110 56 54MB
German Pages 383 Year 1997
HARALD
HERZ
Die Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in das geltende System der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 56
Die Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in das geltende System der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften
Von Harald Herz
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Herz, Harald: Die Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in das geltende System der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften / von Harald Herz. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Steuerrecht ; Bd. 56) Zugl.: München, Univ. der Bundeswehr, Diss., 1996 ISBN 3-428-08949-9
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-08949-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Vorwort Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit einer Problematik, die mit zunehmender Internationalisierung der Wirtschaft (Stichwort „Globalisierung") verstärkt an Relevanz gewinnen wird. Die in der Betriebswirtschaftslehre so häufig geforderte Marktnähe wird dazu führen, daß Gesellschaften ihr Management verstärkt direkt an den Orten ihres Hauptabsatzgebietes oder ihres Hauptproduktionsstandortes verlegen. Damit kann unter Umständen aber auch ein Wechsel des Verwaltungssitzes bzw. der Geschäftsleitung verbunden sein. Genau dieses Phänomen des Auseinanderfallens von Satzungssitz und Verwaltungssitz bzw. Geschäftsleitung wird mit dem Begriff der „grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft" umschrieben. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft ist als Untersuchungsgegenstand von besonderem Interesse, da sie an den Schnittstellen von Steuer- und Privatrecht angesiedelt ist. Gerade das Verhältnis von Internationalem Steuerrecht und Internationalem Privatrecht steht bei der Beantwortung der Frage nach der Steuersubjektfähigkeit im Mittelpunkt der Überlegungen. Das Verhältnis beider Gebiete zueinander wird aber schon seit langem intensiv diskutiert. Es verwundert daher nicht, daß die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft und ihre Steuersubjektqualifikation in der Steuerliteratur Gegenstand intensiver und kontroverser Diskussionen ist. Eine „herrschende Meinung" konnte sich bis jetzt jedoch noch nicht herauskristallisieren, vielmehr stehen sich zwei Ansichten unvereinbar gegenüber. Erst mit der Entscheidung des Bundesfinanzhofes im Jahre 1992 zu diesem Thema hat sich die Auseinandersetzung beruhigt. Dies muß jedoch um so mehr erstaunen, als dieses Urteil in seiner Argumentation nicht konsequent ist, sondern teilweise von inneren Widersprüchen gekennzeichnet ist. Auch läßt es eine systematische Fundierung vermissen, die auf den Grundprinzipien des deutschen und des Internationalen Steuerrechts aufbaut. Das letzte Wort kann deshalb auch von Seiten des BFH noch nicht gesprochen sein. Die Arbeit versucht nun, die Defizite des BFH in seiner Urteilsfindung zu beheben, in dem das Problem der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft aus dem System der Subjektqualifikation im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht heraus untersucht wird. Dafür gilt es aber zunächst, allgemeine Grundsätze der Auslegung für die Steuersubjektqualifikation herauszubilden, die dem internationalen und dem nationalen Steuerrecht entstammen können.
6
Vorwort
Ich möchte mich bei all denjenigen bedanken, die mich bei dieser Arbeit entweder fachlich unterstützt haben, oder die entbehrungsreiche Zeiten hinnehmen mußten. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Bähr, der mir trotz seiner großen Arbeitsbelastung ein anregender Diskussionspartner war und stets ein offenes Ohr für meine Probleme hatte. Meinen Dank möchte ich auch Prof. Dr. Fischer-Winkelmann aussprechen, der die Aufgabe des Zweitgutachtens übernommen hat. Herrn Prof. Dr. Lang und Herrn Prof. Dr. Meincke möchte ich für die Aufnahme in die von ihnen herausgegebene Reihe „Schriften zum Steuerrecht" herzlich danken. Die Dissertation wurde im März 1996 bei der Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften der Universität der Bundeswehr München eingereicht. Harald Herz
Inhaltsverzeichnis Einleitung
19
1. Problemstellung
19
2. Zielsetzung der Untersuchung
21
3. Gang der Untersuchung
21
A. Grundlegung
24
L
Einordnung des Themas
24
1. Internationales Privat- und Gesellschaftsrecht
24
2. Internationales Steuerrecht
28
3. Das Verhältnis von Steuer- und Privatrecht und das Erfordernis der Bestimmung des Gesetzeszweckes a) Die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin zu einer eigenständigen steuerlichen Wertung b) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und das Fehlen einer einheitlichen Linie c) Die Standortbestimmung in der Literatur aa) Die Forderung nach einer eigenständigen am Zweck (Telos) des Steuerrechts orientierten Auslegung bb) Das Problem der Findung des Zwecks im Steuerrecht 4. Das Verhältnis von Internationalem Steuerrecht und Internationalem Privatrecht Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte für die steuerliche und zivilrechtliche Beurteilung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften
29 30 32 34 34 41 44
46
1. Der Sitzbegriff im Steuerrecht a) Der Satzungssitz nach § 11 AO b) Die Geschäftsleitung nach § 10 AO aa) Allgemeine Anknüpfungsmeikmale bb) Sonderfälle
46 48 49 49 53
2. Der Sitzbegriff im Zivilrecht a) Der statutarische Sitz bzw. Satzungssitz b) Der Verwaltungssitz
55 55 58
3. Die Abhängigkeit des Zivilrechts vom Steuerrecht im Rahmen des Sitzverständnisses
64
8
nsverzeichnis
Β. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft im Regelungsbereich des Internationalen Privatrechts I.
68
Das Gesellschaftsstatut und die Theorien seiner Bestimmung bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften
68
1. Bestimmung des Gesellschaftsstatuts als Aufgabe des Internationalen Gesell schaftsrechts a) Der Begriff des Gesellschaftsstatuts b) Anknüpfungsmomente zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts .... c) Anerkennung als Ausfluß des Gesellschaftsstatuts
68 68 69 70
2. Anknüpfungstheorien für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts a) Gründungstheorie b) Sitztheorie
72 73 75
Π. Die unterschiedlichen Konsequenzen von Sitz- und Gründungstheorie für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften
77
1. Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz zum Zeitpunkt der Gründung a) Verwaltungssitz im Inland b) Verwaltungssitz im Ausland
77 77 80
2. Verwaltungssitzverlegung nach der Gründung a) Verwaltungssitzverlegung ins Inland b) Verwaltungssitzverlegung ins Ausland
82 83 88
3. Durchbrechung der Konsequenzen im Falle von bilateralen Staats vertragen
92
DL Konsequenzen einer Nichtanerkennung der Kapitalgesellschaft als Ausfluß der Sitztheorie 1. Bestimmung des Gesellschaftstyps 2. Gesellschafts- und haftungsrechtliche Beurteilung a) Gesellschafterhaftung b) Handelndenhaftung c) Geschäftsführungs-und Vertretungsbefugnis
94 94 96 96 100 101
C. Allgemeine Auslegungsgrundsatze für die Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften im Steuerrecht
104
I.
Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken
105
1. Völkerrechtliche Grundsätze und Beschränkung der Steuerhoheit? a) Quellen des Völkerrechts und ihre grundgesetzliche Verankerung in Art. 25 GG
105 105
nsverzeichnis
b) Territorialitätsprinzip und Doppelbesteuerung als für das Steuerrecht relevante Aspekte des Völkerrechts c) Keine Einschränkungen bei der Auslegung internationaler Sachverhalte durch das Völkerrecht
9
107 110
2. Europarechtliche Schranken bei der Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in der EU ? a) Quellen und Rechtsnatur des Europarechts b) Die Fusionsrichtlinie als zentraler Punkt der Harmonisierung der direkten Steuern in der EU und ihr Leerlaufen c) Die Wirkungslosigkeit der Niederlassungsfreiheit bei der Sitzverlegung von Gesellschaften
117
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes Auslegungsprinzip für die Besteuerung internationaler S achverhalte
123
1. Der Gleichheitssatz als zentrale Auslegungskomponente und die darin enthaltene Forderung nach Systemgerechtigkeit a) Die Interpretation des Gleichheitssatzes durch das Bundesverfassungsgericht b) Das richtige Vergleichskriterium als zentrales Merkmal des Gleichheitsprinzips c) Die Systemgerechtigkeit als Konkretisierungsmöglichkeit des Gleichheitsprinzips d) Die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 GG auf ausländische Gesellschaften
112 112 114
123 123 127 130 132
2. Die relative Inhaltsleere des Leistungsfähigkeitsprinzips und das Erfordernis der Bestimmung der vom Gesetzgeber statuierten Systematik
134
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System der Einkommensbesteuerung von Personenzusammenschlüssen als Ausdruck seines Gleichheitsverständnisses
138
L
Der Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuer als Basis der Einkommensbesteuerung von Personenzusammenschlüssen
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung 1. Personengesellschaften im System der Einkommensbesteuerung a) Die Teüsteuersubjektfähigkeit der Personengesellschaften b) Der Begriff der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht im Rahmen der Gewinneinkünfte aa) Das Verhältnis Mitunternehmer und Gesellschafter nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bb) Der Gesellschaftsbegriff im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
138 142 142 142 147 148 153
nsverzeichnis
cc) Die Ausdehnung auf das wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaftsverhältnis dd) Die Einschränkung des Anwendungsbereiches von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch die Mitunternehmerschaft c) Der Begriff der Personengesellschaften im Einkommensteuerrecht im Rahmen der Überschußeinkünfte d) Ergebnis: Zivilrechtliche Anknüpfung bei der Beurteilung von Personengesellschaften 2. Kapitalgesellschaften im System der Einkommensbesteuerung a) Der gesetzliche Katalog der Körperschaftsteuersubjekte b) Die zivilrechtliche Anknüpfung des Körperschaftsteuerrechts bei der Beurteilung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft aa) Der mögliche Wortsinn des Begriffs "Kapitalgesellschaften" nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bb) Die systematische Stellung cc) Die Rechtfertigung einer eigenständigen Körperschaftsteuer als Auslegungskriterium fur die Beurteüung der Körperschaftsteuersubjekte dd) Die Bestimmung des objektiven Normzwecks ee) Die Einheit der Rechtsordnung und die zivilrechtlichen Vorgaben als Auslegungskriterien c) Die Rechtsformabhängigkeit in Literatur und Rechtsprechung
157 160 163 169 171 171 172 172 175
177 179 184 185
3. "Wirtschaftliche" Grenzfälle als Beurteilungsmaßstab des Systems a) Die Publikums-KG b) Die Einmann-Kapitalgesellschaft c) Gründungs-und Vorgründungsgesellschaft
189 190 193 195
4. Ergebnis: Strenge Rechtsformabhängigkeit bei der Subjektqualifikation inländischer Gesellschaften
200
HL Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften im deutschen Ertragsteuerrecht
200
1. Die Problematik der Qualifikation im deutschen Ertragsteuerrecht
201
2. Mögliche Alternativen der Qualifikation a) Übernahme der Einstufung nach ausländischem Zivilrecht b) Übernahme der Einstufung der ausländischen Steuerrechtsordnung c) Eigenständige Qualifikation nach deutschem Steuerrecht
203 203 204 204
3. Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung a) Das RFH-Urteü vom 12.2.1930 und die folgende Rechtsprechung.. b) Die Behandlung in der Literatur
205 205 207
4. Der Qualifikationsvorgang im einzelnen
211
5. Ergebnis: Lex Fori-Betrachtung und Typenbetrachtung als Ausfluß des Gleichheitssatzes
216
nsverzeichnis
E. Die Rechtfertigung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung im Rahmen der Besteuerung von Personenzusammenschlüssen anhand des Leistungsfahigkeitsprinzips I.
11
219
Die Konkretisierung des abstrakten Leistungsfahigkeitsprinzips durch Kirchhofs "Vierstufiges Prüfungsverfahren"
220
Π. Die Verknüpfung von Einkommen als Bemessungsgrundlage und von Rechtsfähigkeit als Ausfluß der Forderung nach Sachgerechtigkeit
222
1. Das Erfordernis der Abstimmung des Steuersubjektes und des Steuerobjektes Einkommen
222
2. Umsatzsteuer und Gewerbesteuer als Beispiele einer Durchbrechung dieser Systematik?
224
ΠΙ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz der Forderung nach Systemgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung
229
1. Die vollständige Vermögenssonderung und die Fremdorganschaft als die die juristischen Personen kennzeichnenden Merkmale
229
2. Die Steuersubjekteigenschaft als zwingende Konsequenz der Struktur der juristischen Personen
234
3. Der Typenvergleich als systemkonsequente Einstufung ausländischer Gesellschaftsformen a) Die beschränkte Steuerpflicht und ihr Verhältnis zum Leistungsfähigkeitsprinzip b) Der Typenvergleich bei ausländischen Gesellschaften als konsequente Fortführung der Systemgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung c) Die Notwendigkeit einer vom Internationalen Privatrecht losgelösten Beurteüung im Steuerrecht aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen d) Der Typenvergleich als systemgerechtes Abgrenzungsverfahren auch auf der Steuerobjektebene
235 236
240
243 246
IV. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen als notwendige Subjekte der Körperschaftsteuer aufgrund der Forderung nach Systemgerechtigkeit innerhalb der Steuerrechtsordnung und nach Folgerichtigkeit
246
1. Die zivilrechtliche Struktur des nichtrechtsfähigen Vereins und seine Annäherung an die juristische Person
247
2. Die aus den fehlenden wirtschaftlichen Eigeninteressen der Mitglieder resultierende Vermögenssonderung als Grund eigener Steuersubjektfähigkeit
251
3. Die Schnittstellenfunktion von § 3 Abs. 1 KStG
257
nsverzeichnis
F. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft und ihre systemadäquate Qualifikation I.
Die Behandlung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in Literatur und Rechtsprechung
262
262
1. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofes
262
2. Das Meinungsspektrum in der Literatur a) Die Verfechter einer eigenständigen steuerrechtlichen Qualifikation b) Die Verfechter einer streng am Zivilrecht orientierten Betrachtungsweise c) Die Ansicht Wassermeyers
267
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit als systemgerechtes Kriterium 1. Die Forderung nach einer dem Gleichheitsprinzip verpflichteten Auslegung und die Notwendigkeit der Findung eines sachgerechten Vergleichsmaßstabes innerhalb des Systems 2. Die Bestimmung des Vergleichsobjekts a) Die Notwendigkeit der Scheidung von Vergleichsobjekt und Vergleichskriterium b) Qualifikation eines "Phantoms" und Abhängigkeit vom IPR des Gründungsstaates bei Anwendung ausländischem Gründungsrechts c) Geschäftsleitung und Verwaltungssitz als rechtliche Anknüpfungspunkte und damit Perspektive der Beurteilung 3. Die Bestimmung des relevanten Vergleichskriteriums: Rechtsform oder Typenvergleich a) Die Folgen des Internationalen Privatrechts und die Qualifikation nach der Rechtsform b) Die Qualifikation anhand eines einheitlichen Vergleichskriteriums als Konsequenz der Forderung nach Wettbewerbsneutralität c) Die wirtschaftlichen Grenzfälle als Eckpfeiler des Systems und damit Maßstab der Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften 4. Zwei Sonderfälle a) Gesellschaften, bei denen Verwaltungssitz und Geschäftsleitung auseinanderfallen b) Gesellschaften aus Staaten mit bilateralen Handelsverträgen 5. Die Qualifikationsproblematik der wegziehenden Kapitalgesellschaft in Abhängigkeit vom anzuwendenden Zivilrecht a) Das Fehlen einer gesicherten zivilrechtlichen Behandlung b) Deutsches materielles Recht bewirkt die Auflösung der Gesellschaft
267 271 275 276
276 280 280 281 287 290 290 293
296 299 299 300 301 301 303
nsverzeichnis
13
c) Internationales Privatrecht ist auf wegziehende Gesellschaften anzuwenden aa) Der Zuzug in einen der Sitztheorie folgenden Staat bb) Der Zuzug in einen der Gründungstheorie folgenden Staat
306 307 310
6. Die Rechtsfähigkeit als sachgerechtes Kriterium von zu- und wegziehenden Kapitalgesellschaften
311
ΙΠ. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit anhand des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes
311
1
Der Aufbau des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes
312
2. Die alternative Anknüpfung "Geschäftsleitung oder Sitz"
315
3. Das Vorliegen einer Regelungslücke 4. Der Katalog der Körperschaftsteuersubjekte und das Merkmal der Rechtsfähigkeit
319
5. Die Behandlung als Vorgesellschaft
329
IV. Die sich aus den allgemeinen Kriterien ergebende Qualifikation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft im Einzelfall
321
331
1. Die als rechtsfähig eingestufte Kapitalgesellschaft a) Die wegziehende Kapitalgesellschaft b) Die zuziehende Kapitalgesellschaft
332 332 333
2. Die nichtrechtsfähige grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft a) Die Einstufung als nichtrechtsfähiger Verein oder als Personengesellschaft b) Die Bedeutung der Struktur der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft für die steuerliche Qualifikation aa) Die personalistisch strukturierte Gesellschaft bb) Die kapitalistisch strukturierte Gesellschaft
335
3. Die Gesellschaft mit vermögensverwaltender Tätigkeit
340
335 337 337 338
G. Schlußbemerkung
341
Literaturverzeichnis
344
Rechtsprechungsverzeichnis
369
Stichwortverzeichnis
377
Abkürzungsverzeichnis a. Α. Abb. Abs. AcP
anderer Ansicht Abbildung Absatz Archiv für civilistische Praxis
AG
Aktiengesellschaft
AG
Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
AktG
Aktiengesetz
Anm. AO AöR
Anmerkung
Aufl. AWD BayOLG
Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Auflage Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayOLGZ
Amtliche Entscheidungssammlung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen
BayVerfGH
Bayerischer Verfassungsgerichtshof
BB betr.
Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band betreff
BFH
Bundesfinanzhof
BFHE
Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof
Bd.
BFuP BGB BGH BGHZ
Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivüsachen
BMF
Bundesminister der Finanzen
bspw.
beispielsweise
BStBl.
Bundessteuerblatt
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
Abkürzungsverzeichnis
15
BVerfGE
=
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
DB
=
Der Betrieb (Zeitschrift)
DBA
=
Doppelbesteuerungsabkommen
ders.
=
derselbe
d.h.
=
das heißt
dies.
=
dieselbe(n)
Diss.
=
Dissertation
DNotZ
=
Deutsche Notar-Zeitschrift
DStR
=
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DStZ/A
=
Deutsche Steuerzeitung/Teil A
DVB1
=
Deutsches Verwaltungsblatt
ebd.
=
ebenda
EFG
=
Entscheidungen der Finanzgerichte (Entscheidungssammlung)
EG EGBGB
= =
Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. August 1986
Einl. ErbStG erw. EStDV
= = = =
Einleitung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz erweitert(e) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
EStG EStR EU
= = =
Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union
EuGH EuR EuZW
= = =
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europarecht (Zeitschrift) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
e. V.
=
eingetragener Verein
EWG EWGV
= =
f. FA ff.
= = =
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 folgende (Seite) Finanzarchiv (Zeitschrift) fortfolgende (Seiten)
FG
=
Finanzgericht
Fn.
=
Fußnote
FR
=
Finanzrundschau
FS
=
Festschrift
GbR
=
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
gem.
=
gemäß
16
GewStG GG
Abklirzungsverzeichnis
= =
GmbH
=
Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
=
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GmbHR
=
GmbH-Rundschau (Zeitschrift)
Halbs. H FR
= =
Halbsatz Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung
HGB H HR
= =
Handelsgesetzbuch Herrmann / Heuer / Raupach (Kommentar)
Hrsg. i. d. F. insbes.
= = =
Herausgeber in der Fassimg insbesondere
IntGesR
=
Internationales Gesellschaftsrecht
IPR Iprax
= =
Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts
IStR
=
Internationales Steuerrecht
IStR
=
Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)
i. S.w. IWB i. w. S. JbFfStR JDStJG JuS JW
= = = = = = =
im Sinne von Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) im weiteren Sinne Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahrbuch der Deutschen Steueijuristischen Gesellschaft Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift
JZ
=
JuristenZeitung
KAGG
=
Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften
Kap.
=
Kapitel
KG KGaA
= =
Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien
KÖSDi KStG
= =
Kölner Steuer-Dialog (Zeitschrift) Körperschaftsteuergesetz
LG
=
Landgericht
lt.
=
laut
m.a.W.
=
mit anderen Worten
m. E. MitBestG
= =
meines Erachtens Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz)
MünchKomm
=
Münchener Kommentar
Abkürzungsverzeichnis
17
m. w. Ν.
=
mit weiteren Nachweisen
NJW
=
Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)
Nr.
=
Nummer
NvWZ
=
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NWB OECD-ΜΑ
= =
oHG
=
Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) Revidiertes OECD-Muster für Doppelbesteuerungsabkommen vom 11. April 1977 offene Handelsgesellschaft
OLG
=
Oberlandesgericht
ο. V.
=
ohne Verfasserangabe
RabelsZ
=
Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
RdNr.
=
Randnummer
RFH RFHE
= =
RIW
=
Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
Rz.
=
Randziffer
S. Slg.
= =
sog.
=
Satz; Seite Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften sogenannte(n)
Sp.
=
Spalte
StAnpG
=
Steueranpassungsgesetz
StBJb
=
Steuerberater-Jahrbuch
StBp
=
Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift)
SteuerStud
=
Steuer und Studium (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
StuW
=
stv.
=
stellvertretend
StVj
=
Steuerliche Vierteljahresschrift
Tab.
=
Tabelle
Tz.
=
Textziffer
u.
=
und
u. a.
=
und andere; unter anderem
überarb.
=
überarbeitet(e)
UmwG UmwStG
= =
v.
=
Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften Gesetz über die steuerlichen Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform vor
2 Herz
18
Abkürzungsverzeichnis
VAG
=
vgl.
=
Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) vergleiche
Vorbem.
=
Vorbemerkung
WG
=
Wechselgesetz
WPg
=
Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
z. B. ZfbF
= =
zum Beispiel Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
ZGR
=
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
=
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
Ziff. zit ZPO
= = =
Ziffer zitiert Zivilprozeßordnung
Einleitung 1. Problemstellung
Das Problem der sog. grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ist seit Mitte der achtziger Jahre zu einem immer häufiger diskutierten Thema in der steuerrechtlichen Literatur geworden, zu dem sich bis heute noch kein einheitlicher Meinungsstand herausgebildet hat. Vielmehr weichen die Auffassungen über die steuerliche Subjektqualifikation dieser Gebilde mehr denn je voneinander ab. Die Meinungen reichen hier von rein auf die zivilrechtlichen Vorgaben des Internationalen Privatrechts abstellende Lösungen bis hin zu einer ausschließlich an steuerlichen Kriterien orientierten Einstufung. Daneben gibt es aber auch noch eine Reihe von vermittelnden Lösungsvorschlägen, die einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extrempositionen einschlagen wollen. Der Auslöser für die Diskussion war der Erlaß der Finanzverwaltung zu den sog. britischen non resident limited companies aus dem Jahre 1985,1 der zu einer heftigen Kontroverse über die Behandlung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften führte. Im Jahre 1986 hatte sich erstmals die Finanzgerichtsrechtsprechung mit dieser Problematik auseinanderzusetzen. Das Finanzgericht Düsseldorf hat eine luxemburgische Kapitalgesellschaft mit deutscher Geschäftsleitung als Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG qualifiziert. 2 Das Gericht stützte sein Ergebnis auf die strikte zivilrechtliche Anknüpfung der Körperschaftsteuerpflicht in § 1 Abs. 1 KStG. Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil mit seiner Entscheidung vom 23.6.1992 auf und stufte diese Personenvereinigung als Körperschaftsteuersubjekt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG ein.3 Das Urteil löste in der Literatur heftige Reaktionen aus, die durchweg von allen Seiten durch Ablehnung gekennzeichnet waren.4 Die besondere steuerrechtliche Problematik der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften liegt in ihrer besonderen Struktur begründet. Unter grenz1
Vgl. FinBeh. Hamburg, Erlaß v. 15.1.1985, DB 1985 S. 285. Vgl. FG Düsseldorf v. 6.11.1986, EFG 1987 S. 202. 3 Vgl. Β FH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972. 4 Vgl. etwa Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1004 ff.); dies., GmbHR 1994 S. 16 (24 ff.); Großfeld, B. / Luttermann, C., IPrax 1993 S. 229 (230 ff.); Knobbe-Keuk, B., DB 1992 S. 2070 (2070 ff.). 2
2*
20
Einleitung
überschreitenden Kapitalgesellschaften werden solche Kapitalgesellschaften verstanden, die nach dem Recht eines Staates als rechtsfähige Kapitalgesellschaften gegründet wurden, die entweder die Geschäftsleitung bzw. den Verwaltungssitz oder den Satzungssitz in einen anderen Staat verlegen.5 Der statutarische Sitz bzw. der Satzungssitz und der tatsächliche Sitz liegen also in zwei verschiedenen Staaten, wobei die Gesellschaft ihren statutarischen Sitz oder der Verwaltungssitz bzw. den Ort der Geschäftsleitung im Inland oder im Ausland haben kann. Beide Fälle sollen im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden. Allein schon im Zivilrecht ist die Behandlung dieser Gesellschaften umstritten, da im Internationalen Privatrecht zwei Theorien vertreten werden, die zu völlig konträren Ergebnissen führen. Während die sog. Gründungstheorie von einem Weiterbestehen solcher Gesellschaften ausgeht, führt die Anwendung der wohl nach h.M. in Deutschland gültigen Sitztheorie zu dem Ergebnis, daß die Kapitalgesellschaft ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre Existenz als juristische Person verliert. Dieser international-privatrechtliche Theorienstreit setzt sich auch im Steuerrecht fort. Da § 1 Abs. 1 KStG alternativ an eine inländische Geschäftsleitung oder einen inländischen Satzungssitz anknüpft, wären diese "Kapitalgesellschaften" grundsätzlich der inländischen Körperschaftsteuerpflicht unterworfen. Andererseits knüpft § 1 Abs. 1 KStG an die inländischen Rechtsformen an, wobei insbesondere mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Personenvereinigungen erfaßt werden. Gerade aber die Sitztheorie verweigert diesen Gesellschaften den Status der Rechtsfähigkeit. Trotz der vielfältigen Äußerungen in der Literatur ist die Diskussion noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. Auch nach dem Urteil der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben sich noch immer Zweifel an der Behandlung grenzüberscheitender Kapitalgesellschaften, wie die Äußerung von Großfeld / Luttermann deutlich zum Ausdruck bringt. "In dieser Frage ist wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen. Gespannte Erwartung ist der künftigen BFH-Rechtsprechung zur körperschaftsteuerlichen Behandlung ausländischer Gesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland sicher."6 Gerade aber auch die fortschreitende Internationalisierung der Wirtschaft wird die Problematik der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften auch zunehmend in den Vordergrund des praktischen Interesses rücken. Der Prozeß
5 Als Pendants zu grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften werden im Rahmen dieser Arbeit die Begriffe der inländischen und der ausländischen Gesellschaften verwendet. Diese zeichnen sich dadurch aus, daß sich bei beiden der Sitz und die Geschäftsleitung in ein und demselben Staat befinden. Bei inländischen Gesellschaften sind die örtlichen Anknüpfungspunkte im Inland belegen, bei ausländischen Gesellschaften dementsprechend im Ausland. 6 Großfeld, B. / Luttermann, C., IPrax 1993 S. 229 (231); in diesem Sinne auch Knobbe-Keuk, B., DB 1992 S. 2070 (2071).
Einleitung
21
der wachsenden internationalen Gesellschaftsverflechtung insbesondere in der EU verlangt daher geklärte und klare Rechtsmaßstäbe.7 2. Zielsetzung der Untersuchung
Aus der eben kurz skizzierten Problemstellung ergibt sich die Aufgabe und die Zielsetzung der Arbeit; es gilt die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer einzuordnen. Fragen der Subjektqualifikation im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen werden hier grundsätzlich ausgeklammert. Die sich aus der Subjektqualifikation im einzelnen ergebenden Konsequenzen für die weitergehende Besteuerung, wie etwa Fragen im Rahmen von § 17 EStG, der Liquidationsbesteuerung nach §§11 ff KStG etc., werden ebenfalls nicht untersucht, es sei denn, sie können unmittelbar zur Lösung des Qualifikationsproblems selbst beitragen. Zur Erreichung der vorgegebenen Zielsetzung ist es zunächst erforderlich, das geltende System der Besteuerung des Einkommens von Gesellschaften zu bestimmen, um so die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften einer systematischen Lösung zuführen zu können. Aufgrund der ausländischen Elemente, die zwangsläufig mit diesen Gesellschaften verbunden sind, ist es erforderlich, die Systematik der Qualifikation in- und ausländischer Gesellschaften zu untersuchen, d.h. es sind Fragen der unbeschränkten und der beschränkten Steuersubjektqualifikation zu beantworten. Zunächst soll hier die herrschende Meinung zu dieser Thematik herausgearbeitet und dargestellt werden. Auf dieser so gewonnenen Basis gilt es Auslegungsgrundsätze für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften zu entwickeln, die insbesondere auch dem ausländischen Bezug gerecht werden können. Andererseits müssen, um zu einer systematischen Lösung zu gelangen, auch die Gründe für die Behandlung von Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung eruiert werden, um so Kriterien für die Qualifikation gewinnen zu können. Hierfür ist auf die Grundprinzipien des Steuerrechts abzustellen. Anhand dieser Kriterien bzw. Prinzipien soll die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft in das System eingeordnet werden, so wie es sich nach h.M. darstellt.
3. Gang der Untersuchung
Zunächst gilt es den im Rahmen dieser Arbeit notwendigen "Bezugsrahmen" zu schaffen. Im Grundlagenteil werden daher die verschiedenen Teilrechtsordnungen, die für die Beurteilung der grenzüberschreitenden Kapital-
7
Vgl. Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (170).
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Einleitung
gesellschaften relevant sind, kurz dargestellt, wobei der Schwerpunkt auf die Funktion dieser einzelnen Gebiete gelegt wird. Nur so lassen sich die einzelnen Teilrechtsordnungen in eine sinnvolle Beziehung zueinander setzen. Gerade dieses grundlegende Verhältnis ist es nämlich, das im Brennpunkt der Frage der Subjektqualifikation dieser Gebilde steht.8 Im Anschluß daran werden die zentralen örtlichen Anknüpfungspunkte des Zivil- und Steuerrechts, der Satzungssitz und der Verwaltungssitz bzw. die Geschäftsleitung, einer Untersuchung unterzogen. Im zweiten Kapitel werden die zivilrechtlichen Grundlagen geschaffen, die für die strukturelle Bestimmung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften nach den Maßgaben des Gesellschaftsrechts von Bedeutung sind. Den zentralen Punkt bilden hier die beiden maßgeblichen Anknüpfungstheorien Sitz- und Gründungstheorie, die auf ihre Konsequenzen hin näher beleuchtet werden. Den Schluß bildet ein kurzer Abriß der materiell rechtlichen Folgen einer Nichtanerkennung der Gesellschaft, so wie sie die Sitztheorie nach sich zieht. Den Gegenstand des dritten Kapitels bilden allgemeine Auslegungsgrundsätze, die gewissermaßen den Rahmen für die Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften liefern. Zunächst ist es aufgrund des internationalen Bezuges erforderlich, zu prüfen, inwieweit Regelungen des internationalen Rechts für das nationale Steuerrecht relevant sind und demnach einen Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten vermögen. Neben diesen internationalen Rechtsquellen stellt der Gleichheitssatz ein zentrales, übergeordnetes Auslegungskorrektiv dar. Er bildet die Grundlage für das weitere Vorgehen in dieser Arbeit, da er, will man seinen Anforderungen wirklich genüge leisten, eine Systemkonsequenz erfordert. Es ist gerade das Ziel dieser Arbeit, grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften in dieses System, das im folgenden Kapitel geschaffen wird, einzuordnen Das vierte Kapitel widmet sich der Darstellung des Systems der Besteuerung inländischer Gesellschaften, deren Satzungs- und Verwaltungssitz bzw. Geschäftsleitung sich im Inland befinden. Hierzu werden die Rechtsprechung und die Literaturmeinung einer eingehenden Analyse unterzogen, um so die Grundsätze der Qualifikation von Gesellschaften und deren Einordnung in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ermitteln zu können. Die gleiche Vorgehensweise wird anschließend bei rein ausländischen Gesellschaften angewendet. Dieses System der Besteuerung bildet die "Eckpunkte" für die Subjektqualifikation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, die in gewisser Hinsicht "Elemente" beider Formen verbinden. Im fünften Kapitel wird das bisher gefundene System, so wie es Rechtsprechung und h.M. in der Literatur sehen, einer grundlegenden Analyse anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips unterzogen. Hier wird der Frage nachgeganVgl. Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (170).
Einleitung
gen, inwieweit dieses System den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips gerecht werden kann. Die Untersuchung soll darüberhinaus für ein besseres Verständnis der für die Qualifikation wesentlichen Kriterien und deren Bedeutung sorgen. Schließlich werden die so gefundenen Prinzipien bzw. Kriterien auf grenzüberschreitende Gesellschaften angewendet, um sie so systematisch in den Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuer einordnen zu können. Das so erzielte Ergebnis wird dann noch mit dem Körperschaftsteuertatbestand mit seinen einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen abgeglichen. Aufgrund des bzw. der so gefundenen maßgeblichen Qualifikationskriteriums bzw. -kriterien sollen dann die verschiedenen möglichen Fallkonstellationen grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften einer Subjektqualifikation zugeführt werden. In den bisherigen Ausführungen ist häufiger der Begriff "System" gefallen.9 Solch ein System wird auch bei der Besteuerung von Gesellschaften im Rahmen dieser Arbeit zugrundegelegt, wobei hier allein von einem inneren bzw. inhaltlichen System10 ausgegangen wird. "Das inhaltliche System ist ein auf Fundamental- und Subprinzipien basierendes, geordnetes, konsistentes Ganzes. Oder anders ausgedrückt: Man nennt einen Rechtsstoff systematisch, wenn er aufgrund konsequent angewendeter, sachgerechter Prinzipien so geordnet ist, daß die Gesamtregelung eine konsistente Einheit bildet, die frei ist von Lücken, Überschneidungen und Widersprüchen. Das Prinzip, das dafür sorgt, daß die Gesamtheit des Rechtsstoffes geordnet zusammengehalten wird, sind die Prinzipien oder Regeln, die einem oder mehreren Gesetzen zugrundeliegen. Sie sind die für Ordnung sorgenden Träger des inhaltlichen oder inneren Systems."11 Gerade weil eine zunehmende Systemlosigkeit insbesondere in der neueren Steuergesetzgebung beklagt wird, ist es unabdingbar, zumindest bei der Auslegung von bestehenden Gesetzen das System als solches zu wahren. Wie oben noch zu zeigen sein wird, ist der Systemgedanke wesentlich für die Ausfüllung des Gleichheitsprinzips, das durch das Leistungsfähigkeitsprinzip seine zentrale Konkretisierung im Steuerrecht erfahren hat und für die Auslegung von Gesetzen immer wieder herangezogen wird. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, gilt es daher das System der Subjektqualifikation von Gesellschaften zu bestimmen und grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften darin zu integrieren.
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Vgl. grundlegend zum System in der Jurisprudenz Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. Iff.; Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 437 ff. und S. 473 ff.; speziell zum System im Steuerrecht vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 105 ff.; ders., StuW 1971, S. 2. 10 Das Pendant zum inneren System bildet das äußere System, bei dem es sich nur um ein formales, formallogisches oder begriffliches System handelt. Vgl. zur Unterscheidung im einzelnen Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. 19 ff. 11 Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 111 (Hervorh. im Original).
Α. Grundlegung I. Einordnung des Themas Der Begriff der "grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft" entspringt zwar der räumlichen Besonderheit der hiermit angesprochenen Kapitalgesellschaften, da diese mehrere Staatsgrenzen überschreitet; er spiegelt aber (ungewollt) die besonderen rechtlichen Probleme wider, die mit ihm verbunden sind. Er ist nämlich insoweit auch grenzüberschreitend, als er zivil- und steuerrechtlich an einer Schnittstelle angesiedelt ist, an der es beide Rechtsgebiete miteinander zu verbinden gilt. "Die besondere rechtliche Schwierigkeit der "Sitzverlegung" resultiert dabei aus der Vielschichtigkeit der Fragestellungen und der Notwendigkeit, verschiedene Rechtsgebiete systemkongruent und harmonisch zu einem in sich geschlossenen und harmonischen Gefüge zu verbinden."1 Bei der rechtlichen Behandlung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ist insbesondere das Verhältnis von materiellem Privatrecht und dem Steuerrecht, aber auch das Verhältnis von Internationalem Privatrecht und (Internationalem) Steuerrecht tangiert. Da dieses Verhältnis der einzelnen Teilrechtsgebiete die gesamte Untersuchung wie ein Faden durchzieht, soll zunächst ein kurzer Abriß über das Wesen und den Inhalt der einzelnen Teilrechtsgebiete sowie deren Verhältnis zueinander im allgemeinen vorangestellt werden.
1. Internationales Privat- und Gesellschaftsrecht
Der Begriff des Internationalen Privatrechts ist vom Gesetzgeber im Art. 3 Abs. 1 EGBGB kodifiziert worden. Danach handelt es sich beim Internationalen Privatrecht um die dem Satz 1 folgenden Vorschriften, die bei Sachverhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates die anzuwendende Rechtsordnung angeben. Die gesetzliche Definition nach Art. 3 Abs. 1. S. 1 EGBGB umschließt also nur die im EGBGB niedergelegten Vorschriften in das Internationale Privatrecht ein. Daß hiermit aber nicht der gesamte Regelungsbereich des Internationalen Privatrechts abschließend geregelt sein kann, ergibt sich zum einen bereits aus Abs. 2, da hiernach völkerrechtliche und europarechtliche Kollisionsnormen vorgehen.2 Zum anderen müssen 1 2
Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 1 (3). Vgl. MünchKomm - Sonnenberger, Art 3 EGBGB Anm. 2.
I. Einordnung des Themas
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weiterhin zahlreiche Kollisionsnormen Spezialgesetzen, wie z.B. dem WG oder GWB, oder dem Richterrecht entnommen werden.3 Dementsprechend enthält der IPR-Begriff des Art. 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB nur das, was man das IPR im engeren Sinne nennen könnte.4,5 In der Literatur bezeichnet man als Internationales Privatrecht die Gesamtheit der Rechtsnormen bzw. Rechtssätze, die bestimmen, welches Privatrecht eines Staates anzuwenden ist.6 Beim Internationalen Privatrecht handelt es sich daher um sog. Kollisionsrecht, wobei es ein Kollisionsrecht unter vielen ist.7 Kollisionsnormen entscheiden in der Regel nicht selbst, sondern bestimmen, welche Sachnorm anzuwenden ist. 8,9 Erst die Sachnorm selbst bestimmt letztlich die auf den Sachverhalt anzuwendende Rechtsfolge. Das Internationale Privatrecht als Kollisionsrecht stellt ein Recht über den Rechten dar, also Recht über den Rechtsordnungen.10 Das Internationalen Privatrecht gehört nicht zum supranationalen Recht, sondern es handelt sich um nationales bzw. staatliches Recht. Dementsprechend hat jeder Staat sein eigenes nationales Internationales Privatrecht.11 Bei der hier interessierenden Fragestellung ist ein besonderes Teilgebiet des Internationalen Privatrechts angesprochen, das sog. Internationale Gesellschaftsrecht. 12 Gegenstand ist die kollisionsrechtliche Frage, nach welcher nationalen Rechtsordnung gesellschaftsrechtliche Beziehungen zu beurteilen sind.13 Das Internationale Gesellschaftsrecht wird in der deutschen Wissenschaft in zwei Fragenkreise unterteilt, zum einen in das Kollisionsrecht der einfachen Gesellschaft und zum anderen in das Konzernkollisionsrecht.14 Im Rahmen dieser Arbeit interessiert nur das Kollisionsrecht der einfachen Ge3
Vgl. MünchKomm - Sonnenberger, Art. 3 EGBGB Anm. 2. Vgl. v. Bahr, C. (Privatrecht, 1. Bd., 1987) RdNr. 2. 5 Die gesetzliche Definition völlig ablehnend Jahr, G., RabelsZ 1990, S.481 (502 f.). 6 Vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 3; Neuhaus, P. (Grundbegriffe, 1976) S. 1 f.; Münchener Rechtslexikon S. 504. 7 Vgl. v. Bahr, C. (Privatrecht Bd. I, 1987) S. 11; Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 53. 8 Vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 53. 9 Zur Unterscheidung Sachnorm - Kollisionsnorm vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 51 - 57. 10 Vgl. Neuhaus, P. (Grundbegriffe, 1976). S. 2. 11 Vgl. Heldrich - Palandt, Einl ν EGBGB 3 Tz. 2; Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 8. 12 Vgl. Kaligin, T, DB 1985 S. 1449 (1449). 13 Vgl. MünchKomm- Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 1; Staudinger - Großfeld IntGesR Tz. 1. 14 Vgl. Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 187. 4
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Α. Grundlegung
sellschaft.15 Der Untersuchungsgegenstand "gesellschaftsrechtlicher Beziehungen" ist sehr weit gefaßt. 16 Darunter fallen alle Rechtsformen mit gewerblich-unternehmerischer und auch ideeller Zielsetzung, wie der Einzelkaufmann, Personen- und Kapitalgesellschaften, Vereine, Stiftungen und andere organisierte Vermögenseinheiten.17 Dabei ist es unerheblich, ob die betreffenden Gesellschaften rechtsfähig oder nicht rechtsfähig sind, oder ob sie dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen sind.18 Trotz seiner wesentlichen Bedeutung ist das Internationale Gesellschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland nicht gesetzlich geregelt.19 Nach der gesetzlichen Definition von Art. 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB wäre demnach das Internationale Gesellschaftsrecht nicht Bestandteil des Internationalen Privatrechts. Aufgrund der oben weiter gefaßten Definition des Internationalen Privatrechts, die auch beispielsweise Richterrecht mit umfaßt, kann das Internationale Gesellschaftsrecht trotz fehlender Kodifikation in den Art. 3 ff. EGBGB als Bestandteil des Internationalen Privatrechts angesehen werden, da es die maßgebende Zivilrechtsordnung der betreffenden Staaten kollisionsrechtlich regelt. Der Grund für die fehlende gesetzliche Kodifizierung in der Bundesrepublik ist darin zu sehen, daß das Internationale Gesellschaftsrecht Gegenstand von Vereinheitlichungsbestrebungen innerhalb der europäischen Gemeinschaften ist oder war. 20 Das Brüsseler Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen vom 29.6.196821 wurde jedoch von den Niederlanden nicht ratifiziert, 22 so daß eine gesetzliche Regelung bis auf weiteres fehlt. Im Unterschied zum internationalen Vertragsrecht fehlt es beim Internationalen Gesellschaftsrecht an einer internationalen Vereinheitlichung.23 Der Grund hierfür ist wohl im wesentlichen darin zu sehen, daß im Gesellschaftsrecht starke widerstreitende wirtschaftliche Interessen der beteiligten Gruppen und Staaten bestehen und diese diametral entgegengesetzt sein können.24 Im 15 Wenn im folgenden vom Internationalen Gesellschaftsrecht gesprochen wird, ist auch nur dieser Fragenkomplex angesprochen. 16 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 1. 17 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 1; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 1, der jedoch den Einzelkaufmann nicht explizit einbezieht. 18 Vgl. Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 777. 19 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 4; Einen Gesetzesvorschlag unterbreitet etwaBeitzke, G. (Kollisionsrecht, 1972) S. 125. 20 Vgl. BT-Drucks. 10/504 S. 29. 21 Abgedruckt bei Hausmann, R. / Raupach, A. u.a. (Steuergestaltung, 1988) S. 105 ff. 22 Vgl. Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (330). 23 Vgl. v. Bahr, C. (Privatrecht, 1991) S. 447. 24 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 6; v. Bahr, C. (Privatrecht, 1991) S. 447 hat erhebliche Zweifel daran, ob es je zu einer Vereinheitlichung kommen wird.
I. Einordnung des Themas
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Gegensatz zum internationalen Vertragsrecht, das sich an individualen Rechtsbeziehungen orientiert, behandelt das Internationale Gesellschaftsrecht Fragen von Personengesamt- bzw. Personenmehrheiten.25 Das Gesellschaftsrecht ist demnach durchweg kollektivbezogen auf den Schutz bestimmter Personengruppen angelegt, wobei dies nicht nur für das Mitgliederkollektiv und seine Willensbildung gilt, sondern auch für andere betroffene Personen.26 Es fehlt dementsprechend an der Leistung eines Vertragspartners; vielmehr schließen sich eine Mehrzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes zusammen.27 Zu diesem Gruppenbezug kommt insbesondere bei Großunternehmen ein Öffentlichkeitsbezug. 28 Der daraus resultierende Einfluß- und Machtbereich der Unternehmen sowie die Tatsache, daß eine Vielzahl heterogener Personengruppen vom Unternehmen tangiert werden, müssen bei der Entwicklung der Kollisionsnormen berücksichtigt werden.29 Zu unterscheiden ist das Internationale Gesellschaftsrecht vom sog. Fremdenrecht30 als materiellem Sonderrecht für Ausländer.31 Das Fremden- oder Ausländerrecht ist der Inbegriff der Rechtssätze, die Ausländer anders behandeln als Inländer, d.h. es bringt Abwandlungen des inländischen materiellen Rechts für Ausländer.32 Es handelt sich hierbei nicht um Kollisionsrecht, sondern um Sachnormen.33 Im Gegensatz zum Internationalen Privatrecht regelt das Fremdenrecht den Tatbestand nicht unmittelbar.34 Dementsprechend setzt seine Anwendung voraus, daß inländisches Recht anzuwenden ist.35 Die kollisionsrechtliche Frage, ob deutsches Fremdenrecht anzuwenden ist, muß also bereits geklärt sein. Ob allerdings für die Gesellschaft in- oder ausländisches Privatrecht gilt, ist unabhängig von dessen Anwendung.36 Deutsches Fremdenrecht gilt also auch dann, wenn die Gesellschaft nach dem Recht eines ausländischen Staates zu beurteilen ist. Fremdenrecht und Internationales Gesellschaftsrecht sind jedoch eng miteinander verwoben, da die 25 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 8; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 189. 26 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 189. 27 Vgl. v. Bahr, C. (Privatrecht, 1991) S. 447. 28 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 189. 29 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 189. 30 Zum Fremdenrecht vgl. insbes. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 559 - 603; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 477 - 529; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 825 - 865. 31 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 2. 32 Vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 100. 33 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 189. 34 Vgl. Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 5. 35 Vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 102 f; Staudinger - Korkisch, Einl. Tz. 74; a.A. Staudinger - Sturm, Einl. zu Art. 7 ff EGBGB. 36 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 826.
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Α. Grundlegung
daraus zu ziehenden Folgerungen und Konsequenzen für die einzelnen Gesellschaften nur in deren Gesamtzusammenhang beurteilt werden können.37 Die Wirkungen eines liberal erscheinenden Internationalen Gesellschaftsrechts können durch ein stark beschränkendes Fremdenrecht weitgehend egalisiert werden und vice versa.38 Im deutschen Gesellschaftsrecht spielen fremdenrechtliche Bestimmungen jedoch nur eine sehr untergeordnete Rolle, so daß die kollisionsrechtliche Beurteilung fundamental für die Behandlung ausländischer Gesellschaften ist.39 Häufig können auch die allgemeinen Regeln des Internationalen Gesellschaftsrechts für das Fremdenrecht analog angewendet werden, wobei sich jedoch in zahlreichen Bestimmungen Sonderregelungen finden. 40 2. Internationales Steuerrecht
Im Gegensatz zum "Internationalen Privatrecht" handelt es sich beim Internationalen Steuerrecht um keinen terminus technicus, der vom Gesetzgeber in einer näheren Umschreibung bestimmt oder gar definiert wird. Der Begriff des Internationalen Steuerrechts ist demnach weitgehend unbestimmt geblieben, und was im einzelnen darunter zu verstehen ist, darüber besteht noch weitgehend Uneinigkeit. Im wesentlichen werden hierzu drei Meinungen vertreten, die im einzelnen nicht wiedergegeben werden sollen.41 Der wohl wesentliche Streitpunkt liegt darin, ob darunter nur die Normen fallen, die völkerrechtlicher Natur bzw. supranationales Recht sind42, oder ob darüber hinaus alle Normen, die internationale Sachverhalte erfassen, hierzu zählen.43 Demnach unterscheidet etwa Bühler zwischen dem Internationalen Steuerrecht im engeren Sinne und dem in einem weiteren Sinne.44 Daneben findet sich auch noch die Ansicht, daß zum Internationalen Steuerrecht nur Kollisionsnormen gehören, die die Steuerhoheiten gegeneinander abgrenzen. In der vorliegenden Arbeit soll der Begriff in seinem umfassenden Sinne verstanden werden, es sollen demnach darunter alle Normen zählen, die internationale Sachverhalte regeln; es geht mithin um den räumlichen Anwendungsbereich.45 Der Grund 37
Vgl. Staudinger - Ebenroth, IntGesR Tz 2, 119; Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 3. 38 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz 119. 39 Vgl, Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 3. 4 0 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 190. 41
Vgl. hierzu etwa Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 1. Vgl. Kom / Debatin, DBA, Systematik I RdNr. 2. 43 Im ersten Falle bezieht sich der Begriff auf die Herkunft des Rechts, im zweiten Fall auf das Sachgebiet als solches. Vgl. hierzu Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 1. 44 Vgl. Bühler, O. (Steuerrecht, 1960) S. 33 f.; ders. (Prinzipien, 1964) S. 3. 45 Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 1. 4 2
I. Einordnung des Themas
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ist darin zu sehen, daß die Diskussion über das Verhältnis von Internationalem Steuerrecht zum Internationalen Privatrecht im wesentlichen unter der Annahme des weiten Begriffsverständnisses geführt wird. Daß der Streit über den Inhalt des Internationalen Steuerrechts letztendlich recht unergiebig ist, darauf weist Schaumburg hin. 46 Da das Steuerrecht, soweit es internationale Sachverhalte erfaßt, nicht einheitlich kodifiziert ist und eine einheitliche Konzeption vermissen läßt, kann das Internationale Steuerrecht nicht als Systembegriff verstanden werden, aus dem sich einheitliche Prinzipien oder Ordnungsmaßstäbe für die Anwendung der in Betracht kommenden Normen gewinnen ließen.47 Vielmehr handelt es sich bei dem Internationalen Steuerrecht um ein pluralistisches System, dessen Rechtsstoff in mehreren Steuergesetzen mit unterschiedlichen Grundwertungen angesiedelt ist. Daraus läßt sich nur der Schluß ziehen, daß für jede Norm eine eigenständige, ihrem eigenen Zweck gehorchende Auslegung gefunden werden muß.48 Hierfür können durchaus die Wertungen anderer Normen oder Normenbereiche des Internationalen Steuerrechts herangezogen werden, nur darf keinesfalls eine undifferenzierte Übernahme erfolgen. Dies zeigt sich allein schon in den verschiedenen Ziel Vorstellungen, die doch diametral entgegenlaufen können. Zum einen ist Regelungsgegenstand des Internationalen Steuerrechts die Vermeidung der Doppelbesteuerungsproblematik, zum anderen soll aber auch das Steuerfluchtproblem einer Lösung zugeführt werden.49 Die Normen können hierbei dem nationalem Recht entspringen oder aber aus dem Bereich der völkerrechtlichen oder supranationalen Normen stammen.50 3. Das Verhältnis von Steuer- und Privatrecht und das Erfordernis der Bestimmung des Gesetzeszwecks
Wie in der Einleitung schon angesprochen, steht bei der Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften das Verhältnis von Privat- und Steuerrecht im Mittelpunkt des Interesses. Der Blick in den sog. Katalog der Körperschaftsteuersubjekte nach § 1 Abs. 1 KStG zeigt, daß das Körperschaftsteuergesetz auf die Begriffe des Privat- bzw. Gesellschaftsrechts rekuriert. Aber auch das Einkommensteuergesetz verwendet, sofern Einkünfte gemeinsam durch Personenmehrheiten erzielt werden, den Begriff der "Perso46
Vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 2; für das Internationale Verwaltungsrecht im allgemeinen Vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 312. 47 Vgl. ebd. 48 Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 4; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 313. 49 Zu den Zielvorstellungen im Internationalen Steuerrecht vgl. etwa Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 6 ff. 50 Zu den Rechtsquellen vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 10 ff.
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Α. Grundlegung
nengesellschaft" in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Es stellt sich daher unmittelbar die Frage, ob das Steuerrecht diesen Begriffen eine eigenständige Bedeutung beimessen darf, oder ob das Steuerrecht diese im Interesse der Einheit der Rechtsordnung nicht einheitlich mit dem Zivilrecht auszulegen hat. Bei dieser Fragestellung ist insbesondere auch das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht angesprochen. Zu beantworten ist die Frage, ob das Steuerrecht dem Zivilrecht untergeordnet ist, oder ob das Steuerrecht auf der gleichen Stufe wie das Zivilrecht steht, diesem also vom Rang her gleichgeordnet ist. a) Die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin zu einer eigenständigen steuerlichen Wertung Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage, in welchem Verhältnis Steuer- und Zivilrecht zueinander stehen, in mehreren Urteilen geäußert. In seinem Urteil vom 11.7.1961 führt das Bundesverfassungsgericht aus, daß das Steuerrecht aufgrund seiner Eigenart, in erster Linie auf fiskalische Zwecke gerichtet zu sein, zwar nicht durchgängig an die bürgerlich rechtliche Ordnung anzuknüpfen hat, daß Privat- und Steuerrecht aber dort tiefgreifend miteinander verknüpft sind, wo das Steuerrecht den Steuergegenstand nach Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt.51 Gerade die Klarheit und Einheit und insbesondere die innere Autorität der Rechtsordnung gebieten es, die Ordnungsstruktur des Zivilrechts zu wahren.52 Nur in sachlich hinreichend gerechtfertigten Fällen ist eine Abweichung möglich. Als Maßstab dient das Gewicht der Intensität der Abweichung von dem Ordnungsprinzip, von dem abgewichen wird. 53 Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner späteren Entscheidung vom 11.11.196454 "seine Auffassung spezifiziert und relativiert" 55. Das Gericht bestätigt die Feststellung, daß das Steuerrecht nicht durchgängig an das Zivil51 Vgl. BVerfG v. 24.2.1962, BVerfGE 13 S. 331 (339 f.). In dem zu beurteilenden Fall ging es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 8 Ziff. 6 GewStG i.d.F.v. 1.12.1936, der eine Nichtabzugsfähigkeit von Gehältern und sonstigen Vergütungen vorsah, die personenbezogene Kapitalgesellschaften an wesentlich Beteiligte oder deren Ehegatten für eine Beschäftigung im Betrieb gewährten. Es geht hier also auch um die Frage, inwieweit ein Durchgriff durch die juristische Person auf die dahinterstehenden Gesellschafter im Steuerrecht möglich ist. 52 Vgl. ebd. S. 331 (340). 53 Vgl. ebd. S. 331 (340 f.). 54 Vgl. BVerfG v. 11.11.1964, BVerfGE 18 S. 224. Auch in diesem zu beurteilenden Fall ging es um die Frage, inwieweit ein Durchgriff bei juristischen Personen möglich sei. Die konkrete Fragestellung lautete, inwieweit bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführerern eine Rückstellung für Pensionszusagen möglich ist. 55 So Steinberg, W., DB 1988 S. 72 (74).
I. Einordnung des Themas
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recht anzuknüpfen hat, auch wenn der Steuertatbestand nach der Rechtsform des bürgerlichen Rechts bestimmt wird. Voraussetzung für ein Abweichen ist jedoch, daß dieses von überzeugenden Gründen getragen ist.56 In diesen Fällen ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich bzw. geboten, die den Besonderheiten der vielfältigen Gestaltungen der juristischen Personen im einzelnen Rechnung trägt.57 In der darauffolgenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes setzt sich die Tendenz einer "Emanzipation" des Steuer- vom Zivilrecht fort. Das Gericht hält zwar weiterhin an seiner Aussage fest, daß ein Abweichen von der zivilrechtlichen Ordnung nur aus überzeugenden Gründen möglich sei.58 Gleichzeitig betont es aber, daß die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die den Besonderheiten der tatsächlichen Gestaltung und dem Zweck der Steuernorm Rechnung trägt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.59 Gerade die Eigenart des Steuerrechts, fiskalischen Zwecken zu dienen, zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, durchgängig an die zivilrechtliche Ordnung anzuknüpfen.60 Es ist daher verfassungsrechtlich nicht erforderlich, daß steuerrechtliche Begriffe und Institute im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung und der Vorhersehbarkeit der Steuerbelastung immer entsprechend ihrem zivilrechtlichen Gehalt auszulegen sind.61 Die Steuergesetze können vielmehr unter Berücksichtigung der Vielfalt wirtschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten ausgelegt werden.62 Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellt der Beschluß vom 27.12.1991 dar, wenn das Bundesverfassungsgericht in Anlehnung an Tipke63 und Ruppe64 ausführt, daß es keine Vermutung dahingehend gebe, dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmale einer Steuerrechtsnorm seien im Sinne ihres zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren. 65 Zivil- und Steuerrecht sind nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete, so daß lediglich eine Vorherigkeit für die Anwendung des Zivilrechts gilt, aber kein Vorrang. 56
Vgl. BVerfG v. 11.11.1964, BVerfGE 18 S. 224 (233). Ebd. S. 224 (234). 58 Vgl. BVerfG v. 25.7.1968, BVerfGE 24 S. 113 (118); BVerfG v. 22.7.1970, BVerfGE 29 S. 104 (117). In dieser Entscheidung, die die Anerkennung von Pensionsrückstellungen für Arbeitnehmer-Ehegatten des Betriebsinhabers betraf, sah der erkennende Senat das Vorliegen sachlich einleuchtender Gründe nicht. 59 Vgl. BVerfG v. 14.1.1969, BVerfGE 25 S. 28 (35); BVerfG v. 26.3.1969, BVerfGE 25 S. 309 (313); BVerfG v. 22.7.1970, BVeiGE 29 S. 104 (117). 60 Vgl. BVerfG v. 25.7.1968, BVerfGE 24 S. 113 (117); BVerfG v. 26.3.1969, BVerfGE 25 S. 309 (313); BVerfG v. 15.7.1969, BVerfGE 26 S. 327 (334 f). 61 Vgl. BVerfG v. 26.3.1969, BVerfGE 25 S. 309 (313). 62 Vgl. BVerfG v. 14.1.1969, BVerfGE 25 S. 29 (35). 63 Vgl. Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 7. 64 Vgl. HHR, Einf. EStG Anm. 457. 65 Vgl. BVerfG v. 27.12.1991, StuW 1992 S. 186 (187). 57
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Α. Grundlegung
Selbst wenn ein Steuergesetz Begriffe enthält, die aus anderen Rechtsgebieten übernommen sind, muß durch Auslegung ermittelt werden, inwieweit das Steuerrecht den Wertungen des anderen Rechtsgebietes folgt oder ob eigenständige steuerrechtliche Tatbestände gebildet werden, wobei dies nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu erfolgen hat.66 Die Problematik, die sich aus der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ergibt, besteht in der Abwägung der Gründe, die für ein Abweichen vom Zivilrecht gegeben sind bzw. in der Auslegung der einzelnen Steuergesetze. Zu fragen ist also auf der einen Seite, wie stark die Gründe sind, die für ein Abweichen von der zivilrechtlichen Struktur sprechen. Auf der anderen Seite ist zu überdenken, welcher Bedeutung der Verknüpfung von Zivil- und Steuerrecht an der entsprechenden Stelle beizumessen ist. Ob in dem neuesten Urteil eine völlige Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zu erblicken ist, läßt sich so eindeutig nicht beantworten, da eine Bezugnahme auf die ältere Rechtsprechung und eine dementsprechende explizit geäußerte Abkehr nicht erfolgte. Nach Ansicht von Tipke jedenfalls dürfte die ältere Rechtsprechung durch dieses Urteil überholt sein.67 Auch wenn das Urteil eine völlige Abkehr nicht beinhalten sollte, so ist hierdurch sicherlich eine starke Tendenz in Richtung einer eigenständigen steuerlichen Qualifikation der dem Zivilrecht entnommenen Begriffe markiert. b) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das Fehlen einer einheitlichen Linie
und
Während in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eine stetige Hinwendung zu einer eigenständigen steuerlichen Wertung zu erblicken ist, hat die Frage des Verhältnisses beider Rechtsgebiete in der Rechtsprechung von RFH und BFH doch eine wechselhaftere Behandlung erfahren. 68 Während der RFH und der BFH in ihrer Anfangszeit stark eine eigenständige, an der wirtschaftlichen Betrachtungsweise orientierte steuerliche Beurteilung vertreten haben, ist der BFH insbesondere in den sechziger Jahren verstärkt einer am Zivilrecht orientierten Auslegung verfallen. Für eine streng am Zivilrecht orientierte Betrachtungsweise läßt sich insbesondere das BFH-Urteil vom 8.9.1961 anführen, in dem der BFH ausführt, daß " ...in der Regel, wenn sich 66
Diese Entscheidung ist in der Literatur zum Teil auf herbe Kritik gestoßen. Vgl. hierzu etwa Boruttau - Egly - Sigloch, GrEStG Vorb. Anm 813 a; Koch / Scholz, § 4 AO Anm. 16; Jehner, H., DStR 1992 S. 485 ff; Meincke, J., StuW 1992 S. 188 ff.; Wagner, K.-R., BB 1992 S. 245 ff. 67 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1291. 68 Grimm spricht in diesem Zusammenhang von einem "Pendelschlag der Entwicklung"; Grimm, C., DStZ/A 1978 S. 283 (285).
I. Einordnung des Themas
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der Steuergesetzgeber bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriffe bedient ... die Anwendung wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausgeschlossen..."69 ist. Auch in anderen Urteilen betont der BFH die enge Verbindung - insbesondere in Bezug zu bestimmten Steuerarten - von Zivil- und Steuerrecht.70 Eine eigenständige, vom Zivilrecht losgelöste steuerliche Betrachtung wird zwar nicht vollkommen ausgeschlossen; Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß die Eigenart des Steuerrechts diese gebietet71 Daneben knüpft der Bundesfinanzhof aber auch bei der Auslegung von durch die Steuerpflichtigen geschaffenen Sachverhalten an die von diesen gewählte bürgerlich-rechtliche Form an, sofern sie von den Beteiligten ernsthaft gewollt und auch durchgeführt werden.72 Eine abweichende Behandlung und Qualifikation des Sachverhalts hält die Rechtsprechung nur dann für geboten, wenn aus steuerlicher Sicht eine Sonderbehandlung erforderlich ist.73 Trotz dieser drei Phasen74 ist die Entwicklung der Rechtsprechung nicht so einheitlich. Die Phasen lassen also nur mehr oder minder starke Tendenzen in die eine oder andere Richtung erkennen, ohne aber eine definitive Richtung zu bestimmen. Dies liegt zum einen daran, daß es innerhalb der einzelnen Phasen immer wieder "Ausreißer" gibt, die von der grundsätzlichen Meinung abweichen. Betrachtet man etwa die zweite Phase, die stark von einer zivilrechtlichen Sichtweise geprägt war, so finden sich hier einige Urteile, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für maßgebend erklären. 75 Zum anderen relativiert der BFH seine Meinung, in dem er Zusätze wie "grundsätzlich"76, "in der Regel" und ähnliches anfügt. Diese Zusätze zeigen, daß der BFH doch Ausnahmen von der Regel sieht, ohne diese jedoch näher zu spezifizieren. 77 69
BFH v. 8.9.1961, BStBl 1962 m S. 19 (20) (Hervorhebung im Original). Vgl. BFH v. 27.7.1962, BStBl 1962 ΙΠ S. 478 (479) zum Grunderwerbsteuerrecht; BFH v. 16.1.1963, BStBl 1963 m S. 187 zum Erbschaftsteuerrecht; BFH v. 17.11.1970, BStBl 1971 Π S. 224 (225 f.) zum Versicherungssteuergesetz. 71 Vgl. BFH v. 22.10.1965, BStBl 1966 m S. 5 (6). 72 Vgl. BFH v. 11.5.1962, BStBl 1962 m S. 310 (311). 73 Vgl. BFH v. 11.5.1962, BStBl 1962 ΠΙ S. 310 (311); BFH ν. 14.10.1966, BStBl 1967 m S. 175 (177). 74 Beisse teilt die Entwicklung der Rechtsprechung in drei Phasen, die Phase I (Blütezeit), die Phase Π (Krisis) und die Phase ΙΠ, die er als Erneuerung bezeichnet und seit etwa 1965 zu beobachten ist. Vgl. hierzu Beisse, H., StuW 1981 S. 1 (4 f.). 75 Vgl. BFH v. 13.12.1960, BStBl 1961 m S. 127; BFH ν. 13.12.1961, BStBl 1962 ΠΙ S. 127 (128); relativierend BFH ν. 22.11.1962, BStBl 1962 ΠΙ S. 64 (65). 76 Vgl. BFH v. 11.5.1962, BStBl 1962 ΠΙ S. 310 (311); BFH v. 27.7.1962, BStBl 1962 m S. 478 (479) BFH ν. 22.10.1965, BStBl 1966 m S. 5 (6). 77 Crezelius spricht in diesem Zusammenhang von einem "relativierenden Standpunkt", der der Rechtsprechung eine Hintertür offen läßt; es läßt sich daher nicht klar bestimmen, wann die zivilrechtliche Auslegung durch eine steuerliche verdrängt wird. Vgl. hierzu Crezelius, G. (Rechtsanwendung, 1983) S. 185 und 187; ders., SteuerStud 1985 S. 162 (164). 70
3 Herz
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Α. Grundlegung
Auffallend an der Rechtsprechung des BFH ist, daß er sich nicht grundlegend mit der Frage beider Rechtsgebiete auseinandersetzt. Vielmehr wird einem der Eindruck vermittelt, daß sich der BFH zur Begründung hinter einzelnen Schlagworten wie "Einheit der Rechtsordnung", "Primat des Zivilrechts", "Wahrung der Rechtseinheit"78 oder der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise"79 verschanzt. Gerade die "wirtschaftliche Betrachtungsweise"80 wird nach Ansicht vieler Autoren mißbraucht, da der BFH sie häufig als Begründungsersatz für eine Entscheidung verwendet, ohne das Ergebnis weiter zu begründen.81 Hierdurch wird der Eindruck erweckt, daß die wirtschaftliche Betrachtungsweise allein dazu diene, ein gewünschtes Ergebnis herbeizuführen, welches ohne Heranziehung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht erreichbar wäre. 82 c) Die Standortbestimmung
in der Literatur
aa) Die Forderung nach einer eigenständigen am Zweck (Telos) des Steuerrechts orientierten Auslegung Das Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht ist auch seit jeher 83 in der wissenschaftlichen Literatur ein heiß umstrittenes Thema, das bis zum heutigen Zeitpunkt nichts an seiner Aktualität eingebüßt hat. Die Problematik wird häufig auch unter dem Stichwort "wirtschaftliche Betrachtungsweise" diskutiert 84, die nur dort ihre eigentliche Bedeutung erlangt, wo Querverbindungen des Zivilrechts zum Steuerrecht bestehen.85 Hierunter werden zwei verschiedene Rechtsanwendungsgebiete behandelt, einmal die Auslegung der von den Steuergesetzen verwendeten Begriffe, zum anderen das Verhältnis zwischen gesetzlichem Tatbestand und Sachverhalt.86 Heute fehlt eine § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG entsprechende Regelung, die die wirtschaftliche Betrachtungsweise in 78 79 80 81
(227). 82
Vgl. BFH V. 16.1.1963, BStBl 1963 ΠΙ S. 187. Vgl. BFH v. 5.7.1990, BStBl 1990 Π S. 847 (853). Vgl. BFH v. 14.11.1974, BStBl 1975 Π S. 281 (283). Vgl. Dornbach, E.-G., DStR 1977 S. 3 (3 und 9); Woerner, L., FR 1992 S. 226
Vgl. Söffing, G., StVj. 1992, S. 51 (56); Kruse, H. (Lehrbuch, 1991) S. 24, der von einem "profiskalischem Zug" spricht, den die wirtschaftliche Betrachtungsweise in der Praxis des RFH und BFH angenommen hatte. 83 Insbesondere in den zwanziger und dreißiger Jahren war das Verhältnis beider Rechtsgebiete zueinander das beherrschende Thema der steuerrechtlichen Literatur. So Crezelius, G. (Rechtsanwendung, 1983) S. 180. 84 Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 211. 85 Vgl. Crezelius, G. (Rechtsanwendung, 1983) S. 196. 86 Vgl. Tipke, K., JuS 1970 S. 149 (151 ff); Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 106; Crezelius, G. (Rechtsanwendung, 1983) S. 195.
I. Einordnung des Themas
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ihrer Allgemeinheit kodifiziert. Die AO regelt lediglich einzelne Anwendungsfälle der wirtschaftlichen Betrachtungsweise wie etwa in §§39 Abs. 2, 40 und 41 AO. Trotzdem ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Methode der Rechtsfindung anerkannt.87 Die Standpunkte reichen hier von der These, daß das Steuerrecht den zivilrechtlichen Wertungen zu folgen habe88 bis zu einer eigenständigen steuerlichen Wertung des Zivilrechts, die eine weitestgehende Unabhängigkeit des Steuerrechts vom Zivilrecht fordert 89 Bis heute ist daher das Verhältnis beider Rechtsgebiete zueinander umstritten90, wobei die Meinungen zu dieser Thematik im Zeitablauf doch einem Wandel unterworfen waren. Während nach dem Zweiten Weltkrieg noch eine enge Verbindung beider Rechtsgebiete gefordert wurde,91 hat sich bis heute eine Tendenz hin zu einer stärkeren Autonomie des Steuerrechts gegenüber dem Zivilrecht durchgesetzt. Die Vertreter einer vom Zivilrecht eigenständigen steuerlichen Betrachtungsweise legen ihrer Argumentation die unterschiedliche Zielsetzung beider Rechtsgebiete zugrunde. Während das Zivilrecht primär dem Interessenausgleich zwischen privaten Rechtssubjekten dient, bezweckt das Steuerrecht die Mittelbeschaffung für die steuerberechtigten Körperschaften durch eine angemessene Verteilung der Gesamtsteuerlast auf die einzelnen Steuerpflichtigen,92 oder wie Kirchhof sich ausdrückt, "... das Zivilrecht regelt, wie Leistungsfähigkeit individuell willentlich neu zugeordnet wird; das Steuerrecht erfaßt die individuell zugeordnete Leistungsfähigkeit."93 Diese unterschiedlichen Gerechtigkeitsanliegen und Ordnungsvorstellungen führen demnach auch zu eigenen Wertungen und Prinzipien.94 Hiergegen wendet Crezelius ein, daß die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Rechtsgebiete noch keinen Vorrang des Steuerrechts begründen können, sondern die zivilrechtlichen
87 Vgl. BFH v. 19.7.1983, BStBl 1984 Π S. 26; Beisse, H., StuW 1981 S. 1 (1 f.); Döllerer, G., JbFfStR 1979/80 S. 195 (201); Grimm, C., DStZ/A 1978 S. 283 (285); Groh, M., StuW 1989 S. 227 (229 f.); Söffing, G., StVj 1992 S. 51 (55 f.); Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 106; so auch Dornbach, E.-G., DStR 1977 S. 3 (12), der jedoch anmerkt, daß der BFH ohne § 1 StAnpG in einen Begründungsnotstand geraten wird. 88 So insbesondere Crezelius, G. (Rechtsanwendung, 1983) S. 178 ff und 330 ff. 89 Diesen Standpunkt vertreten Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 92 ff.; Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 6 ff.; Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 155 ff.; ders., ZHR 1983 S. 281 ff. 90 Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 211. 91 Vgl. Crezelius, G. (Rechtsanwendung, 1983) S. 181. 92 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 95. 93 Kirchhof, P., JbFfStR 1979/80 S. 254 (256). 94 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 95; Walz, R., ZHR 1983 S. 281 (284).
3*
Α. Grundlegung
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Grundlagen können durchaus die Auslegung des Steuerrechts bestimmen, wenn das Steuerrecht formal ein Folgerecht des Zivilrechts ist.95 Wenn die Diskussion der Eigenständigkeit des Steuerrechts vom Zivilrecht häufig unter dem Stichwort der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" geführt wird, so ist zu bedenken, daß es sich bei dieser Form der Auslegung um eine Anwendungsform der teleologischen Methode handelt,96 die sich von einer formalrechtlichen Betrachtungsweise löst und sich am wirtschaftlichen Normzweck orientiert 97 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Ausfluß einer teleologischen Interpretation des Gesetzes ist aber kein steuerliches Spezifikum, sondern wird ebenso auch in anderen Rechtsgebieten angewendet, insbesondere auch im Zivilrecht.98 Wenn beide Rechtsgebiete bei der Beurteilung auf den wirtschaftlichen Kern zurückgreifen, so bedeutet dies zwangsläufig eine Annäherung beider Rechtsgebiete mit der Folge, daß nicht in jedem Fall auch bei einer eigenständigen steuerlichen Interpretation der Normen eine vom Zivilrecht abweichende Auffassung des Steuerrechts gegeben sein muß.99 Allerdings wird dieser Gleichlauf eher bei der Sachverhaltsbeurteilung zu beobachten sein, als auf der Ebene der Auslegung der einzelnen Gesetzesnormen. Die Entscheidung für die eine oder die andere Interpretation ist in beiden Fällen mit Nachteilen verbunden, deren Gewicht letztlich gegeneinander abzuwägen ist. Bei einer strengen Anknüpfung an das Zivilrecht ist zwar ein höheres Maß an Rechtssicherheit gewährleistet, auf der anderen Seite müssen hier aber grobe Belastungsungerechtigkeiten in Kauf genommen werden. Richtet man sich hingegen an einer rein steuerliche Betrachtungsweise aus, so führt dies zu methodischen Unsicherheiten.100 Gerade eine Abkehr von der zivilrechtlichen Auslegung führt dazu, daß das Steuerrecht "...in außerordentlich hohem Maße der Kautelarjurisprudenz ausgeliefert..." 101 wird, die zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen kann. 102 Daneben ist aber auch zu bedenken, daß eine strenge Abhängigkeit des Steuerrechts vom Zivilrecht im Ergebnis genau ein umgekehrtes Abhängigkeitsverhältnis bewirken kann; 95
Vgl. Crezelius, G. ( Rechtsanwendung, 1983) S. 183. Vgl. statt aller Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1284. 97 Vgl. Groh, M., StuW 1989 S. 229 (230); Moxter, Α., StuW 1989 S. 232; Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 232. 98 Vgl. Dornbach, E.-G., DStR 1977 S. 3 (7); Groh, M., StuW 1989 S. 227 (228); Martin, S., BB 1984 S. 1629 (1631); kritisch zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise sowohl in Zivil- und Steuerrecht Rittner, F. (Betrachtungsweise, 1975) S. 33 ff. 99 Vgl. Dornbach, E.-G., DStR 1977 S. 3 (7); Martin, S., BB 1984 S. 1629 (1631). 100 Vgl. Walz, R., ZHR 1983 S. 281 (291). 101 So Flämig, C., JuS 1978 S. 662 (665 f.); Diese Rechtsunsicherheit bemängeln insbesondere auch Crezelius, G. (RechtsanWendung, 1983) S. 183 u. S. 196 und Wagner, K.-R., BB 1992 S. 245 (247). 102 Zur Problematik der Rechtsunsicherheit Vgl. auch Tipke, K., JuS 1970 S. 149 (152). 96
I. Einordnung des Themas
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zivilrechtliche Gestaltungen werden dann unter Umständen nach rein steuerrechtlichen Kriterien gewählt103, mit der Folge, daß diese keinen ökonomischen oder juristischen Sinn ergeben. Für das Zivilrecht besteht dann die Gefahr, daß es seinen eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Die Folgen zeigen sich im einzelnen zum einen in einem drohenden Effizienzverlust des Zivilrechts und zum anderen in einem Leerlauf bestimmter Schutzpositionen, die die Rechtsordnung für bestimmte ökonomische Situationen entwickelt und mit einem bestimmten Vertragstyp verbunden hat. 104 Die Tendenz geht in der heutigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Zivil- und Steuerrecht dahin, daß eine zwingende Anbindung an das Zivilrecht abgelehnt wird. Ausgangspunkt der Argumentation für diese Emanzipation des Steuer- vom Zivilrecht ist zum einen, wie oben bereits angesprochen, die unterschiedliche Zielsetzung, der unterschiedliche Telos beider Rechtsgebiete.105 In diesem Zusammenhang spricht man auch von der "Relativität der Rechtsbegriffe". 106 Zum anderen ist zu beachten, daß beide dem Geltungsgrund nach gleichrangig nebeneinander stehen.107 Beide Rechtsgebiete sehen daher denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und beurteilen ihn nach anderen Wertungsgesichtspunkten.108 Das Privatrecht ist dem Steuerrecht vorgeschaltet, da der steuerliche Sachverhalt zunächst mit Hilfe des Privatrechts frei gestaltet wird. 109 Insofern besteht lediglich eine Präzedenz, also eine zeitliche Vorherigkeit des Zivilrecht, aber keine Prävalenz.110 Ein Über-Unterordnungs-Verhältnis beider Rechtsgebiete ist also zu verneinen. 111 Auch der Grundsatz der "Einheit der Rechtsordnung"112 spricht nicht 103 Zu diesem Abhängigkeitsverhältnis bei der Wahl zivilrechtlicher Gestaltungen unter steuerlichen Einflüssen Vgl. etwa Flämig, C., JuS 1978 S. 662 ff; Gail, W., BFuP 1985 S. 225 ff.; Martin, S., BB 1984 S. 1629 ff.; Meincke, J., JuS 1976 S. 693 ff.; Schulze-Osterloh, J., AcP 1990 S. 139 (143 ff.); Schulze-Osterloh meint zu dieser Problematik, daß es mehr Fälle unmittelbarer Einwirkung steuerlicher Rechtsfolgen auf die zivilrechtliche Rechtslage gibt, als sich die zivilrechtliche Schulweisheit träumen läßt. Vgl. hierzu Schulze-Osterloh, J., AcP 1990 S. 139 (141). 104 Vgl. hierzu Walz, R., ZHR 1983 S. 292. 105 Vgl. HHR, Einf. ESt Anm. 455; Schulze-Osterloh, J., StuW 1986 S. 74 (81); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 94 u. 97; Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 6; Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 91 u. 107; Vogel, H., NJW 1985 S. 2986; Walz, R., ZHR 1983 S. 281 (284); Wank, R. (Begriffsbüdung, 1985) S. 115 f. 106 Vgl. hierzu Engisch, K. (Einführung, 1983) S. 78,161 f. 107 Vgl. BVerfG v. 27.12.1991, StuW 1992 S. 186 (187); Kirchhof, P., JbFfStR 1979/80 S. 254 (255); ders., StuW 1983 S. 173 (181); Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 7. 108 Vgl. BVerfG v. 27.12.1991; StuW 1991 S. 186 (187); Vogel, H., NJW 1985 S. 2986. 109 Vgl. Kirchhof, P., JbFfStR 1979/80 S. 254 (255). 110 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 95. 111 Vgl. Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 7 ff; Wagner, F., StuW 1992 S. 2 (8).
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Α. Grundlegung
gegen eine eigenständige Wertung des Steuerrechts. Dieser Grundsatz verlangt lediglich eine Unterbindung von Wertungswidersprüchen zwischen den verschiedenen Teilrechtsbereichen; er führt aber nicht zu einer Gleichheit in der Beurteilung eines Sachverhalts.113 Insofern darf das Steuerrecht zwar Grundwertungen anderer Teilrechtsordnungen nicht ohne gewichtigen Grund durchkreuzen oder unterlaufen. Dies gilt aber ebenfalls für die anderen Teilgebiete der Rechtsordnung, so daß hier alle Rechtsgebiete ihre Autonomie gleichermaßen einbüßen.114 Auch wenn man die Selbständigkeit des Steuerrechts vom Zivilrecht bejaht, ist die Frage noch nicht gelöst, ob in das Steuerrecht eingegangene Begriffe des Zivilrechts stets unter dem Primat einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen sind, oder ob diese nicht von Fall zu Fall unterschiedlich anzuwenden ist. Die h. M. scheint wohl letzter Ansicht anzuhängen, die eine fallweise Anwendung einer eigenständigen steuerlichen Betrachtungsweise befürwortet. Entsprechend dem Grundsatz, die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist ein Anwendungsform der teleologischen Methode, kann die Auslegung nur nach dem Zweck der entsprechenden Norm beantwortet werden.115 "Eine Bindung an den zivilrechtlichen Inhalt von Rechtsbegriffen besteht nur dann, wenn nach dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes feststeht, daß der Gesetzgeber eben diesen zivilrechtlichen Inhalt gemeint hat." 116 Auch wenn weitgehende Einigkeit über die fallweise Anwendung zivilrechtlicher Auslegung besteht, gibt es doch graduelle Unterschiede, wann bereits eine eigenständige steuerliche Auslegung im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu erfolgen hat. Insbesondere, wenn Zweifel über den Zweck des Gesetzes bestehen, zeigen sich die Unterschiede deutlich. Hier lassen sich zwei verschiedene Auffassungen gegenüberstellen: entweder im Zweifel eine zivilrechtliche oder eine steuerrechtliche Auslegung der zivilrechtlichen Begriffe. 117 Während ein Teil der Autoren im Zweifel einer Eigenstän-
112 Der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung folgt aus dem "System-"gedanken, nachdem jeder Rechtsordnung ein System zugrundeliegen muß. Vgl. hierzu Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. 1 ff. 113 Vgl. Kirchhof, P. (Rechtswidrigkeiten, 1978) S. 10 f. und 25 f.; ders., StuW 1983 S. 173 (182 Fn. 54); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 101 ff. 114 Ygj Tipke^ K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 102 mit einzelnen Beispielen. 115 Vgl. Beisse, H., StuW 1981 S. 1 (8); Groh, M., StuW 1989 S. 227 (230); Söffing, G., StVj 1992 S. 51 (55 f.); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 98 f.; Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 107. 116 Beisse, H., StuW 1981 S. 1 (8). 117 Vgl. Beisse, H., StuW 1981 S. 1 (8).
I. Einordnung des Themas
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digkeit der steuerrechtlichen Begriffsbildung den Vorzug gibt, 118 ist für andere im Zweifel die zivilrechtliche Auslegung geboten.119 Aber auch die Ausführungen als solche lassen häufig erkennen, ob eher eine eigenständige steuerrechtliche Auslegung oder eine zivilrechtliche Beurteilung der Normen präferiert wird. Wenn Tipke von "Ausnahmefällen" 120 spricht, wenn zivilrechtliche Begriffe nach dem klaren Willen des Gesetzgebers zivilrechtlich verstanden werden sollen,121 dann zeigt dies deutlich eine starke Tendenz für eine wirtschaftliche Auslegung. Wenn andererseits Grimm der übereinstimmenden Auslegung zunächst einmal die Vermutung der Richtigkeit zubilligt und eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nur aus sachlich einleuchtenden Gründen für möglich hält, dann zeigt sich hier eine klare Tendenz in Richtung einer zivilrechtlichen Auslegung.122 In diesem Sinne lassen sich auch die Ausführungen Söffings verstehen, wenn er ausführt: "Deshalb ist es nicht vermeidbar, daß in Steuergesetzen zivilrechtliche Begriffe verwendet werden, deren zivilrechtlicher Inhalt mit dem Zweck unvereinbar ist, der mit dem betreffenden Steuergesetz verfolgt wird. In diesen Fällen läßt es sich nicht umgehen, daß der teleologischen Auslegung der Vorzug vor der grammatikalischen Auslegung eingeräumt werden muß und im Rahmen der teleologischen Auslegung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Bedeutung zukommt."123 Dieses kurze Meinungsspektrum zeigt sehr deutlich, daß es eine einheitliche Meinung zur Frage der Auslegung zivilrechtlicher Begriffe im Steuerrecht nicht gibt. Die Grenzen der Auslegung, wann ein zivilrechtlicher Begriff nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen ist, sind sehr fließend, wenn nicht sogar unbestimmt. Gerade die Bestimmung des maßgeblichen Gesetzessinns ist die eigentliche Interpretationsentscheidung, die das "Kernproblem der wirtschaftlichen Betrachtungsweise"124 darstellt. Der Sinn der Rechtsnorm kann letztlich wiederum nur wertend bestimmt werden, wobei es sich hier allerdings nicht um eine freie Weitung, sondern nur um eine Auslegung im Hinblick auf die dem Gesetz zugrundeliegenden Wertungen handeln darf. 125
118
Vgl. etwa Beisse, H., StuW 1981 S. 1 (8); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 98, der vom klaren Willen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang schreibt. 119 In diese Richtung Grimm, K., DStZ/A 1977 S. 283 (286); Söffing, G., StVj. 1992 S. 51 (55 f.); Wagner, K.R., BB 1992 S. 245 (247). 120 So Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 98. 121 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 98 f. 122 Vgl. Grimm, C., DStZ/A 1978 S. 283 (286). 123 Söffing, G., StVj 1992 S. 51 (55). 124 So Beisse, H., StuW 1981 S. 1 (8). 125 Vgl. Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 195 ff.
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Α. Grundlegung
Im Hinblick auf die Auslegung der in §§ 1 - 3 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekte bedeutet dies, aus der Eigenart des Steuerrechts heraus zu werten, ob die dort genannten, dem Zivilrecht entnommenen Begriffe streng zivilrechtlich zu interpretieren sind, oder ob diese nach eigen steuerlichen Kriterien anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen sind. Diese Frage kann aber, entsprechend des doch vielfältigen Meinungsspektrums zur Anwendung der zivilrechtlichen Betrachtungsweise unterschiedlich beantwortet werden. Geht man davon aus, daß zunächst die Vermutung für eine gleichlautende Auslegung beider Begriffe spricht, so kann man unter Umständen zu einem anderen Ergebnis kommen, als bei einer zunächst sich rein an steuerlichen Gesichtspunkten orientierten Betrachtungsweise, die nur in Ausnahmefällen zivilrechtliche Begriffe auch in einem zivilrechtlichen Sinne verstanden wissen will. Die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts126 zu dieser Frage, die eine Vermutung sowohl für ein übereinstimmendes als auch ein abweichendes Verständnis der Begriffe ablehnt, hilft an dieser Stelle nicht weiter. Wie aber Meilicke m.E. zu recht anmerkt ist eine eigene, vom Zivilrecht völlig losgelöste steuerliche Auslegung der Begriffe überhaupt nicht möglich.127 Da die Begriffe dem Zivilrecht entnommen sind, sind sie, um sie überhaupt auslegen zu können, zunächst in ihrem zivilrechtlichen Sinne zu interpretieren. 128 Erst aufgrund ihres zivilrechtlichen Inhalts ist überhaupt erst eine steuerliche Auslegung möglich. Denn Grenze für die Auslegung ist zunächst der Wortsinn einer Vorschrift. 129 Wenn der Gesetzgeber etwa in §§ 1 - 3 KStG auf zivilrechtliche Begriffe zurückgreift, dann zeigt dies, daß er diese in ihrem zivilrechtlichen Begriffsgehalt als Grundlage einer Auslegung verwendet. Eine vollkommen eigenständige, vom Zivilrecht losgelöste Füllung der Worte ist schlechterdings nicht möglich. Bei den verwendeten Wörtern handelt es sich um keine realen Erscheinungen, sondern um vom Gesetzgeber künstlich geschaffene Phänomene, die erst durch die in einzelnen Gesetzen niedergelegten Vorschriften einen Sinn bekommen.
126
Vgl. BVerfG v. 27.12.1991, StuW 1992 S. 186 (187). Vgl. Meincke, J., StuW 1992 S.188 (189 f.). 128 So auch Grimm, wenn er ausführt, "...daß da, wo das Steuerrecht an zivilrechtliche Begriffe und Institute anknüpft, die Auslegung jedenfalls bei der zivilrechtlichen Beurteilung zu beginnen hat. Grimm, C., DStZ/A 1978 S. 283 (287). In diesem Sinne auch Maaßen, W. (Privatrechtsbegriffe, 1977) S. 200, der von einer "privatrechtlichen Prägung" spricht. 129 Vgl. Birk, D., StuW 1990 S. 300 (302); Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 324; Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1271; Woemer, L., FR 1992 S. 226 (229); so auch die Rechtsprechung des BVerfG, Vgl. hierzu BVerfG v. 17.5.1960, BVerfGE 11 S. 127 ( 129 ff.); BVerfG v. 23.10.1985, BVerfGE 71 S. 108 (115); BVerfG v. 11.11.1986, BVerfGE 73 S. 206 (235); Wenn der mögliche Wortsinn einer Vorschrift überschritten wird, handelt es sich nicht mehr um Auslegung, sondern um Lückenausfüllung. Vgl. hierzu Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1271; Woerner, L., FR 1992 S. 226 ( 228 f.). 127
I. Einordnung des Themas
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bb) Das Problem der Findung des Zwecks im Steuerrecht Geht man von der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung aus, die, wie oben gezeigt, eine teleologische Auslegung fordert, so stellt sich natürlich im Anschluß daran unmittelbar die Frage, welchen Telos bzw. welchen Zweck denn das Steuerrecht im allgemeinen und das Körperschaftsteuergesetz als eigenständiges neben dem Einkommensteuergesetz stehendes Ertragsteuergesetz130 im speziellen hat. Hier ist natürlich zuerst die Frage zu beantworten, wie denn dieser Telos des Gesetzes überhaupt zu ermitteln bzw. zu bestimmen ist. Die teleologische Methode hat die Funktion, den möglichen Wortsinn einer Vorschrift zu ermitteln. Betrachtet man Gesetze lediglich als Mittel zur Erreichung eines bestimmten Zwecks, den der Gesetzgeber hiermit verfolgt, so kann der Wortsinn nur dahingehend ausgelegt werden, diesen Zweck bestmöglich zu erreichen. 131 Auslegung kann daher in diesem Sinne nur bedeuten, den Willen des Gesetzgebers zu bestimmen, den dieser mit einer bestimmten Norm verfolgt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesfinanzhofs ist hierbei jedoch nicht der Wille des historischen Gesetzgebers entscheidend, sondern maßgebend ist der sog. objektivierte Wille des Gesetzgebers132, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt. 133 Der teleologischen Methode kommt also die Aufgabe zu, mit Hilfe des objektiven Normzwecks den der bzw. ein gedachter Gesetzgeber mit einer bestimmten Norm verfolgt, den Wortsinn 134 zu bestimmen. Tipke ist daher zuzustimmen, wenn er die teleologische Methode als die eigentliche Methode der Auslegung betrachtet und den anderen Methoden, der grammatischen, der systematischen und der historischen Ausle130 Zum Zweck einer eigenständigen Besteuerung der Körperschaften vgl. oben Kap. D. Π. 2. a) cc). 131 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1240. 132 Zur Unterscheidung zwischen der sog. subjektiven Theorie, die auf den historischen Willen des Gesetzgebers abstellt, und der objektiven Theorie, Vgl. Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 328 ff.; Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 82 f. 133 Vgl. BVerfG v. 17.5.1960, BVerfGE 11 S. 126 (130 0; BFH v. 11.4.1989; BStBl 1989 Π S. 697 (700); BFH ν. 17.8.1989, BStBl 1990 Π S. 414 (413). 134 Larenz, Κ. (Methodenlehre, 1991) S. 320 versteht unter dem Wortsinn "die Bedeutung eines Ausdrucks oder einer Wortverbindung im allgemeinen Sprachgebrauch oder, falls ein solcher feststellbar ist, im besonderen Sprachgebrauch des jeweils Redenden, hier in dem des betreffenden Gesetzes." Andererseits mißt er dem Wortsinn die Bedeutung der Auslegungsgrenze bei. Versteht man unter Auslegung jedoch die Wahl einer unter mehreren möglichen Alternativen, so kann es den Wortsinn nicht geben, sondern ein Spektrum mehrerer Alternativen. Insofern kann der Wortsinn als solcher nicht endgültiges Auslegungskriterium sein, sondern die verschiedenen möglichen Wortsinne nur die Grenze der Auslegung markieren. Wenn Larenz also den Wortsinn zum einen als Kriterium der Auslegung macht, ihn zum anderen aber gleichzeitig als Grenze der Auslegung betrachtet, so liegt hierin m.E. ein Widerspruch.
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Α. Grundlegung
gung 135 , nur den Stellenwert einer Hilfsfunktion zubilligt, um den Gesetzeszweck ermitteln zu können.136 Die auf den ersten Blick sehr einfach anmutende Frage, welchen Zweck Steuergesetze generell haben, ist in der Literatur umstritten und wird dort nicht einheitlich beantwortet. Zwei Grundtendenzen lassen sich erkennen: die eine sieht den Zweck der Steuergesetze lediglich darin, dem Fiskus die nötigen Finanzmittel zu verschaffen 137, während die andere darüberhinaus den Steuergesetzen einen zweiten Zweck zubilligt, die gerechte Verteilung der Steuerlast auf alle Steuerpflichtigen. 138 Für die Auslegung von Steuergesetzen kann die erste Auffassung im Ergebnis nichts beitragen. In der Konsequenz würde eine Auslegung unter dieser Zwecksetzung bedeuten, dem Fiskus möglichst viele Mittel bereitzustellen, also in dubio pro fisco. 139 Inwieweit die zweite Auffassung, die den Steuergesetzen darüberhinaus die Aufgabe der Lastenverteilung zumißt, für die Auslegung brauchbare Hinweise liefert, ist allerdings umstritten. Insbesondere Klaus Vogel spricht der Lastenverteilungsfunktion die Fähigkeit ab, brauchbare Hinweise für die Auslegung von Steuergesetzen zu liefern. 140 Fehlt ein entsprechender Zweck, der der Auslegung von Gesetzen bzw. der Ermittlung des möglichen Wortsinns dienlich ist, so kann auch der teleologischen Auslegung im Rahmen des Steuerrechts keine Bedeutung zukommen.141 135
Diese Vierteilung wird von der Mehrzahl der Autoren verteten, die die teleologische Methode neben diese drei Methoden stellen. Ungeklärt ist hierbei jedoch die Reihenfolge bzw. das Gewicht der einzelnen Methoden bei der Bestimmung des möglichen Wortsinns. Teilweise werden die Methoden anders bezeichnet, ohne daß sich jedoch ein materieller Unterschied hieraus ergeben würde. Vgl. hierzu etwa Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 320 ff.; Kruse in Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 87 ff.; Ruppe in HHR, Einf. ESt Anm. 636 ff.; BVerfG v. 17.5.1960, BVerfGE 11 S. 127 (130). 136 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1239 ff; zustimmend Birk, D., StuW 1990 S. 300 (302 Fn. 29); ablehnend Kruse, H. (Lehrbuch, 1991) S. 26, der diese Interpretation als bisher einmaligen Versuch bezeichnet 137 Insbesondere Kruse sieht die Problematik im Spannungsverhältnis Staat - Bürger. Vgl. hierzu Kruse, H. (Lehrbuch, 1991) S. 25 ff.; ders. in Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 95 f. 138 Vgl. Mössner, J., DStZ/A 1990 S. 132 (135); Vogel, K., DStZ/A 1977 S. 5 (9); Vogel, H., NJW 1985 S. 2986 (2987); Walz, R , StuW 1984 S. 170 (172); WeberGrellet, H., DStR 1991 S. 438 (443 f). 139 Vgl. Mössner, J., DStZ/A 1990 S. 132 (135); Vogel, K., DStZ/A 1977 S. 5 (9); Kirchhof, P., NJW 1987 S. 3217 (3219) merkt hierzu an, daß der Zweck der Steuer, den Staat mit Finanzmitteln auszustatten, durch jede Steuererhöhung erreicht wird. 140 Vgl. Vogel, K., DStZ/A 1977 S. 5 (9); ders., JbFfStR 1978/79, S. 34 (50); ders. (Vergleich, 1988) S. 687 f. Zu beachten ist aber, daß Vogel offenbar ein anderes "Zweck"-Verständnis besitzt, als etwa Tipke. Seiner Ansicht nach ist lediglich der Beschaffung von Finanzmitteln ein echter Zweck, die gerechte Lastverteilung hingegen ist schon die erste Konkretisierung des erstrebten Ziels. 141 In diesem Sinne auch Kruse, H. (Lehrbuch, 1991) S. 25 ff., der aber wohl nur das Verhältnis Staat und Bürger einbezieht. Ders. in Tipke / Kruse, § 4 AO Tz. 95a.
I. Einordnung des Themas
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Versucht man aus den grundlegenden Zwecken des Steuerrechts Erkenntnisse für die Gesetzesauslegung zu gewinnen, so ist dieses Unterfangen in der Tat wohl sehr unergiebig. Eine teleologische Auslegung würde wenig zum Verständnis von Normen beitragen, da beide Zwecke schon viel zu unbestimmt sind, um hieraus konkrete Ableitungen gewinnen zu können. Auch die Lastenverteilungsfunktion ist im Zweifel zu unergiebig, da hier unmittelbar nur auf ein Gerechtigkeitsideal Bezug genommen werden könnte. Zu fragen ist aber doch weiter, ob man im Rahmen der teleologischen Auslegung denn nur auf den allgemeinen Zweck von Steuergesetzen abstellen darf, oder ob hierfür nicht auf den Zweck einzelner Normen oder Gesetze zurückgreifen darf. 142 Die einzelnen Normen sind im Hinblick auf die Gesamtregelung zweckstrukturiert, so daß ihnen in diesem System ein eigener Sekundärzweck zukommt.143 Zufragen ist also nach den Subprinzipien des Steuerrechts, die einzelnen Normen oder Gesetzen zugrundeliegen.144 Auch in anderen Rechtsgebieten wird nicht unmittelbar auf den Ober-"zweck des Gesamtgesetzes zurückgegriffen, sondern dort wird auch nach dem Zweck der einzelnen Norm gefragt, der sich aus dem Sinnzusammenhang der Normen ergibt. 145 Allerdings darf das Gerechtigkeitspostulat bzw. das Prinzip der "Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit" bei der Auslegung nicht vergessen werden.146 Ausgehend von Primärzweck 147 des Steuerrechts, eine gerechte Lastenverteilung unter den Steuerpflichtsubjekten herzustellen, stellt sich natürlich die Frage, warum der Gesetzgeber die Körperschaftsteuersubjekte neben den natürlichen Personen zu einer eigenständigen Besteuerung heranzieht. Wenn man den rechtfertigenden Grund der Einkommensteuer in der im Einkommen angelegten finanziellen Leistungsfähigkeit sieht148, so ist zufragen, was hat Auch die Ausführungen Kirchhofs scheinen in diese Richtung zu deuten, wenn er anmerkt, daß die Abstraktheit des Regelungsziels des Steuerrechts der gesetzgeberischen Entscheidung über die Steuerwürdigkeit nicht die Anschaulichkeit gibt, die ein Regelungsgegenstand für andere Rechtsgebiete im Tatsächlichen vorzeichnet. Vgl. hierzu Kirchhof, P., NJW 1987 S. 3217 (3218). 142 Woerner, L., FR 1992 S. 226 (228 Fn. 28) sieht das Verständnis des Gesetzeszwecks, so wie es Klaus Vogel hat, als zu weit. 143 Vgl. Weber-Grellet, H., DStR 1991 S. 438 (443). 144 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1263. In diesem Sinne auch Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 331, der von Regelungszwecken einzelner Normen bzw. Bestimmungen spricht und nicht etwa von Regelungszwecken von Gesetzen oder Teilrechtsordnungen. 145 Vgl. Schulze-Osterloh, J., AcP 1990 S. 139 (155). 146 V g i T i p k e κ (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1264. Vgl. eingehend Kap. C Π. 2. und Kap. E. 147 Der Primärzweck wird hier nur in dem Sinne verstanden, als er eine Funktion im Rahmen der Auslegung übernehmen kann; die Funktion der Beschaffung von Finanzmitteln fur den Staat kommt daher in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung zu. 148 So Kirchhof, in Kirchhof / Söhn, EStG, § 2 RdNr. A l 8.
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Α. Grundlegung
den Gesetzgeber dazu bewogen, den im Körperschaftsteuergesetz genannten Personenverbänden eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit zuzumessen, während er den Personengesellschaften diese wohl abspricht. Von welchen Prinzipien ließ er sich leiten, wenn er eine von der Rechtsform 149 abhängige Besteuerung einführte, während er eine rechtsformunabhängige, allgemeine Unternehmensbesteuerung ablehnte. Im Sinne der teleologischen Auslegung stellt sich daher die Frage, ob sich der Gesetzgeber bei der Anknüpfung streng an zivilrechtlichen Vorgaben gehalten hat, oder ob er diese in einem eigenständigen steuerlichen Verständnis verstanden wissen will, das sich an einer wirtschaftlichen Auslegung zu orientieren hat. 4. Das Verhältnis von Internationalem Steuerrecht und Internationalem Privatrecht
Auch wenn es den Begriff des Internationalen Steuerrechts als einheitlichen Systembegriff nicht gibt, wird in der Literatur immer wieder auf das Verhältnis von Internationalem Steuerrecht zum Internationalen Privatrecht verwiesen. Verwendet man den weiten Begriff des Internationalen Steuerrechts, so versteht es sich von selbst, daß bei der steuerlichen Beurteilung des Sachverhalts auch das Internationale Privatrecht involviert ist, da sich bei jedem Sachverhalt mit Auslandsberührung die Frage stellt, welche Zivilrechtsordnung der beteiligten Staaten hierauf anzuwenden ist. Die Gesichtspunkte der beiden Rechtsgebiete berühren daher nicht nur einander, sondern sie durchdringen sich einander auf das stärkste.150 Ähnlich wie bei nationalen Sachverhalten muß das Privatrecht für die Würdigung des Sachverhaltes im Steuerrecht herangezogen werden, wobei das Internationale Privatrecht sozusagen die Vorstufe des nationalen Privatrechts bei der Beurteilung bildet. Auch hier gilt es das Verhältnis beider Rechtszweige zueinander zu bestimmen, wobei der Grad der Abhängigkeit zum einen bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale und zum anderen bei der Sachverhaltswürdigung bzw. der Tatbestandswirkungen zu bestimmen ist. 151 Soweit das Steuerrecht an privatrechtliche Rechtsvorgänge oder Rechtsverhältnisse anknüpft, bestimmt sich auch steuerlich die Frage, welches Privatrecht anzuwenden ist, nach dem Internationalen Privatrecht des betreffenden Staates.152
149
Die Frage, ob die Rechtsform im Bereich der Besteuerung des Einkommens sich nach den zivilrechtlichen Rechtsformen richtet, oder ob das Steuerrecht ein eigenständiges Verständnis hiervon hat, ist erst noch zu klären. Der Begriff "Rechtsform" ist daher an dieser Stelle nicht in einem streng zivilrechtlichen Verständnis zu verstehen. 150 Vgl. Bühler, O. (Prinzipien, 1964) S. 70. 151 Vgl. Bühler, O. (Prinzipien, 1964) S. 11. 152 Vgl. Vogel, DBA Einl. Anm. 25.
I. Einordnung des Themas
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Vergleicht man die Struktur von Internationalem Steuerrecht und Internationalem Privatrecht, so weisen beide Rechtsgebiete ganz erhebliche Unterschiede auf. Während es sich bei den Normen des Internationalen Privatrechts um Kollisionsnormen der Metarechtsebene handelt, die über das anzuwendende materielle Recht bestimmen, sind die Normen des Internationalen Steuerrechts regelmäßig der Ebene des materiellen Rechts zuzuordnen.153 Diese bestimmen, ob und inwieweit ein Staat Sachverhalte mit Auslandsberührung besteuert.154 Lediglich die Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen haben nicht den eigentlichen "klassischen" Charakter von Sachnormen, obwohl diese weiterhin dem materiellen Steuerrecht angehören155. Die Normen der Doppelbesteuerungsabkommen können selbst keine Steuerpflicht begründen, sondern sie beschränken das Besteuerungsrecht des einzelnen Staates inhaltlich. Steuerpflicht besteht bei Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens daher nur, wenn neben den Tatbestandsvoraussetzungen des innerstaatlichen Rechts auch die des Doppelbesteuerungsabkommens gegeben sind. 156 Andererseits führen die Normen der Doppelbesteuerungsabkommen im Gegensatz zu denen des Internationalen Privatrechts nicht zur Anwendung fremden Rechts; sie können sich lediglich im Sinne einer einseitigen Begrenzung des innerstaatlichen Rechts auswirken.157 Doppelbesteuerungsnormen sind daher keine Kollisionsnormen wie die des Internationalen Privatrechts, sondern Grenznormen im Sinne des von Karl Neumeyer158 postulierten Internationalen Verwaltungsrechts.159 Für die Frage des Verhältnisses beider Rechtsgebiete zueinander ist neben diesen formalen Unterschieden vor allem das ihnen zugrundeliegende staatstheoretische Grundverständnis von zentraler Bedeutung. Die heutige Lehre vom Wesen des Internationalen Privatrechts geht auf Savigny zurück, dessen Theorie auf der Trennung von Staat und Gesellschaft basiert. Das Privatrecht ist dabei ein dem Staat bereits vorgegebenes Recht, also kein staatliches Recht im engeren Sinne, das vom Staat abgeleitet wird. Auch dem Verwaltungsrecht liegt die Theorie der Trennung von Staat und Gesellschaft zugrunde. Im Gegensatz zum Internationalen Privatrecht ist das Verwaltungsrecht aber kein dem Staat vorgegebenes Recht, sondern die Staatsgewalt als solche konkretisiert sich gerade aus den Normen des öffentlichen Rechts. Der Staat ist im Internationalen Steuerrecht als Handelnder an den zu beurteilenden Rechts-
153
Vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 275 f., 299. Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 3. 155 Vgl. Bühler, O. (Steuerrecht, 1960) S. 29, 83; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 309. 156 Vgl. Vogel, K. DBA Einl. Anm. 26. 157 Vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 309. 158 Vgl. Neumeyer, K. (Verwaltungsrecht Bd. IV, 1936) S. 104 ff. 159 Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 6; Vogel DBA, Einl. Anm. 26. 154
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Α. Grundlegung
Verhältnissen selbst beteiligt 160 Deshalb kann der Staat auch nur sein eigenes Verwaltungsrecht zum Ausdruck bringen. Das Internationale Steuerrecht regelt daher allein den Anwendungsbereich des eigenen Rechts.161 Im Gegensatz hierzu liegt dem Internationalen Privatrecht der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Privatrechtsordnungen zugrunde. Der Staat tritt hier gleichsam als Schiedsrichter auf, der am Inhalt privatrechtlicher Auslandsbeziehungen grundsätzlich uninteressiert ist. 162 Insofern ist das Internationale Privatrecht durch ein hohes Maß an Liberalität gekennzeichnet, die sich zum einen in einer großen Gestaltungsfreiheit für private Wirtschaftssubjekte ausdrückt und zum anderen den Gedanken der internationalen Entscheidungsharmonie verwirklichen soll. 163 Gerade dieser unterschiedliche Wesensgehalt beider Teilrechtsgebiete verbietet eine Übernahme der Wertungen und Ergebnisse des Internationalen Privatrechts für das Internationale Steuerrecht im Sinne einer generellen Lösung, die in jedem Falle zur Anwendung gelangen muß. Wie auf rein nationaler Ebene sind in erster Linie die steuerrechtlichen Gesichtspunkte für die Beurteilung relevant. 164 Die Kollisionsnormen des Internationalen Privatechts können nur dann maßgebend sein, wenn das Steuerrecht sich ausdrücklich auf sie bezieht oder wenn die betreffende Norm nach ihrem Sinn und Zweck unmißverständlich die Heranziehung des IPR verlangt.165 Eine Anwendung des IPR kann demnach nur unter Zugrundelegung teleologischer Betrachtung zum Zuge kommen. Demnach gelten für das Verhältnis von Internationalem Privatrecht zum Internationalen Steuerrecht die gleichen Grundsätze wie auf der Ebene von nationalem Privat- und Steuerrecht.
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte fur die steuerliche und zivilrechtliche Beurteilung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften 1. Der Sitzbegriff im Steuerrecht
Im Steuerrecht existieren ähnlich wie im Zivilrecht für Körperschaften zwei verschiedene "Sitzformen", nämlich die Geschäftsleitung nach § 10 AO und 160 V 161
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V o g d i K
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Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 3. 162 Vgl. Vogel, K., AöR 1959 S. 54 (62). 163 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 51. 164 Vgl. Bühler, O. (Steuerrecht, 1960) S. 49 ff.; ders. (Prinzipien, 1964) S. 77; Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 47; Raupach, A. (Durchgriff, 1968) S. 133, 135 ff.; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 292 ff. 165 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 49; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 292, 294.
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
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der Sitz nach § 11 AO. Hier zeigt sich die Parallele zu natürlichen Personen, für die das Steuerrecht ebenfalls zwei verschiedene Anknüpfungsmomente bestimmt. §§ 10 und 11 AO sind daher die Parallelvorschriften zu den Bestimmungen der §§ 8 und 9 AO und zwar für juristische Personen, bei denen es keinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt gibt 1 6 6 Als Pendant zum Ort der Geschäftsleitung gilt für natürliche Personen der gewöhnliche Aufenthalt gemäß § 9 AO, während man den Sitz mit dem Wohnsitz vergleichen könnte. Während allerdings der Sitz bei Kapitalgesellschaften rein rechtlich bestimmt ist, 167 ist bei der Bestimmung des Wohnsitzes nicht der rechtsgeschäftliche Wille, sondern die tatsächliche Gestaltung maßgebend.168 Beide Begriffspaare sind demnach nicht deckungsgleich in Bezug auf ihren Inhalt. Während bei nichtnatürlichen Personen eine klare Trennung auf das Merkmal tatsächliche Gestaltung und rein rechtliche Gestaltung vom Gesetzgeber vollzogen wurde, ist dies bei natürlichen Personen nicht der Fall. Sowohl beim Wohnsitz als auch beim gewöhnlichen Aufenthalt wird an äußere Merkmale angeknüpft. 169 Die Geschäftsleitung und der Sitz behandeln ebenso wie der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt die räumlichen Anknüpfungsmerkmale der Besteuerung, wobei die in §§ 8 - 11 AO gegebenen Definitionen einheitlich für alle Steuergesetze gelten.170 Die Bedeutung des Sitzes und der Geschäftsleitung liegt vor allem darin, daß sie in einigen, vom Einnahmevolumen her sehr bedeutsamen Steuerarten als Anknüpfungsmerkmal dienen. Liegt beispielsweise der Ort der Geschäftsleitung und / oder der Sitz der Körperschaft im Inland, so wird dadurch die unbeschränkte Steuerpflicht in der Körperschaftsteuer gemäß § 1 Abs. 1 KStG, die unbeschränkte Vermögensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 VStG und im Bereich des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes nach § 2 Abs. 1 ErbStG begründet. Beide Begriffe sind aber auch für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Finanzämter nach §§ 18, 20 AO maßgebend. Im Bereich der örtlichen Zuständigkeit von Finanzämtern genießt die Geschäftsleitung gegenüber dem Sitz Priorität. Nur für den Fall, daß sich die Geschäftsleitung nicht im Inland befindet oder sich die Geschäftsleitung nicht bestimmen läßt, ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk sich der Sitz der Steuerpflichtigen befindet. 171
166 167 168 169 170 171
Vgl. Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 10 AO Anm. 5. Vgl. hierzu unten Kap. Α Π. 2. a). Vgl. Koch / Scholtz, § 8 AO Anm. 3. Vgl. Tipke / Kruse, § 9 AO Tz. 1. Vgl. Tipke / Kruse, Vor § 8 AO Tz. 1. Vgl. §§ 18 Abs. 1 Nr. 2,20 Abs. 2 AO.
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Α. Grundlegung
α) Der Satzungssitz nach §11 AO Gemäß § 11 AO hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ihren Sitz an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist. Die Definition zeigt, daß es sich bei dem Sitz nach § 11 AO um ein rechtlich bestimmtes Merkmal handelt.172 Wirtschaftliche Faktoren spielen hingegen keine Rolle. 173 Der steuerliche Sitz stimmt daher im Ergebnis mit dem zivilrechtlichen Sitz überein. 174 Sofern es sich bei dem Sitz allerdings um einen rein fiktiven Sitz, der nach bürgerlichem Recht als zulässig erachtet wird, handelt, so handelt es sich steuerlich um einen Scheinsitz (Briefkastendomizil), der nach § 41 Abs. 2 AO unbeachtlich ist. 175 Im Gegensatz zu § 15 Abs. 3 S. 2 StAnpG, aus dessen Wortlaut sich die Subsidiarität gegenüber der Geschäftsleitung als steuerlichem Anknüpfungsmerkmal ergab 176, ist der Sitz in der AO nunmehr gleichberechtigter Anknüpfungspunkt. 177 Das Rangverhältnis von Sitz und Geschäftsleitung richtetsich jetzt allein nach den Regelungen der Einzelsteuergesetze.178 So stehen beispielsweise im Körperschaftsteuerrecht Sitz und Geschäftsleitung als Anknüpfungsmerkmale gleichrangig nebeneinander.179 Keinem der beiden wird im Ergebnis der Vorrang eingeräumt, sie können vielmehr auch alternativ die unbeschränkte Steuerpflicht begründen.180 Primäres Anknüpfungsmerkmal ist allerdings der Ort der Geschäftsleitung, während an den Sitz nur sekundär angeknüpft wird. 181 In den meisten Doppelbesteuerungsabkommen ist der Sitz hingegen nur subsidiärer, also zweitrangiger Anknüpfungspunkt. In Art. 4 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens wird die Geschäftsleitung als vorrangiges Anknüpfungskriterium bestimmt, sofern andere als natürliche Personen in beiden Staaten ansässig sind. Dem Sitz als lediglich formalen Merkmal soll also keine Bedeutung beigemessen werden.182 In einigen Doppelbesteuerungsab172
S. 553.
Vgl. RFH V. 25.5.1937, RStBl 1937 S. 684; BFH v. 28.2.1990, BStBl 1990
173 Vgl. Bellstedt, C. (Besteuerung, 1973) S. 5; Fischer, L. / Wameke, P. (Steuerlehre, 1988) S.54. 174 Vgl. Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 11 AO Anm. 4. 175 Vgl. Koch / Scholtz, § 11 AO Anm. 3; Kühn / Kutter / Hoffmann, § 11 AO Anm. 2; Tipke / Kruse, § 11 AO. 176 Vgl. Bellstedt, C. (Besteuerung, 1973) S. 6; Tipke / Kruse, § 11 AO. 177 Vgl. Tipke / Kruse, § 11 AO. 178 Vgl. Tipke / Kruse, § 11 AO. 179 Vgl. Hübschmann / Hepp / Spitäler, § 10 AO Anm. 5. 180 Vgl. hierzu Kap. F ΠΙ. 2. 181 Vgl. Tipke / Kruse, Vor § 8 AO Tz. 1. 182 Vgl. OECD-MA-Kommentar, Art 4 Ziff. 22.
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
49
kommen ist keine dem Art. 4 Abs. 3 OECD-Musterabkommen entsprechende Bestimmung aufgenommen worden. Dies gilt beispielsweise für die DBA mit Ägypten, Irland, Italien, Japan, Pakistan und den USA. 183 Sofern eine Gesellschaft entsprechend den Abkommen also als in beiden Staaten ansässig gilt, kann nur das Verständigungsverfahren helfen. 184 b) Die Geschäftsleitung
nach § 10 AO
aa) Allgemeine Anknüpfungsmerkmale Die Definition der Geschäftsleitung als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, so wie sie in § 11 AO ihren Niederschlag gefunden hat, findet sich zum ersten Male in einem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 16. Juni 1931. 185 Diese Definition wurde dann vom Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 StAnpG vom 16.10.1934 und anschließend in § 10 AO übernommen.186 Wie die im Anschluß an das Urteil des RFH vom 16.6.1931 getroffenen weiteren Entscheidungen des RFH zeigen, bedarf die Definition der Geschäftsleitung als dem Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung einer näheren Präzisierung. Als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist nach Ansicht des Reichsfinanzhofes der Ort anzusehen, an dem der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. 187 Diese vom Reichsfinanzhof getroffene Präzisierung ist bis heute von den Finanzgerichten188 und dem Bundesfinanzhof 189 übernommen worden. An dieser Präzisierung sind zwei Aspekte von zentraler Bedeutung. Zum einen ist allein der Ort der Willensbildung maßgebend. Es kommt also nicht auf den Ort an, an dem die Willenserklärungen der geschäftlichen Oberleitung wirksam werden, also in die Tat umgesetzt werden. 190 Der Ort, an dem die für das Unternehmen wesentlichen Geschäfte abgeschlossen werden, muß daher nicht Ort der Oberleitung sein; beide können im Einzelfall zusammenfallen,
183
Vgl. Vogel, DBA Art. 4 Tz. 112. Zum Begriff des Verständigungsverfahrens vgl. Korn Debatin, Systematik ΠΙ Anm. 155 ff. 185 Vgl. RFH v. 16.6.1931, RStBl 1931 S. 848. 186 Zur Geschichte der Vorschrift im einzelnen vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 10 AO Tz. 1 ff. 187 Vgl. RFH v. 23.6.1938, RStBl 1938 S. 949. 188 Vgl. FG Hamburg v. 24.10.1986, EFG 1987 S. 413. 189 Vgl. BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 Π S. 554 (555); BFH ν. 7.12.1994, BStBl 1995 Π S. 175 (178). 190 Vgl. RFH v. 23.6.1938, RStBl 1938 S. 949. 184
4 Herz
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. Grundlegung
müssen es aber nicht. 191 Zum anderen ist die Entscheidung über den Ort der Leitung eine Tatfrage 192, die sich nur aus dem Gesamtbild der Verhältnisse des einzelnen Falles entscheiden läßt. 193 Allein entscheidend ist demnach, an welchem Ort tatsächlich die Oberleitung ausgeübt wird. 194 Für die Bestimmung dieses Ortes sind nach Möglichkeit die Gesamtheit der tatsächlichen Gestaltungen zu berücksichtigen.195 Die Möglichkeit, die Oberleitung über ein Unternehmen auszuüben, allein rechtfertigt nicht, hier von der Oberleitung zu sprechen.196 Nicht entscheidend für die Geschäftsleitung nach § 10 AO ist, daß sämtliche Entscheidungen an diesem Ort getroffen werden. Entscheidend ist lediglich, daß an diesem Ort alle wesentlichen Entscheidungen von einiger Wichtigkeit getroffen werden, wobei für die Beurteilung Art und Umfang sowie Struktur und Eigenart des Unternehmens zu berücksichtigen sind. 197 Nach Hübschmann / Hepp / Spittaler bilden den Inhalt der Oberleitung diejenigen Obliegenheiten, "... die üblicherweise der Vorstand einer AG selbst auszuüben pflegt." 198 Zu dieser "qualitativen" Komponente der Bedeutung der Entscheidung für das Unternehmen kommt eine zeitliche Komponente hinzu, d.h. daß diese Entscheidung auf Dauer an diesem Ort getroffen werden müssen.199 Der Begriff der Geschäftsleitung als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung besagt schon rein begrifflich, daß dies stets nur ein einziger Ort sein kann. 200 Aber auch der Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit der Geschäftsleitung verfolgt, kann zu keinem anderen Ergebnis führen, denn "... der Begriff der "Geschäftsleitung" wird in den Steuergesetzen regelmäßig dort verwendet, wo es erforderlich ist, unter mehreren Orten, an denen ein Unternehmen betrieben wird, einen einzigen auszuwählen, an den eine für das Unternehmen nur einheitlich zu bestimmende Rechtsfolge (z.B. Veranlagungszuständigkeit, unbeschränkte Steuerpflicht) geknüpft werden soll."201 Sofern bei einem Unternehmen die Geschäftsführung an mehreren Orten tätig wird, 191 Vgl. RFH v. 16.6.1931, RStBl 1931 S. 848 (849); RFH v. 9.1.1934, RStBl 1934 S. 382 (383). 192 Vgl. RFH v. 23.6.1938, RStBl 1938 S. 949. 193 Vgl. RFH v. 23.6.1938, RStBl 1938 S. 949; FG Bremen v. 20.3.1975, EFG 1975 S. 384. 194 Vgl. RFH v. 9.1.1934, RStBl 1934 S. 382 (383); RFH v. 25.5.1937; RStBl 1937 S. 684. 195 Vgl. HHR, § 1 KStG Anm. 13. 196 Vgl. RFH v. 9.1.1934, RStBl 1934 S. 382 (383). 197 Vgl. RFH v. 25.7.1935, RStBl 1935 S. 1366; BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 H S. 554 (555). 198 Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 10 AO Tz. 6. 199 Vgl. BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 Π S. 554 (555). 200 Vgl. FG Kassel v. 8.7.1959, EFG 1959 S. 346 (347). 201 FG Kassel v. 8.7.1959, EFG 1959 S. 346 (347).
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
51
befindet sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung dort, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet 202 Das ist nach Ansicht des RFH der Ort, an dem "das letzte Wort bei geschäftlichen Entschließungen von entscheidender Bedeutung ..." 203 gesprochen wird. Sofern eine Gesellschaft mehrere Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder hat, die in verschiedenen Ländern residieren und von dort aus auch ihre Entscheidungen treffen, so liegt die geschäftliche Oberleitung nur dann im Inland, wenn gerade der im Inland ansässige Geschäftsführer etc. die Geschäfte der Gesellschaft dominierend leitet. Sofern er diese nur mitleitet, ist er nicht Oberleiter der Gesellschaft und die Geschäftsleitung liegt demnach auch nicht im Inland.204 Entscheidend ist daher, welcher Entscheidung welches Gewicht beigemessen wird und wie oft die einzelnen Entscheidungen an den einzelnen Orten getroffen werden.205 Hier wird klar deutlich, daß in Grenzfällen die Entscheidung über den Ort der Geschäftsleitung nur schwer zu treffen sein wird. Um zu wirklich immer sachgerechten Lösungen zu kommen, müßte eine einwandfreie Bewertung und Gewichtung der Entscheidungen im Hinblick auf ihre Bedeutung möglich sein. Welches Gewicht man im Ergebnis aber der einzelnen Entscheidung beimessen kann, darüber findet sich in der Rechtsprechung keinerlei Hinweis. Im Ergebnis wird es daher in solchen Fällen bei mehr oder minder großen "Willkürentscheidungen" bleiben. Die geschäftliche Oberleitung wird sich in aller Regel an dem Ort befinden, an dem die zur Vertretung der Gesellschaft befugte Person die ihr obliegende geschäftsführende Tätigkeit entfaltet. 206 Dies ist bei einer GmbH in der Regel der Ort, wo sich das Büro des Geschäftsführers befindet. 207 Allerdings wird dieser Ort letztlich nur ein Indiz sein können, da die Oberleitung nicht nur von gesetzlichen Organen ausgeübt werden kann, sondern vielmehr auch andere Personen als oberstes Leitungsorgan angesehen werden können.208 Auch Angestellte, deren Rechtsbefugnisse zwar begrenzt sind, deren tatsächliche Machtstellung aber weit über diese Beschränkungen hinausgeht, können durchaus als Oberleiter in Betracht gezogen werden.209 Der Grundsatz, daß es sich bei der Frage der Oberleitung der Gesellschaft um eine Tatfrage handelt, erfordert stets die Prüfung, ob die vom Gesetz vorgesehenen Vertreter, also bei der GmbH der Geschäftsführer und bei der AG der Vorstand, auch tatsächlich 202 203 204 205 206 207 208
S. 684. 209
4*
Vgl. BFH V. 23.1.1991, BStBl 1991 Π S. 554 (555). RFH v. 2.7.1936, RStBl 1936 S. 779 (781). Vgl. RFH v. 2.7.1936, RStBl 1936 S. 779. Vgl. Felix, G., DStR 1963 S. 421 (422). Vgl. BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 Π S. 554 (555). Vgl. BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 S. 554 (555). Vgl. RFH v. 3.7.1936, RStBl 1936 S. 804 (805); RFH v. 25.5.1937, RStBl 1937 Vgl. Felix, G., DStR 1963 S. 421.
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Α. Grundlegung
maßgebend die Geschäfte der Gesellschaft im Sinne einer Geschäftsleitung bestimmen. Gerade bei Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschaften zeigt die Praxis, daß die tatsächliche Oberleitung nicht bei den gesetzlichen Organen der Gesellschaft, sondern häufig bei gewillkürten Geschäftsführern liegt. 210 Die Geschäftsleitung wird sich meist in den Büroräumen der Gesellschaft befinden. 211 Als Ort der Geschäftsleitung kommen aber nicht nur Büroräume in Frage, sondern es kann auch die Wohnung bzw. der Wohnsitz des Oberleiters eines Unternehmens in Betracht kommen.212 Dies gilt zum einen dann, wenn das Unternehmen über keine Büroräume verfügt 213, zum anderen, wenn in diesen nicht die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, sondern am Wohnort des Oberleiters. 214 Insbesondere Felix hat an diesen Entscheidungen Kritik geäußert.215 Seiner Meinung nach führt dies im Ergebnis dazu, daß der Ort der Geschäftsleitung vom Steuerpflichtigen frei wählbar ist, nach den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung der Steuerpflichtige nicht ohne weiteres aber über den Ort der Geschäftsleitung frei verfügen können dürfe. M.E. ist der Kritik von Felix -zumindest in ihrer Begründung- nicht zu folgen, da sich Büro- und Geschäftsräume im Zweifelsfall leicht verlegen lassen und somit auch hier der Ort der Geschäftsleitung frei wählbar ist. 216 Weitaus gravierender ist, daß bei Bestehen von Büro- und Geschäftsräumen es unter Umständen schwierig sein dürfte, nachzuweisen, wo denn tatsächlich der maßgebende Wille gebildet wird. Hat der Geschäftsleiter einen vom Inland abweichenden Wohnsitz, befinden sich aber die Geschäftsräume der Gesellschaft im Inland, so kann der Nachweis, wo tatsächlich die Willensbildung erfolgt, sehr schwierig sein. Aufgrund der steuerlich weitreichenden Folgen, die der Ort der Geschäftsleitung nach sich zieht, ist die sich daraus ergebende Unsicherheit eigentlich nicht tragbar.
210
Vgl. Bellstedt, C. (Besteuerung, 1973) S. 8; Mössner, J. M. (Steuerhoheit, 1992) S. 66. 211 Vgl. RFH v. 3.7.1934, RFHE 36 S. 244 (248); BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 Π S. 554. 212 Vgl. RFH v. 3.7.1934, RFHE 36 S. 244 (248 f); BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 Π S. 554. 213 Vgl. RFH v. 3.7.1934, RFHE 36 S. 244. 214 Vgl. BFH v. 3.8.1977, BStBl 1977 Π S. 857. 215 Vgl. Felix, G., DStR 1963 S. 421 (422). 216 So auch Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 10 AO Anm. 11.
