechend verfahren. 77
Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 40. Zempelin, AcP 155 (1956), 209 (232); Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 10. 79 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 45; a.A. Baumbach / Hueck, AktG, § 120 Rdnr. 11; Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 12. 80 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 45. 81 Vgl die in Fußnote 66 Genannten. 82 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (440); Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 25; Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 135 ff. 83 BGHZ 94, 324. 84 BGH aaO., S. 326f. 8 5 BGH aaO., S. 328 im Anschluß an K. Schmidt, ZGR 1978, 325 (441); vgl. auch Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 46 Rdnr. 28. 78
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
Der Bundesgerichtshof ist kritisiert worden 86 . Das Ergebnis, einen Anspruch auf Décharge zu verneinen, beruhe auf einer Verkennung dessen, was das Entlastungsinstitut im Eigentlichen ausmache. Nicht die Billigung oder Mißbilligung der Aufgabenerledigung, nicht das Bekunden oder Nichtbekunden von Vertrauen stünden im Mittelpunkt des Vorgangs. Die Fragestellung sei von jeher eine ganz andere: Nicht die Zweckmäßigkeit des Verwalterhandelns sei zu überprüfen, sondern lediglich seine Rechtmäßigkeit. Unternehmerische Betätigung trage immer das Risiko partiellen oder gar umfassenden Scheiterns in sich, der Pfad zwischen pflichtgemäßer Risikofreude und vorwerfbarer Säumnis beim Ergreifen sich bietender Chancen ließe sich häufig kaum ausmachen. Vor diesem Hintergrund komme dem Entlastungsinstitut die Aufgabe zu, dem Geschäftsleiter die Pflichtgemäßheit seines Tuns zu bestätigen87. Ob sich Organwalter ordnungsgemäß verhalten hätten, könne aber überprüft und die Prüfung zum Inhalt einer Rechtspflicht gemacht werden. Die Rechtsprechung habe diese klaren Konturen verschwimmen lassen. Die vorgeblich noch immer vergangenheitsbezogene Leistungsbescheinigung verwandele sich unter der Hand plötzlich in eine Vertrauenserklärung für die Zukunft. Allein aufgrund dieser beiläufig unterschobenen Erweiterung des Beschlußinhalts die Klagbarkeit der Décharge entfallen zu lassen, sei aber falsch 88 . Anders als der Bundesgerichtshof annehme 89 , sei das Entlastungsorgan in seiner Entscheidung nicht frei, sondern gebunden. Es müsse sachlich entscheiden90. Eine Entlastungsverweigerung komme nur in Betracht, wenn vorwerfbares Verhalten Ersatzansprüche nach § 43 Abs. 2 GmbHG auslösen könne. Gebe die Amtsführung keinen Anlaß zu nennenswerter Beanstandung, könne die Décharge verlangt und notfalls eingeklagt werden 91 . Ein nicht gerichtlich durchsetzbares Entlastungsrecht liefere die Organwalter der Willkür der Verbandsmitglieder aus 92 und entwerte ein Rechtsinstitut, dessen Erwähnung z.B. in den §§ 119 A k t G und 46 GmbHG die große Bedeutung verdeutliche, die der Gesetzgeber ihm beigemessen habe 93 . Die Diskussion um die Möglichkeit einer Entlastungsklage ist stringent deshalb nur schwer zu führen, weil es um einen Vorgang geht, dessen Inhalt psychischer und damit nicht objektiv nachprüfbarer Natur ist, dessen Folgen 86 Buchner, GmbHR 1988, 9ff.; Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, §46 Rdnr. 28f.; Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 102 ff. 87 Buchner, aaO., S. 12. 88 Buchner, aaO., S. 13. 89 Β GHZ 94, 324 (327). 90 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 28; Schuricht, aaO., S. 103. 91 Buchner, aaO., S. 14. 92 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 29. 93 Buchner, aaO., S. 10.
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dagegen wenigstens in Teilen rational nachvollzogen werden können. Niemand wird die Unmöglichkeit leugnen, Billigung und Vertrauen vor Gericht einzufordern 94 , jedermann leuchtet umgekehrt das subjektive Interesse der Organmitglieder ein, vor Reputationsverlust und Schadensersatzforderungen bewahrt zu werden. Stellt man den Inhalt des Entlastungsbeschlusses in den Mittelpunkt der Untersuchung, spricht alles für eine generelle Ablehnung der Erzwingbarkeit der Décharge. Denn Grundlage und Aussage des Entlastungsurteils bleiben gleich und hängen nicht davon ab, welche Weiterungen dieses für die Betroffenen in den einzelnen Verbänden hat. Befaßt man sich mit den immateriellen Folgen der Entscheidung, fällt eine eindeutige Antwort im Prinzip ebenfalls nicht schwer: Sie sind tendenziell in allen Organisationsformen gleich. Wegen der in der Regel gegebenen Unternehmensgröße und der deshalb größeren potentiellen Wirkungen eines Mißtrauensvotums müßte den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft eigentlich sogar besonders entgegengekommen werden. Der Bruch ergibt sich für die überkommene Meinung also als direkte Konsequenz der (angeblich) unterschiedlichen materiellen Auswirkungen eines Déchargebeschlusses: Weil in dem einen Fall Ansprüche ihre Durchsetzbarkeit verlieren sollen 95 , darf geklagt werden, in dem anderen dagegen nicht, weil Pflichtwidrigkeiten verfolgbar bleiben. Diesen Unterschied und das gleichzeitige Festhalten an einem einheitlichen Entlastungsbegriff stimmig zu erklären, ist nicht leicht 96 . Die Schwierigkeiten, die die dogmatisch schlüssige Herleitung eines nach Rechtsformen differenzierenden Entlastungsklagerechts bereitet, macht auch die oben skizzierte Argumentation der Kritiker des Bundesgerichtshofs deutlich. Über die Ablehnung einer Klagebefugnis innerhalb der Aktiengesellschaft besteht Einigkeit eben wegen des Inhalts des Beschlusses97. Da aber eine einzelne (vermeintliche) Rechtsfolge nicht Grundlage eines selbständigen Anspruchs sein kann, bleibt nur der Weg, die Déchargeaussage so zu modifizieren, daß sie scheinbar objektivierbar wird: Statt als auf die Vergangenheit bezogene, die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns bewertende Einschätzung, die eben wegen dieser Wertung indirekt auch in die Zukunft wirkt, faßt man sie als streng zurückgewandte Bestätigung der Rechtmäßigkeit desselben, die auf jeden nach vorne gerichteten Bezug und auf jeden Hinweis
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BGHZ 94, 324 (326); Flume, „Juristische Person", S. 354. Zur Kritik dieser These siehe oben Kapitel 2. 96 Das beklagt auch Buchner, GmbHR 1988, 9 (10). 97 Flume, „Juristische Person", S. 356; wohl auch Buchner, aaO., S. 12, obwohl seine Argumentation eigentlich rechtsformneutral ist. 95
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
darauf verzichtet, ob die Verbandsmitglieder mit dem, was getan wurde, zufrieden sind 98 . Diese Vorgehensweise ist jedoch zu kritisieren. Zwar mag es möglich sein, die Prüfung und Feststellung der Pflichtgemäßheit der Handlungen von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen zum Inhalt einer Rechtspflicht zu machen. Es ist nur die Frage, ob man auf diese Weise der Aufgabe des Entlastungsinstituts gerecht wird 9 9 . Für alle direkt oder indirekt in den Déchargevorgang Eingebundenen, die Amtsinhaber, die Verbandsmitglieder und die Öffentlichkeit, liegt die Bedeutung des Entlastungsbeschlusses nicht im „Abrechnungsbereich". Die Geschäftsleiter sind keine Buchhalter, denen bescheinigt werden müßte, die Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß geführt zu haben. Nicht zufällig sind Bilanzfeststellung und Entlastungserteilung getrennte Beschlußgegenstände, die zwar aufeinander bezogen, die aber nicht identisch sind. Der den Déchargeinhalt verkürzende Ansatz führt zu der Konsequenz, daß z.B. die Gesellschafterversammlung einer GmbH einen korrekt, aber glücklos agierenden Geschäftsführer zwar entlasten muß, ihn aber, wenn sie nicht zufrieden ist, unmittelbar darauf nach § 38 Abs. 1 GmbHG entlassen kann 1 0 0 . Zwar ist die Gesellschaftergesamtheit auch sonst frei, eine Entfernung des Amtsinhabers ohne Rücksicht auf eine erfolgte Déchargeerteilung vorzunehmen 101 . Dies aber deshalb, weil ihr insoweit zwei unterschiedliche Rechte zur Verfügung stehen. Die Kombination Entlastungszwang und Entlassungsrecht ergibt dagegen ein schiefes Bild, zumal es auch im Sinne der Organwalter sein dürfte, den Anteilseignern ein milderes Mittel als die Abberufung, also die Entlastungsverweigerung, in die Hand zu geben, wenn sie ihre Unzufriedenheit ausdrücken wollen. Der wirkliche Wert des positiven Déchargebeschlusses liegt für die Beteiligten im außerrechtlichen Bereich. Das zeigt schon die nach wie vor große Bedeutung der Entlastung im Aktienrecht. Als Vertrauen dokumentierender und Vertrauen schaffender A k t ermöglicht die Déchargeerteilung das von der notwendigen Durchsetzungskraft getragene Fortführen der Verbandsgeschäfte. Diesen Sinn hat die Entlastung spätestens mit dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes vom 30. Januar 1937. Auch der mehr appellative Hinweis an das Entlastungsorgan, es müsse „sachgerecht" entscheiden 102 , oder die Feststellung, es sei nicht einzusehen, „weshalb die Entlastung als Billigung mit der Folge des Ausschlusses etwaiger Schadensersatzsprüche und anderer Rechte nicht Gegenstand einer Leistungs98
Buchner, aaO., S. 14. Ablehnend auch Tellis, GmbHR 1989, 113 (115). 100 So in der Tat Buchner, aaO., S. 13. i Q 1 Siehe oben Kap. 3, II, 1. 102 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 28.
