Die Einhegung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit [1 ed.] 9783161617256, 9783161619014, 3161617258

Die EU-Kommission stellte 2015 einen neuen Ansatz für ein Verfahren zur Investor-Staat-Streitbeilegung vor, der auch im

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German Pages [562] Year 2023

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Problemaufriss
B. Das Untersuchungsziel und die strukturelle Herangehensweise
Exkurs: das Auslegungsstatut
C. Der gegenwärtige Stand der Rechtssetzung
1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs
A. Das Rechtsstaatsprinzip
I. Der Begriff des Rechtsstaatsprinzips auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland
1. Die Rechtssicherheit als konkretisierter Aspekt des Rechtsstaatsprinzips
2. Die Unabhängigkeit neutraler Richter als Kern des Rechtsstaatsprinzips
a) Die Unabhängigkeit des Richters im staatlichen Gerichtsverfahren
aa) Die persönliche Unabhängigkeit des Richters
bb) Die sachliche Unabhängigkeit des Richters
cc) Das richterliche Neutralitätsgebot
dd) Der gesetzliche Richter gemäß Art. 101 (2) S. 2 GG
ee) Der Ausschluss und die Ablehnung des Richters bei mangelnder Gewährleistung des Neutralitätsgebotes und der Unabhängigkeit
ff) Die institutionelle Unabhängigkeit
(1) Die demokratische Rückkoppelung und Legitimation der Rechtsprechung
(2) Die Unterbindung des Einflusses der Exekutive und Legislative auf den Richter nach seiner Ernennung
b) Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern
aa) § 1034 (2) ZPO: Das Übergewicht einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts
bb) § 1036 (1) ZPO: Die Offenlegungspflicht von möglichen Ablehnungsgründen
cc) § 1036 (2) ZPO: Die Ablehnung des Schiedsrichters
dd) § 1037 ZPO: Das Verfahren zur Ablehnung des Schiedsrichters
c) Zwischenergebnis
II. Der Begriff der rule of law mit der Konkretisierung auf die Aspekte der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter
1. Die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekte der rule of law im internationalen Völkerrecht
2. Der Begriff der rule of law auf der Ebene der EU mit der Konkretisierung auf die Aspekte der Rechtssicherheit und Unabhängigkeit neutraler Richter
a) Der Grundsatz der Rechtssicherheit als Teil der Unionsrechtsordnung
b) Das Recht auf eine unabhängige Gerichtsbarkeit
aa) Die Unabhängigkeit des Gerichts
bb) Die Unparteilichkeit des Gerichts
c) Zwischenergebnis
3. Die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekte der rule of law im internationalen Investitionsschutzrecht
III. Zwischenergebnis
B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung
I. Der Regelungsgegenstand im internationalen Investitionsschutzrecht
II. Die Regelungsinstrumente des internationalen Investitionsschutzrechts
1. Investitionsschutzversicherungen
2. Materielle Regelungsinstrumente zum Investitionsschutz
a) Völkergewohnheitsrecht
b) Völkerrechtliches Soft Law
c) Völkervertragsrecht in der Form von Investitionsschutzabkommen
aa) Bilaterale und multilaterale Investitionsschutzabkommen und ihre materiellen Investitionsschutzregelungen
bb) Die materiellen Regeln zum Bestandsschutz getätigter Investitionen nach dem CETA
(1) Der Grundsatz gerechter und billiger Behandlung nach Art. 8.10 CETA
(2) Der Anspruch auf vollen Schutz und Sicherheit nach Art. 8.10 CETA
(3) Das Recht auf Entschädigung für Verluste durch besondere Umstände nach Art. 8.11 CETA
(4) Das Verbot entschädigungsloser Enteignungen und enteignungsgleicher Maßnahmen nach Art. 8.12 CETA
cc) Gesamtwürdigung
d) EXKURS: Abschluss und Inkrafttreten von Investitionsschutzabkommen
aa) Abschluss und Inkrafttreten des CETAs auf der Ebene der Europäischen Union
bb) Das Verhältnis von Investitionsschutzabkommen und innerstaatlichem Recht
e) Investitionsschutz durch Investitionsverträge zwischen dem Gastgeberstaat und dem ausländischen Investor
f) Investitionsschutz durch Investitionsschutzgesetze des Gastgeberstaates
3. Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen
a) Investor-Staat-Streitbeilegung vor nationalen Gerichten
b) Geltendmachung von Rechtsverletzungen über den diplomatischen Schutz
c) Staat-Staat-Streitbeilegung durch die Regierungen der Streitparteien
d) Investor-Staat-Streitbeilegung vor Schiedsgerichten
aa) Die Durchsetzung der Schiedssprüche nach dem New York Übereinkommen von 1958 und dem ICSID-Übereinkommen von 1965
bb) Eine vergleichende Übersicht zur Durchsetzung von Schiedssprüchen nach dem New York Übereinkommen und dem ICSID-Übereinkommen
C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips
I. Die Herleitung des Bewertungsmaßstabs anhand der deutschen Rechtsordnung
II. Die Herleitung des Bewertungsmaßstabs anhand des Unionsrechts
III. Die Anwendung des Bewertungsmaßstabs zur Untersuchung der Rechtsprechung nach dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA
IV. Zwischenergebnis: Der angewandte Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung
2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen
A. Das ICSID-Übereinkommen von 1965
I. Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit als Standardmodell der Investor- Staat-Schiedsgerichtsbarkeit
II. Die Entstehungsgeschichte des ICSID-Übereinkommens und der Aufbau des ICSID-Zentrums in Washington DC
III. Ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit anstelle eines ständigen Tribunals zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten
B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSIDSchiedsgericht
I. Die Verfahrensregeln im ICSID-Schiedsverfahren
II. Das anwendbare materielle Investitionsschutzrecht im ICSIDSchiedsverfahren
III. Die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts
1. Die Zuständigkeit ratio voluntas
a) Die Zuweisung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit durch Völkerrechtsverträge
b) Die Zuweisung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit über nationale Gesetze
c) Die Einigung zwischen Investor und Gastgeberstaat, sich der Gerichtsbarkeit eines ICSID-Schiedsgerichts zu unterwerfen
d) Der Umfang der Einwilligung
2. Die Zuständigkeitsvoraussetzungen ratio personae
a) Der Gastgeberstaat
b) Der ausländische private Investor
3. Die Zuständigkeit ratio materiae
a) Der Begriff der ausländischen Direktinvestition
b) Der Investitionsbegriff nach Art. 25 (1) ICSID
aa) Das Vorliegen eines Rechtsstreits
bb) Die Rechtsnatur des Streitgegenstandes
cc) Der Streitgegenstand muss sich direkt aus einer Investition herleiten
dd) Die Investition
ee) Der Salini-Test als restriktive Interpretation des in Art 25 ICSID Übrk. geregelten Investitionsbegriffs
4. Besondere zusätzliche Zuständigkeitsvoraussetzungen zur ICSIDSchiedsgerichtsbarkeit
a) Die Erweiterung der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts durch Klauseln in Investitionsschutzverträgen
aa) Meistbegünstigungsklauseln
bb) Regenschirmklauseln
b) Die Einschränkung der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts durch Klauseln in Investitionsschutzverträgen
aa) Verhandlungsfristen
bb) Gabelungsklauseln
5. Die Auswirkungen der Zuständigkeitsbegründung des ICSIDSchiedsgerichts
6. EXKURS: Die Additional Facility Rules
IV. Die Entscheidungskompetenzen und Aufgaben des ICSID-Schiedsgerichts
V. Die Zusammensetzung des ICSID-Schiedsgerichts
1. Die Bestellung der Schiedsrichter nach den Vorgaben im ICSIDÜbereinkommen
2. Die Qualifikation der Schiedsrichter
a) Sprache
b) Nationalität
c) Ausbildung und Erfahrung
d) Interview möglicher Schiedsrichter
3. Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der ICSID-Schiedsrichter
a) Die Unparteilichkeit
b) Die Unabhängigkeit
c) Die Offenlegungspflicht möglicher Ablehnungsgründe des Schiedsrichters
4. Die Bestimmung von Interessenkonflikten oder anderen Umständen, die zur Befangenheit des Schiedsrichters führen können
a) Beziehung zu einer der Parteien
b) Gegenläufige Vorbefassung einer ähnlichen Rechtsfrage
5. Die Ablehnung von ICSID-Schiedsrichtern
VI. Der Erlass eines ICSID-Schiedsspruchs und seine relative Bindungswirkung zwischen den Streitparteien
VII. Die Durchsetzung des ICSID-Schiedsspruchs mithilfe nationaler Gerichte
VIII. Die Überprüfung des ICSID-Schiedsspruchs durch ein internes Aufhebungsverfahren
1. Die fehlerhafte Zusammensetzung des Schiedsgerichts
2. Die offensichtliche Überschreitung der zugewiesenen Entscheidungskompetenzen
3. Die Bestechung eines Mitglieds des Schiedsgerichts
4. Die schwerwiegende Abweichung von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift
5. Die fehlende Begründung des Schiedsspruchs
6. Die Rechtsfolgen der Entscheidung des ad hoc-Aufhebungsausschusses
7. Die vier Generationen an Entscheidungen von ICSID-Aufhebungsverfahren in praxi
C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen
I. Die Schiedsrichter können keinen ausreichenden Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten
1. Parteiische oder unparteiische Schiedsrichter? Der umstrittene Maßstab an die Höhe der zu gewährleistenden Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter
2. Die Unvereinbarkeit der Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter mit dem unmittelbaren Einfluss der Streitparteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts
3. Die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter durch die Praxis, Schiedsrichter als Anwälte und Anwälte als Schiedsrichter zuzulassen
4. Gesamtwürdigung
II. Die Zweifel an der Legitimität des Schiedsverfahrens, des Ergebnisses und seiner strukturellen Merkmale
1. Die fehlende Rechtssicherheit bei der Entscheidungsfindung der ICSID-Schiedsgerichte
2. Der zunehmende Exzess bei den Kosten und der Dauer von Schiedsverfahren
3. Das Verfolgen eigener und keiner öffentlichen Interessen des ICSID-Zentrums
4. Die fehlende Transparenz im Schiedsverfahren und der Entscheidungsfindung
5. Die beschränkte Überprüfungskompetenz der Aufhebungsausschüsse nach Art. 52 ICSID Übrk. und deren widersprüchliche sowie uneinheitliche Rechtsprechung
III. Gesamtwürdigung: Der Status Quo der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Bewertungsmaßstab und die Herausforderung durch die EU
1. Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Bewertungsmaßstab
2. Die Herausforderung durch die EU
3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA
A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts am Maßstab des unionsrechtlichen Gerichtsbegriffs
I. Die Begrifflichkeit des CETA-Gerichts im CETA-Vertragstext
II. Der Aufbau des CETA-Gerichts
1. Ein dauerhaft eingerichtetes Gericht
2. Durch Gesetz errichtet
3. Zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dienend
4. Die Anwendung von Rechtsnormen bei der Entscheidungsfindung
5. Die öffentliche Zugänglichkeit des Verfahrens
6. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des CETA-Gerichts
III. Zwischenergebnis
B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs zur Vereinbarkeit der Regelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels mit der Unionsrechtsordnung
I. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts
II. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung
III. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Gebot der Wirksamkeit des EU-Wettbewerbsrechts
IV. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht
V. Zwischenergebnis
C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht
I. Die Einhegung der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit institutionellen Mechanismen zur Staatskontrolle
1. Die völkerrechtliche Erlaubnis der staatlichen Kontrolle der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung
2. Die Einsetzung des Gemischten CETA-Ausschusses sowie des Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen als Hüter des Investitionsschutzes unter dem CETA
II. Das nach dem CETA-Investitionsschutzkapitel anzuwendende Recht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten
1. Die Überlagerung bestehender Investitionsschutzabkommen durch das CETA-Investitionsschutzkapitel als lex posterior
a) Die vertragsrechtliche Beziehung des CETA-Investitionsschutzkapitels zu bestehenden internationalen Investitionsschutzabkommen
b) Die Durchsetzung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens sowie des New York Übereinkommens von 1958
aa) Die Vollstreckung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts erster Instanz
(1) Nach dem ICSID-Übereinkommen
(2) Nach dem New York Übereinkommen von 1958
bb) Die Vollstreckung von Urteilssprüchen der Rechtsbehelfsinstanz des CETA-Gerichts
(1) Nach dem ICSID-Übereinkommen
(2) Nach dem New York Übereinkommen
cc) Zwischenergebnis
dd) Exkurs: Die Durchsetzung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts in praxi
2. Die Verfahrensregeln des CETA-Investitionsschutzkapitels
a) Die von den Parteien im Rahmen ihrer Parteiautonomie gewählten und anzuwendenden Verfahrensregeln
b) Die zwingend anzuwendenden Verfahrensregelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels als Rahmenregelungen für die parteigewählten Regelungen
aa) Eine Verfahrensfrist von 24 Monaten zur zeitnahen Verfahrensdurchführung
bb) Die Möglichkeit des CETA-Gerichts durch amicus curiae unbeteiligten Personen zu gestatten, zu wichtigen Fragen im Rechtsstreit Stellung zu nehmen
cc) Die unterlegene Partei trägt gemäß dem cost follow the event-Grundsatz die Kosten des Verfahrens
dd) Die Möglichkeit einer Mediation zur Förderung einer kostengünstigen und einvernehmlichen Streitbeilegung
ee) Die Öffentlichkeit des Verfahrens durch ein zwingendes Transparenzsystem
ff) Die zügige Abweisungsmöglichkeit des CETA-Gerichts von zweifelhaften oder sogar missbräuchlichen Klagen
gg) Die Offenlegungspflicht der Prozessfinanzierung durch Dritte zur Vermeidung widerstreitender Interessen
hh) Die Verbindung mehrerer Verfahren zur Vermeidung von widersprüchlichen Entscheidungen in Parallelverfahren
ii) Die Kontrolle der CETA-Vertragsparteien über die anwendbaren Verfahrensregeln durch die Möglichkeit, diese zu ergänzen oder zu ändern
jj) Zwischenergebnis
c) Die begrenzte Entscheidungskompetenz des CETA-Gerichts zur Entkopplung von Rechtsprechung und Politik
3. Die Maßstabsweite durch die materiellen Investitionsschutzregelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels als Kompetenzgrenze des CETA-Gerichts
a) Die gesetzten Vorgaben des CETA-Investitionsschutzkapitels als Maßstab für den Verfahrensgegenstand
b) Der Bestandsschutz getätigter Investitionen vor rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen
c) Die Ausnahmevorschriften zum Schutz des gesetzgeberischen Handlungsspielraums
d) Die mögliche Haftungseinschränkung und -erweiterung der CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETAAusschuss
e) Gesamtwürdigung
III. Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts
1. Die Zuständigkeit ratio voluntas
2. Die Zuständigkeit ratio personae
a) Der ausländische private Investor als Kläger
b) Kanada, die EU oder ein EU-Mitgliedstaat als Beklagter
aa) Ein Verfahren zur Feststellung des Beklagten bei Streitigkeiten mit der Europäischen Union oder ihren Mitgliedstaaten
bb) Problemstellungen, die beim Feststellungsverfahren des Beklagten bei Streitigkeiten mit der EU oder ihren Mitgliedstaaten entstehen können
3. Die Zuständigkeit ratio materiae
a) Der CETA-Investitionsbegriff als Vermögenswerte jeder Art
b) Die Begrenzung des CETA-Investitionsbegriffs durch Negativbestimmungen
aa) Die Erforderlichkeit der niedergelassenen Geschäftstätigkeit
bb) Die Abgrenzung von anderweitigen Wirtschaftsbeziehungen
cc) Der Ausschluss von Investitionen die unter die Vorgaben des Investment Canada Act fallen
4. Die besonderen Zuständigkeitsvoraussetzungen des CETA-Gerichts
a) Die Pflicht zu Konsultationen zwischen den Streitparteien vor der Einreichung einer Klage
b) Das Verbot von Parallelverfahren – a fork in the road
5. Die verfahrensrechtlichen Auswirkungen der Zuständigkeitsbegründung des CETA-Gerichts
6. Zwischenergebnis
IV. Die Vorgaben des CETAs an die Verwaltung und Rechtsprechung seines Gerichts
1. Das System der Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder
a) Die demokratische Legitimation der CETA-Gerichtsmitglieder durch die Ernennung des Gemischten CETA-Ausschusses
b) Die Zusammensetzung des CETA-Gerichts und die Bildung seiner Kammern
c) Der Einfluss des Gemischten CETA-Ausschusses auf die Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder als Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
2. Eine überwiegende Selbstverwaltung des CETA-Gerichts
3. Die Qualifikation der CETA-Gerichtsmitglieder
a) Eine vorgegebene unterschiedliche Nationalität der CETA-Gerichtsmitglieder
b) Die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Qualifikation oder ein Jurist von anerkannt hervorragender Befähigung sowie Fachwissen auf dem Gebiet des Völkerrechts
c) Die ständige Verfügbarkeit der CETA-Gerichtsmitglieder
4. Die Ethikregeln zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder
a) Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETAGerichtsmitglieder
b) Die Einhaltung der Vorgaben der IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
aa) Die allgemeinen Grundsätze zur Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Offenlegungspflicht von Befangenheitsgründen
bb) Die praktische Anwendung der allgemeinen Grundsätze
(1) Die unverzichtbare rote Liste
(2) Die verzichtbare rote Liste
(3) Die orange Liste
(4) Die grüne Liste
cc) Gesamtwürdigung
c) Der CETA-Verhaltenskodex für Gerichtsmitglieder und Mediatoren
d) Das Verbot des double hatting als Inkompatibilitätsregel für die Gerichtsmitglieder
e) Die Ablehnung und der Ausschluss von CETA-Gerichtsmitgliedern bei Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
f) Zwischenergebnis
5. Die sachlich-inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts
a) Die Implementierung der Bindung an das anzuwendende Recht im Einzelfall durch die Einrichtung der CETA-Rechtsbehelfsinstanz
aa) Der Instanzenzug als beschränkte rechtsprechungsinterne Überprüfungsmöglichkeit
bb) Die Aufhebungs-, Änderungs- und Bestätigungsgründe eines Urteilsspruchs des CETA-Gerichts nach Art. 8.28 (2) CETA
(1) Fehler bei der Anwendung oder Auslegung des Investitionsschutzrechts
(2) Offensichtliche Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts
(3) Ein Verfahrensverstoß nach den in Art. 52 (1) ICSID Übrk. genannten Gründen
(4) Die Möglichkeit der Kombination von Aufhebungsgründen
(5) Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen Teiloder Zwischenurteile des CETA-Gerichts
cc) Die personellen und verwaltungstechnischen Vorgaben an die Rechtsbehelfsinstanz
(1) Die Festlegung der administrativen und organisatorischen Verwaltung der Rechtsbehelfsinstanz durch den Gemischten CETA-Ausschuss
(2) Die Bestellung der Mitglieder der CETA-Rechtsbehelfsinstanz durch den Gemischten CETA-Ausschuss
(3) Die Zusammensetzung der CETA-Rechtsbehelfsinstanz und die Bildung ihrer Kammern
(4) Die Anforderungen an Qualifikation und Ethik der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz
dd) Gesamtwürdigung
b) Der Gemischte CETA-Ausschuss als Mechanismus repräsentativer Vertragsauslegung zur inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts
aa) Die institutionelle Verkoppelung der Rechtsprechung mit einem legislativen Mechanismus in anderen Rechtssystemen
bb) Die Annahme einer verbindlichen Auslegung des CETA-Investitionsschutzrechts durch den Gemischten CETA-Ausschuss
(1) Bei „ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen“
(2) „Ab einem bestimmten Zeitpunkt“
cc) Die Verbesserung der Rechtssicherheit durch die Vorhersehbarkeit der Durchsetzung der Investitionsschutzregelungen des CETAs
dd) Der Einfluss der CETA-Vertragsparteien auf die unabhängige Rechtsanwendung und Rechtsfindung der CETA-Gerichtsmitglieder
(1) Die Gefahr der gelenkten Unabhängigkeit durch die Möglichkeit der verbindlichen Auslegung des Vertrags durch den Gemischten CETA-Ausschuss
(2) Die Gefahr der Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren durch die Sonderrolle des beklagten Gastgeberstaates als Vertrags- und Prozesspartei
ee) Gesamtwürdigung
c) Die Allgemeinheit als informaler Mechanismus zur sachlichinhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts
V. Gesamtwürdigung: Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETAs unter dem Bewertungsmaßstab
Ergebnis der Untersuchung
A. Zusammenfassung und Thesen
B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA und dem ICSID-Übereinkommen
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Die Einhegung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit [1 ed.]
 9783161617256, 9783161619014, 3161617258

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 195 herausgegeben von

Rolf Stürner

Robert Bähr

Die Einhegung der InvestorStaat-Schiedsgerichtsbarkeit

Mohr Siebeck

Robert Bähr, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hannover; 2016 Erstes Juristisches Staatsexamen; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivilprozessrecht (IPA) der Universität Hannover; Rechtsreferendariat im Bezirk des OLG Celle; seit 2021 Rechtsanwalt in Hannover; 2022 Promotion.

ISBN  978-3-16-161725-6 / eISBN  978-3-16-161901-4 DOI  10.1628/978-3-16-161901-4 ISSN  0722-7574 / eISSN  2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Für Maike

Vorwort Die Juristische Fakultät der Leibniz Universität Hannover hat diese Arbeit am 9. Februar 2022 als Dissertation angenommen. Die Rechtsprechung befindet sich auf dem Stand von Ende Februar und die Literatur von Anfang September 2022. Das erste Mal habe ich mich bewusst durch das Studium mit der Zeitschrift Nr.  6 aus 2016 der Juve Rechtsmarkt mit dem Thema der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit auseinandergesetzt. Die Ausgabe bietet einen exklusiven Einblick in die Reformbedürftigkeit der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit und der Erforderlichkeit alternativer internationaler Streitbeilegungsverfahren aus der Perspektive der Praxis und der Wissenschaft. Damals durch das TTIP und heute aufgrund der höchstwahrscheinlich bevorstehenden und vollumfänglichen Ra­ tifizierung des CETAs durch alle Vertragsparteien ist der in beiden Freihandelsabkommen geregelte Investitionsschutz in die massive Kritik der Öffentlichkeit geraten. Da beide Freihandelsabkommen ausschließlich Industriestaaten der ersten Welt als Vertragsparteien vorsehen, war sogar die Erforderlichkeit eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens für ausländische Investoren als Schutz vor staatlichen Maßnahmen in Frage gestellt. Durch die aktuelle politische Situation dürfte sich diese Frage jedoch erübrigen. Denn neben der Tatsache, dass die meisten Länder heute autokratisch geführt werden, erfahren Europa und die USA einen Rechtsruck, der zu einer verstärkten Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Investoren führen dürfte. Ein effektiver Schutz ausländischer Investitionen gegen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Gastgeberstaates kann daher nur durch eine entpolitisierte Streitbeilegung gewährleistet werden, wofür sich das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht anbieten würde. Für meinen Doktorvater, Herrn Professor Dr. Christian Wolf, empfinde ich für all die Inspiration und Unterstützung bei der Erstellung meiner Dissertation große Dankbarkeit. Seine Bereitschaft mit mir zu jeder Zeit über das Thema zu diskutieren und die dadurch gewonnenen Ideen haben meine Arbeit sehr bereichert. Herzlichen Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Christian Heinze für die Erstellung des Zweitgutachtens. Zudem danke ich Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Rolf Stürner für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“.

VIII

Vorwort

Mein besonderer Dank gilt auch Nassim Eslami, Nadja Flegler und Sven Hasen­stab für die fachliche und persönliche Unterstützung bei der Erstellung dieser Arbeit. Bei Luisa Volkhausen, Simon Künnen, Konrad Thibaut, Stefan Dalmer und René Sattelmaier möchte ich mich für die unermüdliche Zusprache zur Fertigstellung meiner Dissertation bedanken, auf die ich mich gerne gestützt habe. Mein besonderer Dank gilt Dagmar Feig und meiner Schwester für das mühsame Korrekturlesen. Vor allem danke ich meinen Eltern für die immerwährende Unterstützung und die politischen Diskussionen sowie Maike, die mich bei der Erstellung der Arbeit bedingungslos unterstützte und ohne die diese Dissertation nicht entstanden wäre. Hannover, im September 2022

Robert Bähr

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Das Untersuchungsziel und die strukturelle Herangehensweise . .

10

C. Der gegenwärtige Stand der Rechtssetzung . . . . . . . . . . . . .

16

1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

A. Das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung . .

70

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 A. Das ICSID-Übereinkommen von 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . 142 B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . 225

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA . . 265 A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts am Maßstab des unionsrechtlichen Gerichtsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

X

Inhaltsübersicht

B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs zur Vereinbarkeit der Regelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels mit der Unionsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 A. Zusammenfassung und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA und dem ICSID-Übereinkommen . . . 486 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Das Untersuchungsziel und die strukturelle Herangehensweise . . . .

10

Exkurs: das Auslegungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

C. Der gegenwärtige Stand der Rechtssetzung . . . . . . . . . . . . . . . .

16

1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

A. Das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

I.

Der Begriff des Rechtsstaatsprinzips auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtssicherheit als konkretisierter Aspekt des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Unabhängigkeit neutraler Richter als Kern des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Unabhängigkeit des Richters im staatlichen Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die persönliche Unabhängigkeit des Richters . . . . . . . . bb) Die sachliche Unabhängigkeit des Richters . . . . . . . . . cc) Das richterliche Neutralitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . dd) Der gesetzliche Richter gemäß Art.  101 (2) S.  2 GG . . . . ee) Der Ausschluss und die Ablehnung des Richters bei mangelnder Gewährleistung des Neutralitätsgebotes und der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die institutionelle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . (1) Die demokratische Rückkoppelung und Legitimation der Rechtsprechung . . . . . . . . . . .

27 29 32 34 35 36 37 38 40 41 41

XII

Inhaltsverzeichnis

(2) Die Unterbindung des Einflusses der Exekutive und Legislative auf den Richter nach seiner Ernennung . . b) Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern . aa) §  1034 (2) ZPO: Das Übergewicht einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . bb) §  1036 (1) ZPO: Die Offenlegungspflicht von möglichen Ablehnungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §  1036 (2) ZPO: Die Ablehnung des Schiedsrichters . . . . dd) §  1037 ZPO: Das Verfahren zur Ablehnung des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.

III.

Der Begriff der rule of law mit der Konkretisierung auf die Aspekte der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter . . . . 1. Die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekte der rule of law im internationalen Völkerrecht . . . . . 2. Der Begriff der rule of law auf der Ebene der EU mit der Konkretisierung auf die Aspekte der Rechtssicherheit und Unabhängigkeit neutraler Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Grundsatz der Rechtssicherheit als Teil der Unionsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Recht auf eine unabhängige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . aa) Die Unabhängigkeit des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Unparteilichkeit des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekte der rule of law im internationalen Investitionsschutzrecht .

43 44 47 47 50 51 52 53 55 57 60 62 63 65 66 68

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung . . . . .

70

I.

Der Regelungsgegenstand im internationalen Investitionsschutzrecht .

72

II.

Die Regelungsinstrumente des internationalen Investitionsschutzrechts 1. Investitionsschutzversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Regelungsinstrumente zum Investitionsschutz . . . . . . a) Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Völkerrechtliches Soft Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Völkervertragsrecht in der Form von Investitionsschutzabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bilaterale und multilaterale Investitionsschutzabkommen und ihre materiellen Investitionsschutzregelungen . . . . . bb) Die materiellen Regeln zum Bestandsschutz getätigter Investitionen nach dem CETA . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Grundsatz gerechter und billiger Behandlung nach Art.  8.10 CETA . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Anspruch auf vollen Schutz und Sicherheit nach Art.  8.10 CETA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73 74 76 77 80 80 80 85 90 92

Inhaltsverzeichnis

(3) Das Recht auf Entschädigung für Verluste durch besondere Umstände nach Art.  8.11 CETA . . . . . . . (4) Das Verbot entschädigungsloser Enteignungen und ent­ eignungsgleicher Maßnahmen nach Art.  8.12 CETA . . cc) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) EXKURS: Abschluss und Inkrafttreten von Investitionsschutzabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abschluss und Inkrafttreten des CETAs auf der Ebene der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Verhältnis von Investitionsschutzabkommen und innerstaatlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Investitionsschutz durch Investitionsverträge zwischen dem Gastgeberstaat und dem ausländischen Investor . . . . . . . . . f) Investitionsschutz durch Investitionsschutzgesetze des Gastgeberstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen . . . . . . . . . . . . a) Investor-Staat-Streitbeilegung vor nationalen Gerichten . . . . . b) Geltendmachung von Rechtsverletzungen über den diplomatischen Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staat-Staat-Streitbeilegung durch die Regierungen der Streitparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Investor-Staat-Streitbeilegung vor Schiedsgerichten . . . . . . . aa) Die Durchsetzung der Schiedssprüche nach dem New York Übereinkommen von 1958 und dem ICSID-Übereinkommen von 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eine vergleichende Übersicht zur Durchsetzung von Schiedssprüchen nach dem New York Übereinkommen und dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . .

XIII 93 94 98 101 104 106 107 109 111 111 114 115 116 119 122

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I.

Die Herleitung des Bewertungsmaßstabs anhand der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

II.

Die Herleitung des Bewertungsmaßstabs anhand des Unionsrechts . .

132

III.

Die Anwendung des Bewertungsmaßstabs zur Untersuchung der Rechtsprechung nach dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA . .

135

IV.

Zwischenergebnis: Der angewandte Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 A. Das ICSID-Übereinkommen von 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I.

Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit als Standardmodell der InvestorStaat-Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

XIV

Inhaltsverzeichnis

II.

Die Entstehungsgeschichte des ICSID-Übereinkommens und der Aufbau des ICSID-Zentrums in Washington DC . . . . . . . . . . . .

143

III.

Ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit anstelle eines ständigen Tribunals zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . .

146

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSIDSchiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I.

Die Verfahrensregeln im ICSID-Schiedsverfahren . . . . . . . . . . .

149

II.

Das anwendbare materielle Investitionsschutzrecht im ICSIDSchiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150

III.

Die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zuständigkeit ratio voluntas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Zuweisung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit durch Völkerrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zuweisung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit über nationale Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Einigung zwischen Investor und Gastgeberstaat, sich der Gerichtsbarkeit eines ICSID-Schiedsgerichts zu unterwerfen . . d) Der Umfang der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zuständigkeitsvoraussetzungen ratio personae . . . . . . . . . a) Der Gastgeberstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der ausländische private Investor . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zuständigkeit ratio materiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff der ausländischen Direktinvestition . . . . . . . . . b) Der Investitionsbegriff nach Art.  25 (1) ICSID . . . . . . . . . . aa) Das Vorliegen eines Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Rechtsnatur des Streitgegenstandes . . . . . . . . . . . cc) Der Streitgegenstand muss sich direkt aus einer Investition herleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Salini-Test als restriktive Interpretation des in Art.  25 ICSID Übrk. geregelten Investitionsbegriffs . . . . . . . . 4. Besondere zusätzliche Zuständigkeitsvoraussetzungen zur ICSIDSchiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Erweiterung der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts durch Klauseln in Investitionsschutzverträgen . . . . . . . . . . aa) Meistbegünstigungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regenschirmklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Einschränkung der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts durch Klauseln in Investitionsschutzverträgen . . . . . aa) Verhandlungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gabelungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Auswirkungen der Zuständigkeitsbegründung des ICSIDSchiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. EXKURS: Die Additional Facility Rules . . . . . . . . . . . . . .

152 153 154 156 156 157 159 160 161 165 168 171 171 172 172 173 175 176 177 177 178 180 180 181 182 183

Inhaltsverzeichnis

IV.

Die Entscheidungskompetenzen und Aufgaben des ICSID-Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V.

Die Zusammensetzung des ICSID-Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . 1. Die Bestellung der Schiedsrichter nach den Vorgaben im ICSIDÜbereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Qualifikation der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausbildung und Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Interview möglicher Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der ICSID-Schiedsrichter a) Die Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Offenlegungspflicht möglicher Ablehnungsgründe des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Bestimmung von Interessenkonflikten oder anderen Umständen, die zur Befangenheit des Schiedsrichters führen können . . a) Beziehung zu einer der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenläufige Vorbefassung einer ähnlichen Rechtsfrage . . . . 5. Die Ablehnung von ICSID-Schiedsrichtern . . . . . . . . . . . . .

XV 184 186 186 188 190 191 192 192 193 195 196 197 199 200 201 202

VI. Der Erlass eines ICSID-Schiedsspruchs und seine relative Bindungswirkung zwischen den Streitparteien . . . . . . . . . . . . .

208

VII. Die Durchsetzung des ICSID-Schiedsspruchs mithilfe nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

VIII. Die Überprüfung des ICSID-Schiedsspruchs durch ein internes Aufhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die fehlerhafte Zusammensetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . 2. Die offensichtliche Überschreitung der zugewiesenen Entscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bestechung eines Mitglieds des Schiedsgerichts . . . . . . . . 4. Die schwerwiegende Abweichung von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die fehlende Begründung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . 6. Die Rechtsfolgen der Entscheidung des ad hoc-Aufhebungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die vier Generationen an Entscheidungen von ICSID-Aufhebungsverfahren in praxi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

211 216 217 219 219 220 222 223

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I.

Die Schiedsrichter können keinen ausreichenden Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten . . . . . . . . . . 1. Parteiische oder unparteiische Schiedsrichter? Der umstrittene Maßstab an die Höhe der zu gewährleistenden Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 228

XVI

Inhaltsverzeichnis

2. Die Unvereinbarkeit der Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter mit dem unmittelbaren Einfluss der Streitparteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter durch die Praxis, Schiedsrichter als Anwälte und Anwälte als Schiedsrichter zuzulassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.

III.

Die Zweifel an der Legitimität des Schiedsverfahrens, des Ergebnisses und seiner strukturellen Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die fehlende Rechtssicherheit bei der Entscheidungsfindung der ICSID-Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der zunehmende Exzess bei den Kosten und der Dauer von Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verfolgen eigener und keiner öffentlichen Interessen des ICSID-Zentrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die fehlende Transparenz im Schiedsverfahren und der Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die beschränkte Überprüfungskompetenz der Aufhebungsausschüsse nach Art.  52 ICSID Übrk. und deren widersprüchliche sowie uneinheitliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtwürdigung: Der Status Quo der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Bewertungsmaßstab und die Herausforderung durch die EU 1. Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Bewertungsmaßstab . 2. Die Herausforderung durch die EU . . . . . . . . . . . . . . . . .

233 240 244 247 248 250 251 252 254 259 259 262

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA . . 265 A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts am Maßstab des unionsrechtlichen Gerichtsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I.

Die Begrifflichkeit des CETA-Gerichts im CETA-Vertragstext . . . . .

269

II.

Der Aufbau des CETA-Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ein dauerhaft eingerichtetes Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durch Gesetz errichtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dienend . . . . . . . . . . 4. Die Anwendung von Rechtsnormen bei der Entscheidungsfindung . 5. Die öffentliche Zugänglichkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . 6. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des CETA-Gerichts . . .

270 271 272 272 272 273 273

III.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275

B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs zur Vereinbarkeit der Regelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels mit der Unionsrechtsordnung . 277 I.

Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . .

279

II.

Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . .

282

Inhaltsverzeichnis

XVII

III.

Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Gebot der Wirksamkeit des EU-Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . .

283

IV.

Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht . . . . . . . . . . .

283

V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht 285 I.

II.

Die Einhegung der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit institutionellen Mechanismen zur Staatskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die völkerrechtliche Erlaubnis der staatlichen Kontrolle der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . 2. Die Einsetzung des Gemischten CETA-Ausschusses sowie des Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen als Hüter des Investitionsschutzes unter dem CETA . . . . . . . . . . . . . . . . Das nach dem CETA-Investitionsschutzkapitel anzuwendende Recht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Überlagerung bestehender Investitionsschutzabkommen durch das CETA-Investitionsschutzkapitel als lex posterior . . . . . . . . a) Die vertragsrechtliche Beziehung des CETA-Investitionsschutzkapitels zu bestehenden internationalen Investitionsschutzabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Durchsetzung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens sowie des New York Übereinkommens von 1958 . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Vollstreckung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts erster Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nach dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . (2) Nach dem New York Übereinkommen von 1958 . . . bb) Die Vollstreckung von Urteilssprüchen der Rechtsbehelfsinstanz des CETA-Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nach dem ICSID-Übereinkommen . . . . . . . . . . . (2) Nach dem New York Übereinkommen . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Exkurs: Die Durchsetzung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts in praxi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verfahrensregeln des CETA-Investitionsschutzkapitels . . . . . a) Die von den Parteien im Rahmen ihrer Parteiautonomie gewählten und anzuwendenden Verfahrensregeln . . . . . . . . b) Die zwingend anzuwendenden Verfahrensregelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels als Rahmenregelungen für die parteigewählten Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eine Verfahrensfrist von 24 Monaten zur zeitnahen Verfahrensdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Möglichkeit des CETA-Gerichts durch amicus curiae unbeteiligten Personen zu gestatten, zu wichtigen Fragen im Rechtsstreit Stellung zu nehmen . . . . . . . . . . . . .

287 288 290 293 295 296 299 301 301 302 307 307 310 311 313 314 315 317 317 320

XVIII

Inhaltsverzeichnis

cc) Die unterlegene Partei trägt gemäß dem cost follow the event-Grundsatz die Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . dd) Die Möglichkeit einer Mediation zur Förderung einer kostengünstigen und einvernehmlichen Streitbeilegung . . ee) Die Öffentlichkeit des Verfahrens durch ein zwingendes Transparenzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die zügige Abweisungsmöglichkeit des CETA-Gerichts von zweifelhaften oder sogar missbräuchlichen Klagen . . gg) Die Offenlegungspflicht der Prozessfinanzierung durch Dritte zur Vermeidung widerstreitender Interessen . . . . . hh) Die Verbindung mehrerer Verfahren zur Vermeidung von widersprüchlichen Entscheidungen in Parallelverfahren . . ii) Die Kontrolle der CETA-Vertragsparteien über die anwendbaren Verfahrensregeln durch die Möglichkeit, diese zu ergänzen oder zu ändern . . . . . . . . . . . . . . jj) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die begrenzte Entscheidungskompetenz des CETA-Gerichts zur Entkopplung von Rechtsprechung und Politik . . . . . . . . 3. Die Maßstabsweite durch die materiellen Investitionsschutzregelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels als Kompetenzgrenze des CETA-Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die gesetzten Vorgaben des CETA-Investitionsschutzkapitels als Maßstab für den Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . b) Der Bestandsschutz getätigter Investitionen vor rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Ausnahmevorschriften zum Schutz des gesetzgeberischen Handlungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die mögliche Haftungseinschränkung und -erweiterung der CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETAAusschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.

Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zuständigkeit ratio voluntas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zuständigkeit ratio personae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der ausländische private Investor als Kläger . . . . . . . . . . . b) Kanada, die EU oder ein EU-Mitgliedstaat als Beklagter . . . . aa) Ein Verfahren zur Feststellung des Beklagten bei Streitigkeiten mit der Europäischen Union oder ihren Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Problemstellungen, die beim Feststellungsverfahren des Beklagten bei Streitigkeiten mit der EU oder ihren Mitgliedstaaten entstehen können . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zuständigkeit ratio materiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der CETA-Investitionsbegriff als Vermögenswerte jeder Art . . b) Die Begrenzung des CETA-Investitionsbegriffs durch Negativbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321 322 322 326 329 331 333 337 339 343 344 346 347 349 350 351 354 356 356 358 359 362 364 364 367

Inhaltsverzeichnis

aa) Die Erforderlichkeit der niedergelassenen Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Abgrenzung von anderweitigen Wirtschaftsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Ausschluss von Investitionen die unter die Vorgaben des Investment Canada Act fallen . . . . . . . . . . . . . . 4. Die besonderen Zuständigkeitsvoraussetzungen des CETA-Gerichts a) Die Pflicht zu Konsultationen zwischen den Streitparteien vor der Einreichung einer Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verbot von Parallelverfahren – a fork in the road . . . . . . 5. Die verfahrensrechtlichen Auswirkungen der Zuständigkeitsbegründung des CETA-Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.

Die Vorgaben des CETAs an die Verwaltung und Rechtsprechung seines Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das System der Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder . . . . . a) Die demokratische Legitimation der CETA-Gerichtsmitglieder durch die Ernennung des Gemischten CETA-Ausschusses . . . b) Die Zusammensetzung des CETA-Gerichts und die Bildung seiner Kammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Einfluss des Gemischten CETA-Ausschusses auf die Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder als Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eine überwiegende Selbstverwaltung des CETA-Gerichts . . . . . 3. Die Qualifikation der CETA-Gerichtsmitglieder . . . . . . . . . . . a) Eine vorgegebene unterschiedliche Nationalität der CETA-Gerichtsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Qualifikation oder ein Jurist von anerkannt hervorragender Befähigung sowie Fachwissen auf dem Gebiet des Völkerrechts . . . . . . . c) Die ständige Verfügbarkeit der CETA-Gerichtsmitglieder . . . . 4. Die Ethikregeln zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder . . . . . . . . . . . a) Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETAGerichtsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Einhaltung der Vorgaben der IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . aa) Die allgemeinen Grundsätze zur Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Offenlegungspflicht von Befangenheitsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die praktische Anwendung der allgemeinen Grundsätze . . (1) Die unverzichtbare rote Liste . . . . . . . . . . . . . . (2) Die verzichtbare rote Liste . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die orange Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die grüne Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX 367 367 368 369 369 374 377 378 380 382 382 384 388 390 392 393 394 396 401 402 404 408 410 411 412 413 414 414

XX

Inhaltsverzeichnis

c) Der CETA-Verhaltenskodex für Gerichtsmitglieder und Mediatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Verbot des double hatting als Inkompatibilitätsregel für die Gerichtsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Ablehnung und der Ausschluss von CETA-Gerichtsmitgliedern bei Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die sachlich-inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Implementierung der Bindung an das anzuwendende Recht im Einzelfall durch die Einrichtung der CETA-Rechtsbehelfsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Instanzenzug als beschränkte rechtsprechungsinterne Überprüfungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Aufhebungs-, Änderungs- und Bestätigungsgründe eines Urteilsspruchs des CETA-Gerichts nach Art.  8.28 (2) CETA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehler bei der Anwendung oder Auslegung des Investitionsschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Offensichtliche Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ein Verfahrensverstoß nach den in Art.  52 (1) ICSID Übrk. genannten Gründen . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Möglichkeit der Kombination von Aufhebungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen Teiloder Zwischenurteile des CETA-Gerichts . . . . . . . cc) Die personellen und verwaltungstechnischen Vorgaben an die Rechtsbehelfsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Festlegung der administrativen und organisatorischen Verwaltung der Rechtsbehelfsinstanz durch den Gemischten CETA-Ausschuss . . . . . . . . . . . (2) Die Bestellung der Mitglieder der CETA-Rechtsbehelfsinstanz durch den Gemischten CETA-Ausschuss . . . (3) Die Zusammensetzung der CETA-Rechtsbehelfsinstanz und die Bildung ihrer Kammern . . . . . . . . (4) Die Anforderungen an Qualifikation und Ethik der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz . . . . . . . . . . dd) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Gemischte CETA-Ausschuss als Mechanismus repräsentativer Vertragsauslegung zur inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts . . . . . . . . . . . . . aa) Die institutionelle Verkoppelung der Rechtsprechung mit einem legislativen Mechanismus in anderen Rechtssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

418 422 424 428 431 433 435 436 437 439 441 441 441 442 443 444 444 445 447 449 450

Inhaltsverzeichnis

bb) Die Annahme einer verbindlichen Auslegung des CETA-Investitionsschutzrechts durch den Gemischten CETA-Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bei „ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Ab einem bestimmten Zeitpunkt“ . . . . . . . . . . . cc) Die Verbesserung der Rechtssicherheit durch die Vorhersehbarkeit der Durchsetzung der Investitionsschutzregelungen des CETAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Einfluss der CETA-Vertragsparteien auf die unabhängige Rechtsanwendung und Rechtsfindung der CETA-Gerichtsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Gefahr der gelenkten Unabhängigkeit durch die Möglichkeit der verbindlichen Auslegung des Vertrags durch den Gemischten CETA-Ausschuss . . . . . . . . (2) Die Gefahr der Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren durch die Sonderrolle des beklagten Gastgeberstaates als Vertrags- und Prozesspartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Allgemeinheit als informaler Mechanismus zur sachlichinhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts . V.

Gesamtwürdigung: Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETAs unter dem Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

452 452 453 456 457 459

461 467 469 470

Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 A. Zusammenfassung und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA und dem ICSID-Übereinkommen . . . . . 486 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533

Abkürzungsverzeichnis ABA AEUV AJCL AJIL A. J. Int’l L. Am. U. Int’l L. Rev. AnwBl. Arb. Int’l ARIA ARB Arb. L. Rev. ASA ASEAN AUILR AdV AWD BCLP Beil. Berkeley J. of Int’l L. Bd BMWi BMZ BYIL CAAJ Cali. L. Rev. Cambr. J. of Int’l   and Com. L. Cambr. L. J. Canada Bus. L. J. CCPA CEPMLP CETA Ch. Chi. J. Int’l L. CIEL CIGI CLJ CMLR Col. FDI Pers.

Arbitration Bar Association Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union American Journal of Comparative Law American Journal of International Law American Journal of International Law American University International Law Review Anwaltsblatt Arbitration International The American Review of International Arbitration Arbitration Arbitration Law Review Association Suisse de l’Arbitrage Association of Southeast Asian Nations American University International Law Review Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebs Beraters Bryan Cave Leighton Paisner Beilage Berkeley Journal of International Law Band Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit The British Yearbook of International Law Contemporary Asia Arbitration Journal California Law Review Cambridge Journal of International and Comparative Law Cambridge Law Journal Canada Business Law Journal Canadian Centre for Policy Alternatives Centre for Energy, Petroleum and Mineral Law and Policy Comprehensive Economic and Trade Agreement Chapter Chicago Journal of International Law Center for International Environmental Law Centre for International Governance Innovation The Cambridge Law Journal Common Market Law Review Columbia Foreign Direct Investment Perspectives

XXIV Col. J. Trans’l L. Contemp. Asia Arb. J. COM Disp. Res. Int’l Disp. Res. J. DÖV DRiZ DSU Duke L. J. ECT ECJ Edg. EG EGMR EJIL ELTE EML EMRK EPIL EPRS EU EuGRZ EUR EUV EuZW FET FG FILJ FLR Florida J. of Int’l L. Fordham ILJ Frd.I.L.J. FS FTA FTC GAR GG GRCh Harv. Int’l L. J. HdWW HStR IAI IBA ICC ICCA ICJ ICLQ

Abkürzungsverzeichnis Columbia Journal of Transnational Law Contemporary Asia Arbitration Journal European Commission Dispute Resolution International Dispute Resolution Journal Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Dispute Settlement Understanding Duke Law Journal Energy Charter Treaty European Court of Justice Endgültig Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte European Journal of International Law Eötvös Loránd University Emory Law Journal Europäische Menschenrechtskonvention Max Planck Encyclopedia of Public International Law European Parliamentary Research Service Europäische Union Europäische Grundrechte Zeitung Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Fair and Equitable Treatment Festgabe Foreign Investment Law Journal Fordham Law Review Florida Journal of International Law Fordham International Law Journal Fordham International Law Journal Festschrift Free Trade Agreement Free Trade Commission Global Arbitration Review Grundgesetz Charta der Grundrechte der Europäischen Union Harvard International Law Journal Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland International Arbitration Institute International Bar Association International Chamber of Commerce International Council for Commercial Arbitration International Court of Justice The International and Comparative Law Quarterly

Abkürzungsverzeichnis ICSID ICTSD IIC IILJ IISD ILC ILM ILR ILSA J. of Int’l   & Comp. L. IMF Intl. Arb. L. Rev. Int’l J. of Cr.   And Dem. Theo. IJLS IPS ISDS JAPP J. of Int’l Arb. J. Pub. L. JIEL JIDS JöR JRE JWIT JZ Kap KOM KSzW LCIA Loy. L.A. Int’l.   & Comp. L. Rev. LPIB LPICT LTO MPEPIL NAFTA NGW NJW Nw. J. Int’l L. & Bus. NYLR NYU JILP OECD OHLJ OLS RdC RIW

XXV

International Convention on the Settlement of Disputes between ­States and Nationals of other States International Centre for Trade and Sustainable Development International Investment Court Institute for International Law and Justice International Institute for Sustainable Development International Law Commission International Legal Materials International Law Review ILSA Journal of International and Comparative Law International Monetary Fund International Arbitration Law Review International Journal of Critical and Democratic Theory Irish Journal of Legal Studies Institute for Policy Studies Investor-State-Dispute-Settlement The Journal of Appellate Practice and Process Journal of International Arbitration Journal of Public Law Journal of International Economic Law Journal of International Dispute Settlement Jahrbuch des öffentlichen Rechts Jahrbuch für Recht und Ethik The Journal of World Investment and Trade Juristenzeitung Kapitel Europäische Kommission Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht London Chamber of International Arbitration Loyola L.A. International and Comparative Law Review Law and Policy in International Business The Law and Practice of International Courts and Tribunals Legal Tribune Online The Max Planck Encyclopedia of Public International Law North American Free Trade Agreement Netzwerk Gerechter Welthandel Neue Juristische Zeitung Northwestern Journal of International Law & Business New York Law Review New York University Journal of International Law and Politics Organisation for Economic Cooperation and Development Osgoode Hall Law Journal Osgoode Legal Studies Recueil de Cours Recht der Internationalen Wirtschaft

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

Rn Randnummer Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger RPS Recht und Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit SCC Stockholm Chamber of Commerce SchiedsVZ Schiedsverzeichnis SDLR San Diego Law Review SIAR Stockholm International Arbitration Review SJILC Syracuse Journal of International Law and Commerce SJZ Süddeutsche Juristen Zeitung St. Rsp. Stätige Rechtsprechung Suffolk Transnat’l. L.J. Suffolk Transnational Law Journal SZ Süddeutsche Zeitung TDM Transnational Dispute Management Tex. Int’l L. J. Texas International Law Journal The Rev. of Litig. The Review of Litigation TLW Trade Law and Development Übrk. Übereinkommen UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development U. of Penn. J. of University of Pennsylvania Journal of International Economic Law   Int’l E. L. USMCA Untided States Mexico Canada Agreement U. Penn. J. Int’l L. University of Pennsylvania Journal of Internaitonal Law Vanderbilt J. of Vanderbilt Journal of Transnational Law   Trans’tl Law Virginia J. of Int’l L. Virginia Journal of International Law VJTL Vanderbilt Journal of Transnational Law VVDStRL Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtler WTA World Trade Agenda WTO World Trade Organisation WVK Wiener Vertragsrechts Konvention YBCL Yearbook of Commercial Arbitration YBILC Yearbook of the International Law Commission YJIL Yale Journal of International Law YLJ The Yale Law Journal ZaörV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung A. Problemaufriss Unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips (the rule of law) hat Hersch Lauter­ pacht, einer der bedeutendsten Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts1, in seinem Buch „The Function of Law in the International Community“ die These aufgestellt, dass internationale Gerichte und Schiedsgerichte sowie deren Richter2 die wichtigsten Institutionen des Völkerrechts seien. Lauterpacht war ein überzeugter Verfechter der bindenden und obligatorischen, völkerrechtlichen Streitbeilegung und sah in der internationalen Gerichtsbarkeit die Grundlage für die Existenz einer internationalen Gemeinschaft unter der rule of law3. Die Richter eines internationalen Gerichtshofes würden die Durchsetzung des Willens der internationalen Gemeinschaft in der Form des Völkerrechts gewährleisten. Nach Lauterpacht sei es die Aufgabe der Richter, dieses Völkerrecht fortzuentwickeln, seine Lücken zu schließen und Gerechtigkeitsdefizite durch Auslegung zu beheben.4 Neutral und nur der völkerrechtlichen Ordnung verpflichtet, sollen die Richter als Teil der internationalen Justiz über den Interessenkonflikten wirtschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen stehen sowie gegenüber diesen verschiedenen Interessen unvoreingenommen bleiben.5 Eine Anforderung, die ihren Ausdruck in dem Begriff der Unabhängigkeit neu­ traler Richter findet (the impartiality of neutral judges6). Das internationale, materielle Investitionsschutzrecht, das als Ausdruck des Willens der internationalen Gemeinschaft verstanden werden soll, findet sich vor allem in bilateralen Investitionsschutzabkommen (BITs) und in multilateralen 1  Siehe hierzu grundlegend Koskenniemi, The Function of Law in the International Community: 75 Years After, in: BYIL, Bd.  79 (1) (2008), S.  353, 354 ff. 2  Im Folgenden werden keine geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen verwendet. Sofern möglich, werden geschlechtsneutrale Bezeichnungen bevorzugt. Andernfalls schließt die gewählte männliche Form eine adäquate weibliche gleichberechtigt ein. 3  Siehe hierzu Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  1 ff. 4  Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  240. 5  Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  240 f. 6  Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  232 f., 240 f.