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
53
bb) Sonderfalle Die vom RFH und BFH aufgestellten Grundsätze zur geschäftlichen Oberleitung finden bei einer Reihe verschiedener Fälle Anwendung, in denen sich die Rechtsprechung konkretisiert. Im Falle des beherrschenden Gesellschafters hat schon der RFH entschieden, daß dieser nicht automatisch die Oberleitung der Gesellschaft bildet und damit der Ort seines Tätigwerdens als Ort der Geschäftsleitung zu qualifizieren ist. 217 Selbst dann, wenn der beherrschende Gesellschafter am geschäftlichen Geschehen der Gesellschaft mitwirkt, führt dies nicht notwendigerweise zur geschäftlichen Oberleitung. Nur in den Fällen, in denen der Gesellschafter in den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hineinredet, er sich dauernd über die einzelnen Geschäfte auf dem laufenden hält und die Abwicklung der einzelnen Geschäfte durch seine Entscheidung maßgebend beeinflußt, ist er als geschäftlicher Oberleiter des Unternehmens anzusehen.218 Bestimmt er hingegen die "Tagespolitik" der Gesellschaft nicht entscheidend mit, sondern ist nur an Entscheidungen beteiligt, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehören, so ist dies allein Ausfluß seiner Gesellschafterstellung. Die gesellschaftliche Machtstellung und die geschäftliche Oberleitung sind jedoch strikt voneinander zu trennen.219 Die Möglichkeit allein, die Gesellschaft zu beherrschen und deren Geschicke zu bestimmen, rechtfertigt es noch nicht, von der Oberleitung des Unternehmens zu sprechen. Allein entscheidend ist, wer an welchem Ort tatsächlich die Oberleitung des Unternehmens ausübt.220 Sofern er jedoch als "Kopf und Seele der Geschäftsführung anzusehen ist und die gesetzlichen Vertreter nur seine ausführenden Organe sind"221, dann ist auch der beherrschende Gesellschafter als geschäftlicher Oberleiter zu betrachten. Die Rechtsprechung findet auch ihren Niederschlag bei der Beurteilung von Organgesellschaften. Der BFH hat im Anschluß an die Rechtsprechung des RFH 2 2 2 entschieden, daß in der Regel der Ort der Geschäftsleitung dort sei, wo die gesetzlichen Vertreter der Organgesellschaft tätig werden.223 Nur in besonders gelagerten Fällen kommt für die Geschäftsleitung der Ort in Frage, der als Ort der Geschäftsleitung der Organträgerin anzusehen ist. 224 Ein sol217
S. 706. 218
Vgl. RFH v. 9.1.1934, RStBl 1934 S. 382; RFH v. 11.7.1940, RStBl 1940
So auch Vogel, K., DBA Art. 4 Tz. 106. Vgl. hierzu eingehend das Urteil des RFH v. 11.7.1940, RStBl 1940 S. 706. 220 Vgl. RFH v. 9.1.1934, RStBl 1934 S. 382 (383). 221 RFH v. 3.7.1936, RStBl 1936 S. 804 (805). 222 Vgl. RFH v. 12.1.1933, RStBl 1933 S. 132. 223 Vgl. BFH v. 7.12.1994, BStBl 1995 Π S. 175 (178 f.). 224 Vgl. BFH v. 9.8.1957, BStBl 1957 ΙΠ S. 341; BFH v. 10.6.1964, HFR 1965 S. 170(171). 219
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Α. Grundlegung
cher Ausnahmefall liegt nach Ansicht des BFH dann vor, wenn die Organträgerin nach den tatsächlichen Verhältnissen alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit bestimmt.225 Der BFH beachtet im Grundsatz also die rechtliche Selbständigkeit der Organgesellschaft, auch wenn sie wirtschaftlich nur als Unternehmensteil des Organträgers zu betrachten ist. Nur dann, wenn "... die in der äußeren Form rechtlich selbständige Kapitalgesellschaft im Innenverhältnis nur als eine Betriebsabteilung der Organträgerin anzusehen ist, so ist Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der Ort der Geschäftsleitung der Organträgerin." 226 Der BFH betont im Anschluß an diese Aussage, daß für die Beantwortung dieser Frage nicht die vertraglichen Vereinbarungen, sondern die tatsächliche Gestaltung und Abwicklung der Geschäfte von einiger Wichtigkeit entscheidend sind.227 In einem später ergangenen Urteil verschärft der BFH die Anforderungen, 228 wenn er ausführt:"... danach setzt die Bejahung der Geschäftsleitung durch den Alleingesellschafter und Organträger voraus, daß dieser die tatsächliche Geschäftsleitung dadurch völlig an sich gezogen hat, daß er den laufenden Geschäftsgang nicht nur beobachtet, kontrolliert und fallweise beeinflußt, sondern ständig in die Tagespolitik der Gesellschaft eingegriffen und dauernd die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht selbst getroffen hat." 229 Eine ähnliche Situation wie bei der Organschaft stellt sich auch bei sog. Basisgesellschaften dar. 230 Ähnlich wie bei Organgesellschaften wird auch die Basisgesellschaft in der Regel von einem Gesellschafter beherrscht. Auch hier stellt sich natürlich die Frage, wer letztlich die Oberleitung über die Basisgesellschaft ausübt, um dann den Ort der Geschäftsleitung ermitteln zu können. Die Tasche allein, daß die im Inland ansässigen Gesellschafter ihren gesellschaftlichen Einfluß auf die im Ausland befindlichen Vertreter ausüben, führt noch nicht zu einem Ort der geschäftlichen Oberleitung im Inland.231 Vielmehr hat der BFH klargestellt, daß Voraussetzung für die Annahme einer inländischen Oberleitung ein ständiges Eingreifen in die Tagespolitik seitens der Gesellschafter ist und die Gesellschafter dauernd die im Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht selbst treffen. 232 Für die
225
Vgl. BFH V. 10.6.1964, H FR 1965 S. 170 (171). BFH v. 10.6.1964, HFR 1965 S. 170 (171). 227 Darauf weist auch der BFH in seinem anschließend ergangenen Urteil v. 26.5.1970, BStBl 1970 Π S. 759 (760) hin. 228 So Vogel, K., DBA Art. 4 Tz. 107; Schröder, J., StBp 1980 S. 97 (98). 229 BFH v. 26.5.1970, BStBl 1970 Π S. 759 (760). 230 Zum Begriff der Basisgesellschaft vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 1 ff.; Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 131 ff. 231 Vgl. Hübschmann / Hepp / Spitäler, § 10 AO Anm. 9. 232 Vgl. BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695 (697). 226
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
55
Basisgesellschaften gelten demnach die allgemeinen Grundsätze wie für alle anderen Gesellschaften auch.233 2. Der SitzbegrifT im Zivilrecht
Wie im Steuerrecht auch ist es im Zivilrecht bezüglich des Sitzes von Kapitalgesellschaften notwendig zwischen dem Satzungssitz einerseits und dem tatsächlichen Verwaltungssitz andererseits zu unterscheiden.234 Anders als im Steuerrecht stehen der Satzungssitz und der Verwaltungssitz nicht alternativ nebeneinander, sondern beide dienen in verschiedenen Bereichen jeweils als relevante Anknüpfungspunkte. Während der Satzungssitz Anknüpfungspunkt für das materielle Gesellschaftsrecht sowie das Prozeß- und Handelsregisterrecht ist, dient der Verwaltungssitz als kollisionsrechtliches Anknüpfungsmerkmal im internationalen Gesellschaftsrecht. 235 a) Der statutarische Sitz bzw. Satzungssitz § 5 Abs. 1 AktG bezeichnet als Sitz der Gesellschaft den Ort, den die Satzung bestimmt. Dieser in der Satzung festgelegte Sitz wird als Satzungssitz oder auch als sog. statutarischer Sitz bezeichnet. Seine Bedeutung für die Rechtsverhältnisse der Kapitalgesellschaft ist ähnlich wie die Bedeutung des Wohnsitzes für natürliche Personen236 bzw. der Niederlassung des Einzelkaufmannes 237. Beide sind somit vergleichbar, wobei jedoch der Sitz der Kapitalgesellschaft nicht den Schwerpunkt ihrer tatsächlichen Lebensbeziehungen zu bilden braucht.238 Beide Orte, also der Wohnsitz und der Sitz sind insofern von rechtlicher Bedeutung, als die Personen hier regelmäßig erreichbar sind bzw. sein sollten. Da die Erreichbarkeit für die Ermöglichung eines geordneten Geschäftsveikehrs unabdingbare Voraussetzung ist, sind der Wohnsitz bzw. der Sitz als Anknüpfungspunkte gewählt worden.239 Da § 5 Abs. 1 AktG als Sitz der Gesellschaft den Ort bezeichnet, der durch die Satzung bestimmt ist, scheint nach dem Wortlaut dieser Vorschrift der Ort und damit der Sitz der Gesellschaft frei wählbar. Die Rechtsprechung schränkt diese Vorschrift aber dahingehend ein, daß es sich bei dem Ort um eine deut233 234 235 236 237 238 239
Vgl. Bellstedt, C. (Besteuerung, 1973) S. 12. Vgl. Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 17. Vgl. Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 17. Vgl. Eckhardt in Geßler / Hefermehl / Eckhardt / Kropff, § 5 AktG Anm. 16. Vgl. Wessel, H., BB 1984 S. 1057 (1058). Vgl. Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 11. Vgl. Wessel, H., BB 1984 S. 1057 (1058).
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Α. Grundlegung
sehe Gemeinde handeln muß. Eine deutsche Aktiengesellschaft muß also ihren satzungsmäßigen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben.240 In § 5 Abs. 2 AktG wird jedoch diese freie Sitzwahl erheblich eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift muß sich der Ort und damit der Sitz an einen der drei folgenden Orte befinden: Ort, wo die Gesellschaft einen Betrieb hat Ort, wo sich die Geschäftsleitung befindet Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Die Gesellschaft hat also die freie Wahlmöglichkeit zwischen drei alternativen Anknüpfungspunkten, sofern sich nicht die gesamte Tätigkeit der Aktiengesellschaft an einem Ort konzentriert. 241 Eine Rangfolge zwischen den Orten besteht nicht.242 Der Begriff des Betriebes ist unklar. 243 Die h. M. geht jedoch davon aus, daß es sich hierbei nicht unbedingt um den Hauptbetrieb handeln muß, sondern auch ein Nebenbetrieb soll hierfür ausreichend sein, sofern er nicht so winzig ist, daß damit das Gesetz umgangen wird. 244 Allerdings muß in diesem Nebenbetrieb eine Tätigkeit ausgeübt werden, die satzungsmäßig Gegenstand des Unternehmens ist. 245 Auch über den Inhalt der Begriffe "Geschäftsleitung" und "Verwaltung" scheint es keine eindeutige Meinung zu geben. Als Ort der Geschäftsleitung ist nach Ansicht von Kraft der Ort zu betrachten, an dem die obersten geschäftlichen Entscheidungen getroffen werden, also der Tätigkeitsort des Vorstandes. Demgegenüber soll Ort der Verwaltung der Ort sein, von dem aus die ständigen Geschäfte der Gesellschaft geführt werden.246 Nach Ansicht von Ulmer hingegen ist der Ort der Verwaltung der Tätigkeitsort des Vorstandes.247 Als Ort der Geschäftsleitung bezeichnet er den Ort, wo die Zentralabteilung der Gesellschaft sitzt. 248 Was er allerdings unter der "Zentralabteilung" der Gesellschaft versteht, führt Ulmer nicht näher aus. 2 4 0 Vgl. BGH V. 21.11.1955, BGHZ 19, S. 103 (105); BGH v. 19.2.1959, BGHZ 29, S. 320 (328). 2 4 1 Vgl. Ulmer in Geßler / Hefermehl / Eckhardt / Kropff, § 5 AktG Anm. 5. 2 4 2 Vgl. Ulmer in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 5 AktG Anm. 5. 2 4 3 Vgl. Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 5. 244 V g l Kr a ft i n Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 5; Großkommentar zum AktG, § 5 Anm. 2; a.A. Ulmer in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 5 AktG Anm. 6. 245 Yg] K r a f t i n Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 6.
246 Ygj Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 7. 2 4 7 2 4 8
Vgl. Ulmer in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 5 AktG Anm. 8. Vgl. Ulmer in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 5 Anm. 7.
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
57
Bei § 5 Abs. 2 AktG handelt es sich jedoch nicht um eine zwingende Vorschrift, sondern der Sitz muß sich "in der Regel" an einem der drei Orte befinden. In Ausnahmefällen darf also auch ein anderer Ort gewählt werden, sofern hier ein besonderes Bedürfnis bzw. schutzwürdiges Interesse vorliegt. 249 Die Entscheidung, ob ein solches schutzwürdiges Interesse gegeben ist, liegt beim Registerrichter. Unabhängig davon, ob er seine Entscheidung, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, zu Recht oder Unrecht getroffen hat, führt die Bejahung zu einer Zulassung eines anderen Sitzes.250 Wann ein solches schutzwürdiges Interesse vorliegt, ist jedoch unklar. Hierbei handelt es sich vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff. 251 Aufgrund der Ausnahmeregelungen und den grundsätzlich zu wählenden drei alternativen Anknüpfungspunkten müssen der Satzungssitz und der effektive Verwaltungssitz nicht übereinstimmen.252 Für die Gesellschaft besteht aber die Möglichkeit, daß als Satzungssitz auch der effektive Verwaltungssitz gewählt wird. Dies liegt jedoch in ihrem eigenen Ermessen. Im Gegensatz zum Aktiengesetz fehlt im GmbH-Gesetz eine entsprechende Regelung über den Satzungssitz. Die Wahl des Sitzes ist vielmehr nicht gesetzlich geregelt.253 Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur folgern daraus, daß die Wahl des Satzungssitzes den Gründern grundsätzlich freigestellt ist. 254 Der statutarische Sitz der GmbH muß sich also weder am Ort des Betriebes, noch am Ort der Geschäftsleitung oder am Ort der Verwaltung befinden. Bei der freien Wahl des Sitzes wird jedoch eine Einschränkung gemacht. Die Wahl darf nicht willkürlich und nicht rechtsmißbräuchlich erfolgen. Ein rein fiktiver Sitz ohne jede Beziehung zur Tätigkeit der Gesellschaft ist daher unzulässig.255 Eine klare abstrakte Definition der Rechtsmißbräuchlichkeit
249 Vgl. Ulmer in Geßler / Hefermehl / Eckhardt / Kropff, § 5 AktG, Anm. 10; Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 8. 250 Vgl. Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 8. 251 Vgl. Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 9. 252 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR, Tz. 174. 253 Vgl. Baumbach / Hueck, GmbHG, § 3 Anm. 6. 254 Vgl. Hachenburg - Ulmer, GmbHG, § 3 Anm. 5; Baumbach / Hueck, GmbHG, §3 Anm. 6; OLG Köln v. 3.10.1983, BB 1984 S. 1065 (1066); Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 3 Anm. 7; a.A. Wessel, H., BB 1984 S. 1057 (1057 ff.); MünchKomm - Reuter, § 24 BGB Anm.. 2; Roth, GmbHG, § 3 Tz. 2.2.1. 255 Vgl. BayOLG v. 26.3.1981, BB 1981 S. 870 (871); BayOLG v. 3.8.1982, BB 1982 S. 578; OLG Köln v. 3.10.1983, BB 1984 S. 1065 (1066); OLG Köln v. 11.3.1987, BB 1987 S. 711; Hachenburg -Ulmer, § 3 GmbHG Anm. 5; Baumbach / Hueck, § 3 GmbHG Anm. 6; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 3 Anm.7; Roth, GmbHG, § 3 Tz. 2.2.1. meint daher, daß der praktische Unterschied zwischen den Anforderungen nach § 5 Abs. 2 AktG und § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG gering ist.
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Α. Grundlegung
scheint es jedoch nicht zu geben. 2 5 6 Ein Sitz soll beispielsweise dann rechtsmißbräuchlich gewählt sein, wenn damit lediglich die Zuständigkeit eines Registergerichts mit eintragungsfreundlicher Praxis erreicht werden soll. 257 Die GmbH muß aber auf jeden Fall am Sitzort postalisch erreichbar sein, damit Zustellungen durchgeführt werden können und ein dem Geschäftsumfang entsprechender Geschäftsverkehr durchgefühlt werden kann. 258 Allerdings ist es, wie im Aktiengesetz auch, im GmbH-Gesetz ganz herrschende Meinung, daß als Sitz nur ein bestimmter Ort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden darf. 259 Im Ausland liegende Orte scheiden demnach aus. Sofern der Verwaltungssitz einer Gesellschaft sich im Inland befindet, kann eine wirksame Gründung also nur unter der Voraussetzung eines inländischen Satzungssitzes zustande kommen. Für die Sitztheorie hat der statutarische Sitz hingegen zunächst keinerlei Bedeutung.260 Hier ist allein der tatsächliche Verwaltungssitz für die Bestimmung des Personalstatuts entscheidungserheblich. Dem Satzungssitz kommt lediglich insofern eine Bedeutung zu, als von ihm eine Indizwirkung für den effektiven Verwaltungssitz ausgeht.261 Der Satzungssitz hat insbesondere Bedeutung für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts.262 Die Bedeutung erstreckt sich zum einen gem. § 7 GmbHG bzw. § 14 AktG auf die Zuständigkeit des Registergerichts und zum anderen gem. § 17 ZPO auf die Zuständigkeit des Prozeßgerichts. b) Der Verwaltungssitz Anders als der Satzungssitz findet sich für den Verwaltungssitz keinerlei gesetzliche Definition, weder im Aktienrecht noch im GmbH-Gesetz. Der Grund mag wohl darin liegen, daß der Verwaltungssitz im materiellen Recht keine Rolle spielt, sondern er dient allein als kollisionsrechtliches Anknüp-
256
Vgl. Wessel, H., BB 1984 S. 1057 (1057). Vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Anm. 6. 258 Vgl. Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 3 Anm. 7. 259 Vgl. Hachenburg - Ulmer, GmbHG, § 3 Anm. 6; Staudinger - Großfeld, IntGesR, Tz. 175; Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 3 Anm. 7. 260 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR, Tz. 174; Henn, G. (Handbuch, 1994) S. 38; BGH v. 30.1.1970, BGHZ 53, S. 181 (183). 261 Vgl. Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 30, 33; OLG München v. 6.5.1986, NJW 1986 S. 2197 (2198). 262 Vgl. Baumbach / Hueck , § 3 GmbHG Anm. 4; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 3 Anm. 8; Ulmer in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 5 AktG Anm. 17; Wiesner in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 4 § 8 Anm 2. 257
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
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fungsmoment.263 Das Internationale Gesellschaftsrecht als Kollisionsrecht ist jedoch vom Gesetzgeber nicht kodifiziert worden, sondern hat sich vielmehr durch Rechtsprechung und Literatur gebildet.264 Die inhaltliche Ausfüllung des Begriffes Verwaltungssitz erfolgte daher auch durch Literatur und Rechtsprechung. In der Rechtsprechung des BGH wird der Begriff des Verwaltungssitzes als Präzisierung des Sitzbegriffes erstmals in der Entscheidung vom 31.01.1970265 näher bestimmt266 Der Senat führte in seiner Entscheidung aus, daß es sich bei dem Verwaltungssitz als kollisionsrechtlichem Anknüpfungsmoment nicht um den in der Satzung genannten - also den Satzungs- oder statutarischen Sitz -, sondern daß es hier auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Eine Definition des Verwaltungssitzes erfolgte in diesem Urteil jedoch noch nicht. Der Senat läßt lediglich indirekt erkennen, daß er hierbei unter Hinweis auf Schönle267 auf die effektive Hauptverwaltung abzielt. Was darunter letztlich zu verstehen ist, bleibt jedoch offen. Eine nähere Bestimmungdes Begriffes des Verwaltungssitzes ist der Entscheidung des BGH vom 21.03.1986 zu entnehmen. Der BGH führt in seinem Urteil zum Verwaltungssitz aus: "Maßgebend dafür ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden."268 Noch konkreter sind die Ausführungen des BayOLG, der ausführt, daß bei der Ermittlung des tatsächlichen Verwaltungssitzes zu berücksichtigen ist, "... wo der Schwerpunkt körperschaftlichen Lebens liegt, wo die Willensbildung des Leitungsorgans erfolgt und von wo aus die wesentlichen Geschäfte der Gesellschaft geführt werden; weder die Quantität noch die Qualität einzelner Entscheidungsakte oder der abgewickelten Geschäfte ist entscheidend, sondern ... der Ort des Ausübens des zentralen Managements, der Kontrolle über die Gesellschaft, der Erteilungen der Weisungen durch die Geschäftsleitung, und zwar im Zeitpunkt der für das vorliegende Verfahren maßgebenden Geschäftsbeziehungen." Als gegenwärtig wohl von der BGH-Rechtsprechung anerkannte Definition dürfte die von Sandrock269 entwickelte Begriffsbestimmung des Verwal263
Im Gegensatz zum materiellen Recht regelt Kollisionsrecht einen Sachverhalt nicht unmittelbar, sondern es bestimmt lediglich das darauf anwendbare materielle Recht eines bestimmten Staates. 264 In der sachgerechten Definition des Verwaltungssitzes als Anknüpfungspunkt der Sitztheorie wird daher auch ein zentrales Problem der Sitztheorie gesehen. Vgl. Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 5 265 Vgl. BGH v. 31.01.1970, BGHZ 53 S. 182 (183). 266 Vgl. Panthen, T. (Sitzbegriff, 1988) S. 247. 267 Vgl. Schönle, H., NJW 1965 S. 1112 ff. 268 BGH v. 21.03.1986, BGHZ 97 S. 269 (272). 269 Vgl. Sandrock, O. (Konkretisierung, 1979) S. 683.
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Α. Grundlegung
tungssitzes als dem Ort gelten, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden, wobei hierfür der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane in Betracht zu ziehen sein dürfte. 270 Diese "Kurzformel" für den Verwaltungssitz hat sich auch in der Literatur als h.M. weitgehend durchgesetzt.271 Nach h.M. in Literatur und Rechtsprechung ist also nicht der Ort der internen Willensbildung entscheidend, sondern es kommt auf die Umsetzung nach außen an und darauf, wie sich die Verhältnisse nach außen erkennbar darstellen.272 Diese Erkennbarkeit zeigt sich in der Umsetzung des Beschlusses in Handlungen durch die am Organ nachgelagerten Abteilungen.273 Sandrock, auf den die obige Definition maßgeblich zurückzuführen ist, präzisiert den Ort näher, indem er ihn als den Ort bezeichnet, an dem die "... großen Richtlinien der Produktions-, Absatz-, Personal- usw. Politik in die kleine Münze der täglichen Verwaltungsentscheidungen umgesetzt werden."274 Bei Tochtergesellschaften liegt der Verwaltungssitz nicht am Ort der Hauptverwaltung der Muttergesellschaft, sondern für die Bestimmung des Ortes der Hauptverwaltung ist auf den Ort abzustellen, an dem die Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane der Tochtergesellschaft selbst tätig sind.275 Auch wenn die Tochtergesellschaft völlig von der Muttergesellschaft beherrscht wird, ist nicht der Verwaltungssitz der Muttergesellschaft heranzuziehen, da die Entscheidungen der Muttergesellschaft ja durch die Organe der Tochtergesellschaften vollzogen werden müssen.276 Am Beispiel des abhängigen Konzernunternehmens zeigt sich deutlich, daß für die Bestimmung des Verwaltungssitzes nicht der Ort der Willensbildung maßgebend ist, sondern tatsächlich der Ort, an dem die bereits getroffenen Entscheidungen in Geschäftsvorfälle umgesetzt werden. Wäre nämlich der Ort der Willensbildung maßgeblich, so wäre bei einer von der Mutter beherrschten Tochtergesellschaft, bei der selbst das Tagesgeschäft von der Mutter weitgehend kontrolliert wird, der Verwaltungssitz der Muttergesellschaft maßgebend. Mag die Bestimmung des Verwaltungssitzes in vielen Fällen keine größeren Probleme bereitet haben, so werden aufgrund der zunehmenden inter270
Vgl. BGH V. 21.3.1986; BGHZ 97 S. 269 ( 272). Vgl. Staudinger -Großfeld, IntGesR Tz. 167; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 179; Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (325); Kaligin, T., DB 1985 S. 1449 (1450). 272 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 167. 273 Vgl. MünchKomm- Ebenroth, Nach Art. 10 Anm 179. 274 Sandrock, O. (Konkretisierung, 1979) S. 683. 275 Vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 416; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 170; Ebenroth, C., JZ 1988 S. 18 (23). 276 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 170. 271
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
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nationalen Integration in Zukunft zunehmend Schwierigkeiten bei der Festlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes auftauchen. 277 Die internationale Integration von Gesellschaften wird dazu führen, daß die Organe international tätiger Unternehmen zunehmend mit Mitgliedern besetzt werden, die in verschiedenen Ländern und Kontinenten tätig werden und dort auch ihren Aufenthalt haben.278 Insofern wird es auch keinen Ort derart mehr geben, an dem alle Entscheidungen gebildet und auch umgesetzt werden. Da jedoch die Annahme eines doppelten Verwaltungssitzes im In- und Ausland ausgeschlossen ist, muß unter den verschiedenen möglichen Anknüpfungspunkten einer anhand einer Schwerpunktbetrachtung bestimmt werden.279 Für die Bestimmung des "Haupt-"sitzes sind die Entscheidungsbefugnisse und die tatsächlichen Entscheidungen, die an den einzelnen Orten getroffen und tatsächlich auch umgesetzt werden, nach quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten zu bewerten.280 Keinerlei Probleme werden auftreten, wenn ein Vorsitzender als letztlich Entscheidungsbefugter den anderen Organmitgliedern voransteht. Sind hingegen alle Mitglieder hinsichtlich ihrer Kompetenzen gleich ausgestattet, wird sich die Bestimmung eines Ortes als Verwaltungssitz schwierig, wenn nicht gar unmöglich gestalten, so daß der effektive Verwaltungssitz nicht eindeutig einem Staat zuzuordnen ist. 281 Insofern müssen in solchen Fällen andere Kriterien gefunden werden, die eine eindeutige Bestimmung des Verwaltungssitzes erlauben. Ebenroth / Bippus schlagen zwei mögliche Orte als Anknüpfungspunkte vor, den Ort, an dem die Gesellschafter- oder Anteilseignerversammlung abgehalten werden oder den Betriebsmittelpunkt.282 Den Ort der Gesellschafter- oder Anteilseignerversammlung halten sie insofern wenig geeignet, als er zum einen einen breiten Spielraum an Manipulationsmöglichkeiten eröffnet und zum anderen nicht unbedingt einen wesentlichen Bezugspunkt zur Gesellschaft haben muß. Dem Betriebsmittelpunkt geben sie hingegen den Vorzug, da ihrer Meinung nach hier der Spielraum an Manipulationsmöglichkeiten stark eingeschränkt ist. Allerdings räumen sie auch hier Probleme z.B. bei reinen Holdinggesellschaften oder bei Bestehen mehrerer Produktionsstätten einer Gesellschaft ein. Zum einen ist sowohl der Ort der Gesellschafter- oder Anteilseignerversammlung als auch der Betriebsmittelpunkt als alleiniges Kriterium abzulehnen. Deshalb ist dann der Ort zu bestimmen, an dem der Schwerpunkt aller effektiven, tatsächlichen Bindungen der Gesellschaft liegt. Eine konkrete Ausfüllung diese Terminus bleiben Ebenroth / Bippus aber weitgehend schuldig. 277
Vgl. auch Raupach, A. (Einfluß, 1988) S. 505 f. Vgl. Ebenroth, C. / Bippus, B., JZ 1988 S. 677 (678). 279 Vgl. Von der Seipen, C., IPrax 1986 S. 91 (93); Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (424). 280 Vgl. Ebenroth, C. / Bippus, B., JZ 1988 S. 677 (678). 281 Vgl. Ebenroth, C. / Bippus, B., JZ 1988 S. 677 (678 f.). 282 Vgl. Ebenroth, C. / Bippus, B., JZ 1988 S. 677 (680). 278
Α. Grundlegung
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Betrachtet man die in Literatur und Rechtsprechung gebrauchten Definitionen, so ist man auf den ersten Blick geneigt, hier eine durchgängige und widerspruchsfreie Verwendung des Begriffes "Verwaltungssitz" vorzufinden. Bei genauer Betrachtung der Umschreibungen und Definitionen des Verwaltungssitzes zeigt sich jedoch, daß eine stringente Verwendung des Begriffes "Verwaltungssitz" m.E. nicht vorhanden ist. Allein schon in der Definition des BGH in seinem Urteil vom 21.03.1986283 wird ein Widerspruch ersichtlich. Zum einen soll es sich bei dem Verwaltungssitz um den Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der berufenen Vertretungsorgane handeln, zum anderen soll der Ort maßgebend sein, an dem die grundlegenden Entscheidungen eben dieser Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Beide Orte setzt der BGH mit der Verwendung des Wortes "also" gleich. Einmal ist also der Ort der Unternehmensleitung maßgebend und einmal der Ort an dem deren Entscheidungen umgesetzt werden. Beide Orte können nicht gleich gesetzt werden. Es handelt sich hier vielmehr um zwei völlig verschiedene Tätigkeitsbereiche. Daß beide Tätigkeitsbereiche in der Regel am gleichen Ort ausgeübt werden, kann eine solche widersprüchliche Explikation des Explikandums "Verwaltungssitz" nicht rechtfertigen. Diese unscharfe und auch widersprüchliche Definition des Begriffes 284 "Verwaltungssitz" setzt sich auch in der Literatur fort. So zeigen m.E. die Ausführungen Ebenroths die gleichen Schwächen wie die Ausführungen des BGH, wenn er schreibt: "Es kommt entscheidend darauf an, wo dieser Beschluß nach außen erkennbar wird. Diese Erkennbarkeit liegt in der Umsetzung des Beschlusses in Handlungen durch die am Organ nachgeordneten Abteilungen. Der effektive Verwaltungssitz ... ist daher nach h.M. der Ort, an dem die laufenden Geschäftsführungsakte im Rahmen des Willensbildungsprozesses Zustandekommen und umgesetzt werden, nicht dagegen der Ort, an dem die Ausführung letztlich Wirkung zeigt."285 Soll hier der Ort maßgebend sein, an dem die Umsetzung erfolgt oder an dem letztlich die Entscheidungen getroffen werden? Es stellt sich daher die Frage, woher die Probleme, die die Rechtsprechung und die Literatur mit einer widerspruchsfreien und stringenten Definition des Sitzbegriffes haben, kommen. Eine Ursache liegt wohl darin, daß der Verwaltungssitz als Anknüpfungspunkt der Sitztheorie maßgebend ist und daher seine Ausfüllung zweckadequat entsprechend der Grundidee der Sitztheorie
283
BGH v. 21.3.1986, BGHZ 97 S. 269 (272). Die Frage, ob es sich hierbei letztlich um einen Typus oder einen abstrakten Rechtsbegriff handelt, läßt sich m.E nicht so einfach beantworten. Die Unterscheidung bzw. Abgrenzung ist zwischen beiden Erscheinungsformen fließend, sie bilden keine starren Gegensätze, sondern lassen Übergänge zu. So Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 223. 285 MünchKomm - Ebenroth; Nach Art. 10 Anm. 179. 284
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
63
erfolgt ist. 286 Die Grundidee der Sitztheorie beruht auf den Überlegungen, daß das Recht des Staates auf eine Gesellschaft anzuwenden ist, dessen wirtschaftliche und politische Belange sie am meisten berührt. 287 Um der Idee der Sitztheorie Rechnung zu tragen, kann der Verwaltungssitz nur der Ort sein, von dem die größten Einflüsse von der Gesellschaft auf einen Staat ausgehen. Um eine sachgerechte Ausfüllung des Sitzbegriffes zu erzielen, muß eben auf diesen Grundgedanken der Sitztheorie Bezug genommen werden. Es muß also der Ort bestimmt werden, der am meisten von der Gesellschaft tangiert ist. Nach Meinung der Anhänger der Sitztheorie ist das eben nicht der Satzungssitz, sondern der tatsächliche "Verwaltungssitz" einer Gesellschaft. Nur wird mit der Verwendung des "Verwaltungssitzes" eigentlich nur ein unbestimmter Rechtsbegriff durch einen anderen ersetzt, ohne jedoch das Problem zu lösen. Die Entscheidung über den Anknüpfungspunkt liegt sicherlich auf tatsächlichem Gebiet und ist im Ergebnis eine Einzelfallentscheidung. Jedoch gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, daß eine eindeutige Definition des "Verwaltungssitzes" von der Rechtsprechung vorgegeben wird, um so sichere Entscheidungsgrundlagen für den einzelnen zu gewähren. Welcher Ort nun als derjenige zu betrachten ist, der die Interessen eines Staates am meisten tangiert, ist nur aufgrund übergeordneter Prinzipien zu entscheiden. Eine Entscheidung aus der "Natur der Sache" ist jedenfalls nicht möglich.288 Ob dies nun der Ort der tatsächlichen Entscheidungsfindung oder der Ort ist, an dem die Entscheidungen letztlich umgesetzt werden, kann sicherlich nicht definitiv beantwortet werden. Hier handelt es sich im Ergebnis um eine Wertfrage, welcher Ort nun stärkeren Einfluß auf die Interessen eines Staates haben wird. 289 Nur muß man sich eben für einen der beiden entscheiden. Eine sachgerechte Definition des "Verwaltungssitzes" als Anknüpfungspunkt hat m.E. mehreren Anforderungen zu genügen. Es muß sich einmal um einen eindeutig bestimmbaren Ort handeln. Mehrere Orte gleichzeitig können nicht in Frage kommen, da nach der Sitztheorie auf eine Gesellschaft nur eine einheitliche Rechtsordnung zur Anwendung kommen kann. Des weiteren sollte der Ort einfach bestimmbar sein. Hier müssen objektive Kriterien gefunden werden, die eine eindeutige und intersubjektiv nachprüfbare Festlegung des Verwaltungssitzes ermöglichen. Nur so kann der Forderung nach Rechts286 Yg| Z ü r Begründung des Anknüpfungsbegriffes "Sitz" die Ausführungen von Panthen, T. (Sitzbegriff, 1988) S. 218 ff, 228,238 ff, 252 ff. 287 Ygi Koppensteiner, H.-G., (Unternehmen, 1971) S. 123; zur Sitztheorie im einzelnen vgl. Kap. Β I. 2. b). 288 Darauf steUt Großfeld ab. Vgl. Großfeld, B., RabelsZ 1967 S. 1 (23). 289 Koppensteiner verneint die These, daß das Willensbildungszentum einer Gesellschaft stets die engste Verknüpfung zu einem Staat bringt, die die Anwendung dessen Rechtsordnung in jedem Falle rechtfertigen würde. Vgl. hierzu Koppensteiner, H.-G., (Unternehmen, 1971) S. 124 f.
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Α. Grundlegung
Sicherheit Rechnung getragen werden.290 Diese Rechtssicherheit ist nicht nur für die betroffene Gesellschaft von großer Wichtigkeit, auch die anderen von der Gesellschaft tangierten Personen haben ein großes Interesse an einem relativ einfach und sicher feststellbaren Ort als Anknüpfungsmoment für das Gesellschaftsstatut. Zum anderen ist ein längerer Bestand des Anknüpfungspunktes erforderlich, um ein ständiges Wechseln des jeweiligen Gesellschaftsstatutes zu vermeiden.291 Der Ort, der zum einen obigen formalen Anforderungen genügt als auch dem Sinn und Zweck der "Sitztheorie" gerecht wird, ist die "institutionalisierte"292 Geschäftsleitung. Hierbei ist der Ort zu verstehen, an dem die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft tätig werden. 3. Die Abhängigkeit des Zivilrechts vom Steuerrecht im Rahmen des Sitzverständnisses
Die zivilrechtliche Literatur scheint sich der nicht unproblematischen Ausfüllung des Verwaltungssitzes bewußt zu sein. Häufig findet sich nämlich der Hinweis, daß zur näheren Bestimmung des Verwaltungssitzes auf die Geschäftsleitung nach § 10 AO und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. 293 In der Literatur finden sich jedoch auch kritische Stimmen zu dieser These, da das Steuerrecht und das Internationale Gesellschaftsrecht eine andere Zielrichtung verfolgen. 294 Während im Steuerrecht die Begründung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 KStG im Vordergrund steht, geht es im Internationalen Gesellschaftsrecht primär um die Gesellschafter- und Gläubigerschutzinteressen.295 Es stellt sich aber die Frage, ob trotz der unterschiedlichen Zielrichtung von Internationalem Gesellschaftsrecht und dem Steuerrecht beiden nicht doch die gleiche Grundidee hinsichtlich des Anknüpfungsmomentes zugrundeliegt. Wie bereits oben angesprochen, soll im Internationalen Gesellschaftsrecht das Recht des Staates zur Anwendung kommen, der am meisten von der Gesellschaft betroffen ist. Dementsprechend wird der Ort als Anknüpfungspunkt gewählt, der als eigentlicher Mittelpunkt der Gesellschaft zu betrachten ist. Die290 Zum Postulat der Rechtssicherheit bei der Bestimmung des Verwaltungssitzes vgl. auch Sandrock, O. (Korporationen, 1978) S. 181 f. 291 Vgl. auch Panthen, T. (Sitzbegriff, 1988) S. 301 f. 292 So Panthen, T. (Sitzbegriff, 1988) S. 302. 293 Vgl. etwa Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 169; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 184,; Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (323); Ebenroth, C. /Neiß, E., BB 1990 S. 145 (153 f.); Kaligin, T., DB 1985 S. 1449 ( 1450). 294 Vgl. Panthen, T. (Sitzbegriff, 1988) S. 285; Raupach, A. (Einfluß, 1988) S. 506; Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (424). 295 Vgl. Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (424).
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
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se Idee steckt aber auch hinter der Geschäftsleitung als Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Dies drückt der BFH in seinem Urteil vom 1. März 1966 aus, wenn er ausführt: "Durch das Merkmal der Geschäftsleitung soll unter mehreren Orten, zu denen die Kapitalgesellschaft eine Beziehung hat, der dominierende Schwerpunkt bestimmt werden, der für die Zuordnung der Kapitalgesellschaft als Ganzes zur unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik den Ausschlag gibt."296 Die Leitgedanken, die hinter dem Verwaltungssitz als Anknüpfungspunkt für das Internationale Gesellschaftsrecht und der Geschäftsleitung nach § 10 AO als Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht stehen, sind m.E. also identisch. In beiden Fällen soll der "Schwerpunkt" der Gesellschaft bestimmt werden. Die Aussage von Wessel / Ziegenhain, daß die Anforderungen, die das Steuerrecht an die Geschäftsleitung stellt, nicht so hoch seien, wie die, die das Internationale Gesellschaftsrecht an den Verwaltungssitz stellt, sind nicht nachvollziehbar. Die hierbei angeführten Urteile der Finanzrechtsprechung297 lassen keinen Hinweis zu. Gerade das oben angeführte Urteil des BFH vom 1. März 1966 zeigt, daß das Steuerrecht sehr hohe Anforderungen an die Voraussetzungen der Geschäftsleitung nach § 10 AO legt. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine AG mit Sitz in Prag wurde entschädigungslos enteignet, wobei für das im Ausland befindliche Vermögen neben einem in Deutschland ansässigen Abwesenheitspfleger noch weitere, in anderen ansässigen Staaten Personen bestellt waren. Da aber keinerlei Hinweise auf eine gegenüber den anderen Vertretern dominierende Vormachtstellung im Hinblick auf die Befugnisse vorlagen, verneinte der BFH eine inländische Geschäftsleitung. Dieser Leitgedanke setzt sich auch in der jüngeren Rechtsprechung fort, wenn der BFH unter mehreren Orten, an denen die Geschäftsführung tätig wird, die bedeutungsvollste Stelle als Ort der Geschäftsleitung wählt. 298 Die von Wessel/Ziegenhain unterstellte fiskalische Betrachtung der Rechtsprechung ist also nicht nachvollziehbar. Eine ähnliche Unterstellung ließe sich aber genau so gut im Rahmen des Internationalen Gesellschaftsrechtes anbringen. Die Sitztheorie stellt sich als eine Art Schutztheorie dar, die eine Flucht in laxeres Gesellschaftsrecht verhindern will. Der Sitztheorie kann man letztlich ebenso unterstellen, daß im Zweifel das Recht des eigenen Staates zur Anwendung kommen soll, also der Verwaltungssitz statt im Ausland im Inland liegen soll. Als Zwischenergebnis läßt sich also festhalten, daß der Ver296
BFH v. 1.3.1966, BStBl 1966 m S. 207 (208). Vgl. BVerwG v.10.6.1964, HFR 1965 S. 170; BFH v. 16.1.1976, BStBl 1976 H S. 401; FG Düsseldorf ν. 8.10.1980, EFG 1981 S. 148; FG Berlin v. 16.7.1982, EFG 1983 S. 268. 298 Vgl. BFH v. 23.1.1991, BStBl 1991 Π S. 779 (781). 297
5 Herz
Α. Grundlegung
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waltungssitz und die Geschäftsleitung nach § 10 AO in gleicher Weise interpretiert werden können. Vergleicht man aber die Rechtsprechung der Zivilgerichte und die der Finanzgerichte, so ist m.E. keine eindeutige Übereinstimmung gegeben. Im Rahmen der Sitztheorie ist für die Bestimmung des Verwaltungssitzes nicht der Ort der Willensbildung entscheidend, sondern der Ort an dem die Entscheidungen letztlich von nachgelagerten Organen in laufende Geschäftsakte umgesetzt werden. Dieser Ort ist aber nach Ansicht des RFH gerade nicht als Ort der Geschäftsleitung anzusehen, sondern es ist allein der Ort der Willensbildung maßgebend.299 Zumindest in der Rechtsprechung kann von einem einheitlichen Verständnis und einer übereinstimmenden Interpretation nicht gesprochen werden. Auch nach Ebenroth/Auer soll in bestimmten Ausnahmefallen ein Auseinanderfallen von tatsächlichem Verwaltungssitz und dem Ort der geschäftlichen Oberleitung denkbar sein.300 Das verwundert umso mehr, als Ebenroth zur Auslegung des Begriffes des tatsächlichen Verwaltungssitzes in vielen seiner Publikationen auf den Ort der geschäftlichen Oberleitung nach § 10 AO verweist. Seiner Meinung kann aufgrund der Zuordnung zu unterschiedlichen Begriffskategorien, auf der einen Seite Internationales Privatrecht, auf der anderen Seite das Steuerrecht, und der divergierenden Finalität der Begriffe, kein Gleichlauf beider Begriffe von vornherein anzunehmen sein. Insofern seien Ausnahmefälle denkbar, in denen eben ein Auseinanderfallen möglich sei. 301 Konkrete Fälle nennt er jedoch nicht.302 Auch im Zeichen der Rechtssicherheit wäre eine gleichlaufende Interpretation beider Begriffe m.E. wünschenswert und sinnvoll. Aufgrund der für eine Gesellschaft existentiellen Folgerungen aus beiden Anknüpfungspunkten, Frage der Rechtsfähigkeit und der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht, müssen eindeutige Kriterien gefunden werden. Aufgrund des hohen Maßes an Unbestimmtheit beider Begriffe ist der Grundsatz der Rechtssicherheit m.E. 299
Vgl. RFH v. 23.6.1938, RStBl 1938 S. 949. Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 15. 301 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 15; in diesem Sinne auch Raupach, A. (Einfluß, 1988) S. 506. 302 Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Meinung nicht vom gewünschten Ergebnis seines Aufsatzes geprägt ist. In dieser Publikation geht es um die Frage, ob auch ausländische Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein können. Umstritten ist die Frage, ob überhaupt Fälle denkbar sind, bei denen die Geschäftsleitung und der Sitz in zwei verschiedenen Staaten liegen und trotzdem Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 KStG eintreten kann. Wenn dies nicht der Fall wäre, wäre die Bestimmung in § 1 KStG, daß die Geschäftsleitung oder der Sitz im Inland liegen, überflüssig. Wenn die Geschäftsleitung und der tatsächliche Verwaltungssitz auseinanderfallen können, wäre die Oder-Bestimmung auf jeden Fall sinnvoll. Vgl. zu dieser Problematik Kap. F ΠΙ. 2. 300
Π. Die räumlichen Anknüpfungspunkte
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schon bis aufs größte strapaziert. Wenn sich nun beide Begriffe in Nuancen unterscheiden, wird die Ausfüllung beider Begriffe noch schwieriger. Hier kann man im Ergebnis wohl auch von Willkür sprechen. Im Einzelfall wären die steuerlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen nicht mehr absehbar. Gerade im Hinblick auf eine zunehmende Intemationalisierung der Wirtschaft ist ein solcher Zustand m.E. nicht tragbar. Auch die Einheit der Rechtsordnung sollte bei der Auslegung beider Begriffe bedacht werden. Gerade sie soll eine Planbarkeit und Voraussehbarkeit des Handelns gewährleisten. Spitzfindiges Unterscheiden konterkarieren jedoch diese Ansicht.
Β. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft im Regelungsbereich des Internationalen Privatrechts I. Das Gesellschaftsstatut und die Theorien seiner Bestimmung bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften 1. Bestimmung des Gesellschaftsstatuts als Aufgabe des Internationalen Gesellschaftsrechts
a) Der Begriff des Gesellschaftsstatuts Die Grundfrage des Internationalen Gesellschaftsrechts besteht im Festlegen der nationalen Rechtsordnung, der eine Gesellschaft untersteht. Die maßgebende Rechtsordnung wird als Gesellschaftsstatut bezeichnet. Gesellschaftsstatut im Sinne des Internationalen Gesellschaftsrechts ist also nicht die Satzung der einzelnen Gesellschaft.1 Es umfaßt vielmehr alle Fragen der Gesellschaft von deren Beginn bis zu deren Ende,2 es bestimmt deren juristisches Leben.3 Es ist das Heimatrecht der Gesellschaft.4 Das nach dem Personalstatut maßgebende Recht ist zwingend, es kann also weder durch die Satzung noch durch die Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern durch ein anderes Recht ersetzt werden.5 Im Gegensatz zu den natürlichen Personen wird für den Bereich des Kollisionsrechts nicht auf eine "Staatsangehörigkeit" zurückgegriffen. 6 Die Verwendung des Begriffs der Staatsangehörigkeit würde die Anknüpfungsfrage nur verschieben, das Problem jedoch nicht lösen.7 Die Staatsangehörigkeit müßte ihrerseits wiederum durch einen Anknüpfungspunkt bestimmt werden,
1
Vgl. Kaligin, T., DB 1985 S. 1449. Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 11. 3 Vgl.. Eckardt in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 1 AktG Anm. 64. 4 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 11; a.A. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 413, der ein Heimatrecht für Gesellschaften generell ablehnt. 5 Vgl. Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 25; Eckardt in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 1 AktG Anm. 70; Sandrock, O., RIW 1989 S. 505 (506). 6 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 11. 7 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 109. 2
I. Das Gesellschaftsstatut und die Theorien seiner Bestimmung
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so daß es sich hier lediglich um ein unnötiges Zwischenglied handeln würde.8 Lediglich im Bereich des Fremdenrechts wird gelegentlich von einer Staatsangehörigkeit von Gesellschaften gesprochen.9 Da bei Gesellschaften ein eigenes Staatsan- bzw. Staatszugehörigkeitsrecht fehlt, 10 ist es zumindest fraglich, ob man im Fremdenrecht von einem solchen sprechen kann.11 Falls von dem Begriff im Bereich des Fremdenrechts jedoch Gebrauch gemacht wird, ist zu beachten, daß er sowohl von den Voraussetzungen als auch den Rechtsfolgen erheblich von der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen abweicht.12 Im Gegensatz zur eigentlichen Staatsangehörigkeit fehlt es an einer allgemeingültigen Beschreibung, die Inländer- bzw. Ausländereigenschaft wird vielmehr vom jeweiligen Zweck der Rechtsnorm her bestimmt.13 Je nach unterschiedlichem Normzweck gibt es daher verschiedene Kriterien, so daß eine Gesellschaft je nach Vorschrift für den Bereich des Fremdenrechts einmal als Inländer und ein anderes mal als Ausländer gelten kann.14 Die Einordnung als inländische oder ausländische Gesellschaft im Sinne des Fremdenrechts ist getrennt von der Frage der international-privatrechtlichen Anerkennung von Gesellschaften zu sehen. Die Ermittlung des Gesellschaftsstatuts und die Bestimmung der Inländer- und Ausländereigenschaft sind also nicht identisch.15
b) Anknüpfungsmomente zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts Die Beantwortung der Frage, wie gesellschaftsrechtlich relevante Sachverhalte international anzuknüpfen sind, erfordert zunächst eine Begriffsbestimmung des Objekts der Anknüpfung.16 Da das Gesetz keine Regeln zum Internationalen Gesellschaftsrecht enthält und daher keine Aussage zur Ermittlung des maßgebenden Gesellschaftsstatuts trifft, ist es in der Literatur umstritten, an welches konkrete Element des Sachverhalts anzuknüpfen ist.17 In der neueren Literatur werden grundsätzlich nur noch zwei Möglichkeiten der Anknüpfung erörtert: zum einen der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung und zum anderen der Wille der Gründer. Im ersten Falle wird also an das Recht des Staates angeknüpft, in dem sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Ge8
Vgl. Großfeld, B. RabelsZ 1967, S. 1 (4). Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht Bd. 1,1980) S. 830. 10 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht Bd. 1,1980) S. 830. 11 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 11. 12 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht Bd. 1,1980) S. 830. 13 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 562. 14 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 563. 15 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 563 f. 16 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 86. 17 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 12.
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. Internationales Privatrecht
sellschaft befindet. Im zweiten Fall kommt das Recht des Staates zur Anwendung, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet wurde. Dementsprechend spricht man von der sog. Sitz- und der Gründungstheorie. In der älteren Literatur wurden auch andere Anknüpfungsmomente diskutiert, die jedoch in der neueren Literatur nicht mehr vertreten werden.18 Zu erwähnen sind hier insbesondere der Ort der Kapitalzeichnung, die Staatsangehörigkeit der Gesellschafter oder der Organe, dierichterliche Festsetzung nach den Umständen des Einzelfalles, die Konzessionstheorie oder der Gründungsort. Die Anknüpfung an den Gründungsort ist nicht mit der Gründungstheorie zu verwechseln. Im ersten Falle ist die Gesellschaft nach dem Recht des Ortes der Vornahme des Gründungsgeschäftes zu beurteilen; es ist also das Recht des Ortes maßgebend, an dem das Gründungsgeschäft abgeschlossen wurde. Im Rahmen der Gründungstheorie ist hingegen der Ort maßgebend, nach dessen Recht die Gesellschaft ausgestaltet wurde. Beide Orte können in jedem Falle voneinander abweichen.19 c) Anerkennung als Ausfluß des Gesellschaftsstatuts Der Begriff der Anerkennung wird häufig auf eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene angewendet, so daß von keiner stringenten Verwendung des Terminus ausgegangen werden kann.20 Insofern leidet auch die Diskussion über das Problem der Anerkennung an der Unklarheit der Bedeutung des Begriffs "Anerkennung", wobei häufig eine Vermengung von fremdenrechtlichen und kollisionsrechtlichen Gesichtspunkten erfolgt. 21 Der Begriff "Anerkennen" sagt zunächst nur, daß ausländisches Recht angewandt wird, so daß auch die ausländischen Rechtsfolgen im Inland eintreten.22 Für den Bereich des Internationalen Gesellschaftsrechts hat er jedoch eine leicht modifizierte Bedeutung. Hier geht es nicht um die Anwendung fremden Rechts, sondern um die vorgelagerte Frage der Anwendbarkeit einer fremden Rechtsordnung.23 Bei der Anerkennung ausländischer Gesellschaften steht die Frage im Mittelpunkt, ob eine nach fremdem Recht gegründete und mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Gesellschaft auch im Inland als existent 18 Vgl. hierzu mit eingehender Diskussion Grasmann, G. (System, 1970) S. 107 113; Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 71 ff. 19 Vgl. Grasmann, G. (System, 1970) S. 108. 20 Vgl. Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979, S. 314 (314). 21 Vgl. Behrens, P., ZGR 1978, S. 499 (499). 22 Vgl. u.a. Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979, S. 315 (315); Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 417; Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 191. 23 Vgl. Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (315).
I. Das Gesellschaftsstatut und die Theorien seiner Bestimmung
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behandelt und ihr damit auch im Inland eigene Rechtspersönlichkeit zugesprochen wird. 24 Umstritten ist, ob die Frage der Anerkennung getrennt von der Frage des maßgeblichen Personalstatuts zu beantworten ist, oder ob die Anerkennung Bestandteil des Personalstatuts und damit automatisch mitentschieden ist. Ein Teil der Autoren vertritt die Ansicht, daß es eine eigenständige Anerkennungsproblematik gibt, die getrennt von der Bestimmung des Personalstatuts zu beantworten ist.25 Sie begründen ihre Ansicht damit, daß das Recht der Außenverhältnisse getrennt vom Recht der Innenverhältnisse beurteilt werden muß, da bei juristischen Personen eine Vielzahl von Interessen zusammenträfen, die im Einzelfall noch ungeklärt sind.26 Im Ergebnis kann dies bedeuten, daß auf eine Gesellschaft zwei verschiedene Rechtsordnungen zur Anwendung kommen können.27 Genau an dieser möglichen Zweiteilung des anzuwendenden Rechts entzündet sich die Kritik an der Theorie einer eigenständigen Anerkennungsfrage. Zwischen den einzelnen Regelungsbereichen des Gesellschaftsrechts besteht nach Ansicht von Ebenroth und Sura ein Funktionszusammenhang, "... der dieses Normensystem zu einem geschlossenen Organismus formt." 28 Das Gesellschaftsstatut regelt daher sämtliche Rechtsbeziehungen abschließend.29 Die wohl h.M. 30 hat sich dieser Ansicht angeschlossen, so daß nach heutigem Stand die Frage der Anerkennung mit der Bestimmung des Personalstatuts entschieden ist. Die Anerkennungsfrage wurde aber nicht schon immer in dieser Weise entschieden, sie unterlag vielmehr einem historischen Entwicklungsprozeß, der sein momentanes Ende in der automatischen Anerkennung der Gesellschaften gefunden hat.31 Automatische Anerkennung bedeutet, daß es keines besonderen Anerkennungsaktes mehr bedarf, um der Gesellschaft Rechtsfähigkeit zu verleihen. Insofern hat der Begriff der Anerkennung dann keine eigene Existenzberechtigung mehr. 32 Ist also das maßgebliche Personalstatut bestimmt, so ist auch über die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bereits entschieden. Die von einem ausländischen Staat verlie24
Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 156. Vgl. insbes. Großfeld, B. (Praxis, 1975) S. 26 Fn. 1; ders., RabelsZ 1967, S. 1 (3); ders., (Entwicklung, 1974) S. 199 Fn. 2; Grasmann, G. (System, 1970) S. 94 - 97. 26 Vgl. Großfeld, B., RabelsZ 1967 S. 1 (3). 27 Vgl. Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (317 f.). 28 Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (318). 29 Vgl. Behrens, P., ZGR 1978 S. 499 (511); Kaligin, T., DB 1985 S. 1449 (1449). 30 Vgl. Behrens, P., ZGR 1978 S. 499 (511); Beitzke, G. (Bemerkungen, 1976) S. l l f ; Drobnig, U., ZHR 1967 S. 93 (110 ff); ders., AG 1973 S. 90 (92f); Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (318); Ebenroth, C. / Bippus, B., NJW 1988 S. 2137 (2141); MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 132. 31 Vgl. Behrens, P, ZGR 1978 S. 499 (501); Drobnig, U. (Skizzen, 1978) S. 693; Großfeld, B., RabelsZ 1974 S. 344 (345). 32 Vgl. Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 780. 25
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Β. Internationales Privatrecht
hene Rechtsfähigkeit wird allerdings in der Bundesrepublik nicht in jedem Falle anerkannt. Voraussetzung ist hier vielmehr, daß sie von dem nach deutscher Auffassung zuständigen Staat, d.h. dem nach deutschen Internationalen Privatrecht richtigenStaat gewährt wurde.33 Die Anerkennung und damit die Existenz und der Umfang der Anerkennung richten sich nach dem ausländischen Gesellschaftsstatut. 3 4 Dementsprechend ist der Umfang der Rechte, die eine Gesellschaft hat, durch das Gesellschaftsstatut begrenzt. Das Kollisionsrecht kann diese nicht erweitern.35 Dies gilt unabhängig davon, ob die ausländische Gesellschaft mit einem ausländischen Typus übereinstimmt.36 Ausländische Gesellschaftstypen werden also auch dann in der Bundesrepublik anerkannt, wenn es im deutschen Recht keinen vergleichbaren Gesellschaftstypus gibt.37 Der Umfang der Rechtsfähigkeit bestimmt sich nur nach dem Recht des zuständigen Staates. Gesellschaften werden selbst dann in der Bundesrepublik ohne eigenen Anerkennungsakt als rechtsfähig behandelt, wenn bei einem vergleichbaren deutschen Gesellschaftstyp eine Genehmigung erforderlich wäre.38 Entscheidend für die Anerkennung der Rechtsfähigkeit ist also nicht, daß die ausländische Gesellschaft von ihrem Typus her den Gesellschaften mit eigener Rechtsfähigkeit nach deutschem Recht entspricht, sondern nur, daß die Rechtsfähigkeit von dem nach deutschem Internationalen Privatrecht zuständigen Staat verliehen wurde. Es stellt sich daher nun die Frage, wie die Rechtsordnung und damit das Gesellschaftsstatut zu ermitteln sind. 2. Anknüpfungstheorien für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts
Bei der Bestimmung der maßgebenden auf die Gesellschaften anzuwendenden Rechtsordnung kommen grundsätzlich zwei Alternativen in Frage; zum einen besteht die Möglichkeit, daß die Rechtsverhältnisse einer juristischen Person allumfassend von einer nationalen Rechtsordnung geregelt werden. Zum anderen ist es denkbar, daß auf die Gesellschaften mehrere nationale Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen. Wird die Gesellschaft dem Recht einer einzigen Rechtsordnung unterworfen, so spricht man von den sog. Ein33 Vgl. Großfeld, B., RabelsZ 1967 S. 1 (11); Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 780. 34 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 130. 35 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 130. 36 Vgl. Großfeld, B., RabelsZ 1967 S. 1 (10); Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 150 ff. 37 Eine Einschränkung kann sich lediglich aus dem odre public ergeben; Vgl. hierzu Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 131. 38 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 130.
I. Das Gesellschaftsstatut und die Theorien seiner Bestimmung
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heitslehren.39 Da die h.M. die Einheitslehren favorisiert und im folgenden allein die Konsequenzen der Einheitslehren behandelt werden, werden die sog. Differenzierungslehren von einer weiteren Darstellung ausgeklammert.40 a) Gründungstheorie Nach der Gründungs- oder Inkorporationstheorie wird das Personalstatut durch das Recht des Staates bestimmt, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet wurde.41 Demnach ist es allein dem Willen der Gründer überlassen, welches Recht auf ihre Gesellschaft zur Anwendung kommen soll.42 Die Gründer sollen das Gesellschaftsstatut frei bestimmen können.43 Es steht dem Willen der Gründer frei, welcher Rechtsordnung sie die Gesellschaft unterwerfen wollen. Entscheidend ist allein, daß bei der Gründung die maßgeblichen Vorschriften des jeweiligen Staates, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet wurde, beachtet wurden.44 In allen Staaten - auch in denen, die die Gründungstheorie vertreten - wird die wirksame Gründung davon abhängig gemacht, daß die Gesellschaft den Satzungssitz in dem Staat nimmt, nach dessen (Sach-) Recht sie gegründet werden soll.45 Die Anerkennung nach der Gründungstheorie setzt daher voraus, daß die Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat auch ihren Satzungssitz hat. Auf Gesellschaften ist also unter Heranziehung des Kollisions- und des Sachrechts die Rechtsordnung des Staates anzuwenden, in dem sich der Satzungssitz der Gesellschaft befindet. 46 Sofern die Gesellschaft in einem Staate daher einmal wirksam gegründet wurde, so ist sie auch für die Zukunft in allen anderen Staaten als solche anzu-
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Vgl. Grasmann, G. (System, 1970) Tz. 3f.; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 10. 40 Die Differenzierungslehren wird im deutschen Schrifttum insbesondere von zwei Autoren vertreten. Sandrock favorisiert die sog. Überlagerungstheorie. Vgl. hierzu im einzelnen Sandrock, O. (Korporation, 1978) S. 200 ff.; ders., RabelsZ 1978 S. 227 (246 ff); Grasmann vertritt die sog. Differenzierungstheorie. Vgl. hierzu Grasmann, G. (System, 1970) Tz. 615 ff. 41 Vgl. Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 92; Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 4; Grasmann, G. (System, 1970) S. 104; Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 125; Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 5 Anm. 2; Palandt - Heldrich, Anh zu EGBGB Art. 12 Tz. 1; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 13; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 783. 42 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 125. 43 Vgl. Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 16. 44 Vgl. Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 4. 45 Vgl. Koppensteiner, H.-G. (Unternehmen, 1971) S. 105. 46 Vgl. Behrens, P., EuZW 1992 S. 550; Ebenroth, C. (Konzernkollisionsrecht, 1978) S. 11 Fn. 7.
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Β . Internationales Privatrecht
erkennen,47 wobei sich die rechtliche Ausgestaltung nach dem Gründungsstatutrichtet.Als Grenzen der freien Rechtswahl werden im allgemeinen der ordre-public-Vorbehalt und die Lehre von der Gesetzesumgehung gesehen.48 Die Gründungstheorie ist im 18. Jahrhundert in England entwickelt worden 4 9 Der Grund für ihre Entwicklung war zum damaligen Zeitpunkt wohl darin zu erblicken, daß sie die in Übersee herrschende Kapitalmacht der Engländer stützten sollte.50 Sie herrscht auch heute noch im anglo-amerikanischen Rechtskreis vor. 51 In den USA ist sie allerdings so vielen Einschränkungen unterworfen worden, daß dort nur noch eingeschränkt von dem Vorherrschen der Gründungstheorie gesprochen werden kann.52 In Europa wird sie vor allem von der Schweiz, den Niederlanden und Dänemark vertreten.53 Aber auch das EWG-Übereinkommen vom 29.2.1968 Schloß sich in seinem Regelungsgehalt im wesentlichen der Gründungstheorie an. 54 Gemäß Art. 1 und 2 des Übereinkommens sind Gesellschaften, die die in den Art. 1 und 2 geforderten Voraussetzungen erfüllen, in allen anderen Staaten anzuerkennen, soweit sie ihren satzungsmäßigen Sitz innerhalb des Hoheitsgebietes haben, für die das Abkommen gilt. Nach Art. 6 haben die Gesellschaften die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit, die ihnen nach dem Recht des Inkorporationsstaates verliehen wird, d.h. die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit unterliegen grundsätzlich dem Recht des Gründungslandes.55 Allerdings macht Art. 7 S. 1 hiervon eine wesentliche Ausnahme, die letztlich eine nicht unbeachtliche Einschränkung des in Art. 6 niedergelegten Grundsatzes zur Folge haben kann. Das übrige für Gesellschaften geltende Recht ist nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts wie gehabt zu ermitteln.56 Das EG-Übereinkommen betrachtet die Anerkennung daher als Teilkollisionsregel.57 In diesen Punkten folgt das Übereinkommen der Gründungstheorie.58 Eine Abkehr von der Gründungstheorie beschreiten allerdings Art. 3 und 4 des 47
Vgl. Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (327). Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 125; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 152-160. 49 Vgl. Großfeld, B. (Entwicklung, 1974) S. 200 ff; Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 125. 50 Vgl. Beitzke, G. (Bemerkungen, 1976) S. 8. 51 Vgl. Großfeld; B. (Entwicklung, 1974) S. 200 ff; Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 126. 52 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 23. 53 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 126. 54 Der Vertragstext ist abgedruckt in Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 99. 55 Vgl. Drobnig, U., AG 1973 S. 125 (126). 56 Vgl. BT-Drs. VI 1976 S. 19 zu Art. 6. 57 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 781. 58 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 98. 48
I. Das Gesellschaftsstatut und die Theorien seiner Bestimmung
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Abkommens. Art. 3 läßt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit offen, auf Gesellschaften, deren tatsächlicher Verwaltungssitz sich außerhalb des Vertragsgebietes befindet, das Abkommen nicht anzuwenden. In diesen Fällen gilt also das normale Kollisionsrecht der betreffenden Staaten. Im Gegensatz zu Art. 3 sind die sich aus Art. 4 ergebenden Konsequenzen nicht so drastisch. Während Art. 3 die Möglichkeit bietet, die Rechtsfähigkeit der betreffenden Gesellschaften völlig abzulehen, gestattet Art. 4 des Übereinkommens lediglich, daß die einzelnen Vertragsstaaten ihr eigenes Recht auf Gesellschaften mit tatsächlichem Sitz im Vertragsgebiet anwenden. Art. 4 kann also nicht zur völligen Versagung der Rechts-, Geschäfts-, Handlungs- und Parteifähigkeit führen. 59 Im Ergebnis sind die Gesellschaften im Vorbehaltsland zwei Rechtsordnungen unterworfen. 60 Letztlich muß die Gesellschaft den Anforderungen zweier Rechtsordnungen genügen. In aller Regel wird dies jedoch nicht möglich sein, so daß ein Geschäftsbetrieb der Gesellschaft weitgehend unmöglich sein wird. 61 Sofern das zwingende Recht beider Staaten miteinander unvereinbar ist, bleibt offen, welches Recht eines Staates anzuwenden ist. Häufig würde es daher erforderlich sein, den Geschäftsbetrieb in eine neu zu gründende Tochtergesellschaft einzubringen.62 Art. 4 entfernt sich also stark von der reinen Gründungstheorie; er ist Ausdruck der sog. Überlagerungstheorie und führt zu einem gespaltenem Gesellschaftsstatut.63
b) Sitztheorie Nach der Sitztheorie bestimmt sich das Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat.64 Voraussetzung für die Anerkennung ist zum einen, daß die Gesellschft wirksam gegründet wurde, die maßgeblichen Gründungsvorschriften des Gründungsstaates also berücksichtigt wurden. Darüber hinaus stellt die Sitztheorie im Gegensatz zur Gründungstheorie noch das weitere Erfordernis auf, daß sich im Gründungsstaat auch der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft befindet. 65 Sofern diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wird auf die Gesellschaft im Sitzstaat dessen Gesellschaftsrecht angewendet. Die Konse59 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 98, der dies aus Art. 7 S. 2 ableitet; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 794. 60 Vgl. Drobnig, U., AG 1973 S. 90 (96). 61 Vgl. Drobnig, U., AG 1973 S. 90 (97). 62 Vgl. Drobnig, U., AG 1973 S. 90 (97). 63 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 98; zur Überlagerungstheorie im einzelnen Vgl. insbes. Sandrock, O. (Korporation, 1978) S. 200 ff. 64 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 109; Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 16 f.; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Tz. 177; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 18; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 784 f. 65 Vgl. Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (322 f.).
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quenz hieraus ist, daß diese als nicht existent behandelt wird, da sie aufgrund mangelnder Beachtung der Gründungsvorschriften des Sitzstaates nicht wirksam gegründet wurde. Eine Gesellschaft ausländischen Rechts kann daher im Inland nicht wirksam gegründet werden.66 Der hinter der Sitztheorie stehende Grundgedanke ist der, daß ein Rechtsverhältnis der Rechtsordnung unterliegt, die an dem Ort gilt, wo es seinen Schwerpunkt, also seinen "Sitz" hat.67 Die Wahlfreiheit der Gründer wird damit erheblich eingeschränkt.68 Es steht also nicht mehr die Parteiautonomie im Vordergrund, sondern es sollen die Interessen des am meisten betroffenen Staates berücksichtigt werden.69 Sie billigt dem Staat ein Wächteramt darüber zu, welche Gesellschaftsformen in seinem Hoheitsgebiet zugelassen werden sollen.70 So sollen die Flucht in laxere Gesellschaftsstatute und die Eingriffe des Auslandes in die inländische Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialstruktur verhindert werden.71 Sandrock betrachtet die Entwicklung der Sitztheorie als Ausfluß des Nationalstaatsgedankens.72 Ähnlich wie bei natürlichen Personen soll nach diesem Gedankengut die Gesellschaft ausschließlich der "Herrschaft" einer Nation unterstellt sein. Die juristische Person soll der Kontrolle und der Staatsmacht des Staates unterworfen sein, in dessen Staatsgebiet sie ihren tatsächlichen Sitz nimmt. Eine den natürlichen Personen vergleichbare doppelte Staatsbürgerschaft in Form der Gründungstheorie ist der Lehre des Nationalstaates fremd. Die Gesellschaft kann demnach nur ein Personalstatut besitzen, das aus einem einzigen nationalen Gesellschaftsrecht, dem des Sitzstaates, abgeleitet ist. Uneinigkeit bestand in früherer Zeit wohl darüber, was unter dem Sitz zu verstehen ist. Insofern gab es eine Mehrzahl verschiedener Sitzbegriffe. 73 Als möglicher Sitz wurden der Betriebsmittelpunkt und Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit, die tatsächliche Geschäftsleitung und Verwaltung, der Ort der Tätigkeit der zur Vertretung berufenen Organe, der Ort der Abhaltung der Gesellschafterversammlungen und der im Gründungsgeschäft, in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag bezeichnete Ort. 74 Die heute wohl ganz h.M., die 66
Vgl. MünchKomm- Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 177. Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 109. 68 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 177. 69 Vgl. Großfeld, B., RabelsZ 1967 S. 1 (23); MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 177; Rehbinder, E., IPrax 1985 S. 324. 70 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Tz. 177; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 31. 71 Vgl. Kaligin, T., DB 1985 S. 1449 (1449). 72 Vgl. hierzu im einzelnen Sandrock, O., RIW 1989 S. 505 (505 ff.). 73 Vgl. Grasmann, G. (System, 1970) S. 114 f. 74 Vgl. hierzu Grasmann, G. (System, 1970) S. 116 -126. 67
Π. Die unterschiedlichen Konsequenzen von Sitz- und Gründungstheorie
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sich für die Sitztheorie ausspricht, bezeichnet als den maßgebenden Sitz den Verwaltungssitz.75 Der Grund für den Verwaltungssitz liegt wohl darin, daß auch in anderen Rechtsbereichen der Verwaltungssitz als maßgebender Sitz Verwendung findet, so z.B. in § 24 BGB, §17 Abs. 1 S. 2 ZPO und § 5 Abs. 1 AktG i.V.m. § 5 Abs. 2 AktG. 76
Π. Die unterschiedlichen Konsequenzen von Sitz- und Gründungstheorie für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften 1. Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz zum Zeitpunkt der Gründung
a) Verwaltungssitz
im Inland
Geht man von der in Deutschland wohl noch herrschenden Sitztheorie77 aus, so bedeutet ein inländischer Verwaltungssitz, daß die Regelungen des deutschen Rechts anzuwenden sind. Ob die Gesellschaft Rechtsfähigkeit erlangt, bestimmt sich in diesen Fällen allein nach deutschem Recht.78 Voraussetzung für die Erlangung der Rechtsfähigkeit ist nach § 11 Abs. 1 GmbHG bzw. nach § 41 Abs. 1 AktG, daß die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist. Vor Eintragung erlangt die Gesellschaft als solche also keine Rechtsfähigkeit. Die Eintragung in das Handelsregister ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Gesellschaft ihren Satzungssitz im Inland hat.79 Befindet sich der Sat75 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 109; Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 16 f.; Kaligin, T., DB 1985 S. 1449 (1449); MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 177; Palandt - Heldrich, Anh zu EGBGB 12 Tz. 2, 3; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 18; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 783. 76 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 18. 77 Die Sitztheorie wird vertreten u.a. von Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 414 ff.; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 177 ff.; Palandt - Heldrich, Anh. zu EGBGB Art. 12 Tz. 2, 18; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 29 ff. Auch die Rechtsprechung vertritt die Sitztheorie. Vgl. etwa BGH v. 30.1.1970, BGHZ 53 S. 181 (183); BGH v. 5.11.1980, BGHZ 78 S. 318 (334); BGH v. 21.3.1986, BGHZ 97 S. 269 (271); OLG Frankfurt v. 3.6.1964, NJW 1964 S. 2355; OLG Nürnberg v. 25.4.1967, DB 1967 S. 1411; OLG Nürnberg v. 7.6.1984, RIW 1985 S. 494; LG Rottweü v. 28.1.1985, RIW 1986 S. 636; LG Köln v. 25.11.1985, RIW 1987 S. 54 (54 f.); OLG Hamburg v. 20.2.1986, NJW 1986 S. 2199; OLG München v. 6.5.1986, NJW 1986 S. 2197 (2198); OLG Oldenburg v. 4.4.1989, RIW 1990 S. 1019; OLG Frankfurt v. 24.4.1990, DB 1990 S. 1224 (1224 f.); OLG Zweibrücken v. 27.6.1990, DB 1990 S. 1660; zweifelnd BayOLG v. 21.3.1986, NJW 1986 S. 3029 (3029 f.). 78 Vgl. BGH v. 30.1.1970, BGHZ 53 S. 181. 79 Vgl. Kap. ΑΠ. 2. a).
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Β . Internationales Privatrecht
zungssitz bei einem inländischen Verwaltungssitz im Ausland, so kann demnach keine Eintragung ins Handelsregister erfolgen. Die Gesellschaft kann daher keine Rechtsfähigkeit erlangen.80 Zu unterscheiden ist hier einmal der Fall, daß eine Gesellschaft zwar nach deutschem Recht gegründet werden soll, aber der Satzungssitz im Ausland liegen soll. Wie oben bereits dargelegt, ist es für die Eintragung der Gesellschaft erforderlich, daß sie ihren Satzungssitz in einer Gemeinde im Inland hat. Fraglich ist in diesem Fall, ob es sich hierbei trotzdem um eine Vorgesellschaft handelt, also um eine bereits gegründete, aber noch nicht eingetragene Gesellschaft. Die Vorgesellschaft beginnt mit der notariellen Beurkundung der Gesellschaftssatzung, also dem wirksamen Abschluß des Gesellschaftsvertrages nach § 2 GmbHG.81 Voraussetzung für eine echte Vorgesellschaft ist jedoch, daß die Gründer die Absicht haben, die Eintragung der GmbH zu betreiben. Fehlt es an dieser Absicht, so liegt trotz Bestehens eines notariellen Gesellschaftsvertrages nur eine unechte Vorgesellschaft vor mit der Folge, daß die Grundsätze für echte Vorgesellschaften nicht gelten.82 Im Falle eines ausländischen Satzungssitzes mag zwar die Eintragungsabsicht bestehen, sie kann jedoch aufgrund des mangelnden Sitzerfordernisses nicht eingetragen werden83. Hier wird man das Vorliegen der Voraussetzungen einer echten Vorgesellschaft verneinen müssen mit der Folge, daß das Recht der Vorgesellschaft nicht zur Anwendung kommen kann.84 Bei diesen Gesellschaften handelt es sich dann je nach Gegenstand des Unternehmens um eine oHG oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.85 Daneben besteht die weitere Fallvariante, daß die Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in dem Staat hat, nach dessen Recht sie gegründet wird. Auch wenn die Gesellschaft nach dem Recht des Sitzstaates wirksam gegründet wurde, erlangt sie im Inland keine Rechtsfähigkeit. Das gilt auch dann, wenn sie im Gründungsstaat als rechtsfähiges Gebilde anerkannt wird. Die Sitztheorie verneint jedoch auch in diesen Fällen die Rechtsfähigkeit. Es handelt sich um eine nicht existente Rechtsperson.86 Diese Fälle sind insbesondere bei den sog. "Briefkastengesellschaften" gegeben. Hierbei handelt es sich um Gesellschaften, bei denen sich am Ort des 80
Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 210; Staudinger - Großfeld, IntGesR, Tz. 69; Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 6; BGH v. 30.1.1970, BGHZ 53 S. 181 (183). 81 Vgl. Hachenburg - Ulmer, § 11 GmbHG Anm. 11,16. 82 Vgl. Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 28; Hachenburg - Ulmer, § 11 GmbHG Anm. 14. 83 Vgl. im Ergebnis Scholz / Westermann, GmbHG, Einleitung Anm. 101. 84 Vgl. auch Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 28. 85 Vgl. Scholz / Schmidt, GmbHG, § 11 Anm. 143. 86 Vgl. Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 24.
Π. Die unterschiedlichen Konsequenzen von Sitz- und Gründungstheorie
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statutarischen Sitzes lediglich ein "Briefkasten" befindet, dort aber weder ein Geschäftsbetrieb unterhalten wird noch sich dort ihr Verwaltungsorgan befindet.87 Selbst wenn am Ort des Satzungssitzes das gesetzliche Verwaltungsorgan der Gesellschaft tätig ist, wird die Gesellschaft im Inland nicht anerkannt, da sie hierdurch keinen effektiven Verwaltungssitz am statutarischen Sitz begründet 88 Nur in den Fällen, in denen die Briefkastengesellschaft keinen Geschäftsbetrieb hat und der Geschäftszweck einen Geschäftsbetrieb mit Büro, Angestellten etc. nicht erfordert, ist die Gesellschaft anzuerkennen, wenn das Geschäftsführungsorgan am satzungsmäßigen Sitz tätig ist. Ist das Geschäftsführungsorgan jedoch nur auf dem Papier am satzungsmäßigen Sitz tätig, während die Geschäfte tatsächlich im Inland geführt werden, so liegt der Verwaltungssitz im Inland.89 Anders sieht es hingegen bei der Errichtung bloßer Zweigniederlassungen90 durch ausländische Gesellschaften im Inland aus. Die Zweigniederlassung begründet keinen eigenen effektiven Verwaltungssitz im Inland. Der effektive Verwaltungssitz im Sinne der Sitztheorie befindet sich weiterhin am Ort der Hauptniederlassung.91 Haupt- und Zweigniederlassung unterliegen also einheitlich dem Recht der Hauptniederlassung.92 Nur in den Fällen, in denen die "Muttergesellschaft" keinen eigenen Geschäftsbetrieb und keine eigene Verwaltung unterhält, sondern vielmehr nur für den Zweck gegründet wurde, um den inländischen Betrieb als Zweigniederlassung registrieren zu können, wird sich der effektive Verwaltungssitz am Ort der Zweigniederlassung befinden. Die Rechtsfähigkeit ist demnach zu verneinen.93 Eine andere Beurteilung ergibt sich hingegen bei der Anwendung der Gründungstheorie. Hiernach ist es nur erforderlich, daß die Gesellschaft in einem Staat wirksam gegründet wurde. Sofern also der "Gründungsstaat" eine Gründung auch zuläßt, wenn sich der tatsächliche Verwaltungssitz zum Zeitpunkt der Gründung im Ausland befindet, so liegt ein eigenes mit Rechtsfähigkeit versehenes Rechtssubjekt vor. Es ist also unerheblich, ob sich der Satzungssitz und der Verwaltungssitz Gesellschaft zum Zeitpunkt der Gründung im Inland befinden. Aus deutscher Sicht wäre dann eine Gesellschaft auch dann anzuerkennen, wenn sich ihr Satzungssitz im Ausland (dem Gründungsstaat) und ihr Verwaltungssitz im Inland (Deutschland) befindet. 87
Vgl. v. Falkenhausen, J., RIW 1987 S. 818 (819). Vgl. v. Falkenhausen, J., RIW 1987 S. 818 (819). 89 Vgl. v. Falkenhausen, J., RIW 1987 S. 818 (819). 90 Zum Begriff Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 74. 91 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR, Tz. 569; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 74 ff.; Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 25. 92 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 82 - 85. 93 Vgl. v. Falkenhausen, J., RIW 1987, S. 818 (820), Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 25. 88
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b) Verwaltungssitz
im Ausland
Während die Behandlung von Gesellschaftsgründungen mit ausländischem Satzungssitz und inländischem Verwaltungssitz von den Vertretern der Sitztheorie einheitlich beurteilt wird, sind die Meinungen zum umgekehrten Fall, Verwaltungssitz im Ausland und Satzungssitz im Inland, differenzierter. Der Kernpunkt des Streites bildet die Frage, ob auch in diesen Fällen die Sitztheorie überhaupt zur Anwendung kommen soll. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es zunächst nicht erforderlich, daß sich der Verwaltungssitz im Inland befinden muß. Als Satzungssitz kann gem. § 5 Abs. 2 AktG auch ein Ort gewählt werden, an dem sich ein Betrieb der Gesellschaft befindet. Dieser Grundsatz, daß sich der Satzungssitz nicht notwendig mit dem Ort der Geschäftsleitung oder dem Ort der Verwaltung decken muß, gilt auch für die GmbH.94 Daraus schließt ein Teil der Literatur, namentlich die Vertreter der Gründungstheorie, daß der Verwaltungssitz zum Zeitpunkt der Gründung auch im Ausland liegen darf. 95 Im Ergebnis bedeutet dies, daß Gesellschaften auch dann anerkannt werden, wenn sich der Satzungssitz im Inland und der Verwaltungssitz im Ausland befindet. Auf diese Gesellschaften soll dann deutsches Recht zur Anwendung kommen. Wiedemann vertritt zwar auch die Auffassung, daß auf solche Gesellschaften deutsches Recht Anwendung finden soll.96 Die Begründung hierfür ist jedoch eine andere. Seiner Ansicht nach würde der Grundgedanke, der der Sitztheorie zugrunde liegt, in diesen Fällen konterkariert. Bei solchen Gesellschaften liegt es gerade im deutschen Interesse, deutsches Recht anzuwenden. Bei konsequenter Verfolgung der Sitztheorie würde hingegen nicht deutsches Recht, sondern es würde das Recht des Sitzstaates zur Anwendung kommen, obwohl im Inland aufgrund des Bestehens eines Betriebes wesentliche schutzwürdige Interessen vorliegen. Die Mehrheit der Befürworter der Sitztheorie wollen bei der Behandlung von Gesellschaften darauf abstellen, ob der Sitzstaat der Sitz- oder der Gründungstheorie folgt. 97 Vertritt dieser ebenfalls die Sitztheorie, so erfordert der Entscheidungseinklang, daß die Sitztheorie einheitlich angewendet wird mit dem Ergebnis, daß die Gesellschaft nicht als Rechtssubjekt anerkannt wird. Der Entscheidungseinklang ist insofern erforderlich, da stets die Interessen des
94
Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 135; Vgl. auch Kap. Α Π. 2. a). Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 135; Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 88 und S. 106 f; Werner, W., AG 1990 S. 1 (3). 96 Vgl. Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 199 f. 97 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 211; Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 6; Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 25 ff. 95
Π. Die unterschiedlichen Konsequenzen von Sitz- und Gründungstheorie
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am meisten betroffenen Staates gewahrt werden müssen.98 Wiedemann hingegen legt einen anderen Schwerpunkt. Seiner Meinung nach hat der Schutz der betroffenen Personengruppen in Deutschland Vorrang vor einem internationalen Entscheidungseinklang.99 Er stellt also die deutschen Interessen über die des ausländischen Staates, obwohl dieser unter Umständen wesentlich stärker betroffen ist als das Inland. 100 Folgt man hingegen der Ansicht der Befürworter einer strengen Anwendung der Sitztheorie, so ist die Gründung auch hier nicht möglich, die Gesellschaft wird als nicht existent behandelt.101 Einer anderen Behandlung soll die Gesellschaft jedoch dann unterliegen, wenn der Sitzstaat die Gründungstheorie vertritt. In diesen Fällen kommt die Rück- oder Weiterverweisung102 in Betracht, die die Sitztheorie ergänzen.103 Die in Deutschland gegründete Gesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland wird daher auch dann nach der Sitztheorie in Deutschland als Rechtssubjekt anerkannt, wenn der ausländische Sitzstaat der Gründungstheorie folgt und die Gesellschaft seinerseits dem Recht des Gründungsstaates Deutschland unterstellt.104 Voraussetzung hierfür ist aber, daß die Gesellschaft in Deutschland einen zulässigen Satzungssitz unterhält, also etwa einen inländischen Betrieb im Inland hat. 105 In diesen Fällen werden also die Konsequenzen der Sitztheorie abgeschwächt.106 Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch die Meinung in der Rechtsprechung, da die Sitztheorie auf Gesellschaften mit einem satzungsmäßigen inländischen Sitz eigentlich noch nie angewendet wurde. 107 Sie tendiert viel98 Auch § 5 Abs. 2 AktG läßt nach deren Ansicht keinen anderen Schluß zu. Die Wahlfreiheit beschränkt sich lediglich auf das Inland, erstreckt sich aber nicht auf das Ausland. Vgl. hierzu Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 72. 99 Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1977) S. 199 f. 100 Großfeld entgegnet hierauf, daß die effektive Anwendung deutschen Rechts in diesen Fällen erheblich vermindert ist und daher der Interessenschutz nicht groß ist. Das gleiche gilt seiner Meinung auch für die Durchsetzbarkeit des deutschen Rechts. Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 73ff. 101 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 212; Scholz - Westermann, GmbHG, Einleitung Anm. 100; Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 6; Staudinger - Großfeld, IntGesR, Tz. 71 ff. 102 Die Grundlage der Rückverweisung wird allgemein in Art. 4 Abs. 1 EGBGB gesehen. 103 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR, Anm. 103 f; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 213; Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 114. 104 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 114. 105 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 77; Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 27 Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 791; nach Behrens soll es bereits ausreichen, wenn die Gesellschaft in Zukunft beabsichtigt, im Inland einen Betrieb zu errichten. Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 135. 106 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 104. 107 Vgl. Sörgel - Lüderitz (11. Aufl.) Vor Art. 7 Rz. 203. 6 Herz
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mehr dazu, bei der Bestimmung des Personalstatuts an den statutarischen Sitz anzuknüpfen, sofern nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften betroffen sind.108 Die Rechtsprechung bekennt sich zur Sitztheorie, wendet diese also in den genannten Fällen aber nicht an. 1 0 9 Auch das Reichsgericht hat in keinem Fall ausländisches Recht angewandt, sofern Gesellschaften mit statutarischem Sitz in Deutschland betroffen waren. Das gleiche gilt für die Rechtsprechung des BGH. 1 1 0 2. Verwaltungssitzverlegung nach der Gründung
Unter der Sitzverlegung i.e.S. versteht man ein Überwechseln in einen anderen Staat unter Wahrung der Identität.111 Die Probleme, die sich im Zusammenhang mit einer Sitzverlegung in das Ausland oder aus dem Ausland in das Inland ergeben, konzentrieren sich also auf die Frage, ob die von einer bestimmten Staatshoheit verliehene Rechtsfähigkeit beliebig in ein anderes Land übertragen werden kann. 112 Für die Beantwortung dieser Frage sind zwei Aspekte bestimmend, die voneinander zu trennen sind. Zum einen ist zu fragen, welcher Faktor überhaupt den Statutenwechsel auslöst. Zum anderen geht es um die Auswirkungen, die ein Statutenwechsel auf die Wahrung der Identität und der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft hat 1 1 3 Für den Wechsel des Gesellschaftsstatuts ist die Veränderung des Anknüpfungsmomentes, also der Bestimmungsfaktor des Gesellschaftsstatuts der auslösende Faktor. 114 Ob ein Wechsel des Gesellschaftsstatuts eintritt, ist daher für die Sitz- und die Gründungstheorie unterschiedlich zu beantworten. Für die Sitztheorie kommt es zu einem Statutenwechsel, wenn der Verwaltungssitz in einen anderen Staat verlegt wird. Für die Gründungstheorie ist die Verwaltungssitzverlegung jedoch irrelevant. Hier ist allein die Verlegung des Satzungssitzes entscheidend, und zwar nur dann, wenn für die Gründung einer Gesellschaft ein inländischer Satzungssitz vorausgesetzt wird. 115 Für die Frage, welche Auswirkungen der Statutenwechsel auf die Rechtsfähigkeit und die Identität der Gesellschaft hat, ist sowohl das Recht des Weg108
Vgl. Werner, W., AG 1990 S. 1 (3). Vgl. Sörgel - Lüderitz (11. Aufl.) Vor. Art 7 Anm. 203. 110 Vgl. Werner, W., AG 1990 S. 1 (3). 111 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 215; Kaligin,T., DB 1985 S. 1449 (1455). 112 Vgl. BGH v. 11.7.1957, BGHZ 25 S. 135 (144). 113 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 166. 114 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 167. 115 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 167. 109
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zugsstaates als auch des Zuzugsstaates zu beachten.116 Eine identitätswahrende Sitzverlegung ist deshalb nur möglich, wenn sowohl das Recht des Zuzugsstaates als auch das Recht des Wegzugsstaates dies erlauben. Sofern der Wegzugsstaat die Sitzverlegung mit der Auflösung der Gesellschaft sanktioniert, so gilt diese Konsequenz auch im Zuzugsstaat. Sofern der Wegzugsstaat jedoch dieses gestattet, so entscheidet das Recht des Zuzugsstaates über den Zuzug und damit die Identität und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft. 117 a) Verwaltungssitzverlegung
ins Inland
Für die Behandlung der "zuziehenden" Gesellschaft ist zunächst zu prüfen, wie der ausländische Wegzugsstaat die Verwaltungssitzverlegung beurteilt. Zwingt dieser Staat die Gesellschaft zu einer Auflösung, so verliert die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit. Dies gilt unabhängig davon, ob Deutschland die Gesellschaft eigentlich weiterbestehen lassen will oder nicht Wenn der Wegzugsstaat die Gesellschaft als solche bestehen lassen will, so ist die Behandlung in Deutschland umstritten. Nach der Sitztheorie ist mit der Verwaltungssitzverlegung ein Wechsel des Gesellschaftsstatuts verbunden mit der Folge, daß auf die Gesellschaft deutsches Recht anzuwenden ist. 118 Die Konsequenz hieraus ist, daß die Gesellschaft neu in Deutschland gegründet werden muß 119 , da die Gründungsvorschriften nach deutschem materiellen Recht nicht eingehalten worden sind.120 Allerdings ist zu beachten, daß nicht die Sitztheorie als solche eine Auflösung der Gesellschaft bewirkt 121 Die Zulässigkeit einer Sitzverlegung muß vielmehr unabhängig davon beurteilt werden, ob man nun die Sitz- oder die Gründungstheorie anwendet. Für die Frage der sachrechtlichen Konsequenzen des Statutenwechsels kann es dahingestellt bleiben, wodurch dieser letztlich ausgelöst wird. 122 Die Sitztheorie kann die Nichtanerkennung also nur indi116
Tz. 349. 117
Vgl. Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 180; Staudinger - Großfeld, IntGesR
Vgl. Großfeld, B. / Jasper, D., RabelsZ 1989 S. 52 (53). Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 373; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 217. 119 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 372; MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 217; Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 45 Anm. 11; God in Wilhelmi, § 45 AktG Anm. 7; Barz in Großkommentar zum AktG, § 45 Anm. 10; Scholz - Westermann, GmbHG, Einleitung Anm. 125 und 127. 120 Vgl. Staudinger - Großfeld; IntGesR Tz. 373. 121 V g l hierzu Behrens, P., RIW 1986 S. 590 (590); Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (335). 122 Vgl. Behrens, P., RIW 1986 S. 590 (591); Er weist allerdings daraufhin, daß bei Anwendung der Sitztheorie streng darauf zu achten ist, daß bei einer Sitzverlegung der Verwaltungs- und der Satzungssitz auch nicht zeitweise auseinanderfallen dürfen. 118
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rekt bewirken, indem sie deutsches Sachrecht auf Zuzugsgesellschaften zur Anwendung kommen läßt mit eben der - nicht unbestrittenen - Folge, daß bei einem Zuzug die sachrechtlichen Gründungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind und damit die Gesellschaft als Rechtsperson nicht existent ist. Die Rechtsprechung hat sich bisher ablehnend zu einer Sitzverlegung ausländischer Gesellschaften unter Wahrung ihrer Identität ins Inland geäußert. Das OLG Zweibrücken hat in seinem Beschluß vom 27.6.1990123 einer luxemburgischen AG die Eintragung in ein deutsches Handelsregister untersagt, obwohl sich die luxemburgische Gesellschaft in ihrer Struktur an die deutscher Aktiengesellschaften angepaßt hat. Das Gericht legt seiner Entscheidung die Sitztheorie zugrunde, die eben den Wechsel des Personalstatuts zur Folge hat. Demnach ist ein Fortbestand der Rechtspersönlichkeit nach deutschem Recht nicht möglich. Die Gesellschaft muß daher, um in Deutschland Rechtsfähigkeit zu erwerben, nach Ansicht des Gerichts eine Neugründung im Inland durchführen. Eine Minderheit vertritt hingegen die Ansicht, daß unter bestimmten Voraussetzungen ein Zuzug der Gesellschaft ohne Neugründung möglich sein soll. 124 Nach deren Meinung ist selbst bei Anwendung der Sitztheorie ein Zuzug möglich, wenn die Gründungsvorschriften eingehalten werden.125 Zum einen ist es erforderlich, daß der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung der Gesellschaft an das deutsche Recht angepaßt werden. Im einzelnen müssen hierfür folgende Voraussetzungen gegeben sein:126 Abstellen der Satzung auf deutsches Recht Änderung der Firma entsprechend dem neuen Sitzrecht Anpassung der Organe Umstellen des Kapitals und der Kapitalanteile sowohl auf neue Währung als auch Anpassung der Höhe nach Anpassung der Mitgliederzahl und der Mitgliederart
123
Vgl. OLG Zweibrücken v. 27.6.1990, DB 1990 S. 1660. Insbesondere die Vertreter der Gründungstheorie sind dieser Ansicht. Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 171; Behrens, P., RIW 1986 S. 590 ff; ders., ZGR 1994 S. 1 (11); Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 182 ff.; Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (334 ff.); Schönle, H., NJW 1965 S. 1112 (1116); Thömmes, O., DB 1993 S. 1021 (1022 f.); Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (426 f.). 125 Auch in anderen europäischen Staaten der EG, die die Sitztheorie vertreten, ist ein Zuzug ohne Auflösung möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen des nationalen Sachrechts eingehalten werden. Eine Übersicht zu den Möglichkeiten und Voraussetzungen in den einzelnen Staaten bieten Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1989 S. 363 (365367). 126 Vgl. Beitzke, G., ZHR 1965 S. 41 (43-47). 124
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Daneben ist die Eintragung der zugezogenen Gesellschaft ins deutsche Handelsregister erforderlich. 127 Auf das Eintragungsverfahren sollen die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes bzw. des Aktiengesetzes analog angewendet werden, wobei allerdings besondere Zusatzanforderungen gestellt werden sollen.128 Nach Ansicht der Vertreter der Sitztheorie spricht insbesondere die Praktikabilität gegen ein solches Vorgehen, da es unklar sein soll, wer eine Anpassung bzw. das Bedürfnis einer Anpassung geltend machen soll. 129 Ebenroth meint, daß man damit nicht das Registergericht belasten dürfe, da ansonsten die Errichtung einer Ermittlungsbehörde erforderlich wäre, die immigrierende Gesellschaften ausfindig zu machen hätte.130 Hiergegen wendet Behrens m.E. zu Recht ein, daß es selbstverständlich die Sache des Registergerichts sein müsse, die Anpassung zu überprüfen, wie es das im Rahmen einer Neugründung ebenfalls tut. Da die Registereintragung für das Fortbestehen der Gesellschaft erforderlich ist, ist es auch nicht Sache des Registergerichts, solche zuzugswilligen Gesellschaften ausfindig zu machen.131 Wenn die Gesellschaft ihr Fortbestehen sicherstellen will, liegt es an ihr, sich beim Registergericht zu melden und einen entsprechenden Antrag auf Eintragung ins Handelsregister zu stellen. Tut sie diese nicht, verliert sie eben ihre Rechtsfähigkeit. Es ist also keinesfalls Aufgabe des Registergerichts, "Polizeibehörde" für zuziehende Gesellschaften zu spielen. Auch der Einwand von Großfeld 132, daß die Anpassung an deutsches Recht oft große Schwierigkeiten bereite und eine Anpassung aufgrund der unterschiedlichen Strukturen kaum möglich sei, überzeugt m.E. nicht. Selbst wenn in vielen Fällen eine Anpassung schwierig sein sollte, spricht nichts dagegen, in Fällen, in denen dies ohne größeren Aufwand möglich ist, dies auch zuzulassen. Auch sollte es der Gesellschaft überlassen bleiben, zu beurteilen, ob die Anpassung an das neue Gesellschaftsrecht des Zuzugsstaates oder die Auflösung im Wegzugsstaat mit anschließender Neugründung für sie der vorteilhaftere Weg ist. 127 Vgl. Behrens, P., RIW 1986 S. 590 (593 f); Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (335). 128 Vgl. Behrens, P., RIW 1986 S. 590 (594), der hier beispielhaft fordert, daß die GmbH ihre Entstehung nach ausländischem Recht nachweisen muß, den satzungsändernden Beschluß über die Rechtsanpassung sowie den angepaßten Gesellschaftsvertrag mit notarieller Bescheinigung vorlegen muß sowie durch eine Verlegungsbilanz nachweisen muß, daß sie ein das Stammkapital deckendes Vermögen besitzt. 129 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 217 ff. 130 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 218. 131 Vgl. Behrens, P., RIW 1986 S. 590 (593); Ebenroth geht wohl davon aus, daß ein Zuzug der Gesellschaft ins Inland auch ohne Registereintrag wirksam nur durch Sitzverlegung möglich wäre. 132 Vgl. Staudinger - Großfeld , IntGesR Tz. 373.
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Schwieriger könnte allerdings der Einwand wirken, der Vertrauensschutz zugunsten der Anteilseigner, Arbeitnehmer und Gläubiger stehe einem Zuzug der Gesellschaft entgegen.133 Die Gewährleistung des Vertrauensschutzes ist m.E. allein Sache des Wegzugsstaates. Allein er entscheidet ja, wieweit der Schutz der einzelnen Interessengruppen geht. Läßt der Wegzugsstaat einen Wegzug zu, so kann es nicht Sache des Zuzugsstaates sein, einen Vertrauensschutz zu gewähren, der über dem Standard des Wegzugsstaates liegt. 134 Es besteht ja überhaupt kein Interesse daran, da die einzelnen beteiligten Gruppen wissen oder wissen müssen, daß ein Wegzug der Gesellschaft möglich ist 135 . An die Frage, ob der Zuzug der Gesellschaft ohne Auflösung im Ausland und Neugründung im Inland möglich ist, schließt sich die weitere Frage an, ob die juristische Person mit der juristischen Person am Orte ihres ehemaligen Sitzes identisch ist. 136 Die Problematik erwächst aus der Tatsache, daß die Gesellschaft die Rechtsordnung des Staates, der sie "untersteht", gewechselt hat, sie also den Staat, von dem sie die Rechtsfähigkeit ableitet, verlassen hat. 137 Die Befürworter einer Beibehaltung der Identität berufen sich auf die Möglichkeit der formwechselnden Umwandlung, bei der auch die Identität der Gesellschaft gewährleistet ist. 138 Nach Ansicht von Beitzke sind die Strukturveränderungen bei formwechselnden Umwandlungen häufig noch viel nachhaltiger als bei der Umwandlung in eine gleiche Gesellschaft aus der Rechtsordnung eines anderen Staates.139 In der jüngeren Zeit scheinen sich die Bedenken der Vertreter der Sitztheorie gegen die Möglichkeit einer Sitzverlegung ins Inland zumindest teilweise aufzulösen. 140 Auch sie sehen die "Rechtsgrundlage" in den Möglichkeiten 133
Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 219. Insofern wird von den Staaten ein Zuzug ins Inland auch eher zugelassen, als ein Wegzug ins Ausland. Vgl. hierzu Behrens, P., ZHR 1965 S. 1 (31 und 33 ff.). 135 Ebenroth beruft sich auf Staudinger - Großfeld, IntGesR Anm. 357. Ebenroth übersieht hier m.E. aber, daß sich die Anmerkung von Großfeld nur auf die Behandlung von Gesellschaften bezieht, die ihren Sitz aus Deutschland in das Ausland verlegen wollen. 136 Vgl. Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 182; Hier kann man m.E. Parallelen zur formwechselnden Umwandlung und zur übertragenden Umwandlung sehen. Während bei der formwechselnden Umwandlung Identität zwischen den beiden Gesellschaften besteht, ist dies bei der übertragenden Umwandlung nicht der Fall. Das Vermögen geht hier im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen neuen Rechtsträger über. 137 Vgl. Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 183. 138 Vgl. Beitzke, P. (Personen, 1938) S. 183; Beitzke, P., ZHR 1965 S. 1 (31); Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (427). 139 Vgl. Beitzke, G., ZHR 1965 S. 1 (31). 140 Vgl. Großfeld, B. / Jaspers, D., RabelsZ 1989 S. 52 (58 ff.); Großfeld, B. / König, T., RIW 1992 S. 433 (436); Zur grenzüberschreitenden Umstrukturierung vgl. auch Kronke, H., ZGR 1994 S. 26 (26 ff.), der auch fur die Anwendbarkeit der Umwandlungsvorschriften plädiert. 134
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der formwechselnden Umwandlung nach §§ 362 - 393 AktG, die entsprechend Anwendung finden sollen.141 Ebenroth und Eyles wenden hiergegen ein, daß es sich bei diesen Vorschriften um Ausnahmeregelungen handelt und diese deshalb nicht auf grenzüberschreitende Sitzverlegungen übertragen werden dürfen. 142 Auch die Rechtsprechung lehnt einerichterliche Rechtsfortbildung ab. Nach Ansicht des OLG Zweibrücken sind die Voraussetzungen einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes hier nicht gegeben, da der Gesetzgeber bereits bei der Ratifizierung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen vom 26.2.1968 zu erkennen gegeben habe, daß er die Anerkennung ausländischer Kapitalgesellschaften vom Inkrafttreten des Abkommens abhängig mache.143 M. E. ist eine analoge Anwendung der Umwandlungsvorschriften zuzustimmen. Sinn und Zweck der Umwandlung ist es, den Gesellschaften eine Anpassung an geänderte Verhältnisse zu ermöglichen.144 Mag die Gesellschaftsform einmal zweckmäßig gewesen sein, so können sich die Rahmenbedingungen, die zum Zeitpunkt der Gründung die Gesellschaftsform als zweckmäßig erschienen ließen, doch so ändern, daß sie nun nicht mehr den geänderten Bedingungen gerecht werden kann. Diese Überlegungen lassen sich unzweifelhaft auf den Verwaltungssitz einer Gesellschaft übertragen. Hat sich beispielsweise das Hauptabsatzgebiet ins Inland verlagert oder läßt sich im Ausland nicht genügend qualifiziertes Personal finden, so ist die Gesellschaft unter Umständen sogar gezwungen, ihren Sitz ins Inland zu verlegen. Warum es in diesen Fällen den Gesellschaften nicht auch erleichtert werden soll, sich den geänderten Verhältnissen anzupassen, leuchtet nicht ein. Ein Schutzzweck, der ja als das zentrale Argument für die Sitztheorie angeführt wird, ist im Falle eines Zuzuges nicht stichhaltig. Den Schutz der beteiligten Interessengruppen zu gewährleisten, ist allein Sache des Wegzugsstaates. Hält dieser den Schutz für ausreichend, so sollte das auch der zuziehende Staat akzeptieren. Sicherlich sind manche Bedenken gegen einen Zuzug im Kern berechtigt bzw. ernst zu nehmen. Dies gilt im speziellen für den Zustand der Gesellschaft zwischen Zuzug und der Anpassung145. Andererseits entsteht ein ähnlicher 141 Vgl. Großfeld, B. / Jaspers, D., RabelsZ 1989 S. 52 (58 ff.); Großfeld, D. / König, T., RIW 1992 S. 433 ( 437). 142 Vgl. Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 9. 143 Vgl. OLG Zweibrücken v. 27.6.1990, DB 1990 S. 1660 (1661); Großfeld, B. / König, T., IPrax 1991 S. 380 (382) bemerken hierzu kritisch, daß sich auf Grund der Verwirklichung des Binnenmarktes eine vorsichtige Rechtsfortbildung anbietet, wobei sie an die entsprechende Anwendung von §§ 362 ff AktG denken. Im Ergebnis stimmen sie jedoch dem Urteil zu. 144 Vgl. Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 363 f. 145 Vgl. Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 9.
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Zustand auch bei der Gründung von Kapitalgesellschaften. Hier hat die Rechtsprechung das Konstrukt der "Vorgesellschaft" entwickelt. Diese Grundsätze liesen sich auch auf die zuziehende Gesellschaft analog anwenden.146 Auch liegt es an der Gesellschaft selbst, den Zuzug zeitlich so zu gestalten, daß solche Probleme nicht auftreten. 147 Selbst wenn man die analoge Anwendung der Vorschriften zur formwechselnden Umwandlung ablehnt, sollten zumindest die Vorschriften über eine übertragende Umwandlung Anwendung finden. Im Gegensatz zur form wechselnden Umwandlung ist bei der übertragenden Umwandlung keine Identität zwischen den Gesellschaften gegeben. Das Vermögen geht vielmehr auf einen neuen Rechtsträger, also eine inländische Kapitalgesellschaft über. Der Vorteil gegenüber einer normalen Auflösung und Neugründung besteht bei einer übertragenden Umwandlung darin, daß das Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Gesellschaft übergeht. Diese Form des Vermögensüberganges ist in der Regel wesentlich einfacher und damit kostengünstiger möglich.148 Eine völlig andere Lage stellt sich hingegen bei Anwendung der Gründungstheorie ein. Sofern sie der Wegzugsstaat bei Verlegung des Verwaltungssitzes nicht zur Auflösung zwingt, ist die Gesellschaft im Inland anzuerkennen. Auf die Gesellschaft ist dabei nicht deutsches Gesellschaftsrecht anzuwenden, sondern die Gesellschaft unterliegt weiterhin dem Recht des Gründungsstaates. Insofern ist auch keine Anpassung an deutsches Gesellschaftsrecht, wie im Falle der Sitztheorie, erforderlich. b) Verwaltungssitzverlegung
ins Ausland
Verlegt eine nach deutschem Recht gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Ausland, so sieht die h.M. darin einen zwingenden Grund zur Auflösung der Gesellschaft. 149 Der Beschluß der Verwaltungssitz Verlegung wird als Auflösungsbeschluß gewertet.150 Diese Konsequenz soll unab146 Vgl. Behrens, P., RIW 1986 S. 590 (594); Großfeld, B. / Jasper, D., RabelsZ 1989 S. 53 (61). 147 Vgl. Behrens, P., RIW 1986 S. 590 ff., der den Zuzug einer Gesellschaft liechtensteinischen Rechts in die Bundesrepublik beschreibt, wobei durch entsprechende Gestaltung des Umzuges keinerlei Zeitraum zwischen Verlust der Rechtsfähigkeit in Liechtenstein und Eintragung der Gesellschaft im deutschen Handelsregister entsteht. 148 Zu den Vorteilen im einzelnen vgl. Glade, Α. / Steinfeld, G., UmwStG, Tz. 9. 149 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 356 ff; Barz in Großkommentar zum AktG; § 45 Anm. 9; Baumbach / Hueck, § 3 GmbHG Anm. 8; Scholz / Emmerich, GmbHG, § 3 Anm. 4a; Henn, G. (Handbuch, 1994) S. 39; Ebke, W., ZGR 1987 S. 245 (256). 150 So Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 29; a. A. Eckardt in Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 45 AktG Anm. 15.
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hängig davon gelten, ob dies überhaupt dem Willen der Gesellschafter oder der Satzung entspricht. Mit der Verwaltungssitzverlegung ändert sich das anzuwendende Personalstatut. Deutsches Recht, aus dem die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit ableitet, ist nicht mehr anzuwenden. Ob diese Rechtsfolge letztlich aus dem deutschen Sachrecht oder als Konsequenz der Sitztheorie abgeleitet wird, wird hingegen meist offengelassen. 151 Begründet wird die Ansicht mit den schutzwürdigen Interessen der Gesellschafter und der Gläubiger, die darauf vertrauen, daß "... die Organisationsstruktur vom deutschen Recht mit hinreichender Effektivität gewährleistet ist. Diesem Vertrauen wird die Basis entzogen, wenn die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in das Ausland verlegt und fortan ausländischem Recht untersteht."152 Demgegenüber vertreten einige andere Autoren die Ansicht, daß es bei der Behandlung der Verwaltungssitzverlegung ins Ausland auf das Kollisionsrecht des Zuzugsstaates ankommt.153 Ist dort die Sitztheorie maßgebend, so kommt es zwingend zur Liquidation der Gesellschaft. Bejaht dieser hingegen die Gründungstheorie, so ist darin eine Rückverweisung auf das deutsche Recht zu sehen mit der Folge, daß weiterhin deutsches Recht auf die Gesellschaft zur Anwendung kommt und die Gesellschaft weiterhin als deutsche Gesellschaft bestehen bleibt. Voraussetzung soll hierfür aber sein, daß die Gesellschaft ihren Bezug zum Inland nicht vollständig verloren hat, also etwa weiterhin einen Betrieb im Inland unterhält. Insbesondere die Vertreter der Gründungstheorie wollen demgegenüber einen Wegzug der Gesellschaft ins Ausland zulassen.154 Sie verneinen einen Zwang zur Auflösung, da dieser ohne jegliche gesetzliche Fundierung ist. 155 Koppensteiner verweist dabei auf § 23 BGB, der die Verleihung der Rechtsfähigkeit an einen Verein mit Sitz außerhalb des Bundesgebietes vorsieht, und zwar unabhängig davon, ob die so erworbene Rechtsfähigkeit im Sitzstaat an151
Lediglich Hausmann nimmt hierzu explizit Stellung und verweist auf das deutsche Sachrecht, das eine Auflösung der Gesellschaft zwingend zur Folge haben soll. Vgl. Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 29; Welche sachrechtliche Grundlage letztlich die Auflösung erzwingen soll, ist jedoch nicht ersichtlich (so Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (351). Im Ergebnis werden die Rechtsfolgen wohl doch auf die Anwendung der Sitztheorie zurückzuführen sein, die Rückverweisung im Falle der Anwendung der Gründungstheorie durch den ausländischen Sitzstaat wird aber nicht beachtet. Im Ergebnis ebenso Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, § 45 Anm. 15. 152 Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 356. 153
Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., DNotZ 1993 S. 191 (193); MünchKomm Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 220 f.; Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 419 f. 154 Vgl. Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 170; Beitzke, G. (Personen, 1938) S. 180 ff.; Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 ( 352); Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (426). 155 Vgl. Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (351); Koppensteiner, H.-G. (Unternehmen, 1971) S. 128.
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erkannt wird oder nicht. 156 Daneben soll § 5 AktG dieses Ergebnis stützen, nach dem ein inländischer Verwaltungssitz nicht erforderlich ist. 157 Für die wirksame Gründung in Deutschland ist lediglich ein inländischer Satzungssitz notwendig. Nur diesem soll die Gesellschaft letztlich auch die Rechtsfähigkeit verdanken und nicht dem Verwaltungssitz.158 Die Befürworter eines zulässigen Wegzuges wenden gegen die zwangsweise Auflösung das Argument ein, daß sich der Schutz der beteiligten Interessenten, der ja gerade den Ausschlag für eine Auflösung geben soll, auch auf andere Weise bewirkt werden kann. 159 Der Schutz der Gesellschafter soll durch die Erforderlichkeit eines einstimmigen Beschlusses gewährleistet werden. Die Gläubiger sollen durch Befriedigung oder Sicherstellung geschützt werden. Großfeld wendet hiergegen ein, daß das Erfordernis eines einstimmigen Beschlusses letztlich dem Verbot einer Sitzverlegung gleichkommt.160 Dieser Argumentation kann m.E. nicht gefolgt werden. Für große Publikumsgesellschaften mag dies durchausrichtigsein, für Gesellschaften mit nur wenigen Anteilseignern trifft dies jedoch nicht zu. Hier ist ein einstimmiger Beschluß, sofern ein Wegzug gewünscht und sinnvoll ist, sicherlich möglich. Gerade für solche, häufig kleinere und mittelständische Unternehmen ist eine Venvaltungssitzverlegung gerade interessant. Für große Publikumsgesellschaften hingegen stellt sich die Frage, ob eine Verlegung des Verwaltungssitzes aufgrund der Größe der Organisation überhaupt praktikabel und möglich ist. Bei diesen Gesellschaften besteht daneben die Möglichkeit durch Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften auf anderen Märkten präsent zu sein. Für kleinere Unternehmen hingegen lohnt sich dieser Aufwand in vielen Fällen jedoch nicht. Daneben bestünde die Möglichkeit, ab bestimmten Größenordnungen nicht mehr einen einstimmigen Beschluß fassen zu müssen, sondern eine Dreiviertel-Mehrheit ausreichen zu lassen, wie dies auch im Rahmen der Umwandlung oder Verschmelzung teilweise vorgesehen ist. 161 Die Gesellschafter, die einem Wegzug ablehnend gegenüberstehen, könnten dann in entsprechender Weise abgefunden werden. Auch die Sicherstellung oder Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger bietet nach Ansicht Großfelds keine ausreichende Alternative, da sie den Gläubigern zusätzliche Sicherstellungslasten aufbürden, deren Erfolg ungewiß sein
156
Vgl. Koppensteiner, H.-G. (Unternehmen, 1971) S. 128. Vgl. Koppensteiner, H.-G. (Unternehmen, 1971) S. 128. 158 Vgl. Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (352). 159 Ygi Hachenburg - Behrens, Einl. Anm. 170; Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (426); sogar Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 358 gibt dies zu bedenken. 157
160 161
Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 358. Vgl. §§ 340 c, 362 Abs. 2 AktG
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soll. 162 Großfeld gibt allerdings selber zu bedenken, daß die Vertrauensgrundlage der Gläubiger weniger denn je die einzelnen Gegenstände sind, sondern das Unternehmen als ganzes in seiner rechtlichen Verfassung. Hier ist Großfeld sicherlich insoweit zuzustimmen, als es auf das Unternehmen als Vertrauensgrundlage verweist. Ob allerdings die rechtliche Verfassung hierfür entscheidend ist, ist m.E. mehr als nur zweifelhaft. Vertrauensgrundlage dürfte vielmehr die wirtschaftliche Verfassung des Unternehmens sein. Nur diese gewährleistet am Ende, daß die Gesellschaft ihre Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllen kann. Bedenkt man, daß die Verwaltungssitzverlegung aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, so ist den Gläubigern hiermit doch gerade gedient. Derjenige, der sich damit nicht abfinden will, kann alternativ zur Sicherstellung die sofortige Befriedigung verlangen. Es bleibt also dem Gläubiger überlassen, ob er sein Vertrauen in die Gesellschaft aufrechterhält oder nicht. Allerdings müßte die Zulässigkeit der Verwaltungssitzverlegung dann natürlich an das Erfordernis einer Publizität geknüpft werden, wie sie etwa im Rahmen der ordentlichen Kapitalherabsetzung nach §§ 222 - 228 AktG bzw. § 58 GmbHG vorgeschrieben ist. In der Rechtsprechung läßt sich kein Urteil finden, das die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes behandelt hat. Das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 7.5.1992 bezieht sich auf die gleichzeitige Verlegung des Satzungs- und des Verwaltungssitzes.163 Nur für diesen Fall kommt es zu der Schlußfolgerung, daß eben dieser Beschluß der Sitzverlegung die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat. Der Senat bekennt sich in seiner Entscheidung zur Sitztheorie, läßt im Ergebnis aber offen, ob die Verwaltungssitzverlegung allein die Auflösung der Gesellschaft zwingend bedingt. Auch das Urteil des OLG München vom 19.2.1986 läßt nicht den Schluß zu, daß die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland zu einer zwingenden Auflösung der Gesellschaft führt. Das Gericht spricht zwar davon, daß bei Anwendung der Sitztheorie ein Wechsel des Personalstatuts eintritt, was die Nichtigkeit der Gesellschaft nach sich ziehen kann. Der Senat läßt aber offen, ob er die Sitztheorie im Falle einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland überhaupt anwenden will, wenn er anmerkt, daß "... der Senat gerade für den Fall einer Verlegung des Verwaltungssitzes vom Ausland ins Inland die Sitztheorie für zutreffend..." 164 erklärt. Auch die Entscheidungen des Reichsgerichts165, auf die die Vertreter eines Auflösungszwanges verweisen, sind nicht einschlägig. Wie KnobbeKeuk zutreffend anmerkt, betrafen die Urteile ausschließlich Beschlüsse zur Verlegung des Satzungssitzes bzw. die gleichzeitige Verlegung von Satzungs162
Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 359. BayOLG v. 7.5.1992, DB 1992 S. 1400. 164 OLG München v. 6.5.1986, NJW 1986 S. 2197 (2198). 165 Vgl. RG v. 5.6.1882, RGZ 7 S. 68; RG v. 22.1.1916, JW 1916 S. 593; RG v. 10.7.1934, JW 1934 S. 2969. 163
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Β. Internationales Privatrecht
und Verwaltungssitz ins Ausland.166 Der Fall des Reichsgerichts, bei dem es ausschließlich um die Verwaltungssitzverlegung ging, ist gerade zu Ungunsten der Sitztheorie entschieden worden.167 In dem entschiedenen Fall handelte es sich um eine Gesellschaft mit Satzungs- und Verwaltungssitz im Inland, bei der ein ausländischer Gesellschafter sämtliche Anteile an der Gesellschaft erwarb und die Gesellschaft schließlich vom Ausland aus geleitet wurde. Das Reichsgericht führte hierzu folgendes aus: "Eine Verlegung ihres Sitzes ins Ausland ist hingegen nicht möglich, vielmehr wird die Verwaltung, wenn sie vom Ausland aus geführt wird, dadurch vom Sitz der Gesellschaft getrennt. Die Gesellschaft aber behält ihren Sitz und ihre Inländereigenschaft." 168 Das Reichsgericht verneinte nicht nur die zwingende Auflösung der Gesellschaft bei der Verwaltungssitzverlegung in das Ausland, sondern es qualifizierte die Gesellschaft sogar weiterhin als inländische. 3. Durchbrechung der Konsequenzen im Falle von bilateralen Staatsverträgen
Neben den Regelungen des Internationalen Gesellschaftsrechts können insbesondere zwischenstaatliche Vereinbarungen für die Anerkennung von ausländischen Kapitalgesellschaften von Bedeutung sein, soweit sie kollisionsrechtliche Regelungen beinhalten.169 Bei dem staatsvertraglich vereinbarten Kollisionsrecht handelt es sich im Gegensatz zum allgemeinen Völkerrecht und zum Europarecht um kein internationales Recht, sondern es ist, wie Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB deutlich zum Ausdruck bringt, nur als deutsches Recht verbindlich.170 Wie alle zweiseitigen völkerrechtlichen Verträge auch werden diese Verträge nicht als Völkerrechtssätze über Art. 25 GG Bestandteil der Bundesrechtsordnung.171 Um daher den Regelungen des autonomen Internationalen Privatrechts vorzugehen, müssen diese Vereinbarungen unmittelbar innerstaatliches Recht geworden sein.172 Vor Anwendung der autonomen Kollisionsnormen ist deshalb zu prüfen, ob nicht Staatsverträge maßgebend sind, da diese immer vorgehen, auch wenn sie älteren Datums als die einschlägige Vorschrift des EGBGB sind.173 Zu untersuchen ist im hier interessierenden
166
Vgl. Knobbe-Keuk, B., ZHR 90 S. 325 (353 Fn. 112). Vgl. RG v. 10.7.1934, JW 1934 S. 2969. 168 RG v. 10.7.1934, JW 1934 S. 2969. 169 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 8. 170 Vgl. v. Bahr, C. (Privatrecht, 1987) S. 161. 171 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 8 f. 172 Vgl. v. Bahr, C. (Privatrecht, 1987) S. 161; zum Wirksamwerden von Staatsverträgen vgl. Kropholler, J. (Privatrecht, 1994) S. 54. 173 Vgl. Kropholler, J. (Privatrecht, 1994) S. 54. 167
Π. Die unterschiedlichen Konsequenzen von Sitz- und Gründungstheorie
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Fall der Sitzverlegung, ob nicht staatsvertragliche Regelungen eine von den Folgen der Sitztheorie abweichende Behandlung bedingen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere zwei Abkommen von Bedeutung: der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 174 und der Niederlassungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat vom 23. April 1970175 ^ach Art. XXV Abs. 5 des deutsch-amerikanischen Vertrages gelten Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaften dieses Vertragsteils. Zudem wird ihr rechtlicher Status in dem Gebiet des anderen Vertragsstaates anerkannt. Ausreichend für die gegenseitige Anerkennung der Gesellschaften ist also die wirksame Gründung der Gesellschaft nach den jeweiligen Rechtsvorschriften jeder Vertragspartei. 176 Die h.M. sieht in dieser Bestimmung eine vom autonomen Kollisionsrecht abweichende Regelung der Anerkennungsfrage, die sich damit nach den Grundsätzen der Gründungstheorie richtet.177 Der deutsch-spanische Niederlassungsvertrag sieht in Art. 15 Abs. 2 S. 1 nach h.M. eine ebenso weitgehende Anerkennungsregel vor, so daß sich auch die Frage der Anerkennung nach der Gründungstheorie richtet. 178 In beiden Fällen sind daher die aus dem autonomen Kollisionsrecht stammenden Folgerungen der Sitztheorie zugunsten der Gründungstheorie abbedungen, so daß einem Umzug in diesen speziellen Fällen nichts im Wege stehen dürfte. Baranowski hingegen vertritt die Auffassung, daß beide Verträge keine Aussage zur Sitzverlegung enthalten, sondern nur die üblichen Aktivitäten betreffen. 179 Demnach wäre eine Sitzverlegung unter der Beibehaltung der Identität und der Rechtsfähigkeit auch unter Zugrundelegung dieser Verträge nicht möglich.
174
Vgl. BGBl 1956 Π S. 487 ff. Vgl. BGBl 1972 Π S. 1041 ff. 176 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 9. 177 Vgl. v. Bahr, C. (Privatrecht, 1991) S. 456 f; Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 9 ff.; Ebenroth, C. / Bippus, B., NJW 1988 S. 2137 (2142); dies., DB 1988 S. 842 (843); Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 36 f. 178 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 9 ff.; Ebenroth, C. / Bippus, B., DB 1988 S. 842 (843 f.); Hausmann, R. (Sitz, 1988) S. 36 f.; zweifelnd v. Bahr, C. (Privatrecht, 1991) S. 456 f. 179 Vgl. Baranowski, K.-H., IWB Fach 3 Gruppe 4 S. 331 (334); ihm folgend Dötsch, E., DB 1989 S. 2296 (2297); Debatin, H., GmbHR 1991 S. 2296 (2297). 175
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ΠΙ. Konsequenzen einer Nichtanerkennung der Kapitalgesellschaft als Ausfluß der Sitztheorie 1. Bestimmung des Gesellschaftstyps
Sofern Gesellschaften mit einem vom Satzungssitz abweichenden Verwaltungssitz aufgrund der Sitztheorie nicht anerkannt werden, stellt sich automatisch die Frage, um welchen Gesellschaftstyp es sich bei der nichtanerkannten Gesellschaft handelt. Trotz der doch beträchtlichen Auswirkungen dieser "fehlerhaften Rechtswahl"180, sind deren Rechtsfolgen bisher kaum diskutiert worden. 181 Um welches Rechtsgebilde es sich im Einzelfall handelt, ist entsprechend der Sitztheorie nach dem materiellen Recht des Verwaltungssitzstaates zu bestimmen. Bei ausländischen Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland ist demnach deutsches Recht maßgebend.182 Je nach Struktur des nichtanerkannten ausländischen Gebildes kommt das Recht des nichtrechtsfähigen Vereins oder das Recht der Personengesellschaften zur Anwendung.183 Welches Recht zur Anwendung kommt, ist völlig unabhängig vom Willen der Parteien, maßgebend sind allein die objektiven Umstände des Einzelfalles. 184 Für die Einstufung der ausländischen Gebilde können daher nur die Abgrenzungsregeln herangezogen werden, so wie sie für die typologische Unterscheidung von Verein und Gesellschaft im allgemeinen gelten.185 Daher ist zunächst danach zu differenzieren, ob die ausländische Gesellschaft ein Unternehmen betreibt. 186 Sofern ein solches Unternehmen betrieben wird, ist zu unterscheiden, ob es sich hierbei um ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe handelt oder 180
So Staudinger - Großfeld, IntGesR, Tz.331. Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 331; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 787. 182 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 338. 183 Vgl. MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 194; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 338; Grothe, H. (Kapitalgesellschaft, 1989) S. 118; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 788. 184 Vgl. BGH v. 17.6.1953, BGHZ 10 S. 91 (97); BGH v. 29.11.1956, BGHZ 22 S. 240 (245); MünchKomm - Ebenroth, Nach Art 10 Anm. 194; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 340. 185 Zu den Abgrenzungsregelungen im einzelnen vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 559 ff. 186 In der international privatrechtlichen Literatur soll eine Personengesellschaft (oHG) nur dann zwingend anzunehmen sein, wenn die ausländische Gesellschaft ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreibt. Sofern dies nicht der Fall ist, soll nach der tatsächlichen Struktur unterschieden werden. Vgl. etwa Staudinger - Großdeld, IntGesR Tz. 339. Diese Ansicht läßt sich aber nicht mit der h.M. zur Abgrenzung von Verein und Gesellschaft vereinbaren, da bereits ein minderkaufmännisches Unternehmen zwingend zur Anwendung von Gesellschaftsrecht führt, sofern das Unternehmen den Hauptzweck darstellt 181
ΠΙ. Konsequenzen einer Nichtanerkennung der Gesellschaft
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nicht.187 Sofern ein solches vollkaufmännisches Unternehmen Gegenstand der Gesellschaft ist, handelt es sich um eine oHG, anderenfalls um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.188 Nur in den Fällen, in denen die ausländische Gesellschaft kein Unternehmen betreibt oder das Unternehmen nur einen Nebenzweck erfüllt, erfolgt eine Unterscheidung anhand der tatsächlichen Struktur. Sofern die ausländische Gesellschaft über eine körperschaftliche Struktur verfügt, also vereinsrechtliche Elemente überwiegen, sind die Vorschriften über den Verein anzuwenden. In diesen Fällen handelt es sich um die sog. Idealvereine. Ist das Gebilde hingegen von seiner Struktur als Gesellschaft einzustufen ist, so gilt das Recht der Personengesellschaften unmittelbar. 189 Die Annahme einer oHG in den oben beschriebenen Fällen ist m.E. jedoch nicht in jedem Falle unproblematisch. Nach heute h.M. liegt jeder Handelspersonengesellschaft, ob oHG oder KG ein Gesellschaftsvertrag zugrunde,190 der sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend abgeschlossen werden kann. 191 Ein ausdrücklicher oHG-Vertrag liegt nicht vor, da die Gesellschafter eben eine ausländische juristische Person gegründet und einen dementsprechenden Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Insofern kann man nur noch von einem stillschweigend geschlossenen Gesellschaftsvertrag ausgehen, der durch konkludentes Handeln zustandegekommen ist. Voraussetzung und Tatbestand eines oHG-Vertrages ist die gewollte Mitunternehmerschaft. 192 Ob bei Gesellschaftern, die nur kleine unwesentliche Beteiligungen halten, ein diesbezüglicher Wille zur Mitunternehmerschaft vorhanden ist, ist m.E. sehr zweifelhaft. Diese streben mit ihrer Beteiligung an der Gesellschaft in der Regel kein unternehmerisches Engagement an, sondern betrachten diese lediglich als Kapitalanlage, so daß von einer gewollten Mitunternehmerschaft keine Rede sein kann. Insofern scheint auch die Annahme einer oHG problematisch, da der Tatbestand der vereinsmäßig organisierten oHG erst erfüllt ist, wenn bei allen Mitgliedern des nichtrechtsfähigen Vereins dieses subjektive Element vorliegt. 193 Lediglich bei solchen Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter zugleich auch Vertreter, sei es als Vorstand oder Geschäftsführer, tätig sind, ist m.E. zweifelsfrei vom Vorliegen dieser Voraussetzung auszugehen. Insofern
187
Vgl. hierzu Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 339. Vgl. Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 134; so explizit für die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz Bogler, Α., DB 1991 S. 848. 189 Vgl. hierzu Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 340. 190 Vgl. Schlegelberger / Schmidt, § 105 HGB Anm. 27. 191 Vgl. Schlegelberger / Schmidt, § 105 HGB Anm. 32. 192 Vgl. Schlegelberger / Schmidt; § 105 HGB Anm. 32. 193 Vgl. Schmidt, K. (Stellung, 1972) S. 232. 188
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könnte man bei größeren Gesellschaften den Vorstand als solchen als oHG betrachten.194 In der Literatur weitgehend unbestritten ist die Auffassung, daß die zugezogene Gesellschaft nicht nach den für die sog. Vorgesellschaften geltenden Grundsätzen zu behandeln ist. 195 Nach diesen Grundsätzen würden neben dem Vermögen der Vorgesellschaft die Gründer einschließlich der subsidiären Inanspruchnahme analog § 24 GmbHG nur in Höhe ihrer Einlagen haften. Hierin wird keine ausreichende Sanktionierung für eine fehlerhafte oder gar mißbräuchliche Wahl ausländischer Rechtsformen gesehen.196 Daneben beschränken sich die Rechtsgeschäfte nicht auf solche, die zur Vorbereitung einer werdenden Gesellschaft dienen. Die dogmatische Rechtfertigung für die Vorgesellschaft liegt darin begründet, daß es sich bei ihr nur um ein Durchgangsstadium zur angestrebten juristischen Person handelt. Bei einer zuziehenden ausländischen Gesellschaft soll dies aber gerade nicht der Fall sein.197 Diese Sichtweise mag sicherlich bei Gesellschaften, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Inland haben und das ausländische Gesellschaftsstatut nur zur "Gesetzesumgehung" gewählt haben, ihre Berechtigung haben. Sofern aber die zuziehende Gesellschaft eine Anpassung an das deutsche Gesellschaftsrecht anstrebt, läßt sich diese m.E. nicht mehr halten. Auch dann dient die fehlerhafte Gesellschaft als Durchgangsstadium, um die Entstehung einer AG oder GmbH voranzutreiben. Mithin hat auch sie nur temporären Charakter wie die "normalen" Vorgesellschaften. Wenn man natürlich einen Zuzug ausländischer Gesellschaften unter Anpassung an die maßgebenden Vorschriften von vornherein ablehnt, ist die Behandlung als Vorgesellschaft sicherlich zu negieren. 2. Gesellschafts- und haftungsrechtliche Beurteilung
a) Gesellschafterhaftung Die Haftung der Gesellschafter ist von der Art des Gesellschaftstyps abhängig. Entscheidend ist also, ob die ehemals ausländische, mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Gesellschaft nach ihrem "Zuzug" im Inland als nichtrechtsfähiger Verein oder als offene Handelsgesellschaft bzw. BGB-Gesellschaft qualifi-
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Vgl. Schmidt, K. (Stellung, 1972) S. 233. Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 342; Grothe, H. (Kapitalgesellschaft, 1989) S. 117 f.; a.A.: Wessel, S. / Ziegenhain, H.-J., GmbHR 1988 S. 423 (427). 196 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 342; Grothe, H. (Kapitalgesellschaft, 1989) S. 118. 197 So Grothe, H. (Kapitalgesellschaft, 1989) S. 118. 195
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ziert wird. Mit der Qualifikation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft ist demnach gleichzeitig auch die Haftungsfrage geklärt. 198 Wird sie entsprechend obigen Grundsätzen als nichtrechtsfähiger Verein eingestuft, so ist es in der Literatur unstrittig, daß für dessen Verbindlichkeiten nur das Vereinsvermögen haftet, wenn sich dieser als Idealverein darstellt.199 Die Vereinsmitglieder haften also nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen. Der Idealverein wird in den hier angesprochenen Fällen aber keine größere Bedeutung haben. Problematischer sind die Fälle, in denen sich zwar die zugezogene "Gesellschaft" von ihrer körperschaftlichen Struktur her als Verein darstellt, aber wirtschaftlich aktiv wird. Betreibt dieser Verein kein vollkaufmännisches, sondern lediglich ein minderkaufmännisches Gewerbe, so sind die Folgen für die Haftung nicht unbestritten.200 Die h.M. nimmt in diesen Fällen eine persönliche Haftung der Vereinsmitglieder für die Verbindlichkeiten des Vereins an, 201 da die Vorschriften über die BGB-Gesellschaft zur Anwendung gelangen, der Verein daher als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren ist. Mithin ist die persönliche Haftung der Mitglieder nur beim Idealverein ausgeschlossen. Lediglich Reuter verneint hier eine persönliche Haftung der Vereinsmitglieder.202 Betreibt der Verein hingegen ein vollkaufmännisches Gewerbe, so ist es weitgehend unbestritten, daß es sich hier, zumindest was das Außenverhältnis anbelangt, nicht mehr um einen Verein handelt, sondern daß in Wahrheit hier eine oHG oder eventuell eine KG vorliegt. 203 Entspricht die ausländische "Gesellschaft" von ihrer Struktur her einer deutschen Gesellschaft, so ist für die Haftung bzw. für die Anspruchsgrundlage der Haftung nach dem Umfang des kaufmännischen Geschäftsbetriebes zu differenzieren. Betreibt sie ein vollkaufmännisches Gewerbe, so ist das Gebilde als oHG einzustufen. 204 Demnach ist Grundlage für die Haftung § 128 HGB. Die Gesellschafter haften also für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich. Den gleichen Haftungsumfang trifft auch die 198
Vgl. Bogler, Α., DB 1991 S. 848 (850). Vgl. MünchKomm - Reuter, § 54 BGB Anm. 20; Palandt - Heinrichs, § 54 BGB Tz. 12; Soergel - Hadding, § 54 BGB Anm. 30. 200 Da ein Verein eine größere Anzahl von Mitgliedern erfordert, wird ein solcher Fall wohl selten vorkommen. In aller Regel wird daher eine BGB-Gesellschaft anzunehmen sein. Vgl. hierzu Soergel - Hadding, § 54 BGB Anm. 3. 201 Vgl. Palandt - Heinrichs, § 54 BGB Tz. 12; Soergel - Hadding, § 54 BGB Anm. 25; Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 94. 202 Vgl. MünchKomm - Reuter, § 54 BGB Anm. 29. 203 Vgl. BGH v. 29.11.1956, BGHZ 22 S. 240 (244); MünchKomm - Reuter, § 54 BGB Anm. 28; Soergel - Hadding, § 54 BGB Anm. 3 und 25; a.A. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 93. 204 Vgl. BGH v. 29.11.1956, BGHZ 22 S. 240; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 340. 199
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Mitglieder eines Vereins, der ein vollkaufmännisches Gewerbe unterhält. Unabhängig von der Struktur des Gebildes hat das Betreiben eines vollkaufmännischen Gewerbes also immer die Haftung der Gesellschafter bzw. Mitglieder nach § 128 HGB zur Folge. Betreibt sie hingegen kein vollkaufmännisches Gewerbe, sofinden die Vorschriften über die BGB-Gesellschaft Anwendung.205 Die Haftung ergibt sich demnach aus §§ 427, 705, 714 BGB. 206 Für die Schulden haften dann alle Gesellschafter als Gesamtschuldner nach § 427 BGB, wobei sie sowohl mit ihrem Gesellschafts- als auch mit ihrem Privatvermögen haften. 207 Allerdings ist die persönliche gesamtschuldnerische Haftung beschränkbar. Eine Haftungsbegrenzung kann zum einen mit den Gläubigern individuell vereinbart werden, zum anderen kann sie durch eine Beschränkung der Vertretungsmacht der Gesellschafter erreicht werden.208 Eine Haftungsbegrenzung könnte sich bei der BGB-Gesellschaft jedoch aus den vom BGH aufgestellten Grundsätzen bei Kommanditgesellschaften ergeben. Der BGH 2 0 9 hat bei noch nicht in das Handelsregister eingetragenen Kommanditgesellschaften, die kein Grundhandelsgewerbe betreiben, entschieden, daß der Kommanditist nur in Höhe seiner übernommenen Einlageverpflichtung haftet. Eine darüberhinausgehende persönliche Haftung, wie sie den nach § 176 Abs. 1 S. 1 HGB nicht eingetragenen Kommanditisten trifft, lehnt der BGH ab. Karsten Schmidt merkt hierzu an, daß diesen Urteilen der Rechtsgedanke zugrunde liegt, "... daß z.B. auch Minderkaufleute, denen die Rechtsform der Kommanditgesellschaft nach § 4 HGB ganz versagt ist, den vom Gesetz bezweckten Schutz des Kleinunternehmers nicht mit der zwingend unbeschränkten Haftung bezahlen sollen."210 Handelt es sich bei der ausländischen Gesellschaft hingegen um eine EinPersonen-Gesellschaft, so wird nach h.M. die Einzelperson als Einzelkaufmann behandelt mit der Konsequenz, daß er für die abgeschlossenen Geschäfte persönlich und unbeschränkt haftet. 211
205 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 340; Grothe, H. (Kapitalgesellschaft, 1989) S. 120. 206 Vgl. Grothe, H. (Kapitalgesellschaft, 1989) S. 120. 207 Vgl. Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 60 f; Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 56 f. 208 Vgl. hierzu im einzelnen Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 60; zu der Beschränkung der Haftung durch Einschränkung der Vertretungsmacht kritisch Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 1347. 209 Vgl. BGH v. 25.6.1973, BGHZ 61 S. 59 (65 ff.); BGH v. 13.6.1977, BGHZ 69 S. 95 (100 ff.). 210 Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 1347. 211 Vgl. OLG Frankfurt v. 3.6.1964, NJW 1964 S. 2355 (2356); Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (341); v. Falkenhausen, J., RIW 1987 S. 817 (820);
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Problematisch ist die Anwendung der sich aus den Regelungen des oHGRechts ergebenden Haftungskonsequenzen bei Publikumsgesellschaften. Hier würde im Ergebnis auch der Kleinaktionär für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner haften. Der Gläubiger könnte also auch diesen, falls das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft nicht mehr zur Befriedigung seiner Schuld ausreicht, in voller Höhe in Anspruch nehmen. Der Minderheitsgesellschafter kann dann zwar seinen Anspruch gegenüber den anderen Gesellschaftern geltend machen. Wenn diese aber ebenfalls nicht über entsprechendes Vermögen verfügen, bliebe dieser Anspruch erfolglos. An diesem Fall zeigt sich, daß die Sitztheorie, die ja gerade für sich in Anspruch nimmt, u.a. den Minderheitsgesellschafter zu schützen, versagt. Dieser Nachteil wiegt um so schwerer, als der Minderheitsaktionär aufgrund seiner meist nur unzureichenden Informationen häufig überhaupt nicht weiß, wo sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft nun befindet. Er bleibt also im Ergebnis über sein gesellschaftliches Engagement und den damit verbundenen Risiken völlig im Unklaren. Fraglich bleibt allerdings, ob dann überhaupt noch vom Bestehen einer oHG ausgegangen werden kann, sofern es an der gewollten Mitunternehmerschaft aller Mitglieder fehlt. Nach Ansicht von Schmidt handelt es sich um einen Fall der Rechtsscheinhaftung, sofern nicht ein Handeln des Vorstandes im eigenen Namen angenommen und dieser selbst als oHG betrachtet werden kann. 212 Fraglich ist, ob man in diesen Fällen nicht auch die vom BGH entwickelten Grundsätze der Haftungsbeschränkung 2 1 3 anwenden kann. Der BGH begründet sein Ergebnis mit dem der Rechtsscheinhaftung zugrundeliegenden Rechtsgedanken, daß die sich aus dem Rechtsschein ergebende Haftung nicht weitergehe als sie ginge, wenn der Schein der Rechtswirklichkeit entspräche. 214 Auch bei ausländischen Gesellschaften wird von Gesellschaftern eine Haftungsbeschränkung wie bei einer KG angestrebt, die für den Vertragspartner in der Regel wohl ersichtlich sein dürfte. Insofern sind die Fälle m.E. vergleichbar. Allerdings darf die Haftungsbeschränkung nicht auf sämtliche Gesellschafter ausgedehnt werden, da ansonsten der Schutzzweck der Sitztheorie unterlaufen würde. Geschützt werden sollte nur der Minderheitsgesellschafter, der zum einen lediglich eine Kapitalbeteiligung und keine "Unternehmerbeteiligung" anstrebt und zum anderen aufgrund seines geringen Kapitalanteils keinen Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen kann. Schwierigkeiten ergeben sich insofern, daß hier klare Grenzen schwer zu definieren MünchKomm - Ebenroth, Nach Art. 10 Anm. 195; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 340. 212 Vgl. Schmidt, K. (Stellung, 1972) S. 233. 213 Vgl. BGH v. 25.6.1973, BGHZ 61 S. 59 ff; BGH v. 13.6.1977, BGHZ 69 S. 95 ff. 214 Vgl. BGH v. 25.6.1973, BGHZ 61 S. 59 (66); BGH v. 13.6.1977, BGHZ 69 S. 95 (99). 7*
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sein dürften. Hier können unter Umständen nur Einzelfallösungen gefunden werden. Die Lösung kann nur unter Abwägung der Interessen zwischen Gläubiger und dem einzelnen Gesellschafter gefunden werden. Eine Haftung aller Gesellschafter, also auch solcher mit Kleinstbeteiligungen, geht m.E. zu weit, da im Ergebnis gerade auch der Kleinaktionär von der Sitztheorie geschützt werden soll. b) Handelndenhaftung Neben der Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft soll zusätzlich eine persönliche Haftung der für die "Gesellschaft" handelnden Personen begründet werden. Die große Mehrheit der Vertreter der sog. Handelndenhaftung sieht die Rechtsgrundlage in einer analogen Anwendung von § 11 Abs. 2 GmbHG bzw. § 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 215 wobei allerdings eine darüberhinausgehende Anwendung der für die Vorgesellschaft entwickelten Grundsätze nicht in Betracht kommen soll. 216 V. Falkenhausen hingegen will die Handelndenhaftung auf die analoge Anwendung von § 179 BGB stützen, da es einer analogen Anwendung der Haftung aus der Vorgesellschaft nicht bedarf. 217 · 218 Für den nichteingetragenen Verein ergibt sich die Handelndenhaftung hingegen unmittelbar aus § 54 S. 2 BGB. Danach haftet neben dem Verein der Handelnde, also derjenige, der im Namen des nichteingetragenen Vereins gegenüber den Dritten Rechtsgeschäfte vorgenommen hat, persönlich. Bei dieser Form der Haftung handelt es sich um keine Ersatzhaftung, sondern um eine zusätzliche Haftung. 219 Nicht entscheidend für die Haftung ist, daß der Handelnde gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Vereins ist oder daß er im Rahmen seiner Vertretungsmacht gehandelt hat. 220 Nach der Handelndenhaftung haften also die vertretungsberechtigten Organe der Gesellschaft, während die Gründer als solche im Rahmen der Handelndenhaftung nicht haften, selbst wenn sie den Geschäften zugestimmt haben.221 Allerdings kann auch hier die Haftung durch eine Vereinbarung mit dem Geschäftspartner ausgeschlossen werden.222 215 Vgl. Ebenroth, C. / Sura, Α., RabelsZ 1979 S. 315 (341); MünchKommEbenroth, Nach Art. 10 Anm. 195; Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 341. 216 Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 342. 217 Vgl. v. Falkenhausen, J., RIW 1987 S. 817 (820). 218 Zu diesem dogmatischen Streit vgl. Grothe, H. (Kapitalgesellschaft, 1989) S. 122 f. 219 Vgl. Palandt - Heinrichs, § 54 BGB Tz. 13. 220 Vgl. Soergel - Hadding, § 54 BGB Anm. 27. 221 Vgl. s tv. Hüffer, § 41 AktG Anm. 20. 222 Vgl. Hüffer, § 41 AktG Anm. 24.