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klage und eines Leistungsurteils sein könne" 1 0 3 , lösen das grundsätzliche Problem nicht. Für die Situation in der Aktiengesellschaft unter der Geltung des modernen Aktienrechts heißt es in einer Kommentierung: „Der Zweck der Klage auf Entlastung nach früherem Recht war im Grundsatz der, die Hauptversammlung zu einer Entscheidung darüber zu zwingen, ob sie Ansprüche gegen die Verwaltungsmitglieder geltend machen wollte" 1 0 4 . Dies Ziel dürfte auch heute noch im Hintergrund des Streits um die Entlastungsklage stehen 1 0 5 . Denn der immaterielle Schaden ist auch durch ein Entlastungsurteil, das auf eine Entlastungsverweigerung ergeht, wohl kaum auszugleichen. Der Autoritätsverlust ist das folgerichtige Gegenstück zur Aussage eines Mißtrauensvotums. Ist es per definitionem nicht das Ergebnis eines emotionsfreien, quasi automatischen Prüfungsprozesses, kann die ausgelöste Reaktion ebenfalls nicht nur dem Verstand und der Logik verpflichtet sein. Weder die Anteilseigner noch die Mitarbeiter und die Öffentlichkeit werden ein Gerichtsurteil, das dem Kläger extern und „von Amts wegen" bescheinigt, zufriedenstellend gearbeitet zu haben, wirklich ernst nehmen. Der Geschäftsleiter wird immer „beschädigt" aus einem Streit um eine Entlastungserteilung hervorgehen. Mit dem klassischen juristischen Instrumentarium sinnvoll erfaßbar wären deshalb einzig mögliche Ersatzforderungen des Verbandes gegen den Amtsinhaber. Von dem hier vertretenen Standpunkt aus, der dem Entlastungsinstitut jeden Bezug zu Schadensersatzfragen abspricht, versteht sich die Ablehnung einer so verstandenen Entlastungsklage von selbst. Aber auch wenn man dem nicht folgt und an den traditionellen Déchargefolgen festhalten will, ist, was ihre Klagbarkeit angeht, den oben angeführten Bedenken in Schrifttum und Rechtsprechung nichts hinzuzufügen: Einen Anspruch auf Verzicht gibt es nicht; sind keine Fehler gemacht worden, ist eine Leistungsklage sinnlos. Die Organwalter sind damit in gewisser Weise „rechtlos" gestellt. Sie müssen das Ergebnis der Beratungen des Entlastungsorgans so nehmen, wie es kommt. Das läßt Einwände laut werden. Willkürliche Beurteilung und unzulässige Diskriminierung drohten, wenn man die Entlastungserteilung in das Belieben der Verbandsmitglieder stelle 106 . Niemandem sei das Hoffen auf einen bloßen Gunsterweis zuzumuten 107 . In der Tat birgt die Subjektivierung eines Vorganges, der dem direkten Einfluß derjenigen, die er unmittelbar betrifft, entzogen ist, die Gefahr unsachlicher und mißbräuchlicher Entscheidungen. Zumal in personalistischen Gesell103
Flume, „Juristische Person", § 10 II 4, S. 355. Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 10. 105 Vgl. dazu auch den Sachverhalt in BGHZ 94, 324: Es ging um die angebliche Verwendung von Betriebsmitteln zu privaten Zwecken. 106 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, Rdnr. 29. 107 Buchner, aaO., S. 10: „Dies kann nicht die richtig Konzeption sein". 104
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Kapitel 4: Entlastungsverweigerung
Schäften mit festgefügten Machtstrukturen kann die Tatsache, aufeinander angewiesen zu sein und miteinander arbeiten zu müssen, zu Situationen führen, in denen der EntlastungsVorgang zu einem Nebenkriegsschauplatz anderer Machtkämpfe degeneriert. Dasselbe gilt für Familienverbände, in denen persönliche Animositäten hinzukommen mögen 108 . Einerseits dürfte dies aber nur ausnahmsweise gelten, zum anderen ist ein erzwingbares Recht auf Décharge kein geeigneter Weg, diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Denn weder kann ein Gericht ein gestörtes Vertrauensverhältnis wiederherstellen, noch kann es schlüssig und erlaubt sein, den Inhalt der Décharge, deren vorteilhafte rechtliche und außerrechtliche Wirkungen dann, wenn sie ergeht, auch die Kritiker der Rechtsprechung in Anspruch nehmen 109 , im Verweigerungsfall auf einen Ausschnitt zu reduzieren 110 . Die vor das Entlastungsorgan tretenden Amtsinhaber möchten erfahren, wie die Verbandsmitglieder das während der Entlastungsperiode Geleistete insgesamt bewerten. Dies Begehren schließt das Risiko einer ablehnenden Einschätzung mit ein, auch wenn ein solches Ergebnis aus der Sicht des Organwalters noch so unbegründet erscheinen mag. Nur im extremen Einzelfall können die von den Regeln der §§ 826, 138 BGB gesetzten Grenzen überschritten sein 111 . Davon abgesehen darf die Entscheidungsfreiheit der Entlastenden durch die Eröffnung des Rechtswegs nicht eingeschränkt werden. Kein Organwalter kann also mit dem Ziel, entlastet zu werden, Klage gegen den Verband erheben 112 : „Zur Liebe kann man niemanden zwingen" 113 . Er kann lediglich die Einleitung des Entscheidungsprozesses selbst verlangen. Ist die notwendige Rechenschaft gegeben worden, darf sich das Entlastungsorgan nicht jeglicher Stellungnahme entziehen 114 . b) Entlastungs-Feststellungskiage Unabhängig von Autoritätsverlust und Machtverfall ist zu untersuchen, ob und wie der nichtentlastete Organwalter einer möglichen Konfrontation mit Schadensersatzansprüchen des Verbandes begegnen kann. Für die h . M . , die 108 Vgl. die Familie S, die seit Jahren die Gerichte beschäftigt; u.a. BGHZ 68, 107; 97, 28; GmbHR 1977, 129. 109 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 26. 110 Kritisch auch K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (442). 111 Vgl. auch Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 125ff. 112 Klaus Müller, GenG, § 48 Rdnr. 12; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 48 Rdnr. 8; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rdnr. 12a; Ahrens, ZGR 1987, 129 (132); Rowedder / Koppensteiner, GmbHG, §46 Rdnr. 25; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 102; Tellis, GmbHR 1989, 113(116). 113 Scholz, GmbHG, 5. Aufl. 1964, § 46 Rdnr. 11. 114 Tellis, aaO., S. 125; Schaffland in: Lang / Weidmüller, GenG, §48 Rdnr. 16; a.A. Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 41.