2

Einleitung

oder regionalen Übereinkommen, wie dem Dominican Republic-Central America Free Trade Agreement (DR-CAFTA), dem Energy Charter Treaty (ECT), dem NAFTA (welches durch das UMSCA abgelöst wird) und anderen. Die internationale Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit basiert überwiegend auf bestimmten Schiedsklauseln in diesen Übereinkommen – am häufigsten auf den bislang weltweit über 3.300 abgeschlossenen BITs.7 Der Ursprung solcher völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen wird im Allgemeinen auf den Abschluss des deutsch-pakistanischen-BIT zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen vom 25. November 1959 zurückgeführt.8 Dieses Übereinkommen begründete allerdings noch keine Klagebefugnis des ausländischen Investors gegen den Gastgeberstaat und war noch vollkommen vom Rechtsinstitut des diplomatischen Schutzes geprägt, welches sich aus vier Merkmalen zusammensetzt: (1) einen Völkerrechtsverstoß; (2) der sich gegen einen Angehörigen (beispielsweise den Investor) des schutzgewährenden Staates (Gastgeberstaat) richtet; (3) die Konsumtion des Anspruchs des geschädigten Staatsangehörigen mit dem völkerrechtlichen Anspruch seines Heimatstaates (Mediatisierung des Einzelnen im Völkerrecht); und (4) die Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe im Gastgeberstaat durch den geschädigten Staatsangehörigen.9 Beim Vorliegen dieser Merkmale waren die jeweiligen Vertragsstaaten im Rahmen des diplomatischen Schutzes dazu berechtigt, entweder durch Konsultationen die Anrufung des internationalen Gerichtshofs in Den Haag oder durch die Einsetzung eines Staat-Staat-Schiedsgerichts die Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des jeweiligen Investitionsschutzabkommens zu klären. Von zentraler Bedeutung war insoweit der Schutz vor entschädigungsloser Enteignung und der freie Kapitalverkehr der erzielten Erträge und Liquidationserlöse aus dem durch die Investition begünstigten Gastgeberstaat.10 Diesen Rahmen des diplomatischen Schutzes haben die BITs mittlerweile verlassen. Die heutige Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit basiert auf dem von Aron Broches, dem damaligen Generalsekretär der Weltbank, entwickelten 7  UNCTAD stellt eine umfassende Datenbank über die vielen internationalen Investitionsschutzabkommen zur Verfügung, siehe online unter: https://investmentpolicy.unctad/org/inter national-investment-agreements (zuletzt abgerufen am 24.05.2022). 8  BGBl. II 1961, S.  793 ff. Siehe hierzu auch Kern, Schiedsgericht und Generalklausel, 2017, S.  15. 9  Art.  11 des deutsch-pakistanischen Abkommens zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen vom 25. November 1959, BGBl. II 1961, S.  793; Vgl. auch Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 255. 10  Art.  3 (2) und Art.  4 des deutsch-pakistanischen Abkommens zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen vom 25. November 1959, BGBl. II 1961, S.  793.

A. Problemaufriss

3

Grund­satz „procedure before substance“11. „The first step was to establish procedures for dispute settlement, and substantive law would follow in the praxis of applying the law“12. Anstatt in den BITs detaillierte Regelungen zum internationalen Investitionsschutz bereitzustellen, sollen ausländische Investoren die Möglichkeit haben, den Gastgeberstaat auf völkerrechtlicher Ebene vor einem internationalen Schiedsgericht in der Form der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit direkt zu verklagen. Während es Unterschiede zwischen den verschiedenen internationalen Investitionsschutzabkommen gibt, beinhaltet das vorherrschende Investor-Staat-Streitbeilegungsmodell die folgenden vier Elemente zur Überprüfung von Maßnahmen des Gastgeberstaates: – Ein ausländischer Investor kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Klage direkt gegen den Gastgeberstaat erheben; – die Streitigkeit wird von einem ad hoc-Schiedsgericht entschieden, das für jeden Einzelfall neu konstituiert wird; – der klagende, ausländische Investor und der beklagte Gastgeberstaat können jeweils einen Schiedsrichter ernennen und sich an der Auswahl des vorsitzenden Schiedsrichters beteiligen; und – das privatrechtlich organisierte Schiedsgericht wird dazu befugt, in jedem Einzelfall das Investitionsschutzrecht rechtsschöpfend anzuwenden, auszulegen und zu entwickeln.13 In den heutigen Investor-Staat-Schiedsverfahren beziehen sich die klagenden, ausländischen Investoren auf den Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung (fair and equitable treatment) sowie das Verbot der entschädigungslosen, indirekten Enteignung (indirect expropriation) und nicht auf die eindeutigen Ansprüche des Verbots der Verstaatlichung oder der entschädigungslosen direkten Enteignung.14 Die Klagen der ausländischen Investoren stellen dabei immer öfter 11 

Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  9. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  9, fast alle Fragen des völkerrechtlichen Investitionsschutzes bei Enteignungen waren in der Vergangenheit streitig. Es war unklar, ob ausländische Investoren den Schutz eines eigenen internationalen Standards genießen oder nur wie Inländer zu behandeln sind, was überhaupt eine Enteignung darstellt und wie eine Entschädigung berechnet werden sollte. In der UN-Generalversammlung versuchten Staatenvertreter in den 1960er Jahren vergebens, diesbezüglich zu einem Konsens zu gelangen. Vor diesem Hintergrund propagierte Aron Broches, der damalige General Counsel der Weltbank, die Formel „procedure before substance“. Siehe hierzu auch von Bogdandy/Venzke, Zur Herrschaft internationaler Gerichte, in: ZaöRV, Bd.  70 (2010), S.  1, 4. 13  Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  232 ff. und 278 ff. 14  Siehe hierzu Langford/Behn, Managing Backlash: The Evolving Investment Treaty Arbitrator?, in: EJIL, Bd.  29 (2) (2018), S.  551 ff. 12 

4

Einleitung

die Regulierungsmaßnahmen der Staaten in Bezug auf Umwelt-, Energie-, Gesundheits-, Privatisierungs-, Subventions-, Steuer-, Bewirtschaftungs- und Nutzungspolitiken sowie Reaktionen auf Wirtschaftskrisen in Frage.15 Die potenziell weitreichenden politischen, finanziellen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen von Investitionsschiedsgerichtsurteilen auf die Regierungsführung und das öffentliche Interesse einiger Staaten, machen die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit anfällig für Kritik und Zweifel an ihrer Legitimität und Funktionalität.16 Wichtige Angelegenheiten von öffentlichem Interesse, wie die mit dem Recht der Staaten zusammenhängende Aufgabe, die wirtschaftlichen Tätigkeiten in einer Weise zu regeln, die mit ihren innerstaatlichen Verpflichtungen gegenüber ihren Bürgern vereinbar ist, können im Widerspruch zu den Vorstellungen der ausländischen Investoren stehen, welche Behandlung ihnen vom Gastgeberstaat geschuldet wird. Die Konsequenz dieser Entwicklung für die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit lässt sich durch die folgende Passage eines Memorandums der russischen Delegation zur ersten Haager Friedenskonferenz Anfang des 20. Jahrhunderts finden: „In introducing international arbitration into the international life of States, we must proceed with extreme care in order not to extend unreasonably its sphere of application so as to shake the confidence which may be inspired therein, or discredit arbitration in the eyes of Governments and people.“17

Exemplarisch für den Vertrauensverlust der Öffentlichkeit und vieler Staaten in das System der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit sowie dessen Verruf ist das ICSID-Schiedsverfahren zwischen dem französischen Konzern Compagnie Générale des Eaux und seiner argentinischen Tochtergesellschaft Compania de 15  Siehe hierzu Langford/Behn, Managing Backlash: The Evolving Investment Treaty Arbitrator?, in: EJIL, Bd.  29 (2) (2018), S.  551–580, die eine Diskussion darüber führen, wie umstrittene Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeitsfälle zum Teil den Legitimationsdiskurs der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit vorangetrieben und direkte Reaktionen der Staaten hervorgerufen haben. Beispiele dafür sind die große Zahl von Klagen gegen Venezuela, Bolivien und Ecuador, nachdem diese Verstaatlichungsgesetze verabschiedet hatten, was zur Kündigung des ICSID-Übereinkommens und vieler BITs führte; Siehe auch Karl, Investor-State Dispute Settlement: A Government’s Dilemma, in: Columbia Center on Sustainable Development No.  92 (2013), online abrufbar unter: http://justinvestment.org/2013/02/investor-state-dispute-settlement-a-governments-dilemma/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 16 Vgl. von Bogdandy/Venzke, Zur Herrschaft internationaler Gerichte, in: ZaöRV, Bd.  70 (2010), S.  1, 4; Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747, 747 ff. 17  Erläuternder Hinweis zu Artikel 10 des russischen Entwurfs zur Abrüstung und der Entwicklung von Grundsätzen für die friedliche Regelung internationaler Konflikte, in: Scott, The Hague Conventions and Declarations of 1899 and 1907, S.  99.

A. Problemaufriss

5

Aguas del Aconquija S.A., gegen Argentinien.18 Die beiden Investoren machten Schadensersatzansprüche gegen Argentinien aus der Verletzung einer Lizenzvereinbarung über die Wasser- und Abwasserversorgung in der Provinz Tucumán geltend. Die Investoren waren der Meinung, dass sie durch politischen Druck der Provinzregierung in Tucumán zu einer Neuverhandlung der Versorgungslizenzen und einer Reduzierung der Gebühren für die Wasser- und Abwasserversorgung der Bevölkerung gezwungen wurden.19 Dagegen machte Argentinien geltend, dass ihre Provinz aufgrund der von den Investoren geschaffenen Lage dazu gezwungen war, Maßnahmen zu ergreifen, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit sauberem, gesundheitsunbedenklichem Trinkwasser gewährleisten zu können.20 Das ICSID-Schiedsgericht kam in diesem Verfahren zu dem Ergebnis, dass die Provinzregierung ihre regulatorische Macht gegenüber den Investoren missbraucht habe.21 Als Grundlage der Entscheidung diente dem Schiedsgericht die fair and equitable treatment-Klausel sowie die expropriation-Klausel (Verbot der entschädigungslosen direkten und indirekten Enteignung) des argentinisch-französischen BITs.22 Ein weiteres Beispiel liefert das ICSID-Schiedsverfahren des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Energy Charter Treaty.23 Vattenfall hatte von Deutschland Schadensersatzzahlungen sowie Zinsen als Ausgleichszahlungen für Umweltschutz-beschränkungen gefordert, die eines seiner Kohlekraftwerke am Elbufer betrafen.24 Diese wurden als zusätzliche Maßnahme zur Verbesserung der Wasserqualität in der Elbe erlassen und standen im Einklang mit den Auflagen der gesamten Industrie entlang der Elbe. Durch die neuen Regelungen sollte die 18  Siehe das ICSID-Schiedsverfahren Compagnie Générale des Eaux and Compania de Aguas del Aconquija S.A. vs Argentine Republic, Case No. ARB/97/3, Award, 20.08.2007. 19  Compagnie Générale des Eaux and Compania de Aguas del Aconquija S.A. vs Argentine Republic, Case No. ARB/97/3, Award, 20.08.2007, S.  24. 20 Vgl. Compagnie Générale des Eaux and Compania de Aguas del Aconquija S.A. vs Ar­ gentine Republic, Case No. ARB/97/3, Award, 20.08.2007, S.  29 ff. 21 Vgl. Compagnie Générale des Eaux and Compania de Aguas del Aconquija S.A. vs Ar­ gentine Republic, Case No. ARB/97/3, Award, 20.08.2007, S.  29 ff. 22  Art.  3 und 5 des argentinisch-französischen BIT, ratifiziert am 03.07.1991, approved Argentine Law No.  24.100, Boletin Oficial, 14.07.1992. 23  Siehe hierzu Vattenfall AB, Vattenfall Europe AG, Vattenfall Europe Generation AG vs Germany, ICSID Case No. ARB/09/6; Siehe hierzu auch Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, International Institute for Sustainable Development (2009), online abrufbar unter: https://www.iisd.org/pdf/2009/background_vattenfall_vs_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 24  Siehe hierzu Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, International Institute for Sustainable Development (2009), online abrufbar unter: https://www.iisd. org/pdf/2009/background_vattenfall_vs_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

6

Einleitung

EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllt werden, die alle EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis 2015 bestimmte Wasserqualitätsniveaus in Flüssen, Seen, Ästuarien, Küstengewässern und im Grundwasser sicherzustellen.25 Vattenfall wehrte sich jedoch gegen die Umweltschutzbeschränkungen und war der Ansicht, dass die Wasserverordnung die Anlage unpraktisch sowie unwirtschaftlich machen würde und über das hinausgeht, was ursprünglich vertraglich vereinbart worden sei.26 Obwohl es sich dabei im Grundsatz um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gehandelt hat, fand das Schiedsverfahren unter Geheimhaltung statt, so dass auch keine genauen Angaben zum Streitwert und den einzelnen Klagegründen von Vattenfall gemacht werden können. Der Fall wurde schließlich außergerichtlich beigelegt, nachdem Deutschland zugestimmt hatte, die Umweltstandards zu lockern.27 Die durch solche Fälle resultierende Zunahme der Intensität und Quantität der aktuellen Kritik an der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit führt dazu, dass deren gesamte Funktionsfähigkeit und Legitimität in Frage gestellt werden kann. Wie von Lauterpacht als notwendig erachtet, konkretisieren die Schiedsrichter in solchen Investor-Staat-Schiedsverfahren unbestimmte Rechtsbegriffe sowie Generalklauseln. Auf diese Weise setzen die Schiedsrichter, unterstützt von der Rechtswissenschaft, durch die gegebene Schlüsselrolle mit ihren Entscheidungen auf völkerrechtlicher Ebene neues Recht, füllen Rechtslücken und tragen maßgeblich zur Fortentwicklung des materiellen Investitionsschutzrechts bei.28 Entgegen Lauterpachts Postulat werden die Schiedsgerichte aber ad hoc eingesetzt und es gibt keine Rechtsbehelfsinstanz im Sinne einer Berufungs- oder Revisionsinstanz.29 In einem solchen System ist eine einheitliche und vorhersehbare, die Rechtssicherheit fördernde Rechtsentwicklung nicht möglich.30 Zudem 25 

Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, International Institute for Sustainable Development (2009), online abrufbar unter: https://www.iisd.org/pdf/2009/ background_vattenfall_vs_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 26 Vgl. Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, International Institute for Sustainable Development (2009), online abrufbar unter: https://www.iisd. org/ pdf/2009/background_vattenfall_vs_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 27 Vgl. Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, International Institute for Sustainable Development (2009), online abrufbar unter: https://www.iisd. org/ pdf/2009/background_vattenfall_vs_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 28  Commission, Precedent in Investment Treaty Arbitration: A Citation Analysis of a Developing Jurisprudence, in: J. Intl. Arb. Bd.  24 (2) (2007), S.  129, 129; Di Pietro, The Use of Precedents in ICSID Arbitration: Regularity. or Certainty?, in: Intl. Arb. L. Rev., Bd.  10 (3) (2007), S.  92, 96; Siehe auch Collins, ICSID Annulment Committee Appointments: Too Much Discretion for the Chairman?, in: J. Intl. Arb., Bd.  40 (4) (2013), S.  333, 340. 29  Vgl. hierzu nur die Schiedsordnungen der UNCITRAL, ICC, LCIA, SCC und des ICSIDÜber­einkommens oder die ISDS-Regelungen im neuen USMCA. 30  Siehe hierzu Feldmann, Investment Arbitration Appellate Mechanism Options: Consist-

A. Problemaufriss

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wird die demokratische Legitimation der Entscheidungen der Schiedsgerichte angezweifelt. Ein Schiedsgericht trifft in einem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren mitunter schwerwiegende politische Entscheidungen, obwohl ihr Handeln nicht in den Kontext einer funktionierenden Legislative eingebettet ist und sich das Recht so von der Politik, dem wichtigsten Mechanismus demokratischer Legitimation, abkoppelt.31 Nur unter erschwerten Bedingungen stehen Staaten „korrigierende“ nationale Maßnahmen im Sinne von neuer Rechtssetzung oder auch selektiver Nichtbeachtung zur Verfügung.32 Kontroverser wird allerdings das Risiko von Interessenkonflikten in der Person der Schiedsrichter diskutiert. Exemplarisch dafür ist der prominente und lebhafte Schlagabtausch zwischen Jan Paulsson, Gus Van Harten und Albert van den Berg, die sich für eine Reform des Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit aussprechen sowie Charles Brower und Charles Rosenberg, die den Status Quo vorzugsweise beibehalten möchten und der seinen Ausgangspunkt in der Auswahl der Schiedsrichter durch die Streitparteien findet.33 Insbesondere die Tatsache, dass ein und dieselbe Person in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren als Schiedsrichter und in einem anderen Verfahren als Parteivertreter tätig sein kann, wird von Robert Howse als „Perhaps one of the most egregious ethical lapses in the existing system of investment arbitration“ bezeichnet.34 Die Schiedsrichter der Investor-Staat-Schiedsszene, überwiegend Anwälte35, seien durch diese Praxis für ihn zu einer „small, self-referential, mutual backscratching cliency, Accuracy and Balance of Power, in: ICSID Review (2017), S.  528, 534; Posner/Yoo, Judicial Independence in International Tribunals, in: Cali. L. Rev. Bd.  93 (1) (2005) S.  1, 24; Siehe auch Park, Appellate Review in Investor State Arbitration: in: Kalicki/Joubin-Bret (Hrsg.), Reshaping the Investor-State Dispute Settlement System, S.  443, 444, die sich mit der „inconsistent interpretation among ICSID cases“ auseinandersetzt. 31  von Bogdandy/Venzke, Zur Herrschaft internationaler Gerichte, in: ZaöRV, Bd.  70 (2010), S.  1, 2. 32  von Bogdandy/Venzke, Zur Herrschaft internationaler Gerichte, in: ZaöRV, Bd.  70 (2010), S.  1, 22. 33  Siehe hierzu Van Harten, Perceived Bias in Investment Treaty Arbitration, in: Waibel (Hrsg.), The Backlash against Investment Arbitration, S.  433–453; Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ Bd.  25 (2) (2010), S.  339 ff.; Brow­ er/Rosenberg, The Death of the Two-Headed Nightingale: Why the Paulsson-van den Berg Presumption that Party-Appointed Arbitrators are Untrustworthy is Wrongheaded, in: Arb. Int’l Bd.  29 (1) (2013), S.  7 ff.; van den Berg, Charles Brower’s problem with 100 percent-dissenting opinions by party-appointed arbitrators in investment arbitration, in: Arb. Lntl. Bd.  31 (3) (2015), S.  1 ff.; Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fitfteen-Headed Hydra, in: Frd.I.L.J., Bd.  41. (4) (2018), S.  791 ff. 34  Howse, International Investment Law and Arbitration: A Conceptual Framework, in: IILJ Working Papers 2017/1, S.  64. 35 Siehe Chmielewski, Ziemlich festgefahren, in: Juve Rechtsmarkt 06/2016, S.  40, zum „Exklusiven Zirkel, die gefragtesten Schiedsrichter im Investitionsschutz“.

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Einleitung

que“ geworden.36 Angesichts der Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit ist der von Lauterpacht als wesentlich für die völkerrechtliche Streitentscheidung erachtete Anschein, der „impartiality of neutral judges“, schwer zu wahren. Es gibt aber durchaus auch gute Gründe, die für eine Notwendigkeit der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit sprechen. Zwei solcher Gründe stellen zum einen die „Jones-Day“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts37 und zum anderen die Entscheidung des EuGHs zum europäischen Haftbefehl38 aus Polen dar. Mit der Jones-Day-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt die Reichweite von Art.  19 (3) GG auf ausländische juristische Personen verdeutlicht. Für diese gelten grundsätzlich nicht die Grundrechte und deren Schutz.39 Zwar erstreckt sich der Grundrechtsschutz auf europäische juristische Personen40 und der verfahrensrechtliche Grundrechtsschutz erstreckt sich auch auf juristische Personen von außerhalb der europäischen Union.41 Der materielle Grundrechtsschutz bleibt den ausländischen juristischen Personen jedoch verwehrt, so dass diese sich beispielsweise nicht gegen hoheitliche Maßnahmen auf den Schutzbereich des Art.  14 GG berufen können.42 Als Folge steht dem ausländischen Investor nach deutschem Recht und innerhalb der Bundesrepublik im Vergleich zum inländischen Investor kein gleichwertiger Schutz seiner Investition zur Verfügung. Auch die Entscheidung des EuGHs zum europäischen Haftbefehl aus Polen liefert einen guten Grund für die Notwendigkeit der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit.43 Der EuGH hat in dieser Entscheidung bemerkt, dass die Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Schutz, insbesondere die Unabhängigkeit 36 

Howse, International Investment Law and Arbitration: A Conceptual Framework, in: IILJ Working Papers 2017/1, S.  64. Siehe auch die bemerkenswerte Rede von Thomas Bürgenthal, Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag und ein weiterer prominenter Kritiker dieser Praxis und der damit einhergehenden Beeinträchtigung der rule of law in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit: Bürgenthal, The proliferation of disputes, dispute settlement procedures and respect for the rule of law, in: Arb. Int’l, Bd.  22, No.  4 (2006), S.  495, 497. 37  BVerfG, Beschwerdeberechtigung ausländischer juristischer Personen – VW-DieselSkan­dal, in: NJW (2018), S.  2394, 2392–2394. 38  EuGH, Rs. C-216/18 PPU, Urt. v. 25.07.2018. 39  BVerfG, Beschluss vom 27.06.2018 – 2 BvR 1583/17 = NJW (2018), S.  2392, 2393. 40  BVerfG, Beschluss vom 19.07.2011 – 1 BvR 1916/09 = NJW (2011), S.  3428–3434. 41  BVerfG, Beschluss vom 27.06.2018 – 2 BvR 1287/17 = NJW (2018), S.  2392, 2393. 42 Siehe zum Investitionsschutz nach deutschem Verfassungsrecht: Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 46 ff.; Siehe hierzu auch Remmert, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetzkommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  19 (3) Rn.  88 ff. 43  EuGH, Rs. C-216/18 PPU, Urt. v. 25.07.2018.

A. Problemaufriss

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und Unparteilichkeit der nationalen Gerichte, nicht immer und nicht in allen Mitgliedstaaten der Union umfassend gewährleistet wird. Systemische Mängel in der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere in der verfahrensrechtlichen Integrität, sprechen für eine Notwendigkeit von entpolitisierter Streitbeilegung durch ein neutrales Forum. In diesem Sinne kann durch die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit einem Defizit der Rechtsstaatlichkeit im nationalen Justizsystem entgegengetreten werden.44 Unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips spricht deswegen auch vieles für die Notwendigkeit der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit – aber welche?45 „I want the rule of law, not the rule of lawyers“, schrieb die EU-Kommissarin Cecilia Malmström zutreffend im Mai 2015 in ihrem Blog, nachdem sie das Konzeptpapier „Investment in TTIP and beyond – the path for reform“ veröffentlicht hatte.46 Mit ihrer Sentenz der „rule of lawyers“ drückt Malmström den stark in die Kritik geratenen Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit aus. „I want the rule of law“ bezeichnet ihren bzw. den Wunsch der Europäischen Union nach der Etablierung eines reformierten Investor-Staat-Streitbeilegungssystems, wie es im Kapitel 8 Abschnitt F des CETAs (Investitionen) geregelt ist. Tatsächlich könnten die durch die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit Kanada geschaffenen und im CETA enthaltenen rechtlichen Ausgestaltungen eines Gerichts zur Investor-Staat-Streitbeilegung die Defizite der Rechtsstaatlichkeit im Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit beheben und, neben mehr Transparenz, eine Verbesserung der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter schaffen. Andererseits ist kritisch zu untersuchen, ob das CETA nur der Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit Rechnung getragen hat und nur einen Scheinrechtsschutz für ausländische Investoren in Aussicht stellt. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETA bietet viele Einfluss- und Korrekturmöglichkeiten der CETA-Vertragsparteien auf die Rechtsanwendung und Rechtsfindung des CETA-Gerichts, die selber die Beklagtenpartei im Investitionsstreitbeilegungsverfahren sind, und dadurch besteht die Gefahr, dass das CETA-Gericht dem Gedanken des Rechtsstaatsprinzips nicht mehr gerecht wird, nämlich dem Schutz vor staatlicher Willkür. 44 

Wathelet, Schlussantrag vom 19.09.2017, Rs. C-284/16, Rn.  216. nach Grimm, Europa ja – aber welches?; Siehe zur kritischen Auseinandersetzung mit der aufgeworfenen Fragestellung: Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/ Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 283. 46  Malmström, blog post: „Investments in TTIP and beyond – towards an International Investment Court“ (2015), online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/commission/2014-2019/ malmstrom/blog/investments-ttip-and-beyond-towards-international-investment-court_en (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 45  Frei

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Die Antwort auf die Frage: „Welche Art von internationaler Investor-StaatStreit­beilegung?“, könnte das CETA-Gericht zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten sein, wenn es der Erwartungshaltung an ein rechtstaatliches Verfahren Rechnung trägt.

B. Das Untersuchungsziel und die strukturelle Herangehensweise Das übergeordnete Ziel der vorliegenden Arbeit besteht in der Darstellung und kritischen Analyse des im 8. Kapitel, Abschnitt F des CETAs geregelten neuen Ansatzes der EU und Kanada für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten unter dem Bewertungsmaßstab des Rechtsstaatsprinzips. Die EU und Kanada haben im CETA umfangreiche Regelungen zum Investitionsschutz vereinbart. Dieser Investitionsschutz lässt sich grob in materielle Investitionsschutzregelungen und ein Streitbeilegungsverfahren vor einem ständig eingerichteten Investitionsgericht mit Rechtsbehelfsinstanz im Sinne einer Berufungsinstanz unterteilen.47 Der Schwerpunkt dieser Arbeit soll auf der Untersuchung der Regelungen für das Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten nach dem 8. Kapitel, Abschnitt F des CETAs und im Besonderen auf die Einrichtung eines ständigen Investitionsgerichts mit Rechtsbehelfsinstanz liegen. Dabei soll untersucht werden, ob das CETA-Gerichtssystem mit seinen verbindlichen Ethikregeln für die Mitglieder des CETA-Gerichts im Vergleich zur traditionellen ad hoc-Investitionsschiedsgerichtsbarkeit eine Verbesserung an Rechtsstaatlichkeit bedeutet und deswegen als begrüßenswerte Reform der Investor-StaatStreit­beilegung angesehen werden kann. Eine Bewertung der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung unter dem Rechtsstaatsprinzip kann aber nicht unabhängig vom durchzusetzenden, materiellen Recht vorgenommen werden.48 Deswegen wird auch auf die ebenso bemerkenswerten Regelungen zum materiellen Investitionsschutz im 8. Kapitel, Abschnitt D des CETAs als Hilfestellung zur Definierung des Bewertungsmaßstabs eingegangen. 47  Art.  8.27

und 8.28 CETA. Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, Art.  97 (1) GG. Das anwendbare Recht bzw. das Gesetz ist das zentrale Bauelement der sachlich-inhaltlichen Legitimation der Rechtsprechung wie ihrer Urteilsfindung im Einzelfall und erlaubt dem Normgeber zunächst die Vorab-Steuerung der Gerichte durch Festlegung ihres Entscheidungsprogramms. Siehe Schreiber, Wie unabhängig ist der Richter?, in: Vogler u. a. (Hrsg.), FS Jescheck, 1985, Bd.  1, S.  757, 760; Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  134 f. 48 

B. Das Untersuchungsziel und die strukturelle Herangehensweise

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Das Bundesverfassungsgericht erkennt das Rechtsstaatsprinzip (im Sinne eines allgemeinen Verfassungsprinzips) als „Grundentscheidung“, „leitendes Prinzip“, „fundamentale[n] Grundsatz“ oder „Leitidee“ an, so dass es sich besonders gut als Untersuchungsmaßstab für Streitbeilegungsmodelle eignet:49 „Das Rechtsstaatsprinzip gehört zu den Leitideen [der verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland]; das ergibt sich aus einer Zusammenschau der Bestimmungen des Art.  20 Abs.  3 über die Bindung der Einzelgewalten und der Art.  1 Abs.  3, 19 Abs.  4, 28 Abs.  1 Satz 1 GG sowie aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes. Zwar enthält dieses Prinzip nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts […] keine für jeden Sachverhalt in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang; [das Rechtsstaatsprinzip] bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten, […].“50

In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass aus dem Rechtsstaatsprinzip als allgemeines Verfassungsprinzip51 einzelne, konkretisierte Grundsätze abgeleitet werden können, anhand derer wiederum konkrete, rechtliche Schlussfolgerungen gezogen werden können.52 Für diese Arbeit werden die Aspekte (bzw. Grundsätze) des Rechtsstaatsprinzips der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit als Bewertungsmaßstab verwendet, um so die Frage beantworten zu können, ob die Reform der Investorstreitbeilegung nach dem CETA zu mehr Rechtsstaatlichkeit in der internationalen Investitionsstreitbeilegung führen wird. Damit diese Frage beantwortet werden kann, bedarf es allerdings eines Vergleichs zum traditionellen Modell der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit zur Investor-Staat-Streitbeilegung. Aus diesem Grund soll auch die traditionelle ad hoc-In­ vestitionsschiedsgerichtsbarkeit unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips mit der vorgenommenen Konkretisierung auf die Unabhängigkeit neutraler Richter und die Rechtssicherheit dargestellt werden. Diesbezüglich wird kein rechtsvergleichender Anspruch erhoben, dennoch soll die Einbeziehung anderer Rechtsordnungen dazu dienen, etwaige Parallelen sowie auch Unterschiede herauszuarbeiten. Nur so können die Besonderheiten des CETA-Investitionsgerichts sowie der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit herausgestellt werden. 49 

Nachweise bei Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  I, S.  720. BVerfGE 45, S.  187, 246. 51  Das in Art.  28 (1) GG seine ausdrückliche Erwähnung und in Art.  20 (2) und (3) GG eine wesentliche, wenn auch unvollständige Konkretisierung erfährt. 52  Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 GG (Rechtsstaatsprinzip), S.  212, Rn.  44; In der englischen Sprache wird das Rechtsstaatsprinzip begrifflich als „rule of law“ bezeichnet. Die genaue Begrifflichkeit der „rule of law“ wurde und wird in der internationalen Rechtsprechung viel diskutiert. Siehe hierzu Bingham, The Rule of Law, in: Cambr. L. J., Bd.  66 (2007), S.  67–85. Auf die Begrifflichkeit des Rechtsstaatsprinzips und der „rule of law“ soll an späterer Stelle ausführlicher eingegangen werden. 50 

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Für den Vergleich wird allerdings eine wichtige Einschränkung vorgenommen. Denn tatsächlich existiert keine einheitliche und kohärente Verfahrensordnung für ad hoc-Schiedsverfahren zur internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung. Vielmehr können Investitionsschiedsverfahren nach mehreren verschiedenen international anerkannten Verfahrensordnungen durchgeführt werden.53 Deswegen bedeutet ein Vergleich zwischen dem traditionellen Investor-StaatStreit­beilegungsmodell und dem neuen Streitbeilegungsmodell des CETAs tatsächlich ein Vergleich zwischen vielen verschiedenen Regelwerken und dem CETA. Um einen Fokus auf die wesentlichen Elemente der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit zur Investor-Staat-Streitbeilegung zu schaffen, wird für das Untersuchungsziel dieser Arbeit das ICSID-Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten von 1965 (ICSID-Übereinkommen) als „Repräsentant“ der traditionellen ad hoc-Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit gewählt, weil dieses in der internationalen Investor-Staat-Schiedsgerichtspraxis das am häufigsten genutzte Streitbeilegungsmodell darstellt.54 Zwar gibt es teilweise wesentliche Unterschiede zwischen dem ICSID-Übereinkommen und den vielen anderen Schiedsordnungen (insbesondere in Bezug auf die Regelungen zur Überprüfbarkeit der Schiedssprüche)55, die Kritik am ICSID-Schiedsgerichtsverfahren ist jedoch auch überwiegend exemplarisch für die ad hoc-Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit. Im 1. Kapitel der Untersuchung sollen die Begrifflichkeiten des Rechtsstaatsprinzips mit seiner für diese Arbeit vorgenommenen Konkretisierung auf die Rechtssicherheit und Unabhängigkeit neutraler Richter sowie der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung dargestellt werden. Am Ende des Kapitels wird anhand der dargestellten Begrifflichkeiten der anzuwendende Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung mit Bezug auf die konkretisierten Aspekte des Rechtsstaatsprinzips hergeleitet. Der Bewertungsmaßstab lautet: Je vager die inhaltlichen Vorgaben des materiellen Rechts sind und damit die inhaltliche Steuerung der Rechtsprechung durch den Normgeber, umso höher müssen die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren mit seinem Grundsatz der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit sein. Hieran schließt sich im 2. Kapitel die Darstellung und kritische Analyse des Standardmodells der ad hoc-Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen – der Status Quo der Investor-Staat-Streitbeilegung. Im Besonderen soll hier auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und die 53 Als Beispiel seien hier die ICC-Schiedsordnung, SCC-Schiedsordnung, UNCITRALSchieds-ordnung und LCIA-Schiedsordnung zu nennen. 54  Sardinha, The Impetus for the Creation of an Appellate Mechanism, in: ICSID Review, Bd.  32 (3) (2017), S.  503, 509. Siehe zu dieser Aussage auch unten, unter C. I. 1. 55  Siehe dazu unter 1. Kapitel, B. II. 3. d.

B. Das Untersuchungsziel und die strukturelle Herangehensweise

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Möglichkeit der Überprüfung des Schiedsspruchs unter Berücksichtigung des Bewertungsmaßstabs eingegangen werden. Dabei wird die Darstellung des Streitbeilegungssystems bewusst objektiv vorgenommen, da die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit als Vergleichsmaßstab lediglich den Ausgangspunkt für die Bewertung des CETA-Gerichts unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips darstellt. Im Anschluss wird im 3. Kapitel das neue Streitbeilegungsmodell für das Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten nach dem 8. Kapitel, Abschnitt F des CETAs dargestellt. Im Rahmen der Darstellung des CETAs wird auch fortlaufend ein Vergleich zum ICSID-Übereinkommen gezogen, um am Ende des Kapitels bewerten zu können, ob das CETA ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit in der Investor-Staat-Streitbeilegung bedeutet – oder nicht. Im Schlussteil wird das Ergebnis dieser Arbeit zusammengefasst und in Thesen festgehalten. Zum Zwecke einer Übersicht wurde zudem eine tabellarische Gegenüberstellung beider Streitbeilegungsmodelle vorgenommen.

Exkurs: das Auslegungsstatut Die Untersuchung der Regelungen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, insbesondere zur Einsetzung des CETA-Gerichts, der Rechtsbehelfsinstanz und der Ethikregeln für die Gerichtsmitglieder nach dem CETA, macht es zwingend erforderlich, diese Regelungen auszulegen. Dasselbe gilt für die entsprechenden Regelungen des ICSID-Übereinkommens. Nur durch die Auslegung erschließt sich der Bedeutungsgehalt von Rechts­ texten.56 Die Auslegung setzt die Festlegung des Auslegungsziels, die Festlegung der Auslegungsmethode und ein Vorverständnis der grundlegenden Begrifflichkeiten voraus.57 Für die Festlegung der Auslegungsmethode ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsauslegung nicht als Tatfrage, sondern als Rechtsanwendung anzusehen ist.58 Es ist daher bei Fällen mit internationalem Bezug erforderlich, zu bestimmen, nach welchem Auslegungsstatut der Vertrag auszulegen ist.59 Für die Auslegung von völkerrechtlichen Abkommen gilt nichts anderes.60 Auch 56  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  86; Siehe hierzu auch Wolf, Die Institutionelle Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S.  12 ff. 57  Larenz, Methodenlehre, S.  89, 192, 195 ff. 58  EuGH v. 5.10.1969, 50/69 R = AWD (1969), S.  415. 59  EuGH v. 5.10.1969, 50/69 R = AWD (1969), S.  415. 60 Vgl. Aden, Auslegung und Reversibilität ausländischer AGB am Beispiel der Schiedsvereinbarung der internationalen Handelskammer, in: RIW (1989), S.  607, 610; So auch bereits Cohn, The Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce, ICGL, Bd.  14 (1) (1965), S.  132, 136.

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hierbei muss zunächst angegeben werden, welche Rechtsordnung herangezogen wird, um den Text des Abkommens auslegen zu können.61 Das internationale Investitionsrecht ist in einer ganzen Reihe verschiedener völkerrechtlicher Abkommen geregelt. Zu den vielen verschiedenen bilateralen Investitionsschutzabkommen (BITs) gibt es multilaterale Investitionsschutzabkommen (MITs), wie zum Beispiel das ICSID-Übereinkommen und regionale Abkommen (darunter auch Freihandelsabkommen (Free Trade Agreements [FTA]), das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA, ehemals North American Free Trade Agreement [NAFTA]), das Dominican Republic-Central America-United States Free Trade Agreement (CAFTA), das Energy Charter Treaty (ECT), das EU-Vietnam Trade and Investment Agreement (EU-Vietnam TIA) und schließlich auch das Comprehensive Economic and Trade Agreement zwischen der EU und Kanada (CETA). Konkret auf das CETA bezogen erfolgt nach Art.  8.31 die Auslegung des Vertragstextes nach dem Wiener-Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK) und den anderen zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Regelungen und Grundsätzen.62 Auch das ICSID-Übereinkommen kann mithilfe des Wiener-Übereinkommens ausgelegt werden.63 Diesbezüglich ist vor allem die allgemeine Auslegungsregel unter Art.  31 WVK von Bedeutung. Demzufolge ist ein Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.“

Obwohl Art.  31 WVK (als wesentlicher Ausdruck des geltenden Völkergewohnheitsrechts)64 bewusst als eine einheitliche Regel formuliert worden ist, enthält die Regelung einzelne, voneinander zu unterscheidende Prinzipien und Auslegungsregeln. Diese stehen aber nicht in einer festen Rangordnung zueinander.65 Lediglich dem Grundsatz unter Art.  26 WVK, Verträge nach Treu und Glauben 61 Vgl. Aden, Auslegung und Reversibilität ausländischer AGB am Beispiel der Schiedsvereinbarung der internationalen Handelskammer, in: RIW (1989), S.  607, 610; So auch bereits Cohn, The Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce, in: ICLQ, Bd.  14 (1) (1965), S.  132, 136. 62  Vgl. BT-Drucks.: 18/10726, S.  2 und 4. 63  Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  28. 64  Der IGH hat in verschiedenen Entscheidungen bestätigt, dass Art.  31 WVK zuvor geltendes Gewohnheitsrecht widerspiegelt, so in Libya vs Chad, ICJ Reports (1994), S.  6, 21 f.; in Qatar vs Bahrain, ICJ Reports (1995), S.  6, 18; und Kasikili vs Sedudu Island (Botswana/Namibia), ICJ Reports (1999), S.  1045, 1059. 65 Vgl. von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, S.  118 f.; United Nations, Reports of the Commision to the General Assembly, Draft Articles on the Law of Treaties with commentaries, in: YBILC, Vol II (1966), S.  219 f.

B. Das Untersuchungsziel und die strukturelle Herangehensweise

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auszulegen, sollte eine vorrangige Bedeutung beigemessen werden, da das bona fide-Prinzip insgesamt das Verhalten der Vertragsparteien zu bestimmen hat.66 Nach Art.  31 (1) WVK soll die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck erfolgen. Beides findet sich grundsätzlich in der Präambel eines völkerrechtlichen Vertrages. Dazu sind die Bestimmungen des völkerrechtlichen Vertrags bei seiner Auslegung zu berücksichtigen. Das CETA besteht aus einer Präambel mit einer ganzen Reihe von gemeinsamen Gründen und Zielen der Vertragsparteien. Zu nennen seien hier nur exemplarisch: „to further strengthen their close economic relationship […]“, „to create an expanded and secure market for their goods and services through the reduction or elimination of barriers to trade and investment;“, „to establish clear, transparent, predictable and mutually-advantageous rules to govern their trade and investment.“67

Das CETA regelt demnach die Beziehung zwischen einem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat in Gestalt von Kanada, der EU oder einem Mitgliedstaat der EU. Insgesamt finden sich im CETA-Vertragstext Bestimmungen, die sich auf den Marktzugang, den Zollabbau, die öffentlichen Interessen der Vertragsparteien und den Investitionsschutz beziehen. Damit spielen Regelungen zur Beziehung zwischen der EU, Kanada und den Mitgliedstaaten der EU als Vertragsparteien nur eine sehr untergeordnete Rolle und beschränken sich letztlich auf die „schützende Hand“ des Heimatstaats des Investors über die getätigte Investition. Als zusätzliche Auslegungshilfe zur Bestimmung oder Bestätigung der jeweiligen Bedeutung eines Artikels im völkerrechtlichen Abkommen kann im Sinne von Art.  32 WVK auch auf die travaux préparatoires (preparatory work, Aufzeichnungen der Verhandlungsgeschichte eines Vertragsabschlusses) zurückgegriffen werden. In erster Linie ist aber der Rückgriff auf die Aufzeichnungen der Vertragsverhandlungen an deren Verfügbarkeit geknüpft.68 Zu den BITs gibt es beispielsweise überwiegend keine oder nur schlecht dokumentierte Aufzeichnungen der Vertragsverhandlungen.69 Dies gestaltet sich beim ICSID-Überein-

66 Vgl.

Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn.  81 ff. CETA-Vertragstext, S.  2, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/ 2014/september/tradoc_152806.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 68  Siehe hierzu Malaysian Historical Salvors vs The Government of Malaysia, ICSID Case No. ARB/05/10, Decision on Annulment, 16.04.2009, Rn.  57: „courts and tribunals interpreting treaties regularly review the traveaux preparatoires whenever they are brought to their attention; it is mythological to pretend that they do so only when they first conclude that the term requiring interpretation is ambigious or obscure.“ 69  Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  31. 67 

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Einleitung

kommen anders, wo die Verhandlungsgeschichte detailliert dokumentiert wurde und einzusehen ist.70 Hinsichtlich der methodischen Herangehensweise werden zum einen die beiden Vertragstexte des CETAs und des ICSID-Übereinkommens als primäre Rechtsquellen herangezogen. Für das ICSID-Übereinkommen werden darüber hinaus Rechtsquellen, wie die Aufzeichnungen der Vertragsverhandlungen (tra­ vaux préparatoires), die Rechtsprechung und wissenschaftliche Schriften zum ICSID-Übereinkommen verwendet. Diese methodische Herangehensweise gestaltet sich beim CETA schwierig, da umfassende Aufzeichnungen der Vertragsverhandlungen zum CETA im Zeitpunkt der Verfassung dieser Arbeit noch nicht veröffentlicht sind, so dass diese für die Untersuchung noch nicht zur Verfügung stehen. Zudem existiert auch noch keine Rechtsprechung des CETA-Gerichts, geschweige denn seiner Rechtsbehelfsinstanz. Aus diesem Grund wird vermehrt in Bezug auf das CETA eine Auslegung durch den Autor vorgenommen, wobei zur Unterstützung der Argumentation sekundäre Rechtsquellen, wie wissenschaftlich mehrheitlich befürwortete Schriften und Berichte, verwendet werden. Es wird bei der Auslegung des CETA-Vertragstextes nach Möglichkeit auch auf andere völkerrechtliche Investitionsschutzabkommen, wie zum Beispiel dem NAFTA, dem ECT, dem Vertragsvorschlag zum TTIP oder dem EU-Vietnam TIA mit dazugehörigen wissenschaftlichen Schriften und Rechtsprechung verwiesen, um die Argumentation zu unterstützen.

C. Der gegenwärtige Stand der Rechtssetzung Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 fallen nach Art.  207 AEUV ausländische Direktinvestitionen (ADI) erstmals unter die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union (EU). Laut Art.  206 AEUV trägt die EU zur „schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen“ bei.71 Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat die Kommission mehrere Dokumente zum Umgang mit der Unionskompetenz für ausländische Direktinvestitionen veröffentlicht. Dazu gehört die Mitteilung „Auf dem Weg zu einer umfassen70  Siehe hierzu ICSID, History of the ICSID Convention, online abrufbar unter: https:// icsid.worldbank.org/en/Pages/resources/The-History-of-the-ICSID-Convention.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 71  Auf die Kompetenz der EU zum Abschluss von Freihandelsabkommen wird später eingegangen.

C. Der gegenwärtige Stand der Rechtssetzung

17

den europäischen Auslandsinvestitionspolitik“ im Jahr 2010.72 Darin stellt die Kommission ihre Vorstellungen für den Abschluss zukünftiger Investitionsabkommen zwischen Mitglieds- und Auslandsinvestitionen dar. Eine Darstellung der Investitionsströme zwischen den EU-Mitgliedstaaten wurde in die Mitteilung nicht aufgenommen.73 Der Rat hat zu diesem Vorschlag seine Schlussfolgerungen vorgelegt74 und das Europäische Parlament einen Entschluss verabschiedet.75 Auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat eine Stellungnahme zu der Mitteilung und den Vorschlägen der Kommission verfasst.76 Die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) wurden am 6. Mai 2009 aufgenommen.77 2014 wurde ein „Rohentwurfstext“ des CETAs nach Abschluss der Ver72 

Mitteilung der Europäischen Kommission, Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik, KOM (2010) 343 endg., online abrufbar unter: http://trade. ec.europa.eu/doclib/docs/2010/july/tradoc_146307.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Wie bedeutend die Einbeziehung von Auslandsinvestitionen in die gemeinsame Handelspolitik ist, zeigt sich auch daran, dass sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil dazu verpflichtet fühlte, zu dem Umfang der Unionskompetenz Stellung zu nehmen, BVerfGE 123, S.  267, 420 ff. (Lissabon). Siehe dazu auch Hermann, Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union im Lissabon-Urteil, in: Hatje/Terhechte (Hrsg.), Grundgesetz und europäische Integration, Die Europäische Union nach dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: EuR-Beiheft (1-2010), S.  193, 205 ff.; allgemein zu dem Urteil Mestmäcker, Im Schatten des Leviathan, Anmerkungen zum Urteil des BverfGs vom 30.06.2009, in: Hatje/ Terhechte (Hrsg.), Grundgesetz und europäische Integration, Die Europäische Union nach dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: EuR-Beiheft (1-2010), S.  35 ff. 73  Was von Tietje kritisiert wird, der zur Vermeidung von Systembrüchen eine umfassende Behandlung von Außen- und Binnendimensionen gewünscht hätte: Tietje, EU-Investitionsschutz und -förderung zwischen Übergangsregelungen und umfassender europäischer Auslandsinvestitionspolitik, in: EuZW (2010), S.  647, 648. 74 „Conclusion on a Comprehensive European International Investment Policy“, 3041st Foreign Affairs Council Meeting, 25.10.2010, online abrufbar unter: https://www.consilium. europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/EN/foraff/117328.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 75  Die Entschließung beruht auf einer Studie im Auftrag des Parlamentsausschusses für internationalen Handel und dem Bericht des Ausschusses für den internationalen Handel vom 18. November 2010, der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses vom 8. Februar 2011 und der Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung vom 02.03.2011, A70070/2011; Siehe hierzu auch Woolcock, Das Konzept der Auslandsinvestitionspolitik der EU nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (2010), online abrufbar unter: www.europarl. europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2010/433854/EXPO-INTA_ET%282010%29433854_ DE,2010 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 76  EWSA, P7_TA-PROV (2011) 0141 vom 06.04.2011. CESE, 1184/2011, „Auslandsinvestitionspolitik“, vom 13.07.2011. 77  Bericht der Europäische Kommission, Der Stand der Verhandlungen über den Zugang von Unternehmen der Gemeinschaft zu Drittlandsmärkten in Bereichen, die unter die Richtlinie 2004/17/EG fallen, 28.10.2009, KOM(2009)592 endg.