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c) Geschäftsßhrungs- und Vertretungsbefugnis Für den nichtrechtsfähigen Verein gelten die Vorschriften der § § 2 6 - 2 8 BGB entsprechend.223 Demnach obliegt dem Vorstand sowohl die Geschäftsführung als auch die Vertretung des Vereins nach außen.224 Als Organe des Vereins werden daher die Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder, so wie sie von der ausländischen Gesellschaft bestimmt wurden, anzusehen sein. Da auch Nichtmitglieder Vorstand des Vereins werden können,225 können auch die Nichtgesellschafter-Geschäftsführer bzw. -Vorstandsmitglieder Vorstand des inländischen Vereins werden. Demgegenüber sind die Gesellschafter, wenn sie nicht gleichzeitig zum Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied der ausländischen Gesellschaft bestimmt waren, nicht Vorstand des Vereins. Sie haben also keine automatische Vertretungs- und Geschäftsführungsbefiignis. Sie sind dann vielmehr als "normale" Vereinsmitglieder anzusehen. Anders sieht die Situation jedoch bei den Gesellschaften aus. Bei der oHG können zwar einzelne Gesellschafter von der Geschäftsführung und von der Vertretungsmacht ausgeschlossen werden, jedoch muß zumindest ein Gesellschafter diese Funktion wahrnehmen, da anderenfalls der Grundsatz der Selbstorganschaft verletzt wäre. 226 Damit ergeben sich Probleme bei ausländischen Gesellschaften, bei denen ausschließlich Nichtgesellschafter Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder sind. Dies würde zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Die Folge ist, daß sich die Gesellschaft auflösen würde oder daß es zu einem Wiederaufleben der Vertretungsmacht der von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter kommen würde, wobei von einer Gesamtvertretungsmacht auszugehen ist. 227 Da die Gesellschafter wohl ein Fortbestehen der Gesellschaft wünschen, sind in einem solchen Fall sämtliche Gesellschafter vertretungsberechtigt. Zu bedenken ist auch, daß nach § 125 Abs. 4 HGB die vom Gesetz abweichenden Vertretungsregelungen in das Handelsregister einzutragen sind. Die Eintragung ist zwar nicht Voraussetzung für die Gültigkeit der vom Gesetz abweichenden Vertretungsregelungen, sie ist jedoch für die Rechtsfolgen nach § 15 HGB von wesentlicher Bedeutung.228 Im Ergebnis bedeutet dies, daß jeder Gesellschafter einer ausländischen Gesellschaft bei einem Zuzug ins Inland die Gesellschaft wirksam vertreten kann und die Gesellschaft damit 223
Vgl. Palandt - Heinrichs, § 54 BGB Tz. 6. Vgl. Palandt - Heinrichs, § 26 BGB Tz. 1. 225 Vgl. Soergel - Hadding, § 54 BGB Anm. 14. 226 Vgl. BGH v. 6.2.1958, BGHZ 26 S. 330 (333); BGH v. 11.7.1960, BGHZ 33 S. 105 (108); Baumbach / Duden /Hopt, § 114 HGB Anm. 2A und § 125 HGB Anm. 4. 227 Vgl. BGH v. 11.7.1960, BGHZ 33 S. 105 (108); Schlegelberger / Schmidt, § 125 HGB Anm. 16. 228 Vgl. Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 113. 224
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. Internationales Privatrecht
Rechtsgeschäfte, die von Gesellschaftern getätigt worden sind, gegen sich gelten lassen müßte, sofern die abweichende Regelung dem Vertragspartner nicht bekannt gewesen wäre. Diese doch auf den ersten Blick sehr drastische Konsequenz dürfte sich jedoch im Hinblick auf ihre praktischen Auswirkungen stark relativieren. Der Vertragspartner, der auf das Fortbestehen der ausländischen Gesellschaft vertraut, wird sowieso nur mit den von der Gesellschaft berufenen "Vertretern" Verträge schließen. Derjenige, der sich auf das Bestehen einer oHG aufgrund des inländischen Verwaltungssitzes beruft, wird im Zweifel wohl auch von einer vom Gesetz abweichenden Vertretungsregelung gewußt haben. Insofern wäre die Eintragung der vom Gesetz abweichenden Vertretungsregelung in das Handelsregister nach § 15 HGB für deren Wirksamkeit ohne Belang. Für die BGB-Gesellschaft gilt der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis und der Gesamtvertretungsmacht, wobei sich das Recht zur Vertretung nach dem Recht zur Geschäftsführung richtet.229 Im Gegensatz zur oHG kann die gesetzliche Regelung jedoch beliebig - auch bei der Vertretungsmacht - eingeschränkt werden.230 Es können also einzelne Gesellschafter von der Geschäftsführung und der Vertretung ausgeschlossen werden oder es kann auch Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung vereinbart werden. Ebenso kann die Geschäftsführungsbefugnis abweichend von der Vertretungsmacht geregelt werden.231 Der Grundsatz der Selbstorganschaft verbietet auch hier, alle Gesellschafter von der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht auszuschließen. Beide können also nicht vollständig auf Dritte übertragen werden. 232 Sofern sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind und diese vollständig auf Dritte übertragen wurde, gilt die Gesamtgeschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter. 233 Der Grundsatz der Selbstorganschaft wurde vom BGH im Falle von Publikumsgesellschaften, die in die Rechtsform der BGB-Gesellschaft gekleidet sind 234 , eingeschränkt bzw. "aufgeweicht" 2 3 5 Der BGH führte aus, daß der Grundsatz der Selbstorganschaft es nur verbiete, daß sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung und von der Vertretung ausgeschlossen sind und diese auf Dritte übertragen werden. Zulässig ist es aber, daß die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluß oder von vornherein im Gesellschaftsvertrag einen Dritten in weitem 229
§§709,714 BGB. Vgl. Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 54 u. 56. 231 Vgl. Kübler, F. (Gesellschaftsrecht,1990) S. 54. 232 Vgl. BGH v. 25.4.1964, BGHZ 41 S. 367 (369); Palandt - Thomas, Vorbem v. §§ 709 - 715 BGB Tz. 3. 233 Vgl. MünchKomm - Ulmer, § 709 BGB Anm. 20. 234 Obwohl sie von ihrer Struktur her eher als Verein zu qualifizieren wären; vgl. hierzu MünchKomm - Ulmer, § 709 BGB Anm. 6. 235 Vgl. BGH v. 16.11.1981, NJW 1982 S. 877 (878); BGH v. 22.3.1982, NJW 1982 S. 2495. 230
ΠΙ. Konsequenzen einer Nichtanerkennung der Gesellschaft
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Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben und einer umfassenden Vollmacht ausstatten.236 Bei ausländischen Publikumsgesellschaften, die ausschließlich Nichtgesellschafter als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane vorsehen, wären also sämtliche Gesellschafter mit der Geschäftsführung und der Vertretung der Gesellschaft betraut, wobei die bisherigen Organe mit umfassenden Vollmachten ausgestattet wären. Bezüglich der Vertretung und der Geschäftsführung ergeben sich aufgrund der Qualifizierung der ausländischen Gesellschaft als BGB-Gesellschaft weitgehend die gleichen Probleme wie bei einer Einstufung als oHG.
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Vgl. BGH V. 22.1.1962, BGHZ 36 S. 292 (293); BGH v. 16.11.1981, NJW 1982 S. 877 (878).
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften im Steuerrecht In Anlehnung an die Untersuchung von Klaus Vogel zum räumlichen Anwendungsbereich von Verwaltungsrechtsnormen1 soll auch in dieser Arbeit der von ihm vorgezeigte methodischer Weg insoweit Anwendung finden, als er für diese Untersuchung gangbar und dementsprechend auf die hier vorliegende Problematik übertragbar ist. Die ihn interessierende Frage des räumlichen Anwendungsbereiches, also die Frage, welche Sachverhalte sich räumlich gesehen unter den Tatbestand einer Norm subsumieren lassen, ist hier schon beantwortet. Der Wortlaut spricht explizit von Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, so daß einer der beiden Anknüpfungspunkte im Inland liegen kann. Zunächst soll daher die Frage untersucht werden, inwieweit die Auslegung von § 1 Abs. 1 KStG durch echte metarechtliche Vorschriften, wie etwa das Völkerrecht oder das Verfassungsrecht, beeinflußt oder gar bestimmt werden. Im Anschluß daran ist die Norm selbst, entsprechend den allgemeinen Auslegungsmethoden, zu untersuchen.2 Beide Fragen lassen sich letztlich nicht voneinander trennen, sondern gehen bei der Auslegung Hand in Hand. Die metarechtlichen Vorschriften bilden den Rahmen der Auslegung der Norm als solcher, sie sind gewissermaßen die Richtschnur, an der sich jedes Auslegungsergebnis messen lassen muß. Gleichzeitig hat die Einzelnorm durchaus ihren Einfluß auf die Interpretation der metarechtlichen Normen, auch wenn dieser in den meisten Fällen doch erheblich schwächer sein wird.3 Da wie bereits oben erwähnt ein geschlossenes System des Internationalen Steuerrechts fehlt, ist zunächst zu untersuchen, welche metarechtlichen Normen für die hier interessierende Problematik überhaupt in Frage kommen. Die zweifelsohne gegebene Internationalität des Sachverhalts gebietet es zunächst, zu untersuchen, inwieweit eventuell bestehende völkerrechtliche Prinzipien den Anwendungsbereich dieser Norm einschränken können. Dann sind verfassungsrechtliche und sonstige allgemeine Auslegungsregeln für internationale Steuersachverhalte heranzuziehen. Hier wird aber unter Umständen zu bedenken sein, daß die Bindung an das Ausland eine schwächere ist, als dies etwa bei der beschränkten Steuerpflicht der Fall ist. Daher ist eine ungeprüfte Über1 2 3
Vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 1 ff. Vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 341. Vgl. Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. 90.
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 105
nähme der Grundsätze, so wie sie für die Beurteilung beschränkt steuerpflichtiger Gesellschaften gelten, nicht ohne weiteres möglich. Dagegen könnte hier durchaus denkbar sein, daß restriktive Auslegungsgrundsätze, bedingt durch den starken Auslandsbezug, abzumildern und zu modifizieren sind. Andererseits ist zu prüfen, ob für die Gesellschaften, die mit einem Bein auf inländischem und mit dem anderen Bein auf ausländischem Territorium stehen, andere Auslegungsgrundsätze gelten, als die, die rein inländischen Gesellschaften zugrundeliegen. Beide sind nämlich unter den gleichen Tatbestand, die gleiche Norm zu subsumieren. Kann es trotzdem Gründe dafür geben, die Norm als solche für beide Fälle unterschiedlich auszulegen oder gebieten übergeordnete Rechtsprinzipien bzw. Metarechtsnormen stets die Auslegung von § 1 Abs. 1 KStG in der selben Weise?
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 1. Völkerrechtliche Grundsätze und Beschränkung der Steuerhoheit?
a) Quellen des Völkerrechts und ihre grundgesetzliche Verankerung in Art. 25 GG Gemäß Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteile des Bundesrechts und damit des Steuerrechts.4 Sie gehen diesem vor und erzeugen unmittelbar Rechtswirkungen für die Bewohner des Bundesgebietes. Der Sinn der unmittelbaren Geltung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 GG liegt darin, kollidierendes innerstaatliches Recht zu verdrängen oder aber seine völkerrechtskonforme Anwendung zu bewirken.5 Letztlich ist also bei der Anwendung jeder Norm zu prüfen, ob und inwieweit sie den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts entspricht. Im Ergebnis bedeutet dies, daß eine Auslegung immer nur unter Beachtung dieser Grundsätze erfolgen darf. Art. 25 GG ordnet aber lediglich die Übernahme der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts an, während das sonstige Völkerrecht, um innerstaatliche Geltung und Wirksamkeit entfalten zu können, durch ein Gesetz übernommen werden muß.6 Der Rang dieser übernommenen Regelungen entspricht dann dem des Zustimmungsgesetzes. Entscheidend für die hier vorliegende Frage ist daher, welche allgemeinen Regeln des Völkerrechts existieren 4 Zur Bedeutung von Art. 25 GG vgl. etwa Rudolf, W. (Völkerrecht, 1967) S. 262 ff. 5 Vgl. BVerfG v. 14.5.1968, BVerfGE 23 S. 288 (316). 6 Vgl. Jarras / Pieroth, Art. 25 GG Anm. 1, la.
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
und wie diese im einzelnen von dem sonstigen "normalen" Völkerrecht abzugrenzen sind. Unter diesen allgemeinen Regeln ist vorwiegend das universell geltende Völkergewohnheitsrecht zu verstehen.7 Völkergewohnheitsrecht liegt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dann vor, wenn diese Regeln "auf einer allgemeinen, gefestigten Übung der Staaten beruhen, die in der Rechtsüberzeugung geübt wird, daß dieses Verhalten rechtens sei."8 Allgemein ist das Gewohnheitsrecht, wenn es von der überwiegenden Meinung der Staaten anerkannt wird, wobei nicht entscheidend ist, daß auch die Bundesrepublik dieses tut.9 Das Kriterium der "Allgemeinheit" bezieht sich daher auf die Verbreitung der Regel unter den Mitgliedern der Völkerrechtsgemeinschaft und nicht etwa auf einen allgemeinen (generellen) Inhalt im Gegensatz zu einem besonderen (speziellen) Inhalt einer Gewohnheitsrechtsnorm.10 Der aktuelle Stand der Rechtsentwicklung ist hierbei jeweils für den materiellen Gehalt der Völkerrechtsregeln maßgebend,11 wobei zu beachten ist, daß sich die allgemeinen Regeln des Völkerrechts ständig fortentwickeln. 12 Das Völkergewohnheitsrecht, verstanden als allgemeine Regeln, darf nicht mit den "allgemeinen Rechtsgrundsätzen" im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c des IGH-Statuts verwechselt werden. Die "allgemeinen Rechtsgrundsätze" bilden neben den völkerrechtlichen Verträgen und dem Völkergewohnheitsrecht die dritte Rechtsquelle des IGH-Statuts. Bei diesen handelt es sich um anerkannte Rechtsprinzipien, die allen oder doch den meisten nationalen Rechtsordnungen gemeinsam sind. Sie sind also ihrem Ursprung nach völkerrechtsfremde Normen, während die beiden anderen Rechtsquellen ihren Ursprung in den internationalen Beziehungen haben.13 Inwieweit diese von Art. 25 GG erfaßt werden, ist allerdings in der Literatur umstritten. Ein Teil der Autoren vertritt die Ansicht, diese "allgemeinen Rechtsgrundsätze" bilden nur eine subsidiäre Rechtsquelle, die mithin nur anzuwenden sind, wenn Verträge sowie das Gewohnheitsrecht keine Regelungen bereitstellen.14 Demgegenüber zählen andere Autoren in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsge-
7
Vgl. BVerfG v. 30.10.1962, BVerfGE 15 S. 25 (33); BVerfG v. 14.5.1968, BVerfGE 23 S. 288 (317). 8 BVerfG v. 16.12.1983, BVerfGE 66 S. 39 (64 f.). 9 Vgl. BVerfG v. 30.10.1962, BVerfGE 15 S. 25 (34). 10 Vgl. v. Münch / Kunig, Art. 25 GG Anm. 6. 11 Vgl. v. Münch / Kunig, Art. 25 GG Anm. 3. 12 Vgl. BVerfG v. 14.5.1968, BVerfGE 23 S. 288 (316). 13 Vgl. hierzu etwa Ipsen, K. (Völkerrecht, 1990) S. 207 f. 14 Vgl. Fischer-Zemin, J., RIW 1987 S. 362 (363); Ipsen, K. (Völkerrecht, 1990) S. 210; Verdross, A. / Simma, B. (Völkerrecht, 1984) S. 388 (308).
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 107
rieht die allgemeinen Rechtsgrundsätze neben dem universell geltenden Völkergewohnheitsrecht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts.15 Grundsätzlich ist also das Völkerrecht, soweit durch Art. 25 GG oder durch völkerrechtliche Verträge erfaßt, Bestandteil unserer Rechtsordnung. Es stellt sich daher im Anschluß die Frage, ob überhaupt und wenn ja, welche Regelungen des Völkerrechts für das Internationale Steuerrecht von Bedeutung sind. Eine besondere Problematik entsteht dadurch, daß es sich bei den völkerrechtlichen Regeln, von den völkerrechtlichen Verträgen abgesehen, durchweg um Normen des Gewohnheitsrechts handelt, die an keiner Stelle kodifiziert sind. Daher ist allein schon die Frage, ob eine bestimmte Norm existiere und daher gelte, oft kontrovers. Bei der Anwendung bzw. der Bejahung ist daher Vorsicht geboten, da im Völkerrecht die harten Realitäten dominieren und die Staaten in der Regel nicht geneigt sind, sich einer Norm zu beugen, deren Geltung als Völkerrechtsnorm nicht einwandfrei erwiesen ist. 16 b) Territorialitätsprinzip und Doppelbesteuerung als fur das Steuerrecht relevante Aspekte des Völkerrechts Das Völkerrecht wird im Rahmen des Internationalen Steuerrechts primär im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte und der Zulässigkeit der Doppelbesteuerung diskutiert. Der erste Fragenkreis kann auch mit dem Stichwort "Territorialitätsprinzip" umschrieben werden.17 Während das Territorialitätsprinzip bis Ende des vergangenen Jahrhunderts für das verwaltungs- und staatsrechtliche Denken bestimmend war, ist es heute als eine positivrechtliche Regel, die ein rechtsapriorisches, unmittelbar aus dem Wesen des Staates abgeleitetes Rechtsprinzip darstellt, nicht mehr zu begründen.18 Dies gilt sowohl für das nationale Recht als auch für den Bereich des Völkerrechts.19 Eine Begrenzung im Sinne des Territorialitätsprinzips läßt sich im allgemeinen nur für den Grundsatz aufstellen, daß die Staaten völkerrechtlich insofern gebunden sind, als sie nicht Hoheitsakte auf dem Gebiet eines anderen
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Vgl. BVerfG v. 31.10.1962, BVerfGE 15 S. 25 (34); BVerfG v. 14.5.1968, BVerfGE 23 S. 288 (317); v. Münch / Kunig, Art. 25 GG Anm. 13. 16 Vgl. Vogel, K., DStR 1968 S. 427 (429); zustimmend Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 40; v. Beckerath, H.-J. (Durchgriff, 1978) S. 142. 17 Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 40. 18 Zur Entwicklung der Bedeutung des Territorialitätsprinzips vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 11 ff. 19 Vgl. Rudolf, W. (Grenzen, 1973) S. 18; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 142 f.; ders., DBA Einl. Anm. 7.
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
Staates vornehmen dürfen. 20 Hieraus darf aber nicht die Folgerung gezogen werden, es sei Gesetzen des Steuerrechts verwehrt, Steuerpflichten an im Ausland verwirklichte Sachverhalte zu knüpfen, sofern jeweils diese Steuerpflichten nach der zugrundeliegenden Absicht nur durch entsprechende Hoheitsakte im Inland realisiert werden sollen. Wie die tatsächliche Praxis der Staaten zeigt, steht dieser Anknüpfung kein Völkerrechtssatz entgegen, da es es in dieser Beziehung an der notwendigen, entsprechenden Übung fehlt. 21 Vielmehr ist das Welteinkommensprinzip - häufig als Totalitäts- Universalitätsprinzip bezeichnet - insbesondere in den Industrieländern22 vorherrschend.23 Eine Einschränkung der Steueranknüpfung an ausländische Sachverhalte läßt sich nur dahingehend vornehmen, als Gesetzen nur dann exterritoriale Wirkung beigelegt werden darf, wenn ein inländischer Anknüpfungspunkt vorhanden ist.24 Unklar bleibt aber, wie die für die Regelung der Auslandssachverhalte notwendige Inlandsbeziehung beschaffen sein muß.25 Es dürfte sich nur die vage, allgemeine Regel aufstellen lassen, daß der von der Norm betroffene Sachverhalt oder die persönlichen Verhältnisse der daran beteiligten Personen eine rechtlich relevante Inlandsbeziehung aufweisen.26 Die Beziehungen müssen einen mehr als nur flüchtigen Grad erreichen.27 Nur irgendein inländischer Anknüpfungspunkt, wie etwa die deutsche Muttersprache, ist jedenfalls nicht ausreichend.28 Für das Steuerrecht läßt sich feststellen, daß in der wirtschaftlichen Zugehörigkeit das entscheidende Anknüpfungskriterium zu sehen ist.29 Festzuhalten bleibt jedenfalls, daß es keine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, die die Heranziehung von Ausländern zu einer Steuer verbietet.30
20 Zum Verbot der Vornahme von Hoheitsakten auf fremden Staatsgebiet vgl. etwa Seidl-Hohenveldern, I. (Völkerrecht, 1992) S. 318 ff. 21 Vgl. Vogel, K., DStR 1968 S. 427 (429 f.). 22 Das Territorialitätsprinzip ist hingegen noch in Lateinamerika verbreitet. Vgl. hierzu Schaumburg, H. (Steuenrecht, 1993) S. 59. 23 Das Welteinkommensprinzip wird aber durch die Vielzahl der Doppelbesteuerung erheblich eingeschränkt. Vgl. hierzu Vogel, K. (Besteuerung, 1985) S. 4 ff. 24 Vgl. Rudolf, W. (Grenzen, 1973) S. 24; ders. (Grenzen, 1975) S. 772; Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 433; v. Münch / Kunig, Art. 25 GG Anm. 22 (Stichwort: Gesetzgebung, räumliche Grenzen). 25 Vgl. v. Beckerath, H.-J. (Durchgriff, 1978) S. 146 f.; Rudolf, W. (Grenzen, 1975) S. 780. 26 Vgl. Rudolf, W. (Grenzen, 1975) S. 780. 27 Vgl. Rudolf, W. (Grenzen, 1975) S. 782. 28 Vgl. v. Beckerath, H.-J. (Durchgriff, 1978) S. 146. 29 Vgl. v. Beckerath, H.-J. (Durchgriff, 1978) S. 147 f.; Müller, P. (Steuerhoheit, 1970) S. 104 ff.; 114; Rudolf, W. (Grenzen, 1975) S. 782. 30 Vgl. BVerfG v. 14.5.1968, BVerfGE 23 S. 288 (313); Rudolf, W. (Grenzen, 1975) S. 771.
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 109
Eng mit der Problematik des Territorialtätsprinzips verknüpft ist die Frage der Zulässigkeit der Doppelbesteuerung nach völkerrechtlichen Grundsätzen, da die Ursache der Doppelbesteuerung in der Anknüpfung zweier Staaten an das selbe Steuerobjekt beim gleichen Steuersubjekt liegt.31 Wie beim Territorialitätsprinzip auch ist es, trotz einiger immer wieder auftauchender gegenteiliger Ansichten32, fast einhellige Meinung im Schrifttum, daß es ein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung nicht gibt 33 Bereits die Frage, von welchen Grundsätzen eine Zuweisung des Besteuerungsrechts auszugehen habe, ist völlig ungeklärt, da die einzelnen Lösungsmöglichkeiten zu teilweise unsinnigen und unerwünschten Ergebnissen führen würden.34 Eine Zuweisung des Besteuerungsrechts erfolgt lediglich im Rahmen der zwischen den einzelnen Staaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen, die individuell zwischen den einzelnen Staaten vereinbart werden und demnach auch nur zwischen den Vertragspartnern Wirkung entfalten können. Allein schon die Existenz der Doppelbesteuerungsabkommen zeigt, daß es an einer hinreichend übereinstimmenden zwischenstaatlichen Übung und einer auch nur annähernd gefestigten internationalen Rechtsüberzeugung fehlt. 35 Demgegenüber will Rojahn aus der Vielzahl der zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossenen Verträge schließen, daß sich allmählich der Grundsatz entwickelt, der einzelne besitze gegenüber dem Staat einen Anspruch auf Befreiung von der Doppelbesteuerung.36 Zu fragen ist allerdings, welchem Staate gegenüber der Anspruch bestehen soll: dem Quellen- oder dem Sitzstaat gegenüber. Es ist zwar international eine Vereinheitlichung bei der Besteuerungszuteilung festzustellen, jedoch sind die Verträge zwischen den einzelnen Staaten dennoch individuell und vom Standard, dem OECDMusterabkommen abweichend. Eine Besteuerung nach den Grundsätzen des Territorialitätsprinzips, die auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgerichtet ist, ließe sich in letzter Konsequenz aber nur erreichen, wenn international Einigkeit über die inländischen Steueranknüpfungspunkte bestünde. Gerade die Hochsteuerländer werden sich aber gegen ein solch weitreichendes
31 Zum Begriff der Doppelbesteuerung und deren Ursachen vgl. etwa Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 9 ff; Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 423 ff. 32 Vgl. etwa Fricke, W. AWD 1960 S. 197 - 200; Hierfür plädiert auch Zuber, B. (Anknüpfungsmerkmale, 1991) S. 145 ff. 33 Vgl. etwa Bühler, O. (Prinzipien, 1964) S. 167; Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 44; Mäusli, P. (Ansässigkeit, 1993) S. 24 ff; Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 433; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 351; ders., DStR 1968 S. 427 (430); ders., StuW 1982 S. 111 (112); ders., DBA Einl. Anm. 8. 34 Vgl. hierzu Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 41; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 351 ff.; ders., DStR 1968 S. 427 (430). 35 Vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 353; ders., DStR 1968 S. 427 (430). 36 Vgl. v. Münch / Kunig, Art 25 GG Anm. 9.
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
Territorialitätsprinzip aufgrund der Steuerfluchtproblematik wenden.37 Insofern kann von einer allgemeinen Rechtsüberzeugung wohl nicht gesprochen werden. Vielmehr wollen die einzelnen Staaten selbst entscheiden, mit wem sie in welcher Weise das Doppelbesteuerungsproblem lösen. Zum anderen ist in vielen Ländern die Tendenz zu beobachten, daß bei Auslandsanknüpfung trotz Freistellung von der inländischen Besteuerung immer noch nicht ganz auf den inländischen Steuerzugriff verzichtet werden soll. So sehen etwa die meisten Doppelbesteuerungsabkommen einen Progressionsvorbehalt vor. Zudem setzt sich in zunehmenden Maße die Entwicklung durch, die Steuerfluchtproblematik durch besondere Anknüpfungsmomente zu bekämpfen, die häufig einen Bruch der allgemeinen Systematik in der Steueranknüpfung bedeuten.38 c) Keine Einschränkungen bei der Auslegung internationaler Sachverhalte durch das Völkerrecht Nach heute h.M. gibt es weder ein völkerrechtlich gebotenes Territorialprinzip noch ein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung. Vielmehr darf aufgrund der Steuerhoheit, die Ausdruck der Gebietshoheit eines Staates ist,39 zum einen an jede wirtschaftliche Erscheinung innerhalb des Staatsgebietes angeknüpft werden und darüber hinaus aber auch auf auslandsbezogene Steuergüter ausgedehnt werden, soweit in persönlicher Hinsicht eine Beziehung zum steuererhebenden Staatsgebiet besteht.40 Von der Voraussetzung eines inländischen Anknüpfungspunktes abgesehen, gibt es demnach keine völkerrechtlichen Regeln, die den Anwendungsbereich der Steuernormen einengen können.41 Insofern kann daraus gefolgert werden, daß auch kein Grundsatz bzw. kein Gebot dahingehend besteht, der bzw. das eine Auslegung nach ausländischen Rechtsgrundsätzen gebieten würde. Wenn das Völkerrecht die Besteuerungsgewalt nur insoweit einschränkt, als ein inländischer Bezug bzw. Anknüpfungspunkt gegeben sein muß, dann kann eine Auslegung, die letztlich ja von der Auswirkung her den wesentlich schwächeren Eingriff darstellt, auch nur nach inländischen Grundsätzen erfolgen. Eine Verletzung der Souveränität des anderen Staates ist dann jedenfalls nicht zu erblicken. Nach Ansicht des BFH jedenfalls ist in der Bundesrepublik "...stets deutsches Steuerrecht anzuwenden"42. 37
Vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 430. Vgl. etwa das deutsche Außensteuergesetz und die Kritik von Vogel, K. (Besteuerung, 1985) S. 9 ff. 39 Ablehnend Spitaler, A. (Doppelbesteuerungsproblem, 1967) S. 168. 40 Vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 429. 41 Vgl. Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 356. 42 BFH v. 14.12.1988, BStBl 1989 Π S. 319 (321). 38
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken
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Diese Sichtweise dokumentiert sich auch in den Doppelbesteuerungsabkommen, die als völkerrechtliche Verträge Bestandteil des Völkerrechts bzw. der Völkerrechtsordnung sind.43 Doppelbesteuerungsabkommen sind zwar bilaterale Verträge, die jedoch einem multilateral erarbeiteten Muster, dem OECD-Musterabkommen, folgen, was ihnen aufgrund der großen Gleichförmigkeit den Charakter von "Formularverträgen" verleiht.44 Die Zulässigkeit und Richtigkeit dieser Wertung wird durch die Regelung des Art. 3 Abs. 2 OECD-Musterabkommen45 manifestiert. Die Vorschrift, die sich mit der Auslegung von Abkommensbegriffen beschäftigt, schreibt für solche Begriffe, die ihre Entsprechung im Steuerrecht der einzelnen Staaten finden, als Regel vor, daß sie nach Maßgabe des eigenen innerstaatlichen Rechts auszulegen sind.46 Die Auslegung nach der lex fori ist also die Maxime der Doppelbesteuerungsabkommen. Nur bei solchen Begriffen, die im Abkommen selbst definiert sind, verdrängt die spezielle Auslegungsregel die Anwendung des lex fori-Grundsatzes. 47 Bei den Doppelbesteuerungsabkommen als bilateralen Verträgen handelt es sich zwar nicht um allgemeines Völkerrecht, das für alle Staaten im Sinne eines Völkergewohnheitsrechts bindend ist. 48 Aus dem OECD-Musterabkommen kann eine dahingehende Tendenz der Vertragsstaaten abgeleitet werden, Begriffe im eigenen, nationalen Interesse auszulegen. Darin zeigt sich das Bestreben, die eigene Souveränität auch im Rahmen der Abkommensbindung so weit wie möglich zu wahren,49 denn die Finanz- und Steuerhoheit gehört zu den wesentlichen und daher am besten verteidigten
43 Die Geltung von völkerrechtlichen Verträgen ergibt sich nicht aus Art. 25 GG, sondern hier greift die Sonderregelung von Art. 59 Π GG ein, der die innerstaatliche Geltung von der parlamentarischen Zustimmung und der Ratifizierung durch den Bundespräsidenten abhängig macht. Die Vertragsbestimmungen haben demnach innerstaatlich nur den Rang einfacher Gesetze. Vgl. hierzu v. Münch / Kunig, Art 25 GG Anm. 8; § 2 AO bestimmt darüberhinaus ausdrücklich, daß Doppelbesteuerungsabkommen, sofern sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vorgehen. Ob § 2 AO allerdings nur deklaratorischen Charakter oder eine darüberhinausgehende Bedeutung hat, ist in der Literatur umstritten. Vgl. hierzu Hübschmann / Hepp / Spittaler, § 2 AO Anm. 3 ff; Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 567; Tipke / Kruse; § 2 AO Anm. 1. 44 Vgl. Mössner, J. (Auslegung, 1985) S. 411. 45 Zur Bedeutung des OECD-Musterabkommens vgl. insbesondere Mössner, J. (Auslegung, 1985) S. 411 f.; Vogel, DBA Einl. Anm. 79 ff. 46 Vgl. Vogel, Art. 3 DBA Anm. 59; zustimmend Mössner, J. (Auslegung, 1985) S. 425 f.; Fischer-Zernin, J., RIW 1987 S. 785 (789 f.), der allerdings im Falle einer unilateralen Aushöhlung durch die Neuregelung von durch DBA rezipierten Begriffen des innerstaatlichen Rechts eine völkerrechtliche Grenze in Art. 62 der Wiener Vertragsrechts-Konvention sieht. 47 Vgl. Vogel, Art. 3 DBA Anm. 63; zustimmend etwa auch Mäusli, P. (Ansässigkeit, 1993) S. 200. 48 Vgl. Tipke / Kruse, § 2 AO Anm. 11. 49 Vgl. Mössner, J. (Auslegung, 1985) S. 426.
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze f r die Subjektqualifikation
Merkmalen staatlicher Souveränität.50 Zumindest wird daran deutlich, daß es kein völkerrechtliches Gebot im Sinne einer allgemeinen Übung gibt, das eine andersartige Auslegung gebieten würde. An dieser Sichtweise ändert auch die Tatsache nichts, daß im Schrifttum die Ansicht vertreten wird, eine Auslegung aus dem Sinnzusammenhang des Abkommens, d.h. eine Auslegung aus dem Abkommen selbst, gehe der Auslegung nach innerstaatlichem Recht vor. 51 Eine einheitliche, aus dem Sinnzusammenhang ermittelte Auslegung läßt sich aus dem Zweck des Vertrages ableiten, der auf eine einheitliche Rechtsanwendung hin abzielt. Nur diese Form der Abgrenzung gewährleistet letztlich die abkommensimmanente Regelungshomogenität, die eine einheitliche Auslegung der Abkommensregeln durch beide Vertragsstaaten sicherstellt. Die gegen den Wortlaut von Art 3 Abs. 2 OECD-Musterabkommen sprechenden Auslegungsrichtlinien lassen sich also nur aus dem Zweck der Abkommen selbst ableiten, haben darüber hinaus aber keine Wirkung als eigenständige Wertung, die obigen Grundsatz in seiner Geltung erschüttern könnte. Dies zeigt sich auch daran, daß die Begriffswelt des innerstaatlichen Rechts auch im Rahmen dieser Literaturmeinung weiterhin seine Bedeutung hat, sofern der Sinngehalt einer Abkommensvorschrift nicht aus dem Abkommen selbst erschlossen werden kann.52 2. Europarechtliche Schranken bei der Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in der EU?
a) Quellen und Rechtsnatur des Europarechts Neben dem Völkerrecht stellt das Gemeinschaftsrecht eine weitere Rechtsquelle des Internationalen Steuerrechts dar. 53 Seine Bedeutung wird in Zukunft auch im Rahmen des Steuerrechts immer stärkeres Gewicht bekommen,54 so daß eine Beschäftigung mit den Regelungen des EG-Rechts unausweichlich ist. Wie jede andere nationale Regelung müssen sich auch die nationalen steuerrechtlichen Regelungen an den Bestimmungen des EG-Rechts messen lassen.55 Insofern ist zu überprüfen, inwieweit das EG-Recht bei der 50
Vgl. Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteueirecht, 1993) S. 335. So insbesondere Korn / Debatin, DBA ΠΙ Systematik Anm. 122 ff.; Debatin, H., DB 1985 Beilage Nr. 23 S. 5 f.; ders., AWD 1969 S. 477 (479 f.); Fischer, L. / Warneke, P. (Steuerlehre, 1988) S. 32 f. 52 Die Auslegung nach innerstaatlichem Recht stellt die dritte Stufe der Auslegung dar. Vgl. Korn / Debatin, ΠΙ Systematik Anm. 122; Debatin, H., AWD 1969 S. 477 (479); Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 573. 53 Vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 10 ff. 54 Vgl. Voss, R., StuW 1993 S. 155. 55 Vgl. Knobbe-Keuk, B., DB 1991 S. 298. 51
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 113
Auslegung von § 1 Abs. 1 KStG zu berücksichtigen ist bzw. welche europarechtlichen Regelungen § 1 Abs. 1 KStG Schranken setzen oder seinen Anwendungsbereich ausdehnen.56 Das Gemeinschaftsrecht ist weder Völkerrecht noch Bestandteil des nationalen Rechts, sondern es bildet eine eigenständige Rechtsordnung, die aus einer autonomen Rechtsquelle fließt 57 Als Rechtsquellen kommen zum einen das sog. Primärrecht, also die Gesamtheit der Gründerverträge inclusive der Protokolle, Anhänge, Änderungen und Ergänzungen sowie das sekundäre Gemeinschaftsrecht, bestehend aus Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen in Frage.58 Während für das Primärrecht und die Verordnungen außer Zweifel steht, daß sie unmittelbar Rechtskraft für die einzelnen Mitgliedstaaten und damit die Bundesrepublik Deutschland entfalten, ist die Bedeutung der Richtlinien noch nicht abschließend geklärt. Richtlinien sind für alle Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet werden, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich; sie überlassen es jedoch den innerstaatlichen Stellen, wie das zu erreichende Ziel in Form und Mittel jeweils umgesetzt wird. 59 Der EuGH läßt aber keine Zweifel daran, daß die Richtlinie im Falle einer nicht fristgemäßen Umsetzung durch die einzelnen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht erzeugen kann, sofern der Inhalt klar und unbedingt sowie vollzugsfähig bzw., wie Becker formuliert, "genau fixierbar" 60 ist.61 Die Bindungswirkung von Richtlinien hat der EuGH auch anhand der Sechsten Richtlinie 77/388 des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer62 bestätigt. Der EuGH hatte die Frage, ob deren Bestimmungen seit dem 1. Januar 1979 in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Tatsache, daß diese die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie nicht fristgemäß getroffen hat, als unmittelbares Recht anzusehen ist, zu beantworten.63 Obwohl die Richtlinie den Mit56
Zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts, insbes. des Steuerrechts vgl. etwa Schöne, W. (Auslegung, 1993) S. 35 ff. 57 Arndt, H.-W. / Haas, M., RIW 1989 S. 710 (714); BVerfG v. 9.6.1971, BVerfGE 31 S. 145 (174); BVerfG v. 29.5.1974, BVerfGE 37 S. 270 (277 f). 58 Zu den Rechtsquellen im einzelnen vgl. etwa Arndt, H.-W. / Haas, M., RIW 1989 S. 710 (711 ff); Becker, B. (Fundstellennachweis, 1995) S. 6 ff. 59 Vgl. Rabe, H.-J., NJW 1993 S. 1 (3). Die Richtlinie hat aber auch nach Umsetzung in nationales Recht insofern noch Bedeutung, als sie Richtschnur für die Auslegung des umgesetzten nationalen Rechts ist. Vgl. hierzu Oppermann, T. (Europarecht, 1991) S. 219 f.; Voß, R., StuW 1993 S. 155 (157). 60 So Becker, B. (Fundstellennachweis, 1995) S. 8. 61 Vgl. EuGH v. 6.10.1970, Slg. 1970 S. 825 (839); EuGH v. 5.4.1979, Slg. 1979 S. 1629 (1641 f.); EuGH v. 19.1.1982, Slg. 1982 S. 53 (70); EuGH v. 19.11.1991, NJW 1992 S. 165 (165 f.). 62 Vgl. EG-Amtsblatt 1977, L 145 S. 1 ff. 63 Vgl. EuGH v. 19.1.1982, Slg. 1982 S. 52. 8 Herz
114
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
gliedstaaten einen mehr oder weniger großen Gestaltungsspielraum bei einzelnen Bestimmungen einräumt, sind zumindest diejenigen Bestimmungen wirksam, die angesichts ihres Gegenstandes geeignet sind, aus dem Gesamtzusammenhang gelöst und gesondert angewendet zu werden.64 In einem anderen ebenfalls zur Umsatzsteuer ergangenen Urteil hat der EuGH entschieden, daß eine Berufung auf die Richtlinie auch dann möglich ist, sofern diese zwar in nationales Recht umgesetzt wurde, nicht aber in einer richtlinienkonformen Weise.65 Die relativ umfangreiche Rechtsprechung zum EG-Umsatzsteuerrecht zeigt die zunehmende Bedeutung, die das EG-Recht und die Rechtsprechung im nationalen Bereich gewonnen haben. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Rechtsangleichung im Bereich der indirekten Steuern und hier insbesondere des Umsatzsteuerrechts am weitesten fortgeschritten ist 6 6
b) Die Fusionsrichtlinie als zentraler Punici der Harmonisierung der direkten Steuern in der EU und ihr Leerlaufen Da sich direkte Steuern nicht so fühlbar auf den innergemeinschaftlichen Verkehr auswirken67, hinkt deren Harmonisierung der der indirekten Steuern hinterher. Im Gegensatz zu den indirekten Steuern enthält der EWG-Vertrag auch keinen, dem Art. 99 EWG-Vertrag entsprechenden Harmonisierungsauftrag für direkte Steuern.68 Ein solcher Auftrag kann nur aus Art. 100 EWGV entnommen werden, der eine Generalklausel für die Rechtsangleichung darstellt.69 Erst im Juli 1990 wurden durch den EG-Ministerrat die drei steuerlichen EG-Akte zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Gesellschaften auf dem Gebiet der direkten Besteuerung verabschiedet. Dabei handelt es sich um die Fusions- und die Konzernrichtlinie sowie die Schiedsverfahren-Konvention. 70 Für den Bereich dieser Arbeit ist insbesondere die Fusions-Richtlinie von Interesse. Ziel der Fusionsrichtlinie ist es, steuerliche Hindernisse bei der Um64 65
Ebd. S. 72.
Vgl. EuGH v. 27.6.1989, Slg. 1989 S. 1925 (1954). Vgl. Oppermann, T. (Europarecht, 1991) S. 402 f. 67 Vgl. Oppermann, T. (Europarecht, 1991) S. 407. 68 Vgl. Eyles, U. (Niederlassungsrecht, 1990) S. 258; Knobbe-Keuk, B. (Büanzsteuerrecht, 1993) S. 335; Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 31; Lehner, M. (Perspektiven, 1994) S. 19. 69 Vgl. Krebs, H.-J., BB 1990 S. 1945; Lehner, M. (Perspektiven, 1994) S. 19; Mann, S., DB 1990 S. 1735; Müller, T., StuW 1992 S. 157; Oppermann, T. (Europarecht, 1991) S. 392; Voß, R., StuW 1993 S. 155 (160). 70 Vgl. hierzu im einzelnen Herzig, N. / Dautzenberg, N. / Heyeres, R., DB 1991 Beilage Nr. 12 S. 1 ff.; Herzig, N. / Förster, G., DB 1992 S. 911 (911 ff.); KnobbeKeuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 338 ff.; Krebs, H.-J., BB 1990 S. 1945 (1945 ff.); Thömmes, O., WPg 1990 S. 473 (473 ff.); ders. (Probleme, 1994) S. 29 ff. 66
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 115
strukturierung von Unternehmen über die Grenzen der Mitgliedstaaten zu beseitigen, die den Unternehmen bisher noch im Wege standen.71 Der Regelungsbereich umfaßte Fusionen, Spaltungen, Einbringung von Unternehmensteilen sowie den Austausch von Anteilen, sofern Gesellschaften aus zwei Mitgliedstaaten an den Vorgängen beteiligt sind.72 Die Rechtsfolgen bestehen in einem Aufschub der Besteuerung der stillen Reserven sowohl auf der Ebene der Gesellschaft wie auch auf der Ebene der Gesellschafter, wobei ein Wahlrecht zur Gewinnrealisierung vorgesehen ist. Ohne diese Steuerneutralität wäre eine Untemehmensumstrukturierung in der Regel nicht möglich, da sonst die steuerliche Belastung in der Regel ein sehr hohes Maß erreichen würde.73 Trotz der wohlmeinenden Absicht der Fusionsrichtlinie ist deren faktischer Anwendungsbereich erheblich eingeschränkt Von der Einbringung von Unternehmensanteilen bzw. von Teilbetrieben und dem Anteilstausch abgesehen, läuft die Fusionsrichtlinie ins Leere, da für Fusionen und Spaltungen von Gesellschaften über die Grenzen der Mitgliedstaaten die handelsrechtlichen Vorschriften, die diese Vorgänge überhaupt erst ermöglichen würden, fehlen. 74 Der Grund ist in der in den meisten Mitgliedstaaten geltenden Sitztheorie zu erblicken. Die Sitztheorie vereitelt die Durchführung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, die aber Voraussetzung für eine steuerneutrale Umstrukturierung im Sinne der Fusionsrichtlinie ist. Der deutsche Steuergesetzgeber hat dementsprechend die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Fusion und Spaltung erst gar nicht in das deutsche Steuergesetz bei der Umsetzung der Fusions-Richtlinie übernommen.75 Sollen die Vorteile der Fusionsrichtlinie nicht teilweise ein "leeres Versprechen"76 bleiben, müssen dementsprechend auch handelsrechtliche Harmonisierungsregelungen EU-weit verabschiedet werden. Mag Knobbe-Keuk auch die Umsetzung der Richtlinienpakete als "geradezu historischen Durchbruch"77 bezeichnen, scheint das Interesse an einer 71
Vgl. Voß, R., StuW 1993 S. 155 (161). Zu den weiteren Voraussetzungen vgl. etwa Herzig, N. / Dautzenberg, N. / Heyeres, R., DB 1991 Beüage Nr. 12 S. 6 ff. 73 Vgl. Herzig, N. / Dautzenberg, N. / Heyeres, R., DB 1991 Beilage Nr. 12 S. 3 f.; Thömmes, O., IWB Fach 11 Gruppe 2 S. 33 (34). 74 Vgl. Herzig, N. / Dautzenberg, N. / Heyeres, R., DB 1991 Beilage Nr. 12 S. 15, die jedoch betonen, daß die Finanzverwaltung die Steuerneutralität einer Umstrukturierung nicht am Fehlen einer Gesamtrechtsnachfolge scheitern läßt, wenn die Gesamtrechtsnachfolge zivilrechtlich gar nicht möglich ist. Aufgrund des Diskriminierungsveibotes sind die Autoren der Auffassung, daß eine Ausdehnung dieser steuerbegünstigenden Behandlung seitens der Finanzverwaltung auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte auf EG-Ebene geboten ist. 75 Vgl. BT-Drs. 12/1108 S. 36 (80); Herzig, N. / Förster, G., DB 1992 S. 911 (912); Kieschke, H.-U., DStZ 1991 S. 289 (293). 76 So Voß, R., StuW 1993 S. 155 (161). 77 Vgl. Knobbe-Keuk, B., DB 1991 S. 298. 72
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116
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
weiteren Harmonisierung zu erlahmen. Der Harmonisierung im Bereich der direkten Steuern kommt nicht mehr unbedingte Priorität zu, wie das Schreiben vom 23.4.1990 des Präsidenten der EG-Kommission an den Rat und das Europäische Parlament78 deutlich macht.79 Fraglich ist nach Ansicht der Kommission nämlich, welchen Einfluß die direkte Besteuerung überhaupt auf die Neutralität der Investitionsentscheidung und damit auf die Verwirklichung des Binnenmarktes hat. Da jedoch auch andere Faktoren, wie etwa die Lohnkosten oder die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen oder der wirtschaftlichen Infrastruktur die Investitionsentscheidungen beeinflussen, sollen die Mitgliedstaaten solange in der Gestaltung ihrer Besteuerung frei sein, bis Verzerrungen durch die unterschiedlichen Steuersysteme meßbar sind.80 Hiernach gilt für die Harmonisierung auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung der Grundsatz der Subsidiarität,81 der als eine Abkehr von der bisherigen Politik der Kommission angesehen werden muß.82 Hiermit wird dem Erfordernis der Unmittelbarkeit der Auswirkungen auf die Errichtung oder das Funktionieren des gemeinsamen Marktes in Art. 100 EWGV Rechnung getragen.83 Auch die Existenz von Art. 220 EWGV zeigt, daß die nationale Steuergesetzgebungshoheit im Bereich der direkten Steuern weitgehend unangetastet geblieben ist.84 Die Steuerharmonisierung trifft nämlich gerade den neuralgischen Punkt des Binnenmarktprogramms, den Souveränitätsaspekt85 bzw. wie Mann drastisch formuliert: "Nationale Steuerhoheit und das Bedürfnis einer Wirtschaftsgemeinschaft nach Mindestregeln im Steuerrecht bilden für die Steuerharmonisierung in der EG eine Antinomie, die insoweit auch den EWGVertrag (EWGV) selbst prägt."86 Art. 100 EWGV kann daher nicht als Ermächtigungsvorschrift zur Angleichung der direkten Steuern herangezogen werden, sofern rein innerstaatliche Sachverhalte betroffen sind.87
78
Die Leitlinien sind als BR-Drs. 360/90 veröffentlicht. Vgl. hierzu Mann, S., DB 1990 S. 1735 (1737); Krebs, H.-J., BB 1990 S. 1945 (1949). 80 Deshalb kann auch Art. 101 EWGV nicht als Grundlage zur Harmonisierung der Steuersysteme angesehen werden, da durch direkte Steuern keine Wettbewerbs Verfälschung und eine dadurch hervorgerufene Verzerrung entsteht. Vgl. hierzu Zeitler, F.C./ Jüptner, R., BB 1988 Beüage Nr. 17 S. 1 (3). 81 Vgl. Förster, J., IWB Fach 11 Gruppe 2 S. 57 (57 0; Krebs, H.-J., BB 1990 S. 1945 (1949); Zeitler, F.-C. / Jüptner, R., BB 1988 Beilage 17 S. 1 (6). 82 Vgl. Förster, J., IWB Fach 11 Gruppe 2 S. 57. 83 Zum Kriterium der Unmittelbarkeit vgl. Zeitler, F.-C. / Jüptner, R., BB 1988 Beilage Nr. 17 S. 1 (3). 84 Vgl. Hahn, H., DStZ/A 1992 S. 663. 85 Vgl. Förster, J., IWB Fach 11 Gruppe 2 S. 13; Schrömbges, U., DB 1989 S. 2558 (2560). 86 Mann, S., DB 1990 S. 1735. 87 Vgl. Eyles, U. (Niederlassungsrecht, 1990) S. 260 ff. 79
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 117
c) Die Wirkungslosigkeit der Niederlassungsfreiheit bei der Sitzverlegung von Gesellschaften Eine andere Beurteilung von Art. 100 EWGV ergibt sich jedoch für all die Fälle, in denen eine Erleichterung grenzüberschreitender Unternehmensbetätigung in Frage steht, die gleichbedeutend mit einer Verwirklichung der Grundfreiheiten, namentlich des Niederlassungsrechts, ist. 88 In der Literatur wird die in Art. 52 EWGV 89 statuierte Niederlassungsfreiheit dementsprechend auch als von erheblichem Einfluß auf das Recht der direkten Steuern gewert e t . 9 0 , 9 1 Unter Niederlassung ist in erster Linie die Gründung eines ständigen Unternehmens zu verstehen, das den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Selbständigen92 darstellt.93 Die Niederlassung ist also nicht nur das bloße Entstehen einer Präsenz, sondern sie umfaßt das berufliche Tätigwerden des Selbständigen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates.94 Die Niederlassungsfreiheit gewährleistet damit das Recht zur Schaffung dauerhafter Einrichtungen, die als Grundlage für die Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten erforderlich sind.95 Die Niederlassungsfreiheit unterscheidet sich von der Dienstleistungsfreiheit i.S.v. Art. 59 ff EWGV dadurch, daß im Niederlassungsfalle ein neuer Standort entsteht.96 Hierbei stehen dem Niederlassungwilligen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen kann er die Tätigkeiten an seinem bisherigen Standort aufgeben bzw. dort nur eine vom neuen Haupthaus abhängige Betriebsstätte belassen, oder aber er behält 88
Vgl. Eyles, U. (Niederlassungsrecht, 1990) S. 260 und S. 262. Art 58 Abs. 1 EWGV stellt Gesellschaften unter bestimmten Bedingungen den Begünstigten in Art. 52 Abs. 1 EWGV gleich. Zu den Bedingungen im einzelnen Vgl. etwa Bleckmann, A. (Europarecht, 1990) S. 460 ff. 90 Vgl. etwa Hahn, H., DStZ/A 1992 S. 663 (664); Herrmann. Η., FR 1989 S. 605 (605 ff.); Kaefer, W., DStR 1991 S. 671 (671 ff.); Knobbe-Keuk, B., DB 1991 S. 298; Meilicke, W., RIW 1989 S. 640 (640 ff.); Saß, G., StuW 1988 S. 362 (362 ff.); ders., DB 1992 S. 857 (857 ff.). 91 Art 52 EWGV ist seit dem Ende der Übergangszeit unmittelbar anwendbar. Vgl. hierzu EuGH v. 21.6.1974, Slg. 1974 S. 631 (634); EuGH v. 28.1.1986, Slg. 1986 S. 273 (302). Trotz der Vielzahl von Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts zur Problematik der grenzüberschreitenden Niederlassung hat Art. 52 EWGV weiterhin großes Gewicht. Vgl. hierzu Jarass, H., RIW 1993 S. 1 (1 f.). 92 Der Begriff des Selbständigen i.S. dieser Vorschrift ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der selbständigen Tätigkeit i.S.v. § 18 EStG. Unter den Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeiten fallen alle auf eigene Rechnung und eigenes Risiko ausgeübten Tätigkeiten, die dem Erwerb von Einkommen dienen. Sie umfaßt mithin auch etwa Einkünfte aus Gewerbebebtrieb i.S.v. § 15 EStG. Zum Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit i.S.v. Art 52 EWGV Vgl. etwa Grabitz, Art. 52 EWGV Anm. 12 ff ; Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 52 EWGV Anm. 21 ff. 93 Vgl. Grabitz, Art. 52 EWGV Anm. 2. 94 Vgl. Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 52 EWGV Anm. 1. 95 Vgl. Behrens, P., RabelsZ 1988 S. 498. 96 Vgl. Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 52 EWGV Anm. 3. 89
118
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
seinen bisherigen Betriebsmittelpunkt bei und gründet im anderen Mitgliedstaat lediglich eine von diesem abhängige Niederlassung. Im ersten Fall spricht man von einer sog. primären Niederlassung und im zweiten Fall von der sog. sekundären Niederlassung. Wie der EuGH in seinem Urteil vom 28.1.1986 hervorhebt, sind beide Formen der Niederlassung als grundsätzlich gleichwertig zu betrachten.97 Besteht über den Begriff der Niederlassung Einigkeit, so sind die Meinungen über die Reichweite der Niederlassungsfreiheit geteilt. Der Ursprung bzw. Kern der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EWGV ist ein Diskriminierungsverbot, nach dem das Recht zur Niederlassung dem Ausländer nach Maßgabe derjenigen Bestimmungen zu gewähren ist, nach denen es der Aufnahmestaat seinen eigenen Angehörigen gewährt.98 Ziel ist demnach die Herstellung der Inländergleichbehandlung.99 Neben diesem Diskriminierungsverbot will ein Teil des Schrifttums in Art. 52 EWGV ein darüber hinaus gehendes Beschränkungsverbot sehen.100 Art. 52 EWGV soll danach also nicht nur Niederlassungsgleichheit, sondern ganz allgemein Niederlassungsfreiheit garantieren, die eine freie Standortwahl über die mitgliedschaftlichen Grenzen hinweg und die ungehinderte Ausübung der Tätigkeit im Niederlassungsstaat ermöglicht.101 Steindorff stützt seine Meinung insbesondere auf die zur Dienstleistungsfreiheit ergangene Rechtsprechung des EuGH, deren Grundsätze er auf die Niederlassungsfreiheit übertragen will. Ob eine solche Methodik angemessen ist, ist m.E. fraglich. Zwischen beiden Bereichen bestehen doch erhebliche Unterschiede102, die eine unreflektierte Übertragung der Grundsätze verbieten. Knobbe-Keuk sieht den Grund für eine weite Auslegung zum einen im Wortlaut von Art. 52 EWGV und zum anderen gebietet der Zweck des Vertrages eine solche Auslegung.103 Auch der EuGH scheint diese Auffassung zu teilen, da er die Niederlassungsfreiheit als eine der grund-
97
Vgl. EuGH v. 28.1.1986, Slg. 1986 S. 273 (305). Vgl. Hahn, H., DStZ/A 1992 S. 663 (665). 99 Vgl. Oppermann, T. (Europarecht, 1991) S. 575; Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 52 EWGV Anm. 33. 100 Vgl. Behrens, P., RabelsZ 1988 S. 498 (512); ders., IPrax 1989 S. 354 (356); Blumenwitz, D., NJW 1989 S. 621 (622 ff.); Herrmann, H., FR 1989 S. 605 (606); Knobbe-Keuk, B., DB 1990 S. 2573 (2573 ff.); dies., DB 1991 S. 298 (298); dies. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S.353 f.; Roth, W.-H., RabelsZ 1990 S. 63 (80 ff); Steindorff, E., ZHR 1986 S. 687 (691); ders., EuR 1988 S. 19 (19 ff.); zweifelnd Ebke, W., ZGR 1987 S. 245 (256 ff.). 101 Vgl. Knobbe-Keuk, B., DB 1990 S. 2573 (2575); dies. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 354. 102 Vgl. Everling, U., EuR 1989 S. 338 (343); ders., DB 1990 S. 1853 (1857); Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 52 EWGV Anm. 38. 103 Vgl. Knobbe-Keuk, B., DB 1990 S. 2573 (2574 f.). 98
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 119
legenden Prinzipien des Vertrages bezeichnet, deren Bestimmungen seit Ablauf der Übergangszeit unmittelbare Geltungswirkung besitzen.104 Niederlassungsfreiheit bedeutet aber nicht nur die Freiheit des Marktzugangs, sondern impliziert damit auch das korrespondierende Merkmal der Freiheit des Wegzuges.105 Wie der EuGH in seiner "Daily Mail"-Entscheidung vom 27.9.1988 betonte, zielen Art. 52 und 58 EWGV zwar in erster Linie darauf ab, die Gleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger und Gesellschaften mit den Staatsangehörigen und den Gesellschaften dieses Staates sicherzustellen, sie verbieten aber andererseits dem Heimatstaat, die Niederlassungsfreiheit seiner eigenen Staatsangehörigen und der nach seinem Recht gegründeten Gesellschaften zu beschränken, da anderenfalls die durch Art. 52 ff EWGV garantierten Rechte sich als inhaltsleer erweisen würden. 106 Allerdings ist die Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite der Niederlassungsfreiheit nicht eindeutig und läßt keine klare Linie in dieser Frage erkennen.107 Wie Ebenroth / Auer anmerken, scheint sich ein Ausdehnen der Niederlassungsfreiheit von einem Diskriminierungsverbot hin zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot abzuzeichnen.108 Der EuGH hat allerdings in seiner "Daily Mail"-Entscheidung für juristische Personen gewisse Einschränkungen im Hinblick auf sein weitergehendes Verständnis des Diskriminierungsverbotes vorgenommen.109 Er hat entschieden, daß sich diese zwar frei in jedem anderen Mitgliedstaat niederlassen dürfen, hinsichtlich des Wegzugsrechts aber den nationalen Rechtsvorschriften des Heimatstaates unterliegen.110 Die im EWGV konstituierte Niederlassungsfreiheit darf nicht dahingehend ausgelegt werden, daß sie den Gesellschaften nationalen Rechts ein Recht verleihen, ihre Geschäftsleitung in einen anderen 104
Vgl. EuGH v. 27.9.1988, DB 1989 S. 269 (270). Vgl. Hahn, H., DStZ A 1992 S. 663 (664 ff.); Roth, W.-H., RabelsZ 1990 S. 63 (82); Schweitzer, M. / Hummer, W. (Europarecht, 1993) S. 289; Steindorff, E., EuR 1988 S. 19 (28). 106 Vgl. EuGH v. 27.9.1988, DB 1989 S. 269 (270). 107 Vgl. hierzu Eyles, U. (Niederlassungsrecht, 1990) S. 66 ff; Grabitz, Art. 52 EWGV Anm. 43 ff. 108 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., GmbHR 1994 S. 16 (22). Diese Tendenz sieht auch Behrens, P., IPRax 1989 S. 354 (360). 109 In dem zu beurteilenden Streitfall stand ursprünglich kein international-privatrechtliches Problem zur Debatte. Die englische Gesellschaft wollte ihre Geschäftsleitung in die Niederlande verlegen. Da sowohl Großbritannien als auch die Niederlande die Gründungstheorie vertreten, wäre eine Sitzverlegung ohne Auflösung der Gesellschaft möglich gewesen. Lediglich das britische Steuerrecht sah eine solche Auflösimg vor, um die Besteuerung der im Betriebsvermögen steckenden stillen Reserven sicherzustellen. Allein diese Frage stand ursprünglich zur Debatte. Dieser Punkt gab schließlich Anlaß zur Kritik. Vgl. etwa Behrens, P., IPrax 1989 S. 354 (356 f.).; KnobbeKeuk, B., DB 1990 S. 2573 (2579). 110 Vgl. Sandrock, O. / Austmann, A. RIW 1989 S. 249 (250). 105
120
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze f r die Subjektqualifikation
EG-Staat zu verlegen und gleichzeitig ihren Status als Gesellschaften des Mitgliedstaates, nach dessen Recht sie gegründet wurden, beizubehalten.111 Der EuGH geht im Ergebnis also davon aus, daß das für Gesellschaften geltende nationale Recht den Niederlassungsregeln des EWG-Vertrages vorgelagert ist. 112 Danach kann Art. 58 EWGV nicht die Anerkennung der Rechtsfähigkeit innerhalb der Gemeinschaft begründen, sondern er setzt sie vielmehr voraus. 113 Das Recht auf Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat ist demnach nicht gestört, wenn der Wegzugsstaat die Auflösung der Gesellschaft bei Verlegung ihres Verwaltungssitzes fordert. 114 Die Sitztheorie ist demnach mit der Niederlassungsrecht des EWG-Vertrages und dem darin verankerten Freizügigkeitsgebot vereinbar. 115 Was für den Wegzugsstaat gilt, kann vice versa nicht anders für den Zuzugsstaat gelten. Er kann, sofern die Gesellschaft den Status eigener Rechtspersönlichkeit anstrebt, eine Neugründung nach den ihm eigenen Rechtsvorschriften verlangen. Insofern kann, wie Eyles hervorhebt, von einer zurückhaltenden Bestimmung des Niederlassungsrechts von Gesellschaften gesprochen werden, das Beschränkungen des Wegzuges einerseits und des Zuzuges andererseits beinhaltet.116 Die unmittelbare Anwendbarkeit des Niederlassungsrechts stellt der EuGH hiermit selbst in Frage. 117 Sandrock/ Austmann sprechen sogar davon, daß Art. 58 EWGV mit der "Daily Mail"Entscheidung "... wesentlich an Bedeutung eingebüßt hat ,.." 118 , da in denjenigen Staaten, die der Sitztheorie folgen, die Niederlassungsfreiheit praktisch nicht existent ist. 119 Für Gesellschaften, die ihren Sitz über die Grenze verlegen wollen, gilt die Niederlassungsfreiheit also nur hinsichtlich der sekundären Niederlassungsformen. 120 Wie Behrens und Knobbe-Keuk anmerken, kann hier gar nicht mehr von einem Akt der Niederlassung der Gesellschaft gesprochen werden,
111
Vgl. EuGH v. 27.9.1988, DB 1989 S. 269 (271). Vgl. Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1989 S. 363 (372); Klinke, U., ZGR 1993 S. 1 (7); Sandrock, O. / Austmann, Α., RIW 1989 S. 249 (250). 113 Vgl. Ebenroth, C. / Eyles, U., DB 1988 Beilage Nr. 2 S. 10; Großfeld, B., IPrax 1986 S. 145; ders., IPrax 1986 S. 351 (352 f.). 114 Knobbe-Keuk sieht in einer Neugründung nur die sekundäre Niederlassungsfreiheit der Gesellschafter gewährleistet, während die primäre Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft selbst in Frage steht. Vgl. hierzu Knobbe-Keuk, B., DB 1990 S. 2573 (2579). 115 Vgl. Großfeld, B. / Luttermann, C., JZ 1989 S. 386 (387). 116 Vgl. Eyles, U. (Niederlassungsrecht, 1990) S. 350 ff. 117 Vgl. Behrens, P., IPrax 1989 S. 354 (357). 118 Sandrock, O. / Austmann, Α., RIW 1989 S. 249 (250). 119 Vgl. Sandrock, O. / Austmann, Α., RIW 1989 S. 249 (250). 120 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., GmbHR 1994 S. 16 (22). 112
I. Regelungen des internationalen Rechts als mögliche Auslegungsschranken 121
sondern allenfalls als einem solchen der Gesellschafter. 121 Damit hat die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften eine andere Qualität als für natürliche Personen. Diese unterschiedliche Behandlung wird in der Literatur damit begründet, daß zwischen natürlichen Personen und Gesellschaften erhebliche Unterschiede bestehen. Anders als die natürliche Person ist die Gesellschaft dem Recht nicht vorgegeben, sondern sie ist nur eine Schöpfung der einzelnen nationalen Rechtsordnungen.122 Auch der EuGH führt die Unterschiede von natürlichen Personen und Gesellschaften als Begründung für das eingeschränkte Niederlassungsrecht an. 123 Daneben verweist das Gericht auf die mangelnde Koordination bzw. die bestehenden Unterschiede der einzelnen nationalen Rechtsordnungen hin. Art. 220 EWGV sieht bei entsprechendem Bedarf den Abschluß von Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten vor, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit gewährleisten sollen.124 Ferner weist er auf die in Art. 54 Abs. 3 lit. g EWGV vorgesehene Möglichkeit des Erlasses einer Harmonisierungsrichtlinie hin. 125 Es stellt sich für das Steuerrecht nun die Frage, ob es eine von den doch zurückhaltenden Regelungen des Niederlassungsrechts im Bereich des Zivilrechts unterschiedliche Wertung erfordert. M.a.W. muß das Steuerrecht eine ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz und den Ort ihrer Geschäftsleitung in das Inland verlegt, weiterhin als Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne auffassen, obwohl das Zivilrecht auch unter Zugrundelegung der in Art. 52, 58 EWGV statuierten Niederlassungsfreiheit von der Nichtexistenz als juristischer Person, d.h. von einem Personenverband ohne eigene Rechtspersönlichkeit, ausgeht? Diese Frage liegt in der Tatsache begründet, daß im Gesellschafts- und im Steuerrecht unterschiedliche Belange auf dem Spiel stehen, die eine Differenzierung gebieten.126 Wenn man jedoch bedenkt, daß der Eingriff in die Steuersouveränität eines Staates wesentlich gravierender zu gewichten ist, als der in das Zivil- bzw. Gesellschaftsrecht eines Staates, können die Schranken, die das EG-Recht nationalem Recht setzt, im Bereich des Steuerrechts sicherlich nicht höher angesetzt werden als im 121 Vgl. Behrens, P., IPrax 1989 S. 354 (360); Knobbe-Keuk, B., DB 1990 S. 2573 (2579) Wie Behrens anmerkt, kann von einem Niederlassungsakt nur gesprochen werden, wenn die Gesellschaft ihre Identität und Rechtspersönlichkeit bewahrt. Vgl ebd. 122 Vgl. Großfeld, B., IPrax 1986 S. 351 (352). 123 Vgl. EuGH v. 27.9.1988, DB 1989 S. 269 (270). 124 Ebd.; so auch bereits ausführlich Ebke, W., ZGR 1987 S. 245 (250 ff.). 125 Behrens weist darauf hin, daß diese Aussage zur Entscheidung des EuGH v. 21.6.1974, Slg. 1974 S. 631 in Widerspruch steht. In diesem Urteil hat der EuGH darauf hingewiesen, daß die Niederlassungsfreiheit gerade nicht davon abhängig gemacht werden könne, ob der Rat der EG bereits alle in Art. 54 lit. g EWGV vorgesehenen Rechtsangleichungsrichtlinien erlassen hat. Vgl. hierzu Behrens, P., IPrax 1989 S. 354 (357 f.). 126 Vgl. Eyles, U. (Niederlassungsrecht, 1990) S. 355.
122
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
Gesellschaftsrecht 127 Dementsprechend kann die im EG-Recht manifestierte Niederlassungsfreiheit keine andere steuerliche Entscheidung gebieten, wie sie nach rein inländischen Grundsätzen zu treffen wäre. Auch die "Daily Mail"Entscheidung stützt diese Aussage, als der EuGH die Schlußbesteuerung bei der Verwaltungssitzverlegung im Einklang mit der Niederlassungsfreiheit stehend wertet. Hätte der EuGH im Rahmen des Steuerrechts strengere Maßstäbe anlegen wollen, so hätte er die Frage der Schlußbesteuerung eingehender diskutieren müssen und nicht die gesellschafts- und die steuerrechtliche Problematik in einem Atemzug nennen dürfen. Auch für andere Bereiche des "EG-Steuerrechts" wird man keinen weitergehenden Einfluß auf das nationale Steuerrecht annehmen dürfen. Wie Voß anmerkt, ist das Europäische Steuerrecht ein Recht im Werden, wobei insbesondere die Harmonisierung der direkten Steuern noch in den Anfängen steckt 128 Insofern lassen sich aus dem derzeitigen Rechtsstand keine Schlußfolgerungen ableiten, die eine von den nationalen Grundsätzen abweichende steuerliche Betrachtung rechtfertigen würden. Dies gilt um so mehr, als der derzeitige Stand deutlich macht, daß die einzelnen Mitgliedstaaten auf ihre Steuersouveränität nicht verzichten wollen. Auch Art. 100 a EWGV spricht für diese Tendenz, da nach Abs. 2 dieser Vorschrift, die statt Einstimmigkeit lediglich qualifizierte Mehrheiten voraussetzt, Bestimmungen über Steuern explizit ausgenommen sind. Ob in Zukunft eine Neuentwicklung auf diesem Gebiet kommt, bleibt abzuwarten. Der EuGH hat in seiner Entscheidung Kommission gegen Frankreich vom 28.1.1986 zwar entschieden, daß eine mangelnde Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Körperschaftsteuer die zu beurteilende Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen kann, bei Fehlen einer Harmonisierung hängt die steuerrechtliche Lage einer Gesellschaft aber weiterhin von dem für sie geltenden nationalen Recht ab. Nur die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit gebieten, daß für die niederlassungswillige Gesellschaft keine anderen Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit gelten, als diese für eigene Staatsangehörige gelten.129 Im Ergebnis kann also eine europarechtliche Wertung im Bereich des Steuerrechts nur auf die Niederlassungsfreiheit gestützt werden. Die bisherigen Harmonisierungsvorschriften geben jedoch allein per se keinen Anhaltspunkt, von den allgemeinen Regelungen des nationalen Steuerrechts abzuweichen.
127
Vgl. auch Eyles, U. (Niederlassungsrecht, 1990) S. 256 f. Vgl. Voß, R., StuW 1993 S. 155 (168); über die Perspektiven einer weiteren Entwicklung Vgl. etwa Wiedow, A. (Steuerharmonisierung, 1994) S. 47 ff. 129 Vgl. EuGH v. 28.1.1986, Slg. 1986 S. 273 (306). 128
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes Auslegungsprinzip
123
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes Auslegungsprinzip für die Besteuerung internationaler Sachverhalte Wie obige Ausführungen deutlich machen, setzen die internationalen Rechtsquellen keine wesentlichen Schranken für die Auslegung von § 1 Abs. 1 KStG. Sie überlassen es vielmehr allein dem innerstaatlichen Recht, über die Qualifikation ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz oder nach inländischem Recht gegründeter Kapitalgesellschaften mit ausländischem Verwaltungssitz zu befinden. Für diese Entscheidung muß daher auf die allgemeinen, für das deutsche Steuerrecht geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden. Als der zentrale Grundsatz des deutschen Steuerrechts gilt das in Art. 3 Abs. 1 GG kodifizierte allgemeine Gleichheitsgebot, der den zentralen verfassungsrechtlichen Prüfmaßstab für Steuergesetze bildet.130 Schaumburg hebt seine Bedeutung insbesondere für das Internationale Steuerrecht hervor. 131 Dementsprechend wird, allerdings in der gebotenen Kürze, der Gleichheitssatz dargestellt und analysiert, um daraus insbesondere die für das Steuerrecht bedeutenden Aspekte herauszuarbeiten. Als Auslegungsmaßstab ist er insofern von Interesse, da er nach ganz h.M. nicht nur die Rechtsetzungsgleichheit für den Gesetzgeber, sondern auch die Rechtsanwendungsgleichheit für den Gesetzesvollzug beinhaltet132 1. Der Gleichheitssatz als zentrale Auslegungskomponente und die darin enthaltene Forderung nach Systemgerechtigkeit
a) Die Interpretation des Gleichheitssatzes durch das Bundesverfassungsgericht Der in Art. 3 GG niedergelegte Gleichheitssatz nimmt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes breiten Raum ein, wie die Fülle der hierzu ergangenen Entscheidungen eindrucksvoll dokumentiert.133 Diesen Entscheidungen läßt sich jedoch leider kein einheitlicher Tenor entnehmen, sondern der Gleichheitssatz hat in der Rechtsprechung des Bundesverfas130
Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (297 ff.); Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 26. 131 Vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 29. 132 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verbietet Art. 3 GG bereits eine Regelung der Steuererhebung, welche die Gleichheit des Belastungserfolgs prinzipiell verfehlt Vgl. BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84 S. 239 (271). 133 Ygj e t w a die Rechtsprechungsübersicht bei Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 324 ff.
124
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
sungsgerichts nuanciert unterschiedliche Interpretationen erfahren. 134 In seiner frühen Rechtsprechung stellte das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz auf, daß bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln ist. 135 Der Gesetzgeber hat aber nicht alle tatsächlichen Verschiedenheiten unterschiedlich zu behandeln, sondern nur solche, denen aus Erwägungen der Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit auch für das Recht unterscheidende Bedeutung zukommt.136 Die Entscheidung hierüber ist weitgehend in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt.137 Ihm sind allerdings insofern Grenzen gesetzt, als er seine Auswahl sachgerecht zu treffen hat. Ausschlaggebend ist, ob die Unterschiede in den zu regelnden Sachverhalten für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise so erheblich sind, daß ihre Außerachtlassung als willkürlich 138 bezeichnet werden müßte.139 Die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Gleichheitssatz wird deshalb als Willkürverbot gedeutet.140 Die Feststellung der Willkür enthält jedoch keinen subjektiven Schuldvorwurf, sondern wird in einem objektiven Sinn verstanden.141 Seit Beginn der achtziger Jahre verwendet der I. Senat folgende Formel: "Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten." 142 In diesem neuen Prüfungsmaßstab ist auch der Aspekt der Verhältnismäßigkeit enthalten, da in ihm die Forderung erhoben wird, daß Art und Gewicht der Unterschiede in einem angemessenen Verhältnis zu der Ungleichbehandlung stehen müssen.143 Diese sog. neue Formel hat sich zur ständigen
134
S. 26. 135
Vgl. Hesse, K. AöR 1984 S. 174 (186); Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993)
Vgl. BVerfG v. 17.12.1953, BVerfGE 3 S. 58 (135). Vgl. BVerfG v. 18.12.1953, BVerfGE 3 S. 225 (240). 137 Vgl. BVerfG v. 18.12.1953, BVerfGE 3 S. 225 (240). 138 Zur Umschreibung des Wülküverbotes im einzelnen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. etwa die Urteilsübersicht bei Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 3 Rz. 27. 139 Vgl. BVerfG v. 23.10.1951, BVerfGE 1 S. 14 (52); BVerfG v. 20.12.1966, BVerfGE 21 S. 12 (26 f.). 140 Vgl. Leibholz / Rinck /Hesselberger, GG, Art. 3 GG Rz. 21 ff; v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Anm. 11. 141 Vgl. Leibholz / Rinck /Hesselberger, GG, Art. 3 GG Rz. 28. 142 BVerfG v. 7.10.1980, BVerfGE 55 S. 72 (88). 143 Vgl. Hesse, K. AöR 1984 S. 174 (189). 136
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes Auslegungsprinzip
125
Rechtsprechung entwickelt.144 Allerdings enden, worauf Tipke zu Recht hinweist, auch die neueren Entscheidungen trotz Verwendung dieser Formel oft in einer Willkürprüfung oder in der Suche nach einem sachlichem Grund. 145 Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber in der Frage, wo er die Grenzen setzen will, jedoch einen großen Entscheidungsspielraum ein. Die Entscheidung hierüber "ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers".146 Ihm bleibt ein "weiter Spielraum für die Betätigung seines Ermessens".147 "Das Bundesverfassungsgericht kann daher nur die Überschreitung gewisser äußerster Grenzen beanstanden; es kann dem Gesetzgeber erst dann entgegentreten, wenn für eine von ihm angeordnete Differenzierung zwischen verschiedenen Personengruppen sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind, so daß ihre Aufrechterhaltung einen Verstoß gegen das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden darstellen würde." 148 "Der an den Gleichheitssatz gebundene Gesetzgeber kann grundsätzlich selbst diejenigen Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen, die er also im Rechtssinne als "gleich" ansehen will." 149 Auch bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, ob er im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung unter mehreren möglichen wählt. 150 Die diesen Tenor bestätigende Rechtsprechung ließe sich nahezu beliebig fortsetzen, so daß von "restringierenden Entscheidungen"151 gesprochen werden kann. Der Gleichheitssatz ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auch für das Steuerrecht maßgebend.152 Seine Rechtsprechung stützt sich auf die allgemeine Interpretation des Gerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG. 1 5 3 Wie das Gericht betont, ist dieser gerade im Steuerrecht von besonderer Bedeutung, da die Steuergesetze einen besonders empfindlichen Eingriff in die 144
Vgl. etwa BVerfG v. 29.11.1989, BStBl 1990 Π S. 479 (482); BVerfG v. 29.5.1990, BVerfGE 82 S. 60 (86); BVerfG v. 17.7.1995, BStBL 1995 Π S. 810
(811).
145
Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 325. Vgl. BVerfG v. 18.12.1953, BVerfGE 3 S. 225 (240); BVerfG v. 17.1.1957, BVerfGE 6 S. 55 (71). 147 BVerfG v. 17.12.1953, BVerfGE 3 S. 58 (135). 148 BVerfG v. 17.12.1953, BVerfGE 3 S. 58 (135 f.). 149 Vgl. BVerfG v. 20.12.1966; BVerfGE 21 S. 12 (26). 150 Vgl. BVerfG v. 17.12.1953, BVerfGE 3 S. 58 (135); BVerfG v. 29.11.1989, BStBl 1990 Π S. 479(482). 151 So Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 325. In diesem Sinne auch Vogel, K., JbDStJG 1989 S. 123 (132). 152 Vgl. etwa BVerfG v. 17.1.1957, BVerfGE 6 S. 55 (70); BVerfG v. 20.12.1966, BVerfGE 21 S. 12 (27); BVerfG v. 3.11.1982, BVerfGE 61 S. 319 (343); BVerfG v. 22.2.1984, BVerfGE 66 S. 214 (223); BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84 S. 239 146
(268).
153
Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (303).
126
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikaon
Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen darstellen.154 Wie Tipke zu Recht ausführt, kehren die oben angeführten Beurteilungsmaßstäbe auch in den Entscheidungen zum Steuerrecht wieder. Für das Steuerrecht ist der Gleichheitssatz, wie für alle anderen Rechtsgebiete auch, bereichsspezifisch anzuwenden.155 Demnach müssen sowohl die steuerbegründenden Vorschriften als auch die Regelung ihrer Anwendung dem Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Steuerpflichtigen Rechnung tragen. 156 Das sachgerechte Prinzip wird in der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesehen157. Bei der Erschließung der Steuerquellen im einzelnen räumt das Bundesverfassungsgericht -entsprechend seiner restringierenden Entscheidungen- dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit ein. Der Gleichheitssatz ist jedenfalls solange nicht verletzt, als sich seine Entscheidung mit finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen läßt. 158 Auch bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum, wobei er jedoch bei der Ausgestaltung dieses Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umzusetzen hat. 159 Der Gesetzgeber ist demnach an die von ihm selbst statuierten Sachgesetzlichkeiten gebunden,160 es sei denn, die Systemwidrigkeit beruht auf einleuchtenden Griindeen.161 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, insbesondere die auf dem Willkürverbot aufbauende, hat in der Literatur doch erhebliche Kritik hervorgerufen. Ihr wird vor allem vorgeworfen, daß es dieser doch an einer objektivierbaren Aussage und damit auch nur in groben Zügen vorhersehbaren Entscheidungen mangelt mit der Konsequenz, daß sich ihr nur bedingt allgemeingültige Regeln entnehmen lassen.162 Zumindest die sich am Willkürverbot orientierende Rechtsprechung hat einen rein dezisionistischen Charakter. 163 Die zur Ausfüllung des Willkürverbots angeführten Erläuterungen las154
Vgl. BVerfG v. 20.12.1966, BVerfGE 21 S. 12 (27). Vgl. BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84 S. 239 (268). 156 Vgl. BVerfG v. 20.12.1966, BVerfGE 21 S. 12 (27); BVerfG v. 3.7.1973, BVerfGE 35 S. 324 (335); BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84 S. 239 (269). 157 Vgl. BVerfG v. 3.11.1982, BVerfGE 61 S. 319 (344); BVerfG v. 22.2.1984, BVerfGE 66 S. 214 (223); BVerfG v. 29.5.1990, BVerfGE 82 S. 60 (86). 158 Vgl. BVerfG v. 12.10.1978, BVerfGE 49 S. 343 (360); BVerfG v. 29.11.1989, BStBl 1990HS. 479(482). 159 Vgl. BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84 S. 239 (271). 160 Vgl. BVerfG v. 7.11.1972, BVerfGE 34 S. 103 (115); BVerfG v. 10.11.1981, BVerfGE 59 S. 36 (49); BVerfG v. 22.2.1984, BVerfGE 66 S. 214 (224). 161 Vgl. BVerfG v. 10.11.1981, BVerfGE 59 S. 36 (49); BVerfG v. 15.5.1984, BVerfGE 67 S. 70 (84 f). 162 Vgl. Hesse, K., AöR 1984 S. 174 (186). 163 Vgl. Maaß, R., NVwZ 1988 S. 14 (16). 155
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes Auslegungsprinzip
127
sen sich eher als Leerformeln qualifizieren, als daß sie wirklich zu einer näheren Bestimmung des Gleichheitssatzes beitragen.164 Dies gilt insbesondere für den Bereich des Steuerrechts, zu dem etwa Tipke drastisch formuliert: "Willkür ist im Steuerrecht gegeben, wenn das Bundesverfassungsgericht im Einzelfall annimmt, sie liege vor." 165 In diese Richtung gehen auch die Ausführungen Friaufs, dem es an einer einheitlichen Linie zu den für die Gleichheitsprüfung maßgeblichen Kriterien mangelt.166 Allerdings scheinen die neueren Urteile einen Wandel in der Rechtsprechung anzudeuten.167 Um das Gleichheitsgebot in seinem Gehalt näher bestimmen zu können, soll deshalb auf die weitergehenden Ausführungen in der Literatur kurz eingegangen werden. Denn nur, wenn man sich über die Voraussetzungen der Inhaltsbestimmung des Gleichheitsgebotes, seiner Bedeutung und Funktion klar geworden ist, kann eine sachgerechte Lösung gefunden werden,168 die letztlich auch intersubjektiv nachprüfbar ist
b) Das richtige Vergleichskriterium als zentrales Merkmal des Gleichheitsprinzips Die Problematik des Gleichheitsgebotes ist untrennbar mit der entscheidenden (Wertungs-) Frage verbunden, ob zwei Sachverhalte in den wesentlichen, maßgeblichen Einzelpunkten gleich sind.169 Entscheidend ist daher nicht, daß die zu vergleichenden Objekte in allen Punkten einander gleich sind, sondern nur in einzelnen wesentlichen Aspekte, wobei die Zahl der maßgeblichen Eigentümlichkeiten in Abhängigkeit der Fragestellung variieren kann. 170 Hierin unterscheidet sich die Gleichheit gerade von der Identität; sie ist immer relativ. 171 Ist Identität gegeben, so ist eine Gleichheitsaussage ausgeschlossen.172 Die Gleichheit kann daher nie schlechthin, also nie in toto auf alle Eigenschaften, ausgesprochen werden, sondern immer nur im Hinblick auf die gerade überprüften Merkmale und Verhältnisse.173 Das Gleichheitsurteil gründet sich daher auf die Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit der den verglichenen Ob164 Vgl. etwa Maaß, R., NVwZ 1988 S. 14 (20 f.); v. Mangold / Klein / Starck, GG, Art 3 Anm. 10; v. Münch / Kunig, Art 3 GG Anm. 13. 165 Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 328. 166 Vgl. Friauf, K., JbDSJG 1989 S. 3 (27 f.). 167 Vgl. etwa Vogel, K., JbDStJG 1989 S. 123 (139). 168 Vgl. Hesse, K., AöR 1951 S. 167 (169); in diesem Sinne auch v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Anm. 16a. 169 Vgl. Maaß, R., NVwZ 1988 S. 14. 170 Vgl. Hesse, K. AöR 1951 S. 167 (173). 171 Vgl. Tipke, K., (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 339. 172 V. Münch / Kunig, Art. 3 GG Anm. 16a. 173 Vgl. Hesse, K., AöR 1951 S. 167 (173).
128
C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
jekten eigenen Merkmalen, es hängt von dem Gesichtspunkt ab, unter dem der Vergleich angestellt wird. 174 Für den Vergleich ist es also notwendig, ein Differenzierungskriterium, das sog. tertium comparationis, auszuwählen, anhand dessen der Vergleich durchgeführt wird. 175 In diesem Sinne ist wohl auch die "neue" Formel des Bundesverfassungsgerichtes zu sehen, da diese nicht nur nach der Willkür der Unterschiede fragt, sondern auch dem Vergleich im Hinblick auf bestimmte Merkmale besondere Bedeutung beimißt. Danach ist für die Frage, ob zwischen zwei Sachverhalten Gleichheit besteht, eine zweistufig angelegte Gleichheitsprüfung durchzuführen: Auf der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt ein Unterschied besteht, wobei es hierbei auf das Differenzierungskriterium und das Differenzierungsziel ankommt; auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob Art und Gewicht der festgestellten Unterschiede diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können.176 Entscheidend für das Gleichheitserfordernis ist daher die Findung des "richtigen" Vergleichsziels, das den jeweiligen Vergleichsmaßstab bzw. den Bezugspunkt bestimmt177. Zwischen Differenzierungsziel und Differenzierungskriterium besteht ein funktionaler Zusammenhang.178 Gefragt ist nicht irgendeine Relation, sondern es muß die richtige Relation gefunden werden. 179 Dem Gleichheitssatz als solchem ist selbst nicht zu entnehmen, was relevanter Weise zu vergleichen ist, sondern die Lösung kann nur auf der Grundlage des einzelnen Rechtsgebietes gefunden werden. 180 Art. 3 Abs. 1 GG erweist sich insofern als relativ inhaltsleer.181 Für die Anwendung des Gleichheitssatzes genügt also nicht nur eine Grundrechtstheorie, sondern es ist zudem eine genaue Kenntnis der systemkonstituierenden Prinzipien des einzelnen Rechtsgebietes notwendig.182 Auch wenn man den Gleichheitssatz als Willkürverbot interpretieren würde, könnte keine abstrakte Prüfung des Gleichheitssatzes dahingehend vorgenommen werden, das Willkürverbot isoliert anhand eines sich verselbständigten Willkürverbotes zu prüfen. Ein solches sich verselbständigtes Willkürverbot existiert allein aufgrund des Rechtsstaatsgebots, das willkürliches Staatshandeln unterbindet. Daher kann diese 174
Vgl. Hesse, K., AöR 1951 S. 167 (174). Vgl. v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Anm. 16a. 176 Vgl. hierzu Friauf, K. (Steuergleichheit, 1985) S. 22; Maaß, R., NVwZ 1988 S. 14 (19 ff.); v. Münch / Kunig Art. 3 GG Anm. 29; Wendt, R., NVwZ 1988 S. 778 (780 ff.). 177 Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (300). 178 Vgl. Schoch, F,. DVB1 1988 S. 863 (874). 179 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 339. 180 Vgl. Gusy, C. NJW 1988 S. 2505 (2508); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 341. 181 Vgl. Gusy, C., NJW 1988 S. 2505 (2508). 182 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 347. 175
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes A u s l e g u n g s p r i n z i p 1 2 9
Frage, soll Art. 3 Abs. 1 GG noch eine eigenständige Bedeutung haben, nur nach der Natur der Sache bzw. der Eigenart des in Frage stehenden Sachbereichs entschieden werden.183 Die Entscheidung über die wesentlichen Gesichtspunkte ist aber nicht nur durch rational erfaßbare Faktoren bestimmt, sondern sie hat vielmehr auch einen subjektiven Charakter. Die obersten Gesichtspunkte der Gleichsetzung sind letztlich eine Frage unseres jeweiligen geistigen Standpunktes,184 die nicht durch einen logischen Denkakt, sondern allein aufgrund eines Werturteils gefunden werden können.185 Diese leitenden Gesichtspunkte, die eine rechtlich erhebliche Relevanz besitzen, ergeben sich aus den in der Gesellschaft herrschenden Gerechtigkeits- und Weitvorstellungen.186 Allerdings hat Gubelt im Anschluß an Stein 187 und Gusy188 zu Recht darauf hingewiesen, daß das gewählte Differenzierungskriterium, das Differenzierungsziel und das Verhältnis zwischen beiden mit dem Grundgesetz vereinbar sein müssen.189 verfassungsrechtliche DifFerenzierungsgebote und -verböte schränken daher den Gesetzgeber in seinen Entscheidungen ein. 190 Einer weiteren Einschränkung unterliegt der Gesetzgeber in der Wahl seiner Differenzierungsziele und -kriterien grundsätzlich nicht. Insofern ist die "Gleichheitsbindung des Gesetzgebers zentral Selbstbindung".191 An diesem Punkt stellt sich die Frage, inwiefern die Ausführungen in der Literatur sich tatsächlich von der BVerfG-Rechtsprechung abheben und insoweit einen wirklichen Erkenntnisfortschritt in sich bergen. Die neue Rechtsprechung sowie die h.M. in der Literatur tragen im Endeffekt nur zu einer Konkretisierung im Hinblick auf die analytische und logische Struktur des Gleichheitssatzes bei. Das eigentliche Kernproblem bleibt weiterhin die Findung desrichtigenVergleichsmaßstabes, des tertium comparationis. Die Ausführungen von Leibholz, auf dessen Meinung die BVerfG-Rechtsprechung beruht, zeigen aber genau in diese Richtung und treffen damit das eigentliche Problem im Kern. Nicht irgendein Maßstab ist heranzuziehen, sondern als allgemeines Charakteristikum ist ihm heute"...der Widerspruch zu dem jeweilig 183
Vgl. hierzu Wendt, R., NVwZ 1988 S. 778 (780). Vgl. Hesse, K., AöR 1951 S. 167 (177). 185 Vgl. v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Anm. 17. 186 Vgl. v. Mangold / Klein / Starck, GG, Art. 3 Anm. 13. 187 Vgl. Stein, E. (Staatsrecht, 1995) S. 400 ff. 188 Vgl. Gusy, C., NJW 1988 S. 2505 (2508). 189 Ygi hierzu und zu den Anforderungen im einzelnen v. Münch / Kunig, Art 3 GG Anm. 21 ff, der darauf hinweist, daß die Wülkürprüfung systematisch richtig bei dem Verhältnis von Differenzierungskriterium und Differenzierungsziel anzusiedeln ist. In diesem Sinne auch Schoch, F., DVB11988 S. 863 (874). 190 Vgl. Kirchhof, P., NJW 1987 S. 2354 (2355); v. Mangold / Klein /Starck, GG, Art 3 Anm. 15 ff.; Wendt, R., NVwZ 1988 S. 778 (784); 191 Gusy, C., NJW 1988 S. 2505 (2508). 184
9 Herz
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
"Vernünftigen", zu den ordnungsmäßig zu befolgenden Regeln usw. eigen."192 Leibholz zielt also auf das Vernünftige. Letztlich kann damit nicht der Vergleichsmaßstab schlechthin gefunden werden, sondern in der Regel wird sich eine Mehr- bzw. Vielzahl von vernünftigen Kriterien finden lassen. Dem Gesetzgeber, hier ist dem Bundesverfassungsgericht zuzustimmen, muß ein Wahlrecht und damit ein Wertungsspielraum zugestanden werden. Dies ist Bestandteil und Ergebnis eines demokratischen Prozesses, ihm daher förmlich systemimmanent. Insofern geht auch die Kritik Tipkes fehl, wenn er an der neuen Rechtsprechung bemängelt, daß diese häufig in der Prüfung des Willkürveibotes endet. Entscheidend ist daher allein, wie man das Willkürverbot als solches interpretiert. Interpretiert man es dahingehend, daß eine Differenzierung nur dann willkürlich sei, wenn sich kein aus der Natur der Sache ergebender relevanter Unterschied ergibt, dann ist das Willkürverbot nur eine Negativabgrenzung aus dem Grundsatz "Natur der Sache". Aber, um es nochmals zu betonen, es wird in den meisten Fällen anhand des Kriteriums "Natur der Sache" keinen einheitlichen bzw. exklusiven Differenzierungsmaßstab geben, zumal er doch Ausfluß bzw. Ergebnis des jeweiligen geistigen Standpunktes ist. Allerdings, und hier ist Tipke zuzustimmen, kann nicht irgendein, mit der Sachproblematik noch so schwach verbundener sachlicher Grund als Kriterium ausreichend sein, sondern eine bestimmtes Maß an sachlicher Nähe muß vorhanden sein.193 Letztlich ist aber die Grenze des zulässigen nicht definitorisch bestimmbar, sondern immer nur unter Abwägung der einzelnen Faktoren möglich.
c) Die Systemgerechtigkeit als Konkretisierungsmöglichkeit des Gleichheitsprinzips Die Forderung nach einer geeigneten Relation kommt auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, indem es etwa in seinen Urteilen die Forderung nach Sachgerechtigkeit aufstellt. In mehreren Urteilen hat das Gericht betont, "...daß die Systemwidrigkeit, die Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit" einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indiziere."194 Gerade der Grundsatz der Sachgemäßheit 192
Leibholz, G. (Gleichheit, 1959) S. 72. Den sehr weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers und damit die extrem eingeschränkte Möglichkeit des Richters stützt Leibholz unter anderem auf die Tatsache, daß sich das Rechtsbewußtsein nicht mit Sicherheit ermitteln läßt. Vgl. Leibholz, G. (Gleichheit, 1959) S. 77. Würde man dieses Argument akzeptieren, so dürfte bei Prüfung des Grundsatzes von Treu und Gleuben und der Verkehrssitte nach § 242 BGB nicht auf das Rechtsempfinden aller gerecht und billig Denkenden abgestellt werden. Vgl. hierzu MünchKomm-Roth, § 242 BGB Anm. 7. 194 BVerfG v. 7.11.1972, BVerfGE 34 S. 103 (115) mit Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung. Zur Systemgerechtigkeit in der Rechtsprechung des BVerfG vgl. auch Vogel, K., JbDStJG 1989 S. 123 (137 f.). 193
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes Auslegungsprinzip
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bzw. der Systemgerechtigkeit ist für diese Frage auch nach Ansicht der Literatur von besonderer Bedeutung.195 Da das Grundgesetz nur sehr wenige und der Gleichheitssatz selbst keinerlei Maßstäbe für die materielle Auslegung des Gleichheitsgebotes bieten, müssen andere Konkretisierungsmöglichkeiten gefunden werden. Gerade das Kriterium der Systemgerechtigkeit kann hier einen entscheidenden Rationalitätsgewinn bieten.196 Die Systemgerechtigkeit konkretisiert sich in zwei Erscheinungsformen: 197 zum einen ist das System für bestimmte Ordnungsbereiche der vom Gesetzgeber selbst gesetzten Grundregeln maßgebend; eine Durchbrechung ohne ausreichende sachliche Gründe ist unzulässig. Zum anderen müssen Sachverhalte möglichst unter Beachtung des gesetzten Ziels in sich folgerichtig geregelt sein. Auch die Forderung Tipkes, daß das gewählte und zugrundegelegte Prinzip konsequent zu Ende gedacht und durchgeführt werden muß, 198 zielt in diese Richtung. Die Bedeutung der Systemrichtigkeit für die materiale Richtigkeit wird an den Ausführungen von Canaris deutlich, wenn er hierzu ausführt, "...das System als der Inbegriff aller eine Rechtsordnung tragenden Grundwertungen bringt geradezu die materiale Gerechtigkeit, wie diese sich in der jeweiligen positiven Rechtsordnung verwirklicht hat, zur Darstellung... Es ist deshalb in diesem Zusammenhang einmal mehr nachdrücklich zu betonen, daß Systemargumente ex definitione nichts anderes darstellen als das am Gleichheitssatz ausgerichtete "Zuendedenken" der Grundwertungen des Gesetzes und daß sie ihre Legitimität und Durchschlagskraft daher gleichermaßen aus der Autorität des positiven Rechts und der Dignität des Gerechtigkeitsgebots gewinnen."199 Allerdings werden gegen das Kriterium der Systemgerechtigkeit Bedenken vorgebracht. So hat sich auch das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit vom Begriff der Systemgerechtigkeit distanziert. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist der, daß die Bindung an ein bereits geschaffenes System zur Verkrustung führen würde. Allerdings liegt dieser Argumentation eine Auffassung des Systembegriffs zugrunde, die dessen Grundgedanken in zweierlei Hinsicht überspannt.200 Interpretiert man die Systembindung nicht als Bindung des Gesetz195
Vgl. Friauf, K., StuW 1985 S. 308 (314); v. Mangold / Klein / Starck, GG, Art 3 GG 33; v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Anm. 30; Schoch, F., DVB1. 1988 S. 863 (878 f.); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 346; Wendt, C., NVwZ 1988 S. 778 (783 f.); kritisch allerdings Peine, F.-J. (Systemgerechtigkeit, 1985) S. 218 ff, der m.E. aber von einem sehr formalen Systembegriff i.S. der Logik ausgeht und diesen auch für das Recht in diesem Sinne interpretiert. 196 Vgl. Schoch, F., DVB1 1988 S. 863 (878); in diesem Sinne auch v. Mangold / Klein / Starck, GG Art. 3 Anm. 33. 197 Vgl. v. Münch / Kunig, Art. 3 GG Anm. 30. 198 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnug, 1993) S. 288 und 344. 199 Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. 107. 200 Vgl. hierzu Vogel, K., JbDStJG 1989 S. 123 ( 137 f.). 9*
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
gebers auch bei Gesetzesänderungen oder als "Natur der Sache", sondern betrachtet man die in der Literatur angebotenen Differenzierungspotentiale, so sind eine Fortentwicklung, Durchbrechung, Modifizierung oder Aufgabe bestehender Regelungskomplexe keinesfalls ausgeschlossen und die Gefahr einer Verkrustung demnach gebannt.201 Insofern ist im Ansatz zu unterscheiden zwischen einer Systembildung als solcher, die im Rahmen der Verfassung dem Gesetzgeber obliegt, und der Systemgerechtigkeit im Sinne einer inneren Sachgesetzlichkeit und Folgerichtigkeit bei nachfolgenden gesetzgeberischen Maßnahmen.202 Versteht man das System im Sinne eines "offenen Systems"203, so ist die Möglichkeit der Fortbildung dem System selbst als Kennzeichen immanent. Selbst wenn man den Gesetzgeber von einer solchen systemgerechten bzw. folgerichtigen Gesetzgebung weitgehend befreit, so gilt dies für die Gesetzesanwendung noch lange nicht. Bindet man den Gesetzgeber in einem weiteren Rahmen jedoch an dieses Postulat, wie es ein Großteil der Literatur fordert, so gilt dies erst Recht für den Gesetzesanwender. Allerdings ist das Kriterium der Systemgerechtigkeit nicht in jedem Falle unproblematisch. Wie Starck hervorhebt, kann die Systemprüfung zu mehreren Lösungen führen bzw. die Bestimmung des Systems als solches wirft schon Schwierigkeiten auf. 204 Daneben stellt sich die Frage, auf welcher Systemebene die Prüfung ansetzen kann. Die einzelnen Gesetze stehen in einem größeren Wertungs- und Systemzusammenhang, so daß die Wertungskonformität einer Regelung mit dem System des Gesetzes zu kontrollieren ist oder aber nach größeren Systembezügen, also nach Obersystemen, gefragt werden darf. 205 d) Die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 GG auf ausländische Gesellschaften Bevor überhaupt die Frage der Anwendung des Gleichheitssatzes diskutiert wird, muß aber erst die logisch vorgelagerte Frage beantwortet werden, inwieweit Art 3 Abs. 1 GG überhaupt für juristische Personen, im speziellen für ausländische, Gültigkeit besitzt. Art. 19 Abs. 3 GG löst das Problem insofern, als er inländische juristische Personen den natürlichen Personen bezüglich der Grundrechtsfähigkeit gleichstellt. Es darf sich aber um keine solchen Rechte handeln, die aus der Natur der Sache nur auf natürliche Personen Anwendung finden können. Die Begründung des Art. 19 Abs. 3 GG schließt nach Ansicht 201
Vgl. Schoch, F., DVB1.1988 S. 863 (878). Schoch, F., DVB1. 1988 S. 863 (878); Auch Vogel spricht in diesem Zusammenhang von einer Folgerichtigkeit Vgl. Vogel, K., JbDStJG 1989 S. 123 (138). 203 Zur Offenheit des Systems vgl. Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. 61 ff. 204 Vgl. v. Mangold / Klein / Starck, GG, Art 3 Anm. 33 und 36. 205 Vgl. ebd. Anm. 37. 202
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes A u s l e g u n g s p r i n z i p 1 3 3
des Bundesverfassungsgerichtes entsprechend dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift eine Ausdehnung auf ausländische juristische Personen aus. 206 Nach Ansicht von Klaus Vogel 207 darf das Urteil aber nicht dahingehend verstanden werden, daß der Gleichheitssatz schlechthin auf ausländische juristische Personen keine Anwendung finden müsse und diese somit keinem verfassungsrechtlichen Willkürverbot unterliegen würden. Es stand vielmehr nur die Frage zur Debatte, ob ausländische juristische Personen zur Wahrung eigener Rechte oder der Rechte ihrer Mitarbeiter Verfassungsbeschwerde einlegen können. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß eine verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers an das Willkürverbot nicht gegeben sei. Gerade der Charakter des Willkürverbotes als Element des objektiven Gleichheitsprinzips und damit des das Grundgesetz beherrschenden Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit erfordern daher eine Anwendung und Beachtung im Sinne eines objektiven Verfassungsgrundsatzes in allen Bereichen und für alle Personengemeinschaften. Dementsprechend muß der Gleichheitssatz und somit das Willkürverbot in seiner allgemeinen Bedeutung auch auf die hier interessierenden ausländischen Gesellschaften Anwendung finden. Eine von obiger Problematik zu trennende Frage ist, ob es sich bei den grenzüberschreitenden Gesellschaften überhaupt um ausländische Gesellschaften handelt. Wie im Internationalen Privatrecht auch stellt sich für das Grundgesetz die Frage der Anknüpfung an die "Inländer-" bzw. "Ausländereigenschaft" der juristischen Person. Für die Bestimmung des Inländers i.S.v. Art. 19 Abs. 3 GG ist maßgeblich der Sitz der juristischen Person. Als Sitz der juristischen Person gilt, wie im Internationalen Privatrecht auch, der Ort, an dem der tatsächliche Verwaltungsmittelpunkt liegt. 208 Für den Umfang der Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes muß daher zwischen der zuziehenden und der wegziehenden Gesellschaft unterschieden werden. Während die zuziehende Gesellschaft aufgrund ihres inländischen Sitzes vollen Grundrechtsschutz, also auch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde genießt, kommt der wegziehenden Gesellschaft nur noch der Anspruch auf Gleichheit im Sinne eines objektiven Verfassungsprinzips zu. 2 0 9
206
Vgl. BVerfG v. 1.3.1967, BVerfGE 21 S. 207 (208 f.). Vgl. hierzu Vogel, K. (Aktionär, 1973) S. 23 ff. 208 Vgl. Maunz / Dürig / Herzog, Art 19 GG Anm. 31. 209 Ob es sich dabei noch um eine juristische Person handelt oder ob das Gebilde als Personenvereinigung einzustufen ist, spielt keine Rolle, da Art. 19 Abs. 3 GG auch auf Personengesellschaften Anwendung findet. Vgl. hierzu etwa v. Münch / Kunig, Art 19 GG Anm.31. 207
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
2. Die relative Inhaltsleere des Leistungsfähigkeitsprinzips und das Erfordernis der Bestimmung der vom Gesetzgeber statuierten Systematik
Auf dem Gebiet des Steuerrechts zielt der Vergleich auf eine Verteilung der finanzstaatlichen Lasten je nach der Belastbarkeit des einzelnen.210 Ausgangspunkt der Überlegungen im Steuerrecht muß dabei die Einsicht sein, daß Steuern nur aus dem Einkommen oder dem Vermögen als gespeichertem Einkommen stammen können. Als dieser Grundanforderung gerechtwerdender Maßstab ist das Leistungsfähigkeitsprinzip gefunden worden,211 dem für das Steuerrecht die zentrale Bedeutung beigemessen wird. 212 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in vielen Entscheidungen zum Steuerrecht auf dieses Prinzip zurückgegriffen und es als Ausfluß des Gebots der Steuergerechtigkeit bezeichnet213 Wie Birk aber zu Recht anmerkt, steht das Leistungsfähigkeitsprinzip als Differenzierungsmaßstab im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich auf unsicherem Boden, sofern man den Gleichheitssatz im Sinne des Willkürverbotes interpretiert. 214 Das Willkürverbot als solches kann nur unvernünftige Kriterien aussondern, niemals aber ein Differenzierungskriterium als einzigrichtigesbestimmen. Selbst der Versuch, das Willkürverbot über das Kriterium der Plausibilität oder der Systemkonsequenz zu konkretisieren, hilft nicht weiter, da beide selbst durch neue Grundwertungen jederzeit austauschbar sind. Insofern klaffen auch Anspruch und Wirklichkeit der BVerfG-Rechtsprechung zum Gleichheitssatz im Steuerrecht auseinander, da es seine Begründung auf das Willkürverbot stützt Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist kein geschriebenes Verfassungsprinzip 215, so daß Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht als das bloße Medium seiner Durchsetzung angesehen werden kann. Diese Funktion kann der Gleichheitssatz auch gar nicht erfüllen, da er selbst, wie oben bereits dargelegt, keine Maßstäbe aufstellt bzw. festlegt. Die verfassungsrechtliche Legitimation des Leistungsfähigkeitsprinzips als Vergleichskriterium des Gleichheitssatzes muß daher in anderen Verfassungsnormen gefunden werden.
210
Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (301). Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 348 ff.; kritisch Arndt, H.-W., NVwZ 1988 S. 787 (790 f.). 212 Walz mißt dem Leistungsfähigkeitsprinzip für das Steuerrecht die gleiche Bedeutung bei, die die Privatautonomie im Rahmen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs hat. Vgl. hierzu Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 158. 213 Vgl. BVerfG v. 3.11.1982, BVerfGE 61 S. 319 (344); BVerfG v. 22.2.1984, BVerfGE 66 S. 214 (223); BVerfG v. 29.5.1990, BVerfGE 82 S. 60 (86). 214 Vgl. hierzu Birk, D. (Leistungsfähigkeitsprinzip, 1983) S. 158 ff. 215 Vgl. auch Pohmer, D., FA 1988 S. 135 (136 f.). 211
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes A u s l e g u n g s p r i n z i p 1 3 5
Als solche, das Leistungsfähigkeitsprinzip tragende Regelung kann der Sozialstaatssatz gesehen werden.216 Das Sozialstaatsprinzip ist es demnach, aus dem Art. 3 Abs. 1 GG seine Bedeutung als Verteilungsprinzip für die zwischen Staat und Bürgern bestehenden Transferbeziehungen bezieht und der die maßgeblichen Bezugsgrößen eines sozialen Gleichheitsverständnisses festlegt. 217 Ein anderes Konzept verfolgt Kirchhof 218. Ausgangspunkt hierfür ist die Überlegung, daß jede Steuer ein konkretes Wirtschaftsgut belastet und damit einen speziellen Eigentumsbestand mindert. Aus diesem Besteuerungsgegenstand ergibt sich die Verfassungsrechtsposition, die gleichheitskonform durch den Gesetzgeber geschont werden muß. Der verfassungsrechtliche Maßstab für Steuerlasten ist deshalb Art. 14 GG, der das privatnützige Einkommen, Vermögen und die Einkommensverwendung grundrechtlich garantiert. Dem Eigentumsschutz auf der einen Seite steht die Sozialpflichtigkeit auf der anderen Seite gegenüber, die den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund für die Besteuerung bildet. Beide Ansätze stehen sich nicht unvereinbar kontradiktorisch gegenüber, sondern ergänzen sich beide bzw. gehen miteinander konform. Während, wie Kirchhof ja betont, die Sozialpflichtigkeit, die Ausdruck des Sozialstaatsgedankens ist, den Rechtfertigungsgrund für die Besteuerung überhaupt und eine progressive Besteueningshöhe bildet, hat der Eigentumsschutz die Funktion der Begrenzung des Steueranspruches der Höhe nach. Beide Prinzipien stehen also in einem gewissen Spannungsverhältnis, bedingen sich aber gegenseitig insofern, als sie die Ansprüche des Staates auf der einen Seite sowie die Rechte und Pflichten des Bürgers als Eigentümer und Steuerpflichtigem auf der anderen Seite wechselseitig determinieren. Aber auch das Leistungsfähigkeitsprinzip ist, ähnlich wie der Gleichheitssatz relativ inhaltsleer. Will man das Leistungsfähigkeitsprinzip mit konkretem Inhalt füllen, steht man vor erheblichen Schwierigkeiten, da es, wie jedes andere Prinzip 219 auch, unbestimmt ist und ihm ein hoher Grad an Allgemeinheit zu eigen ist. 220 Damit sind auch seiner praktischen Durchführbarkeit enge Grenzen gesetzt221 Der Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinigt in sich eine Reihe verfassungsrechtlicher Wertvorstellungen, die eine definitorische Umschreibung unmöglich machen.222 Der Gesetzgeber bedient 216 Vgl. V. Mangold / Klein / Stark, GG, Art.3 Anm. 60; Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 490 f; Kirchhof leitet das Leistungsfähigkeitsprinzip auf der Grundlage seiner Konzeption von der Eigentumsgarantie als sonderrechtlichem Gleichheitssatz ab.Vgl. hierzu Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (311 ff.); ders., StuW 1985 S. 319 (323 f.). 217 So Birk, D. (Leistungsfähigkeitsprinzip, 1983) S. 163. 218 Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (309 ff.). 219 Zur Bedeutung und Aussagekraft von Prinzipien im Recht im allgemeinen vgl. Bydlinski, F. (Rechtsgrundsätze, 1988) S. 1 ff. 220 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 493. 221 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 498. 222 Vgl. Birk, D. (Leistungsfähigkeitsprinzip, 1983) S. 166.
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C. Allgemeine Auslegungsgrundsätze für die Subjektqualifikation
sich zu seiner Erfassung bestimmter Indikatoren, in denen sich die individuelle Leistungsfähigkeit des Individuums ausdrückt.223 Erst die Indikatoren ermöglichen Aussagen über die relative ökonomische Position einer Person.224 Aber nicht nur die Bestimmung der Steuerhöhe durch Festlegung von Steuerobjekt, Steuerbemessungsgrundlage und Tarif ist am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen, sondern auch die Auswahl der Steuersubjekte.225 Das abstrakte Leistungsfähigkeitsprinzip bedarf daher sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht der Konkretisierung.226 Um daher der Forderung des Leistungsfähigkeitsprinzips gerecht zu werden, muß an die Vorgabe des Gesetzgebers, der das Leistungsfähigkeitsprinzip als solches erst inhaltlich mit seinen Wertvorstellungen ausfüllt, angeknüpft werden. Zufragen ist daher, warum er die in §§ 1 bis 3 KStG genannten Subjekte als eigenständige Steueranknüpfungssubjekte gewählt hat, ihnen also eine eigenständige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugesprochen hat. Erst wenn diese relevanten Anknüpfungskriterien gefunden sind, kann diesen Anforderungen genüge geleistet werden und damit die Forderung nach steuerlicher Gleichbehandlung erfüllt werden. Zu betonen ist an dieser Stelle jedoch, daß es hier nicht um die Frage geht, inwieweit die vom Gesetzgeber normierten Kriterien den Anforderungen der Verfassung genügen, zumal der Spielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ausdrückenden Indikatoren weit ist. 227 Hier geht es einzig und allein um die Frage der Auslegung bzw. Bestimmung der als verfassungskonform aufgestellten Kriterien. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist nicht nur für die Überprüfung der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidungen relevant, sondern ist als normkonzipierendes Prinzip gerade auch bei der Auslegung heranzuziehen. Zu bedenken ist aber, daß dem Leistungsfähigkeitsprinzip als solchem bei der Überprüfung der einzelnen Norm kein allzu großes Gewicht mehr zukommen kann, wenn sich dessen Grundwertung in dem vom Gesetzgeber gewählten Indikatoren, also den Normen selber widerspiegelt. Nur wenn eine Norm einen größeren Interpretationsspielraum zuläßt, kann es als verfassungsrechtliche Wertung bei der Auslegung herangezogen werden. Aufgrund der relativen Unbestimmtheit resultierend aus dem hohen Abstraktionsgrad als Prinzip wird es jedoch keine allzu große Hilfestellung bieten können. Vielmehr wird im wesentlichen wieder auf die Normen und deren Einbettung in den Systemzusammenhang zurückgegriffen werden müssen, um die vom Gesetzgeber statuierte Vorstellung von der Leistungsfähigkeitswürdigung einzelner Sachverhalte ermitteln zu kön223
Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 162. Vgl. Kraft, C. (Steuergerechtigkeit, 1991) S. 41. 225 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 499. 226 Vgl. Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 80. 227 Vgl. Birk, D. (Leistungsfähigkeitsprinzip, 1983) S. 167; Pohmer, D., FA 1988 S. 135 (143). 224
Π. Das Gleichheitsprinzip als übergeordnetes Auslegungsprinzip
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nen. 228 Insofern wird man das Leistungsfähigkeitsprinzip nur als Kriterium heranziehen können, um der Forderung nach Sachgerechtigkeit entsprechen zu können. Das Leistungsfähigkeitsprinzip kann, wie Birk an der BVerfGRechtsprechung kritisiert, nicht mehr leisten, als eine "Negativ-Auslese-Funktion". Eine weitergehende Funktion wird ihm als fundamentalem Prinzip auch gar nicht zukommen können, da die Deduktion aus vagen Aussagen, um solche handelt es sich regelmäßig bei Prinzipien, häufig bloß zu einem rahmenhaften Ergebnis mit mehreren eingeschlossenen Möglichkeiten führen, zwischen denen sodann noch mit anderen Gründen oder letztlich durch Dezision konkretisierend bzw. präzisierend gewählt werden muß. 229
228 Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes neigt dazu, den Maßstab individueller Steuerwürdigkeit dem einfachen Steuerrecht zu entnehmen und nach den einfachgesetzlichen Vorgaben an das Verfassungsrecht heranzutragen. Vgl. hierzu Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (305). 229 Vgl. Bydlinski, F. (Rechtsgrundsätze, 1988) S. 13.
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System der Einkommensbesteuerung von Personenzusammenschlüssen als Ausdruck seines Gleichheitsverständnisses Will man die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft einer an dem Gleichheitssatz orientierten Besteuerung zuführen, so müssen die Grundwertungen der Besteuerung von Gesellschaften aus dem Gesetz selbst ermittelt werden. Nur aus dem Gesetz lassen sich die relevanten Kriterien ableiten, da dort der Gesetzgeber sein Verständnis von der rechtlich relevanten Gleichheit zum Ausdruck gebracht hat. Anhand dieser Kriterien muß die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft beurteilt und schließlich in das System der Besteuerung von Gesellschaften eingeordnet werden. Wollte man an den Vorgaben des Gesetzgebers vorbeigehen, so hieße dies im Ergebnis, die eigenen Gleichheitsvorstellungen an die Stelle der des Gesetzgebers zu setzen. Da aber der Spielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der Kriterien weit ist und in der Regel eine Mehrzahl von solchen verfassungsrechtlich "unbedenklichen" Kriterien vertretbar sind, muß bzw. müssen das oder die relevanten Vergleichskriterien aus dem Gesetz selbst herauskristallisiert werden.
I· Der Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuer als Basis der Einkommensbesteuerung von Personenzusammenschlüssen In der Bundesrepublik Deutschland fehlt es an einer einheitlichen, auf den Tatbestand des Unternehmens bezogenen Besteuerung des Einkommens.1 Statt einheitlich auf das Steuersubjekt "Unternehmen" zuzugreifen, differenziert das deutsche Steuerrecht bei der Anknüpfung der Einkommensbesteuerung nach der Rechtsform, in die das Unternehmen bzw. das unternehmerische Handeln gekleidet ist.2 Das deutsche Ertragsteuerrecht unterscheidet hier grundsätzlich zwei verschiedene "Klassen" von Rechtsformen, zum einen das Einzelunternehmen bzw. die Personengesellschaften und zum anderen die juristischen 1
Knobbe-Keuk bezeichnet dies als eine Crux des geltenden deutschen Steuerrechts. Vgl. hierzu Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 1. 2 Vgl. Jacobs, O. (Unternehmensbesteuerung, 1988) S. 72; Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 1; Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1027.
I. Der Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuer
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Personen bzw. nichtrechtsfähigen Vermögensmassen.3 Insofern knüpft der Gesetzgeber formal an die verschiedenen Gesellschaftsformen des Zivilrechts an und unterwirft diese einer unterschiedlichen Besteuerung. Zu untersuchen wird aber sein, ob diese Anknüpfung an das Zivilrecht für das Steuerrecht im Sinne einer Präzedenz oder einer Prävalenz zu interpretieren ist. Insofern steht an dieser Stelle das Verhältnis beider Rechtsgebiete im Mittelpunkt des Interesses. Der Dualismus der Besteuerung von Gesellschaften, einerseits die Personengesellschaft als Gegenstand der Einkommensteuer und die juristischen Personen und die nichtrechtsfähigen Vermögensmassen als Steuersubjekt der Körperschaftsteuer, existiert in dieser Form erst seit 1920. Bis zur Körperschaftsteuerreform im Jahre 1920 war nämlich die Besteuerung der juristischen Personen in den Einkommensteuergesetzen der einzelnen Länder geregelt.4 Der Umfang der Besteuerung, also die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und der Tarif, war bei natürlichen Personen und den juristischen Personen einheitlich geregelt.5 Erst mit dem Körperschaftsteuergesetz von 1920 wurde die "Singularität" der Einkommensteuer aufgehoben. Der Erlaß eines eigenen Körperschaftsteuergesetzes machte klar, daß die bisherige Verbindung mit der Einkommensteuergesetzgebung nicht mehr bestand.6 Die Trennung beider Besteuerungsformen wurde auch durch eine wesentliche inhaltliche Umgestaltung, wie etwa dem Übergang zu einem Proportionaltarif, deutlich.7 Einen deutlichen Unterschied zum bisherigen System der Besteuerung der Körperschaften zeigte sich aber auch im Hinblick auf die subjektive Köiperschaftsteuerpflicht. Erfolgte die Bestimmung der steuerpflichtigen Körperschaften bisher durch enumerative Aufzählung der konkreten Organisationsformen, so differenzierte das neue Körperschaftsteuergesetz nunmehr zwei Klassen von Körperschaftsteuersubjekten. Zum einen waren dies die juristischen Personen des öffentlichen und des bürgerlichen Rechts sowie alle Berggewerkschaften und zum anderen die nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen, soweit deren Einkommen nicht schon unmittelbar nach dem
3
Vgl. Rädler, A. / Raupach, A. (Steuern, 1966) S. 18. Vgl. HHR, Einf. EStG Anm. 400; Kennzeichnend für die damalige Situation war eine enumerative Aufzählung der Einkommensteuersubjekte, wobei zwischen den einzelnen Landeseinkommensteuergesetzen erhebliche Unterschiede im Hinblick auf den Kreis der steuerpflichtigen Körperschaften bestanden. 5 Rasenack spricht in diesem Zusammenhang daher von einer echten "EinkommensKörperschaftsteuer". Vgl. hierzu Rasenack, C. (Theorie, 1974) S. 32 ff. 6 Vgl. Rasenack, C. (Theorie, 1974) S. 71. 7 Vgl. HHR, Einf. ESt Anm. 400. 4
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Körperschaftsteuergesetz oder nach dem Einkommensteuergesetz bei einem anderen Steuerpflichtigen steuerbar war.8 Dieser Dualismus der Besteuerung des Einkommens zum einen nach dem Einkommen- und zum anderen nach dem Köiperschaftsteuergesetz ist bis zum heutigen Tage beibehalten worden. Beide Steuerarten greifen auf das gleiche Steuerobjekt, das Einkommen der Personen zurück. Insofern wird die Körperschaftsteuer auch als eine besondere Erscheinungsform der Einkommensteuer bezeichnet9 Die enge Verbindung von Einkommen- und Körperschaftsteuer wird auch durch die Vielzahl einkommensteuerlicher Vorschriften, die im Rahmen des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden sind, deutlich. Insbesondere bei der Ermittlung des Einkommens ist auf die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zurückzugreifen 10, da das Köiperschaftsteuergesetz keinen eigenen Einkommensbegriff enthält.11 Die Zweiteilung der Einkommensbesteuerung darf nicht dazu führen, daß ein und dasselbe Einkommen einer Person gleichzeitig der Einkommen- und der Körperschaftsteuer unterworfen wird. 12 Eine (natürliche oder juristische) Person darf vielmehr nur entweder der Einkommen- oder der Körperschaftsteuer unterworfen werden.13 Diesem Rechtsgedanken wird auch durch § 3 Abs. 1 KStG Rechnung getragen. Hiernach sollen bestimmte Personenvereinigungen nur dann köiperschaftsteuerpflichtig sein, wenn das von ihnen erzielte Einkommen nicht schon bei einer anderen Person der originären Besteuerung unterworfen wird. Durch diese Vorschrift wird eine konkurrierende doppelte Steuerpflicht verhindert.14 Die in § 3 Abs. 1 KStG genannten Personenvereinigungen stellen also den Grenzfall eines Steuersubjektes dar. Sie bilden den Übergang von Einkommen- und Körperschaftsteuersubjekt 15 Die Zuordnung eines Personenzusammenschlusses zum Bereich der Einkommen· oder der Köiperschaftsteuer ist nicht nur eine akademisches Spiel, sondern mit der Zuordnung zu einem der beiden Bereiche sind ganz unterschiedliche steuerliche Folgen verbunden. Nicht jede Gesellschaftsform ist eigenständiges Steuersubjekt der Einkommensbesteuerung. Lediglich die mit 8
Zur subjektiven Steuerpflicht nach dem KStG 1920 vgl. Rasenack, C. (Theorie, 1974) S. 72 ff. 9 Vgl. Gail / Goutier / Grützner, § 1 KStG Anm. 1. 10 Vgl. §8 Abs. 1 KStG. 11 Vgl. Gail / Goutier / Grützner, § 1 KStG Anm. 6. 12 Angesprochen ist hier nicht die wirtschaftliche Doppelbelastung, sondern die Doppelbesteuerung. 13 Vgl. Lademann, § 1 Anm. 4. 14 Vgl. HHR, § 3 KStG Anm. 4. 15 Debatin spricht in diesem Zusammenhang von der Außengrenze. Vgl. Debatin, H., BB 1988 S. 1155 (1158); Jukrat bezeichnet dies als Nahtstelle zwischen Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. Vgl. Jukrat, W., GmbHR 1985 S. 62 (63).