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der Entlastungserteilung einen Verzichtseffekt beimißt, ist diese Frage eine Essentialie des Déchargevorgangs, wenn man, wie hier vertreten, das Entlastungsinstitut sorgfältig von Pflichtverstoß und Einstandspflicht trennt, wird dem Problem der Platz zugewiesen, der ihm zukommen sollte: Nämlich als im wesentlichen nicht anders zu behandeln als ähnliche Konstellation in anderen Rechtsverhältnissen. Der „Normalschuldner" vermag sich gegen einen zögernden, aber lästigen, wirklichen oder vermeintlichen Gläubiger mit der Erhebung einer negativen Feststellungsklage zu wehren, § 256 Abs. 1 ZPO. „Berühmt" 1 1 5 sich dieser eines Anspruchs, kann jener durch Urteil dessen Nichtbestehen ein für allemal feststellen lassen. Begründet das Entlastungsorgan die Déchargeverweigerung mit dem Bestehen konkreter Ersatzforderungen gegen den Betroffenen und werden diese nicht innerhalb eines absehbaren Zeitraums geltend gemacht, gibt die Rechtsordnung dem Amtsinhaber ein Mittel in die Hand, selbst die Initiative zu ergreifen. Er braucht die weiteren Reaktionen des Verbandes nicht abzuwarten, der Weg zum Gericht steht ihm vielmehr offen, weil er ein berechtigtes Interesse daran hat, die Haftungssituation alsbald geklärt zu sehen. Andernfalls drohte ein permanenter Schwebezustand, der es dem Organmitglied unmöglich machte, sich auf seine Hauptaufgabe, die aktive oder kontrollierende Leitung des Verbands, zu konzentrieren. In der Ausgangssituation des Eingangsfalls 3 1 1 6 hat A also die Möglichkeit, durch eine Klage die Existenz oder Nichtexistenz gegen ihn gerichteter Ansprüche wegen der Bewachung seines Privathauses durch Angestellte der Gesellschaft klären zu lassen 117 . Eine solche Konstellation ist unproblematisch. Sie ist in allen Verbänden gleich zu behandeln. Auch dem Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft steht es frei, eine negative Feststellungsklage zu erheben, wenn die Hauptversammlung die Entlastungsverweigerung mit konkreten Pflichtverletzungen begründet 118 . Die Regelung des § 93 Abs. 4 Satz 3 A k t G hindert das nicht. Sie beschränkt nur ein feiwilliges Handeln der Gesellschaft. Interessanter ist die Situation, wenn das Entlastungsorgan es bei einem unspezifizierten Hinweis auf mögliche Schadensersatzansprüche beläßt 119 , seine Ablehnung mit allgemeiner Unzufriedenheit begründet 120 oder sogar auf jede Erläuterung verzichtet. Sollte man auch dann eine negative Feststellungsklage zulassen? Dazu BGHZ 91, 41. Siehe oben Einführung. 117 So hat auch der BGH in BGHZ 94, 324ff. entschieden. 118 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 46; Geßler-Eckardt, AktG, § 120 Rdnr. 42; Barz in: GroßKomm. zum AktG, § 120 Anm. 10; Brox, BB 1960,1228 (1229); vgl. auch Flume, „Juristische Person", S. 356. 119 Abwandlung 1 Eingangsfall 3, Einführung. 120 Abwandlung 2 Eingangsfall 3, Einführung. 116
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Das wird vertreten 121 : Was die h.M. als Leistungsklage begreife, stelle in Wirklichkeit eine Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO dar. Der Sinn der sogenannten Entlastungsklage sei es immer gewesen, die Haftungslage zwischen Verband und Organwalter eindeutig zu klären. Ohne Rücksicht auf die jeweilige Begründung müsse es dem nicht entlasteten Amtsinhaber aber erlaubt sein, diesen Problemkomplex durch das Gericht beurteilen zu lassen. Das gebiete sein berechtigtes Streben nach Rechtssicherheit 122. Der Lösungsvorschlag stützt sich auf eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1917 123 , in dem einem Entlastungsurteil in bezug auf die spätere Geltendmachung von Ersatzforderungen „die gleiche Bedeutung wie einer negativen Feststellungsklage" beigemessen wurde: Anders als die freiwillig erteilte Décharge erfasse die erzwungende sämtliche möglichen Ansprüche, nicht nur die erkennbaren 124 . Die Hauptschwierigkeit des Ansatzes besteht darin, die für die Zulässigkeit einer „normalen" Feststellungsklage vom Gesetz aufgestellten Prozeßvoraussetzungen sachlich auszufüllen. Zweifelhaft ist nämlich, ob das Organmitglied, dem mit allgemeiner Begründung die Décharge vorenthalten wurde, für sein Begehren auf ein berechtigtes Feststellungsinteresse verweisen kann. Das Reichsgericht hatte es in der oben zitierten Sache einfacher. Es hielt daran fest, einen Leistungsantrag (nicht einen Feststellungsantrag) zu beurteilen 125 , der schon dann zulässig ist, wenn ein behauptetes Recht, wie ζ. B. das auf Entlastungserteilung, nicht befriedigt wurde. Die Feststellungsklage gewährt in Fällen Rechtsschutz, in denen weder mit einer Leistungsklage verfolgbare Ansprüche bestehen noch über eine Gestaltungsklage Rechte geändert werden sollen; es geht also um die Beseitigung sonstiger Rechtsunsicherheiten 126. Zulässig ist diese Klage u.a. dann, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses hat, § 256 Abs. 1 ZPO, wenn seine Rechtsposition einer gegenwärtigen Gefahr der Nichtsicherheit ausgesetzt ist, die durch ein Feststellungsurteil beseitigt werden kann 1 2 7 . Die Erhebung einer negativen Feststellungsklage setzt eine „Anspruchsberühmung" durch den Beklagten voraus 128 ; er muß deutlich gemacht haben, eine 121 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (433); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 102; Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, § 46 Rdnr. 25; vgl. auch Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 135ff. 122 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 102. 123 RGZ 89, 396 = JW 1917, 657 m. Anm. Breit; Boeters, JW 1920,699; Flechtheim, JW 1920, 700. 124 RGZ 89, 396 (397). 125 RGZ 89, aaO. 126 Zöller-Stephan, ZPO, § 256 Anm. I. * 27 BGHZ 69, 144 (147). i2« BGHZ 91, 37 (41).
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von der Einschätzung des Klägers abweichende Sachverhaltsbeurteilung nur unter dem Eindruck eines widersprechenden Richterspruches aufgeben zu wollen 129 . Über das für jede Rechtsverfolgung erforderliche Rechtsschutzinteresse hinaus muß der Kläger also auf ein besonderes Feststellungsinteresse verweisen können 130 . Die Notwendigkeit, es eigens als gegeben zu konstatieren, dient einem doppelten Zweck. Einmal sind die Gerichte vor überflüssigen Prozessen zu bewahren: Die Funktionsfähigkeit der Jurisdiktion wäre Gefährdungen ausgesetzt, wenn es erlaubt wäre, ihren Apparat schon dann in Anspruch zu nehmen, wenn an Hand eines fingierten Sachverhalts lediglich eine abstrakte Rechtsfrage geklärt oder die Ansicht eines bestimmten Spruchkörpers erforscht werden soll 1 3 1 . Zum anderen gilt es, die Rechtssphäre des potentiell Beklagten vor einer unzumutbaren Beeinträchtigung zu schützen: Niemand darf ohne Grund in einen Rechtsstreit gezogen werden 132 . Ist es der Zweck der Forderung nach einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, Situationen zu vermeiden, in denen sich der Prozeßgegner vor die Alternative gestellt sieht, entweder einen gegnerischen Anspruch anzuerkennen oder sich auf einen Prozeß einlassen zu müssen 133 , und soll das „Feststellungsinteresse" dieses Schutztelos der Prozeßvoraussetzungen in Verfahren nach § 256 Abs. 1 ZPO noch verstärken, so gewinnt der zuletzt genannte Aspekt für die Diskussion um die Rechte nichtentlasteter Organmitglieder eine besondere Bedeutung. Denn wenn eine negative Feststellungsklage in allen Fällen der Entlastungsverweigerung ohne Rücksicht auf die gegebene Begründung zulässig wäre, müßte der Verband zu jedem Zeitpunkt, der dem Amtswalter günstig erscheint, einen Rechtsstreit gewärtigen. Dies , obwohl aus der Sicht der Organisation der negative Déchargebeschlufi einen Bezug zu Ersatzforderungen zwar haben kann, nicht aber zwangsläufig haben muß, das Mißtrauensvotum möglicherweise einen ganz anderen Hintergrund hat. Dies, obwohl es im Normalfall dem vermeintlichen oder tatsächlichen Gläubiger einer Leistung überlassen bleibt, selbst über Zeitpunkt und Art einer Rechtsverfolgung zu entscheiden, der Schuldner dagegen die Initiative seines Gegenübers abzuwarten hat. Die Frage ist nun, ob einer Partei, die sich im Einzelfall 134 - ohne dies ausdrücklich zu bekunden - vielleicht tatsächlich als Inhaber von Ausgleichsansprüchen sieht, dieses Initiativrecht genommen werden darf, ob es zulässig ist, sie unter Umständen unvorbereitet einer ungünstigen Prozeßsituation auszu129
Baltzer, Die negative Feststellungsklage aus § 256 Abs. 1 ZPO, S. 138. 13° Thomas / Putzo, ZPO, § 256 Anm. 5. 131 Wieser, Das Rechtsschutzinteresse des Klägers im Zivilprozeß, S. 47. 132 Ahrens, ZGR 1987, 129 (138). 133 Trzaskalik, Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß, S. 174. 134 Nicht aber unbedingt immer.
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setzen 135 , ob es zusammenfassend erlaubt sein soll, die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine negative Feststellungsklage im Fall der verweigerten Entlastung spürbar zu senken. Für eine solche Abweichung wird die Nichtvergleichbarkeit der Situation eines nicht entlasteten Amtsinhabers mit der eines „normalen" Feststellungsklägers ins Feld geführt 136 . Das berechtigte Interesse des Betroffenen, schnell und endgültig über die Haftungslage Aufklärung zu erlangen, in Verbindung mit der Existenz einer engen Sonderrechtsbeziehung zwischen den Beteiligten erlaube es, bereits das schlichte Faktum der Entlastungsverweigerung als „Angriff" im Sinn des § 256 Abs. 1 zu werten 137 . Habe z.B. der Geschäftsführer einer GmbH ordnungsgemäß Rechnung gelegt, müsse sich die Gesellschaft zu Schadensersatzfragen erklären, habe jener daher in diesem Sinn ein „Recht auf Entlastung", und zwar bezogen auf die gesamte Entlastungsperiode. Da dem Gericht nicht nur die im Rahmen des Déchargeerteilungsvorgangs vorgelegten Unterlagen, sondern sämtliche Geschäftsführungsvorgänge unterbreitet werden könnten, entfielen bei einem obsiegenden Urteil deshalb auch alle der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer zustehenden Ansprüche auf Schadensersatz, nicht nur die erkennbaren: So sei ein für allemal jeder Streit beendet 138 . Diese Argumentation ist zunächst insofern bemerkenswert, als derselbe Begründungsansatz, der hier für eine umfassende Wirkung eines „Entlastungsurteils" eintritt, in der sonstigen Diskussion die Präponderanz 139 der Präklusion von Ersatzansprüchen im herkömmlichen Denken beklagt und eine strikte Trennung von Inhalt und Folgen eines Déchargebeschlusses fordert 1 4 0 . Erstaunlich ist schon, wenn über das Gericht, das, wie oben dargestellt, nicht über den Inhalt des Entlastungsinstituts, sondern allenfalls über seine Folgen urteilen kann, mehr zu erreichen ist als über den eigentlich für den Normalfall vorgesehenen Weg 1 4 1 , wenn ein Richter einem Vorgang eine größere Bedeutung zu verleihen vermag, als es die eigentlich zu seiner Verwirklichung Berufenen vermöchten. Denkt man die These zu Ende, könnte es aus der Sicht des Entlastungsorgans sinnvoller sein, auch in zweifelhaften Fällen eine Décharge zu erteilen und auf die „Nichterkennbarkeit" möglicher 135 Die Darlegungs- und Beweislast trägt bei der negativen Feststellungsklage derjenige, der sie bei der korrespondierenden Leistungsklage trüge, also der beklagte Verband, vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256 Anm. D. 136 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (443); Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 102. 137 K. Schmidt, aaO.; vgl. auch Breit, JW 1917, 658. 138 K. Schmidt, aaO., S. 444f. Ahrens, ZGR 1987, 129 (131). wo K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (427). 141 Kritisch insofern auch Ahrens, aaO., S. 133; offengelassen in BGHZ 94, 324 (329); ablehnend auch Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. 109 f.