18

Einleitung

handlungen auf Englisch78 und Französisch, später auch auf Deutsch veröffentlicht. Das CETA wurde genauso wie das TTIP von Vertretern der EU-Kommission und Kanada geheim verhandelt. Für die Europäer war die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zusammen mit dem Chef-Unterhändler Ignacia Garcia Bercero beteiligt, die für jedes Kapitel des Abkommens von Experten im Bereich der Landwirtschaft, Unternehmen und Industrie, Steuern und Zollunion, Umwelt, Klima, Energie und weiteren unterstützt wurden.79 EU-Mitgliedsländer waren somit nicht direkt beteiligt. Nachdem Kanada und die EU jeweils eine Rechtsförmlichkeitsprüfung des Abkommens vorgenommen hatten, steht seit Juli 2016 der finale Vertragstext auch in deutscher Sprache zur Verfügung.80 Am 15. Februar 2017 wurde der Vertragstext schließlich durch das Europäische Parlament bewilligt.81 In der Folge wurde die ausschließliche Zuständigkeit der EU zur Unterzeichnung von Handelsabkommen der „neuen Generation“ – wie es das CETA darstellt – in Frage gestellt.82 Eine Entscheidung des EuGHs vom 15. Mai 2017 schuf zu dieser Frage Klarheit.83 Danach dürfen die Kommission und das EU-Parlament Vereinbarungen über den Marktzugang von nicht EU-Mitgliedstaaten beschließen, den Schutz ausländischer Investoren festlegen, die Bestimmungen über wettbewerbswidrige Verhaltensweisen oder Monopole treffen und sich um den sozialen Schutz von Arbeitnehmern kümmern.84 Alle weiteren Themen berühren jedoch nach dem Lissaboner Vertrag von 2009 die Hoheit der Mit78  Die englische Version des CETA-Vertragstextes ist online abrufbar unter: https://eur-lex. europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:22017A0114(01)&from=EN (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 79  Eine Liste der an den Verhandlungen auf Seiten der EU beteiligten Experten ist online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=950 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 80  Der Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der EU und ihren Mitgliedstaaten andererseits (deutsche Version des CETA-Vertragstextes), ist online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CE LEX:52016PC0444&from=EN (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 81  Siehe online: https://ec.europa.eu/germany/news/20170920-CETA-vorlaeufig-inkraft_de (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 82  Darunter ist ein Handelsabkommen zu verstehen, das zusätzlich zu den traditionellen Bestimmungen zum Abbau von Zöllen und nichttarifären Hemmnissen für den Handel mit Waren und Dienstleistungen Bestimmungen in verschiedenen Bereichen enthält, die mit dem Handel im Zusammenhang stehen, wie z. B. der Schutz des geistigen Eigentums, die Investitionen, die öffentliche Beschaffung, der Wettbewerb und die nachhaltige Entwicklung, siehe das Gutachten 2/15 des EuGHs vom 16. Mai 2017, Rn.  17. 83  Siehe hierzu das Gutachten 2/15 des EuGHs vom 16. Mai 2017. 84  Vgl. hierzu das Gutachten 2/15 des EuGHs vom 16. Mai 2017.

C. Der gegenwärtige Stand der Rechtssetzung

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gliedstaaten.85 Aus diesem Grund handelt es sich bei Freihandelsabkommen (wie etwa dem CETA) um sogenannte „gemischte“-Abkommen.86 Am 21. September 2017 ist das CETA vorläufig in Kraft getreten, wobei alle Kapitel im CETA, ausgenommen dem 8. Kapitel zum Investitionsschutz, rechtliche Wirkung entfalten.87 Insbesondere zum Investitionsschutz hat die belgische Regierung beim EuGH einen Antrag auf ein Gutachten zum CETA (Gutachten 1/17 des EuGHs) mit der Bitte zur Beantwortung der Frage eingereicht, ob das im CETA geregelte Investitionskapitel mit EU-Recht vereinbar sei.88 Der EuGH bejahte dies mit seiner Entscheidung vom 30. April 2019, indem das Investitionsschutzkapitel des CETAs mit dem Primärrecht der Union vereinbar sei.89 Der EuGH folgte damit dem Vorschlag des Generalanwalts Yves Bot in seinen Schlussanträgen vom 29.01.2019 zum Gutachten 1/17.90 85  Siehe zum Vertrag von Lissabon die Website der EU, online abrufbar unter: http://www. europarl.europa.eu/germany/de/europa-und-europawahlen/vertrag-von-lissabon (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 86 Siehe Chmielewski, Investitionsschutz: Wie das EuGH-Gutachten zu Singapur neue Abkommen erschwert, in: Juve Nachrichten, 30.06.2017, online abrufbar unter: https://www.juve. de/nachrichten/namenundnachrichten/2017/06/investitionsschutz-wie-das-eugh-gutach ten-zu-singapur-neue-abkommen-erschwert (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), „Für zwei Teile des Abkommens ist die Union nicht ausschließlich zuständig, nämlich für den Bereich der anderen ausländischen Investitionen als Direktinvestitionen und für die Regelung der Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten“. 87  Europäische Kommission, Pressemitteilung: Handelsabkommen zwischen EU und Kanada tritt in Kraft, 21.09.2017, online abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-173121_de.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 88  Antrag auf Gutachten, eingereicht vom Königreich Belgien nach Art.  218 (11) AEUV, Opinion 1/17, 2017/C 369/02. Die vorgelegte Frage des Gerichts: „Is Chapter Eight (‚Investments‘), Section F (‚Resolution of investment disputes between investors and states‘) of the Comprehensive Economic and Trade Agreement between Canada, of the one part, and the European Union and its Member States, of the other part, signed in Brussels on 30 October 2016, compatible with the Treaties, including with fundamental rights?“; Siehe hierzu auch Dona, Opinion 1/17 on CETA: Hearing Report, in: International Litigation Blog (03.07.2018), online abrufbar unter: http://international-litigation-blog.com/opinion-1-17-ceta-hearing-report/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), „the CJEU is requested to provide an opinion regarding the compatibility of the ICS contained in CETA with respect to: (i) the exclusive competence of the CJEU, pursuant to Article 267 of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU), to give a binding interpretation of EU law; (ii) the general principle of equality and the practical effect (‚effet utile‘) of EU law; (iii) the right of access to courts; and (iv) the right to an independent and impartial judiciary“. 89  Siehe EuGH, Entscheidung vom 30.04.2019 zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341, online abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=213 502&-pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=4976548 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 90 Vgl. Bot, Schlussanträge vom 29.01.2019 zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:72, Rn.  272.

20

Einleitung

Das Gutachten 1/17 des EuGHs zum CETA ist dabei die jüngste Episode einer Reihe von Gutachten und Urteilen über die Wechselbeziehungen zwischen internationalen Gerichten und dem EU-Recht. Die meisten dieser Gutachten endeten in der Vergangenheit allerdings (zunächst) ungünstig für die Einrichtung eines internationalen Gerichts. In den Gutachten 1/91, 1/09, 2/13 und zuletzt in dem Achmea-Urteil stellte der EuGH fest, dass die Mitgliedschaft der EU oder der Beitritt zu einem internationalen Streitbeilegungssystem vor allem gegen den Grundsatz der Autonomie der EU-Rechtsordnung verstößt und eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Auslegung des Unionsrechts darstellt.91 Mit dieser Argumentation bezog sich der EuGH ausdrücklich auf das eigene und hochumstrittene Gutachten 2/13 zum EMRK-Beitritt und sorgt insofern für eine Kontinuität seiner Rechtsprechung.92 Kern der Argumentation ist die Europarechtswidrigkeit der Streitentscheidung, wenn eine andere internationale Streitbeilegungsinstanz über europarechtliche Fragen entscheiden kann, ohne verpflichtet zu sein, diese Frage dem EuGH vorlegen zu müssen und ohne dass ein Gericht eines EU-Mitgliedstaates diese Entscheidung voll überprüfen kann. Nach der Entscheidung des EuGHs zum Gutachten 1/17 verbleibt als letzter Schritt für das endgültige Zustandekommen des CETAs die Befragung der übrigen nationalen Parlamente und je nach Landesverfassung die regionalen Abgeordnetenkammern, die für ihre Entscheidung das Ergebnis des EuGHs abgewartet haben sowie teilweise eine Entscheidung des obersten Gerichts zur Vereinbarkeit des CETA mit dem nationalen Recht. Mit Bezug auf Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 9. Februar 2022 entschieden, dass die vorläufige Anwendung des CETA (ohne dem Investitionschutzkapitel) und der Abschluss des CETA grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar sei und weder einen Ultra-vires-Akt darstellen würde noch die Grundsätze des Demokratieprinzips verletze.93 Grundsätzlich, weil ein Ultra-vires-Akt nur dann vorliegen würde, wenn mit einem Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusses Hoheitsrechte auf das CETA-Gericht- und das Ausschusssystem übertragen würden.94 Hier wird vom Bundesverfassungsericht kritisiert, dass der Gemischte-CETA-Ausschuss nach Art.  26.1 (1) Satz 1 CETA lediglich aus Vertreter der Europäischen Union und Kanadas bestehen solle und nicht ausgeschlossen werden könne, dass Beschlüsse keiner Zustimmung durch die Vertragsparteien bedürfen. Denn das CETA sieht nicht vor, dass die Mitgliedstaaten durch eigene (weisungsgebundene) Vertreter mit Sitz 91 

Siehe hierzu repräsentativ das Achmea-Urteil des EuGHs, Rs. C 284/16, 06.03.2018. EuGH, Gutachten 2/13, EMRK v. 18.12.2014, EU:C:2014:2454, Rn.  201. 93  Siehe BVerfG Beschl. v. 09.02.2022 – 2 BvR 1444/16, BeckRS 2022, 4177. 94  BVerfG Beschl. v. 09.02.2022 – 2 BvR 1444/16, BeckRS 2022, 4177, Rn.  175 f. 92 

C. Der gegenwärtige Stand der Rechtssetzung

21

und Stimme bei Beschlüssen in den CETA-Ausschüssen mitwirken.95 Dadurch sei lediglich eine mittelbare Einwirkung der Mitgliedstaaten auf Entscheidungen des Gemischten-CETA-Ausschusses gewährleistet, da zumindest durch einen Beschluss des Rates der gemeinsame Standpunkt festgelegt werden könne, den der Vertreter der EU in den CETA-Ausschüssen zu vertreten habe.96 Zum Zeitpunkt der Entscheidung im Februar 2022 stand die Ratigizierung des CETA durch 12 EU-Mitgliedstaaten (auch in Deutschland) noch aus. Auch die Ratifikation durch die EU und Kanada war noch nicht abgeschlossen. Nach der Ratifizierung aller 28 EU-Mitgliedstaaten und regionalen Abgeordnetenkammern, der EU und Kanada, tritt das Abkommen in Kraft.

95  96 

BVerfG Beschl. v. 09.02.2022 – 2 BvR 1444/16, BeckRS 2022, 4177, Rn.  189. BVerfG Beschl. v. 09.02.2022 – 2 BvR 1444/16, BeckRS 2022, 4177, Rn.  190 f.

1. Kapitel

Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs In diesem Kapitel wird zunächst der Begriff des Rechtsstaatsprinzips mit seiner für diese Arbeit vorgenommenen Konkretisierung auf die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter dargestellt: Auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland und im internationalen Kontext, insbesondere mit Blick auf die EU, sowie mit Bezug auf die Investor-Staat-Streitbeilegung (A.). Im Anschluss wird der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung dargelegt (B.). Daran anknüpfend soll am Ende dieses Kapitels auf Grundlage der dargestellten Begriffsbestimmungen und der gewonnenen Erkenntnisse zum materiellen Investitionsschutz der bilateralen- und multilateralen Investitionsschutzabkommen sowie des CETAs der anzuwendende Bewertungsmaßstab für diese Untersuchung mit den dafür konkretisierten Aspekten des Rechtsstaatsprinzips definiert werden (C.). Dieser wird anschließend für die Bewertung der zu vergleichenden Investor-Staat-Streitbeilegungsmodelle nach dem ICSIDÜber­einkommen und dem CETA herangezogen.

A. Das Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip – auf internationaler Ebene die rule of law – ist als Maßstab zur Untersuchung materieller Rechtsprechung besonders gut geeignet. Die darin verkörperten Prinzipien der Unabhängigkeit und Neutralität der Richter sowie Rechtssicherheit bilden durch die Bindung an das Völkerrecht einen relevanten Kontext für die im Schiedsverfahren anzuwendenden und auszulegenden Verfahrensregeln und materiellen Investitionsschutzregelungen, die eine einschränkende Funktion gegen staatliches Handeln ausüben. Wird die Bewertung materieller Rechtsprechung unter dem Rechtsstaatsprinzip vorgenommen, sollte dies im Zusammenhang mit dem durchzusetzenden, materiellen Recht geschehen. Denn ein genügendes Legitimationsniveau und Niveau an Rechtsstaatlichkeit in der Rechtsprechung kann aus der Schlussfolgerung der unstreitigen Erkenntnis, dass Gerichte – in unterschiedlicher Intensität – an der Formulierung von Rechtssätzen beteiligt sind, die dem Rechtsunterworfenen gegenüber mit

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

Anspruch auf Gehorsam auftreten und deren Befolgung nicht zuletzt erzwungen wird, durch einen verstärkten Rekurs anderer Steuerungselemente zur sachlichinhalt­lichen Legitimation der Rechtsprechung gewährleistet werden. Gemeint sind Mechanismen, die die Rechtsordnung zur Gewährleistung von Rechts­ sicherheit und der Unabhängigkeit und Neutralität der Richter bereithält. Die Anforderungen an solche Mechanismen sind umso höher, sobald der Rechtsprechung durch abstrakte Regelungen ein weiter Spielraum an Entscheidungsbefugnissen eingeräumt wird.1 Anhand des Bewertungsmaßstabs soll beurteilt werden, ob die Investor-StaatStreit­beilegung nach dem CETA im Vergleich zum Standardmodell der Investi­ tionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen eine Verbesserung an Rechtsstaatlichkeit bedeutet und deswegen, wie in dem Ergebnis dieser Untersuchung bejahend festgestellt, als eine begrüßenswerte Reform angesehen werden kann. Durch die Internationalität der Investor-Staat-Streitbeilegung müssen das Rechtsstaatsprinzip und die rule of law für diese Untersuchung zusammen betrachtet werden. Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist gleichwohl das Rechtsstaatsprinzip, wie es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist. Das bietet sich insbesondere deswegen an, weil Art.  10 (1) des deutschen Muster-BIT ebenso wie die meisten jüngeren, von der Bundesrepublik abgeschlossenen BITs, auf ein institutionelles Schiedsgerichtsverfahren im Rahmen des ICSID verweisen.2 Der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Begriff des Rechtsstaatsprinzips eignet sich daher besonders gut als Maßstab für die Bewertung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen. Da das CETA aber neben den 28 EU-Mitgliedstaaten insbesondere zwischen der EU und Kanada verhandelt und vereinbart wurde, werden die konkretisierten Aspekte des Rechtsstaatsprinzips, der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit auch auf EU-Ebene dargestellt, da diese sich besonders gut für die Bewertung des CETAs eignen. Schließlich soll noch die rule of law im völkerrechtlichen Kontext und konkret im Kontext der Investor-Staat-Streitbeilegung dargestellt werden, da es sich vorliegend um Investitionsstreitigkeiten auf völkerrechtlicher Ebene handelt und sich demnach 1 Vgl.

Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, 2006, S.  140 ff. Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland, S.  35; Art.  10 (1) deutscher Muster-BIT 2008: „Disputes concerning investments between a Contracting State and an investor of the other Contracting State should as far as possible be settled amicably between the parties to the dispute. To help them reach an amicable settlement, the parties to the dispute also have the option of agreeing to institute conciliation proceedings under the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States of 18 March 1965 (ICSID)“. 2 

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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die rule of law besonders gut als Bewertungsmaßstab der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung eignet. An dieser Stelle ist klarzustellen, dass es nicht nur Gemeinsamkeiten zwischen den Begriffen des Rechtsstaatsprinzips und der rule of law gibt, sondern auch Unterschiede zwischen beiden Prinzipien bestehen, so dass beide Begriffe auch nicht bloß als wechselseitige Übersetzungen verstanden werden dürfen. Sie können zwar aufeinander bezogen werden, die mit ihnen verbundenen Inhalte können aber auch differieren, was auf eine unterschiedliche rechtsgeschichtliche Entwicklung zurückzuführen ist.3 Ungeachtet der Unterschiede wird aber überwiegend vertreten, dass in der Schiedsgerichtsbarkeit mittlerweile die Kerninhalte des Rechtsstaatsprinzips und der rule of law aufgrund wachsender Diffusion als größtenteils deckungsgleich gelten und einen gemeinsamen Bezugspunkt aufweisen würden.4 Der Umfang des Rechtsstaatsprinzips auf deutschnationaler Ebene wird breit diskutiert, insbesondere, wenn es um die Anwendung des Rechtsstaatsprinzips auf den Bereich des Völkerrechts geht.5 Dasselbe gilt für die rule of law auf internationaler Ebene, was zum Beispiel mit der Verwendung 3 

Byrd/Hruschka/Joerden (Hrsg.), Das Rechtsstaatsprinzip/The Rule of Law-Principle, Jahrbuch für Recht und Ethik, Bd.  21 (2013), Vorwort. 4  Zu den oft betonten Unterschieden zwischen dem Rechtsstaatsprinzip und der rule of law, vgl. Leisner-Egensperger, Rechtsstaatlichkeit: Verfassungsprinzip zwischen Rechtstechnik und ethischer Dimension, in: JRE, Bd.  21 (2013), S.  99, 106 f.; Lepsius, Der britische Verfassungswandel als Erkenntnisproblem. Zur andauernden Bedeutung von A.V. Dicey im britischen Verfassungsrecht, in: JöR, Bd.  57 (2009), S.  559, 575 ff, 579 f.; Schuppert, Zum Umgang mit unterschiedlichen Konzeptualisierungen der Rule of Law als Anwendungsfall normativer Pluralität, in: Kötter/Schuppert (Hrsg.), Normative Pluralität ordnen, Bd.  19 (2009), S.  209, 213 ff., 218 ff.; Martini, Die Pluralität von Rule-of-Law Konzeptionen in Europa und das Prinzip einer europäischen Rule of Law, in: Kötter/Schuppert (Hrsg.), Normative Pluralität ordnen, Bd.  19 (2009), S.  303, 306 ff.; zu der wachsenden Diffusion, siehe Sommermann, Entwicklungsperspektiven des Rechtsstaats: Europäisierung und Internationalisierung eines staatsrechtlichen Leitbegriffs, in: Magiera/Sommermann (Hrsg.), Freiheit, Rechtsstaat und Sozialstaat in Europa, 2007, S.  75 ff.; Zu den deckungsgleichen Aspekten siehe Kirste, Die Rule of Law in der deutschen Rechtsstaatstheorie des 19. Jahrhunderts in: JRE 21 (2013), S.  23, 54 f.; Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd.  II, Art.  20, Rn.  245 ff.; Martini, Die Pluralität von Rule-of-Law Konzeptionen in Europa und das Prinzip einer europäischen Rule of Law, in: Kötter/Schuppert (Hrsg.), Normative Pluralität ordnen, S.  303, 339 f.; Rivers, Rechtsstaatsprinzip und Rule of Law revisited, in: Grote (Hrsg.), FS Starck, 2007, S.  891 ff.; MacCormick, Der Rechtsstaat und die Rule of Law, in: JZ (1984), S.  65 ff. 5  Die für diese Arbeit relevanten Aspekte des Rechtsstaatsprinzips finden im Englischen ihren rechtlichen Grundsatz in der sogenannten „rule of law“. Diesbezüglich wird von einigen argumentiert, dass sich der Begriff des Rechtsstaatsprinzips bzw. der „rule of law“ auf formale Aspekte eines Rechtssystems beschränkt, während andere argumentieren, dass dieses Prinzip bestimmte wesentliche materielle Aspekte mitbeinhalten sollte, wie zum Beispiel den durch die Menschenrechte gewährten Schutz. Siehe hierzu Chesterman, The UN Security Council and

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

des Begriffs durch die EU-Kommissarin Cecilia Malmström veranschaulicht wird, die nach der Veröffentlichung des Konzeptpapiers zum völkerrechtlich geplanten TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA (das ein ähnliches Streitbeilegungsmodell wie das CETA in seinem Vertragstext regelt) in ihrem Blog schrieb, „I want the rule of law, not the rule of lawyers“.6 Malmström verurteilte damit eine „Herrschaft der Rechtsanwälte“ und verdeutlichte im selben Satz den Glauben an den Rechtsstaat bzw. die Erfüllung rechtsstaatlicher Anforderungen in der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung. Die Erklärung der Kommissarin hat einen gewissen Einfluss auf die vorliegende Untersuchung. So veranschaulicht die Ansicht der Kommission, dass die Schaffung eines ständig eingerichteten Investitionsgerichts zu einer Verbesserung der durch das Rechtsstaatsprinzip vermittelten Anforderungen im Bereich der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten beitragen soll. Die Erklärung zeigt aber auch, dass der Begriff des Rechtsstaatsprinzips oft in der rechtlichen und politischen Debatte als Schlagwort verwendet wird, ohne aber überhaupt weiter inhaltlich definiert zu werden. Die folgende Darstellung bezieht sich auf den Begriff des Rechtsstaatsprinzips mit der Konkretisierung auf die Aspekte der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland (I.). Die rule of law nimmt diese beiden Aspekte in sich auf und trägt diese Grundsätze in das Völkerrecht im Allgemeinen sowie das Unionsrecht (II.) und das internationale Investitionsrecht (III.) im Besonderen. Insoweit wird in diesem Teil der Arbeit aber kein rechtsvergleichender Anspruch erhoben. Dennoch werden die verschiedenen Rechtssysteme dargestellt, um etwaige Parallelen sowie auch Unterschiede herauszuarbeiten. Nur so kann die allgemeine Geltung der Grundsätze der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit aufgezeigt, gleichzeitig aber auch die Besonderheit des deutschen Rechts, des Unionsrechts sowie des internationalen Investitionsschutzrechts herausgestellt werden. Dabei ist in erster Linie die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit der Untersuchungsgegenstand. Aufgrund der Verknüpfung zur internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit gerät allerdings auch das Schiedsverfahren zwischen zwei privaten Parteien in den Fokus.

the Rule of Law, Final Report and Recommendations from the Austrian Initiative, 2008, S.  3; oder Bingham, The Rule of Law, in: CLJ, Bd.  66 (1), (2007), S 67, 75–76. 6  Malmström, blog post: Investments in TTIP and beyond – towards an International In­vest­ ment Court, 05.05.2015, online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/commission/2014-2019/ malmstrom/blog/investments-ttip-and-beyond-towards-international-investment-court_en (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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I. Der Begriff des Rechtsstaatsprinzips auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland Die Verankerung der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter im Grundgesetz wird anhand des Rechtsstaatsprinzips begründet, welches wiederum in Art.  20 (3) und 28 (1) GG verankert ist. Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass jedes staatliche Handeln im Einklang mit der Rechtsordnung stehen muss7, es schützt insbesondere vor hoheitlicher Willkür und beinhaltet folgende Kern-inhalte8: – Die grundrechtlichen Freiheits- und Gleichheitsrechte des Einzelnen unter der Würde des Menschen; – die staatsorganisatorische Gewaltenteilung nach Art.  20 (2) S.  2 GG; – die Rechtsgebundenheit von Verwaltung und Gerichten gemäß Art.  20 (3) GG einschließlich der Rechtmäßigkeit der Restitution bzw. der Entschädigung bei staatlichen Eingriffen im Sinne des Art.  34 GG; – die Herrschaft des demokratischen und ausreichend bestimmten Gesetzes unter Berücksichtigung der ungeschriebenen Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nach Art.  20 (3) GG; – und insbesondere die Unabhängigkeit neutraler Richter gemäß Art.  97 GG.9 Hinzukommen als Konkretisierung oder Ergänzung zumindest noch die Garan­ tien – des umfassenden gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber Akteuren der öffentlichen Gewalt gemäß Art.  19 (4) GG einschließlich des wirksamen Rechtsschutzes für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten; – auf rechtliches Gehör nach Art.  103 (1) GG; – auf den gesetzlichen Richter nach Art.  101 GG;

7 

Degenhart, Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht mit Bezügen zum Europarecht, Rn.  138. Aufbauend auf die bereits oben zitierte Bundesverfassungsgerichtsentscheidung, BVerfGE 45, S.  187, 246: „[Das Rechtsstaatsprinzip] gehört zu den Leitideen [der verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland]; das ergibt sich aus einer Zusammenschau der Bestimmungen des Art.  20 Abs.  3 über die Bindung der Einzelgewalten und der Art.  1 Abs.  3, 19 Abs.  4, 28 Abs.  1 Satz 1 GG sowie aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes. Zwar enthält dieses Prinzip nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts […] keine für jeden Sachverhalt in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang; [das Rechtsstaatsprinzip] bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten, […]“. 9 Siehe hierzu ausführlich Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  210, Art.  20 GG (Rechtsstaatsprinzip), Rn.  39; Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  20, Rn.  138–199. 8 

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

– der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung und ihre verfassungsgerichtliche Kontrolle gemäß Art.  1 (3) und 20 (3) GG; – der Orientierung staatlichen Handels an der Idee materieller Gerechtigkeit.10 Dabei nimmt insbesondere die ältere Literatur bei dem Rechtsstaatsprinzip eine Unterteilung in formelle und materielle Anforderungen vor.11 Unter die formellen Aspekte des Rechtsstaatsprinzips, die unabhängig von spezifischen Inhalten gelten, fallen danach zum Beispiel der Vorrang der Verfassung, die Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung mit dem Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, Gewaltenteilung, das Willkürverbot, die Staatsunrechtshaftung, der Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte und die Rechtssicherheit.12 Weitere Aspekte des Rechtsstaatsprinzips werden dem materiellen Rechtsstaatsprinzip zugeordnet. Diese stehen im Zusammenhang zur Idee der Gerechtigkeit.13 Zum materiellen Rechtsstaatsprinzip wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Verfassungsbindung des Gesetzgebers, die Wahrung der grundrechtlichen Freiheit und Gleichheit sowie die Menschenwürde gezählt.14 Eine umfassende Unterscheidung des Rechtsstaatsprinzips in formelle und materielle Aspekte ist allerdings weder systematisch vollkommen exakt durchführbar noch juristisch aussagekräftig.15 Sie ist vielmehr historisch bedingt. Die materiellen Aspekte sind historisch betrachtet zusätzlich zu jenen formellen Rechtsstaatsprinzipien hinzugetreten, die schon zur Geltung gelangt waren, als in Deutschland der demokratische Verfassungsstaat westlichen Typs verfassungsrechtlich noch nicht etabliert war (vor dem Jahre 1918, zur Zeit des deutschen Kaiserreichs16). Die für diese Arbeit bedeutsamen Aspekte der Rechtssicherheit und der unabhängigen Gerichte bzw. Unabhängigkeit neutraler Richter als Konkretisierung 10  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  210, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  39. 11  So zum Beispiel Bäumlin, Die rechtsstaatliche Demokratie, S.  43 ff., 49 ff., 60 ff.; Breuer, Konkretisierungen des Rechtsstaat- und Demokratiegebotes, in: FG BVerwG, S.  223, 229 ff.; Huber, Rechtsstaat und Sozialstaat in der modernen Industriegesellschaft, in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S.  589, 593 ff. 12  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  213, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  46. 13  So zum Beispiel in der BVerfGE 20, S.  323, 331; 52, S.  131, 144 f.; 70, S.  297, 308. 14  Siehe hierzu Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  213, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  47. 15  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  213, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  48; Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  20, Rn.  146.1. 16  Siehe hierzu ausführlich Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  195, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  12 ff.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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des Rechtsstaatsprinzips sind den formellen Rechtsstaatsprinzipien zuzuordnen. Die Akzeptanz und das Vertrauen in die formellen Aspekte des Rechtsstaatsprinzips mit der in dieser Arbeit vorgenommenen Konkretisierung gehören zu den Grundvoraussetzungen für den demokratischen Verfassungsstaat und seiner Legitimität.17 Sie schaffen zusätzlich eine Distanz zur Unmittelbarkeit privater Interessen und politischer Gestaltungsabsichten.18 Rechtsstaatsprinzipien mit ihren Handlungsformen und Verfahrensregeln als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Formgebots verhindern Willkür und gewährleisten zugleich Verlässlichkeit, Vorhersehbarkeit und die rationale Umsetzung demokratischer Entscheidungen.19 Da sich diese Arbeit auf die sogenannten rein formalen Aspekte der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten konzentriert und die Rechtssicherheit sowie die Unabhängigkeit neutraler Richter selbst die formalen Aspekte des Rechtsstaatsprinzips umfasst, soll die Definition dieser beiden Aspekte für den Zweck dieser Untersuchung genügen. Darüber hinaus dient die Konkretisierung auf bestimmte Aspekte des Rechtsstaatsprinzips auch dazu, die Debatte darüber zu umgehen, ob materielle Gerechtigkeitsbegriffe in den Begriff der Rechtsstaatlichkeit auf­ genommen werden sollten – oder eben nicht. Die Verwendung einer breiteren Definition des Begriffs des Rechtsstaatsprinzips – einer, die materielle Gerechtigkeitsbegriffe einschließt – würde zudem unweigerlich dazu führen, dass der Untersuchungsmaßstab für diese Arbeit, d. h. das Rechtsstaatsprinzip, zu weit ausgedehnt wird. 1. Die Rechtssicherheit als konkretisierter Aspekt des Rechtsstaatsprinzips Die Rechtssicherheit als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips verlangt im objektiven Sinne ein Mindestmaß an Kontinuität des Rechts und seiner Anwendung, um die „Verlässlichkeit der Rechtsordnung“20 zu erhalten.21 Subjektiv betrachtet bedeu17 Vgl. Böckenförde, Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs (1969), in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S.  143, 166; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  213, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  49. 18  Kloepfer, Gesetzgebung im Rechtsstaat, in: VVDStRL, Bd.  40 (1982), S.  63, 65; Sobata, Das Prinzip Rechtsstaat, S.  192 f., 507. 19  Breuer, Konkretisierungen des Rechtsstaat- und Demokratiegebotes, in: FG BVerwG, S.  223, 228 f. Zum rechtsstaatlichen Formgebot siehe Frankenberg, in: AK-GG, Art.  20, Abs.  1–3 IV (2001), Rn.  34, im Anschluss an Hesse, Der Rechtsstaat im Verfassungssystem des Grundgesetzes, in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, 1968, S.  557, 560; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, Kap.  2, Rn.  2. 20  So BVerfGE, 60, S.  253, 268; 105, S.  48, 57, Rn.  36; 109, S.  133, 180, Rn.  171; 132, 302, 317, Rn.  41; siehe auch Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, S.  347 ff., 455 ff; Sobata, Das Prinzip Rechtsstaat, S.  162 ff. 21  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  255, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  146.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

tet Rechtssicherheit in erster Linie Vertrauensschutz.22 Denn „[d]aß das Recht sicher sei, daß es nicht heute und hier so, morgen und dort anders ausgelegt und angewandt werde, ist zugleich eine Forderung der Gerechtigkeit“.23 Zur Gewährleistung von Kontinuität des Rechts und seiner einheitlichen Anwendung sowie des Vertrauensschutzes dient als wesentlicher Bestandteil der Rechtssicherheit der Grundsatz der ausreichenden Bestimmtheit von Gesetzen.24 Danach sollen gesetzliche Tatbestände so präzise formuliert werden, dass die Folgen der Regelung für den Normanwender voraussehbar und berechenbar sind und er sein Handeln danach kalkulieren kann.25 Die Rechtssicherheit schützt damit grundsätzlich auch das Vertrauen darauf, dass die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt bleiben.26 Der Grad der Bestimmtheit des Gesetzes hängt von den jeweiligen sachlichen Eigenarten des Regelungsgegenstandes ab: Rechtsvorschriften seien so präzise „zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist“.27 Der Bestimmtheitsgrundsatz schließt damit nicht aus, dass der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet.28 Das gilt auch für die Zulässigkeit von Generalklauseln, solange diese mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden können.29 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die generalklauselartige Weite des Wortlauts einer Rechtsnorm zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit über den materiellen Bedeutungsgehalt führen kann, was später in Bezug auf die anwendbaren materiellen Investitionsschutzvorschriften der BITs und MITs in der Investor-StaatSchieds­gerichtsbarkeit noch aufgezeigt werden soll.30 22  So BVerfGE, 18, S.  429, 439; 132, S.  302, 317, Rn.  41; 134, S.  33, S.  59 f., Rn.  67; Leis­ ner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S.  462 ff. 23  Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: SJZ (1946), S.  105, 107. 24  BVerfGE 49, S.  168, 181; 59, S.  104, 114; 62, S.  169, 183; 80, S.  103, 107; Kunig, in: Jura (1990), S.  495, 495; zur Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit von Gesetzen siehe BVerfGE 31, S.  255, 264; 84, S.  133, 149; 131, S.  88, 123, Rn.  102; 134, S.  141, 184, Rn.  126; Der Bestimmtheitsgrundsatz wird mitunter in Art.  20 III GG verankert, so BVerfGE, 86, S.  288, 311. 25  BVerfGE 31, S.  255, 264; 92, S.  196, 207; 96, S.  110, 111. 26  BVerfGE 63, S.  215, 223 f. 27  So etwa BVerfGE 61, 49, S.  168, 181; 59, S.  104, 114; 102, S.  254, 337, Rn.  350; 134, S.  141, 184 Rn.  126. 28  BVerfGE 118, S.  168, 188, Rn.  100; 133, S.  277, S.  355 f.; Ausführlich dazu auch Middel­ schulte, Unbestimmte Rechtsbegriffe und das Bestimmtheitsgebot, S.  123 ff. 29  BVerfGE, 119, S.  394, 416, Rn.  68 f.; 131, S.  316, 343, Rn.  76; BVerwG, Urt. v. 19.03.2013 – 5 C 16/12 = NJW (2013), S.  1832, 1833. 30  So sind die Investitionsschutzvorschriften insbesondere in BITs und MITs überwiegend als Generalklauseln zu klassifizieren. Zu nennen sei nur der „Grundsatz gerechter und billiger Behandlung“ oder das „Verbot indirekter Enteignung“. Siehe hierzu ausführlich 1. Kapitel B II 2 c.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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Neben der Kontinuität des Rechts bedeutet Rechtssicherheit zudem, dass Gerichte das Recht auch einheitlich anwenden sollen.31 Die Gewährleistung einer einheitlichen Gesetzespraxis ist deshalb eine legitime richterliche Aufgabe und stellt nach dem Rechtsstaatsprinzip eine Pflicht dar32, solange diese lege artis erreicht wird.33 Die Entscheidungen der Gerichte sind im besonderen Maße auf Beständigkeit angewiesen, damit im Sinne der Rechtssicherheit eine dauerhafte Sicherung des Rechtsfriedens insbesondere nach einem Rechtsstreit erlangt werden kann.34 Daraus folgt allerdings kein Schutz gegen Änderungen der Rechtsprechung.35 Diese ist zumindest dann zulässig, wenn sie sich im Rahmen der vorhersehbaren Entwicklung bewegt oder wenn die Gerichte die Änderung hinreichend begründen.36 Die richterliche Rechtsauslegung hat in diesem Sinne natürlich auch ihre Grenzen, vor allem in der unzulässigen richterlichen Rechtsfortbildung.37 Ein Gericht darf sich deswegen nicht aus der Rolle des auslegenden Normanwenders heraus bewegen, quasi rechtssetzende Funktionen ausüben und damit in eklatanter Weise (insbesondere im Falle unzulässiger Rechtsfortbildung) gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstoßen.38 Denn eine Entscheidung, die sich zu weit vom einschlägigen Gesetzesrecht entfernt, widerspricht der Rechtssicher-

31 Vgl.

Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, S.  210, Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  39. 32  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd II, Art.  20 GG (Rechtsstaat), S.  210, Rn.  102; Ulber, Die Rechtsprechung des BVerfGs zur Zulässigkeit und Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung im Zivilrecht, in: EuGRZ (2012), S.  365, 366 f.; Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, in: NJW (2014), S.  2407, 2408. 33  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd II, Art.  20 GG (Rechtsstaat), S.  210, Rn.  102. 34  Vgl. BVerfGE 47, S.  146, 159 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  20 VII. Rn.  101; Schmidt-Aßmann, HStR, Bd.  II, §  26 Rn.  82. 35  Vgl. BVerfGE 84, S.  212, 227 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  20 VII. Rn.  106. 36  Vgl. BVerfGE 84, S.  212, 227 ff.; BVerfGK 4, S.  12, 15; Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  20 VII. Rn.  106; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S.  246 ff.; Riggert, Die Selbstbindung der Rechtsprechung durch den allgemeinen Gleichheitssatz, 1993, S.  42 ff. 37  Siehe zur richterlichen Rechtsfortbildung ausführlich Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, S.  10 ff.; Wolf, Welche Rolle spielen (gerichtliche und schiedsgerichtliche) Präjudizien in Verfahren vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten?, in: Wilhelmi/Stürner (Hrsg.), Post- M & A -Schiedsverfahren, S.  89 ff. 38  Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  2 (1) Rn.  68; Siehe zur unzulässigen Rechtsfortbildung BVerfGE 34, S.  269, 286 ff.; 49, S.  304, 317 ff.; 57, S.  220, 248; 59, S.  330, 334; 82, S.  6, 11 ff.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

heit und damit dem Rechtsstaatsprinzip.39 Auch Subsumtionsfehler werden bei der Anwendung des relevanten materiellen Rechts durch das Gericht am Maßstab der absoluten Grenze richterlicher Entscheidungsbefugnis an der Rechtssicherheit gemessen.40 Ebenso die Beständigkeit rechtskräftiger Entscheidungen.41 2. Die Unabhängigkeit neutraler Richter als Kern des Rechtsstaatsprinzips Die in Art.  97 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit gilt als Kern des Rechtsstaatsprinzips, gewährleistet die Unabhängigkeit der Rechtsprechung und ist in der Bundesrepublik für die rechtsprechende (dritte) Gewalt konstitutiv.42 Erst durch die Gewährleistung bzw. die Garantie der Unabhängigkeit entsprechen die mit Richtern besetzten Gerichte dem Rechtsstaatsprinzip.43 Die richterliche Unabhängigkeit stellt eine funktionsbezogene Gewährleistung des Freiraums dar, dessen der Richter zur sachgerechten Erfüllung der ihm gestellten Rechtsprechungsaufgabe bedarf.44 Als besonders gesicherte ethische Anforderung dient sie insbesondere dem Gemeinwohlinteresse an einer unparteiischen Rechtsprechung.45 Dazu stellt die Verbürgung zur Unabhängigkeit einen aufga39  Vgl. BVerfGE 82, S.  6, 12; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  2 (1) Rn.  68. 40  Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  2 (1) Rn.  68. 41  Siehe hierzu BVerfGE 2, S.  380, 403 ff., „Mit der Gewährleistung der Rechtssicherheit ist es unverträglich, daß Akte der Staatsgewalt, die wie die Haftentschädigungsbeschlüsse in Nordrhein-Westfalen aufgrund eines gültigen Gesetzes in einem gerichtsähnlichen Verfahren zustande gekommen sind, an dem der Staat und der Einzelne als Parteien beteiligt waren, und die dem Einzelnen aufgrund eines abgeschlossenen Tatbestandes vorbehaltlos eine bestimmte Rechtsposition verliehen haben, nur wegen eines Wandels der Rechtsauffassung wieder beseitigt werden“. 42  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  1; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  97, Rn.  1; Die in Art.  97 GG verankerte Unabhängigkeit neutraler Richter auf nationaler Ebene findet auch auf internationaler Ebene in verschiedenen Normen ihre rechtliche Grundlage. Eine gesetzliche Konkretisierung der Unabhängigkeit neutraler Richter zeigt sich beispielsweise in Art.  6 (1) S.  1 EMRK, der die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts fordert. Im Rahmen der EMRK wird dabei unter der Unabhängigkeit die Emanzipation von Exekutive, Legislative und politischen Parteien verstanden, während die Unparteilichkeit die subjektive richterliche Einstellung beschreibt. Siehe hierzu Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, Art.  6, Rn.  204 und 213. 43  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  1; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  97, Rn.  1. 44  Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, 2006, S.  193, Fn.  467. 45  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  4.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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benbezogenen Schutz gegen Eingriffe in die Rechtsprechung des einzelnen Richters sowie ganzer Spruchkörper dar.46 Diesbezüglich wirkt sie in erster Linie als Abwehrrecht gegen exekutive Einflussnahmen auf die Entscheidungsfindung der Richter sowie auch gegen justizinterne Einflussnahmen.47 Einzelweisungen und generelle Weisungen der Regierung oder Verwaltung an die Gerichte sind unzulässig.48 Auch Leitlinien für die rechtsprechende Aufgabe der Richter, in Form von Verwaltungsvorschriften, darf die Exekutive den Richtern nicht vorschreiben (zum Beispiel die Auslegung eines bestimmten Tatbestandsmerkmals irgendeiner Norm).49 Gegenüber einem politischen, ideellen oder privaten Druck, der von Prozessparteien oder gesellschaftlichen Kräften ausgeübt wird, muss sich ein Richter grundsätzlich selbst distanzieren.50 Deswegen gehört es unter dem Rechtsstaatsprinzips auch zu den Pflichten des Richters, sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt kritisch mit einer möglichen Befangenheit oder Abhängigkeit seinerseits auseinanderzusetzen, damit an seiner neutralen Rechtsprechung keine Zweifel aufkommen.51 Zur Sicherung ebendieser Unparteilichkeit und Unabhängigkeit dienen Verhaltenskodizes oder Amtsausübungsordnungen, die nicht nur im In­ teresse der Verfahrensbeteiligten sind.52 Sie bewahren den Richter auch im Sinne eines Schutzes vor sich selbst und möglichen Interessenkonflikten, die außerhalb seiner Kontrolle liegen können.53 Diesbezüglich muss gesetzlich auch die Möglichkeit geregelt sein, einen Richter aus Gründen der Befangenheit im Vorfeld der Entscheidungsfindung ablehnen zu können, was wiederum dazu dient, dass an der Befähigung des Richters zu neutraler und unparteilicher Rechtsprechungstätigkeit keine Zweifel auf46  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  4. 47  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  75.; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  97, Rn.  10. 48  St. Rspr., vgl. BVerfGE 14, S.  56, 69; 26, S.  186, 198; 27, S.  312, 322; 31, S.  137, 140; 36, S.  174, 185; 60, S.  175, 214. 49  BVerfGE, 26, S.  79, 92 ff.; 55, S.  372, 389. 50  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  93; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  97, Rn.  13. 51 Vgl. Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  97, Rn.  13. 52  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  93; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 52. Ed. 15.08.2022, Art.  97, Rn.  13. 53  Hillgruber in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97, Rn.  93.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

kommen sowie das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richters nicht gefährdet wird.54 Die prozessual festgelegte Höhe des Unbefangenheitsmaßstabs sowie der Maßstab der Intensität an eine nötige Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, um diese beim betroffenen Richter in Zweifel ziehen zu können, bilden einen Faktor, mit dem die Einhaltung der Anforderungen an das Rechtsstaatsprinzip bestimmt werden kann. Ein zu eng formulierter bzw. zu hoch gesetzter Maßstab für die Beweislast, dass Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bestehen, würde diesbezüglich zu rechtsstaatlich inakzeptablen Ergebnissen führen.55 Das kann bereits das Verlangen eines konkreten Beweises für die Voreingenommenheit des Richters darstellen. In einem extraordinären Szenario wären dann nur noch besondere Ausnahmefälle tauglich, um Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.56 Es lässt sich damit festhalten, dass der Aspekt der Unabhängigkeit neutraler Richter des Rechtsstaatsprinzips fordert, dass der streitentscheidende Spruchkörper ein unbeteiligter und neutraler Dritter ist, der sachlich und persönlich, innerlich wie äußerlich unabhängig, unparteilich, unbefangen und unvoreingenommen ist und seine Tätigkeit organisatorisch selbstständig ausführen muss sowie bei berechtigten Zweifeln dieser Anforderungen die Möglichkeit bestehen muss, den Richter abzulehnen oder auszuschließen.57 Für diese Untersuchung soll im Folgenden der Übersichtlichkeit und als Ausgangspunkt dienend, aber auch um die Besonderheiten der jeweiligen gesetzlich verankerten Anforderungen aufzuzeigen, die Unabhängigkeit des Richters im staatlichen Gerichtsverfahren (a.) sowie des Schiedsrichters im Schiedsgerichtsverfahren (b.) näher erläutert werden. a) Die Unabhängigkeit des Richters im staatlichen Gerichtsverfahren Die richterliche Unabhängigkeit dient in der Streitbeilegung vor allem der Findung von Wahrheit und Gerechtigkeit, frei von sachfremden und störenden Ein54 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  210, S.  643, Rn.  47. 55 Vgl. Park, Arbitrator Integrity: The Transient and the Permanent, in: SDLR, Bd.  46 (3) (2009), S.  629, 660; Park, Investment Claims and Arbitrator Comportment, in: A Liber Amicorum: Thomas Wälde – Law Beyond Conventional Thought, 2009, S.  183, 188. 56 Vgl. Froitzheim, Die Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  52, Rn.  122; El-Kosheri/Youssef, Independence of International Arbitrators: An Arbitrators Perspektive, in: ICC (Hrsg.), International Court of Arbitration Bulletin (2007), Special Supplement, S.  43, 46 f. 57  Vgl. BVerfGE 4, S.  331, 334 f.; 21, S.  139, 146; 26, S.  141, 154; 103, S.  111, 140; Eckertz-Höfer, „Vom guten Richter“ – Ethos, Unabhängigkeit, Professionalität, in: DÖV (2009), S.  729, 733 ff.; Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  III, S.  628, Art.  97, Rn.  17 f.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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flüssen und gewährleistet den Beteiligten einen effektiven und wirksamen Rechtsschutz.58 Die in Art.  97 GG geregelte verfassungsrechtliche Garantie regelt die unabhängige Entscheidungsfindung der Rechtsprechung, ausschließlich an Gesetz und Recht gebunden, die frei von jeglichen Einflüssen der Staatsgewalten und außerhalb der Staatsgewalten stehenden Dritten erfolgen soll. Neben der objektiv bestimmbaren Unabhängigkeit des Richters ist dieser auch dazu verpflichtet, eine innere Unabhängigkeit gegenüber den Beteiligten und dem Streitgegenstand zu wahren, die ihm persönlich obliegt und die durch bestimmte einfachgesetzliche Regelungen geschützt sowie ausgestaltet werden muss.59 Zu nennen sind beispielsweise die sitzungspolizeilichen Befugnisse nach §§  176 ff. GVG und der Ausschluss oder die Ablehnung des Richters nach §§  41, 42 ZPO. In klassischer Weise wird zwischen der persönlichen (aa) und sachlichen (bb) Unabhängigkeit sowie der Neutralität des Richters (cc) unterschieden.60 Die Unabhängigkeit neutraler Richter weist zudem eine Art Wechselbeziehung zur Garantie des gesetzlichen Richters nach Art.  101 (1) S.  2 GG auf (dd), die zu gemeinsamen Schnittpunkten führen. Zur Absicherung dieser Attribute ist ein Mechanismus zum Ausschluss oder zur Ablehnung des Richters für den Fall erforderlich, dass dieser seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht gewährleisten kann (ee).61 Zusätzlich dient auch die sogenannte institutionelle Unabhängigkeit des Gerichts der Sicherung der Unabhängigkeit des Richters vor staatlichen Eingriffen, insbesondere vor Eingriffen durch Organe der Exekutive und Legislative nach der Ernennung (ff).62 aa) Die persönliche Unabhängigkeit des Richters Der Richter soll nach der persönlichen Unabhängigkeit dafür Sorge tragen, dass er frei entscheiden kann, weil er nicht gesellschaftsabhängig und unbeteiligt ist. Im Besonderen zielt sie darauf ab, dass der Richter während seiner Amtszeit nicht befürchten muss, aufgrund seiner getroffenen Entscheidung versetzt 58 

Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, §  1, Rn.  2. Vgl. zum Begriff der inneren Unabhängigkeit BGHZ 46, S.  66, 72; Vgl. auch Papier, Die richterliche Unabhängigkeit und ihre Schranken, in: NJW (2001), S.  1089, 1091; Funk, Grenzen der Dienstaufsicht über Richter im Hinblick auf deren verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit, in: DRiZ 1978, S.  357, 360; Schilken, Die Sicherung der Unabhängigkeit der Dritten Gewalt, in: JZ (2006), S.  860, 862. 60  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  629, Rn.  18. Die persönliche Unabhängigkeit des Richters ist in Art.  97 (2) GG geregelt und sichert ergänzend die in Art.  97 (1) GG geregelte sachliche Unabhängigkeit. Siehe hierzu BVerfGE 97, S.  68, 85; 103, S.  111, 140. 61  BVerfGE 21, S.  139, 146; 30, S.  149, 153. 62  Schilken, Die Sicherung der Unabhängigkeit der Dritten Gewalt, in: JZ (2006), S.  860, 860. 59 

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

(Grundsatz der Inamovibilität), entlassen oder verfrüht in den Ruhestand degradiert zu werden.63 Die Konkretisierung des richterlichen Schutzes vor der zuvor angesprochenen Versetzung, Entlassung oder Amtsenthebung findet auch eine gesetzliche Konkretisierung in den §§  21, 30, 31, 32 und 34 DRiG. Der qualifizierte Schutz der persönlichen Unabhängigkeit durch Art.  97 (2) GG ist allerdings nur für hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellte Richter geregelt, womit solche Richter gemeint sind, die keine andere Haupttätigkeit als die des Richters ausüben.64 Damit sind beispielsweise solche Richter gemeint, die nach §  10 DRiG unwiderruflich auf Lebenszeit oder nach §  11 DRiG auf Zeit ernannt sind. Der Anwendungsbereich des Art.  97 (2) GG erstreckt sich gemäß §§  1, 13, 22 und 23 DRiG nicht auf Richter, beispielsweise kraft Auftrags oder Probe, sowie ehrenamtliche Richter.65 bb) Die sachliche Unabhängigkeit des Richters Die sachliche Unabhängigkeit in Art.  97 (1) GG bedeutet Unabhängigkeit von Weisungen und schützt den Richter in einem Rechtsstreit vor Eingriffen durch Dritte in seinem Entscheidungsprozess.66 An den Richter erteilte Weisungen zwecks Einflussnahme auf seine Entscheidungstätigkeiten sollen ihn nicht binden, sondern sind in jeglicher Art unzulässig, wie beispielsweise die Einflussnahme durch Anregungen, durch Befehl, nur durch Bitte oder Ratschläge.67 Im Besonderen darf kein Druck (vor allem in psychologischer Hinsicht68) auf den Richter ausgeübt werden.69 Mit dem Begriff der sachlichen Unabhängigkeit ist aber nicht gemeint, dass ein Richter stets ungeachtet objektiver und subjektiver Einflussfaktoren entscheiden könnte.70 Die Weisungsfreiheit des Richters besteht im Verhältnis zum Dienstvorgesetzten, wie etwa dem Gerichtspräsidenten oder sogar dem Justizminister. Sie besteht aber beispielsweise auch gegenüber der Regierung, der gesetzgebenden 63 