I. Der Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuer
141
eigener Rechtsfähigkeit ausgestatteten juristischen Personen und bestimmte andere Personenvereinigungen sind selbst Steuersubjekte, nämlich die der Körperschaftsteuer. Personengesellschaften hingegen sind weder Steuersubjekt der Einkommen- noch der Körperschaftsteuer. 16 Weder § 1 EStG noch § 1 KStG führen sie in der Liste der steueipflichtigen Subjekte auf. Insofern können sie auch kein Steuersubjekt bzw. keine steuerpflichtige Person sein. Das von ihnen erzielte "Einkommen" ist vielmehr unmittelbar den dahinterstehenden Gesellschaftern zuzurechnen und bei diesen zu besteuern, sofern diese als Mitunternehmer anzusehen sind. Bei einem Zusammenschluß mehrerer Personen, die eine gemeinsame Tätigkeit ausüben wollen, steht man also letztlich vor der steuerdogmatischen Frage, ob die Gemeinschaft bzw. Gesellschaft oder jeder einzelne Gesellschafter als Steuersubjekt anzusehen ist 1 7 Es gilt daher im folgenden zu untersuchen, in welcher Weise das vom Gesetzgeber vorgegebene System der Besteuerung von Gesellschaften zu interpretieren ist. Eine solche Systemfindung und Systemauslegung ist um so mehr erforderlich, als aufgrund des eben dargestellten Dualismus eine einheitliche Besteuerung des im Rahmen von Personenzusammenschlüssen erwirtschafteten Einkommens nicht existiert und es daher eine einheitliche Behandlung, die eo ipso zu einer Gleichbehandlung führen würde, nicht gibt. Zumindest das System soll eine solche Gleichbehandlung an den vom Gesetzgeber statuierten Gleichheitsvorstellungen gewährleisten. Es wird daher im einzelnen erforderlich sein, die vom Gesetzgeber gewählten Anknüpfungspunkte in einer Weise zu interpretieren bzw. auszulegen, die eine systematische und nicht nur eine wie auch immer geartete, an reinen "Zufallskriterien" orientierte Besteuerung gewährleisten. Denn dieses System wird und muß die Basis sein, um das unbekannte Subjekt der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft einer im Sinne des Gleichheitssatzes gerechten Besteuerungsform zuzuführen. Daher wird zunächst das System der Besteuerung von Gesellschaften eruiert, so wie es sich nach h.M. in Literatur und Rechtsprechung darstellt Ausgangspunkt müssen demnach die Systembegriffe der Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG und die in § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekte sein, an die der Gesetzgeber anknüpft. Diese sind zunächst einer näheren Betrachtung zu unterziehen, um auf der so gewonnenen Basis die Einstufung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft vornehmen zu können.
16 17
Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 5. Vgl. Herzig, N. / Kessler, W., DB 1985 S. 2476 (2477).
142
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung 1. Personengesellschaften im System der Einkommensbesteuerung18
a) Die Teilsteuersubjektfähigkeit
der Personengesellschaften
Versucht man sich ein Bild vom steuerlichen Verständnis der Personengesellschaften und deren Behandlung zu verschaffen, so sieht man sich mit einem nahezu unüberschaubaren Berg von Rechtsprechung und Literatur konfrontiert. Dabei läßt sich feststellen, daß ein einheitliches Verständnis bis dato fehlt; es haben sich vielmehr verschiedene Grundrichtungen hierzu gebildet19 Im Steuerrecht zeichnet sich daher wohl ein ähnliches Bild wie im Zivilrecht ab, dessen Meinungsbild von gleicher Vielfalt geprägt ist. 20 Einigkeit besteht aber im Zivilrecht darüber, daß die Gesamthandsgesellschaft, ähnlich wie die juristische Person,21 als Wirkungseinheit betrachtet wird, da für sie als Einheit gehandelt wird, sie als Einheit am Rechtsverkehr teilnimmt und für sie als Einheit Rechtsverhältnisse und Rechte und Verpflichtungen bestehen.22 Dieser den Personengesellschaften als Gemeinschaften zur gesamten Hand23 zugrundeliegende Einheitsgedanke spiegelt sich besonders gut auch an der starken dinglichen Bindung des Gesellschaftsvermögens insofern wider, als den
18 Die Untersuchung über das Verständnis von Personengesellschaften und Körperschaftsteuersubjekten erfolgt auf methodisch unterschiedliche Art. Hier wird auf die Untersuchung des möglichen Wortsinns anhand der klassischen Auslegungsmethoden aus zwei Gründen verzichtet. Zum einen würde ein solches Vorgehen inhaltlich zu einer weitgehenden Wiederholung der bei den Körperschaftsteuersubjekten gefundenen Ergebnisse führen, die dem Verfasser entbehrlich erscheint. Zum anderen steht bei den Personengesellschaften das Verhältnis zum Tatbestandsmerkmal des Mitunternehmers im Vordergrund des Interesses. Wie im folgenden noch zu zeigen sein wird, war es gerade dieses Verhältnis, das zu einer Modifizierung des steuerlichen Verständnisses der Personengesellschaften im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG führte. Dementsprechend soll hierauf auch der Schwerpunkt der Untersuchungen gelegt werden. 19 Vgl. hierzu den Überblick bei Schmidt, A. (Behandlung, 1990) S. 16 - 32, der den Versuch unternommen hat, die Meinungen zur Struktur der Personengesellschaft in der Literatur und Rechtsprechung zu systematisieren. 20 Der zivilrechtliche 'Theorienstreit" ist auch sicherlich einer der Ursachen für die steuerliche Problematik. 21 Insofern wird auch von der starken Annäherung an die juristische Person gesprochen. 22 Vgl. Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 89. 23 Gesamthandsgemeinschaft ist gesetzliche Regelfall, der solange Gültigkeit besitzt, wie nichts anderes vereinbart ist. Vgl. Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 20.
Π. Inländische Gesellschaften i m System der Einkommensbesteuerung
143
Gesellschaftern die Möglichkeit genommen ist, über Anteile an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen zu verfügen. 24 Dieser Einheitsgedanke findet im Steuerrecht zunehmend mehr Beachtung. Ein Kernproblem der steuerlichen Diskussion bildet nämlich die Frage, inwieweit den Personengesellschaften im Rahmen der Einkommensteuer eine zumindest gewisse oder teilweise - Steuersubjektfähigkeit zukommt. Wie oben bereits erwähnt, sind Personengesellschaften nicht in den Kreis der eigentlichen Steuersubjekte nach § 1 EStG und § 1 i.V.m. § 3 KStG aufgenommen worden. Trotz der fehlenden Nennung von Personengesellschaften als einem eigenständigen Steuersubjekt will zumindest der BFH der Personengesellschaft eine bestimmte Steuersubjekteigenschaft zubilligen. Der Große Senat des BFH führte in seinem Beschluß zu dieser Problematik folgendes aus: "Eine Personengesellschaft ist jedoch für die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer insoweit Steuersubjekt, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind."25 Daß es sich bei der in diesem Beschluß geäußerten Ansicht nicht nur um eine singuläre Äußerung des Großen Senats handelt, sondern daß sich diese Sichtweise zur ständigen und wohl gefestigten Rechtsprechung entwickelt hat, zeigen die vielen im Anschluß daran ergangenen Urteile. 26 Diese vom BFH vertretene Auffassung ist in der Literatur nicht ohne Resonanz geblieben. Die These des BFH hat einige Kritiker auf den Plan gerufen, die insbesondere bemängeln, daß diese Aussage im Gesetz keine Grundlage findet. 27 § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG spricht nicht von der Gesellschaft in der Einheit ihrer Gesellschafter, sondern von den Gesellschaftern. 28 Insofern geht die vom BFH getroffene Auslegung über den Wortsinn des Gesetzes hinaus.29 Meßmer kritisiert insbesondere, daß es der BFH unterlassen hat, seine Äußerungen aus dem Gesetz herzuleiten. Er verweist vielmehr nur auf seine bisherige Rechtsprechung.30 Betrachtet man als Steuersubjekt das Rechtssubjekt 24
Vgl. Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 20. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (761 f.). 26 Vgl. BFH v. 2.9.1985, BStBl 1986 Π S. 10; BFH ν. 5.11.1985, BFHE 145 S. 58 (60 f.); BFH v. 7.8.1986, BFHE 147 S. 224 (230); BFH v. 19.8.1986, BFHE 147 S. 453 (456); BFH v. 20.11.1990, BStBl 1991 Π S. 345 (346). 27 Vgl. Meßmer, K., FR 1990 S. 205 (208); Walz, R., TL 1985 S. 192 (194); Schulze-Osterloh, J., DStZ/A 1985 S. 315 (316); Tipke / Kruse, § 33 AO Tz. 21 und § 39 AO Tz. 37; a.A. Herzig, N. / Kessler, W., DB 1985 S. 2476, die von einer klaren und überzeugenden Auffassung sprechen, andererseits aber die mit dieser Rechtsprechung verbundenen Probleme sehen. So ist ihrer Meinung nach insbesondere unklar, wo die Grenze für die Steuersubjekteigenschaft der Personenmehrheit verlaufen soll. 28 Vgl. Meßmer, K., FR 1990 S. 205 (208). 29 Vgl. Meßmer, K., FR 1990 S. 205 (208). 30 Vgl. Meßmer, K., FR 1990 S. 205 (208,209 und 211 f.). 25
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
eines Steuergesetzes, dem ein Steuerobjekt und die damit verbundene Steuerlast zugerechnet wird, 31 so kann der Sichtweise des Bundesfinanzhofes nicht gefolgt werden. Wie Meßmer betont, wird das Einkommen nicht der Gesellschaft zugerechnet, sondern der Gesellschafter als Mitunternehmer erfüllt den Tatbestand der Einkünfteerzielung. Daß der Gewinn bei der Gesellschaft einheitlich ermittelt wird 32 , ist m.E. rein verfahrensrechtlicher Natur und ergibt sich aus Praktikabilitätserwägungen.33 Nur wenn der Begriff des Steuersubjekts eine entsprechende Modifizierung und Erweiterung erfahren würde 34 , könnte von einer Steuersubjektfähigkeit von Personengesellschaften gesprochen werden. Die Subjektfunktion, wie sie der BFH der Personengesellschaft zubilligt, gilt nämlich nur für den Arten- und Höhentatbestand, dagegen nicht für den Grundtatbestand.35 Die wohl h.M. teilt die Auffassung des BFH und will der Personengesellschaft eine zumindest teilweise Steuerrechtssubjektfähigkeit zugestehen.36 Diese Steuersubjektfähigkeit findet ihren Niederschlag auf zwei Ebenen. Zum einen ist die Personengesellschaft das Subjekt der Gewinnermittlung, d.h. der Gewinn wird einheitlich für alle Gesellschafter ermittelt Zum anderen ist die Qualifikation der Einkünfte auf der Ebene der Gesellschaft maßgebend für die Qualifikation auf der Ebene der Gesellschafter. 37 Schön beschreibt diesem Zusammenhang sehr plastisch, wenn er ausführt: "Charakteristisch für die steuerliche Behandlung der Personengesellschaft ist nach dieser Formulierung das Phänomen der "Zurechnung", d.h. die Vermittlung von Besteuerungsmerkmalen der Gesellschaft an die Gesellschafter." 38·39
31
So Tipke, K. / Lang, J (Steueirecht, 1994) S. 164. Lange, J. u.a. (Personengesellschaften, 1993) Tz. 162 spricht insofern von einem Subjekt der Gewinnermittlung, das zwar kein Steuerrechtssubjekt, aber ein eingeschränktes (beschränktes) Steuerrechtssubjekt sei. So auch Herzig, N. / Kessler, W., DB 1985 S. 2476 (2479). 33 So auch Herzig, N. / Kessler, W., DB 1985 S. 2476 (2479). 34 Hierfür plädiert Pott, H.-M. (Kollision, 1982) S. 41. 35 Vgl. Herzig, N. / Kessler, W., DB 1985 S. 2476 (2478); Raupach, Α., StuW 1991 S. 278 (280). 36 Vgl. etwa Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 361 f; Lange, J. u.a. (Personengesellschaften, 1993) Tz. 162 ff; Herzig, N. / Kessler, W., DB 1985 S. 2476 ff.; Reiss, W., StuW 1986 S. 232 ff; Schön, W., StuW 1988 S. 253 ff.; ders. DStR 1993 S. 185 (191); Raupach, Α., StuW 1991 S. 278 (280). 37 Sofern an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft jedoch Personen oder Gesellschaften beteiligt sind, deren Einkünfte zu den sog. Gewinneinkünften zählen, gilt dieses Prinzip nicht mehr. Zum einen sind die Einkünfte umzuqualifizieren, zum anderen sind die Einkünfte nicht mehr als Überschuß der Einnnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln, sondern als Gewinn. Vgl. hierzu oben Kap. C Π. 1. c). 38 Schön, W., StuW 1988 S. 253. 39 Die Frage, welche Bedeutung und Stellung man den Personengesellschaften im Rahmen des Einkommensteuergesetzes zukommen bzw. zubilligen will, hängt auch 32
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
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Die Sichtweise von Literatur und Rechtsprechung ist sicherlich auch als Ergebnis der Abkehr von der sog. Bilanzbündeltheorie40 hin zur sog. Einheitstheorie zu werten.41 Nach der Bilanzbündeltheorie ist jeder Mitunternehmer im Rahmen seines Gewerbebetriebes tätig, so daß die Bilanz der Personengesellschaft gewissermaßen ein Bündel der einzelnen Mitunternehmer darstellt. Die Bilanzbündeltheorie negiert also die Einheit der Personengesellschaft, so wie sie aus ihrer zivilrechtlichen Struktur gegeben ist, sondern sie betrachtet die Personengesellschaft als Personenmehrheit42. Ihr liegt demnach eine vom Zivilrecht abweichende Betrachtungsweise zugrunde. Nach der heute herrschenden Einheitstheorie ist bei der Ermittlung der Einkünfte primär der Gedanke der Einheit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit maßgebend.43 Hierin ist sicherlich ein Schritt zur weiteren Annäherung des Steuerrechts an das Zivilrecht zu sehen, oder wie Knobbe-Keuk es ausdrückt, ein weiterer Schritt zur Anerkennung der Verselbständigung der Personengesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern. 44 Im Ergebnis findet also die zivilrechtliche Gesellschaftsstruktur im Bereich der Besteuerung der Personengesellschaften zunehmend stärkere Beachtung. Ihre Einheit wird zunehmend auch vom Steuerrecht anerkannt. Zu fragen ist, warum trotz dieser auch dem Steuerrecht zugrundeliegenden Einheitsbetrachtung der Gesellschaft der Gewinn bei den Gesellschaftern als vom Verständnis des Aufbaus und der Struktur des Einkommensteuertatbestandes ab. Sieht man im Einkommensteuergesetz lediglich ein Gefüge von Rechtssätzen mit einer einzigen Rechtsfolge, der Steuerschuldanordnung, so wären sämtliche Rechtssätze muais Tatbestandsmerkmale aufzufassen, die eben zu der Rechtsfolge Steuerschuld führen. In einem solchen Verständnis des Einkommensteuergesetzes kann der Personengesellschaft nur eine sehr untergeordnete Bedeutung zukommen. Im Stufenaufbau des Einkommensteuergesetzes, dem eben diese Betrachtungsweise zugrundeliegt, kann die Gesellschaft eine nur -wenn überhaupt- untergeordnete Funktion annehmen. Sie ist allenfalls im Rahmen des Arten- und Höhentatbestandes anzusiedeln. Sieht man im Einkommensteuergesetz hingegen eine "Vielzahl vielfach stufenartig angelegter Rechtssätze und damit Rechtsfolgen", so kann der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht eine bestimmte Funktion zugewiesen werden. Die Personengesellschaft erhält damit einen steuersubjektspezifischen Bereich, nämlich den der Einkünftequalifikation und den der Gewinnermittlung. Vgl. hierzu Schmidt, A. (Personengesellschaften, 1990) S. 40 f. 40 "Die Bilanzbündeltheorie in ihrer klassischen Form besagt, daß die Steuerbüanz der Personengesellschaft nichts anderes sei als ein Bündel von Einzelbilanzen der Gesellschafter, der Gewerbebetrieb der Personengesellschaft nichts anderes als die Summe der Gewerbebetriebe der einzelnen Gesellschafter." So Döllerer, G., DStZ/A 1976 S. 435. 41 Vgl. Reiss, W., StuW 1986 S. 232; Mellwig spricht davon, daß das Handelsrecht die zur Zeit der Bilanzbündeltheorie verlorengegangene Bedeutung zurückgewinnt. Vgl. Mellwig, W., DB 1985 S. 2066 (2067). 42 Vgl. Lange, J. u.a. (Personengesellschaften, 1993) Tz 160. 43 Vgl. Reiss, W., StuW 1986 S. 232. 44 Vgl. Knobbe-Keuk, B., DB 1985 S. 473. 10 Herz
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
natürliche oder juristische Person der Besteuerung des Einkommens unterworfen wird. Des weiteren schließt sich die Frage an, warum der Gewinn bei den Gesellschaftern nicht erst im Zeitpunkt des Zuflusses der Besteuerung unterliegt, sondern bereits im Zeitpunkt der Realisierung des Gewinns durch die Gesellschaft. In der unmittelbaren Zurechnung des Gewinns bei den Gesellschaftern sah man bisher als Ausdruck der Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmer an. 45 Schön hat aber m.E. zutreffend nachgewiesen, daß der Grund hierfür nicht in der Gleichbehandlungsthese zu finden ist, sondern eine rechtsformneutrale Besteuerung von Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften sicherstellt.46 Im Gegensatz zum Einzelunternehmer kann der Gesellschafter einer Personengesellschaft nämlich nicht unmittelbar über den realisierten Gewinn verfügen, sondern erst im Rahmen einer Entnahme bzw. Ausschüttung. Insofern ist unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vielmehr eine Ungleichbehandlung von Einzelunternehmer und Personengesellschafter zu erblicken. Würde man das von der Personengesellschaft erwirtschaftete Einkommen hingegen nicht unmittelbar bei den Gesellschaftern steuerlich erfassen, so bliebe dieses Einkommen bis zur Ausschüttung steuerfrei. Insofern ist, um eine Ungleichbehandlung mit anderen Rechtsformen zu vermeiden, eine unmittelbare Erfassung bei den Gesellschaftern erforderlich. 47 Diese bilden den "technischen Anknüpfungspunkt"48 für die Besteuerung der Personengesellschaft.49 Die so geartete Besteuerung bedeutet im materiellen Ergebnis, daß die Personengesellschaft wie die Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und der Einzelunternehmer mit Einkommensteuer belastet wird. 50 Im System der Einkommensbesteuerung bilden also Personengesellschaften kein eigenständiges, vollwertiges Steuerrechtssubjekt, sondern das im Rahmen einer Personengesellschaft erwirtschaftete Einkommen wird bei den dahinterstehenden Gesellschaftern erfaßt. Nur diese sind entweder einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig und damit unbeschränktes Steuersubjekt. Die zunehmende Annäherung der Rechtsprechung des BFH an das Zivilrecht im Rahmen der steuerlichen Behandlung von Personengesellschaften, also insbesondere die Anerkennung der Verselbständigung der Personengesellschaft ge45
Vgl. z.B. Schmidt, § 15 EStG Anm. 161. Vgl. Schön, W., StuW 1988 S. 253 ff.; zustimmend Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 365 f.; Reiss, W., StuW 1986 S. 232 (233 f.); kritisch zur Gleichbehandlungsthese auch Kruse, H., JDStJG 1979 S. 37 (40). 47 Schön erblickt hierin auch den Ausdruck aus dem Zusammenspiel von §§ 1, 15 EStG und § 3 KStG. Vgl. hierzu Schön, W., StuW 1988 S. 253 (257 f.). 48 So Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 362. 49 Schön spricht von einer indirekten Besteuerung der Personengesellschaften. Vgl. hierzu Schön, W, StuW 1988 S. 253 (258). 50 Vgl. Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 362; Dieses Ergebnis läßt sich aus dem Recht des Gesellschafters ableiten, die Steuerbeträge aus dem Gesellschaftsvermögen zu entnehmen. Vgl. hierzu Schön, W., StuW 1988 S. 253 (258 ff.). 46
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
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genüber ihren Gesellschaftern auch für das Steuerrecht, rechtfertigt es m.E. durchaus, von einer zumindest beschränkten Steuerrechtssubjektfähigkeit der Personengesellschaften zu sprechen. Wenn auch die Personengesellschaft nicht Steuersubjekt im engeren Sinne ist, so bildet sie doch eine wesentliche Grundlage für die aus ihrer Tätigkeit stammenden Einkünfte bei den Gesellschaftern. Festzuhalten bleibt, daß der BFH und die h.M in der Literatur der zivilrechtlichen Struktur der Personengesellschaft durch die einheitliche Behandlung Eingang in das Steuerrecht verschafft hat und beiden Teilrechtsgebieten demnach eine einheitliche Wertung zugrundelegt. Mit dieser Übernahme der zivilrechtlichen Wertungen hinsichtlich der Struktur der Gesellschaft ist aber noch nicht gesagt, daß der in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG verwendete Begriff der Gesellschaft bzw. des Gesellschafters auch in seinem zivilrechtlichen Sinne zu verstehen ist. Die Klärung der Strukturfrage in diesem Sinne deutet zwar in diese Richtung, dennoch wird im folgenden zu untersuchen sein, wie der Begriff der Personengesellschaft im Rahmen der Einkommensbesteuerung auszulegen ist. Im Rahmen der Bestimmung der Rechtsform bildet diese das Pendant zu den Körperschaften. Letztlich dient ihre Auslegung auch als Abgrenzung zu den Körperschaftsteuersubjekten.
b) Der Begriff der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht im Rahmen der Gewinneinkünfte Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die Gewinnanteile der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Die zentralen Begriffe dieser Vorschrift bilden die Gesellschaft bzw. der Gesellschafter. 51 Die Rechtsprechung des BFH scheint hingegen das Gewicht nicht in diesem Begriffspaar zu sehen, sondern der Mitunternehmer ist zur zentralen Figur des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG der Rechtsprechung geworden. Hier zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wortlaut des Gesetzes auf der einen Seite und der Rechtsprechung des BFH auf der anderen Seite. Der Mitunternehmer findet sich zwar auch in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, auf den ersten Blick scheint ihm der Gesetzgeber jedoch nur eine nachgeordnete Bedeutung beimessen zu wollen. Dies zeigt sich zum einen in der Anzahl der Nennungen der einzelnen Begriffe, zum anderen ist der Anknüpfungspunkt Mitunternehmer lediglich als Klammerzusatz der Vorschrift hinzugefügt. 52
51 52
10*
Vgl. etwa Priester, H.-J. (Mitunternehmerschaft, 1993) S. 335. So auch Priester, H.-J. (Mitunternehmerschaft, 1993) S. 335.
148
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Die zentrale Fragestellung bei der Auslegung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bildet daher das Verhältnis der Begriffe "Gesellschaft" und "Mitunternehmer". Zu fragen ist daher, ob überhaupt eine Gesellschaft vorliegen muß, oder ob bereits das Vorliegen einer sog. Mitunternehmerschaft ausreichend für dessen Anwendung ist. Im folgenden wird das Verhältnis von Mitunternehmer und Gesellschaft bzw. Gesellschafter zu untersuchen sein. Des weiteren wird der Begriff der Gesellschaft im Hinblick auf seine steuerliche Auslegung Gegenstand der weiteren Analyse sein. aa) Das Verhältnis Mitunternehmer und Gesellschafter nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG Die Meinung zum Verhältnis von Mitunternehmer und Gesellschafter nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist in Literatur und Rechtsprechung doch einem erheblichen Wandel unterworfen gewesen. Waren die Meinungen zu dieser zentralen Fragestellung bei der Auslegung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der Literatur eigentlich schon immer geteilt, ging die Rechtsprechung der einzelnen Senate des BFH konform. Hier zeigte sich lediglich im Zeitablauf ein grundlegender Wandel, wie die Analyse der Rechtsprechung deutlich macht. In seiner älteren Rechtsprechung legte der BFH den eindeutigen Schwerpunkt bei der Prüfung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen auf die Mitunternehmerstellung. Exemplarisch ist hier insbesondere das Urteil vom 28.11.1974 des ersten Senats, in dem er der Frage, ob der Beteiligte Gesellschafter im zivilrechtlichen Sinne ist, keine besondere Bedeutung zumaß.53 Der BFH führt weiter aus, daß die Entscheidung, ob eine Mitunternehmerschaft vorliegt, unabhängig davon zu treffen ist, ob die Beteiligten im zivilrechtlichen Sinne Gesellschafter geworden sind.54 Die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfüllt sind, ist also völlig unabhängig davon zu beantworten, ob eine Gesellschaft vorliegt. Alleiniges Entscheidungskriterium ist also das Bestehen einer sog. Mitunternehmerschaft. Nur das Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen des Mitunternehmers55 ist also zu überprüfen. Hier zeigt sich klar, daß der Begriff des Mitunternehmers bzw. der Mitunternehmerschaft zum alleinigen Beurteilungskriterium der Rechtsprechung geworden ist. Auch der 4. Senat hat in seinem Urteil vom 29.1.1976, der in der Literatur auch als "Schulbuch-Fall"56 bezeichnet 53
Vgl. BFH V. 28.11.1974, BStBl 1975 Π S. 498. Vgl. BFH v. 28.11.1974, BStBl 1975 Π S. 498 (499); dieses Urteil war allerdings aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls als Extremfall einzustufen. Vgl. auch Schmidt, L., DStR 1979 S. 671 (676), der diesen Fall als exemplarischen Ausnahmefall bezeichnete, der durch eine Summierung gewisser Besonderheiten negativ ausgezeichnet war. 55 Vgl. zum Begriff des Mitunternehmers im einzelnen Kap. D û . 1. b) dd). 56 So Hennerkes, B.-H. / Binz, M., DB 1985 S. 1307. 54
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
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und eingestuft wird, diese Rechtsprechung in konsequenter Weise fortgeführt 57. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Urteil des 4. Senats vom 8.2.1979, in dem der umgekehrte Fall, daß Gesellschafter einer oHG oder KG nicht automatisch als Mitunternehmer zu qualifizieren seien, behandelt wird. 58 Der BFH lieferte in diesem Urteil nämlich die Begründung, warum die Gesellschafterstellung nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist. Ausgangspunkt der Überlegung ist, wie der BFH selbst ausführt, die sehr umstrittene Sichtweise, daß sich der Relativsatz "... bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist..." auch auf die Gesellschafter einer oHG und KG bezieht. Der BFH will aus dieser Sichtweise den Umkehrschluß ziehen, daß auch Personen als Mitunternehmer einer gewerblich tätigen oHG oder KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen können, die zivilrechtlich nicht Gesellschafter der oHG oder KG sind. Wie dieser Umkehrschluß aus rechtsmethodologischer Sicht zustande kommt, und ob er überhaupt zulässig ist, läßt der BFH in seiner Begründung allerdings offen. Einen Wendepunkt in der Rechtsprechung des BFH dürfte das Urteil des 1. Senats vom 27.2.1980 darstellen.59 Der BFH bestätigt zwar die alte Rechtsprechung, wenn er sagt, daß auch derjenige, der formal nur die Stellung eines Arbeitnehmers oder Darlehensgebers hat, unter bestimmten Voraussetzungen Mitunternehmer sein kann. Allerdings erfordert § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG nach Ansicht des 1. Senats das Vorliegen einer Gesellschaft. Er versucht also die Begriffe Gesellschaft und Gesellschafter wieder stärker in den Vordergrund zu rücken.60 Wie er bereits andeutet, soll es nicht auf die formale Bezeichnung des Vertragsverhältnisses ankommen, sondern die wirtschaftliche Zielsetzung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfordert für das Vorliegen einer Gesellschaft nur den stillschweigenden Abschluß eines Vertrages, durch den sich mehrere zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes nach § 705 BGB zusammenschließen.61 Der Senat führt weiter aus, daß das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft als eben solcher Vertragsabschluß qualifiziert werden kann. Man kann sich hier des Eindruckes nicht erwehren, daß diese Auslegung rein vom gewünschten Ergebnis her zustandegekommen ist. Wie Hennerkes / Binz anmerken, ist im Zivilrecht bekannt, daß stillschweigende Willenserklärungen in der Regel als reine Fiktionen zu beurteilen sind, zu der Gerichte nur im äußersten Falle, meist des Ergebnisses willen, Zuflucht su57
BFH v. 29.1.1976, BStBl 1976 Π S. 332 (335). Vgl. BFH v. 8.2.1979, BStBl 1979 Π S. 405 (407). 59 Vgl. BFH v. 27.2.1980, BStBl 1981 Π S. 210. 60 Vgl. Woemer, L., BB 1986 S. 704. 61 Vgl. BFH v. 27.2.1980, BStBl 1981 Π S. 210; So auch BFH v. 11.12.1980, BStBl 1981 Π S. 310 (312), der aber noch der Meinung war, daß fur § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die zivilrechtliche Gesellschafterstellung nicht entscheidend ist. 58
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
chen.62 Des weiteren kritisieren sie an diesem Urteil auch, daß das tatsächliche Zusammenwirken, so wie es vom BFH als ausreichendes Merkmal für den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages anerkannt wurde, zivilrechtlich nicht hinreichend für den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages ist. Insofern besteht die große Gefahr, daß ein vom Handelsrecht abweichender Begriff des Gesellschafters im Steuerrecht entsteht.63 Die endgültige Wende von der sog. "faktischen Mitunternehmerschaft" 64 stellt der Beschluß des Großen Senats vom 25.4.1984 dar, wenn er sich zu dieser Fragestellung wie folgt äußert: "Mitunternehmer i.S. des § 15 Nr. 2 EStG kann nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder - in Ausnahmefällen - eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat."65 Auch wenn der Große Senat nicht nur zivilrechtliche Gesellschaftsformen zur Tatbestandsvoraussetzung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG macht, sondern auch andere, diesen vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse, wie die Gesamthandsgemeinschaften in Form der Erben- oder Gütergemeinschaften 66, der Gesellschaft gleichstellt, so zeigt sich doch hier eine deutliche Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Wie oben gezeigt, prüfte der BFH früher überhaupt nicht, ob eine Gesellschaft oder eine dieser vergleichbare Gemeinschaft vorlag, sondern stellte allein auf die Mitunternehmerschaft als solche ab. Der Große Senat versucht zwar zu der bisherigen Rechtsprechung einen Bogen zu spannen, indem er weiter ausführt, daß bei Vorliegen einer Mitunternehmerschaft auf die Prüfung, ob ein Gesellschaftsverhältnis vorliegt, in der Regel verzichtet werden kann, da insofern meist auch ein Gesellschaftsverhältnis vorliegt.67 Nur waren in oben beschriebenen, der BFH-Rechtsprechung zugrundeliegenden Fällen zumindest formal keine Gesellschaftsverträge vorhanden. Trotzdem wurde auf eine Überprüfung verzichtet, weil eben die Gesellschafterstellung nicht als Tatbestandsvoraussetzung gesehen wurde. Der Große Senat fordert aber jetzt explizit, daß neben Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko als drittes Tatbestandsmerkmal das Gesellschaftsverhältnis kommt.68 Die im Anschluß an den Beschluß des Großen Senats ergangene Rechtsprechung setzt die Forderung nach Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses 62
Vgl. Hennerkes, B.-H. / Binz, M., DB 1985 S. 1307 (1308). Vgl. Döllerer, G., ZGR 1982 S. 567 (583). Vgl hierzu auch das nachfolgende Kapitel, in dem diese Frage näher untersucht wird. 64 Zum Begriff Vgl. insbesondere Märkle, R. / Müller, J., BB 1985 Beilage Nr. 1 S. 1 ff. 65 BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (768). 66 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (768). 67 Insofern besteht bei Vorliegen der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos die Vermutung, daß ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wurde. So BFH v. 2.9.1985, BStBl 1986 Π S. 10 (11). 68 Vgl. Hennerkes, B.-H. / Binz, M., DB 1985 S. 1307 (1309). 63
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konsequent fort 69 Insbesondere die Entscheidung des BFH vom 22.1.198570 zeigt die Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, nach der auch ohne Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses allein aufgrund des Vorliegens von Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko die Anwendung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zur Folge hatte. Dem Urteil lag ein Sachverhalt zu Grunde, der dem des sog. "Schulbuchfalles"71 sehr ähnelt.72 Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung lehnte es der BFH in seinem neueren Urteil jedoch ab, von einer Mitunternehmerschaft in diesem Falle auszugehen.73 Allein das Treffen von oder Mitwirken an unternehmerischen Entscheidungen der Personengesellschaft und die Abhängigkeit des Bestandes der Rechtsbeziehungen und des Gewinns von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Personengesellschaft reichen noch nicht für die Annahme einer Mitunternehmerschaft, sofern der Vertragspartner nicht Gesellschafter ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vergütungen aus dem Vertragsverhältnis dem Wert der tatsächlichen Leistungen entsprechen. Vielmehr muß er wirtschaftlich so gestellt sein, als wäre er Gesellschafter. Den bisherigen Höhepunkt im Hinblick auf die Anforderungen an ein Gesellschaftsverhältnis dürfte das BFH-Urteil vom 27.8.1993 darstellen.74 Nach Ansicht des erkennenden 6. Senats besteht zwar bei Vorliegen eines Mitunternehmerverhältnisses regelmäßig die Vermutung für ein Gesellschaftsver69
Vgl. BFH v. 22.1.1985, BStBl 1985 Π S. 363; BFH ν. 2.9.1985, BStBl 1986 Π S. 10; BFH v. 6.5.1986, BStBl 1986 Π S. 891; BFH v. 5.6.1986, BStBl 1986 Π S. 802; BFH v. 22.10.1987, BStBl 1988 Π S. 62; BFH v. 6.12.1988, BStBl 1989 Π S. 705; BFH v. 25.2.1991, BStBl 1991 Π S. 691; BFH v. 24.9.1991, BStBl 1992 Π S. 330 (333); BFH v. 10.12.1992, BStBl 1993 Π S. 538 (540); BFH v. 13.7.1993, BStBl 1994 Π S. 282 (284); BFH v. 27.1.1994, BStBl 1994 Π S. 462; BFH v. 21.9.1995, BStBl 1996 n s . 66 (67). 70 BFH v. 22.1.1985, BStBl 1985 Π S. 363. 71 Vgl. BFH v. 29.1.1976, BStBl 1976 Π S. 332. 72 So auch Hennerkes, B.-H. / Binz, M., DB 1985 S. 1307 (1309). Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Gewerbetreibender hat sein bisheriges Einzelunternehmen an eine Familien-GmbH & Co. KG verpachtet, wobei seine Ehefrau alleinige Kommanditistin und mit 90 % Hauptgesellschafterin der Komplementär-GmbH war. Der Ehemann war alleiniger Geschäftsführer der GmbH und war vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit Er war für 20 Jahre fest angestellt und im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung war das gesamte für die Restvertragsdauer noch ausstehende Gehalt sofort fällig. Er war Inhaber einer nicht imbeträchtlichen Darlehensforderung und hatte der KG das Anlagevermögen seines bisherigen Einzelunternehmens verpachtet Wegen Zahlungsschwierigkeiten hat er der KG den Pachtzins für ein Jahr gestundet. Das Finanzgericht hat aufgrund dieses Sachverhalts den Ehemann als faktischen Mitunternehmer behandelt 73 Der BFH betont die Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung wenn er ausführt: "Soweit die bisherige Rechtsprechimg von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, sind diese durch die Entscheidung des Großen Senats überholt." (BFH v. 22.1.1985, BStBl 1985 Π S. 363 (365)). 74 Vgl. BFH v. 13.7.1993, BStBl 1994 Π S. 282.
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hältnis, die eine gesonderte Prüfung dessen entbehrlich macht. Diese Vermutung kann jedoch durch substantiiertes Bestreiten widerlegt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt, der in bestimmten Teilen doch als außergewöhnlich zu betrachten sein dürfte. Zumindest nach Ansicht von Ludwig Schmidt75 waren die abgeschlossenen Austauschverträge nicht fremdüblich und indizierten damit ein Handeln auf gemeinsame Rechnung und Gefahr bzw. ein Zusammenwirken zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks.76 Schmidt kommt daher zu dem Ergebnis, daß eine verdeckte Mitunternehmerschaft aufgrund dieses Urteils nur noch dann denkbar ist, "...wenn sich unter diversen Austauschverträgen zufälligerweise auch ein als typisch bezeichneter stiller Gesellschaftsvertrag befindet." 77 Inwieweit der Beschluß des Großen Senats zu der Frage der "faktischen Mitunternehmerschaft" tatsächlich die endgültige Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung gebracht hat, ist in der Literatur doch umstritten. Der Streit entzündet sich letztlich an der Aussage des Großen Senats, daß bei Vorliegen einer Mitunternehmerschaft regelmäßig auch vom Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses auszugehen ist. Daraus schließen einige Autoren, daß sich trotz Rückbesinnung auf den gesetzlichen Tatbestand in der Sache nicht viel geändert hat.78 Andere Autoren hingegen sehen darin gerade das Ende der "faktischen Mitunternehmerschaft". 79, 8 0 75
Vgl. Schmidt, L., FR 1994 S. 193. In dem Urteil ging es um die Frage, ob der Geschäftsführer einer KomplementärGmbH, die zugleich die Geschäfte der KG führte, als Mitunternehmer der KG anzusehen ist. Einzige Kommanditistin der KG war die Ehefrau des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH, Gesellschafter der GmbH waren die Ehefrau und der Geschäftsführer selbst. Dem Geschäftsführer stand eine Gewinntantieme in Höhe von 33 1/3 % des erwirtschafteten Jahresgewinns der KG zu. Als fremdüblich kann insbesondere die Übernahme von Bürgschaften sowie die Gewährung zinsloser Darlehen, die durch das Stehenlassen gutgeschriebener Gewinntantiemen sowie von Restkaufpreisforderungen entstanden sind, gewertet werden. 77 Schmidt, L., FR 1994 S. 193. 78 So Knobbe-Keuk, B., StuW 1986 S. 106 (107); vom Ergebnis her ähnlich Biergans,E. (Einkommensteuer, 1992) S. 85 f; Lindner, E., DStR 1986 S. 66; Freundlieb, R., StBp 1986 S. 1 (4); ders., DB 1985 S. 2326 (2327f); Märkle, R. / Müller, J., BB 1985 Beilage 1 S. 11. 79 Henneikes, B.-H. / Binz, M., DB 1985 S. 1307; Woemer, L., BB 1986 S. 704 (706); Söffing, G., StBJb 1986/87 S. 297 (299); ders. (Besteuerung, 1990) S. 59; abwartend noch Horn, W., BB 1985 S. 2036; Priester spricht von einer "Zäsur" und einer im Anschluß daran erkennbar restriktiveren Rechtsprechung des BFH. Vgl. hierzu Priester, H.-J. (Mitunternehmerschaft, 1993) S. 332 f. 80 Allerdings ist bei der Diskussion zu berücksichtigen, daß die Autoren wohl teilweise von einem unterschiedlichen Inhalt des Begriffs "faktische Mitunternehmerschaft" ausgehen. So versteht Lindner darunter die Fälle, in denen zumindest kein ausdrücklicher Gesellschaftsvertrag zugrundelag, sondern bei denen sich die Austauschverträge in Wirklichkeit als echtes Gesellschafts V e r h ä l t n i s darstellt. (Vgl. Lindner, E., 76
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ME. hat der Beschluß des großen Senats eine Trendwende eingeleitet, die eine Abkehr von der faktischen Mitunternehmerschaft bedeutet.81 In seinen früheren Urteilen maß der BFH dem Tatbestandsmerkmal der Gesellschaft überhaupt keinerlei Bedeutung bei, sondern prüfte lediglich das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft anhand der beiden Kriterien Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko. 82 Auch wenn der Große Senat bei Vorliegen der Mitunternehmerschaft regelmäßig auf ein Gesellschaftsverhältnis schließt, wird auf die Prüfung, ob tatsächlich ein solches gegeben ist, nicht verzichtet werden können.83 Zumindest kann der Steuerpflichtige die Vermutung für das Bestehen eines solchen widerlegen.84 Es bleibt allerdings die Frage offen, welche Voraussetzungen der BFH an das Vorliegen einer Gesellschaft knüpft. Stellt er lediglich formal auf das Vorliegen einer Gesellschaft ab, indem er den Gesellschaftsbegriff weit, also über den des BGB hinaus, ausdehnt, so hätte sich allerdings tatsächlich - wenn überhaupt - nur eine sehr geringe materielle Änderung der bisherigen Rechtsprechung ergeben. bb) Der Gesellschaftsbegriff im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG Auch wenn die Rechtsprechung des BFH als Voraussetzung für die Anwendung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG wieder an die Gesellschaft bzw. den Gesellschafter anknüpft, bleibt zu fragen, wie der Begriff der Gesellschaft in diesem Zusammenhang auszulegen ist. Es bieten sich zwei alternative Auslegungsmöglichkeiten an: zum einen kann an das Zivilrecht angeknüpft werden, zum anderen ist aber auch eine eigenständige, an rein steuerlichen Gesichtspunkten orientierte Auslegung denkbar. Ob sich der BFH bei der Prüfung von Gesellschaftsverhältnissen tatsächlich an zivilrechtliche Vorgaben hält, so wie er es in seiner Rechtsprechung betont, ist daher zu untersuchen. Um eine Antwort DStR 1986 S. 63 (65)) Die in Fn. 79 erwähnten Autoren verstehen hierunter aber Verträge, die sich nicht als verdeckte Gesellschaftsverhältnisse darstellen, sondern tatsächlich Austauschverträge sind. Insofern gehen die Meinungen doch nicht so weit auseinander, wie es der erste Anschein vermuten läßt. Streitpunkt dürfte dann eher die Frage sein, ob nicht auch schon in den Fällen, in denen der BFH die Frage der Mitunternehmerschaft ohne ausdrückliche Überprüfung eines Gesellschaftsverhältnisses untersucht hat, von einem verdeckten Gesellschaftsverhältnis auszugehen war. 81 Die Entwicklung der Rechtsprechung spiegelt sich m.E. auch gut im Kommentar von Ludwig Schmidt wider. Während in der 3. Auflage von 1984 auch faktische Mitunternehmerschaften bejaht wurden (Vgl. Schmidt, § 15 EStG Anm. 38, 39), lehnt er diese in der neuesten Auflage ab (Vgl. Schmidt, § 15 EStG Anm. 172). 82 Dies zeigte sich insbesondere im Urteü vom 29.1.1976, BStBl 1976 Π S. 332. 83 Vgl. Woemer, L., BB 1986 S. 704 (706); Dies übersieht bzw. übergeht Lindner, der den Zusatz "regelmäßig" nicht erwähnt. Vgl. Lindner, E., DStR 1986 S. 63 (65 1. Sp. oben). 84 Vgl. BFH v. 13.7.1993, BStBl 1994 Π S. 282 (284).
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auf diese Frage zu bekommen, sind die Anforderungen, die der BFH an das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses in seiner Urteilsfindung knüpft, mit den Erfordernissen des Zivilrechts zu vergleichen. Zu prüfen ist insbesondere, ob bei Vorliegen der Merkmale einer Mitunternehmerschaft, des Mitunternehmerrisikos und der Mitunternehmerinitiative, in der Regel auch wirklich von einem Gesellschaftsvertrag i.S.v. § 705 BGB ausgegangen werden kann, wie es der BFH zumindest behauptet In ständiger Rechtsprechung des BFH wird an den Gesellschaftsbegriff des § 705 BGB angeknüpft.85 § 705 BGB fordert für das Entstehen einer Gesellschaft einen Vertrag, der auf die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes gerichtet ist. Grundvoraussetzung jeder Gesellschaft ist also der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages, ohne Vertragsabschluß kann eine Gesellschaft nicht entstehen.86 Die Lehre von der sog. "faktischen Gesellschaft", die das Entstehen einer Gesellschaft auch ohne rechtsgeschäftliche Vereinbarung allein aufgrund der Betätigung der Gesellschafter nach außen und innen für möglich hält, wird heute von der h.M. abgelehnt.87 Jede Gesellschaft basiert auf einer rechtsgeschäftlichen Grundlage.88 Allerdings ist es für den wirksamen Vertragsabschluß ausreichend, wenn dieser stillschweigend, also konkludent zustandekommt. Ausdrückliche Willenserklärungen sind hierfür nicht erforderlich.89 Die Frage der Gesellschaftereigenschaft wird im Zusammenhang mit der "Mitunternehmerschaft" in der Regel bei partiarischen Vertragsverhältnissen, also Verträgen mit gewinnabhängigen Vergütungen, auftauchen. Der Gesellschaftsvertrag und der partiarische Vertrag weisen zumindest äußerlich bestimmte Gemeinsamkeiten auf, die eine unmittelbare Zuordnung zu einem der beiden Vertragsverhältnisse häufig schwierig erscheinen lassen. Die beiden für den Gesellschaftsvertrag konstitutiven und damit für die Abgrenzung zu den partiarischen Verträgen wesentlichen Elemente sind zum einen der gemeinsame, überindividuelle Zweck sowie die dessen Förderungspflicht desselben. So reichen etwa gleichgerichtete Interessen allein nicht für einen Gesellschaftsvertrag aus. 85
Vgl. etwa BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (768); BFH ν. 2.9.1985, BStBl 1986 Π S. 10 (11); BFH v. 6.5.1986, BStBl 1986 Π S. 891 (892); BFH v. 5.6.1986, BStBl 1986 Π S. 802 (803); BFH v. 6.12.1988, BStBl 1989 Π S. 705 (706); BFH v. 13.7.1993, BStBl 1994 S. 282 (284). 86 Vgl. MünchKomm - Ulmer, § 705 BGB Anm. 1. 87 Vgl. bspw. MünchKomm - Ulmer, § 705 BGB Anm. 1; Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 111; Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 37. 88 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 59. 89 Vgl. MünchKomm - Ulmer, § 705 BGB Anm. 1; Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 37; Hueck merkt hierzu an, daß eine faktische Gesellschaft praktisch kaum denkbar ist, da eben auch ein stillschweigend geschlossener Vertrag ausreicht. Eine faktische Gesellschaft kann daher nur zustande kommen, wenn zwischen den Beteiligten überhaupt kein Einvernehmen bestünde.
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Während bei Außengesellschaften die Förderung des gemeinsamen Zwekkes meist offenkundig wird, kann sich die Überprüfung dieser Merkmale bei den Innengesellschaften90 zum Teil als sehr schwierig erweisen,91 so daß die Abgrenzungsprobleme zu den partiarischen Verhältnissen gerade bei ihnen auftreten. Abgrenzungskriterien sind auch hier der gemeinsame Zweck und dessen Förderungspflicht. Gerade das fehlende Auftreten nach außen und das Fehlen des Gesamthandsvermögens im speziellen führen in der Praxis zu sehr erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber den partiarischen Austauschverhältnissen92, die im Rahmen der BFH-Rechtsprechung zur Mitunternehmerschaft zentrale Bedeutung erlangt haben. Im Gegensatz zu den Außengesellschaften kann der gemeinsame Zweck nur über das Ergebnis hergestellt werden, da es ein gemeinsames Geschehen dahingehend, daß die Gesellschaft als Personengemeinschaft im Rechtsverkehr auftritt, nicht gibt.93 Jedenfalls reichen die Gewinnbeteiligung und die Zurverfügungstellung von Wirtschaftsgütern als Abgrenzungskriterien nicht aus, da sie beiden zugrundeliegen.94 Für die Abgrenzung werden in der Literatur verschiedene Abgrenzungskriterien und Indizien angeführt, 95 deren Wiedergabe im einzelnen für die Zwecke der Arbeit überflüssig scheint. Vielmehr erscheint es ausreichend, zu prüfen, inwieweit der BFH auf diese Kriterien zurückgreift. Zu untersuchen ist nun, ob die vom BFH als Gesellschaftsverhältnis eingestuften Fälle auch tatsächlich den zivilrechtlichen Anforderungen genügen. Namentlich ist zu fragen, ob Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative die Regelvermutung für das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses auch tatsächlich begründen können. Nach Ansicht von Knobbe-Keuk bedeutet der Rückschluß beider Mitunternehmermerkmale auf ein Gesellschaftsverhältnis, daß das für ein Gesellschaftsverhältnis konstituierende Merkmal des 90 Für die Innengesellschaft ist kennzeichnend, daß sie nach außen nicht in Erscheinung tritt. Vgl. hierzu MünchKomm - Ulmer, § 705 BGB Anm. 233; Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 11. 91 In der Literatur ist die Abgrenzung der Außen- von den Innengesellschaften umstritten. Während ein Teil auf das Vorliegen von Gesamthandsvermögen als Abgrenzungskriterium abstellt, ist dies nach Ansicht anderer Autoren kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Vgl. hierzu den Überblick bei MünchKomm - Ulmer, § 705 BGB Anm. 231 ff. 92 Vgl. MünchKomm - Ulmer, Vor § 705 BGB Anm. 74. 93 Vgl. Flume, W. (Personengesellschaften, 1977) S. 47. 94 Vgl. MünchKomm - Ulmer, Vor § 705 BGB Anm. 76; Knobbe-Keuk hat unter Hinweis auf Flume die Voraussetzung der Gewinnabhängigkeit für das Bestehen von Innengesellschaften nachgewiesen. Vgl. hierzu Knobbe-Keuk, B., StuW 1986 S. 106 (108 f); dies. (Steuerrecht, 1986) S. 37 ff.; vom Ergebnis ebenso Woerner, L., BB 1986 S. 704 (707). 95 Vgl. hierzu insbesondere Knobbe-Keuk, B. (Steuerrecht, 1986) S. 41; MünchKomm - Ulmer, § 705 BGB Anm. 75 ff. und Vor § 705 BGB Anm. 78 ff.; Schlegelberger / Schmidt, § 335 (230 n.F.) HGB Anm. 48 ff.
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gemeinsamen Zweckes nicht geprüft und damit einfach übergangen wird. 96 Diese Kritik von Knobbe-Keuk geht m.E. ins Leere, da der gemeinsame Zweck auch im Zivilrecht bei den Innengesellschaften nicht unmittelbar, sondern nur an Hand indizieller Merkmale ermittelt werden kann. Insofern kann die m.E. pauschale Kritik in dieser Form abgelehnt werden. Zu fragen ist vielmehr, ob die Kriterien der Mitunternehmerschaft nicht auch als Indiz für das Vorliegen eines gemeinsamen Zweckes gewertet werden können, der dann das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses zur Folge hat.97 Zu bedenken ist hierbei auch, daß es sich sowohl bei dem Mitunternehmer als auch bei der Gesellschaft um einen Typus und nicht um klassenlogische Begriffe handelt,98 die beiden eine gewisse Flexibilität bei der Auslegung im Einzelfall verleiht. Allerdings ist die Regelvermutung, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des Mitunternehmers auch eine Gesellschaft gegeben ist, durch die Rechtsprechung des BFH selbst widerlegt. Wenn dem denn tatsächlich so wäre, dann müßte er den Kreis der Mitunternehmerschaften nicht auf die den Gesellschaften wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisse ausdehnen. Denn ansonsten würde es sich auch bei diesen Gemeinschaftsformen um Gesellschaften handeln. Betrachtet man die von der Rechtsprechung behandelten Fälle, in denen die Mitunternehmerschaft und damit indiziell auch das Vorliegen einer Innengesellschaft unterstellt wurden, so zeigt sich m.E. auch, daß die Kritik von Knobbe-Keuk nicht nur in dieser Allgemeinheit verfehlt ist, sondern auch in den konkreten Fällen nicht haltbar ist. Exemplarisch ist das Urteil des BFH vom 22.10.1987", in dem der BFH explizit zur Abgrenzung zwischen partiarischen Austauschverträgen und Gesellschaftsverhältnissen Stellung bezieht. In seinen Ausführungen nimmt er Bezug auf die h.M. in der zivilrechtlichen Literatur zu eben diesem Themenkreis und legt diese seiner Entscheidung zugrunde. Sicher kann man hiergegen einwenden, daß die Zivilrechtsprechung in diesem konkreten Fall zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Nur ist weiter zu fragen, ob die Zivilrechtsprechung zu einem einheitlichen Ergebnis kommen würde. Bei der Einordnung in das eine oder andere Vertragsverhältnis kommt es zum einen auf die Tatsachenwürdigung und zum anderen auf die Gewichtung der einzelnen der Tatsachenwürdigung zugrundegelegten Indizien an. Hier von einer einheitlichen Wertung auszugehen, ist wohl in keinem Falle möglich. Die letztlich gefällte Entscheidung wird gerade in diesen
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Vgl. Knobbe-Keuk, B. (Steuerrecht, 1986) S. 43. So im Ergebnis wohl auch Costede, J., StuW 1977 S. 208 (211); Woemer, L., BB 1986 S. 704 (707). 98 Vgl. Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 302 f. 99 Vgl. BFH v. 22.10.1987, BStBl 1988 Π S. 62. 97
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Grenzfällen stark von subjektiven Einflüssen geprägt sein. 100 Entscheidend ist hier aber, daß der BFH bei seiner Würdigung nur Bezug auf das Zivilrecht nimmt und von einer eigenständigen steuerrechtlichen Betrachtung Abstand nimmt. Es läßt sich also festhalten, daß für die im Rahmen von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG notwendige Überprüfung der Gesellschafterstellung der BFH auf die zivilrechtlichen Vorschriften Bezug nimmt. Er fordert stets das Vorliegen eines gemeinsamen Zwecks und die gegenseitige Verpflichtung zur Förderung eben dieses Zwecks durch Beiträge.101 Für die Einordnung und Qualifizierung des Rechtsverhältnisses ist das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend, nicht hingegen die formale Bezeichnung.102 Bei der Prüfung des konkreten Einzelfalles orientiert sich der BFH jedenfalls ausschließlich an den zivilrechtlichen Vorgaben. Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß selbst die zivilrechtliche Kommentarliteratur zu diesem Punkt auf die BFH-Rechtsprechung verweist.103 Das gleiche gilt auch für die Frage der partnerschaftlichen Gleichordnung, die als Merkmal einer Gesellschaft sowohl von der zivilrechtlichen Literatur 104 als auch vom BFH 1 0 5 gefordert wird. 106 Die Konsequenz kann für die Frage der Qualifikation der Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG nur lauten, daß sie in ihrem streng zivilrechtlichen Verständnis zu interpretieren ist. cc) Die Ausdehnung auf das wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaftsverhältnis Im Beschluß des Großen Senats vom 25.6.1984 wurde der Kreis der in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Subjekte ausgedehnt. Neben Personen, die in einem zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnis einer Außen- oder Innengesellschaft zueinander stehen, können nach Ansicht des Großen Senats auch Per100
Auch Knobbe-Keuk gesteht ein, daß gleichermaßen im Zivilrecht gewisse Unsicherheiten und Zweifel bei der Abgrenzung im Einzelfall verbleiben. Vgl. hierzu Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 388. 101 Vgl. BFH v. 6.5.1986, BStBl 1986 Π S. 891 (892); BFH ν. 5.5.1986, BStBl 1986 Π S. 802 ( 803 f.); BFH ν. 2.9.1985, BStBl 1986 Π S. 10 (11); BFH v. 22.10.1987, BStBl 1987 S. 62 (63); BFH ν. 6.12.1988, BStBl 1989 Π S. 705 (706); BFH v. 13.7.1993, BStBl 1994 Π S. 282 (284). 102 Vgl. zuletzt BFH v. 13.7.1993, BStBl 1994 Π S. 282 (284). 103 Vgl. etwa Schlegelberger / Schmidt, § 335 (230 n.F.) HGB Anm. 54. 104 Vgl. Schilling in Großkomm. HGB, § 335 Anm. 40a. 105 Vgl. BFH v. 5.6.1986, BStBl 1986 Π S. 802 (804); BFH ν. 13.7.1993, BStBl 1994 n s . 282 (284). 106 Vgl. Schlegelberger / Schmidt, § 335 (230 n.F.) HGB Anm. 49, der für das Merkmal der partnerschaftlichen Zusammenarbeit bzw. kooperativen Partnerschaft auf die Rechtsprechung des BFH verweist.
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sonen, die in einem wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnis untereinander verbunden sind, als Mitunternehmer in Betracht gezogen werden. 107 Begründet wird die über den Wortlaut der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hinausgehende108 Erweiterung auf die den Personengesellschaften wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisse mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Als solche unter § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG fallenden Gemeinschaftsverhältnisse kommen etwa die Gesamthandsgemeinschaften in Form der Erben- oder Gütergemeinschaft sowie Bruchteilsgemeinschaften in Frage. 109 Die Ausdehnung auf die wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisse hat in der Literatur ein unterschiedliches Echo gefunden. Insbesondere Meßmer kritisiert die Ansicht des Großen Senats. Seiner Ansicht nach ist die vom BFH getroffene Entscheidung, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG analog auf diese Fälle anzuwenden, mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit nicht vereinbar. 110 Die Analogie ist seiner Meinung auch in keiner Weise erforderlich, da derjenige, der aus einer unter die Nr. 2 einzuordnenden gewerblichen Tätigkeit einer Gemeinschaft Einkünfte bezieht, bereits nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig ist. 111 Demgegenüber stimmen Woerner und Knobbe-Keuk der Entscheidung im Ergebnis zu. 1 1 2 Woerner 113 sieht - wie Meßmer - die Ausdehnung auf das gesellschaftsähnliche Verhältnis als über den Wortsinn des Gesetzes hinausgehende Auslegung an. Im Gegensatz zu Meßmer ist seiner Meinung nach jedoch gesetzesausfüllende Lückenausfüllung im Wege der Analogie bzw. teleologischen Extension zulässig, da es sich hierbei um eine in ihrer Wirkung nach steuerneutrale Lückenausfüllung handelt.114, 1 1 5 Knobbe-Keuk sieht die 107
Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (768). Vgl. Meßmer, K. (Gesellschafter, 1988) S. 440 und 442. 109 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (768); BFH ν. 16.2.1995, BStBl 1995 Π S. 592 (593). 110 Vgl. Meßmer, Κ. (Gesellschafter, 1988) S. 442; Schwichtenberg lehnt bei einer engen Auslegung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Ausdehnung auf wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse ab. Er läßt aber offen, ob er eine weite Auslegung befürwortet oder ablehnt. Vgl. hierzu Schwichtenberg, K., DB 1987 S. 304 (304 f.); ders., DStZ/A 1987 S. 230 (231); ablehnend auch Söffing, G., StBJb 1986/87 S. 297 (310 ff.). 111 Vgl. Meßmer, K. (Gesellschafter, 1988) S. 442; § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist seiner Meinung nach lex specialis zu Nr. 1 der Vorschrift 112 Zustimmend auch Baier, M., FR 1986 S. 309 (313 ff); Schulze zur Wiesche, D., DStZ 1987 S. 9 (18 0; einschränkend Schmidt-Liebig, Α., StuW 1989 S. 110 (114 f. und 118). 113 Vgl. hierzu Woerner, L., BB 1986 S. 704 (705 f). 114 Die Lückenausfüllung kann nämlich sowohl steuerverschärfend wirken, aber durchaus auch Steuervorteile verschaffen, wenn man z.B. an Investitionszulagen denkt. Vgl. Woerner, L., BB 1986 S. 704 (706). 108
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
159
Rechtfertigung wohl in der wirtschaftlichen Nähe, da mit der Formulierung "Gesellschaft" ihrer Ansicht nach nur der Kernpunkt der Gesellschaft, das Betreiben eines Unternehmens auf gemeinsame Rechnung und Gefahr mehrerer Steuerpflichtiger, also der gemeinsame Zweck, angesprochen sei. 116 Im Rahmen dieser Arbeit ist nun nicht so sehr die Frage von Bedeutung, ob die Ausdehnung den Anforderungen der Rechtsmethodik gerecht wird, sondern entscheidend ist allein, ob hierdurch das bisher gefundene Ergebnis des zivilrechtlichen Verständnisses der Personengesellschaft durchbrochen wird und deshalb zu modifizieren ist. Entscheidend hierfür dürfte sein, ob die wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisse gewissermaßen neben die Personengesellschaften gestellt werden sollen, oder ob hierdurch der Begriff der Personengesellschaft selbst einen anderen Inhalt bekommt. Die Aussage des Großen Senats gibt hierfür sehr deutliche Anhaltspunkte: "Mitunternehmer i.S. des § 15 Nr. 2 EStG kann nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder - in Ausnahmefällen - eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat."117 In dieser Aussage finden sich zwei Argumente, die eindeutig für ein Festhalten am zivilrechtlichen Verständnis der Personengesellschaften sprechen. Zum einen spricht der Große Senat von einem Ausnahmefall, so daß diesen wohl keine weitere Bedeutung, etwa im Hinblick auf eine systemändernde Stellung, zukommt. Zum anderen deutet die Verwendung des Wortes "oder" eben auf diese alternative Anknüpfung hin. Auch die weiteren Ausführungen lassen deutlich werden, daß eine Modifizierung hierdurch nicht beabsichtigt ist. Gerade für den Dualismus der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften jedenfalls hat die Ausdehnung auf das wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaftsverhältnis keinerlei systemmodifizierende Bedeutung.
115
Kritisch an den Ausführungen von Woerner ist zu vermerken, daß er den Mitunternehmerbegriff und dessen zentrale Bedeutung als Ausgangspunkt seiner Argumentation wählt. Diese Auslegung birgt jedoch die Gefahr einer immer weiteren Entfernung vom Gesetzeswortlaut, da die zentrale Stellung des Mitunternehmers allein auf die Entwicklung der Rechtsprechung zurückzufuhren ist 116 Während die Nähe der Gütergemeinschaft zur Gesellschaft durchaus noch bejaht werden kann, ist dies bei den Erbengemeinschaften m.E. sehr zweifelhaft. Hier handelt es sich um reine Zufallsgemeinschaften, die darüber hinaus in der Regel nur auf kurze Dauer zur Abwicklung bestimmt sind. Bei der Gütergemeinschaft sind die Merkmale des gemeinsamen Zwecks und dessen Förderungspflicht noch stärker ausgeprägt als bei der Gesellschaft. Hier fehlt es allein an dem durch Rechtsgeschäft bestimmten gemeinsamen Zweck. 117 BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (768).
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
dd) Die Einschränkung des Anwendungsbereiches von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch die Mitunternehmerschaft § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG knüpft an die Steuerpflicht eines Gesellschafters einer Personengesellschaft die weitere Voraussetzung, daß "... der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist ..." 118 . Bei diesem so zentralen Begriff des Einkommensteuerrechts handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Auslegung bedarf. 119 Es handelt sich hierbei um einen rein steuerrechtlichen Begriff, der allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht nach rechtlichen Gesichtspunkten zu bestimmen ist. 120 Insofern handelt es sich bei dem Begriff des Mitunternehmers um einen wirtschaftlichen Begriff. 121 Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH 1 2 2 handelt es sich jedoch nicht um einen abstrakten Begriff, der einer abschließenden Definition durch eine begrenzte Zahl von Kriterien zugänglich ist, sondern um einen sog. offenen Typ, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann und für den dementsprechend das Gesamtbild kennzeichnend ist. Nach Ansicht der ständigen Rechtsprechung des BFH 1 2 3 sind für den Begriff des "Mitunternehmers" zwei Obermerkmale124 charakteristisch, das Merkmal "Unternehmerrisiko" und das Merkmal "Unternehmerinitiative". Beide Merkmale sind letztlich auch wieder als Typusbegriffe zu verstehen und sind daher auszulegen. Häufig findet sich die Wendung, der Gesellschafter müsse auf Gedeih und Verderb mit der Gesellschaft verbunden sein.125 Derartige Formulierungen sind jedoch zu allgemein, um Entscheidungskraft zu entfalten. 126 Als Orientierungshilfe für die Beurteilung des Vorliegens einer 118
§15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 74; BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984HS. 751 (769). 120 BFH v. 28.11.1974, BStBl 1975 Π S. 498 (499). 121 Zur Bedeutung und Auslegung des Begriffes Unternehmen in anderen Rechtsgebieten vgl. Raiser, T. (Unternehmen, 1969) S. 1 ff.; Dort ist der Begriff des Unternehmers allerdings zugunsten dem des "Unternehmens" zurückgetreten. 122 Vgl. BFH v. 21.2.1974, BStBl 1974 Π S. 404; BFH ν. 8.2.1979, BStBl 1979 II S. 405; BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769). 123 Vgl. etwa BFH v. 5.7.1978, BStBl 1978 Π S. 644 (646); BFH ν. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769); BFH v. 2.9.1985, BFHE Bd. 144 S. 432 (433); BFH v. 10.11.1987, BStBl 1989 Π S. 758 (759); BFH v. 21.4.1988, BStBl 1989 Π S. 722 (724); BFH v. 11.10.1988, BStBl 1989 Π S. 762; BFH v. 24.1.1991, BStBl 1992 S. 330 (332); BFH v. 27.5.1993, BStBl 1994 Π S. 700 (701); BFH v. 13.7.1993, BStBl 1994 Π S. 282 (284 f.); BFH v. 27.1.1994, BStBl 1994 Π S. 635 (637). 124 So Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 381. 125 Vgl. etwa HHR, § 15 EStG Anm. 27 c (2); Paulick, H. / Blaurock, U. (Handbuch, 1988) S. 362; kritisch hierzu Costede, J., StuW 1977 S. 208 (213). 126 Vgl. HHR, § 15 EStG Anm. 27 c (2). 119
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
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Mitunternehmerschaft lehnt sich die Rechtsprechung des BFH an den Kommanditisten an. Als Mitunternehmer ist ein Gesellschafter stets dann einzustufen, wenn er annähernd die gesetzlichen Rechte eines Kommanditisten hat. 127 Auf der anderen Seite steht der stille Gesellschafter, der in seiner typischen Ausprägung nicht Mitunternehmer ist, sondern nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht. "Zwischen diesen beiden Gesellschaftsformen verläuft also die Grenze, die haarfeine Grenze zur Mitunternehmerschaft." 128 Mitunternehmerrisiko bedeutet die gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Mißerfolg eines gewerblichen Unternehmens.129 Regelmäßig werden der Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswerts dieses Risiko vermitteln.130 Die Beteiligung am Verlust und dessen Umfang richtet sich nach dem Ausmaß seiner Haftung für Verbindlichkeiten des Unternehmens.131 Eine persönliche Haftung für Betriebsschulden ist allerdings nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme des Unternehmerrisikos. 132 Mitunternehmerinitiative zeigt sich vor allem in der Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen.133 Nicht erforderlich ist die tatsächliche Ausübung der Rechte, ausreichend ist vielmehr allein schon das Recht bzw. die Möglichkeit auf Ausübung unternehmerischer Entscheidungen.134 Bezüglich des Umganges der Rechte, die eine Mitunternehmerinitiative begründen können, genügen die Gesellschaftsrechte, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach §716 Abs. 1 BGB entsprechen.135 Als unterste Grenze der Mitunternehmerinitiative 127
Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769). Groh, M., BB 1982 S. 1229. 129 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769); BFH ν. 11.12.1986, BStBl 1987 Π S. 553 (555); BFH v. 24.9.1991, BStBl 1992 Π S. 330 (332). 130 Vgl. BFH v. 5.7.1978, BStBl 1978 Π S. 644 (646); BFH v. 19.2.1981, BStBl 1981 Π S. 602 (604); BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769); BFH v. 24.9.1991, BStBl 1992 Π S. 330 (333). 131 Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 83. 132 Vgl. BFH v. 24.9.1991, BStBl 1992 Π S. 330 (333). 133 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769). 134 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769). 135 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769); BFH ν. 21.4.1988, BStBl 1989 Π S. 722 (724); Kritisch hierzu Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 382, die es reichlich deplaciert findet, in diesem Zusammenhang von Mitunternehmerinitiative zu sprechen. 128
11 Herz
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
kann nach der bisherigen Rechtsprechung die Rechtsposition angesehen werden, die nach Maßgabe des § 161 Abs. 2 i.V.m. § 119 Abs. 1 HGB die Mitstimmung in der Gesellschafterversammlung erlaubt und daneben nach § 164 HGB die Mitwirkung an Entscheidungen, die über den normalen Geschäftsbetrieb hinausgehen, ermöglicht.136 Auch wenn beide Merkmale in mehr oder minder großem Umfang vorliegen können, so müssen doch beide gemeinsam vorliegen.137 Bei Fehlen eines Merkmales sind daher die Voraussetzungen des Mitunternehmerbegriffes nicht erfüllt. Eine noch so stark ausgeprägte Unternehmerinitiative kann demnach fehlendes Unternehmerrisiko nicht ausgleichen.138 Ein geringes Unternehmerrisiko ist hingegen ausreichend, wenn es durch ausgeprägte Unternehmerinitiative ausgeglichen wird 139 oder auch umgekehrt.140 Auch wenn eine Vielzahl von Entscheidungen vorliegen, ist eine Abgrenzung häufig schwer möglich, was auch die Vielzahl von Entscheidungen des BFH bestätigt. Im Endeffekt kann man sich nur am ähnlichen Fall orientieren, ohne das steuerliche Ergebnis zuverlässig voraussagen zu können.141 Diese Unsicherheit verschärft sich noch, da nach Ansicht von Knobbe-Keuk den einzelnen Merkmalen mal mehr, mal weniger großes Gewicht beigemessen wird. 142 Die zivilrechtliche Anknüpfung an die Personengesellschaft wird als durch das weitere Tatbestandsmerkmal Mitunternehmer eingeschränkt.143 "Zwischen den Begriffen "Gesellschafter" und "Mitunternehmer" besteht inhaltlich ein Stufenverhältnis, verbunden mit einer Steigerung, die durch die zusätzliche Forderung nach Unternehmensverbundenheit ihren Ausdruck findet." 144 Auf der ersten Stufe befindet sich der Terminus "Gesellschaft", der nach rein zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu qualifizieren ist. Auf der sich daran anschließenden zweiten Stufe, steht der Mitunternehmerbegriff. Im Steuergegenstand kommt ihm allein die Aufgabe eines Bindegliedes zwischen der gemeinsam ausgeübten betrieblichen Markttätigkeit und dem einzelnen Steuerpflich-
136
Vgl. BFH v. 11.10.1988, BStBl 1989 Π S. 762 (762 f). Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (769); BFH ν. 22.1.1985, BStBl 1985 Π S. 363 (364); BFH v. 10.11.1987, BStBl 1989 Π S. 758 (759); BFH v. 21.4.1988, BStBl 1989 Π S. 722 (724); BFH 11.10.1988, BStBl 1989 Π S. 762. 138 Vgl. BFH v. 28.1.1986, BStBl 1986 Π S. 599. 139 Vgl. BFH v. 5.6.1986, BStBl 1986 Π S. 802. 140 Vgl. Schmidt, § 15 EStG Anm. 262; Blümich / Stuhrmann, § 15 EStG Anm. 246. 141 Vgl. Groh, M., BB 1982 S. 1229. 142 Vgl. Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 383. 143 Groh spricht in diesem Zusammenhang von einem "qualifizierenden accedens", der der Mitunternehmerschaft zukommt; letztlich kommt es aber auf die Gesellschafterstellung an. Vgl. hierzu Groh, M. (Übertragung, 1978) S. 104. 144 Dornbach, E.-G., StuW 1976 S. 116 (123). 137
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tigen zu. 1 4 5 Der Mitunternehmer als wirtschaftlicher Begriff kann daher die Einstufung als Personengesellschaft nicht ändern, ihm kommt daher keine Stellung im System der Gesellschaftsbesteuerung dahingehend zu, daß er die Einstufung Personengesellschaft - Kapitalgesellschaft in ihrem zivilrechtlichen Verständnis erschüttern könnte. Erst auf der Ebene des einzelnen Gesellschafters hat der Begriff des Mitunternehmers Bedeutung. Er kann aber grundsätzlich nicht die Einstufung in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer beeinflussen.146 Der Grundsatz würde aber dann eine Ausnahme erfahren, wenn es sich bei der Personenvereinigung zwar um eine Personengesellschaft handelt, aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten aber keiner der Gesellschafter als Mitunternehmer zu betrachten wäre. In diesem Falle würde das von Personengesellschaft erwirtschaftete Einkommen nicht unmittelbar bei einem anderen Steuersubjekt der Besteuerung unterliegen, so daß die Personengesellchaft nach § 3 Abs. 1 KStG wohl selbst als Steuersubjekt einzustufen wäre. Nur in diesem Falle kann der Tatbestandsvoraussetzung des Mitunternehmers systembeeinflussende Wirkung zukommen. c) Der Begriff der Personengesellschaften im Einkommensteuerrecht im Rahmen der Überschußeinkünfte Im Gegensatz zu den Gewinneinkünften enthält das Einkommensteuergesetz für die Überschußeinkünfte i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG keine Regelung darüber, wie Einkünfte zu behandeln sind, die im Rahmen von Gesellschaften erwirtschaftet werden. Da der einzelne Gesellschafter im Gegensatz zu den Bruchteilsgemeinschaften nicht unmittelbar am Nutzungsentgeld partizipiert, sondern nur über die Erhöhung seines Anteils am Gesamthandsvermögen, läßt das Einkommensteuergesetz keine eindeutige Regelung über die Qualifikation der Einkünfte zu. 147 Unklar ist bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften deshalb, nach welcher Vorschrift sich die Zuordnung und Qualifikation der von ihnen erzielten Überschüsse an die Gesellschafter richtet. Eine entsprechende Regelung, wie sie § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG für die Gewinneinkünfte vorsieht, fehlt für diese - als sog. vermögensverwaltende Personengesellschaften bezeichnete - Gesellschaften. Eine entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG lehnt sowohl die Rechtsprechung des BFH 1 4 8 als auch die herrschende Meinung in der Literatur 149 ab. 1 5 0 Zu fragen 145
So Schmidt, A. (Behandlung, 1990) S. 50. Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 354 sehen im Mitunternehmer nach wie vor den zentralen Begriff, der den gesamten Tatbestand des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG abdeckt. 147 Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 975. 148 Vgl. BFH v. 18.11.1980, BStBl 1981 Π S. 510. 146
1
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ist daher, nach welcher Vorschrift die Behandlung vermögensverwaltender Personengesellschaften zu erfolgen hat und ob sich hierdurch eine grundsätzliche Änderung im Verständnis der Gesellschaft selbst ergibt. Die h.M. sieht in § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO die maßgebende Regelung für die Qualifikation der Einkünfte vermögensverwaltender Personengesellschaften. 1 5 1 Diese Vorschrift negiert für steuerliche Zwecke die Gesamthandsgemeinschaft und rechnet die Wirtschaftsgüter den Beteiligten anteilig zu. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO werden die Beteiligten einer Personengesellschaft und anderer Gesamthandsgemeinschaften so behandelt, als ob sie Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft wären. Auf den ersten Blick scheint also die nach Aufgabe der Bilanzbündeltheorie in den Vordergrund getretene zivilrechtliche Betrachtungsweise für die Besteuerung von Personengesellschaften bei vermögensverwaltenden durchbrochen zu sein, da die gesamthänderische Gebundenheit zugunsten einer Bruchteilsbetrachtung in § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO aufgegeben wird. Diese Vorschrift ordnet aber nur insoweit eine Bruchteilsbetrachtung an, als diese "...für die Besteuerung erforderlich ist." 1 5 2 Diese "Subsidia149
Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 975; Blümich / Stuhrmann, § 21 EStG Anm. 22; Gösch, D., FR 1989 S. 711 (712); Groh, M., DB 1984 S. 2373 (2376); Jakob, W. / Hörmann, N., FR 1990 S. 33; Lothmann, W. (Personengesellschaft, 1986) S. 292; Schmidt, § 21 EStG Anm. 23; Söffing, G. (Besteuerung, 1990) S. 54; Uelner, A. (Personengesellschaft, 1988) S. 674; a.A. wohl Mellwig, W., DB 1985 S. 2066 (2068 ff.), der unter Hinweis auf die RFH-Rechtsprechung eine unterschiedliche Behandlung gewerblich tätiger und vermögensverwaltender Personengesellschaften ablehnt. In beiden Fällen dienen die Leistungen zur Förderung des Gesellschaftszwecks und sie sind damit einheitlich mit den anderen Leistungen ein und derselben Einkunftsart zu unterwerfen. Der wohl einzige Vertreter, der § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit all seinen Konsequenzen auch auf vermögensverwaltende Personengesellschaften ausdehnen will, ist Schulte, W., FR 1980 S. 341 (343 f). Auch die Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern sind entsprechend umzuqualifizieren. 150 § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hat für Vermögens verwaltende Personengesellschaften nur insofern Bedeutung, als der vom BFH aufgestellte Grundsatz, daß Personengesellschaften als Subjekt der Einkünfteerzielung behandelt werden. Vgl. hierzu Kirchhof/ Söhn, § 20 EStG RdNr. Β 3. 151 Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 975; Groh, M., DB 1984 S. 2373 (2374); Lothmann, W. (Personengesellschaft, 1986) S. 298 ff; Uelner, A. (Personengesellschaft, 1988) S. 674; So wohl auch der BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 761 (763), der zumindest bei Zugehörigkeit des Gesellschaftsanteils zu einem Betriebsvermögen die Wirtschaftsgüter anteilig dem Gesellschafter zurechnen wül, ohne aber explizit auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zu verweisen. a.A. Jakob, W. / Hörmann, N., FR 1990 S. 33 (33 und 36); Knobbe-Keuk, B., BB 1985 S. 473 (474), die die oben erwähnte Passage des BFH-Urteils auch als überflüssigen Ausreißer bezeichnet. Dies., (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 535 ff; Reiß, W., StuW 1986, S. 232 (246), der als maßgebliche Vorschrift § 3 KStG heranzieht und somit einen Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO fur überflüssig betrachtet. Seiner Meinung nach handelt es sich bei § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO lediglich um eine Zurechnungsregel für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern und nicht für die Zurechnung von Einkünften. 152 § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.
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ritätsklausel"153 ist in ihrem Gehalt und ihrer Reichweite umstritten, so daß verschiedene Interpretationen der Zuordnung der Einkünfte und letztlich auch des Verständnisses der Personengesellschaft zu verzeichnen sind. Zwei grundlegende Ansichten zur Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO finden sich in der Literatur. Ein Teil in der Literatur fordert eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift, die zu einer anteiligen Zurechnung der Wirtschaftsgüter beim Gesellschafter führt. 154 Im Ergebnis würde dies bedeuten, daß im Bereich der vermögensverwaltenden Personengesellschaften die Bilanzbündeltheorie weiterleben würde. 155 Die von der neuen Rechtsprechung eingeleitete "Teilsteuerrechtssubjektfähigkeit" wäre damit für vermögensverwaltende Personengesellschaften durchbrochen; somit wäre hier auch eine Abkehr von der zivilrechtlichen Natur für das Steuerrecht die Folge. Setzt man sich hingegen über den strengen Wortlaut hinweg und legt den Schwerpunkt der Vorschrift auf deren subsidiären Anwendungscharakter, so kommt man wie Groh zu dem Ergebnis, daß nicht die Wirtschaftsgüter anteilig den Beteiligten zuzurechnen sind, sondern das aus den gesamthänderisch gebundenen Vermögen erwirtschaftete Ergebnis. 156,157 Der BFH scheint sich in seinem Urteil vom 5. Mai 1981 dieser Position anzuschließen.158 Hiernach erfordert § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften nicht die anteilige Zurechnung der einzelnen Geschäftsvorfälle bei den Gesellschaftern. Erforderlich ist vielmehr nur die anteilige Zurechnung der von der Gesellschaft verwirklichten steuerrechtlich erheblichen Merkmale, namentlich der Überschuß der zugeflossenen Einnahmen über die Werbungskosten.159 Auf diesen Beschluß vom 5.5.1981 nimmt auch der Große Senat in 153
So Lothmann, W. (Personengesellschaft, 1986) S. 308. Die anteilige Zurechnung der Wirtschaftsgüter wird insbesondere vertreten von Baum, M., NWB Fach 2 S. 5947; Beierl, O. (Einkünftequalifikation, 1987) S. 95 und 126; Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 975; Lothmann, W. (Personengesellschaft, 1986) S. 342 ff.; Uelner, A. (Personengesellschaft, 1988) S. 674 f.; so auch die Finanzverwaltung: Vgl. BMF v. 20.12.1990, BStBl 19901S. 884 Tz. 12. 155 So Schellenberger, H., DStR 1985 S. 163 (167). 156 Diese Ansicht wird insbesondere vertreten von Groh, M., DB 1984 S. 2373 ff. und DB 1987 S. 1006 (1012); Früher hat Groh die Ansicht vertreten, daß die Ergänzungsrechnung nur auf der Ebene der Gesellschafter erfolgen kann, nicht aber auf der Ebene der Gesellschaft. Vgl. hierzu Groh, M., JbFfStR 1979/80 S. 209 (324 f.); Sich dem anschließend Bopp, JbFfStR 1986/87 S. 209 (235); Coen, M., WPg 1985 S. 380 (385); Herrmann, H. J., StuW 1989 S. 97 (101); HHR, § 6 EStG Anm. 836; Herzig, N. / Kessler; DB 1985 S. 2476 (2530); Korn, K., KÖSDI 1985 S. 6006 (6015); Schmidt, § 15 EStG Anm. 202; Woerner, L., BB 1985 S. 1053. 157 Aus der unterschiedlichen Interpretation und Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ergeben sich ganz erhebliche steuerliche Konsequenzen. Vgl. hierzu im einzelnen Groh, M., DB 1984 S. 2373 (2375); Schellenberger, H., StbJb 1983/84 S. 121 (137 ff.); Schulze zur Wiesche, D., WPg 1985 S. 65 (72 f). 158 Vgl. BFH v. 5.5.1981, BStBl 1981 Π S. 574. 159 Vgl. BFH v. 5.5.1981, BStBl 1981 Π S. 574 (576). 154
166
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
seinem Beschluß vom 25.6.1984 Bezug,160, so daß zu dieser Frage keinerlei Trendwende durch die neue Rechtsprechung des Großen Senats eingetreten sein dürfte. Der Große Senat führt diesen Beschluß vom 5.5.1981 gerade als Beispiel dafür an, daß Personengesellschaften schon in der bisherigen Rechtsprechung in begrenztem Umfang als Steuerrechtssubjekte qualifiziert wurden. 161 Demgegenüber vertreten einige Autoren die Ansicht, für vermögensverwaltende Personengesellschaften sei § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ohne Belang. Sie wollen die Frage der Zuordnung der Einkünfte an die Anteilseigner über die zivilrechtliche Struktur der Personengesellschaft lösen. Die Besteuerungsgrundsätze für Personengesellschaften, so wie sie seit der neuen Rechtsprechung des Großen Senats gelten, sind nicht Ausfluß von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, sondern ergeben sich allein aus der Struktur der Personengesellschaft mit der Trennung und Verselbständigung des GesamthandsVermögens.162 Aufgrund dieses für alle Personengesellschaften gleichermaßen geltenden Prinzips und des subsidiären Charakters von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, kann die quotale Betrachtung keine Anwendung finden. 163 In den Fällen, in denen einzelne Gesellschafter die Beteiligung in einem Betriebsvermögen, andere dagegen in einem Privatvermögen halten, muß eine einheitliche Behandlung jedoch auf Bedenken stoßen, da nach § 2 Abs. 2 EStG Betriebs- und Privatvermögen unterschiedlicher Verfahren zur Ermittlung der Einkünfte bedürfen. Für die Vertreter einer "zivilrechtlichen Lösung" darf die Art der Einkünfte keine Rolle für die steuerliche Behandlung der Personengesellschaft spielen, da kein Unterschied zwischen Vermögens verwaltenden und betrieblichen Personengesellschaften gemacht werden darf; beide sind vielmehr gleich zu behandeln. Das Ergebnis ist daher einheitlich auf der Ebene der Gesellschaft zu ermitteln, wobei sich die Einkünfteermittlungsart nach der Art der Einkünfte der Gesellschaft richtet.164 Da für die Frage der Einkünfte und deren Ermittlungsart allein die Ebene der Gesellschaft entscheidend ist, gilt dieses Ergebnis unabhängig davon, ob die Gesellschafter die Beteiligung dem betrieblichen oder dem privaten Bereich zuordnen.165
160
Vgl. BFH V. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (762). Diese Rechtsprechung setzt der BFH konsequent fort. Vgl. hierzu etwa BFH v. 4.10.1990, BStBl 1992 Π S. 210 (211). 162 Vgl. Mellwig, W., DB 1985 S. 2066 (2070); Schellenberger, H., StBJb 1983/84, S. 121 (126 f). 163 Vgl. Mellwig, W., DB 1985 S. 2066 (2070), nach dessen Ansicht die Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nur aus dem EStG selbst heraus begründet werden kann. Das EStG gibt für eine Anwendung aber nichts her. 164 Vgl. Knobbe-Keuk, B., BB 1985 S. 474. 165 Wie das Ergebnis bei den Gesellschaftern, die ihre Beteiligung im Betriebsvermögen halten, ermittelt werden soll, darüber besteht Uneinigkeit 161
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
167
Der Große Senat jedenfalls lehnt eine einheitliche Behandlung in diesen Sonderfällen ab. Um eine sachgemäße Besteuerung der Veräußerungsgewinne zu gewährleisten, ist es erforderlich, diese Gesellschafter über deren Gesellschaftsanteil anteilig an den Wirtschaftsgütern zu beteiligen und daß diese bei ihm Betriebsvermögen sind.166 Auf welche Vorschrift sich der BFH hinsichtlich der "Zurechnung" stützt, hat er jedoch verschwiegen.167 Einen expliziten Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nimmt der BFH nicht vor, obwohl nach Ansicht Schellenbergers das in diesem Zusammenhang verwendete Wort "Zurechnung" eigentlich nur in dessen Richtung führen kann. 168 Auch läßt der Beschluß die Frage offen, wie die Ermittlung der Einkünfte von "gewerblichen" Gesellschaftern materiell und verfahrensrechtlich erfolgen soll. 169 Hinsichtlich der Behandlung von vermögensverwaltenden Personengesellschaften läßt der Beschluß also mehr Fragen offen, als er letztlich zu klären vermag. Einen ersten Anhaltspunkt zur Klärung dieser Frage liefert der BFH in seinem Urteil vom 17.1.1985. Danach sind Einkünfte, die eine Kapitalgesellschaft von einer Personengesellschaft bezieht, die andere als gewerbliche Einkünfte erwirtschaftet, "... im Rahmen der gesonderten Feststellung der Einkünfte der Personengesellschaft anteilig in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren und auch umzurechnen ..." 17 °. Wie dies im einzelnen zu erfolgen hat, läßt der BFH allerdings offen. Nach Ansicht von Sarrazin sind aufgrund dieses Urteils die Einkünfte, soweit sie auf die Kapitalgesellschaften bzw. andere gewerbliche Gesellschafter entfallen, auf der Ebene der Personengesellschaft in gewerbliche Einkünfte umzurechnen und alternativ zum Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten hat die Gesellschaft einen Gewinn festzustellen.171 Sarrazin leitet also aus der Aussage, daß die Überschüsse bereits auf der Ebene der Gesellschaft umzuqualifizieren sind, die zwingende Konsequenz ab, daß mit der Umqualifizierung auch die Gewinnermittlung verbunden sei. Einen vom rechtssystematischen her gesehen eigenen Weg bestreitet Schulze-Osterloh.172 Er lehnt zum einen die Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ab, zum anderen spricht er sich gegen die Übertragung der zivilrechtlichen Sichtweise auf das Steuerrecht aus. Zivil- und Steuerrecht regeln unterschiedliche Sachverhalte und haben demnach eine andere Zielsetzung, so daß sich dieses Verfahren verbietet. Er sieht die Rechtsgrundlage für die Ermittlung und Zuweisung des Ergebnisses vermögensverwaltender Personengesellschaften vielmehr in der analogen Anwendung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 166 167 168 169 170 171 172
Vgl. BFH V. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (763). Vgl. Schellenberger, H., DStR 1985 S. 163 (167). Vgl. ebd. Vgl. Sarrazin, V., FR 1988 S. 68 (69). BFH v. 17.1.1985, BStBl 1985 Π S. 291 (292). Vgl. Sarrazin, V., FR 1988 S. 68 (69). Vgl. Schulze-Osterloh, J., DStZ/A 1985 S. 315.
168
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
EStG. 173 Vom Ergebnis her entspricht dieser Ansatz jedoch dem der Bruchteilsbetrachtung in enger Auslegung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1 7 4 ; die Gesellschaft hat also zusätzlich zur Überschußrechnung eine anteilige Gewinnermittlung für beteiligte Gesellschafter durchzuführen, in der nicht nur - wie etwa im Ansatz von Schellenberger - Veräußerungsgewinne zu berücksichtigen sind, sondern alle sich aus der Gewinnermittlung ergebenden Konsequenzen, wie Teilwertabschreibung oder 6b-Rücklagen, zu ziehen sind. Die Gesellschaft hat also zwei Arten von Einkünfteermittlungsverfahren durchzuführen, die allerdings für beide Gruppen von Gesellschaftern dann einheitlich auf der Ebene der Gesellschaft zu erfolgen hat. Schulze-Osterloh leitet sein Ergebnis aus zwei Grundprinzipien der Einkommensteuer ab, dem Prinzip des Vorrangs der Gewinnbesteuerung vor der Überschußbesteuerung und dem Prinzip der Gleichartigkeit der Steuerfolgen bei Betätigung als einzelner und in Gemeinschaft mit anderen.175 Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß sich weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ein einheitliches Bild von der Behandlung vermögensverwaltender Personengesellschaften herauskristallisieren läßt. Der Grund hierfür liegt wohl im Fehlen einer Regelung, so wie sie § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG für betriebliche bzw. Gewinneinkünfte vorsieht. Sieht man von der Behandlung der sog. Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ab, so gibt es m.E. keinen Grund, vermögensverwaltende Personengesellschaften und ihre Gesellschafter darüber hinaus anders zu behandeln als deren betriebliches Pendant. Die Einkünfte sind daher einheitlich auf der Ebene der Gesellschaft zu ermitteln; eine Bruchteilsbefrachtung ist abzulehnen. Die h. M. in Literatur und Rechtsprechung spricht sich jedenfalls bei den Personengesellschaften, bei denen die Beteiligungen ausschließlich im Privatvermögen gehalten werden, für eine solche einheitliche, den zivilrechtlichen Vorgaben entsprechende Behandlung aus. Eine Durchbrechung dieser einheitlichen Betrachtung wird jedoch bei den Personengesellschaften mit "gemischten" Gesellschafterkreis gefordert. Allerdings wollen weder der BFH noch die h.M. in der Literatur hier zu einer reinen Bruchteilsbetrachtung übergehen, sondern wollen hier lediglich eine Umqualifizierung der Einkünfte vornehmen. Hierdurch wird zwar eine reine, ausschließlich an der zivilrechtlichen Struktur der Personengesellschaft orientier173
Vgl. Schulze-Osterloh, J., DStZ/A 1985 S. 315 (321). Aufgrund des gleichen Ergebnisses beider Ansätze und der Subsidiarität von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO lehnt Schulze-Osterloh dessen Anwendung gerade ab. Vgl. Schulze-Osterloh, J., DStZ/A 1985 S. 315 (321). 175 Vgl. Schulze-Osterloh, J., DStZ/A 1985 S. 315 (320). Ob das zweite Prinzip, das Schulze-Osterloh anführt, nach der neueren Rechtsprechung und insbesondere der neueren Literatur noch zu halten ist, ist m.E. sehr fraglich. Die These von der Gleichstellung von Einzel- und Mitunternehmer ist vielmehr wohl als aufgegeben anzusehen. Vgl. hierzu oben Kap. D 2. Π. 1. 174
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
te Besteuerung durchbrochen, dennoch soll dieser Vorgabe weitestgehend entsprochen werden. An diesem Punkt treten das Zivilrecht und die Anforderungen des Einkommensteuerrechts in Konkurrenz, die letztlich zugunsten des Einkommensteuergesetzes entschieden werden muß. Daß dennoch vom Zivilrecht grundsätzlich nicht abgewichen werden soll, zeigt sich gerade daran, daß der "Eingriff 1 nur soweit vorgenommen wird, um den Vorgaben des Einkommensteuerrechts genüge leisten zu können. Insgesamt läßt sich daher feststellen, daß auch bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften die zivilrechtlichen Vorgaben Berücksichtigung finden und daher die Personengesellschaft in ihrem zivilrechtlichen Verständnis zu interpretieren ist. d) Ergebnis: Zivilrechtliche Anknüpfung bei der Beurteilung von Personengesellschaften Die Frage, ob für die Auslegung des Begriffes der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht eine eigenständige steuerrechtliche Betrachtungsweise heranzuziehen ist oder ob eine Übereinstimmung mit dem zivilrechtlichen Terminus auch hier anzutreffen ist, kann heute wohl eindeutig dahingehend beantwortet werden, daß in beiden Rechtsgebieten ein gleichlautendes Verständnis vorhanden ist. Die von Raupach geäußerte These, "das Einkommensteuerrecht knüpft bei der Besteuerung der Personalgesellschaften nicht an das Zivilrecht an ...; ...das EStG führt damit für die Einkommensbesteuerung der Personengesellschaften als zentralen Begriff einen eigenen steuerlichen Terminus ein, den Begriff des "Mitunternehmers""176 kann heute wohl als endgültig überwunden betrachtet werden. Ausgangspunkt ist heute nicht mehr der Mitunternehmer bzw. die Mitunternehmerschaft, sondern die Personengesellschaft. Diese Rückbesinnung auf das Zivilrecht wurde in dieser konsequenten Form durch den Beschluß des Großen Senats vom 25.6.1984 eingeläutet. Für den Bereich der Einkünfteerzielung im Rahmen von Personengesellschaften zeigte sich diese Trendwende an Hand mehrerer Äußerungen und Folgerungen. Wie bereits eingangs dargelegt, wurde der Mitunternehmer in seiner Bedeutung als Anknüpfungsmoment von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zugunsten der Personengesellschaft bzw. der Gesellschafterstellung zurückgedrängt. Gerade aber auch die Zubilligung einer Teilsteuersubjektfähigkeit im Hinblick auf die Einkunftsalt und die Einkünfteermittlung der Personengesellschaften macht diese Entwicklung deutlich, da der BFH als Grund die zivilrechtliche Struktur der Personengesellschaft anführt. Diese streng zivilrechtliche Sichtweise der Personengesellschaft kann heute als absolut gefestigte, ständige Rechtsprechung betrachtet werden.
176
Raupach, A. (Durchgriff, 1968) S. 76.
170
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Die Ausdehnung der Mitunternehmerschaften auch auf wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse mag hier als Bruch in der Systematik zu betrachten sein. Ob diese Sichtweise des BFH gerechtfertigt werden kann, ist m.E. sehr zweifelhaft. Entscheidend ist aber, daß für die Frage, ob eine Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegt, allein auf die zivilrechtliche Qualifikation abgestellt werden muß. Nur ein Zusammenschluß mehrerer Personen, der die essentii negotii eines Gesellschaftsvertrages im Sinne von § 705 ff BGB erfüllt, ist auch als Personengesellschaft im Sinne des Einkommensteuerrechts zu qualifizieren. Hieran kann auch die Ausdehnung des Kreises der Mitunternehmerschaften auf wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse durch die Rechtsprechung des BFH nichts ändern. Die den Gewinneinkünften zugrundeliegende Konzeption der Personengesellschaft wird auch bei den Überschußeinkünften konsequent weiterverfolgt. Der Gesetzgeber hat zwar die Einkünfteerzielung im Rahmen von Personengesellschaften für die Überschußeinkünfte nicht geregelt, die Rechtsprechung des BFH wendet hier ihre Sichtweise konsequent an. Auch in diesen Bereichen ist die Personengesellschaft Überschußermittlungssubjekt, d.h. die Einkünfte werden einheitlich auf der Ebene der Gesellschaft ermittelt. Diese Behandlung gilt zumindest solange, als nur Gesellschafter beteiligt sind, deren Beteiligungen dem Privatvermögen zuzuordnen sind. Nicht mehr so eindeutig stellt sich die Situation dar, wenn daneben aber auch dem gewerblichen Bereich zuzuordnende Beteiligungen vorliegen. Hier ist auf jeden Fall eine Umqualifizierung der Einkünfte nötig. Wie und auf welcher Ebene dies zu erfolgen hat, ist noch nicht endgültig geklärt. Eine strenge Bruchteilsbetrachtung, die eine anteilige Zuordnung der Wirtschaftsgüter und damit eine eigenständige Gewinnermittlung auf der Ebene der Gesellschafter vorsieht, wird sowohl von der Rechtsprechung als auch von den meisten Autoren in dieser Form abgelehnt. Hier wird zumindest der Versuch unternommen, die zivilrechtliche Struktur der Personengesellschaft soweit wie möglich zu wahren. Hier ist allein aus steuerrechtlichen Notwendigkeiten eine gewisse Durchbrechung einer durchgehenden Beachtung der zivilrechtlichen Struktur der Personengesellschaften geboten. 177 Eine Abkehr vom Prinzip ist hierin aber nicht zu erkennen. Als Fazit bleibt festzuhalten, daß dem Einkommensteuerrecht kein eigenständiges Verständnis der Personengesellschaft zugrundeliegt. Sowohl im Rahmen der Gewinn- als auch der Überschußeinkünfte liegt der Personengesellschaft in Bezug auf deren Qualifikation als "Steuersubjekt" und den daraus zu ziehenden Konsequenzen ein streng am Zivilrecht orientiertes Verständnis zugrunde. Nach heute wohl ganz herrschender Meinung ist Ausgangspunkt für die im Rahmen von Personenmehrheiten erzielten Einkünfte zunächst die Fragestellung, ob eine Personengesellschaft vorliegt oder nicht. Erst im Anschluß daran stellt sich die weitere Frage, ob die Gesellschafter als Mitunter177
So im Ergebnis auch Best, M., DStR 1991 S. 1545 (1548).
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
171
nehmer einzustufen sind oder ob sie die dafür erforderlichen Merkmale nicht erfüllen. 2. Kapitalgesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
a) Der gesetzliche Katalog der Körperschaftsteuersubjekte Im Gegensatz zum Einkommensteuergesetz nennt das Körperschaftsteuergesetz nicht nur ein einzelnes Steuersubjekt, sondern in §§ 1 - 3 KStG findet sich ein ganzer Katalog verschiedener Körperschaftsteuersubjekte. Während die Bestimmung des Einkommensteuersubjektes, der natürlichen Person, keinerlei Schwierigkeiten bereiten dürfte, ist die Frage der Körperschaftsteuerpflicht dem Grunde nach häufiger Gegenstand gerichtlicher und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen gewesen. Im folgenden wird daher der Kreis der körperschaftsteuerlichen Subjekte zu bestimmen sein, wobei auch zu untersuchen ist, ob es bestimmte gemeinsame Kriterien für alle Körperschaftsteuersubjekte gibt, ohne die die subjektive Körperschaftsteuerpflicht zu verneinen ist, oder ob es sich bei dem Katalog lediglich um eine zufällige enumerative Aufzählung einzelner Subjekte handelt. Die für die Bestimmung der subjektiven Körperschaftsteuerpflicht wohl zentrale Vorschrift § 1 Abs. 1 KStG nennt einen Katalog178 von Köiperschaftsteuersubjekten. In Nr. 1 dieser Vorschrift sind die Kapitalgesellschaften genannt, wobei in Klammerzusatz die Aktiengesellschaften, die Kommanditgesellschaften auf Aktien, die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie bergrechtliche Gewerkschaften aufgeführt sind. Neben den Kapitalgesellschaften nennt das Gesetz in Nr. 2 bis 4 noch die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sowie die sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts. Daneben sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG aber auch nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts körperschaftsteuerpflichig. Nr. 6 dieser Vorschrift erweitert diesen Kreis noch um die Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die in § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekte sind von ihrer Bezeichnung Begriffen des Privatrechts entnommen. Zu fragen ist daher, ob diese Begriffe einheitlich im Steuer- und Privatrecht zu verstehen sind, oder ob ihnen ein eigenständiges, steuerrechtliches Verständnis zugrundeliegt. Dazu soll zunächst der Versuch unternommen werden, mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden das steuerrechtliche Verständnis zu klären, um das so gewonnene Ergebnis dann mit der h.M. in Literatur und Rechtsprechung zu vergleichen. Die Untersuchung soll darüberhinaus zum näheren Verständnis 178
So Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 571.
172
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
der Körperschaftsteuersubjekte beitragen, um im Anschluß daran ausländische Gebilde "besser" in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer einordnen zu können. b) Die zivilrechtliche Anknüpfung des Körperschaftsteuerrechts bei der Beurteilung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft aa) Der mögliche Wortsinn des Begriffs "Kapitalgesellschaften" nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Da der Wortsinn die Grenze einer möglichen Auslegung darstellt,179 ist es zunächst die Aufgabe, den möglichen Wortsinn des Begriffes "Kapitalgesellschaft" zu bestimmen. Der Gesetzgeber gibt in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG dem Gesetzesanwender insofern eine Hilfestellung, als er hier im Klammerzusatz die Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und bergrechtliche Gewerkschaften anführt. Dieser Klammerzusatz kann als Erläuterung dahingehend verstanden werden, daß der Begriff der Kapitalgesellschaft hierdurch bestimmt wird. Es stellt sich an dieser Stelle jedoch das Problem, ob es sich bei dieser Aufzählung um eine abschließende oder etwa nur um eine beispielhafte Nennung von solchen Gesellschaftsformen handelt, die der Gesetzgeber hierunter versteht. Um diese Frage klären zu können, ist zunächst ein Blick auf verschiedene Bedeutungsvarianten zu werfen. Im Gesellschaftsrecht werden als Kapitalgesellschaften solche Verbände bezeichnet, bei denen an die Existenz und Ausgestaltung des von den Gesellschaftern aufzubringenden Eigenkapitals normative Anforderungen gestellt werden.180 Kapitalgesellschaften in diesem gesellschaftsrechtlichen Sinne sind daher die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die GmbH. 181 Abweichend von diesem Verständnis werden im Schrifttum, wie Wiedemann anmerkt, als Kapitalgesellschaften aber auch Verbände bezeichnet, in denen die Kapitalbeteiligung die Verbandsstruktur prägt, insbesondere das Stimmengewicht mit der Kapitaleinlage korrespondiert. 182 Problematisch in diesem Zusammenhang ist, daß neben der AG, der KGaA, der GmbH und der bergrechtlichen Gewerkschaft auch die KG fallen kann, da die-
179
Vgl. etwa Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 324. Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 101. 181 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 35; Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 101 f. 182 In diesem Sinne Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 12. 180
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
173
se auch kapitalistisch strukturiert sein kann. 183 Wirft man einen Blick in das Umwandlungsrecht, so zeigt sich, daß auch hier das Begriffspaar Kapital184und Personengesellschaft185 Verwendung findet. Anders als im Körperschaftsteuergesetz finden sich aber hier im Klammerzusatz nur die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die GmbH, während die bergrechtlichen Gewerkschaften neben den Kapitalgesellschaften als eigenständige Rechtsform genannt werden.186 Hieraus ist zu schließen, daß für den Bereich des Umwandlungsgesetzes die bergrechtliche Gewerkschaft nicht zu dem Kreis der Kapitalgesellschaften gezählt werden. Rechnet man das Umwandlungsgesetz zum Gesellschaftsrecht, so zeigt sich, daß sich der Gesetzgeber für diesen Bereich für die erste Abgrenzung entschieden hat und demnach für das Gesellschaftsrecht den Begriff der Kapitalgesellschaft eine andere Intension beimißt, die eine geringere Extension aufweist, als der des Körperschaftsteuergesetzes. Der Begriff der Kapitalgesellschaft findet aber auch auf dem Gebiet der Rechnungslegung Anwendung und ihm kommt dort zentrale Bedeutung zu, da gemäß §§ 264 ff HGB für Kapitalgesellschaften über die allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften hinaus besondere Vorschriften gelten. Auch hier wird, wie im Körperschaftsteuergesetz auch, der Begriff der Kapitalgesellschaft durch einen Klammerzusatz näher erläutert. Im Titel des zweiten Abschnittes des Dritten Buches des HGB werden als Kapitalgesellschaften die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien sowie die GmbH aufgeführt. Auf dem Gebiet der Rechnungslegung besteht Übereinstimmung mit dem Gesellschaftsrecht, was die Gruppe der einzelnen Rechtsformen anbelangt. Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß im Bereich der Rechnungslegung eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Kapitalgesellschaft nicht geführt wird, obwohl hier der Rechnungslegung die wirtschaftliche Betrachtungsweise als spezielle Form der teleologischen Auslegung ihren festen
183 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 102. Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß nach Ansicht Wiedemanns dieses Verständnis der Kapitalgesellschaften auch § 1 KStG zugrunde liegt. 184 Vgl. § 1 Abs. 1 UmwG. 185 Vgl. § 40 Abs. 1 UmwG. 186 Über den Begriff der AG, KGaA und der GmbH bestehen im Umwandlungsrecht keinerlei Zweifel, daß diese in ihrem streng zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Verständnis auszulegen sind. So enthält die Kommentierung von Widmann / Mayer keinerlei Erläuterung zu dieser Fragestellung. Vgl. hierzu Widmann / Mayer, § 1 UmwG Rz. 42. Dehmer stellt lediglich fest, daß sich die Anwendung über den Kreis der in § 1 Abs. 1 UmwG genannten Gesellschaftsformen auf andere juristische Personen oder auf kapitalgesellschaftsähnliche Rechtsträger verbietet. Vgl. Dehmer, § 1 UmwG Anm. 2.
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Platz hat. 187 Die Auslegung nach ihrem streng gesellschaftsrechtlichen Verständnis wird vielmehr stillschweigend akzeptiert.188. Den Katalog der Kapitalgesellschaften, die § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in Klammerzusatz anführt, hat der Gesetzgeber auch im Mitbestimmungsgesetz des Jahres 1951 übernommen, ohne jedoch hierfür den Oberbegriff der Kapitalgesellschaft zu verwenden. Mit dem Mitbestimmungsgesetz des Jahres 1976 ist der Kreis der hiervon betroffenen Rechtsformen um die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften erweitert worden.189 Im Programm der Betriebswirtschaftslehre findet der Begriff der Kapitalgesellschaft im Rahmen der konstitutiven Entscheidungen (Stichwort: Rechtsformwahl) und im Bereich der Finanzierung Verwendung. Auffallend ist, daß eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Kapitalgesellschaft fehlt. 190 Es werden vielmehr ohne nähere Begründung die verschiedenen Elemente der Menge Kapitalgesellschaft, so wie sie auch in der Rechtswissenschaft zu finden sind, übernommen. Auch hier finden sich beide Auffassungen der Rechtswissenschaft wieder: einmal werden unter den Kapitalgesellschaften die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die GmbH verstanden 191 , zum anderen darüberhinaus auch die bergrechtlichen Gewerkschaften 192 . Eine eigenständige, vom Gesellschaftsrecht abweichende Auffassung der Kapitalgesellschaften, die ihr einen eigenen Inhalt beimessen, bietet die Betriebswirtschaftslehre nicht. Für einen möglichen, vom Zivilrecht abweichenden Wortlaut, kann sie daher keinen Beitrag leisten. Das gleiche gilt auch für die Rechtsformen, die das Gesellschaftsrecht und das Steuerrecht nennt. Auch diese werden in ihrem streng juristischen Sinne verstanden. Eine hiervon abweichende Begriffsausfüllung würde auch wenig Sinn machen, da die Betriebswirtschaftslehre die Rechtsformen als Datum für betriebswirtschaftliche Entscheidungen hinzunehmen hat. Ein Blick auf die Verwendung des Begriffes Kapitalgesellschaften, so wie sie der Gesetzgeber vornimmt, zeigt also, daß er vom Wortlaut her ein unterschiedlich weites Verständnis hiervon hat. Den Begriff der Kapitalgesellschaft gibt es also nicht, sondern je nach Gesetz ist er in einer engeren oder weiteren Intension gebraucht worden. Um Aufschluß über den Inhalt des Begriffes 187
Vgl etwa Moxter, Α., StuW 1989 S. 232 ff. In der Kommentarliteratur zur Rechnungslegung findet sich kein Hinweis zur Auslegung des Begriffes "Kapitalgesellschaft". 189 Vgl. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 MitBestG 76. 190 Ygj e t w a faç vagen Ausführungen bei Süchting, M. (Finanzmanagement, 1991) S. 20 und die unstrukturierte Wiedergabe der einzelnen Gesellschaftsformen auf S. 31 ff. 191 Vgl. Perridon, L. / Steiner, M. (Finanzwirtschaft, 1993) S. 284. Andererseits verweisen sie auf das Köiperschaftsteuergesetz. Vgl. ebd. S. 282. 192 Vgl. etwa Heinen, E. (Einführung, 1985) S. 144. 188
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
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Kapitalgesellschaften zu gewinnen, sind daher die Begriffe der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien, der GmbH und der bergrechtlichen Gewerkschaft näher zu untersuchen. Bei diesen Begriffen handelt es sich um sog. primäre Rechtsbegriffe bzw. Nominaldefinitionen 193, d.h. ihre Bildung erfolgt durch die Festsetzung des Gesetzgebers. Die allgemeine Sprache kann bei solchen Begriffen nicht weiterhelfen; zur Ausdeutung kann hier vielmehr nur der juristisch-technische Sinn herangezogen werden. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Wortsinns ist in jedem Fall das Gesetz, das die betreffende Gesellschaftsform regelt. Allerdings ist hiermit noch nicht die Frage geklärt, ob denn das Körperschaftsteuergesetz die einzelnen Rechtsformen auch tatsächlich in dieser Hinsicht geregelt wissen will, oder ob die einzelnen Rechtsformen nur im Sinne eines Typus zu verstehen sind, so daß dann andere Rechtsformen oder Rechtstypenvermischungen, deren wirtschaftlicher Gehalt denen der genannten Rechtsformen im zivilrechtlichen Sinne entspricht, ebenfalls unter einen eigenständigen steuerlichen Begriff der Kapitalgesellschaft zu subsumieren wären. bb) Die systematische Stellung Da obige Ausführungen zeigten, daß die Verwendung des Begriffs Kapitalgesellschaften mit den in Klammerzusatz aufgeführten Gesellschaftsformen tendenziell zwar in die Richtung eines zivilrechtlichen Verständnisses deuten, eine wirtschaftliche Auslegung jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen können, wird zunächst versucht, Erkenntnisse über den Gesetzeszweck bzw. Wertungen des Gesetzgebers aus dem äußeren System oder dem Kontext zu gewinnen.194 Hierfür ist es erforderlich, zum einen den Kreis der körperschaftsteuerpflichtigen Gebilde näher zu untersuchen, zum anderen aber auch das Verständnis der Personengesellschaften mit in die Betrachtungen mit einzubeziehen. Betrachtet man den Kreis der in § 1 Abs. 1 KStG genannten Steuersubjekte, so zeigt sich bei einer ausschließlich an zivilrechtlichen Gesichtspunkten orientierten Betrachtung, daß hier neben rechtsfähigen Gebilden auch nichtrechtsfähige in Nr. 5 explizit genannt sind. Das Körperschaftsteuergesetz als Steueranknüpfungspunkt nur im Sinne von zivilrechtlich rechtsfähigen Gebilden verstehen zu wollen, scheidet demnach von vornherein aus. Vielmehr werden sowohl rechtsfähige als auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen in den Kreis der Körperschaftsteuersubjekte aufgenommen. Allerdings systematisiert das Gesetz den Kreis der Steuersubjekte in zweifacher Hinsicht: zum 193
Vgl. hierzu Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 226. Zur systematisch-logischen Methode vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1253. 194
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
einen erfolgt eine Systematisierung nach dem Kriterium Person bzw. Personenvereinigung des öffentlichen oder privaten Rechts. Versteht man den Kreis der Steuersubjekte in einem streng zivilrechtlichen Sinne, so kann man bei den Steuersubjekten eine weitere Systematisierung nach dem Kriterium der Rechtsfähigkeit feststellen, Nr. 1 bis 4 erfassen grundsätzlich mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Personenvereinigungen, während Nr. 5 auf nichtrechtsfähige Gebilde zugreift. Die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit195 sind mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und zählen daher zu den juristischen Personen. Zwei Ausnahmen sind allerdings zu verzeichnen, da zu den bergrechtlichen Gewerkschaften und den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowohl solche mit als auch solche ohne Rechtsfähigkeit zählen.196 Die Verwendung des Wortes sonstige (juristische Personen des privaten Rechts) in Nr. 4 deutet darauf hin, daß der Gesetzgeber in den § 1 Abs. Nr. 1 bis 4 juristische Personen, also mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Personen erfassen wollte.197 Die nichtrechtsfähigen bergrechtlichen Gewerkschaften und die nichtrechtsfähigen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften stellen daher gesetzessystematisch einen Ausnahmefall dar, der die Systematik nicht durchbrechen kann. In § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG sollen daher grundsätzlich die juristischen Personen der Körperschaftsbesteuerung unterliegen.198 Neben dem systematischen Aufbau des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes von § 1 Abs. 1 KStG muß auch das System bzw. die Systematik der Einkommensbesteuerung für die Beurteilung herangezogen werden. Wie oben schon ausgeführt wurde, sind Personengesellschaften nicht Steuersubjekt der Einkommensteuer, sondern sie besitzen nach Ansicht des BFH und eines großen Teils der Literatur eine partielle Steuersubjektfähigkeit. 199 Um beide überschneidungsfrei in diesen Dualismus der Einkommensbesteuerung einordnen zu können, müssen diese m.E. in gleicher Weise, d.h. entweder wirtschaftlich oder zivilrechtlich ausgelegt werden. 200 Wird der Begriff der Personengesellschaft rein zivilrechtlich verstanden, so wie dies die Rechtsprechung und die wohl h. M. in der Literatur tut, so kann die Kapitalgesellschaft auch nur in diesem zivilrechtlichen Sinne interpretiert werden. Es handelt es sich bei dieser Ableitung des Verständnisses jedoch um einen hermeneutischen Zirkel, da einerseits die Auslegung des Begriffes der Kapitalgesellschaft sich an dem der 195
Vgl. Prölss, VAG, § 15 Anm. 6. Vgl. HHR, § 1 KStG Anm. 27, 28; Dötsch / Eversberg / Jost / Witt, § 1 KStG Anm. 33, 36. 197 Vgl. HHR, § 1 KStG Anm. 28. 198 Vgl. HHR, § 1 KStG Anm. 28; a.A. Wurster, H.-J. (Basisgesellschaft, 1984) S. 56 ff; ders., FR 1980, S. 588 ( 589 f.); ders., RIW 1981 S. 679 (681). In der Literatur findet sich häufig der Hinweis, daß es auf die Rechtsfähigkeit nicht entscheidend ankommen soll. Dies wird allerdings nur auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 3 Abs. 1 KStG gestützt. 199 Vgl. Kap.Cn. l.a). 200 Vgl. auch Kap EIV. 3. 196
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Personengesellschaft orientiert und vice versa. Letztlich muß sich also aus dem Einkommen- und aus dem Körperschaftsteuergesetz eine Grundwertung ableiten lassen, die beiden Gruppen von Gesellschaften in einem zivilrechtlichen oder in einem wirtschaftlichen Verständnis auszulegen, um aus der Systematik der Einkommensbesteuerung heraus Hinweise zu gewinnen. Weder Rechtsprechung noch Wissenschaft haben erkennbar auf eine einheitliche Grundwertung zu dieser Frage zurückgegriffen. Bei der Auslegung wurde vielmehr isoliert auf das Einkommensteuer- oder das Körperschaftsteuergesetz rekuriert. cc) Die Rechtfertigung einer eigenständigen Körperschaftsteuer als Auslegungskriterium für die Beurteilung der Körperschaftsteuersubjekte Die Rechtfertigungsgründe für die selbständige Besteuerung von Körperschaften sind in der Literatur äußerst umstritten. Insbesondere die Finanzwissenschaft hat eine Vielzahl möglicher Rechtfertigungsgründe genannt.201 Zum einen wurde die Körperschaftsteuer damit begründet, daß juristische Personen eine eigenständige steuerliche Leistungsfähigkeit besitzen. Insbesondere die rechtliche Verselbständigung, also die Rechtsfähigkeit, begründe diese. Daneben wird auch die überdurchschnittliche Ertragskraft sowie die "geringe soziale Nützlichkeit der Körperschaftsgewinne" als Grund eigener steuerlicher Leistungsfähigkeit angeführt. Zum anderen wird als Rechtfertigung das Äquivalenzprinzip, das die Körperschaftsteuer als Gegenleistung für besondere vom Staat gewährte Vorteile betrachtet, herangezogen. Die Vorteile werden zum Teil in gewährten Privilegien, namentlich der Rechtsfähigkeit und der beschränkten Haftung gesehen. Andere Autoren sehen die Vorteile in allgemeinen, vom Staat gewährten Leistungen. Für die Frage der Auslegung, welche rechtlichen Organisationsformen von der Körperschaftsteuer als Steuersubjekte erfaßt werden, ist dieser Streit zunächst allerdings weniger beachtlich. Von Bedeutung ist nur, welche Intention der Gesetzgeber bei der Einführung einer eigenständigen Besteuerung von "Körperschaften" im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes hatte. Da es sich bei der klassischen Körperschaftsteuer um eine partielle, also nicht alle Unternehmen erfassende Unternehmenssteuer handelt, muß diese neben der Gewerbesteuer zusätzliche Belastung gerechtfertigt werden. 202 Eine neben die Einkommensbesteuerung natürlicher Personen tretende selbständige Ertragsbesteuerung von Organisationen ist im Hinblick auf die Zielsetzung der Besteuerung zu beurteilen.203 In der Begründung zum Körperschaftsteuergesetz hat 201 202 203
12 Herz
Vgl. hierzu die Übersicht bei Schneider, D., StuW 1975 S. 97 (100 ff.). Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 737. Vgl. Schneider, D. (Köiperschaftsteuer, 1980) S. 535.
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
der Gesetzgeber auf die mit der Rechtsform und die Verleihung der eigenen Rechtspersönlichkeit verbundenen Vorteile abgestellt, wenn er in der Begründung des Körperschaftsteuergesetzes von 1920 ausführt: "Die Verleihung der Rechtspersönlichkeit gewährt den Erwerbsgesellschaften so viel Rechte, daß sie die Folgen der Selbständigmachung auch auf einem Gebiet tragen müssen, auf dem sie für sie nachteilig ist. Die Vorteile der Rechtsform, in der sie ihre Zwecke verfolgen können, sind vor allem neben der völligen Gleichstellung mit den natürlichen Personen auf allen Verkehrs- und Wirtschaftsgebieten, die bedeutende Verstärkung der Kreditfähigkeit, die in der fast unbeschränkten Möglichkeit der Erweiterung des Kapitals liegt. Daß in vielen Fällen die Kapitalhäufung auch die Wirtschaftlichkeit steigert, ist eine weitere Folge dieser Rechtsform" 204 Als möglichen Rechtfertigungsgrund einer eigenständigen Körperschaftsteuer hat auch die Steuerreformkommission 1971 die Rechtsform bzw. die eigene Rechtspersönlichkeit genannt.205 Auch wenn sich diese Vorteile nur in bloßen Möglichkeiten niederschlagen,206 entscheidend für die Frage der Auslegung ist, daß der Gesetzgeber auf die sich aus der Rechtsform ergebenden - tatsächlichen oder nur möglichen bzw. potentiellen - Vorteile abstellt. Auch nach der Körperschaftsteuerreform 1977, die durch das Anrechnungsverfahren die Doppelbelastung fast vollständig beseitigt hat, ändert sich die Lage der Dinge nicht. Der Kreis der in §§ 1 bis 3 KStG genannten Subjekte unterlag keiner Veränderung. Insofern kann daraus geschlossen werden, daß damit der Kreis der Körperschaftsteuersubjekte auch nach der Körperschaftsteuerreform identisch geblieben ist. In der Allgemeinen Begründung zum Körperschaftsteuergesetz 1977 wird insbesondere auch auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung verwiesen, der eine Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht entspricht. Weiter heißt es dort, daß eine unmittelbare Erfassung der Gewinne bei den Anteilseignern einen Durchgriff durch die juristische Person bedeuten würde und demnach einen Eingriff in die Grundform unserer Rechtsordnung darstellen würde. Insbesondere stellt die juristische Person typischerweise einen eigenständigen, im Wettbewerb tätigen Organismus dar, die dementsprechend als ein eigenständiges Steuersubjekt zu werten ist. 207 Auch wenn die Doppelbelastung durch das Anrechnungsverfahren aufgehoben wird, bleibt die Körperschaftsteuer eine eigenständige Steuer der 204
Drucksachen der deutschen Nationalversammlung, Bd. 134, Anlagen zu stenographischen Berichten, 1920 S. 14, abgedruckt bei Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 726 f. (heivoih. durch den Verfasser). 205 Ygj Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF, Heft 17, S. 304, die jedoch die sich aus der Rechtsform ergebenden Vorteile als Rechtfertigungsgrund letztlich ablehnt. Vgl zur Ablehnung ebd., S. 309 f. 206 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 737. 207 Vgl. BT-Drs. 7/1470 S. 326.
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
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Körperschaften. 208 Sie gilt nicht nur als bloße Vorauszahlung auf die persönliche Einkommensteuerschuld der Anteilseigner, auch wenn sie wirtschaftlich als solche zu bewerten ist. Die Teilhabersteuer209, die eine anteilige Zurechnung der Gewinne beim Anteilseigner beinhaltet, wurde gerade nicht vom Gesetzgeber präferiert. Er hat sich vielmehr für das Anrechnungsverfahren entschieden, bei dem thesaurierte Gewinne bis zur Ausschüttung weiterhin einer eigenständigen Körperschaftsteuer unterworfen bleiben.210 Diese eigenständige, von den Anteilseignern getrennte Besteuerung der Körperschaftsteuersubjekte zeigt sich aber auch noch an zwei anderen Gegebenheiten, die sich von der steuerlichen Behandlung von Personengesellschaften unterscheidet. Zum einen werden Verluste den Anteilseignern nicht zugerechnet211, zum anderen werden Verträge zwischen der juristischen Person und den Anteilseignern grundsätzlich beachtet, d.h. das Trennungsprinzip wird auch steuerlich akzeptiert. 212 Betrachtet man die Gründe für die Einführung einer Körperschaftsteuer im Jahre 1920 und die Begründung zur Körperschaftsteuerreform 1977, so zeigt sich, daß sich der Gesetzgeber streng an der zivilrechtlichen Rechtsform orientiert. Er betont immer wieder, daß er auf die Rechtsform abstellt. Das hinter der Rechtsform stehende wirtschaftliche Substraht interessiert den Gesetzgeber nicht, sondern allein die zivilrechtliche Vorgabe hat ihn zur Einführung und Beibehaltung der Körperschaftsteuer motiviert. In der Begründung zur Körperschaftsteuerreform wird diese zivilrechtliche Abhängigkeit der Körperschaftsteuer besonders deutlich, wenn hier auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung abgestellt wird. dd) Die Bestimmung des objektiven Normzwecks Sieht man in der grammatischen, in der systematisch logischen und der historischen Methode keine eigenständigen Verfahren der Auslegung, sondern lediglich Hilfsmethoden der teleologischen Methode, um den Zweck einer Vorschrift oder Norm zu bestimmen,213 dann geht ein starke Tendenz dahin, daß der mit dem Körperschaftsteuergesetz verfolgte objektive Zweck darin be-
208 V 209
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j (steuerrecht, 1994) S. 418.
Zur Teilhabersteuer vgl. Gutachten der Steuerreformkommission 1971 S. 317 ff. 210 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 738 f. 211 Diese Behandlung würde dem System einer Teilhabersteuer entsprechen. Vgl. hierzu Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF, Heft 17, S. 334. 212 Vgl. Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 419 und 431. 213 Vgl. hierzu Kap. A I . 3. c) bb). 1*
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D
vom Gesetzgeber statuierte System
steht, die juristischen Personen aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit zur Besteuerung heranzuziehen. Allerdings wird die Anknüpfung an die eigene Rechtspersönlichkeit im Gesetz durchbrochen, da § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG die Körperschaftsteuerpflicht auch auf nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts ausdehnt. Der Gesetzgeber verläßt an dieser Stelle den Boden des Zivilrechts. Der Begriff des Zweckvermögens ist diesem jedenfalls fremd. 214 Lediglich der nichtrechtsfähige Verein findet sich in § 54 BGB geregelt. Die Stiftung und die Anstalt sind zwar dem bürgerlichen Recht entnommen, jedoch gibt es sie zumindest de lege lata nur in mit Rechtsfähigkeit ausgestatteter Form. Weder die Stiftung noch die Anstalt kennt das BGB als nicht mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Gebilde.215 Zu fragen ist daher, ob es sich bei der Einbeziehung dieser Gebilde um einen Systembruch handelt, mit dem der Gesetzgeber einen besonderen, neben der eigentlichen Grundwertung, stehenden Zweck verfolgt, oder aber ob dem Körperschaftsteuergesetz nicht doch eine andere Systematik bzw. ein anderes Grundprinzip zugrundeliegt, in die bzw. das sich diese Zweckvermögen nahtlos einfügen lassen. Wäre die zweite mögliche Alternative richtig, so stellt sich natürlich die weitere Frage, ob dann nicht der historische Wille des Gesetzgebers, so wie er sich zumindest teilweise aus den Begründungen zum Körperschaftsteuergesetz ableiten läßt, mit dem sich aus dem Gesetz ergebenden objektiven Zweck in Konflikt gerät. Anbieten würde sich prima facie natürlich - entsprechend der Bezeichnung Körperschaftsteuergesetz - das Abstellen auf die körperschaftliche Struktur. Für die körperschaftliche Struktur ist nicht die Rechtsfähigkeit entscheidendes Merkmal, sondern die von den Mitgliedern verselbständigte Organisation ist konstitutives Merkmal. Betrachtet man aber die Stiftung, so fehlt es ihr gerade an den Mitgliedern. Im Gegensatz zu den Körperschaften, die als Wirkungseinheiten auf die Mitglieder bezogen sind 216 , verfügt die Stiftung über keine Mitglieder. Sie ist demnach auch keine Körperschaft. 217 Das gleiche gilt auch für die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG explizit aufgeführten Anstalten, denen es wie den Stiftungen, an Mitgliedern fehlt. 218 Auch sie gehören demnach nicht zu den Körperschaften. Auch das Kriterium körperschaftliche Struktur eignet sich also nicht als Anknüpfungskriterium, sofern man alle in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten Gebilde hierunter subsumieren will.