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Ersatzansprüche und die gleichzeitige Verbesserung der Beweisposition zu hoffen, als das Vertrauensvotum zu verweigern und später vor Gericht alles vor der Zeit zu verlieren. Das wirkt wie eine fast absurde Alternative. Unabhängig davon ist es prozeßökonomisch wenig sinnvoll, dem Gericht eine umfassende Prüfung des Geschäftsablaufs zuzumuten und so den Rechtsstreit unnötig zu verlängern. Der Lösungsansatz selbst läßt im übrigen die Frage, wie detailgenau und auf welche Weise dieser zu untersuchen wäre, offen und beschränkt sich auf die Bemerkung, Unterlagen seien in ausreichendem Maß beizubringen 142 . Im übrigen erscheint die Bezeichnung „Entlastungsklage" für eine so verstandene Feststellungsklage eher irreführend und von dem eigentlichen Inhalt des Déchargeinstituts ablenkend. Denn in der Öffentlichkeit dürfte der Unterschied zwischen einer freiwilligen Entlastung (Billigung und Vertrauen) und einem „Entlastungsurteil" (lediglich Feststellung, daß keine Ausgleichsforderungen bestehen; keine „emotionale" Bedeutung) kaum begriffen werden. Aber auch grundsätzlichere Bedenken sind zu erheben. Zwar fällt eine genaue und eindeutig handhabbare Umschreibung der von der Feststellungsklage eröffneten Rechtsschutzzone schwer 143 . Sollen Leistungen eingefordert oder Rechte geändert werden, ist, wenn das Gegenüber nicht kooperiert, der Weg zum Gericht die einzige Möglichkeit, dem eigenen Recht Geltung zu verschaffen. Anders, wenn die rechtliche Situation zwischen den Beteiligten lediglich unklar ist. Hier bleibt die im Grundsatz zumutbare Möglichkeit, zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten. Mit Hilfe, wie zuzugeben ist, unscharfer und im Einzelfall eventuell durchaus nachgiebiger 144 Kriterien Schutz der Rechtsprechung/Schutz des Beklagten/Schutz der „berechtigten" Interessen des Klägers - muß deshalb ein die Belange aller Betroffenen angemessen berücksichtigender Kompromiß zwischen zuviel und zuwenig Rechtsschutz gefunden werden. Denn im Feststellungsstreit wird besonders deutlich, wie wenig die einzelnen prozessualen Regeln a priori der einen oder anderen Partei dienen, wie sehr es vielmehr darum geht, die gegenläufigen Intentionen konkret aufeinander abzustimmen 145 . Vor diesem Hintergrund ist das Streben des nicht entlasteten Organwalters nach Rechtsgewißheit immer verständlich und die dienende Funktion der Jurisdiktion deshalb besonders zu betonen. Zu beachten ist auch, wie vom Zufall bestimmt gerade bei der anspruchsabwehrenden negativen Feststellungsklage die von den Beteiligten eingenommene Prozeßposition ist: Ob jemand Kläger nach § 256 Abs. 1 ZPO oder Ebklagter in einem Leistungsprozeß ist, hängt oft von Umständen ab, die sich rationaler 142 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (445). 143 Dazu Trzaskalik, Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß, S. 168 ff. 144 Vgl. dazu ζ. B. RG JW 1907, 487; JW 1909, 76; BGHZ 69, 37 (46). 145 Trzaskalik, aaO., S. 174. 10 Barner
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Erkenntnis oder Vorhersehbarkeit entziehen 146 . Eine an sich gegebene Schutzwürdigkeit wird aber von der Innehabung einer bestimmten Rolle während eines Rechtsstreits nicht beeinflußt. Gerade aber der eben beschriebene wechselseitige Bezug der prozessualen Rechte wird bei der uneingeschränkten Zulassung einer negativen (Entlastungs-)Feststellungsklage zu wenig beachtet, die Möglichkeiten der einen werden zu sehr auf Kosten der anderen Seite erweitert. Die anspruchsabwehrende Klage aus § 256 Abs. 1 soll dem Kläger Verteidigung ermöglichen, wenn er angegriffen wurde; angegriffen in bezug auf ein konkretes Rechtsverhältnis, nicht in bezug auf eine allgemeine Lebensstellung. Die konstatierte mögliche Zufälligkeit der jeweiligen Prozeßrolle weicht umso mehr einer prognostizierbaren Gewißheit, je passiver sich das Gegenüber verhält. Wird eine konkrete Forderung behauptet, ist es in der Tat unerheblich, wer als erster beim Gericht ist. Wird ein Déchargebeschlufi nur allgemein oder gar nicht begründet, bleibt der Bezug zur spezifischen Ersatzforderung 147 vollkommen offen, während die Zuweisung der Kläger-/Beklagten-Position von vornherein feststeht. Eben weil die Begründung der Nichterteilung einer Entlastung höchst unterschiedlich lauten kann - das Entlastungsorgan sieht die Haftungslage als nicht geklärt an, dem Verband soll eine bessere Vorbereitung auf einen Rechtsstreit ermöglicht werden, das Mißtrauensvotum ist Konsequenz schlichter Glücklosigkeit des Amtswalterhandelns - kann sich der Betroffene nicht in jedem Fall als im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO angegriffen betrachten 1 4 8 . Die latente Drohung ist keine aktuelle Berühmung. Der „normale" Schuldner muß bis zum Eintritt der Verjährung ohne eigene Aktionsmittel damit rechnen, eine Forderung befriedigen zu müssen, obwohl es auch ihm lieber sein dürfte, möglichst kurzfristig aus einer diesbezüglichen Ungewißheit befreit zu werden. Die (Prozeß-) Rechtsordnung bewertet aber das Bedürfnis des sich ruhig verhaltenden Gläubigers, nicht zur Unzeit mit Prozessen überzogen zu werden, als in der Regel schützenswerter. Der schlichte Hinweis auf ein zwischen Organwalter und Verband bestehendes (Sonder-)Rechtsverhältnis kann nicht genügen, diese Regel außer Kraft zu setzen: Zum einen dient das Entlastungsinstitut in erster Linie den Interessen der Gesamtorganisation, nicht denen des einzelnen Amtsinhabers 149 , zum anderen befindet sich der nichtentlastete Organwalter vor Gericht schon aus tatsächlichen Gründen (größere eigene Nähe zum möglichen Prozeßstoff) nicht a priori in einer dem Verband gegenüber unzumutbar schwachen prozes146 Trzaskalik, aaO., S. 173. 147 Über deren tatsächliche Geltendmachung in der Regel noch eigens beschlossen werden muß, vgl. § 46 Nr. 8 GmbHG. 148 Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 134. 149 Zöllner in: Kölner Komm, zum AktG, § 120 Rdnr. 45.