Vgl. BVerfGE 14, S.  56, 70; 26, S.  186, 198 f.; 87, S.  68, 85; Vgl. auch Papier, Die richterliche Unabhängigkeit und ihre Schranken, in: NJW (2001), S.  1089, 1089. 64  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  644, Rn.  49. 65  Siehe hierzu Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  644, Rn.  49. 66  BVerfGE 3, S.  214, 224; 87, S.  68, 85; Grigoleit, Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, S.  33 ff.; Wittrecht, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  177 f. 67  Vgl. BGHZ 46, S.  147, 149; Schilken, Die Sicherung der Unabhängigkeit der Dritten Gewalt, in: JZ (2006), S.  860, 863. 68  BGH, BGH, Urteil vom 28.01.1974 – III ZR 187/71 = DRiZ (1974), S.  163, 163; BGH, Urteil vom 21.04. 1978 – RiZ (R) 4/77 = NJW (1978), S.  2509, 2510. 69  BVerfGE 12, S.  81, 82; 26, S.  79, 93; 32, S.  199, 213. 70  Bilda, Unabhängigkeit des Richters – ein Mythos?, in: JR (2001), S.  89, 90 ff.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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Körperschaft, Mandatsträgern, örtlichen Abgeordneten sowie anderen Stellen und Personen.71 Darüber hinaus gehört auch die Entziehungs- und Verantwortungsfreiheit zur sachlichen Unabhängigkeit des Richters. Erstgenanntes meint die unzulässige Entziehung der Zuständigkeit eines Richters für eine Sache,72 so dass sich hier auch eine Schnittstelle mit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters ergibt.73 Unter der Verantwortungsfreiheit ist eine weitgehende Freiheit von strafrechtlicher, zivilrechtlicher sowie dienstrechtlicher Verantwortung für die richterliche Tätigkeit zu verstehen.74 Die Grenze sachlicher Unabhängigkeit besteht in einer begrenzten Dienstaufsicht gemäß §  26 (1) DRiG, welcher der Richter danach nur untersteht, „soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird“. Die inhaltliche Rechtsprechungstätigkeit ist in ihrem Kernbereich der Dienstaufsicht gänzlich entzogen.75 Eine Mahnung zur dienstlichen Pflichterfüllung ist jedenfalls zulässig, wenn es um Fragen der Sicherung der äußeren Form der Gewährleistung der Amtsgeschäfte oder der Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs geht.76 Sollte eine dienstaufsichtliche Maßnahme aber die Unabhängigkeit des Richters beeinträchtigen, wird seine Unabhängigkeit zusätzlich durch die mögliche Anrufung des Dienstgerichts gemäß §  26 (3) DRIG abgesichert.77 Die Dienstaufsicht darf allerdings nach §  26 (2) DRiG einen Richter dazu auffordern, dass dieser sein Amt ordnungsgemäß und ohne unnötige Verzögerung zu erledigen hat.78 cc) Das richterliche Neutralitätsgebot Das richterliche Neutralitätsgebot ist ebenfalls in Art.  101 (1) S.  2 GG und Art.  92, 97 GG verfassungsrechtlich geregelt.79 Das Neutralitätsgebot bzw. die 71  Siehe

hierzu ausführlich Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  630 ff. 72 Vgl. Eickmann, Die Dritte Gewalt – Begriff und Wirklichkeit, in: Rpfleger, Bd.  84 (1976), S.  153, 158. 73  Vgl. BVerfGE 23, S.  321, 325; 27, S.  312, 319; 30, S.  149, 153. 74  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  630, Rn.  19. 75  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  635, Rn.  33; Schütz, Der ökonomisierte Richter, S.  191. 76  BGHZ 90, S.  41, 45; Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S.  417 ff.; Scheuer, Dienstaufsicht und richterliche Unabhängigkeit, in: FS Wagner, 2013, S.  191 ff. 77  Vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2001 – RiZ(R) 5/00 = NJW (2002), S.  359, 359 ff. Arndt/ Fürst, Rechtsschutzfragen zur Dienstaufsicht über Richter, in: FS Zeidler, 1987, S.  175, 175. 78  §  226 (2) DRiG. 79 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  97, S.  715 f., Rn.  27.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

Unparteilichkeit des Richters setzt zur Garantie der Objektivität der Rechtsprechung voraus, dass der Streitentscheidende eine am Streit unbeteiligte dritte Person ist, die eine Distanz zu den Parteien und dem Streitgegenstand vorweist und einhält.80 Der Richter bzw. die streitentscheidende Person ist nicht am Streit beteiligt, wenn weder ein unmittelbares noch mittelbares eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens besteht.81 Auch ein Ausschluss von Interessen- und Pflichtenkollisionen des Richters zu den Streitparteien und dem Streitgegenstand soll durch die Neutralität des Richters gewährleistet werden.82 Insoweit ist ein Richter befangen, wenn er parteiisch oder voreingenommen ist.83 Es handelt sich also um eine zu bewertende innere Einstellung des Richters zu den Parteien und/oder dem Streitgegenstand.84 Zur Bestimmung der Befangenheit ist auf die Sicht eines vernünftigen und objektiv urteilenden Prozessbeteiligten in der Position des Ablehnungsbegehrenden abzustellen.85 Dabei ist eine tatsächliche Befangenheit des Richters nicht entscheidend. Das Vorliegen von Tatsachen, die in dem konkreten Fall dazu geeignet sind, um auf eine Befangenheit schließen zu lassen, sind ausreichend. Die reine Befürchtung bzw. das reine Misstrauen reichen dagegen nicht aus, sondern es ist ein „gegenständlicher, vernünftiger Grund“86 erforderlich. dd) Der gesetzliche Richter gemäß Art.  101 (2) S.  2 GG Der Grundsatz des gesetzlichen Richters in Art.  101 GG ist als eine Norm für die Gerichtsorganisation87 sowie als Ausprägung des rechtsstaatlichen Gebotes zur

80 Vgl.

Stackmann, in: MüKO ZPO, Bd.  1, §  41 ZPO, Rn.  1. Heyde, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, §  33, Rn.  77. 82  Vgl. BVerfGE 21, S.  139, 146; 103, S.  111, 140; Heyde, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, §  33, Rn.  77; Siehe hierzu auch Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG – Kommentar zum Grundgesetz, Art.  92 GG, Rn.  33. 83  Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters – Befangenheit und Parteilichkeit – im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht, S.  86; Vgl. auch Stackmann, in: MüKO ZPO, Bd.  1, §  42 ZPO, Rn.  4. 84  Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, S.  86. 85  BVerfG, Beschluss vom 12.07.2000 – 2 BvF 1/00 = NJW (2000), S.  2808, 2809; BVerfG, Beschluss vom 02.12.1992 – 1 BvR 1213/85 = NJW (1993), S.  2231, 2231; OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.1998 – 13 Sbd Abl = NJW-RR (1999), S.  1291, 1291; VGH Mannheim, Beschluss vom 24.07.1985 – 5 S 1616/85 = NJW (1986), S.  2068, 2068. 86  Stackmann, in: MüKO ZPO, Bd.  1, §  42 ZPO, Rn.  4. 87  BVerfGE 27, S.  355, 362; 40, S.  356, 361; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, Art.  101, Rn.  1 f.; Grupp, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, Art.  101, Rn.  44. 81 

A. Das Rechtsstaatsprinzip

39

Rechtssicherheit88 und zur Objektivität89 bzw. Neutralität der Rechtsprechung zu verstehen. Der zentrale Schutzzweck der Garantie des gesetzlichen Richters liegt in der Unterbindung von Eingriffen Unbefugter (insbesondere durch Legislativ- und Exekutivorgane) in die Rechtspflege und dem Schutz des Vertrauens Rechtsuchender und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte.90 Eine Entscheidung soll nicht durch eine einzelfallbezogene Richterauswahl sowie durch Verdrängung, Vertauschung oder Auswechselung des Richters beeinflusst werden können.91 Die Besetzung des Gerichts richtet sich in der Bundesrepublik Deutschland nach dem GVG und dem jeweiligen Verfahrensrecht. Nur der Richter, der für das jeweilige Verfahren nach dem Gerichtsverteilungsplan zugeordnet wurde, kann als Folge gesetzlicher Richter im Sinne des Art.  101 (1) S.  2 GG sein.92 Zudem kann gesetzlicher Richter gemäß Art.  101 (1) S.  2 GG nur jemand sein, der die Grundrechtsanforderungen nach Art.  92 und 97 GG in jeglicher Hinsicht erfüllen kann und dessen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleistet ist.93 Dementsprechend entfaltet der Regelungsgehalt von Art.  101 GG seine Wirkung in zwei Dimensionen: In verfahrensrechtlicher Hinsicht gewährleistet Art.  101 (1) S.  2 GG den gesetzlich festgelegten Richter, d. h. den nach allgemeinen Vorschriften der Gesetze und des gerichtlichen Geschäftsverteilungsplans bestimmbaren Richter.94 In materiell-rechtlicher Hinsicht wird der dem Gesetz gemäße Richter gewährleistet, also die in der Person des Richters vereinigende Unabhängigkeit und Neutralität.95 Sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materieller Hinsicht verwirklicht sich die nach dem Rechtsstaatsprinzip geforderte Funktion des gerichtlichen Verfahrens und der gerichtlichen Organisation.96

88 

BVerfGE 20, S.  336, 344. BVerfGE 82, S.  159, 194. 90  Vgl. BVerfGE 4, S.  414 (416); BVerfG (K), in: NJW (1992), S.  2075, 2075; Vgl. auch Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Bd.  2, Art.  101, Rn.  2; Träger, Der gesetzliche Richter, in: FS Zeidler, 1987, S.  123, 124 ff., 137 ff. 91  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  101, S.  710, Rn.  14. 92  BVerfGE 95, S.  322, 328. 93  Vgl. BVerfGE 10, S.  200, 213; 14, S.  156, 161 f.; 82, S.  286, 298. 94  Degenhart, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art.  101, Rn.  2; Träger, Der gesetzliche Richter, in: FS Zeidler, 1987, S.  123, 124 ff. 95  Degenhart, in: Sachs, Grundgesetzkommentar, Art.  101, Rn.  2; Träger, Der gesetzliche Richter, in: FS Zeidler, 1987, S.  123, 124 ff. 96  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  101, S.  710, Rn.  15. 89 

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

ee) Der Ausschluss und die Ablehnung des Richters bei mangelnder Gewährleistung des Neutralitätsgebotes und der Unabhängigkeit Zur Absicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters muss das Gesetz Regelungen normieren, die bei Zweifeln die Ablehnung oder den Ausschluss des Richters vom Verfahren (egal welcher Verfahrensart) ermöglichen.97 Beispielsweise finden sich Ausschluss- und Ablehnungsregelungen in den §§  41 und 42 ZPO für das zivilprozessuale Verfahren zu Umständen, die eine Befangenheit des Richters darstellen und die allgemein eine besondere Bedeutung einnehmen, weil sich im zivilprozessualen Verfahren mindestens zwei Parteien gegenüberstehen.98 Insoweit sind in §  41 ZPO Ausschließungsgründe der Amtsausübung des Richters geregelt, die kraft Gesetzes gelten und deshalb von Amts wegen zu beachten sind sowie zur zwingenden Disqualifikation in dem konkreten Verfahren führen.99 Dazu gehören familien- und personenbezogene Gründe, die Sachnähe oder Vorbefassung der Sache (z. B. durch die vorherige Vernehmung als Zeuge und Sachverständiger oder außergerichtliche Konfliktbeilegung) sowie ein überlanges Verfahren. Dagegen stellen die in §  42 ZPO geregelten Ablehnungsgründe, welche die in §  41 ZPO geregelten Ausschlussgründe ergänzen, keine zwingenden Ausschlussgründe dar, sondern müssen durch einen formellen Ablehnungsantrag seitens der Parteien geltend gemacht werden.100 Die Ablehnung des Richters nach §  42 (1) ZPO ist geboten, „wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen“,101 wobei hierfür wiederum die Liste in §  41 ZPO Anhaltspunkte für einen entsprechenden (Befangenheits-) Grund liefert. Ist ein Richter nach §  41 ZPO kraft Gesetzes von seiner Amtsausübung ausgeschlossen, tritt der geschäftsplanmäßige Vertreter an seine Stelle.102 Die Gründe wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß §  42 ZPO müssen in einem Ablehnungsverfahren von der ablehnenden Partei glaubhaft gemacht werden. Das Verfahren richtet sich nach den §§  43–48 ZPO, wonach beispielsweise die weitere Verhandlung ausgesetzt wird, bis über das Ablehnungsgesuch entschieden wurde. Ist das Ablehnungsbegehren erfolgreich, steht der abgelehnte Richter dem ausgeschlossenen Richter ab dem Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung gleich. 97 

Vgl. BVerfGE, 21, S.  139, 146; 30, 149, 153; Vgl. auch Stackmann, in: MüKO ZPO, Bd.  1, §  41 ZPO, Rn.  4. 98  Eine entsprechende Regelung findet sich zum Beispiel auch in §  54 (1) VwGO i. V. m. §§  41, 42 ZPO und §§  22, 24 StPO. 99  Stackmann, in: MüKO ZPO, Bd.  1, §  41 ZPO, Rn.  3. 100  Stackmann, in: MüKO ZPO, Bd.  1, §  41 ZPO, Rn.  3. 101  §  42 (2) ZPO. 102  Siehe hierzu §§  21e (1) S.  1, 21f (2), 21g (4) GVG.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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ff) Die institutionelle Unabhängigkeit Schließlich ist die institutionelle Unabhängigkeit des Gerichts gesetzlich geregelt. Grund dafür ist insbesondere der Einfluss auf die Ernennung der Richter und die damit einhergehende mangelnde demokratische Rückkoppelung (1) sowie die Unterbindung des Einflusses von Organen der Exekutive und Legislative auf die Richter nach deren Ernennung (2). (1) Die demokratische Rückkoppelung und Legitimation der Rechtsprechung Ausgehend von dem Modell des Bundesverfassungsgerichts „Demokratie an der Legitimationskette“ besteht die Legitimationsbedürftigkeit aller Staatsgewalt.103 Die Ausübung muss in jeder Form auf den Willen des Volkes als Legitimationssubjekt zurückgeführt werden können und diesem muss auch ein Einfluss auf das hoheitliche Handeln eingeräumt worden sein, um ein ausreichendes Legitimationsniveau hoheitlichen Handelns zu erreichen.104 Nur ausnahmsweise geschieht diese Zurechnung in der Gestalt von Wahlen und Abstimmungen.105 Überwiegend wird die Herrschaft des Volkes durch besondere Organe der Judikative, Exekutive und Legislative ausgeübt.106 Nach der sogenannten (organisatorisch-)personellen Legitimation vollzieht sich das erforderliche Legitimationsniveau durch eine ununterbrochene Abfolge von Berufungsakten, die beim Souverän ihr Ende findet.107 Eine ideale demokratische Rückkoppelung würde insbesondere bestehen, wenn der entsprechende Amtswalter über die Kette Volk – Parlament – Regierung demokratisch legitimiert würde.108 Dabei liegt das Ende der demokratischen Kette jeder Berufung von Amtswaltern aber jeweils bei den Ressortministern der Regierung, so dass Wahlakte von Amtswaltern innerhalb einer bereits eingerichteten Institution kei103  Definiert als alles staatliche Handeln mit Entscheidungscharakter: BVerfGE 47, S: 253, 273; 77, S.  1, 40. 104  BVerfGE 77, S.  1, 40; 83, S.  60, 73. Damit soll dem Prinzip der Volkssouveränität im Sinne des Art.  20 (2) S.  1 GG genüge getan werden, welches Teil des änderungsfesten Kernbereichs der Verfassung ist (Art.  79 (3) GG) und welches besagt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. 105  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 (Demokratie), Rn.  87, 88 ff. 106  Vgl. den Wortlaut von Art.  20 (2) GG. 107  BVerfGE 47, S.  253, 275 f.; 68, S.  1, 88; Siehe auch Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  116 f. 108 Siehe Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  117: „idealtypisch spannt sich die vielzitierte ‚Legitimationskette‘ von dem unmittelbar vom Volk gewählten Parlament über die Kür des Kanzlers oder Ministerpräsidenten, die in dessen Hände gelegte Berufung der Minister bis hin zu der von diesen verantworteten Ernennungen der einzelnen Amtswalter vor Ort.“ Vgl. auch BVerfGE 47, S.  253, 275 f.; 68, S.  1, 88.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

ne demokratische Legitimation stiften, sondern allenfalls innerbehördliche Abläufe „legitimieren“ würden.109 Dem folgend müsste aber jeder Amtswalter durch einen anderen berufenen Amtswalter eingesetzt oder bestätigt werden, damit sich von jedem eine geschlossene Kette individueller Berufungsakte bis auf das Volk als Träger der Staatsgewalt zurückführen lässt.110 Insoweit ist auch der Richterspruch als Ausübung hoheitlicher Gewalt zu verstehen.111 Daher muss dieser auf den Volkswillen zurückgeführt werden können, um demokratisch legitimiert zu sein.112 Nach Art.  95 (2) GG entscheidet über die Berufung der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes der zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss. Der Richterwahl­ ausschuss besteht je zur Hälfte aus Landesministern bzw. Senatoren sowie Mitgliedern, die vom Bundestag gewählt werden, wobei es sich momentan bei Letzteren ausschließlich um Abgeordnete handelt.113 Insoweit wird dabei kritisiert, dass die reine politische Besetzung des Gremiums de facto dazu führe, dass niemand als Bundesrichter zum Zuge komme, der keine Kontakte zu einer der potenziell mehrheitsfähigen Parteien habe.114 Nicht zu verkennen ist auch der Einfluss der Exekutive auf die Personalentscheidungen der Justiz.115 So stellt auf Landesebene die jeweilige Landesjustizverwaltung die Richter auf Lebenszeit ein.116 Dadurch kann nach dem jetzigen System ein Richter seine demokratische 109 

Lütgens, Das Selbstverwaltungsprojekt der Dritten Gewalt, in: ZRP (2009), S.  82, 83. Lütgens, Das Selbstverwaltungsprojekt der Dritten Gewalt, in: ZRP (2009), S.  82, 83, dabei sei der Begriff des Amtes auch nicht einheitlich, sondern nach den Staatsfunktionen getrennt zu verstehen, was auch das Richteramt (Judikative) miteinschließe. 111  Vgl. Art.  20 (2) GG. 112  Insbesondere die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland entscheiden grundsätzlich „im Namen des Volkes“ und reklamieren damit unmittelbarer als die Organe der anderen Staatsgewalten die Rückführung ihres hoheitlichen Tuns auf den Willen des Souveräns, siehe Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  114. 113  Siehe zur Besetzung des Richterausschusses die Internetseite des Bundestages, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/49007063_kw05_gre mienwahl-215282 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 114  Groß, Die institutionelle Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland – ein Defizitbefund, in: VerfBlog (06.06.2019), online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/die-institutionelleunabhaengigkeit-der-justiz-in-deutschland-ein-defizitbefund/ (zuletzt abgerufen am 11.08.2019); Siehe auch Langguth, Sind die Parteien zu mächtig?, in: Die Welt (29.02.2000), online abrufbar unter: https://www.welt.de/print-welt/article504693/Sind-die-Parteien-zumaechtig.html (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 115  Siehe hierzu Groß, Die institutionelle Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland – ein Defizitbefund, in: VerfBlog (06.06.2019), online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/ die-institutionelle-unabhaengigkeit-der-justiz-in-deutschland-ein-defizitbefund/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022) 116  Beispielsweise ist in Bayern das Justizministerium für die Einstellung von Richtern zuständig (Art.  12 BayRiStAG) und in Nordrhein-Westfalen entscheiden die Oberlandesgerichte 110 

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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Legitimation erst auf der fünften Stufe vorweisen, die damit sehr gering ausfällt oder sogar nur eine Legitimation innerbehördlicher Abläufe darstellt, weswegen beim Richter auch von mangelnder demokratischer Rückkoppelung gesprochen wird117: Volk wählt Parlament – Parlament wählt Ministerpräsident – Ministerpräsident wählt Justizminister – Justizminister wählt Personalreferenten – Personalreferent wählt Richter aus. (2) Die Unterbindung des Einflusses der Exekutive und Legislative auf den Richter nach seiner Ernennung Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund sollen Inkompatibilitätsregeln sowie durch eine Selbstverwaltung der Judikative der Einfluss von Organen der Legislative oder der Exekutive nach der Ernennung des Richters unterbunden werden.118 Die aufgrund dessen gesetzlich geregelte institutionelle Unabhängigkeit wird durch den Grundsatz der Inkompatibilität und der richterlichen Selbstverwaltung abgesichert und lässt sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ableiten:119 „Nur wenn die Gerichte als besondere, von der Exekutive getrennte Institutionen ausgestaltet sind, kann eine Rechtsprechung gegenüber dem Staat oder seinen Behörden im Sinne des Art.  19 Abs.  4 GG wie durch einen unbeteiligten Dritten verwirklicht werden.“120

Der Grundsatz der Inkompatibilität ist in §  4 (1) DRiG ausdrücklich geregelt und sieht vor, dass ein Richter neben seiner Aufgabe in der Judikative keine andere Tätigkeit sowohl in der Legislative als auch der Exekutive ausüben darf.121 Dazu soll die im GVG geregelte richterliche Selbstverwaltung sicherstellen, dass die Legislative oder Exekutive keinen Einfluss auf die Organisation der Gerichte mit der Zuordnung eines Richters für einen bestimmten Streitfall ausüben kann.122 Unter anderem wird beispielsweise in §  21e GVG die Wahl des Präsidiums der Gerichte geregelt, dessen anschließende Aufgabe es bezogen auf die Richter ist, die Regelungen der internen Geschäftsverteilung dem Grundsatz des gesetzliüber die Einstellung der Richter in ihrem jeweiligen Bezirk (siehe die Verordnung über die Ernennung, Entlassung und Zurruhesetzung der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen). 117 So Lütgens, Das Selbstverwaltungsprojekt der Dritten Gewalt, in: ZRP (2009), S.  82, 83. 118  Siehe zur Selbstverwaltung der Judikative: Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  17. 119  Schilken, Die Sicherung der Unabhängigkeit der Dritten Gewalt, in: JZ (2006), S.  860, 860; Zimmermann, in: MüKo ZPO, Bd.  3, §  1 GVG, Rn.  19. 120  BVerfGE 4, S.  331, 346. 121  Siehe hierzu Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, Richterwahlgesetz, §  4, Rn.  2; Zimmermann, in: MüKO ZPO, Bd.  3, §  1 GVG, Rn.  20. 122  Zimmermann, in: MüKO ZPO, Bd.  3, §  1 GVG, Rn.  21.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

chen Richters entsprechend vorzunehmen, also dafür zu sorgen, dass bereits vor Eingang einer Streitsache bei Gericht der zuständige Richter festgelegt wird.123 b) Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern Die dargestellten Anforderungen an die Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips lassen sich dem Grunde nach auch auf das Schiedsverfahren übertragen. So gilt ebenfalls für das Schiedsverfahren ein unbedingtes Gebot, dass die Entscheidung des Rechtsstreits durch einen unabhängigen neutralen Dritten getroffen werden muss.124 Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der Parallelität zum staatlichen Verfahren. Die Tätigkeit von Schiedsrichtern ist materielle Rechtsprechung, mit dem wesentlichen Unterschied, dass Schiedsgerichte nicht wie staatliche Gerichte hoheitliche Gewalt ausüben können/dürfen.125 Da ein Schiedsgericht einen Rechtsstreit anstelle des staatlichen Gerichts entscheidet, muss es aus diesem Grund als vom Rechtsstreit unbeteiligter Dritter agieren: „Da ein Schiedsgericht Rechtsprechung ausübt, muß[sic!] eine ausreichende Gewähr dafür gegeben sein, daß[sic!] es unabhängig und unparteilich ist.“126 „Damit unterscheidet [das Schiedsgericht] sich dem Grundsatz nach von einem staatlichen Gericht nicht.“127

Dementsprechend muss das Schiedsgericht das Rechtsprechungsmerkmal der Überparteilichkeit erfüllen, aber die für das staatliche Verfahren geltenden gesetzlichen Ausgestaltungen können aufgrund der Besonderheit des Schiedsverfahrens nicht ausnahmslos und ohne Unterschied darauf übertragen werden.128 Als wesentlicher Unterschied zum staatlichen Gerichtsverfahren beruht ein Schiedsverfahren nämlich auf einem privatrechtlichen Rechtsgeschäft.129 Dieser Unterschied wird dadurch verdeutlicht, dass ein Schiedsgericht seine Zuständigkeit und Befugnisse durch die Privatautonomie der Parteien erhält und ganz anders als das staatliche Gericht zustande kommt. Der Schiedsrichter wird in der Regel erst nach der Einleitung des Schiedsverfahrens durch die Streitparteien ausgesucht und bestellt bzw. ernannt, wohingegen der staatliche Richter bereits 123 

Vgl. BVerfGE 17, S.  294, 299; 18, S.  344, 349; 95, S.  322, 328. BGHZ 51, S.  255, 258; 54, S.  394, 395; BGH, Urteil vom 15.05.1986 – III ZR 192/84 = NJW (1986), S.  3027, 3028; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  9, Rn.  4. 125  Vgl. BGHZ 51, S.  255, 258; 54, S.  392, 395; Habscheid, Das Problem der Unabhängigkeit der Schiedsrichter, in: NJW (1962), S.  5, 8. Siehe auch ausführlich zur Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit: Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S.  15 ff. 126  BGHZ, 51, S.  255, 258. Siehe auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  9, Rn.  4. 127  BGHZ, 54, S.  392, 395. 128  BGHZ 65, S.  59, 59 ff. 129  BGHZ 65, S.  59, 59 ff. 124 

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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vor Klageerhebung durch die Geschäftsverteilungspläne zur Entscheidung einem bestimmten Verfahren zugeordnet ist. Aus diesem Umstand heraus kann viel eher eine ungewünschte Nähe des Schiedsrichters zu den Streitparteien entstehen als im staatlichen Gerichtsverfahren130. Diese Art der Schiedsrichterbestellung tangiert auch den Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art.  101 (1) S.  2 GG, wonach der Gesetzgeber für die Zuordnung der Rechtsstreitigkeit an den jeweiligen Spruchkörper dazu verpflichtet ist, eine abstrakt-generelle und klare Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die bereits vor der Verhandlung eines Rechtsstreits keine Zweifel daran lässt, welcher Richter zur Entscheidung eines auch nur denkbar möglichen Rechtsstreits zuständig wäre.131 Die Schiedsgerichtsbarkeit beeinträchtigt zwar den Grundsatz des gesetzlichen Richters, aber nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter. Ein Rechtsstreit, der einer Parteivereinbarung entsprechend von einem Schiedsgericht entschieden werden soll, soll gerade nicht in den Organisations- und Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit fallen.132 Die Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsrichters kann deswegen nicht durch entsprechende Regelungen zur Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erfolgen. Beide Attribute müssen vielmehr den Besonderheiten des Schiedsverfahrens entsprechend gewährleistet werden. Wesentliche Unterschiede ergeben sich auch zur sachlichen, persönlichen und institutionellen Unabhängigkeit des Richters, die jeweils im Schiedsverfahren ebenfalls nicht wie im staatlichen Verfahren geregelt werden können. Ein Schieds­richter wird beispielsweise in einem ganz anderen Anstellungs- und Dienstverhältnis zu den Streitparteien stehen als der staatliche Richter. Ersterer wird durch die Parteien bestellt, mit denen ein Schiedsvertrag geschlossen wird und der im Schwerpunkt als Tätigkeit die unabhängige Entscheidung des Rechtsstreits verlangt sowie materiell-rechtlich zu qualifizieren ist.133 Der staatliche Richter ist Inhaber eines öffentlichen Amtes und nimmt Aufgaben der Rechtsprechung wahr. Er wird auf Lebenszeit ernannt und steht nicht in einem materiell-rechtlich zu qualifizierenden Vertragsverhältnis zu den Streitparteien, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eigener Art (Richterverhältnis) beim Bund oder einem Land. Insoweit hat ein Schiedsrichter im Vergleich zum staatlichen Richter keinen Dienstherren.134 Diesbezüglich wird das Schiedsrichteramt in der Regel auf die Entscheidung eines bestimmten Rechtsstreits be130 Siehe

hierzu und zur Darstellung dieser Problematik Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rn.  120 ff. 131  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005 – 2 BvR 625/01 = NJW (2005), S.  3410, 3411. 132  Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rn.  237. 133  Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1035 Rn.  25. 134  Siehe hierzu auch Böckstiegel, Die neue Schiedsordnung der internationalen Handels-

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

schränkt, so dass es grundsätzlich auch mit der Beendigung des Schiedsverfahrens endet.135 Der Schiedsrichter muss daher keine dienstrechtliche Maßnahme befürchten, wie eine Entlassung oder Versetzung, was die Schutzmechanismen zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des staatlichen Richters überflüssig macht. Die fallbezogene Ernennung des Schiedsrichters birgt aber andere Probleme, wie beispielsweise die mögliche voreingenommene Entscheidung des Schiedsrichters zugunsten der ihn benennenden Partei, um sich dadurch (mögliche) zukünftige Benennungen als Schiedsrichter zu erhoffen.136 Schließlich wird die staatliche Gerichtsbarkeit als solche im Gefüge des Rechtsstaats auch nicht durch die Schiedsgerichte ersetzt. Die Schiedsgerichtsbarkeit erschafft vielmehr eine neue, parallele private Gerichtsbarkeit. Die oben dargestellten Prozessgrundrechte können deswegen auch keine unmittelbare Bindungswirkung für die Schiedsgerichtsbarkeit entfalten, auch nicht durch mittelbare Drittwirkung.137 Das ist allerdings in der Regel nicht problematisch, weil Schiedsgerichte an die vom Rechtsstaatsprinzip vereinnahmten, prozeduralen Verfahrensgrundsätze gebunden sind. Aufgrund der geschilderten Unterschiede der Schiedsgerichtsbarkeit im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters nicht so ausgestaltet wie die Unabhängigkeit des staatlichen Richters. Dadurch sind die Schutzmechanismen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des staatlichen Richters nicht eins zu eins auf den Schiedsrichter anwendbar. In Deutschland wurden in den §§  1025 ff. ZPO (auch im Sinne des lex loci arbitri eines Schiedsgerichts) speziell auf die Schiedsgerichtsbarkeit zugeschnittene Normen (unter anderem) zur Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters festgelegt, um den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips mit seinem Aspekt der Unabhängigkeit neutraler Richter, also der Streitentscheidung durch einen unbeteiligten, neutralen und objektiven Dritten, gerecht zu werden. Die Regelungen in den §§  1025 ff. ZPO sind weitgehend am UNCITRAL Modell-Gesetz ausgerichtet.138 Deswegen kammer, in: NJW (1977), S.  463, 465 ff. der die richterliche persönliche und sachliche Unabhängigkeit im Vergleich zum Schiedsrichter unter der ICC-Schiedsordnung untersucht. 135  Siehe §  1056 (3) ZPO. 136  Siehe ausführlich dazu und zur weiteren Problematik der Parteibenennung von Schiedsrichtern unter C. IV. 1. b). 137  Siehe hierzu ausführlich Münzberg, Die Schranken der Parteivereinbarung in der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  21 ff.; Siehe auch Geimer, Schiedsgerichtbarkeit und Verfassung, in: Fisch (Hrsg.), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, Bielefeld 1994, S.  113, 119; Steiner, Das Verhältnis von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit, in: SchiedsVZ (2013), S.  15, 19; Stober, Staatliche Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, in: NJW (1979), S.  2001, 2004. 138  Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1025 Rn.  16; Siehe

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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bietet sich auch aufgrund dieser Vorbildfunktion bei der Auslegung der §§  1025 ff. ZPO eine Orientierung an dem UNCITRAL Modell-Gesetz an.139 Die Regelungen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters finden sich insbesondere in den §§  1034, 1036 und 1037 ZPO, die im Folgenden noch einmal näher erläutert werden sollen. aa) §  1034 (2) ZPO: Das Übergewicht einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts §  1034 (2) ZPO regelt für den Fall, dass durch eine Regelung in der Schiedsvereinbarung ein Übergewicht hinsichtlich der Zusammensetzung des Schiedsgerichts zum Vorteil der einen und zum Nachteil der anderen Partei eingeräumt wird, die Möglichkeit einer ersatzweisen Schiedsrichterbestellung auf Antrag einer der Streitparteien. Ein solches Übergewicht einer Partei würde beispielsweise bei der Vereinbarung vorliegen, dass die eine Partei alle oder die Mehrzahl der Schiedsrichter benennen darf.140 Für die Herstellung der Neutralität des Schiedsgerichts hat die benachteiligte Partei in solchen Fällen die Möglichkeit, bei dem zuständigen staatlichen Gericht gemäß §  1062 (1) ZPO die Neubestellung eines oder auch mehrerer Schiedsrichter zu beantragen. Die Regelung bildet damit eine Grenze der Parteiautonomie und soll zu einem fairen Verfahren beitragen.141 Sie bezweckt so bereits vor Verfahrensbeginn die Sicherung der Gleichbehandlung der Parteien und die Neutralität des Schiedsgerichts. bb) §  1036 (1) ZPO: Die Offenlegungspflicht von möglichen Ablehnungsgründen Art.  12 (1) UNCITRAL Modell-Gesetz wurde in §  1036 (1) ZPO fast wörtlich umgesetzt. Danach hat ein Schiedsrichter alle möglichen Ablehnungs- und Ausschlussgründe den Verfahrensbeteiligten offenzulegen. Mit der Möglichkeit, dass die Parteien von gewissen Interessenkonflikten erfahren, bezweckt §  1036 (1) ZPO bereits bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts die Klarstellung der schiedsrichterlichen Neutralität, um so eine Verzögerung des Verfahrens oder zum UNCITRAL Modell-Gesetz online: http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/ ml-arb/07-86998_Ebook.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 139  BGH, Beschluss vom 30.09.2010 – III ZB 69/09 = NJW-RR (2011), S.  570, 571; Wolf/ Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1025 Rn.  16. 140  BGH, Urteil vom 01. März 2007 – III ZR 164/06 = SchiedsVZ (2007), S.  163, 163; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  9, Rn.  10. Siehe für weitere Beispiele Wolf/Esla­ mi, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1034, Rn.  9 ff. 141  Bei der Ersatzbestellung hat das staatliche Gericht nach §  1035 (5) S.  1 ZPO bei seiner Entscheidung alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, welche die Bestellung eines unabhängigen und unparteilichen Schiedsrichters gewährleisten.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

eine spätere Aufhebung des Schiedsspruchs zu vermeiden.142 Diese Offenlegungspflicht von Interessenkonflikten jeder Art, „die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können“, besteht vor und während des Schiedsverfahrens in der Person, der ein Schiedsrichteramt angetragen wird (Dauerpflicht der Offenlegung).143 Die Offenlegungspflicht des Schiedsrichters steht auch nicht zur freien Disposition der Parteien, so dass auch in §  1036 (1) ZPO eine Begrenzung der Parteiautonomie zugunsten der Neutralität des Schiedsgerichts zu sehen ist.144 Die Unabhängigkeit des Schiedsrichters nach §  1036 (1) ZPO wird als objektiver, auf Fakten basierender Maßstab beschrieben und bezieht sich auf eine sichtbare oder beschreibbare Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und den Verfahrensbeteiligten.145 Zur Feststellung der Unparteilichkeit wird ein subjektiver Test angewandt.146 Sie beschreibt die geistige Neigung bzw. die innere Einstellung des Schiedsrichters zu den Verfahrensbeteiligten oder dem konkreten Streitgegenstand.147 Der Unabhängigkeitsbegriff des Schiedsrichters ist demnach anders zu verstehen als der oben dargestellte Unabhängigkeitsbegriff des staatlichen Richters. Zur Auslegung der „Zweifel an ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“ gemäß §  1036 (1) ZPO können nach Rolf Schütze die Regeln der international

142  Voit, in: Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, §  1036 ZPO, Rn.  1; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  2; Vgl. auch Bischoff, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern nach deutschem und englischem Recht, Unter Berücksichtigung der IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, S.  39. 143  Siehe hierzu auch Holtzmann/Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, Legislative History and Commentary, S.  394. 144 Vgl. Geimer in: Zöller (Begr.), Zivilprozessordnung – Kommentar, §  1036 ZPO, Rn.  10. Siehe auch allgemein zu den Ablehnungsgründen: Geimer in: Zöller (Begr.), Zivilprozessordnung – Kommentar, §  1036 ZPO, Rn.  10 ff. 145  Siehe hierzu auch unten, unter C. III. 4. c);Vgl. auch Bischoff, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern nach deutschem und englischem Recht, Unter Berücksichtigung der IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, S.  40; Wolf/Esla­ mi, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  3 146  Bischoff, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern nach deutschem und englischem Recht, Unter Berücksichtigung der IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, S.  41; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  4. 147  Bischoff, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern nach deutschem und englischem Recht, Unter Berücksichtigung der IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, S.  41; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  4.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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bar association von 1986148 dienen, wo nach Nr.  4.2 der als Schiedsrichter benannte offenlegen soll: – „Frühere und gegenwärtige Geschäftsbeziehungen zu einer Partei, einschließlich einer früheren Bestellung zum Schiedsrichter; – Die Natur und Dauer enger gesellschaftlicher Beziehungen zu einer Partei oder einem potenziellen Zeugen in dem Schiedsverfahren; – Die Natur von – auch nicht mehr bestehenden – Beziehungen zu einem Mitschiedsrichter, wobei dies auch für eine gemeinsame Ausübung des Schiedsrichteramtes gilt; – Eventuelle Vorkenntnisse über den Rechtsstreit; – Eventuelle Verpflichtungen des Schiedsrichters, welche seine von den Parteien vernünftigerweise vorausgesetzte Verfügbarkeit für das Schiedsverfahren einengen.“149

Allerdings gibt Schütze zu diesen Ausführungen auch zu bedenken, dass die Offenlegungsründe restriktiv interpretiert werden sollten.150 Sie stammen aus der US-amerikanischen Praxis151, die nicht unumstritten sei.152 Außerdem können auch die aktuelleren IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Ar­ bitration (2014) herangezogen werden, die sowohl auf die Handels- als auch auf die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit anwendbar sind.153 Die IBA Guidelines geben den Beteiligten am Schiedsverfahren insgesamt einen allgemeinen Standard hinsichtlich der Offenlegungspflicht sowie der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter an die Hand und sind international anerkannt. Sie entfalten als „soft law“ aber keine Bindungswirkung und müssen daher nicht zwingend von den Parteien oder dem Schiedsgericht angewandt werden. Das schließt aber nicht die Möglichkeit der Parteien aus, die IBA Guidelines on Con148 

Eine deutsche Übersetzung ist veröffentlicht in Glossner, Die Standesregeln für Internationale Schiedsrichter, International Bar Association (IBA) 1986, in: ders. (Hrsg.) Jahrbuch für die Schiedsgerichtsbarkeit, Bd.  1 (1987) S.  192 ff. 149  Siehe hierzu auch Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  41, Rn.  129. 150  Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  41, Rn.  130. 151 Vgl. grundlegend Commonwealth Coatings Corp. vs Continental Casualtiy Co., 393 U.S. 145 (1968). 152  Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  41, Rn.  130. 153  Siehe IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, S.  3, Rn.  5, online abrufbar unter: file:///Users/robert/Downloads/IBA%20Guidelines%20on%20Conflict %20of%20Interest%20NOV%202014%20FULL%20(2).pdf (zuletzt abgerufen am 17.08. 2022). „While the Guidelines were originally intended to apply to both commercial and investment arbitration, it was found in the course of the review process that uncertainty lingered as to their application to investment arbitration. Similarly, despite a comment in the original version of the Guidelines that their application extended to non-legal professionals serving as arbitrator, there appeared to remain uncertainty in this regard as well. A consensus emerged in favour of a general affirmation that the Guidelines apply to both commercial and investment arbitration, and to both legal and non-legal professionals serving as arbitrator.“ Siehe auch ausführlich zu den IBA-Guidelines on the Conflicts of Interest in International Arbitration unten in 3. Kapitel C IV 4 b).

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

flicts of Interest durch eine Vereinbarung für ihr Schiedsverfahren als bindend zu erklären. cc) §  1036 (2) ZPO: Die Ablehnung des Schiedsrichters §  1036 (2) ZPO entspricht Art.  12 UNCITRAL Modell-Gesetz und dient der Sicherung der Neutralität des Schiedsgerichts.154 Das Recht zur Ablehnung des Schiedsrichters wird auch als der „wesentlichste Schutz der Parteien gegen parteiische Rechtsprechung und Vergewaltigung“155 bezeichnet. Nach §  1036 (2) ZPO kann ein Schiedsrichter aus Gründen abgelehnt werden, die berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit begründen. Dazu gehört auch die Ablehnung aus Gründen der Nichterfüllung besonderer, in der Schiedsvereinbarung vorausgesetzter oder später von den Parteien vereinbarter Qualifikationen, wie beispielsweise die Fachkenntnis in irgendeiner Branche oder die Befähigung zum Richteramt.156 §  1036 (2) ZPO beschränkt sich auf eine Generalklausel. Nach dem Wortlaut des §  1036 (2) S.  1 1. Alt. ZPO muss zudem kein konkreter Verstoß gegen das Gebot der Neutralität dargelegt werden, als Maßstab reichen bereits berechtigte Zweifel aus.157 Zur Beurteilung, ob berechtigte Zweifel vorliegen, wird ein gemischter, objektiv-subjektiver Maßstab angelegt.158 Das bedeutet, dass auf das Vorliegen ausreichend objektiver Gründe aus der Sicht der betroffenen Partei abgestellt werden muss.159 Zwar verweist §  1036 (2) ZPO nicht ausdrücklich auf die §§  41, 42 ZPO (Ausschluss- und Ablehnungsgründe staatlicher Richter), die dort geregelten Tatbestände können aber berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründen, als Maßstab zur Beurteilung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters herangezogen werden und 154 Vgl.

Hoffmann, Duty to Disclosure and Challenge of Arbitrators: The Standard Applicable Under the New IBA Guidelines on Conflicts of Interest and the German Approach, in: Arbitration International Bd.  21 (3) (2005), S.  427, 433; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  38, Rn.  122. 155  Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, Kommentar, 36. Auflage 1978, §  1032 ZPO, 1 B. 156  Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  38, Rn.  122. 157  OLG Dresden, Beschluss vom 27. Januar 2005 – 11 SchH 02/04 = SchiedsVZ (2005), S.  159, 161; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  23. 158  Hoffmann, Duty to Disclosure and Challenge of Arbitrators: The Standard Applicable Under the New IBA Guidelines on Conflicts of Interest and the German Approach, in: Arbitration International Bd.  21 (3) (2005), S.  427, 433. 159  Kröll, Die Entwicklung des Schiedsrechts 2011–2012, in: NJW (2013), S.  3135, 3139; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  23.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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sind somit dafür geeignet, eine Ablehnung zu rechtfertigen.160 Zusätzlich können auch bei den Ablehnungsgründen nach §  1036 (2) ZPO die IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration (2014) als „Checkliste dienen“161, um berechtigte Zweifel zu begründen. dd) §  1037 ZPO: Das Verfahren zur Ablehnung des Schiedsrichters Die Bestimmung des §  1037 ZPO regelt das Ablehnungsverfahren eines Schiedsrichters und wurde fast wortwörtlich von Art.  13 UNCITRAL Modell-Gesetz übernommen.162 Durch eine Vereinbarung zwischen den Parteien in der Schiedsabrede oder einer gleichzeitigen bzw. späteren Verfahrensregelung besteht nach §  1037 ZPO die Möglichkeit, Bestimmungen zur Durchführung des Ablehnungsverfahrens zu gestalten. Die Grenze der Parteiautonomie liegt jedoch in der Regelung des §  1037 (3) ZPO, die von den Parteien nicht abbedungen und wonach eine gerichtliche Entscheidung im Ablehnungsverfahren herbeigeführt werden kann.163 Die Möglichkeit einer staatlichen Überprüfung der Ablehnungsentscheidung steht dadurch immer offen. Das Verfahren zur Ablehnung eines Schiedsrichters ist demnach zweistufig organisiert: interne Vorprüfung des Ablehnungsgesuchs durch das Schiedsgericht, entweder nach §  1037 (1) ZPO auf parteiautonomer Grundlage oder, falls eine solche nicht existiert, nach §  1037 (2) ZPO auf gesetzlicher Grundlage. Bei letzterem muss die ablehnungsbegehrende Partei innerhalb von zwei Wochen darlegen, warum sie die Ablehnung möchte. Dabei handelt es sich zwingend um eine Ausschlussfrist (Präklusion).164 Die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Ablehnung eines Schiedsrichters unterliegt nach §  1037 (3) ZPO einer möglichen externen, staatlichen Kontrolle.165 Sollten die Parteien keine Vereinbarung über das Ablehnungsverfahren getroffen haben, regelt §  1037 (2) ZPO, dass das Verfahren auf das Schiedsgericht übertragen wird. Die antragende Partei hat die Ablehnungsgründe schriftlich und unter Einhaltung einer Ausschlussfrist vor dem Schiedsgericht geltend zu machen. Neben der Neutralitätssicherung des Schiedsgerichts dient die Vorschrift

160  Siehe ausführlich zu den Ablehnungsgründen Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  38, Rn.  123; Vgl. auch Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  24. 161  Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  38, Rn.  123. 162  Siehe hierzu Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1037, Rn.  2. 163  Münch, in: MüKO ZPO, Bd.  3, §  1037 ZPO, Rn.  1; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  42, Rn.  134. 164  Münch, in: MüKO ZPO, Bd.  3, §  1037 ZPO, Rn.  10. 165  Münch, in: MüKO ZPO, Bd.  3, §  1037 ZPO, Rn.  1.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

mit den in §  1037 (2) und (3) ZPO geregelten Präklusionsfristen für die Schiedsrichterablehnung auch der Verfahrensbeschleunigung und Rechtssicherheit.166 c) Zwischenergebnis Es kann festgehalten werden, dass der Gesetzgeber die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Schiedsrichtern in allen Stadien des Schiedsverfahrens durch Regelungen gewährleisten will, wenn auch nur begrenzt durch die Präklusionsfristen. Im Vergleich zum staatlichen Gerichtsverfahren weist die Schiedsgerichtsbarkeit jedoch einige Schwachstellen auf, die der Besonderheit des Schiedsverfahrens zugrunde liegen. Im Besonderen ergibt sich eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter durch die Möglichkeit der Parteien, den Schiedsrichter selbst auszuwählen und zu ernennen. Bei der Ausgestaltung der Regelungen in den §§  1025 ff. ZPO bzw. dem UNCITRAL Modell-Gesetz wird aber unter anderem auf diese Besonderheiten eingegangen. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter wird dadurch, um das genannte Beispiel wieder aufzugreifen, trotz der Möglichkeit der Einflussnahme der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts geschützt. Ein weiterer großer Schwachpunkt der Schiedsgerichtsbarkeit liegt auch in dem Fehlen einer einheitlichen, verbindlichen, berufsrechtlichen Regelung, zum Beispiel einem einheitlichen Verhaltenskodex (code of conduct) für Schiedsrichter. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die Schiedsgerichtsbarkeit in einem globalisierten Umfeld agiert und bereits die unterschiedlichen rechtlichen Auffassungen und Vorstellungen in common und civil law Rechtsordnungen die Realisierung eines verbindlichen und einheitlichen Verhaltenskodex für Schiedsrichter als schwierig gestaltet. Zwar existieren die IBA Guidelines on Conflicts of Interest.167 Diese stellen aber kein zwingend zu beachtendes Recht dar, sondern werden lediglich als „soft law“ klassifiziert. Das Fehlen eines einheitlichen berufsrechtlichen Standards hat zum Teil auch zur sogenannten „Guerilla Taktik“ der Parteivertreter im Schiedsverfahren geführt.168 Ein solches Verhalten blo166 

Münch, in: MüKO ZPO, Bd.  3, §  1037 ZPO, Rn.  1. Siehe hierzu ausführlich Sachs, Verhaltensstandards für Schiedsrichter, S.  1 ff. 168  Sussman/Ebere, All’s Fair in Love and War – Or Is It? Reflections on Ethical Standards for Counsel in International Arbitration, in: ARIA, Bd.  22 (4) (2011), S.  611, 612: „Fifty five survey responders out of the 81, or 68%, checked off the yes box and reported that they had experienced what they felt were guerrilla tactics and provided an example“, online abrufbar unter: https://sussmanadr.com/docs/ethics%20for%20counsel%20TDM%20version%20112011.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe hierzu auch Rogers, Guerrilla Tactics in International Arbitration: Ethics, Practice, Remedies, in: Wilske/Horvarth, Guerrilla Tactics in International Arbitration, S.  313: „guerilla tactics like those described above appear to be an increasingly common phenomenon in international arbitration. In a recent survey, 68 % of res167 

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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ckiert oder verzögert das Schiedsverfahren, indem beispielsweise durch einen Parteivertreter wiederholt unbegründete Ablehnungen eines Schiedsrichters vorgenommen werden.169 Insgesamt wird aber ein gewisser Mindeststandard der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter im Schiedsverfahren auf der Grundlage der §§  1025 ff. ZPO bzw. dem UNCITRAL Modell-Gesetz gewahrt, so dass dem Rechtsstaatsprinzip mit seiner Anforderung der Unabhängigkeit neutraler Richter genüge getan wird. Das kann auch am Maßstab der Begründung der Ablehnung eines Schiedsrichters festgestellt werden. Nach §  1036 (2) S.  1, 1. Alt. ZPO (entsprechend Art.  12 UNCITRAL Modell-Gesetz) reichen als Maßstab zur Ablehnung eines Schiedsrichters bereits berechtigte Zweifel an seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Ein konkreter Beweis ist demnach nicht erforderlich. Im Gegensatz dazu kann ein zu eng formulierter bzw. zu hoch gesetzter Maßstab für die Beweislast des Antragstellers auf Ablehnung eines Schiedsrichters, wie beispielsweise das Verlangen eines konkreten Beweises für dessen Voreingenommenheit, zu rechtsstaatlich inakzeptablen Ergebnissen führen.170

II. Der Begriff der rule of law mit der Konkretisierung auf die Aspekte der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter Der Begriff des Rechtsstaatsprinzips findet auf internationaler Ebene seinen Ausdruck in der rule of law.171 Dieser liegen hinsichtlich des Rechtsstaatsprinzips pondents reported that they had experienced what they believed were guerilla tactics in international arbitration“; Wolf, Das internationale Berufsrecht der anwaltlichen Parteivertreter im Schiedsverfahren, in: Hess (Hrsg.) Der europäische Gerichtsverbund, S.  101, 103 f.; Dautaj, The Ethical Paradox Put to Play by Guerilla Tacticians, in: Kluwer Arbitration Blog (2018), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/11/04/the-ethical-pa radox-put-to-play-by-guerilla-tacticians/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 169  Umstritten ist, in welchem Umfang das Schiedsgericht ein solches Verhalten der Parteivertreter sanktionieren kann. Siehe hierzu Rau, Arbitrators Without Power? Disqualifying Counsel in Arbitral Proceedings, in: Arb. Int’l., Bd.  30 (3) (2014), S.  457 ff. 170 Vgl. Park, Arbitrator Integrity: The Transient and the Permanent, in: SDLR, Bd.  46 (3) (2009), S.  629, 660; Park, Investment Claims and Arbitrator Comportment, in: A Liber Amicorum: Thomas Wälde – Law Beyond Conventional Thought, 2009, S.  183, 188. 171 Vgl. Van Harten, Investment Treaty Arbitration, Procedural Fairness, and the Rule of Law, Draft – forthcoming in: Schill (Hrsg.), International Investment Law and Comparative Public Law, S.  10 ff. Ungeachtet oft betonter Unterschiede gelten mittlerweile die Kerngehalte des Rechtsstaatsprinzips und der rule of law aufgrund wachsender Diffusion als größtenteils deckungsgleich und weisen einen gemeinsamen Bezugspunkt auf, siehe Kirste, Die Rule of Law in der deutschen Rechtsstaatstheorie des 19. Jahrhunderts in: JRE 21 (2013), S.  23, 54 f.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd.  II, Art.  20, Rn.  245 ff.; Martini, Die Pluralität von Rule-of-Law Konzeptionen in Europa und das Prinzip