214
Vgl. Streck, M., StuW 1975 S. 135 (137). Vgl. Streck, M., StuW 1975 S. 135 (141 f.). 216 Vgl. Flume, W. (Person, 1983) S. 131. 217 Vgl. Flume, W. (Person, 1983) S. 131; Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 2; MünchKomm - Reuter, Vor § 80 BGB Anm. 11. 218 Vgl. Flume, W. (Person, 1983) S. 97. 215
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
1g1
Allen in § 1 Abs. 1 KStG genannten Subjekten gemeinsames Merkmal ist das von widmenden Personen verselbständigte Vermögen, das auf die neue Organisation , ob rechtsfähig oder nicht, übergegangen ist. Das in Nr. 5 genannte Zweckvermögen kann in diesem Sinne durchaus als Oberbegriff verstanden werden. Als Zweckvermögen bezeichnet man eine selbständige, einem bestimmten Zweck gewidmete Vermögensmasse, die aus dem Vermögen der widmenden Person ausgeschieden ist und von mit der Erreichung des Zwecks betrauten Personen treuhänderisch verwaltet wird. 219 Das Zweckvermögen muß zwar weiterhin einem nach bürgerlichen oder öffentlichen Recht rechtsfähigem Subjekt zugeordnet werden, das Vermögen muß aber wirtschaftlich den Eigentumsbereich des Eigentümers verlassen haben.220 Da das Vermögen aus der Vermögenssphäre der natürlichen oder juristischen Person ausgeschieden ist und jetzt dem Zweckvermögen als solchem zuzuordnen ist, sind die aus dem Vermögen stammenden Erträge nicht mehr der natürlichen oder juristischen Person zuzurechnen, sondern dem Zweckvermögen. Das Zweckvermögen bezieht daher eigene Einkünfte. 221 Wären die Zweckvermögen nicht in den Kreis der Körperschaftsteuersubjekte aufgenommen worden, so wären die von ihnen erzielten Erträge nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen. Sie wären weder im Rahmen der Einkommensteuer noch der Körperschaftsteuer steuerpflichtig. Zu den Zweckvermögen zählen zivilrechtlich auch die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten Stiftungen und Anstalten.222 Gleiches gilt entsprechend auch für die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Auch bei ihnen ist das Vermögen von den widmenden Personen auf die neuen Organisationen als neuen Vermögensträgern übergegangen. Dementsprechend würde auch bei diesen Formen das Problem der "Besteuerongslücke" auftreten. Stellt man als Grundprinzip des Körperschaftsteuergesetzes auf die Verselbständigung des Vermögens ab, so steht man vor dem Problem, daß man sich in einen bestimmten Widerspruch zur Begründung zum Entwurf des Köiperschaftsteuergesetzes begibt, in der auf die Rechtsform bzw. die Rechtsfähigkeit als wesentlichen Grund für die eigenständige Besteuerung der Körperschaftsteuersubjekte abgestellt wurde. Der objektive Telos des Gesetzes würde demnach den Willen des historischen Gesetzgebers in Frage stellen. Dieser Widerspruch löst sich jedoch schnell auf. Die Verselbständigung des Vermögens und die Rechtsfähigkeit sind auf das engste miteinander verbunden, da die Rechtsfähigkeit der juristischen Person eben die vollständige Abkoppelung 219
Vgl. Soergel - Hadding, Vor § 21 BGB Anm. 11; HHR, § 1 KStG Anm. 48. Vgl. Streck, M., StuW 1975 S. 135 (140). 221 Vgl. HHR, § 1 KStG Anm. 48. 222 Vgl. Soergel - Hadding, Vor § 21 BGB Anm. 5. Daß auch der Gesetzgeber für das Körperschaftsteuergesetz diese Systematik verwendet, geht m.E. aus der Verwendung des Wortes "andere" hervor. Nach §§ 38, 44 KAGG gelten auch die Wertpapierund die Grundstücks-Sondervermögen als Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. 220
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
des Vermögens von den Mitgliedern zur Folge hat. Bei den juristischen Personen erfolgt diese Trennung quasi über die Rechtsform, so daß sie gewissermaßen den Idealtypus darstellen. Eine solche von den "Destinären" vollständige Trennung des Vermögens findet sich ansonsten eben nur bei den in § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG genannten Körperschaflsteuersubjekten wieder. Betrachtet man aber den nichtrechtsfähigen Verein, so zeigt sich, daß eine solche scharfe, vom Zivilrecht vorgegebene Trennung nicht gegeben ist. So ist etwa auch die Grenze zwischen nichtrechtsfähigen Verein und der Gesellschaft fließend, wie die Annäherung im Zivilrecht zeigt. Die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erwähnten Subjekte wären somit als eine Art Schnittstelle zu interpretieren. Zu fragen ist daher, ob § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG nicht doch einen Ausnahmetatbestand darstellt, so daß die Rechtsform und die Rechtsfähigkeit weiterhin die eigentlichen für die Körperschaftsteuer wesentlichen Argumente darstellen. Gerade die juristischen Personen wären es also demnach, die das Körperschaftsteuergesetz vornehmlich treffen wollte. Die anderen in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG genannten Subjekte hätten nur die Funktion, die noch vorhandene "Besteuerungslücke" zu schließen. In diesem Zusammenhang kommt wohl auch der Vorschrift des § 3 Abs. 1 KStG eine Bedeutung zu, die zumindest auf den ersten Blick in einer engen Verbindung zu § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG steht. Das Verhältnis von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und § 3 Abs. 1 KStG ist nicht eindeutig geklärt. Sieht man in § 3 Abs. 1 KStG eine § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG einschränkende Vorschrift, dann ist m.E. in der Besteuerung der Zweckvermögen ein reiner Auffangtatbestand zu erblicken, der nur die einmalige Besteuerung bei einem Steuerpflichtigen sicherstellen soll. 223 Die eigenständige subjektive Körperschaftsteuerpflicht der Zweckvermögen wäre nur dann gegeben, wenn das Einkommen nicht bereits unmittelbar bei den dahinterstehenden Mitgliedern zu erfassen wäre. Faßt man § 3 Abs. 1 KStG hingegen als eigenständige, neben § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG stehende Anknüpfungsnorm auf, 224 so ist die Durchbrechung des Prinzips der Anknüpfung an die Rechtsform bzw. die Rechtsfähigkeit stärker zu gewichten als im anderen Falle. Betrachtet man das Körperschaftsteuergesetz in der Fassung von 1920/22, so war der Kreis der Körperschaftsteuersubjekte nach § 1 KStG unterteilt in juristische Personen des öffentlichen und des bürgerlichen Rechts sowie alle Berggewerkschaften. 225 Daneben waren in Nr. 2 der Vorschrift aber auch die nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und Zweckvermögen körperschaftsteuerpflichtig, soweit ihr Einkommen nicht unmittelbar nach dem Körperschaftsteuergesetz bei einem anderen steuerbar ist. 226 Erst später kam es also zur Abtrennung der Einschränkung in einer eigenen Vorschrift 223 224 225 226
In diesem Sinne etwa. HHR, § 3 KStG Anm. 24. In diesem Sinne etwa Lademann, § 3 KStG Anm. 5. Vgl. § 1 Nr. 1 KStG 1920/22. Vgl. § 1 Nr. 2 KStG 1920/22.
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
183
und zur Schaffung des § 3 KStG. Die Begründung zu § 3 KStG 1934 deutet in die Richtung einer subsidiären Körperschaftsteuerpflicht der in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten Gebilde.227 Dieser subsidiäre Charakter würde eher dafür sprechen, daß der Gesetzgeber im Grundsatz doch an die Rechtsformen mit eigener Rechtsfähigkeit anknüpfen wollte. Selbst wenn aber in § 3 Abs. 1 KStG eine Erweiterung der Steuerpflicht gesehen wird, so muß dies nicht unbedingt eine Durchbrechung des Prinzips bedeuten, wenn für die Besteuerung dieser Gebilde ein eigenständiger, von der allgemeinen Systematik abweichender Grund gefunden werden kann. 228 Zu bedenken gilt es auch, welche "quantitative" Bedeutung diesen Körperschaftsteuersubjekten überhaupt zukommen kann. Spielen diese denn nur eine Nebenrolle, so würde der Vorschrift auch in dieser Hinsicht nur der Charakter eines Auffangtatbestandes zukommen können. Geht es dem Gesetzgeber hingegen nicht um die Rechtsfähigkeit bzw. Rechtsform, sondern steht die körperschaftliche Struktur im Vordergrund des Interesses, so ist zu bedenken, daß die köiperschaftliche Struktur doch ein sehr unpräziser Begriff ist. 229 Der Begriff der Körperschaft läßt sich nur in Abgrenzung zu seiner Antipode, der Gesellschaft umschreiben. Sowohl bei der Gesellschaft als auch der Körperschaft handelt es sich jedoch um Idealtypen. Es gibt eine Vielzahl von Mischformen, deren Einordnung nur nach deren Gesamtgepräge erfolgen kann. 230 Das Abstellen auf das Merkmal "Körperschaft" bzw. "körperschaftliche Struktur" hätte also für die Einordnung eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. Insbesondere Publikumspersonengesellschaften weisen von ihrer Struktur und Ausgestaltung her durchaus körperschaftliche Züge auf. 231 Die Folge wäre dann, daß sie als Körperschaft i.S.d. Körperschaftsteuergesetzes zu qualifizieren wären. Geht man jedoch von der Rechtsfähigkeit als Grundprinzip des Körperschaftsteuergesetzes aus, das zwar durch § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG durchbrochen wird, der aber letztlich nur einen Auffangtatbestand darstellt, so wäre die Publikumspersonengesellschaft aufgrund ihrer mangelnden Rechtsfähigkeit nicht als Körperschaftsteuersubjekt zu qualifizieren. Die Anknüpfung an das Merkmal "Rechtsfähigkeit" bzw. die strenge Rechtsformabhängigkeit bietet also auch das größere Maß an Rechtssicherheit.
227
Vgl. auch HHR, § 3 KStG Anm. 22. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. EIV. 3. 229 Vgl. Kap. EIV. 1. 230 Vgl. Wiedemann, Η. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 90 f. 231 Vgl. Dietrich, J. (Publikums-KG, 1988) S. 13 ff; Nitschke, M. (Personengesellschaft, 1970) S. 1 ff.; Soergel - Hadding, § 54 BGB Anm. 2. 228
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
ee) Die Einheit der Rechtsordnung und die zivilrechtlichen Vorgaben als Auslegungskriterien Die in § 1 Abs. 1 KStG gewählten Begriffe der einzelnen Körperschaftsteuersubjekte sind dem Zivilrecht entnommen. Insbesondere der Katalog der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Kapitalgesellschaften greift vom Wortlaut her auf die zivilrechtlichen Rechtsformen zurück. Es stellt sich daher unweigerlich die Frage, ob das Steuerrecht diesen Begriffen eine eigenständige Bedeutung beimessen darf, oder ob das Steuerrecht diese im Interesse der Einheit der Rechtsordnung entsprechend dem zivilrechtlichen Verständnis auszulegen hat. An dieser Stelle ist augenscheinlich das Verhältnis beider Rechtsgebiete zueinander angesprochen, so wie es oben im Grundsätzlichen dargestellt wurde. 2 3 2 Nach der heute h.M. kann nicht mehr von einem Vorrang des Privatrechts gegenüber dem Zivilrecht gesprochen werden, sondern beide Rechtsgebiete stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander. Insbesondere die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich von der Auffassung des Primats des Privatrechts über das Steuerrecht zugunsten einer eigenständigen steuerlichen Wertung verabschiedet. Zivilrechtliche Begriffe sind im Steuerrecht deshalb nicht unbedingt in ihrem streng zivilrechtlichen Sinne zu interpretieren, sondern ihr steuerlicher Sinngehalt ist durch Auslegung zu ermitteln. 233 Ob das Steuerrecht die vom Zivilrecht entnommenen Begriffe eigenständig oder in ihrem zivilrechtlichen Verständnis verstanden wissen will, läßt sich nur anhand des Telos der einzelnen Vorschrift bestimmen. Aus dem "Primat des Zivilrechts über das Steuerrecht" kann daher keine Lösung der Frage gefunden werden, da dieser Grundsatz in dieser Form nicht mehr der herrschende Rechtsauffassung entspricht. Auch aus dem Postulat der "Einheit der Rechtsordnung" läßt sich eine zweifelsfreie Antwort nicht entnehmen, da dieses lediglich Wertungswidersprüche unterbindet, aber zu keiner strikten Verknüpfung beider Rechtsgebiete führt. Um eine für die Auslegung der Körperschaftsteuersubjekte befriedigende Antwort zu erhalten, muß letztlich also nach dem Zweck des Köiperschaftsteuergesetzes gefragt werden. Ausgehend vom Primärzweck 234 des Steuerrechts, eine gerechte Lastenverteilung unter den Steuerpflichtsubjekten herzustellen, stellt sich hier unweigerlich die Frage, warum der Gesetzgeber die Körperschaftsteuersubjekte neben den natürlichen Personen zu einer eigenständigen Besteuerung heranzieht. Wenn man den rechtfertigenden Grund der Einkommensteuer in der im Einkommen angelegten finanziellen Lei232
Vgl. hierzu Kap. A I . 3. Vgl. BVerfG v. 27.12.1991, StuW 1992 S. 186 (187). 234 Der Primärzweck wird hier nur in dem Sinne verstanden, als er eine Funktion im Rahmen der Auslegung übernehmen kann. Der Beschaffung von Finanzmitteln für den Staat kommt daher in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung zu. 233
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185
stungsfâhigkeit sieht235, so ist zu fragen, was den Gesetzgeber dazu bewogen hat, den im Körperschaftsteuergesetz genannten Personenverbänden eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit zuzumessen, während er den Personengesellschaften diese wohl abspricht. Von welchem Prinzipien ließ er sich leiten, wenn er eine von der Rechtsform 236 abhängige Besteuerung einführte, während er eine rechtsformunabhängige allgemeine Unternehmensbesteuerung ablehnte. Im Sinne der teleologischen Auslegung stellt sich daher die Frage, ob sich der Gesetzgeber bei der Anknüpfung streng an zivilrechtlichen Vorgeben orientiert hat, oder ob er diese in einem eigenständigen steuerlichen Sinn verstanden wissen will, das sich an einer wirtschaftlichen Auslegung zu orientieren hat. Diese Frage läßt sich letztlich nur anhand der allgemeinen Auslegungsgrundsätze, wie sie vorher angewendet wurden, ermitteln. Eine eigenständige Lösung kann weder aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung noch aus dem Gesetzeszweck als solchem gefunden werden. Der Gesetzeszweck muß in diesem Falle vielmehr anhand der klassischen Auslegungsmethoden gefunden werden. Insofern muß auf Tipke verwiesen werden, der in den klassischen Auslegungsmethoden lediglich Verfahren zur Ermittlung des Telos sieht, ihnen also nur eine Hilfsfunktion zuweist. Demnach kann die teleologische Methode zu keinem anderen Ergebnis führen als die anderen Verfahren.
c) Die Rechtsformabhängigkeit
in Literatur und Rechtsprechung
Die Rechtsprechung des RFH und des BFH stand schon immer auf dem Standpunkt, daß der Kreis der Kapitalgesellschaften in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG abschließend bestimmt sei und einer erweiterten Auslegung nicht zugänglich sei. Überhaupt ist nach Ansicht der Rechtsprechung allein die Rechtsform entscheidend für die Frage, ob Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht vorliegt. 237 Ob für die Gründung einer Kapitalgesellschaft persönliche oder betriebliche Gründe ein Rolle gespielt haben, ist hierfür unbeachtlich. Der BFH 235
So Kirchhof in Kirchhof / Söhn, EStG, § 2 RdNr. A 18. Die Frage, ob die Rechtsform im Bereich der Besteuerung des Einkommens sich nach den zivilrechtlichen Rechtsformen richtet, oder ob das Steuerrecht ein eigenständiges Verständnis hiervon hat, ist erst noch zu klären. Der Begriff " Rechtsform" ist daher an dieser Stelle nicht in einem streng zivilrechtlichen Verständnis zu verstehen. 237 Zur Abhängigkeit des Körperschaftsteuerrechts vom Zivilrecht vgl. RFH v. 8.9.1931, RStBl 1931 S. 741; RFH v. 21.3.1944, RStBl 1944 S. 396 (397); BFH v. 6.12.1955, BStBl 1956 m S. 95 (96 f); BFH v. 4.11.1958, BStBl 1959 ΠΙ S. 50 (50 f.); BFH v. 5.5.1959, BStBl 1959 ΠΙ S. 369 (371); BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695 (696); BFH v. 2.12.1970, BStBl 1971 Π S. 187 (188); BFH v. 20.10.1976, BStBl 1977 Π S. 96 (97); BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (757 ff.); BFH v. 29.10.1986, BStBl 1987 Π S. 310 (312); BFH v. 29.10.1986, BStBl 1987 Π S. 308 (309). 236
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
hat auch die Problematik bei seiner Entscheidung berücksichtigt, daß bei einer Anknüpfung an die Rechtsform Grenzfälle auftreten können, wo bei wirtschaftlicher Betrachtung keine beachtlichen Unterschiede zwischen körperschaftsteuerpflichtigen und einer nichtkörperschaftsteuerpflichtigen Personenvereinigung bestehen.238 So wird von RFH und BFH auch die Einmanngesellschaft explizit anerkannt und auch Verträge zwischen der Gesellschaft und ihrem einzigen Gesellschafter anerkannt, soweit es sich hierbei um ernsthafte Vereinbarungen handelt.239 Durch die Anknüpfung an die Rechtsform besteht ein größerer Grad an Rechtssicherheit240 Gerade der Gesetzgeber hat dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt, die ihm günstig erscheinende Rechtsform zu wählen.241 Den letzten Zweifel in dieser Frage hat der Beschluß des Großen Senats vom 25.6.1984242 ausgeräumt, bei dem es insbesondere um die Frag ging, ob eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH ist, als solche körperschaftsteuerpflichtig ist. Der Große Senat verneinte dies mit der Begründung, daß der Begriff der Kapitalgesellschaft abschließend bestimmt und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sei. Allein entscheidend für die Einordnung in die Gruppe der Kapitalgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist die zivilrechtliche Rechtsform. Gerade die gesetzgeberische Entscheidung, an die Rechtsform anzuknüpfen, gebiete diese Auslegung.243 Daneben ist aber auch der Begriff des nichtrechtsfähigen Vereins in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG allein nach seinem zivilrechtlichen Gehalt auszulegen. Der Begriff des nichtrechtsfähigen Vereins des Körperschaftsteuergesetzes ist identisch mit dem des § 54 BGB. 244 Der Große Senat hat sich zwar nicht explizit zu den anderen Körperschaftsteuersubjekten geäußert, aber die Aussagen lassen keinen Zweifel daran, daß es auch hier geboten ist, die "Ordnungsstruktur des Zivilrechts durchgehend zu wahren".245 Allerdings enthält § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG nach Ansicht des Großen Senats unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 KStG keine abschließende Regelung nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen. Diese im Bereich des Körperschaftsteuerrechts streng zivilrechtliche Auslegung wird vom BFH auch in den beiden Urteilen zum Mantelkauf vom 238
Vgl. BFH v. 4.11.1958, BStBl 1959 m S. 50 (51). Vgl. RFH v. 8.9.1931, RStBl 1931 S. 741; BFH v. 5.5.1959, BStBl 1959 ffl S. 369 (371), wo es um die Frage ging, ob bei Einmanngesellschaften Rückstellungen für Pensionszusagen für den Gesellschaftergeschäftsführer gebildet werden können. 240 Vgl. BFH v. 4.11.1958, BStBl 1959 ΠΙ S. 50 (50 f.). 241 Vgl. BFH v. 4.11.1958, BStBl 1959 m S. 50 (51). 242 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751. 243 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (757 f.). 244 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 ( 759). 245 So der BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (758). 239
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29.10.1986 bei Kapitalgesellschaften fortgeführt. 246 Während die Rechtsprechung bis zum Ergehen dieser beiden Urteile auch auf die wirtschaftliche Identität zwischen der Person, die den Verlust erlitten hat, und deijenigen, die den Verlustabzug geltend macht, abstellte,247 knüpft die neue Rechtsprechung nur noch an die zivilrechtliche Beurteilung an. Allein entscheidend für die Personenidentität einer Kapitalgesellschaft ist, inwieweit ihre Zivilrechtsfähigkeit erloschen ist. 248 Auch ein Austausch oder Hinzutritt neuer Gesellschafter führt nicht zur Versagung des Verlustabzuges, so daß die Beachtung der im Zivilrecht geltenden Trennung der Ebene der Gesellschaft und der der Gesellschafter gewährleistet ist. Denn dort, wo das Steuerrecht unmittelbar an das Zivilrecht anknüpft, ist es auch an dessen Wertungen gebunden.249 Die beiden Urteile des BFH stellen daher ein "vorbehaltloses Bekenntnis zur Maßgeblichkeit des Handelsrechts"250 dar. Wirft man einen Blick in die Literatur, so fällt auf, daß die Diskussion um die Frage der Rechtsformabhängigkeit im Rahmen der Körperschaftsteuer Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt war. Der Grund für diese Entwicklung war offensichtlich die zu diesem Zeitpunkt in Mode kommenden Abschreibungsgesellschaften, die insbesondere der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge waren. 251 Bis dato war es in der Literatur ganz herrschende Meinung, daß die Frage der Köiperschaftsteuerpflicht allein nach der Rechtsform zu bestimmen sei. 252 Insbesondere Walz hat sich jedoch gegen diese Auffassung gewandt und eine rein nach steuerlichen bzw. wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Auslegung des Kataloges der Körperschaftsteuersubjekte gefordert. Gerade das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erfordere eine auf steuerrechtseigenen Qualifikationskriterien abgestellte Besteuerung.253 Denn vom Leistungsfähigkeitsprinzip her sind wirtschaftliche Gestaltung und Rechtsform unabhängiger voneinander, als wirtschaftliche Gestaltung und steuerliche Bemessungsgrundlage es sein dürften. 254 Gerade die Anerkennung jeglicher zivil246
Vgl. BFH v. 29.10.1986, BStBl 1987 Π S. 308; BFH ν. 29.10.1986, BStBl 1987 Π S. 310. 247 Vgl. BFH v. 15.2.1966, BStBl 1966 IH S. 289; BFH ν. 17.5.1966, BStBl 1966 m S. 513; BFH v. 19.12.1973, BStBl 1974 Π S. 181. 248 Vgl. BFH v. 29.10.1986, BStBl 1987 Π S. 308 (310). 249 Vgl. BFH v. 29.10.1986, BStBl 1987 Π S. 308 (309); BFH ν. 29.10.1986, BStBl 1987 Π S. 310 (312). 250 Döllerer, G., StuW 1988 S. 203 (207). 251 Vgl. hierzu im einzelnen Kap. D Π. 3. a). 252 Vgl. etwa Raupach, Α., DStR 1962/63 S. 352 (355); ders. (Durchgriff, 1968) S. 73 und 75; Salditi, F., StuW 1972 S. 12 (29); Steinberg, W. (Kapitalgesellschaft, 1961) S. 16; Wüser, O. (Durchgriff, 1960) S. 28. 253 Vgl. Walz, R. (Besteuerung, 1980) S. F 82. 254 Vgl. Walz, R. (Besteuerung, 1980) S. F 81 f.
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
rechtlicher Gestaltung widerspricht letztlich dem steuerlichen Grundgebot, wirtschaftlich gleiche Wirkungen auch gleich zu belasten.255 Aber selbst bei Geltung des zivilrechtlichen Primats verweist Walz auf die Entwicklung im Zivilrecht, die von der zivilrechtlichen Bezeichnung abweichend zunehmend auf die dahinterstehenden Realtypen zurückgreift. 256 Insoweit hält er eine strenge Orientierung an der zivilrechtlichen Bezeichnung für überholt. Vielmehr muß gerade das Steuerrecht seinen Beitrag zur Abarbeitung der wirtschaftlichen Gesamtproblematik noch leisten.257 Eine Trendwende weg von der rein formalen zivilrechtlichen Betrachtungsweise hat sich jedoch nicht durchsetzen können. Trotz dieser vereinzelten Stimmen in der Literatur, die eine eigene an steuerrechtlichen Kriterien orientierte Qualifikation fordern, ist die überwiegende Meinung in der Literatur diesen Gedanken nicht gefolgt, sondern will weiterhin die Subjekte der Körperschaftsteuer in ihren ausschließlich formalen zivilrechtlichen Strukturen verstanden wissen.258 Gerade der Wille des Gesetzgebers erfordert die strenge Beachtung der zivilrechtlichen Strukturen. 259 Diese Sichtweise widerspricht zwar dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bzw. wirtschaftlich gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln,260 jedoch "...darf nicht jede Auslegung sofort auf das Fundamentalprinzip dieser Wertungstechnologie, auf das Leistungsfähigkeitsprinzip, rekurieren. Das ist klar in den Fällen, in denen der Gesetzgeber das Leistungsfähigkeitsprinzip bewußt verletzt hat (worin eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegen kann)."261 Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit tritt nach der Grund-
255
Vgl. Boles, E. / Walz, R., GmbHR 1986 S. 435 (441). Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 381; ders. JZ 1985 S. 192 (193); in diesem Sinne wohl auch Uelner, Α., JbFfStR 1980/81 S. 359 (362 ff), der auf die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung zur Publikums-KG verweist. 257 Vgl. Walz, R., JZ 1985 S. 192 (193). 258 Vgl. Blümich, § 1 KStG Anm. 45 ff; Döllerer, G., StuW 1988 S. 203 (206); Dötsch / Eversberg / Jost / Witt, § 1 KStG Anm. 18; Frotscher / Maas, § 1 KStG Anm. 3; Gail / Goutier / Grützner, § 1 KStG Anm. 43 ff; Groh, M., BB 1982 S 1229 (1234); HHR, § 1 KStG Anm. 20; Jukrat, W., GmbHR 1985 S. 62 (63); Kießling, H. / Pelikan, H. (Körperschaftsteuer, 1992) S. 21 ff; Kläschen, § 1 KStG Anm. 11; KnobbeKeuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 571 f.; Lademann, § 1 KStG Anm. 16; List, H. (Privatrecht, 1988) S. 377; Quast, D., FR 1981 S. 26 (28); Pezzer, H.-J., StuW 1990 S. 259 (260); Raupach, Α., DStR 1962/63 S. 352 (354); ders. (Durchgriff, 1968) S. 73 und 75; Steinberg, W. (Kapitalgesellschaft, 1961) S. 15 ff; Streck, M., § 1 KStG Anm. 3 und 12; Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 420 f; Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1285 und 1293; v. Wallis, H. (Einordnung, 1985) S. 145; Wassermeyer, W., DStR 1991 S. 734. 259 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1293. 260 Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1285. 261 Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1263. 256
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entscheidung des Gesetzgebers vielmehr hinter das der Rechtssicherheit zurück. 262 Gegen das Argument der Rechtssicherheit und der Praktikabilität wendet Walz ein, daß diese nur als Elemente der Gerechtigkeitsidee zu betrachten seien. Diesen kommt zwar im Steuerrecht eine besonders wichtige Bedeutung bei, jedoch können, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, andere Wertungselemente von besonders großem Gewicht hiervon Abstriche erforderlich machen.263 Sofern jedoch tatbestandliche Anknüpfungen entwickelt werden können, die mit ausreichender Sicherheit handhabbar sind, ohne durch notwendig werdende Typisierungen unvertretbare Einbußen an Steuergerechtigkeit nach sich zu ziehen, wird ein Abweichen möglich sein, da das Argument der Rechtssicherheit an Bedeutung verlieren wird. 264 Gerade aber das US-Steuerrecht, das die Frage der Körperschaftsteuerpflicht quer durch alle Rechtsformen allein nach steuerrechtseigenen Kriterien entscheidet265, beweise jedoch, daß praktikable Abgrenzungskriterien gefunden werden können und somit dem Postulat der Rechtssicherheit genüge geleistet werden kann. 266 3. "Wirtschaftliche" Grenzfälle als Beurteilungsmaßstab des Systems
Im folgenden sollen einige - aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise Grenzfälle einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Zu prüfen wird vorrangig sein, inwieweit sowohl die Literatur als auch die Rechtsprechung bei der Beurteilung dieser Gebilde sich an die von ihr postulierte strenge Rechtsformabhängigkeit hält, oder ob von dem Grundprinzip abgewichen wird. Gerade an diesen Grenzfällen erprobt sich die Dogmatik,267 denn das Verständnis eines Prinzips ist stets zugleich das seiner Schranken.268 Andererseits dienen diese Vergleichsfälle als Maßstab für den Grenzfall "ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer" Geschäftsleitung.
262 263 264 265 266 267 268
Vgl. Raupach, A. (Durchgriff, 1968) S. 75. Vgl. Walz, R. (Besteuerung, 1980) S. F 83. Vgl. Walz, R. (Besteuerung, 1980) S. F 81. Vgl. hierzu Boles, E. / Walz, R., GmbHR 1986 S. 436 ff. Vgl. Walz, R., JZ 1985 S. 192 (193). Vgl. Salditt, W., StuW 1971 S. 191. Vgl. Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. 56.
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System a)Die Publikums-KG
Wie oben bereits angedeutet, war die Publikums-KG der Auslöser für den wieder aufflammenden Diskurs um die Frage der Abgrenzung der Köiperschaftsteuersubjekteigenschaft. Die Publikums-KG ist nur schwer exakt zu definieren, sie wird daher in der Regel durch mehrere Einzelmerkmale beschrieben. 269 Charakteristisch für die Publikums-KG ist demnach, daß es sich um eine Personengesellschaft handelt, die auf den Beitritt zahlreicher Kapitalanleger ausgerichtet ist. Die Kommanditisten treffen bei ihrem Beitritt auf bereits vorformulierte Gesellschaftsverträge, auf deren Ausgestaltung sie keinerlei Einfluß besitzen. Die Gesellschaft ist auf keinen festen Mitgliederbestand angelegt, vielmehr kann der einzelne Gesellschafter normalerweise durch einfache Kündigungserklärung ausscheiden. Die einzelnen Gesellschafter kennen sich in der Regel nicht, so daß wie bei Publikumskapitalgesellschaften keine persönlichen Bindungen zwischen den Gesellschaftern bestehen.270 Es handelt sich daher um eine von ihrer Natur her kapitalistisch ausgeprägte Personengesellschaft,271 bei der das personelle Element der gegenseitigen Beziehungen der Gesellschafter untereinander und ihr gemeinsames Betreiben des Handelsgewerbes zugunsten der Kapitalbeteiligung zurücktritt. 272 In der zivilrechtlichen Literatur ist man sich trotzdem - bis auf wenige Gegenstimmen einig, daß es sich doch um eine "echte" KG handelt, die zu Recht als solche im Handelsregister eingetragen ist. 273 Auch der Bundesgerichtshof sah in der Publikums-KG eine vom gesetzlichen Leitbild stark abweichende Form der Kommanditgesellschaft274, er hat sie jedoch nicht als unzulässig verworfen. Die Publikums-KG ist trotz ihrer körperschaftlichen Struktur weiterhin als Personengesellschaft zu qualifizieren. 275 Allerdings hat der BGH ein Sonderrecht für diese Form der KG entwickelt, das im wesentlichen dem Anlegerschutz und der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft dient.276 Der BGH stützt sich dabei weitestgehend auf die Regelungen des Aktienrechts, betont aber gleichzeitig, daß aufgrund der Tat-
269
Vgl. Uelner, Α., JbFfStR 1980/81 S. 359 (361). Zu den Merkmalen im einzelnen vgl. etwa Binz, M. (GmbH & Co., 1992) S. 286; Vgl. auch die Umschreibung bei Bälz, U., ZGR 1980 S. 1 (3); zu den einzelnen Organisationsformen Vgl. Binz, M. (GmbH & Co., 1992) S. 287 f. 271 Vgl. etwa Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 1251. 272 Vgl. Sauer, O. (Publikums-KG, 1989) S. 22. 273 Vgl. etwa Baumbach / Duden / Hopt, Anh § 177 a HGB Anm. 1; Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 149. 274 Vgl. BGH v. 15.11.1982, BGHZ 85 S. 351 (358). 275 Vgl. BGH v. 4.7.1977, BGHZ 69 S. 207 (220). 276 Vgl. Dietrich, J. (Publikums-KG, 1988) S. 33. 270
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sache, daß die Publikums-KG Personengesellschaft ist, besondere Vorsicht bei der Übernahme dieser Regelungen geboten i s t 2 7 7 Anders als im Zivilrecht kommt der Frage der Einordnung Körperschaft oder Personengesellschaft im Steuerrecht eine andere Bedeutung zu. 2 7 8 Während im Zivilrecht Vorschriften beider Bereiche auf die Publikums-KG angewendet werden können, geht es im Steuerrecht um die "Frage Sein oder Nichtsein"279, da ein Gebilde nur voll körperschaftsteuerpflichtig sein kann, oder die Einkünfte den Gesellschaftern unmittelbar zuzurechnen sind. Gerade die körperschaftliche bzw. kapitalistische Struktur der Publikums-KG war der Anlaß dafür, über die Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt nachzudenken. Uelner weist bei seiner Argumentation auf die BGH-Rechtsprechung hin, die seiner Meinung nach eindeutig erkennen läßt, daß diese die Publikums-KG als eine von der Einzelpersönlichkeit der Beteiligten unabhängige Person wertet, der die Anlagegesellschafter mitgliedschaftlich verbunden sind. 280 Gerade aufgrund dieser ausschließlich mitgliedschaftlich-kapitalistischen Ausgestaltung der Rechtsstellung der Anlagegesellschafter sind diese keine Mitunternehmer der KG. 2 8 1 Dementsprechend ist die Publikums-KG nach § 3 Abs. 1 KStG körperschaftsteuerpflichtig. 282 Uelner verweist hierbei auf die Rechtsprechung des RFH und BFH zur Einordnung nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen, die in all den Fällen, in denen die Personenvereinigung bei einer größeren Zahl von Mitgliedern über eine korporative Verfassung mit mehreren Willensbildungsorganen verfügt und die Personenvereinigung als solche vom Mitgliederbestand unabhängig ist, keine unmittelbar anteiligen Einkünfte der Mitglieder annahm.283 Eine etwas andere Argumentationslinie schlägt Walz bei der Begründung der Körperschaftsteuerpflicht für die Publikums-KG ein. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist wie bei Uelner die BGH-Rechtsprechung. Anders als Uelner, der seine Argumentation auf die fehlende Mitunternehmereigenschaft 277
Vgl. BGH v. 4.7.1977, BGHZ 69 S. 207 (220). Vgl. Schmidt, L., FR 1980 S. 482 (491 f.). 279 So Schmidt, L., FR 1980 S. 482 (492). 280 Vgl. Uelner, Α., JbFfStR 1980/81 S. 359 (362). 281 Vgl. Uelner, Α., JbFfStR 1980/81 S. 359 (366); So auch Schulze-Osterloh, J., JbDStJG 1979 S. 131 (156 ff), der die Kommandisten als stille Gesellschafter nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG behandeln wül. Auch Klein sieht im Kommanditisten keine Mitunternehmer, er lehnt de lege lata jedoch sowohl die Ansicht Uelners als auch Schulze-Osterlohs mit dem Hinweis ab, daß beide Ergebnisse nur mittels steuerverschärfender Analogie gewonnen werden können, die jedoch seiner Ansicht nach unzulässig ist. Vgl. hierzu Klein, H., GmbHR 1982 S. 281 ( 284 ff). Auch Schulze zur Wiesche spricht der Publikumskommanditgesellschaft bzw. deren Gesellschaftern die Mituntemehmerstellung ab und wül diese als nichtrechtsfähigen Verein nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG behandeln. Vgl. Schulze zur Wiesche, D., DB 1984 S. 1542 (1542 f.). 282 Vgl. Uelner, Α., JbFfStR 1980/81 S. 359 (370). 283 Vgl. Uelner, Α., JbFfStR 1980/81 S. 359 (367). 278
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
der Mitglieder stützt, ist Grundlage der Argumentation von Walz die zivilrechtliche Organisationsstruktur. Eine an der lex artis verpflichtete Auslegung muß in diesem Falle vielmehr den Bezug zum Zivilrecht wahren. 284 Eine eindeutige Zuordnung der Publikums-KG zu den Klassifikationsformen Gesellschaft und Körperschaft ist aber nicht mehr möglich. Insofern kann sich das Steuerrecht auch nicht mehr auf das Privatrecht stützen. Die zivilrechtliche Zwitterstellung zwingt das Steuerrecht auf der Grundlage eigener Gerechtigkeitsanliegen die Zuordnung in den Dualismus Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen.285 Auch das Problem der Zuordnung im Zusammenhang mit der Rechtssicherheit läßt sich unter Hinweis auf die bisher ergangene Rechtsprechung und das US-amerikanische Steuerrecht lösen, wenn auch aufgrund der wenigen Entscheidungen hier noch Präzisierungen erforderlich sind. In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von Kappe, der sich auf die typologische Betrachtungsweise im Zivilrecht stützt. Die dualistische Betrachtungsweise, auf der die strikte Trennung von rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Gebilden basiert, ist aufgrund des typologischen Denkens zugunsten einer fließenden Betrachtungsweise verdrängt worden. Diese Denkweise ist auch im Steuerrecht zu beachten, so daß für die Besteuerung nicht der Begriff, sondern allein der Typus der Gesellschaft maßgebend ist. 286 Dementsprechend sind Publikums-Kommanditgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte zu qualifizieren. 287 Entgegen dieser Auffassung und der Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften ordnen sowohl die Rechtsprechung als auch die herrschende Meinung in der Literatur die Publikums-KG steuerlich weiterhin als Personengesellschaft und die beteiligten Gesellschafter als Mitunternehmer ein, d.h. nicht die Gesellschaft selbst ist steuerpflichtig, sondern die von ihr erwirtschafteten Einkünfte werden den Gesellschaftern unmittelbar zugeordnet. Der Große Senat hat in seinem Beschluß vom 25.6.1984 die Publikums-KG weder als körperschaftsteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG noch nach § 3 KStG eingestuft, sondern sieht aufgrund der abschließenden Regelungen beider Vorschriften und deren Anknüpfung an die zivilrechtliche Rechtsformen in ihr eine Personengesellschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. 288 Der Große Senat weist auf die Rechtsprechung des BGH zur Sonderbehandlung hin, betont aber, daß es sich trotzdem auch zivilrechtlich um eine Personengesellschaft handelt.289 Aber auch die Abgrenzungsprobleme, die sich aus der Un-
284 285 286 287 288 289
Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 411. Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 412; ders., JZ 1985 S. 192 (193). Vgl. Kappe, H. (Abschreibungsgesellschaften, 1970) S. 120 ff. Vgl. Kappe, H. (Abschreibungsgesellschaften, 1970) S. 140 ff. Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (759). Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (759 f.).
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terscheidung zwischen "normaler" und "Publikums-KG" ergeben, sprechen gegen eine andere Auslegung.290 Die Meinung des Großen Senats wird auch von der h.M. in der Literatur geteilt.291 Ausgangspunkt der Überlegungen ist auch hier, daß § 1 Abs. 1 KStG eine abschließende Aufzählung der körperschaftsteuerpflichtigen Gebilde enthält.292 Insofern ist eine Analogie grundsätzlich ausgeschlossen293 Auch wenn Publikums-Kommanditgesellschaften grundsätzlich körperschaftliche Strukturen aufweisen, so sind sie dennoch sowohl zivil- als auch steuerrechtlich als Personengesellschaften zu werten. 294 Die Wertung des Gesetzes verlangt, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, die im Handelsregister als oHG oder KG eingetragen sind, den Regelungen des Einkommensteuergesetzes und nicht denen des Körperschaftsteuergesetzes zu unterwerfen. 295 Dieses festgefügte, mit dem Zivilrecht abgestimmte System darf nicht einfach zerbrochen werden 296, zumal doch erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einer Publikums-KG und einer normalen KG bestehen 2 9 7 Gerade auch die Bestimmung des § 15a EStG, die insbesondere im Hinblick auf die Auswüchse der Publikums-KG geschaffen wurde, zeigt, daß dieses Ergebnis dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht.298 b) Die Einmann-Kapitalgesellschaft Die Einmann-Kapitalgesellschaft stellt das Gegenstück zur Publikums-KG dar. Während es sich bei der Publikums-KG um eine körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft handelt, ist die Einmann-Kapitalgesellschaft zwar Kapitalgesellschaft, sie weist jedoch von ihrer Struktur her starke personalistische Züge auf, die normalerweise dem gesetzlichen Idealtypus der Personengesellschaft zugrundeliegen.299 Wie bei der Publikums-KG stellt sich hier die gleiche Frage, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, ob diese Form der Kapitalgesellschaft nicht als Einzelunternehmen zu qualifizieren ist, ihr also 290
Vgl. BFH V. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (760). Kritisch hierzu aber neben Walz auch Schulze-Osterloh, J., JbFfStR 1985/86 S. 231 (233 f.). 292 Vgl. Jukrat, W., GmbHR 1983 S. 224 (225 f.). 293 Vgl. Jukrat, W., GmbHR 1983 S. 224 (226); Streck, § 1 KStG Anm. 3. 294 Vgl. Groh, M., BB 1982 S. 1229 (1234), Döllerer, G., JbFfStR 1986/87 S. 37 (39 f.). 295 Vgl. Schmidt, L., FR 1980 S. 482 (492). 296 Vgl. v. Wallis, H. (Einordnung, 1985) S. 145. 297 Vgl. Quast, D., FR 1981 S. 26 (27 f.); v. Wallis, H. (Einordnung, 1985) S. 145. 298 Vgl. Quast, D., FR 1981 S. 26 (29); Schmidt, L., FR 1980 S. 482 (492). 299 Zur personalistischen Kapitalgesellschaft im einzelnen vgl. Friedewald, R. (Aktiengesellschaft, 1991) S. 1 ff; Immenga, U. (Kapitalgesellschaft, 1970) S. 1 ff. 291
13 Herz
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit abgesprochen werden kann. Unter Zugrundelegung einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise spricht sicherlich einiges für die Einordnung des hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Gesellschafters als Einzelunternehmer im Sinne des § IS Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. bei wenigen Gesellschaftern als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Wie die Personengesellschaft auch ist sie auf die Person bzw. die in ihr zusammengeschlossenen Personen ausgerichtet, wobei zwischen den Gesellschaftern regelmäßig enge Beziehungen bestehen.300 Die unternehmerische Funktion wird nicht von einer außenstehenden Verwaltung, sondern von dem bzw. den Gesellschaftern selbst wahrgenommen.301 Gerade diese Nähe zu Einzelunternehmern und den Gesellschaftern von Personengesellschaften nimmt Walz zum Anlaß, die Behandlung von Einmann- und personalistischen Kapitalgesellschaften zu überdenken. Besonderes Augenmerk richtet er auf die Vergütungen des bzw. der Gesellschaftergeschäftsführer, da diese alle Merkmale eines Unternehmers trotz Zwischenschaltung einer Gesellschaft weiterhin erfüllen. Der GesellschafterGeschäftsführer soll daher keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 19 EStG beziehen, sondern "Sonstige Bezüge" aus Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. 302 Walz will demnach nicht das Vorhandensein der GmbH negieren, sondern will lediglich auf der Ebene des Gesellschafters eine Sonderbehandlung anstreben. Andererseits plädiert er in den Fällen, in denen ein Mißverhältnis zwischen den vom Gesellschafter zur Verfügung gestellten Eigen- und Fremdmitteln besteht, für eine Umqualifizierung dieser Leistungen dahingehend vornehmen, daß insoweit eine Mitunternehmerschaft vorliegen soll. 303 Die Rechtsprechung des BFH macht grundsätzlich keinerlei Unterschiede im Hinblick auf die steuerliche Einordnung von personalistischen Kapitalgesellschaften und solchen, die dem gesetzlichen Idealtypus des Zivilrechts entsprechen. In dem am 5. Mai 1959 ergangenen Urteil zu einer Einmann-GmbH bekannte sich der BFH auch für das Steuerrecht zur vollständigen Anerkennung dieser Gesellschaft und der mit ihrem Gesellschafter geschlossenen Verträge. 304 Einmanngesellschaften werden, so führt der BFH explizit aus, auch weiterhin wie bisher als Kapitalgesellschaften behandelt. Der BFH weist darauf hin, daß bei wirtschaftlicher Betrachtung einiges dafür sprechen würde, die Rechtsform außer Betracht zu lassen und den Gesellschafter wie einen Einzelunternehmer zu behandeln. Gerade die Rechtssicherheit und die Paral-
300 301 302 303 304
Vgl. Immenga, U. (Kapitalgesellschaft, 1970) S. 15. Vgl. Immenga, U. (Kapitalgesellschaft, 1970) S. 16. Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 384. Vgl. Walz, R. (Steuergerechtigkeit, 1980) S. 385 f. Vgl. BFH v. 5.5.1959, BStBl 1959 ΠΙ S. 369.
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lelität mit dem bürgerlichen Recht gebietet es aber, der Rechtsform die ausschlaggebende Bedeutung beizumessen.305 c) Gründlings- und Vorgründungsgesellschaft Kapitalgesellschaften entstehen nicht uno actu, sondern die werdende juristische Person durchläuft bis zur Registereintragung rechtlich und tatsächlich ein notwendiges Vorstadium.306 In der zivilrechtlichen Lehre wird dieses Vorstadium in zwei verschiedene Zeitabschnitte unterteilt, das der Vorgründungsgesellschaft und das der Vorgesellschaft. Als Vorgründungsgesellschaft wird die in Entstehung begriffene Kapitalgesellschaft bis zum förmlichen Abschluß des Gesellschaftsvertrages bezeichnet. Die Vorgesellschaft hingegen ist durch den Zeitraum vom Abschluß des wirksamen Gesellschaftsvertrages bis zur Handelsregistereintragung charakterisiert. Erst mit Eintragung in das Handelsregister existiert die Gesellschaft als vollendete juristische Person. Während die Rechtsnatur und das Wesen der Vorgründungs- und der Vorgesellschaft lange Zeit umstritten waren, besteht darüber heute weitgehend Einigkeit.307 Die Vorgründungsgesellschaft ist in der Regel als BGB-Gesellschaft zu qualifizieren, für die die Vorschriften der §§ 705 ff BGB gelten. Sofern die Vorgründungsgesellschaft allerdings schon ein vollkaufmännisches Gewerbe betreibt, ist sie oHG mit der Konsequenz, daß §§ 105 ff HGB zur Anwendung kommen.308 Die Haftung der Beteiligten in dieser Phase der Gesellschaftsgründung ist dementsprechend völlig losgelöst vom GmbH-Recht309, sierichtetsich nach § 128 HGB 3 1 0 bzw. § 714 BGB 3 1 1 . Eine völlig andere rechtliche Situation besteht hingegen für die Vorgesellschaft. Sie paßt nicht in das Schema der gesetzlich geregelten Gesellschaftstypen, sondern sie ist vielmehr Personenvereinigung eigener Art, die bis auf die fehlende Rechtsfähigkeit der künftigen Kapitalgesellschaft als deren Vor305 306
Anm. 4. 307
Vgl. BFH v. 5.5.1959, BStBl 1959 ΠΙ S. 369 (371). Vgl. Crezelius, G., DStR 1987 S. 743; Hachenburg - Ulmer, § 11 GmbHG
Vgl. Schmidt, K., GmbHR 1987 S. 77, der von einer "Enträtselung" spricht Vgl. BGH v. 7.5.1984, BGHZ 91 S. 148 (151); Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 33; Hachenburg - Ulmer, § 11 GmbHG Anm. 19; Hüffer, § 23 AktG Anm. 15; Scholz / Schmidt, GmbHG, § 11 Anm. 9,14. 309 Vgl. BGH v. 7.5.1984, BGHZ 91 S. 148 (151 f); Roth, § 11 GmbHG Anm. 5.2.; Scholz / Emmerich, GmbHG, § 2 Anm. 86. 310 Vgl. BGH v. 7.5.1984, BGHZ 91 S. 148 (151); Roth, § 11 GmbHG Anm. 5.2.; Scholz / Emmerich, GmbHG, § 2 Anm. 86. 311 Vgl. BGH v. 30.4.1979, BHGZ 74 S. 240 (242 f); MünchKomm - Ulmer, § 714 BGB Anm. 23 ff.; a.A. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 1343 ff; Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 323 ff, die § 128 HGB analog anwenden wollen. 308
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
stufe entspricht.312 Auf sie sind daher schon die Regelungen des AktG bzw. GmbHG und des Gesellschaftsvertrages anzuwenden, sofern diese nicht gerade die Rechtsfähigkeit voraussetzen oder sonst in irgend einer Weise mit der Beschränkung auf das Gründungsstadium nicht vereinbar sind.313 Im einzelnen ist die Rechtsstruktur der Vorgesellschaft zwar noch immer umstritten, nach h.M. handelt es sich um eine Gesamthandsgesellschaft,314 die körperschaftlich strukturiert ist. 315 Entsprechend der Identitätsthese wandelt sich die Vorgesellschaft mit Erlangung der Rechtsfähigkeit durch Eintragung ipso iure und unter Wahrung der gesellschaftsrechtlichen Identität mit allen Aktiva und Passiva in die GmbH bzw. AG um. 316 Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zur Vorgründungsgesellschaft, die weder als Vorläufer der Vorgesellschaft noch der künftigen Kapitalgesellschaft betrachtet wird und die dementsprechend nicht automatisch in diese übergeht.317 Sofern Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten schon vorhanden sein sollten, so ist bei dieser Einzelübertragung bzw. Einzelübernahme erforderlich, während dies bei der Vorgesellschaft durch Gesamtrechtsnachfolge geschieht.318 Für die von der Vorgesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten haftet die Vorgesellschaft als solche mit ihrem Vermögen. Die Vorgesellschafter haften zwar auch unmittelbar persönlich, nach den Grundsätzen der BGH-Rechtsprechung jedoch ähnlich der für Kommanditisten in § 171 Abs. 1 HGB getroffenen Regelung beschränkt auf ihre Einlage, d.h. soweit sie ihre Einlage geleistet haben, sind sie haftungsbefreit 319 Daneben haften auch
312
Vgl. Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 6. Vgl. BGH v. 2.5.1966, BGHZ 45 S. 338 (347); Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 6; Hüffiier, § 41 AktG Anm. 4. 314 Vgl. Schmidt, K., GmbHR 1987 S. 77 (79). 315 Vgl. BGH v. 9.3.1981 S. 129 (132). 316 Vgl. BGH v. 7.5.1984, BGHZ 91 S. 148 (151); Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 51; Hüffer, § 41 AktG Anm. 16; faaft in Kölner Kommentar zum AktG, § 41 Anm. 47 ff. 317 Vgl. BGH v. 7.5.1984, BGHZ 91 S. 148 (151); Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 33. 318 Vgl. Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 5. 319 So die Rechtsprechung des BGH. Vgl. BGH v. 15.12.1975, BGHZ 65 S. 378 (382); BGH v. 15.6.1978, BGHZ 72 S. 45 (49 f)· Im Urteü vom 9.3.1981, BGHZ 80 S. 129 (144) ließ der BGH allerdings offen, ob er an dieser Auffassung weiterhin festhalten will. In der Literatur ist die Frage der Haftung jedoch umstritten. Die Meinungen gehen hier von einer persönlichen und unbeschränkten Haftung der Gesellschafter bis zum völligen Haftungsausschluß. Vgl. Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 20 ff.; Hüffer, § 41 AktG Anm. 15; Maulbetsch, H.-C., DB 1984 S. 1561 (1562); Scholz / Schmidt, § 11 GmbHG Anm. 78 ff.; Schmidt, K., ZHR 1992 S. 93 (113 ff.); Weimar, R., AG 1992 S. 69 (77 f.). 313
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
197
die für die Vorgesellschaft Handelnden nach den Grundsätzen des § 11 Abs. 2 GmbHG bzw. § 41 Abs. 1 S. 2 AktG. 320 Im Gegensatz zum Zivilrecht fehlen im Ertragsteuerrecht gesetzliche Vorschriften über die Behandlung der Vorformen der Kapitalgesellschaften. Entsprechend der zivilrechtlichen Unterscheidung in Vorgründungs- und Vorgesellschaft ist auch im Steuerrecht eine getrennte Behandlung beider Formen erforderlich. Die Vorgründungsgesellschaft wird - entsprechend ihrer zivilrechtlichen Behandlung - nicht als Körperschaftsteuersubjekt angesehen, sondern sie wird auch steuerlich als Personengesellschaft bzw. Mitunternehmerschaft beurteilt. Demzufolge ist nicht die Vorgründungsgesellschaft als solche steuerpflichtig, sondern das erzielte Einkommen ist unmittelbar den dahinterstehenden Gesellschaftern zuzurechnen.321 Anders als die Vorgründungsgesellschaft, die eindeutig als oHG bzw. BGBGesellschaft qualifiziert wird, entspricht die Vorgesellschaft keinem der vorhandenen Gesellschaftstypen. Aufgrund ihrer besonderen Struktur läßt sie sich nicht unmittelbar den vom Körperschaft- und Einkommensteuergesetz vorgegebenen Gesellschaftstypen zuordnen. Die h.M. 3 2 2 und die Rechtsprechung323 wollen trotz fehlender Rechtsfähigkeit und der zumindest beschränkten Haftung der Gesellschafter die Vorgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einstufen. Der BFH fordert allerdings, daß es später auch tatsächlich zur Handelsregistereintragung kommt, sonst ist die Gesellschaft rückwirkend als Mitunternehmerschaft zu behandeln.324 Weitere Voraussetzung soll nach Ansicht des BFH sein, daß die Vorgesellschaft durch eine
320 Zur Handelndenhaftung im einzelnen vgl. Baumbach / Hueck, § 11 GmbHG Anm. 41 ff.; Hachenburg - Ulmer, § 11 GmbHG Anm. 66 ff.; Hüffer, § 41 AktG Anm. 18 ff.; Scholz / Schmidt, GmbHG, § 11 Anm. 91 ff.; für die Vorgründungsgesellschaft kommt § 11 Abs. 2 GmbHG nicht zur Anwendung; Vgl. BGH v. 7.5.1984, BGHZ 91 S. 148 (152 f.). 321 Vgl. Blümich, § 1 KStG Anm. 114; Crezelius, G., DStR 1987 S. 743 (749); Gail / Goutier / Grützner, § 1 KStG Anm. 21; Kläschen, § 1 KStG Anm. 70; KnobbeKeuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 573; Lademann, § 1 KStG Anm. 34; Schuhmann, H., GmbHR 1981 S. 196; Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 421. 322 Vgl. Blümich, § 1 KStG Anm. 115; Gaü / Goutier / Grützner, § 1 KStG Anm. 23; Kläschen, § 1 KStG Anm. 72; Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 572 f.; Lademann, § 1 KStG Anm. 34; Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 421. 323 Vgl. BFH v. 11.4.1972, BStBl 1973 Π S. 568 (569); 13.3.1981, BStBl 1981 II S. 600 (601); BFH v. 9.4.1981, BStBl 1982 Π S. 362 (363), BFH ν. 20.10.1982, BStBl 1983 Π S. 247 (248); BFH v. 8.11.1989, BStBl 1990 Π S. 91 (92); BFH v. 13.12.1989, BStBl 1990 Π S. 468 (469); BFH v. 14.10.1992, BStBl 1993 Π S. 352 (354). 324 Vgl. BFH v. 6.5.1952, BStBl 1952 m S. 172 (173); BFH v. 12.12.1972, BStBl 1973 Π S. 568 (569); BFH v. 20.10.1982, BStBl 1983 Π S. 247 (248); BFH v. 14.10.1992, BStBl 1993 Π S. 352 (354); kritisch hierzu Streck, M., BB 1972 S. 261 (263).
198
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
nach außen tretende geschäftliche Betätigung in Erscheinung tritt. 325 Während der RFH seine Auffassung damit begründet, daß die Kapitalgesellschaft als wirtschaftlich entstanden anzusehen sei, 326 ist die Argumentation des BFH eine andere. Er stützt seine Argumentation auf die Nämlichkeit der Vorgesellschaft mit der späteren, erst durch Handelsregistereintragung fertigen Kapitalgesellschaft 327 Daneben ist die zivilrechtliche Behandlung entscheidend, nach der die Vorgesellschaft und die spätere Kapitalgesellschaft im wesentlichen identisch sind. 328 Gegen die vom BFH postulierte Identitätsthese wendet sich Streck, da diese im Hinblick auf ihre Allgemeingültigkeit keinen Bestand hat. Auch bei der Umwandlung eines Vereins in eine BGB-Gesellschaft und vice versa ist zivilrechtlich Identität gegeben, trotzdem zieht das Steuerrecht hier klare Grenzen zwischen Mitunternehmerschaft und Körperschaftsteuersubjekt. Auch handelt es sich bei der Identitätsthese um eine Zweckschöpfung des Zivilrechts, die nur diesem eigene Probleme lösen soll, die mit dem Steuerrecht jedoch nichts zu tun haben.329 Vom Ergebnis unterscheidet sich jedoch die Ansicht Streeks330 und des BFH nicht. Auch er sieht in der Vorgesellschaft ein Körperschaftsteuersubjekt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Der Grund liegt in der zivilrechtlichen Gestaltung und Qualifizierung der Gesellschaft. Aufgrund ihrer inneren Struktur ist der Weg für die Einordnung als Personengesellschaft versperrt, so daß aufgrund der im Körperschaftsteuerrecht für die Subjektqualifikation geltenden zivilrechtlichen Gestaltung allein die Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt in Frage kommt. Da aber die Vorgesellschaft in der Aufzählung des § 1 Abs. 1 KStG nicht erwähnt ist, ist eine analoge Anwendung erforderlich, da als Alternative nur die Einordnung als Mitunternehmerschaft in Frage käme, die sich aber aufgrund der Nähe zur juristischen Person verbietet Es gibt allerdings auch Stimmen in der Literatur, die die h.M. ablehnen. Heckmann331 und Baumgartner332 argumentieren, daß die Vorgesellschaft nicht in dem abschließend bestimmten Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG enthalten sei. Nach Heckmann erlauben es der Gesetzesvorbehalt und das Verbot einer steuerbegründenden Analogie daher nicht, die Vorgesellschaft als solche 325
Vgl. BFH v. 6.5.1952, BStBl 1952 ΠΙ S. 172 (173); BFH ν. 8.4.1960, BStBl 1960 ΠΙ S. 319 (320); BFH v. 11.4.1973, BStBl 1973 Π S. 568 (569); BFH v. 20.10.1982, BStBl 1983 Π S. 247 (249); kritisch hierzu Blümich, § 1 KStG Anm. 115; Schuhmann, H. GmbHR 1981 S. 196 (198). 326 Vgl. RFH v. 19.9.1923, RFHE 12 S. 326 (327). 327 Vgl. BFH v. 11.4.1973, BStBl 1973 Π S. 568 (569). 328 Vgl. BFH v. 11.4.1973, BStBl 1973 Π S. 568 (569). 329 Vgl. zur Kritik Streck, M., BB 1972 S. 261 (262). 330 Vgl. zur Einordnung Streck, M., BB 1972 S. 261 (264 f.). 331 Vgl. Heckmann, Α., DB 1976 S. 980. 332 Vgl. Baumgartner, D. (Vorgesellschaft, 1972) S. 59 ff.
Π. Inländische Gesellschaften im System der Einkommensbesteuerung
199
zu besteuern. Nach Ansicht von Baumgartner ist die Vorgesellschaft jedoch unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zu subsumieren, wobei er sich auf eine typologische Betrachtung stützt, die er andererseits bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ablehnt.333 Auf die abschließende Aufzählung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG weist auch Wassermeyer334 hin, der im Gegensatz zu Heckmann in der Vorgesellschaft jedoch ein Körperschaftsteuersubjekt sieht Die Köiperschaftsteuerpflicht der Vorgesellschaft ergibt sich seiner Meinung nach aus § 3 KStG, da diese nach ihrer zivilrechtlichen Ausprägung einer Körperschaft näher steht als einer Mituntemehmerschaft. Auch Schuhmann335 lehnt die Einordnung in den Kreis der Körperschaftsteuersubjekte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ab, da es seiner Ansicht nach an der - von der h.M. und der Rechtsprechung unterstellten - Nämlichkeit bzw. der Identitätsthese fehlt. Geht man mit der h.M. und der Rechtsprechung des BFH davon aus, daß es sich bei der Vorgesellschaft um ein Körperschaftsteuersubjekt handelt, so zeigt sich hier doch eine klare Durchbrechung der allgemeinen, von eben der h.M. und der Rechtsprechung selbst aufgestellten Systematik, die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eine abschließende Aufzählung der Körperschaftsteuersubjekte erblickt. Vergleicht man die Vorgesellschaft mit den dort angeführten Gesellschaftsformen, so zeigt sich, daß es der Vorgesellschaft an zwei, für diese Gesellschaftsformen wesentlichen Eigenschaften fehlt, der Rechtsfähigkeit und dem Haftungsausschluß der Gesellschafter. So bekennen auch die Befürworter der Körperschaftsteuerpflicht der Vorgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG an, daß die Haftung der Gründer, die eine ganz andere als die der Mitglieder bzw. "Inhaber" der juristischen Personen ist, doch eher für eine Mitunternehmerschaft spricht.336 Ein systematisch sauberes Ergebnis läßt sich daher wirklich nur aus der Identitätsthese gewinnen, die die Vorgesellschaft als identisch mit der späteren Kapitalgesellschaft betrachtet.337 Dieser Ansatz schließt aber doch eine weitergehende Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, etwa im Hinblick auf eine typisierende Betrachtung aus. Vielmehr läßt sich nur unter der Voraussetzung dieser restriktiven Bedingung der Identität beider "Formen" ein und derselben Gesellschaft eine über den strengen Wortlaut hinausgehende Auslegung vertreten. Für die Subsumtion unter den Begriff "Kapitalgesellschaft" darf also nur das Merkmal der Handelsregistereintragung fehlen. Ansonsten muß die Gesellschaft bereits den restlichen Anforderungen an eine fertige Kapitalgesellschaft entsprechen. Die 333
Vgl. Baumgartner, D. (Vorgesellschaft, 1972) S. 90 ff. Vgl. Wassermeyer, W., DStR 1991 S. 734 (735 f.). 335 Vgl. Schuhmann, H., GmbHR 1981 S. 196 (198 f.), der allerdings von der überholten Auffassung des BayOblG ausgeht, die Vorgesellschaft und die spätere Kapitalgesellschaft bilden keine rechtliche Einheit, sondern sie sei als oHG zu qualifizieren. 336 Crezelius, G., DStR 1987 S. 743 (750); Streck, M., BB 1972 S. 261 (264). 337 Zur Identitätsthese im einzelnen vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 242 ff. 334
200
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
von Streck geäußerte Kritik kann m.E. in dieser Form nicht überzeugen. Die Identitätsthese ist unzweifelhaft eine Zweckschöpfung des Zivilrechts, wenn sich jedoch das Steuerrecht bei der Steuersubjektqualifikation streng an den zivilrechtlichen Vorgaben orientiert, ist die Übernahme der Identitätsthese die logische Folge. Der Lösungsversuch Streeks, auf die zivilrechtliche Gestaltung und Qualifizierung der Gesellschaft abzustellen, basiert im Ergebnis auch auf der Identitätsthese. Die zivilrechtliche Qualifizierung und die Identitätsthese bedingen sich doch gegenseitig, da die Haftungsfragen und die Rechtsstellung, die die Identitätsthese lösen soll, neben ihrer organisatorischen Struktur doch gerade die zivilrechtliche Qualifikation der Gesellschaft mitbestimmen. 4. Ergebnis: Strenge Rechtsformabhangigkeit bei der Subjektqualifikation inländischer Gesellschaften
Die Subjektqualifikation inländischer Gesellschaften ist nach Ansicht der h.M. in Literatur und Rechtsprechung durch eine strenge Rechtsformabhängigkeit nach den zivilrechtlichen Vorgaben gekennzeichnet. Sowohl der Begriff der Personengesellschaft als auch der der Kapitalgesellschaft und der anderen in § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekte ist allein nach zivilrechtlichen Vorgaben auszulegen. Diese strenge Rechtsformabhängigkeit zeigt sich insbesondere an den wirtschaftlichen Grenzfällen, da trotz gegenläufiger tatsächlicher Struktur eine Steuersubjektqualifikation anhand des Zivilrechts vorzunehmen ist. Allen Forderungen, die Subjektqualifikation nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen, ist daher eine Absage zu erteilen. Eine solche Auslegung kann daher allein unter dem Gesichtspunkt de lege ferenda ihre Berechtigung erfahren.
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften im deutschen Ertragsteuerrecht Betrachtet man die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft, so steht aufgrund ihres inländischen Anknüpfungspunktes in Form des Sitzes oder der Geschäftsleitung allein deren unbeschränkte Steuerpflicht zur Disposition. Grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften besitzen als begriffsnotwendiges Charakteristikum aber immer einen Auslandsbezug. Dieser Auslandsbezug wird besonders bei nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften deutlich, die ihren Verwaltungssitz in das Inland verlegen. Da das deutsche Steuerrecht nicht nur das Problem der Einordnung inländischer Rechtsformen in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer kennt, sondern darüber hinaus auch das ausländischer Gesellschaftsformen, muß das steuerliche Verständnis dieser Gesellschaften untersucht und dem rein inländischer Gesellschaften gegenübergestellt werden. Die grenzüberschreitende Kapitalge-
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften
201
sellschaft, die sowohl in- als auch ausländische Bezüge aufweist, muß nach einem der beiden Kategorien beurteilt werden. Sofern ausländische Gesellschaften nach einem anderen Muster der Beurteilung im deutschen Einkommensteuerrecht unterliegen, wäre zwischen dem für inländische und den für ausländische Gesellschaften gefundenen Scheidungskriterien zu wählen. Daher wird im folgenden das für ausländische Gesellschaften maßgebliche Kriterium der Zuordnung untersucht. 1. Die Problematik der Qualifikation im deutschen Ertragsteuerrecht
Auch für ausländische Gesellschaften stellt sich die Frage, wie diese in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bzw. in das System der Zweiteilung in Personen- und Kapitalgesellschaften einzuordnen sind. 338 Die Problematik kann in zwei Fallkonstellationen auftreten, zum einen bei Tätigkeiten ausländischer Gesellschaften im Inland, zum anderen bei Beteiligungen von Inländern an einer ausländischen Gesellschaft. Im ersten Fall geht es um die Frage der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG bzw. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Im zweiten Fall geht es um die Frage, ob dem Gesellschafter die Einkünfte der Gesellschaft entsprechend § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG unmittelbar zugerechnet werden, die Gesellschaft mithin als Personengesellschaft und der Gesellschafter als Mitunternehmer betrachtet wird, oder aber ob die Einkünfte dem Gesellschafter erst im Rahmen von Ausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet werden. Im Bezug auf die hier behandelte Fragestellung interessiert an dieser Stelle besonders die Behandlung ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland, mithin die Auslegung der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG und die Auslegung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Bezug auf ausländische Personengesellschaften. Von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden nach ganz h.M. nicht nur inländische Personengesellschaften erfaßt, sondern darüber hinaus auch Personengesellschaften ausländischen Rechts.339 Sofern sich also unbeschränkt steuerpflichtige Personen an ausländischen Personengesellschaften beteiligen, sind ihnen dementsprechend die von diesen erzielten Einkünfte unmittelbar zuzurechnen; sie werden diesbezüglich also genau so behandelt wie bei Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft. Auch das Körperschaftsteuerrecht greift auf ausländische juristische Personen zu, die ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz nicht im Inland haben, sofern sie inländische Einkünfte erzielen. 340 Wie bei inländischen Gesellschaften, deren Sitz und Geschäftsleitung sich im In338 339 340
Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 57. Vgl. etwa Schmidt, § 15 EStG Anm. 169,173. Vgl. §2 Nr. 1 KStG.
202
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
land befinden, stellt sich auch hier die Frage, wie die vom Gesetzgeber verwendeten Begriffe in diesem Zusammenhang auszulegen sind. Eine einfache Übernahme der termini, wie sie für inländische Gesellschaften vorgesehen ist, ist keinesfalls möglich, da die ausländischen Rechtsordnungen andere Bezeichnungen für die einzelnen Gesellschaftsformen vorsehen. Im einzelnen sind zwar ähnliche Typen in den meisten Rechtsordnungen vorhanden, jedoch lassen sich doch mehr oder minder große Unterschiede im Hinblick auf die rechtliche Ausgestaltung der einzelnen Formen feststellen. Wirft man einen Blick in § 2 Nr. 1 KStG, so zeigt sich, daß der Gesetzgeber eine Aufzählung von einzelnen Gesellschaftsformen nicht vorgenommen hat, sondern ganz allgemein von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen spricht. Allein schon aus Praktikabilitätsgründen hätte sich eine solche eindeutige Abgrenzung nicht durchführen lassen, da die einzelnen Rechtsformen in ihrer Vielzahl und Vielgestaltigkeit gar nicht hätten erfaßt werden können. 341 Die Prüfung der Frage, ob die ausländische Gesellschaft als Personengesellschaft oder als juristische Person anzusehen ist, wird im allgemeinen mit dem aus dem Internationalen Privatrecht stammenden Begriff der "Qualifikation" bezeichnet. Das Qualifikationsproblem des Internationalen Privatrechts ist jedoch anders gelagert als das des Internationalen Steuerrechts, da das Internationale Steuerrecht im Gegensatz zum Internationalen Privatrecht nicht die Frage nach der Anwendung innerstaatlichen Rechts oder ausländischen Rechts löst. Im Internationalen Steuerrecht kommt vielmehr immer innerstaatliches, mithin materielles Recht zum Zuge, während es sich beim Internationalen Privatrecht um reine Kollisionsnormen handelt.342 Der entscheidende Unterschied liegt in der Phase, in der das Qualifikationsproblem auftritt. 343 Im IStR tritt das Qualifikationsproblem immer erst dann auf, wenn die anzuwendende Rechtsordnung bereits feststeht, während die Qualifikation im IPR gerade zur Bestimmung derselben dient.344 Trotz dieser Unterschiede soll auch im weiteren der Begriff der "Qualifikation" hier Verwendung finden, da er zum einen anschaulich ist und zum anderen der Verwendung von Definitionen keinerlei Erkenntniswert an sich zukommt.345
341
Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 58. Vgl. Vogel, DBA, Einl. Anm. 90. 343 Vgl. Vogel, K. AöR 1959 S. 54 (63). 344 Vgl. Vogel, K. AöR 1959 S. 54 (63 f.). 345 Insbesondere Klaus Vogel hat sich gegen die Verwendung im Bereich des Internationalen Steuerrechts ausgesprochen. Er wül hier den Begriff der Substitution verwendet wissen. Vgl. hierzu Vogel, DBA, Einl. Anm. 91. 342
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften
203
2. Mögliche Alternativen der Qualifikation
Für die Qualifikation der ausländischen Gesellschaft bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Zum einen kann für die Beurteilung auf die ausländische Rechtsordnung zurückgegriffen werden, wobei entweder die Privatrechtsordnung oder aber auch die steuerliche Behandlung des ausländischen Sitzstaates maßgebend sein kann. Zum anderen wäre aber auch eine völlig eigenständige, allein nach innerstaatlichen Grundsätzen vorzunehmende Qualifikation denkbar. Die einzelnen Möglichkeiten sollen nun im folgenden kurz dargestellt werden. a) Übernahme der Einstufung nach ausländischem Zivilrecht Eine Möglichkeit der Einstufung ausländischer Personenvereinigungen in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer besteht darin, die Gesellschaft, wie bei inländischen Gesellschaften auch, nach den Vorgaben des ausländischen Zivilrechts zu behandeln. Gesellschaften, die nach ausländischem Zivilrecht als Personengesellschaften qualifiziert werden, wären demnach grundsätzlich dem Bereich der Einkommensteuer zuzuordnen, während solche Gesellschaften, die den Status einer Kapitalgesellschaft besitzen, als Körperschaftsteuersubjekte zu behandeln wären. Wie bei inländischen Gesellschaften das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht angesprochen ist, so stellt sich an dieser Stelle augenscheinlich das Verhältnis von Internationalem Steuerrecht und Internationalem Privatrecht in den Vordergrund. Da aber, wie auf nationaler Ebene auch, eine Vorrangigkeit bzw. Abhängigkeit beider Rechtsgebiete nicht gegeben ist, kann dieses Verhältnis keine unmittelbare Antwort geben. Vielmehr kann nur die Zwecksetzung des Steuerrechts für oder gegen eine solche Qualifikation sprechen. Im Bereich des ausländischen Gesellschaftsrechts ergeben sich jedoch besondere Probleme, da Personengesellschaften dort häufig mit Rechtsfähigkeit ausgestattet werden, sie mithin als juristische Personen behandelt werden. Insofern ist die deutsche Zweiteilung in mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, denen es an dieser gerade mangelt, durchbrochen. Rechtsfähigkeit und Kapitalgesellschaft bzw. Nichtrechtsfähigkeit und Personengesellschaft sind dort keine unbedingt zusammengehörenden Begriffe mehr. Würde man demnach nicht auf die Betrachtung Personen· und Kapitalgesellschaft abstellen, sondern das Merkmal der Rechtsfähigkeit zum Maßstab nehmen, so würde eine von der Struktur der Gesellschaft her andere Einordnung erfolgen, als dies für deutsche Gesellschaften der Fall wäre. Denn die im Vergleich zu Kapitalgesellschaften von ihrer Struktur her völlig anders gelagerten ausländischen Personengesellschaften wären dann im Gegensatz zu den, von ihrer Struktur her grundsätzlich vergleichbaren deutschen Personengesellschaften, körperschaftsteuerpflichtig. An dieser Stelle be-
204
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
käme die Frage, ob das deutsche Körperschaftsteuerrecht auf die Rechtsfähigkeit abstellt, oder aber die Struktur der Personenvereinigung in den Vordergrund stellt, ein entscheidendes Moment. Für das Internationale Privatrecht spielt die tatsächliche Struktur der Gesellschaft keine Rolle. Vielmehr erfolgt die Anerkennung unabhängig davon, ob die Gesellschaft einer der Rechtsformen des deutschen Rechts entspricht.346 b) Übernahme der Einstufung der ausländischen Steuerrechtsordnung Wenn man von der Übernahme der Einstufung nach der ausländischen Rechtsordnung spricht, so ist damit nicht automatisch auf die privatrechtliche Ordnung abzustellen, sondern damit kann auch die ausländische Steuerrechtsordnung gemeint sein. Wenn in der Literatur die Ansicht vertreten wird, die Wertungen der ausländischen Rechtsordnung zu übernehmen, so ist damit noch nicht gesagt, ob damit die Privat- oder die Steuerrechtsordnung angesprochen sein soll. 347 Beide Alternativen sind jedoch für die Einordnung denkbar. So ist etwa die griechische GmbH zwar nach griechischem Handelsrecht juristische Person, sie wird aber nach griechischem Steuerrecht nicht als solche besteuert; die Gewinne werden wie bei deutschen Personengesellschaften den Gesellschaftern vielmehr unmittelbar zugerechnet.348 Je nachdem, ob die ausländische Privat- oder Steuerrechtsordnung für die Qualifikation nach deutschem Steuerrecht maßgeblich wäre, wäre die griechische GmbH als Kapitalgesellschaft oder als Personengesellschaft zu qualifizieren. In mehreren Staaten besteht außerdem für bestimmte Gesellschaftsformen die Möglichkeit, für die Körperschaftsteuer oder die Einkommensteuer zu optieren.349 Auch in diesen Fällen bestünde die Möglichkeit, daß sich das deutsche Steuerrecht an der gewählten Steuerform orientiert.
c) Eigenständige Qualifikation
nach deutschem Steuerrecht
Neben der Qualifikation nach den Grundsätzen der ausländischen Rechtsordnung, also nach der Rechtsordnung, an der die betreffende Gesellschaft ihren Sitz hat, bietet sich als weitere und wohl auf den ersten Blick naheliegendste Alternative eine eigenständige, an inländischen Gesichtspunkten orientierte Betrachtungsweise an. Eine automatische Übernahme der Einordnung 346
Vgl. hierzu Kap. Β 1.1. c). Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 63. 348 Vgl. Rick / Wassermeyer / Becker, AStG § 7 Anm. 10 b, Krabbe, H., RIW 1976 S. 192. 349 Vgl. hierzu Hintzen, L., DStR 1971 S. 327. 347
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften
205
nach dem Recht des ausländischen Sitzstaates verbietet sich also bei dieser Betrachtungsweise. Diese Form der Qualifikation soll aber nicht bedeuten, daß die ausländische Rechtsordnung bei der Einstufung des Rechtsgebildes völlig außer acht zu lassen ist. Sie ist vielmehr bei der Beurteilung insofern mit heranzuziehen, als diese den für den Vergleich notwendigen Realtypus liefert. Die Normen der ausländischen Rechtsordnung geben der zu beurteilenden Gesellschaft gerade die Merkmale, auf die es für den Vergleich nach den Maßstäben des deutschen Rechts ankommt. Diese Normen geben den Gesellschaften erst ihre Gestalt, ihren Charakter, den es einzuordnen gilt. Im Internationalen Privatrecht bezeichnet man diese "Perspektive" der Qualifikation als sog. Qualifikation nach der "lex fori"-Theorie, während die unter Punkt II.l. bzw. II.2. behandelte Betrachtung der Übernahme der ausländischen Sichtweise unter dem Stichwort der "lex causae"-Theorie behandelt wird. 350 Zumindest im Internationalen Privatrecht scheint die lex fori- Theorie immer noch die herrschende zu sein.351 3. Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung
a) Das RFH-Urteil vom 122.1930 und die folgende Rechtsprechung Als die wohl grundlegende Entscheidung zu dieser Thematik darf das Urteil des RFH vom 12. Februar 1930 gelten. Entgegen der damals h.M. und Rechtsprechung352 hat der RFH in seiner sog. Venezuela-Entscheidung eine venezolanische oHG oder KG als Mitunternehmerschaft eingestuft, obwohl sie nach venezolanischem Recht unzweifelhaft eine juristische Person darstellt und als solche auch nach deutschem Internationalen Privatrecht anzuerkennen ist. 353 Der erkennende Senat hat sich gegen eine unterschiedslose Behandlung aller ausländischen juristischen Personen als Körperschaftsteuersubjekte gewandt,354 obwohl er diesen Schluß durchaus auch in Erwägung gezogen hat. 355 Eine solch formale, wie bei rein inländischen Gesellschaften getroffene Beurteilung hält der RFH jedoch nicht für angebracht, da der Gesetzgeber die Auswirkung einer solchen Beurteilung aufgrund der Vielfältigkeit der ausländischen juristischen Personen gar nicht hätte überblicken können. Gerade im Hinblick auf den Grundsatz, wirtschaftlich gleiche Verhältnisse möglichst auch steuerlich gleich zu behandeln, verbietet sich eine solche Qualifikation. 350 351 352 353 354 355
Vgl. hierzu im einzelnen Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 246 ff. Vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 246. Vgl. Schlütter, E., JbDStJG 1985 S. 215 (219). Vgl. RFH v. 12.2.1930, RFHE 27 S. 73 (75). Ebd. S. 78. Ebd. S. 77.
206
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Dementsprechend ist die Entscheidung über die Einstufung in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer nach den leitenden Gedanken beider Gesetze zu treffen. Für die Einstufung der ausländischen Gesellschaften ist ein Vergleich mit den inländischen Gesellschaftstypen durchzuführen, wobei auch der Aufbau und die Stellung der Gesellschaft im Wirtschaftsleben mitbestimmend sein soll. Entscheidend sind daher nicht rein formale Kriterien, sondern der Vergleich ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Die Würdigung der ausländischen Gesellschaft ist in ihrer Gesamtheit unter Beachtung ihrer wirtschaftlichen Stellung und ihres rechtlichen Aufbaus vorzunehmen. Da in vielen Fällen mehr oder minder große Abweichungen der ausländischen Gesellschaftstypen von denen des deutschen Rechts gegeben sind, ist die Frage, welches Gewicht den Abweichungen im einzelnen zukommt, eine entscheidende Bedeutung beizumessen. Hierfür ist allein der Zweck der Untersuchung maßgebend. Die im Anschluß ergangene Rechtsprechung des BFH bestätigt das RFHUrteil in allen Punkten. In seinem Urteil zur Einstufung eines in Liechtenstein ansässigen Treuunternehmens führte der BFH im Anschluß an das RFH-Urteil aus, daß allein das deutsche Steuerrecht über die Einordnung in den steuerlichen Dualismus entscheidet356 Hierfür ist die Gesellschaft nach ihrem im Ausland geregelten rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Stellung im Vergleich zu den deutschen Gesellschaften zu beurteilen. Der Frage der Rechtsfähigkeit kommt nach Ansicht des BFH keine entscheidende Bedeutung zu. 3 5 7 Allerdings kann die Tatsache, daß das zu beurteilende Gebilde wie ein rechtsfähiges Gebilde lebt, als Indiz für die Körperschaftsteuerpflicht gewertet werden.358 Aus dieser Aussage darf m.E. jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß der BFH der Rechtsfähigkeit für die Beurteilung eine entscheidende Bedeutung beimessen will. Dies will der BFH gerade nicht aussagen, sondern er mißt dem Auftreten der Gesellschaft nach außen nur Bedeutung bei im Hinblick auf die tatsächliche Struktur der Gesellschaft, die es letztlich zu vergleichen gilt. Mißverständlich ist daher m.E. auch die Aussage des BFH in seinem Urteil vom 6.11.1980, daß für die steuerliche Behandlung die Rechtsfähigkeit nicht allein ausschlaggebend ist. 359 Allerdings relativierte der BFH diese Aussage wieder, wenn er im nächsten Satz ausführt: "Vielmehr kommt es darauf an, ob das ausländische Unternehmen nach rechtlichem Aufbau und wirtschaftlicher Gestaltung einem der Rechtsgebilde entspricht, die selbst ge356
Vgl. BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695 (696). So auch BFH v. 3.2.1988, BStBl 1988 Π S. 588 (590); BFH ν. 6.11.1980; BStBl 1981 Π S. 220 (222). 358 Vgl. BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695 (696). 359 Vgl. BFH v. 6.11.1980, BStBl 1980 Π S. 220 (222); In dem Urteü ging es um die Frage der Gewerbesteuerpflicht. Der BFH prüfte zunächst die Rechtsfähigkeit anhand der Vorschriften des IPR und bejahte diese in dem vorliegenden Falle. 357
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften
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werbe- bzw. körperschaftsteuerpflichtig sind."360 Diese sprachlichen Ungenauigkeiten tragen jedoch sicherlich nicht dazu bei, die Rechtsprechung und ihre Zielsetzung treffsicher interpretieren zu können. b) Die Behandlung in der Literatur In der Literatur hat die Rechtsprechung des RFH und BFH breite Zustimmung erfahren. 361 Das RFH-Urteil vom 12.2.1930 wird heute immer noch als "grundlegend"362 und "sorgfältig begründet"363 bezeichnet. Kruse spricht in diesem Zusammenhang etwa auch von "methodisch guten Gründen dieses Urteils" 364, Streck von einer "vorzüglichen Begründung"365. Für die eigenständige, nach deutschem Steuerrecht durchzuführende Betrachtungsweise werden im wesentlichen zwei Gründe angeführt Als das wohl stärkste Argument darf der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gelten, der einen der tragenden Prinzipien der Besteuerung darstellt und dem demnach eine ganz besondere Bedeutung zukommt.366 Nur die Qualifikation nach der lex fori ermöglicht es, ausländische Sachverhalte so zu besteuern, wie dies bei den entsprechenden inländischen Sachverhalten der Fall ist. 367 Diese Form der Qualifikation allein gewährleistet die Wahrung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgedankens.368 Würde hingegen auf die Behandlung und Einstufung in den ausländischen Privatrechtsordnungen abgestellt, so würden aufgrund der Verschiedenheit der ausländischen Zivilrechte wirtschaftlich gleiche Tatbestände ungleich behandelt werden. 369
360 BPH y. 6.11.1980, BStBl 1981 Π S. 220 (222) (Hervorhebung durch den Verfasser). 361 Vgl. Ballreich, A. (Grundlagen, 1994) S. 55; v. Beckerath, H.-J. (Durchgriff, 1978) S. 103 ff; HHR § 1 KStG Anm. 101; Jacobs, O. (Unternehmensbesteuerung, 1995) S. 335 ff; Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 187; Schlütter, E., JbDStJG 1985 S. 215 (218 f.); Streck, § 2 KStG Anm. 3. 362 So Bellstedt, C. (Besteuerung, 1973) S. 251. 363 So Diehl, W., FR 1978 S. 517 (518). 364 Kruse, H., JbFfStR 1975/76 S. 35 (48). 365 Streck, M., FR 1973 S. 537. 366 Zur Bedeutung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Vgl. BVerfG v. 20.12.1966, BVerfGE 21 S. 12 (27); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 311 ff.; Kap.Cn. 367 Vgl. Arendt, W., StuW 1959 Sp. 382 (390). 368 Vgl. Arendt, W., StuW 1959 Sp. 382 (390); Kluge, V., DStR 1976 S. 365; Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 331. 369 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 63; Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 65.
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Neben der Forderung nach der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hätte die Übernahme der Qualifikation des ausländischen Zivil- oder Steuerrechts zudem die Gefahr bedeutet, daß ausländisches Recht leicht gezielt zum Träger ausländischer Interessen gemacht werden könnte.370 Diesem Argument könnte man mit dem Hinweis begegnen, daß letztlich auch im Internationalen Privatrecht ausländisches Recht intern zur Anwendung kommt. Nur liegen in beiden Bereichen die Interessenlagen anders.371 Im Bereich des Internationalen Privatrechts ist der Staat gewissermaßen nur Schiedsrichter, der am Inhalt ausländischer Privatrechtsbeziehungen grundsätzlich uninteressiert ist. Im Bereich des Internationalen Steuerrechts hingegen ist der Staat selbst beteiligt, seine eigenen Beziehungen zum Ausland stehen hier selbst in Frage. Er wird deshalb über die materielle Regelung des Falles nach seinen Grundsätzen selbst entscheiden wollen und diese Entscheidung im Endeffekt nicht dem ausländischen Staat überlassen wollen, indem er einfach seine Wertungen übernimmt. Das Internationale Privatrecht hat auch seine eigenen Gerechtigkeitsanliegen, die hinter den eigenen Gerechtigkeitsanliegen zurückstecken müssen. 372 Im deutschen Internationalen Steuerrecht geht es, um den Kreis wieder zu schließen, um eigene Gerechtigkeitsanliegen, nämlich wirtschaftlich gleiche Sachverhalte möglichst einer gleichmäßigen Steuerbelastung zu unterwerfen. 373· 3 7 4 Daneben findet sich aber auch häufig der Hinweis auf den Wortlaut des Gesetzes, der nur für die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Subjekte an bestimmte Rechtstypen des deutschen Rechts anknüpft, während er im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG allgemein von "Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen " spricht.375 Eine, wie der RFH schon anmerkte, vollständige Aufzählung aller ausländischen Gesellschaftsformen wäre auch gar nicht möglich gewesen. Auch die Begrün370 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 63; Kluge, V., DStR 1976 S. 365; Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 65. 371 Vgl. Vogel, K., AöR 1959 S. 54 (61 f.). 372 Vgl. Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 248. 373 So die Forderung des BVerfG v. 20.12.1966; BVerfGE 21 S. 12 (27). 374 Anders sieht die Auslegung jedoch im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen aus. Hier zeigt sich erne starke Parallele zum Internationalen Privatrecht. Beide Bereiche befassen sich im weitesten Sinne mit einer Form der Zuweisung bzw. Abgrenzung, das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Abgrenzung von Besteuerung sansprüchen, das IPR mit der Zuweisung von materiellen nationalen Privatrechtsordnungen. Dementsprechend wird bei der Auslegung von Begriffen der DBA gefordert, diese vom nationalen Recht getrennt nach den ihnen eigenen Kriterien auszulegen. Diese Forderung ergibt sich allein schon aus dem Sinn und Zweck der Doppelbesteuerungsabkommen, nur eine einmalige Besteuerung ein und desselben Sachverhaltes in einem Staat zuzulassen. Diese Regelungsabsicht läßt sich letztlich nur dann verwirklichen, wenn beide Staaten die Begriffsinhalte des Abkommens in gleicher Weise auslegen. Vgl. hierzu insbes. Debatin, H., FR 1979 S. 493. 375 Vgl. etwa Schlütter, E., JBDStJG 1985 S. 215 (221).
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dung zu § 3 KStG 1925 bestätigt diese Auffassung. Danach ist bei ausländischen Gesellschaften die Form der Steuerpflicht nach den Grundsätzen des deutschen Rechts zu treffen, wobei allerdings die ausländischen Rechtssätze für die Qualifikation mit herangezogen werden. 376 Gegen die Rechtsprechung und die Literaturmeinung hat sich jedoch Hintzen gewandt377 Seiner Meinung nach ist die Qualifikation des ausländischen Rechts für die Behandlung nach inländischem Steuerrecht maßgebend. Dementsprechend sind Personengesellschaften, die in bestimmten Ländern mit Rechtsfähigkeit ausgestattet sind und daher sowohl in diesen Ländern als auch in der Bundesrepublik aufgrund der Anerkennung als juristische Personen einzustufen sind, nach deutschem Steuerrecht stets als Körperschaftsteuersubjekte zu behandeln. Die Grundlage für seinen Lösungsvorschlag sieht Hintzen in § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG, der alle juristischen Personen des bürgerlichen Rechts zu Körperschaftsteuersubjekten erklärt und zwar seiner Ansicht nach unabhängig davon, ob die Rechtsfähigkeit durch einen inländischen oder ausländischen Staat verliehen wurde. § 1 Abs. 1 KStG gilt zwar nicht für Gesellschaften, die sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, jedoch ist dessen Grundwertung auch für diese Gesellschaften und damit bei der Auslegung von § 2 Nr. 1 KStG heranzuziehen. Gerade die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24. Januar 1962 378 geforderte Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht erfordert eine gleiche Auslegung der Begriffe in beiden Rechtsgebieten. Hintzen sieht sich auch durch das BFH-Urteil vom 17.7.1968 in seiner Meinung bestätigt. In dem Passus der Begründung "Daraus folgt, daß die Steuerpflichtige, mag sie nun Rechtsfähigkeit besitzen oder nicht, tatsächlich wie ein rechtsfähiges Gebilde lebt. Das könnte die Annahme rechtfertigen, daß sie jedenfalls den körperschaftsteuerlichen Gebilden nach § 1 Abs. 1 Nr. 5, §§ 2, 3 KStG gleichzustellen ist, zumal sie nicht bestreitet, subjektiv steuerpflichtig zu sein."379 will er zudem eine Trendwende der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend sehen, daß der Rechtsfähigkeit doch entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Als weitere Argumente führt Hintzen die Wettbewerbsgerechtigkeit380 und das Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen im EWG- Bereich 381 an, das seiner Ansicht nach nicht nur privatrechtlich von Relevanz sein soll, sondern es soll auch verwaltungsrechtliche und damit steuerliche Wirkungen entfalten. 376 377 378 379 380 381
14 Herz
Vgl. Streck, § 2 KStG Anm. 3. Vgl. Hintzen, L., DStR 1971 S. 327; ders., StuW 1974 S. 319. Vgl. BVerfG v. 24.1.1962, BVerfGE 13 S. 331. BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695 (696). Zur Wettbewerbsgerechtigkeit vgl. Hintzen, L „ DStR 1971 S. 327 (333 f.). Vgl. hierzu Hintzen, L., DStR 1971 S. 327 (334).
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Die Ausführungen von Hintzen sind in der Literatur nicht ohne Widerspruch geblieben, haben sie doch die bisherige Rechtsauffassung auf den Kopf gestellt. Die Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG gebietet nicht, daß alle inund ausländischen rechtsfähigen Gesellschaftsformen als Körperschaftsteuersubjekte einzustufen sind. Das BVerfG hat zwar ursprünglich in seiner Entscheidung vom 24.1.1962 eine enge Bindung von Zivil- und Steuerrecht an den Stellen gefordert, an denen enge Verknüpfungen zwischen beiden Rechtsgebieten bestehen. In seinen späteren Urteilen zu dieser Problematik hat es seine ursprünglich strikte Haltung sukzessive gemildert, so daß nicht mehr von dieser engen Bindung beider Rechtsgebiete gesprochen werden kann. 382 Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht in der von Hintzen angeführten Entscheidung durchaus Abweichungen in sachlich gerechtfertigten Fällen zugelassen. Nach Ansicht von Großfeld 383 und Kluge 384 liegen solche sachlich gerechtfertigten Gründe in diesen Fällen vor, so daß ein Gleichlauf von Internationalem Privat- und Steuerrecht nicht gefordert werden kann. Gerade die unterschiedliche Ausgangslage und Zielsetzung beider Rechtsgebiete kann diesen Gleichlauf nicht erfordern, sondern im Gegenteil eine unterschiedliche Auslegung zur Folge haben.385 Allerdings will v. Beckerath der Rechtsfähigkeit eine weitergehende Bedeutung zumessen als die h.M. und die Rechtsprechung. Die Rechtsfähigkeit allein kann seiner Ansicht nach zwar die Köiperschaftsteuerpflicht nicht begründen, sie ist allerdings notwendige Voraussetzung für die Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt. Eine andere Auslegung wäre nicht mehr vom Wortsinn des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG gedeckt386 Die Entscheidung vom 17.7.1968 beinhaltet jedoch gerade keine Ablehnung bzw. Infragestellung der lex fori-Qualifikation zugunsten einer Übernahme der ausländischen Einstufung in rechtsfähige oder nicht-rechtsfähige Personenvereinigungen. Die ausländische Rechtsfähigkeit wird gerade nicht als entscheidendes Argument angesehen, sondern daß die Gesellschaft wie ein rechtsfähiges Gebilde lebt Die rechtlichen Gegebenheiten, die die Struktur der Gesellschaft bestimmen, sind maßgebend für die Qualifikation nach den Maßstäben des deutschen Rechts.387 Hätte der BFH sein entscheidendes Augenmerk auf die tatsächliche Rechtsfähigkeit gelegt, dann hätte er nicht darauf abstellen dürfen, daß die Gesellschaft wie ein rechtsfähiges Gebilde lebt, sondern er hätte die Formulierung verwenden müssen, daß es sich tatsächlich um ein rechtsfähiges Gebilde handelt. Man muß allerdings einräumen, daß die Ausführungen des BFH an dieser Stelle durchaus hätten präziser formuliert 382
Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 5; Kluge, V., DStR 1976 S. 365 (366). 383 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 51. 384 Vgl. Kluge, V., DStR 1976 S. 365 (366). 385 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 51 ff. 386 Vgl. hierzu v. Beckerath, H.-J. (Durchgriff, 1978) S. 107. 387 Vgl. Kluge, V., DStR 1976 S 365 (366).
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften
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sein müssen, um solche Mißverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen. Er hätte sich beispielsweise näher dazu äußern können, welche Kriterien für die Einstufung "wie ein rechtsfähiges Gebilde lebt" in Frage kommen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Auch die Argumentation der Wettbewerbsgerechtigkeit findet in der Literatur kein positives Echo. Die Wettbewerbsgerechtigkeit ist, wie auch Hintzen selbst anmerkt, nicht nur nicht ausdrücklich im Gesetz verankert, sondern überhaupt nicht.388 Hierbei handelt es sich lediglich um ein wirtschaftspolitisches Anliegen, dem jedoch jeder Ansatzpunkt im Gesetzeswortlaut fehlt, so daß ein Rückgriff auf den Wettbewerbsgedanken im Wege der Auslegung ausgeschlossen ist. 389 Auch das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen im EWG-Bereich vom 29.9.1968 kann ebenfalls nicht die Argumentation und Sichtweise von Hintzen stützen, da es sich ausschließlich auf die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit bezieht 390 4. Der Qualifikationsvorgang im einzelnen
Nachdem nun das grundlegende Problem dahingehend geklärt ist, daß die Qualifikation nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts durchzuführen ist, und danach keine Übernahme der Einstufung durch das ausländische Zivil- oder Steuerrecht erfolgt, stellt sich daran anschließend die zwingende Frage, wie die Qualifikation im einzelnen vorzunehmen ist. Der RFH hat hierzu in seinem Urteil v. 12.2.1930 schon erste Hinweise gegeben. Für die Beantwortung der Frage, wie eine ausländische Gesellschaft nach den leitenden Gedanken des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer einzuordnen ist, ist in erster Linie auf die Vergleichbarkeit der ausländischen Gesellschaft mit den Gesellschaftsformen des deutschen Rechts abzustellen.391 Zunächst ist also die ausländische Gesellschaft einer Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft deutschen Rechts gegenüberzustellen.392 Wie der RFH ausführt, ist hierbei auf den Typ der Personal- und der Kapitalgesellschaft abzustellen. Dementsprechend vergleicht er in dem konkreten Fall die venezolanische oHG/KG mit einer deutschen oHG/KG. Insofern ist die Aussage von Lammsfuß/Mihm, daß Personenvereinigungen, die eher einer Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gleichen, nicht der be-
388 389 390 391 392
14*
Vgl. Kluge, V., DStR 1976 S. 365 (366). Vgl. Diehl, W., FR 1978 S. 517 (519). Vgl. Schlütter, E., JbDStJG 1985 S. 215 (221). Vgl. RFH v. 12.2.1930, RFHE 27 S. 73 (78 f.). Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 67.
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schränkten Köiperschaftsteuerpflicht unterliegen,393 in dieser Form falsch. Vergleichsobjekt ist nicht die Mitunternehmerschaft, sondern die Personengesellschaft im zivilrechtlichen Sinne. Wie Piltzrichtigerweise anmerkt, ist die Mitunternehmereigenschaft für die Gesellschafter von Personengesellschaften ein zusätzliches Kriterium, das für die Qualifikation als logisch vorgelagertem Vorgang keinerlei Bedeutung hat. 394 Zunächst ist der Vergleich immer erst auf der zivilrechtlichen Ebene durchzuführen. An dieser Stelle zeigt sich wieder, daß für die Frage Körperschaftsteuerpflicht - Einkommensteuerpflicht auf die zivilrechtlichen Vorgaben zurückzugreifen ist. Diese gelten selbst bei ausländischen Rechtssubjekten für den Vergleichsmaßstab, so daß der gesamte Bereich der Einkommensbesteuerung von der zivilrechtlichen Struktur geprägt und bestimmt wird. Anders als bei den inländischen Gesellschaften erfolgt hier aber keine direkte Zuordnung aufgrund der begrifflichen Vorprägung, sondern anhand eines Strukturvergleichs. An dieser Stelle wird nun wieder auf das ausländische Zivilrecht zurückgegriffen. Die ausländische Gesellschaft ist als "tatsächliche Gegebenheit"395 mit den deutschen Rechtsformen zu vergleichen. Das ausländische Recht dient dazu, die Rechtsnatur der ausländischen Gesellschaft zu bestimmen, die dann unter die deutschen Tatbestände zu subsumieren ist. 396 Während das deutsche Recht gewissermaßen den Rahmen liefert, so ist das ausländische Recht für dessen Ausfüllung heranzuziehen.397 Insofern kann nicht davon gesprochen werden, daß dem ausländischen Recht überhaupt keinerlei Bedeutung beigemessen wird. Lediglich die ausländische Wertung, ob es sich nach deren Recht um eine Kapital- oder Personengesellschaft bzw. um ein Körperschaftsteuersubjekt handelt oder nicht, wird nicht automatisch für die deutsche Einstufung übernommen. Für die Einordnung ist es jedoch "als wesentliches Element der Gestaltung"398 zu berücksichtigen. Die Abweichungen der Gesellschaftsrechtssysteme der einzelnen Länder haben letztlich zur Folge, daß die Gesellschaftstypen nie bzw. nur selten völlig übereinstimmen. Folglich kann eine vollständige Vergleichbarkeit auch nicht Voraussetzung für die Einstufung sein. Es reicht daher völlig aus, wenn die typischen Merkmale der einzelnen Gesellschaftsformen, die steuererheblich sind, vorhanden sind.399 Man darf sich also nicht engherzig an den weniger 393 Vgl. Kläschen, § 2 KStG Anm. 8; so aber auch BFH v. 6.11.1980, BStBl 1981 Π S. 220 (222), der bei dem Vergleich auf die "Mitunternehmerschaft" abstellt. 394 Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 67 f. 395 So Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 68. 396 Vgl. Arendt, W., StuW 1960 Sp. 349 (349). 397 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 64. 398 So Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 64. 399 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 68.
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wesentlichen Merkmalen des innerstaatlichen Rechts aufhalten, sondern muß diese eigenen Definitionen großzügig, im Sinne von Raape "sub specie orbis" auffassen. 400 Es kann sich daher nur um ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Näherkommen handeln.401 Von den für den Typus wesentlichen Elementen kann sogar das eine oder andere fehlen bzw. in seiner Bedeutung stark zurückgedrängt sein.402 Es müssen demnach nicht einmal alle wesentlichen Elemente vorhanden sein. Dementsprechend handelt es sich bei dem Vergleich der Gesellschaftstypen nicht um ein Begriffsdenken, sondern um einen Typenvergleich. Gerade der Typenvergleich bietet sich nach Ansicht von Larenz gerade als Mittel der Rechtsvergleichung an. 403 Bei einem Typenvergleich ausländischer Gesellschaften werden häufig nicht nur einzelne Typenmerkmale fehlen bzw. nur schwach ausgeprägt sein, sondern häufig werden sie sogar Typenmerkmale beider deutscher Gesellschaftsformen aufweisen. Entscheidend wird dann die überwiegende Mehrzahl an Merkmalen sein.404 Allerdings darf hier nicht nur die Quantität den Ausschlag geben, sondern den einzelnen Merkmalen wird für die Zuordnung durchaus auch unterschiedliches Gewicht zukommen. Insofern erfolgt eine Qualifizierung nach einer Gewichtung der Merkmale. Schlütter bezeichnet diese Qualifikationsmethode daher als "Qualifikation nach Gewichtung"405. Für die typologische Einstufung ist es erforderlich, die vom Gesetzgeber als für die Steueranknüpfung wesentlich erachteten bürgerlich-rechtlichen Elemente zu eruieren. 406 Hier stellt sich letztlich die Frage nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf die konkrete Problemstellung, welches die Gründe sind, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, Kapitalgesellschaften als eigenständige Steuersubjekte zu behandeln, Personengesellschaften als solche jedoch nicht direkt zu einer eigenen Einkommenssteuer heranzuziehen. An dieser Stelle begegnet uns wieder die teleologische Betrachtungsweise bzw. die wirtschaftliche Betrachtungsweise als besondere Unterart derselben verstanden. Zwei mögliche Alternativen stehen hier zur Disposition. Zum einen kann dieser Vergleich der Gesellschaftsformen anhand einer eigenen steuerlichen Gewichtung vorgenommen werden, d.h. das Steuerrecht bestimmt selbständig über die Gewichtung der für die einzelnen Gesellschaftsformen maßgebenden und bestimmenden Kriterien. Die zweite Möglichkeit besteht in einem reinen 400 V g L Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 331, der in diesem Zusammenhang allerdings von einem Begriffsdenken ausgeht. 401 Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 70. 402 Vgl. Raupach, A. (Durchgriff, 1968) S. 141. 403 Vgl. Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 460 ff. 404 Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 71. 405 Schlütter, E., JbDSJG 1985 S. 215 (223). 406 Vgl. Wengler, W. (Beiträge, 1935) S. 70.
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Privatrechtsvergleich, so daß auch für die Gewichtung der einzelnen Merkmale das Privatrecht und dessen Wertentscheidungen heranzuziehen sind. Nach Arendt geht es nicht nur um die Vergleichbarkeit von in- und ausländischen Privatrechtsinstituten, sondern um die Verwirklichung von Sinn und Zweck des Gesetzes. Um diesen bei der hier interessierenden Fragestellung zu realisieren, müssen neben den rein rechtlichen Vergleich auch wirtschaftliche Gesichtspunkte hinzutreten.407 Auch Großfeld will bei dem Vergleich die wirtschaftliche Betrachtungsweise angewandt wissen.408 Demgegenüber vertritt Piltz die Ansicht, daß hier die Heranziehung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise fehl am Platze sei. Hier ist allein ein Vergleich zweier Privatrechtsordnungen durchzuführen, bei dem allenfalls dann, wenn auch in deren Bereich die wirtschaftliche Betrachtungsweise anzuwenden ist, diese mittelbar zum Zuge kommt 409 Die Rechtsprechung läßt jedoch vermuten, daß in diesem Bereich ein reiner Privatrechtsvergleich nicht allein für die Einordnung der Gesellschaft ausreichend ist. Hierfür ist neben rein rechtlichen Gesichtspunkten auch die wirtschaftliche Stellung der Gesellschaft heranzuziehen.410 Auch die Aussage des BFH, daß es für die Körperschaftsteuerpflicht der Klägerin spricht, daß sie wie ein Körperschaftsteuersubjekt lebt, stützt m.E. diese Ansicht. Hierbei ist zwar nicht unmittelbar der Rechtsvergleich der beiden Gesellschaftsformen angesprochen, doch läßt sich hier eine Tendenz ableiten, die in Richtung einer insgesamt starken Bedeutung des wirtschaftlichen Aspektes deutet. Hätte der BFH nur auf formale Kriterien, wie den Gesellschaftsvertrag und die zivilrechtlichen Regelungen abstellen wollen, so hätte er die tatsächlichen Gegebenheiten bei der Prüfung unberücksichtigt lassen müssen. Führt man die Vorgaben des Systems der unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften hier fort, so ist m.E. einem reinen Privatrechtsvergleich der Vorzug zu geben. Da allein die vom Zivilrecht vorgegebenen Strukturen maßgebend sind, ist es letztlich auch nicht möglich, aus diesen Gesellschaftsformen eigene steuerliche Kriterien und deren Gewichtung herauszuarbeiten.411 Eine formale Anknüpfung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht macht es unmöglich, einzelne Kriterien steuerlich stärker zu gewichten als 407
Vgl. Arendt, W., StuW 1960 Sp. 349 (354 f.). Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 67 f.; in diesem Sinne bereits Wengler, W. (Beiträge, 1935) S. 71. 409 Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 70. 410 Vgl. BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695 (696); BFH ν. 6.11.1980, BStBl 1981 Π S. 220 (222). 411 Wurster hingegen will solche Kriterien herausarbeiten und anhand dieser Kriterien eine Beurteüung vornehmen. Er wül entgegen der h.M. also keinen unmittelbaren Vergleich der ausländischen Gesellschaft mit den inländischen Gesellschaftsformen. Vgl. hierzu im einzelnen Wurster, H.-J., FR 1980 S. 588; ders., RIW 1981 S.679; ders. (Basisgesellschaft, 1984) S. 42 ff. 408
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften
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andere. Eine solche Aussage wäre nur dann zutreffend, wenn sich das Steuerrecht vom Zivilrecht in dieser Frage abkoppeln würde. Bei dem Vergleich der ausländischen Gesellschaft mit den Rechtsformen des deutschen Rechts stellt sich zwingend die Frage, ob allein auf den vom ausländischen Gesetzgeber vorgegebenen Idealtyp von Gesellschaft abzustellen ist, oder aber ob die Gesellschaft in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung, also für jeden Einzelfall getrennt, für die Beurteilung heranzuziehen ist. Wie bereits erläutert ist bei inländischen Personen- oder Kapitalgesellschaften allein auf den gesetzlichen Normaltypus unabhängig von deren konkreter Gestaltung im Einzelfall abzustellen. Ob diese rein formale Betrachtung auch bei der Einordnung ausländischer Gesellschaften heranzuziehen ist, ist unter Betrachtung der Rechtsprechung zweifelhaft. Der RFH forderte eine Würdigung der Gesellschaft in der Gesamtheit ihres rechtlichen Aufbaus und ihrer wirtschaftlichen Stellung.412 Der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Stellung deutet darauf hin, daß die Gesellschaft im Hinblick auf ihre tatsächliche Gegebenheiten zu untersuchen sind. Deshalb sind für die Beurteilung nicht nur das ausländische Privatrecht, sondern auch die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung heranzuziehen.413 Ein besonderes Problem im Rahmen der Vergleichbarkeit von aus- und inländischen Gesellschaftsformen stellen die Sonderformen bzw. atypischen Gesellschaftsformen dar. Zu nennen sind hier insbesondere die kapitalistisch strukturierten Personengesellschaften und die Mischformen, die, wie im deutschen Recht auch, in vielen anderen Staaten ebenso anzutreffen sind. Großfeld will eine ausländische kapitalistisch strukturierte KG, die auch nach ausländischem Zivilrecht als Personengesellschaft behandelt wird, die aber sonst alle Wesenszüge eines Vereins oder einer AG aufweist, entsprechend ihrer formellen Zuordnung nach ausländischem Recht behandelt wissen; sie soll mithin nach deutschem Steuerrecht als Personengesellschaft behandelt werden.414 Piltz merkt hierzu zu Recht an, daß diese Auffassung Großfelds, einem Vertreter der lex fori-Qualifikation, nicht konsequent ist. Diese formelle Zuordnung nach ausländischen Recht soll gerade durch die Qualifikation nach der lex fori verhindert werden 4 1 5 Die Ansicht Großfelds verwundert um so mehr, als er für die Beurteilung der ausländischen Gesellschaften die wirtschaftliche Betrachtungsweise angewendet wissen will. Gerade aber die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann nicht nur Fallweise zur Anwendung gelangen, sie muß vielmehr bei der Beurteilung ausländischer Gesellschaftsformen durchgängig Beachtung finden. 412
Vgl. RFH v. 12.2.1930, RFHE 27 S. 73 (79). Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 65; Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 71; Schlütter, E., JbDStJG 1985 S. 215 (222). 414 Vgl. Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 67. 415 Vgl. Piltz, D. (Personengesellschaften, 1981) S. 72. 413
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D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
Ein besonderes Problem stellen m.E. auch Einmann-Kapitalgesellschaften dar. Vergleicht man deren rechtlichen Aufbau nach deutschem und ausländischem Zivilrecht, so wird sich in vielen Fällen eine Übereinstimmung ergeben. Unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten wird man daher von Körperschaftsteuersubjekten sprechen müssen. Stellt man hingegen auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab, so würde aufgrund der fehlenden körperschaftlichen Struktur wohl eher ein Einzelunternehmen anzunehmen sein. Nach Ansicht von Schlütter416 führt diese Typisierung anhand von gewichteten Merkmalen zu einer gewissen Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Gesellschaften, die aber gerade durch die lex fori-Qualifikation vermieden werden soll. Für inländische Gesellschaften ergeben sich insofern Gestaltungsmöglichkeiten, als hier für den gleichen wirtschaftlichen Sachverhalt die eine oder andere Organisationsform gewählt werden kann, die dann entweder körperschaftsteuerpflichtig ist oder nicht. Bei ausländischen Gesellschaften besteht dieses "Wahlrecht" nicht, da hier der wirtschaftliche Sachverhalt entsprechend der tatsächlichen Gestaltung der ausländischen Gesellschaft betrachtet wird. Schlütter spricht daher von einer ""Entweder - Oder"-Einschnürung"417. Um deshalb den Anspruch einer gleichmäßigen steuerlichen Behandlung von inund ausländischen Gesellschaften nachkommen zu können, soll dem Steuerpflichtigen für seine Beteiligung an einem ausländischen Wirtschaftsgebilde ein Wahlrecht für die steuerliche Einstufung desselben eingeräumt werden. Die Grenze für das Wahlrecht soll aber dort bestehen, wo bei einem gleichen inländischen Wirtschaftsgebilde den daran Beteiligten in der Auswahl der Rechtsform ein Spielraum bleibt. Das Wahlrecht soll außerdem nur von allen Beteiligten gemeinsam ausgeübt werden können, wobei diese an eine einmal getroffene Entscheidung gebunden sein sollen.418
5. Ergebnis: Lex Fori-Betrachtung und Typenbetrachtung als Ausfluß des Gleichheitssatzes
Sowohl die Rechtsprechung als auch die herrschende Meinung in der Literatur lehnen also eine Qualifikation des ausländischen Rechtsgebildes nach den Grundsätzen des ausländischen Staates ab. Dies gilt sowohl für die privatrechtliche als auch die steuerliche Einstufung in der Rechtsordnung des betreffenden Staates. Vielmehr wird eine eigenständige Einstufung und Beurteilung des ausländischen Rechtsgebildes ausschließlich nach den Grundsätzen des innerstaatlichen Steuerrechts gefordert. Allein die Grundsätze des deutschen Steuerrechts entscheiden, ob eine ausländische Personenvereinigung im Inland als Personengesellschaft oder als Kapitalgesellschaft behandelt wird. 416 417 418
Vgl. Schlütter, E., JbDStJG 1985 S. 215 (225). Schlütter, E., JbDStJG 1985 S. 215 (225). Vgl. Schlütter, E., JbDStJG 1985 S. 215 (227).
ΠΙ. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften
217
Die Frage der Rechtsfähigkeit und die Rechtsform (bzw. -bezeichnung) der ausländischen Personenvereinigung spielt daher keine Rolle für die steuerliche Behandlung im Inland. Demnach kommt auch der International-privatrechtlichen Anerkennung der Gesellschaft für diese Frage keinerlei Bedeutung zu, so daß für die Beurteilung ausländischer Gesellschaften das Verhältnis von Privat- und Steuerrecht einen anderen Charakter hat, als dies bei der Beurteilung von Gesellschaften, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Inland haben, der Fall ist. Während bei der unbeschränkten Steuerpflicht ein unmittelbares bzw. direktes Verhältnis in Form einer Abhängigkeit besteht, ist dieses Verhältnis bei der beschränkten Steuerpflicht lediglich indirekter Natur. Das materielle Privatrecht hat insoweit aber noch einen normativen Charakter für das Steuerrecht, als es den Beurteilungsmaßstab bei der Einstufung in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer bildet. Es erfolgt lediglich keine "automatische" Übernahme der Wertungen des materiellen und des Internationalen Privatrechts. Bei der Frage der subjektiven Steuerpflicht ist also keine einheitliche Bindung von Zivil- und Steuerrecht gegeben; vielmehr ist danach zu differenzieren, ob es sich um eine inländische oder eine ausländische Gesellschaft handelt. Demnach ist die Qualifikation, um mit den Begriffskategorien des Internationalen Privatrechts zu sprechen, nach der sog. lex fori vorzunehmen. Eine lex causae-Betrachtung ist daher ausgeschlossen. Die lex Fori-Betrachtung hat zur Folge, daß keine strikte Rechtsformabhängigkeit gegeben ist, wie dies bei dem Katalog der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte der Fall ist. Vielmehr kommt hier eine Typenbetrachtung zum Zuge, die zwar als Maßstab die inländischen Gesellschaftsformen heranzieht, diese aber lediglich auf ihre wesentlichen Merkmale hin vergleicht. Entscheidend ist also nicht, daß die ausländische Gesellschaft in allen Punkten einer Aktiengesellschaft im Sinne des AktG oder einer GmbH im Sinne des GmbHG entspricht, ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Gesellschaft von ihrer Struktur her diesen Gesellschaften zuzuordnen ist, oder ob sie die Merkmale von Personengesellschaften aufweist. Ordnet man diese Problematik in den Antagonismus Begriffs- oder Typendenken ein, so wird hier ein klarer Unterschied deutlich. Während für den größten Bereich der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte ein reines Begriffsdenken zum Zuge kommt, dies gilt namentlich für die Körperschaftsteuersubjekte im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 4 KStG, so greift für die beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Subjekte einzig und allein eine Typenbetrachtung ein. Entscheidend ist hier nicht, daß alle Merkmale des Begriffs der Kapitalgesellschaft im Sinne des deutschen Rechts erfüllt sind, sondern nur, daß die die Kapitalgesellschaft kennzeichnenden Merkmale in mehr oder minder großem Umfang auch bei der ausländischen Personenvereinigung vorliegen. Im Bereich der ausländischen Gesellschaften wird für die Einordnung in den Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuer stärker einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise Rechnung getragen, wie diese auch von
218
D. Das vom Gesetzgeber statuierte System
einigen Autoren für unbeschränkt steuerpflichtige Personenvereinigungen gefordert wird. Nur durch eine solche, nach einheitlichen am deutschen Steuerrecht orientierten Qualifikation läßt sich eine Gleichbehandlung ausländischer Gesellschaften bewerkstelligen. Der grundlegende Maßstab der Behandlung muß daher im Gleichheitsprinzip gesehen werden. Eine am formalen Anknüpfungspunkt der durch den ausländischen Staat verliehenen Rechtsfähigkeit orientierte Qualifikation kann diesem Grundsatz nicht gerecht werden.
E. Die Rechtfertigung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung im Rahmen der Besteuerung von Personenzusammenschlüssen anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips Das von Rechtsprechung und Literatur entwickelte Verständnis des vom Gesetzgeber vorgegebenen Systems seines Gleichheitsverständnisses soll nun anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips einer Überprüfung unterzogen werden. Insbesondere das Kriterium der Rechtsfähigkeit wird daraufhin zu untersuchen sein, inwieweit es diesem Postulat überhaupt gerecht werden kann, zumal es auf den ersten Blick ein doch sehr formales Abgrenzungskriterium zu sein scheint. Anzumerken ist, daß von einem Gleichheits- und Leistungsfähigkeitsverständnis ausgegangen wird, das den Anforderungen eines der Gesamtrechtsordnung verpflichteten Systems gerecht wird. Eine solche Betrachtung ist insofern berechtigt, als der Gesetzgeber auf die zivilrechtlichen Rechtsformen, wie immer sie auch auszulegen sind, abstellt. Deshalb ist m.E. auch davon auszugehen, daß der Gesetzgeber ein den Wertungen der Gesamtrechtsordnung basierendes Leistungsfähigkeitsverständnis dem System zugrundelegt. Ein anderes Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips, das sich ausschließlich an betriebswirt- oder finanzwissenschaftlichen Kriterien orientiert, ist für eine fruchtbare Untersuchung ungeeignet und kann daher nur für die Lösung de lege ferenda herangezogen werden. Wenn etwa Tipke die Besteuerung von Unternehmen anhand des Kriteriums der Rechtsfähigkeit mit den Grundsätzen der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als unvereinbar erklärt,1 so kann er hierfür durchaus gewichtige Gründe anführen. Jedoch kann eine solche Betrachtung keinerlei weiterführende Erkenntnisse für diesen Untersuchungsgegenstand bzw. dieses -ziel liefern. Zudem ist zu bedenken, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip zunächst die Frage der Steuerbemessungsgrundlage betrifft und eine unmittelbare Beziehung zum Steuersubjekt daher in Frage zustellen ist. Vielmehr besteht m.E. zwischen Leistungsfähigkeitsprinzip und Steuersubjekt ein mittelbares Verhältnis, wie noch zu zeigen sein wird. Eine solche Untersuchung ist aus zweierlei Gründen von großem Interesse. Zum einen ist der Gesetzgeber zwar in seiner Entscheidung hinsichtlich des Vergleichskriteriums weitgehend frei, dennoch hat das Kriterium den Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit zu genügen. Zu prüfen wird daher 1
Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1263.
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung sein, ob das von Literatur und Rechtsprechung durch Auslegung gewonnene System einer solchen Anforderung gerecht werden kann. Insbesondere ist eine Abstimmung im Hinblick auf die Gesamtrechtsordnung sinnvoll bzw. notwendig, soll diese ein insgesamt weitgehend geschlossenes System bilden.2 Zum anderen können aufgrund dieser Untersuchung unter Umständen nähere Erkenntnisse über die Bedeutung des Kriteriums der Rechtsfähigkeit gewonnen werden. Wie später noch näher zu zeigen sein wird, steht das Kriterium der Rechtsfähigkeit bei der Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften im Mittelpunkt des Interesses der Diskussion. Je nach Wertigkeit dieses Kriteriums im System wird daher die Entscheidung über die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften anders zu treffen sein.
L Die Konkretisierung des abstrakten Leistungsfähigkeitsprinzips durch Kirchhofs "Vierstufiges Prüfungsverfahren" Wie oben bereits ausgeführt ist das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip letztlich relativ inhaltsleer, so daß es daher keine unmittelbaren Ergebnisse liefern kann. Andererseits gilt das Leistungsfähigkeitsprinzip als der zentrale Maßstab für die Frage der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip daher jegliche Aussagekraft absprechen zu wollen, hieße demnach, das Prinzip selber in Frage zu stellen. Insofern mag dem Prinzip zwar keine unmittelbare Aussagekraft dahingehend zukommen, daß es eine unmittelbare Lösung für einzelne Probleme bieten kann, aber es wird den größeren Rahmen für eine an sachgerechten Prinzipien orientierte Besteuerung bilden. Zu fragen wird daher sein, ob sich das bisher gefundene System innerhalb des vom Leistungsfähigkeitspostulats gesteckten Rahmens bewegt oder ob es dessen Grenzen bereits überschritten hat. Um dem Leistungsfähigkeitsprinzip größere "Handhabbarkeit" bzw. größeren praktischen Nutzen zu vermitteln, hat Kirchhof auf dessen Basis ein vierstufiges "Prüfungsverfahren" für die Steuergesetzgebung und die Gesetzesanwendung entwickelt.3 Diese Analyse unterteilt das Leistungsfähigkeitsprinzip und eine an dessen Vorgaben orientierte Prüfung in vier Stufen, die in sich die Anforderungen an das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst beinhalten. Anhand dieser Vorgaben müssen sich die bisher gefundenen Ergebnisse messen lassen, wollen sie den Anforderungen an das Leistungsfähigkeitsprinzip und damit dem Gleichheitssatz gerecht werden. 2 Dies kommt auch in der Begründung zur Körperschaftsteuerreform 1997, BTDrs. 7/1470 S. 326 zum Ausdruck. Vgl. hierzu auch Kap. D Π. 2. b) cc). 3 Vgl. hierzu Kirchhof, P. ,StuW 1984 S, 297 (301 f.); ders., StuW 1985 S. 319 (321).
I. Die Konkretisierung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung 221 Nach Ansicht von Kirchhof muß der Gesetzgeber auf der ersten Stufe die tatsächlich vorgefundenen Verschiedenheiten aufnehmen und als reale Grundlage individueller steuerlicher Belastbarkeit würdigen. Die erste zu prüfende Frage ist also die der Sachgerechtigkeit. Auf der zweiten Stufe sind die so sachgerecht in das Steuerrecht eingebrachten Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten im Rahmen der Gesamtrechtsordnung zu bewerten und entsprechend den rechtlichen Vorgaben zu differenzieren, um so die Systemgerechtigkeit in der Gesamtrechtsordnung zu wahren. Auf dieser Stufe ist insbesondere die Abstimmung mit den anderen Wertungen der Grundrechtsordnung zu prüfen. 4 Hier erfolgt also die Überprüfung der Vereinbarkeit der gefundenen Differenzierungskriterien mit der Verfassung. Daneben ist auf der dritten Stufe des Prüfungsverfahrens aber auch innerhalb des Steuerrechts die Systemgerechtigkeit zu gewährleisten, d.h. die Einzelsteuer muß auch im Binnenbereich des Gesamtsteuersystems systemgerecht ausgestaltet werden. Es muß also eine Abstimmung der einzelnen Steuerarten erfolgen, die insbesondere auch die durch das Kumulieren verschiedener Steuerarten entstehende Gesamtbelastung zu berücksichtigen hat. Auf der letzten Stufe muß die sachgerecht und systemgerecht konzipierte Belastungsentscheidung bei der Ausgestaltung des Einzelsteuergesetzes den Belastungsgrundgedanken konsequent weiterführen und in eine Bemessungsgrundlage umsetzen (Folgerichtigkeit). Auf der Grundlage dieses vierstufigen Prüfungsverfahrens soll nun zunächst untersucht werden, ob die in Kapitel D gewonnenen Ergebnisse überhaupt mit dem Gleichheitssatz vereinbar sind, um im Anschluß daran die Ergebnisse unter Berücksichtigung der Besonderheiten, insbesondere des internationalen Bezuges auf unser spezielles Problem übertragbar sind. Der Ansatz von Kirchhof ist insofern interessant und geeignet, als er den für die Untersuchung gewählten Prüfungsansatz mit seinen konkreten Fragestellungen in nahezu allen Punkten abdeckt. Insbesondere der Systemgedanke, der im Rahmen dieser Arbeit einen der wesentlichen methodischen Stützen bildet, stellt neben dem Gedanken der Sachgerechtigkeit den zentralen Prüfungsschwerpunkt in diesem Ansatz dar.
4
Vgl. die Ausführungen bei Kirchhof / Söhn, § 2 EStG RdNr. A 169.
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung
Π. Die Verknüpfung von Einkommen als Bemessungsgrundlage und von Rechtsfähigkeit als Ausfluß der Forderung nach Sachgerechtigkeit 1. Das Erfordernis der Abstimmung des Steuersubjektes und des Steuerobjektes Einkommen
Betrachten wir zunächst die erste Stufe von Kirchhofs vierstufigen Prüfungsverfahren, so stellt sich die Frage, welche Anknüpfungspunkte der Gesetzgeber im Rahmen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes gewählt hat. Bei der Wahl der subjektiven Anknüpfungspunkte hat er sich für die natürliche Person sowie die in §§ 1 - 3 KStG genannten Personenverbände entschieden. Das Einkommenist in beiden Gesetzen das ihre Leistungsfähigkeit ausdrückende Maß.5 Das Einkommen ist also der vom Gesetzgeber als sachgerecht erachtete Anknüpfungspunkt, um die Leistungsfähigkeit zu messen. Wie bereits oben kurz angedeutet, wird das Einkommen auch in der steuerjuristischen Lehrmeinung als maßgeblicher Anknüpfungspunkt erachtet. Wenn im Steuerrecht Ausgangspunkt der Überlegungen die Einsicht sein muß, daß Steuern nur aus dem Einkommen oder dem Vermögen als gespeichertem Einkommen stammen können, so versteht es sich eigentlich von selbst, daß das Einkommen der originäre Maßstab für die Messung der Leistungsfähigkeit des einzelnen ist. Auch aus dem das Leistungsfähigkeitsprinzip begründenden Ansatz von Kirchhof, der die verfassungsrechtliche Grundlage pimär im Eigentumsschutz sieht, ergibt sich das Einkommen als der folgerichtige und damit sachgerechte Anknüpfungspunkt. Werden Steuern nur auf die laufenden, aus dem Eigentum bzw. Vermögen stammenden Erträge, und nicht etwa auf das Eigentum bzw. Vermögen unabhängig von deren tatsächlicher wirtschaftlicher Nutzbringung erhoben, bleibt zumindest das Vermögen in seiner Ursprungssubstanz erhalten, d.h. das Eigentum als Quelle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bleibt unangetastet.6 Aber auch in der Finanzwissenschaft gilt das Einkommen - seit Adam Smith - als der Indikator für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowohl in individueller als auch in komparativer Hinsicht.7 Soll der Forderung nach einer sachgerechten Besteuerung nachgekommen werden, so sind nicht nur die Anknüpfungsmomente nach sachgerechten Prinzipien auszuwählen, sondern es gilt auch die verschiedenen "Ebenen" der Steueranknüpfung im Sinne von Steuersubjekt und Steuerobjekt in sachge5
Vgl. § 2 EStG; § 7 KStG. Von der Problematik etwa der Inflation wird hier abgesehen. Unterstellt wird damit allein die Gültigkeit des Nominalwertprinzips, so wie sie das Bundesverfassungsgericht als ein für das Steuerrecht geltendes Prinzip anerkannt hat. Vgl. BVerfG v. 19.12.1978, BVerfGE 50 S. 57 (77 ff.). 7 Vgl. Neumark, F. (Grundsätze, 1970) S. 127. 6
Π. Die Verknüpfung von Einkommen und Rechtsfähigkeit
223
rechter Weise aufeinander abzustimmen. Für die Besteuerung des Einkommens bedeutet dies, daß das Steuerobjekt "Einkommen" und das zu besteuernde Steuersubjekt in einem rationalen Verhältnis zueinander stehen müssen, da anderenfalls von einer Besteuerung nach sachgerechten Prinzipien keine Rede mehr sein kann. Einkommen und Vermögen als Maßstab einer unmittelbaren Leistungsfähigkeitsmessung können letztlich immer nur an deren Inhaber anknüpfen. Demnach gilt es die Subjekte zu bestimmen, denen Einkommen und Vermögen zugerechnet werden können. Die Verfügungsgewalt über Wirtschaftsgüter wird nach der Privatrechtsordnung zugewiesen, Güterbewegungen von dieser angeleitet und anerkannt.8 Der Inhaber von Vermögen oder Einkommen kann in letzter Konsequenz nur ein Rechtssubjekt sein. Dementsprechend können auch nur Rechtssubjekte als Steuersubjekte in Frage kommen, wenn direkt an das Steuerobjekt Einkommen oder auch Vermögen angeknüpft wird. Nur ihnen kann die aus dem Einkommen oder Vermögen resultierende Leistungsfähigkeit als Maß der Steuerbelastungsfähigkeit zugerechnet werden. An dieser Stelle läßt sich natürlich der Einwand erheben, daß zumindest für das Einkommensteuergesetz immer klar war, daß die Steuer von der natürlichen Person, dem Menschen erhoben wird, und erst im Anschluß daran ein sachgerechtes Maß für die Steuerbemessung gefunden werden mußte. Dementsprechend verbietet sich die Argumentation, von dem Steuerobjekt Einkommen als Maß der steuerlichen Leistungsfähigkeit auf das Steuersubjekt und dessen Auslegung schließen zu wollen. Für den Bereich des Einkommensteuergesetzes hieße dies natürlich, die Dinge auf den Kopf zu stellen bzw. das Pferd vom Schwanz her aufzäumen zu wollen. Im Bereich der Körperschaftsteuer liegen die Dinge allerdings anders. Historisch gesehen entstand die Körperschaftsteuer wesentlich später als die Einkommensteuer und es war keineswegs zwingend, daß etwa Kapitalgesellschaften (als ein Teil der in § § 1 - 3 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekte) einer der Einkommensteuer ähnlichen eigenständigen Körperschaftsteuer unterworfen werden sollen. D.h. das Steuersubjekt war hier nicht quasi natürlich vorgegeben, die Steuerfähigkeit und Steuerbelastbarkeit war ihnen also nicht immanent. Diese These läßt sich mit der Rechtfertigung der Steuer begründen, die sich zumindest nach heutigem Verständnis aus dem Selbstverständnis des Staates herleitet; weil der Staat als solcer gerechtfertigt ist und seine Aufgaben nur erfüllen kann, wenn er sich hauptsächlich aus Steuern finanziert, ist auch die Steuer gerechtfertigt. 9 Der Staatsgedanke als solcher basiert aber auf dem Gedanken des Zusammenschlusses von Bürgern, weniger dem von juristischen Personen, die letztlich ihr Dasein als gedankliches Konstrukt nur pragmatischen Erwä-
8 9
Vgl. Kirchhof, P., StuW 1985 S. 319 (321). Vgl. Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 2 ff., 253 ff, 559.
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfng gungen verdanken.10 Gerade die Gleichheit der Besteuerung ist Ausfluß der staatsbürgerlichen Gleichheit.11 Wollte man ein Pendant zur Einkommensteuer auch für Personenzusammenschlüsse herstellen, so war zumindest eine vergleichbare Bemessungsgrundlage heranzuziehen, also das Einkommen. Im Gegensatz zur Einkommensteuer war die Bemessungsgrundlage nicht Ausfluß des vorgegebenen Steuersubjektes, sondern hier war zunächst das Steuerobjekt vorgegeben. Dies kommt auch in der "Begründung zum Entwurf eines Körperschaftsteuergesetzes" von 1920 zum Ausdruck. Danach sollte nicht nur das Einkommen der natürlichen Personen der Besteuerung unterliegen, sondern es sollte das gesamte Einkommen, soweit es den der Steuerhoheit unterliegenden Subjekten zufließt, erfaßt werden, auch wenn diese nicht natürliche Personen sind.12 Demnach galt es die Subjekte zu bestimmen, denen Einkommen zurechenbar ist. Um hier eine sachgerechte Besteuerung sicherzustellen, müssen die Steuersubjekte Ergebnis einer Abstimmung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt sein, so daß davon ausgegangen werden kann, daß zwischen beiden eine inhaltliche Kohärenz besteht und somit beide in Übereinstimmung miteinander auszulegen sind. D.h. für das Körperschaftsteuergesetz, nur solche Personenzusammenschlüsse kommen als Steuersubjekte in Frage, denen tatsächlich auch Einkommen zurechenbar ist. Eine andere Lösung würde jedenfalls einer sachgerechten Einkommensbesteuerung zuwiderlaufen.
2. Umsatzsteuer und Gewerbesteuer als Beispiele einer Durchbrechung dieser Systematik?
Gegen den postulierten Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeit und Rechtsfähigkeit, bzw. zwischen den die Leistungsfähigkeit ausdrückenden Indikatoren Einkommen bzw. Vermögen und Steuersubjekt läßt sich der Einwand erheben, daß auch den anderen Steuerarten das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zugrundeliegt, aber Steuersubjekte, wie Gewerbebetrieb, Unternehmer etc. vorliegen, die ohne jeden Zweifel nicht an die Voraussetzung der Rechtsfähigkeit geknüpft sind. Vom ersten Anschein läßt sich die Beziehung nicht aufrecht erhalten.
10
Für die juristiche Person gibt es auch kein Staatsanghörigkeitsrecht; ein Staatsvolk aus juristischen Personen böte ein sonderbares Bild. Vgl. hierzu Kegel, G. (Privatrecht, 1995) S. 413. 11 Vgl. BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84 S. 239 (269). 12 Vgl. Verhandlungen der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung, Band 341, Berlin 1920, Anlagen zu den stenographischen Berichten Nr. 1976, S. 10.