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sualen Lage, zumal die andere Seite die Darlegungs- und Beweislast trägt 150 . Abgesehen davon erscheint es aus grundsätzlichen Erwägungen wenig sinnvoll, staatliche Stellen mehr als unbedingt nötig in verbandsinterne Auseinandersetzungen hineinzuziehen. Die Kombination von Senkung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage und Erweiterung der Wirkungen eines Feststellungsurteils ist abzulehnen 151 . Es ließe sich fragen, ob die grundsätzlich zu respektierende Filterfunktion der Prozeßvoraussetzungen in Ausnahmesituationen zurückstehen darf. Allgemein soll es aus prozeßökonomischen Gründen möglich sein, auf den ausdrücklichen Nachweis des Feststellungsinteresses zu verzichten und statt eines an sich gebotenen Prozeß- ein Sachurteil dann zu erlassen, wenn die Klage unter allen Umständen abzuweiseil wäre 152 : das Feststellungsinteresse als bedingte Sachurteilsvoraussetzung 153. Einem Amtsinhaber, dem das Vertrauen entzogen wurde, nutzt ein Überspringen der Zulässigkeitsstation allerdings nur, wenn auch ein zusprechender Richterspruch ergehen könnte. Die Möglichkeit, einer eventuell unzulässigen Klage stattzugeben, wird für Sachverhalte bejaht, in denen das Verhalten des Gegenübers zu einer Gefährdung des guten Rufs des Klägers zu führen vermöchte. Die enge, „förmelnde" Auslegung des Merkmals Feststellungsinteresse müsse von dem Betroffenen als Diktat, die nicht rational begründbare Verneinung des speziellen Rechtsschutzbedürfnisses als Verweigerung des Anspruchs auf Justizgewährung (Art. 19 Abs. 4 GG) verstanden werden 154 . Die Déchargeverweigerung kann in der Tat die Reputation des Betroffenen im Verband und in der Öffentlichkeit stark beeinträchtigen. Dieser Effekt macht gerade auch den Sinn des Vorgangs aus. Das Entlastungsinstitut soll einen gewissen Leistungsdruck erzeugen und eine Motivationsgrundlage sein. Das ohne konkreten Pflichtwidrigkeitsbezug ausgebrachte Mißtrauensvotum wird sicher häufig gerade wegen der externen Effekte als besonders „ungerecht" empfunden werden. Das rechtfertigt eine völlige Aufgabe der Rechtsschutzschranken aber nicht. Vielmehr muß - unabhängig von der Frage, ob das Eingreifen eines Gerichts die genannten Weiterungen überhaupt ausgleichen könnte - zum Schutz der übrigen Beteiligten das Feststellungsinteresse für stattgebende Entscheidungen echte Zulässigkeitsvoraussetzung bleiben 155 . 150 Die Nachweisbarkeit von Pflichtverletzungen nimmt umso mehr ab, je mehr Zeit vergeht; vgl. Buchner, GmbHR 1988, 9 (11). 151 Vgl. auch Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 30; Ahrens, ZGR 1987, 129 (142); offengelassen in BGHZ 94, 324 (329f.). 152 BGHZ 12, 308 (316); WM 1978, 935 (936); Stein / Jonas-Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 120f., 62. 153 Stein / Jonas-Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 62. 154 Weiss, NJW 1971, 1596 (1597). 155 Zöller-Stephan, ZPO, § 256 Anm. III 1; Stein / Jonas-Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 120. 10*
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Im Ergebnis ist also an den üblichen Zulässigkeitsbedingungen des § 256 Abs. 1 ZPO festzuhalten. Nimmt man dem Entlastungsinstitut, wie hier vertreten, jeden unmittelbaren Bezug 156 zu Ersatzforderungen, folgt dies aus der strikten Trennung beider Problemkomplexe, für die überkommene Ansicht ergibt sich dasselbe Ergebnis aus den skizzierten allgemeinen Überlegungen. Im Hinblick auf die starke subjektive „Betroffenheit" des Amtsinhabers ist aber zu untersuchen, welche seiner Interessen außer den konkret finanziellen bei der Abwehr bestimmter Schadensersatzforderungen in einer Weise „angegriffen" sein könnten, die eine klageweise Verteidigung erlaubte. Neben dem Vermögen ist im Einzelfall die immaterielle Integrität, sind Ehre und „wirtschaftliche Persönlichkeit" des Organmitglieds bedroht. Die Ehre, der gute Ruf wird durch eine Déchargeverweigerung insofern häufig in Mitleidenschaft gezogen, als interne wie externe Öffentlichkeit den Vorgang als Hinweis auf ein konkretes Versagen, schlimmer noch, oft auch, zumal in größerem Unternehmen, als Beleg einer allgemeinen Unfähigkeit nehmen, Aufgaben der gestellten Art zu bewältigen. Dieser Effekt ist aber, wie erwähnt, zwangsläufige und sinnvolle Kehrseite des positiven Entlastungsbeschlusses. Die Décharge kann aus der Sicht aller Beteiligten ihre Kontrollund Motivationsfunktion nur erfüllen, wenn ihre Erteilung oder Verweigerung auch Folgen hat. Eine schlichte Mißtrauenskundgabe erreicht daher niemals die für § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Angriffsintensität. Nur im Ausnahmefall mögen die äußeren Umstände des Entscheidungsprozesses - persönliche, unfaire Angriffe, unwahre Behauptungen, „Schmutzkampagnen", gezielte einseitige Indiskretionen zur Beeinflussung der Meinungsbildung im Entlastungsorgan, der Geschäftsleiter als „Sündenbock" für eine verfehlte Geschäftspolitik - das Maß des Hinzunehmenden übersteigen. In einer solchen Situation ist zu überlegen, ob, wenn man gegen diese Begleiterscheinungen vorgehen zu müssen meint, eine Feststellungsklage der richtige und zulässige Weg ist. Reine Tatsachenfragen können dem Gericht nicht zur Entscheidung vorgelegt werden: Die Unwahrheit einer ehrverletzten Behauptung, die Feststellung der Kenntnisse, Fähigkeiten, der Geeignetheit einer Person für eine bestimmte Position sind nicht möglicher Streitgegenstand einer Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO 1 5 7 . Sieht jemand seinen guten Ruf durch Unrechtes Vorgehen beschädigt, muß er die Gegenseite zum Widerruf der beanstandeten Tatsachenbehauptung auffordern, notfalls den Widerruf über eine Leistungsklage vor Gericht erstreiten, §§ 823, 1004 B G B 1 5 8 .
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Es sei denn, die Voraussetzungen des § 242 BGB liegen in Bezug auf konkret erkannte Ausgleichsforderungen vor; Einzelheiten siehe oben Kap.2, IV, 2 a), (1). 157 BGHZ 68, 331 (334); LAG Köln, DB 1984, 1630 (1631); Thomas / Putzo, ZPO, § 256 Anm. I 3b; Zöller-Stephan, ZPO, § 256 Anm. II lb. 158 Dazu Ritter, ZZP 84 (1971), 163ff.; vgl. auch BGHZ 89, 198 (200f.).
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Allerdings darf der Prozeßgegner im Fall der Verurteilung wegen seiner Rechte aus Art. 1, 2 und 5 GG nicht gedemütigt werden: Er wird nicht dazu gezwungen, seine Überzeugungen zu ändern oder auch nur den Anschein einer Änderung nach außen zu bekennen. Er darf vielmehr deutlich machen, (lediglich) aufgrund gerichtlicher Anordnung zu handeln 159 . Diese Möglichkeit trägt natürlich die Gefahr in sich, dem Verletzten statt wirksamen Schutzes ein Danaer-Geschenk in Form einer halbherzigen Rücknahme zu gewähren 1 6 0 . Es wird deshalb vorgeschlagen, im Rahmen des § 256 Abs. 1 ZPO auch die Feststellung der Unwahrheit tatsächlicher Aussagen zuzulassen161, um, insbesondere bei Auseinandersetzungen um Presse Veröffentlichungen, die Verteidigungsmittel zu verbessern und das uneindeutige Handeln des Beklagten durch den unmißverständlichen Spruch des Richters zu ersetzen oder zu ergänzen. Diesem Ansatz hält man das unzulässige Vermengen voneinander zu trennender Regelungskomplexe vor. Materielle Rechtsordnung und Verfahrensrecht stünden nicht in einem Rangverhältnis, das die Interpretation des einen von den Vorgaben des anderen abhängig mache, sondern seien trotz aller Wechselwirkungen jeweils für sich zu interpretieren 162 . Ein materiell-rechtliches „Überfrachten" müsse zu einem Funktionsverlust der prozessualen Mittel, zu mangelnder Rechtsklarheit und damit zu Rechtsunsicherheit führen 163 . Abgesehen von diesen allgemeinen Bedenken erweist sich speziell für das Entlastungsrecht die dargestellte Erweiterung der Klagemöglichkeiten als ungeeignet, die Stellung der nichtentlasteten Organmitglieder generell zu verbessern. Denn an der prinzipiellen Unmöglichkeit, den Entlastungsinhalt gerichtlicher „Wahrheitsfindung" zugänglich zu machen, ändert sich nichts und die Erlaubnis, gegen einzelne äußere Begleiterscheinungen vorzugehen, wird zwar eventuell einem gewissen Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen entsprechen, vermag eine faktische Wiederherstellung seines Ansehens jedoch kaum zu erreichen. Nicht nur die Ehre, auch andere nicht unmittelbar materiell definierbare Eigenschaften einer Person können durch eine mehr oder minder öffentlich ausgebrachte Mißtrauensäußerung beeinträchtigt werden. Der „Marktwert" z.B. eines Managers sinkt, die Chancen, die eigene Arbeitskraft zu einem möglichst hohen Preis zu „verkaufen", fallen, wenn die Mitglieder eines Verbandes der eingeschlagenen Geschäftspolitik nicht billigend folgen wollen. 159
BVerfGE 28, 1 (10). Kritik bei Leipold, ZZP 84 (1971), 150 (153); ders. in: Festschr. f. Heinrich Hubmann, S. 271 (284); Rötelmann, NJW 1971, 1636 (1638f.); Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256 Anm. 2 C b. 161 Leipold, ZZP 84 (1971), 150 (156ff.); ders., JZ 1974, 63 (65). 162 BGHZ 68, 331 (334). 163 BGH aaO.