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

mit seinen Aspekten der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit vergleichbare Überlegungen zugrunde, wie sie auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland zugrunde gelegt werden.172 Grundsätzlich wird eine Diskussion zum Rechtsstaatsprinzip bzw. zur rule of law auf nationaler Ebene durchgeführt. Der Grund dafür ist folgender: Der Sinn und Zweck der rule of law besteht darin, einen festen Katalog von Grundsätzen zu definieren, mit denen die Befugnisse eines Souveräns geregelt und eingeschränkt werden können, Rechtssicherheit besteht sowie Gleichbehandlung stattfindet.173 Für eine Diskussion zur rule of law ist damit als natürliche Grundvoraussetzung das Vorliegen einer vertikalen Hierarchie zwischen dem Souverän und anderen Rechtssubjekten erforderlich. Auf internationaler Ebene existiert aber keine solche vertikale Hierarchie, wie sie auf nationaler Ebene zu finden ist. Schließlich gibt es keine allumfassende Weltregierung, die der Souverän der internationalen Gemeinschaft ist. In dieser Hinsicht bildet die europäische Union im Völkerrecht zwar eine Besonderheit, jedoch beruht auch die EU auf der Kooperation von souveränen Staaten, so dass die EU keine originäre Souveränität begründet.174 Auch die Übertragung von Kompetenzen auf die europäische Ebeeiner europäischen Rule of Law, in: Kötter/Schuppert (Hrsg.), Normative Pluralität ordnen, S.  303, 339 f.; Rivers, Rechtsstaatsprinzip und Rule of Law revisited, in: Grote (Hrsg.), FS Starck, 2007, S.  891 ff.; MacCormick, Der Rechtsstaat und die Rule of Law, in: JZ (1984), S.  65 ff. 172  Siehe hierzu auch Byrd/Hruschka/Joerden (Hrsg.), Das Rechtsstaatsprinzip/The Rule of Law-Principle, Jahrbuch für Recht und Ethik, Bd.  21 (2013), Vorwort: „Untersuchungen zu den Grundlagen der beiden Prinzipien […] zeigen, dass sie zwar aufeinander bezogen sind, aber durchaus eine unterschiedliche rechtsgeschichtliche Entwicklung genommen haben und deshalb auch die mit ihnen verbundenen Inhalte differieren können.“ 173  Chesterman, An International Rule of Law?, in: AJCL Bd.  56, (2008), S.  331, 334–343; Siehe hierzu auch Raoul Wallenberg Institute of Human Rights and Humanitarian Law and The Hague Institute for the Internationalisation of Law, Rechtsstaatlichkeit: Ein Leitfaden für Politikerinnen und Politiker, 2012, S.  25 ff., online abrufbar unter: http://rwi.lu.se/app/ uploads/2014/02/Rechtsstaatlichkeit.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), in ihrem Leitfaden des Raoul Wallenberg Institute of Human Rights and Humanitarian Law und des The Ha­ gue Institute fort e Internationalisation of Law kommen beide Institute zu dem Schluss, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Kernbedeutung des Rechtsstaats auf nationaler und internationaler Ebene (im Völkerrecht) gibt. 174  Siehe hierzu Lepsius, Die Europäische Union als Herrschaftsverband eigener Prägung, in: Monnet Working Paper No.  7/00 (2000), online abrufbar unter: https://jeanmonnetprogram. org/archive/papers/00/00f1201-03.html (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), der meint, dass, solange die EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der europäischen Union „Teilkompetenzen“ gemeinsam wahrnehmen würden, bei diesen die zentralen Ordnungseinheiten verbleiben würden, denen die Souveränität zugerechnet wird. Nur soweit die „wie auch immer bestimmten Kernsouveränitäten“ auf die Union übertragen würden, sei diese zum Träger der zentralen Souveränitätsrechte zu qualifizieren.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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ne bedeutet deswegen nicht die Aufgabe des Souveränitätsanspruchs der Mitgliedstaaten, sondern sei vielmehr als die Bereitschaft zu verstehen, Souveränitätsrechte in einem Verbundsystem wahrzunehmen.175 Insoweit erfordert der Unterschied zwischen nationalen und internationalen Rechtsordnungen sowie dem zugrundeliegenden Zweck der rule of law, dass mit der Verwendung dieses Begriffs im Völkerrecht anders umzugehen ist und mehr als ein Prinzip zu verstehen ist. 1. Die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekte der rule of law im internationalen Völkerrecht Die Notwendigkeit der Berücksichtigung und Einhaltung der Aspekte der rule of law ist nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international und damit im Völkerrecht von wesentlicher Bedeutung. Trotz der Unterschiede, die zwischen nationalen und internationalen Rechtsordnungen bestehen, gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den einzelnen für diese Arbeit relevanten und fundamentalen Aspekte der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit der rule of law auf internationaler Ebene und des Rechtsstaatsprinzips auf nationaler Ebene,176 da diese in ihrem Grundsatz keine Veränderung erfahren.177 Das zeigt sich an den drei folgenden Arbeiten: Nach dem Raoul Wallenberg Institute of Human Rights and Humanitarian Law und dem The Hague Institute for the Internationalisation of Law fordert die rule of law auf völkerrechtlicher Ebene, dass das Völkerrecht „allgemein bekannt und zugänglich, klar und eindeutig sowie nicht-rückwirkend sein soll, [auf eine] unabhängige und unparteiliche Justiz [zurückgegriffen werden kann sowie] geeignete Durchsetzungsmethoden [für rechtmäßige Ansprüche zur Verfügung stehen].“178 175 Siehe

Lepsius, Die Europäische Union als Herrschaftsverband eigener Prägung, in: Monnet Working Paper No.  7/00 (2000), online abrufbar unter: https://jeanmonnetprogram. org/archive/papers/00/00f1201-03.html (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 176  So auch bereits bezogen auf internationale Abkommen und Auslegung der Regelungen dieser Abkommen durch internationale Gericht: Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  138, 232 f., 240 f. 177  Siehe hierzu Raoul Wallenberg Institute of Human Rights and Humanitarian Law and The Hague Institute for the Internationalisation of Law, Rechtsstaatlichkeit: Ein Leitfaden für Politikerinnen und Politiker, 2012, S.  25, online abrufbar unter: http://rwi.lu.se/app/ uploads/2014/02/Rechtsstaatlichkeit.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 178  Siehe hierzu Raoul Wallenberg Institute of Human Rights and Humanitarian Law and The Hague Institute for the Internationalisation of Law, Rechtsstaatlichkeit: Ein Leitfaden für Politikerinnen und Politiker, 2012, S.  27 ff., online abrufbar unter: http://rwi.lu.se/app/ uploads/2014/02/Rechtsstaatlichkeit.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

Das lässt sich auch durch einen Bericht des Secretary-Generals, der dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde, für den völkerrechtlichen Begriff der rule of law bestätigen, „[…] as a concept at the very heart of the Organization’s mission. It refers to a principle of governance in which all persons, institutions and entities, public and private, including the State itself, are accountable to laws that are publicly promulgated, equally enforced and independently adjudicated, and which are consistent with international human rights norms and standards. It requires, as well, measures to ensure adherence to the principles of supremacy of the law, equality before the law, accountability to the law, fairness in the application of the law, separation of powers, participation in decision-making, legal certainty, avoidance of arbitrariness and procedural and legal transparency.“179

Auch nach dieser Begriffsbestimmung umfasst die rule of law die Grundsätze, dass das Recht klar und verständlich formuliert sein soll, die durch das Recht geregelten Verpflichtungen und Berechtigungen für den Adressaten vorhersehbar sind, das Recht zugänglich sein soll, Streitigkeiten vor einer unabhängigen und unparteiischen Justiz beigelegt werden sollen sowie die einheitliche und kohärente Durchsetzung und Anwendung der Gesetze (im Sinne der Rechtssicherheit).180 In diesem Zuge stellte Robert McCorquodale im Rahmen einer aktuelleren Untersuchung zur Feststellung der Aspekte der rule of law im internationalen Kontext ebenfalls fest, dass diese im Völkerrecht, insbesondere im Hinblick auf die Aspekte der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit, eine ähnliche Definition erfährt, wie sie bereits oben in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland dargestellt wurde.181 Hingegen argumentiert McCorquodale, dass die internationale rule of law im Hinblick auf ihre Ziele definiert werden solle. Zu diesen Zielen gehören demnach: die Rechtsordnung und ihre Stabilität aufrechtzuerhalten, eine einheitliche Anwendung des Rechts zu gewährleisten, den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten sowie Streitigkeiten vor einer unabhängigen Rechtsinstanz beilegen zu können.182 McCorquodale zeigt mit seiner Definition der rule of law auf, dass diese nicht von einer vereinfachten Anwendung eines nationalen Rechtsstaates abhängig ist, da sie die erheblichen Unterschiede zwischen nationalen und internationalen Rechtsordnungen berücksich179  United Nations, The Rule of Law and Transitional Justice in Conflict and Post-Conflict Societies: Report of the Secretary-General, 2004, S.  4. 180 Siehe Chesterman, An International Rule of Law?, in: AJCL Bd.  56, (2008), S.  331, 343 ff.; Tamanaha, A Concise Guide to the Rule of Law, in: St John’s University Legal Studies Research Paper Series, No.  07-0082 (2007), S.  3. 181  Siehe umfassend zur rule of law auf internationaler Ebene McCorquodale, Defining the International Rule of Law: Defying Gravity?, in: ICLQ, Bd.  65 (2) (2016), S.  277 ff. 182  McCorquodale, Defining the International Rule of Law: Defying Gravity?, in: ICLQ Bd.  65 (2) (2016), S.  277, 292.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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tigt. Seine Definition zeigt vielmehr auf, dass die internationale Rechtsstaatlichkeit in ihrer Anwendung relativ und nicht absolut ist, nicht an die Funktionsweise der Substanz des Völkerrechts selbst gebunden ist, und sie kann für Staaten, internationale Organisationen und nichtstaatliche Akteure gelten.183 Seine Definition der rule of law umfasst, wie beim Bericht des Secretary-Generals für den UN Sicherheitsrat, neben den für diese Arbeit relevanten formellen Aspekten der rule of law auch materielle Aspekte, wie den Schutz der Menschenrechte.184 Insgesamt lässt sich mit den drei dargestellten Begriffsbestimmungen für diese Untersuchung konkret zur rule of law festhalten, dass – zur Beilegung von Streitigkeiten auf eine unabhängige Rechtsinstanz zurückgegriffen werden soll, – in der jeweiligen anwendbaren Rechtsordnung ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet werden soll,185 – das Völkerrecht in vorhersehbarer Weise und einheitlich anzuwenden sei und – das Recht allgemein bekannt, zugänglich, klar und eindeutig gestaltet sein soll. Die oben auf nationaler Ebene vorgenommene Konkretisierung der Aspekte des Rechtsstaatsprinzips auf die Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit kann demnach auch unter den Begriff rule of law gefasst und zur Bewertung von völkerrechtlichen Abkommen herangezogen werden. 2. Der Begriff der rule of law auf der Ebene der EU mit der Konkretisierung auf die Aspekte der Rechtssicherheit und Unabhängigkeit neutraler Richter Auch auf EU-Ebene gehört die rule of law zu den Grundwerten der Union, wobei es ähnlich wie auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland auch hier keine ausdrückliche Regelung zur näheren Bestimmung des Begriffs gibt. Der Begriff der rule of law – ebenfalls als Rechtsstaatlichkeit ins Deutsche übersetzt – ist in Art.  2 EUV (ex-Art.  6 (1) EUV) erwähnt, inhaltlich aber nicht näher konkretisiert.186 Da die rule of law und das Rechtsstaatsprinzip auf Unionsebene als 183 Siehe McCorquodale, Defining the International Rule of Law: Defying Gravity?, in: ICLQ Bd.  65 (2) (2016), S.  277 ff. 184  Allerdings ist gerade im internationalen Kontext eine weite Auslegung bzw. ein weites Verständnis der rule of law heftig umstritten, siehe dazu Chesterman, Symposium: Lies, Damned Lies, and the International Rule of Law, in: Opinio Juris (17.05. 2016) online abrufbar unter: http://opiniojuris.org/2016/05/17/symposium-lies-damned-lies-and-the-internationalrule-of-law/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 185  Was hinsichtlich der Schiedsgerichtsbarkeit die Frage aufwirft, ob diese nicht präzisere Regelungen benötigt. Dies wird in dieser Arbeit noch ein Problem darstellen. 186  Art.  2 EUV: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

wechselseitige Übersetzung verstanden wird und die unter diesem Punkt zitierten deutschsprachigen Quellen den Begriff der „Rechtsstaatlichkeit“ verwenden, ist im Folgenden der Begriff „Rechtsstaatlichkeit“ oder „Rechtsstaatsprinzip“ (o. ä.) auch als rule of law zu verstehen.187 Für die inhaltliche Auslegung des Begriffs liefert zum einen der jeweilige Begriff der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler Ebene der Mitgliedstaaten wichtige Anhaltspunkte, die auf Unionsebene zur näheren Konkretisierung übertragen werden können, auch wenn die Union selbst keine Staatsqualität besitzt.188 Insoweit macht schon der Wortlaut „Rechtsstaatlichkeit“ die Herkunft des Begriffs aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten deutlich, wie in diesem Fall aus der deutschen Rechtsordnung.189 Zum anderen liefert die Rechtsprechung des EuGHs bei der Auslegung des Begriffs der Rechtstaatlichkeit wichtige Anhaltspunkte, durch welche das Rechtsstaatsprinzip eine konkrete rechtliche Gestalt auf Unionsebene erlangt bzw. erlangt hat.190 In der Rechtsprechung des EuGHs wird der Begriff der Rechtsstaatlichkeit jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings wurde durch den EuGH in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit Fragen des Rechtsschutzes im Bereich der Terrorismusbekämpfung sowie der Geldwäsche auf den Begriff der Rechtsstaatlichkeit Bezug genommen.191 Dabei verwendet der EuGH grundsätzallen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ Der englische Wortlaut von Art.  2 EUV: „The Union is founded on the values of respect for human dignity, freedom, democracy, equality, the rule of law and respect for human rights, including the rights of persons belonging to minorities. These values are common to the Member States in a society in which pluralism, non-discrimination, tolerance, justice, solidarity and equality between women and men prevail.“ (Kursivierung hinzugefügt) 187  Siehe zu einer kritischen Auseinandersetzung hinsichtlich der wechselseitigen Übersetzung der beiden Prinzipien des Rechtsstaatsprinzips und der rule of law: Byrd/Hruschka/Joer­ den (Hrsg.), Das Rechtsstaatsprinzip/The Rule of Law-Principle, Jahrbuch für Recht und Ethik, Bd.  21 (2013). 188  Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25; Pechstein, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  2. 189 So Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25. Neben dem deutschen Begriff „Rechtsstaatlichkeit“ findet sich in anderen Sprachfassungen der EU-Mitgliedstaaten diesbezüglich beispielsweise die Bezeichnung „Rule of Law“, „Estado de derecho“, „État de droit“ und „Stato di diritto“. 190  Vgl. etwa zur Rechtsstaatlichkeit: EuGH, Rs. C-8966/19 zur Richterernennung in Malta, EuGH, Rs. 294/83, Slg. 1986, 1339 (Les Verts) und EuGH, Gutachten 1/91, Slg. 1991, I-6079; Siehe auch Schwarze/Wunderlich, in: Schwarze/Becker/Hartje/Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar, Art.  2 EUV, Rn.  3. 191  EuGH, Rs. C-354/04 P, Slg. 2007 (Gestroras pro amnistia u. a./Rat), I-1579, Rn.  51; EuGH, Rs. C-355/04, Slg. 2007, I-1657 (Segi u. a./Rat), Rn.  51; EuGH, Rs. C-303/05, Slg. 2007, I-3633 (Advocaten voor de Wereld), Rn.  45.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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lich den Begriff der „Rechtsgemeinschaft“,192 der auch im Schrifttum auf die von Walter Hallstein zurückgehende Rede von der „Rechtsgemeinschaft“193 zurückzuführen sei.194 Andere Autoren sprechen diesbezüglich von der rule of law.195 Der EuGH hat die aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgenden und für die Union geltenden, konkreten Grundsätze richterrechtlich Fall für Fall entwickelt sowie als allgemeine Rechtsgrundsätze herausgearbeitet.196 Hierzu zählen beispielsweise die Grundsätze des Vertrauensschutzes,197 des Rückwirkungsverbots198 sowie des Bestimmtheitsgrundsatzes,199 die insbesondere unter den Aspekt der Rechtssicherheit zu fassen und für diese Untersuchung besonders relevant sind. Auf das vorangestellte Bezug nehmend unterteilt Callies den Begriff des Rechtsstaatsprinzips auf Unionsebene (ähnlich wie auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland) in formelle und materielle Bedingungen als Voraussetzungen für die Legalität hoheitlichen Handelns.200 Dabei sei die formelle Rechtsstaatlichkeit insbesondere durch den Grundsatz der Gewaltenteilung, den Vorbehalt des Gesetzes sowie das Gebot geregelter Verfahren zu gewährleisten.201 In materieller Hinsicht schütze die Rechtsstaatlichkeit primär die Berücksichtigung der Grundrechte und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.202 Die EU-Kommission erklärt zu dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit in Art.  2 EUV: „Die Rechtsstaatlichkeit, verankert in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union, ist einer der Grundwerte der Europäischen Union. Sie ist unerlässlich für den Schutz aller anderen 192 

EuGH, Rs. 294/83, Slg. 1986, 1339 (Les Verts) und EuGH, Gutachten 1/91, Slg. 1991, I-6079; Den Begriff der „Rechtsunion“ verwendend: GA Maduro, Schlussantrag zu EuGH, Rs. C-160/03, Slg. 2005 (Spanien/Eurojust), Rn.  17 ff. 193  Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, S.  51 ff. 194 So Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25. 195  Haltern, Europarecht, Bd.  II, Rn.  294 ff.; Krygier, in: Rosenfeld/Sajo (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Constitutional Law, S.  233 ff. 196  Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25; Classen, Rechtsstaatlichkeit als Primärrechtsgebot in der Europäischen Union – Vertragliche Grundlagen und Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte, in: Müller-Graff/Scheuing (Hrsg.), Gemeinschaftsgerichtsbarkeit und Rechtsstaatlichkeit, EuR-Beiheft 3 (2008), S.  7–21, 11; Siehe hierzu auch noch zu ex-Art.  6 EUV Pernice/Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd.  I, EUV/AEUV, nach Art.  6 EUV, Rn.  289 f. 197  EuGH, Rs. C-90/95, Slg. 1997, I-1999 (De Compte/Parlament), Rn.  35 ff; EuGH, Rs. 120/86, Slg. 1988, 2321 (Mulder), Rn.  24. 198  EuGH, Rs. 98/78, Slg. 1979, 69 (Racke), Rn.  20. 199  EuGH, Rs. 169/80, Slg. 1981, 1931 (Gondrand Freres), Rn.  17. 200  Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25. 201  Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25. 202  Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

Grundwerte der Union, insbesondere Grundrechte und Demokratie. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist für die Funktionsweise der EU von entscheidender Bedeutung: für die wirksame Anwendung des EU-Rechts, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, die Wahrung eines investitionsfreundlichen Umfelds und wechselseitiges Vertrauen. Rechtsstaatlichkeit beruht auf einem wirksamen Rechtsschutz, der nur von einer unabhängigen, hochwertigen und effizienten Justiz gewährleistet werden kann.“203

Da sich diese Arbeit, wie anfangs bereits klargestellt, auf die sogenannten rein formalen Aspekte der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten konzentriert und die Rechtssicherheit sowie die Unabhängigkeit neutraler Richter selbst die formalen Aspekte des Rechtsstaatsprinzips umfassen, soll im Folgenden die Definition dieser beiden Aspekte auf Unionsebene für den Zweck der Untersuchung genügen. a) Der Grundsatz der Rechtssicherheit als Teil der Unionsrechtsordnung Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss der Grundsatz der Rechtssicherheit von den Organen der Union bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Unionsrichtlinien einräumen, beachtet werden.204 Wie der EuGH wiederholt entschieden hat, ergibt sich daraus unter anderem, dass die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig bzw. klar sein müssen und ihre Anwendung für die Rechtsunterworfenen vorhersehbar sein muss. Es müsse „eindeutig erkennbar“ sein, welche Rechte und Pflichten für die Rechtsunterworfenen aus den Regelungen folgen, damit sie sich auf diese einstellen können.205 Beispielsweise rechtfertigen offene oder unbestimmte Richtlinienbestimmungen keine Umsetzung durch ebenfalls offene oder unbestimmte Regelungen.206 Es muss vielmehr abhängig von einer zunehmenden Grundrechtssensitivität (sie203 

Europäische Kommission, Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, online abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/policies/justice-and-fundamental-rights/upholding-rule-law_de (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 204  Vgl. in diesem Sinne u. a. EuGH, Rs. C-487/01 und C-7/02, Slg. 2004, I 5337 (Gemeente Leusden und Holin Groep), Rn.  57; EuGH, Rs. C-376/02, Slg. 2005, I-3445 (Goed Wonen), Rn.  32; EuGH, Rs. C-181/04 bis C-183/04, Slg. 2006, I-8167 (Elmeka NE), Rn.  31. 205  EuGH, Rs. 325/85, Slg. 1987, 5041 (Irland/Kommission), Rn.  18; Dabei gelte das Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maße, wenn es sich um Regelungen handelt, die für Betroffene finanziell belastende Konsequenzen haben können, da beispielsweise Steuerpflichtige „ihre steuerlichen Verpflichtungen kennen [müssen], bevor sie ein Geschäft abschließen“, EuGH, Urt. v. 09.10.2014, Rs. C-492/13 (EOOD) = RIW (2015), S.  159, Rn.  29; Auch Strafoder öffentlich-rechtliche Sanktionen sollen Rechtsunterworfenen nur dann in rechtmäßiger Weise auferlegt werden können, wenn sie auf einer „klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage“ beruhen, EuGH, Rs. C-94/05, Slg. 2006, I-2619 (Emsland-Stärke), Rn.  44; Siehe auch bereits in EuGH, Rs. 117/83, Slg. 1984, 3291 (Könecke), Rn.  11. 206  EuGH, Rs. C-54/99, Slg. 2000, I-1335 (Scientologie), Rn.  32 f. – in Bezug auf die Beschränkung von Grundfreiheiten aufgrund abstrakter Ermächtigungsklausel.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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he hierzu Art.  52 (1) S.  1 GRCh), der Größe des Adressatenkreises und der wirtschaftlichen Bedeutung die Auslegungsmöglichkeit für die Rechtsprechung durch Gesetze verengt werden, um eine nach dem Rechtsstaatsprinzip gebotene Rechtsklarheit bzw. Rechtssicherheit sicherzustellen.207 In diesem Sinne sei der Gebrauch von Generalklauseln aber nicht per se als Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu werten. Vielmehr können Generalklauseln dazu verwendet werden einzelne Teilrechtsgebiete abzudecken, soweit sie durch Rechtsprechung ausdifferenziert werden können und sofern die gesetzliche Determination über „Treu und Glauben“ oder die „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ hinausgeht.208 Weiter wird unter dem unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit notwendig auch ein Rückwirkungsverbot verlangt, weil das unklarste Recht ein Solches ist, das niemand kennt, obwohl es wirksam gilt (bzw. zumindest wirksam gelten sollte).209 Ob eine Regelung, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, insbesondere eine nationale Regelung eines Mitgliedstaates, den unionsrechtlichen Rechtssicherheitskriterien genügt, überlässt der EuGH der Überprüfung der nationalen Gerichte.210 Der EuGH gibt dazu nur generelle Hinweise, indem er beispielsweise klarstellt, unter welchen Voraussetzungen die Rückwirkung einer Regelung aufgrund von Allgemeininteressen gerechtfertigt sein könnte.211 Insbe207 

Latzel, Schutz vor rückwirkendem Recht kraft Unionsrechts, in: EuR, Bd.  4 (2015), S.  415, 425. 208 Siehe Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, S.  241 f.; Eine strengere Ansicht vertritt Petersen, EG-Richtlinienumsetzung und Übergangsgerechtigkeit, S.  174 ff. 209  Vgl. hierzu EuGH, Rs. C-313/99, Slg. 2002, I-5719 (Mulligan), Rn.  48 und 52; Siehe hierzu auch Latzel, Schutz vor rückwirkendem Recht kraft Unionsrechts, in: EuR, Bd.  4 (2015), S.  415, 426, siehe zur Ausnahmsweisen Rückwirkung ebenfalls Latzel, Schutz vor rückwirkendem Recht kraft Unionsrechts, in: EuR, Bd.  4 (2015), S.  415, 427 f. 210  EuGH, Rs. C-384/04, Slg. 2006, I-6057 (Federation of Technological Industries), Rn.  34; EuGH, Rs. C-347/06, Slg. 2008, I-5641 (ASM Brescia), Rn.  72; EuGH, Rs. C-201/08, Slg. 2009, I-9343 (Plantanol), Rn.  45; Um ein Beispiel zu nennen: Nationale Gerichte müssen bei einer Rechtsänderung pro futurum darüber entscheiden, ob ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit hatte, eine Rechtsänderung vorherzusehen, und ob ein berechtigtes Vertrauen der Rechtsunterworfenen in den Fortbestand der Rechtslage unter der Berücksichtigung der in üblicherweise zu benutzenden Informationsmethoden und der Umstände des Einzelfalles gebührend beachtet worden sind. Siehe hierzu EuGH, Rs. C-201/08, Slg. 2009, I-9343 (Plantanol), Rn.  57 ff. 211  Als Beispiel: EuGH, Rs. C-376/02, Slg. 2005, I-3445 (Goed Wonen), Rn.  38 und 39: „[…] die seit vielen Jahren praktizierten Finanzkonstruktionen zu beenden“ […], „[…] kann ein Allgemeininteresse darstellen, das es rechtfertigt, dass ein Mitgliedstaat ausnahmsweise die Technik der Rückwirkung des Gesetzes anwendet, sofern das berechtigte Vertrauen der Steuerpflichtigen gebührend beachtet ist. Es obliegt jedoch dem nationalen Gericht, das die Umstände

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

sondere dürfen nationale Gerichte bei Streitigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, aufgrund des Vorrangs, der Einheit und der Wirksamkeit des Unionsrechts und um diese nicht zu gefährden, bei ihren Entscheidungen nicht die nationalen Rechtssicherheitskriterien in Stellung bringen.212 Schließlich trägt der EuGH mit dem Vorabentscheidungsverfahren in erheblichem Maße zur Rechtssicherheit in der Unionsrechtsordnung bei, indem der um Vorabentscheidung ersuchte EuGH das Unionsrechts auslegt, dem vorlegenden Gericht mit anderen Worten „alle unionsrechtlichen Auslegungshinweise [gibt]“213, um diesem die Entscheidung des Ausgangsfalles aus unionsrechtlicher Sicht zu ermöglichen. Dadurch soll eine einheitliche Auslegung des Unionsrechts, insbesondere durch die nationalen Gerichte der EU-Mitgliedstaaten, gewährleistet werden.214 Denn das vorlegende Gericht, das über den konkreten Sachverhalt entscheidet und das gesamte Unionsrecht anwendet, geht von einer Rechtslage aus, wie sie sich nach der (ex tunc) Auslegung des EuGHs darstellt.215 b) Das Recht auf eine unabhängige Gerichtsbarkeit Nach Art.  47 (2) S.  1 GRCh, der als Grundrecht verfahrensrechtliche Aspekte regelt, muss ein („zuvor“ durch Gesetz errichtetes216) Gericht im Sinne des Unionsrechts, insbesondere unabhängig (im Sinne von Weisungsfreiheit) und unparteiisch (im Sinne von Unvoreingenommenheit), sein.217 Beide Begriffe würden des vorliegenden Falles am besten kennt, zu beurteilen, ob das in diesem Zeitraum entstandene Risiko der Finanzkonstruktionen groß genug ist, um den rückwirkenden Charakter des Gesetzes zu rechtfertigen.“; Siehe auch EuGH, Rs. C-376/02, Slg. 2005, I-3445 (Goed Wonen), Rn.  28 ff. 212  EuGH, Rs. C-409/06, Slg. 2010, I-8015 (Winner Wetten), Rn.  53 ff. 213  EuGH, Rs. C-573/12, ECLI:EU:C:2014:2037 (Alands Vindkraft), Rn.  126. 214  Vgl. EuGH, Rs. C-573/12, ECLI:EU:C:2014:2037 (Alands Vindkraft), Rn.  126; EuGH, Rs. C-551/13 (SETAR) = EuGH, Abgabe für die Beseitigung von Abfällen, in: NVwZ (2015), S.  653 Rn.  28 ff. 215  EuGH, Rs. C-61/79, Slg. 1980, 455 (Denkavit), Rn.  16. 216  Dem Grundrecht werden daher Gerichte ohne gesetzliche Grundlage und solche, die ad hoc für bestimmte Fälle eingesetzt werden, insbesondere Ausnahmegerichte oder Schiedsgerichte, nicht gerecht: Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  23. 217  Art.  47 (2) GRCh: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unab­ hängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.“ (Kursivierung hinzugefügt) Die Definition des „Gerichts“ im Unionsrecht, speist sich grundsätzlich aus zwei Quellen. Einerseits aus Art.  47 (2) GRCh, dessen historisches Vorbild Art.  6 EMRK ist, und andererseits aus Art.  267 AEUV. Siehe hierzu die Schlussanträge des Generalanwalts Alber, Rs. C- 63/01 (Evans), Slg. 2003, I-14447, Rn.  89; zum gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf ein unabhängiges Gericht auch EuGH, Rs. C-174/98 P und C-189/98 P (van der Wal), Slg. 2000, I-1, Rn.  17.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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funktional miteinander zusammen hängen und sollen während der gesamten Verfahrensdauer (objektiv und subjektiv) gegeben sein.218 Gelten soll das Grundrecht aufgrund der Bezeichnung „ihre Sache“ in Art.  47 (2) GRCh für alle möglichen Rechtsstreitigkeiten aus allen Rechtsgebieten, soweit es um die Geltendmachung europarechtlicher Ansprüche geht.219 Für die Auslegung der in Art.  47 (2) GRCh festgelegten Gewährleistungen und Voraussetzungen ist zu berücksichtigen, dass die justiziellen Rechte zum einen den allgemeinen Rechtsgrundsätzen entsprechen sollen, sich aber auch die Rechtstraditionen der EU-Mitgliedstaaten zur näheren Konkretisierung heranziehen lassen.220 Vom EuGH zusammengefasst, fordert das Rechtsstaatsprinzip für die Gewährleistung der Unabhängigkeit neutraler Richter, dass es parlamentsgesetzliche „Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit der Einrichtung für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen.“221

aa) Die Unabhängigkeit des Gerichts Die in Art.  47 (2) GRCh genannte Unabhängigkeit eines Gerichts bezieht sich auf die Gerichtseigenschaft, womit die Stellung des Gerichts gegenüber anderen Organen der Union und der EU-Mitgliedstaaten sowie prozessuale Aspekte gemeint sind.222 Sie bezieht sich auf das Gericht als Ganzes, als auch auf jedes einzelne Mitglied und setzt insbesondere deren Weisungsfreiheit voraus.223 Insoweit müsse es vor allem Garantien gegen äußere Beeinflussungen geben, die besonders in der Art und Weise der Berufung der Mitglieder eines Gerichts und während ihrer Amtsdauer zu wirken haben.224 So soll hinsichtlich der Amtsdauer ein Richter nur aufgrund besonderer Umstände und in festgelegten Tatbeständen

218 

Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  105. Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  92; Blanke, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  47 EU-GRCh, Rn.  9. 220 Vgl. Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  93. 221  EuGH, Rs. C-216/18, ECLI:EU:C:2018:586 (Mängel des Justizsystems), Rn.  66. 222  Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  94; Blanke, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  47 EU-GRCh, Rn.  13; Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  25. 223 Vgl. Blanke, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  47 EU-GRCh, Rn.  13; Ja­ rass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  25. 224  EGMR, Nr.  19178/91, Urt. v. 22.11.1995 (appearance of independence), Rn.  37; Siehe auch Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  96; Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  26. 219 

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

abgesetzt bzw. vom Gericht ausgeschlossen werden dürfen.225 Was die Berufung der Gerichtsmitglieder betrifft, sollen die Gerichte nicht von der Exekutive abhängig sein. Diese könne aber durchaus dazu befugt sein, Richter zu ernennen.226 Nach der Ernennung als Richter sollte dessen Unabhängigkeit zusätzlich durch ethische Anforderungen geschützt werden. Als Beispiel darf ein Richter gemäß Art.  4 der Satzung des Gerichtshofs als Nebentätigkeit weder ein Amt in der Verwaltung noch ein politisches Amt ausüben.227 Schließlich liegt ein Verstoß gegen die Unabhängigkeit im Sinne des Art.  47 (2) GRCh vor, wenn beispielsweise ein Legislativorgan bzw. der Gesetzgeber in ein laufendes Verfahren durch eine Einzelfallentscheidung eingreift, wobei der Erlass einer allgemeinen Regelung bzw. ergänzende Auslegung zu einer Regelung, die auch für ein anhängiges Streitverfahren gilt, zu keiner Verletzung der Unabhängigkeit im unionsrechtlichen Sinne führen soll.228 225 

EGMR, Nr.  23614/08, Urt. v. 30.11.2010, Rn.  53; Was die Unabhängigkeit im Hinblick auf die europäische Gerichtsbarkeit anbelangt, so sind die Richter (und Generalanwälte – zu deren Unabhängigkeit siehe auch Art.  252 (2) AEUV) keiner Gerichtsbarkeit unterworfen und können nur durch ein einstimmiges Urteil aller Richter und Generalanwälte des EuGH ihres Amtes enthoben werden, also nicht durch die Regierung eines Mitgliedstaates, welche die Richter gemäß Art.  19 EUV im gegenseitigen Einvernehmen ernannt haben, Art.  3 und 6 der Satzung des Gerichtshofs: Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  97; Siehe auch Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  26. Zudem wurde auch auf europäischer Ebene zur Stärkung der Unabhängigkeit der Richter diskutiert, die Amtszeit von gegenwärtig 6 Jahren auf 9 oder 12 Jahre zu verlängern und im Gegenzug dafür eine mögliche Wiederernennung auszuschließen, vgl. Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  100. 226  Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  26. Zur Ernennung der Richter und Generalanwälte siehe Art.  253 (1), 254 (2) und Art.  257a (4) AEUV. Die Einschaltung des Europäischen Parlaments ist (bislang) nicht vorgesehen. Inzwischen wurde aber gemäß Art.  256 AEUV ein siebenköpfiger Ausschuss eingerichtet, der eine Stellungnahme über die Eignung eines Bewerbers vor der jeweiligen Ernennung abgibt. Vgl. Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  100. 227  Blanke, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  47 EU-GRCh, Rn.  13; Art.  4 der Satzung des Gerichts (Verbot der Nebentätigkeit): „Die Richter dürfen weder ein politisches Amt noch ein Amt in der Verwaltung ausüben. Sie dürfen keine entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben, es sei denn, dass der Rat mit einfacher Mehrheit ausnahmsweise von dieser Vorschrift Befreiung erteilt. Bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit übernehmen sie die feierliche Verpflichtung, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen, insbesondere die Pflicht, bei der Annahme bestimmter Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein. Im Zweifelsfalle entscheidet der Gerichtshof. Betrifft die Entscheidung ein Mitglied des Gerichts oder eines Fachgerichts, so entscheidet der Gerichtshof nach Anhörung des betreffenden Gerichts.“ 228  Vgl. EGMR, Nr.  13427/87, Urt. v. 09.12.1994, Rn.  49; EGMR Nr.  21319/93, Urt. v. 23.10.1997, Rn.  112; EGMR, Nr.  47316/99, Urt. v. 20.02.2003, Rn.  63 f.; Siehe auch Blanke, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  47 EU-GRCh, Rn.  13.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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Berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit des Gerichts würden zudem vorliegen, – wenn ein Vertreter einer Regierung an den Beratungen eines Gerichts (ohne Stimmrecht) teilnimmt,229 oder – im Allgemeinen ein Angehöriger der Exekutive (der EGMR nennt beispielsweise einen Soldaten), als Richter fungiert.230 bb) Die Unparteilichkeit des Gerichts Die Unparteilichkeit gemäß Art.  47 (2) GRCh verlangt einerseits die subjektive Unparteilichkeit des Gerichts. Diese basiert auf einer Vermutung, dass keines der Gerichtsmitglieder voreingenommen ist oder persönliche Vorurteile gegenüber den Parteien oder dem Streitgegenstand hat.231 Zusätzlich muss das Gericht objektiv unparteiisch sein, womit die Einrichtung hinreichender Garantien erforderlich ist, die dazu geeignet sind, jeden möglichen berechtigten Zweifel an der Unbefangenheit eines Gerichtsmitglieds auszuschließen.232 Die Differenzierung zwischen subjektiver und objektiver Unabhängigkeit dürfte auf die Judikatur des EGMR zu Art.  6 EMRK zurückgehen. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit wird subjektiv nach dem äußeren Erscheinungsbild und Verhalten des Gerichts im konkreten Verfahren233 und objektiv nach der Art und Weise der Rekrutiernung des Richterpersonals und der Existenz von Garantien gegen Beeinflussungen der Richter beurteilt werden.234 So haben die Richter in der Unionsgerichtsbarkeit beispielsweise vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Schwur dahingehend zu leisten, dass sie das Amt unparteiisch und gewissenhaft auszuüben haben.235 Dabei gehe nach Albers die in der Eidesformel erwähnte „Gewissenhaftigkeit“ insoweit über die Nichtbevorzugung einer Partei hinaus, als dass die 229 

EGMR, Nr.  39594/98, Urt. v. 07.06.2001, Rn.  77 ff. EGMR, Nr.  7819/77, Urt. v. 28.06.1984, Rn.  76 ff.; EGMR, Nr.  8790/79, Urt. v. 22.10.1984, Rn.  41 f. 231  Vgl. EuGH, Rs. C-308/07, Slg. 2009, I-1059 (Atxalandbabaso), Rn.  46; Siehe auch Al­ ber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  103. 232  Vgl. EuGH, Rs. C-341/06, Slg. 2008, I-04777 (Chronopost), Rn.  54; EuGH, Rs. C-308/07, Slg. 2009, I-1059 (Atxalandbabaso), Rn.  46; Siehe auch Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  103; Blanke, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  47 EU-GRCh, Rn.  14; Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  27. 233  „Justice must not only be done: it must also seen to be done“, EGMR, No.  7819/77 und No.  7878/77 (Campbell & Fell), Series A Nr.  80, §  81. 234  EGMR, No.  64935/01 (Chmelír), Slg. 2005-IV, §  55; Peukert, Verfahrensgarantien und Zivilprozeß (Art.  6 EMRK), in: RabelsZ, 1999, S.  600, 622 f.; Pache, Das europäische Grundrecht auf einen fairen Prozess, in: NVwZ, 2001, S.  1342, 1344. 235  Art.  4 VerfOEuGH bzw. Art.  4 VerfOEuG. 230 

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

Richter die Rechtssache vollständig und umfassend zu prüfen hätten bzw. prüfen müssen.236 Dagegen ist bezüglich der Zuständigkeit eines Richters für einen bestimmten Rechtsstreit zu berücksichtigen, dass anders als Art.  101 (1) S.  2 GG, Art.  47 (2) GRCh nicht verlangt, dass die Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Richters im Vorhinein (beispielweise durch einen Gerichtsverteilungsplan) genau festgelegt wurde.237 Im Einzelnen ist ein Richter befangen, wenn aus der Sicht eines vernünftig Denkenden Zweifel an der Neutralität des Richters gegenüber den Verfahrensbeteiligten bestehen.238 Dabei ist zu berücksichtigen, dass schon ein einziger befangener Richter die Unparteilichkeit des gesamten Spruchkörpers in Frage stellt.239 Die Befangenheit eines Richters ist beispielsweise gegeben, wenn – der Richter im vorgeschalteten Verwaltungsverfahren als Beamter tätig war,240 – gegen die Unschuldsvermutung des Art.  48 (1) GRCh verstoßen wird241 oder – die Funktionen der Anklage und des Richters nicht klar zugeordnet sind.242 Zweifel an der Befangenheit des Richters sollen dagegen nicht vorliegen, wenn ein Richter bereits in einem anderen Verfahren mit dem gleichen oder einem ähnlichen Streitgegenstand befasst war (sogenannter möglicher „issue con­ flict“).243 c) Zwischenergebnis Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit wird auf der Ebene der Union in Art.  2 EUV (ex-Art.  6 (1) EUV) erwähnt, inhaltlich aber nicht näher konkretisiert. Für eine Konkretisierung des Begriffs der Rechtsstaatlichkeit kann aber einerseits auf das Verständnis der EU-Mitgliedstaaten zurückgegriffen und auf Unionsrechtsebene 236  Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  104. Alber spricht auch davon, dass im Übrigen die üblichen gewohnheitsrechtlichen Befangenheitsregelungen für die Unionsrichter gelten würden, geht aber nicht weiter darauf ein, was genau mit „gewohnheitsrechtlichen Befangenheitsregelungen“ gemeint sei, siehe Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRChKom­mentar, Art.  47, Rn.  104. 237  Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  23. 238 Siehe Jarass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  27. 239  Vgl. EuGH, Rs. C-341/06, Slg. 2008, I-04777 (Chronopost), Rn.  54; EuGH, Rs. C-308/07, Slg. 2009, I-1059 (Atxalandbabaso), Rn.  46; Siehe auch Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  103. 240 Siehe Blanke, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  47 EU-GRCh, Rn.  14; Ja­ rass, GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  28. 241  EGMR, Nr.  64962/01, Urt. v. 18.05.2010, Rn.  36. 242  EGMR, Nr.  64962/01, Urt. v. 18.05.2010, Rn.  36. 243  EuGH, Rs. C-341/06, Slg. 2008, I-04777 (Chronopost), Rn.  58 f.; EuGH, Rs. C-308/07, Slg. 2009, I-1059 (Atxalandbabaso), Rn.  43.

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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übertragen werden, auch wenn die Union selbst keine Staatsqualität besitzt.244 Andererseits liefert die Rechtsprechung des EuGHs für das unionsrechtliche Verständnis der Rechtsstaatlichkeit wichtige Anhaltspunkte. Dieser fasst beispielsweise unter das Rechtsstaatsprinzip die Grundsätze des Vertrauensschutz-es245, des Rückwirkungsverbots246 sowie des Bestimmtheitsgrundsatzes247, die insbesondere unter den Aspekt der Rechtssicherheit zu fassen sind. Wie der EuGH wiederholt entschieden hat, ergibt sich daraus unter anderem, dass die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig bzw. klar sein müssen und ihre Anwendung für die Rechtsunterworfenen vorhersehbar sein muss. Das bedeutet dagegen nicht, dass der Gebrauch von Generalklauseln gleich einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit darstellt. Diese können durchaus zur Abdeckung einzelner Rechtsgebiete verwendet und durch die Rechtsprechung weiter ausdifferenziert werden. Dagegen sind Generalklauseln wie „Treu und Glauben“ oder die „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“, die dem Rechtsanwender einen überaus weiten Ermessensspielraum zuweisen, der Rechtssicherheit, insbesondere der einheitlichen Anwendung, in hohem Maße abträglich. Daneben zählt im Unionsrecht auch die Unabhängigkeit neutraler Richter zum fundamentalen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Nach Art.  47 (2) S.  1 GRCh muss ein Gericht im Sinne des Unionsrechts insbesondere unabhängig und unparteiisch sein, wobei dies für alle möglichen Rechtsstreitigkeiten aus allen Rechtsgebieten gilt, soweit es um die Geltendmachung europarechtlicher Ansprüche geht. Die Begriffe der Unabhängigkeit (im Sinne von Weisungsfreiheit) und der Unparteilichkeit (im Sinne von Unvoreingenommenheit) sind nach unionsrechtlichem Verständnis funktional miteinander verknüpft und sollen während der gesamten Verfahrensdauer (objektiv und subjektiv) gegeben sein. Auch der EuGH hat bereits nähere Vorgaben für die Gewährleistung der Unabhängigkeit neutraler Richter definiert, indem er klargestellt hat, dass es parlamentsgesetzliche Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder geben soll, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit der Einrichtung 244 

Insoweit macht schon der Wortlaut „Rechtsstaatlichkeit“ die Herkunft des Begriffs aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten deutlich, so Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25; Pechstein, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  2. 245  EuGH, Rs. C-90/95, Slg. 1997, I-1999 (De Compte/Parlament), Rn.  35 ff; EuGH, Rs. 120/86, Slg. 1988, 2321 (Mulder), Rn.  24. 246  EuGH, Rs. 98/78, Slg. 1979, 69 (Racke), Rn.  20. 247  EuGH, Rs. 169/80, Slg. 1981, 1931 (Gondrand Freres), Rn.  17.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen.248 3. Die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekte der rule of law im internationalen Investitionsschutzrecht Die rule of law ist im internationalen Investitionsrecht zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat auf mehreren Ebenen relevant. Investoren kommen zum einen auf nationaler Ebene mit dem Gastgeberstaat als Souverän in Berührung, wenn sie sich an die nationalen Vorschriften des Gastgeberstaates halten und diesen unterliegen. Um darüber hinaus die Grundsätze der rule of law auf internationaler Ebene zu gewährleisten, werden materielle Schutzmaßnahmen in völkerrechtlichen Abkommen zwischen dem Heimatstaat des Investors und dem Gastgeberstaat sowie in Verträgen zwischen dem Investor und dem Gastgeberstaat aufgenommen, wobei die dort geregelten Rechte letztendlich bei Bedarf durch Investor-Staat-Schiedsverfahren unterstützt und unmittelbar durchgesetzt werden können.249 Investitionsschutzabkommen können somit dazu führen, dass die Aspekte des Rechtsstaatsprinzips auf internationaler Ebene gewährleistet oder gefördert werden. In diesem Zusammenhang setzt die Einhaltung der rule of law voraus, dass Staaten insbesondere in den völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen Regeln vereinbaren, deren Inhalt den Anforderungen entspricht, dass diese allgemein bekannt, zugänglich, klar und eindeutig gestaltet worden sind.250 Denn auch im internationalen Investitionsschutzrecht wird verlangt, dass Schiedsrichter das Recht gleichermaßen und konsequent interpretieren und anwenden.251 Außerdem lässt sich beispielsweise die Notwendigkeit von Rechtssicherheit als Aspekt der rule of law an der Schiedsrechtsprechung zum materiellen investitionsschutzrechtlichen „Grundsatz billiger und gerechter Behandlung“ verdeutlichen, der sich in fast jedem bilateralen Investitionsschutzabkommen findet, denn „The essence [des Grundsatzes billiger und gerechter Behandlung] is again traceable to rule of law ruminations that are familiar to most legal systems, often expressed as legal certainty and 248 

EuGH, Rs. C-216/18, ECLI:EU:C:2018:586 (Mängel des Justizsystems), Rn.  66. Siehe hierzu ausführlich das folgende 2. Kapitel. 250  Van Harten, Investment Treaty Arbitration, Procedural Fairness, and the Rule of Law, in: Schill, (Hrsg.), International Investment Law and Comparative Public Law, 2010, S.  627, 630 f. 251 Vgl. Schill, Internationales Investitionsschutzrecht und Vergleichendes Öffentliches Recht: Grundlagen und Methode eines öffentlich-rechtlichen Leitbildes für die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, in: ZaöRV (2011), S.  247, 281 f. Siehe hierzu im Weiteren Hirsch, Between Fair and Equitable Treatment and Stabilization Clause: Stable Legal Environment and Regulatory Change in International Investment Law, in: JWIT, Bd.  12 (2011), S.  783 ff. 249 

A. Das Rechtsstaatsprinzip

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legal security (Rechtssicherheit, sécurité juridique).252 This reflects a core aspect of the normativity of law: individuals adapt their behavior to the requirements of the legal order and, on that basis, not only form stable social relationships but also accept responsibility for their own fortunes, financial or otherwise. In a business context, stability is a critical component. This applies all the more to long-term investments. Legal security requires a certain constancy of the legal framework, legal certainty in turn calls for predictable and understandable rules and their consistent application [by independent and impartial adjudicators]. Reading these into FET [Fair and Equitable Treatment] clauses gels with the object and purpose of investment treaties.“253

Auch das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter in Investor-Staat-Schiedsverfahren ist „obvious and imperative“.254 Wobei dieser Anforderung nach der rule of law in Investor-Staat-Schiedsverfahren wegen des Fehlens von Präzedenzregeln und einer Berufungsinstanz noch mehr Gewicht zukommt.255 „[I]f one asserts that investment arbitration offers a fair, rules-based, and thus superior method of decision-making, then the system is appropriately held to a high standard of independence.“256

Das bedeutet, dass die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten durch formelle Regeln geregelt sein muss, die ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter gewährleisten. Zu diesen formellen Regeln gehören auch die hier zu untersuchenden Regelungen des ICSID-Übereinkommens in Kapitel 2. und des CETAs in Kapitel 3.