Π. Die Verknüpfung von Einkommen und Rechtsfähigkeit
225
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Gewerbeertragsteuer, 13 die an das Steuersubjekt Gewerbebetrieb sowie an ein Steuerobjekt, ein durch verschiedene Hinzurechnungen und Kürzungen korrigiertes und modifiziertes "Einkommen" anknüpft. 14 Das Steuerobjekt enthält den Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, das Einkommen, so daß zunächst von einem Gleichlauf von Einkommen-/Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer gesprochen werden kann. Die Hinzurechnungen und Kürzungen hingegen eliminieren viele, die Leistungsfähigkeit ausdrückenden Bestandteile. Greifen wir uns beispielsweise die Hinzurechnungen der sog. "Dauerschuldzinsen" i.S.v. § 8 Nr. 1 GewStG heraus. Daß Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb entstanden und durch ihn veranlaßt sind, die Leistungsfähigkeit mindern, ist zumindest im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht ohne jeden bestehenden Zweifel Tatsache. Insofern kann die Hinzurechnung etwa der Dauerschuldzinsen nur einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner reinen bzw. idealen Form bedeuten. Die einzelnen Hinzurechnungs- und Kürzungstatbestände nach §§ 8,9 GewStG werden mit dem Objekt- bzw. Realsteuercharakter der Gewerbesteuer, wie er auch in § 4 Abs. 2 AO und auch in Art. 106 Abs. 6 GG festgelegt ist, begründet. Die Gewerbesteuer findet zumindest in der Gesetzesbegründung ihre Rechtfertigung nicht im Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern im Äquivalenzprinzip,15 das dem Leistungsfähigkeitsgedanken diametral entgegengesetzt ist 16 . Die am Äquivalenzprinzip ausgerichtete Gewerbesteuer kann demnach die Verknüpfung Leistungsfähigkeitsprinzip und Rechtsfähigkeit nicht in Frage stellen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Gewerbesteuer dem Äquivalenzprinzip de facto nicht gerecht werden kann,17 entscheidend ist die Intention des Gesetzgebers, der das Steuersubjekt im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip ausgewählt hat. Will man auch bei den Objektsteuern nicht auf eine Beziehung zum Leistungsfähigkeitsprinzip verzichten, so kann man hier allenfalls einen Bezug zu einem Objekt, also dem Gewerbebetrieb oder dem Grundvermögen, nicht aber zu der Person herstellen. Letztlich liegt diesen Steuern die Vermutung zugrunde, daß gewisse Objekte an sich eine gewisse Leistungsfähigkeit verkörpern, die eine von den persönlichen Verhältnissen des Eigentümers losgelöste Besteuerung zu rechtfertigen scheinen.18 Daß sich 13
Die Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Gewerbekapitalsteuer, wobei das Einkommen durch den Indikator Vermögen zu ersetzen ist. 14 Schneider kritisiert die Gewerbesteuer u.a. insofern, als sie auf einen "in verschrobener Art berechneten Gesamtertrag" abstellt. So Schneider, D. (Grundzüge, 1994) S. 194. 15 Vgl. Begründung zum Landessteuergesetz v. 30.3.1920, RGBl. 1920 I S. 402; Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF Heft 17 (1971), S. 725 ff. 16 Vgl. Haller, H. (Steuern, 1981) S. 14. 17 Vgl. hierzu etwa Tipke, K.(Steuerrechtsordnung, 1993) S. 823 ff. 18 Vgl. Neumark, F. (Problem, 1951) S. 69. 15 Herz
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung die als Ertragsteuer ausgerichtete Gewerbesteuer eigentlich nicht mehr für voll entwickelte Volks- und Staatswirtschaften rechtfertigen läßt,19 mag noch eine zusätzliche Argumentationsstütze sein. Dem auf dem modernen Staatsgedanken basierenden Leistungsfähigkeitsprinzip vermögen diese jedenfalls nicht mehr gerecht zu werden.20 Die zweite, insbesondere auch vom Steueraufkommen her sehr bedeutsame Steuer ist die Umsatzsteuer, die am Postulat der Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein soll. Das der Umsatzsteuer zugrundeliegende Steuersubjekt ist gem. § 1 UStG der Unternehmer. Ebenso wie der Gewerbebetrieb ist auch dem Begriff des Unternehmers das Merkmal der Rechtsfähigkeit nicht immanent. Unternehmer ist nach § 2 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Unternehmer kann also eine natürliche Person, eine juristische Person oder aber auch ein Zusammenschluß von mehreren Personen, wie etwa die oHG oder KG sein.21 Auch bei der Umsatzsteuer ließe sich also die Verknüpfung von Rechtsfähigkeit und Leistungsfähigkeitsprinzip in Zweifel ziehen. Von ihrer Ausgestaltung im Hinblick auf die Messung der Leistungsfähigkeit unterscheiden sich jedoch die Einkommen- und die Körperschaftsteuer von der Umsatzsteuer ganz erheblich. Die Umsatzsteuer knüpft zwar an das Steuersubjekt Unternehmer, der auch Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist, der eigentliche Steuerträger bzw. Steuerdestinar ist aber der private Endverbraucher. Er soll, so ist es zumindest die Intention des Gesetzgebers, derjenige sein, der die Steuerlast wirtschaftlich trägt.22 Die Anknüpfung an den Unternehmer hat allein technische Gründe. Im Gegensatz zur Einkommen- und Körperschaftsteuer fallen bei der Umsatzsteuer also Steuersubjekt und Steuerträger auseinander. Die Steuerbelastung ist demnach eine indirekte, so daß die Umsatzsteuer zu den sog. indirekten (Verbrauch-) Steuern23 gezählt wird. Für die Messung der Leistungsfähigkeit hat dies zur Konsequenz, daß sie nur auf indirektem Wege ermittelt werden kann. Letztlich soll auch bei der Umsatzsteuer wie bei allen anderen Verbrauchsteuern das Einkommen belastetet werden. Nach Ansicht von Tipke ist die Umsatzsteuer nämlich auch eine Steuer 19
Vgl. Neumark, F. (Grundsätze, 1970) S. 147. Die Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Grundsteuer, die ebenfalls Ertrag- und Objektsteuercharakter hat. 21 Vgl. etwa Solch / Ringleb / List, § 2 UStG Anm. 7 ff. 22 Schneider bestreitet, daß die vom Gesetzgeber beabsichtigte Steuerwirkung tatsächlich in der gewünschten Form eintritt. Vgl. hierzu Schneider, D. (Grundzüge, 1994) S. 225 ff. 23 Die Unterscheidung direkte und indirekte Steuern wird nicht in einem einheitlichen Sinne verwendet. Vgl. hierzu Neumark, F. (Problem, 1951) S. 64 ff. Hier bezieht sich der direkte bzw. indirekte Charakter auf die Beziehung zwischen Steuerobjekt und Steuerquelle, wobei als (normale) Steuerquelle das Einkommen zu betrachten ist. 20
Π. Die Verknüpfung von Einkommen und Rechtsfähigkeit
227
auf das Einkommen, die das Einkommen nicht bei seiner Entstehung, sondern bei seiner Verwendung der Besteuerung unterwirft. 24 Es besteht daher kein direkter funktionaler Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit des Steuerdestinars und der von ihm getragenen Steuerlast. Es läßt sich nur die Vermutung aufstellen, daß zwischen dem Verbrauch und dem Einkommen eine direkte Abhängigkeit besteht, daß also derjenige, der über ein hohes Einkommen verfügt, auch entsprechend viel konsumiert, der Geringverdiener demgemäß wenig. Die Umsatzsteuer ist von ihrer ganzen Wesensart her nicht geeignet, um den individuellen Steuerfähigkeitsverhältnissen gerecht zu werden.25 Kirchhof bestreitet deshalb, daß die Umsatzsteuer auf die persönliche Leistungsfähigkeit des Belasteten ausgerichtet ist.26 Ob nun die Umsatzsteuer dem Leistungsfähigkeitspostulat im einzelnen gerecht werden kann oder nicht, ist für diese Untersuchung nicht von so erheblicher Relevanz, um darauf im einzelnen näher eingehen zu müssen. Entscheidend ist an dieser Stelle jedoch, daß zwischen dem Steuersubjekt und demjenigen, dessen Leistungsfähigkeit zu messen ist, keine Identität besteht. Demnach braucht auch die Umsatzsteuer nicht auf eine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Person als Steuersubjekt zugreifen. Technisch wäre es vielleicht durchaus möglich, den Endverbraucher als Steuerdestinar und auch als Steuersubjekt zu wählen. Aus Praktikabilitätserwägungen ist es jedoch geboten, auf die dem Endverbraucher vorgelagerten Absatzstufen abzustellen, zumal die Gefahr der Steuerhinterziehung geringer ist.27 Zudem ist es gerade ein Ziel der Umsatzsteuer, daß die tatsächliche Belastung für den einzelnen kaum nachvollziehbar und wahrnehmbar ist, mit der für den Fiskus positiven Konsequenz geringen Steuerwiderstandes. Diese Zielsetzung läßt sich aber nur mit Hilfe dieser indirekten Ausgestaltung verwirklichen. Die Anknüpfung anderer Steuerarten an Steuersubjekte, denen keine Rechtsfähigkeit zu eigen ist, kann die These von der Anknüpfung der Leistungsfähigkeit an die Rechtsfähigkeit bei den direkten Personensteuern nicht verwerfen. Ihnen liegt entweder der Gedanke der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überhaupt nicht zu Grunde oder die Leistungsfähigkeitsmessung erfolgt auf indirektem Wege. Bei den Objekt- bzw. Realsteuern, denen aus gesetzgeberischer Intention das Äquivalenzprinzip zu Grunde liegt, kann allenfalls von einer sachlich-generischen Leistungsfähig-
24
Vgl, Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 903 ff; Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 82 f. 25 Vgl. Neumark, F. (Grundsätze, 1970) S. 144. 26 Vgl. Kirchhof, P. (Einnahmen, 1990) S. 156 RdNr. 155. 27 Als Vorteil und Rechtfertigung einer neben der Einkommensteuer eigenständigen Umsatzsteuer wird angeführt, daß derjenige, der Einkommensteuer hinterzieht, zumindest zur Umsatzsteuer herangezogen wird. Vgl. hierzu etwa Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 907. 15*
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung keit 28 gesprochen werden, die jedoch keinen direkten Zusammenhang zur persönlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Eigentümers hat. Die Ertragsteuern zielen nur auf die Erträge als solche ab, von denen sie unterstellen, daß sie eine steuerliche Leistungsfähigkeit verkörpern, unabhängig davon, wem sie zufließen. 29 Selbst wenn eine gewisse aus dem Vermögen resultierende Leistungsfähigkeit dadurch indiziert wird, berücksichtigen diese Steuern die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen oder die Art der Finanzierung nicht, so daß im Ergebnis ein den Steuern zugrundeliegendes persönliches Leistungsfähigkeitsprinzip verneint werden muß. Bei den indirekten Steuern besteht zwischen dem Steuersubjekt und demjenigen, dessen Leistungsfähigkeit gemessen werden soll, kein Zusammenhang. Die Steuerbelastung und damit die Anknüpfung an das Leistungsfahigkeitsprinzip erfolgt hier auf indirektem Wege. Insofern knüpfen diese Steuern auch nicht direkt an das Einkommen, so daß eine Anknüpfung an eine Rechtsperson nicht notwendig ist. Im Gegenteil, die Intention nur den Endverbraucher mit der Umsatzsteuer belasten zu wollen, gebietet es geradezu, den "Unternehmer" bzw. Nicht-Endverbraucher als Steuersubjekte zu wählen, wie auch immer die Begriffe im einzelnen auszulegen sind, und verbietet daher die ausschließliche Anknüpfung an die Rechtsfähigkeit. Kriterium muß hier ein "wirtschaftlicher" Begriff sein. Eine noch zu diskutierende Frage kommt aus dem Bereich der Finanzwissenschaft, die den Kapitalgesellschaften eine eigenständige persönliche Leistungsfähigkeit absprechen will. Die Äußerung von Neumark bringt die Einwände dieses Wissenschaftsbereiches in knapper Form auf den Punkt, wenn er hierzu ausführt: "Die "eigene Rechtspersönlichkeit" mag dem Juristen imponieren - für den Nationalökonomen ist von großer Bedeutung, daß hinter einer "personne morale" stets "personnes physiques" stehen, diefrüher oder später, in dieser oder jener Gestalt an den Gewinnen (freilich auch den Verlusten) der Gesellschaft partizipieren."30 Die für die Körperschaftsteuer angeführten Gründe überzeugen demnach nicht, sondern allein praktische Erwägungen sprechen für eine eigenständige Körperschaftsteuer. 31 Aus rein wirtschaftlichen Erwägungen läßt sich hierauf wenig Gegenteiliges erwidern. Zu fragen ist jedoch, wie die Rechtswissenschaft die juristische Person betrachtet und welche Motive ihrer Schaffung als eigenständigem Rechtssubjekt zugrundeliegen. Finanzwissenschaftliche Erwägungen allein, die im Ergebnis das Vorhandensein der juristischen Person leugnen, können nicht unbedingt gegen eine eigenständige Leistungsfähigkeit sprechen, zumal es hier um Gesetzesauslegung geht, die zwar auch auf Nachbardisziplinen als Hilfsmittel zurück28
Vgl. Neumark, F. (Problem, 1951) S. 69; ders. (Grundsätze, 1970) S. 134. Vgl. Neumark, F. (Problem, 1951) S. 71. 30 Neumark, F. (Grundsätze, 1970) S. 132 f.; in diesem auch Schwochert, K., GmbHR 1984 S. 101 (102); a.A. Schredelseker, K., StuW 1975 S. 324 (325), der von einem weiten Opferbegriff ausgeht.. 31 Vgl. Neumark, F. (Grundsätze, 1970) S. 132 f. 29
ΠΙ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz
229
greift, der jedoch dann eine eigenständige Methode und ein eigenständiges Verständnis zugrundeliegt. Die Rechtfertigung einer eigenständigen Körperschaftsteuer wird daher auch auf einem anderen Gebiet zu suchen sein. Insbesondere das Wesen und die der juristischen Person zugrundeliegende Idee können eine Verbindung und damit Rechtfertigung für eine eigenständige Leistungsfähigkeit liefern. Dies wird im folgenden Kapitel untersucht.
ΙΠ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz der Forderung nach Systemgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung 1. Die vollständige Vermögenssonderung und die Fremdorganschaft als die die juristischen Personen kennzeichnenden Merkmale
Das Problem und seine Lösung sind auf der zweiten Stufe von Kirchhofs Prüfiingsverfahren zu suchen. Auf der zweiten Stufe müssen die in das Steuerrecht eingebrachten Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten im Rahmen der Gesamtrechtsordnung bewertet und entsprechend den rechtlichen Vorgaben differenziert werden. Akzeptiert man das Leistungsfähigkeitsprinzip als den steuerrechtlichen Gerechtigkeitsmaßstab höchster Stufe (sozusagen als Metaprinzip, das im einzelnen noch der Konkretisierung durch Subprinzipien bedarf), so gilt für die direkten Steuern, daß sie unmittelbar an den Träger des Einkommens anknüpfen müssen. Denn jeder ist im Vergleich zum anderen insoweit ähnlich, als er über besteuerbare Wirtschaftsgüter verfügt. 32 Nun stellt die Gesamtrechtsordnung als mögliche Träger zwei Formen zur Verfügung, die natürliche und die juristische Person. Diese Wertung bzw. Vorgabe des Zivilrechts ist, um dem Grundsatz der Systemgerechtigkeit der Gesamtrechtsordnung genüge zu leisten, auch für das Steuerrecht beachtlich. Allerdings darf hier keine ungeprüfte Übernahme des Zivilrechts erfolgen, sondern es ist zu untersuchen, welche Gründe und Ziele das Zivilrecht mit dieser Trennung verfolgt und ob sich diese Trennung auch mit steuerlichen Zielsetzungen und Wertungen in Übereinstimmung bringen läßt.33 Zu fragen ist auch, welche Strukturmerkmale im einzelnen die juristische Person auszeichnen und ob diese Strukturmerkmale dazu geeignet sind, die juristischen Personen steuerlich den natürlichen Personen gleichzustellen, sie also auch als mit eigener Leistungsfähigkeit ausgestattete Personen zu betrachten sind. Wenn beide Teilrechtssysteme also gewissermaßen "kompatibel" sind, dann erfordert 32
Vgl. Kirchhof, P., StuW 1985 S. 319 (321). Hier ist wiederum das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht von zentralem Interesse. Vgl. hierzu Kap. AI. 3. 33
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung die Systemgerechtigkeit der Gesamtrechtsordnung eine gleichlaufende Behandlung, aber eben nur dann. Versucht man die juristische Person in ihrem Wesen zu erfassen, so zeigt sich rasch, daß es die juristische Person als vorzufindende Realität nicht gibt. Vielmehr gibt es eine Vielzahl verschiedener Erscheinungsformen. Insofern kann man den Begriff der juristischen Person nur als Abstraktionsbegriff verstehen.34 In diesem Sinne versteht Hume die juristischen Personen als Wirkungs- oder Organisationseinheiten, die von der Rechtsordnung mit Rechtsfähigkeit ausgestattet sind.35 Diese Rechtsfähigkeit erlaubt es der juristischen Person, als Wirkungseinheit am Rechtsverkehr teilzunehmen und Subjekt von Rechtsbeziehungen, Rechten und Verbindlichkeiten zu sein.36 Sie sind daher als ein Verband zu betrachten, der von seinen Mitgliedern vollständig losgelöst ist, so daß die juristische Person von einem Mitgliederwechsel in ihrem Bestand völlig unberührt bleibt und die Person des einzelnen Mitglieds daher hinter dem Verband als solchem zurücktritt.37 Wiedemann lehnt die Wirkungseinheit als ungeeignetes Anknüpfungskriterium ab; er sieht die juristische Person vielmehr als Personifikation eines Sondervermögens.38 An dieser Stelle kann nun nicht auf die Vielgestaltigkeit der juristischen Personen als solchen und die Vielgestaltigkeit der einzelnen Theorien zur juristischen Person eingegangen werden, sondern hier soll nur auf die für die Untersuchung relevanten Merkmale Vermögensordnung und Leitungsbefugnisse bzw. Verfügungsmacht rudimentär eingegangen werden. Die juristische Person bildet einen selbständigen und abgeschlossenen Rechtskreis, der sich durch die drei folgenden Charakteristika näher bestimmen läßt.39 Zum einen ist die juristische Person mit ihrem Sondervermögen der Zuordnungsendpunkt von Rechten und Pflichten, die keiner anderen Rechtsperson zugeordnet werden. Sie bildet darüber hinaus auch eine Rechtsund Pflichteneinheit mit der Folge, daß gegenüber Mitgliedern und Dritten Aufirechnungs- und Kontokorrentabsprachen notwendig sind, innerhalb der Einheit aber nur Verrechnungsvorgänge möglich sind. Drittens und letztens bedarf die juristische Person einer eigenen Verwaltung und eigener Vertretungsorgane. Das Vermögensrecht der juristischen Personen zeichnet sich also durch eine vollkommene und nicht nur eine relative Vermögenssonderung aus, so daß das Vermögen voll und ausschließlich der juristischen Person rechtlich 34
Vgl. hierzu Flume, W. (Person, 1983) S. 25 f. In diesem Sinne auch MünchKomm - Reuter, Vor § 21 BGB Anm. 2. 36 Vgl. hierzu Flume, W. (Person, 1983) S. 29. 37 Vgl. Hueck, G. (Gesellschaftsrecht, 1983) S. 23; kritisch hierzu MünchKomm Reuter, Vor § 21 BGB Anm. 9, der auf die kapitalistische KG und die Einmann-GmbH hinweist, bei denen diese Kennzeichen mit geradezu umgekehrten Vorzeichen auftreten. 38 Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 196 f. 39 Vgl. hierzu Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 196 f. 35
ΠΙ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz
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zugeordnet ist. 40 Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten darf hiervon nicht abgewichen werden, so daß die Aussagen, eigentlich oder wirtschaftlich betrachtet seien die Gesellschafter Eigentümer, unzutreffend sind 4 1 Der Theorienstreit, ob nun das Sondervermögen die Realität der juristischen Person (so Wiedemann) oder nur ein zentrales Moment der Realität der juristischen Personen (so Flume) darstellt, ist für diese Untersuchung irrelevant. Wichtig ist nur, daß das Vermögen der juristischen Person von dem Vermögen der Gesellschafter bzw. Verbandsmitglieder strikt zu trennen ist. Aufgrund dieses sog. Trennungsprinzips bilden beide völlig eigenständige Rechtskreise. Anstelle der ursprünglichen Einzelrechte an den bei der Gründung eingebrachten Vermögensgegenständen erhalten die Mitglieder nur noch Mitgliedschaftsrechte, die ihnen im Gegensatz zu den Personengesellschaften auch keinerlei Gemeinschaftseigentum zur gesamten Hand am Vermögen der juristischen Person einräumen. Neben der vermögensrechtlichen Zuordnung ist für die Zwecke der Besteuerung auch die Frage der Verfügungs- bzw. Entscheidungsmacht, also die tatsächliche Sachherrschaft über die betreffenden Vermögensgegenstände von zentraler Bedeutung.42 Das mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Sondervermögen bzw. die Organisationseinheit muß willens- und handlungsfähig sein, um am Rechtsverkehr in zurechenbarer Weise teilnehmen zu können.43 Es bzw. sie muß daher von natürlichen Personen vertreten werden, die die vertraglichen oder gesetzlichen Rechte der juristischen Person wahrnehmen und für die Erfüllung seiner bzw. ihrer Verpflichtungen sorgen.44 Die Vertretungsfunktion der Gesellschaft wird von den Organen wahrgenommen. Diese bringen den Willen der juristischen Person zum Ausdruck.45 Wer im einzelnen für die juristische Person handeln kann, ergibt sich aus deren Organisationsstatut. Neben den Mitgliedern der Geschäftsführung, die stets hierzu befugt und verpflichtet sind, können auch andere Repräsentanten, wie der Aufsichtsrat in Frage kommen. Auf gar keinen Fall sind jedoch die einzelnen Mitglieder oder die Gesamtheit der Gesellschafter hierzu befugt. Das Trennungsprinzip zwischen der juristischen Person und ihren Mitgliedern ist auch auf dem Gebiet der Vertretung vollzogen, so daß hier vom Grundsatz der Fremdorganschaft gesprochen wird. Hierin zeigt sich der wesentliche Unterschied zu den Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter für sich und ihre Partner handeln.46
40 41 42 43 44 45 46
Vgl. Flume, W. (Person, 1983) S. 32 f. Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 199. Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 1054 ff. Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1987) S. 194. Vgl. Wiedemann, H. (Gesellschaftsrecht, 1980) S. 212. Vgl. Hueck, § 35 HGB Anm. 36. Vgl. Scholz - Westermann, Einleitung Anm. 4.
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung Gerade die Fremdorganschaft zeigt deutlich die Verselbständigung der Verbandsorganisation von ihren Mitgliedern.47 Wichtig ist an dieser Stelle, daß die Vertretungsorgane nur dem Wohl der juristischen Person, nicht aber den einzelnen Gesellschaftern bzw. Mitgliedern zur angemessenen Wahrung von deren Individualinteressen verpflichtet sind.48 So ist beispielsweise der Vorstand einer AG nicht dazu verpflichtet, sich bei der Erfüllung seiner Leitungsaufgaben allein am Interesse der Aktionäre zu orientieren, sondern er kann sich auch vom Gemeinwohl oder von den Bedürfnissen der Arbeitnehmer leiten lassen.49 Der Vorstand hat eine Verantwortung gegenüber dem Gesamtunternehmen und nicht gegenüber einzelnen Gruppen. Grenzen sind dem Vorstand im Rahmen seiner Unternehmensleitung insofern auferlegt, als er für den Bestand und damit für eine dauerhafte Rentabilität zu sorgen hat. 50 Bei der GmbH ist die Stellung der Geschäftsführer als Vertretungsorgan jedoch von anderer Qualität. Im Gegensatz zum eigenverantwortlichen Vorstand der AG sind die Gesellschafter den Geschäftsführern übergeordnet.51 Die organschaftliche Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers ist hier zwar auch unbeschränkt,52 die Gesellschafterversammlung kann ihnen jedoch in allen Bereichen der Unternehmensleitung Weisungen erteilen.53 Im Gegensatz zum Vorstand einer AG leitet der Geschäftsführer daher nicht in eigener Verantwortung, er hat kraft Gesetzes keine eigene Leitungsmacht.54 Die GmbH weist daher im Vergleich zur AG in diesem Bereich deutlich personalistischere Züge auf. Die strikte Trennung von Kapital und Leitungsbefugnis ist daher in gewisser Hinsicht aufgeweicht. Dennoch hat die GmbH auch im Bereich der Geschäftsführung von der Gesetzeskonzeption her eine körperschaftliche Struktur, da auch hier institutionalisierte Organe der Gesellschaft kraft abstrakter Kompetenzzuweisung durch Gesetz oder Satzung tätig werden.55 Die Grundentscheidung des Gesetzgebers, auf einen Zusammenhang zwischen Gesellschaftereigenschaft und Geschäftsführerstellung zu verzichten, bleibt unangetastet.56 47
Vgl. Scholz -Westermann, Einleitung Anm. 15. Vgl. Roth, § 43 GmbHG Anm. 2.3.3. 49 Vgl. Hüffer, § 76 AktG Anm. 12; Meyer-Landruth in Großkommentar zum AktG, § 76 Anm. 9 ff; in abgeschwächter Form auch für die GmbH Vgl. Roth, § 43 GmbHG Anm. 2.2. 50 Vgl. Hüffer, § 76 AktG Anm. 13; Meyer-Landruth in Großkommentar zum AktG, § 76 AktG Anm. 10. 51 Vgl. Lutter / Hommelhof, § 37 GmbHG Anm. 1; Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 248. 52 Vgl. Scholz - Schneider, GmbHG, § 35 Anm. 22. 53 Vgl. Scholz - Schneider, GmbHG, § 35 Anm. 30. 54 Vgl. Hachenburg - Mertens, § 35 GmbHG Anm. 4. 55 Vgl. Scholz - Westermann, GmbHG, Einleitung Anm. 4. 56 Vgl. Hachenburg - Ulmer, Einleitung Anm. 20. 48
ΠΙ. Die A n k n ü p f g an die juristische Person als Konsequenz
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Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Qualität der Mitgliedschaft 57, die zwischen der juristischen Person und ihren Mitgliedern besteht. Die Qualität läßt sich am besten im Vergleich zur Mitgliedschaft der Gesamthandsgemeinschaft beschreiben. Die Gesamthandsgemeinschaft existiert in den Personen der Mitglieder auf der Grundlage des zwischen ihnen bestehenden Gesellschaftsvertrages, die Mitglieder sind bei der Personengesellschaft gewissermaßen der Verband selbst. Bei den juristischen Personen sind die Mitglieder nur als wesentliches Element der Verbandsperson zugehörig, ohne die juristische Person als solche zu verkörpern. Die Mitgliedschaft an der juristischen Person regelt demnach nicht das Verhältnis zu den anderen bzw. zwischen den Gesellschaftern, so wie es bei den Personengesellschaften der Fall ist, sondern nur das Verhältnis zur juristischen Person. Insofern kann man hier nur von einer Mitgliedschaft bzw. Beteiligung an einer juristischen Person sprechen, während es sich bei Personengesellschaften um Mitgliedschaften in diesen handelt. Diese unterschiedlichen Qualitäten zwischen beiden Formen äußern sich u.a. in der unterschiedlichen Haftung, in der Möglichkeit der Vervielfältigung der Mitgliedschaft und in der Frage Einstimmigkeits- oder Mehrheitsprinzip.58 Allerdings mehren sich die Stimmen, die auch bei den juristischen Personen aus der Mitgliedschaft auch Rechtsverhältnisse zwischen den einzelnen Gesellschaftern herleiten wollen.59 Dieser Aspekt hat aber, wenn er denn tatsächlich zutreffen sollte, eine andere Qualität als bei den Personengesellschaften. Bei diesen ist die Beziehung der Gesellschafter zueinander das die Qualität der Mitgliedschaft bestimmende Merkmal, während sie bei den juristischen Personen allenfalls einen Nebenaspekt darstellt. Bestimmend ist hier die Beziehung zur Gesellschaft. Gerade auch die Qualität der Mitgliedschaft zeigt, daß die juristische Person als ein von den Mitgliedern getrenntes Subjekt zu werten ist. Das Mitglied bzw. der Gesellschafter ist zwar auf vielfältige Weise aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses mit der juristischen Person verbunden, das Verhältnis bzw. die Bindung zwischen beiden ist aber wesentlich schwächer als bei den Gesamthandsgemeinschaften. Bei den Gesamthandsgemeinschaften besteht in gewisser Hinsicht eine Identität zwischen ihr und den Gesellschaftern, während die juristische Person von ihren Gesellschaftern getrennt ist.
57
Zum Begriff der Mitgliedschaft vgl. etwa Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 404 ff. Unter einer Mitgliedschaft läßt sich einerseits ein subjektives Recht und andererseits ein Rechtsverhältnis verstehen, wobei beide nur scheinbar in einem logischen Widerspruch zueinander stehen. 58 Vgl. hierzu im einzelnen Flume, W. (Person, 1983) S. 262 ff. 59 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 408 f.
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung 2. Die Steuersubjekteigenschaft als zwingende Konsequenz der Struktur der juristischen Personen
Die Verselbständigung der juristischen Personen im Hinblick auf ihre vermögensrechtliche Struktur, ihre eigene Willensbildung und die Struktur des Mitgliedschaftsverhältnisses lassen eine eigenständige Besteuerung des ihnen zuzuordnenden Einkommens als logische Konsequenz erscheinen. Wie oben dargelegt ist das Vermögen bzw. das in der Vermögensmehrung bestehende Einkommen der Anknüpfungspunkt für die Erfassung der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Deshalb ist jedem Subjekt, dem rechtlich Vermögen als Eigentum zuzurechnen ist, konsequenterweise auch eine steuerliche Leistungsfähigkeit zuzusprechen. Insofern ist es m.E. zwingend, juristischen Personen, denen Vermögen als eigenständigen Rechtssubjekten zugeordnet wird, eben auch eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit zuzuordnen und sie dementsprechend auch als eigenständige Steuersubjekte zu behandeln. Daß bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung60 das Vermögen immer den dahinterstehenden Gesellschaftern zugerechnet werden kann, spielt für das Steuerrecht keine Rolle. Die Sachgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung erfordert, daß bei vergleichbaren Wertungen der einzelnen Teilrechtssysteme entsprechende Konsequenzen für bzw. aus diesen Teilrechtsgebieten gezogen werden. Steuer- und Zivilrecht sind sicher nicht in allen Bereichen miteinander kompatibel, für den Bereich der Vermögens- und der Einkommenszuordnung hingegen ist auf die Vorgaben des Zivilrechts abzustellen, da das Steuerrecht eben gerade auf diese beiden Merkmale als Steueranknüpfungspunkte abstellt. Insofern ist es nur folgerichtig, daß die Rechtsfähigkeit, die eine eigene Vermögensfähigkeit und eine vollständige Vermögenssonderung als Charakteristikum einschließt, auch eine selbständige Besteuerung zur Folge hat. Hiergegen kann auch nicht eingewendet werden, daß nach § 39 AO letztlich nicht der zivilrechtliche Eigentümer für die Zurechnung maßgebend ist, sondern bei Abweichung der wirtschaftliche Eigentümer. Diese Frage stellt sich nämlich auf einer anderen Stufe. Erst wenn die Frage, wer denn überhaupt Steuersubjekt sein kann, beantwortet ist, kann die weitere Frage geklärt werden, welchem der verschiedenen Steuersubjekte das Einkommen zugerechnet werden kann. Letztlich kann Einkommenszurechnungssubjekt und damit Einkommen- oder Körperschaftsteuersubjekt immer nur ein mit Rechtsfähigkeit ausgestattetes Subjekt sein, da nur ihm Vermögen zurechenbar ist und damit nur dieses auch tatsächlich darüber verfügen kann. Daß die Gesellschaft selbst und nicht der Gesellschafter über die aus dem Einkommen resultierende Reinvermögensmehrung verfügen kann, ist auch Ergebnis der Leitungsbefugnis. Nicht die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft 60 Wirtschaftliche Betrachtung ist hier nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise als teleologischer Auslegungsmethode zu verstehen, sondern im Sinne einer betriebs- oder volkswirtschaftlichen Sichtweise.
ΠΙ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz
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als Gesellschafter sind Vertreter der juristischen Personen, sondern grundsätzlich von diesen zu trennende Vorstände bzw. Geschäftsführer. Insbesondere bei der AG zeigt sich die Verfügungsmacht der Gesellschaft selbst sehr deutlich, da der Vorstand zum Wohle der Gesellschaft und nicht unbedingt nur zum Wohle der Anteilseigner zu handeln hat. Bei der GmbH ist diese Trennung zwischen der Leitung der Gesellschaft und den Gesellschaftern nicht in dieser extremen Form vollzogen, sondern hier bestehen engere Bindungen zwischen beiden. Hier kommt es in gewisser Hinsicht zu einer Annäherung an die Personengesellschaften; insbesondere die Einmann-GmbH, die in der Regel de facto stark personalistische Züge aufweist, zeigt, daß hier eine Aufweichung der strikten Gegensätze zu beobachten ist. Das gesetzliche Idealbild ist aber auch hier vom Grundsatz der Fremdorganschaft geprägt. Sollen Teilrechtssysteme systemkonsequent miteinander verknüpft werden, dann darf einzelnen "Grenzfällen", die lediglich Resultat einer tatsächlichen oder -wie auch immer zu interpretierenden- wirtschaftlichen Sichtweise sind, keine teilrechtssystembildende Bedeutung beigemessen werden. Vielmehr ist auf dieser hohen Abstraktionsstufe allein auf das gesetzliche Leitbild abzustellen, da man sich anderenfalls in Einzelfallregelungen verstricken würde, die mit einer systematischen Regelung jedoch keinesfalls mehr in Einklang zu bringen wären.
3. Der Typenvergleich als systemkonsequente Einstufung ausländischer Gesellschaftsformen
Die Gesamtrechtsordnung hält aber nicht nur solche für das Steuerrecht bedeutsame Wertungen bereit, die einen nationalen Charakter besitzen. Darüber hinaus sind auch Punkte relevant, die die nationalen Grenzen überschreiten. Zu denken ist hier etwa an das Recht staatlicher Gebietshoheit und der Kooperation mit anderen Staaten,61 die es bei der Forderung nach Systemgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung zu beachten gilt. Bei ausländischen Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland ist der Grundsatz der Anknüpfung der Steuersubjekteigenschaft an die Eigenschaft der Rechtsfähigkeit durchbrochen. Wie oben in Kapitel D. III. dargestellt, ist hier gerade nicht an das Merkmal der Rechtsfähigkeit anzuknüpfen, sondern hier wird auf die Vergleichbarkeit der ausländischen Gesellschaften mit den Rechtsformen des deutschen Rechts abgestellt. Zufragen ist daher, inwieweit eine solche Abweichung vom Grundsatz der Anknüpfung an die Rechtsfähigkeit bei ausländischen Gesellschaften von der Systemgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung begründbar ist bzw. wie sie sich in das System einfügen läßt. Bei ausländischen Gesellschaften stellt sich die Durchbrechung vom Grundsatz der Bindung an die zivilrechtlichen Vorgaben in zwei verschiede61
Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (301).
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung nen Konstellationen dar, zum einen im Rahmen der Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger an ausländischen Gesellschaften und zum anderen bei der Beurteilung der beschränkten Steuerpflicht ausländischer Gesellschaften. Während im ersten Fall die unbeschränkte Steuerpflicht tangiert ist, geht es im zweiten Fall um die Frage der beschränkten Steuerpflicht. Bei der Einstufung ausländischer Gesellschaften muß daher unter Umständen differenziert werden, da beiden Bereichen andere Grundwertungen und Prinzipien zu Grunde liegen können. Zu bedenken ist auch, daß sich das Problem der Qualifikation in beiden Fallkonstellationen auf unterschiedlichen Ebenen des Steuertatbestandes stellt. Während im Falle der Qualifikation im Bereich der beschränkten Steuerpflicht die Problematik bei der Prüfung der Steuersubjekteigenschaft angesiedelt ist, handelt es sich bei der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften um eine Frage auf der Ebene des Steuerobjektes.
a) Die beschränkte Steuerpflicht und ihr Verhältnis zum Leistungsfähigkeitsprinzip Zunächst wird untersucht, inwieweit die Durchbrechung der oben gefundenen Prinzipien im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ausländischer Gesellschaften zu rechtfertigen ist. Hier stellt sich automatisch die Frage nach dem Wesen der beschränkten Steuerpflicht und deren Unterschiede zur unbeschränkten Steuerpflicht. In der Literatur sind die Meinungen hierüber geteilt, wobei man sich insbesondere über die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht im klaren ist und auch erhebliche Differenzen in den Auffassungen darüber bestehen, ob die beschränkte Steuerpflicht den Charakter einer Personen· oder Objektsteuer besitzt. Zahlreiche Regelungen in § 50 EStG lassen die die Leistungsfähigkeit mindernde Ausgaben bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht zum Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen zu. Daneben sind auch zahlreiche Einschränkungen im Steuertarif gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen gegeben.62 Gerade diese Einschränkungen geben der beschränkten Steuerpflicht den Anschein und Charakter einer Objektsteuer und Nicht-Personensteuer, die nicht mehr als Einkommensteuer im eigentlichen Sinne zu qualifizieren ist.63 Trotz dieser doch erheblichen Einschränkungen sieht die h.M. in der beschränkten Steuerpflicht eine Personensteuer, die auch an den Grundsätzen des Leistungsfähigkeitsprinzips, wenn auch in beschränkter Form, gebunden
62 Vgl. hierzu etwa die Aufzählung bei Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 50 ff.; Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 81; Wassermeyer, F., JbDStJG 1985 S. 49 (62 ff.). 63 Vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 81 f.
ΠΙ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz
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ist.64 Als Begründung wird im wesentlichen angeführt, daß es sich um eine einheitliche Steuer handelt, die unabhängig von der Form auf die gleiche Steuerquelle zugreift. 65 Trotzdem läßt das Bundesverfassungsgericht Unterschiede in der Besteuerung bei beiden Formen zu und verneint eine Verletzung des Gleichheitsprinzips.66 Clausen führt zudem an, daß der Steuerfreibetrag und die Tarifprogression, der Verlustausgleich und der Verlustabzug sowie die Erlaßmöglichkeiten auch der beschränkten Steuerpflicht den Charakter einer Personensteuer geben, bei der das Leistungsfähigkeitsprinzip zumindest im Ansatz Berücksichtigung findet. 67 Er übersieht aber, daß diese Elemente nicht ausschließliches Merkmal einer am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Personensteuer sind. Wie die Regelungen des Gewerbesteuergesetzes zeigen, sind diese Elemente auch dort vorhanden. Bei der Gewerbesteuer handelt es sich aber unzweifelhaft um keine diesen Prinzipien verhaftete Steuer, sondern sie ist am Äquivalenzprinzip ausgerichtet. Die von Clausen aufgeführten Merkmale sind daher keine hinreichende Begründung für die Gültigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips. Demgegenüber vertritt Salditt eine von der h.M. abweichende Ansicht, wie folgende Aussage deutlich macht: "Doch können die Prinzipien der unbeschränkten Steuerpflicht (Besteuerung nach Leistungsfähigkeit) und der beschränkten Steuerpflicht (Besteuerung nach der Teilhabe am Wirtschaftsleben des Staatsgebietes) als jeweilige systemtragende Grundwertung "zum Gerechtigkeitsmaßstab und zugleich zum Maßstab für die Prüfung einer Gleichheitssatzverletzung" werden."68 Salditt erblickt also das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht als das der beschränkten Steuerpflicht zugrundeliegende systemtragende Prinzip, sondern eine wie auch immer auszulegende, am Äquivalenzprinzip orientierte Wertung, die sich in einer Besteuerung nach der Teilhabe am Wirtschaftsleben des Staatsgebietes manifestiert. Er greift dabei auf die Überlegungen Ernst Isays zurück, der die Begründung für die Anknüpfung an Ausländer mit inländischen Einkünften in den Vorteilen sieht, die der Staat den Fremden
64
Vgl. BVerfG v. 12.10.1976, BVerfGE 43 S. 1 (88 f.); Clausen, U., DStZ/A 1974 S. 316 (317 f.); Debatin, H., BB 1960 S. 1015 (1016); Mössner, M. (Diskriminierung, 1993) S. 121; Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 82; Trzaskalik, C., StuW 1990 S. 380 (381 f.); Wassermeyer, F., JbDStJG 1985 49 (55 und 76). 65 Vgl. Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 82; Trzaskalik, C. StuW 1990 S. 380 (381 f.). 66 Vgl. BVerfG v. 24.9.1965, BVerfGE 19 S. 119 (123 ff.). Die Nichtberücksichtigung der persönlichen Verhältnisse von Steuerpflichtigen etwa wird damit begründet, daß diese Umstände bereits ausschließlich und hinreichend im Wohnsitzstaat berücksichtigt sind (so S. 124). 67 Vgl. Clausen, U., DStZ/A 1974 S. 315 (318), in diesem Sinne auch Schaumburg, H. (Steuerrecht, 1993) S. 82. 68 Salditt, F., StuW 1972 S. 12 (17).
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung gewährt, die ohne eine Besteuerung jedoch umsonst wären.69 Für beide Formen sind daher unterschiedliche Prinzipien zugrundezulegen, anhand derer die Gleichheitssatzverletzung des Art. 3 GG zu überprüfen ist. Betrachtet man beide Steuerarten, so unterscheiden sie sich im Hinblick auf den gewählten Anknüpfungspunkt. Während bei der unbeschränkten Steuerpflicht auf die natürliche oder juristische Person abgestellt wird, die aufgrund ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts bzw. ihres Sitzes oder ihrer Geschäftsleitung im Inland den Tatbestand der subjektiven Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht erfüllt, wird bei der beschränkten Steuerpflicht auf ein völlig anderes Merkmal als das die Steuerpflicht auslösende Merkmal abgestellt. Hier ist das Erzielen von Einkünften im Inland das entscheidende und damit auch die subjektive Steuerpflicht auslösende Moment und nicht die Person des dahinterstehenden Wirtschaftenden, auch wenn der Einkommen- oder Körperschaftsteuertatbestand die Steuerpflicht wiederum an die natürliche oder juristische Person anknüpft. Um mit den Worten Debatins zu sprechen, "bei der beschränkten Steuerpflicht knüpft das Gesetz an den Besteuerungsgegenstand an."70 Die Prüfung, ob Steuerpflicht vorliegt, erfolgt bei beiden Steuerarten - zumindest de facto - in unterschiedlicher Reihenfolge. Bei der unbeschränkten Steuerpflicht stellt sich entsprechend dem Stufenaufbau des Einkommen- bzw. Körperschaftsteuertatbestandes zunächst die Frage nach der subjektiven Steuerpflicht, da jede natürliche oder juristische Person mit entsprechendem inländischen Anknüpfungspunkt das Merkmal der subjektiven unbeschränkten Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht erfüllt. Anders sieht es hingegen bei der beschränkten Steuerpflicht aus, da hier zunächst auf das Vorliegen inländischer Einkünfte abzustellen ist. Bei der beschränkten Steuerpflicht den gleichen Weg einschlagen zu wollen wie bei der unbeschränkten Steuerpflicht hieße, bei allen natürlichen oder juristischen Personen dieser Erde zu prüfen, inwieweit sie inländische Einkünfte erzielen. Daß sich diese Vorgehensweise verbietet, versteht sich von selbst. Die in der Literatur h.M., bei der beschränkten Steuerpflicht handelt es sich um eine der unbeschränkten Steuerpflicht vergleichbare Konzeption, beruht auf einer sehr formalistischen Sichtweise, die sich lediglich auf den Aufbau des Einkommen- bzw. Körperschaftsteuertatbestandes stützen kann. Für beide Formen ist dieser unzweifelhaft identisch geregelt. Insofern liegt natürlich der Gedanke nahe, daß beide auch der gleichen Konzeption und Struktur unterliegen. Es ist durchaus zutreffend, daß es sich um eine einheitliche Steuer handelt, die auf die gleiche Steuerquelle zugreift. 71 Nur hat die Steuerquelle eine 69
Vgl. Isay, E. (Finanzrecht, 1934) S. 37; Kritisch zu den Ausführungen Isays Vogel, K. (Anwendungsbereich, 1965) S. 144 und 403 ff. 70 Debatin, H., BB 1960 S. 1015. 71 Vgl. Trzaskalik, C., StuW 1990 S. 380 (381).
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unterschiedliche Bedeutung in beiden Steuerformen. In beiden Formen ist die Steuerquelle als noch näher zu bestimmendes Steuerobjekt die "Bemessungsgrundlage" für die Bestimmung der Steuerhöhe. Bei der beschränkten Steuerpflicht hat sie jedoch eine noch wesentlich darüber hinausgehende Bedeutung, sie ist der eigentliche Grund, um überhaupt an die im Ausland steuerlich ansässige Person anknüpfen zu können. Entsprechend dem eingeschränkten Territorialitätsprinzip muß ein inländischer Anknüpfungspunkt vorhanden sein. Dieser inländische Anknüpfungspunkt ist bei der beschränkten Steuerpflicht das Vorliegen bestimmter inländischer Einkommensquellen und nicht die inländische steuerliche Ansässigkeit. Das Einkommen und nicht die Person ist daher der eigentliche Anknüpfungspunkt für die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Es ist deshalb zufragen, warum für die beschränkte und die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht der gleiche gesetzliche Aufbau vorgenommen wurde. Der identische Aufbau spricht natürlich für die gleiche gesetzgeberische Konzeption, die eine das Leistungsfähigkeitsprinzip gleichermaßen berücksichtigende Steuerform nahelegt. Es spricht aber vieles dafür, daß es einfach Gesetzgebungstechnik war und ist, die für beide Formen einen vergleichbaren Aufbau sinnvoll erscheinen läßt. Wie die Bezeichnung Einkommensteuer per se schon ergibt, handelt es sich hier um die Besteuerung des Einkommens, die das Steuerobjekt vorgibt. Bei beiden Steuerformen ist Steuerobjekt unbestrittenermaßen das Einkommen. Insofern erscheint es sinnvoll, beide Formen in einem Gesetz zu vereinen und es einer einheitlichen formalen Regelung zu unterwerfen, zumal die an das Einkommen und das Vermögen anknüpfenden Steuergesetze weitgehend den gleichen formalen Aufbau besitzen. Fraglich ist aber, ob beide deshalb auch den gleichen Wertungen unterworfen sein müssen. Wie beide Formen in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung zeigen, sind die das Leistungsfähigkeitsprinzip berücksichtigenden Elemente doch stark unterschiedlich ausgeprägt. Allein darin zeigt sich schon, daß der Gesetzgeber dem Leistungsfähigkeitsprinzip bei beiden Formen eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen hat. Bei einigen Einkünften kann m.E. in keiner Weise mehr von einer das Leistungsfähigkeitsprinzip berücksichtigenden Besteuerung mehr gesprochen werden. Das gilt insbesondere für die Einkünfte, bei denen die Steuer im Wege der Quellenbesteuerung erhoben wird und mit der auch die Steuerschuld abgegolten ist. Inwieweit man überhaupt von einer auf ein bestimmtes Staatsgebiet beschränkten Leistungsfähigkeit spechen kann, ist zumindest fraglich. Vogel bejaht dies, da die Definition des Einkommens noch nichts darüber sagt, ob neben den inländischen auch die ausländischen Einkünfte in den Begriff des Einkommens einzubeziehen sind. Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das als allgemeines Prinzip noch einer näheren Konkretisierung bedarf, kann sowohl durch das Welteinkommens- als auch durch das Territorialprinzip näher ausgefüllt werden. Er relativiert seine Meinung allerdings insofern wieder, als er
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung selber die Frage aufwirft, ob denn eine auf der inländischen Leistungsfähigkeit beruhende Steuer überhaupt noch als Einkommensteuer bezeichnet werden dürfe. 72 Vogel ist sicherlich insofern zuzustimmen, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip einer weiteren Konkretisierung bedarf. Das Leistungsfähigkeitsprinzip hat aber die Funktion des Beurteilungsmaßstabes des Gleichheitssatzes, es muß dementsprechend auch den allgemeinen Anforderungen des von ihm zu konkretisierenden Gleichheitssatzes entsprechen. Im Gleichheitssatz kommt aber insbesondere auch die Forderung nach einer gerechten Verteilung der Steuerlasten zum Ausdruck. Es dürfte aber kaum dem allgemeinen Gerechtigkeitsanliegen entsprechen, wenn unbeschränkt steuerpflichtige Bezieher ausländischer Einkünfte völlig von der Steuer befreit wären, während der Bezieher vergleichbarer inländischer Einkünfte hier zur Besteuerung herangezogen wird. Die Doppelbesteuerungsabkommen führen eine solche Wirkung teilweise herbei. Die Auswirkungen der DBA sind aber von den Wertungen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes getrennt zu sehen. Durch den in den meisten Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Progressionsvorbehalt wird aber wiederum eine gewisse Gleichstellung mit solchen Steuerpflichtigen hergestellt, die ausschließlich inländische Einkünfte beziehen. Gerade der Progressionsvorbehalt zeigt m.E. gerade eine solche Wertung, die das vom Gesetzgeber vorgesehene Universalprinzip konsequent zu Ende führt. Selbst wenn man ein auf inländische Einkünfte beschränktes Leistungsfähigkeitsprinzip akzeptieren würde, so stellt sich doch unweigerlich die Frage, ob ein Prinzip innerhalb eines Steuergesetzes zwei unterschiedliche Ausprägungen erfahren darf. Für die unbeschränkte Steuerpflicht ist es de lege lata unbestritten, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner universellen Form Geltung besitzt. Eine zweite Variante, die es für beschränkte Steuerpflicht auf inländische Einkünfte limitieren will, ist m.E. nicht denkbar. Ein Prinzip kann in einem Gesetz nur eine einheitliche Auslegung erfahren. Ein allein auf inländische Einkünfte beschränkte Konzeption der Leistungsfähigkeit ist daher abzulehnen.73 b) Der Typenvergleich bei ausländischen Gesellschaften als konsequente Fortfährung der Systemgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung Wie ließe sich nun die für ausländische Gesellschaften geltende Betrachtungsweise bzw. Qualifikation, die von der Rechtsfähigkeit der Gesellschaften abstrahiert, begründen, wenn man auch bei der beschränkten Steuerpflicht von der Gültigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips ausgehen würde? Ausgangs72 73
Vgl. hierzu Vogel, K., JbDStJG 1985 S. 3 (26). In diesem Sinne auch Salditt, F., StuW 1972 S. 12 (13).
ΠΙ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz
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punkt der Überlegungen muß sein, daß die Vielzahl der Privatrechtsordnungen, deren einzelne Gesellschaftsformen es in den Dualismus des Einkommenund Körperschaftsteuerrechts einzuordnen gilt, eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen einzelner Gesellschaftstypen bedingt. Diese können zum einen einen vergleichbaren Typus im deutschen Recht haben, der aber trotz gleicher Struktur eine andere Einordnung in der ausländischen Privatrechtsordnung erfahren kann, zum anderen aber keine den deutschen Rechtsformen vergleichbare Organisationstypen zur Verfügung stellen, die aber eine den deutschen Rechtsformen vergleichbare Bezeichnung haben können. Auch diese Vielzahl unterschiedlicher Gesellschaftsformen sind unter der Prämisse des Gleichheitsatzes zu behandeln. Um daher eine Gleichbehandlung unter den Gesellschaftstypen zu gewährleisten, erscheint eine ausschließlich aufgrund ihrer von der ausländischen Rechtsordnung gegebenen Bezeichnung doch augenscheinlich als zu formal, um der Forderung nach Sachgerechtigkeit genüge leisten zu können. Insbesondere die Rechtsfähigkeit, die die ausländischen Staaten ihren Gesellschaftstypen verliehen haben, erscheint als ungeeignet, um die Anforderungen an ein sachgerechtes tertium comparationis zu erfüllen. In den ausländischen Rechtsordnungen ist die Rechtsfähigkeit an viele, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten völlig unterschiedliche wirtschaftliche Erscheinungsformen geknüpft, da jeder Staat unterschiedliche Wertvorstellungen mit der Verleihung der Rechtsfähigkeit verbindet. Eine undifferenzierte Anknüpfung verbietet sich daher ebenso wie die Anknüpfung der Steuerpflicht bspw. an die Hautfarbe. Daher ist eine von der Rechtsform und deren Bezeichnung abstrahierende Qualifikation der Gesellschaft nach "wirtschaftlichen" Gesichtspunkten und Kriterien vorzunehmen. Vergleichsgegenstand muß daher die wirtschaftliche Struktur des ausländischen Gesellschaftstypus sein, dem als Vergleichsmaßstab die inländischen Rechtsformen gegenüber zu stellen sind. Nur so kann zum einen eine Gleichbehandlung mit inländischen Gesellschaftsformen erreicht werden und so letztlich auch die Grundwertung des Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuer nach den Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung aufrechterhalten werden. Zum anderen kann aber auch nur so eine Gleichbehandlung der Gesellschaften ausländischer Rechtsformen untereinander erzielt werden. Die Gleichbehandlung erfolgt somit in zweifacher Hinsicht, einmal Gleichbehandlung mit inländischen Gesellschaften und einmal Gleichbehandlung der ausländischen Gesellschaften untereinander. Bei den deutschen Gesellschaften ist die Situation eine völlig andere, da hier die gesetzlichen Strukturtypen vom Gesetzgeber selbst vorgegeben sind und er daher keine Vielzahl unterschiedlicher Systeme einzubinden hatte. Ein wirtschaftlicher Vergleich erübrigt sich daher, da Körperschaften auf der einen Seite und Personengesellschaften auf der anderen Seite, trotz der Vielgestaltigkeit im tatsächlichen sich auch bei wirtschaftlicher Betrachtung durch16 Herz
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung aus in den Dualismus einfügen lassen. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfähigkeit an die wirtschaftliche Organisationsform, die er auch im Körperschaftsteuerrecht treffen wollte, knüpft, so ist in beiden Rechtsgebieten die gleiche Wertung gegeben. Die Konsequenz kann daher nur lauten, daß zwischen beiden Rechtsgebieten eine strikte Abhängigkeit herrschen muß. Dies gilt umso mehr, als das das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht durchziehende Leistungsfähigkeitsprinzip an die Fähigkeit der Vermögensträgerschaft anknüpft. Insofern spricht also die auf den ersten Blick so formal wirkende Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht nicht gegen eine, für das Steuerrecht so vehement geforderte wirtschaftliche Betrachtung. Eine Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht ist daher nicht aus dem Grunde erforderlich, daß das Steuerrecht die Begriffe des Zivilrechts verwendet, sondern weil sich beide Rechtsgebiete in ihren Wertungen decken. Zu bedenken ist auch, daß sich bei einer wirtschaftlichen Betrachtung, die von den zivilrechtlichen Vorgaben abstrahiert, immer die Frage stellt, auf welche Elemente bei dieser Betrachtung abgestellt werden soll. Diese können sich doch wiederum nur aus den vom Zivilrecht vorgegebenen Strukturen ableiten lassen. Insofern würde man hier einem bestimmten Zirkelschluß unterliegen, wollte man die Gesellschaften nach wie auch immer zu definierenden Gesichtspunkten einstufen. Bei den deutschen Gesellschaften liegen Merkmale des gesetzlichen Strukturtypus in mehr oder minder großer Form immer vor. Nun mag an dieser Stelle der Einwand vorgebracht werden, daß auch bei dem Vergleich der ausländischen Gesellschaften die einzelnen Merkmale herauszukristallisieren sind, um überhaupt eine Qualifikation nach den wirtschaftlichen Gesichtspunkten vornehmen zu können. Hier ist der Fall aber anders gelagert. Zum einen besteht, will man sich nicht blind dem ausländischen Recht und dessen Wertungen ausliefern, der Zwang zur Qualifikation nach wirtschaftlichen Kriterien. Zum anderen muß kein für alle Gesellschaftsformen einheitlicher Kriterienkatalog gefunden werden, sondern die Gesellschaften ausländischen Rechts werden mit den einzelnen Gesellschaftsformen deutschen Rechts verglichen. Würde man hingegen auch bei deutschen Gesellschaften eine solch geartete Qualifikation vornehmen, so müßte ein einheitlicher, alle gesetzlichen Strukturtypen umfassender Kriterienkatalog gefunden werden. Ein für alle Körperschaften bzw. Personenverbände einheitlicher Kriterienkatalog dürfte sich aber nur schwer finden lassen, da etwa die GmbH und auch die KG von ihrem gesetzlichen Typus durchaus einige Gemeinsamkeiten aufweisen, hingegen GmbH und AG doch einige Verschiedenheiten.74 Bezogen auf das Leistungsfähigkeitsprinzip könnte man, um auch hier einen Bezug zur Rechtsfähigkeit herzustellen, folgende Fiktion aufstellen. Sofern die ausländische Gesellschaft nach ausländischem Recht keine Rechtsfähigkeit besitzt, nach den Wertungen des deutschen Steuerrechts jedoch als 74
Vgl. Flume W., DB 1962 S. 381 (382).
DL Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz
243
Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln ist, so wird eine Rechtsfähigkeit des ausländischen Gebildes unterstellt. Der deutsche Gesetzgeber setzt gewissermaßen seine eigenen Wertvorstellungen an die Stelle der des ausländischen Staates und betrachtet die Gesellschaft als mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Person. Er unterstellt gewissermaßen, wäre die Gesellschaft nach deutschem Recht gegründet, die eigenständige Vermögensträgerschaft, so daß der Gedanke der Sachgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung auch bei ausländischen Gesellschaften konsequent zuendegeführt wird. Die Wertvorstellungen unterscheiden sich nicht in jedem Falle; häufig sind die Vorstellungen des ausländischen Staates mit denen des inländischen Gesetzgebers konform, so daß auch eine formale Betrachtung keine Durchbrechung des Prinzips bedingt. Nur dann, wenn sie tatsächlich differieren, kommt es zu einer Abweichung. Ansonsten ist auch unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine identische Behandlung der Rechtsformen beider Staaten gegeben.
c) Die Notwendigkeit einer vom Internationalen Privatrecht losgelösten Beurteilung im Steuerrecht aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen Daß der deutsche Gesetzgeber eine unbedingte Abhängigkeit von den Wertungen der ausländischen Rechtsordnung nicht akzeptieren kann, läßt sich mit dem Charakter des Verwaltungsrechts erklären. 75 Die Problematik stellt sich jedoch auch noch aus einer anderen Perspektive. Wurde bisher stets bei der Beurteilung inländischer Gesellschaften von einer Abhängigkeit des Steuerrechts vom Zivilrecht gesprochen, so taucht hier natürlich unweigerlich die Frage der Bedeutung des Internationalen Privatrechts für das Steuerrecht auf. Das Internationale Privatrecht ist unzweifelhaft Bestandteil unserer nationalen Privatrechtsordnung und müßte daher, um dem Primat des Zivil- über das Steuerrecht76 genüge zu leisten, letztendlich ebenso Verbindlichkeit besitzen wie das materielle Recht. Sofern das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht die ausländische Gesellschaft anerkennt, müßte dementsprechend diese Wertung auch für das Steuerrecht Gültigkeit besitzen. Die Konsequenz wäre, daß etwafranzösische Personengesellschaften, die in Frankreich als rechtsfähig gelten, in Deutschland mit ihren inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Dementsprechend würde die Wertung der ausländischen Rechtsordnung über den "Umweg" des Internationalen Gesellschaftsrechts Eingang in das deutsche Steuerrecht finden. 75
Vgl. hierzu auch Kap. A I. Dies ist nur auf die Einstufung in den Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz bezogen. Eine darüberhinausgehende Unterordnung des Steuer- unter das Zivilrecht ist damit nicht angesprochen und verbietet sich nach h.M. Vgl. hierzu Kap. AI. 3. 76
16*
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung Ob die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Bindung des Steuerrechts an das Zivilrecht automatisch eine solche Verbindung bei ausländischen Gesellschaften zur Folge haben muß, ist fraglich. Die Übernahme der Wertungen des Internationalen Privatrechts für das Steuerrecht stößt auf die gleichen Bedenken, wie die Übernahme des ausländischen Rechts, da sich vom Ergebnis her in aller Regel keine Unterschiede ergeben. Für den nationalen Bereich ist diese Entscheidung für den Gesetzgeber in jeder Hinsicht vorhersehbar, da er selbst sowohl das Zivil- als auch das Steuerrecht nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet. Bei einer Übernahme des Zivilrechts kommen daher seine eigenen Wertungen auch für das Steuerrecht zum tragen. Völlig anders zu beurteilen wäre hingegen die Situation der Übernahme der Wertungen des ausländischen Zivilrechts unter der Voraussetzung der Anerkennung nach deutschem Internationalen Privatrecht. Eine solch geartete Entscheidung entspringt zwar auch seinen Wertungen und ist daher Ausdruck seiner Staatssouveränität, der Gesetzgeber würde sich aber doch eines erheblichen Wertungsspielraumes und damit eigener Souveränität berauben, würde er die Wertungen anderer Gesetzgeber schlicht und einfach übernehmen. Die Übernahme der zivilrechtlichen Vorgaben für das Steuerrecht ist nämlich nicht nur eine Wertentscheidung, sondern hier sind letztlich zwei Entscheidungen miteinander verknüpft. Aus steuerlicher Sicht ist hier zunächst die Grundwertung zu sehen, an das Leistungsfähigkeitsprinzip und damit an die Rechtsfähigkeit anzuknüpfen. Darüber hinaus ist, resultierend aus dieser Verknüpfung, die weitere Entscheidung enthalten, welchen Gebilden überhaupt Rechtsfähigkeit zugebilligt werden soll bzw. an welche Voraussetzungen die Rechtsfähigkeit geknüpft werden soll. Dieser zweiten Grundwertung würde sich der Gesetzgeber aber entledigen, wenn er die Einstufung ausländischer Rechtsordnungen einfach übernehmen würde. Das Internationale Privatrecht macht die Anerkennung aber in keiner Weise von der strukturellen Ausgestaltung der ausländischen juristischen Person abhängig.77 Dieser Souveränitätsverzicht findet sich auch im Internationalen Privatrecht, da der Staat trotz inländischen Bezugs auf ausländisches Recht zurückgreift und dieses wie inländisches anwendet. Der Staat verzichtet auf die Anwendung seines eigenen nationalen Privatrechts. Es stellt sich daher unwillkürlich die Frage, warum für das Steuerrecht im Vergleich zum Privatrecht eine andere Wertigkeit gegeben sein soll. Die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich aus den unterschiedlichen Funktionen und Regelungsbereichen beider Rechtsgebiete. Das Zivilrecht regelt das "Zusammenleben" der einzelnen Personen untereinander, der Staat spielt hier gewissermaßen nur den Schiedsrichter, ist aber sonst in keiner Weise als Institution näher davon tangiert. Völlig anders stellt sich das Verwaltungsrecht und damit das Steuerrecht als dessen Teilbereich dar. Hier tritt der Staat in direkte Beziehung zu den Normadressaten in Form eines Über-Unterordnungsverhältnisses. Von den 77
Vgl. hierzu Kap. Β I. 1. c).
ΠΙ. Die Anknüpfung an die juristische Person als Konsequenz
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Regelungen des Verwaltungsrechts ist der Staat daher direkt tangiert, ja die Staatsgewalt als solche konkretisiert sich gerade aus den Normen des öffentlichen Rechts. Würde der Staatfremdes Verwaltungs- und Zivilrecht und dessen Wertungen zu seinen eigenen machen, würde er sich -zumindest im Hinblick auf internationale Sachverhalte- selbst in Frage stellen. Aufgrund dieser völlig unterschiedlichen Bedeutung des IPR und IStR für das Wesen des Staates und das Selbstverständnis für die Staatsgewalt verbietet sich daher eine Übernahme der Wertungen.78 Die von der Privatrechtsordnung abweichende Behandlung ausländischer Gesellschaften läßt sich auch in Kirchhofs vierstufige Gleichheitsprüfung integrieren. Neben den Vorgaben des Zivilrechts enthält die Gesamtrechtsordnung auch das Recht staatlicher Gebietshoheit, das es im Rahmen der Systemgerechtigkeit zu beachten und zu integrieren gilt. 79 Wenn beide im konkreten Falle zu unterschiedlichen Wertungen und daher auch zu unterschiedlichen Ergebnissen fuhren würden, kann eine Lösung nur darin bestehen, beide in ein Rangverhältnis zueinander zu stellen, d.h. entweder dem Zivilrecht oder dem Recht staatlicher Gebietshoheit den Vorrang bei der Beurteilung einzuräumen. Andererseits brauchen beide Bereiche nicht unbedingt zu Wertungswidersprüchen zu führen, sondern das Recht staatlicher Gebietshoheit kann nur eine Modifizierung der zivilrechtlichen Vorgaben erfordern, ohne deren Wertungen dadurch grundsätzlich in Frage stellen zu müssen. Bei der hier gefundenen Lösung gehen beide Prinzipien Hand in Hand, so daß den Wertungen beider Rechtsprinzipien genüge geleistet wird. Es erfolgt zwar keine formale Übernahme des Zivilrechts über die Vorgaben des Internationalen Privatrechts. Vielmehr werden die zivilrechtlichen Vorgaben aber in ihrem materiellen Gehalt in das System integriert. Dieser Weg verleiht den zivilrechtlichen Vorgaben letztlich ein wesentlich größeres Gewicht, da tatsächlich nur so die Wertungen unseres materiellen Privatrechts zum Tragen kommen können. Hier ist also ganz klar zwischen dem Internationalen Privatrecht und dem materiellen Privatrecht sowie deren Wertungen im einzelnen zu unterscheiden. Während das Internationale Privatrecht nicht unbedingt den Wertungen unseres materiellen Privatrechts zum Durchbruch verhelfen will, sondern hier vielmehr eine sehr liberale Stellung im Hinblick auf die Wertigkeit der verschiedenen Privatrechtsordnungen einnimmt, muß das Steuerrecht, um seinen eigenen Wertvorstellungen gerecht werden zu können, auch den materiellen Gehalt der nationalen Privatrechtsordnung umsetzen.
78
Vom Ergebnis her ebenso Bühler, O. (Steuerrecht, 1960) S. 49 ff.; ders. (Prinzipien, 1964) S. 70 ff.; Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 46 ff.; Raupach, A. (Durchgriff, 1968) S. 135 ff.; Vogel, K., AöR 1959 S. 54 (64 ff.); a.A. Hintzen; L., DStR 1971 S. 327. 79 Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (301).
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung d) Der Typenvergleich als systemgerechtes Abgrenzungsverfahren auch auf der Steuerobjektebene Läßt sich die von der Rechtsfähigkeit abstrahierende Behandlung ausländischer Gesellschaften auf der Ebene des Steuersubjekts als mit dem System konform betrachten, so gilt dies für die Steuerobjektebene in gleichem Maße. Die Abhängigkeit vom Merkmal der Rechtsfähigkeit wurde nur für die Ebene des Steuersubjekts gefordert, so daß sich die Frage, inwieweit die Behandlung dem System gerecht wird, an dieser Stelle grundsätzlich nicht relevant ist. Entscheidend ist hier nicht, wem überhaupt eine Leistungsfähigkeit zugerechnet werden kann und nach welchen Kriterien hier zu entscheiden ist, hier geht es allein darum, was und in welcher Höhe dem Steuersubjekt als Ausdruck der Leistungsfähigkeit zuzurechnen ist. Wie unten noch zu zeigen ist, ist aber eine grundsätzliche Übereinstimmung von Gesellschaften sowohl auf der Steuersubjekt- als auch der Steuerobjektebene erforderlich, so daß die Qualifikation auf der Subjektebene die Einstufung auf der Ebene des Steuerobjekts bestimmt.80
IV. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen als notwendige Subjekte der Körperschaftsteuer aufgrund der Forderung nach Systemgerechtigkeit innerhalb der Steuerrechtsordnung und nach Folgerichtigkeit Auf der dritten und vierten Stufe stellt Kirchhof die Forderung nach Systemgerechtigkeit innerhalb der Steuerrechtsordnung und nach Folgerichtigkeit auf. Er bezieht die Systemgerechtigkeit innerhalb der Steuerrechtsordnung insbesondere auf die Berücksichtigung der Gesamtbelastung eines Steuerpflichtigen durch alle Steuerarten. Diese Forderung kann m.E. aber über diesen Aspekt hinaus ausgedehnt werden, als neben den Bezug auf einen Steuerpflichtigen eine Abstimmung der Steuerarten im Hinblick auf mehrere Steuerpflichtsubjekte erfolgt, um so etwa wirtschaftliche Doppelbelastungen zu vermeiden. Der bisher erörterte Fragenkreis wird zwar dadurch insofern erweitert, als die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Person im Mittelpunkt des Interesses stand. Eine Ausdehnung des Leistungsfähigkeitsaspkets hinaus auf die Abstimmung von mehreren Steuerpflichtigen ist aber in nahezu gleicher Weise zu fordern. Ein Blick etwa auf die Körperschaftsteuerreform von 1977 zeigt, daß auch der Gesetzgeber einer solchen Sichtweise nicht ablehnend gegenübersteht, sondern auch in der Gesetzgebung umsetzt und dies zu seinem erklärten Willen macht. Für den Dualismus Einkommensteuer - Körper80
Vgl. Kap. EIV. 3.
IV. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen
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schaftsteuer bedeutet das, daß es die Steuersubjekte aufeinander abzustimmen gilt, wie noch näher zu zeigen sein wird. Für die Abstimmung der Steuersubjekte von ganz wesentlicher Bedeutung sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und in § 3 Abs. 1 KStG genannten Köiperschaftsteuersubjekte. Wurde in den bisherigen Ausführungen immer von der Rechtsfähigkeit aller Körperschaftsteuersubjekte ausgegangen, so mangelt es den dort genannten Gebilden gerade an dem Merkmal der Rechtsfähigkeit Die bisherige Argumentation der Verknüpfung von Rechtsfähigkeit und Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit wäre damit eigentlich widerlegt. Zu fragen ist daher, welche Bedeutung diesen Gebilden im Rahmen der Systematik der Einkommensbesteuerung zukommt und ob aufgrund dieser Funktion ein Abgehen von dem aufgestellten Zusammenhang erforderlich ist. Vom Aufbau der Arbeit hätten diese Ausführungen durchaus schon im Kapitel über die Systemgerechtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung behandelt werden können, aufgrund der noch aufzuzeigenden Funktion dieser Gebilde erscheint es jedoch aus systematischen Gründen geboten, die Abhandlung dieser Problematik an dieser Stelle vorzunehmen. 1. Die zivilrechtliche Struktur des nichtrechtsfähigen Vereins und seine Annäherung an die juristische Person
Aufgrund der bisher aufgezeigten Verknüpfung von Zivil- und Steuerrecht ist es zunächst zweckmäßig, einen kurzen Überblick über die zivilrechtlichen Regelungen und das Wesen des nichtrechtsfähigen Vereins voranzustellen. Der Begriff des Vereins wird vom BGB nicht geklärt und somit als bekannt vorausgesetzt. Das BGB regelt zwar das Recht der rechtsfähigen und der nichtrechtsfähigen Vereine in §§ 21 ff, § 54 BGB, ohne dabei jedoch den allgemeinen Begriff des Vereins vorher zu klären.81 Nach der noch heute anerkannten82 Definition des Reichsgerichts handelt es sich bei einem Verein um "... eine auf Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist."83 Das für den Verein typische, aber auch problematischste Merkmal ist das der körperschaftlichen Organisation.84 Nach heute h.M. zeichnet sich diese durch die folgenden Merkmale aus: den Gesamtnamen, die Vertretung durch einen Vorstand und die Unabhängigkeit des Vereins von der Identität seiner Mitglieder.85 81 82 83 84 85
Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 493. Vgl. Reuter, D., ZGR 1981 S. 364 (365). RG v. 18.1.1934, RGZ 143 S. 212 (213). Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 493. Vgl. etwa Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 23,
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung Sowohl dem rechtsfähigen als auch dem nichtrechtsfähigen Verein sind vorstehende Merkmale gemeinsam. Beide haben demnach die gleiche Organisationstruktur. Der einzige Unterschied zwischen beiden besteht in der Rechtsfähigkeit. 86 Die Erlangung der Rechtsfähigkeit hängt von der Art des Vereins ab. Nichtwirtschaftliche Vereine erlangen die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister, während die wirtschaftlichen Vereine nach § 22 BGB nur in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften und nur durch Verleihung rechtsfähig werden. Die Verleihung der Rechtsfähigkeit nach § 22 BGB für wirtschaftliche Vereine stellt die Ausnahme dar, da ein Ausweichen vor den strengen Vorschriften des Aktien- und des GmbH-Rechts in die Vorschriften des BGB-Vereinsrechts vermieden werden soll.87 Während der rechtsfähige Verein sich in aller Regel sehr einfach als solcher identifizieren läßt, ist dies für den nichtrechtsfähigen Verein trotz der Wesensgleichheit mit dem rechtsfähigen Verein mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.88 Die Abgrenzung zwischen dem nichtrechtsfähigen Verein und den Gesellschaften ist schwierig und äußerst umstritten. Eine exakte Trennlinie zwischen den Phänomenen Gesellschaft und Verein ist noch nicht gefunden worden.89 Auch wenn auf beide Formen von Personenzusammenschlüssen die Rechtsnormen der anderen Anwendung finden können und somit eine Annäherung zwischen beiden stattfindet, ist auch für das Zivilrecht eine Unterscheidung notwendig, da für Vereine bestimmte Sonderregelungen zur Anwendung gelangen.90 Beide Formen aber bilden keine kontradiktorischen Gegensätze, sondern das Zivilrecht versucht, diese Grenzen durch Zwischenstufen und Mischformen einander anzunähern und so die Gegensätze aufzulösen.91 Der Unterscheidung von "Verein" und "Gesellschaft" liegt daher keine begriffliche, sondern eine typusmäßige Unterscheidung zugrunde.92 Um diese Unterscheidung anhand des Typus vornehmen zu können, haben sich drei Abgrenzungsregeln herausgebildet.93 Interessant im Rahmen dieser Arbeit ist insbesondere die er86
Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 497. Vgl. Paulick, H., DStZ/A 1965 S. 193 (194); Reuter, D., ZGR 1981 S. 364 (366); Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 513. 88 Dies liegt schlicht und ergreifend einfach an der Tatsache der Eintragung. Wie Schmidt anmerkt, wird in der Eintragungspraxis der Fall kaum eintreten, daß einem Personenverband die Eintragung als nichtwirtschaftlichem Verein mit der Begründung, es fehle an der körperschaftlichen Struktur, verweigert werde. Vgl. hierzu Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 493 f. 89 Vgl. Reuter, D., ZGR 1981 S. 364 (365). 90 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 558. 91 Vgl. hierzu Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 471 f. 92 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 559. 93 Vgl. zu den Abgrenzungsregeln im einzelnen etwa Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 559 ff. 87
IV. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen
249
ste Abgrenzungsregel, nach der solche nichtrechtsfähigen Verbände, die ein Unternehmen betreiben, stets Gesellschaft, nie aber Verein sind und zwar unabhängig davon, ob die Organisation Vereinselemente aufweist. Sofern es sich bei dem Unternehmen um ein vollkaufmännisches handelt, so ist der Verband oHG oder KG, ansonsten liegt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. 94 Bei der zweiten und dritten Abgrenzungsregel wird insbesondere auf die typologischen Merkmale abgestellt bzw. bei den Mischformen werden Rechtsvorschriften beider Formen je nach Bedürfnis angewendet Für das Wesen der nichtrechtsfähigen Vereine ist insbesondere die Vorschrift des § 54 BGB äußerst umstritten,95 da die Vorschrift auf den ersten Blick zunächst widersprüchlich ist. Nach Satz 1 besteht zwischen Verein und Gesellschaft ein Unterschied, während Satz 2 diesen Unterschied gerade leugnet. § 54 BGB wird heute in einer differenzierten Sicht gesehen, wobei zwischen den Idealvereinen und solchen Verbänden unterschieden wird, die ein Unternehmen betreiben.96 Nach der wohl h.M. wird diese Vorschrift so interpretiert, daß nur für auf Dauer nichtrechtsfähige Vereine, die ein Unternehmen betreiben, stets die Vorschriften des Gesellschaftsrechts anzuwenden sind, da es sich hier tatsächlich, entsprechend der ersten Abgrenzungsregel, um Gesellschaften handelt.97 Ansonsten zeigt sich in der Rechtsfortbildung ein stark differenziertes Bild. Der nichtrechtsfähige Idealverein stellt sich nach heute h.M. als Gesamthand dar. 98 Das Charakteristische am nichtrechtsfähigen Idealverein dürften im wesentlichen die Regelungen über die Stellung des Vermögens, die Haftung, die Vertretung und die Stellung der Mitglieder sein. Die Stellung des Vermögens ist umstritten. Während die traditionelle Auffassung das Vermögen immer noch als den Mitgliedern zugehörig betrachtet,99 gehört nach Ansicht von Schmidt das Vermögen dem Verein als solchem.100 Aber auch Flume sieht beim nichtrechtsfähigen Idealverein das Vermögen als von den Mitgliedern verselbständigt an. 101 Das Mitglied hat während des Bestehens des Vereins keinerlei Rechte hinsichtlich des Vereinsvermögens und hat im Falle der Kündigung keinen Auseinandersetzungsanspruch. Bei der Haftung ist zwischen der Haftung des Vereins selbst und der Haftung der Mitglieder zu differenzie94
Vgl. auch Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 134. Vgl. etwa die vehemente Kritik von Reuter, D., ZGR 1981 S. 364 (365 und 367 f.) an Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 87 ff. 96 Zu den Gründen fur eine solche Unterscheidung vgl. etwa Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 88. 97 In dieser Pauschalst ablehnend Reuter, D., ZGR 1981 S. 364 (366 ff.). 98 Vgl. Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 87 ff.; Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 132; Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 561. 99 Vgl. etwa Larenz, K. (Allgemeiner Teil, 1989) S. 182 f. 100 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 561 f. 101 Vgl. Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 88. 95
e t e r u n g der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung ren. Der nichtrechtsfähige Verein kann selbst Schuldner sein. Er haftet aus Rechtsgeschäften, die der Vorstand im Namen des Vereins abschließt. Für das Handeln von Erfüllungsgehilfen haftet der Verein nach den Maßgaben von §831 BGB. Die Mitglieder haften nicht persönlich für die Verbindlichkeiten des nichtrechtsfähigen Idealvereins. Hier zeigt sich der wesentliche Unterschied zum wirtschaftlichen nichtrechtsfähigen Verein, bei dem entsprechend den Regelungen des Gesellschaftsrechts die Mitglieder unbeschränkt haften. Ein wesentlicher Grund für diese unterschiedliche Behandlung liegt darin, daß, zumindest nach dem gesetzlichen Leitbild, die Mitglieder eines Idealvereins keine eigenen Vermögensinteressen durch ihn verfolgen. 102 Neben dem Verein haftet für ein Rechtsgeschäft, das im Namen des nichtrechtsfähigen Vereins geschlossen wurde, aber auch der Handelnde103 persönlich.104 Vertreten wird der Verein durch den Vorstand, so daß beim nichtrechtsfähigen Idealverein der Grundsatz der Fremdorganschaft gilt; der bei Gesellschaften geltende Grundsatz der Selbstorganschaft greift hier also nicht.105 Eine besondere Stellung hat das Vermögen des nichtrechtsfähigen Idealvereins. Wie oben bereits erwähnt, handelt es sich bei dem nichtrechtsfähigen Idealverein um eine Gesamthandsgemeinschaft. Entgegen dem "Normaltypus" der Gesamthandsgemeinschaft hat sich das Vermögen des Vereins aber in einer besonderen Weise von dem Vermögen der Mitglieder verselbständigt. Hat der Gesellschafter einer GbR, einer oHG oder einer KG in der Regel bei seinem Ausscheiden einen Auseinandersetzungsanspruch, so soll dieser bei dem nichtrechtsfähigen Idealverein ausgeschlossen sein. Diese "Verabsolutierung" des Vereinsvermögens zeigt sich auch in der Haftung, da das Vereinsvermögen dem Zugriff der Gläubiger von Vereinsmitgliedern verschlossen ist. Hieran wird deutlich, daß der nichtrechtsfähige Idealverein hinsichtlich seiner vermögensrechtlichen Stellung der juristischen Person stark angenähert ist. Gilt die vermögensrechtliche Verselbständigung gegenüber ihren Mitgliedern bei den Gesamthandsgemeinschaften im allgemeinen schon als vollzogen,106 so ist diese bei den nichtrechtsfähigen Idealvereinen im speziellen in besonders hohem Maße fortgeschritten. Faßt man die vermögensrechtliche Situation, die körperschaftliche Struktur und die Haftung zu einem Gesamtbild zusammen, so hat beim nichtrechtsfähigen Idealverein eine so starke Annäherung an die juristische Person stattgefunden, daß die Unterschiede kaum mehr 102
Vgl. Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 88. Hier ist insbesondere an den Vorstand des Vereins zu denken. Neben dem Vorstand kommen aber auch andere fur den Verein tätige Personen in Betracht. Zum Begriff des Handelnden Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 572. 104 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 571 f. 105 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 565 f. 106 Die Theorie der Gesamthandsgemeinschaften und deren Ausgestaltung ist im einzelnen stark umstritten. Vgl. hierzu etwa Flume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 50 ff.; Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 151 ff. 103
IV. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen
251
wahrzunehmen sind. Dennoch besteht zwischen den rechtsfähigen und den rechtsfähigen Körperschaften der Unterschied, daß es sich im ersten Falle um eine Gesamthand, mithin um eine Personengruppe handelt, während die rechtsfähigen Gebilde eine Person darstellen. Beim nichtrechtsfähigen Verein sind demnach alle Rechtsverhältnisse auf die Mitglieder oder Gesellschafter bezogen, während beim rechtsfähigen Verein alle Rechtsverhältnisse solche der juristischen Person als selbständig verfaßter Wirkungseinheit sind. Der rechtsfähige Verein ist daher "Wirkungseinheit", während dessen nichtrechtsfähiges Pendant als "Wirkungsgemeinschaft" bezeichnet werden kann. 107 2. Die aus den fehlenden wirtschaftlichen Eigeninteressen der Mitglieder resultierende Vermögenssonderung als Grund eigener Steuersubjektfahigkeit
Bereitet der nichtrechtsfähige Verein im Zivilrecht schon so manche Schwierigkeit, so ist seine Bedeutung im Rahmen des Gefüges der Körperschaftsteuersubjekte nicht minder problematisch. Der nichtrechtsfähige Verein muß immer wieder für das Argument herhalten, daß die Rechtsfähigkeit nicht das entscheidende Kriterium für die Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit ist, sondern daß es die wirtschaftliche Organisationsform ist, auf die das Körperschaftsteuergesetz eigentlich zielt. 108 An dieser Stelle geht es mithin um die Frage, ob der geforderte Zusammenhang von Körperschaftsteuersubjekteigenschaft und Rechtsfähigkeit und damit von Leistungsfähigkeitsprinzip und Rechtsfähigkeit in dieser Form aufrechtzuerhalten ist und ob nicht eine grundlegend neue Verknüpfung bzw. Verbindung herzustellen ist. Um auf diese Frage eine Antwort zu erlangen, ist auf die Bedeutung des nichtrechtsfähigen Vereins im Rahmen des Körperschaftsteuergesetzes abzustellen. Je nach Bedeutung im Rahmen dieses Systems kommt der Durchbrechung des Prinzips der Anknüpfung an die Rechtsfähigkeit unterschiedliches Gewicht zu. Sieht man sich die tatsächliche, durch das Zivilrecht vorgegebene Struktur des Idealvereins an, so zeigt sich die starke Annäherung und damit Ähnlichkeit mit den rechtsfähigen Personenvereinigungen. Bezogen auf diese Ähnlichkeit liegt der Schluß nahe, daß es gerade diese Struktur war, die den Gesetzgeber zur Aufnahme in den Kreis der Körperschaftsteuersubjekte bewogen hat. Die Folge wäre unweigerlich, daß es tatsächlich die wirtschaftliche Struktur bzw. Organisationsform ist, an die der Gesetzgeber die Körperschaftsteuerpflicht knüpft. Die Äußerung von Heinicke, der den Grund für die eigenständige Besteuerung der nichtrechtsfähigen Vereine allein in praktischen
107
Vgl. Flume, W., ZHR 1984 S. 503 (504). Vgl. etwa Großfeld, B. (Basisgesellschaft, 1974) S. 57; Raupach, A. (Durchgriff, 1968) S: 138. 108
252
E. Rechtfertigung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung
Gründen sieht,109 lassen an vorstehender These doch schon erhebliche Zweifel aufkommen. Praktische Gründe schließen eine Regelung aufgrund von systematischen Erwägungen jedenfalls aus. Demnach würde dem nichtrechtsfähigen Verein im Gefüge des Körperschaftsteuergesetzes keine systembegründende Bedeutung zukommen mit der Konsequenz, daß aus seiner Eigenschaft als Körperschaftsteuersubjekt kein Rückschluß auf das grundsätzliche Anknüpfungsmoment des Körperschaftsteuergesetzes gezogen werden könnte. Allein praktische Gründe lassen eigentlich genau den Umkehrschluß zu; aus systematischen Erwägungen wäre eigentlich eine Erfassung des Einkommens bei den Mitgliedern konsequent, aufgrund von Schwierigkeiten praktischer Natur erscheint eine Besteuerung bei dem Verein selber als die steuererhebungstechnisch sinnvollere Lösung. Der nichtrechtsfähige Idealverein nimmt im Gefüge des Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer eine Zwitterstellung ein. Er ist wegen seiner körperschaftlichen Struktur weder typische Personenhandelsgesellschaft noch ist er juristische Person. Anders als im Zivilrecht kann im Steuerrecht aber keine Annäherung zu beiden Formen durch die Anwendung von Vorschriften beider Gesetze erfolgen, sondern der nichtrechtsfähige Verein ist vollwertiges Körperschaftsteuersubjekt, bzw. wie Salditt es ausdrückt, M ... nimmt der Verein nämlich keine Stellung ein, die ihn als "mindere" Kapitalgesellschaft erschienen ließe"110. Hier bilden die Vorschriften des Steuerrechts kontradiktorische Gegensätze. Was mag nun den Gesetzgeber bewogen haben, den nichtrechtsfähigen Verein gerade als Körperschaftsteuersubjekt zu qualifizieren? Eine Lösung aus der Struktur finden zu wollen, erscheint unergiebig, da die Übergänge von Verein und Gesellschaft doch fließend sind. Anknüpfungspunkt für die Überlegungen kann daher nur die besondere Art der Betätigung der nichtrechtsfähigen Idealvereine sein. Wie eingangs schon erwähnt, ist es gerade das Fehlen eigener vermögensrechtlicher Interessen der Vereinsmitglieder, das den Ausschluß ihrer Haftung rechtfertigt. 111 Wollte man den nichtrechtsfähigen Idealverein daher in den Kreis der Personenvereinigungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG aufnehmen, so hätte dies letztlich die Konsequenz des Leerlaufens dieser Vorschrift für diese Gesellschaftsformen. Es käme zu keiner Besteuerung der Vereinsmitglieder, da diese keinesfalls die Voraussetzung von Mitunternehmern erfüllen würden. 112 Es würde sowohl an der Vor109
Vgl. Schmidt, § 1 EStG Anm. 12. Salditt, F., StuW 1971 S. 191 (195). 111 Vgl. Hume, W. (Personengesellschaft, 1977) S. 88. 112 Schmidt spricht bei den wirtschaftlichen Vereinen von "vereinsmäßig strukturierten Mituntemehmerschaften". Demnach wäre der Ideal verein gerade durch das Kriterium der Nicht-Mituntemehmerschaft gekennzeichnet. Vgl. hierzu Schmidt, K., Der Deutsche Rechtspfleger S. 286 (288 ff.) ; Kritisch hierzu Flume, W. (Person, 1983) S. 105 f. 110
IV. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen
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aussetzung des Mitunternehmerrisikos als auch der der Mitunternehmerinitiative fehlen. 113 Das Mitunternehmerrisiko fehlt, da das Mitglied nach ganz h.M. keine Haftung trägt und nicht an den Gewinnen oder Verlusten des Vereins direkt partizipiert. An der Mitunternehmerinitiative mangelt es insofern, als der Verein durch Organe vertreten wird und das Mitglied nur im Rahmen der Mitgliederversammlung tätig werden kann. Verglichen mit den Rechten des Kommanditisten, die den Vergleichsmaßstab nach der BFH-Rechtspiechung bilden, bleibt die Stellung des Mitglieds des nichtrechtsfähigen Vereins weit dahinter zurück. Hätte der Gesetzgeber also den nichtrechtsfähigen Idealverein nicht in die Gruppe der Körperschaftsteuersubjekte aufgenommen, wäre dessen Einkommen in keiner Form zur Besteuerung gelangt. Zudem wäre es schwer mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl zu vereinbaren, den Vereinsmitgliedern die Einkünfte zuzurechnen, obwohl grundsätzlich nicht daran gedacht ist, daß das Mitglied mit dem Verein eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitglieds kann im speziellen Fall des Idealvereins jedenfalls nicht erblickt werden, solange mit den Überschüssen nicht die Interessen der Mitglieder befriedigt werden sollen. Die These Heinrichs, der eigenständigen Besteuerung von nichtrechtsfähigen Vereinen liegen nur praktische Gründe zugrunde, kann daher in dieser Form nicht zugestimmt werden. Zumindest ist sie dann nichtrichtig,wenn man diese Aussage dahingehend interpretiert, eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für den nichtrechtsfähigen Verein und die Aufteilung auf die einzelnen Mitglieder sei aufgrund der größeren Zahl von Mitgliedern zu aufwendig. Gerade an den besonderen vermögensrechtlichen Verhältnissen zeigt sich der Unterschied zu den Personenhandelsgesellschaften. Wie bei den Personenhandelsgesellschaften fällt das Gesellschaftsvermögen des nichtrechtsfähigen Idealvereins in die Rechtszuständigkeit der gesamthänderisch miteinander verbundenen Gesellschafter, im Gegensatz zu diesen fehlt es aber an den eigenen vermögensrechtlichen Interessen der Mitglieder. Trotz dieser gesamthänderischen Gebundenheit des Vermögens ist den Vereinsmitgliedern nicht das Einkommen des Vereins nach den Regeln des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zuzuordnen. Der wirtschaftliche Verein ist ebenso wie die Personenhandelsgesellschaften und der nicht wirtschaftliche Verein Gesamthandsgesellschaft, trotzdem wird er nicht wie der nichtrechtsfähige Idealverein der Körperschaftsteuer unterworfen, obwohl auch er über eine körperschaftliche Organisation oder zumindest Elemente verfügt. 114 Als Konsequenz daraus kann nur geschlossen 113
Vgl. hierzu Kap. D Π. 1. a) dd). Eine Behandlung als Körperschaftsteuersubjekt verbietet sich jedenfalls dann, wenn man die Vorgaben des Großen Senats, den Begriff des nichtrechtsfähigen Vereins in seinem zivilrechtlichen Verständnis auszulegen, beachtet. Inwieweit sich die Rechtsprechung und Wissenschaft tatsächlich an diesen Vorgaben orientieren, ist zweifelhaft, wenn man die Beurteilung einzelner Sachverhalte betrachtet. Hier wird im wesentlichen allein auf die körperschaftliche Struktur als Abgrenzungskriterium abge114
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E. Rechtfertigung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung
werden, daß es die körperschaftliche Struktur nicht sein kann, die das direkte Anknüpfungskriterium des Körperschaftsteuergesetzes bildet. Anderenfalls wären der Idealverein und der wirtschaftliche Verein gleich zu behandeln. Vielmehr kann aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von Personenhandelsgesellschaften, nichtrechtsfähigen Idealverein und wirtschaftlichen Verein nur die Stellung des Vermögens das entscheidende Anknüpfungskriterium sein. Die tatsächliche Trennung des Vermögens von den Vereinsmitgliedern ist es im Endeffekt, die für das Steuerrecht den Ausschlag für die eigenständige Besteuerung der nichtrechtsfähigen Vereine gibt. Der Verlust der eigenen Vermögensinteressen und die damit letztlich verbundene Vermögenssonderung sind es, die eine Besteuerung der aus diesem Vermögen stammenden Erträge beim Vereinsmitglied verbietet. Gerade auch das Leistungsfähigkeitsprinzip fordert eine Anknüpfung an die Vermögensträgerschaft, die die juristischen Personen konsequenterweise zu eigenen Steuersubjekten macht. Der nichtrechtsfähige Idealverein hat zwar den Schritt zur vollständigen Vermögenssonderung noch nicht vollzogen, geht aber aufgrund der fehlenden Eigeninteressen schon einen sehr großen Schritt in diese Richtung. Insofern steht der nichtrechtsfähige Idealverein den juristischen Personen näher als den Personenhandelsgesellschaften. Gerade auch die unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG sonst genannten Gebilde zeigen in diese Richtung. Auch bei ihnen hat eine vollständige Vermögenssonderung stattgefunden. Daß die Vermögenssonderung das zentrale Anknüpfungsmerkmal darstellt, kommt auch in der "Begründung zum Entwurf des Körperschaftsteuergesetzes" von 1920 zum Ausdruck. Als gemeinsames Merkami der Körperschaftsteuersubjekte wird zwar darauf abgestellt, daß die Einkünfte nicht unmittelbar bei einer natürlichen Person der Besteuerung unterliegen. Als Abgrenzungsmerkmal reicht dieses Kriterium jedoch nicht aus, da es gerade die zentrale Fragestellung ist, ob der natürlichen Person oder einem anderen Subjekt die Einkünfte zuzurechnen sind. Deshalb muß ein Kriterium gefunden werden, das diese Einkünftezurechnung ermöglicht. "Bei juristischen Personen ergibt sich das von selbst. Sie sind rechtlich und wirtschaftlich Eigentümer ihres Vermögens und berechtigte Bezieher der Einkünfte und schließen ihre Mitglieder aus. Ihr Einkommen erscheint grundsätzlich als ihr eigenes, nicht als das anderer Bezieher. Bei den nicht rechtsfähigen Gebilden ist diese scharfe Trennung nicht gegeben. Ein nichtrechtsfähiger Verein z.B. ist in der Regel eine Personenvereinigung mit körperschaftsähnlicher Verfassung und Gesamtberechtigung an den Einkünften. Im allgemeinen tritt aber das Einzelrecht der Mitglieder hinter diesem Gesamthandsrecht völlig zurück, zu mindest bei den Vereinen, die ihren Mitgliedern keine wirtschaftlichen Vorteile stellt, ohne die Trennung von wirtschaftlichen Vereinen und Idealvereinen zu berücksichtigen. Das Kriterium der körperschaftlichen Struktur ist aber erst dann zivilrechtlich relevant, wenn es sich um Personenzusammenschlüsse handelt, die kein Unternehmen betreiben. Vgl. etwa BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972.
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zuführen wollen."115 An dieser Äußerung wird deutlich, daß das Kriterium nach der Sicht des historischen Gesetzgebers in der Vermögenszurechnung zu sehen ist. Entscheidend sind die Rechte bzw. die Art des Rechts am Vermögen der Gesellschaft bzw. des Vereins. Die Verselbständigung des Vermögens kann daher als "Anlaß" der Einführung des Körperschaftsteuergesetzes gesehen werden. Diese Verselbständigung des Vermögens hat bei den juristischen Personen ihren "Höhepunkt" erreicht. Beim nichtrechtsfähigen Verein ist diese Stufe noch nicht vollendet, jedoch tritt das Einzelrecht hinter dem Gesamthandsrecht völlig zurück, so daß eine Zurechnung auf der Ebene der Mitglieder nicht mehr erfolgen kann. Vielmehr hat die Tatsache, daß die Mitglieder keine eigenen wirtschaftlichen Interessen mehr verfolgen, auch eine Loslösung des Vermögens aus der ihnen zuzurechnenden Sphäre zur Folge. Insofern stellt der Idealverein auch einen Ausnahmetatbestand dar, da bei ihm diese Loslösung noch nicht vollständig bewirkt wurde, die aber andererseits so weit fortgeschritten ist, daß eine Zurechnung auf der Ebenen der Mitglieder nicht mehr zu rechtfertigen ist. Der bisher geforderte Zusammenhang von Rechtsfähigkeit bzw. Rechtsform und Unterscheidung Körperschaftsteuerpflicht oder Einkommensteuerpflicht wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Vielmehr führt die Rechtsfähigkeit bzw. die Rechtsform zur Verselbständigung des Vermögens in so einer Weise, die eine Zurechnung des Vermögens beim Mitglied bzw. beim Gesellschafter auch aus steuerlicher Sicht nicht mehr gerechtfertigt erscheinen läßt. Die Rechtsform kann daher in gewisser Hinsicht als ein "äußeres" Merkmal der Anknüpfung betrachtet werden, da es die Vermögenssonderung nach außen in Erscheinung treten läßt. Rechtsfähigkeit und Verselbständigung des Vermögens sind insofern nahezu komplementäre Begriffe. Insofern nimmt der nichtrechtsfähige Verein eine Ausnahmestellung ein, als er Vermögenszuordnungssubjekt ist, aber über keine Rechtsfähigkeit verfügt Diese "Sonderstellung", die der nichtrechtsfähige Verein dadurch für das Steuerrecht erlangt, findet sich auch im Zivilrecht wieder. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird immer wieder auf die Abgrenzung Körperschaft und Personengesellschaft und nicht auf das Unterscheidungspaar juristische Person und Personengesellschaft abgestellt. Insofern hat nach der zivilrechtlichen Systematisierung die Frage der Rechtsfähigkeit nichts mit der Unterscheidung Personengesellschaft und Körperschaft zu tun. Der Körperschaftsbegriff bezieht sich daher nicht auf die äußere juristische Verselbständigung, sondern auf die Verselbständigung gegenüber den Mitgliedern.116 Fakt bleibt aber, daß das positive Recht die Körperschaften typischerweise als juristische Personen
115
Verhandlungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung, Band 341, Berlin 1920, Anlagen zu den stenographischen Berichten Nr. 1976 S. 19 f. 116 Vgl. Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 490.
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E. Rechtfertigung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung
ansieht.117 D.h. für den nichtrechtsfähigen Verein, daß er für den Bereich des Gesellschaftsrechts ebenso eine Sonderstellung einnimmt. Diese Sonderstellung dokumentiert sich auch in § 54 BGB, der zumindest von seinem "offensichtlichen" Wortlaut die Vorschriften über die Gesellschaft auf den nichtrechtsfähigen Verein angewendet wissen will. Auch wenn die Rechtslehre und die Rechtsprechung § 54 BGB stark relativiert haben, so greift § 54 BGB bei dem wirtschaftlichen Verein noch in seiner ganzen Kraft. Der nichtrechtsfähige wirtschaftliche Verein gilt als Gesellschaft und wird auch durch die Vorschriften des Rechts über die Gesellschaften in seiner rechtlichen Struktur konstituiert. § 54 BGB kann daher als Indiz dafür angesehen werden, daß der Gesetzgeber die körperschaftlich strukturierten Personenverbände zur Erlangung der Rechtsfähigkeit drängen wollte. Die wirtschaftlichen Vereinigungen sollen die strengeren Formen der Aktiengesellschaft oder der GmbH wählen. Daß die Rechtsprechung und die Lehre den nichtrechtsfähigen Idealverein nicht den Regelungen des Gesellschaftsrechts unterwerfen wollten, liegt nach Ansicht von Kübler in der Ablehnung einer staatlichen Überwachung von Gewerkschaften und politischen Parteien. Die Erlangung der Rechtsfähigkeit ist im Ergebnis nämlich mit der Preisgabe der Mitglieder verbunden.118 Gerade für die wirtschaftlichen nichtrechtsfähigen Idealvereine bestand ein solches Schutzbedürfnis hingegen nicht, so daß § 54 S. 1 BGB hier seine Bedeutung weiterhin behält. Die Vorschrift des § 22 BGB macht eine Unterscheidung zwischen beiden Arten von Vereinen erforderlich, ansonsten hätte man den wirtschaftlichen Verein ohne Rechtsfähigkeit das zugesprochen, was § 22 BGB ihm versagt.119 Aber auch Flumes Argumentation gibt eine überzeugende Begründung für eine unterschiedliche Behandlung von wirtschaftlichen Vereinen und Idealvereinen. Gerade die Bedeutung des Vermögens für die Mitglieder bedingt im Steuer- und im Zivilrecht im Ergebnis die gleiche Wertung. Die fehlenden Vermögensinteressen der Mitglieder führen im Zivilrecht dazu, daß der nichtrechtsfähige Idealverein weitgehend dem rechtsfähigen Verein und damit den juristischen Personen gleichgestellt wird, während der wirtschaftliche Verein den Personengesellschaften zugeordnet wird. Das Steuerrecht vollzieht hier die gleiche Weitung: der nichtrechtsfähige Idealverein ist Körperschaftsteuersubjekt, während beim nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein das von ihm erzielte Einkommen direkt bei den Mitgliedern der Besteuerung zu unterwerfen ist.
117
Vgl. Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 24; Schmidt, K. (Gesellschaftsrecht, 1986) S. 491. 118 Vgl. hierzu Kübler, F. (Gesellschaftsrecht, 1990) S. 133. 119 Vgl. Schmidt, K. (Stellung, 1972) S. 221 - 230.
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3. Die Schnittstellenfunktion von § 3 Abs. 1 KStG Der nichtrechtsfähige Verein stellt somit auch im Steuerrecht die Schnittstelle von unmittelbarer Körperschaftsteuerpflicht und "mittelbarer" Einkommensteuerpflicht dar. Er bildet ebenso wie im Zivilrecht die Grenze zwischen zwei Kategorien. Diese Schnittstellenfunktion des nichtrechtsfähigen Vereins dokumentiert sich gerade auch in der Vorschrift von § 3 Abs. 1 KStG, die in unmittelbarem Bezug zu § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zu sehen ist. § 3 Abs. 1 KStG kann daher als Parallele zum Gesellschaftsrecht verstanden werden, da dort ein mehr oder weniger nahtloser Übergang vom Verein zur Gesellschaft gegeben ist. Eine klare Trennung zwischen beiden Formen ist häufig nur schwer möglich. Diese in ihrer tatsächlichen rechtlichen Gestaltung auftretenden Personenzusammenschlüsse muß das Steuerrecht auffangen, um so eine nahtlose Besteuerung des eben von diesen Personenzusammenschlüssen erwirtschafteten "Einkommens" zu ermöglichen. Im Gesellschaftsrecht stellt sich die Problematik einer "Entweder-Oder-Entscheidung" in dieser Form nicht, da sowohl die Vorschriften des Vereins- als auch des Gesellschaftsrechts auf ein und dasselbe Gebilde Anwendung finden können. Da im Steuerrecht eine Personenvereinigung aber immer nur entweder den Vorschriften des Einkommenoder des Körperschaftsteuerrechts unterworfen werden kann, muß diese Mischform einer der beiden Sphären zugeordnet werden. Andernfalls käme es zur Garnicht- oder zur Doppelerfassung des von ihnen erzielten Einkommens. Inwieweit § 3 Abs. 1 KStG als Auffangvorschrift zu interpretieren ist, oder ob ihm lediglich die Funktion einer zusätzlichen Einschränkung von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zukommt, ist aber nach wie vor umstritten. Sieht man sowohl den nichtrechtsfähigen Verein als auch die Personengesellschaften nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG in ihrem strikt zivilrechtlichen Verständnis, so kommt der Auslegung von § 3 Abs. 1 KStG, die in dieser Vorschrift nur eine Einschränkung von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG sieht, keine tatsächliche Bedeutung zu. Ein nichtrechtsfähiger Idealverein kann niemals Personengesellschaft oder ein ähnliches Gemeinschaftsverhältnis darstellen, so daß eine unmittelbare Versteuerung des von ihnen erzielten Einkommens bei anderen Steuerpflichtigen nicht in Frage kommen kann. Zumindest die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG läßt eine solche nicht zu. Nach dieser Interpretation würde § 3 Abs. 1 KStG somit ins Leere laufen. Zu fragen bleibt, welche Funktion § 3 Abs. 1 KStG überhaupt noch haben soll. Da eine Zuordnung von Personenvereinigungen zu den Körperschaften und zu den Personengesellschaften immer möglich und letztlich auch notwendig ist, kommt dieser Vorschrift keinerlei Bedeutung mehr bei. Da § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Besteuerung des Einkommens, das im Rahmen von Personengesellschaften erzielt wurde, bei den Gesellschaften nur unter der Voraussetzung vorsieht, daß der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist, wäre § 3 Abs. 1 KStG allenfalls dann eine Funktion beizumessen für solche 17 Herz
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E. Rechtfertigung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung
Personengesellschaften, bei denen kein Gesellschafter als Mitunternehmer zu qualifizieren ist. Eine solche Konstellation wäre höchstens bei den anonymen Publikums-KGs denkbar. Da der BFH aber auch bei diesen die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten bejahte, scheint § 3 Abs. 1 KStG jeglicher Funktion beraubt. Eine sinnentleerte Vorschrift scheint allerdings mit den Intentionen des Gesetzgebers unvereinbar, da er anderenfalls eine solche Vorschrift garnicht erlassen hätte. Zu fragen wäre, ob die bisher gefundene Lösung überhaupt den Willen des Gesetzgebers widerspiegelt, oder ob nicht doch noch eine andere Funktion dieser Vorschrift zu finden ist. Denkbar wäre, daß sich der Gesetzgeber gegen Besteuerungslücken absichern wollte. Hierauf deutet auch der Wortlaut der Vorschrift hin. Der Gesetzgeber wollte ein Besteuerungssystem, das auf das Einkommen zugreift, ohne Lücken schaffen. Mit einer strikt zivilrechtlichen Betrachtungsweise sowohl des Terminus "Personengesellschaft" als auch der in § 1 Abs. 1 KStG genannten Personenvereinigungen ist eine solche lückenlose Erfassung gegeben. Für den Gesetzgeber ist jedoch nicht jede Entwicklung, etwa die Auslegung durch die Gerichte oder neue Konstruktionen im Rahmen des Gesellschaftsrechts vorhersehbar, so daß § 3 Abs. 1 KStG als Absicherung dient, die sozusagen flexibel auf diese reagieren kann. Die Interpretation, die in § 3 Abs. 1 KStG eine "Nahtstelle" oder eine Außengrenze von Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz erblickt, wird m.E. dem Grundgedanken gerecht. Daß Einkommen Leistungsfähigkeit schafft, scheint aus der heutigen Sicht unbestritten. Eine am Gleichheitsprinzip orientierte Besteuerung fordert, daß alle Steuersubjekte entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Steuer herangezogen werden. Insofern fordert eine am Gleichheitsprinzip orientierte Besteuerung aber auch, daß jedes erwirtschaftete Einkommen einmal bei einem Steuersubjekt der Besteuerung unterzogen wird. Dies soll m.E. durch § 3 Abs. 1 KStG in jedem Falle sichergestellt werden. Wäre dies nicht gewährleistet, würde unter Umständen Einkommen, wem es letztlich "wirtschaftlich" auch immer zuzurechnen wäre, der Besteuerung entzogen. Andererseits würde eine zweimalige Erfassung ein und derselben Einkommensquelle bei zwei Steuerpflichtigen ebenfalls den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verletzen. Bei den heutigen Steuersätzen würde eine Erfassung einmal bei der Personenvereinigung selbst und ein zweitesmal bei dem Mitglied letztlich, je nach den Umständen des Einzelfalls, zu einer Besteuerung führen, die die Einkommenshöhe nahezu erreichen würde und somit die Einkommensquelle der Höhe nach fast völlig vom Fiskus in Anspruch nehmen würde. Hierin wäre ein enteignungsgleicher Vorgang zu erblicken, der den Grundsatz der Eigentumsgarantie verletzen würde. Wenn dieser Grundsatz in seiner Bedeutung für das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auch umstritten ist, als Minimalkonsensus ist wohl unzwei-
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felhaft, daß er den Steueranspruch der Höhe nach beschränkt.120 Demnach wäre eine gleichzeitige Doppelerfassung bei der Vereinigung und beim Mitglied mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht vereinbar. Insofern ist § 3 Abs. 1 KStG auch als Vorschrift zur Vermeidung einer Doppelerfassung zu sehen. Demnach wirkt § 3 Abs. 1 KStG in beiden Richtungen. Der Regelung des § 3 Abs. 1 KStG kann also der Inhalt entnommen werden, daß das erwirtschaftete Einkommen nahtlos und vollständig der Besteuerung durch den deutschen Fiskus unterliegt Dieser Vorschrift kommt daher eine für den Dualismus Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht über den Regelungsbereich hinausragende Bedeutung zu, die letztlich auch für die Auslegung der im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz verwendeten zivilrechtlichen Gesellschaftsformen von Bedeutung ist. Eine solch allumfassende, einmalige Besteuerung ist nämlich nur dann sichergestellt, wenn die in beiden Gesetzen genannten Gesellschaftsformen überschneidungsfrei und zugleich vollständig erfaßt werden. Für die Auslegung heißt das, daß in beiden Gesetzen nur eine Auslegung nach einheitlichen Maßstäben und Grundsätzen erfolgen darf. Eine Auslegung darf sich daher entweder nur in einem rein zivilrechtlichen Sinne oder aber in einem wirtschaftlichen Sinne orientieren. Da nach h.M. und nach den in dieser Arbeit gefundenen Ergebnissen eine Auslegung nur anhand der zivilrechtlichen Maßstäbe erfolgen kann, muß sowohl der Begriff der in § 1 Abs. 1 KStG genannten Subjekte als auch der Begriff der Personengesellschaften in ihren rein zivilrechtlichen Verständnis erfaßt werden. Daraus folgt, daß etwa der Begriff der Mitunternehmerschaft als Anknüpfungspunkt im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit einer solchen Forderung in Widerspruch steht und daher abzulehnen ist. Allein die Anknüpfung an die Personengesellschaft kann daher zu einemrichtigenErgebnis führen. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist demzufolge in der Reihenfolge Personengesellschaft und dann Mitunternehmerstellung der einzelnen Gesellschafter durchzuführen. Dieser rein zivilrechtlichen Sichtweise haftet auf den den ersten Blick das Manko einer sehr formalen Anknüpfung an, die mit einer an eigenen Zielsetzungen des Steuerrechts verknüpften teleologischen Auslegung in Widerspruch steht Dieser Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn man bedenkt, daß der Verknüpfung von Organisation und Rechtsfähigkeit im Zivilrecht ein wirtschaftlicher Gedanke zugrundeliegt, der auch für das Steuerrecht zu übernehmen ist. Insofern basiert diese formale Anknüpfung auf einem zweistufigen Aufbau: auf der ersten Stufe werden bestimmte wirtschaftliche Organisationsformen vom Zivilrecht mit Rechtsfähigkeit ausgestattet und auf der zweiten Stufe wird diese Wertung dann auch für das Steuerrecht übernommen, da das Steuerrecht im Falle der Einkommensbesteuerung letztlich auf mit Rechtsfä120
So auch die jüngste BVerfG-Rechtsprechung. Vgl. hierzu BVerfG v. 22.6.1995, BStBl 1995 Π S. 655 (661). 17'
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. Rechtfertigung der vom Gesetzgeber statuierten Steueranknüpfung
higkeit ausgestattete Gebilde zugreifen kann bzw. im Falle des nichtrechtsfähigen Idealvereins auf ein stark von den Mitgliedern gesondertes Vermögen zugreift, das anderenfalls keiner Besteuerung mehr unterliegen würde. Insofern kommt aus indirekter Sicht auch eine wirtschaftliche Betrachtung zum Zuge. Die Aussage, es sei letztlich die wirtschaftliche Organisationsform, die der Gesetzgeber eigentlich treffen wollte,121 hat in gewissen Grenzen ihre Berechtigung. Sie darf aber nicht dahingehend mißverstanden werden, daß eine vom Zivilrecht losgelöste eigenständige steuerrechtliche Betrachtungsweise an dessen Stelle treten dürfte. Sie darf nur in dem Sinne verstanden werden, daß die einzelnen wirtschaftlichen Organisationsformen für das Zivil- und für das Steuerrecht letztlich die gleiche Bedeutung und damit letztlich die gleiche Wertung erfahren. Betrachtet man die die körperschaftliche Struktur bestimmenden Merkmale, so zeigt sich, daß die Stellung des Vermögens nicht zu den wesensbestimmenden Merkmalen zu rechnen ist. Die Vermögensstruktur wird vielmehr vom Gesetzgeber bestimmt, in dem er den einzelnen Personenverbänden unter den von ihm gestellten Anforderungen die Rechtsfähigkeit verleiht oder aber davon absieht. Gerade die Stellung des Vermögens ist es, die für die Frage der Steuerpflicht das entscheidende Anknüpfungskriterium darstellt. Daß die mit Rechtsfähigkeit versehenen Personenverbände in der Regel eine körperschaftliche Struktur aufweisen, zeigt die Entscheidung des Gesetzgebers, daß es diese besondere Struktur ist, an die er das Merkmal der Rechtsfähigkeit knüpfen will. Vom gesetzlichen Idealtypus gesehen sind die mit Rechtsfähigkeit ausgestatteten Personenvereinigungen durchweg körperschaftlich strukturiert, wobei der Grad der körperschaftlichen Struktur durchaus verschieden sein kann, wie die Publikums-AG und die personalistisch strukturierte GmbH zeigen. Andererseits sind nicht alle körperschaftlich strukturierten Personenvereinigungen notwendigerweise mit Rechtsfähigkeit versehen. Abgesehen vom nichtrechtsfähigen Idealverein sind diese Vereinigungen durchweg keine Körperschaftsteuersubjekte, wie etwa der nichtrechtsfähige wirtschaftliche Verein oder die Publikums-KG zeigen. Wäre daher die These zutreffend, daß es eigentlich die wirtschaftliche Organisationsform sei, die der Gesetzgeber treffen wollte, so müßten diese Personenvereinigungen als Körperschaftsteuersubjekte behandelt werden. Aber einmal auf die strikte Rechtsformabhängigkeit zu verweisen, im nächsten Atemzug aber auf die wirtschaftliche Organisationsform abstellen zu wollen, erscheint doch reichlich inkonsequent. Die Kritiker einer formal am Zivilrecht orientierten Betrachtungsweise wollen zwar an die körperschaftliche Struktur anknüpfen, lassen aber eine klare Aussage darüber vermissen, welches der Merkmale gerade ausschlaggebend sein soll. Ein Abstellen auf die körperschaftliche Struktur bzw. - korrespondierend hiermit - die wirtschaftliche Organisationsform wirft erhebliche Probleme 121
Vgl. etwa Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 57; Suter, J. (Fusion, 1965) S. 5 f.
IV. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen
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auf, wie die fließenden Grenzen zwischen Verein und Gesellschaft deutlich machen. Da die gesellschaftsrechtlichen Regelungen weitgehend dispositiver Natur sind, kann die Gesellschaft bzw. der Verein alle möglichen Zwischenstufen einnehmen. Auch im Zivilrecht muß eine Zuordnung gefunden werden; nur sind dort die Konsequenzen nicht so gravierend. Im Steuerrecht handelt es sich um eine "Alles-oder-Nichts"- Entscheidung, während das Zivilrecht sehr flexibel darauf reagieren kann. Wo letztlich für das Steuerrecht die Grenze zu finden sein soll, bleibt offen. Zudem fehlt es an einer systematischen Begründung dafür, warum es gerade die körperschaftliche Struktur sein soll, die das Körperschaftsteuergesetz zum Anknüpfungspunkt nimmt. Eine, wie auch immer zu definierende wirtschaftliche Betrachtungsweise des Steuerrechts allein kann hierfür wohl keinesfalls ausreichend sein. Diese soll die Gleichbehandlung sicherstellen; wie diese Gleichbehandlung auszusehen hat, entscheidet allein der Gesetzgeber in dem ihm vorgegebenen sehr weiten Rahmen. Ein Abstellen auf die körperschaftliche Struktur würde im Ergebnis bedeuten, wiederum Anleihen beim Zivilrecht zu nehmen. Eine solche an der körperschaftlichen Struktur orientierte "wirtschaftliche" Auslegung stellt lediglich auf die in § 1 Abs. 1 KStG genannten Gesellschaftsformen und Personenverbände ab und versucht diese nicht in einer begrifflichen, sondern in einer typologischen Weise zu verstehen. Diese Form der Auslegung ist m.E. aber insofern unzulässig, weil sie die Frage unberücksichtigt läßt, warum gerade diese Personenvereinigungen es sind, die einer eigenständigen Besteuerung des Einkommens unterliegen. Erst die Beantwortung dieser Frage ließe dann die Findung der für den Typus relevanten Merkmale zu. Eine einfache allein auf den körperschaftlichen Typus abstellende Einordnung wäre daher eine unerlaubte Verkürzung der Problematik.
F. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft und ihre systemadäquate Qualifikation I. Die Behandlung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in Literatur und Rechtsprechung In dem nun folgenden Unterabschnitt soll ein kurzer Überblick über die Rechtsprechung sowie den Stand der Meinungen in der Literatur hinsichtlich der Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften gegeben werden. Die Darstellung beschränkt sich zunächst eine rein wertneutrale Übersicht, ohne jedoch schon eine Wertung zu den einzelnen Meinungen vorzunehmen. Diese erfolgt erst im Anschluß daran an geeigneter Stelle. 1. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofes
Zur Frage der Einordnung in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ausländischer Gesellschaften mit inländischem Verwaltungsitz hat die höchstrichterliche Rechtsprechung erst in jüngster Zeit Gelegenheit gehabt, Stellung zu beziehen. Während die Urteile des BFH zur Qualifikation rein inländischer und rein ausländischer Kapitalgesellschaften, also Gesellschaften, bei denen sich der Sitz und die Geschäftsleitung in einem Land befanden, schon seit langem und in großer Zahl vorliegen1, ist das bisher erste und einzige Urteil zu dieser Fragestellung auf den 23.6.1992 datiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Frage der Einordnung von nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz zumindest in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ungeklärt. Dem Urteil des Bundesfinanzhofes lag folgender Sachverhalt zugrunde. Drei im Inland ansässige natürliche Personen gründeten 1973 im Fürstentum Liechtenstein mittels Mandatsvertrag durch den Rechtsagenten L als Treuhänder eine liechtensteinische AG (M-AG) gemäß Art. 261 PGR (Liechtensteinisches Personen- und Gesellschaftsrecht), die auch in das dortige Handelsregister eingetragen war. Das gesamte Grundkapital wurde von den drei Klägern 1
Als Grundpfeiler der Rechtsprechung lassen sich, wie aus den vorausgegangenen Ausführungen ersichtlich, das Venezuela-Urteil des RFH v. 12.2.1930, RFHE 27 S. 73 sowie die Entscheidung des Großen Senats des BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 anführen.
Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung
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in Form von Inhaberaktien gehalten. Zum Verwaltungsrat, der neben der Gesellschafterversammlung das Organ der Gesellschaft bildet, wurde der Rechtsagent L bestellt. Dieser verpflichtete sich in seinem Mandatsvertrag, seine Tätigkeit gemäß den Instruktionen der Kläger auszuüben und auf Verlangen jederzeit als Verwaltungsratsmitglied zurückzutreten. Dieser erteilte den drei Anteilseignern Vollmacht, die AG zu vertreten. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts befand sich die Geschäftsleitung der liechtensteinischen AG bereits von der Gründung an im Inland. Im Inland, genauer am Ort der Geschäftsleitung, erwarb die AG Grundstücke, auf denen sie ein Warenhaus und einen Baumarkt errichtete, die dann vermietet wurden. Im Juni 1977 veräußerten die Kläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Inhaber der liechtensteinischen AG die Grundstücke. 1978 wurde die M-AG schließlich aufgelöst und die Löschung im liechtensteinischen Handelsregister eingetragen. Das Finanzamt beurteilte die AG zunächst nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung als GbR und erließ, wie auch von den Klägern erklärt, für die Jahre 1974 bis 1977 gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide, in denen jeweils erhebliche Verluste aus Vermietung und Verpachtung festgestellt und den Klägern zugerechnet wurden. Nach einer Außenprüfung änderte das Finanzamt jedoch seine Auffassung und stufte die M-AG als Körperschaftsteuersubjekt ein. In der dem Urteil des BFH vom 23.6.1992 vorausgegangenen Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf wurde der Klage der Anteilseigner der M-AG stattgegeben.2 Das Finanzgericht prüfte zunächst die Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG dieses nach deutschem Internationalen Gesellschaftsrecht nicht rechtsfähigen Gebildes. Erstere lehnte sie mit der Begründung ab, daß die M-AG keine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sei und auch eine Ausdehnung auf von ihren Strukturmerkmalen vergleichbare Rechtsgebilde aufgrund der abschließenden Regelung nicht möglich sei. Aber auch eine Subsumtion unter die sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts ist nach Auffassung des Finanzgerichts nicht möglich, da es der M-AG nach deutschem IPR an Rechtsfähigkeit mangelt. Gerade aber die Rechtsfähigkeit, die ausschließlich nach deutschem Recht zu beurteilen ist, ist kennzeichnend für die sonstigen juristischen Personen. Da es der M-AG wohl unzweifelhaft an Rechtsfähigkeit nach deutschem Recht mangelte, war noch die Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zu prüfen. Das Gericht lehnte diese jedoch mit der Begründung ab, daß dieser Personenverband im Hinblick auf seine wirtschaftliche Bedeutung einer deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts näher stand als einem nichtrechtsfähigen Verein, obwohl er formal über die Struktur einer Körperschaft verfugte. Entscheidend ist nach Ansicht des Finanzgerichts jedoch nicht die formale Struktur der Gesellschaft, sondern das Gesamterscheinungsbild, so wie es sich aus dem Auftreten im allgemeinen Rechtsverkehr und den tatsäch2
Vgl. FG Düsseldorf V. 6.11.1986, EFG 1987 S. 202.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
liehen Rechtsfolgen der gewählten Vertragsgestaltung ergibt.3 Entscheidend für die tatsächliche Beurteilung war zum einen die geringe Mitgliederzahl der Gesellschaft bestehend aus drei Anteilseignern, zum anderen der Zuschnitt der Gesellschaft auf gerade diese drei Personen. Der Bundesfinanzhof kommt im Gegensatz zum Finanzgericht Düsseldorf zu dem Ergebnis, daß die "liechtensteinische AG" mit inländischem Verwaltungssitz der Körperschaftsteuerpflicht unterliegt. Bei der Prüfung stellte der BFH zunächst darauf ab, wem die Einkünfte zuzurechnen sind.4 Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung verwirklicht derjenige den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung, der Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters ist. Der BFH kommt ohne nähere Begründung zu dem Ergebnis, daß die liechtensteinische AG als Vermieterin und damit als Einkünftezurechnungssubjekt zu betrachten ist und nicht die einzelnen Anteilseigner. Auf die Problematik der fehlenden Rechtsfähigkeit verwendet der Senat jedoch kein Wort. Daran anschließend befaßte sich der 9. Senat mit der Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der liechtensteinischen Gesellschaft. Hierin bestand mit dem Finanzgericht Düsseldorf insoweit Einigkeit, daß eine Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 KStG abzulehnen ist. In beiden Fällen ist Voraussetzung für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit die Rechtsfähigkeit, da beide streng an die Rechtsform anknüpfen.5 Die Frage der Rechtsfähigkeit ist nach Ansicht des 9. Senates nach deutschen Internationalen Privatrecht nach der im Zivilrecht herrschenden Sitztheorie zu beantworten. Diese verneint jedoch im Fall der liechtensteinischen AG mit Verwaltungssitz und Geschäftsleitung im Inland deren Rechtsfähigkeit. Insofern kann eine Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KStG nicht in Frage kommen. Das Fehlen der Rechtsfähigkeit schließt jedoch nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 3 KStG die Körperschaftsteuerpflicht nicht generell aus.6 Der BFH kommt nun im Gegensatz zum Finanzgericht Düsseldorf zu dem Ergebnis, daß die liechtensteinische AG nach § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 3 KStG der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt. Wie Ebenroth / Auer zu recht hinweisen, unterläßt es der 9. Senat jedoch, festzustellen, ob es sich bei der liechtensteinischen Gesellschaft nun um einen nichtrechtsfähigen Verein oder um eine sonstige Personenvereinigung handelt.7 Der BFH stützt sein Ergebnis zunächst auf den Wortlaut des Gesetzes in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 KStG, wonach die 3
Das Finanzgericht greift bei seiner Begründung auf das Venezuela-Urteil des RFH zurück. 4 Vgl. hierzu BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (972 f.). 5 Vgl. BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (973). 6 Vgl. BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (973 f.). 7 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1000).
I. Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung
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dort genannten Rechtsgebilde auch dann unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, wenn sie nur ihre Geschäftsleitung, nicht aber ihren Sitz im Inland haben.8 Das Gesetz knüpft dem Wortlaut nach alternativ an Sitz oder Geschäftsleitung im Inland an. Deshalb kann die fehlende Rechtsfähigkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland die Körperschaftsteuerpflicht nicht grundsätzlich ausschließen. Ob diese nun der Körperschaftsteuerpflicht unterliegt oder nicht, kann vielmehr nur im Einzelfall anhand eines Typenvergleiches entschieden werden. Hierbei ist zu untersuchen, ob sie "... dem "Typ" und der tatsächlichen Handhabung nach einer Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder einem anderen Körperschaftsteuersubjekt i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 KStG entspricht und - wenn das der Fall ist - ob sie selbst den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt oder ob das Einkommen nach dem KStG oder dem EStG bei anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist."9 Der Typenvergleich ist unter der Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und die Struktur der Gesellschaft vorzunehmen.10 Wie dies nun im Einzelfall zu geschehen hat, darüber gehen die Meinungen von BFH und dem Finanzgericht Düsseldorf doch stark auseinander. Während nach Ansicht des BFH die Gestaltung der inneren Verhältnisse der Gesellschaft im Einzelfall, namentlich die Anzahl der Gesellschafter, keine Rolle spielen, hat das Finanzgericht Düsseldorf bei der Beurteilung gerade der geringen Mitgliederzahl eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Auch ist es nach Ansicht des BFH entscheidungsunerheblich, ob das Organ nur eine unselbständige Stellung hat und inwieweit eine zivilrechtliche Haftung der Gesellschafter besteht. Beide Punkten bewogen das Finanzgericht Düsseldorf hingegen, die Gesellschaft eher dem Typ der deutschen Personengesellschaft zuzuordnen. Der Bundesfinanzhof und das Finanzgericht Düsseldorf kommen also hinsichtlich der Einordnung der "liechtensteinischen AG" zu einem anderen Ergebnis. Interessant ist, wie die unterschiedlichen Ergebnisse beider Instanzen Zustandekommen. Während das Finanzgericht Düsseldorf sich bei der Qualifikation des Gebildes ausschließlich am Status orientiert, so wie er nach deutschen Zivil- und Gesellschaftsrecht aufgrund der Sitztheorie für die nichtrechtsfähige Gesellschaft gegeben ist, beurteilt der Bundesfinanzhof die grenzüberschreitende liechtensteinische AG allein anhand ihrer Struktur, so wie sie nach liechtensteinischem Recht besteht, zurück. Der BFH greift also auf die "...maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft..."11 zurück. Der ausländische Rechtstyp wird 8
Vgl. BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (973 f.). BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (975). 10 Vgl. BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (975). 11 BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (975).
9
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dann einem Typenvergleich unterzogen, bei dem zu prüfen ist, ob die Gesellschaft dem Typ eines Körperschaftsteuersubjektes entspricht und ob sie selbst den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht, oder ob das Einkommen bei den Gesellschaftern originär der Besteuerung zu unterwerfen ist. Der BFH untersucht also nicht, ob es sich um eine Personenvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG nach zivilrechtlichen Grundsätzen handelt, sondern er wendet den Typenvergleich an, so wie er für die Einstufung ausländischer Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland Anwendung findet. Der BFH prüft die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit also anhand eines zweistufigen Typenvergleichs: zunächst untersucht er, ob das Gebilde nach den Grundsätzen des deutschen Zivilrechts Rechtsfähigkeit besitzt, er orientiert sich also strikt an den zivilrechtlichen Vorgaben. Auf der zweiten Stufe verläßt er das Zivilrecht und überprüft die Körperschaftsteuerpflicht anhand des vom RFH entwickelten Typenvergleichs, wobei er auf die Gesellschaft abstellt, so wie sie sich nach der ausländischen Rechtsordnung darstellt. Das Finanzgericht Düsseldorf nimmt zwar auch Bezug auf das Urteil des RFH v. 12.2.1930, prüft jedoch die Gesellschaft anhand der tatsächlichen Kriterien, so wie sie sich unter Einbeziehung der Konsequenzen der Sitztheorie darstellt. Maßgeblich ist allein das Zivilrecht.12 Die Auffassung des 9. Senats wurde in dem kurz darauf ergangenen Urteil des 1. Senats im Ergebnis bestätigt.13 Der BFH hat in diesem Urteil die Frage, ob im Steuerrecht die Sitz- oder die Gründungstheorie anzuwenden ist, offengelassen. Sowohl bei Anwendung der Gründungstheorie als auch der Sitztheorie wäre die zu beurteilende Gesellschaft als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig einzustufen gewesen. "Nach der Sitztheorie wäre sie zumindest nach § 3 Abs. 1 KStG 1977 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Sie wäre nämlich eine Personenvereinigung, die unbeschadet ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit für Zwecke der Besteuerung wie eine juristische Person zu behandeln wäre, da ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) unmittelbar bei anderen Steuerpflichtigen zu besteuern ist."14 Der Theorienstreit war in diesem konkreten Fall im Ergebnis also bedeutungslos.15 Die Ausführungen des 1. Senats sprechen aber dafür, daß er, ohne sich dahingehend konkret zu äußern, die zivilrechtlichen Vorgaben für die steuerliche Beurteilung als beachtlich erklärt. Anderenfalls hätte er auf den international privatrechtlichen Streit und die sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht eingehen dürfen. Ob er, wie der 9. Senat, auf der zweiten Stufe 12
In diesem Sinne interpretieren auch Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1003) das Urteil. 13 Vgl. BFH v. 1.7.1992, BStBl 1993 Π S. 222. 14 BFH v. 1.7.1992, BStBl 1993 Π S. 222 (223). 15 In diesem Sinne ist bereits auch die Vorinstanz verfahren und ist zu der gleichen Beurteilung des Sachverhalts gelangt. Vgl. hierzu FG Niedersachsen v. 4.7.1991, RIW 1991 S. 1058.