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In gewissem Umfang soll die „wirtschaftliche Persönlichkeit" eines Menschen über eine negative Feststellungsklage geschützt werden können 164 . So brauchte ein Anwalt nicht ohnmächtig mitanzusehen, wie ein ehemaliger Mandant, der sich schlecht vertreten fühlte, durch die Behauptung, eben deshalb Schadensersatzforderungen zu haben, sein berufliches Renommée gefährdete. Wiewohl die Minderung des Ansehens nur Begleiterscheinung einer Anspruchsberühmung war, die dem Betroffenen mangels tatsächlicher Begründetheit finanziell faktisch nicht zusetzen konnte, durfte sich dieser wehren, weil „auch die Schädigung anderer Rechtsgüter als die des Vermögens ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO begründen kann" 1 6 5 . In Ansehung der eventuell verheerenden beruflichen Konsequenzen für den Nichtentlasteten bietet sich, zumal bei absichtsvoll ungenauer oder fehlender Beschlußbegründung, eine Parallelwertung an, unter Umständen, zum Zweck endgültiger Klärung, in Kombination mit einer Erweiterung der Urteilsfolgen auf sämtliche potentiellen Ansprüche des Verbandes 166 . Auch eine solche Vorgehensweise ist aber den oben aufgeführten Bedenken ausgesetzt. Eine generelle Erweiterung der Rechte des Amtsinhabers vermag sie nicht zu begründen. Die freie Entscheidungsgewalt des Entlastungsorgans darf nicht mittelbar durch eine schrankenlose Zulassung der Feststellungsklage eingeschränkt werden. Im übrigen dient ein Zivilprozeß nicht der psychologischen Untersuchung von Geschehensabläufen und Geschehensfolgen 167 . Eine Ausdehnung der Urteilsfolgen ist aus denselben Gründen abzulehnen. Allenfalls ausnahmsweise kann also ein Angriff auf die „wirtschaftliche Persönlichkeit" des Organwalters im dargestellten Sinn vorliegen. Eine unbegrenzte Zulässigkeit der anspruchsabwehrenden Feststellungsklage läßt sich schließlich auch nicht mit dem Argument begründen, es sei dem Amtsinhaber nicht zuzumuten, über einen langen Zeitraum finanzielle Mittel auf die Vermutung hin quasi vorzuhalten, irgendwann einmal belangt zu werden. Zwar soll die vermögensbezogene Entscheidungsfreiheit unter gewissen Umständen ebenfalls taugliches Schutzobjekt einer Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein 168 . Da aber die Déchargeverweigerung nicht per definitionem einen Vermögensbezug hat und sich im übrigen die Situation des potentiell schadensersatzpflichtigen Geschäftsleiters nicht notwendig wesentlich von der eines „Normalschuldners" unterscheidet, kann die Privilegierung des einen gegenüber dem anderen nicht befürwortet werden. 164
BGH VersR 1985, 39. BGH aaO. 166 Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 141. 167 Stein / Jonas-Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 28. 168 Wieser, Das Rechtsschutzinteresse des Klägers im Zivilprozeß, S. 75ff. (78f.); Stein / Jonas-Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 72. 165
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c) Entlastungs-Auskunftsklage Um einerseits die dargestellten Unzulänglichkeiten der Entlastungs-Leistungsklage und der Entlastungs-Feststellungsklage nicht durch eine Manipulation der (Prozeß-) Voraussetzungen zu kaschieren und um andererseits die Belange der Organmitglieder nicht vollkommen zu vernachlässigen, wird vorgeschlagen, dem nichtentlasteten Amtswalter einen Anspruch auf Information zu geben 169 . Notfalls mit der Leistungsklage verfolgbar und nach § 888 ZPO zu vollstrecken, ist er darauf gerichtet, von dem Verband die Gründe für die Ablehnung zu erfahren. Während die Rechtsprechung 170 zwar Verständnis für das Interesse des Betroffenen aufbrachte, Art und Umfang der Ersatzforderungen zu erfahren, gleichzeitig aber darauf verzichtete, den Weg, wie diesem Bedürfnis zu entsprechen ist, näher zu beschreiben, nimmt dieser Lösungsvorschlag eine inhaltliche Akzentverschiebung des Auskunftsbegehrens vor. Es hat nicht (nur) um mögliche Ausgleichsansprüche zu gehen, sondern darum, ob dem Kläger Pflichtverletzungen im weitesten Sinn vorgeworfen werden 171 . Die Modifizierung dient verschiedenen Zwecken. Zunächst sollen Bedenken ausgeräumt werden, wie sie ähnlich in der Diskussion um die uneingeschränkte Zulassung einer negativen Feststellungsklage erhoben werden 172 : Ein schadensersatzbezogenes Informationsgebot entwickele eine starke Selbstbelastungstendenz, da die Gesamtorganisation, wenn sie wahrheitsgemäß antworte, im Ergebnis dazu gezwungen sei, eigenhändig die Grundlage eines gegen sie gerichteten Rechtsstreits zu bereiten. Vor einer verfrühten Preisgabe der eigenen Prozeßtaktik müsse man den Verband aber bewahren. Abgesehen davon rückt nunmehr auch der Charakter der Décharge als zusammenfassender Wertungsakt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Schon weil nicht jedes aufgabenbezogene Fehlen den Zwang zur Wiedergutmachung nach sich zöge, treffe den Amtsinhaber nicht so sehr das mögliche Bestehen einer einzelnen Ausgleichspflicht, sondern in viel größerem Maß der haut goût, der einem unspezifizierten Nachlässigkeits- und Unfähigkeitsverdacht anhafte 173 . Rechtsgrundlage für das Begehren soll das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an umfassender Aufklärung 174 , daneben das (Sonder-)Rechtsver169
Ahrens, ZGR 1987, 129 (143f.); vgl. auch Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 135f., der aber im Ergebnis an einer erweiterten negativen Feststellungsklage festhalten will. 17 BGHZ 94, 324 (329f.). 171 Ahrens, ZGR 1987, 129 (143). 172 Siehe oben b). 173 Ahrens, aaO. 174 Ahrens, aaO., S. 142f.
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hältnis Gesamtorganisation/Amtsinhaber 175 sein. Für seine Sinnhaftigkeit wird eine funktionsbezogene Überlegung angeführt: Habe die Entlastungsverweigerung unter anderem auch den Zweck, den Organwalter auf Fehler hinzuweisen, müsse ihm die Möglichkeit gegeben werden, diese in Zukunft zu vermeiden und durch eine Neuorientierung der Verbandspolitik das Vertrauen der Mitglieder zurückzugewinnen. Dafür aber benötige er Informationen 176 . Zuzustimmen ist der Aufgabe der strengen Fixierung des Blicks auf die Einstandspflichten. In der Tat beruht die Macht, die dem Entlastungsorgan mit dem Déchargeinstitut in die Hand gegeben ist, regelmäßig auf der Möglichkeit eines das einzelne Mißgeschick übergreifenden, generellen Zugriffs auf das (berufliche) Renommée des Gegenübers. Das Schädigungspotential wächst in der Tendenz um so mehr, je weniger konkret ein bestimmter Vorwurf erhoben wird, je allgemeiner sich die Unzufriedenheit äußert. In den Varianten des Ausgangsfalls 3 1 7 7 dürften die Irritationen bei A und den Außenstehenden mit dem Maß der Uneindeutigkeit der Beschlußbegründung zunehmen. Ob aus diesem Grund dem Nichtentlasteten ein Leistungsanspruch auf umfassende Unterrichtung zuzugestehen ist, ist jedoch eine andere Frage. Gegen die Einräumung eines solchen Rechts ergeben sich Bedenken zum einen aus speziell auf das Entlastungsinstitut bezogenen zum anderen aus mehr allgemeinen Praktikabilitätserwägungen. Ist Déchargeerteilung Vertrauenskundgabe, ihre Verweigerung Mißtrauensvotum, so ließe sich zunächst einwenden, das eine wie das andere psychische Phänomen brauche nicht erklärt zu werden 178 . Wenn eine nicht allein sachlich begründbare, sondern emotionsbezogene Verbindung zwischen Organperson und Verband nur entweder vorhanden oder nicht vorhanden sein kann, müßte es für die Funktion des Entlastungsvorgangs genügen, Existenz oder Nichtexistenz dieser Verbindung eindeutig zu dokumentieren. Diesem Argument könnte jedoch entgegengehalten werden, zugunsten einer objektivierten Sicht das persönliche Betroffensein desjenigen, der wissen möchte, warum ihm Vertrauen entzogen wurde, zu sehr zu vernachlässigen. Schwerer wiegt demgegenüber der Hinweis auf die „unternehmerische Dimension" des Déchargebeschlusses, die verloren zu gehen droht, wenn man das zuständige Verbandsorgan dazu zwingen wollte, einzelne Handlungen der Verwaltung als pflichtwidrig zu benennen 179 . Denn die Kontroll-, Ermah175
Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 135 f. ™ Tellis, aaO., S. 136. 177 Oben Einführung. 178 Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rdnr. 12 a. 179 Fischer / Lutter / Hommelhoff, aaO.
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nungs- und Anspornungsfunktion der Entlastung bezieht sich auf das Geschäftsleiterhandeln während der Entlastungsperiode in seiner Gesamtheit, die Décharge will gerade nicht die Gegenzeichnung zu speziellem Vorgehen liefern. Die Herauslösung bestimmter Maßnahmen aus diesem Gesamtkomplex und ihre (rechtliche) Kategorisierung als pflichtwidrig und die anzustrebende Geschäftspolitik verfehlt habend, sprengt diesen Zusammenhang und lenkt die Aufmerksamkeit der Beteiligten auf den Einzelfall, obwohl (auch) der negative Entlastungsbeschluß das Ganze im Auge hat. Das regelmäßige Vorhandensein einer Gemengelage von Entscheidungsmotiven, das Zustandekommen eines zusammenfassend ablehnenden Urteils auf der Grundlage verschiedener, für sich genommen nicht notwendig ausschlaggebender Vorgänge, werden in ihrer Bedeutung unterbewertet, wenn es generell erlaubt sein soll, den Vorwurf spezifischen Pflichtverstoßes auszuforschen. Daneben ist an dieser Stelle wiederum auf das Dilemma hinzuweisen, vor das sich die Erörterung der „Rechte" des nichtentlasteten Amtsinhabers immer gestellt sieht: Eine per definitionem in das freie Ermessens der einen Seite gestellte Entscheidung kann naturgemäß die Interessen des Gegenübers beeinträchtigen; der Schutz dieser Interessen aber trägt, je weiter er geht, desto mehr die Tendenz in sich, den eben konstatierten Beurteilungsfreiraum einzuengen. Diesem Zwiespalt entgeht auch der hier zu diskutierende Vorschlag nicht. Die Praktikabilität und damit die Überzeugungskraft des Ansatzes hängen weiter davon ab, ob und wie ein wahrheitsgemäßes Reagieren des Verbandes auf das Informationsbegehren des Organmitglieds sichergestellt werden kann. Wie schon der Eingangsfall 3 in seinen Varianten 180 zeigt, lassen sich eine Fülle von Ausweichstrategien vorstellen, die geeignet sind, den Gang und die wirklichen Motive der Ergebnisfindung zu verschleiern 181 . Dies kann bewußt oder unbewußt geschehen, kann z.B. schlicht dazu dienen, die eigene Vorbereitung auf einen Rechtsstreit nicht zu gefährden; ein nicht von vornherein verwerfliches Motiv. Dem Amtsinhaber nutzt aber nur eine der objektiven Wahrheit entsprechende Information. Wie aber soll die Schein- von der wirklichen Begründung geschieden werden? Was passiert, wenn eine an sich tragfähige, dennoch aber vorgeschobene Erklärung geliefert wird, wenn das Entlastungsorgan noch andere als die angegebenen Überlegungen in pectore hatte? Wer soll informieren? Der einzelne Gesellschafter über seine Überlegungen, das Gesamtgremium über den „letzten Stand" vor der Beschlußfassung?