III. Zwischenergebnis E. P. Thompson hat die rule of law passend als „cultural achievement of universal significance“ bezeichnet.257 Denn obwohl die Herleitung einer allgemein anerkannten Definition des Rechtsstaatsprinzips, auch unter Berücksichtigung der rule of law auf internationaler Ebene, problematisch ist, lassen sich dennoch bestimmte grundlegende Aspekte zum Rechtsstaatsprinzip auf nationaler Ebene 252  Siehe

zur Rechtssicherheit als Aspekt des Rechtstaatsprinzips auf der Ebene des EURechts, EuGH, Joined Cases C-201/09 P and C-216/09 P, ArcelorMittal Luxembourg SA vs Commission, ECR I-2239, 29.03.2011, Rn.  68. 253  Jacob/Schill, Fair and Equitable Treatment: Content, Practice, Method, in: Bungenberg/ Griebel/Hobe/Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  700, 729, Rn.  67. 254  Rogers, The Ethics of International Arbitrators, in: Newman/Hill (Hrsg.), The Leading Arbitrators Guide to International Arbitration, S.  621, 630. 255  Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  5. 256  Van Harten, Investment Treaty Arbitration, Procedural Fairness, and the Rule of Law, in: Schill, (Hrsg.), International Investment Law and Comparative Public Law, S.  627, 638. 257  Thompson, Whigs and Hunters: The Origin of the Black Act, S.  265.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

der Bundesrepublik Deutschland sowie der rule of law auf internationaler Ebene, insbesondere im Unionsrecht und der internationalen Investitionsstreitbeilegung, finden, die auf beiden Ebenen akzeptiert werden und eine allgemeine rechtliche Bedeutung erfahren. Hierzu gehören unter anderem die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit neutraler Richter, die sogar als Kernprinzipien der rule of law anerkannt werden und auf das internationale Völkerrecht anwendbar sind. Es ist folglich möglich, das CETA und das ICSID-Übereinkommen unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips zu bewerten und anhand dessen die Frage zu beantworten, ob das CETA-Gericht mit seiner Rechtsbehelfsinstanz und den verbindlichen ethischen Anforderungen an die Mitglieder beider Instanzen sowie der Einfluss- und Korrekturmöglichkeiten der CETA-Vertragsparteien auf die Rechtsanwendung und Rechtsfindung des CETA-Gerichts eine Verbesserung der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter im Vergleich zum Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens darstellt.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung Die internationale Investor-Staat-Streitbeilegung ist eine organisierte, öffentlichrecht­liche bzw. völkerrechtliche Streitentscheidung und verfolgt den primären Zweck, ausländische Investoren vor entschädigungsloser Enteignung und diskriminierenden Maßnahmen durch den sogenannten Gastgeberstaat zu schützen. Das Modell der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung findet seinen Ursprung im siebzehnten Jahrhundert in der Entwicklung des transatlantischen Handels und dem Beginn interkontinentaler Investitionen. Nach dem Unabhängigkeitskrieg im Jahre 1794 vereinbarten England und die neu gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika die „Jay Treaty“258, die detaillierte Bestimmungen dazu enthielt, dass die noch ausstehenden Forderungen zwischen England und den USA sowie ihren Staatsangehörigen vor zwei Sonderkommissionen von drei oder fünf Schiedsrichtern gestellt und verhandelt werden sollten.259 Die gemischt besetzten Tribunale erließen 565 Schiedssprüche, von denen sich die meisten auf die Beschlagnahme von Schiffen unter amerikanischer Flagge durch die britische 258  Der

vollständige Titel des „Jay-Vertrages“, der nach dem American Secretary of State John Jay benannt wurde, war „The General Treaty of Friendship, Commerce and Navigation 1794“. 259  Holtzmann/Kristjansdottir (Hrsg.), International Mass Claims Processes: Legal and Practical Perspectives, S.  2; Siehe hierzu auch Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  153 ff.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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Marine während des Unabhängigkeitskrieges bezogen.260 Der Sogenannte JayVer­trag war der erste von einer Reihe der sogenannten „Friendship, Commerce and Navigation“-Verträge, welche die Unterzeichner in unterschiedlichem Maße dazu verpflichteten, die Rechte des fremden Eigentums von Staatsangehörigen eines anderen Staates zu achten. Der nächste Schritt erfolgte 1871, als Streitigkeiten über die angebliche britische Neutralitätsverletzung während des amerikanischen Bürgerkrieges zur sogenannten „Alabama Claims Arbitration“ führte, in dem ein ad hoc konstituiertes Schiedsgericht über Schadensersatzforderungen der USA gegen England entscheiden sollte, welches unter anderem aus dem König von Italien, dem Bundespräsidenten der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiser von Brasilien bestand.261 Die erfolgreiche Schlichtung der Streitigkeiten führte 1894 zur Gründung des ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag.262 Dieser verhandelte 1935 sein erstes Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren und ist bis heute noch aktiv.263 Seine bedeutendste Rolle nimmt der Sec­ retary General des ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag als Appointing Authority unter der UNCITRAL Schiedsordnung ein.264 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm die Rolle von privaten Interessen in öffentlichen internationalen Schiedsverfahren stark zu. Dabei muss aber zwischen „internationaler Schiedsgerichtsbarkeit“ und „internationaler Handelsschiedsgerichtsbarkeit“ unterschieden werden. Bei der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit geht es um die Streitbeilegung zwischen Staaten, bei der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit sind hingegen ausschließlich private Parteien beteiligt. Zwischen diesen beiden Streitbeilegungsmechanismen liegt das Investor-Staat-Schiedsverfahren als Streitbeilegungsmodell. Dabei handelt es sich um die verbindliche Streitbeilegung zwischen ausländischen Investoren und Gastgeberstaaten. Ähnlich wie die internationale Schiedsgerichtsbarkeit 260  Holtzmann/Kristjansdottir (Hrsg.), International Mass Claims Processes: Legal and Practical Perspectives, S.  2. 261  Alabama Claims Case, Decision and Award, 14.09.1872, abgedruckt in: Blach, The Alabama Arbitration; Siehe hierzu auch Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  155 f. 262  Der ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag wurde durch die Hague Convention for the Pacific Settlement of Internationals Disputes (1899) begründet. 263  Radio Cooperation of America vs China, in: ILR (1941), S.  26. Die Inanspruchnahme des ständigen Schiedsgerichtshofs in Den Haag nimmt aufgrund seiner Rolle als Appointing Authority unter den UNCITRAL Arbitration Rules und seiner zunehmenden Nutzung als Ort für ad hoc-Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten im Rahmen von bilateralen Investitionsabkommen weiter zu. 264  Die Funktion der Appointing Authority nach der UNCITRAL Schiedsordnung betrifft vor allem die Entscheidung über die Ernennung und Ablehnung von Schiedsrichtern nach Art.  8, 9, 10, 13 und 14 UNCITRAL-Schiedsordnung.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

zwischen Staaten, kann ein Investor-Staat-Schiedsverfahren ad hoc oder institutionell geführt werden. Die institutionelle Investor-Staat-Streitbeilegung ergibt sich dabei in der Regel aus der Anwendung eines Streitbeilegungsmechanismus innerhalb eines Investitionsschutzabkommens zwischen Staaten. Die wohl bekannteste Investor-Staat-Streitbeilegungsinstitution stellt das „International Center for the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States“ – das ICSID – dar, das aus dem ICSID-Übereinkommen von 1965 entstanden ist. Die meisten modernen multilateralen oder bilateralen Investitionsschutzabkommen (MITs und BITs) enthalten Investor-Staat-Streitbeilegungsbestimmungen, die ein Verfahren zur Streitbeilegung festlegen. Um den Inhalt der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung besser nachvollziehen zu können, werden zunächst die relevanten Grundlagen mit dem Regelungsgegenstand (I.) und den Regelungsinstrumenten (II.) des internationalen Investitionsrecht dargestellt. Bei den Grundlagen und Begriffen des internationalen Investitionsrechts wird auch jeweils direkt auf das CETA und ICSID-Übereinkommen Bezug genommen. Damit soll ein gewisses Vorverständnis zur internationalen Investitionsstreitbeilegung vermittelt werden, das für eine kritische Auseinandersetzung mit dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA notwendig ist. Vor allem dient sie aber dafür, den Auslegungsmaßstab der materiellen Regelungen im internationalen Investitionsrecht zu bestimmen265, um daran anknüpfend den Bewertungsmaßstab für die Untersuchung beider Abkommen anhand der Aspekte des Rechtsstaatsprinzips festzulegen.

I. Der Regelungsgegenstand im internationalen Investitionsschutzrecht Beim Regelungsgegenstand der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung geht es im Grunde um einen Ausgleich zwischen den Interessen des Investors und des Gastgeberstaates. Der Investor hat ein Interesse an stabilen und vorhersehbaren Verhältnissen am Investitionsstandort (im Gastgeberstaat) und der Gastgeberstaat (auf der anderen Seite) ein Interesse nach politischer Zukunftsgestaltung (Wohlstand und Arbeitsplätze) und Regulierung.266

265  Das anwendbare Recht erlaubt dem Normgeber im Sinne der Gesetzesbindung die Vorab-Steuerung der Gerichte durch Festlegung ihres Entscheidungsprogramms. Siehe hierzu auch Schreiber, Wie unabhängig ist der Richter?, in: Vogler u. a. (Hrsg.), FS Jescheck, 1985, Bd.  1, S.  757, 760; Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  134 f. 266 Unter den vorhersehbaren Verhältnissen des Investors ist Folgendes zu verstehen: Rechtssicherheit für Investoren herzustellen und ihnen ein stabiles, berechenbares, faires und sachgerecht reguliertes Geschäftsumfeld zu bieten.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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Konkreter sind für den Investor günstige Produktionsstandorte mit niedrigen Lohnkosten und möglichst guter Infrastruktur, Marktnähe oder die Möglichkeit der Erschließung neuer Märkte, die Vermeidung von Wechselkursrisiken, die Umgehung von Importbeschränkungen, eine geringe Besteuerung, niedrige Arbeitsstandards und der Grad der Korruption im Gastgeberstaat entscheidende Faktoren für oder gegen die Entscheidung einer Auslandsinvestition.267 Der Investor hat in Bezug auf diese Faktoren ein besonderes Interesse an einer stabilen Rechtsordnung, um sich Gewissheit über die sichere Zukunft seiner Investition zu verschaffen. Eine stabile Rechtsordnung steht aber immer unter dem Vorbehalt einer (möglichen) Veränderung durch den Wandel der innenpolitischen Verhältnisse im Gastgeberstaat. Aus diesem Grund strebt der Investor eine Absicherung an, um sich dadurch vor typischen Investitionsrisiken wie z. B. entschädigungslose direkte oder indirekte Enteignungen, Diskriminierungen der Investition gegenüber dritten Investoren, Beschränkungen von Gewinntransfers, mangelnde Schutzgewährung bei Unruhen und die Nichteinhaltung staatlicher Zusagen abzusichern.268 Dem gegenübergestellt stehen die Interessen des Gastgeberstaates, insbesondere seinen Handlungsspielraum als Rechtssetzer bzw. seine regulierende Tätigkeit zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse wahrzunehmen und den Gegebenheiten sowie den Bedürfnissen der Zeit anzupassen.269 Eine Verkürzung dieses Handlungsspielraums aufgrund des Interesses eines ausländischen Investors an einer stabilen Rechtslage tangiert ein solches Interesse des Gastgeberstaates.

II. Die Regelungsinstrumente des internationalen Investitionsschutzrechts Ein Regelungsinstrument im internationalen Investitionsrecht schützt im Schwerpunkt das Interesse des Investors an stabilen und vorhersehbaren Verhältnissen. Diesem Schutz und dem Interesse des Investors wird dabei neben einer möglichen Investitionsschutzversicherung (1.) auf zwei Ebenen Rechnung getragen: Zum einen durch materielle Regelungsinstrumente (2.), wie z. B. einem Investitionsschutzabkommen (das u. a. das Recht auf gerechte und billige Behandlung 267 Vgl.

Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  3; Haltern in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, §  34 Rn.  3. 268  Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  3. 269 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  337, §  21, Rn.  1; Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, S.  40

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

regelt).270 Zum anderen durch Streitbeilegungsmechanismen im Falle von Investitionsstreitigkeiten (3.). Als Beispiel sei die Möglichkeit genannt, sich gegen eine Verletzung eines Investitionsschutzabkommens durch einen Gastgeberstaat vor einem Investitionsschiedsgericht wehren zu können.271 1. Investitionsschutzversicherungen Investitionsschutzversicherungen bieten Investoren, die in anderen Staaten investieren wollen, eine Versicherung gegen nichtkommerzielle Risiken an. Die jeweiligen Heimatstaaten der Investoren haben in dieser Hinsicht sowohl aus außenwirtschaftspolitischen als auch entwicklungspolitischen Gründen ein Interesse an Investitionen einheimischer Unternehmen im Ausland. Daher haben im Rahmen einer sogenannten Außenwirtschaftsförderung grundsätzlich alle Industriestaaten sogenannte Exportkreditagenturen eingerichtet, die über staatliche Bürgschaften und Garantien vor allem politische Risiken einer Investition im Ausland absichern sollen.272 Als Beispiele seien an dieser Stelle folgende Länder angeführt: – in den USA wird diese Funktion von der Overseas Private Investment Corpo­ ration (OPIC)273, – in Japan von der Nippon Export and Investment Insurance (NEXI)274, – in Frankreich von der Compagnie Française d’Assurance pour le Commerce Extérieur (Coface)275 und – in Großbritannien durch das Export Credit Guarantee Department (ECGD)276 wahrgenommen. In Deutschland gibt es ein vom Bund beauftragtes privates Mandatskonsortium bestehend aus PricewaterhouseCoopers (PwC AG) und der Euler Hermes Kreditsicherungs-AG (sogenannte „Hermes-Bürgschaften“).277 Dieses Konsortium un270 Vgl.

Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  59. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  59. 272 Vgl. Besch, Schutz von Auslandsinvestitionen – Risikovorsorge durch Investitionsverträge, S.  7. 273  Für weiterführende Hinweise siehe online unter: www.opic.gov/. (zuletzt aufgerufen: 03.05.2018). 274  Für weiterführende Hinweise siehe online unter: www.nexi.go.jp/index.html. (zuletzt aufgerufen: 03.05.2018). 275  Für weiterführende Hinweise siehe online unter: www.coface.fr/CofacePortal/redirection.jsp?pageID=pages/home&site=FR_fr_FR. (zuletzt aufgerufen: 03.05.2018). 276  Für weiterführende Hinweise siehe online unter: www.ecgd.gov.uk/ (zuletzt aufgerufen: 03.05.2018). 277 Für weiterführende Hinweise siehe online unter: wwwagaportal.de/pages/dia/index. html. (zuletzt aufgerufen: 03.05.2018). 271 Vgl.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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terhält ein spezielles Garantieprogramm zur Förderung deutscher Direkt-investitionen im Ausland.278 Zusätzlich gibt es in Deutschland ein besonderes Garantieprogramm für Projekte zur Sicherung der Rohstoffversorgung („ungebundene Finanzkredite“, UFK). Über die Vergabe von Garantien entscheidet ein interministerieller Ausschuss (IMA), in dem neben den Mandanten auch Vertreter aus vier Bundesministerien beteiligt sind.279 Neben den nationalen Investitionsschutzversicherungen bieten auch internationale Entwicklungsbanken und Organisationen Finanzierungs- und Garantieinstrumente an. Diese sind in erster Linie an entwicklungspolitischen Zielen ausgerichtet, sollen aber gleichwohl privaten Investoren zugutekommen.280 Die Bedingungen der Versicherungen für Auslandsinvestitionen knüpfen an den Begriff der Direktinvestition an, also an Kapitalbewegung. Das prominenteste Beispiel einer Investitionsschutzversicherung ist die von der Weltbank ins Leben gerufene Mul­ tilateral Investment Guarantee Agency (MIGA).281 Das Abkommen ist mittlerweile von 181 Staaten ratifiziert worden. Das MIGA hat damit eine noch größere Akzeptanz gewonnen als das ICSID-Übereinkommen. Es stellt ein weiteres Instrument der Weltbankgruppe dar und dient der weiteren Entpolitisierung von Investitionsstreitigkeiten.282 Die Aufgabe der MIGA besteht darin, private Investoren, die in Entwicklungsländern investieren wollen, gegen nichtkommerzielle Risiken zu versichern. Eine solche Versicherung entsteht durch den Abschluss eines Garantievertrags zwischen der MIGA 278  Näher dazu, BMZ, Global Chancen nutzen: Handbuch für unternehmerisches Engagement in Entwicklungs- und Transformationsländern, S.  24 ff. 279  In dem Ausschuss (IMA) sind neben dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (federführend) das Bundesministerium der Finanzen, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vertreten. Siehe hierzu die Internetseite des BMWis, online abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/ Aussenwirtschaft/investitionsgarantien.html (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 280 Vgl. Besch, Schutz von Auslandsinvestitionen – Risikovorsorge durch Investitionsverträge, S.  7. 281  Zum Volltext des MIGA-Übereinkommens vom 11.10.1985 siehe BGBl. 1987 II, 454 ff.; siehe auch den Kommentar zum MIGA-Übereinkommen: ICSID, Commentary on the Convention Establishing the Multilateral Investment Guarantee Agency, in: ICSID Review Bd.  1 (1986), S.  193–218; Baker, Foreign Direct Investment in Less Developed Countries. The Role of ICSID and MIGA, S.  101 ff.; Potocnik, Die multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA); Shihata, MIGA and the Standards Applicable to Foreign Investments, in: ICSID Review, Bd.  1 (1986), S.  327 ff. 282  Vgl. die Website vom MIGA: https://www.miga.org/who-we-are/member-countries (zuletzt abgerufen am 19.04.2018); zu dem MIGA als Instrument der Entpolitisierung von Investitionsstreitigkeiten siehe den gleichlautenden Aufsatz des ehemaligen Generalsekretärs des ICSIDs: Shihata, Torwards a Greater Depolitization of Investment Disputes: The Role of ­ICSID and MIGA, in: ICSID Review, Bd.  1 (1986), S.  1 ff.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

und dem ausländischen Investor, wobei nach Art.  13 (a) und 14 MIGA dessen Heimat- und Gastgeberstaat Unterzeichner des MIGA-Übereinkommens sein müssen. Zudem muss der Gastgeberstaat nach Art.  15 MIGA der Gewährung einer Garantie zustimmen. Alternativ gewährt MIGA nach Art.  20 MIGA auch Rückversicherungen für nationale und regionale Rechtsträger gegen Verluste aus nichtkommerziellen Risiken. Zu den versicherbaren Risiken gehören entsprechend der Vorgabe in Art.  11 (a) MIGA nach dem Standard-Garantievertrag die Absicherung des Transfer-, Enteignungs-, Vertragsverletzungs- und Kriegsrisikos. Wie bei herkömmlichen Versicherungen erfolgt die Auszahlung der Garantiesumme nur gegen Abtretung aller Ansprüche des Garantienehmers gegen den Gastgeberstaat und Dritte an den Versicherungsgeber (sogenannte „Subrogation“, Art.  18 MIGA). Für Streitigkeiten über Forderungen der MIGA als Rechtsnachfolger eines Investors sieht Art.  75 i. V. m. Anlage II zum MIGA-Übereinkommen spezielle Vergleichs- und Schiedsverfahren vor. Die MIGA macht das ICSID-Übereinkommen damit auf keinen Fall überflüssig. Sollte es zu einem Vertragsbruch kommen, muss das ICSID-Übereinkommen eher als das weitaus bedeutendere Instrument des Investitionsschutzes angesehen werden.283 2. Materielle Regelungsinstrumente zum Investitionsschutz Die materiellen Regelungsinstrumente zum Investitionsschutz finden sich auf drei Ebenen. Die unterste Ebene bilden Verträge zwischen Investor und Gastgeberstaat mit relativer Wirkung.284 Auf der zweiten Ebene schützen den Investor 283 

Görs, Internationales Investitionsrecht, S.  83. Die allgemeine Gesetzgebung des Gastlandes ist möglicherweise nicht ausreichend auf die Art der Investition und die besonderen Interessen des ausländischen Investors ausgerichtet. Der rechtliche Rahmen einer Investition muss deshalb möglicherweise durch einen Investitionsvertrag zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat an seine Besonderheiten und Komplexität angepasst werden. Investoren und Gastgeberstaaten würden daher oft Investitionsvereinbarungen verhandeln. Als ein prominentes Beispiel werde insbesondere in der Praxis der rechtliche Rahmen von Öl- und Gasinvestitionen multinationaler Unternehmen weitgehend durch einen Investitionsvertrag festgelegt. Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  79 ff. In der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit hat man sich auch bereits mit der Definition eines ‚Investment Agreement‘ befasst. In dem Fall Burlington vs Ecuador musste das Schiedsgericht die Frage beantworten, ob eine Vereinbarung zwischen Ecuador als Gastgeberstaat und einer in einem Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft des Klägers (Burlington) einen Investitionsvertrag zwischen dem Gastgeberstaat und dem Kläger darstellt. Der Fall betraf Streitigkeiten über Steuersachen, die nur dann unter das US-Ecuador-BIT fallen sollten, wenn sie aufgrund eines Investitionsvertrags zwischen dem Gastgeberstaat und einem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei entstanden sind. In einer ‚split decision‘ stellte das Schiedsgericht fest, dass es sich nicht um einen Investitionsvertrag im Sinne des US-Ecuador-BIT handelte. Siehe Burlington Recources Inc. vs Republic of Ecuador, ICSID Case No. ARB/08/5, Decision on Jurisdiction, Rn.  234: „The Parties disagree on 284 

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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nationale Gesetze des Gastgeberstaates vor hoheitlichen Maßnahmen mit absoluter Wirkung im Territorium des Gastgeberstaates. Auf der obersten, völkerrechtlichen Ebene wird der Investor durch Investitionsschutzabkommen, diplomatischen Schutz und Völkergewohnheitsrecht vor staatlich belastenden Maßnahmen geschützt. Alle Regelungen verfolgen grundsätzlich das gemeinsame Ziel, den Investor vor Diskriminierung, entschädigungsloser rechtswidriger Enteignung (direkte und indirekte), unfairer und ungleicher Behandlung von ausländischen Investoren gegenüber inländischen Investoren sowie dem Geldtransfer von erwirtschafteten Gewinnen in den Heimatstaat zu schützen. a) Völkergewohnheitsrecht Das Völkergewohnheitsrecht bietet einem ausländischen Investor nur einen minimalen Schutz vor politischen Risiken, der selbst zudem nicht effektiv durchsetzbar ist. Ein solcher Mindeststandard (minimum standard) wird durch das völkerrechtliche Fremdenrecht gewährt, das einen Schutz von Fremden in Gastgeberstaaten im Allgemeinen gewährt.285 folglich auch von ausländischen Investoren.286 Eine Verletzung des völkerrechtlichen Fremdenrechts kann nicht durch das einzelne Individuum geltend gemacht werden, sondern nur über das Institut des diplomatischen Schutzes, der durch den Heimatstaat des Fremden gegenüber dem Gastgeberstaat ausgeübt wird.287 Der durch das völkerrechtliche Fremdenrecht gebotene Schutz lässt sich als absolute untere Grenze definieren, unter welche die Rechtsstellung von Ausländern nicht absinken darf.288 Aus den Rechten und Pflichten des Mindeststandards ergibt sich aber durch die Territorialhoheit des Gastgeberstaates kein Anspruch der ausländischen Investoren bzw. Fremden

whether there is an investment agreement between them within the meaning of Article VI(1)(a), to which Article X(2)(c) refers. Claimant 50 argues that Burlington is the ‚real investor‘ and that, based on this economic reality, there is an investment agreement between Burlington and Ecuador. Respondent objects that there is no investment agreement because (i) the PSCs were not entered into between Claimant and Respondent and (ii) the economic reality of the investment is irrelevant for purposes of defining an investment agreement.“ 285 Siehe zum völkerrechtlichen Fremdenrecht Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd.  I/2, S.  104 ff.; Griebel Internationales Völkerrecht, S.  14 ff.; Lörcher/Ober, Schutzstandards im materiellen Investitionsrecht, in: KSzW (2011), S.  105 ff.; Newcombe/Paradell, Law and Practice of Investment Treaties, S.  11 ff. 286 Siehe zum völkerrechtlichen Fremdenrecht Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd.  I/2, S.  104 ff.; Griebel Internationales Völkerrecht, S.  14 ff.; Lörcher/Ober, Schutzstandards im materiellen Investitionsrecht, in: KSzW (2011), S.  105 ff.; Newcombe/Paradell, Law and Practice of Investment Treaties, S.  11 ff. 287 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  1212 ff. 288 Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd.  I/2, S.  117.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

auf Zulassung oder auf wirtschaftliche Betätigung im Gastgeberstaat.289 Vielmehr sind die Staaten frei darin, Handelsbeziehungen mit anderen Staaten aufzunehmen oder zu beenden.290 Das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht umfasst das Gebot der gerechten und billigen Behandlung, dass durch die Garantie eines fairen Verfahrens und rechtlichem Gehör bedeutsam ist.291 Wirtschaftliche Diskriminierungen und auch Enteignungen fallen allerdings nicht unter den Schutzbereich des völkerrechtlichen Fremdenrechts.292 Ein Gastgeberstaat kann folglich aufgrund seiner territorialen Souveränität und seiner Gebietshoheit ganze Industriezweige oder Branchen ausländischer Investoren nationalisieren.293 Allerdings ist die Rechtmäßigkeit einer Enteignung nach dem Mindeststandard des Fremdenrechts davon abhängig, dass eine Enteignung einem öffentlichen Zweck dienen soll, nicht diskriminierend sein darf und gegen die Zahlung einer Entschädigung erfolgen muss.294 Die Rechtsfolge der Verletzung dieser Grundsätze richtet sich im Grunde nach den Vorschriften der völkerrechtlichen Staatenverantwortlichkeit.295 Diese sind Teil des Völkergewohnheitsrechts und in den Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit der Völkerrechtskommission (ILC ASR) niedergelegt.296 Völkerrechtswidrig handelnde Staaten sind nach diesen Artikeln dazu verpflichtet, einen völkerrechtmäßigen Zustand herzustellen, also ihr Handeln in Einklang mit den völkerrechtlichen Primärpflichten zu bringen.297 Die Pflicht zur Einhaltung umfasst die Wiedergutmachung (Art.  31 ILC ASR) in Form der Wiederherstellung des Zustandes, der ohne die völkerrechtswidrige Handlung bestehen würde (Art.  34, 35 ILC ASR – sogenannte restitutio in integrum). Für denjenigen Schaden, der nicht durch Wiederherstellung wiedergutgemacht worden ist, schuldet 289  Zagel, Auslandsinvestitionen in Lateinamerika, S.  102 ff.; So auch Art.  2 II (a) der UN General Assembly Resolution 3281 (XXIX), Charter of Economic Rights and Duties of States, 29th Session, 1974: „Each State has the right: to regulate and exercise authority over foreign investment within its national jurisdiction in accordance with its laws and in conformity with national objectives and priorities“. 290  Gloria in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, §  43 para. 5; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S.  393. 291  Vor allem aber in verfahrensrechtlicher Hinsicht, vgl. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  15. 292  Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  15. 293 Vgl. Proelß, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), S.  474. Rn.  2. 294  Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  110, §  7, Rn.  22 ff.; Haltern in: Ipsen, Völkerrecht, §  34, Rn.  53 ff. 295  Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  110, §  7, Rn.  22 ff.; Haltern in: Ipsen, Völkerrecht, §  34, Rn.  53 ff. 296  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 82. 297  Siehe dazu Art.  29, 30 (A) und Art.  35 der ILC ASR.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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der Gastgeberstaat Schadensersatz (Art.  34, 36 ILC ASR), einschließlich Zinsen (Art.  38 ILC ASR). Wie der Umfang der Entschädigung für eine enteignende Maßnahme auszusehen hat, wird unterschiedlich bewertet. Überwiegend propagierten die Industriestaaten die sogenannte Hull-Formel, die verlangt, dass eine Entschädigung unverzüglich, in angemessener Höhe und in konvertibler Währung (prompt, ade­ quate, effective) erfolgen müsse.298 Nach Auffassung der Entwicklungsländer sollte die Entschädigung stattdessen nur „appropriate“ sein (Art.  2 (2) (c) der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten).299 Das bedeutet, dass die Höhe des Schadensersatzes angemessen sein sollte, im Ermessen des enteignenden Staates liegt und nicht der Höhe des Marktpreises entsprechen muss.300 Heute scheint sich die Pflicht zur Entschädigung zum vollen Wert des Vermögensnachteils im Völkergewohnheitsrecht durchgesetzt zu haben.301 Nichtsdestotrotz ist die bestehende Rechtsunsicherheit hinsichtlich des völkerrechtlichen Fremdenrechts Grund dafür, das Schutzbedürfnis ausländischer Investoren nicht zu befriedigen.302

298 Vgl. Dolzer in: Vitzthum, Völkerrecht, 6. Abschn., Rn.  44; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  329, §  20, Rn.  10 ff.; Die Hull-Formel ist nach einem US-amerikanischen Außenminister benannt und geht auf einen Briefwechsel zwischen Mexiko und den USA aus dem Jahre 1938 über den Entschädigungsstandard zurück. Die Formel hat sich im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in der Staatenpraxis durchgesetzt. Zur Zeit der Dekolonialisierung wurde aber zunehmend Kritik gegen den Ansatz der Formel geäußert. Die Kritik gipfelte schließlich in drei UN-Resolutionen aus den 1970er Jahren, die eine Entschädigungspflicht bei Enteignungen in das Ermessen der nationalen Gesetzgeber stellen (vgl. UN General Assembly Resolution 3171 (XXVIII), Permanent Sovereignty over Natural Resources, 28th Session, 1973; UN General Assembly Resolution 3281 (XXIX), Charter of Economic Rights and Duties of States, 29th Session, 1974) bzw. vollständig verneinend (vgl. UN General Assembly Resolution 3201 (S-VI), Declaration on the Establishment of a New Economic Order, 6th Special Session, 1974). Siehe zu den Entschädigungsstandards: Markert, Streitschlichtungsklauseln in Investitionsschutzabkommen, S.  43; Newcombe/Paradell, Law and Practice of Investment Treaties, S.  18; Zagel, Auslandsinvestitionen in Lateinamerika, S.  217 ff. 299  UN General Assembly Resolution 3281 (XXIX) vom 12. Dezember 1974, UNYB 1974, S.  403 ff. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat diese Charta von 1974 mit großer Mehrheit aber gegen oder ohne die Stimmen der wichtigsten Industrieländer angenommen, vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  329, §  20, Rn.  10. 300 Vgl. Haltern in: Ipsen, Völkerrecht, §  34, Rn.  56; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  329, §  20, Rn.  10. 301 Siehe Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  18; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  329, §  20, Rn.  12; anderer Ansicht Dickerson, Minimum Standards, in: MPEPIL, Bd.  7, Rn.  16. 302  Herdegen in: Baur/Hobe (Hrsg.), Rechtsprobleme von Auslandsinvestitionen, S.  17.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

b) Völkerrechtliches Soft Law Internationale Organisationen, wie die International Law Commission (ILC), haben völkerrechtlich nicht verbindliche Verhaltenskodizes und Richtlinien verabschiedet, die Rechte und Pflichten von Auslandsinvestitionen enthalten. Aufgrund der fehlenden allgemeinen Bindungswirkung kann ein Investor diese allerdings nicht effektiv selbst durchsetzen. Die Bedeutendsten sind: – die „Guidelines for Multinational Enterprises“303 der OECD, – die „Guidelines on the Treatment of Foreign Direct Investment“304 der Weltbank und – die „Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy“305 der International Labour Organisation (ILO). c) Völkervertragsrecht in der Form von Investitionsschutzabkommen aa) Bilaterale und multilaterale Investitionsschutzabkommen und ihre materiellen Investitionsschutzregelungen Den Schwächen des Völkergewohnheitsrechts ist die Staatenpraxis mit dem Abschluss völkerrechtlicher Abkommen über den Schutz und die Förderung von Auslandsinvestitionen begegnet. Mittlerweile finden sich im Völkerrecht investitionsbezogene Regelungen in bilateralen und multilateralen Investitionsschutzabkommen. BITs und MITs sind völkerrechtliche Verträge, die zwischen dem Heimatstaat des Investors und demjenigen Staat abschlossen werden, in dem die Investition getätigt wird – dem Gastgeberstaat. Dabei handelt es sich um Verträge zwischen (mindestens zwei) Staaten zugunsten Dritter, dem ausländischen Investor. BITs sind typischerweise in drei Teile gegliedert: Der erste Teil definiert bestimmte Rechtsbegriffe des Abkommens, wie zum Beispiel die Begriffe des Investors oder der Investition. Der zweite Teil besteht aus materiellen Regelungen zum Schutz des Investors und der Investition, die im Folgenden dargestellt werden. Der dritte Teil regelt die Streitbeilegung, wobei die meisten BITs zwei separate Regelungen zur Streitbeilegung beinhalten. Einerseits solche zur Regelung der Investor-Staat-Streitbeilegung und andererseits zur Staat-Staat-Streitbeilegung. Im Zuge dessen wird für die anzuwendenden Verfahrensvorschriften 303 

Vom 21. Juni 1976, ILM Bd.  15 (1976), S.  969 ff.; revidiert im Jahr 2000, siehe online unter: www.oecd.org/dataoecd/56/36/1922428.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 304  Siehe zu den „Guidelines on the Treatment of Foreign Direct Investment“ vom 21. September 1992, ILM Bd.  31 (1992), S.  1379 ff. 305  Siehe zu den „Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy“ vom 16. November 1977, ILM Bd.  17 (1978), S.  423 ff.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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überwiegend auf ein anderes Investitionsschutzabkommen, wie das ICSIDÜber­einkommen oder sonstige von den Streitparteien vereinbarte Regelungen, verwiesen. MITs, wie das NAFTA oder das ECT, sind wesentlich komplexer. Sie beinhalten zusätzlich zu den Regelungen zum Investitionsschutz mit der Dreiteilung in Begriffsbestimmungen, materielle Investitionsschutzregelungen und Streitbeilegungsregelungen auch solche zum Handel zwischen den Vertragsstaaten.306 Wo das ECT allerdings ähnliche materielle Regelungen zum Investitionsschutz aufweist, wie solche in BITs, finden sich im NAFTA ebenfalls ähnliche, teilweise aber weiter ausgeführte materielle Regelungen zum Investitionsschutz.307 Die „Vorfahren“ der Investitionsabkommen waren die „Treaties of Friendship, Commerce and Navigation“. Diese dienten bereits im 18. Jahrhundert der Regelung des Handelsverkehrs zwischen Industrienationen.308 Die Wurzeln des BITs lassen sich einerseits auf die Grundsätze des völkerrechtlichen Fremdenrechts und andererseits auf den Grundsatz des diplomatischen Schutzes zurückführen.309 Das erste bilaterale Investitionsabkommen war das deutsch-pakistanische BIT, das im Jahre 1959 geschlossen wurde.310 Besonders aktiv sind Staaten auch auf der bilateralen Ebene.311 Aktuell werden allerdings auch vermehrt bi- und multilaterale Freihandelsabkommen geschlos306 

Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  15 ff. Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  15 ff. 308  Zu den „Treaties of Friendship, Commerce and Navigation“, siehe Blumenwitz, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL IV, S.  953 ff.; Zagel, Auslandsinvestitionen in Lateinamerika, S.  40. 309  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  1212 ff. 310  Siehe zum deutsch-pakistanischen Investitionsabkommen Braun, Investor als partielles Subjekt im internationalen Investitionsrecht, S.  57 ff. 311  Der Versuch, einen verbindlichen materiellen Schutzstandard auf multilateraler Ebene zu schaffen, ist soweit erfolglos verlaufen. Bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es mehrere Entwürfe für ein multilaterales Investitionsabkommen: Zu nennen ist zum Beispiel die Havanna-Charta, die zur Gründung der Internationalen Handelsorganisation (ITO) führen sollte. Sie wurde sogar 1948 von der UN Conference on Trade and Employment angenommen, aber unter anderem von den USA nicht ratifiziert. Zudem gab es durch die Abs-Shawcross Draft Convention Initiativen für einen multilateralen Investitionsschutz, in: J. Pub. L. Bd.  9 (1969), S.  115 ff.; und den OECD-Entwurf der Konvention zum Schutz ausländischen Eigentums von 1967, in: ILM Bd.  7 (1968), S.  117 ff., die aber beide nicht umgesetzt wurden. Der letzte Versuch waren die 1998 gescheiterten OECD-Verhandlungen über ein multilaterales Abkommen für Investitionen (MAI). Eine Analyse zu der Idee eines multilateralen Investitionsschutzabkommens findet sich bei Braun, Ausprägungen der Globalisierung: Der Investor als partielles Subjekt im internationalen Investitionsrecht, S.  50 ff.; Karl, Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) in: RIW (1998), 432 ff.; Karl, On the Way to Multinational Investment Rules – Some Recent Policy Issues, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  17 (2) (2002), 293 ff.; McLachlan/ Shore/Weininger, International Investment Arbitration – Substantive Principles, S.  27, Rn.  2.04 ff.; Newcombe/Paradell, Law and Practice of Investment Treaties, S.  19 ff.; Schill, The 307 

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

sen (Free Trade Agreements [FTA]). In der Praxis sind insbesondere das North American Trade Agreement (NAFTA, das von dem United States-Mexico-Canada Agreement von 2018 [USMCA] abgelöst wird) und das Energy Charter Treaty (ECT) von großer Bedeutung. Auch das CETA ist als Freihandelsabkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Kanada zu verstehen. Diese Investitionsschutzabkommen räumen unmittelbar den ausländischen Investoren sowohl eine eigene materiell-rechtliche Rechtsposition als auch eine verfahrensrechtliche Stellung gegenüber dem Gastgeberstaat ein.312 Sie führen zu einer partiellen Völkerrechtssubjektivität der Investoren und stellen damit ein Novum im Völkerrecht dar.313 Hinsichtlich des in BITs und MITs festgelegten materiellen Rechts zeichnen sich Investitionsschutzabkommen vor allem durch eine inhaltliche Unbestimmtheit aus. Die materiellen Schutzbestimmungen sind durchweg als abstrakte Generalklauseln gefasst, deren Inhalt sich erst durch Auslegung ermitteln lässt (was überwiegend von ad hoc gebildeten Schiedsgerichten im einzelnen InvestorStaat-Streit­beilegungsverfahren vorgenommen wird).314 Da die Investitionsschutzbestimmungen in den zahlreichen BITs und MITs aber teilweise doch Unterschiede aufzeigen, dürfen sie nicht alle gleich ausgelegt werden. Zu den materiellen Regelungen zum Investitionsschutz in BITs und MITs gehören in der Regel die folgenden:

Multilateralization of International Investment Law, S.  31 ff.; Sornarjah, International Law on Foreign Investment, S.  3. Zu den Gründen für das Scheitern der MAI-Verhandlungen siehe Karl, Internationaler Investitionsschutz, in: ZVglRWiss., Bd.  99 (2000), S.  143, 144 ff. 312  Franck, The Legitimacy Crisis in Investment Treaty Arbitration: Privatizing Public International Law Through Inconsistent Decisions in: Fordham Law Review, Bd.  (73) (2005), S.  1521, 1530 ff. 313  Tietje, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, §  4, Rn.  1. 314  Die Idee von unbestimmten Rechtsbegriffen als materielle Investitionsschutzregelungen, die von Schiedsgerichten für jeden Einzelfall neu ausgelegt werden sollen, geht auf den früheren General Council der Weltbank Aron Broches zurück und folgt dem Grundsatz „procedure before substance“. Statt auf detaillierte materielle Regelungen des internationalen Investitionsschutzrechts zu setzen, forcierte Broches einen Streitbeilegungsmechanismus, der den Investoren die Möglichkeit einräumt, den Gastgeberstaat direkt zu verklagen. In der Form der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit sollen öffentlich-rechtliche bzw. völkerrechtliche Entscheidungen getroffen werden, ohne dass den Schiedsgerichten ein präzise ausgearbeiteter, rechtlicher Entscheidungsmaßstab zur Verfügung steht. Die privatrechtlich organisierten Schiedsgerichte werden so dazu berufen, in jedem Einzelfall rechtsschöpfend das Investitionsschutzrecht zu entwickeln. Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  53; Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  748 f.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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– der Anspruch auf angemessene Entschädigung, die sich inhaltlich zumeist an die Hull-Formel richtet („prompt, effective and adequate“315), falls der Investor im Gastland nicht nur direkt enteignet wird, sondern auch indirekt durch schleichende oder de facto-Enteignungen, also Maßnahmen, die zwar den Eigentumstitel unberührt lassen, aber die Nutzungs- und Verfügungsbefugnis der Investition derart einschränken, dass der Kernbereich des Eigentumsrechts betroffen ist,316 – freier Kapitalfluss, insbesondere Gewinntransfer,317 – keine Diskriminierung des ausländischen Investors gegenüber den Staatsangehörigen des Gastgeberstaates (Meistbegünstigungsgebot),318

315  Siehe zur „Hull-Formel“ oben. Der Investor wird vor kompensationslosen direkten und indirekten Enteignungen geschützt. Enteignungen sind gestattet, wenn sie erstens in einem angemessenen Verhältnis zum öffentlichen Interesse vorgenommen, zweitens nicht-diskriminierend und transparent durchgeführt werden und wenn drittens dem Investor zügig eine angemessene Kompensation ausgezahlt wird. 316  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV 2018, S.  33, 66; Siehe zu weiteren Beispielen Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  155 f.; mit weiterführenden Nachweisen zu Literatur und internationaler (Schieds-)Rechtsprechung: Kriebaum, FET and Expropriation in the (invisible) EU Model BIT, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  454, 456 ff.; Als indirekte Enteignungen wurden etwa der Entzug der Kontrolle von Unternehmen durch die Ernennung von Zwangsverwaltern oder Zwangsgeschäftsführern betrachtet oder der Entzug bzw. die Nichtverlängerung von Betriebsgenehmigungen für unternehmerische Tätigkeit. Aber auch gesetzgeberische Maßnahmen, die den Kernbereich des Eigentumsrechts einschränken, etwa übermäßige Besteuerung oder unverhältnismäßige Maßnahmen des Umweltschutzes, können als indirekte Enteignungen Entschädigungs- oder Schadensersatzpflichten auslösen, siehe Brower/Bruesch­ ke, The Iran-United States Claims Tribunal, S.  377 ff.; Schill, Völkerrechtlicher Investitionsund Eigentumsschutz in der ICSID Entscheidung TECMED, in: RIW (2005), S.  330 ff.; Wälde/ Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking‘ in International Law, in: ICLQ Bd.  50 (2001), S.  811 ff. (zum Spannungsfeld von Eigentums- und Umweltschutz); Wälde/Kolo, Investor-State Disputes: The Interface Between Treaty-Based International Investment Protection and Fiscal Sovereignty, in: Intertax Bd.  35 (2007), S.  424 ff. (zum Verhältnis zwischen Eigentumsschutz und Steuerrecht); Titi, The Right to Regulate in International Law, S.  216; Schiedsgerichte haben allerdings bei dem Tatbestandsmerkmal der indirekten Enteignung bisher hohe Maßstäbe angelegt und den totalen oder einen substanziellen Entzug derjenigen Nutzungsmöglichkeiten verlangt, die mit dem Eigentumsrecht üblicherweise verbunden sind und der Entzug darüber hinaus von Dauer und nicht nur vorübergehend ist, vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  155; Kriebaum, FET and Expropriation in the (invisible) EU Model BIT, in: JWIT Bd.  15 (2014), S.  454, 458 ff. 317  Siehe ausführlich Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  212 ff. 318  Siehe hierzu ausführlich Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  206 ff.; McLachlan/Shore/Weininger, International Investment Arbitration – Substantive Principles, Rn.  7.298 bis 7.342.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

– eine faire und angemessene Behandlung der Investition im Gastland nach rechtsstaatlichen Grundsätzen (fair and equitable treatment319), womit das Prinzip der Rechtssicherheit im Sinne der Beständigkeit rechtlicher Normen und der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns, die Verpflichtung zu Konsistenz staatlichen Handelns, das Prinzip der Rechtmäßigkeit, der Grundsatz des Vertrauensschutzes, das Verbot der Rechtsverweigerung, Anforderungen an die Ausgestaltung von Gerichts- und Verwaltungsverfahren, das Verbot von willkürlichen und diskriminierenden Maßnahmen und das Erfordernis transparenten staatlichen Handelns sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip gemeint ist.320 Der Grundsatz gerechter und billiger Behandlung wird in völkerrechtlichen Abkommen grundsätzlich entweder als vertragsautonomer und generalklauselartiger Standard ohne nähere Konkretisierung und Beschränkung garantiert oder an einen ebenfalls wenig konkreten, völkergewohnheitsrechtlichen Minimumstandard angekoppelt,321 – voller Schutz und Sicherheit (full protection and security) gegen faktische Eingriffe in das Substrat ausländischer Investitionen durch Behörden des Gastgeberstaates oder Private,322 319  Bei dem Recht auf „fair and equitable treatment“ (FET) handelt es sich um einen der „unbestimmtesten“ Rechtbegriffe in einem BIT oder MIT. Die Behandlung ist beispielsweise nicht gerecht und billig, wenn dem Investor der Zugang zum nationalen Rechtsweg verweigert wird, er politisch unter Druck gesetzt wird oder auch, wenn Regierungsentscheidungen willkürlich, intransparent und widersprüchlich sind. Das Gebot der gerechten und billigen Behandlung schützt überdies die berechtigten Erwartungen des ausländischen Investors. Diese können sich durch explizite oder implizite Aussagen und Zusicherungen seitens des Staates gegenüber dem Investor ergeben. Nimmt der Gastgeberstaat eine Zusicherung oder ein Versprechen zurück, das aufseiten des Investors zu einer berechtigten Erwartung geführt hat, verletzt er das Gebot der gerechten und billigen Behandlung. Alleine schon aus dieser Aufzählung ergibt sich, dass fast alles unter diese Garantie zu fassen ist, vgl. dazu Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  71; Dolzer/Schreuer, Principles of International Procedural Law, S.  145 ff. 320  Jacob/Schill, Fair and Equitable Treatment: Content, Practice, Method, in: Bungenberg/ Griebel/Hobe/Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  700, 726. 321  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 62. 322 Siehe Zeitler, The Guarantee of „Full Protection and Security“ in Investment Treaties Regarding Harm Caused by Private Actors, in: SIAR (2006), 1 ff.; Brabandere, Host States Due Diligence Obligation in International Investment Law, in: SJILC, Bd.  42 (2015), S.  319 ff.; Dol­ zer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  160 ff.; McLachlan/Shore/Weinin­ ger, International Investment Arbitration, Substantive Principles, Rn.  7.240 bis 7.266; In der Schiedsrechtsprechung wurde dieser Grundsatz zum Beispiel als verletzt angesehen, wenn der Staat keinen ausreichenden Polizeischutz gegen randalierende Demonstranten oder rechtswidrige Inbesitznahme von Grundstücken bietet, oder wenn das Militär Betriebsstätten eines Unternehmens rechtswidrig zerstört. Siehe Tecnicas Medioambientales Tecmed SA vs Mexico, ICSID Case No. ARB(AF)/00/2, Awards, 29.05.2003, Rn.  175 ff.; Joseph Houben vs Burgundi, ICSID Case No. ARB/13/7, Sentence, 12.01.2016, Rn.  157 ff.; American Manufacturing &

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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– die Einhaltung aller Verpflichtungen, die der Gastgeberstaat gegenüber dem Investor (vor allem durch Verträge zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat) eingegangen ist (umbrella clause),323 –  die Zusage der Inländergleichbehandlung und Meistbegünstigung bei der Durchführung von Entschädigungen, Eigentumsrückgaben und Ausgleichszahlungen für Verluste, die auf außergewöhnlichen Krisensituationen, wie bewaffnete Auseinandersetzungen, Bürgerkrieg, Naturkatastrophen oder Notstandssituationen, beruhen (compensation for losses).324 Dazu enthalten die Investitionsschutzabkommen Bestimmungen zum zeitlichen325 und örtlichen Anwendungsbereich326 und der geschützten Investition, die wiederum meistens abstrakt formuliert unter Aufzählung verschiedener Vermögenswerte definiert wird.327 Zum anderen wird dem ausländischen Investor durch das BIT oder MIT unmittelbar das Recht eingeräumt, den Gastgeberstaat vor einem privaten Schiedsgericht zu verklagen.328 „Insbesondere dieses unmittelbare Klagerecht vor einem privaten Schiedsgericht ist der Motor des Investitionsschutzrechts.“329 bb) Die materiellen Regeln zum Bestandsschutz getätigter Investitionen nach dem CETA Das CETA enthält ebenso wie die oben dargestellten BITs und MITs eine Reihe materieller Investitionsschutzregelungen und auch solche Regelungen, die dem ausländischen Investor das Recht einräumen, den Gastgeberstaat unmittelbar vor dem CETA-Gericht zu verklagen.330 Grundsätzlich sind die materiellen Schutzbestimmungen des CETAs zum Investitionsschutz in den Artikeln 8.4 bis 8.13 Trading, Inc. vs Zaire, ICSID Case No. ARB/01/12, Award, 14.07.2006, Rn.  408; Asian Agri­ cultural Products Ltd. vs Sri Lanka, ICSID Case No. ARB/87/3, Final Award, 27.06.1990, Rn.  45 ff. 323  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §  1212 ff. 324  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 64 f.; Siehe auch Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  132 ff.; McLachlan/Shore/Weininger, International Investment Arbitration, Substantive Principles, S.  296, Rn.  7.102, 7.103–7.239. 325  Siehe beispielsweise Art.  8 Deutsches Muster-BIT (2009). 326  Siehe beispielsweise Art.  1 (4) Deutsches Muster-BIT (2009). 327  Siehe beispielsweise Art.  1 (3) Deutsches Muster-BIT (2009). 328  Dazu später ausführlich im 2. Kapitel nach dem ICSID-Übereinkommen und 3. Kapitel nach dem CETA. 329  Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747, 748 f. Dazu ausführlich im 2. und 3. Kapitel. 330  Diese Regelungen finden sich im achten Kapitel des CETAs, Investitionen, online abruf-