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den Typenvergleich anwenden will, läßt der erkennende Senat allerdings offen, wie die letzte Passage des 2. Abschnittes zeigt.16 2. Das Meinungsspektrum in der Literatur
Für das Meinungsspektrum in der Literatur ist kennzeichnend, daß es zwei grundsätzliche Tendenzen zur Frage der Subjektqualifikation ausländischer Kapitalgesellschaften gibt. Die eine Gruppe befürwortet eine eigenständige, vom Zivilrecht getrennte steuerliche Qualifikation dieser ausländischen Gebilde, während die andere Gruppe eine strikte Anbindung des Steuerrechts an das Zivilrecht in dieser Frage fordert. So einheitlich sich die Ergebnisse beider Gruppen auch darstellen mögen, so unterschiedlich ist die Argumentation der einzelnen Autoren im Hinblick auf die Begründung ihres Ergebnisses. Insofern zeichnet sich keine klare Linie ab. a) Die Verfechter einer eigenständigen steuerrechtlichen Qualifikation Als wohl vehementester Vertreter dieser Gruppe kann Debatin bezeichnet werden, der in mehreren Aufsätzen seinen Standpunkt dargelegt hat.17 Ausgangspunkt seiner Argumentation ist der Aufbau des Tatbestandes der Körperschaftsteuerpflicht. Danach ist eine Unterscheidung zwischen dem Steuersubjekt und der Steuerpflichtart zu treffen: Zunächst ist die Frage nach dem Steuersubjekt zu klären. Die Entscheidung ob ein Gebilde Körperschaftsteuersubjekt ist, ist unabhängig von der Entscheidung zu treffen, ob dieses unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist.18 Der Umfang der Steuerpflicht ist erst auf der nächsten Stufe, der Steuerpflichtart zu klären. Auf der ersten Stufe ist die Einordnung von Körperschaftsteuersubjekten demnach nach den gleichen Grundsätzen zu treffen. Für die Subjektfähigkeit ist nämlich auf die Gesamtheit der Vorschriften von §§ 1 bis 3 KStG abzustellen, so daß der Einstufung als Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse eine einheitliche Wertung zugrunde liegt.19 Debatin stützt sein Ergebnis insbesondere auch auf das BFH-Urteil vom 17.7.196820, nach dem allein nach deutschem Steuerrecht zu entscheiden ist, ob eine Personenvereinigung zu den 16
Vgl. BFH v. 1.7.1992, BStBl 1993 Π S. 222 (223 rechte Spalte unten). Vgl. Debatin, H., BB 1988, S. 1155; ders., BB 1990 S. 1457; ders., GmbHR 1991 S. 164. 18 Vgl. Debatin, H., BB 1990 S. 1457 (1459). 19 Vgl. Debatin, H., BB 1990 S. 1457 (1459); Debatin spricht insofern von einem gemeinsamen Stamm der von § 1 und 2 KStG erfaßten Subjekte. Vgl. hierzu Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (165). 20 Vgl. BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695. 17
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Körperschaftsteuersubjekten zählt und diese demzufolge unbeschränkt oder beschränkt mit ihren inländischen Einkünften der deutschen Körperschaftsteuer unterliegt, wenn sie zu den Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen im Sinne der §§ 1 bis 3 KStG gehört. Der Frage der Rechtsfähigkeit mißt Debatin bei der Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt keinerlei Bedeutung bei. Zum einen zeigt § 3 KStG, daß das Fehlen der Rechtsfähigkeit die körperschaftsteuerliche Subjektfähigkeit nicht ausschließt.21 Zum anderen kann die im Inland verliehene Rechtsfähigkeit als Erfordernis nicht auch auf ausländische Gesellschaften ausgedehnt werden, da diesen ihre Rechtsfähigkeit nicht vom deutschen Staat, sondern von einer ausländischen Rechtsordnung verliehen wurde.22 Diese Tatsache ist ja gerade das ausländische Gesellschaften kennzeichnende Merkmal. Insofern setzt sich das deutsche Steuerrecht über den zivilrechtlichen Theorienstreit hinweg, so daß ihm letztlich keinerlei Bedeutung mehr beigemessen wird. 23 Da die Rechtsfähigkeit nicht unabdingbares Merkmal der Körperschaftsteuerpflicht ist, können ausländische Gesellschaften trotz im Inland fehlender Rechtsfähigkeit grundsätzlich Körperschaftsteuersubjekte sein. Insofern ist nach Ansicht von Debatin der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG genannte Katalog nicht auf Gesellschaften der deutschen Rechtsordnung beschränkt, sondern er ist auch auf entsprechende ausländische Rechtsformen auszudehnen.24 Ob eine ausländische Kapitalgesellschaft nun Körperschaftsteuersubjekt ist, und wenn ja, unter welche Form es zu subsumieren ist, soll anhand eines Typenvergleiches bestimmt werden. Debatin stützt seine These insbesondere auf das Venezuela-Urteil des RFH, der bei rein ausländischen Gesellschaften die Frage nach der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht eben anhand des Typenvergleiches beantwortet hat.25 Über die Rechtsprechung des BFH, der den Begriff der Kapitalgesellschaft für den Bereich des Körperschaftsteuerrechts in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einer erweiterten Auslegung für nicht zugänglich hält und hierin eine abschließende Bestimmung sieht26, setzt sich Debatin mit dem Argument hinweg, daß dies nur für die nach deutschem Recht als Kapitalgesellschaften qualifizierten Rechtsgebilde gelten könne.27
21
Vgl. Debatin, H., BB 1988 S. 1155 (1157); Debatin spricht in diesem Zusam-
menhang von zivilrechtlicher
Eigenständigkeit.
22
Vgl. Debatin, H., BB 1988 S. 1155. 23 Vgl. Debatin, H., BB 1990 S. 1457 (1459); zustimmend Dötsch, E., DB 1989 S. 2296 (2299). 24 Vgl. Debatin, H., BB 1988 S. 1154 (1157); zustimmend Dötsch, E., DB 1989 S. 2296 (2299). 25 Auf den Typenvergleich stellt auch Hartmann, U., DB 1987 S. 122 (124) ab. 26 Vgl. BFH v. 2.12.1970, BStBl 1971 Π S. 187; diese Rechtsprechung wurde durch das Urteil des Großen Senats v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (754 f.) voll bestätigt. 2 7
Vgl. Debatin, H., BB 1988 S. 1154 (1157).
Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung
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Die Ansicht Debatins wird auch von Kluge und Raupach geteilt.28 Kluge folgt Debatin zum einen in dessen Ansicht, daß die Frage der Subjekteigenschaft von den Anknüpfungspunkten für die unbeschränkte Steuerpflicht zu trennen sei.29 Zum anderen ist die Frage der Subjekteigenschaft, also die Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt getrennt vom Zivilrecht allein nach steuerrechtlichen Kriterien zu beantworten.30 Kluge bezieht sich -wie Debatin- auf die Venezuela-Entscheidung des RFH und leitet daraus eine Qualifikation der ausländischen Gesellschaften nach der sog. lex fori ab 31 . Nach Ansicht von Raupach 3 2 ist es für die Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt entscheidend, daß das ausländische Gebilde wie ein körperschaftsteuerliches Gebilde lebt und im Wirtschaftsverkehr als solches auftritt. 33 Auch der Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter kann als solches allein nicht zur Versagung der Körperschaftsteuerpflicht fuhren. Raupach stellt also bei der Qualifikation allein auf die tatsächliche Struktur der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ab. Henkel34 will auf ausländische Gesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung ebenfalls auf den Typen vergleich zurückgreifen. Er sieht im Körperschaftsteuerrecht eine Regelungslücke für diese Gesellschaften, da §§ 1 bis 3 KStG keine ausdrückliche Regelung für diese Gesellschaften vorsehen.35 Dem System der §§ 1 bis 3 KStG ist jedenfalls die Anerkennung ausländischer Rechtsformen als inländische Körperschaftsteuersubjekte keinesfalls fremd. Da dem Gesetzgeber die zu regelnde Fallvariante nicht bewußt geworden ist, kann die Regelungslücke rechtsfortbildend im Wege der Analogie geschlossen werden. Die alternative Anknüpfung "Sitz oder Geschäftsleitung" des Steuerrechts, die als eigenständige Wertung gegenüber dem Zivilrecht zu sehen ist, darf deshalb nicht durch das Internationale Privatrecht unterlaufen werden. Während die bisher zitierten Autoren die Sitztheorie für den Bereich des Internationalen Gesellschaftsrechts nicht in Frage stellen, sondern nur die Gültigkeit für das Steuerrecht verneinen, gibt es eine kleine Gruppe, die sowohl im Internationalen Gesellschaftsrecht wie auch im Steuerrecht die Sitztheorie vehement ablehnen. Insbesondere Knobbe-Keuk hat sich leidenschaftlich ge28
Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 48 f., 94. Vgl. Kluge, V. (Steuerrecht, 1992) S. 48. 30 Vgl. Kluge, V: (Steuerrecht, 1992) S. 94. 31 Vgl. Kluge, V., DStR 1976 S. 365; In diesem Aufsatz behandelt Kluge nicht explizit ausländische Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz bzw. inländischer Geschäftsleitung, sondern befaßt sich mit rein ausländischen Gesellschaften. Erst später überträgt Kluge seine Ansicht auch auf ausländische Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz. (Vgl. FN 28 - 30). 32 Vgl. Raupach, A. (Sitz, 1988) S. 71. 33 In diesem Sinne auch Jakobs, H., StuW 1970 S. 588 (600). 34 Vgl. Henkel, U., RIW 1991 S. 565. 35 Vgl. Henkel, U., RIW 1991 S. 565 (569). 29
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gen die Anwendung in beiden Rechtskreisen gewährt. Aber selbst bei Anwendung der Sitztheorie bejaht Knobbe-Keuk die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz.36 Entscheidend für die Einordnung Einkommensteuer - Körperschaftsteuer ist allein die gesellschaftsrechtliche Struktur und die wirtschaftliche Stellung der ausländischen Gesellschaft im Vergleich zu den deutschen Gesellschaftsformen.37 Auch sie stellt auf den Typen vergleich ab. Für das Ergebnis führt Knobbe-Keuk drei Hauptargumente an. Zum einen ist die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit nicht an das Vorliegen der Rechtsfähigkeit gekoppelt, wie § 3 KStG zeigt. Desweiteren ist der in § 1 KStG aufgeführte Katalog an Körperschaftsteuersubjekten nur für nach deutschem gegründete Gesellschaften maßgebend. Schließlich verweist sie auf den Wortlaut von § 1 KStG, wonach steht: unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtig sind die folgenden Körperschaften ..., die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben.38 Würde man grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften also aus dem Kreis unbeschränkt steuerpflichtiger Körperschaftsteuersubjekte ausschließen, so würde die alternative Anknüpfung ihres Sinnes beraubt und hätte allenfalls den Charakter einer Leerformel. Auch Eppler will eine Abkehr von der Sitztheorie, die er als anachronistisch bezeichnet.39 Seiner Ansicht nach sollte zumindest die Finanzverwaltung ihr Festhalten an den Wertungen der Sitztheorie für das Steuerrecht überdenken, da dieses andere Möglichkeiten besitzt, mißbräuchlichen Gestaltungen zu begegnen. Die Vertreter einer eigenständigen steuerlichen Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften stützen ihre Ansicht im wesentlichen auf die Venezuela-Entscheidung des RFH und das sich daran anschließende Urteil des BFH v. 17.7.1968.40 Sie erblicken hierin eine allgemeine Begründung, daß "ausländische" Kapitalgesellschaften unabhängig vom Merkmal der Rechtsfä36
Vgl. Knobbe-Keuk, B., JbFfStR 1990/91 S. 69 (78 ff.); dies., StuW 1990 S. 372 (375 f.); dies., DB 1992 S. 2070; dies. (Bilanzrecht, 1993) S. 574 ff. 37 Vgl. Knobbe-Keuk, B. (Bilanzrecht, 1993) S. 576, 578. 38 Vgl. Knobbe-Keuk, B., JbFfStR 1990/91 S. 69 (78 ff); dies., StuW 1990 S. 372 (375 f.). 39 Vgl. Eppler, G., DB 1991 S. 1949 (1951). 40 In diesem Sinne auch Blümich / Falk, § 1 KStG Anm. 80 ff; Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 67 ff; Großfeld, B. / Luttermann, C., IPrax 1993 S. 230; Großmann, K. (Kapitalgesellschaften, 1995) S. 28; Hartmann, U., DB 1987 S. 122 (124), HHR, § 1 KStG Anm. 101; Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 101 ff.; Jakobs, H., StuW 1970 S. 588 (601); Kläschen, § 1 KStG Anm. 32 ff; Piltz, D., FR 1985 S. 347 (348); Runge, B. (Ansässigkeit, 1987) S. 7; Runge, B. / Schäfer, S., IWB Fach 10 Gruppe 2 S. 615 (618). Insofern kann durchaus von der h.M. gesprochen werden, die sich für einen Typenvergleich bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausgesprochen hat.
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higkeit allein anhand ihrer tatsächlichen Struktur auch als Körperschaftsteuersubjekte im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG qualifiziert werden können. Allgemein heißt in diesem Zusammenhang, daß die Steuersubjektqualifikation ausländischer Gesellschaften unabhängig davon vorzunehmen ist, ob deren beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht in Frage steht. Gerade aber auch die Vorschrift des § 3 Abs. 1 KStG soll zeigen, daß das Merkmal der Rechtsfähigkeit nicht entscheidend für die Frage der Körperschaftsteuerpflicht sein kann. Darin sehen sie gewissermaßen also die "gesetzliche Legitimation" einer von der Rechtsfähigkeit abstrahierenden Betrachtungsweise des Körperschaftsteuerrechts. Nur die sich an einem Typenvergleich orientierende Betrachtungsweise kann dem Grundsatz einer an den Prinzipien der wirtschaftlichen Betrachtungsweise verpflichteten Besteuerung gerecht werden. Gerade der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordert im Falle der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften eine typologische Qualifikation. 41 Nur so kann dem verfassungsrechtlich normierten Gleichheitspostulat des Art. 3 GG genüge geleistet werden.42 b) Die Verfechter orientierten
einer streng am Zivilrecht Betrachtungsweise
Neben den Vertretern einer eigenständigen, vom Zivilrecht abweichenden Betrachtungsweise gibt es eine zweite Strömung, die für die Frage der Einordnung bzw. Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften streng an die zivilrechtlichen Vorgaben anknüpfen wollen. Als Hauptvertreter dieser Strömung ist Ebenroth zu nennen, der in jüngerer Zeit mehrmals zu dieser Frage Stellung bezogen hat.43 Ebenroth will an die zivilrechtliche Betrachtungsweise in zweifacher Hinsicht anknüpfen. Zum einen soll die im Internationalen Gesellschaftsrecht herrschende Sitztheorie auch im Steuerrecht zur Anwendung gelangen mit der Folge, daß die ausländische Gesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung und inländischen Verwaltungssitz im Inland als nichtrechtsfähiges Gebilde einzustufen ist.44 Dieses nichtrechtsfähige Gebilde soll dann der steuerlichen Qualifikation unterzogen werden. Zum anderen ist nach Ansicht Ebenroths der Katalog der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 5 KStG genannten Subjekte streng an die zivilrechtlichen 41
Vgl. Hartmann, U., DB 1987 S. 122 (123 f.). Auf Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere abstellend Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 93 ff. 43 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 S. 998 ff; dies., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 1 f.; dies., GmbHR 1994 S. 16 ff. 44 In diesem Sinne bereits Sarrazin, V., FR 1985 S. 466 (467). 42
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Rechtsformen geknüpft. Die strikte Anknüpfung an das Zivilrecht soll nicht nur für rein inländische Gesellschaften gelten, sondern auch ausländische Gesellschaften sind daran zu messen.45 Ebenroth stützt sich bei seiner Argumentation im wesentlichen auf den Beschluß des Großen Senats vom 25.6.1984, in dem der BFH eine strikte Anbindung der Körperschaftsteuersubjekte an die zivilrechtliche Rechtsformen festlegte.46 Nicht nur der Begriff der Kapitalgesellschaft ist zivilrechtlich auszulegen, sondern auch die Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG knüpft sowohl formell und strukturell an die zivilrechtliche Rechtsform der Personenvereinigung. Diese enge Bindung des Steuerrechts an das Zivilrecht ist nach Ebenroth auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgesichert, die gerade die enge Bindung des Steuerrechts an das Zivilrecht betont.47 Auch die eigenständige steuerliche Qualifikation im Falle rein ausländischer Gesellschaften durch die Rechtsprechung kann nach Ebenroth kein Argument für eine streng am Zivilrecht orientierte Auslegung für die unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte sein. Die zum Rechtstypenvergleich ergangenen Urteile behandelten nur Fälle, in denen die ausländische Gesellschaft weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hatten. Insofern sei eine Übertragung auf Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz nicht möglich.48 Das Ergebnis der von Ebenroth geforderten zivilrechtlichen Anknüpfung ist, daß die Qualifikation der Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt nur im Wege einer Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist. zu prüfen ist, ob die nichtrechtsfähige Personenvereinigung der Struktur nach ein nichtrechtsfähiger Verein bzw. eine diesem in der Struktur nach entsprechende sonstige nichtrechtsfähige Personenvereinigung darstellt oder aber einer GbR bzw. einer oHG entspricht.49 Einer streng am Zivilrecht orientierten steuerlichen Betrachtungsweise folgt auch Buyer.50 Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist eine Differenzierung zwischen vermögenden zuziehenden Gesellschaft und einer sog. "pseudoforeign" corporation, die sowohl für die zivilrechtliche als auch die steuerrechtliche Beurteilung gelten soll. Die zuziehende vermögende Gesellschaft hat bereits vor dem Zuzug in das Inland in ihrem Gründungsstaat eigene über 45 Vgl. auch Oppermann, R., DB 1988 S. 1469 (1470); Sarrazin, V., FR 1985 S. 466 (466). 46 Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (757 f). 47 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 18. 48 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 17. 49 Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1007). 50 Vgl. Buyer, C., DB 1990 S. 1682 ff.
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die Gründung hinausgehende Aktivitäten entfaltet und hat daher schon Vermögen erworben und angesammelt. Bei der "pseudo-foreign" corporation hingegen handelt es sich um Gesellschaften, die zum Zeitpunkt des Zuzuges weder wesentliches Vermögen besitzen noch vor dem Zuzug in größeren Umfange rechtsgeschäftlich tätig war. Im Gegensatz zur vermögenden Gesellschaft ist für sie also kennzeichnend, daß ihr von Anfang an nach deutschem Recht die Rechtsfähigkeit fehlt. 51 Bei der vermögenden zuziehenden Gesellschaft wirft die Sitztheorie die Frage auf, ob die Kapitalgesellschaft im Inland nur ihre Rechtsfähigkeit verliert, oder ob ihr darüber hinaus gleichzeitig die Fähigkeit abgesprochen wird, Trägerin ihres bisherigen Vermögens zu sein. Buyer will der Gesellschaft den Status einer zwar nicht (voll) rechtsfähigen Gesellschaft, aber doch latent existierenden Gesellschaft zubilligen, die damit auch Trägerin ihres bisherigen Vermögens bleibt. Er stützt seine These auf den Vergleich mit einer im Handelsregister gelöschten deutschen Kapitalgesellschaft, die solange latent weiter existiert, wie sie noch eigenes Vermögen besitzt. Beiden Gesellschaftsformen fehlt es lediglich an dem Akt der Eintragung. Diese zivilrechtliche Betrachtung soll nun für die steuerrechtliche Qualifikation maßgebend sein. Da das Vermögen zivilrechtlich weiterhin der Gesellschaft und nicht den dahinterstehenden Gesellschaften zuzuordnen ist, kann nur die Gesellschaft selbst Inhaberin der Einkommensquelle sein. Die Gesellschafter scheiden hingegen aus. Da die Zurechnung der Einkommensquelle zu der Gesellschaft oder zu den Gesellschaftern über die Frage Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht entscheidet, ergibt sich zwangsläufig die Körperschaftsteuerpflicht der "latent" existierenden Gesellschaft.52 Interessant an Buyers These ist, daß hier nicht so sehr die Steuersubjektfähigkeit der zugezogenen Gesellschaft entscheidend ist, sondern die Frage nach dem Rechtsträger des Vermögens Beurteilungsmaßstab ist. Daran anknüpfend stellt sich die weiter Frage, welcher der Körperschaftsteuersubjekte des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG die zugezogene ausländische Kapitalgesellschaft nun zuzuordnen ist. Einerseits ist nach Ansicht Buyers der Katalog der unter Nr. 1 genannten Kapitalgesellschaften zu eng, so daß eine am Wortlaut des Gesetzes ausgerichtete Auslegung nicht in Frage kommt. Vielmehr sollen auch ausländische Kapitalgesellschaften hierunter subsumiert werden können. Andererseits mißt er Rechtsfähigkeit für die Einordnung unter Nr. 1 wohl entscheidende Bedeutung bei. Insofern ist eine Einordnung als Zweckvermögen im Sinne von Nr. 5 vorzunehmen, da es der nur latent exi-
51 52
18 Herz
Vgl. Buyer, C., DB 1990 S. 1682. Vgl. Buyer, C., DB 1990 S. 1682 (1692).
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stierenden Gesellschaft gerade an dem Kriterium der Rechtsfähigkeit mangelt.53 Einen Mittelweg schlägt Salditi mit seiner "typologischen Alternative" ein.54 Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die typologische Betrachtung von Verein und Gesellschaft im Zivilrecht, die sich letztlich nicht durch kontradiktorische Gegensätze voneinander trennen, sondern sich durch Mischformen und Zwischenstufen einander annähern. Im System Körperschaftsteuer ist eine solche Annäherung nicht gegeben, sondern der Verein ist vollwertiges Körperschaftsteuersubjekt. 55 Eine Besteuerung als Verein i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG lehnt Salditt jedoch ab, da der Verein nur deshalb der Körperschaftsteuer unterliegt, um seine wirtschaftliche Kraft überhaupt zu erfassen. Grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften sind jedoch von vornherein auf Einlagen und Gewinnausschüttungen hin angelegt, so daß sie sich in dieser Hinsicht völlig vom Verein unterscheiden.56 Da Salditt grundsätzlich an zivilrechtlichen Anknüpfung des Körperschaftsteuergesetzes in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KStG festhalten will, andererseits eine Behandlung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG seiner Ansicht nach gerade zu artifiziell ist, muß zwischen diese beiden Formen ein Drittes im Sinne einer tatbestandlichen Erweiterung treten. "Diese Betrachtungsweise relativiert die Grenzen des zivilrechtlichen Begriffs der Kapitalgesellschaft, um das Steuergesetz darüber hinaus auf einen zugeordneten organisatorischen "Typus" zu erweitern."57 Diese typologische Unterscheidung trägt jedoch den Nachteil der Unschärfe in sich. Er versucht deshalb diese Unterscheidung durch einen Rückgriff auf die Wertungen des § 17 EStG "operationaler" zu gestalten. Nach diesem Lösungsvorschlag soll die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft grundsätzlich als Körperschaftsteuersubjekt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu werten sein. Er will allerdings dann eine Ausnahme hiervon machen und die Einkünfte den Gesellschaftern nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG direkt zurechnen, wenn die Gesellschaft nur aus Gesellschaftern besteht, die zu mehr als einem Viertel beteiligt sind. Der Lösungsweg von Salditt unterscheidet sich also von seiner Begründung durchaus von der, die die Vertreter einer eigenständigen steuerlichen Lösung anführen. Zum einen will Salditt grundsätzlich die zivilrechtlichen Vorgaben respektieren und das Körperschaftsteuergesetz nicht auf die besondere wirtschaftliche Organisationsform reduzieren.58 Zum anderen ist seiner Ansicht nach weder das Venezuela-Urteil des RFH noch das BFH-Urteil vom 53 54 55 56 57 58
Vgl. Buyer, C., DB 1990 S. 1682 (1693). Vgl. Salditt, F., StuW 1971 S. 191. Vgl. Salditt, F., StuW 1971 S. 191 (195). Vgl. Salditt, F., StuW 1971 S. 191 (196). Salditt, F., StuW 1971 S. 191 (198). Vgl. Salditt, F., StuW 1971 S. 191 (196 ff.).
L Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung
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17.7.1968 auf den Fall der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft übertragbar. 59 Beide sind daher nicht das Argument für eine typologische Einstufung, sondern allein die besondere Struktur, die eine Einstufung als Mitunternehmerschaft verbietet, macht eine solche erforderlich. c) Die Ansicht Wassermeyers Einen völlig eigenständigen, von den bisher dargestellten Lösungsvorschlägen abweichenden Weg schlägt Wassermeyer ein. 60 Seine Löungsalternative geht dahin, die Sitzverlegung vom Ausland ins Inland aus Gründen einer objektiven Unmöglichkeit steuerlich nicht anzuerkennen.61 Im Ergebnis wird die zugezogene Gesellschaft als beschränkt steuerpflichtig behandelt, obwohl sie ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Er setzt sich mit dieser Sichtweise im Ergebnis über tatsächliche Gegebenheiten hinweg, da sich die Geschäftsleitung im Inland befindet. Beschränkt steuerpflichtig nach § 2 Nr. 1 KStG sind aber nur Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben. Er will das Problem dadurch lösen, indem er den Ort der Geschäftsleitung in gewisser Hinsicht modifiziert. Neben den tatsächlichen Gesichtspunkten soll die Geschäftsleitung auch danach beurteilt werden, wo der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in rechtlich zulässiger Weise ist.62 Wassermeyer sieht den Vorteil seines Lösungsvorschlages zum einen darin, daß es sich hierbei um eine am Wortlaut von §§ 1 und 2 KStG orientierte Auslegung handelt. Auch der neueren BFH-Rechtsprechung soll hiermit genüge geleistet werden, da die unbeschränkte Körperschaftsteuersubjektfähigkeit an die Zivilrechtsfähigkeit anknüpft. Auch den Zielsetzungen der Sitztheorie wird Rechnung getragen, da die Gesellschaft als beschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt von dem Anrechnungsverfahren ausgeschlossen ist, und somit ein Anreiz zur Sitzverlegung unterbunden wird. 63 59
Vgl. Salditt, F., StuW 1971 S. 191 (192 und 194); in diesem Sinne auch Lehner, RIW 1988 S. 201 (212). 60 Vgl. Wassermeyer, F., DB 1990 S. 244. 61 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz will Wassermeyer nur dann zulassen, wenn die zugezogene Gesellschaft im Inland in das Handelsregister eingetragen wird. Vgl. Wassermeyer, F., DB 1990 S. 244 (245). 62 Vgl. Wassermeyer, F., DB 1990 S. 244 (245); Wassermeyer meint, daß damit dem Wortlaut des § 10 AO keinerlei Gewalt angetan wird, sondern man müßte sich nur von einigen liebgewonnenen Vorstellungen lösen. 63 Wassermeyer scheint sich in einem späteren Aufsatz von der Sitztheorie zu distanzieren. In einer Urteilsbesprechung kritisiert er, daß der BFH die Geltung der Sitztheorie auch für das Steuerrecht festgeschrieben hat, ohne sich grundlegend mit der 18*
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F. Die systemadäquate Qualifikation
Die Ansicht Wassermeyer hat m.E. zu Recht von mehreren Seiten Kritik erfahren. Die Fiktion, die Gesellschaft hätte ihre Geschäftsleitung weiterhin im Ausland, steht im Mittelpunkt der Kritik. Wie bereits oben angemerkt, hat die Gesellschaft ihre Geschäftsleitung in das Inland verlegt. Hätte sie dies nicht getan, würden keinerlei Probleme im Hinblick auf die Sitztheorie entstehen, da sich dann der Verwaltungssitz64 weiterhin im Gründungsstaat befinden würde und die Gesellschaft somit weiterhin als rechtsfähig anerkannt werden würde. Die These entbehrt daher jeder Rechtsgrundlage und geht an der Realität vorbei.65 Aber auch die Neudefinition der Geschäftsleitung ist nicht ohne Widerspruch geblieben. Debatin spricht insofern von einer Denaturierung des Begriffsgehaltes der tatsächlichen Geschäftsleitung.66
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit als systemgerechtes Kriterium 1. Die Forderung nach einer dem Gleichheitsprinzip verpflichteten Auslegung und die Notwendigkeit der Findung eines sachgerechten Vergleichsmaßstabes innerhalb des Systems
Rein inländische und rein ausländische Gesellschaften, also Gesellschaften, bei denen sowohl der Sitz als auch der Ort der Geschäftsleitung in ein und demselben "Steuerhoheitsgebiet" liegen, lassen sich nach den allgemeinen Grundsätzen einer eindeutigen Regelung zuführen. In Abhängigkeit von der Form der Steuerpflicht sind zwar auf beide unterschiedliche Regelungssysteme und Auslegungsgrundsätze anzuwenden, dennoch bereitet die Einordnung heute keine großen Probleme mehr. Für die hier interessierenden Gesellschaften stellt sich jedoch ein ganz besonderes Problem, da diese Gesellschaften die Rechtsordnung zweier Staaten tangieren. Sie stellen also gewissermaßen einen "Zwitter" dar. Diese Zwitterstellung zeigt sich besonders bei den zuziehenden Gesellschaften, da sich diese Gesellschaften nach den Regelungen ausländischen Rechts konstituiert haben, aufgrund des inländischen Verwaltungssitzes bzw. der inländischen Geschäftsleitung aber der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen könnten. Diese Gesellschaften verbinden also von ihGründungstheorie auseinandergesetzt zu haben. Gerade innerhalb der EG ist die Sitzeorie seiner Meinung nach untragbar. Vgl. hierzu Wassermeyer, F., ISTR 1992 S. 27. 64 Hierbei wird ein Gleichlauf von Verwaltungssitz und der Geschäftsleitung unterstellt. 65 Vgl. Knobbe-Keuk, B., JbFfStR 1990/91 S. 79; dies., StuW 1990 S. 372 (375); Knobbe-Keuk "unterstützt" ihn aber dahingehend, als er die Folgen der Sitztheorie für das Steuerrecht unterbinden will. Ihrer Meinung nach sollte Wassermeyer aber stattdessen die Sitztheorie selber ablehnen, anstelle sie über Umwegen aus dem Steuerrecht zu verbannen. 66 Vgl. Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (165).
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit
277
rem Wesen sowohl Elemente der beschränkten wie der unbeschränkten Steuerpflicht. 67 Diese Besonderheit ist es, die die Probleme bei der Qualifikation dieser Gesellschaftsformen hervorruft. Zu fragen ist daher, nach welchen Grundsätzen diese Gesellschaften in das geltende System der Besteuerung einzuordnen sind. Sind hierfür etwa neue Grundsätze aufzustellen, oder sind sie nach den allgemeinen Prinzipien zu qualifizieren? Sind sie nach den Prinzipien für beschränkt steuerpflichtige oder für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaften einzustufen? Da, wie oben bereits dargelegt, keine Quellen des internationalen Rechts in der Frage der Qualifikation weiterhelfen, muß eine Lösung allein anhand des innerdeutschen Steuerrechts gefunden werden. Maßgebender Auslegungsgesichtspunkt ist das Gleichheitsprinzip. Daher gilt das vorrangige Augenmerk der Findung des richtigen Vergleichsmaßstabes, anhand dessen die Einordnung stattfinden muß. Nur so kann den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips entsprochen werden. Welcher der beiden Prinzipien bzw. Kriterien für die hier interessierenden Gesellschaften Anwendung finden soll, läßt sich a priori nicht bestimmen. Eine Bestimmung kann vielmehr wiederum nur anhand der Grundgedanken des Leistungsfähigkeitsprinzips und dessen Ausgestaltung im einzelnen, so wie sie sich also im Gesetz selber niedergeschlagen haben, erfolgen. Das Gleichheitsprinzip muß dabei aber in mehreren Richtungen Beachtung finden. Zum einen muß "Gleichheit" in der steuerlichen Behandlung zwischen den in Frage stehenden Gesellschaftsformen untereinander bestehen, zum anderen muß aber Gleichheit auch im Vergleich zu den inländischen Gesellschaftsformen hergestellt werden. Nur bei Beachtung der allumfassenden Reichweite des Gleichheitspostulats im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG kann eine systemgerechte Besteuerung erfolgen. Eine für die Anwendung der Methode der strikten Rechtsformabhängigkeit oder der Methode des Typenvergleichs zunächst bedeutsame Frage ist die, ob die beschränkte Steuerpflicht und die unbeschränkte Steuerpflicht auf den gleichen Prinzipien bzw. Vergleichsmaßstäben, anhand derer der Gleichheitssatz erst seine Konkretisierung erhält, basieren. Liegen beiden nämlich unterschiedliche Wertungsprinzipien zugrunde, so verbietet sich eine unbesehene Übernahme des Typenvergleichs mit dem Argument der Gleichbehandlung auf die hier in Frage stehenden Gebilde. Eine Gleichbehandlung kann immer nur im Hinblick auf die zugrundeliegenden Prinzipien und den darauf abgestimmten Kriterien erfolgen. Sollte demnach der unbeschränkten Steuerpflicht das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der beschränkten Steuerpflicht das Äquivalenzprinzip zugrundeliegen, so kann das Kriterium des einen Prinzips nicht unbesehen auf das andere Prinzip übertragen werden. Eine dem Gleichheitssatz entsprechende Behandlung wird hiermit nicht gewährleistet, vielmehr muß hier zunächst vom Umkehrschluß 67
Diese Ausdrucks weise ist nicht ganz richtig; sie würde nur für den Fall gelten, wenn es sich um Körperschaftsteuersubjekte in jedem Falle handeln würde.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
ausgegangen werden, daß unterschiedliche Prinzipien auch unterschiedlicher Kriterien bedürfen. Damit soll aber nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Typenvergleich bei den interessierenden Personen Vereinigungen, deren unbeschränkte Körperschaftsteuersubjektfähigkeit in Frage steht, den Anforderungen des Gleichheitsprinzips in jedem Falle widerspricht. Es würde sich lediglich eine unbesehene Übernahme des Typenvergleichs verbieten, der nur auf die Tatsache gestützt wird, es handele sich um ausländische Gesellschaften. Vielmehr müssen bei Geltung unterschiedlicher Prinzipien substantiierte Gründe, die für ein Abgehen von den Grundsätzen der Rechtsformabhängigkeit sprechen, dargelegt werden. Da im Rahmen dieser Arbeit die Frage nach den Prinzipien, die der beschränkten und der unbeschränkten Steuerpflicht zugrundeliegen, nicht Hauptgegenstand der Untersuchung ist, wird im folgenden entsprechend der h.M. davon ausgegangen, daß beide Steuerpflichtarten den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips gerecht werden müssen. Zudem hat die Frage nach der Geltung der Prinzipien keinen Einfluß auf das Ergebnis, wie die folgende Untersuchung zeigen wird. Basieren hingegen sowohl die beschränkte als auch die unbeschränkte Steuerpflicht auf dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, so stehen der Typenvergleich und die Rechtsformabhängigkeit als die das Leistungsfähigkeitsprinzip und damit den Gleichheitssatz ausfüllenden Kriterien gleichrangig nebeneinander. Demnach kann über die Anwendung eines der beiden Kriterien nur aufgrund von Abwägungen entschieden werden, welches der beiden denn einer an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung besser gerecht werden kann. Hierzu ist auf die Argumente einzugehen, die bei der unbeschränkten Steuerpflicht für eine strikte Rechtsformabhängigkeit und bei der beschränkten Steuerpflicht für einen Typenvergleich sprechen, um diese auf die interessierenden Gesellschaften zu übertragen. Zu bedenken gilt es aber auch, daß es bei den hier zur Debatte stehenden Gesellschaften um solche geht, deren unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht zur Diskussion steht. Eine Anwendung des Typenvergleichs würde demnach bedeuten, von dem Grundkriterium Rechtsfähigkeit der unbeschränkten Steuerpflicht zugunsten des Kriteriums bzw. Verfahrens Typenvergleich der beschränkten Steuerpflicht zu verzichten. Es geht hier mithin auch um die Frage, ob das für die Scheidung der Steuerpflichtart maßgebende Kriterium der beschränkten Steuerpflicht Einzug in die Sphäre der unbeschränkten Steuerpflicht halten kann. Die Konsequenz einer solchen Vorgehensweise wäre, daß für die Bestimmung der Steuerart im Rahmen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht zwei Unterscheidungskriterien zur Anwendung gelangen würden, es demnach zu einer Zweiteilung im Bereich der Beurteilung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in Abhängigkeit davon käme, ob die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung im Inland hat oder alternativ nur einen der beiden Anknüpfungspunkte im Inland verwirklicht. Eine solche Zweiteilung muß zumindest vom ersten Anschein her auf Bedenken stoßen, da unter-
Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit
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schiedliche Unterscheidungskriterien für ein anhand des Gleichheitssatzes zu lösendes Problem hiermit nur schwer vereinbar sind. Gerade das einheitliche Gleichheitskriterium ist es, das die Gleichbehandlung herstellen soll. Würden mehrere Gleichheitskriterien alternativ Anwendung finden, so würden diese die Forderung nach Gleichheit gerade konterkarieren. Die hier zur Debatte stehenden Gebilde unterscheiden sich aber von den rein inländischen Gebilden dadurch, daß Sitz und Geschäftsleitung in zwei verschiedene Länder fallen und somit Gründungsrecht und nach den Grundsätzen des IPR anzuwendendes materielles Recht in der Regel auseinanderfallen. Zu fragen ist demnach, ob diese Besonderheit eine Zweiteilung des Gleichheitskriteriums im Hinblick auf die Frage der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht erlaubt. Wie oben gezeigt, lassen sich die für die in- und ausländischen Gesellschaften gefundenen Kriterien mit den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips in Einklang bringen; sie sind demnach nicht willkürlich, sondern im Hinblick auf das gewünschte Ziel als sachgerecht zu bezeichnen. Demnach gilt es für die Gesellschaften mit auseinanderfallendem Satzungs- und Verwaltungssitz zu untersuchen, ob die Kriterien auch für diese als sachgerecht bezeichnet werden können, oder ob das Kriterium der Rechtsfähigkeit zu "unsinnigen", mit den Wertungen des Steuerrechts nicht mehr in Einklang stehenden Ergebnissen fuhren würde. Der Frage kann man sich aber auch von der anderen Seite nähern, indem man untersucht, ob die für ein Abgehen des Steuer- vom Zivilrecht sprechenden und mithin zu einem wirtschaftlichen Typenvergleich führenden Gründe auch hier zutreffen, oder ob diese sich als unbegründet erweisen. Methodologisch erfolgt also eine Untersuchung, die vom Ergebnis bzw. von den Folgen der Anwendung der einzelnen Qualifikationskriterien ausgeht und im Anschluß daran prüft, inwieweit eine sich diese Folgen mit den Wertungen bzw. der Zielsetzung des Steuerrechts in der Frage der Subjektanknüpfung im Rahmen der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften in Einklang bringen lasssen. Eine solche Folgenberücksichtigung ist nach Ansicht von Koch / Rüßmann mit der objektiv-teleologischen Auslegung intendiert.68 Insofern setzt die Arbeit den bisher eingeschlagenen Weg einer teleologischen Betrachtungsweise fort. Andererseits zollt sie auch den Stimmen in der Literatur Tribut, die teilweise eine ergebnis- bzw. folgeorientierte Argumentation einschlagen. Sollen sachgerechte Kriterien für eine am Gleichheitssatz orientierte Auslegung gefunden werden, so kann m.E. auch nur eine an der Sache orientierte Auslegung, die das Ergebnis einbezieht, dieser Anforderung gerecht werden.
68
Vgl. Koch, H.-J. / Rüßmann, H. (Begründungslehre, 1982) S. 232.
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F. Die systemadäquate Qualifikation 2. Die Bestimmung des Vergleichsobjekts
a) Die Notwendigkeit der Scheidung von Vergleichsobjekt und Vergleichskriterium Bevor nun das Vergleichskriterium für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften bestimmt werden soll, gilt es vorab Überlegungen anzustellen, die methodischer Natur sind. Vergegenwärtigt man sich noch einmal das argumentative Vorgehen insbesondere der Vertreter des Typenvergleichs, so bleibt festzuhalten, daß Ausgangspunkt ihrer Argumentation die Gesellschaft ist, so wie sie sich nach ausländischem Recht organisatorisch und strukturell darstellt.69 Auf dieser Basis wird nun die Begründung für die Anwendung des Typenvergleichs geschaffen. Die Konsequenz dieses Vorgehens besteht darin, daß sowohl bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften als auch bei ausländischen Gesellschaften, deren beschränkte Steuerpflicht zu beurteilen ist, es ausländisches Recht ist, das über die Struktur der Gesellschaften bestimmt. Insofern ist die Ausgangslage in beiden Fällen nahezu identisch, so daß die Anwendung des gleichen Qualifikationsverfahrens bzw. -kriteriums naheliegt. Ob aber tatsächlich die Gesellschaft anhand ihres ursprünglichen Gründungsrechts der Beurteilung unterliegen soll, ist eine Frage, die noch nicht entschieden ist. Die Konsequenzen der Sitztheorie beschränken sich nicht nur auf die Versagung der Rechtsfähigkeit der ehemals rechtsfähigen Kapitalgesellschaft, sondern deutsches materielles Recht entscheidet jetzt über die Struktur der Gesellschaft, auch wenn ausländisches Recht durchaus noch Einfluß hierauf haben mag.70 Demnach ist es doch vorab erst noch zu klären, welche Gesellschaft mithin der Qualifikation zu unterziehen ist. Ist die Gesellschaft in ihrer Struktur, so wie sie sich nach ihrem Gründungsrecht darstellte, oder gilt es die Gesellschaft zu beurteilen, wie sie sich jetzt nach deutschem materiellen Recht konstituiert. Es geht mithin erst einmal um die Klärung des relevanten Vergleichsobjektes. Erst wenn diese Frage abschließend bestimmt ist, kann über das Vergleichskriterium entschieden werden. Die Bestimmung des Vergleichsobjektes und des Vergleichskriteriums sind zwei Problemkreise im Rahmen der Gleichheitsprüfung, die sauber voneinander zu trennen sind. Inländische und ausländische Gesellschaften können nur anhand ihres Gründungsrechts beurteilt werden; eine andere Rechtsordnung kann hier nicht zur Disposition stehen. Demnach stellt sich die Problematik der expliziten Trennung von Vergleichsobjekt und Vergleichskriterium in dieser Form nicht, da hier die Frage nach dem Vergleichsobjekt automatisch beantwortet ist. Daß
69
(569). 7
Vgl. etwa Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (168); Henkel, U., RIW 1991 S. 565
Vgl. hierzu Kap. Π.
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit
281
eine solche Trennung aber bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften notwendig ist, wird m.E. in der Literatur übersehen. Zumindest wird die Heranziehung der Gesellschaft nach ihrem ursprünglichen Gründungsrecht keiner Diskussion unterworfen, sondern als Faktum der Argumentation zugrunde gelegt. Die Ursache mag vielleicht in einer am Ergebnis orientierten Vorgehensweise liegen. Sofern die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft nämlich allein nach Maßgabe ihres Gründungsrecht der Subjektqualifikation unterzogen wird, unterscheidet sich deren Qualifikationsproblematik von der ausländischer Gesellschaften nur noch marginal. Folglich lassen sich die Gründe, die für den Typen vergleich im Falle der beschränkten Steuerpflicht sprechen, hier ebenfalls anfuhren. Um einen solchen "Automatismus" zu verhindern, ist es daher erforderlich, sich zunächst über das Vergleichsobjekt Gedanken zu machen. Die sich stellende Frage lautet daher, nach welcher Rechtsordnung das Vergleichsobjekt grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft zu bestimmen ist. Hierbei gilt es die Gründe gegeneinander abzuwägen, die im einzelnen für die Gesellschaft, so wie sie sich unter Einbeziehung des Internationalen Privatrechts oder ihres Gründungsrechtes darstellt, sprechen.
b) Qualifikation eines "Phantoms" und Abhängigkeit vom IPR des Gründungsstaates bei Anwendung ausländischem Gründungsrechts Sofern die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft nach ihrem ursprünglichen Gründungsrecht der Subjektqualifikation zu unterziehen ist, wie von den Vertretern des Typenvergleichs behauptet, so muß die Ausgangsfrage lauten, welche Gründe für eine solche Vorgehensweise sprechen können, die von der tatsächlichen, sich nach deutschem Zivilrecht ergebenden Struktur und Organisation der Gesellschaft abstrahiert, oder ob nicht das Internationale Privatrecht und damit deutsches materielles Recht für die Bestimmung des Vergleichsobjektes heranzuziehen sind. Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, werden die Konsequenzen einer solchen Vorgehensweise untersucht. So kann zumindest festgestellt werden, ob sich damit überhaupt sinnvolle Ergebnisse erzielen lassen. Das von den Vertretern des Typenvergleichs als selbstverständlich erachtete Abstellen auf das ausländische Gründungsrecht muß doch erstaunen, da die Gesellschaft in dieser Form nach den Wertungen des deutschen Zivilrechts nicht mehr existiert. An die Stelle der Vorschriften des Gründungsrechts treten die Vorschriften des deutschen Rechts, die nunmehr für die zivilrechtliche Beurteilung der Gesellschaft maßgebend sind. Durch die Sitzverlegung ist nun nach den Maßstäben des deutschen Zivilrechts zu entscheiden, welchen Rechtscharakter das Gebilde hat und wie es rechtlich zu erfassen ist.71 Aus-
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F. Die systemadäquate Qualifikation
ländisches Recht, insbesondere die individuell vereinbarten Statutenbestimmungen sind zwar für die Struktur der Gesellschaft immer noch von Bedeutung, dennoch entscheidet allein deutsches materielles Recht, inwieweit sie den Charakter der Gesellschaft noch prägen. Nach den Maßgaben des deutschen Internationalen Privatrechts stellt sich die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft nach deutschem materiellem Gesellschaftsrecht sowie nach ausländischem Gründungsrecht, allerdings nur soweit deutsches Recht dessen Anwendbarkeit bestimmt, dar. Nach deutschem Zivilrecht finden die ausländischen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen also allenfalls noch subsidiär Anwendung, so daß aus deutscher Sicht die Gesellschaft in ihrer ursprünglichen Verfassung nicht mehr besteht. Aber selbst nach dem Recht des ausländischen Staates kann die Gesellschaft aufgehört haben, in ihrer bisherigen Form zu existieren. Gehört nämlich auch der Gründungsstaat zu den Vertretern der Sitztheorie, so ist für die Beurteilung der nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft nunmehr deutsches materielles Recht anzuwenden. Die Folge ist, daß die Vertreter eines Typenvergleichs eine Gesellschaft für die Qualifikation heranziehen würden, die weder nach dem Recht des Sitzstaates noch nach dem Recht des Gründungsstaates, anhand dessen rechtlicher Beurteilung der Typenvergleich vorgenommen werden soll, existent ist. Nur für den Fall, daß der Gründungsstaat Vertreter der Gründungstheorie ist, würde nach seinem Internationalen Privatrecht die Gesellschaft weiterhin nach den Wertungen seiner Rechtsordnung bestehen. Allein dann käme eine Beurteilung anhand der Wertungen des ausländischen Zivilrechts überhaupt in Frage, da hier noch eine existente Gesellschaft - zumindest nach der ausländischen Rechtsordnung - vorhanden ist.72 Würde man sich hingegen vom Internationalen Privatrecht des Gründungsstaates lösen, so hätte das zur Folge, daß unter Umständen ein "Phantom" einem steuerlichen Typenvergleich unterzogen werden würde. Eine solche Situation läßt sich besonders plastisch auch an dem umgekehrten Falle, der Verwaltungssitzverlegung einer deutschen Kapitalgesellschaft in das Ausland darstellen. In der Regel führt die Verwaltungssitzverlegung in solchen Fällen nämlich zur Auflösung und anschließenden Abwicklung der Gesellschaft.73 Die Folge hieraus ist, daß die Gesellschaft nicht nur in ihrer bisherigen Form nicht mehr weiterbesteht, sondern nach Abschluß der Liquidation ist die juristische Person überhaupt nicht mehr vorhanden. Wenn nun
71
Vgl. Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 338. Der Streit bezüglich der Qualifikation hat sich an dem Verwaltungserlaß zu einer britischen Ltd. mit inländischem Verwaltungssitz entzündet. Da Großbritannien Vertreter der Gründungstheorie ist, bestand nach britischem Internationalen Privatrecht die Gesellschaft weiterhin nach dessen materiellen Vorschriften in ihrer bisherigen Verfassung weiter. 72
73
Vgl. hierzu Kap. F Π. 5. c) aa).
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit
283
die materiellen Folgen des Wegzugsstaates denen der deutschen Zivilrechtsordnung entsprechen, so wäre die Konsequenz, daß die Vertreter des Typenvergleichs eine liquidierte, nicht mehr existente Gesellschaft steuerlich den Körperschaftsteuersubjekten zuordnen würden. Will man hingegen die Subjektqualifikation eines "Phantoms" vermeiden und nur tatsächlich existente Gesellschaften in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer einordnen, so muß das Internationale Privatrecht des Gründungsstaates einbezogen werden. Die Frage, die sich an dieser Stelle unweigerlich stellt, ist die, ob sich der deutsche Steuergesetzgeber von dem Internationalen Privatrecht des Gründungsstaates bei der Beurteilung von Gesellschaften abhängig machen will bzw. soll. Aus welchen Gründen sollte sich aber der Steuergesetzgeber in die Abhängigkeit von den Wertungen des Internationalen Privatrechts anderer Staaten begeben. Das für den Typen vergleich ausländischer Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in demselben Staat angeführte Argument, daß bei strikter Beachtung der Wertungen des Internationalen Privatrechts ausländisches Recht leicht gezielt zum Träger ausländischer öffentlicher Interessen gemacht werden kann74, wird hier genau in sein Gegenteil verkehrt. Die als Vertreter der Gründungstheorie so liberal erscheinenden Staaten könnten demnach die Wertungen ihres materiellen Zivilrechts über die Gründungstheorie in das deutsche Steuerrecht transferieren. Da diese Staaten in der Regel über ein sehr laxes Gesellschaftsrecht verfügen, laufen sie umgekehrt selten Gefahr, daß Gesellschaften deutschen Rechts ihren Verwaltungssitz in ihr Staatsgebiet verlegen und sie mithin dem Primat deutschen Zivilrechts unterliegen würden. Diese Staaten sind es gerade, die ihre Gesellschaftsformen in das Ausland "exportieren" wollen. Vereitelt die Sitztheorie dieses für das Privatrecht, so könnte eine Bestimmung des Vergleichsobjektes anhand des ausländischen Gründungsrechtes dieses für das Steuerrecht zumindest in Teilbereichen bewirken. Im Falle der beschränkten Steuerpflicht ist dieses Argument stichhaltig, für den Bereich der unbeschränkten Steuerpflicht spricht es gerade gegen einen Typenvergleich. Hier zeigt sich besonders deutlich, daß die unbeschränkte und die beschränkte Steuerpflicht unterschiedlich gelagert sind. Im Falle der beschränkten Steuerpflicht kommt immer ausländisches Privatrecht zum Zuge, da aufgrund des fehlenden Verwaltungssitzes in Deutschland immer ausländisches Zivilrecht zur Anwendung gelangt. Wenn demnach statutarischer Sitz und Verwaltungssitz in einem Staat liegen, ist es völlig egal, ob er Vertreter der Gründungs- oder Vertreter der Sitztheorie ist; es kommt immer sein Zivilrecht zur Anwendung. Somit kann auch keine Abhängigkeit bezüglich der Frage bestehen, welcher Theorie er angehört. Die Frage der Rechtsfähigkeit oder der Haftung bleibt demnach hiervon auch völlig unberührt.
74
Vgl. etwa Großfeld, B. (Basisgesellschaften, 1974) S. 53.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
Insofern treffen auch die Ausführungen von Höft 75 nicht zu, wenn er behauptet, daß je nach Richtung der Verwaltungssitzverlegung die kollisionsrechtliche Methode zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Prüfung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft führen würde und sich somit Deutschland in Abhängigkeit vom Internationalen Privatrecht der ausländischen Staaten begeben würde. Er unterscheidet dabei, ob die Gesellschaft in einen der Sitz- oder der Gründungstheorie folgenden Staat zuzieht und erläutert seine Argumentation an einer spanischen Personengesellschaft, die ihren Sitz einmal nach Großbritannien als Vertreter der Gründungstheorie und einmal nach Deutschland verlegt. An diesem Beispiel zeigt sich ganz deutlich, daß keine saubere Trennung zwischen der beschränkten und der unbeschränkten Steuerpflicht vorgenommen wird. Verlegt die spanische Personengesellschaft ihren Sitz nach Großbritannien, so ist hier allenfalls die Frage der beschränkten Steuerpflicht tangiert, aber keinesfalls die der unbeschränkten. Beide Fälle sind also hinsichtlich der Steuerform in keiner Weise vergleichbar. Bei der kollisionsrechtlichen Methode, die nur für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht Gültigkeit besitzen soll, kommt aber niemals ausländisches IPR zur Anwendung. Allein das deutsche Internationale Privatrecht entscheidet über die Rechtsfähigkeit einer zuziehenden Gesellschaft. Daß gerade die Vertreter des Typenvergleichs dem ausländischen materiellen Recht und dem ausländischen Kollisionsrecht diese Bedeutung zukommen lassen wollen erstaunt um so mehr, als es gerade das Argument der eigenständigen deutschen steuerlichen Wertung ist, das für den Typenvergleich spricht. Eine Abhängigkeit von den Vorgaben der ausländischen Zivilrechtsordnung soll hierdurch vermieden werden. Daß aber die Vertreter des Typenvergleichs neben den materiellen Regelungen auch die Vorschriften des Internationalen Privatrechts des Gründungsstaates einbeziehen, zeigen etwa die Ausführungen von Henkel76 deutlich. Zum einen hält er die zivilrechtliche Anerkennung der ausländischen Rechtsform nach ihrem heimischen IPR zwar nicht für erforderlich. Andererseits will er aber etwa das für den Typenvergleich heranzuziehende Merkmal der Haftungsbegrenzung dennoch unter Berücksichtigung des IPR des Heimatstaates prüfen. 77 Die Beachtung des Internationalen Privatrechts des Gründungsstaates hätte dann außerdem eine Zweiteilung bei der Subjektqualifikation zuziehender 75
Vgl. Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 106 f. Vgl. Henkel, U., RIW 1991 S. 565 (569). 77 Dies zeigt folgendes Zitat deutlich:MSolange also die Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes ins Inland nicht dazu führt, daß das ausländische Zivilrecht die Haftungsbegrenzung versagt, kann nach dem Typenvergleich die ausländische Steuerrechtsfähigkeit nicht tangiert sein." So Henkel, U., RIW 1991 S. 565 (569). Warum er aber hier auf die ausländische Steuerrechtsfähigkeit abstellt, ist nicht ersichtlich. Er meint wohl die inländische Steuerrechtsfähigkeit des ausländischen Gebildes; dies ist die Thematik seines Aufsatzes. 76
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grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften zur Folge. Nur in den Fällen, in denen der Gründungsstaat zu den Vertretern der Sitztheorie zählt, käme eine Qualifikation anhand des Gründungsrechts in Frage. In allen anderen Fällen, in denen die Sitztheorie maßgeblich ist, würde sich diese Form der Qualifikation verbieten, sofern nur tatsächlich bestehende Gesellschaften für die Gleichheitsprüfung herangezogen werden sollen. Eine solche Zweiteilung kann nur auf allergrößte Bedenken stoßen, da sie zu einer völligen Abhängigkeit von den Wertungen des ausländischen Internationalen Privatrechts führen würde und damit mit den Anforderungen des Gleichheitspostulats in größten Konflikt geraten muß. Die bisherigen Ausführungen beschränkten sich weitgehend darauf, die Konsequenzen darzustellen, die eine Bestimmung des Vergleichsobjektes anhand des ursprünglichen Gründungsrechts hat. Demnach konnten auch nur solche Argumente aufgezeigt werden, die gegen eine Anwendung ausländischen Zivilrechts und somit nur implizit für die Qualifikation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften nach den Grundsätzen deutschen materiellen Rechts sprechen. In den folgenden Ausführungen soll nun der umgekehrte Weg beschritten werden, d.h. hier sollen Gründe dargelegt werden, die explizit zeigen, daß ausschließlich eine auf den Grundlagen des Internationalen Privatrechts basierende strukturelle Bestimmung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft mit den Wertungen des deutschen Steuerrechts in Einklang steht. Diese basiert im einzelnen auf den unterschiedlichen Qualitäten, die das Internationale Privatrecht einmal im Falle der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften und ein anderesmal im Falle der ausländischen Gesellschaften hat. Den Ausgangspunkt und Rahmen dieser Argumentation kann nur das System der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften bilden. Im Bereich der unbeschränkten Körperschaftsteuersubjektqualifikation inländischer Gesellschaften herrscht eine unbedingte Abhängigkeit des Steuer- vom Zivilrecht vor. Aber nicht nur im Körperschaftsteuerrecht erfolgt die Bestimmung des Steuersubjekts nach den Vorgaben des Zivilrechts, sondern auch die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der "Personengesellschaft" nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist an die zivilrechtlichen Maßgaben gebunden. Eine solche Abhängigkeit des Steuerrechts bei der Subjektqualifikation inländischer Gesellschaften kann daher bei der strukturellen Bestimmung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften nicht einfach übergangen werden. Soll eine Spaltung des Systems der Subjektqualifikation von Gesellschaften, deren unbeschränkte Steuerpflicht zu prüfen ist, vermieden werden, so muß vielmehr eine einheitliche Behandlung vorgenommen werden. Allenfalls dann, wenn relevante Gründe eine solche Behandlung als nicht sachgerecht erscheinen lassen, wäre eine Durchbrechung zu vertreten. Da jedoch ausschließlich gewichtige Gründe gegen die "systemwidrige", d.h. einer vom Zivilrecht losgelösten Behandlung sprechen, gilt es die Prävalenz des Zivilrechts auch im Bereich der Subjekt-
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Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften zu beachten. Eine solche Behandlung ist um so mehr geboten, als hier nicht das Vergleichskriterium angesprochen ist, in dem das Steuerrecht seinen Wertungen zum Durchbruch verhelfen will, sondern nur die Ausgangsbasis im Sinne des zu beurteilenden Objektes. Die Gründe, die bei ausländischen Gesellschaften gegen eine unbedingte Übernahme der Wertungen des Internationalen Privatrechts sprechen, treffen hier nicht zu. Die Konsequenzen sind in beiden Fällen vielmehr unterschiedlicher Natur. Bei ausländischen Gesellschaften und der Beurteilung ihrer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht hat eine solche Übernahme zu Folge, daß ausländisches materielles Recht zum Zuge kommt. Im Falle der zuziehenden grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft kommt jedoch, wie eingangs bereits erwähnt, allein deutsches materielles Recht zur Anwendung, das dann die weitere Basis für die Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit anhand eines noch zu bestimmenden Vergleichskriteriums bildet. Die unterschiedlichen Folgen, die die Heranziehung des Internationalen Privatrechts für das Steuerrecht in beiden Fällen hat, zeigen sich aber noch in einem weiteren Punkt. Für den Typenvergleich bei der Qualifikation ausländischer Gesellschaften wurde als ein zentraler Grund angeführt, daß es das reale Substrat sei, das das Körperschaftsteuerrecht eigentlich erfassen will. Das reale Substrat kann aber doch unzweifelhaft nur auf der tatsächlichen rechtlichen Basis gefunden werden. Auch im Falle der Subjektqualifikation ausländischer Gesellschaften findet der Typenvergleich auf dieser Grundlage statt, d.h. auch dort erfolgt die Bestimmung des Vergleichsobjektes anhand der Rechtsordnung, nach der sich die Gesellschaft konstituiert. Überhaupt ist es in der Auseinandersetzung über das grundsätzliche Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht nie zweifelhaft gewesen, daß das Steuerrecht als Ausgangsgrundlage die zivilrechtlichen Vorgaben für die Beurteilung heranzuziehen hat. Die eigentliche steuerliche Wertung kann erst an dem Punkt beginnen, wo es um die Frage geht, nach welchen Kriterien es den durch das Zivilrecht determinierten Sachverhalt beurteilt. Erst auf dieser Ebene kann das Steuerrecht seinen eigenen Vorstellungen zum Durchbruch verhelfen. Die Ausgangsbasis bilden aber immer die durch das Zivilrecht bestimmten Gegebenheiten.78 Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß die Gründe, die beim Typenvergleich gegen eine unbesehene Übernahme des Internationalen Privatrechts sprechen, hier mit umgekehrten Vorzeichen auftreten, d.h. sie sprechen hier gerade für die Anwendung des Internationalen Privatrechts. Der Typenvergleich soll im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuersubjektqualifikation dazu dienen, den Vorstellungen des deutschen Privatrechts zum Durchbruch zu verhelfen. Würde hingegen die Bestimmung des Vergleichsobjektes bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften anhand der Vorschriften des 7
V g l . hierzu Kap.
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ausländischen Gründungsrechts erfolgen, so würde diese Zielsetzung konterkariert. Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die Argumente, die bei der Steuersubjektqualifikation ausländischer Gesellschaften dem Typenvergleich den Vorzug einräumen, allein die Ebene des Vergleichskriteriums betreffen. Die bisher hier interessierende Frage betrifft hingegen allein die Ebene des Vergleichsobjektes. Aus methodischer Sicht scheint eine solche Vorgehensweise, die Argumente verschiedener Beurteilungsebenen miteinander vergleicht, auf den ersten Blick bedenklich. Die Bedenken relativieren sich aber insofern, als die Vertreter eines auf grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften anzuwendenden Typenvergleichs beide Ebenen miteinander vermischen und somit die Argumente der Ebene des Vergleichskriteriums auch für die strukturelle Bestimmung anhand des Gründungsrechts anbringen. Zum anderen sind beide Ebenen zwar analytisch zunächst zu trennen, dennoch sind beide Ebenen letztlich miteinander verwoben, so daß die Argumente durchaus auf beiden Ebenen zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung führen. c) Geschäftsleitung und Verwaltungssitz als rechtliche Anknüpfungspunkte und damit Perspektive der Beurteilung Von dieser rein an den Konsequenzen des Internationalen Privatrechts orientierten Betrachtung lassen sich aber auch noch andere Gründefinden, die für die strukturelle Bestimmung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften nach den Grundsätzen des deutschen Internationalen Privatrechts und daher nach den Maßgaben des deutschen materiellen Rechts sprechen. Internationales Privatrecht und das Steuerrecht lassen eine gemeinsame Grundwertung erkennen, die darauf schließen läßt, daß beiden Rechtsgebieten eine einheitliche Beurteilung zugrundeliegt. Sowohl Steuerrecht als auch Internationales Privatrecht räumen dem tatsächlichen Sitz im Sinne des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungssitzes als Anknüpfungspunkt den Vorrang ein. § 1 Abs. 1 KStG wertet beide Anknüpfungspunkte, den statutarischen Sitz und die Geschäftsleitung, prima facie grundsätzlich gleichwertig, so daß sich hieraus keine Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Vorrangigkeit einer der beiden Anknüpfungspunkte für die Beurteilung der in Frage stehenden Personenvereinigungen ergeben können. Dennoch zeigt ein Blick über die Vorschrift von § 1 Abs. 1 KStG hinaus in andere Bereiche des Steuerrechts, daß dem Ort der Geschäftsleitung im Steuerrecht als Anknüpfungspunkt eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als dem statutarischen Sitz. Die meisten Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik weisen in Art. 4 Abs. 3 DBA dem Ort der Geschäftsleitung79 79 In Art. 4 Abs. 3 DBA ist vom "Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung" die Rede. Da im deutschen Recht de facto auch nach den tatsächlichen Verhältnissen ent-
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F. Die systemadäquate Qualifikation
als Ansässigkeitskriterium den Vorrang gegenüber dem satzungsmäßigen Sitz zu, sofern beide Orte auseinanderfallen. 80 Doppelbesteuerungsabkommen sind zwar einer anderen "Rechtsebene" zugehörig und deren Wertungen daher nicht unmittelbar auf nationales Steuerrecht übertragbar, dennoch muß aus dieser Vorrangigkeit der DBA auch eine Tendenz für das nationale Steuerrecht ableitbar sein. Auch Debatin, ein Vertreter des Typenvergleichs sieht im Satzungssitz nur einen nachrangigen, untergeordneten Anknüpfungspunkt. Die Bedeutung der Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an den Inlandssitz einer Gesellschaft beschränkt sich darauf, sie an dieser Steuererfassung festzuhalten, solange sie ihr satzungsmäßiges Domizil im deutschen Inland beibehält.81 Tipke / Kruse sehen in der Geschäftsleitung den primären, im Sitz lediglich den sekundären Anknüpfungspunkt der Körperschaftsteuerpflicht. 82 Zudem ist es in der Literatur unumstritten, daß die Geschäftsleitung einen der wesentlichen Anknüpfungspunkte für ein den Steuerzugriff berechtigendes Moment darstellt.83 Die Bedeutung der Geschäftsleitung für das Steuerrecht kommt besonders an folgender Äußerung von O. Bühler deutlich zum Ausdruck: "Im IStR einschließlich des nationalen Außensteuerrechts kann man also nicht anders als von einem absoluten Sieg der Maßgeblichkeit dieses Leitungssitzes für Inhalt und Abwicklung der unbeschränkten Steuerpflicht einer Gesellschaft sprechen."84 Aus steuerlicher Sicht ist der Ort der Geschäftsleitung demnach der natürliche Anknüpfungspunkt für die Besteuerung, er bildet mithin die "Steuerheimat" einer Gesellschaft. Der gleiche Ort bestimmt im Internationalen Privatrecht über das "Heimatrecht" der Gesellschaft. Mithin bildet die Geschäftsleitung den zentralen Punkt, die sowohl über das steuerliche als auch das zivilrechtliche Schicksal einer Gesellschaft bestimmt. Warum dann trotz dieser einheitlichen Wertung die Gesellschaft anhand ihres ursprünglichen Gründungsrechts beurteilt werden soll, zumal dann, wenn selbst der Gründungsstaat die Gesellschaft als nicht mehr seinem materiellen Recht unterworfen betrachtet, ist nicht ersichtlich. Auch hier zeigt sich wieder eine gleiche Wertung von Steuer- und Zivilrecht, die eine einheitliche Beurteilung der Gesellschaft
schieden wird, dürften sich hier keine wesentlichen Abweichungen ergeben. Mit dieser Formulierung soll verhindert werden, daß bei Schwierigkeiten bei der Ermittlung dieses Ortes einfach auf den satzungsmäßigen Sitz abgestellt wird. Vgl. hierzu Vogel, K., DBA Art. 4 Anm. 104. 80 Vgl. die Abkommensübersicht bei Vogel, DBA Art. 4 Anm. 111; Ausnahmen macht etwa das DBA mit den USA. 81 Vgl. Debatin, H. GmbHR 1991 S. 164 (168); ihm folgend Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage 1 S. 1 (20). 82 Vgl. Tipke / Kruse, Vor § 8 AO Tz. 1. 83 Vgl. etwa v. Beckerath, H.-J. (Durchgriff, 1978) S. 147; Müller, P. (Steuerhoheit, 1970) S. 116; Rudolf, W. (Grenzen, 1975) S. 782. 84 Bühler, O. (Steuerrecht, 1960) S. 75.
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anhand der Rechtsverhältnisse gebietet, so wie sie sich am Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung darstellen. Auch das Grundgesetz sieht als den die Inländer- bzw. Ausländereigenschaft konstituierenden Anknüpfungspunkt den Sitz im Sinne eines tatsächlichen Verwaltungssitzes der Gesellschaft an. 85 Wenn das Grundgesetz, das die Gleichbehandlung der Gesellschaft begründet, an diesen Sitz anknüpft, so liegt es zweifellos nahe, die Gesellschaft auch entsprechend dem Recht des Verwaltungssitzstaates einer Gleichheitsprüfung zu unterziehen. Gerade nach dem Recht des Sitzstaates konstituiert sich die Gesellschaft im Hinblick auf ihre rechtliche Gestaltung. Es mutet schon fast paradox an, wenn man einerseits den Gleichheitssatz für die Einordnung ausländischer Gebilde heranziehen wollte, andererseits aber das Recht des Verwaltungssitzstaates, das gerade die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes begründet, bei der Beurteilung der Gesellschaft außen vor lassen wollte. Aus dem Art. 19 Abs. 3 GG läßt sich daher die Wertung entnehmen, die Gesellschaft anhand des Rechts des Verwaltungssitzstaates zu beurteilen. Internationalem Privatrecht und dem Grundgesetz liegen insofern auch die gleichen Wertungen zugrunde. Die Wertung anhand des Rechts des Verwaltungssitzstaates ist sowohl für die steuerlichen Beurteilungskriterien als auch für die anhand dieser Kriterien zu prüfenden Merkmale der in Frage stehenden Gesellschaften zu beachten. Für nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz heißt das, daß deren Einordnung anhand der Kriterien für inländische Gesellschaften zu erfolgen hat, wobei die Gesellschaft nach ihrer tatsächlichen Struktur, so wie sie sich nach materiellem Zivilrecht darstellt, zu beurteilen ist. Nur so ist eine einheitliche Anwendung des Gleichheitssatzes auf alle inländischen Gesellschaften im Sinne von Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistet. Den einzelnen Teilrechtsordnungen liegt demnach eine einheitliche Wertung zugrunde, nach der der Verwaltungssitz bzw. die Geschäftsleitung die maßgeblichen rechtlichen Anknüpfungspunkte bilden. An dieser Stelle zeigt sich die "Einheit der Rechtsordnung"86 deutlich, nach der einzelne Teilrechtsordnungen die Grundwertungen anderer Teile der Rechtsordnung nicht ohne gewichtigen Grund durchkreuzen dürfen. Da jedoch, wie gezeigt, keine wesentlichen Steuergerechtigkeitsgesichtspunkte durch eine aus der Perspektive der Geschäftsleitung orientierte Betrachtung auf dem Spiel stehen, gebietet der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung eine einheitliche Handhabung.
85 86
19 Herz
Vgl. Vogel, K. (Aktionär, 1973) S. 35. Vgl. hierzu Kap. A 1.3.
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3. Die Bestimmung des relevanten Vergleichskriteriums: Rechtsform oder Typenvergleich
a) Die Folgen des Internationalen Privatrechts und die Qualifikation nach der Rechtsform Die Entscheidung, die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften anhand des durch die Vorgaben des Internationalen Privatrechts anzuwendenden materiellen Rechts der Steuersubjektqualifikation zu unterziehen, bedeutet noch nicht automatisch, daß sie dann auch nach dem Kriterium der Rechtsfähigkeit zu beurteilen bzw. allein nach zivilrechtlichen Grundsätzen in den Katalog nach § 1 Abs. 1 KStG einzustufen sind. Vielmehr steht man auch noch auf dieser Stufe der Qualifikation vor der Alternative, diese Personenvereinigungen nach den Grundsätzen des Typenvergleichs in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer einzuordnen. Da im Rahmen dieser Arbeit eine dem System der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften verpflichtete Lösung gesucht wird, müssen Ausgangspunkt einer solchen Lösung die Vergleichskriterien sein, die das System konstituieren. Eine typologische Einstufung ist allein für ausländische Gesellschaften, also Gesellschaften, bei denen weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland liegen, maßgebend, während inländische Gesellschaften, deren unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht zu prüfen ist, allein nach den Vorgaben des Zivilrechts zu qualifizieren sind. Das System knüpft daher - zumindest im Falle der inländischen Gesellschaften - an die Rechtsform der Gesellschaft an. Soweit aber das Steuerrecht an privatrechtliche Rechtsverhältnisse anknüpft, bestimmt sich auch steuerrechtlich die Frage, welches Privatrecht maßgebend ist, nach dem Internationalen Privatrecht des betreffenden Staates.87 Insofern scheint eine Qualifikation nach den Vorgaben des deutschen Internationalen Privatrechts und damit eine Qualifikation nach Maßgabe der Rechtsform geboten. Eine solch unbedingte Anknüpfung an das Privatrecht soll, nur weil die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in Frage steht, im vorhinein nicht unterstellt werden. Vielmehr soll nach den Vorgaben der wirtschaftlichen bzw. teleologischen Betrachtungsweise verfahren werden, wie dies auch im Rahmen der Begründung einer Prävalenz des Privatrechts gegenüber dem Steuerrechts bei der unbeschränkten Körperschaftsteuersubjektfähigkeit geschah. Die zivilrechtliche Bindung bei der Einordnung von Gesellschaften mit inländischem Satzungs- und Verwaltungssitz in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer läßt sich aufgrund gleichlaufender Ordnungsvorstellungen in beiden Rechtsgebieten begründen.88 Eine solche über das Internationale Privatrecht herzustellende Verknüpfung läßt sich bei rein auslän87 88
Vgl. Vogel, K., StuW 1982 S. 111 (114). Vgl. hierzu im einzelnen Kap. E DL 2.
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dischen Gesellschaften aber nicht mehr herstellen, da die Strukturmerkmale ausländischer Gesellschaften mit denen des inländischen Rechts weder in zivilrechtlicher noch in steuerrechtlicher Hinsicht übereinstimmen müssen. Hier muß demnach die liberale Wertung des Internationalen Privatrechts den eigenen Weitungen des Steuerrechts weichen.89 Zufragen ist daher, ob die für die beschränkte Steuerpflicht gültigen Gründe für die Ablehnung der Weitungen des Internationalen Privatrechts auch für die unbeschränkte Steuerpflicht relevant sind, oder ob das IPR im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit den Wertungen der beschränkten und der unbeschränkten Steuerpflicht unterschiedliche Konsequenzen hat. Vergleicht man die Konsequenzen, die das Internationale Privatrecht zum einen bei den hier in Frage stehenden Personenvereinigungen und zum anderen bei den beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften hat, so zeigt sich für beide Steuerformen eine völlig unterschiedliche Qualität. Im Falle der steuerlichen Beurteilung ausländischer Gesellschaften bedeutet das Abstellen auf das Kriterium der Rechtsfähigkeit, daß das Internationale Privatrecht und dessen Wertungen unmittelbar über die steuerliche Qualifikation entscheiden. Im Falle der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften versagt aber nicht die Sitztheorie die Rechtsfähigkeit, sondern die Sitztheorie verweist allein auf deutsches materielles Recht, ohne die Frage der Rechtsfähigkeit selbst zu klären. Die Versagung der Rechtsfähigkeit ist daher nicht unmittelbare Konsequenz der Sitztheorie und damit des Internationalen Privatrechts, sondern es ist die "Entscheidung" deutschen materiellen Rechts. Der Vergleich von inländischen Gesellschaften und grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften erfolgt daher auf einem Vergleichsobjekt, das auf der gleichen Grundlage geschaffen bzw. strukturell und organisatorisch bestimmt wird, deutschem materiellen Privatrecht. Gerade die Vorstellungen des deutschen materiellen Gesellschaftsrechts über die Stellung des Vermögens und der Verfügungsmacht sind es, die letztlich zu einem "Gleichlauf1 von Steuerund Zivilrecht fuhren. Hier verweist also das Internationale Privatrecht auf das Recht, das für gleichlaufende Ordnungsvorstellungen spricht. Im Falle der beschränkten Steuerpflicht führt das Internationale Privatrecht zu einer automatischen Anerkennung rechtsfähiger ausländischer Kapitalgesellschaften, ohne dabei jedoch die vermögensrechtliche und organisatorische Struktur der Gesellschaft zu prüfen. Die zivilrechtlichen Ordnungsvorstellungen des deutschen Gesetzgebers über die Verleihung der Rechtsfähigkeit spielen hier keine Rolle, so daß die Voraussetzungen einer Bindung des Steuerrechts an die zivilrechtlichen Vorgaben nicht gegeben sind. Im Falle der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft wird aber, wie bei inländischen Gesellschaften, das deutsche Gesellschaftsrecht zur Grundlage für die organisatorische und strukturelle Bestimmung. Eine solche, identische Ausgangsgrundlage spricht für ein 89
19*
Vgl. hierzu im einzelnen Kap. ΕΙΠ. 3.
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gleiches tertium comparationis innerhalb der Beurteilung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Wenn beide Gesellschafts"typen", die inländischen Gesellschaften und die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften auf der gleichen Grundlage basieren, so muß ein unterschiedliches Vergleichskriterium im Gegenteil auf erhebliche Bedenken stoßen. Allenfalls dann, wenn wirklich ausschließlich das Internationale Privatrecht bzw. die Sitztheorie über das Kriterium der Rechtsfähigkeit unmittelbar entscheiden würden, die Struktur und die Organisation weiterhin aber durch die ausländische Privatrechtsordnung bestimmt werden, wäre ein unterschiedliches Vergleichskriterium vertretbar, da in diesem Falle verschiedene Beurteilungsgrundlagen gegeben wären. Vergegenwärtigt man sich noch einmal die Argumente, die von den Kritikern einer an der Rechtsfähigkeit orientierten Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften vorgebracht werden, so wird allein auf das Internationale Privatrecht und die Sitztheorie abgestellt, nicht aber auf die materielle Ebene des Rechts. Diese verkürzte Sichtweise führt aber dazu, daß sich die Qualifikationsproblematik der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften und der der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft annähern, da allein auf die Ebene des Internationalen Privatrechts abgestellt wird. Denkt man jedoch die Problematik der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften konsequent zu Ende, so zeigt sich, daß sie mit der inländischer Gesellschaften wesentlich enger verknüpft ist als mit der ausländischer Gesellschaften, da die Gesellschaften im Ergebnis auf der gleichen zivilrechtlichen Grundlage basieren. An dieser Stelle läßt sich nun der Vorwurf anbringen, daß die Entscheidung für die Bestimmung des Vergleichsobjektes nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts von wesentlichem Einfluß auf die Entscheidung für das Vergleichskriterium ist und ihr daher präjudizieller Charakter zukommt. Diese Kritik hat durchaus ihre Berechtigung, nur wird, will man den Anforderungen an eine teleologische Betrachtungsweise genüge tun, die Ausgangsbasis regelmäßig Einfluß auf die steuerliche Wertentscheidung besitzen. Hätte man sich auf der Ebene des Vergleichsobjektes für die zivilrechtliche Bestimmung anhand des ursprünglichen Gründungsrechts entschieden, so wäre man wohl keinesfalls umhin gekommen, die so strukturell und organisatorisch determinierte grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft nach den Grundsätzen des Typenvergleichs zu qualifizieren. Eine solch geartete Qualifikation wäre insofern zwingend, als die Ausgangsbasis in beiden Fällen die gleiche wäre und man somit den Vorgaben des deutschen Zivilrechts nur durch einen typologischen Vergleich zum Durchbruch verhelfen könnte. Um sich daher nicht der Kritik einer "formal-juristischen" Betrachtung und Argumentation auszusetzen, müssen noch weitere Gründe gefunden werden, die für ein an den zivilrechtlichen Vorgaben orientiertes Vergleichskriterium sprechen. In der Tat wäre eine Argumentation, die allein auf der Aussage basiert, sowohl bei inländischen als auch bei grenzüberschreitenden Kapitalge-
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sellschaften käme deutsches materielles Recht zum Zuge, zu formal, um allein eine überzeugende Begründung für die Rechtsfähigkeit als Vergleichskriterium liefern zu können. b) Die Qualifikation anhand eines einheitlichen Vergleichskriteriums als Konsequenz der Forderung nach Wettbewerbsneutralität Wurde in den bisherigen Ausführungen auf die formal-logische Ebene des Gleichheitssatzes abgestellt, so soll im folgenden der materielle Gehalt bzw. die Konkretisierung im tatsächlichen im Vordergrund stehen. Bisher war ausschließlich von Gesellschaften die Rede, dennoch darf dabei nicht vergessen werden, daß sich hinter diesen "Rechtskleidern"90 Unternehmen verbergen. Für die Unternehmen hat der Gleichheitssatz insofern eine wesentliche Bedeutung, als sich in ihm insbesondere die Wettbewerbsneutralität konkretisiert.91 Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität ist bei den direkten Steuern nicht unbestritten,92 wird jedoch in der Rechtsprechung93 und in der Literatur 94 für die Ausfüllung des Gleichheitssatzes für die Besteuerung von Unternehmen immer wieder herangezogen. Der Gleichheitssatz hat gerade die Aufgabe, Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen.95 Die Forderung nach Wettbewerbsgerechtigkeit mag zwar nicht explizit in den Einzelsteuergesetzen verankert sein,96 über den Gleichheitssatz gewinnt sie jedoch auch dort Einzug. In der Begründung zur Körperschaftsteuerreform 1976 hat die Bundesregierung insbesondere auf den Grundgedanken einer wettbewerbsgerechten Besteuerung bei den einzelnen Steuerarten hingewiesen. Gerade der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität gebietet es, den von den Körperschaftsteuersubjekten erwirtschafteten Gewinn zu besteuern wie den Gewinn mit ihr ver-
90
So Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 1. Vgl. BVerfG v. 28.1.1970, BVerfGE 27 S. 375 (385); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 351. 92 Insbesondere Kirchhof wendet sich gegen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität bei den direkten Steuern. Vgl. Kirchhof, P., StuW 1984 S. 297 (305 f.). Vgl. auch Kluge, V., DStR 1976 S. 365 (366). 93 BVerfG v. 20.12.1966, BVerfGE 21 S. 12 (27). Das Urteil ist zwar zur Umsatzsteuer ergangen, die Ausführungen zur wettbewerbsneutralen Besteuerung sind jedoch für die Besteuerung und den Gleichheitssatz im allgemein ergangen. Zumindest ist keinerlei Zuschnitt auf die Umsatzsteuer im Konkreten erkennbar. 94 Vgl. Friauf, Κ. H. (Steuergleichheit, 1985) S.23 f.; Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 351; Vogel, K. (Aktionär, 1973) S. 31 ff. 95 Vgl. BVerfG v. 19.4.1978, BVerfGE 48 S. 210 (222). 96 So Kluge, V., DStR 1976 S. 365 (366), der die Forderung nach Wettbewerbsgerechtigkeit ablehnt. 91
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gleichbarer im Wettbewerb stehender natürlicher Personen.97 Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität ist also als erkennbares Ziel in den Gesetzeszweck eingeflossen. Im Rahmen der Besteuerung von ausländischen Gesellschaften wird insbesondere von Kluge die Forderung nach einer Wettbewerbsneutralität der Besteuerung zwischen in- und ausländischen Gesellschaften verworfen. 98 Seiner Ansicht nach kann bei ausländischen Gesellschaften dieser Grundsatz nicht aufgestellt werden, da im Internationalen Steuerrecht die Frage, ob nun die Wettbewerbslage des Sitzstaates oder des Quellenstaates ausschlaggebend ist, nicht geklärt sei. Deshalb ist der Sitzstaat auch nicht verpflichtet, gegenüber ausländischen Gesellschaften mit inländischer Betätigung eine Gleichbehandlung mit inländischen Gesellschaften im Sinne einer Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten.99 Diese Argumentation läßt sich jedoch nicht auf den Fall der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften übertragen. Sowohl bei inländischen Gesellschaften als auch bei den grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften steht allein die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in Frage, so daß hier nicht die Problematik des Internationalen Steuerrechts im Sinne einer zwischenstaatlichen Steueraufteilung, so wie sie Kluge offenbar im Sinne hat, tangiert ist. 100 Für die Körperschaftsteuersubjektqualifikation i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG steht eine solche Steuerverteilung aber überhaupt nicht zur Debatte, hier gilt allein das Welteinkommensprinzip aufgrund des inländischen (im Sinne eines statutarischen oder tatsächlichen) Sitzes. Eine Konkurrenz zwischen Ursprungsprinzip (im Sinne des Territorialitätsprinzips) und Sitzprinzip (im Sinne des Welteinkommensprinzips) kann daher aus Sicht des "nationalen" Steuerrechts, und um das geht es hier allein, nicht auftreten. Die Frage, ob nun die Wettbewerbslage des Ursprungs- oder des Sitzstaates entscheidend sein soll, kann demnach keine Rolle spielen, da anderenfalls, sollte diese auch schon bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften Bedeutung haben, die Forderung nach Wettbewerbsneutralität generell in Frage zu stellen ist. 101 97
Vgl. hierzu BT-Drs. 7/1470, S. 323 ff. Vgl. Kluge, V., DStR 1976 S. 365 (366); vgl. auch die Ausführungen in Kap. DDL 3. b). 99 Kluge lehnt deshalb die Forderung von Hintzen nach einer Subjektqualifikation beschränkt steuerpflichtiger Gesellschaften anhand des Merkmals der Rechtsfähigkeit ab. Hintzen fordert aufgrund inländischer Betätigung ausländischer Gesellschaften eine Körperschaftsteuersubjektqualifikation anhand eines einheitlichen Merkmals, der Rechtsfähigkeit, da beide im gleichen Staat in Wettbewerb zu einander treten. Vgl. hierzu Hintzen, L., DStR 1971 S. 327 (333 f). 100 Kluge geht hier wohl von einem engen Verständnis des Internationalen Steuerrechts aus. Vgl. hierzu auch Kap. AI. 2. 101 Kluge steht letztlich doch auf dem Standpunkt, daß die Wettbewerbsneutralität nicht im Gersetz verankert sei. Vgl. hierzu Kluge, V., DStR 1976 S. 365 (366). 98
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Gerade bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften und inländischen Gesellschaften ist vielmehr eine solche Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten, da beide ihre Geschäftsleitung im Inland haben. Die Geschäftsleitung ist es, die das wirtschaftliche und rechtliche Zentrum einer Gesellschaft und den Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht bildet.102 Gerade im Hinblick auf das "Herz" des Unternehmens treten beide im gleichen Staat in wirtschaftliche Konkurrenz, wobei sämtliche Einkünfte unabhängig von ihrer Herkunft der Besteuerung unterliegen.103 Wenn auch aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise das Zentrum eventuell in einem anderen Ort gesehen werden mag, 104 aus zivil- und steuerrechtlicher Sicht bildet die "Geschäftsleitung" den eigentlichen Anknüpfungspunkt für die einzelnen Rechtsfolgen. Allein die zivil- und steuerrechtliche Sichtweise können demnach hier auch nur von Interesse sein, da sie es sind, die die rechtliche Struktur bzw. die steuerliche Belastung für die Gesellschaft determinieren. Insofern kann sich das Steuerrecht nicht aus der Verantwortung einer wettbewerbsneutralen Besteuerung stehlen, indem es darauf verweist, entscheidend sei nicht die Steuerbelastung am Ort der Geschäftsleitung, sondern beispielsweise am Ort der Betriebsstätte, an dem die Produktion stattfindet. Da das Steuerrecht die unbeschränkte Steuerflicht an die Geschäftsleitung knüpft und sowohl grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften wie auch inländische Gesellschaften über eine inländische Geschäftsleitung verfügen, muß das deutsche Steuerrecht auch, will es dem Grundsatz einer dem Gleichheitssatz verpflichteten Besteuerung entsprechen, im Rahmen seines Systems eine möglichst wettbewerbsneutrale Besteuerung gewährleisten. Die Steuer, die unbestritten einen Wettbewerbsfaktor darstellt, sollte die Wettbewerbslage der im Inland sich wirtschaftlich konstituierenden Gesellschaften möglichst unangetastet belassen. Diese darf aber nicht nur, wie in der Regierungsbegründung zum Körperschaftsteuerreform verlautbart, dahingehend verstanden werden, daß eine wettbewerbsneutrale Besteuerung zwischen natürlichen und juristischen Personen hergestellt wird, sondern dies impliziert ebenfalls, daß zwischen den Körperschaftsteuersubjekten selbst dieser Grundsatz verwirklicht wird. Wenn schon keine einheitliche, an das Unternehmen anknüpfende Besteuerung existiert, so müssen, um wenigstens die Minimalforderung an eine wettbewerbsneutrale Besteuerung der im Inland in Konkurrenz tretenden Gesellschaften zu gewährleisten, auf diese Gesellschaften die gleichen Kriterien zur Anwendung gelangen, da ansonsten vergleichbare Sachverhalte unterschiedlichen Besteuerungsformen unterzogen werden. 102 Ygi hierzu im einzelnen Kap. Α. Π. 1. b) aa). 103 Inwieweit Doppelbesteuerungsabkommen das Welteinkommensprinzip einschränken, kann im Rahmen der Subjektqualifikation von § 1 Abs. 1 KStG keine Rolle spielen, da diese Vorschrift die unbeschränkte Steuerpflicht begründet. 104 Letztlich kann ein Zentrum wohl immer nur von der Zielsetzung der Untersuchung her bestimmt werden, so daß es das Zentrum als solches wohl nicht geben kann.
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c) Die wirtschaftlichen Grenzfälle als Eckpfeiler des Systems und damit Maßstab der Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften Wie oben in Kapitel D. II. 3. gezeigt, sind es gerade die wirtschaftlichen Grenzfälle, an denen sich das System messen lassen muß und die auch für das Verständnis des Systems von wesentlicher Bedeutung sind. Soll daher eine systementsprechende Subjektqualifikation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften erfolgen, so muß diese auch dem Vergleich mit der Subjektqualifikation von Publikums-KG und personalistisch strukturierter Kapitalgesellschaft standhalten. Anderenfalls kann von einer Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften im Rahmen des Systems wohl kaum mehr gesprochen werden. Da in der Diskussion um die Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften allein die mögliche Körperschaftsteuerpflicht zur Debatte steht, können auch nur nach ihrem ausländischen Heimatrecht körperschaftlich strukturierte Personen Vereinigungen von Interesse sein, da nur diesen bei Anwendung des Typenvergleiches die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit zugesprochen werden kann. Personalistisch strukturierte Gesellschaften sind unproblematisch, da sie bei der Qualifikation nach den Grundsätzen des Typen Vergleichs als Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG einzustufen sind. Da aber auch eine Qualifikation nach den zivilrechtlichen Vorgaben zum gleichen Ergebnis führt, kommt es insofern zu keinen Wertungswidersprüchen zwischen einer Qualifikation nach den Maßgaben des Typenvergleichs und einer Einstufung nach zivilrechtlichen Kriterien. Von den in Kapitel D. II. 3. angesprochenen Grenzfällen ist es daher die Publikumskommanditgesellschaft, an der sich die Qualifikationsmethode bzw. das Vergleichskriterium, das für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften Gültigkeit besitzen soll, messen lassen muß. Die Publikumskommanditgesellschaft wird im geltenden System der Einkommensbesteuerung als Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelt; ihr wird damit die eigenständige Körperschaftsteuersubjektfähigkeit nach § 1 Abs. 1 KStG abgesprochen. Die ihr wesensimmanente körperschaftliche Struktur ist also für die Frage der Steuersubjektqualifikation von keinerlei Bedeutung. Die Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften mit körperschaftlicher Struktur anhand eines Typenvergleichs würde zu einer Körperschaftsteuersubjektfähigkeit dieser Personenvereinigungen führen. Zwei Vergleichskriterien innerhalb der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht haben also unzweifelhaft eine Ungleichbehandlung zur Folge, da eine körperschaftlich strukturierte Gesellschaft ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekt, die körperschaftlich strukturierte Publikums-KG hingegen als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren wäre. Diese dürfte im wesentlichen über die gleichen strukturellen Merkmale verfügen, wie eine nach
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ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft. Beiden fehlt es letztlich nur am Merkmal der Rechtsfähigkeit. Warum aber die ausländische Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln sein soll, während die deutsche Gesellschaft als "Mitunternehmerschaft" zu qualifizieren ist, dürfte ein Rätsel bleiben. Bei der Prüfung der Frage der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht einmal einen Typenvergleich und ein anderesmal die strenge Rechtsformabhängigkeit walten zu lassen, steht daher mit den Wertungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes in einem eklatanten Widerspruch. Der Typenvergleich würde gerade zur Ungleichbehandlung mit inländischen Gesellschaftsformen führen, bei denen Rechtsfähigkeit und körperschaftliche Struktur auseinanderfallen. Neben der Gleichbehandlung mit den inländischen Gesellschaftsformen ist aber auch die Gleichbehandlung der ausländischen Gesellschaften untereinander zu gewährleisten. Hier werden alle Gesellschaften insofern gleichbehandelt, als sie aufgrund ihrer nach deutschem Recht zu beurteilenden zivilrechtlichen Struktur qualifiziert werden. Hier wird aber nicht auf die wirtschaftliche Organisationsform abgestellt, sondern auf die Rechtsform. Hierin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu sehen, hieße die geltende Systematik der Besteuerung inländischer Gesellschaften insgesamt in Frage zu stellen. Denn wie bei rein inländischen Gesellschaften gezeigt, spielt die wirtschaftliche Organisationsform im Einzelfall für die Beurteilung keine Rolle. Ein aus methodischer Sicht nicht unbedingt ausschlaggebender, jedoch dieses Ergebnis stützender Aspekt sind die Abgrenzungsprobleme, die ein Typenvergleich mit sich bringen würde. Der Große Senat hat in seinem Beschluß vom 25.6.1984 zur Körperschaftsteuerpflicht sog. Publikums-KG's auf die schwierigen Abgrenzungsfragen verwiesen, die die Körperschaftsteuerpflicht solcher Personenvereinigungen mit sich bringen würde. 105 Die Grenze zwischen einer "normalen KG" und einer "Publikums-KG" für die Zwecke einer unterschiedlichen körperschaftsteuerlichen Behandlung kann nicht in einer befriedigenden Weise gezogen werden. Der Beschluß ist hier von besonderem Interesse, behandelt er doch die grundsätzliche Frage der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft. Der Typenvergleich würde im Ergebnis die gleichen Probleme mit sich bringen, wie dies bei der Abgrenzung der in dem Beschluß in Frage stehenden KG der Fall war. Ein einfacher Verweis auf die Abgrenzung bei den beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften ist m.E. aus den oben erwähnten Gründen in jedem Falle problematisch, m.E. sogar abzulehnen. Wenn ein Typen vergleich vorzunehmen ist, dann nur unter Zugrundelegung der materiell rechtlichen Vorschriften des Verwaltungssitzstaates. Nur treten dann die gleichen Abgrenzungsprobleme auf wie zwischen "Normal-KG" und "Publikums-KG". "Die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung würden hierdurch vor Auslegungsfragen gestellt, die leicht zu uneinheitlicher Rechtsanwendung führen können und die daher mit Sinn und 105
Vgl. hierzu BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (760).
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Zweck des § 1 KStG, über den Anwendungsbereich des Körperschaftsteuerrechts Klarheit zu schaffen, unvereinbar wären." 106 Auch wenn man den Vertretern des Typenvergleichs darin zuzustimmt, daß das Merkmal der Rechtsfähigkeit auf den ersten Blick ein sehr formales Kriterium für die Qualifikation zuziehender ausländischer Gesellschaften darstellt, zumal es diesen grundsätzlich an der Rechtsfähigkeit mangelt, sie mithin niemals als Körperschaftsteuersubjekt qualifiziert werden, so gilt es jedoch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, die dem Gesetzgeber die Möglichkeit der Typisierung einräumt. Danach ist er befugt, in weitem Umfang die Besonderheiten nicht nur des einzelnen Falles, sondern auch ganzer Gruppen zu vernachlässigen.107 Dem Gesetzgeber sind hier insofern Grenzen gezogen, als die hiervon betroffenen Fälle eine bestimmte Anzahl nicht überschreiten darf. Die Benachteiligung durch eine Typisierung sind aber solange verfassungsrechtlich irrelevant, solange die entstehenden Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen betreffen und nicht sehr groß sind.108 Die Fälle der zuziehenden Gesellschaften dürften jedoch im Vergleich zu den inländischen Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland einen nur verschwindend geringen Anteil erreichen, so daß eine Besteuerung von Gesellschaften in Abhängigkeit von deren Rechtsform im Rahmen des zulässigen zweifelsfrei liegt. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes zugunsten einer Qualifikation nach einem wirtschaftlichen Typenvergleich scheint geradezu unangemessen. Beurteilt man das Kriterium der Rechtsfähigkeit insgesamt als zu formal, dann müßte die Systematik der derzeitigen Besteuerung inländischer Gesellschaften insgesamt in Frage gestellt werden. Die Forderung nach der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Struktur von Gesellschaften dürfte demnach nicht erst bei zuziehenden Gesellschaften, sondern müßte generell bei allen inländischen Gesellschaften aufgestellt werden. Für die im Gegensatz zu den zuziehenden Gesellschaften zahlenmäßig weit überwiegenden Fälle personalistisch strukturierter GmbHs und kapitalistisch strukturierter KGs wird die Rechtsformabhängigkeit der Besteuerung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, akzeptiert. Gerade aber bei ihnen wäre aufgrund der Anzahl der Fälle die Zulässigkeit der Grenzen einer Typisierung aber sicherlich eher überschritten als bei den zuziehenden Gesellschaften, sofern in der Rechtsfähigkeit ein zu Ungerechtigkeiten führendes Kriterium zu sehen wäre. Hier die Rechtsformabhängigkeit zu akzeptieren heißt aber, sie auch für zuziehende Gesellschaften zu akzeptieren, da anderenfalls eine Ungleichbehandlung mit eben diesen Gesellschaften erfolgen würde, bei denen Rechtsform und tatsächliche Struktur auseinanderfallen.
106 107 108
BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751 (760). Vgl. BVerfG v. 24.1.1962, BVerfGE 13 S. 331 (341). Vgl. BVerfG v. 8.2.1983, BVerfGE 63 S. 119 (128).
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Allerdings besteht zwischen den grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften und den Publikums-Kommanditgesellschaften noch ein Unterschied, der in der bisherigen Diskussion noch keine Berücksichtigung fand. Die ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz und ihre Geschäftsleitung in das Inland verlegen will, verliert - von wenigen Ausnahmefällen abgesehen - grundsätzlich ihre Rechtsfähigkeit im Inland im Zeitpunkt des Zuzuges. Im Gegensatz zur Publikums-KG ist bei der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft die freie Rechtsformwahl gewissermaßen eingeschränkt, da hier eine automatische "Zuweisung" zu den Personengesellschaften erfolgt, während es den Gründern der Publikums-KGfreistand, diese Rechtsform zu wählen. Bei dieser Überlegung ist jedoch zu beachten, daß der Umzug in das Inland und die damit verbundenen Konsequenzen letztlich auch auf dem freien Entschluß der Gesellschaft bzw. dem ihrer Vertreter beruht. Außerdem besteht für die Gesellschaft jederzeit die Möglichkeit, ein andere Rechtsform zu wählen, sei es durch anschließende Umwandlung oder durch eine Anpassung, wie sie in Kapitel Β II. 2. aa) beschrieben wurde. Der Einwand, daß dann zwischen der ursprünglichen, zuziehenden ausländischen Kapitalgesellschaft und der späteren inländischen Kapitalgesellschaft keine Identität mehr besteht, kann nur aus formal-juristischen Denken entspringen. Aus dem Blickwinkel einer wirtschaftlichen Betrachtung, die gerade dem Typenvergleich zugrunde liegt, kann eine solche Sichtweise jedenfalls nicht überzeugen.
4. Zwei Sonderfalle
a) Gesellschaften, bei denen Verwaltungssitz und Geschäftsleitung auseinanderfallen Bei einer an zivilrechtlichen Kriterien orientierten Qualifikation tauchen jedoch zwei Problemfälle auf, die in gewisser Weise mit der hier vertretenen Argumentation in Widerspruch stehen können. Der erste Fall tritt allerdings nur dann auf, wenn die Ansicht zutreffen sollte, daß Verwaltungssitz und Geschäftsleitung nicht in jedem Falle zusammentreffen, da das Steuer- und das Zivilrecht beide Begriffe in unterschiedlicher Weise auslegen. Verlegt eine ausländische Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung im Sinne von § 1 Abs 1 KStG i.V.m. § 10 AO in das Inland, verbleibt aber nach International-privatrechtlicher Sicht der Verwaltungssitz im Gründungsstaat, so wäre die ausländische Gesellschaft nach unserem IPR weiterhin ein mit Rechtsfähigkeit ausgestattetes Gebilde, dessen unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht hier zur Debatte steht. Dieser Fall ist von der Wertung her identisch mit den Fällen, in denen über die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht zu entscheiden ist, da hier weiterhin der ausländische Staat die Rechtsfähigkeit verleiht und das deutsche IPR diese "passiv" anerkennt. Würde das deutsche Steuerrecht in diesem Falle die vom
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F. Die systemadäquate Qualifikation
ausländischen Staat verliehene Rechtsfähigkeit als Kriterium der unbeschränkten Steuerpflicht übernehmen, so kann ausländisches Recht in der Tat leicht gezielt zum Träger ausländischer Interessen gemacht werden. Würde andererseits entsprechend der Vorgabe der beschränkten Steuerpflicht hier ein Typenvergleich vorzunehmen sein, so würde dies zur Spaltung in der Frage der Anknüpfung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht führen. In diesem Falle gilt es abzuwägen, welchem Punkt die größere Bedeutung beizumessen ist. M.E. ist aufgrund der, wenn überhaupt möglich, wohl nur selten auftretenden Problematik eine einheitliche, an dem Kriterium der Rechtsfähigkeit orientierte Auslegung einer nach den Grundsätzen des Typenvergleichs orientierten Subsumtion vorzuziehen. Gerade die oben erwähnte Typisierungsmöglichkeit, die das Bundesverfassungsgericht als mit dem Gleichheitsprinzip vereinbar erklärt, deckt eine solche Auslegung. Dies gilt um so mehr, als eben auch deutsche Gesellschaften unabhängig von ihrer tatsächlichen Struktur in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer eingeordnet werden. Auch wenn hier der deutsche Gesetzgeber die Maßgaben vorgibt, unterscheiden sich die Fälle, in denen ausländisches Recht einer Personengesellschaft die Rechtsfähigkeit verleiht, letztlich von ihrem wirtschaftlichen Gehalt nur unwesentlich. Gerade der wirtschaftliche Gehalt soll es aber sein, der den Ausschlag zugunsten eines Typenvergleichs gegeben hat.
b) Gesellschaften aus Staaten mit bilateralen Handelsverträgen Den zweiten, letztlich ähnlich gelagerten Problembereich stellen Gesellschaften dar, die aufgrund bilateraler Staats Verträge, wie sie die Bundesrepublik etwa mit den USA oder Spanien geschlossen hat, ohne Verlust ihrer Rechtsfähigkeit Geschäftsleitung und Verwaltungssitz in das Inland verlegen können. Auch hier bestimmt der ausländische Staat über die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft, seinem Recht untersteht die Gesellschaft. Für eine am Kriterium der Rechtsfähigkeit orientierten Auslegung besitzen die gleichen Argumente Gültigkeit, wie bei Gesellschaften, bei denen Verwaltungssitz und Geschäftsleitung auseinanderfallen. Bei den hier angesprochenen Gesellschaften spricht jedoch noch ein weiterer Grund für eine zivilrechtliche Betrachtung, der in deren Besonderheit selbst begründet liegt. Die Verträge bestimmen zwar nur über das zivilrechtliche Schicksal einer Gesellschaft, dennoch mutet es m.E. seltsam an, diese Gesellschaften nach anderen Kriterien zu beurteilen wie inländische. Es ist gerade der erklärte Wille des deutschen Gesetzgebers, diesen Gesellschaften trotz Auseinanderfallen von statutarischen Sitz und Verwaltungssitz die Rechtsfähigkeit zuzuerkennen. Deshalb sollte die Anerkennung der Gesellschaften in einem umfassenden Sinne erfolgen, also auch für die Zwecke des Steuerrechts.
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit
301
Insofern kann auch nicht davon gesprochen werden, daß sich der deutsche Gesetzgeber der ausländischen Rechtsordnung in einem Maße ausliefert und die Folgen für alle ausländischen Rechtsformen nicht absehen kann, wie dies etwa im Rahmen der international privatrechtlichen Anerkennung der Fall ist. Vielmehr gebietet eine international verträgliche Auslegung, so wie sie Klaus Vogel für das Steuerrecht fordert 109, eine Berücksichtigung der Rechtsform gerade in diesem Falle. Für den ausländischen Vertragspartner ist es m.E. kaum einsichtig, daß die nach seinem Recht gegründeten Gesellschaften zwar zivilrechtlich voll anerkannt werden und damit den deutschen juristischen Personen gleichgestellt werden, für Zwecke der Besteuerung jedoch plötzlich einem "Sonderrecht" unterstehen sollen.110 5. Die Qualiftkationsproblematik der wegziehenden Kapitalgesellschaft in Abhängigkeit vom anzuwendenden Zivilrecht
a) Das Fehlen einer gesicherten zivilrechtlichen
Behandlung
Die bisherigen Ausführungen, die für eine Körperschaftsteuersubjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften nach streng zivilrechtlichen Vorgaben sprachen, bezogen sich allein auf solche Gesellschaften, die ihre Geschäftsleitung vom Ausland in inländisches Steuerhoheitsgebiet verlegen. Das Problem der Subjektqualifikation stellt sich aber genauso in der umgekehrten Richtung, in der eine Gesellschaft deutschen Rechts ihren tatsächlichen Sitz in das Ausland verlegt. Dies wird in der Praxis der seltener auftretende Fall sein, da die Anforderungen des deutschen Gesellschaftsrechts als hoch einzustufen sind und somit eher ein Anreiz vorhanden ist, in das laxere Gesellschaftsrecht des Auslandes zu flüchten als zuerst eine Kapitalgesellschaft nach deutschem Recht zu gründen, um dann anschließend die Geschäftsleitung in das Ausland zu verlegen.111 Für diese Fälle soll nun untersucht werden, inwieweit die Situation mit der zuziehender Gesellschaften übereinstimmt und sich daher die dort gefundenen Ergebnisse übertragen lassen, oder ob aufgrund anderer zivilrechtlicher Gegebenheiten eine andere Vorgehensweise bzw. Argumentation angebracht erscheint.
109
Vgl. Vogel, K. (Verfassungsentscheidung, 1964) S. 1 ff. Der BFH lehnt aber die Möglichkeit der Organschaft nach §§ 14 und 18 KStG ab. Entgegen der wohl h.M. (Vgl. hierzu Kap. Β Π. 3.) besagt der bilaterale Handelsvertrag mit den USA nicht, daß eine US-amerikanische Gesellschaft auch nach Verlegung ihres Verwaltungssitzes den Status eines inländischen Rechtsgebildes annehmen kann. Vgl. hierzu BFH v. 13.11.1991, BFHE 166 S. 238 (241). 111 Vgl. hierzu auch Kap. Β I. 2. b). 110
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F. Die systemadäquate Qualifikation
Soll eine für alle Gesellschaften, deren unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 KStG in Frage steht, allgemeingültige Regelung gefunden werden, so müssen sich die bisher gefundenen Ergebnisse auf diesen Fall ebenso übertragen lassen und dürfen dementsprechend mit den allgemeinen Grundwertungen nicht in Konflikt geraten. Anderenfalls wäre eine Spaltung des Systems der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte zu befürchten. Gerade eine einheitliche Systematik gilt es anzustreben, denn diese ist die Grundbedingung eines Systems. Diese Forderung ist insbesondere innerhalb der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften zu beachten. Nur so kann auch den Anforderungen an den Gleichheitssatz Rechnung getragen werden, da dieser ein einheitliches Kriterium erfordert, anhand dessen die Gleichheit als solche zur Diskussion steht. An dieser Stelle zeigt sich wiederum die Verknüpfung von Gleichheitspostulat und System; gerade das System garantiert die Erfüllung des Gleichheitssatzes. Da es um die Frage geht, ob sowohl zuziehende als auch wegziehende grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften nach dem gleichen und damit nach einem einheitlichen Kriterium, dem der strengen Rechtsformabhängigkeit, zu qualifizieren sind, muß zunächst noch einmal ein kurzer Überblick über die zivilrechtliche Behandlung gegeben werden. Im Falle der zuziehenden grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften war es unter anderem die mit den steuerlichen Wertungen korrespondierende zivilrechtliche Strukturvorgabe, die für eine Subjektqualifikation nach den Vorgaben des Zivilrechts spricht. Um daher eine sachgerechte Einstufung auch bei wegziehenden Gesellschaften zu gewährleisten, muß diese Basis Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung sein. Wie in Kapitel Β II .2. bb) gezeigt, ist selbst unter den Vertretern der Sitztheorie umstritten, welche Konsequenzen die Verlegung des Verwaltungssitzes einer nach deutschem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft in das Ausland hat. Zum einen ist ungeklärt, ob das deutsche materielle Sachrecht die Gesellschaft zur Auflösung und Abwicklung zwingt, oder ob die Sitztheorie ein solches Ergebnis bewirkt. Unter den Vertretern, die diese Rechtsfolge auf die Sitztheorie stützen, besteht ein weiterer Streitpunkt darin, ob im Falle der Verwaltungssitzverlegung in das Ausland die Grundsätze der Rückverweisung Gültigkeit besitzen. Ist davon auszugehen, so führt die Verwaltungssitzverlegung nicht zwingend zur Auflösung der Gesellschaft, sondern ein Weiterbestehen nach deutschem Recht ist möglich, sofern es sich bei dem Zuzugsstaat um einen Vertreter der Gründungstheorie handelt. Der Verlust der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft kann daher, sofern die Sitztheorie "nur" Auslöser hierfür ist, im Ergebnis nur durch das materielle Recht des Zuzugsstaates bewirkt werden. Diese verschiedenen Ansichten und Fallkonstellationen gilt es daher im folgenden einer steuerlichen Beurteilung zugrundezulegen und auf dieser Basis ein sachgerechtes Kriterium der Subjektqualifikation zu finden.
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit
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b) Deutsches materielles Recht bewirkt die Auflösung der Gesellschaft Geht man nun von der ersten Fallvariante aus, nach der die Ursache für die Auflösung und Abwicklung im materiellen Recht zu erblicken ist, so läßt sich die Versagung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der Gesellschaft und damit die Subjektqualifikation nach den Vorgaben des Zivilrechts rechtfertigen. Deutsches materielles Recht ist es, das die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit inländischer Gebilde begründet. Versagt demnach das materielle Zivilrecht der Personenvereinigung die weitere Rechtsfähigkeit, da die Verwaltungssitzverlegung als Auflösungsbeschluß zu werten ist und die Gesellschaft daher aufzulösen und abzuwickeln ist, so kann dies nur den Verlust der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit nach sich ziehen. Die Gesellschaft hört mit dem Abschluß der Abwicklung und der anschließenden Löschung im Handelsregister auf, für das deutsche Gesellschaftsrecht als juristische Person zu existieren. 112 Jede andere Folgerung würde daher den Wertungen des Steuerrechts zuwiderlaufen. Hier ist es keine ausländische Rechtsordnung, die zu dieser Konsequenz führt und die demnach in das deutsche Steuerrecht hineinwirken würde. Hier auf die Kapitalgesellschaft in ihrer ursprünglichen Form abstellen zu wollen, bedeutet, die tatsächlichen Gegebenheiten zu ignorieren. Auch andere Fälle, in denen der Verlust an Rechtsfähigkeit der Gesellschaft zu verzeichnen ist, führen zum Ende der Körperschaftsteuerpflicht. 113 Nicht nur die von den Gesellschaftern gewollte, durch formellen Auflösungsbeschluß herbeigeführte Beendigung der Kapitalgesellschaft führt zur Auflösung und Abwicklung und damit zur Schlußbesteuerung nach § 11 KStG, sondern etwa auch eine Verfügung des Registergerichts.114 Auch wenn die Gesellschafter die rechtsfähige Gesellschaft grundsätzlich weiterbestehen lassen wollen und weder an eine Verlegung des Sitzes noch der Geschäftsleitung denken, aber zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft gezwungen werden, verliert die Gesellschaft ihre Eigenschaft als Körperschaftsteuersubjekt. 115
112 Die Gesellschaft verliert noch nicht mit dem Auflösungsbeschluß ihre Rechtsfähigkeit, sondern die Identität der Gesellschaft als selbständige juristische Person bleibt vielmehr bestehen. Vgl. hierzu Henn, G. (Handbuch, 1994) S. 649. 113 Kapitalgesellschaften verlieren nicht einfach ihre Rechtsfähigkeit und werden zur oHG oder GbR, sondern die Gesellschaft ist, sofern die Voraussetzungen für das Weiterbestehen der Gesellschaft wegfallen, aufzulösen und abzuwickeln. Im Rahmen der Abwicklung erst kann das Vermögen auf die neue nichtrechtsfähige Gesellschaft übergehen. Ein solcher Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist nach den Vorschriften des UmwG möglich. Vgl. hierzu §§1-29 UmwG. 114 Vgl. etwa Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 935. 115 Die Körperschaftsteuerpflicht endet allerdings nicht schon mit der Löschung im Handelsregister, sondern erst mit rechtsgültiger Beendigung der Liquidation. Vgl. HHR, § 1 KStG Anm. 87.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
Eine nach den Maßgaben der Rechtsform bestimmte Subjektqualifikation ist bei isolierter Betrachtung von § 1 Abs. 1 KStG daher systemkonform, sie scheint jedoch mit dem Wortlaut von § 12 Abs. 1 KStG in partiellen Konflikt zu stehen. § 12 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. KStG ordnet eine Schlußbesteuerung u.a. dann an, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Personenvereinigung ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in das Ausland verlegt und dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet. Hieraus ließe sich im Umkehrschluß folgern, daß das Körperschaftsteuerrecht in der Verlegung der Geschäftsleitung in das Ausland keine zwingende Beendigung der Körperschaftsteuerpflicht sieht, da anderenfalls die zusätzliche Voraussetzung jeglichen Sinns beraubt wäre. Der Wortlaut der Vorschrift von § 12 Abs. 1 S. 1 KStG läßt nun hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung des Ausscheidens aus der unbeschränkten Steuerpflicht grundsätzlich zwei Interpretationen zu. Zum einen kann sie dahingehend verstanden werden, daß durch die Verlegung nun beide örtlichen Anknüpfungspunkte der unbeschränkten Steuerpflicht nicht mehr im Inland liegen und damit die örtlichen Tatbestandsvoraussetzungen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nicht mehr erfüllt sind. Demnach wären solche Gesellschaften betroffen, bei denen sich bereits entweder der Satzungssitz oder die Geschäftsleitung im Ausland befinden. Zum anderen ließe sich die Vorschrift aber dahingehend auslegen, daß durch die Verlegung einer der Anknüpfungspunkte die Voraussetzungen der Qualität als Körperschaftsteuersubjekt dem Grunde nach verloren geht, d.h. die Gesellschaft ist nicht mehr dem Katalog der Körperschaftsteuersubjekte zuzuordnen, wie die zivilrechtlichen Konsequenzen deutlich machen. Die zweite Interpretationsalternative steht jedoch in Konkurrenz zu § 11 KStG, auf den § 12 Abs. 1 KStG hinsichtlich der Durchführung der Schlußbesteuerung verweist. Geht nämlich die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit dem Grunde nach verloren, so ist bereits eine Schlußbesteuerung nach § 11 Abs. 1 KStG durchzuführen, da die Kapitalgesellschaft nach den zivilrechtlichen Vorschriften aufzulösen und abzuwickeln ist. Andererseits nimmt die Vorschrift des § 12 diese Konkurrenz wohl in Kauf, wie die erste Alternative von § 12 Abs. 1 S. 1 KStG zeigt. Nach dieser Vorschrift ist eine Schlußbesteuerung dann vorzunehmen, wenn die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung in das Ausland verlegt. Sofern eine solche Sitzverlegung in das Ausland von einer Kapitalgesellschaft deutschen Rechts durchgeführt wird, ist dies nach ganz h.M. im Zivilrecht als Auflösungsbeschluß zu werten. Bei einer Verlegung beider Anknüpfungspunkte wäre deshalb in jedem Falle bereits eine Schlußbesteuerung nach § 11 KStG durchzuführen. An diesem Punkt muß sich der Gesetzgeber durchaus vorhalten lassen, das Zusammenspiel von Zivil- und Steuerrecht in seiner ganzen Tragweite nicht erkannt zu haben. Zumindest dann, wenn die Frage nach der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit inländischer Gesellschaften nach den zivilrechtlichen
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Vorgaben gelöst wird, wofür die Regierungsbegründungen zum Körperschaftsteuergesetz sprechen,116 kommt es zwischen § 11 und § 12 KStG zu einer unweigerlichen Überschneidung und damit zu einer Regelungsredundanz. Diese Problematik wird auch in der Literatur durchaus gesehen, wobei der Vorschrift des § 12 KStG gegenüber § 11 KStG lediglich eine subsidiäre Stellung eingeräumt wird. 117 Weitere Ausführungen, die die Widersprüchlichkeit der Regelung selbst und im Hinblick auf das geltende System der Körperschaftsteuersubjektqualifikation betreffen, finden sich jedoch nicht. Schon im Hinblick auf die Körperschaftsteuersubjektqualifikation inländischer Gesellschaften ist § 12 KStG eine in sich widersprüchliche Vorschrift. Unter dieser Prämisse kann ihm auch keine Bedeutung dahingehend zukommen, eine Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften zu verhindern. Vielmehr wird § 12 KStG unter Umständen allein die Funktion einer "Ausnahmevorschrift" zukommen, die eine Besteuerung der stillen Reserven in jedem Falle sicherstellen soll. Frotscher / Maas bringen dies in deutlicher Sprache zum Ausdruck, wenn sie zu § 12 KStG folgendes ausführen: "§12 ist eine Vorschrift, die in ihrer Systematik und ihren Regelungen wenig gelungen ist. Sie macht den Eindruck, als ob bei ihrer Formulierung mehr die Furcht vor Steuerausfällen als eine tiefgehende Analyse ihrer Notwendigkeit und ihrer Wirkungen Pate gestanden haben. Das Verhältnis zu den zivilrechtlichen Grundlagen bleibt unklar..." 118 Dieser unausgegorenen Vorschrift kann daher m.E. keine systembeeinflussende Bedeutung zugemessen werden, die für eine Körperschaftsteuersubjektqualifikation wegziehender Kapitalgesellschaften spricht. § 12 Abs. 1 KStG hat, auch wenn die wegziehenden Gesellschaften nach den Grundsätzen einer dem Zivilrecht verpflichteten Subjektqualifikation in 116
Vgl. Kapitel D 2.2.2.3. Vgl. etwa Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (167); Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 19; Frotscher / Maas, § 12 KStG Anm. 10; HHR, § 12 KStG Anm. 9. Lediglich Dötsch / Eversberg / Jost / Witt, § 12 KStG Anm. 13 sehen zwischen beiden Vorschriften keine Konkurrenz; vielmehr soll in den Fällen der Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung immer § 12 KStG anzuwenden sein. 118 Frotscher / Maas, § 12 KStG Anm. 3. Aber auch Frotscher / Maas scheinen die zivil- und steuerrechtlichen Verknüpfungen nicht ihrer gesamten Konsequenz zu durchschauen. Sie wollen auf Gesellschaften, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in das Ausland verlegt haben, § 12 KStG anwenden, sofern die Gesellschaft weiterhin tätig bleibt und aus der Auflösimg keinerlei Konsequenzen zieht. Vgl. ebd., Anm. 10. Nach § 264 AktG ist die Abwicklung aber zwingende Folge der Auflösung. Vgl. etwa Hüffer, § 264 AktG Anm. 1. Ausnahmen hiervon macht lediglich die Vorschrift des § 275 AktG, die jedoch im Falle einer Verwaltungssitzverlegung der Gesellschaft in das Ausland nicht zum Tragen kommen können. Allenfalls die "Rückgängigmachung" dieses Vorganges selbst könnte die Abwicklung und anschließende Löschung der Gesellschaft im Handelsregister verhindern. Die Konsequenz dieser zivilrechtlichen Vorgaben ist, daß bei einer Verwaltungssitzverlegung immer § 11 KStG als vorrangige Vorschrift anzuwenden ist. 117
Herz
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F. Die systemadäquate Qualifikation
den Dualismus der Einkommensbesteuerung eingestuft werden, nicht jedwede Berechtigung verloren. Unter der Voraussetzung, daß Geschäftsleitung und Verwaltungssitz nicht identisch sind, oder bei Bestehen von Handelsverträgen kommt der Vorschrift des § 12 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. KStG Relevanz zu, da in diesen Fällen Sitz und Geschäftsleitung zwar auseinanderfallen, die Gesellschaften aber weiterhin als juristische Personen Bestand haben.119 § 12 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. KStG hat weiterhin dann noch einen Sinn, sofern eine deutsche Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen ausländischen Staat verlegt, der zu den Verfechtern der Gründungstheorie zählt und nach deutschem Internationalen Privatrecht die Rückverweisung zu beachten ist. 120 c) Internationales Privatrecht ist auf wegziehende Gesellschaften anzuwenden Läßt sich die wegziehende Gesellschaft unter der Prämisse, daß der Verlust der Rechtsfähigkeit allein auf das materielle Gesellschaftsrecht zurückzuführen ist, in das System der Qualifikation nach der Rechtsform ohne Wertungswidersprüche einfügen, so gilt es nun zu untersuchen, inwieweit dieses Ergebnis auch dann noch aufrechterhalten werden kann, wenn die Behandlung nach den Grundsätzen der Sitztheorie erfolgt. Da die Kollisionsnormen allseitig in dem Sinne sind, daß bei einem Verweis auf das Recht des ausländischen Staates nicht nur dessen materielle Rechtsordnung anzuwenden ist, sondern auch dessen Internationales Privatrecht, muß bei dem Wegzug einer Gesellschaft eine Differenzierung dahingehend vorgenommen werden, welche Anknüpfungstheorie der Zuzugsstaat vertritt. Sofern der Staat Vertreter der Sitztheorie ist, kommt nach dem IPR des Zuzugsstaates dessen materielles Recht zur Anwendung. Sofern es sich bei dem Zuzugsstaat hingegen um einen Vertreter der Gründungstheorie handelt, so hat die allseitige Verweisung des IPR zur Folge, daß das IPR des Zuzugsstaates auf das Gründungsrecht verweist, so daß die Behandlung der Gesellschaft nach deutschem materiellem Recht erfolgt. Zieht die Gesellschaft in einen der Sitztheorie folgenden Staat, so führt dies sowohl nach dem Recht des Zuzugsstaates als auch nach deutschem Recht zur Nichtanerkennung der Zivilrechtsfähigkeit der Gesellschaft. Durch den durch den Wegzug bedingten Statutenwechsel wird die Gesellschaft nämlich regelmäßig nicht die Gründungsvorschriften des Zuzugsstaates erfüllen. Anders stellt sich die Situation jedoch dann dar, wenn die Gesellschaft in einen Staat zieht, der die Gründungstheorie vertritt. In diesen Fällen wird, sofern die Gesellschaft ihren Sitz weiterhin beibehält und im Inland auch noch geschäftli119 120
Vgl. hierzu auch Kap. F EL 2. Vgl. hierzu Kap. F. Π. 5. c) bb).
Π. Das Qualifikatiosmerkmal Rechtsfähigkeit
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che Aktivitäten durchführt, eine identitätswahrende Sitzverlegung zugelassen und die Gesellschaft damit weiterhin als juristische Person behandelt. Bei einer streng an den Grundsätzen der Rechtsform orientierten Körperschaftsteuersubjektqualifikation führt die Verwaltungssitzverlegung zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nach dem, ob ein Zuzug in einen der Sitz- oder der Gründungstheorie folgenden Staat erfolgt. Handelt es sich bei dem Zuzugsstaat um einen Vertreter der Gründungstheorie käme es aufgrund des Verlustes der Rechtsfähigkeit gleichermaßen zum Verlust der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit. Folgt der Zuzugsstaat hingegen der Gründungstheorie, so ist die Gesellschaft weiterhin als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln. Soll eine systemkongruente, den Wertungen des Steuerrechts entsprechende Einstufung vorgenommen werden, so muß eine Überprüfung in zweifacher Hinsicht vorgenommen werden. Zum einen ist zu untersuchen, ob die einzelnen Ergebnisse isoliert für sich betrachtet dieser Anforderung gerecht werden können. Zum anderen muß die Frage gestellt werden, inwieweit sich die unterschiedliche Behandlung wegziehender grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in Abhängigkeit vom Internationalen Privatrecht des Zuzugsstaates rechtfertigen läßt. Nur wenn sich beide Punkte nahtlos mit den Wertungen des Steuerrechts in Einklang bringen lassen, kann ohne weitere Begründung das Qualifikationskriterium Rechtsform auf zuziehende Gesellschaften angewendet werden. aa) Der Zuzug in einen der Sitztheorie folgenden Staat Zunächst wird der Fall untersucht, daß es sich bei dem Zuzugsstaat um einen Vertreter der Sitztheorie handelt. Demnach wäre sowohl nach deutschem Internationalen Privatrecht als auch nach dem des ausländischen Staates die Gesellschaft, da sich nun das Personalstatut nach dem Recht des Zuzugsstaates bestimmt, nach dessen materiellen Privatrecht zu beurteilen mit der Konsequenz, daß sie sowohl nach deutschem Recht als auch nach dem Recht des Zuzugsstaates ihre Rechtsfähigkeit verlieren wird. 121 Die Sitzverlegung ist ein zwingender Grund für die Liquidation der Gesellschaft im Inland und für eine Neugründung im Zuzugsstaat. Die Frage, die sich nun an diesem Punkt stellt, ist die, welche Rechtsordnung für die Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft verantwortlich ist. Soll es das Recht des Zuzugsstaates sein, oder zwingt nicht doch das materielle deutsche Gesellschaftsrecht die juristische Person zu diesem Schritt. Eine Antwort bleiben die Vertreter einer kollisionsrechtlichen Lösung schuldig. Gerade für die steuerliche Lösung der Subjektqualifikation ist diese Frage von entscheidender Bedeutung, sofern die zivilrechtliche Wertung hier zu121
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Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr.l S. 19.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
grundegelegt wird. Ist es nämlich das deutsche materielle Recht selbst, das die Gesellschaft zur Liquidation zwingt, so kann obige Argumentation in vollem Umfange auf diese Konstellation übertragen werden. In beiden Fällen ist es das deutsche materielle Recht, das als Ursache für die Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft zu betrachten ist. Sofern jedoch der eigentliche Grund der Auflösung in der Rechtsordnung des Zuzugsstaates gesehen wird, muß eine Qualifikation nach den Vorgaben des Zivilrechts auf Bedenken stoßen. Das ausländische Zivilrecht wirkt in diesem Falle auf das deutsche Steuerrecht ein, so daß hier eine Situation gegeben ist, die der ausländischer Gesellschaften, deren beschränkte Körperschaftsteuerpflicht zu prüfen ist, zumindest ähnlich zu sein scheint. Da die Abhängigkeit vom ausländischen Zivilrecht bei ausländischen Gesellschaften zur Anwendung eines Typenvergleichs führte, ist daher nun zu untersuchen, ob und inwieweit die Ausgangslage bei wegziehenden grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften mit der ausländischer Gesellschaften übereinstimmt. Sollte sich hier eine Konvergenz hinsichtlich der für die Subjektqualifikation relevanten Kriterien ergeben, so müßte die an der Rechtsform orientierte Qualifikation grundsätzlich in Frage gestellt werden. Untersucht man die zivilrechtliche Situation wegziehender grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften genauer, so zeigt sich, daß gegenüber ausländischen Gesellschaften wesentliche Unterschiede bestehen. Im Falle der Prüfung der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausländischer Gesellschaften würde sich die Abhängigkeit vom ausländischen Recht in einer Weise darstellen, die völlig unabhängig von den Wertungen der deutschen materiellen Zivilrechtsordnung ist. Eine Anerkennung der juristischen Persönlichkeit erfolgt unabhängig davon, ob die Struktur des ausländischen Rechtsgebildes der deutscher juristischer Personen entspricht. Die Wertentscheidungen des ausländischen Gesetzgebers, an welche Struktur und sonstigen Voraussetzungen er die Verleihung der Rechtspersönlichkeit knüpft, muß daher nicht mit der Zielsetzung deutschen Rechts übereinstimmen, sondern eine Übereinstimmung wäre eher zufällig. Im Falle der Verwaltungssitzverlegung in einen der Sitztheorie folgenden Staat stellt sich die Abhängigkeit jedoch in einem völlig anderem Licht dar. Nach dem Recht des ausländischen Sitzstaates wird die Gesellschaft regelmäßig ihre Rechtsfähigkeit einbüßen und daher als Personengesellschaft zu qualifizieren sein.122 Aber auch nach deutschem materiellen Recht verliert die Kapitalgesellschaft ihre Zivilrechtsfähigkeit und sie ist darüber hinaus aufzulösen und abzuwickeln. Ausländisches und deutsches materielles Recht haben hier also eine spiegelbildliche Wirkung. Anders als bei der international-privatrechtlichen Anerkennung stimmen die Wertungen beider Rechtsordnungen überein, so daß sich die Gesellschaften von ihrem strukturellen und organisatorischen Gehalt in beiden Staaten weitgehend entsprechen dürften. 122
Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 19.
Π. Das Qualifikationsmerkmal Rechtsfähigkeit
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Zudem muß sich das materielle Recht den Wertungen des ausländischen Staates hinsichtlich des Bestandes der nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft nicht unbedingt beugen. Auch wenn die Sitztheorie auf das ausländische Personalstatut als maßgebliche Rechtsordnung verweist, so bedeutet dies nach unserem materiellen Recht nicht notwendigerweise, daß die Gesellschaft aufzulösen und abzuwickeln ist. Die Entscheidung einer solchen Rechtsfolge ist daher im Ergebnis Ausfluß unserer materiellen Rechtsordnung,123 so daß die Wertungen des deutschen Gesellschaftsrechts im Ergebnis unmittelbar über das "Schicksal" der juristischen Person entscheiden. Überhaupt muß man sich an dieser Stelle die Frage stellen, wie eine in einen der Sitztheorie folgenden Staat wegziehende Gesellschaft einer Subjektqualifikation nach den Grundsätzen eines Typenvergleichs unterzogen werden kann. Sofern die Verwaltungssitzverlegung der Gesellschaft in das Ausland zwingend zur Liquidation der Gesellschaft führt, so kann nach Abschluß dieses Vorganges in der Bundesrepublik Deutschland keine Gesellschaft mehr verbleiben. Bis zum Abschluß der Liquidation und der endgültigen Löschung der Gesellschaft im Handelsregister bleibt die Gesellschaft Körperschaftsteuersubjekt, wobei die Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG durchzuführen ist. Insofern besteht im Anschluß daran in der Bundesrepublik auch kein örtlicher Anknüpfungspunkt i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG mehr, so daß sich die Frage der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht von selbst erübrigt. Abgesehen von der materiell-privatrechtlichen Ebene hat die Anwendung des IPR in beiden Themenbereichen eine unterschiedliche Qualität, die es auch bei der Beantwortung der Frage, ob der Typenvergleich oder die Rechtsform als sachgerechtes Kriterium zu werten ist, zu beachten gilt. Im Falle des Wegzuges "verstößt" - bildlich gesprochen - das Internationale Privatrecht die Gesellschaft aus ihrem ursprünglichen Heimatrecht. Im Falle der beschränkten Steuerpflicht geht es hingegen alleinum die unbedingte Übernahme der Wertungen der ausländischen Privatrechtsordnung. Während es sich im ersten Fall um einen aktiven Vorgang handelt, der eine Nichtanerkennung einer nach eigenem Recht gegründeten Gesellschaft zur Folge hat, ist die Anerkennung lediglich als ein passiver Akt zu interpretieren, der primär Ausfluß der Liberalität unseres IPR ist und dem internationalen Rechts- und Wirtschaftsverkehr dient. Im Falle der Verwaltungssitzverlegung tritt diese Liberalität jedoch zurück und die Interessen des am meisten betroffenen Staates sollen Berücksichtigung finden. 124 Betrachtet man jedoch die Gründe, die für eine Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaft angeführt werden, so zeigt sich, daß es nicht die Interessen des Verwaltungssitzstaates als dem am meisten von der Gesellschaft tangierten Staat sind, die eine solche Konsequenz nach sich ziehen, sondern die Interessen der deutschen Privatrechtsordnung stehen im Vor123
So auch Knobbe-Keuk, B., ZHR 1990 S. 325 (351), die aber diese Konsequenzen überhaupt ablehnt. 124 Vgl. hierzu Kap. Β. I. 2. b).