180
Siehe oben Einführung. Das erkennt auch Ahrens, ZGR 1987, 129 (136f.); kritisch insoweit auch Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 141 f. 181
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Angesichts der weitgehenden Unmöglichkeit, emotionsbezogene Einschätzungen zu objektivieren 182 , droht darüber hinaus die angestrebte Mehrdimensionalität des Informationsersuchens (nicht die Frage nach Schadensausgleich, die allgemeinere nach Pflichtverstoß im weitesten Sinn soll im Mittelpunkt stehen) 1 8 3 doch wieder auf das schlichte Aufspüren und Abwehren einzelner konkreter Ersatzforderungen hinauszulaufen, da nur diese Dritten (wie den Richtern) einigermaßen unproblematisch nachvollziehbar vermittelt werden können. Ein so gearteter Auskunftsanspruch hätte aber nur „präparatorischen Charakter" 184 , könnte nur die nachfolgende anspruchsabwehrende negative Feststellungsklage des Geschäftsleiters vorbereiten, so daß sich die Frage stellt, ob man diese nicht doch sofort zulassen sollte. Es geht also um die Tauglichkeit der Informations- im Vergleich zur Entlastungs-Leistungs- bzw. Entlastungs-Feststellungsklage185. Zweifelhaft ist auch, ob den Bedürfnissen eines nichtentlasteten Organwalters z.B. in Sachverhaltskonstellationen ausreichend gedient werden kann, in denen der Verband nicht ausweicht, sondern sich gar nicht äußert. Schweige das Gegenüber noch dazu vor Gericht und damit in der Öffentlichkeit auf die direkte Frage nach der Art der gemachten Vorwürfe, könne, so wird behauptet, nachteiligen, durch die EntlastungsVerweigerung ausgelösten Spekulationen weitgehend der Boden entzogen werden, weil dann die Haltlosigkeit eines Unfähigkeits- oder Pflichtwidrigkeitsverdachts offen zu Tage liege 186 . Diese Annahme wäre zutreffend, wenn der Verlust von persönlichem Ansehen und die Wiedergewinnung der verlorenen Reputation einen annähernd rationalen Hintergrund haben müßten. Das ist aber nicht der Fall: Der haut goût bleibt, auch wenn eigentlich nichts zu schmecken wäre. Außerdem wird nicht berücksichtigt, daß die Entlastung auch bei schlichter Glücklosigkeit des Geschäftsführers verweigert werden darf, für die es keinen in der Person des Betroffenen liegenden spezifischen Grund zu geben braucht. Das Schweigen des Verbandes erlaubt also nicht immer den Rückschluß auf ein „schlechtes Gewissen" oder ein anlaßloses Handeln. Die Überlegung, das Informationsbedürfnis des Organmitglieds deshalb für schützenswert zu halten, weil ihm die Möglichkeit gegeben werden müsse, Fehler wiedergutzumachen und Vertrauen zurückzugewinnen 187 , löst sich ebenfalls von der Realität. Sind z.B. die Gesellschafter einer GmbH mit der 182
Vertrauen hat man, oder man hat es nicht. Ahrens, aaO., S. 143f. 184 Ahrens, aaO., S. 142. 185 Zöllner in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 29, hält sie für keinen hinreichenden Ersatz; vgl. auch Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdnr. 102 Fn. 288; Schuricht, Die Klage des GmbH-Geschäftsführers auf Entlastung, S. llOf. 186 Ahrens, aaO., S. 143. 187 Tellis, Die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklage, S. 136. 183
I I I . Ergebnis
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Arbeitsweise des Geschäftsführers nicht einverstanden, wollen sie ihn aber im Amt halten und ihm die Chance geben, etwas zu ändern, werden sie natürlich die Gründe offenlegen, die sie zu der Entlastungsverweigerung bewegt hatten: Die Vertrauensbasis ist nicht irreparabel zerrüttet 188 . Schweigen sie dagegen, ist eine Fortdauer der Geschäftsführung des Betroffenen offenbar nicht erwünscht. In einer solchen Situation nutzt eine Bekanntgabe des Entscheidungshintergrunds nichts. Die Entlastungsverweigerung ist in der Regel nicht Ausdruck eines vorübergehenden Dissenses in Einzelfragen, sondern einer tief gehenden Krise im Grundsätzlichen. Ein Informationsanspruch steht dem nichtentlasteten Amtsinhaber also nicht zu. In den Varianten des Eingangsfalls 3 hat sich A mit der Entscheidung der Gesellschafterversammlung abzufinden. Erst wenn die Gesellschaft die Vorwürfe konkretisiert und sich einzelner Ansprüche berühmt, besteht die Möglichkeit, eine Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu erheben.
I I I . Ergebnis Ebensowenig wie die Entlastungserteilung hat deren Verweigerung unmittelbaren Einfluß auf die Rechtsstellung der Betroffenen: Sie behalten ihre Organpositionen und bleiben Angestellte des Verbandes. Sollen Organwalter nach einem Mißtrauensvotum abgelöst werden, müssen weitere Schritte unternommen werden. Ist eine Entfernung aus Amt und Vertrag nur bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes" möglich, kann ein Vertrauensentzug durch die Verbandsmitglieder ein solcher sein, er muß es aber nicht. Vielmehr sind im Einzelfall die betroffenen Interessen daraufhin abzuwägen, ob der Gesamtorganisation ein Fortbestand der Rechtsverhältnisse zugemutet werden kann. Zwischen der Tatsache einer Déchargeverweigerung und der Frage nach einer Einstandspflicht der Amtsinhaber für fehlerhafte, schädigende Aufgabenerledigung besteht kein direkter Zusammenhang: Die Mißtrauenskundgabe bedeutet nicht die Behauptung des Bestehens von Ausgleichsforderungen, noch weniger hat sie deren Einforderung zum Inhalt. Die Organwalter dürfen eine Entlastungsverweigerung nicht in jedem Fall zum Anlaß nehmen, ihr Amt niederzulegen. Insbesondere wenn sie den Verband durch das eigene Handeln in Schwierigkeiten gebracht haben, müssen sie, wenn seine Mitglieder dies wünschen, ihre Arbeit solange fortsetzen, bis Nachfolger gefunden sind. Ist ein sachlicher Grund für die Haltung des Entlastungsorgans allerdings nicht erkennbar oder soll über den negativen Déchargebeschluß unzulässiger Druck ausgeübt werden, ist eine sofortige Demission 188 In diesem Fall ist allerdings zweifelhaft, ob es wirklich zu einer Nichtentlastung kommt.
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möglich. Die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag bleiben von diesem Vorgehen grundsätzlich unberührt. Gegen das durch eine Entlastungsverweigerung zum Ausdruck kommende Mißtrauen kann sich das Organmitglied mit staatlicher Hilfe regelmäßig nicht wehren. Mangelndes Vertrauen der direkt betroffenen Verbandsmitglieder wird durch das Urteil eines Gerichts, das dem Kläger die „Ordnungsgemäßheit" seines Handelns bestätigt, nicht ersetzt. Die dem Entlastungsinstitut innewohnende Macht, der Sinn und die Funktion der Erteilung wie der Verweigerung der Décharge beruhen gerade auf der Nichtverlagerbarkeit der Entscheidung, auf ihrer notwendigen Einbettung in das Verhältnis VerbandOrgan waiter. Eine Klage „auf Entlastung" ist nicht zulässig. Wehren kann sich der Amtsinhaber nur, wenn das Entlastungsorgan seine Entscheidung mit dem Vorhandensein einzelner, präzis definierter Ersatzforderungen begründet. Werden diese Ansprüche in der Folgezeit nicht geltend gemacht, ist es möglich, eine negative Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu erheben. Dem nicht entlasteten Verwaltungsmitglied steht damit aber nur das prozessuale Instrumentarium zur Verfügung, auf das jeder andere potentielle Schuldner zugreifen kann, wenn ein Gläubiger ein Recht für sich reklamiert. Die Senkung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der negativen Feststellungsklage mit dem Ziel, eine Klage in jedem Fall der Entlastungsverweigerung zuzulassen, ist abzulehnen. Wird der negative Déchargebeschlufi nur allgemein oder gar nicht begründet, hat der Betroffene das hinzunehmen. Er muß das weitere Vorgehen des Verbandes abwarten. In einer solchen Situation die Erhebung einer Entlastungs-Leistungsklage, einer Entlastungs-Feststellungsklage oder einer Entlastungs-Auskunftsklage zu erlauben, hieße, den Décharge Vorgang seiner wesentlichsten Funktion, den inneren Zustand des Verbandes zu dokumentieren, zu berauben und ihn auf das Problem möglicher Ausgleichspflichten zu reduzieren. Entlastungsverfahren und die Frage nach Schadensersatz sind aber streng von einander zu trennen. Dem Entlastungsorgan steht es damit offen, auf die wirtschaftliche und unter Umständen auch auf die gesellschaftliche Stellung des Gegenübers in starkem Maß zuzugreifen. Diese faktische Eingriffsmöglichkeit macht aber das Wesen des Déchargeinstituts aus, das bestätigend, anspornend und ermutigend nur wirken kann, wenn seine Verweigerung auch Folgen zu zeitigen vermag. Dies weiß der Amtswalter. Zu seinem Tätigkeitsrisiko gehört der scheinbar grundlose Entzug des Vertrauens.