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

CETA enthalten, wobei auch die Vorbehalte und Ausnahmen zu diesen Regelungen in Art.  8.2 (2) CETA, Art.  8.15 CETA und die Verweigerung von Handelsvorteilen in Art.  8.16 CETA zu beachten sind. Das CETA bietet im Vergleich zu herkömmlichen BITs und MITs einen detaillierteren Vertragstext331, der bei der Auslegung bestimmter materieller Bestimmungen auch eine Orientierung an die Hand gibt und dabei den Umfang der Verpflichtungen zur Behandlung von ausländischen Investitionen begrenzt. Bei den materiellen Regelungen des CETAs handelt es sich insbesondere um: – Bestimmte in den Art.  8.4 und 8.5 CETA für unzulässig erklärte absolute Marktzugangsbeschränkungen der Vertragsparteien. So regelt Art.  8.4 CETA bestimmte Arten von unzulässigen Maßnahmen der Vertragsparteien, wie eine Beschränkung der Anzahl der Unternehmen, des Gesamtwerts der Geschäfte, der Geschäftsvorgänge, der Beteiligung ausländischen Kapitals und der Beschäftigung natürlicher Personen. Zusätzlich sind nach Art.  8.5 CETA auch sogenannte „Leistungsanforderungen“ (performance requirements), die größtenteils parallel zu dem Agreement on Trade-Related Investment Measures (Abkommen über handelsrelevante Investitionsmaßnahmen) verlaufen, als unzulässige Marktzugangsbeschränkungen zu verstehen.332 bar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016PC044 4&from=EN#footnote12 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 331  Im Vergleich zu anderen BITs: Derzeit bestehen zwischen Kanada und EU-Mitgliedstaaten sieben bilaterale Investitionsschutzabkommen. 1. Mit Kroation, Agreement between the Government of the Republic of Croatia and the Government of Canada for the Promotion and Protection of Investments, vom 03.02.1997; 2. Lettland, Agreement between the Government of Canada and the Government of the Republic of Latvia for the Promotion and Protection of Investments, vom 05.05.2009; 3. Polen, Agreement between the Government of Canada and the Government of the Republic of Poland for the Promotion and Reciprocal Protection of Investments, vom 06.04.1990; 4. Rumänien, Agreement between the Government of Canada and the Government of the Republic of Romania for the Promotion and Reciprocal Protection of Investments, vom 08.05.2009; 5. Slowenien, Agreement between Canada and the Slovak Republic for the Promotion and the Reciprocal Protection of Investments, vom 20.07.2010; 6. Tschechien, Agreement between Canada and the Czech Republic for the Promotion and the Reciprocal Protection of Investments, vom 06.05.2009; und 7. Ungarn, Agreement between the Government of Canada and the Government of the Republic of Hungary for the Promotion and Reciprocal Protection of Investments, vom 03.10.1991. Das achte Kapitel des CETAs „Investitionsschutz“ ist in der englischen Version 49 Seiten lang (S. EU/CA/87 bis EU/CA/145). Die Investor-Staat-Streitbeilegungsbestimmungen (einschließlich eventueller Anhänge) in den BITs der EU-Mitgliedstaaten mit Kanada sind deutlich kürzer (Kanada-Kroatien BIT: ca. 3 Seiten; Kanada-Ungarn BIT: 0,5 Seiten; Kanada-Lettland BIT: ca. 9 Seiten; Kanada-Polen BIT: ca. 0,5 Seiten). 332  Siehe zum Agreement on Trade Related Investment Measures (TRIM), online: https:// www.wto.org/english/tratop_e/invest_e/trims_e.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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– Einen weitreichenden Anspruch auf Inländergleichbehandlung nach Art.  8.6 CETA333 und Investoren aus Drittstaaten, einschließlich solcher aus anderen EU-Mitgliedstaaten durch die in Art.  8.7 CETA334 geregelte Meistbegünstigung. In sachlicher Hinsicht bezieht sich der Anspruch auf Gleichbehandlung zum einen auf den Marktzugang durch den Anspruch auf Niederlassung und 333  Art.  8.6 CETA (Inländerbehandlung): „(1) Jede Vertragspartei gewährt einem Investor der anderen Vertragspartei und einer erfassten Investition eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung, die sie ihren eigenen Investoren und deren Investitionen in vergleichbaren Situationen in Bezug auf die Niederlassung, den Erwerb, die Ausweitung, die Leitung, den Betrieb, die Verwaltung, die Aufrechterhaltung, die Verwendung, die Nutzung und den Verkauf ihrer Investitionen oder die Verfügung darüber in ihrem Gebiet gewährt. (2) Die von einer Vertragspartei nach Absatz 1 gewährte Behandlung ist in Bezug auf eine andere Regierung als auf Bundesebene in Kanada eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die günstigste Behandlung, welche die betreffende Regierung in vergleichbaren Situationen den Investoren Kanadas in ihrem Gebiet sowie den Investitionen dieser Investoren gewährt. (3) Die von einer Vertragspartei nach Absatz 1 gewährte Behandlung ist in Bezug auf die Regierung eines oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die günstigste Behandlung, welche die betreffende Regierung in vergleichbaren Situationen den Investoren der EU in ihrem Gebiet sowie den Investitionen dieser Investoren gewährt.“ 334  Art.  8.7 (Meistbegünstigung): „(1) Jede Vertragspartei gewährt einem Investor der anderen Vertragspartei und einer erfassten Investition eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung, die sie Investoren eines Drittlands und deren Investitionen in vergleichbaren Situationen in Bezug auf die Niederlassung, den Erwerb, die Ausweitung, die Leitung, den Betrieb, die Verwaltung, die Aufrechterhaltung, die Verwendung, die Nutzung und den Verkauf ihrer Investitionen oder die Verfügung darüber in ihrem Gebiet gewährt. (2) Zur Klarstellung: Die von einer Vertragspartei nach Absatz 1 gewährte Behandlung ist in Bezug auf eine andere Regierung als auf Bundesebene in Kanada oder in Bezug auf die Regierung eines oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Behandlung, welche die betreffende Regierung in vergleichbaren Situationen den Investoren eines Drittlands in ihrem Gebiet sowie deren Investitionen gewährt. (3) Absatz 1 gilt nicht für eine von einer Vertragspartei gewährte Behandlung, die eine Anerkennung vorsieht, unter anderem im Wege von Vereinbarungen oder Übereinkünften mit Drittländern, durch welche die Akkreditierung von Prüf- und Analysedienstleistungen und entsprechenden Dienstleistern, die Akkreditierung von Reparatur- und Wartungsdienstleistungen und entsprechenden Dienstleistern sowie die Zertifizierung der Qualifikationen der betreffenden akkreditierten Dienstleister, der von ihnen geleisteten Arbeit oder der mit den akkreditierten Dienstleistungen erzielten Ergebnisse anerkannt werden. (4) Zur Klarstellung: Der Ausdruck „Behandlung“ im Sinne der Absätze 1 und 2 umfasst keine in anderen internationalen Investitionsabkommen und anderen Handelsabkommen vorgesehenen Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten. Materiellrechtliche Verpflichtungen aus anderen internationalen Investitionsabkommen und anderen Handelsabkommen stellen für sich allein genommen keine „Behandlung“ dar und können daher keinen Verstoß gegen diesen Artikel begründen, sofern eine Vertragspartei keine Maßnahmen aufgrund dieser Verpflichtungen eingeführt oder aufrechterhalten hat.“

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

den Erwerb einer Investition. Zum anderen auf die Erweiterung, den Betrieb, den Erhalt und die Veräußerung der Investition. Allerdings ist ein Anspruch auf Gleichbehandlung davon abhängig, dass sich der jeweilige ausländische Investor gemäß Art.  8.6 (1) CETA in einer „gleichen Situation“ befindet, wie der inländische Investor. Damit sollen nicht nachvollziehbare bzw. zu weit gefasste Auslegungen des Art.  8.6 CETA verhindert werden.335 Auch der durch den Meistbegünstigungsgrundsatz gewährte Anspruch auf Nicht-Diskriminierung ist sehr viel beschränkter als in anderen Investitionsschutzabkommen.336 Nach Art.  8.7 (4) CETA ist zum Beispiel keine Multilateralisierung von vorteilhafteren Behandlungsstandards aus Drittabkommen möglich, und es wird nach Art.  8.7 (4) CETA klargestellt, dass den durch CETA geschützten ausländischen Investoren prozessuale Rechte im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren nicht über den Grundsatz der Meistbegünstigung zugutekommen. Der Anspruch auf Gleichbehandlung unterliegt schließlich einer Vielzahl von Ausnahmen.337 Allerdings sind die (für den Gastgeberstaat vorteilhaften) Ausnah335  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 56. Als gutes Beispiel für eine „ausufernde“ Auslegung des Abkommenstextes dient das LCIA-Investitionsschiedsverfahren, in dem Fall Occi­ dental Exploration and Production Company vs Ecuador, in dem eine Verletzung der Inländergleichbehandlung angenommen wurde, weil ein Investor in der Ölindustrie bei der Erhebung einer Steuer für die Ausfuhr von Produkten anders behandelt wurde als ein Unternehmen, das Blumen exportierte: Occidental Exploration and Production Company vs Ecuador, LCIA No. UN 3467, Final Award, 01.07.2004, Rn.  173–176. Siehe hierzu auch Tzanakopoulos, National Treatment and MFN in the (Invisible) EU Model BIT, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  484, 491 f. 336  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 56. 337 Die Ausnahmen vom Grundsatz der Nicht-Diskriminierung sind im gesamten CETA-Vertragstext zu finden. Dazu gehören nach Schill sektorspezifische Ausnahmen, die beidseitig gelten, z. B. gemäß Art.  8.2 (2) (a) CETA; Für bestimmte Dienstleistungen im Luftverkehrsbereich oder nach Art.  8.2 (3) CETA, die einseitig gelten, z. B. für audiovisuelle Dienstleistungen für die EU und die Kulturindustrie für Kanada; Ausnahmen für bestimmte Bereiche staatlicher Tätigkeit, wie z. B. gemäß Art.  8.2 (2) (b) CETA und Art.  8.15 (5) (a) CETA im Vergaberecht und Art.  8.15 (5) (b) CETA für Beihilfen; Weiter existieren gemäß Art.  8.2 (4) und in 8.18 (1) CETA Beschränkungen beim Zugang zur Investor-Staat-Streitbeilegung für Ansprüche wegen Verletzung der Nicht-Diskriminierungsvorschriften beim Marktzugang; Es existieren nach Art.  8.15 (1) (a) und (b) CETA Ausnahmen, welche die Immunisierung gegen in Anhang I gelistete, diskriminierende Maßnahmen (sogenannte „bestehende nichtkonforme Maßnahmen“) beinhalten, deren Ersatz oder Ergänzung; Nach Art.  8.15 (2) CETA i. V. m. Anhang II CETA solche Ausnahmen für künftige Einschränkungen mit einer in Art.  8.15 (3) CETA geregelten Rückausnahme für den Schutz bestehender Investitionen; eine Ausnahme für Entscheidungen unter dem Investment Canada Act gemäß Anhang 8-C CETA; eine in Kapitel 28 Art.  28.3 (1) CETA geregelte allgemeine Ausnahme, die sich an General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) Art. XX anlehnt und Einschränkungen des Nicht-Diskriminierungsgrundsatzes zum Schutz bestimmter öffentlicher Güter oder Rechte Dritter erlaubt; eine weitere in

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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men vom Grundsatz der Nicht-Diskriminierung für die Einführung neuer und bestehender Differenzierungen so umfangreich, „dass der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung im CETA eher an einen schweizer Käse erinnert, in den Mäuse immer größere Löcher fressen dürfen.“338 Dadurch wird zum Nachteil der Investoren im CETA der Anspruch auf umfassende Gleichbehandlung gegenüber dem Gastgeberstaat geschmälert. – Den Schutz des freien Kapitalverkehrs nach Art.  8.13 CETA im Sinne eines Verbots von Beschränkungen auf getätigte Investitionen, wobei es sich dabei um eine Standardklausel für internationale Investitionsschutzabkommen handelt.339 Allerdings enthält auch hier das CETA nach Art.  28.4 und 28.5 CETA Ausnahmen, die eine Einschränkung des Kapitalverkehrs, insbesondere bei Problemen mit der staatlichen Zahlungsbilanz, erlauben. Die Ausnahmevorschriften des CETAs spiegeln dabei u. a. den Wortlaut der Art.  64 ff. AEUV wider. – Den Bestandsschutz der Investition gegen Eingriffe des Gastgeberstaates, die in den Art.  8.10 bis 8.12 CETA geregelt sind. Darunter sind insbesondere zu fassen: –  die Verletzungen des Grundsatzes gerechter und billiger Behandlung in Art.  8.10 CETA (fair and equitable treatment), – der Anspruch auf vollen Schutz und Sicherheit nach Art.  8.10 CETA (full pro­ tection and security), – das Recht auf Entschädigung für Verluste, die durch besondere Umstände entstehen, wie Krieg, Notstand etc. nach Art.  8.11 CETA (compensation for los­ ses), – das Verbot entschädigungsloser Enteignungen und enteignungsgleicher Eingriffe nach Art.  8.12 CETA (direct and indirect expropriation). Der Bestandsschutz der Investitionen gegen Eingriffe des Gastgeberstaates nach den Art.  8.10 bis 8.12 CETA soll im Folgenden noch einmal ausführlicher dargestellt werden. Kapitel 28 Art.  28.3 (2) CETA geregelte allgemeine Ausnahme, die das Nicht-Diskriminierungsgebot ähnlich GATT Art. XX (allerdings ohne die für Art. XX GATT erforderliche differenzierte Abwägung) für notwendige Maßnahmen zum Schutz bestimmter Interessen einschränkt, wie den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der öffentlichen Moral, dem Schutz von Gesundheit, Tieren oder Pflanzen etc., wobei der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Art.  28.3 (2) (x) CETA restriktiv auszulegen ist, Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 57. 338  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 58. 339  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 70.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

(1) Der Grundsatz gerechter und billiger Behandlung nach Art.  8.10 CETA Der in Art.  8.10 (1) und (2) CETA festgelegte Grundsatz gerechter und billiger Behandlung regelt eine abschließende (die Europäische Kommission behauptet weiter: „klare“340) Liste von Maßnahmen des Gastgeberstaates, die einen Verstoß gegen den Grundsatz gerechter und billiger Behandlung darstellen341: „1. Nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gewährt jede Vertragspartei in ihrem Gebiet den erfassten Investitionen der anderen Vertragspartei sowie Investoren in Bezug auf ihre erfassten Investitionen eine gerechte und billige Behandlung […]. 2. Eine Vertragspartei verstößt gegen die Verpflichtung zu der in Absatz 1 genannten gerechten und billigen Behandlung, wenn eine Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen Folgendes darstellt: a) eine Rechtsverweigerung in straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren, b) eine grundlegende Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze, einschließlich einer grundlegenden Verletzung der Pflicht zur Transparenz, in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, c) offensichtliche Willkür, d) gezielte Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfertigten Gründen wie Geschlecht, Rasse oder religiöser Überzeugung, e) missbräuchliche Behandlung von Investoren wie Nötigung, Zwang und Schikane oder f) einen Verstoß gegen etwaige weitere von den Vertragsparteien nach Absatz 3 festgelegte Bestandteile der Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung.“ (Kursivierungen hinzugefügt).

Art.  8.10 (2) CETA bringt damit zum Ausdruck, dass der Grundsatz gerechter und billiger Behandlung, dem (deutschen) Rechtsstaatsprinzip entsprechend, alle staatliche Gewalt bindet, indem es von „Maßnahmen“ als Ausgangspunkt spricht, was jedes staatliche Handeln und Unterlassen umfasst.342 Bemerkenswert ist aber im Vergleich zu anderen Investitionsschutzabkommen, dass der Grundsatz 340 

Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA), 02.2016, S.  2. 341  Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA), 02.2016, S.  2. Dagegen argumentiert Van Harten, dass es sich bei der Liste in Art.  8.10 (2) CETA um keine geschlossene Liste handelt, da der Wortlaut nicht ausdrücklich regelt, dass ein Verstoß gegen Art.  8.10 CETA nur („only“) dann vorliegt, wenn eine der darin aufgeführten Maßnahmen vom Gastgeberstaat ergriffen wurde, Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Hall Law School Research Paper No.  59 (2014), S.  3 (zwar verweist der Text auf eine frühere Version des CETAs, allerdings ist diese in den relevanten Teilen zur Liste bezüglich des Grundsatzes gerechter und billiger Behandlung identisch mit dem endgültigen CETA-Vertragstext). Auf jeden Fall kann die Meistbegünstigung (most-favored nation treatment) nach Art.  8.7 (4) CETA nicht auf Art.  8.10 CETA dahingehend angewendet werden, um den Tatbestand auf zusätzliche Maßnahmen des Gastgeberstaates zu erweitern. 342  Siehe ausführlich Kriebaum, FET and Expropriation in the (invisible) EU Model BIT, in: Journal of World Investment & Trade 15 (2014), S.  454 ff.; Trentinaglia, Fair and Equitable Treatment und Eigentumsschutz nach CETA – Ein Balanceakt zwischen Investorenschutz und

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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gerechter und billiger Behandlung durch die konkretisierende und beschränkende Liste in Art.  8.10 (2) (a) bis (f) CETA wesentlich von diesen abweicht. Bisher wurden grundsätzlich generalklauselartige Regelungen ohne weitere Konkretisierungen oder Beschränkungen für die Gewährleistung einer gerechten und billigen Behandlung in Investitionsschutzabkommen aufgenommen.343 Im Gegensatz dazu ist nach dem CETA eine Verletzung des Grundsatzes gerechter und billiger Behandlung vorbehaltlich des Art.  8.10 (3) CETA nur möglich, wenn einer der in Art.  8.10 (2) (a) bis (f) CETA konkretisierten Tatbestände durch die fragliche staatliche Maßnahme verletzt wurde. Wie diese Tatbestände durch das CETA-Gericht in Zukunft konkret angewendet und ausgelegt werden, ist noch nicht sicher. Sie deuten allerdings auf einen Prüfungsmaßstab hin, der gegenüber staatlichen Maßnahmen als „zurückhaltend und souveränitätsschonend [angewendet wird].“344 Dazu besteht noch die Besonderheit, dass im Vergleich zu anderen Investitionsschutzabkommen bei der Auslegung der gerechten und billigen Behandlung in Art.  8.10 CETA das Erfordernis fehlt, dass die Investitionen im Sinne des Legalitätsprinzips nach Recht und Gesetz behandelt werden müssen und dass von dem Gastgeberstaat die Beständigkeit rechtlicher Normen sowie die Konsistenz und Vorhersehbarkeit staatlichen Handels bzw. Unterlassens verlangt wird.345 Hierzu merkt Schill allerdings an, dass „Die in CETA fehlenden Inhalte des Grundsatzes gerechter und billiger Behandlung (wie Rechtssicherheit, Legalitätsgrundsatz) [jedoch Anforderungen sind], denen der Gesetzgeber ohnehin nach verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegt. Mehr noch: Ganz allgemein gehen die Bindungen des Gesetzgebers nach dem deutschen Verfassungsrecht im Hinblick auf die Achtung von schützenswerten Interessen von Investoren weiter als nach CETA gefordert. Verlangt ist nach dem Grundgesetz nicht nur ein Absehen von grundlegenden oder schweren Verletzungen rechtsstaatlicher Grundsätze, von offenkundiger Willkür, gezielter Diskriminierung von Investoren oder Belästigung ausländischer Investoren, sondern eine Behandlung entsprechend der verfassungsmäßigen Ordnung, insbesondere gemäß den Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips (Art.  20 Abs.  3 GG).“346

demokratischer Geltungsmacht, in: Buszewski/Martini/Rathke (Hrsg.), Freihandel vs Demokratie, S.  157 ff. 343 Siehe Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  132 ff.; McLach­ lan/Shore/Weininger, International Investment Arbitration, Substantive Principles, S.  296, Rn.  7.102, 7.103–7.239. 344  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 62. 345  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 63. 346  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 63.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

Auch der Vertrauensschutz in Art.  8.10 (4) CETA ist lediglich als ein Aspekt genannt, den das CETA-Gericht „berücksichtigen“ kann, wenn es den Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung auf den fraglichen Sachverhalt anwendet und nicht als eigenständigen Tatbestand regelt: „Im Zusammenhang mit der oben dargelegten Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung kann das Gericht berücksichtigen, ob eine Vertragspartei gegenüber einem Investor, um ihn zur Vornahme einer erfassten Investition zu bewegen, eine spezifische Erklärung abgegeben hat, die ein berechtigtes Vertrauen begründet und auf die sich der Investor bei der Entscheidung, die erfasste Investition zu tätigen oder aufrechtzuerhalten, verlassen hat, an die sich die Vertragspartei im Nachhinein aber nicht gehalten hat.“347 (Kursivierungen hinzugefügt)

Damit bietet der Grundsatz der billigen und gerechten Behandlung in Art.  8.10 CETA insgesamt nicht denselben umfangreichen Schutz für Investoren, wie es in bisherigen Investitionsschutzabkommen üblich ist. Vielmehr kann eine detailliertere Regelung des Grundsatzes billiger und gerechter Behandlung festgestellt werden, insbesondere durch die präziseren Tatbestände in der Liste in Art.  8.10 (2) CETA.348 Trotzdem kann Art.  8.10 CETA auch als investorfreundlich angesehen werden, weil nicht festgelegt ist, dass die Liste in Art.  8.10 (2) CETA dem ausländischen Investor nicht mehr Schutz gewähren soll, als durch den „customary international law standard on the treatment of aliens“ gewährt wird – dem völkergewohnheitsrechtlichen Standard für die Behandlung von Ausländern.349 (2) Der Anspruch auf vollen Schutz und Sicherheit nach Art.  8.10 CETA Des Weiteren enthält Art.  8.10 (1) CETA die Verpflichtung, ausländischen Investitionen vollen Schutz und Sicherheit (full protection and security) zu gewähren: „Nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gewährt jede Vertragspartei in ihrem Gebiet den erfassten Investitionen der anderen Vertragspartei sowie Investoren in Bezug auf ihre erfassten Investitionen […] vollen Schutz und volle Sicherheit.“350

Damit garantiert Art.  8.10 CETA grundsätzlich Schutz gegen Eingriffe in das Substrat ausländischer Investitionen durch Maßnahmen des Gastgeberstaates, 347  Art.  8.10

(4) CETA. So auch Reinisch, Putting the Pieces Together … an EU Model BIT?, in: 15 The Journal of World Investment & Trade (2014), S.  679, 691 (zwar verweist der Text auf eine frühere Version des CETAs, allerdings ist diese in den relevanten Teilen zur Regelung des Art.  8.10 CETA inhaltlich identisch mit dem endgültigen CETA-Vertragstext). 349  Sinclair/Trew/Mertins-Kirkwood (Hrsg.), Making Sense of the CETA – An Analysis of the Final Text of the Canada-European Union Comprehensive Economic and Trade Agreement, in: Canadian Centre for Policy Alternatives, (2014), S.  16 (zwar verweist der Text auf eine frühere Version des CETAs, allerdings ist diese in den relevanten Teilen identisch mit dem endgültigen CETA-Vertragstext). 350  Art.  8.10 (1) CETA. 348 

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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mithin also faktische Eingriffe durch Behörden und Private.351 Allerdings beschränkt die Regelung nach Art.  8.10 (5) CETA den Anspruch auf vollen Schutz und Sicherheit nur auf die „physische Sicherheit der Investoren und erfassten Investitionen“. Damit wird zum Beispiel nicht die durch die Schiedsgerichtspraxis entwickelte Verpflichtung des Gastgeberstaates von Art.  8.10 CETA umfasst, Rechtsdurchsetzungsmechanismen bereit zu stellen, um Investoren nicht nur auf völkerrechtlicher, sondern auch auf nationaler Ebene den notwendigen Schutz gegenüber staatlichen und privaten Eingriffen zu ermöglichen.352 (3) Das Recht auf Entschädigung für Verluste durch besondere Umstände nach Art.  8.11 CETA Mit Art.  8.11 CETA gewährt das CETA einen in Investitionsschutzabkommen standardmäßig vorhandenen, aber selten zur Anwendung kommenden Schutz auf Entschädigung für Verluste durch besondere Umstände:353 „jede Vertragspartei den Investoren der anderen Vertragspartei, bei deren erfassten Investitionen aufgrund von bewaffneten Konflikten, Unruhen, einem Notstandsfall oder einer Naturkatastrophe in ihrem Gebiet Verluste entstehen, hinsichtlich der Rückerstattung, Abfindung, Entschädigung oder einer sonstigen Regelung eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung, die sie ihren eigenen Investoren oder den Investoren eines Drittlandes gewährt, je nachdem, welche für den betroffenen Investor günstiger ist.“354

Damit werden ausländischen Investitionen Inländergleichbehandlung und Meistbegünstigung in den besonderen in Art.  8.11 CETA dargestellten Umständen bei der Durchführung von Entschädigungen, Eigentumsrückgaben und Ausgleichszahlungen für einen erlittenen Verlust zugesagt (compensation for losses).355 In351 Siehe

Zeitler, The Guarantee of „Full Protection and Security“ in Investment Treaties Regarding Harm Caused by Private Actors, in: SIAR (2005), S.  1 ff.; Brabandere, Host States Due Diligence Obligation in International Investment Law, in: SJILC Bd.  42 (2015), S.  319 ff.; Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  160 ff.; McLachlan/Shore/Wei­ ninger, International Investment Arbitration, Substantive Principles, Rn.  7.240 bis 7.266; Dum­ berry, The Fair and Equitable Treatment Standard: A Guide to NAFTA Case Law on Article 1105, S.  291 ff. 352  Siehe zu der Schiedsgerichtspraxis hinsichtlich der Bereitstellung von Rechtsdurchsetzungsmechanismen Azurix Corp vs Argentina, ICSID Case No. ARB/01/12, Award, 14.07.2006, Rn.  408; Siemens A.G. vs Argentina, ICSID Case No. ARB/02/8, Award, 06.02.2007, Rn.  303; National Grid plc vs Argentina, UNCITRAL, Award, 3.11.2008, Rn.  189; Biwater Gauff (Tan­ zania) Ltd. vs Tanzania, ICSID Case No. ARB/05/22, Award, 24.07.2008, Rn.  724 ff. 353  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 65. 354  Art.  8.11 CETA. 355  Siehe für eine umfassende Ausführung zu den einfachgesetzlichen Ausgestaltungen von Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen in rechtsvergleichender Perspektive Reinisch/Bin­

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

wieweit diese Regelung den Handlungsspielraum des Gastgeberstaates hinsichtlich einer Differenzierung bei der Entschädigung zwischen inländischen und ausländischen Investoren für erlittene Verluste ermöglicht, lässt sich wegen der fehlenden praktischen Anwendung dieser Regelung nicht sagen.356 Sie beinhaltet aber mit Sicherheit keinen absoluten Schutz für ausländische Investoren, der durch den Gastgeberstaat beachtet werden muss, wobei faktisch betrachtet auch das Haftungsrisiko gering sein sollte.357 (4) Das Verbot entschädigungsloser Enteignungen und enteignungsgleicher Maßnahmen nach Art.  8.12 CETA Durch Art.  8.12 CETA wird dem ausländischen Investor ein Schutz für getätigte Investitionen gegenüber dem Gastgeberstaat gewährleistet, der sich gegen Verstaatlichung, Enteignungen und Maßnahmen richtet, die gleich einer Enteignung oder Verstaatlichung sind, was in Art.  8.12 (1) CETA geregelt ist: „Eine Vertragspartei darf eine erfasste Investition weder direkt verstaatlichen oder enteignen noch indirekt durch Maßnahmen gleicher Wirkung wie Verstaatlichung oder Enteignung (im Folgenden „Enteignung“), es sei denn, dies geschieht a) zu einem öffentlichen Zweck, b) nach einem rechtsstaatlichen Verfahren, c) diskriminierungsfrei und d) gegen Zahlung einer prompten, adäquaten und effektiven Entschädigung. Es wird klargestellt, dass dieser Absatz im Einklang mit Anhang 8-A auszulegen ist.“358

Demnach ist nach Art.  8.12 (1) CETA zwischen einer rechtmäßigen oder unrechtmäßigen Enteignung sowie einem rechtmäßigen oder unrechtmäßigen enteignungsgleichen Eingriff zu unterscheiden. Die Rechtmäßigkeit direkter Enteignungen ist dabei an die vier Tatbestände des Art.  8.12 (1) (a) bis (d) CETA geknüpft: Enteignung bedeutet dabei den Entzug des Eigentums und die Übertragung des Eigentumstitels, wobei sich das Abstellen auf den Titelentzug und dessen Übertragung als Abgrenzung zur Maßnahme gleicher Wirkung aus Anhang 8-A (1) (a) CETA ergibt. Bei der rechtmäßigen Enteignung gegen Zahlung einer unverzüglichen, adäquaten und effektiven Entschädigung gemäß Art.  8.12 (1) (d) CETA ist zu berücksichtigen, dass nach Art.  8.12 (3) CETA eine Ratenzahlung ausgeschlossen ist und eine wertangemessene Entschädigung in einer konvertibder, Economic Emergency Powers, in: Schill (Hrsg.), International Investment Law and Comparative Public Law, 2010, S.  503, 524 ff. 356  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 65. 357  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 65. 358  Art.  8.12 (1) CETA.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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len Währung erforderlich ist. Außerdem ist nach Art.  8.12 (4) CETA der Zugang zu Rechtsschutz erforderlich. Neben dem Tatbestand der direkten Enteignung ist für den ausländischen Investor aber vor allem das in Art.  8.12 (1) CETA geregelte Verbot entschädigungsloser, enteignungsgleicher Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung. Wobei auch hier die in Art.  8.12 (1) (a) bis (d) CETA geregelten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für eine entschädigungsgleiche Maßnahme denen einer direkten Enteignung gleichgestellt sind. Die Regelung in Art.  8.12 (1) CETA ist nicht überraschend, da bei einem Enteignungsschutz in Investitionsschutzabkommen grundsätzlich nicht nur direkte, sondern auch sogenannte indirekte, schleichende oder de facto-Enteignungen erfasst sind.359 Damit sind Maßnahmen des Gastgeberstaates gemeint, die zwar den Eigentumstitel des ausländischen Investors unberührt lassen, die Nutzungsund Verfügungsbefugnis aber derart beschränkt wird, dass der Kernbereich des Eigentumsrechts betroffen ist.360 Bei der indirekten Enteignung stellt sich regelmäßig die kritische Frage zur tatbestandlichen Abgrenzung zwischen entschädigungspflichtiger, indirekter Enteignung und entschädigungsloser Regulierung von Eigentum durch den Gastgeberstaat.361 Sie hängt wiederum an einer vorgelagerten Frage, nämlich, wann ein Eingriff in Eigentum überhaupt die Schwelle überschreitet, an der ein Eingriff eine Wirkung zeigt, die mit einer direkten Enteignung vergleichbar ist.362 Diesbezüglich haben Schiedsgerichte bisher einen hohen Maßstab angelegt und den totalen oder einen substanziellen Entzug oder Beeinträchtigung („substantial deprivation“ of an investment) derjenigen Nutzungsmöglichkeiten verlangt, die 359  Siehe hierzu mit Bezug auf das CETA Kriebaum, FET and Expropriation in the (Invisible) EU Model BIT, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  454, 456 ff.; siehe auch Henckels, Protecting Regulatory Autonomy Through Greater Precision in Investment Treaties: The TPP, CETA, and TTIP, in: JIEL, Bd.  19 (1) (2016), S.  27 ff.; Trentinaglia, Fair and Equitable Treatment und Eigentumsschutz nach CETA – Ein Balanceakt zwischen Investorenschutz und demokratischer Geltungsmacht, in: Buszewski/Martini/Radtke (Hrsg.), Freihandel vs Demokratie, S.  157 ff.; sowie zu weiteren Beispielen Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  155 f. 360  Kriebaum, FET and Expropriation in the (Invisible) EU Model BIT, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  454, 456 ff.; siehe auch Henckels, Protecting Regulatory Autonomy Through Greater Precision in Investment Treaties: The TPP, CETA, and TTIP, in: JIEL Bd.  19 (1) (2016), S.  27 ff.; Trentinaglia, Fair and Equitable Treatment und Eigentumsschutz nach CETA – Ein Balanceakt zwischen Investorenschutz und demokratischer Geltungsmacht, in: Buszewski/ Martini/Radtke (Hrsg.), Freihandel vs Demokratie, S.  157 ff. 361  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 67. 362  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 67.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

mit dem Eigentumsrecht üblicherweise verbunden sind.363 Der totale oder substanzielle Entzug der Nutzungsmöglichkeit muss dabei zusätzlich von Dauer, d. h. nicht nur vorübergehend sein.364 Auch in dem Fall, dass die Schiedsgerichte in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren eine Überschreitung der erforderlichen Eingriffsschwelle annahmen, tendierten diese zunehmend dazu, eine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen und so die Interessen des ausländischen Investors gegenüber den Interessen Dritter und der Allgemeinheit abzuwägen.365 Und solange die fragliche Maßnahme des Gastgeberstaates nicht zwischen in- und ausländischen Investoren in diskriminierender Weise unterscheidet sowie einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen schafft, entsteht wegen des Verbots entschädigungsloser, indirekter Enteignungen keine Entschädigungsoder Schadensersatzpflicht für den Gastgeberstaat unter dem anzuwendenden materiellen Investitionsrecht.366 Nach Art.  8.12 (1) CETA werden die eben dargestellten Kriterien durch Anhang 8-A CETA nun auch als völkerrechtliche Regelungen erfasst.367 Nach Anhang 8-A (1) (b) CETA wird ein substanzieller Entzug der grundlegenden Eigenschaften des Eigentums vom ausländischen Investor, einschließlich der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis ohne Eigentumstiteltransfer, für eine indirekte Enteignung vorausgesetzt. Für die Abgrenzung zwischen entschädigungspflichtiger indirekter Enteignung und entschädigungsloser Regulierung hat sich das CETA-Gericht nach Anhang 8-A (2) CETA anschließend am konkreten Fall un-

363 Vgl. Alpha Projectholding GmbH vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/07/16, Award, 08.11.2010, Rn.  408; Societe Generale vs Dominican Republic, LCIA Case No. UN 7927, Award, 19.09.2008, Rn.  64; Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  104; Kriebaum, FET and Expropriation in the (Invisible) EU Model BIT, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  454, 458 ff., mit Verweisen zur Schiedsrechtsprechung. 364  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  103; Kriebaum, FET and Expropriation in the (Invisible) EU Model BIT, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  454, 458 ff., mit Verweisen zur Schiedsrechtsprechung. 365  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 67. 366 Siehe hierzu Técnicas Medioambientales Tecmed vs Mexico, ICSID Case No. ARB (AF)/00/2, Award, 29.05.2003, Rn.  115 ff.; Ähnlich auch Methanex Corp vs United States of America, UNCITRAL (NAFTA), Final Award, 03.08.2005, Part IV, Chapter D, Rn.  7; El Paso Energy International Company vs Argentina, ICSID Case No. ARB/03/15, Award, 31.10.2011, Rn.  233 ff.; Blusun S.A., Jean-Pierre Lecorcier and Michael Stein vs Italy, ICSID Case No. ARB/14/3, Award, 27.12.2016, Rn.  401. Vgl. auch Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  120 ff. 367  Ähnlich wie schon zuvor in völkerrechtlichen Abkommen auf der Grundlage der USamerikanischen und kanadischen Musterabkommen von 2004.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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ter Würdigung der Fakten zu orientieren und dabei die folgenden Faktoren zu berücksichtigen: (a)  die wirtschaftliche Auswirkung der Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen […], (b)  die Dauer der Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen […], (c) das Ausmaß, in dem die Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen den vernünftigen Erwartungen, die mit der Investition verbunden sind, zuwiderläuft, und (d) die Art der Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen, insbesondere deren Gegenstand, Kontext und Ziel.368

In Anhang 8-A (3) CETA wird schließlich noch geregelt, dass Maßnahmen des Gastgeberstaates, die allgemein und nicht-diskriminierend gelten und die zum Schutz von Interessen der Allgemeinheit wie Gesundheit, Sicherheit oder Umwelt erlassen werden, nur in Ausnahmefällen eine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. Ein solcher Ausnahmefall liegt insbesondere nach Anhang 8-A (3) CETA vor, wenn die „Auswirkungen einer Maßnahme oder einer Reihe von Maßnahmen unter Berücksichtigung ihres Zweckes so schwerwiegend sind, dass sie offenkundig überzogen erscheinen.“ (Kursivierungen hinzugefügt)

Entschädigungspflichten des Gastgeberstaates kommen somit nur dann in Betracht, wenn die fragliche Maßnahme einen ausländischen Investor ungleich belastet, dieser also ein Sonderopfer darstellt, oder aber die Maßnahme ohne Differenzierung offensichtlich unverhältnismäßig ist369 – was aber sehr selten vorkommen dürfte. Kritisiert wurde an der Regelung in Anhang 8-A CETA, dass diese sich nicht auch auf andere Regelungen im CETA bezieht.370 Da Anhang 8-A CETA auf andere Regelungen im CETA nicht anwendbar ist, könnte es in der Praxis vorkommen, dass das CETA-Gericht oder der ausländische Investor die restriktive Regelung der „indirekten Enteignung“ dadurch umgehen könnte, indem dieser eine Verletzung gegen einen anderen Grundsatz geltend macht.371 368 

Die in Anhang 8-A (2) CETA geregelten Kriterien zur Abgrenzung zwischen indirekter Enteignung und entschädigungslos hinzunehmender Regulierung orientieren sich dem Wortlaut nach an der Rechtsprechung des United States Supreme Court. Siehe dazu Perkams, The Concept of Indirect Expropriation in Comparative Public Law – Searching for Light in the Dark, in: Schill (Hrsg.), International Investment Law and Comparative Public Law, S.  107 ff. 369  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 68. 370  Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Hall Law School Research Paper No.  59 (2014), S.  17 (zwar verweist der Text auf eine frühere Version des CETAs, allerdings ist diese in den relevanten Teilen identisch mit dem endgültigen CETA-Vertragstext). 371  Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Hall Law School Research Paper No.  59 (2014), S.  20 f.

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1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs

Beispielsweise könnte anstelle des Art.  8.12 CETA einfach eine Verletzung des Grundsatzes gerechter und billiger Behandlung nach Art.  8.10 CETA geltend gemacht werden.372 In Art.  8.12 (5) CETA wird noch darauf hingewiesen, dass Maßnahmen zur Ausgabe von Zwangslizenzen für gewerbliche Schutzrechte explizit vom Anwendungsbereich des Enteignungsschutzes nach Art.  8.12 CETA ausgenommen sind, soweit dieses „mit dem TRIPS-Abkommen vereinbar ist“. Nach Art.  8.12 (6) CETA entfällt eine direkte oder indirekte Enteignung auch bei der Schaffung, Begrenzung oder der Rücknahme gewerblicher Schutzrechte im Einklang mit TRIPS-Abkommen oder dem Kapitel 20 zum gewerblichen Rechtsschutz im CETA. Die Regelung in Art.  8.12 CETA wurde grundsätzlich begrüßt und mit ihrer weiteren Erläuterung in Anhang 8-A CETA als „minor improvement“ bewertet.373 Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass beim Wortlaut von Art.  8.12 CETA auch „important ambiguities“, also Unklarheiten bestehen bleiben, die den CETA-Gerichtsmitgliedern noch Raum dafür lassen, einen expansiven Ansatz bei der Auslegung der Regelung in Art.  8.12 CETA beizubehalten, wie es in Bezug auf die Anwendung der Regelung zur Enteignung und enteignungsgleicher Eingriffe (direct and indirect expropriation) in der Praxis bereits in anderen Investitionsschutzabkommen der Fall ist.374 cc) Gesamtwürdigung Die Darstellung der in internationalen Investitionsschutzabkommen festgelegten materiellen Schutzregelungen für ausländische Investoren hat gezeigt, dass diese sich vor allem durch eine inhaltliche Unbestimmtheit auszeichnen. Die meisten enthalten Regeln zum Investitionsschutz, einige darüber hinaus auch Vorschriften zur Förderung von Investitionen und zum Marktzugang.375 Die materiellen 372 

Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Hall Law School Research Paper No.  59 (2014), S.  20 f. 373  Sinclair/Trew/Mertins-Kirkwood (Hrsg.), Making Sense of the CETA – An Analysis of the Final Text of the Canada-European Union Comprehensive Economic and Trade Agreement, in: CCPA (2014), S.  15; Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Hall Law School Research Paper No.  59 (2014), S.  17 (zwar verweisen beide Texte auf eine frühere Version des CETAs, allerdings sind diese in den relevanten Teilen mit dem endgültigen CETA-Vertragstext identisch). 374 Vgl. Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Hall Law School Research Paper No.  59 (2014), S.  17. 375  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  87 ff.; Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  61 ff.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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Schutzbestimmungen sind durchweg als abstrakte Generalklauseln gefasst, deren Inhalt sich erst durch Auslegung ermitteln lässt. Dabei liefern die travaux prépa­ ratoires ergänzende Interpretationsmöglichkeiten, wobei zu den meisten BITs keine geeigneten travaux préparatoires vorliegen, die Rückschlüsse auf die Auslegung bzw. den Sinn und Zweck von bestimmten Generalklauseln in den BITs ermöglichen. Als Beispiel solcher in BITs festgehaltener Generalklauseln seien hier nur die unbestimmten Rechtsbegriffe des Grundsatzes gerechter und billiger Behandlung und die indirekte Enteignung im Rahmen des Verbots der entschädigungslosen Enteignung genannt. In der Praxis werden diese unbestimmten Rechtsbegriffe überwiegend von ad hoc gebildeten Schiedsgerichten in InvestorStaat-Streit­ beilegungsverfahren ausgelegt. Den Schiedsgerichten kommt dadurch ein überaus weiter Ermessensspielraum in ihrer Entscheidungsfindung und damit eine bedeutende Macht zugute. Denn sie können festlegen, was für Maßnahmen der Gastgeberstaaten unter diese unbestimmten Rechtsbegriffe subsumiert werden können und welche nicht. Dabei haben diese zwar die Möglichkeit, sich an vergangenen Entscheidungen zu orientieren, betonen in der Schiedsgerichtspraxis aber auch immer wieder, dass sie an vorangegangene Entscheidungen anderer Schiedsgerichte nicht gebunden sind. Exemplarisch hat das Schiedsgericht in dem Fall AES Corporation gegen Argentinien erklärt, dass „each decision or award delivered by an ICSID Tribunal is only binding on the parties to the dispute settled by this decision or award. There is so far no rule of precedent in general international law; nor is there any within the specific ICSID system […].“376

In der Praxis haben Schiedsgerichte tatsächlich auch bereits öfters von ihrem überaus weiten Ermessensspielraum unter den materiellen Investitionsschutzvorschriften in BITs und MITs Gebrauch gemacht und dadurch die Justiziabilität von Investitionsschiedsgerichten deutlich erweitert.377 Ein paradigmatisches Beispiel dafür ist die Klage von Phillip Morris Asia Ltd. gegen Australien, die von Phillip Morris wegen des australischen Tabacco Plain Packaging Act 2011 erhoben wurde.378 In diesem Investor-Staat-Schiedsverfahren wurde nicht über eine diskriminierende Maßnahme oder über eine Entschädigung für eine klassi376  AES Corp. vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/17, Decision on Jurisdiction, 26.04.2005, Rn.  23. Siehe hierzu auch die Entscheidung des Schiedsgerichts in Rn.  17 bis 33. 377  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  33 ff.; Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/ Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747, 761. 378  Philip Morris Asia Limited vs Australia, UNCITRAL, PCA Case No.  2012-12; Siehe zum australischen „Tabacco Plain Packaging – investor-state arbitration“, online abrufbar unter: http://www.ag.gov.au/internationalrelations/internationallaw/pages/tobaccoplainpackaging.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

100 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs sche Enteignung durch eine Maßnahme Australiens als Gastgeberstaat gegenüber dem ausländischen Investor Phillip Morris entschieden. Es wurde insbesondere über ein allgemeines gesundheits- bzw. wirtschaftspolitisches Gesetzgebungsprojekt von Australien entschieden, welches alle in Australien tätigen Unternehmen gleichermaßen betraf – inländische wie ausländische Investoren.379 Durch derartige Fälle hat die Auslegung der materiellen Investitionsschutzvorschriften in BITs und MITs eine Entwicklung von einem Diskriminierungsverbot zwischen inländischen und ausländischen Investitionen zu einem allgemeinen Liberalisierungsgebot durchlebt.380 Das CETA in der Form eines Freihandelsabkommens, mit seinem 8. Kapitel zum Investitionsschutz, ist im Völkerrecht ein gutes Beispiel für eine neue Tendenz hin zu detaillierteren Investitionsschutzvorschriften. Dabei zielt das CETA mit seinen Investitionsschutzvorschriften eindeutig darauf ab, den Inhalt von Investitionsrichtlinien genauer zu umschreiben, um die Ergebnisse der Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren nicht nur berechenbarer zu machen, sondern auch den Umfang der Rechte ausländischer Investoren zu begrenzen.381 So wurde als Beispiel der in der Wissenschaft viel diskutierte Begriff der „indirekten Enteignung“ durch eine Maßnahme des Gastgeberstaates zwar als Investitionsschutzvorschrift in das CETA aufgenommen, aber durch Art.  8.12 (1) i. V. m. Anhang 8-A CETA wesentlich detaillierter geregelt als in herkömmlichen BITs und MITs. Auch der Grundsatz billiger und gerechter Behandlung wurde durch die in Art.  8.10 CETA geregelte Liste zu Maßnahmen des Gastgeberstaates, die einen Verstoß gegen den Grundsatz darstellen, detaillierter geregelt als in herkömmli379  Als ein weiteres Beispiel sei auch das im Rahmen der Energiewende ausgelöste Verfahren Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland und deren Auswirkungen auf ein durch den Konzern in Deutschland betriebenes Kernkraftwerk zu nennen, siehe hierzu Buntenbroich/ Kaul, Transparenz in Investitionsschiedsverfahren – Der Fall Vattenfall und die UNCITRAL-Transparenzregeln, in: SchiedsVZ (2014), S.  1 ff. 380  Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747, 761; Vgl. hierzu auch die ähnliche Entwicklung der EU-Grundfreiheiten von einem Diskriminierungsverbot für grenzüberschreitende Sachverhalte zu einem allgemeinen Liberalisierungsgebot, Kingree, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  36 AEUV, Rn.  36. Siehe hierzu auch Europäische Kommis­ sion, Investitionsschutz und Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in EU-Abkommen, S.  2, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/tradoc_ 151995.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); UNCTAD, World Investment Report 2012, S.  86 ff., online abrufbar unter: http://www.unctad-docs.org/files/UNCTAD-WIR2012-Full-en. pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 381  Reinisch, Putting the Pieces Together … an EU Model BIT?, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  686, 703 (Der zwar auf eine frühere Version des CETA-Vertragstextes von 2014 verweist, bei der aber die relevanten Teile der Regelungen überwiegend mit dem endgültigen Vertragstext des CETAs von 2016 identisch sind).

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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chen BITs und MITs. Ein weiteres Beispiel für eine detailliertere Regelung zum Investitionsschutz stellt Art.  8.4 (2) CETA dar, wonach eine ganze Reihe von nationalen, staatlichen Maßnahmen explizit für zulässig bzw. rechtmäßig erklärt werden, die dem Schutz von Umwelt und Wettbewerb dienen. Auch die Regelung in Art.  8.9 CETA stellt ausdrücklich klar, dass „Die bloße Tatsache, dass eine Vertragspartei – auch durch Änderung ihrer Gesetze – Regelungen in einer Art und Weise trifft, die sich auf eine Investition negativ auswirkt oder die Erwartungen eines Investors, einschließlich seiner Gewinnerwartungen, beeinträchtigt, stellt keinen Verstoß gegen eine Verpflichtung aus diesem Abschnitt dar.“

Schließlich besteht noch durch den gemeinsamen Gemischten CETA-Ausschuss die Möglichkeit, nach Art.  8.31 (3) CETA die materiellen Investitionsschutzvorschriften zu konkretisieren.382 Und trotz der detaillierteren, materiellen Investitionsschutzvorschriften gewährt das CETA gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für ausländische Investoren, da beispielsweise die Regelung zum Grundsatz gerechter und billiger Behandlung über die nach der völkergewohnheitsrechtlichen Bedeutung dieser Regelung hinausgeht.383 Diesbezüglich lässt sich auch gleichzeitig beim CETA feststellen, dass die Investitionsschutzvorschriften in den Art.  8.4 bis Art.  8.12 CETA sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe aufweisen, wodurch den Mitgliedern des CETA-Gerichts immer noch der rechtliche Raum gelassen wird, durch einen sehr weiten Ermessensspielraum grundsätzlich einen expansiven Ansatz bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe beibehalten zu können.384 d) EXKURS: Abschluss und Inkrafttreten von Investitionsschutzabkommen Völkerrechtsverträge, wie zum Beispiel Investitionsschutzabkommen, werden regelmäßig auf der Grundlage von Verhandlungen abgeschlossen. Als Völkerrechtssubjekte können Staaten oder internationale Organisationen Verträge schließen (sogenannte Vertragsschlusskompetenz), indem sie durch ihre

382 

Ein solches Auslegungsinstrument stärkt allerdings auch noch einmal die den Vertragsparteien verbleibenden politischen Gestaltungsmöglichkeiten des Investitionsschutzes. 383  Sinclair/Trew/Mertins-Kirkwood (Hrsg.), Making Sense of the CETA – An Analysis of the Final Text of the Canada-European Union Comprehensive Economic and Trade Agreement, in: CCPA (2014), S.  16 (zwar verweist der Text auf eine frühere Version des CETAs, allerdings ist diese in den relevanten Teilen nahezu identisch mit dem endgültigen CETA-Vertragstext). 384  „important ambiguities remain“, Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Hall Law School Research Paper No.  59 (2014), S.  3 (zwar verweist der Text auf eine frühere Version des CETAs, allerdings ist diese in den relevanten Teilen bezüglich der in Art.  8.10 (2) CETA enthaltenen Liste inhaltlich identisch mit dem endgültigen CETA-Vertragstext).