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F. Die systemadäquate Qualifikation
dergrund. 125 Geschützt werden sollen die Interessen der an der Gesellschaft beteiligten Personengruppen, die auf den Bestand der Gesellschaft nach deutschem Recht vertraut haben. Letztlich führt also bei wegziehenden Kapitalgesellschaften die Sitztheorie dazu, den Wertungen der deutschen Privatrechtsordnung zum Durchbruch zu verhelfen, während im Falle ausländischer Kapitalgesellschaften diesen Wertungen keinerlei Bedeutung zugebilligt wird. Diese unterschiedlichen Qualitäten des Internationalen Privatrechts können auch im Steuerrecht nicht einfach übergangen werden, indem das Internationale Privatrecht generell "verteufelt" wird. Vielmehr sind die Konsequenzen und Wertungen, die das Internationale Privatrecht in den einzelnen Konstellationen hat, für die steuerliche Auslegung unterschiedlich zu bewerten. bb) Der Zuzug in einen der Gründungstheorie folgenden Staat Handelt es sich bei dem ausländischen Staat um einen Verfechter der Gründungstheorie, so tritt genau das umgekehrte Ergebnis ein; die Gesellschaft besteht nach dem Recht beider Staaten in ihrer bisherigen Form weiter. 126 Die Gesellschaft ist demnach in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin als Körperschaftsteuersubjekt zu qualifizieren. Bei der Qualifikation der Gesellschaft, wie sie sich nach materiellem Recht darstellt, ergibt sich somit keinerlei Problem. Sie ist begrifflich den Kapitalgesellschaften im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zuzuordnen. Die Problematik rührt in diesem Fall aber von einer anderen Seite. Hier läßt sich der Einwand vorbringen, daß sich das deutsche Steuerrecht von den Wertungen des Internationalen Privatrechts des ausländischen Zuzugsstaates abhängig machen würde. Denn in Abhängigkeit davon, ob der ausländische Staat nun die Gründungs- oder die Sitztheorie vertritt, hätte dies die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft oder die unmittelbare Besteuerung bei den Gesellschaftern zur Folge. Diese Abhängigkeit ist sicherlich zu konstatieren. Nur ist dies nicht die entscheidende Frage; die Frage ist die, ob diese Abhängigkeit sich mit den Wertungen des deutschen Steuerrechts vereinbaren läßt oder nicht. Dieses Ergebnis läßt sich nicht einfach damit rechtfertigen, daß es Ausfluß der allseitigen Kollisionsnormen der Sitztheorie ist, mithin unsere Rechtsordnung hierfür verantwortlich zeichnet. Ansonsten hätte man sich auch im Falle der beschränkten Steuerpflicht mit diesem Hinweis begnügen können. Dennoch ist die hier zu beurteilende Problematik eine andere. Im Falle der beschränkten Steuerpflicht ist eine andere Ebene betroffen; es geht um die Frage, inwieweit zivilrechtliche Vorgaben der materiellen Privatrechtsordnung 125 V 126
g l e t w a
Begründimg bei Staudinger - Großfeld, IntGesR Tz. 357.
Voraussetzung nach deutschem Gesellschaftsrecht ist, daß sie hier noch einen weiteren Anknüpfungspunkt im Sinne von § 5 Abs. 2 AktG hat. Vgl. hierzu Kap. ΑΠ. 2. a).
IQ. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
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des Auslandes für unsere steuerrechtliche Qualifikation maßgebend sein können. Anders ausgedrückt steht man dort vor der Frage, wie zivilrechtliche Strukturen des Auslandes in das deutsche Steuerrecht hineinwirken dürfen. Im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht steht diese Problematik nicht zur Disposition; hier kommen die eigenen steuerlichen Wertungen bei der Beurteilung der Gesellschaft zum Tragen. Andererseits ist bei zuziehenden Gesellschaften eine Abhängigkeit von den Wertungen des Internationalen Privatrechts des Auslandes abgelehnt worden. Nur liegt hier wiederum ein anders gelagerter Fall vor. Dort stand die Gültigkeit des IPR unabhängig vom deutschen Internationalen Privatrecht zur Debatte, während es hier gerade das deutsche IPR ist, das aufgrund seiner allumfassenden Regelung sich auch von den Wertungen des IPR des Auslands abhängig macht. Im Rahmen der Argumentation muß daher methodisch sauber getrennt werden. Der Vergleich mit der beschränkten Steuerpflicht ist von dem zu unterscheiden, bei dem die beiden Fälle der unbeschränkten Steuerpflicht in Frage stehen.
6. Die Rechtsfähigkeit als sachgerechtes Kriterium von zu- und wegziehenden Kapitalgesellschaften
Wie die an den Folgen orientierte Untersuchung gezeigt hat, entspricht die Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften nach dem Kriterium der Rechtsform bzw. Rechtsfähigkeit den Anforderungen an eine objektiv-teleologische Auslegung. Sowohl bei zuziehenden als auch bei wegziehenden Gesellschaften kann die Anknüpfung an das Merkmal der Rechtsfähigkeit als sachgerechtes Kriterium einer am Gleichheitssatz orientierten Auslegung betrachtet werden. Insofern ist auch die Forderung nach einem einheitlichen Merkmal erfüllt. Eine den Grundsätzen des Typenvergleichs verpflichtete Subjektqualifikation ist hingegen mit dem geltenden System der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften nicht vereinbar. Eine solch geartete Qualifikation würde insbesondere zu einer Ungleichbehandlung mit den kapitalistisch strukturierten Personengesellschaften deutschen Rechts führen.
ΙΠ. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit anhand des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich beim Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit um ein abstraktes Prinzip, das im einzelnen noch der Konkretisierung bedarf. Seine Vorstellungen hinsichtlich der Ausfüllung des Prinzips hat der Gesetzgeber in den einzelnen Vorschriften niedergelegt. Insofern kann die Norm zur Überprüfung des anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips gefundenen Ergebnisses herangezogen werden. Andererseits dient
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F. Die systemadäquate Qualifikation
das Leistungsfähigkeitsprinzip als abstraktes Prinzip der Aufhellung des in den Normen liegenden Sinngehaltes. Hier liegt also ein wechselseitige inhaltliche Befruchtung des allgemeinen und des speziellen vor. Insofern erfolgt einmal der Schluß vom allgemeinen zum speziellen, und umgekehrt vom speziellen zum allgemeinen. Hier liegt also ein dialektischer Prozeß wechselseitiger Sinnerhellung im Sinne eines hermeneutischen Zirkels vor, der allem geisteswissenschaftlichen Verstehen eigentümlich ist. 127 Sofern die Norm daher die aus dem allgemeinen Prinzip gefundenen Ergebnisse stützt, heißt das umgekehrt für die Norm, daß sie dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gerecht wird, sie dementsprechend die Anforderungen an das Gleichheitsprinzip erfüllt und den Grundsätzen einer verfassungsrechtlichen Auslegung gerecht wird. Es erfolgt also eine Überprüfung der Norm in zweierlei Hinsicht, einmal vom Abstrakten zum Konkreten und zum anderen vom Konkreten zum Abstrakten. Es gilt daher, die Norm anhand der "klassischen" Auslegungsmethoden daraufhin zu untersuchen, ob sie mit dem gefundenen Ergebnis der rechtsformabhängigen Qualifikation von Gesellschaften, bei denen Satzungssitz und der Ort der Geschäftsleitung auseinanderfallenden vereinbar ist.
1. Der Aufbau des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes
Zunächst erfolgt eine Untersuchung der für die Auslegung relevanten Frage der Struktur des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes. Wie oben bereits gezeigt, macht Debatin die Struktur des subjektiven Körperschaftsteuertatbestandes zum zentralen Ausgangspunkt seiner Überlegungen,128 auf dem seine weitere Argumentation im wesentlichen aufbaut. Seiner Ansicht nach teilt sich die körperschaftliche Subjekteigenschaft in zwei zu unterscheidende "Subtatbestände" auf, die in einer streng logischen Folge zu prüfen sind. Zunächst ist die Frage der körperschaftlichen Subjekteigenschaft zu untersuchen; erst im Anschluß daran stellt sich die Frage der Steuerpflichtart, also der Frage nach beschränkter oder unbeschränkter Steuerpflicht. Die Frage der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft muß demnach unabhängig von der Steuerpflichtart beantwortet werden, so daß die Subjektfrage letztlich unabhängig von Sitz und Ort der Geschäftsleitung auszulegen ist. Sie muß demnach für alle Körperschaftsteuersubjekte gleichermaßen gelten. Debatin bringt dies zum Ausdruck, in dem er von einem "gemeinsamen Stamm"129 der erfaßten Subjekte spricht, auf dem sowohl § 1 als auch § 2 KStG beruhen. Bei diesem gemeinsamen
127 128
(166). 129
Vgl. Canaris, C.-W. (Systemdenken, 1983) S. 90. Vgl. hierzu Debatin, H., BB 1988 S. 1155 (1158); ders., GmbHR 1991, S. 164 So Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (166).
Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
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Stamm handelt es sich um Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Betrachtet man zunächst den äußeren Gesetzesaufbau, so zeigt sich, daß der Gesetzgeber eine klare Trennung zwischen den unbeschränkt und den beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten vornimmt. Der Gesetzesaufbau als solcher, der beide Steuerpflichtarten in unterschiedlichen Paragraphen regelt, spricht somit vom ersten Anschein her gegen die These Debating Debatin konstatiert hier auch, daß die vorweg stehende Frage, ob überhaupt eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse vorliegt, "... durch die Gesetzespräsentation mit ihrer Paragraphenaufstellung für die unbeschränkte Steuerpflicht einerseits und die beschränkte Steuerpflicht andererseits überschattet ..." 13 ° wird. Dennoch nimmt er die vom Gesetzgeber gewählte Systematik im Aufbau nicht zum Anlaß, seine Überlegungen zu überdenken. Vielmehr wirft er dem Gesetzgeber Unsystematik im Gesetzesaufbau vor und setzt an die Stelle des Gesetzeswortlautes seine Interpretation darüber, wie der Körperschaftsteuersubjekttatbestand eigentlich aussehen müßte, um den Anforderungen an eine klare Systematik, die zunächst die Eigenschaft als Körperschaftsteuersubjekt herausstellt und daran erst die Steuerpflichtart anfügt, gerecht werden zu können.131 Debatin ist insofern zuzustimmen, als beide Steuerpflichtarten auf den gleichen Stamm zurückgreifen, wie der Wortlaut von § 1 Abs. 1 und § 2 Nr. 1 KStG deutlich zeigt. Beide Vorschriften unterscheiden sich in ihrem Wortlaut aber deutlich. Während § 2 Nr. 1 KStG sämtliche Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen uneingeschränkt in den Kreis der beschränkt körperschaftsteuerlichen Gebilde einbezieht, schränkt § 1 Abs. 1 KStG diesen Kreis auf ganz bestimmte, enumerativ aufgezählte Rechtsformen ein. Die äußere Gesetzessystematik spricht augenscheinlich gegen den von Debatin postulierten Aufbau des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes. Neben diesen äußeren Anzeichen sprechen aber auch noch andere Argumente, die auf einer logischen Ebene liegen, gegen obige These. Würde man diese strikte Trennung beider Fragen tatsächlich umsetzen wollen, so müßten alle in Frage stehenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen unter Außerachtlassung ihres Ortes der Geschäftsleitung und ihres Sitzes einer einheitlichen Beurteilung unterzogen werden, d.h. alle in Frage stehenden Gebilde sind unbeschadet ihrer örtlichen Anknüpfungsmomente anhand derselben Kriterien in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer einzuordnen. Nur so würde man der Forderung des getrennt zu prüfenden Steuersubjekttatbestandes vollumfänglich gerecht werden können. Nach heute aber ganz. h.M., der sich auch Debatin nicht entgegenstellt, sind aber für Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland und den Ge130 131
Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (165). Vgl. ebd.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
sellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland andere Anknüpfungskriterien relevant. Für die in Frage stehenden Gebilde gilt einmal strikte Rechtsformabhängigkeit, und ein anderesmal ist ihre Körperschaftsteuersubjektfähigkeit anhand eines Typenvergleichs festzustellen. Um die Frage, welches Verfahren denn nun zur Anwendung gelangen soll, beantworten zu können, muß erst die logisch vorgelagerte Frage gelöst sein, ob es sich um ein inländisches oder ein ausländisches Gebilde handelt. Diese Frage ist aber gleichbedeutend mit der Steuerpflichtartenfrage. Erst wenn diese also beantwortet ist, kann über die Methode der Subjektqualifikation entschieden werden. Gerade die unterschiedlichen Methoden der Steuersubjektqualifikation, einmal strikte Rechtsformabhängigkeit bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gebilden und einmal der Typenvergleich im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, widerlegen die These Debatins. Beiden Verfahren liegen methodisch unterschiedliche Anknüpfungskategorien zugrunde, im Falle der beschränkten Steuerpflicht ist es der Typus und im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht ist es der Begriff. Würde es den von Debatin geforderten Aufbau geben, dann könnten keine unterschiedlichen Kategorien im Sinne eines Begriffs- und eines Typusdenken zur Anwendung gelangen. Beide Formen lassen sich zwar in gewisser Weise annähern, schließen sich dennoch logisch gegenseitig aus. Nur wenn also eine nach einheitlichen Grundsätzen erfolgende Subjektqualifikation gegeben wäre, könnte die geforderte Trennung von Subjektfähigkeit und Steuerpflichtart überhaupt in Frage kommen. Solange jedoch unterschiedliche Verfahren zur Anwendung gelangen, muß zunächst die Vorfrage geklärt werden, welche der beiden Steuerpflichtarten überhaupt zur Prüfung ansteht. Mit seiner These würde Debatin die h.M. zur Körperschaftsteuersubjekteigenschaft also generell in Frage stellen. Insofern hilft auch Debatins Verweis auf den gemeinsamen Stamm, der den Körperschaftsteuersubjekten zugrundeliegen soll, nicht weiter. Unter diesen gemeinsamen Stamm lassen sich alle Formen von Personenzusammenschlüssen subsumieren, also auch Personengesellschaften, deren Einkommen aber nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG expressis verbis bei ihren Gesellschaftern unmittelbar der Besteuerung unterliegt.132 Insofern ist der erste Schritt bzw. die erste Stufe in Debatins Vorstellung vom Aufbau des Körperschaftsteuersubjekttatbestandes völlig überflüssig, da er bzw. sie zu keiner Scheidung zwischen Körperschaftsteuersubjekten und nicht körperschaftsteuerpflichtigen Personenvereinigungen führt. Dieser Stamm erschließt sich gerade erst aus den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG genannten Gesellschaftsformen, wie die Bestimmung der beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte anhand des vom RFH entwickelten Typenvergleichs deutlich macht. Diese Scheidungskraft kommt damit erst auf der zweiten Stufe zum Tragen, da 132 Unter den Begriff der nichtrechtsfähigen Personenvereinigung fallen der nichtrechtsfähige Verein, Gemeinschaften zur gesamten Hand sowie sonstige nichtrechtsfähige Personenvereinigungen. Vgl. hierzu HHR, § 3 KStG Anm. 13.
. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
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zunächst für unbeschränkt steuerpflichtige Gebilde der Gesetzgeber seine Vorstellungen, welche dieser auf einem gemeinsamen Stamm beruhenden Personenvereinigungen denn nun der Körperschaftsteuer unterliegen sollen, zum Ausdruck bringt. 2. Die alternative Anknüpfung "Geschäftsleitung oder Sitz**
Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht knüpft § 1 Abs. 1 KStG bei den in Nr. 1 bis 6 genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen an die Voraussetzung, daß diese über einen inländischen Sitz oder einen inländischen Ort der Geschäftsleitung verfügen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift müssen beide Anknüpfungsmerkmale nicht kumulativ im Inland vorliegen, sondern es ist ausreichend, wenn sich einer der beiden im Inland befindet. Die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 KStG ist also alternativ an den Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung im Inland gebunden. Eine der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG bezeichneten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ist also bereits dann körperschaftsteuerpflichtig, wenn sich ihr Ort der Geschäftsleitung im Inland, ihr Sitz aber im Ausland befindet und vice versa, wenn diese ihren Ort der Geschäftsleitung im Ausland, ihren Sitz aber im Inland haben.133 Gerade diese alternative Anknüpfung an den Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung im Inland hat die Kritiker einer streng rechtsformabhängigen Auslegung auf den Plan gerufen. Insbesondere Knobbe-Keuk sieht hierin einen Beweis, daß die strenge Rechtsformabhängigkeit nur für Gesellschaften deutschen Rechts gelten könne. Wollte man den Typenvergleich nur für Zwecke der Feststellung der beschränkten Steuerpflicht heranziehen, "... so würde die Anknüpfung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht an den Ort der Geschäftsleitung leerlaufen." 134 Sie wirft den steuerrechtlichen Anhängern der Sitztheorie vor, den Wortlaut von § 1 Abs. 1 KStG zu mißachten und an die Stelle des tatsächlichen Wortlauts den Passus "die ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz im Inland haben" setzen.135 Daß ein solches Leerlaufen der alternativen Anknüpfung auch bei Gültigkeit der Sitztheorie für das Steuerrecht nicht der Fall ist, zeigte sich oben schon, als es der Wegzug von Gesellschaften Gegenstand der Untersuchung war. Zieht eine Kapitalgesellschaft deutschen Rechts in einen Staat, der kollisionsrechtlich die Gründungstheorie vertritt, so ist die Gesellschaft in 133
Vgl. HHR, KStG, § 1 Anm. 13. Knobbe-Keuk, B., StuW 1990 S. 372 (376); dies., JbFfStR 1990/91 S. 69 (80). Knobbe-Keuk beschränkt ihre Ausführungen auf den Zuzug von Gesellschaften; sie lassen sich aber sinngemäß genauso auf den Wegzug übertragen. 135 Vgl e bd. In diese Richtung gehen auch schon die Ausführungen von Hartmann, U., DB 1987 S. 122 (123). 134
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F. Die systemadäquate Qualifikation
Deutschland weiterhin als rechtsfähig anzuerkennen mit der Folge, daß sie in Deutschland unter die Kapitalgesellschaften im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu subsumieren ist und demnach der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht im Inland unterliegt. Betrachten wir nun den von Knobbe-Keuk angesprochenen Fall einer Gesellschaft ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung. Im Falle des Zuzuges von Gesellschaften kann das Kollisionsrecht keine Körperschaftsteuerpflicht "begründen", da die Sitztheorie in diesem Falle immer die Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft versagt. Ein Zuzug von Gesellschaften ist aber bei Vorliegen von Freundschaftsoder Handelsverträgen durchaus möglich, wie die Beispiele der mit Spanien oder den USA geschlossenen Verträge zeigen.136 Diese ermöglichen die Verlegung der Geschäftsleitung spanischer oder US-amerikanischer Gesellschaften in das Inland, ohne die weitere Existenz der Gesellschaft in Frage zu stellen. Die Gesellschaften sind mithin rechtsfähig und können als Körperschaftsteuersubjekte nach § 1 Abs. 1 KStG qualifiziert werden. Die Frage, inwieweit die alternative Anknüpfung durch die Gültigkeit der Sitztheorie leerlaufen würde, hängt auch vom Verständnis der Begriffe "Geschäftsleitung" und "Verwaltungssitz" ab. Sind beide Begriffe entgegen der hier vertretenen Ansicht137 nicht deckungsgleich, so ist es durchaus möglich, daß eine Gesellschaft nur ihre Geschäftsleitung, nicht aber ihren Verwaltungssitz verlegt. Die Folge wäre, daß der steuerliche und der international-privatrechtliche Anknüpfungspunkt auseinanderfallen. Die Gesellschaft wäre demnach weiterhin nach ihrem Gründungsrecht zu beurteilen und damit weiterhin als rechtsfähig einzustufen. Bei strikter Rechtsformabhängigkeit wäre die Gesellschaft sowohl im Falle des Zuzuges als auch des Wegzuges unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. 138 Die alternative Anknüpfung läuft also auch bei Gültigkeit der Sitztheorie nicht leer. Allerdings muß konstatiert werden, daß sich die Körperschaftsteuerpflicht von Gesellschaften mit auseinanderfallenden Sitz und Geschäftsleitung durchaus auf wenige Ausnahmefälle beschränkt, so daß de facto doch von einem Fast-Leerlaufen der Alternativanknüpfung gesprochen werden muß. Zu fragen ist daher, ob diese Folge einer Anknüpfung des Steuerrechts an die Sitztheorie mit den Wertungen noch in Einklang bringen läßt. Die Bedeutung der alternativen Anknüpfung an Sitz oder Gesellschaft für die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht läßt sich m.E. nur aus den Regelungen der §§ 1 bis 3 KStG in ihrer Gesamtheit ableiten. Zunächst ist aber die Einbettung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einer näheren Untersuchung zu unterziehen. § 1 Abs. 1 KStG ist von einem inneren Widerspruch durchzogen, da er einerseits in den Katalog der unbeschränkt körperschaftsteuerlichen Gebilde 136 137 138
Vgl. hierzu auch Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 1 (17). Vgl. Kap. ΑΠ. 3. Vgl. Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 1 (17).
Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
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allein die Gesellschaftsformen des deutschen Rechts aufgenommen hat, andererseits aber die alternative Anknüpfung zum Ausgangspunkt der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht macht. Von einigen Ausnahmen abgesehen, ist die alternative Anknüpfung mit den Gesellschaftsformen des deutschen Rechts jedoch unvereinbar. Dieser innere Widerspruch ließe sich lösen, indem man einem der beiden Tatbestandsmerkmale der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht den Vorrang einräumt. Sieht man in der alternativen Anknüpfung den "zentralen" Punkt, so würde der strengen Rechtsformabhängigkeit für Gesellschaften mit auseinanderfallenden Sitz und Geschäftsleitung keine wesentliche Bedeutung mehr beigemessen werden können. Sieht man hingegen im Wortlaut der in Nr. 1 bis 6 erfaßten Gebilde das wesentliche Element des Tatbestandes, so müßte die alternative Anknüpfung zugunsten der strengen Rechtsformabhängigkeit zurücktreten. Wie jedoch der Streit in der Literatur beweist, kann aus dem Wortlaut noch keine Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Tatbestandsmerkmals getroffen werden. Vielmehr ist dieses Verhältnis gerade einer der entscheidenden Streitpunkte, das es letztlich zu bestimmen gilt. In der Literatur wird implizit aber einem der beiden Tatbestandsmerkmale der Vorrang eingeräumt. Ein Anhaltspunkt über die Verwendung der alternativen Anknüpfung kann im Zusammenhang mit der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht und der Anknüpfung im Einkommensteuergesetz gefunden werden. Gerade im Verhältnis zum Einkommensteuergesetz zeigt sich, daß die Regelung der beschränkten und der unbeschränkten Steuerpflicht in beiden Gesetzen identisch aufgebaut ist, wobei die örtlichen Merkmale entsprechend für natürliche Personen bzw. Personenvereinigungen modifiziert sind. Im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften bereitet die alternative Anknüpfung im Einkommensteuergesetz keine Probleme bei der Subjektqualifikation, da der "Bestand" des Menschen als Rechtssubjekt und damit als Vermögensträger hiervon nicht tangiert ist. Für den Bereich des Körperschaftsteuergesetzes wurde dieser Aufbau wohl übernommen, ohne sich der steuerrechtlichen Probleme bewußt zu sein, die hierdurch geschaffen wurden. Gerade die alternative Anknüpfung soll den von § 2 Nr. 1 KStG nicht abgedeckten räumlichen Bereich mit in die Besteuerung einbeziehen, um Besteuerungslücken, die sich in den oben erwähnten Ausnahmefällen ergeben würden, zu schließen. Allerdings darf m.E. daraus nicht geschlossen werden, daß ihr deshalb die systemtragende Konsequenz zukommt, um die Rechtsformabhängigkeit zu durchbrechen. Hätte der Gesetzgeber bei ausländischen Kapitalgesellschaften, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Frage steht, eine am Typenvergleich orientierte Subjektqualifikation vornehmen wollen, so hätte er den Tatbestand anders formulieren müssen; er hätte eine Zweiteilung vorsehen müssen, die danach differenziert, ob bei den Gesellschaften beide Anknüpfungsmerkmale im Inland belegen sind oder nur eines der beiden.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
Mangelndes "Problembewußtsein " muß sich der Gesetzgeber, wie in Kapitel F II. 5. c) aa) gezeigt, auch im Regelungsbereich von §§11 und 12 KStG vorhalten lassen. Auch dort führt die alternative Anknüpfung an den Sitz oder die Geschäftsleitung zu einem Konkurrenzverhältnis zwischen § 11 und § 12 KStG. Die Verlegung von Satzungssitz oder Geschäftsleitung führt in aller Regel bereits zu einer Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG, da die Verlegung einer der beiden Anknüpfungspunkte nach den Vorschriften des Zivilrechts zwingend als Auflösungsbeschluß zu weiten ist. § 12 Abs. 1 KStG kann daher nur noch den Charakter einer Ausnahmevorschrift zukommen. Die gleiche Problematik zeichnet sich auch bei der alternativen Anknüpfung von Sitz oder Geschäftsleitung im Rahmen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 KStG ab. Daß sich der Gesetzgeber der Problematik der Qualifikation ausländischer Gesellschaften, deren beschränkte Steuerpflicht in Frage steht, durchaus bewußt war, zeigt gerade der sehr weit gefaßte Wortlaut der Regelung der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht in § 2 Nr. 1 KStG. Die Beschränkung auf Gesellschaftsformen des Inlands in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG macht daher deutlich, daß der Gesetzgeber wohl allein Gesellschaften der deutschen Rechtsordnung mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in Betracht zog. Anderenfalls hätte er die Zweiteilung der unbeschränkten Steuerpflicht nach obigen Muster vorgenommen. Dies zeigt, daß er der alternativen Anknüpfung, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle beimessen wollte. Der Fall des Zu- und Wegzuges von Gesellschaften war bis dato wohl auch tatsächlich kein häufiger auftretendes Problem, da sich sonst die Rechtsprechung wohl schon eher mit dem Fall zu befassen gehabt hätte. Gerade diese augenscheinlich untergeordnete Bedeutung der alternativen Anknüpfung muß m.E. eher zugunsten der Bedeutung des numerus clausus der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG genannten Gesellschaftsformen sprechen und daher die alternative Anknüpfung an Geschäftsleitung oder Sitz in ihrer Bedeutung als Anknüpfungsmoment verdrängen. Die alternative Anknüpfung an den Sitz oder die Geschäftsleitung kann für sich also noch keine Rechtfertigung einer von der Rechtsformabhängigkeit losgelösten Qualifikation ausländischer Gesellschaften darstellen. Sie kann allenfalls ein Indiz für eine alternative Auslegung zu den rein inländischen Gesellschaftsformen sein; mehr aber auch nicht. Sie ist letztlich aber nicht von einem solchem Gewicht, daß sie die allgemeine Systematik der Qualifikation von unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten durchbrechen könnte. Die Auslegung der alternativen Anknüpfung muß sich demnach vielmehr an den allgemeinen Grundsätzen messen lassen und sich letztlich in das System integrieren.
ΠΙ. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
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3. Das Vorliegen einer Regelungslücke
Eng mit der vorhergehenden Problematik der alternativen Anknüpfung an Geschäftsleitung oder Sitz im Inland verknüpft ist die Frage, ob in Bezug auf grenzüberschreitende Gesellschaften eine Lücke im Gesetz besteht. So will Henkel für die Behandlung dieser Gesellschaften eine solche Lücke im Gesetz sehen, die im Wege der Analogie geschlossen werden soll. 139 Gerade aus der alternativen Anknüpfung an den Sitz oder die Geschäftsleitung will Henkel schließen, daß es nicht die Absicht des Gesetzgebers war, Gesellschaften allein deswegen nicht anzuerkennen, weil Sitz und Geschäftsleitung auseinanderfallen. Das Steuerrecht hat vielmehr eine eigene, vom IPR losgelöste Wertung. Somit ist die Kombination ausländische Rechtsform und Auseinanderfallen von Sitz und Geschäftsleitung dem Gesetzgeber als zu regelnde Fallvariante nicht bewußt geworden. Bei einer Regelungslücke handelt es sich nach h.M. um eine planwidrige Un Vollständigkeit des Gesetzes.140 Ob eine solche Lücke vorliegt, ist vom Standpunkt des Gesetzes selbst, der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht und der mit der Regelungsabsicht verfolgten Zwecke zu beurteilen.141 Dies ist letztlich immer eine Frage der Wertung. 142 Wie für die Feststellung, ob überhaupt eine Lücke im Gesetz vorliegt, ist auch für die Lückenausfüllung das normkonzipierende Prinzip heranzuziehen, das im Wege der Analogie zur Geltung gebracht wird. 143 Durch die Analogie wird also die vom Gesetzgeber vorgeschlagene Richtung fortgeführt; an die Sachverhalte, die vom gleichen Prinzip erfaßt werden, werden somit die gleichen Rechtsfolgen geknüpft. Die Frage, ob überhaupt eine Lücke vorliegt, läßt sich ebenso wie die Ausfüllung der Lücke im Wege der Analogie nur unter Zugrundelegung des systemtragenden Prinzips beantworten. Insofern hilft die Feststellung, hier handelt es sich um eine Lücke im Gesetz, nicht weiter. Man würde sich allenfalls im Kreise drehen. Die Lösung kann immer nur aus dem systemtragenden Prinzip selbst gefunden werden. Das systemtragende Prinzip gilt es zu bestimmen. Ist dieses gefunden, so löst sich auch die Frage, ob eine Lücke vorliegt und wie diese gegebenenfalls zu schließen wäre. Wird als systemtragendes Prinzip für die Besteuerung aller unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften die strenge Rechtsformabhängigkeit akzeptiert, dann ist im Gesetz keine Lücke zu finden, die es zu schließen gilt. Die Schließung im Wege der Analogie würde zum gleichen Ergebnis führen. Sieht man hingegen im Typenver139
Vgl. hierzu Henkel, U., RIW 1991 S. 565 (569). Vgl. etwa Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 138; Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 373. 141 Vgl. Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 373. 142 Vgl. Larenz, K. (Methodenlehre, 1991) S. 381 f. 143 Vgl, Tipke, K. / Lang, J. (Steuerrecht, 1994) S. 138. 140
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F. Die systemadäquate Qualifikation
gleich für ausländische Gesellschaften, unabhängig davon, ob deren beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht zu prüfen ist, das geeignete Kriterium, dann ist zumindest vom Wortlaut her durchaus eine Lücke im Gesetz für die in Frage stehenden grenzüberschreitenden Gesellschaften zu erblicken, da sie im Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG keinerlei Erwähnung finden. Der Hinweis allein, daß im Gesetz eine Lücke vorliegt, reicht also nicht aus. Denn spätestens bei der Lückenausfüllung schlägt sozusagen die Stunde der Wahrheit, und der Gesetzesanwender muß sich zu einem der beiden möglichen alternativen Prinzipien bekennen. Die Auffassung, bei grenzüberschreitenden Gesellschaften sei ein Typenvergleich anzuwenden, basiert im wesentlichen auf dem Standpunkt, bei diesen Gesellschaften handele es sich um ausländische Gesellschaften, auf die dann der vom RFH entwickelte Typenvergleich anzuwenden sei. Überhaupt ist es eine Frage des Standpunktes, ob man die grenzüberschreitenden Gesellschaften als ausländische einstufen will. Bei zuziehenden Gesellschaften ist die Gesellschaft zwar nach einer ausländischen Rechtsordnung gegründet worden. Nach ihrer Verwaltungssitzverlegung in das Inland läßt sich aber genauso gut der Standpunkt vertreten, die Gesellschaft sei jetzt eine inländische Gesellschaft geworden, da sie ihr für die Gesellschaft zentralen örtlichen Anknüpfungspunkt in das Inland verlegt hat. Hierin liegt in unserem speziellen Fall auch ein Teil der Problematik der Analogie begründet. Kennzeichen der verdeckten Gesetzeslücke und damit Voraussetzung der Anwendung der Analogie ist, daß einander ähnliche Tatbestände einmal im Gesetz geregelt sind, während der andere keine Regelung im Gesetz erfahren hat. Ob die Tatbestände einander ähnlich sind, kann nur anhand einer rechtlichen Bewertung der für die Frage der Ähnlichkeit relevanten Kriterien bestimmt werden. Ob dies der Fall ist, läßt sich nicht anhand einer formal-logischen Gedankenoperation beantworten, sondern bei der juristischen Analogie handelt es sich um einen Vorgang des wertenden Denkens. Zufragen wäre daher, ob die grenzüberschreitenden Gesellschaften eine größere Ähnlichkeit zu den inländischen oder den ausländischen Gesellschaften aufweisen. Es mutet aber doch geradezu komisch an, trotz der Tatsache, daß zuziehende Gesellschaften ihren eigentlichen Mittelpunkt im Inland haben, immer noch von ausländischen Gesellschaften zu sprechen, nur weil sich der formale Anknüpfungspunkt statutarischer Sitz noch im Ausland befindet. Dies gilt um so mehr dann, wenn ausländisches materielles Recht die Gesellschaft zur Liquidation zwingt. Gerade die Vertreter des Typenvergleichs halten an diesem formalen Anknüpfungskriterium fest, obwohl sie doch genau Gegenteiliges beabsichtigen; sie wollen doch auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse abstellen. Akzeptiert man also die zugezogene Gesellschaft als inländische, so kann auch nicht mehr von einer Lücke im Gesetz die Rede sein, denn inländische Gesellschaften sind nach einheitlichen Grundsätzen einer Subjektqualifikation zu unterziehen.
ΠΙ. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
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4. Der Katalog der Körperschaftsteuersubjekte und das Merkmal der Rechtsfähigkeit
Der Kreis der Körperschaftsteuersubjekte beinhaltet neben Gesellschaftsformen, die mit Rechtsfähigkeit ausgestattet sind, auch solche Gesellschaftsformen, denen es an dem Merkmal der Rechtsfähigkeit gerade mangelt. Namentlich sind das der nichtrechtsfähige Verein nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG sowie die in § 3 Abs. 1 KStG genannten Subjekte unter der Voraussetzung, daß deren Einkommen nicht unmittelbar bei anderen Steuerpflichtigen der Besteuerung unterliegt. Daraus wollen die Vertreter des Typenvergleichs die Schlußfolgerung ziehen, daß die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit nicht den Ausschlag für die steuerrechtliche Subjektqualifikation geben kann bzw. die Körperschaftsteuerpflicht nicht maßgeblich von der Rechtsfähigkeit abhängt.144 Vielmehr zielt das Körperschaftsteuerrecht darauf ab, bestimmt strukturierte Personen- und Vermögensmassen zu erfassen. 145 Gerade auch die VenezuelaEntscheidung des RFH 1 4 6 sowie zwei Entscheidungen des BFH aus den Jahren 1968 147 und 1988 148 sollen diese Sichtweise bestätigen.149 Der Aufbau der Argumentation veranlaßt dazu, über zwei Fragestellungen nachzudenken. Die erste Fragestellung ist die, ob die fehlende Rechtsfähigkeit der in § 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 3 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekte wirklich eine grundsätzliche Abkehr von der Rechtsfähigkeit als Anknüpfungskriterium rechtfertigen kann. Wenn man die These befürwortet, stellt sich die weitere Frage, ob deshalb eine von der Rechtsformabhängigkeit losgelöste Qualifikation möglicher Körperschaftsteuersubjekte vorzunehmen ist, die anhand eines Typenvergleichs durchzuführen ist. Auch wenn das Merkmal der Rechtsfähigkeit nicht das unbedingte Merkmal der Körperschaftsteuerpflicht ist, bedeutet das nicht automatisch, daß der Kreis der Körperschaftsteuersubjekte anhand der Kriterien einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen ist. Vielmehr kann es sich bei den in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 KStG genannten Gesellschaftsformen um einen numerus clausus von Körperschaftsteuersubjekten im Sinne eines zivilrechtlichen Begriffs- und nicht eines Typusverständnisses handeln. Beide Thesen stecken implizit in der Argumentation der Befürworter eines Typenvergleichs. Während die erste Frage oben in Kapitel E IV. schon eingehend behandelt wurde, soll im weiteren 144
Vgl. Debatin, H., BB 1988 S. 1155 (1157); ders., GmbHR 1991 S. 164 (166); Großfeld, B. / Luttermann, C., IPrax 1993 S. 229 (230); Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 102 ff.; Knobbe-Keuk, B., StuW 1990 S. 372 (375); dies., JbFfStR 1990/91 S. 69 (78 f.); dies. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 576. 145 Vgl. Großfeld, B. / Luttermann, C., IPrax 1993 S. 229 (230). 146 Vgl. RFH v. 12.2.1930, RFHE 27 S. 73. 147 Vgl. BFH v. 17.7.1968; BStBl 1968 Π S. 695. 148 Vgl. BFH v. 3.2.1988, BStBl 1988 Π S. 588. 149
21 Herz
Vgl. Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (166).
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F. Die systemadäquate Qualifikation
die zweite Frage einer näheren Untersuchung unterzogen werden, wobei insbesondere auf die angeführte Rechtsprechung zum Typenvergleich einzugehen sein wird. Nach der hier vertretenen Auffassung, daß es sich bei der Rechtsfähigkeit für die Frage der Qualifikation im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht um ein, von den in § 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 3 KStG genannten Subjekten abgesehen, unbedingtes Merkmal handelt, würde sich die Erörterung dieser Fragestellung erübrigen. Die Ausführungen zeigen jedoch, wie "leichtfertig" die Befürworter des Typenvergleichs die hierzu ergangene Rechtsprechung auf grenzüberschreitende Gesellschaften anwenden. Selbst wenn man in der Rechtsfähigkeit nicht das entscheidende Anknüpfungsmoment für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit sieht, ist damit noch nicht automatisch gesagt, daß ein Abgehen vom strengen Begriffsverständnis des in § 1 Abs. 1 KStG genannten Kataloges an Gesellschaftsformen möglich ist. Vielmehr bedarf es hier einer zusätzlichen Begründung, die sich nicht einfach auf den Typenvergleich als Argument stützen darf. Der Typenvergleich als solcher ist nur Ergebnis des Abgehens von der strengen Rechtsformabhängigkeit, kann aber niemals Begründung hierfür sein. Die Rechtsprechung des Großen Senats jedenfalls hat auf die strenge Rechtsformabhängigkeit für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht abgestellt.150 Diesen Beschluß wollen die Kritiker aber nur auf rein inländische Gesellschaftsformen angewandt wissen, für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften sollen hingegen andere Grundsätze gelten. Betrachtet man das Urteil des BFH zu grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, so zeigt sich, daß auch er für die Frage der Zuordnung zwar der Rechtsfähigkeit keine Bedeutung beimessen will, die Einordnung aber dennoch nach dem strengen Rechtsformerfordernis vornehmen will. Die Vertreter des Typenvergleichs lehnen die Ausführungen zur strengen Rechtsformabhängigkeit des Großen Senats nicht ab, sie wollen dessen Aussagen aber nur für Gesellschaften deutschen Rechts für anwendbar erklären. 151 Auch die vom BFH in seinem Urteil vom 2.12.1970 getroffene Feststellung, daß der Begriff der Kapitalgesellschaft in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einer erweiterten Auslegung nicht zugänglich sei, darf nicht so verstanden werden, daß als Kapitalgesellschaften im Sinne dieser Vorschrift nur solche des deutschen Rechts in Betracht kommen.152 Vielmehr sollen ausländische Gesellschaften unter diese Vorschrift subsumierbar sein, wenn sie dem Typus einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen. Mithin schließt § 1 Abs. 1 KStG ausländische Rechtsträger nicht aus; sie sind dort nicht genannt, weil es für den deutschen
150 151 152
Vgl. BFH v. 25.6.1984, BStBl 1984 Π S. 751. Vgl. Knobbe-Keuk, B., StuW 1990 S. 372 (375). Vgl. Debatin, H., BB 1988 S. 1155 (1157); ders., BB 1990 S. 1457 (1458).
IQ. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
323
Gesetzgeber unmöglich wäre, alle ausländischen Rechtsträger im einzelnen aufzuzählen. 153 Unterzieht man die Ausführungen des Großen Senats in seinem Beschluß vom 25.6.1984 einer näheren Betrachtung, so läßt sich kein Hinweis darauf finden, daß der Bundesfinanzhof in der Frage der Subjektqualifikation einen Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Gesellschaften machen wollte. Allerdings handelte es sich laut Sachverhalt bei der in Frage stehenden Gesellschaft unstreitig um eine nach deutschem Recht gegründete GmbH & Co. KG. Die Frage der Beurteilung von nach ausländischem Recht gegründeter Gesellschaften stand also nicht zur Debatte, obwohl die Gesellschaft insofern einen Auslandsbezug aufwies, als die Gesellschafter der GmbH & Co. KG als Treuhänder einer im Ausland ansässigen Gesellschaft fungierten. Es liegt hier also auch eine Parallele zum Sachverhalt, der dem BFH-Urteil zu grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften zugrundelag, vor; der Große Senat hat sich aber mit der Problematik, ob sich hier die Geschäftsleitung im Ausland befand, nicht befaßt. Nun ist es sehr müßig darüber zu diskutieren, ob der Große Senat mit seinem Beschluß letztlich nur Aussagen zu Gesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung und inländischem Sitz machen wollte, oder ob dessen Ausführungen allgemein für alle in Frage stehenden unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gebilde uneingeschränkt Gültigkeit besitzen sollen. Hierüber Mutmaßungen anstellen zu wollen, könnte über die Qualität von Spekulationen nicht hinausgehen. Die Äußerungen in der Literatur hierzu zeigen, daß eine zwingende Schlußfolgerung aus dem Beschluß nicht gezogen werden kann, weil eine explizite Stellungnahme zu dieser Thematik fehlt. Das Meinungsspektrum reicht hier von der These, daß der Große Senat eben nur Aussagen zu inländischen Gesellschaften treffen wollte, bis zu der Auffassung, daß der Beschluß für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht allgemein zu beachten sei. Der 9. Senat ging in seinem Urteil zu grenzüberschreitenden Gesellschaften jedoch unter Hinweis auf den Beschluß des Großen Senats davon aus, daß die Rechtsformabhängigkeit bei der Prüfung von § 1 Abs. 1 KStG uneingeschränkte Gültigkeit besitze.154 Mit gewisser Skepsis müssen jedoch die Ausführungen von Höft 155 zum Beschluß des Großen Senats vom 25.6.1984 betrachtet werden. Auch Höft untersucht, inwieweit dieser Beschluß auf grenzüberschreitende Gesellschaften Anwendung finden kann. Seiner Ansicht nach wollte der BFH in seinem Beschluß die verfassungsrechtlich als zulässig anerkannte wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht verneinen; somit kann die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften im Wege eines Typenvergleichs zur Anwendung gelangen, womit er gleichzeitig einer für alle Kör153 154 155
21*
Vgl. Debatin, H., BB 1990 S. 1457 (1458). Vgl. BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (973). Vgl. Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 102 ff.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
perschaftsteuersubjekte allgemeingültigen einheitlichen Qualifikation eine Absage erteilt. Interessant ist hierbei jedoch die Argumentation von Höft, wie er zu diesem Ergebnis gelangt. Er kritisiert, daß der BFH in der Frage der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Steuerrecht auf das Urteil des BFH vom 20.10.1976 zurückgreift, das seinerseits auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.1962 basiert. Gerade diese Entscheidung markiert zugegebenermaßen den Höhepunkt der Rechtsprechung des BVerfG zum Primat des Zivilrechts über das Steuerrecht, von dem das Gericht mittlerweile in dieser Form abgerückt ist. 156 Fraglich erscheint aber, ob sich der BFH nicht trotz Verweisung auf das Urteil aus dem Jahre 1976 der neueren Entwicklung der BVerfG-Rechtsprechung bewußt war. Bei Ergehen des Urteils im Jahre 1976 hat sich übrigens die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in dieser Hinsicht schon stark gewandelt, da es bereits von einer Relativierung des Verhältnisses beider Rechtsgebiete ausging, dennoch in bestimmten Bereichen eine starke Abhängigkeit des Steuerrechts postuliert. Eine solche enge Bindung des Steuerrechts an das Zivilrecht sieht der BFH gerade im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG bei der Qualifikation von Körperschaftsteuersubjekten, ohne jedoch für das gesamte Steuerrecht von seiner unbedingten Abhängigkeit zu sprechen. Vielmehr gebietet die verfassungskonforme Auslegung von § 1 Abs. 1 KStG, die Ordnungsstruktur des Zivilrechts zu wahren, wenn der Gesetzgeber die Körperschaftsteuerpflicht an die Rechtsform anknüpft. 157 Der vom BFH gewählte Wortlaut in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1976 deutet trotz Verweis auf das Urteil des BVerfG v. 24.1.1962 darauf hin, daß er die Eigenständigkeit des Steuerrechts bedachte und eben aufgrund des Gesetzeszweckes für die Körperschaftsteuerpflicht ein Primat des Zivilrechts über das Steuerrecht sieht. Diese Wertung übernahm auch der Große Senat. Da gerade in diesem Beschluß das Verhältnis beider Teilrechtsordnungen von höchster Relevanz ist, muß man es schon als ein starken Vorwurf an die Adresse des Großen Senats bezeichnen, daß dieser gewissermaßen nicht mit der neueren Entwicklung der BVerfG-Rechtsprechung vertraut sein solle. Seine Argumentation gibt aber noch in einem zweiten Punkt Anlaß zur Kritik. Wenn denn seine These, daß der BFH die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG nicht berücksichtigt habe, zutreffen sollte, dann muß er den Beschluß generell in Frage stellen, d.h. er muß die strikte Rechtsformabhängigkeit auch für inländische Körperschaftsteuersubjekte ablehnen. Diese Meinungsumkehr des BVerfG jedoch nur für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften anwenden zu wollen, erscheint methodisch unsauber. Gerade seine Argumentation muß an dieser Vorgehensweise erhebliche Zweifel aufkommen lassen, geht es doch um die Frage, ob der Beschluß des Großen Senats auch auf Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anwendbar ist. Es 156
Vgl. hierzu Kap. AI. 3. a). Vgl. BFH v. 20.10.1976, BStBl 1977 Π S. 96 (97); BFH ν. 25.6.1984, BStBl 1984BS. 751 (758). 157
. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
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kann aber nicht angehen, das vom BVerfG geforderte Verhältnis einer eigenständigen, vom Zivilrecht losgelösten steuerlichen Wertung auf ausländische Gesellschaften anwenden zu wollen, während es für inländische ohne Belang sein soll. Wenn dem so sein sollte, so bedarf dies zumindest einer näheren eingehenden Begründung. Die unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung des BVerfG getroffene, Aussage, daß der Große Senat die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht in Frage stellen wolle, mag in ihrer allgemeinen Form durchaus richtig sein, nur kann sie nicht einfach als Beleg einer Typenbetrachtung grenzüberschreitender Gesellschaften herangezogen werden. Höft geht aber in seinen Schlußfolgerungen noch weiter und sieht in dem Maßgeblichkeitsgrundsatz nur den Normzweck des § 1 KStG zum Ausdruck gebracht, "wonach auch das Zivilrecht die Rechtspersönlichkeit nur in Abhängigkeit von einer bestimmten realen Unternehmensstruktur zuerkennt, dem das Steuerrecht dahingehend folgt, daß die zivilrechtlich geformte körperschaftliche Struktur einem Rechtsgebilde unabhängig vom Bestehen der Rechtsfähigkeit die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft verleiht."158 Daß diese Aussage in keinem Falle zutreffen kann, zeigt gerade der dem Beschluß des Großen Senats zugrundeliegende Fall. Gerade die Tatsache, daß es sich bei der in Frage stehenden GmbH & Co. KG um eine körperschaftlich organisierte Personenvereinigung handelt, ließ überhaupt die Frage nach deren Körperschaftsteuersubjektfähigkeit aufkommen. Der BFH verneinte gerade unter Hinweis auf die Gesellschafts- bzw. Rechtsform die Körperschaftsteuerpflicht. Wollte das Steuerrecht die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft an die zivilrechtlich geformte körperschaftliche Struktur eines Rechtsgebildes unabhängig vom Bestehen der Rechtsfähigkeit knüpfen, dann hätte der BFH die körperschaftlich strukturierte GmbH & Co. KG als Körperschaftsteuersubjekt behandeln müssen. Da dem nicht so ist, läßt sich die Auffassung von Höft nicht aus dem Beschluß des Großen Senats ableiten. Die Vertreter einer von der strengen Rechtsformabhängigkeit losgelösten eigenständigen steuerlichen Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften wollen statt dessen auf die zweite zur Frage der Körperschaftsteuersubjektqualifikation ergangenen "Grundsatzentscheidung", das sog. Venezuela-Urteil des RFH 1 5 9 , zurückgreifen. Wie schon öfter im Rahmen dieser Arbeit erwähnt, hat der RFH bei ausländischen Gesellschaften eine Steuersubjektqualifikation anhand des zivilrechtlichen Status des ausländischen Heimatstaates zugunsten eines an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Typenvergleichs abgelehnt.160 Diese Auffassung hat der BFH in seinen Folgeentscheidungen inhaltlich voll gebilligt und übernommen.161 Gerade 158 159 160 161
S. 588.
Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 105. Vgl. RFH v. 12.2.1930, RFHE 27 S. 73. Vgl. ausführlich zu diesem Urteil oben Kap. D DL 3. a). Vgl. BFH v. 17.7.1968, BStBl 1968 Π S. 695; BFH ν. 3.2.1988, BStBl 1988 Π
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F. Die systemadäquate Qualifikation
diese Entscheidungen ziehen die Vertreter des Typenvergleichs als Argumentation heran, um eine vom Zivilrecht losgelöste Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften zu rechtfertigen. Fraglich bleibt aber, ob die Venezuela-Entscheidung und die sich daran anschließenden BFH-Urteile einfach auf die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften anwenden lassen. Bei diesen Entscheidungen stand die Frage der beschränkten Körperschaftsteuersubjektfähigkeit in Frage, während hier einzig und allein die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht zur Diskussion steht. Eine einfache Übernahme des Ergebnisses mit dem Hinweis, ausländische Kapitalgesellschaften sind anhand eines Typen Vergleichs zu qualifizieren, erscheint daher wenig aussagekräftig. Das Körperschaftsteuergesetz differenziert nicht zwischen "inländischen" und "ausländischen" Gesellschaften, sondern es unterscheidet einzig und allein nach "unbeschränkter" und "beschränkter" Körperschaftsteuerpflicht. Die Kategorie "inländisch" bzw. "ausländisch" kennt das Körperschaftsteuergesetz nicht als Anknüpfungspunkt im Sinne eines terminus technicus. Die beiden Begriffspaare mögen zwar in gewisser Hinsicht korrelieren, wie die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften jedoch zeigen, kommt dem keine unbedingte Gültigkeit zu, wenn man, entgegen der hier vertretenen Auffassung, zuziehende Kapitalgesellschaften als ausländische Gesellschaften betrachtet. Entgegen der Ansicht Debatins ist daher das im Gesetz verankerte Unterscheidungsmerkmal, das es zunächst bei der Systembildung zu beachten gilt, die beschränkte und die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Will man daher die Urteile zur beschränkten Steuerpflicht auf grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften anwenden, so muß eine dezidierte Begründung hierfür erfolgen. Vom Gesetzesaufbau jedenfalls läßt sich eine solche Übernahme nicht rechtfertigen. Dies zeigt der Wortlaut von § 1 Abs. 1 und § 2 Nr. 1 KStG nur zu deutlich, wenn man sich den Katalog der Körperschaftsteuersubjekte vor Augen hält, so wie ihn das Gesetz präsentiert. So kann auch die Anwendung des Typenvergleichs des RFH nicht einfach mit dem Hinweis begründet werden, die darin berücksichtigte wirtschaftliche Betrachtungsweise würde dem Grundsatz der Gleichbehandlung genüge tun. 162 Wie oben ausführlich gezeigt,163 unterscheiden sich beschränkte und unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht gerade im Hinblick auf das vom Gesetzgeber verwendete Gleichheitskriterium. Eine Gleichbehandlung läßt sich aber eben nur anhand eines bestimmten Gleichheitskriteriums festlegen, wobei dem Gesetzgeber hier eine Mehrzahl in der Regel zur Auswahl stehen wird. Eine sich allein an der tatsächlichen Struktur orientierte wirtschaftliche Betrachtungsweise würde dem Gleichheitssatz ebenfalls genüge tun, der Gesetzgeber hat sich aber wohl aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung bei der unbeschränkten Steuerpflicht hiervon nicht leiten lassen. Wollte man daher 162 163
Vgl. etwa Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 80. Vgl. Kap. Effl.
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bei ausländischen Gesellschaften auf den Typen vergleich abstellen, so hieße dies, das System der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in Frage zu stellen. Jedenfalls läßt sich hier die Rechtsprechung zur beschränkten Steuerpflicht nicht einfach heranziehen. Wie oben bereits ausführlich dargelegt, unterscheiden sich die Fallvarianten der ausländischen Gesellschaften, deren beschränkte Steuerpflicht in Frage steht, und der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften in mehrfacher Hinsicht. Als wesentlichen Grund für eine typologische Betrachtung hat der RFH angeführt, daß es für den Gesetzgeber keinesfalls möglich gewesen wäre, aufgrund der Mannigfaltigkeit der ausländischen juristischen Personen die Auswirkungen einer Gleichstellung mit inländischen juristischen Personen zu übersehen.164 Dieses Problem taucht aber bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften in dieser Form nicht auf, da die Anwendung des Internationalen Privatrechts zu einer völlig anderen Sachlage führt, als dies bei ausländischen Gesellschaften mit ausländischen Sitz und Geschäftsleitung der Fall ist. Bei zuziehenden Kapitalgesellschaften kommt allein deutsches Zivilrecht zur Anwendung, wenn es um die Frage der Körperschaftsteuersubjektqualifikation geht. Das Problem, mit dem sich der RFH konfrontiert sah, taucht also erst auf, wenn die ausländische Gesellschaft in ihrer ursprünglichen Form als Untersuchungsobjekt herangezogen wird. In gewisser Hinsicht vertauschen die Vertreter des Typenvergleichs also Ursache und Wirkung. Einerseits wird der Typenvergleich als Begründung für eine von der strengen Rechtsformabhängigkeit losgelösten Qualifikation herangezogen. Andererseits entsteht das Problem erst, da auf die ausländische Kapitalgesellschaft abgestellt wird, die auch dem RFH-Urteil als Sachverhalt zugrundelag. Die Fragestellung, mit der sich der RFH konfrontiert sah, weicht also von der hier interessierenden Fragestellung erheblich ab. Insofern dürfen die Wertungen nicht übertragen werden. 165 Salditt bringt das in der folgenden Ausführung treffend zum Ausdruck: "Man hat aus dem Urteil schließen wollen, bei ausländischen Gesellschaftsformen komme es ganz allgemein nicht auf die international privatrechtlich anerkannte Rechtspersönlichkeit an, sondern darauf, wie sie als Typus zu würdigen sind. Diese Überlegung kann sich indessen nicht auf den Reichsfinanzhof berufen: Dort galt es, § 1 (i.V.m. § 2) KStG teleologisch einzuschränken. Hier aber geht es darum, § 1 KStG auch auf solche Kapitalgesellschaften anzuwenden, deren Gründung ex ante oder ex post mißglückt ist, weil ihnen keine Rechtsfähigkeit (mehr) zukommt. Dort war das Gesetz auf ein Minus zurückzuführen; hier wäre es möglicherweise auf ein Maius zu erweitern."166
164 165 166
Vgl. RFH V. 12.2.1930, RFHE 27 S. 73 (78). Vgl. auch Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 Beilage Nr. 1 S. 17 f. Salditt, F., StuW 1971 S. 191 (194).
328
F. Die systemadäquate Qualifikation
Die Zwiegespaltenheit der Vertreter des Typenvergleichs zeigt sich auch bei den Folgen, die eine Sitzverlegung nach sich ziehen soll. Das Problem der Qualifikation taucht, wenn auch in etwas anderer Form, auch bei der Prüfung der Schlußbesteuerung nach §§ 11,12 KStG auf. 167 Nach § 11 KStG unterliegen Kapitalgesellschaften, die nach der Auflösung abgewickelt werden einer Liquidationsbesteuerung. Nach Debatin168 soll nun die Verlegung des statutarischen Sitzes vom Inland in das Ausland die Liquidationsbesteuerung nach sich ziehen, da handelsrechtlich die Verlegung des Satzungssitzes in das Ausland als Auflösungsbeschluß zu werten ist. Debatin knüpft also im Rahmen des § 11 KStG allein an die zivilrechtlichen Vorgaben an, obwohl er die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften allein nach steuerlichen Grundsätzen einordnen will. § 11 KStG knüpft zwar an die handelsrechtlichen Vorgaben an, letztlich ergibt sich auch hier die gleiche Problematik wie bei der Körperschaftsteuersubjektqualifikation. Diese Vorschrift ist m.E. auch auf rein inländische Gesellschaften zugeschnitten, die eben durch die Auflösung und Abwicklung tatsächlich aus der Körperschaftsteuerpflicht ausscheiden, da sie sowohl zivil- als auch steuerlich aufhören zu existieren. Würde die Vorschrift in dieser Form nicht existieren, so würden die zum Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vorhandenen stillen Reserven keiner Besteuerung unterliegen. Bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften wäre jedoch das Weiterbestehen als Körperschaftsteuersubjekt nach der Auffassung Debatins weiterhin sichergestellt, so daß die stillen Reserven weiterhin der deutschen Besteuerung unterliegen. Aus steuerlicher Sicht unterscheidet sich der Auflösungsbeschluß also wesentlich von dem herkömmlichen, auf den der Gesetzgeber wohl offensichtlich abzielen wollte. Im "Normalfall" hört das Steuersubjekt auf, zu existieren, während in dem hier interessierenden Ausnahmefall die Gesellschaft weiter existieren würde. In diesem Falle wäre also durchaus an eine teleologische Reduktion zu denken, die einen Besteuerungsaufschub zur Folge hätte. Gerade bei der Frage der Gewinnrealisierung hat sich der BFH häufig zu einer teleologischen Reduktion entschieden, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. 169 Die Voraussetzungen liegen hier vor, sofern man der These von der Subjektqualifikation Debatins folgt. Zum einen bleiben die stillen Reserven im Inland steuerverhaftet, zum anderen handelt es sich um das gleiche Steuersubjekt, sofern von der Rechtsform abstrahiert wird. Wie bei der Subjektqualifikation nach §§ 1 bis 3 KStG handelt es sich hier also um den gleichen Ausnahmefall, den der Gesetzgeber nach Ansicht Debatins offensichtlich nicht bedacht hat. Warum Debatin einmal diesem Ausnahmefall durch eine Analogie Rechnung tragen will, während er im anderen Falle diese Ausnahme nicht sehen will, bleibt sein Geheimnis.
167
Vgl. hierzu Kap. F Π. 5. b). Vgl. Debatin, H., GmbHR 1991 S. 164 (167 f.). 169 Vgl. etwa BFH v. 10.2.1972, BStBl 1972 Π S. 419; BFH ν. 19.1.1982, BStBl 1982 Π S. 456. 168
. Die Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
329
5. Die Behandlung als Vorgesellschaft
Eng mit der Frage der Rechtsfähigkeit verknüpft ist die Behandlung als Vorgesellschaft. Die Vorgesellschaft kann in diesem Zusammenhang in zweifacher Hinsicht von wesentlicher Bedeutung sein. Zum einen kommt bei zuziehenden Gesellschaften unweigerlich der Gedanke auf, ob diese nicht ähnlich wie Vorgesellschaften zu behandeln sein könnten, da beide Sachverhalte zumindest vom wirtschaftlichen Gehalt durchaus gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Zum anderen wirft aber gerade die Behandlung der Vorgesellschaft durch die höchstrichterliche Rechtsprechung insofern Probleme auf, als die Vorgesellschaft trotz fehlender Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG behandelt wird. Mithin stellt sich die Frage, ob eine Durchbrechung des Grundsatzes der strengen Rechtsformabhängigkeit nicht auch bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften gerechtfertigt wäre, auch wenn sie also nicht als Vorgesellschaft behandelt werden würde. Wenden wir uns zunächst der zweiten Fragestellung zu. Höft etwa will die Rechtsprechung zur Behandlung der Vorgesellschaften für seine These, bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften sei ein Typenvergleich vorzunehmen, nutzbar machen. Durch die Körperschaftsteuersubjektqualifikation der Vorgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sieht er sich in seiner Auffassung bestätigt, daß die Einbeziehung nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen in den Kreis der Körperschaftsteuersubjekte nicht den Ausnahmefall einer Durchbrechung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit des Zivilrechts darstellt, sondern daß es letztlich die körperschaftliche Organisation ist, auf die das Körperschaftsteuergesetz eigentlich abzielt.170 Die steuerliche Qualifikation der Vorgesellschaft ist nicht ganz unumstritten, da sich Höft aber auf die Beurteilung durch den BFH beruft, wird hier diese Meinung, die auch der h.M. in der Literatur entspricht, zugrundegelegt. Wie Höft zu Recht anmerkt, fehlt es der Vorgesellschaft mangels Handelsregistereintragung zivilrechtlich an der Rechtsform der Kapitalgesellschaft. Nach h.M. in der zivilrechtlichen Literatur handelt es sich um eine Gesamthandsgesellschaft, die körperschaftlich strukturiert ist. 171 Ob sich aus dem zivilrechtlichen Charakter und der steuerlichen Behandlung der Vorgesellschaft die These Höfts stützen läßt, muß m.E. bezweifelt werden. Der erste Anschein spricht tatsächlich hierfür. Allerdings müssen die Gründe, die den BFH zu einer solchen Behandlung bewogen haben, Beachtung finden, da sonst die Wertungen keine Berücksichtigungfinden würden. Gerade aber die Gründe sprechen gegen diese Annahme. Der BFH spricht der Vorgesellschaft die Rechtsfähigkeit zu, da die Vorgesellschaft mit der später rechtsfähigen Kapitalgesellschaft identisch ist. Die Vorgesellschaft und die 170 171
Vgl. Höft, W. (Verwaltungssitzverlegung, 1992) S. 104. Vgl. oben Kap. Dffl. 4. c).
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F. Die systemadäquate Qualifikation
daraus entstehende Kapitalgesellschaft bilden zusammen ein einheitliches Steuersubjekt. Es ist also nicht die körperschaftliche Struktur der Vorgesellschaft, die den Ausschlag für die Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt gegeben hat, sondern die aus dem Zivilrecht stammende Identitätsthese.172 Gerade an der Vorgesellschaft zeigt sich die strikte Abhängigkeit des Steuerrechts vom Zivilrecht, so wie sie der BFH sieht. Insofern bemängelt Streck auch, daß die Identitätsthese hier nichts zu suchen habe, da sie allein eine Zweckschöpfung des Zivilrechts sei. Da der BFH aber die Identitätsthese auch für das Steuerrecht fruchtbar macht, zeigt dessen zivilrechtliche Verhaftung auf dem Gebiet der Körperschaftsteuersubjektqualifikation. Die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft "... folgt daraus, daß nach zivilrechtlicher Auffassung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH vom 2. Mai 1966 II ZR 219/63, BGHZ 45, 338, 348), der sich die Rechtsprechung des BFH angeschlossen hat, (vgl. dazu das Urteil vom 5. Dezember 1956 II 71/56 U, BFHE 64, 74, BStBl III 1957, 28), die errichtete und die mit der Eintragung in das Handelsregister entstandene Aktiengesellschaft wesensgleich sind."173 Daß es nicht die körperschaftliche Struktur sein kann, die den Ausschlag für die Behandlung als Körperschaftsteuersubjekt gegeben hat, zeigt auch die Behandlung der sog. unechten Vorgesellschaft. Kommt es nämlich nicht zur Rechtsfähigkeit der beabsichtigten Gesellschaft, so ist diese, als sog. unechte Vorgesellschaft bezeichnete Personenvereinigung, als GbR zu qualifizieren und ihr damit die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit abzusprechen. Die Versagung erfolgt nicht erst ab Bekanntwerden einer Nichteintragung bzw. der dazu führenden Umstände, sondern sie wird von Anfang an als nicht körperschaftsteuerpflichtiges Gebilde einzustufen sein. Die unechte Vorgesellschaft unterscheidet sich in ihrer tatsächlichen Struktur in keiner Weise von der echten Vorgesellschaft, der einzige Unterschied besteht in dem formalen Eintragungsakt, der später erfolgt oder eben nicht erfolgt. Käme es also allein auf die körperschaftliche Struktur der Vorgesellschaft an, dann dürfte das Fehlen des späteren Eintragungsaktes nicht zur Versagung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit führen. Vielmehr zeigt sich aber auch hier, daß der BFH strikt die zivilrechtlichen Vorgaben für die steuerliche Beurteilung beachtet und diese zur Auslegungsmaxime im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG erhebt. Aus der strengen zivilrechtlichen Verknüpfung muß auch eine Behandlung als Vorgesellschaft abgelehnt werden. Wie die Übernahme der neuen zivilrechtlichen Terminologie durch den BFH zeigt, 174 hält sich der BFH bei seiner Beurteilung strikt auch an die einzelnen Phasen der Gründung von Kapitalgesellschaften. Da eine Vorgesellschaft, die als solche als Körperschaftsteu172 Vgl. BFH v. 11.4.1973, BStBl 1973 Π S. 568 (569); BFH ν. 9.3.1978, BStBl 1978 Π S. 486 (487); BFH v. 13.3.1981, BStBl 1981 Π S. 600 (601). 173 BFH v. 13.3.1981, BStBl 1981 Π S. 600 (601) zur Vermögensteuerpflicht. 174 Vgl. BFH v. 8.11.1989, BStBl 1990 Π S. 91 (92). Vgl. hierzu auch Wassereyer, F., DStR 1991 S. 734.
IV. Die sich aus den allgemeinen Kriterien ergebende Qualifikation
331
ersubjekt nach § 1 Abs. 1 Nr. KStG zu qualifizieren ist, erst mit Abschluß des formgültigen Gründungsaktes entsteht, kann die zuziehende Gesellschaft nicht als Vorgesellschaft in diesem Sinne qualifiziert werden. Bei ihr wird es regelmäßig an den Voraussetzungen eines formgültigen Gründungsaktes fehlen. Darin liegt ja gerade die Problematik zuziehender Gesellschaften begründet, da es ihnen an den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen fehlt, die etwa eine Eintragung in das Handelsregister zur Bedingung haben. Die Gesellschaft wird vielmehr als Vorgründungsgesellschaft einzustufen sein,175 sofern überhaupt von der Absicht einer späteren "Umwandlung" in eine deutsche Kapitalgesellschaft ausgegangen werden kann. Demnach wäre die zuziehende Gesellschaft als GbR oder als oHG zu betrachten mit der Folge, daß das von ihr erzielte Einkommen bei den Gesellschaftern zu besteuern wäre. Ob die Gesellschaft danach als Vorgründungsgesellschaft eingestuft wird oder diesen Status nicht zugesprochen bekommt, macht für die steuerliche Beurteilung keinen Unterschied; die Gesellschaft wird regelmäßig als "Mitunternehmerschaft" zu qualifizieren sein. Im umgekehrten Falle, dem Wegzug deutscher Gesellschaften in das Ausland, versteht es sich eigentlich von selbst, daß hier nicht von einer Vorgesellschaft gesprochen werden kann. Behält die Gesellschaft weiterhin ihre Rechtsfähigkeit nach deutschem Recht bei, ist sie "normales" Körperschaftsteuersubjekt. Verliert sie hingegen ihren zivilrechtlichen Status als rechtsfähige Kapitalgesellschaft, dann kann höchstens von einer aufzulösenden bzw. abzuwickelnden Gesellschaft gesprochen werden.
IV. Die sich aus den allgemeinen Kriterien ergebende Qualifikation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft im Einzelfall Will man aus den bisher gefundenen Qualifikationskriterien Rechtsfähigkeit bzw. strikte Anbindung an die vom Zivilrecht vorgegebenen Rechtsformen eine Einstufung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften in den Dualismus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer vornehmen, so bedingt dies eine Übernahme der zivilrechtlichen Wertungen. Für das Steuerrecht ergibt sich aber insofern ein Problem, als sich im Zivilrecht kein einheitlicher Meinungsstand über die Behandlung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften gebildet hat. Vielmehr ist man sich selbst unter den Vertretern der Sitztheorie uneinig darüber, wie die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften im einzelnen zu behandeln sind. Wie im Kapitel über die zivilrechtlichen Grundlagen gezeigt, entspringen die Probleme nicht unbedingt dem kollisionsrechtlichen Streit zwischen Sitz- und Gründungstheorie, sondern die Ursachen liegen vielmehr, was die Frage der Rechtsfähigkeit anbelangt, auf materieller Ebene. Daneben liegt aber auch die Struktur des als nichtrechtsfä175
Vgl. auch Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1008).
332
F. Die systemadäquate Qualifikation
big eingestuften Gebildes im Dunkeln. Insbesondere zu Fragen der Haftung und der Leitung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, denen die Rechtsfähigkeit verweigert wird, finden sich in Literatur oder Rechtsprechung wenig bis gar keine näheren Ausführungen. Um im Rahmen dieser Arbeit zu brauchbaren Ergebnissen für das Steuerrecht zu gelangen, muß und kann dieser zivilrechtliche Streit an dieser Stelle nicht entschieden werden. Es erscheint jedoch ausreichend, eine steuerliche Behandlung anhand "abstrakter" zivilrechtlicher Konstellationen aufzuzeigen, mittels derer dann der tatsächliche Einzelfall beurteilt werden kann. Für den tatsächlichen Einzelfall selbst ist natürlich die Vorfrage der zivilrechtlichen Behandlung zu klären, um dann die gefundene steuerliche Qualifikation der abstrakten zivilrechtlichen Konstellation hierauf zu übertragen. Daher sind im folgenden die einzelnen denkbaren zivilrechtlichen Konstellationen, sofern ihnen steuerlich Bedeutung zukommen kann, aufzuzeigen.
1. Die als rechtsfähig eingestufte Kapitalgesellschaft
Betrachtet man den Katalog der Körperschaftsteuersubjekte nach § 1 Abs. 1 KStG, so kommen bei rechtsfähigen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften im wesentlichen zwei der in dieser Vorschrift genannten Subjektformen in Frage: zum einen die Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sowie die sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. Da der Kreis der Körperschaftsteuersubjekte streng nach den zivilrechtlichen Formen bestimmt und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist, muß demnach differenziert werden, von welcher Rechtsordnung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliehen wurde. Demnach ist zwischen zuziehenden und wegziehenden Kapitalgesellschaften zu unterscheiden. a) Die wegziehende Kapitalgesellschaft Auch wenn äußerst umstritten ist, ob eine nach deutschem Recht gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz ohne zwingende Auflösung in das Ausland verlegen kann, so wird im folgenden die Möglichkeit hierfür unterstellt. Ein Zuzug ist zumindest dann in einen der Gründungstheorie folgenden Staat aufgrund des renvoi möglich, sofern allein auf die kollisionsrechtlichen Vorschriften abgestellt wird. In diesem Falle ist auf die Gesellschaft weiterhin deutsches Recht anzuwenden, so daß die weggezogene Kapitalgesellschaft in ihrer ursprünglichen Form weiterbesteht. Sie ist demnach als Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu behandeln. Die Verwaltungssitzverlegung hat auf die Gesellschaft und ihren Bestand keinen Einfluß. Bei einer grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft handelt es sich
IV. Die sich aus den allgemeinen Kriterien ergebende Qualifikation
333
mithin um ein Körperschaftsteuersubjekt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, da sie unzweifelhaft die Voraussetzungen erfüllt. Die Verwaltungssitzverlegung hätte also auch für die steuerliche Qualifikation keinerlei Einfluß. b) Die zuziehende Kapitalgesellschaft Anders stellt sich die Situation bei zuziehenden Gesellschaften dar. In diesem Falle ist die Rechtsfähigkeit nicht vom deutschen Staat verliehen worden, sondern von einem ausländischen Staat. Die in Deutschland weiterhin bejahte Rechtsfähigkeit ist Ausfluß der Anerkennung, wobei hierfür bilaterale Staatsverträge in Frage kommen. Ansonsten ist eine Verwaltungssitzverlegung einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts unter Beibehaltung ihrer Rechtsfähigkeit nach dem derzeitigen kollisionsrechtlichen Stand nicht denkbar. Bei diesen Gesellschaften stellt sich nun die Frage, unter welche der in § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjektformen sie zu subsumieren sind. Hierfür kommen allenfalls die Kapitalgesellschaften i.S.v. Nr. 1 oder die sonstigen juristischen Personen i.S.v. Nr. 4 in Frage. Ob man die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts nun den Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zuordnet, hängt davon ab, wie eng man die Aussage des Großen Senats vom 25.6.1984, diese Vorschrift sei einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich und die Aufzählung daher abschließend, interpretiert. Sieht man in den im Klammerzusatz aufgeführten Kapitalgesellschaften wirklich eine abschließende Aufzählung ohne "wenn und aber", dann dürfen m.E. auch die ausländischen rechtsfähigen Kapitalgesellschaften hierunter nicht subsumiert werden. Graffe vertritt jedoch die Ansicht, daß die rechtsfähigen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts dennoch hierunter zu subsumieren sind.176 Diese Auslegung kann m.E. nur auf größte Bedenken stoßen, wenn man sich die Bedeutung der abschließenden Aufzählung für die Systematik der rechtsformabhängigen Besteuerung von Gesellschaften vergegenwärtigt. Zumindest kann sich Graffe m.E. nicht auf das Urteil des BFH v. 23.6.1992 stützen, da der BFH an keiner Stelle eine solche Überlegung anstellt.177 Durch diese Interpretation würde der BFH den Grundsatz der strikten Rechtsformabhängigkeit aufweichen. Auch wenn der BFH auf einen Typenvergleich bei der Beurteilung einer Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG abstellt, ist fraglich, ob diese Sichtweise auch auf eine Einstufung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG übertragen
176
Vgl. Graffe in Dötsch / Eversberg / Jost / Witt, KStG, § 1 Anm. 89 f und das Schaubild nach Anm. 89. 177 Lediglich für die Frage der beschränkten Steuerpflicht § 2 KStG verweist der BFH auf die Vergleichbarkeit mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KStG genannten Gebilden. Vgl. hierzu BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (974).
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F. Die systemadäquate Qualifikation
werden kann. Aus dem Urteil selbst läßt sich eine solche Sichtweise unmittelbar jedenfalls nicht entnehmen. Methodisch sauberer läßt sich m.E. jedenfalls die Einstufung unter die sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts bewerkstelligen. Da der Begriff der juristischen Person im Zivil- und Steuerrecht der gleiche ist, 178 kann § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG nicht nur auf juristische Personen des inländischen Rechts beschränkt sein, sondern muß auch solche ausländischen Rechts erfassen. 179 Es mag in diesem Zusammenhang durchaus problematisch erscheinen, daß durch Staatsverträge in gewisser Hinsicht eine "Gleichbehandlung" mit inländischen Kapitalgesellschaften angestrebt wird, die insbesondere auch aufgrund der Forderung nach einer international verträglichen Auslegung der Steuergesetze eine Einstufung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gebieten würde. Andererseits gilt es jedoch zu bedenken, daß eine Einstufung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG grundsätzlich zu keinen anderen materiellen Steuerfolgen weder auf der Ebene der Gesellschaft noch auf der Ebene der Gesellschafter führen würde. Nach ganz h.M. sind unter den Begriff der Kapitalgesellschaft i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch ausländische Kapitalgesellschaften subsumierbar,180 so daß die Einnahmen der Gesellschafter, sofern es sich um natürliche Personen handelt, als Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren sind. Für die ausländische Kapitalgesellschaft bedeutet dies, daß für sie gleichfalls das Anrechnungsverfahren nach §§ 27 ff, 43 KStG gilt und der für Kapitalgesellschaften geltende Körperschaftsteuersatz nach § 23 KStG Anwendung findet. Allenfalls die Vorschriften über die Auflösung und Abwicklung nach § 11 KStG sind nach dem Wortlaut dieser Vorschriften auf die sonstigen juristischen Personen nicht anwendbar.181 Hier ist aufgrund der wirtschaftlichen Nähe der in- und ausländischen Kapitalgesellschaften eine Erweiterung des Gehalts der Vorschriften im Wege der Analogie in jedem Falle zu befürworten. Jedenfalls stellt eine solche Analogie m.E. einen weniger gravierenden Eingriff in das Steuerrecht dar als die Durchbrechung der strikten Rechtsformabhängigkeit.
178
Vgl. HHR, § 1 KStG Anm. 34. Vgl. auch Dötsch / Eversberg / Jost / Witt, KStG, § 1 Anm. 89, die aber, wie oben angemerkt, die Einstufung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 KStG bei rechtsfähigen ausländischen Gebilden anhand des 'Typenvergleichs" vornehmen wollen, also ausländische Gesellschaften, die einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen, als Körperschaftsteuersubjekt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG behandeln. 180 Vgl. etwa Schmidt, EStG, § 20 Anm. 43 und die Übersicht. 181 Die Vorschriften über die Organschaft i.S.v. § 14 ff. KStG wären keinesfalls anwendbar, da Voraussetzung sowohl für den Organträger als auch die Organgesellschaft ein inländischer Sitz und eine inländische Geschäftsleitung ist. Vgl. hierzu auch BFH v. 13.11.1991, BFHE 166 S. 238. 179
IV. Die sich aus den allgemeinen Kriterien ergebende Qualifikation
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2. Die nichtrechtsfähige grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft
Sofern die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft durch die Verwaltungssitzverlegung ihre Rechtsfähigkeit verloren hat, kommt eine Körperschaftsteuersubjektqualifikation i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 4 KStG aufgrund des strengen Rechtsformerfordemisses nicht in Betracht. Das System der Besteuerung von Gesellschaften läßt für nichtrechtsfähige Personenvereinigungen nur noch zwei Möglichkeiten der Subjekteinstufung offen: die Besteuerung als nichtrechtsfähiger Verein i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG bzw. als sonstige nichtrechtsfähige Personenvereinigung nach § 3 Abs. 1 KStG oder als Personengesellschaft im Sinne des Einkommensteuergesetzes. a) Die Einstufung als nichtrechtsfähiger Verein oder als Personengesellschaft Zunächst stellt sich bei nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen die Frage, ob diese als nichtrechtsfähiger Verein und damit als Körperschaftsteuersubjekt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zu qualifizieren sind, oder aber ob es sich um eine Personengesellschaft handelt. Diese beiden Alternativen bietet das System der Einkommensbesteuerung grundsätzlich für nichtrechtsfähige Personenvereinigungen an, wenn man sich an der Vorgabe einer streng zivilrechtlichen Betrachtungsweise orientiert. Der BFH hat sich in seinem Urteil zur Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften für die Einstufung der nach liechtensteinischem Recht gegründeten Gesellschaft als nichtrechtsfähigen Verein i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG ausgesprochen. Entscheidend hierfür war, daß die im Ausland rechtsfähige Körperschaft von ihrem Typ her einem der deutschen Körperschaftsteuersubjekte i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG entspricht, wobei nicht die tatsächliche Ausgestaltung im Einzelfall maßgeblich sein soll, sondern allein die maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation der Gesellschaft, mithin der Idealtypus nach ausländischem Recht.182 Mit dieser Entscheidung verläßt der erkennende Senat des BFH die zivilrechtlichen Vorgaben und damit die vom Großen Senat postulierte Rechtsformabhängigkeit in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist bei solchen Personenvereinigungen, die ein Unternehmen als Hauptzweck betreiben, immer eine Personengesellschaft, niemals aber ein nichtrechtsfähiger Verein im Sinne des Zivilrechts gegeben. Da bei der dem Sachverhalt zugrundeliegenden liechtensteinischen Kapitalgesellschaft aber von einem solchem Nebenzweck nicht auszugehen sein dürfte, sondern das Unternehmen den Hauptzweck bildet, handelt es sich zivilrechtlich unzweifelhaft um eine Personengesellschaft. 182
Vgl. BFH V. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (975).
336
F. Die systemadäquate Qualifikation
Strittig ist allenfalls noch, ob eine oHG oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegt. Da der Hauptzweck im wesentlichen in der Vermietung und Verpachtung eines Warenhauses und eines Baumarktes bestand, handelt es sich um eine BGB-Gesellschaft, so wie sie auch im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung eingestuft wurde. Selbst wenn man von dem Kriterium des Unternehmens für die Frage der Abgrenzung Verein und Gesellschaft absieht, sondern die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft allein anhand ihrer körperschaftlichen Struktur entsprechend der zweiten Abgrenzungsregel beurteilt, kann die Sichtweise des BFH nicht in Einklang mit dem Zivilrecht gesehen werden. Entscheidend für die Einstufung als Verein oder Gesellschaft kann nie eine abstrakte, an Idealtypen des ausländischen Rechts orientierte Struktur sein, sondern diese Einstufung kann immer nur anhand des tatsächlichen Einzelfalls beurteilt werden.183 Betrachtet man die der Entscheidung zugrundeliegende grenzüberschreitende liechtensteinische AG ("M-AG"), so spricht die kleine Mitgliederzahl von drei Personen für eine Gesellschaft und nicht für eine körperschaftlich organisierte Personenvereinigung. Aber auch die sonstigen für die körperschaftliche Struktur relevanten Merkmale deuten eher auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als auf einen nichtrechtsfähigen Verein hin. 184 Daß es dem BFH auf dieser Stufe der Prüfung der Körperschaftsteuerpflicht auch gar nicht um die nach zivilrechtlichen Grundsätzen vorzunehmende Einstufung als Verein oder Gesellschaft ankommt, zeigt der Verweis auf die Rechtsprechung zur Typenbetrachtung bei der beschränkten Steuerpflicht. 185 Im Rahmen der Qualifikation ausländischer Kapitalgesellschaften wird aber nicht direkt auf die Abgrenzung von nichtrechtsfähigem Verein und Gesellschaft Bezug genommen, sondern allenfalls indirekt, als den Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die den Vergleichsmaßstab bilden, in der Regel auch körperschaftliche bzw. vereinsrechtliche Struktur zukommt. Der Weg der Ergebnisfindung durch den BFH ist insgesamt als doch sehr überraschend zu bezeichnen. Er stellt zwar einerseits auf die Forderung ab, daß der Kreis der Körperschaftsteuersubjekte einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist, sondern allein nach den zivilrechtlichen Vorgaben bestimmt ist, so daß eine Einstufung der nichtrechtsfähigen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 4 KStG nicht in Frage kommt. Andererseits verläßt er den Pfad der zivilrechtlichen Vorgaben und führt eine Qualifikation anhand eines Typenvergleichs durch. Eine Begründung für dieses Vorgehen liefert der BFH jedenfalls 183 für eine Einzelfallbetrachtung sprechen sich auch Ebenroth, C. /Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1007) aus. 184 Vgl. hierzu eingehend Ebenroth, C. / Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1007). 185 Vgl. BFH v. 23.6.1992, BStBl 1992 Π S. 972 (975), wo er auf Abschnitt ffl 2 a verweist, in dem auf die Rechtsprechung zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht Bezug genommen wird.
IV. Die sich aus den allgemeinen Kriterien ergebende Qualifikation
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nicht. Ein Verweis auf die Typenbetrachtung des RFH und BFH im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht kann als Begründung jedoch keinesfalls ausreichen, da hier Kriterien der beschränkten und der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht einfach durcheinandergemischt und auf einen Sachverhalt angewendet werden. Letztlich muß man dem BFH wohl unterstellen, daß er sich weder für die eine noch für die andere Methode entschieden hat, sondern er wollte beide für die Qualifikation anwenden, also einerseits die strengen zivilrechtlichen Vorgaben bei der Frage der Rechtsfähigkeit berücksichtigen, andererseits aber dann doch auf den vom RFH entwickelten Typenvergleich für beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften nicht verzichten. b) Die Bedeutung der Struktur der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft für die steuerliche Qualifikation Wie insbesondere die Ausführungen über die wirtschaftlichen Grenzfälle zeigen, spielt die tatsächliche Struktur der Gesellschaften keine Rolle bei der Einstufung in das System der Besteuerung. Unabhängig davon, ob es sich um eine personalistisch oder eine kapitalistisch strukturierte Gesellschaft handelt, erfolgt nach dem derzeit gültigen Besteuerungssystem allein eine Einstufung nach den Vorgaben des Zivilrechts. Bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ist diese Vorgabe auch zu beachten, dennoch sieht man sich aufgrund der zivilrechtlichen Behandlung mit einer besonderen Problematik konfrontiert. aa) Die personalistisch strukturierte Gesellschaft Zunächst wird der wohl unproblematischere Fall der personalistisch strukturierten Gesellschaften der Qualifikation zugeführt. Diese Gesellschaften zeichnen sich durch einen kleinen Gesellschafterkreis aus, wobei zwischen den einzelnen Gesellschaftern enge Beziehungen bestehen und die Gesellschafter die Geschäftsführung und die Vertretung selbst wahrnehmen. Bei diesen personalistisch strukturierten Gesellschaften handelt es sich unter Zugrundelegung der Sitztheorie und dem nach deren Grundsätzen anzuwendenden materiellen Recht unzweifelhaft um eine Form der Personengesellschaft, 186 so daß damit auch eine Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegt. Das weitere Tatbestandsmerkmal, das es im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu prüfen gilt, ist das Kriterium der Mitunternehmer1 8 6
22 Herz
Vgl. hierzu oben Kap. Β ΠΙ. 1.
338
F. Die systemadäquate Qualifikation
schafl 187 der einzelnen Gesellschafter, um eine Zurechnung des anteiligen Ergebnisses direkt vornehmen zu können. Das Merkmal der Mitunternehmerinitiative wird bei den einzelnen Gesellschaftern unzweifelhaft gegeben sein. Entsprechend dem Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften steht die Geschäftsführung und die Vertretung den einzelnen Gesellschaftern unmittelbar zu. 1 8 8 Da die Leitung durch die einzelnen Gesellschafter auch im Gesellschaftsvertrag der ausländischen Gesellschaft bei personalistisch organisierten Gesellschaften vorgesehen ist, ergeben sich hier keine Probleme bezüglich dieser Frage. Auch die Voraussetzungen des zweiten für die Mitunternehmerschaft relevanten Kriteriums, des Mitunternehmerrisikos, sind in diesen Fällen regelmäßig gegeben. Die Gesellschafter partizipieren an den laufenden Gewinnen und Verlusten und tragen darüber hinaus auch eine persönliche Haftung. 189
bb) Die kapitalistisch strukturierte Gesellschaft Anders stellt sich die Problematik bei den kapitalistisch strukturierten Gesellschaften dar. Allein die zivilrechtliche Struktur ist bei diesen Formen noch weitgehend ungeklärt. Die erste zu prüfende Frage ist die, ob hier überhaupt eine Personengesellschaft zwischen den einzelnen Gesellschaftern der ehemals rechtsfähigen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft zustandegekommen ist. Zu differenzieren ist zwischen solchen Gesellschaftern, die aufgrund der Höhe ihrer Beteiligung durchaus in der Lage sind, die Geschicke der Gesellschaft mitzubestimmen und solchen Gesellschaftern, die lediglich einen Anteil an der Gesellschaft halten, der keinen weiteren Einfluß auf das Unternehmen vermittelt. Bei Gesellschaftern mit Einfluß auf die Gesellschaft ist in der Regel anzunehmen, daß sie ihre Beteiligung nicht nur als klassische Kapitalbeteiligung im Sinne einer Vermögensverwaltung halten, sondern auch Einfluß auf die Unternehmenspolitik der Gesellschaft nehmen wollen. Bei diesen Gesellschaftern sind die Voraussetzungen einer gewollten Mituntemehmerschaft grundsätzlich gegeben, so daß zumindest zwischen diesen eine Personengesellschaft zustande kommt. Diese Gesellschafter sind dann regelmäßig auch als Mitunternehmer i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren, da ihre Beteiligung den gleichen Charakter besitzt, wie die von Gesellschaftern einer personalistisch strukturierten Personengesellschaft. 190 187
Vgl. hierzu Kap. D Π. 1. b) dd). Vgl. Kap. Β ΠΙ. 2. c). 189 Vgl. Kap. Β ΠΙ. 2. a). 190 In der Regel wird es sich dann sogar um eine solche personalistisch strukturierte Gesellschaft handeln, wenn man die nur geringfügig beteiligten Gesellschafter nicht als Gesellschafter der oHG bzw. GbR betrachtet. 188
IV. Die sich aus den allgemeinen Kriterien ergebende Qualifikation
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Komplizierter stellt sich die Situation bei den Minderheitsgesellschaftern dar. Hier ist vor allem zunächst zu klären, ob bei diesem Typ von Gesellschaftern überhaupt noch von einer gewollten Mitunternehmerschaft gesprochen werden kann, die konstitutive Voraussetzung für ein Gesellschaftsverhältnis im Rahmen einer oHG ist. Verneint man eine solche Mituntemehmerschaft im zivilrechtlichen Sinne, so kann der Minderheitsgesellschafter niemals Mitunternehmer der Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sein, da es ihm schon am notwendigen Merkmal des Gesellschafters fehlt. 191 Die Beziehung zur Gesellschaft kann dann nur noch einen schuldrechtlichen Charakter besitzen, so daß das Ergebnis der Personengesellschaft nicht anteilig beim Gesellschafter als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen ist, sondern erst im Rahmen der Gewinnausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 EStG der Besteuerung unterliegt.192 Selbst wenn zivilrechtlich ein Gesellschaftsverhältnis auch bei solchen Minderheitsgesellschaftern unterstellt wird, gilt es hier wiederum die weitere Frage nach den Voraussetzungen der steuerlichen Mitunternehmerschaft des einzelnen Gesellschafters zu beantworten. Hierfür ist zunächst der zivilrechtliche Status des Minderheitsgesellschafters und dessen Qualität zu klären. Die Grenzziehung der Mitunternehmerschaft verläuft am gesetzlichen "Idealbild" des Kommanditisten, d.h. wenn die im HGB verankerten Rechte und Pflichten des Kommanditisten vertraglich nicht wesentlich eingeschränkt werden, sind die Voraussetzungen der Mitunternehmerschaft erfüllt. Sofern also der Minderheitsgesellschafter der nichtrechtsfähigen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft vom Gesamterscheinungsbild dem Kommanditisten vergleichbar ist, ist er als Mituntemehmer anzusehen. Weichen seine Rechte und Pflichten hingegen hiervon insofern ab, als die Möglichkeiten der Mituntemehmerinitiative und das Mitunternehmerrisiko demgegenüber zurückbleiben, kann nicht mehr von einem Mitunternehmer i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gesprochen werden. Die Einkünfte sind dann als Einkünfte eines typisch stillen Gesellschafters i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu qualifizieren. 193 Ein besonderer Problemfall ergibt sich dann, wenn sämtliche Gesellschafter der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft lediglich geringfügige Beteiligungen halten, dennoch das Zivilrecht von einer zwischen diesen bestehenden Personengesellschaft ausgeht. Stuft das Steuerrecht hingegen die Gesellschafter nicht als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ein, so unterliegt das Einkommen unmittelbar weder bei den Gesellschaftern noch bei der Gesellschaft selbst der Besteuerung. In diesem Falle ist demnach die Gesellschaft
191 192
denken. 193
22*
Vgl. Kap. D Π. 1. b). aa) und D Π. 1. b). dd). Hier wäre etwa an ein partiarisches Darlehen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu Vgl. Biergans, E. (Einkommensteuer, 1992) S. 87.
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F. Die systemadäquate Qualifikation
nach § 3 Abs. 1 KStG selbst Steuersubjekt der von ihr erzielten Einkünfte, 194 da anderenfalls keine unmittelbare Besteuerung bei einem anderen Steuersubjekt gegeben ist. Nur in diesen Fällen ist also bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, denen keine Rechtsfähigkeit mehr zukommt, eine Körperschaftsteuersubjektfähigkeit zu bejahen. 3. Die Gesellschaft mit vermögensverwaltender Tätigkeit
Im Gegensatz zu den Gesellschaften, die im Rahmen der betrieblichen Einkunftsarten tätig sind, ist bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften das Merkmal der Mitunternehmerschaft des einzelnen Gesellschafters nicht weitere Voraussetzung, um das von der Personengesellschaft erzielte Einkommen unmittelbar den einzelnen Gesellschaftern zurechnen zu können.195 Die Frage, ob es sich bei den Gesellschaftern um Mitunternehmer handelt, stellt sich hier also nicht. Das bedeutet für den einzelnen Gesellschafter der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft, daß er unabhängig davon, ob er nun Minderheitsgesellschafter oder Gesellschafter mit Einfluß auf die Gesellschaft ist, den gleichen Steuerfolgen unterliegt. Sofern die Beteiligung dem Privatvermögen des Gesellschafters zuzuordnen ist, handelt es ich auf der Ebene der Gesellschafter um Einkünfte im Rahmen der sog. Überschußeinkunftsarten nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 - 7 EStG. 196 Nur in den Fällen, in denen der Gesellschafter seine Beteiligung im Betriebsvermögen hält, kommt es zu einer "Umqualifizierung" der Einkünfte.
194 Von dieser Möglichkeit sprechen auch Ebenroth, C. /Auer, T., RIW 1992 S. 998 (1006 f.). 195 Vgl. Kap. DIL 1. c). 196 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit scheiden in der Regel jedoch aus.
G. Schlußbemerkung Die Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften erfolgt aufgrund fehlender, auf die konkrete Situation anwendbarer internationaler Rechtsnormen allein auf der Grundlage der deutschen Steuerrechtsordnung, wobei dem Gleichheitssatz als dem für das Steuerrecht übergeordneten Auslegungsmaßstab fundamentale Bedeutung zukommt. Das sich als Ergebnis der vom Gesetzgeber verstandenen Gleichheitsvorstellungen herauskristallisierende System der Besteuerung von inländischen und ausländischen Gesellschaften, so wie es sich nach der h.M. in Literatur und Rechtsprechung darstellte, beruht auf einer Zweiteilung des für die Qualifikation relevanten Vergleichskriteriums. Inländische Gesellschaften werden in den Dualismus Einkommensteuer - Körperschaftsteuer allein nach dem Kriterium der strengen Rechtsformabhängigkeit eingestuft. Sowohl die Bestimmung des sog. Katalogs der Körperschaftsteuersubjekte nach § 1 Abs. 1 KStG als auch des Begriffes der "Personengesellschaft" nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfolgt allein nach den zivilrechtlichen Vorgaben. Demgegenüber werden ausländische Gesellschaften nicht unmittelbar nach den Maßgaben des Internationalen Privatrechts qualifiziert, sondern anhand eines Typenvergleichs. Aber auch die Subjektqualifikation beschränkt steuerpflichtiger Gesellschaften führt die Ordnungsstruktur des deutschen materiellen Zivilrechts konsequent fort, wobei hier keine abstrakt-begriffliche, sondern eine typologische Einstufung durchgeführt wird. Beide Qualifikationskriterien, sowohl das der strengen Rechtsformabhängigkeit als auch das der typologischen Qualifikation, lassen sich mit einer teleologischen Betrachtungsweise begründen. Auch die Subjekteinstufung nach den Vorgaben des Zivilrechts ist mit den dem Steuerrecht eigenen Wertungen im Einklang stehend und beruht nicht nur auf einer formalen, der Prävalenz des Zivilrechts verpflichteten Sichtweise. Grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften sind nun in dieses, im Hinblick auf das Vergleichskriterium zweigeteilte System einzuordnen. Wie die Analyse gezeigt hat, kann eine Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften, die als Maßstab das geltende System der Einkommensbesteuerung von Gesellschaften zur Grundlage hat, nur anhand des Kriteriums der strengen Rechtsformabhängigkeit erfolgen. Der von der h.M. präferierte Typenvergleich entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als nicht mit dem System vereinbar. Vom ersten Anschein ist die Problematik grenzüberschreitender Gesellschaften mit der ausländischer Gesellschaften vergleichbar, so daß der Schluß, der Typenvergleich sei das sachgerechte Kriterium, naheliegend ist. Bei einer genaueren Analyse zeigt sich jedoch, daß dieses Ergebnis auf einer
342
G. SchluBbemerkung
verkürzten Sichtweise der Problematik beruht. Insbesondere der Vergleich mit den Grenzfällen, namentlich der Publikums-KG zeigt, da£ im Rahmen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nur ein Kriterium zur Anwendung gelangen kann. Wenn auch eine solch geartete Qualifikation für viele zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen mag, daß die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften grundsätzlich, von wenigen Ausnahmefällen abgesehen, nicht den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 KStG genügen und ihnen daher die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit abzusprechen ist, so liegt dies allein im geltenden System selbst begründet. Sofern eine Einstufung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt "gewünscht" ist, so wäre letztlich der Gesetzgeber gefordert. Um nicht der weithin beklagten Systemlosigkeit der derzeitigen Steuergesetzgebung weiteren Vorschub zu leisten, ist allerdings eine zusätzliche Aufnahme dieser "Gesellschaftsformen" in den Katalog der Körperschaftsteuersubjekte abzulehnen. Vielmehr empfiehlt es sich dann, das bisherige System der Besteuerung von Gesellschaften aufzugeben und die Problematik grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften zum Anlaß zu nehmen, über eine von vielen Seiten geforderte rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung nachzudenken.1 Unter einer solchen rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung wäre letztlich auch der im Rahmen dieser Arbeit geforderte Gedanke der Wettbewerbsgleichheit in seinem vollen Gehalt verwirklicht. Insbesondere die bei den wirtschaftlichen Grenzfällen beklagte "Schwäche" des geltenden Systems hätte damit ein Ende. Zudem würde sich das Problem des zunehmenden Effizienzverlustes des Zivilrechts,2 bedingt durch die Abhängigkeit des Steuerrechts, lösen, da die Rechtsformwahl sowie die Kreation neuer "Gesellschaftstypen" von steuerlichen Überlegungen befreit würden. Auch wenn die Anknüpfung an die juristische Person im Rahmen ^iner nach den zivilrechtlichen Gesellschaftsformen differenzierenden Besteuerung als solche den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung folgerichtig fortführt, so ist damit noch nicht gesagt, daß die an die Rechtsform gekoppelte Besteuerung überhaupt als sachgerechter Belastungsmaßstab zu werten ist.3 Inwieweit allerdings eine an das Subjekt "Unternehmen" gekoppelte Besteuerung mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen ist,
1
Vgl. etwa Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 1 ff.; Lang, J., StuW 1989 S. 3 (3 ff.); ders., StuW 1990 S. 107 (107 ff); Ritter, W., StuW 1989 S. 319 (319 ff.); Schmidt, K., FA 1962/63 S. 35 (35 ff.); Schneider, D., StuW 1989 S. 328 (328 ff.); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1028 ff. 2 Vgl. Kap. A I . 3. c) aa). 3 Ablehnend etwa Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 1 ff.; Lang, J., StuW 1989 S. 3 (6 ff.); ders., StuW 1990 S. 107 (107 ff.); Schmidt, K., FA 1962/63 S. 35 (35 ff.); Tipke, K. (Steuerrechtsordnung, 1993) S. 1028 ff.
G. Schlußbemerkung
343
darüber scheiden sich letztlich die Geister.4 Nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Auffassung eines an der Gesamtrechtsordnung orientierten Leistungsfähigkeitsbegriffs jedenfalls kann eine Unternehmenssteuer diesem Prinzip nicht mehr gerecht werden.
4
Zustimmend etwa Tipke, K. (Steuerrechtsordnung 1993) S. 1031; Knobbe-Keuk, B. (Bilanzsteuerrecht, 1993) S. 2 f.; ablehnend Haller, H. (Steuern, 1981) S. 176 f.
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Reichsgericht RG v. 5.6. 1882, Rep. I. 291/82, RGZ 7 S. 68-72. RG v. 22.1.1916, 293/15V, JW 1916, S. 593-594.
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372
Rechtsprechung s Verzeichnis
Landes- und Oberlandesgerichte OLG Frankfurt v. 3.6.1964, 7 U 202/63, NJW 1964, S. 2355-2356. OLG Nürnberg v. 25.4.1967, 7 U 169/66, DB 1967, S. 1411. BayOLG v. 26.3.1981, BReg. 17 126/80, BB 1981, S. 870-871. BayOLG v. 3.8.1982, BReg. 1Z 71/81, BB 1982, S. 578-579. OLG Köln v. 3.10.1983, 2Wx 26/83, BB 1984, S. 1065-1066. OLG Nürnberg v. 7.6.1984, 8 U 111/84, RiW 1985, S. 494. LG Rottweil v. 28.1.1985, HO 93/84, RiW 1986, S. 636. LG Köln v. 25.11.1985, 16 0 41/84, RiW 1987, S. 54-55. OLG Hamburg v. 20.2.1986, 6 U 147/85, NJW 1986, S. 2199. BayOLG v. 21.3.1986, BReg. 3Z 148/85, NJW 1986, S. 3029-3032. OLG München v. 6.5.1986, 5 U 2562/85, NJW 1986, S. 2197-2199. OLG Köln v. 11.3.1987,2Wx 72/86, BB 1987, S. 711. OLG Oldenburg v. 4.4.1989, 12 U 13/89, RiW 1990, S. 1019-1020. OLG Frankfurt v. 24.4.1990, 5 U 18/88, DB 1990, S. 1224-1225. OLG Zweibrücken v. 27.6.1990, 3 W 43/90, DB 1990, S. 1660-1661. BayOLG v. 7.5.1992, 3Z BR 14/92, DB 1992, S. 1400-1401.
Reichsfinanzhof RFH v. 19.9.1923, RFHE 12 S. 326-328. RFH v. 12.2.1930, VI A 899/27, RFHE 27 S. 73-81. RFH v. 16.6.1931,1 A 462/30, RStBl 1931, S. 848-850. RFH v. 8.9.1931,1 A 18/31, RStBl 1931, S. 741. RFH v. 12.1.1933, ΠΙ A 37/32, RStBl 1933, S. 132-133. RFH ν. 9.1.1934,1 A 344/32, RStBl 1934 S. 382-383. RFH v. 3.7.1934,1 A 129/33, RFHE 36, S. 244-251. RFH v. 25.7.1935, ΙΠ A 98/35, RStBl 1935, S. 1366. RFH v. 2.7.1936, ΙΠ A 86/36, RStBl 1936, S. 779-781. RFH v. 3.7.1936,1 A 150/36, RStBl 1936, S. 804-805. RFH v. 25.5.1937,1 A 194/36, RStBl 1937 S. 684. RFH v. 23.6.1938, ΠΙ40/38, RStBl 1938 S. 949.
Rechtsprechungsverzeichnis RFH ν. 14.2. 1939,1 61/38, RStBl 1939, S. 702-703. RFH v. 11.7.1940, Π Ι 135/39, RStBl 1940, S. 706-707. RFH v. 21.3.1944,1216/43, RStBl 1944, S. 396-398.
Bundesfinanzhof BFH v. 6.5.1952,1 8/52 U, BStBl 1952ΙΠ, S. 172-173. BFH v. 6.12.1955,1 155/54 U, BStBl 1956 ΠΙ, S. 95-97. BFH v. 9.8.1957, ΠΙ215/56 U, BStBl 1957 ΠΙ, S. 341-342. BFH v. 4.11.1958,1 141/57 U, BStBl 1959 m , S. 50-51. BFH v. 5.5.1959,1 11/58 S, BStBl 1959 III, S. 369-372. BFH v. 8.4.1960, m 129/57 U, BStBl 1960 ΠΙ, S. 319-320. BFH v. 13.12.1960,1 171/60 U, BStBl 1961ΙΠ, S. 127. BFH v. 8.9.1961, m 125/61 S, BStBl 1962 ΙΠ, S. 19-21. BFH v. 13.12.1961, V I 133/60 U, BStBl 1962 ΙΠ, S. 127-129. BFH v. 11.5.1962, VI55/61 U, BStBl 1962 m , S. 310-312. BFH v. 27.7.1962, Π 77/61 U, BStBl 1962 ΠΙ, S. 478480. BFH v. 22.11.1962, Π 19/58 S, BStBl 1963 ΙΠ, S. 64-66. BFH v. 16.1.1963, Π 21/61 U, BStBl 1963 ΙΠ, S. 187-188. BFH v. 10.6.1964, Π 106/60, H FR 1965, S. 170-171. BFH v. 22.10.1965, m 145/62 U, BStBl 1966 ΠΙ, S. 5-7. BFH v. 15.2.1966,1 112/63, BStBl 1966 m , S. 289-291. BFH v. 1.3.1966,1 13,14/65, BStBl 1966 III, S. 207-208. BFH v. 17.5.1966,1 141/63, BStBl 1966 Π Ι S. 513-514. BFH v. 14.10.1966, I V 61/64, BStBl 1967 ΠΙ, S. 175-178. BFH v. 17.7.1968,1 121/64, BStBl 1968 Π, S. 695-697. BFH v. 26.5.1970, Π 29/65, BStBl 1970II, S. 759-761. BFH v. 17.11.1970, Π 160/64, BStBl 1971II, S. 224-227. BFH v. 2.12.1970,1 R 122/68, BStBl 1971 Π, S. 187-188. BFH v. 10.2.1972, I V 317/65, BStBl 1972 II, S. 419-423. BFH v. 11.4.1973, I R 172/72, BStBl 1973 Π, S. 568-570. BFH v. 19.12.1973,1 R 137y71, BStBl 1974 Π, S. 181-182.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BFH v. 14.11.1974, IV R 3/70, BStBl 1975 Π, S. 281-284. BFH v. 28.11.1974,1R 232/72, BStBl 1975 Π, S. 498-500. BFH v. 16.1.1976, ΠΙ R 92/74, BStBl 1976 Π, S. 401-403. BFH v. 29.1.1976, IV R 97/74, BStBl 1976 Π, S. 332-335. BFH v. 20.10.1976,1R 139-140/74, BStBl 1977 Π, S. 96-97. BFH v. 3.8.1977,1R 128/75, BStBl 1977 Π, S. 857-858. BFH v. 9.3.1978, V R 90/74, BStBl 1978 Π, S. 486-487. BFH v. 5.7.1978,1R 22/75, BStBl 1978 Π, 644-647. BFH v. 8.2.1979, IV R 163/76, BStBl 1979 Π, S. 405^09. BFH v. 23.5.1979,1R 163/77, BStBl 1979 Π, S. 757-763. BFH v. 27.2.1980,1R 196/77, BStBl 1981 Π, S. 210. BFH v. 6.11.1980, IV R 5/77, BStBl 1981 Π, S. 307-309. BFH v. 18.11.1980, V m R 194/78, BStBl 1981 Π, S. 510-517. BFH v. 11.12.1980, IV R 91/76, BStBl 1981 Π, S. 310-314. BFH v. 13.3.1981, ΠΙ R 132/79, BStBl 1981 Π, S. 600-601. BFH v. 9.4.1981,1R 157/77, BStBl 1982 Π, S. 362-365. BFH v. 5.5.1981, \ Ί Π Β 26/80, BStBl 1981 Π, S. 574-577. BFH v. 24.6.1981,1S 3/81, BStBl 1981 Π, S. 748-749. BFH v. 19.1.1982, VIH R 21/77, BStBl 1982 Π S. 456-460. BFH v. 28.1.1982, IV R 197/79, BStBl 1982 Π, S. 389-390. BFH v. 20.10.1982,1R 118/78, BStBl 1983 Π, S. 247-249. BFH v. 1.2.1983, V m R 184/79, BStBl 1984 Π, S. 128-129. BFH v. 19.7.1983, VIH R 161/82, BStBl 1984 Π, S. 26-27. BFH v. 25.6.1984, Gr S 4/82, BStBl 1984 Π, S. 751-770. BFH v. 17.1.1985, IV R 106/81, BStBl 1985 Π, S. 291-293. BFH v. 22.1.1985, V m R 303/81, BStBl 1985 Π, S. 363-365. BFH v. 2.9.1985, IV B 51/85, BStBl 1986 Π, S. 10-12. BFH v. 5.11.1985, V m R 257/80, BFHE 145 S. 58-62. BFH v. 28.1.1986, VHIR 335/82, BStBl 1986 Π, S. 599-600. BFH v. 6.5.1986, VHI R 300/82, BStBl 1986 Π, S. 891-894. BFH v. 5.6.1986, IV R 53/82, BStBl 1986 Π, S. 798-802. BFH v. 5.6.1986, IV R 272/84, BStBl 1986 Π, S. 802-805.
Rechtsprechungsverzeichnis
BFH v. 7.8.1986, IV R 137/83, BFHE 147 S. 224-230. BFH v. 19.8.1986, IX 55/83, BFHE 147 S. 453-463. BFH v. 29.10.1986,1R 202/82, BStBl 1987 Π, S. 308-310. BFH v. 29.10.1986,1R 318-319/83, BStBl 1987 Π, S. 310-313. BFH v. 11.12.1986, IV R 222/84, BStBl 1987 Π, S. 553-557. BFH v. 22.10.1987, IV R 17/84, BStBl 1988 Π, S. 62-65. BFH v. 10.11.1987, V m R 166/84, BStBl 1989 Π, S. 758-761. BFH v. 3.2.1988,1R 134/84, BStBl 1988 Π, S. 588-590. BFH v. 21.4.1988, IV R 47/85, BStBl 1989 Π, S. 722-727. BFH v. 11.10.1988, V m R 328/83, BStBl 1989 Π, S. 762-763. BFH v. 6.12.1988, V m R 362/83, BStBl 1989 Π, S. 705-706. BFH v. 14.12.1988,1R 148/87, BStBl 1989 Π, S. 319-322. BFH v. 11.4.1989, VDIR 302/84, S. 697-701. BFH v. 17.8.1989, IX R 76/88, BStBl 1990 Π, S. 411-414. BFH v. 8.11.1989,1R 174/86, BStBl 1990 Π, S. 91-92. BFH v. 13.12.1989,1R 98-99/86, BStBl 1990 Π, S. 468-470. BFH v. 28.02.1990,1R 120/86, BStBl 1990 Π, S. 553-555. BFH v. 16.5.1990,1R 113/87, BStBl 1990 Π, S. 983-984. BFH v. 5.7.1990, Gr S 4-6/89, BStBl 1990, S. 847-854. BFH v. 4.10.1990, XR 148/88, BStBl 1992 Π, S. 211-212. BFH v. 20.11.1990, V m R 15/87, BStBl 1991 Π, S. 345-346. BFH v. 23.1.1991,1R 22/90, BStBl 1991 Π, S. 554-555. BFH v. 25.2.1991, Gr S 7/89, BStBl 1991Π, S. 691-703. BFH v. 24.9.1991, V m R 349/83, BStBl 1992 Π, S. 330-334. BFH v. 23.10.1991,1R 86/89, BStBl 1992 Π, S. 185-187. BFH v. 13.11.1991,1Β 72/91, BFHE 166 S. 238-241. BFH v. 23.6.1992, R 182/87, BStBl 1992 Π, S. 972-975. BFH v. 1.7.1992,1R 6/92, BStBl 1993 Π, S. 222-225. BFH v. 14.10.1992,1R 17/92, BStBl 1993 Π, S. 352-356. BFH v. 10.12.1992, X I R 45/88, BStBl 1993 Π, S. 538-543. BFH v. 27.5.1993, IV R 1/92, BStBl 1994 Π, S. 700-702. BFH v. 13.7.1993, V m R 50/92, BStBl 1994 Π, S. 282-287.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BFH v. 27.8.1993, V I R 7/92, FR 1994, S. 189-193. BFH v. 27.1.1994, IV R 26/93, BStBl 1994 Π, S. 462-463. BFH v. 27.1.1994, IV R 114/91, BStBl 1994 Π, S. 635-638. BFH v. 7.12.1994,1Κ 1/93, BStBl 1995 Π S. 175-180. BFH v. 16.2.1995, IV R 62/94, BStBl 1995 Π, S. 592-594. BFH v. 21.9.1995, IV R 65/94, BStBl 1996 Π S. 66-68.
Finanzgerichte FG Kassel v. 8.7.1959, IV 1083/57, EFG 1959, S. 346-347. FG Düsseldorf v. 12.08.1964,124/63K, EFG 1965, S. 75-76. FG Niedersachsen v. 12.12.1969,143/68 rkr, EFG 1970, S. 316-317. FG Bremen v. 20.3.1975, Π 98/73, EFG 1975, S. 384. FG Berlin v. 9.1.1979, IV 311/78, EFG 1979, S. 271-272. FG Düsseldorf v. 8.10.1980 XV/X 16/75K, EFG 1981, S. 148-149. FG Berlin v. 16.7.1982, ΠΙ 263/82-rkr., EFG 1983, S. 268-269. FG Düsseldorf v. 19.1.1983, V M (XI) 56/78 - rk, EFG 1983, S. 596. FG Rheinland-Pfalz v. 11.5.1983,1 k 254/82, EFG 1984, S. 73-75. FG Hamburg v. 24.10.1986,1170/83 - rk, EFG 1987, S. 413. FG Düsseldorf v. 6.11.1986, XV 370/83F, EFG 1987, S. 202-203. FG Hamburg v. 23.1.1989, VI 233/86, EFG 1989, S. 366-367. FG Niedersachsen v. 4.7.1991, VI 719/90, RIW 1991, S. 1058-1060.
trtverzeichnis Äquivalenzprinzip und Gewerbesteuer 225, 227, 237 - und Körperschaftsteuer 177, 277 Aktiengesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt 172 ff. Anerkennung - Begriff 70 f. - und Gründungstheorie 73 und Kollisionsrecht 72 und Personalstatut 71 f. - und Rechtsfähigkeit 71 f. und Sitztheorie 75 f. Anknüpfung, räumliche 46 ff. Anknüpfungstheorien 72 ff. Anstalt - als Steuersubjekt 139 Anwendungsbereich, räumlicher 104 Aufenthalt, gewöhnlicher 47 Auslegung, teleologische 41 ff. Bergwerkschaften - als Steuersubjekt 139, 172 ff. Betrachtungsweise, wirtschaftliche 31, 33 ff., 189 ff. Bilanzbündeltheorie 145 Briefkastengesellschaft 78 f. " Dai ly-Mai Γ -Entscheidung 119 Dienstleistungsfreiheit 117 Diskriminierungsverbot 118 Doppelbesteuerung - und Völkerrecht 107 ff. Doppelbesteuerungsabkommen und Geschäftsleitung 287 ff. und lex fori Auslegung 111 und Leistungsfähigkeitsprinzip 240 Dualismus ESt - KSt 138 ff., 176
Einheit der Rechtsordnung 37 - als Auslegungskriterium 184 ff. Einkommen als sachgerechte Anknüpfung 222 Einkünfte und Steueranknüpfung 238 Einmanngesellschaft 186 - als Abgrenzungsfall 193 ff., 260 und Qualifikation 296 ff. Entscheidungseinklang 80 f. Europarecht - Quellen 112 ff. Rechtsnatur 112 ff. und Bindungswirkung 113 - und nationales Recht 113 - und Niederlassungsfreiheit 117 ff. und Völkerrecht 113 EWG-Übereinkommen 209 Fremdorganschaft 231 f. Fusion, grenzüberschreitende 115 Fusionsrichtlinie 114 ff., 170 Gemeinschaftsverhältnis, wirtschaftlich vergleichbares 157 ff. Geschäftsführung - bei Gesellschaften 101 ff. bei Vereinen 101 Geschäftsleitung als Anknüpfungspunkt 47 f. als Beurteilungsperspektive 287 ff. - Begriff 49 ff. und Doppelbesteuerungsabkommen 48 f. und Qualifikation 315 Gesellschaft - Begriff nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG 153 ff. - und § 705 BGB 154
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trtverzeichnis
und typologische Unterscheidung 94 ff. Gesellschaft, ausländische - Qualifikation 200 ff. Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Körperschaftsteuersubjekt 173 ff. Gesellschaft, stille als Abgrenzungskriterium 161 Gesellschaftsrecht, Internationales als Teilgebiet des IPR 25 - und Fremdenrecht 27 und internationales Vertragsrecht 27 Gesell schaftsstatut - Anknüpfungsmomente 69 f. - Begriff 68 f. - und Fremdenrecht 69 und Staatsangehörigkeit 68 f. Gleichheitsprinzip als Auslegungsprinzip 123 ff. als Willkürverbot 124, 126 f. und ausländische Gesellschaften 132 f. - und Bundesverfassungsgericht 123 ff. - und grenzüberschreitende Gesellschaften 133, 277 f f , 301 ff. und Steuerrecht 125 ff. Grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft - Begriff 19 f. - und Einzelfallbetrachtung 272 und Gründungstheorie 282 ff. - und IPR 269 f. und Körperschaftsteuersubjektfähigkeit 266 und lex fori 269 - und Literatur 267 ff. und rechtliche Schnittstelle 24 und Rechtsfähigkeit 268 und rechtsformabhängige Qualifikation 265 f , 290 ff. und Rechtsprechung 262 ff. - und Sitztheorie 271, 282 ff. und Typenvergleich 265 f , 268, 269, 277, 284, 286, 290 f f , 296 ff. und typologische Alternative 274 f. und Wettbewerbsneutralität 293 ff.
Gründungstheorie - Begriff 73 und Anerkennung 73 f. - und bilaterale Staatsverträge 93 - und EWG-Übereinkommen 74 - und Konsequenzen 79, 82 f f , 88, 89 f. - und Qualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften 282 f , 306 f , 310 f. und Steuerrecht 266 Haftung - der Gesellschafter 96 ff. - der Handelnden 100 ff. Identitätsthese - bei der Vorgesellschaft 198 f , 330 Innengesellschaft 155 f. und Mitunternehmerschaft 155 Kapitalgesellschaft - Begriff in der Betriebswirtschaftslehre 174 - Begriff im Gesellschaftsrecht 172 ff. Begriff in der Rechnungslegung 173 f. - Begriff nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 171 und Körperschaftsteuersubjekt 171 ff. Kapitalgesellschaft, wegziehende steuerliche Qualifikation 301 ff. - zivilrechtliche Qualifikation 88 ff. Kapitalgesellschaft, zuziehende zivilrechtliche Qualifikation 83 ff. steuerliche Qualifikation 276 f f , 332 ff. Körperschaftsteuer - Charakter der 179 - Rechtfertigung der 177 ff. und Anrechnungsverfahren 178 - und Doppelbelastung 178 und Einheitlichkeit der Rechtsordnung 184 ff. und Leistungsfähigkeit 185
Stichwortverzeichnis -
und Rechtsform 178,180,185 ff. und Vermögensverselbständigung
181 - und Zweck 179 f. Körperschaftsteuerpflicht der ausländischen Gesellschaften 200 ff. - der Einmannkapitalgesellschaft 193 ff. der Gründungsgesellschaft 195 ff. - der Publikums-KG 190 ff. - der Vorgesellschaft 197 ff. - der Vorgründungsgesellschaft 195 ff. und Rechtsformabhängigkeit 200 Körperschaftsteuersubjekttatbestand - Aufbau 312 ff. Kommanditgesellschaft auf Aktien 172 Kommanditist - als Abgrenzungskriterium 161 Konzernrichtlinie 114 Lastenverteilung - als Aufgabe des Steuerrechts 42 - und Auslegung 42 f. Leistungsfähigkeit - und Auslegung 43 - und Ideal verein 253 Leistungsfähigkeitsprinzip - Konkretisierung des 135, 220 ff. sachlich-generische 227 und Auslegung 136 und beschränkte Steuerpflicht 236 ff. - und Doppelbesteuerungsabkommen 240 - und Einkommen 222 und Gewerbesteuer 225 f. und grenzüberschreitende Gesellschaft 277 f f , 311 ff. und indirekte Steuern 226 ff. - und Inhaltsleere 134 ff. - und Objektsteuer 225 und Rechtsfähigkeit 222 f. - und Rechtsform 187 ff. - und Sachgerechtigkeit 137, 222 ff. und Sozialstaatsprinzip 135
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und Staatsgedanken 226 und Systemgerechtigkeit 221, 229 ff. und Territorialitätsprinzip 239 - und Umsatzsteuer 226 f. und Vermögen 222 f. und Vermögenssonderung 251 ff. - und Welteinkommensprinzip 239 - und Willkürverbot 134 lex causae - Begriff 205 - und Qualifikation 205,217 lex fori - Begriff 205 und Doppelbesteuerungsabkommen
111
-
und grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft 269 und OECD-Musterabkommen 111 und Qualifikation 205, 210, 216 f.
Mantelkauf 186 f. Methode, teleologische 41 Mitunternehmer - Begriff 148 ff. und Arbeitnehmer 149 - und Darlehensgeber 149 und Erbengemeinschaft 150, 158 - und Gesellschaftsverhältnis 148 ff. - und Gütergemeinschaft 150, 158 und Personengesellschaft 148 ff. - und Unternehmerinitiative 160 ff. und Unternehmerrisiko 160 ff. Mitunternehmerschaft - faktische 150, 152 f. und Ideal verein 253 - und oHG-Vertrag 95 und partiarisches Vertrags Verhältnis 154 - und Publikums-KG 192 Nichtanerkennung - und Gesellschaftstyp 94 ff. Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit 117 und direkte Steuern 117 und Diskriminierungsverbot 118
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trtverzeichnis
und Steuerrecht 121 f. Normzweck 41 Oberleitung, geschäftliche 49 ff. und Basisgesellschaft 54 f. und beherrschender Gesellschafter 53 und Organgesellschaft 53 f. Objektsteuer 225, 227, 236 OECD-Musterabkommen und Auslegung 111 und Doppelbesteuerung 109 ff. und Geschäftsleitung 48 und Territorialitätsprinzip 109 ff. Person, juristische - als Realität 230 als Sondervermögen 230 als Steuersubjekt 139 als Wirkungseinheit 230 und Mitgliedschaft 233 und Steuersubjekteigenschaft 234 f. und Vertretung 231 Personengesellschaft als Gewinnermittlungssubjekt 144 f f , 170 Begriff im Steuerrecht 147 f f , 170 f. und Einheitsbetrachtung 145 f. und Mitunternehmer 147 ff. und Steuersubjekteigenschaft 142 ff. und Überschußeinkünfte 163 ff. Personengesellschaft, vermögensverwaltende 163 ff. und § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 164 ff. - und § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG 163, 167 ff. Personenvereinigungen, nichtrechtsfähige - als Steuersubjekt 139,186, 208, 211 f. Präzedenz 31, 37 Prävalenz des Zivilrechts 31, 37, 285, 290 Privatrecht, Internationales - Begriff 24 f.
und Europarecht 24 und grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft 269 f. und Qualifikation ausländischer Gesellschaften 208, 243 ff. und Völkerrecht 24 Publikumsgesellschaft - Begriff 190 - als Grenzfall 190 f f , 258 und Körperschaftsteuerpflicht 191 f f , 260 und Mitunternehmereigenschaft 192 und Qualifikation 296 ff. und Verwaltungssitzverlegung 90 Qualifikation - Begriff 201 ff. nach ausländischem Steuerrecht 204 nach ausländischem Zivilrecht 203 f. nach deutschem Steuerrecht 204 f. - und IPR 202 - und IStR 202 Realsteuer 225, 227 Rechtsfähigkeit und ausländische Kapitalgesellschaft 203, 208 f. und Finanzwissenschaft 228 und Körperschaftsteuer 175 f f , 180, 182 f , 187 und Leistungsfähigkeit 222 f , 227 und Organisation 259 f. und Qualifikation 311, 321 ff. und Systemgerechtigkeit 276 ff. und Vermögensverselbständigung 181 f , 255 und Vorgesellschaft 329 ff. Rechtsform als Qualifikationskriterium 290 ff. Rechtsnatur ausländischer Gesellschaften als Qualifikationskriterium 212 Richtlinien der EU Bindungswirkung 113 und Umsetzung 113
Stichwortverzeichnis Satzungssitz - im AktG 55 ff. - im GmbHG 57 f. und Sitztheorie 58 Schiedsverfahren-Konvention 114 Schlußbesteuerung 303 f f , 309, 317 f , 328 Schnittstellenfunktion - von § 3 Abs. 1 KStG 257 ff. Sitz Begriff im Steuerrecht 46 ff. Begriff im Zivilrecht 55 ff. Scheinsitz 48 und Doppelbesteuerungsabkommen 48 und Qualifikation 315 ff. Sitztheorie - Begriff 75 f. und Anerkennung 75 und bilaterale Staatsverträge 93 und Fusionsrichtlinie 115 und grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft 271, 307 ff. und Konsequenzen 77 f f , 80 f f , 88 f f , 94 ff. und Nationalstaatsgedanken 76 und Steuerrecht 266 Sozialstaatsprinzip 135 Spaltung, grenzüberschreitende 115 Staatsverträge, bilaterale - und Qualifikation 300 f. und Verwaltungssitzverlegung 92 f. Steuer, indirekte und Leistungsfähigkeit 226 ff. Steuerharmonisierung und direkte Steuern 116 und Europarecht 114 ff. und indirekte Steuern 114 Steuerpflicht beschränkte 236 ff. konkurrierende 140 Steuerrecht, Internationales - Begriff 28 Steuersubjekteigenschaft und Vermögenssonderung 251 ff. von Personengesellschaften 142 ff. Stiftung als Steuersubjekt 139
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Struktur, körperschaftliche und Körperschaftsteuer 180, 183, 253 f , 260 - und Verein 95, 253 f. System - Begriff 23 und Gleichheitsprinzip 23, 130 ff. und Leistungsfähigkeitsprinzip 134 ff. Systemgerechtigkeit 229 ff. und Rechtsfähigkeit 276 ff. und Typenvergleich 240 ff. Teilsteuersubjektfähigkeit 142 ff. Territorial itätsprinzip Rechtscharakter 107 und Doppelbesteuerung 109 f. und Leistungsfähigkeit 239 und Qualifikation 294 - und Völkerrecht 107 ff. Totalitätsprinzip 108 Typenvergleich und ausländische Gesellschaft 213 f , 216 f , 235 ff. und grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft 265, 268, 277 f f , 284, 286, 290 ff., 296 ff., 315, 326 ff. und Systemgerechtigkeit 240 ff. Umwandlung, formwechselnde und Verwaltungssitzverlegung 87, 90 Universalitätsprinzip 108 Unternehmen - als Steuersubjekt 138, 177 und Umsatzsteuer 228 Unternehmenssteuer 177, 185 Unternehmerinitiative 160 ff. Unternehmerrisiko 160 ff. Venezuela-Urteil 205 ff. Verein und typologische Unterscheidung 94 ff. Verein, Ideal- 250 ff. und Mitunternehmerschaft 252 f.
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trtverzeichnis
und Rechtsformzwang 256 Verein, nichtrechtsfähiger - Begriff 247 ff. Qualifikation als 335 ff. - und Körperschaftsteuer 182, 186, 251 ff. - und Schnittstelle 257 ff. und Vermögenssonderung 250 und Zwitterstellung 252 Verein, rechtsfähiger - Begriff 246 f. Vergleichskriterium und Gleichheitsprinzip 127 ff. Vergleichsobjekt - Bestimmung des 280 ff. und Gründungsrecht 281 ff. Verhältnis IPR und IStR 44 ff. Struktur 45 und staatstheoretisches Grundverständnis 45 f. Verhältnis Steuer- und Privatrecht 29 ff. Rechtsprechung des BFH 32 ff. Rechtsprechung des BVerfG 30 ff. Vermögen und Leistungsfähigkeit 222 f , 242 Vermögensmasse als Steuersubjekt 139, 208, 246 ff. Vermögenssonderung als zentrales Anknüpfungsmerkmal 254 f. der juristischen Person 230 und nichtrechtsfähiger Verein 250 - und Rechtsfähigkeit 255 und Steuersubjektfähigkeit 251 ff. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 176 Vertrauensschutz und Verwaltungssitzverlegung 86 Vertretungsmacht bei Gesellschaften 101 ff. - bei Vereinen 101 Verwaltungssitz - Begriff 59 ff. und Beurteilungsperspektive 287 ff. und Geschäftsleitung 64 ff. und Grundgesetz 289 und Sitztheorie 62 f.
Verwaltungssitzverlegung zivilrechtliche Konsequenzen 82 f f Völkergewohnheitsrecht 106 f. Völkerrecht - Quellen 105 ff. - und Art. 25 GG 105 ff. und Besteuerung von Ausländern
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und Doppelbesteuerung 105 ff. und Territorialitätsprinzip 107 ff. und Welteinkommensprinzip 108 Vorgesellschaft Körperschaftsteuerpflicht der 197 ff. - Rechtsnatur 195 f. und grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft 329 ff. und Identitätsthese 198 f. - und Sitztheorie 78 und Verwaltungssitzverlegung 88, 96 Vorgründungsgesellschaft - Körperschaftsteuerpflicht der 197 - Rechtsnatur 195 f. Welteinkommensprinzip und Leistungsfähigkeitsprinzip 239 und Qualifikation 294 - und Völkerrecht 108 Wettbewerbsgerechtigkeit - als Auslegungskriterium 209, 211 Wettbewerbsneutralität - und Gleichheitssatz 293 - und Qualifikation 293 ff. Wille, historischer 41, 181 Willkürverbot 124, 126 ff. und Leistungsfähigkeitsprinzip 134 Wohnsitz 47 objektivierter 41 Wortsinn 41 f. Zirkel, hermeneutischer 176 Zweck im Steuerrecht 41 ff. Zweckvermögen als Steuersubjekt 139 und Körperschaftsteuer 180 f. Zweigniederlassung 79