Zusammenfassung 1. Im Entlastungsverfahren unterziehen die Mitglieder eines Verbandes, wie die einer Aktiengesellschaft, einer GmbH, einer Genossenschaft, eines Vereins, einer Personengesellschaft, die Leistungen der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane im Anschluß an eine Rechenschaftslegung einer zusammenfassenden Bewertung. Wird die Décharge erteilt, billigt das Entlastungsorgan die Art und Weise der Aufgabenerledigung durch die Organwalter während der Entlastungsperiode. Die Verbandsmitglieder drücken ihre Zufriedenheit mit der Amtsführung, ihr Vertrauen zu den Verantwortlichen aus, signalisieren ihr Einverständnis mit der Fortführung der Geschäftspolitik in der Zukunft. Sind diejenigen, in deren Interesse die um Entlastung Nachsuchenden tätig werden, mit dem, was erreicht wurde, nicht zufrieden, können sie die Décharge verweigern. Die Verbandsmitglieder zeigen auf diese Weise, daß sie das Vertrauen zu den Amtsinhabern verloren haben und/oder ihre Amtsführung mißbilligen. 2. Der Inhalt des Entlastungserteilungs-/Entlastungsverweigerungsbeschlusses bestimmt seine Bedeutung für die am Verfahren Beteiligten: Für die Entlastenden ist der Déchargevorgang eine wichtige, in größeren Organisationen häufig sogar die einzige Möglichkeit, die Arbeit der übrigen Verbandsorgane zu überprüfen und durch eine Billigung oder Mißbilligung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Den Entlastungsempfängern teilt sich durch die Entscheidung die Stimmung der „Basis" mit. Das bei einem Vertrauensvotum notwendigerweise gerade auch emotional geprägte Beschlußergebnis entwickelt für sie großes Gewicht. Ihr Selbstbewußtsein, ihre Stellung innerhalb und außerhalb des Verbandes werden gestärkt, mögliche Unsicherheiten in bezug auf den in Zukunft einzuschlagenen Weg können abgebaut, einer Entfremdung von Organwaltern und Verbandsmitgliedern kann entgegengewirkt werden. Die Entlastungsverweigerung zeitigt demgegenüber fast zwangsläufig einen großen Autoritäts- und Reputationsverlust, der eine weitere Arbeit als Repräsentant der Organisation häufig unmöglich macht. Darüber hinaus kann das berufliche und wirtschaftlich/gesellschaftliche Fortkommen der Betroffenen einer starken Belastung ausgesetzt sein. Die mittelbar beteiligte Öffentlichkeit nimmt den Entlastungsprozeß formal als Ausweis eines Mindestmaßes an innerverbandlicher Gewaltenteilung,
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inhaltlich als Hinweis auf die Qualität und die Seriosität der Arbeit der Organwalter eines Verbandes sowie als Ausdruck der Solidität seines (wirtschaftlichen) Zustandes. 3. Das Entlastungsinstitut kann seine Bedeutung nur gewinnen und behalten, wenn das Entscheidungsverfahren gewissen formellen Mindestanforderungen genügt. In jedem Fall ist eine ordnungsgemäße Rechenschaftslegung durch die Mitglieder der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgane sicherzustellen sowie eine ummittelbare oder mittelbare Selbstentlastung der Verantwortlichen zu verhindern. 4. Rechtliche Folgen hat der Déchargebeschlufi unter bestimmten Umständen für die Stellung der Entlastungsempfänger als Organwalter/Angestellte des Verbands. Können diese Rechtsverhältnisse nicht willkürlich beendet werden, sondern muß für eine Auflösung ein „wichtiger Grund", wie z.B. eine unüberbrückbare Vertrauenskrise, vorliegen, werden sie durch eine Vertrauenskundgabe dann stabilisiert, wenn Entlastungs- und Entlassungskompetenz bei demselben Verbandsorgan liegen. Die im Rahmen des Déchargeprozesses zustimmend zur Kenntnis genommenen Leistungen der Amtsinhaber während der Entlastungsperiode können im Anschluß nicht als wichtige, eine vertrauensvolle Weiterarbeit ausschließende Gründe für eine Entfernung aus Amt und Vertrag genommen werden. - Sind die Kompetenzen getrennt, kann die Entscheidung des Entlastungsorgans diejenige des für die Abberufung und/ oder Kündigung der Organmitglieder Zuständigen nur mittelbar beeinflussen. 5. Die Entlastungserteilung hat grundsätzlich keinen Einfluß auf mögliche Ersatzansprüche des Verbandes gegen seine Organwalter. Dies gilt unabhängig davon, wie die Organisation rechtlich verfaßt ist. Die Décharge stellt weder einen rechtsgeschäftlichen Verzicht dar noch kommt ihr eine anspruchsvernichtende oder -hemmende Folge aufgrund einer gesetzlichen Anordnung oder eines Gewohnheitsrechts zu. Der allgemeinen, zusammenfassenden, den Einzelfall gerade nicht betreffenden Vertrauenskundgabe fehlt der Bezug zur speziellen Ersatzforderung. Nur ausnahmsweise, wenn der Beschluß in Ansehung konkret erkannten schädigenden Fehlverhaltens ergeht, kann darin - außerhalb des Aktienrechts - ein Verhalten liegen, das eine später dennoch erfolgende Sanktion als verbotenes venire contra factum proprium erscheinen läßt (§ 242 BGB). Soll die Erhebung von Ausgleichsforderungen ausgeschlossen werden, müssen die Beteiligten unter Berücksichtigung möglicher sonstiger gesetzlicher Beschränkungen ausdrücklich einen entsprechenden schuldrechtlichen Vertrag - Erlaß, negatives Schuldanerkenntnis, Β er einigungs vertrag - schließen. 6. Organwalter haben keinen „Anspruch auf Entlastung", der mit einer Leistungsklage durchzusetzen wäre. Vertrauen gerichtlich einzufordern, ist nicht möglich. Ob eine Aufgabe zufriedenstellend gelöst wurde, können nur die
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beurteilen, in deren Interesse sie übernommem worden war. In der Entscheidung, ob die Amtsinhaber bei der Geschäftsbesorgung eine „glückliche Hand" gehabt haben, sind die Verbandsmitglieder frei. Das Fehlen eines psychischen Zustandes vermag eine gerichtliche Entscheidung nicht zu ersetzen, zumal ein Verfahren, das objektiv nachvollziehbare Ergebnisse liefern könnte, nicht existiert. Den Inhalt der Entlastungsaussage auf eine Bescheinigung über die „Ordnungsgemäßheit" der Amtsausübung zu beschränken, ist keine Lösung, da auf diese Weise dem Déchargeinstitut ein wesentlicher Teil seiner Bedeutung genommen würde. Die Amtsinhaber können eine negative Feststellungsklage erheben, wenn das Entlastungsorgan die Déchargeverweigerung mit dem Bestehen konkreter Ersatzansprüche begründet hat und diese Forderungen in der Folgezeit nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums geltend gemacht werden. Wie jeder andere potentielle Schuldner darf sich der Organwalter gegen die Anspruchsberühmung durch den Verband wehren. Eine Senkung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer negativen Feststellungsklage, unter Umständen in Kombination mit einer Erweiterung ihrer Urteilsfolgen, ist dagegen nicht möglich. Auch der negative Entlastungsbeschluß hat keinen direkten Bezug zu der Frage einer möglichen Einstandspflicht der Betroffenen für schädigendes Fehlverhalten. Die Déchargeverweigerung kann verschiedene Ursachen haben. Wird sie nur mit einem allgemeinen Hinweis auf eventuelle Ersatzansprüche oder gar nicht begründet, ist die Erhebung einer negativen Feststellungsklage unzulässig. Der Organwalter muß warten, bis die Forderungen spezifiziert werden. Ein Informationsanspruch der Amtsinhaber auf Offenlegung der Gründe, die zu der Ablehnung der Entlastungserteilung geführt haben, besteht nicht. Die Entscheidungsfreiheit der Verbandsmitglieder darf nicht durch die Möglichkeit eingeschränkt werden, die Grundlagen der Entscheidungsfindung infolge gerichtlichen Zwangs offenlegen zu müssen. Darüber hinaus ist unklar, gegen wen sich der Anspruch richten sollte, und wie sich verfahrenstechnisch das Feststellen der tatsächlich ausschlaggebenden Ablehnungsgründe sicherstellen ließe. 7. Die strukturelle Verankerung des Décharge Vorgangs innerhalb des Verbandes, seine Bedeutung für die am Verfahren direkt und indirekt Beteiligten verbietet einen Eingriff des Staats. Das Interesse der Organwalter, möglicherweise schwerwiegende Beeinträchtigungen ihrer Stellung innerhalb und außerhalb der Organisation abzuwehren, ist verständlich. Aber zum einen kann eine gerichtliche Entscheidung diese Gefährdungen nicht verhindern oder ausgleichen - sie ergeben sich als direkte Folge der Tatsache der Entlastungsverweigerung selbst, weniger als Folge der Gründe, die zu ihr führten - , zum anderen sind die negativen irrationalen Effekte der Déchargeablehnung das notwendige Gegenstück zu den für den Amtsinhaber vorteilhaften, gleich-
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falls irrationalen Wirkungen der Entlastungserteilung. Die Bedeutung des Entlastungsinstituts für Organwalter, Verbandsmitglieder und Öffentlichkeit ergibt sich aus der durch Dritte nicht nachprüfbaren Einschätzungsprärogative des Entlastungsorgans. 8. Abschließend kann festgestellt werden: In allen Verbänden ist die Entlastungserteilung eine den einzelnen Sachverhalt übergreifende Billigungsund Vertrauenserklärung. In einigen Verbänden beeinflußt dieses von seinen Empfängern nicht einforderbare Votum ihre Stellung als Organwalter und/ oder Angestellte der Organisation. In keinem Verband hat die Déchargeerteilung Einfluß auf gegen die Entlasteten bestehende Ersatzansprüche.
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