102 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Organe handeln.385 Dabei bestimmen die Völkerrechtssubjekte die für sie handelnden Organe selbst und regeln ihre Beteiligung am Vertragsschlussverfahren.386 Die Staaten regeln dies in ihren Verfassungen und entsprechenden Organisationsgesetzen.387 Internationale Organisationen regeln die Vertragsschlusskompetenz und die diesbezügliche Vertretungsmacht üblicherweise in ihren Gründungsverträgen388. Nach Abschluss der Vertragsverhandlungen folgt das Vertragsschlussverfah­ ren, das sich allgemein aus mehreren Schritten zusammensetzt. Die Wiener Vertragsrechtskonvention unterscheidet drei Phasen: – Die Annahme des Vertragstextes gemäß Art.  9 WVK, – die Festlegung der authentischen Fassung gemäß Art.  10 WVK und – die unterschiedlichen Formen der Zustimmung gemäß Art.  11 ff. WVK.389 Diese drei Phasen bilden die typischen Verfahrensschritte bei komplexeren Vertragsverhandlungen zu den jeweiligen Völkerrechtsverträgen. Bei sogenannten einfachen Verhandlungen können die Schritte auch teilweise zusammenfallen oder es kann auf eine ausdrückliche Annahme des Textes und eine Authentifizierung des Textes verzichtet werden.390 Einer Zustimmung bedarf es dagegen in jedem Fall. Die Zustimmung spielt in der Völkerrechtspraxis vor allem eine besondere Rolle bei der Unterscheidung zwischen dem sogenannten „einfachen Verfahren“, das insbesondere bei bilateralen Investitionsschutzverträgen mit geringer inhaltlicher Komplexität zur Anwendung kommt, und dem sogenannten „zusammengesetzten Verfahren“, das vor allem bei umfangreichen multilateralen Investitionsschutzverträgen angewandt wird.391 385 Vgl.

von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rn.  1; Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  32 f. 386 Vgl. von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rn.  1; Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  33 ff. 387 Vgl. von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rn.  1; Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  33 ff.; Die Kompetenz des Staatsoberhauptes, einen Staat umfassend nach außen zu vertreten, findet sich zum Beispiel auch im Grundgesetz. Nach Art.  59 (1) GG vertritt der Bundespräsident den Bund völkerrechtlich. Art.  59 (1) S.  2 und 3 GG konkretisiert diese Vertretungsmacht: Der Bundespräsident schließt im Namen des Bundes Verträge. Zudem beglaubigt und empfängt er Diplomaten. 388 Vgl. von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rn.  1; Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  33 ff. 389  So sehen Art.  12 bis 16 unterschiedliche Formen der Zustimmungserklärungen vor: Unterzeichnung (Art.  12 WVK), Austausch von Urkunden (Art.  13 WVK), Ratifikation (Art.  14 WVK) und Beitritt (Art.  15 WVK). 390 Vgl. Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  41. 391  Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  40.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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Das einfache Verfahren besteht aus Verhandlungen, gegebenenfalls einer Paraphierung392, und der anschließenden Unterzeichnung bzw. dem Austausch von Urkunden. Die völkerrechtliche Bindungswirkung tritt hier also bereits durch die Unterzeichnung gemäß Art.  12 WVK oder dem Austausch der Urkunden gemäß Art.  13 WVK ein. In Deutschland wird das einfache Verfahren in der Staatspraxis angewandt, wenn es gemäß Art.  59 (2) GG keiner Zustimmung der gesetzgebenden Organe bedarf, wie zum Beispiel beim Abschluss von BITs.393 Das zusammengesetzte Verfahren sieht nach Verhandlungen und Annahme des Vertragstextes gemäß Art.  9 WVK die Unterzeichnung des Abkommens vor. Die Unterzeichnung führt gemäß Art.  10 WVK zunächst nur zur Festlegung des Vertragstextes, wodurch eine völkerrechtliche Bindung noch nicht eintritt. Allerdings beinhaltet die Unterzeichnung auch die Erklärung, dass dem Vertrag zugestimmt wird und man sich nach Art.  18 WVK dazu verpflichtet, „sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck eines Vertrags vereiteln würden“. Nach der Unterzeichnung im einfachen bzw. zusammengesetzten Verfahren erfolgt typischerweise das innerstaatliche Zustimmungsverfahren.394 Dabei wird in vielen parlamentarischen Demokratien die Zustimmung des Parlaments benötigt.395 In Deutschland stimmen im Rahmen der sogenannten Ratifikation, gemäß Art.  59 (2) S.  1 GG, Bundestag und gegebenenfalls der Bundesrat dem Vertrag durch Gesetz zu.396 Durch das Zustimmungsgesetz wird der Bundespräsident ermächtigt, die Erklärung nach außen hin abzugeben. Völkerrechtlich bedeutet die Ratifikation gemäß Art.  16 WVK allerdings die Erklärung des Staatsoberhauptes, den Vertrag verbindlich anzuerkennen. Bei multilateralen Verträgen wird die Urkunde mit dem Inhalt der Zustimmung grundsätzlich beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.397 Erst durch diesen Akt tritt die völkerrechtliche Verbindlichkeit ein.398 Sobald die beiden bzw. alle Verhandlungsstaaten ihre Zustimmung erklärt haben, tritt der völkerrechtliche Vertrag gemäß Art.  24 (2) WVK in Kraft. Sollte ein Staat die Zustimmung des Vertrags nach dessen Inkrafttreten erklären, tritt der 392  Der Vertragstext wird vorläufig durch die verhandlungsbefugten Organe festgelegt. Das geschieht auf multilateralen Vertragskonferenzen zumeist in Form einer Schlussakte. Der Vertragstext kann im Wege neuer Verhandlungen geändert werden, vgl. von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rn.  8. 393  Von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rn.  8. 394  Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  43. 395  Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  43. 396  Anders dagegen, wenn der völkerrechtliche Vertrag durch ein parlamentarisches Gesetz umgesetzt wird, dann spricht man von Transformation des Vertragstextes in ein nationales Gesetz durch Rechtssetzungsakt. 397  Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  43. 398  Krajewski, Völkerrecht, §  4, Rn.  43.

104 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Vertrag nach Art.  24 (3) WVK erst zum Zeitpunkt der Zustimmung in Kraft. Oft liegt zwischen der Unterzeichnung und dem tatsächlichen Inkrafttreten des Vertrags ein längerer Zeitraum. Manche Verträge sehen deshalb vor, dass der Vertrag oder Teile des Vertrags vorläufig angewandt werden können. Eine vorläufige Anwendung endet aber gemäß Art.  25 (2) WVK mit dem Inkrafttreten des Vertrags oder wenn eine Vertragspartei die Absicht mitteilt, nicht mehr Vertragspartei werden zu wollen. aa) Abschluss und Inkrafttreten des CETAs auf der Ebene der Europäischen Union Auf europäischer Ebene findet der Abschluss völkerrechtlicher Verträge zwischen der Europäischen Union und Drittländern oder internationalen Organisationen nach dem in Art.  218 (2) bis (10) AEUV beschriebenen Verfahren statt. Art.  218 AEUV umfasst sowohl den Abschluss bilateraler als auch multilateraler völkerrechtlicher Verträge mit Drittländern oder internationalen Organisationen und damit auch den Abschluss von Investitionsschutzabkommen.399 Die Grundstruktur des Vertragsschlussverfahrens geschieht wie folgt: Der Ministerrat (Art.  16 EU) ermächtigt einen Verhandlungsführer zur Aufnahme der Vertragsverhandlungen mit dem Vertragspartner. Zudem erteilt ihm der Ministerrat Verhandlungsrichtlinien und stellt diesem eventuell einen speziellen Ausschuss zur Unterstützung bei den Verhandlungen zur Seite. Nachdem die Verträge ausgehandelt wurden, beschließt der Rat über die Unterzeichnung des Vertragstextes sowie über dessen vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten (falls vorgesehen). Anschließend entscheidet der Ministerrat – eventuell nach Zustimmung und Anhörung des Europäischen Parlaments – über den Abschluss des völkerrechtlichen Vertrags. Zahlreiche völkerrechtlichen Abkommen der EU mit Drittstaaten und internationalen Organisationen (in Art.  218 AEUV „Übereinkünfte“ [=Abkommen]) werden als sogenannte gemischte Abkommen geschlossen. Im Falle eines gemischten Abkommens sind Vertragsparteien zu dem völkerrechtlichen Vertrag die EU und die EU-Mitgliedstaaten. Das liegt daran, dass der Inhalt der Abkommen sowohl in den Kompetenzbereich der EU als auch der Mitgliedstaaten fällt.400 Insoweit genügen bereits einzelne Teile des Übereinkommens, die keine ausschließliche Zuständigkeit der EU begründen, um das gesamte Übereinkommen als „gemischt“ zu qualifizieren.401 Beim Abschluss solcher Abkommen sind 399 

Vgl. EuGH, Rs. C-327/91, Slg. 1994, I-3641 (Frankreich/Kommission), Rn.  27. Geiger, EUV/EGV, Art.  300 EG (heute Art.  218 AEUV), Rn.  32 ff. 401  Mildner/von Unger, TTIP und CETA als „gemischte Abkommen“?, zur Debatte über Zuständigkeiten für internationale Handelsverträge der EU, Berlin 2016, S.  2, online abrufbar 400 

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die Union und ihre Mitgliedstaaten völkerrechtlich an das gesamte Abkommen gebunden.402 Das CETA ist ein internationales Freihandelsabkommen. Neben den Vorschriften über den Abbau von Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen, die den Handel mit Gütern und Dienstleistungen beeinträchtigen, enthält das CETA insbesondere Vorschriften zu den Bereichen Investitionen, öffentliche Beschaffungen, Wettbewerb, Schutz geistigen Eigentums und nachhaltige Entwicklung.403 Auch das CETA ist daher wegen der geteilten Zuständigkeiten auf europäischer und nationaler Ebene ein gemischtes Abkommen. Die technischen Verhandlungen zum CETA sind im August 2014 zwischen der EU und Kanada beendet worden. Am 30. Oktober 2016 haben die EU und Kanada das Freihandelsabkommen unterzeichnet. Das Europäische Parlament hatte dem Vertragstext des CETAs am 15. Februar 2017 zugestimmt. Erst am 21. September 2017 ist das CETA vorläufig in Kraft getreten, wobei die vorläufige Anwendung des Vertragstextes nur für diejenigen Bereiche gilt, die unstreitig in der Zuständigkeit der EU liegen.404 Damit fällt das 8. Kapitel des CETAs zum Investitionsschutz nicht in den Bereich des Abkommens, das vorläufig in Kraft getreten ist.405 Zu Kapitel 8. des CETAs bestimmt Art.  1 (1) (a) des Beschlusses 2017/38 nämlich, dass „[n]ur [die Artikel 8.1 bis 8.8, Artikel 8.13, Artikel 8.15 mit Ausnahme von dessen Absatz 3 und Artikel 8.16] […] vorläufig angewendet [werden], und nur soweit ausländische Direktinvestitionen betroffen sind.“406 Das CETA wird vollständig in Kraft treten, sobald es von allen 28 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.407 Wann dies der Fall sein wird, kann nicht genau vorhergesagt werden. Die Entscheidung des EuGH zum Gutachten 1/17 und die unter: https://bdi.eu/media/user_upload/201607_Analyse_CETA-TTIP-gemischte-Abkommen.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 402  Geiger, EUV/EGV, Art.  300 EG (heute Art.  218 AEUV), Rn.  32 ff. 403  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  2. 404  Das betrifft beispielsweise die Vereinbarung zum Zollabbau und zur öffentlichen Auftragsvergabe. Die Bereiche des CETAs, die nicht von der vorläufigen Anwendung umfasst sind – insbesondere die Bestimmungen zum Investitionsschutz und zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten – können erst nach der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten der EU und dem Inkrafttreten des gesamten Abkommens angewandt werden. 405  Siehe zu der nicht ausschließlichen Zuständigkeit der EU bezüglich des CETA-Investitionsschutzkapitels Mildner/von Unger, TTIP und CETA als „gemischte Abkommen“?, zur Debatte über Zuständigkeiten für internationale Handelsverträge der EU, S.  1 ff., online abrufbar unter: https://bdi.eu/media/user_upload/201607_Analyse_CETA-TTIP-gemischte-Abkom men.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 406  Siehe den Beschluss (EU) 2017/38 des Rates vom 28.10.2016 über die vorläufige Anwendung des CETAs, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ ?uri=CELEX%3A32017D0038 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 407  Siehe das Dossier vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, CETA – Das

106 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs darin beantwortete Frage, dass das Investitionsschutzkapitel des CETAs mit dem Primärrecht der Union vereinbar ist, steht einer Ratifizierung der EU-Mitgliedstaaten zumindest nicht mehr entgegen.408 bb) Das Verhältnis von Investitionsschutzabkommen und innerstaatlichem Recht In der Staats- und Völkerrechtslehre haben sich zwei unterschiedliche Deutungsmodelle herausgebildet, um das Verhältnis von Völkerrecht mit den dazugehörigen Investitionsschutzabkommen und innerstaatlichem Recht zu erklären. Zu diesen rechtstheoretischen Ansätzen gehören die monistische und die dualistische Sichtweise. Beide Modelle finden sich auch in den Rechtsordnungen der verschiedenen Staaten wieder.409 Die positiv-rechtliche Regelung des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und nationalem Recht erfolgt zum Teil durch das Völkerrecht selbst.410 Es gilt nach Art.  27 WVK und damit kraft Völkerrechts, dass sich ein Staat nicht auf entgegenstehendes nationales Recht berufen kann, um einen Völkerrechtsverstoß zu rechtfertigen. Der monistische Ansatz zur Erklärung des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht geht auf die sogenannte Wiener Schule um Hans Kelsen (1881–1973) und Alfred Verdross (1890–1980) zurück. Dieser Ansatz vertritt die Vorstellung, dass das Völkerrecht und die innerstaatliche Rechtsordnung ein einheitliches System darstellen. Die völkerrechtlichen Regeln stehen an der Spitze der Normenpyramide (Monismus als Primat des Völkerrechts), da das Völkerrecht die Bedingungen für die Entstehung und den Untergang eines Staates festlege.411 Aus dem Primat des Völkerrechts folgt, dass sich bei einer Verletzung des Völkerrechts durch innerstaatliches Recht das Völkerrecht durchsetzt und der Staat dazu gezwungen wird, das innerstaatliche Recht dem Völkerrecht anzupassen.412 Anders sieht der Ansatz des Dualismus aus, wonach das Völkerrecht und nationale Recht zwei getrennte Rechtskreise darstellen. Bei dieser Sichtweise, die in Deutschland vor allem von Heinrich Triepel (1868) vertreten wurde, sind die Rechte und Pflichten in beiden Rechtsordnungen getrennt voneinander zu betrachten.413 Aus diesem Grund hat ein Verstoß gegen das Völkerrecht grundsätzeuropäisch-kanadische Wirtschafts- und Handelsabkommen, online abrufbar unter: https:// www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/ceta.html (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 408  Siehe EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019). 409  Krajewski, Völkerrecht, §  5, Rn.  6. 410  Krajewski, Völkerrecht, §  5, Rn.  6. 411  Krajewski, Völkerrecht, §  5, Rn.  4 und §  7, Rn.  61 ff. 412 Vgl. Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn.  42 ff. 413 Vgl. Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn.  47 ff.

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lich keine Auswirkungen auf das innerstaatliche Recht.414 Allerdings kann sich auch nach der dualistischen Lehre ein Staat nicht auf sein innerstaatliches Recht berufen, um einen völkerrechtlichen Verstoß zu rechtfertigen.415 Trotzdem bleibt das innerstaatliche Recht gültig, bis es durch den Staat geändert wird.416 Schlussendlich regelt die Verfassungsordnung des jeweiligen Staates das Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht.417 Zum Beispiel hat das deutsche Grundgesetz sowohl monistische als auch dualistische Elemente übernommen, wobei der dualistische Ansatz das Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht für die Rechtsordnung prägt418 – und damit auch das Verhältnis zwischen nationalem Recht und den Investitionsschutzabkommen, wie dem CETA. Die Wirkungsweise vom CETA ist so zu verstehen, dass es sich um ein völkerrechtliches Abkommen handelt, das in Bezug auf Deutschland innerstaatlich keine unmittelbare rechtliche Wirkung entfalten wird und auch nicht am Vorrang des Unionsrechts teilnimmt.419 Das CETA wird allenfalls eine indirekte Wirkung entfalten. Das bedeutet, dass „CETA-widriges Verhalten“ zu einer völkerrechtlichen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland führen wird, so dass beispielsweise auch ein durch eine staatliche Maßnahme entstandener finanzieller Schaden gemeinsam von Bund und Ländern getragen werden müsste. e) Investitionsschutz durch Investitionsverträge zwischen dem Gastgeberstaat und dem ausländischen Investor Trotz der heutigen weltweiten Dichte an bilateralen und multilateralen Investitionsschutzabkommen ist nicht immer gewährleistet, dass der jeweilige Gastgeberstaat auch tatsächlich ein bi- oder multilaterales Investitionsschutzabkommen ratifiziert hat. Dazu beinhalten BITs und MITs aufgrund der abstrakt verfassten 414 Vgl.

Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn.  47 ff. Krajewski, Völkerrecht, §  5, Rn.  4. 416  Krajewski, Völkerrecht, §  5, Rn.  4. 417  Schöbener, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht S.  515. 418  Krajewski, Völkerrecht, §  5, Rn.  7. 419  Vgl. insoweit zu ersterem Art.  30.6 CETA; Siehe hierzu auch EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  77: „Das CETA-Gericht und der Gerichtshof agierten in verschiedenen Rechtsordnungen. Dies werde auch daran deutlich, dass das CETA nach seinem Art.  30.6 in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Vertragsparteien keine unmittelbare Wirkung habe.“; Vgl. zu weiterem Art.  8.31 (1) und (2) CETA; Siehe hierzu auch EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  77: „Die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs für die verbindliche Auslegung des Unionsrechts werde nicht angetastet, weil das CETA-Gericht nicht das Unionsrecht, sondern das Völkerrecht, nämlich das CETA selbst und die übrigen zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Regeln, anzuwenden und auszulegen habe. Das CETA-Gericht und der Gerichtshof agierten in verschiedenen Rechtsordnungen.“; 415 

108 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Bestimmungen keinerlei Regelungen, die konkret auf die Bedürfnisse und Besonderheiten des jeweiligen Investitionsprojekts angepasst sind. Außerdem könne der Investor nie sicher sein, dass der Gastgeberstaat seine verlockenden und liberalen Investitionsschutzgesetze, die für ein hervorragendes Investitionsklima sorgen, einseitig ändert.420 Diese (negativen) Gründe in Bezug auf völkerrechtliche Abkommen kann ein ausländischer Investor durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Gastgeberstaat ausgleichen und speziell auf das Investitionsprojekt zugeschnittene Vereinbarungen schaffen.421 Dadurch sichern sich Unternehmen zusätzlich zu den ihnen zustehenden Rechten aus den völkerrechtlichen Verträgen und dem nationalen Recht des Gastgeberstaates ab.422 Mit Blick in die Vergangenheit hat der Investitionsvertrag seine Wurzeln bei den traditionellen Konzessionsverträgen, die vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Ölindustrie geschlossen wurden.423 Mit der Zeit sind Gastgeberstaaten zu Vertragsformen gewechselt, die ihnen mehr Kontrolle über die eigene Industrie und Bodenschätze ermöglichen. Die modernen Investitionsverträge zwischen einem Investor und einem Gastgeberstaat gewähren einen spezifischen rechtlichen Rahmen für jede einzelne Investition und sind heutzutage u. a. als Joint Venture-Verträge424, Risk-Service-Verträge425 oder sogenannte Production-Sharing-Verträge 420 Vgl.

Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  28 ff. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  28 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S.  341, §  22, Rn.  1 ff.; 422  Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  27. 423  Zum Konzessionsvertrag im Einzelnen vgl. etwa An, The Law Applicable to a Transnational Economic Development Contract, in: JWTL, Bd.  21 (4) (1987), S.  97 ff.; Barraz, The Legal Status of Oil Concessions, in: JWTL 5 (1971), S.  613; Gao, International petroleum contracts: current trends and new directions, S.  9 ff.; El-Kosheri, Le regime juridique créé par les accords de participation dans le domaine petrolier, in: RdC, Bd.  147 (1975-IV), S.  219 ff.; Fischer, Die internationale Konzession, S.  1 ff.; Herdegen, in: Baur/Hobe, Rechtsprobleme von Auslandsinvestitionen, S.  14 ff.; Kischel, State Contracts: Völker-, schieds- und internationalprivatrechtliche Aspekte des anwendbaren Rechts, S.  59 ff.; Sornarajah, The Settlement of Foreign Investment Disputes, S.  44. 424  Siehe hierzu Jaenicke, Joint Ventures for Deep Seabed Mining Operations, in: ZfaÖVR Bd.  55 (2) (1995), S.  329 ff.; Peter, Arbitration and Renegotiation of International Investment Agreements, S.  20 ff.; Theodorou, Investitionsschutzverträge vor Schiedsgerichten, S.  42 ff. 425  Bei einem Risk-Service Vertrag verpflichtet sich der Investor zur Vornahme bestimmter finanzieller, kommerzieller oder technischer Leistungen. Er trägt auch das Explorationsrisiko und erhält nach Fündig werden in der Regel das Recht zum käuflichen Erwerb oder Selbstbehalt eines bestimmten Prozentsatzes des produzierten Gutes. Eigentumsrechte und Kontrolle über Vorkommen und Produktion bleiben dagegen bei den Gastländern. Vgl. hierzu Markert, Rohstoffkonzessionen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  39; Lämmerzahl, Der völkerrechtliche Schutz von Investitionen der Unternehmen kapitalistischer Industriestaaten in 421 Vgl.

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(PSAs)426 ausgestaltet.427 Heutzutage ist ein solcher Investitionsvertrag nahezu Grundlage von jedem Investitionsprojekt.428 f) Investitionsschutz durch Investitionsschutzgesetze des Gastgeberstaates Auch nationale Gesetze im Gastgeberstaat bestimmen die rechtlichen Rahmenbedingungen für Auslandsinvestitionen. Grundsätzlich muss sich jede Person, die sich in einem Staat aufhält, an die Rechtsvorschriften dieses Staates halten.429 Mit der nationalen Gesetzgebung steuern die Gastgeberstaaten die Investitionstätigkeit von ausländischen Investoren und die eigene wirtschaftliche Entwicklung nach eigenen nationalen bzw. politischen Interessen.430 Da jeder Staat grundsätzlich ein Interesse an Investitionen im eigenen Hoheitsgebiet hat, sind stabil regierte Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländer in großem Maße darum bemüht, durch Liberalisierung ihrer Märkte und Entwicklungsländern, S.  17, Gao, International petroleum contracts: current trends and new directions, S.  114 ff. 426  Production Sharing Agreements (PSAs) sind Vertragsformen bei Erdöl- und Erdgaskonzessionen, bei denen sich das Erdölunternehmen und das Gastland die Erdöl- bzw. Erdgasproduktion nach einem festgelegten Schlüssel teilen. PSAs wurden erstmals im Jahre 1967 in Indonesien als besondere Form des Risk-Service-Vertrags verwendet. Vgl. hierzu Gao, International petroleum contracts: current trends and new directions, S.  59 ff.; Hossain, Law and Policy in Petroleum Development: Changing relations between transnationals and governments, S.  138 ff.; Mikesell, Petroleum Company Operations and Agreements in Developing Countries, S.  59 ff.; Omorogbe, The Oil and Gas Industry: Exploration and Production Contracts, S.  317 ff. 427  Bei den „modernen Investitionsverträgen“ bedient sich der Investor typischerweise verschiedener Vertragsklauseln, wie zum Beispiel Streiterledigungs-, Rechtswahl- und Stabilisierungsklauseln. 428  Siehe ausführlich zur vertraglichen Absicherung von Investitionen Bubrowski, Internationale Investitionsschiedsverfahren und nationale Gerichte, S.  18 ff. 429  Pflichten aus nationalem Recht, die für natürliche oder juristische Personen gelten, werden nicht durch völkerrechtliche Normen verdrängt. Es ist streng zwischen den Ebenen des nationalen Rechts und des Völkerrechts zu unterscheiden. Auch umgekehrt kann sich ein Gastgeberstaat nicht auf sein nationales Recht berufen, um eine Verletzung internationalen Rechts zu rechtfertigen. Das ist zum einen völkerrechtlich in Art.  27 WVK festgehalten: „Eine Vertragspartei kann sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen“. Ebenso in Art.  32 ILC Draft on Responsibility of States 2001: „The responsible State may not rely on the provisions of its internal law as justification for failure to comply with its provisions under this part“. Die Draft Article on State Responsibility for Internationally Wrongful Acts von 2001 entfalten allerdings als Entwurf der International Law Commission (ILC) keine formelle Bindungswirkung. Dennoch stellt der Entwurf der ILC in wesentlichen Zügen eine Kodifikation von Völkergewohnheitsrecht dar, so dass ihm auf dieser Ebene Bindungswirkung zukommt, vgl. Draft Article on State Responsibility 2001, in: YBILC, Bd.  II (2001), S.  31 ff. 430 Vgl. Besch, Schutz von Auslandsinvestitionen, S.  7; Zagel, Auslandsinvestitionen in Lateinamerika, S.  48.

110 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Rechtssysteme ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen.431 Viele nationale Investitionsgesetze versprechen deswegen weitgehenden Eigentumsschutz, das Verbot von Diskriminierungen und Transferfreiheit.432 Gleichzeitig stellen sie sicher, dass die Investition auch in die gesamte und ideelle Wirtschaftsentwicklungsplanung des Gastgeberstaates passt.433 Als Beispiel richtet sich in Deutschland der Zugang für ausländische Investoren zum Wirtschaftsraum nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG).434 Seit der Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2009 (das AWG wurde zuletzt am 20.07.2017 geändert) ist eine Tendenz zu stärkerer Kontrolle von Auslandsinvestitionen erkennbar. Zum Beispiel kann das Bundeswirtschaftsministerium nach §  5 AWG bei einem Erwerb von 25 % der Stimmrechtsanteile an einem inländischen Unternehmen durch einen ausländischen Investor überprüfen, ob durch die ausländische Unternehmensbeteiligung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird.435 Nach den Empfehlungen der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 1954 sollen solche nationalen Investitionsgesetze vom Sinn und Zweck her die Einbindung ausländischer Investoren in die nationale Wirtschaft fördern.436 Diesen zunächst vielversprechenden Gesetzen haftet allerdings stets der entscheidende Makel an, dass es sich um nationales Recht des Gastgeberstaates handelt. Die Gesetze können zu jeder Zeit zum Nachteil des ausländischen Investors und zum Vorteil des Gastgeberstaates geändert werden. 431 

Internationale Organisationen, wie die 2003 ins Leben gerufene OECD-Investitionsinitiative, unterstützen in dieser Hinsicht aktiv Entwicklungs- und Schwellenländer. 432  Siehe hierzu El-Sheikh, The Legal Regime of Foreign Private Investment in the Sudan and Saudi Arabia. A Case Study of Developing Countries, S.  3 ff.; Escher, Foreign Direct Investment (FDI), in: Bradlow/Escher (Hrsg.), Legal Aspects of Foreign Direct Investment, S.  3, 6; Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, S.  222 ff.; Salacuse, Direct Foreign Investment and the Law in Developing Countries, in: ICSID Review, Bd.  15 (2000), S.  382, 396 ff.; Wells/Wint, Facilitating Foreign Investment-Government Institutions to Screen, Monitor and Service Investment from Abroad, S.  5 ff.; Zahlreiche Beispiele für Investitionsgesetze in Entwicklungsländern finden sich bei Parra, Principles governing foreign investments, as reflected in national investment codes, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  7 (1992), S.  428, 429. 433  El-Sheikh, The Legal Regime of Foreign Private Investment in the Sudan and Saudi Arabia. A Case Study of Developing Countries, S.  3 ff.; 434  Außenwirtschaftsgesetz vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S.  1482), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S.  2789) geändert worden ist, online abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/awg_2013/AWG.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 435 Vgl. Jacobs/Enders, Die Investitionsprüfung des BMWis beim Erwerb inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren, online abrufbar unter: https://www.dmfin.com/aktu elles/gastbeitrag-recht-investitionspruefung (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); „Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung“ vom 18. April 2009 (BGBl. I S.  770). 436  UN Assembly Resolution 824 (IX), International Flow of Capital for the Economic Development of Underdeveloped Countries, 9th Session, 1954.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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3. Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen Zur Durchsetzung der verschiedenen materiellen Rechte des Investors gegenüber dem Gastgeberstaat (oder umgekehrt) bestehen verschiedene Möglichkeiten für die Investor-Staat Streitbeilegung: – Vor nationalen Gerichten, – durch die Geltendmachung von Rechtsverletzungen über den diplomatischen Schutz, – Staat-Staat-Streitbeilegung durch die Regierungen des Heimatstaates des ausländischen Investors und des Gastgeberstaates (grundsätzlich vor Schiedsgerichten) und – Investor-Staat-Streitbeilegung vor Schiedsgerichten. Diese Streitbeilegungsmechanismen sollen im Folgenden näher dargestellt werden. a) Investor-Staat-Streitbeilegung vor nationalen Gerichten Bei Maßnahmen der Gastgeberstaaten, die in die Rechte von ausländischen Investoren eingreifen, handelt es sich grundsätzlich um gewöhnliche Streitigkeiten des öffentlichen Rechts bzw. Verwaltungsrechts. Daher ist es auch naheliegend, dass ein ausländischer Investor zur Abwehr hoheitlicher Maßnahmen, Klage vor einem nationalen Gericht des Gastgeberstaates erhebt, um die Rechtswidrigkeit des Eingriffs feststellen zu lassen, den staatlichen Eingriff zu beenden oder eine Entschädigung geltend zu machen. In der Regel lässt die Rechtsordnung des Gastgeberstaates gerichtlichen Rechtsschutz gegen den Staat oder seine Organe auch für ausländische Privatpersonen zu, so dass ausländische Investoren grundsätzlich wie Inländer vor den Gerichten des Gastgeberstaates Klage erheben können.437 Durch den Grundsatz der Staatenimmunität können aber grundsätzlich keine Gerichtsverfahren vor anderen Gerichten als denen des Gastgeberstaates angestrengt werden, so dass Drittstaaten nicht über Maßnahmen des Gastgeberstaates zu Gericht sitzen können – par in parem non habet jurisdictionem.438 In dieser Hinsicht greift zum Beispiel im US-amerikanischen Recht die „Act of State Doctrine“ ein, nach der Regierungsakte eines Staates von den Gerichten eines anderen Staates nicht überprüft werden können.439 437 

Bubrowski, Internationale Investitionsschiedsverfahren und nationale Gerichte, S.  31. Brownlie, Principles of Public International Law, S.  471. 439  Dugan/Wallace/Rubins/Sabahi, Investor-State Arbitration, S.  20 f.; Schill, in: Waibel/ Kaushal/Chung/Balchin (Hrsg.), The Backlash against Investment Arbitration, S.  29, 34 f. 438 

112 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Eine Ausnahme zur Staatenimmunität liegt vor, wenn der Gastgeberstaat auf seine Jurisdiktionsimmunität verzichtet oder sich die Klage gegen nicht-hoheitliche Maßnahmen, insbesondere rein fiskalisches, wirtschaftliches Handeln des Staates, richtet.440 Vor allem die letztere Ausnahme zur Jurisdiktionsimmunität ist heutzutage der vorherrschende Ansatz, so dass rein wirtschaftliche Tätig­ keiten eines Staates (acta iure gestionis) nicht mehr der Jurisdiktionsimmunität unterfallen, sondern grundsätzlich nur hoheitliche Maßnahmen (acta iure impe­ rii).441 Allerdings stellt aus Sicht der ausländischen Investoren zum einen die nationale Gerichtsbarkeit aufgrund gewisser Unwägbarkeiten keinen ausreichenden Rechtsschutz dar.442 Zum anderen bestehen „signifikante verfassungsrechtliche Beschränkungen […] bei der Grundrechtsberechtigung von ausländischen Investoren und bei der verfassungsrechtlichen Gleichbehandlung mit Inländern“443. Es wird aber insbesondere in vielen Ländern eine Diskriminierung durch die lokale Justiz befürchtet, da die Gefahr besteht, dass die Regierung durch die Ausübung von Druck oder direkter Kontrolle Einfluss auf das Gerichtsverfahren nimmt oder sich das Gericht aus Loyalität gegenüber dem eigenen Land (dem Gastgeberstaat) verpflichtet fühlt, bei seiner Entscheidung die Interessen des Gastgeberstaates über die des ausländischen Investors zu stellen.444 Des Weiteren wird gegen die Investorstreitbeilegung vor nationalen Gerichten auch immer dargelegt, dass ein faires Verfahren nicht stattfinden kann, wenn die Justiz korrupt ist und diese Gefahr umso größer wird, je niedriger das Einkommen der Richter oder je höher der Streitwert des konkreten Verfahrens ist.445 Die mangelnde Erfahrung von nationalen Richtern in internationalen Investitionsstreitigkeiten und die unvorhersehbare Dauer des Gerichtsverfahrens durch das Beschreiten mehrerer 440 

Zum Verzicht und zu den Ausnahmen der Jurisdiktionsimmunität von Staaten siehe Kau, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S.  204, R. 89 ff.; Dugan/Wallace/Rubins/Sabahi, Investor-State Arbitration, S.  20; Für den Umfang der Staatenimmunität im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren allgemein siehe Stoll, State Immunity, in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL (2012), S.  498 ff. 441  Siehe dazu Jurisdictional Immunities (Germany vs Italy), ICJ, Judgement, 03.02.2012, Rn.  59. Beeinträchtigende Maßnahmen gegenüber Investoren zählen in der Regel zu den acta iure imperii. 442  Parra, Provisions on the Settlement of Investment Disputes in Modern Investment Laws, Bilateral Investment Treaties and Multilateral Instruments on Investment, in: ICSID Rev. – FILJ, Bd.  12 (1997), S.  287, 289. 443  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen; Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht? in: ZaörV (2018), S.  33, 48 f. 444 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  235. 445 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  235; Schill, in: Waibel/Kaushal/Chung/Balchin (Hrsg.), The Backlash against Investment Arbitration, S.  29, 34.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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Instanzen sind zwei weitere, oft angeführte Negativpunkte der Investor-StaatStreit­beilegung vor nationalen Gerichten.446 Bei dem Rechtsschutz durch nationale Gerichtsbarkeit sei aber unbedingt zwischen Rechtssystemen von Industrieländern, Schwellenländern und Entwicklungsländern zu unterscheiden. So bestehe vor allem in Entwicklungsländern die Gefahr einer korrupten Justiz oder schlecht ausgebildeter Richter. Dagegen finden sich im Besonderen in Industrieländern hochentwickelte Rechtssysteme mit einer unabhängigen und neutralen Gerichtsbarkeit – auch gegenüber ausländischen Investoren.447 In dieser Hinsicht sei nur auf die US-amerikanische Verfassung hingewiesen, die einer Gefahr von Ausländerdiskriminierung dadurch Rechnung trägt, dass sie in Art. III §  2 der US-amerikanischen Verfassung für Verfahren, an denen ein Nicht-Amerikaner beteiligt ist, die ihrem Ruf nach neutrale Bundesgerichtsbarkeit für sachlich zuständig erklärt (diversity jurisdic­ tion).448 Weiter ist ein positiver Aspekt der Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeit vor nationalen Gerichten, dass umstrittene Sachverhalte, die in engem Zusammenhang mit nationalen Begebenheiten stehen, von nationalen Gerichten in tatsächlicher Hinsicht besser aufgeklärt werden können als von Schiedsgerichten. Das gilt auch bezüglich der fachlichen Kompetenz der nationalen Richter bei 446 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  235; Als Beispiel des lang andauernden Verfahrens sei nur an eine Situation zu denken, wie die, dass ein ordentliches Gericht in Deutschland den Amtshaftungsanspruch des Investors als Kläger bezüglich einer belastenden hoheitlichen Maßnahme als unbegründet abweist und sich der ausländische Investor an das Bundesverfassungsgericht wenden müsste, das gemäß §  95 BVErfGG gegebenenfalls nur die Verfassungswidrigkeit der gerügten Maßnahme feststellt, sie möglicherweise aufhebt, den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zurückverweist oder ein Gesetz für nichtig erklärt. Im Ergebnis dieser Situation hätte der Investor immer noch keine Entschädigung erhalten. 447 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  235. 448  Art. III §  2 of the Constitution of the United States of America: „The judicial power shall extend to all cases, in law and equity, arising under this Constitution, the laws of the United States, and treaties made, or which shall be made, under their authority; – to all cases affecting ambassadors, other public ministers and consuls; – to all cases of admiralty and maritime jurisdiction; – to controversies to which the United States shall be a party; – to controversies between two or more states; – between a state and citizens of another state; – between citizens of different states; – between citizens of the same state claiming lands under grants of different states, and between a state, or the citizens thereof, and foreign states, citizens or subjects. In all cases affecting ambassadors, other public ministers and consuls, and those in which a state shall be party, the Supreme Court shall have original jurisdiction. In all the other cases before mentioned, the Supreme Court shall have appellate jurisdiction, both as to law and fact, with such exceptions, and under such regulations as the Congress shall make.“ Siehe hierzu eine kritische Auseinandersetzung zur Investor-Staat-Streitbeilegung vor nationalen Gerichten in: Dugan/Wallace/Rubins/Sabahi, Investor-State Arbitration, S.  13.

114 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Fragen, die das nationale Recht betreffen.449 Ob ein nationales Gericht besser dafür geeignet ist, über eine Investor-Staat-Streitigkeit zu entscheiden oder ob das ad hoc-Schiedsgericht die bessere Wahl darstellt, ist schwer zu beurteilen. Die Antwort hängt am Ende vom Interesse des Investors sowie vom Verfahrensgegenstand ab und kann nur von Fall zu Fall beurteilt werden. b) Geltendmachung von Rechtsverletzungen über den diplomatischen Schutz Das allgemeine Völkerrecht kennt kein Streitbeilegungssystem für Individuen bzw. Investoren, um eigenständig Rechtsverletzungen gegenüber Staaten geltend zu machen.450 Allerdings kann ein Investor seinen Heimatstaat darum ersuchen, diplomatischen Schutz gegenüber dem Gastgeberstaat auszuüben. Bei dem Institut des diplomatischen Schutzes macht der Heimatstaat des Investors die Beeinträchtigung des Investors als Verletzung eigener Rechte aus der Verletzung völkerrechtlicher Regeln über die Behandlung fremder Staatsangehöriger entweder auf dem diplomatischen Wege oder gerichtlich geltend.451 In der Entscheidung Mavrommatis gegen Palästina formuliert der StIGH als Beispiel: „It is an elementary principle of international law that a State is entitled to protect its subjects, when injured by acts contrary to international law committed by another State, from whom they have been unable to obtain satisfaction through the ordinary channels.“452

Voraussetzung für die Gewährung des diplomatischen Schutzes ist, dass der Investor zuvor den Rechtsweg im Gastgeberstaat erschöpft hat.453 Zudem gibt das Völkerrecht dem Investor keinen Anspruch auf die Gewährung von diplomatischem Schutz, sondern stellt die Entscheidung darüber in das Ermessen des Heimatstaates.454 Und dieser würde sich überlegen, ob er das Recht eines Investors gegenüber dem Gastgeberstaat geltend mache, da ein solches zwischenstaatli449 Vgl. Shany, Relations between National and International Courts, S.  28; Bubrowski, Internationale Investitionsschiedsverfahren und nationale Gerichte, S.  191 ff. 450 Vgl. Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, S.  170, Rn.  548. 451 Vgl. Kau, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S.  197, Rn.  74 ff.; ILC, Draft Articles on Diplomatic Protection 2006, in: YBILC, Bd.  II (2006), S.  22, 25; Siehe hierzu auch ILC, Draft Articles on Diplomatic Protection, Report of the fifty eighth session (2006), A/61/10, Chapter IV; von der UN-Generalversammlung zur Kenntnis genommen mit UN GA Res. 61/35 vom 04.12.2006. 452  Mavrommatis Palestine Concession (Greece vs U.K.), PCJ, Judgement, 30.08.1924, Ser. A., No.  2, S.  6, 12. 453 Vgl. Interhandel Case (Switzerland vs USA), ICJ Judgement, 21.03.1959 = ICJ Reports (1959), S.  6, 27; ILC, Darft Articles on Diplomatic Protection 2006, in: YBILC, Vol II (2006), S.  22, 71; Amerasinghe, Local Remedies in International Law, S.  22 ff.; Herdegen, in: Ress/ Stein (Hrsg.), Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht, S.  63, 64 f. 454  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  232.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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ches Verfahren die auswärtigen Beziehungen belasten oder zu einer weiteren Verschärfung bereits bestehender Spannungen führen könne.455 Auch Brower und Steven beschreiben den diplomatischen Schutz mit den Worten: „highly inefficient, arbitrary, and politically explosive“.456 Unterm Strich bietet der diplomatische Schutz also keinen ausreichenden Rechtsschutz für Investoren.457 Damit der Heimatstaat des Investors überhaupt gerichtlichen Schutz ausüben könne, müsste der Investor zum einen (jahrelang458) gerichtlich gegen den Gastgeberstaat vorgehen und zum anderen müsste der Heimatstaat auch Zugang zu einem völkerrechtlichen Gerichtsverfahren gegen den Gastgeberstaat haben. Zuletzt sei ein Investor darauf angewiesen, dass der Heimatstaat für ihn handeln möchte und in welcher Höhe dieser einen Entschädigungsanspruch geltend macht. c) Staat-Staat-Streitbeilegung durch die Regierungen der Streitparteien Die heutigen Investitionsschutzabkommen sehen meistens zwei Streitbeilegungsmechanismen vor.459 Zum einen ein zwischenstaatliches Streitbeilegungsverfahren und zum anderen ein Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren460. Als Beispiel regelt das deutsche Muster-Investitionsschutzabkommen, dass die Vertragsparteien Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Vertrags soweit wie möglich durch ihre Regierungen beilegen. Ist das nicht möglich, können die Vertragsparteien die Streitigkeit auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien einem ad hoc gebildeten Schiedsgericht vorlegen und die Schiedsrichter 455 Vgl.

Barcelona Traction (Belgium vs Spain), ICJ Judgement, 05.02.1970 = ICJ Reports (1970), S.  3, 45; ILC, Draft Articles on Diplomatic Protection 2006, in: YBILC, Vol II (2006), S.  22, 29; Dugard, First Report on Diplomatic Protection, S.  26 f. 456  Brower/Steven, Who Then Should Judge? Developing the International Rule of Law under Chapter 11 NAFTA, in: Chi. J. Int’l L., Bd.  2 (1) (2001), S.  193, 197. 457 So Brower/Steven, Who Then Should Judge? Developing the International Rule of Law under Chapter 11 NAFTA, in: Chi. J. Int’l L., Bd.  2 (1) (2001), S.  193, 197. 458  Man denke nur an den sogenannten „Italienischen Torpedo“ in Bezug auf Streitigkeiten mit internationalem Kontext vor italienischen nationalen Gerichten – das Verfahren dauert meistens über mehrere Jahre. 459 Vgl. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  92; Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  234 460  Zu den zwischenstaatlichen Streitbeilegungsverfahren siehe Art.  9 Deutsches MusterBIT 2008; Art.  12 Niederlande-Malawi BIT; Art.  11 Frankreich-Bahrain BIT; Art.  21 UKMexiko BIT; Art. X Italien-Panama BIT; Art.  27 ECT; Art. V.A. ff. MAI-Entwurf, S.  62 ff.; Art.  37 ff. US Muster-BIT; Art.  48 FIPA Kanada; Art.  2003 ff. NAFTA. Zu den InvestorStaat-Streitbeilegungsverfahren siehe Art.  10 Deutsches Muster-BIT 2008; Art.  9 NiederlandeMalawi BIT; Art.  8 Frankreich-Bahrain BIT; Art.  10 ff. UK-Mexiko BIT; Art. IX Italien-Panama BIT; Art.  27 ECT; Art. V.D. ff. MAI-Entwurf, S.  62 ff.; Art.  23 ff. US Muster-BIT; Art.  20 ff. FIPA Kanada; Art.  1115 ff. NAFTA.

116 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs selbst ernennen, die wiederum das Verfahren selbst regeln.461 Da nach dem Investitionsschutzabkommen der Investor aber selbst gegen den Gastgeberstaat im Rahmen eines Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens vorgehen kann und der Heimatstaat im Zweifel aus politischen Gründen nicht gegen den Gastgeberstaat vorgehen möchte, bestehen berechtigte Zweifel an der Bedeutung des zwischenstaatlichen Streitbeilegungsverfahrens.462 Dem Autor ist mit dem zwischenstaatlichen Verfahren zwischen Chile und Peru nur ein Verfahren dieser Art bekannt.463 Allerdings ist selbst dieses Verfahren nicht zu Ende gebracht bzw. nicht weiterverfolgt worden, weil der betroffene ausländische Investor im Rahmen eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens selbst gegen Peru vorgegangen ist.464 Auch nach dem CETA besteht die Möglichkeit eines Staat-Staat-Schiedsverfahrens für Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des CETAs nach Art.  29 CETA i. V. m. Anhang 29-A CETA. Für die Abwehr von Maßnahmen des Gastgeberstaates durch den ausländischen Investor verweist das CETA allerdings auch auf das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren im 8. Kapitel des CETAs, was nicht bedeutet, dass der Heimatstaat des ausländischen Investors daran gehindert ist, unabhängig vom CETA gegen den Gastgeberstaat ein Staat-Staat-Schiedsverfahren nach anderen Regeln einzuleiten, um den beheimateten Investor zu schützen. d) Investor-Staat-Streitbeilegung vor Schiedsgerichten Die Alternative zur Streitbeilegung von Investitionsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten besteht in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren, soweit die Streitparteien damit einverstanden sind. Durch das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem Schiedsgericht wird dem Investor das Recht eingeräumt, den Gastgeberstaat wegen der Verletzung einer Schutzbestimmung aus einem völkerrechtlichem Vertrag (insbesondere aus einem BIT oder MIT) unmittelbar vor einem privaten Schiedsgericht zu verklagen. Das Schiedsgericht soll dabei als neutrales (entpolitisiertes) Forum dienen, um anstelle des diplomatischen Schutzes oder eines Gerichtsverfahrens vor den staatlichen Gerichten des Gastgeberstaates, Investitionen vor entschädigungsloser Enteignung und diskriminierenden Maßnahmen des Gastgeberstaates zu schützen. Das Investitionsschiedsgerichtsverfahren verwendet dafür einen Streitbeilegungsmechanismus, der ursprünglich für die schiedsrichterliche Beilegung von Handelsstreitigkeiten zwischen priva461  Art.  9

Deutsches Muster-BIT 2008. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  233. 463 Vgl. UNCTAD, IIA Monitor No.  4 (2005), S.  2 Fn.  3, abrufbar unter: unctad.org/en/ Docs/iteiit20052_en.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 464  Lucchetti vs Peru, ICSID Case No. ARB/03/4, Award, 07.08.2005, Rn.  7 ff. 462 Vgl.

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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ten Parteien entwickelt wurde.465 Die Anwendung von völkerrechtlichen Regelungen auf staatliche Maßnahmen gegenüber dem ausländischen Investor führen allerdings dazu, dass die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit auch ihre eigenen Besonderheiten zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit aufweist.466 Die Einräumung eines eigenen Klagerechts für ausländische Investoren auf internationaler Ebene stellt eine besondere Möglichkeit dar, die strukturelle Ungleichheit zwischen ausländischen Investoren und Gastgeberstaaten auszugleichen.467 Diese besteht vor allem in der Souveränität des Staates, das nationale Recht und damit die Rahmenbedingungen der Investition einseitig zu verändern. Zudem ermöglicht das Gewaltmonopol des Staates die zwangsweise Durchsetzung von belastenden, hoheitlichen Maßnahmen gegen die ausländische Investition. Dazu ist der Staat mit originärer und absoluter Völkerrechtssubjektivität ausgestattet, wohingegen auf der anderen Seite der ausländische Investor – als Privatperson – nach klassischer völkerrechtlicher Konzeption als Angehöriger seines Heimatstaates keine eigene Völkerrechtssubjektivität aufweist.468 In diesem Sinne soll das internationale Investitionsschutzrecht mit seiner InvestorStaat-Streit­beilegung vor einem privaten und neutralen Schiedsgericht einer unrechtmäßigen Ausübung der staatlichen Macht rechtliche Grenzen setzen.469 465 Dadurch sind oft die Grundprinzipien der Handelsschiedsgerichtsbarkeit auch in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit zu finden, wie beispielsweise die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens durch den Ausschluss der Öffentlichkeit und dem Einfluss der Streitparteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, wobei sich die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit aktuell deutlich mehr um Transparenz bemüht. Siehe zu mehr Transparenz in der In­ vestor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nur die UNCITRAL Rules on Transparency in Treatybased Investor-State Arbitration, online abrufbar unter: https://www.uncitral.org/pdf/english/ texts/arbitration/rules-on-transparency/Rules-on-Transparency-E.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Siehe zu den Besonderheiten und in Abgrenzung zur Streitbeilegung vor einem nationalen Gericht auch Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration, S.  3 ff. 466  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  237. 467  Brower/Schill, Is Arbitration a Threat or a Boon to the Legitimacy of International In­ vest­ment Law?, in: Chi. J. Int’l. L., Bd.  9 (2008–2009), S.  471, 477. 468  Zur Definition der Völkerrechtssubjektivität siehe Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S.  17 ff.; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, S.  14, Rn.  41 ff.; Schweisfurth, Völkerrecht, S.  2 ff.; Zur strukturellen Ungleichheit zwischen ausländischen Investoren und Gastgeberstaaten vgl. Brower/Schill, Is Arbitration a Threat or a Boon to the Legitimacy of International Investment Law?, in: Chi. J. Int’l. L., Bd.  9 (2008–2009), S.  471, 477: „Dispute settlement is thus necessary to compensate for the structural inequalities between foreign investors and host states“; Salacuse, The Emerging Global Regime for Investment, in: Harv. Int’l L J., Bd.  51(2010), S.  427, 451: „once the investor makes the investment and thereby places its capital under the sovereignty of the host state, is bargaining power diminishes, and the commitments received risk becoming obsolete in the eyes of the host government“. 469  Schneiderman, Constitutionalizing Economic Globalization, S.  4

118 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Insbesondere, weil der ausländische Investor im eigenen Namen Rechtspositionen aus einem völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen gegen den Gastgeberstaat geltend machen und ihn mithilfe des Schiedsgerichts sogar zu einer Handlung oder dem Unterlassen einer Maßnahme verpflichten kann.470 Die Zuständigkeitsgrundlage von Investitionsgerichten basiert auf der Vereinbarung bzw. Einwilligung des Investors und des Gastgeberstaates, sich der Gerichtsbarkeit des entsprechenden Schiedsgerichts zu unterwerfen.471 Die Voraussetzungen für die gegenseitigen Erklärungen zur Streitbeilegung vor einem Schiedsgericht können sich aus vertraglichen Schiedsklauseln, aus nationalen Investitionsschutzgesetzen oder unmittelbar aus Investitionsschutzabkommen ergeben.472 Letzteres kommt in der heutigen Praxis am häufigsten vor. Im Rahmen des Schiedsverfahrens ist die Parteiautonomie der Streitparteien oberste Maxime, was bedeutet, dass die Parteien die Rahmenbedingungen des Schiedsverfahrens selbst festlegen können.473 Dabei können sie das anwendbare Verfahrensrecht bestimmen, die Schiedsrichter selbst auswählen und darüber hinaus das Verfahren vertraulich behandeln und grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden lassen.474 470 

Bubrowski, Internationale Investitionsschiedsverfahren und nationale Gerichte, S.  24. beispielsweise zum schriftlichen Einverständnis, in die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts einzuwilligen Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, S.  207, S.  664 ff. 472  Siehe oben ab Seite 54 ff.; Nahezu alle Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren unter ICSID-Schiedsverfahren wurden in den ersten drei Jahrzehnten seit dem Inkrafttreten des ICSID-Übereinkommens im Jahre 1966 auf Grundlage von vertraglichen Schiedsklauseln durchgeführt, vgl. Bubrowski, Das Klagerecht von Gaststaaten in der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, in: KsZW (2011), S.  168, 170; Beispiele solcher Verfahren sind Holiday Inns vs Morocco, ICSID Case No. ARB/72/1, Decision on Jurisdiction, 12.05.1974; Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Cameroon and Societe Came­ rounaise des Engrais, ICSID Case No. ARB/81/2, Award, 21.10.1983; McLachlan/Shore/Wei­ niger, International Investment Arbitration, S.  110. 473  Die Grenzen der Privatautonomen Gestaltung des Schiedsverfahrens ergeben sich aus den nationalen Gesetzen des Schiedsortes. In Deutschland zum Beispiel aus einigen zwingenden Vorschriften in den §§  1025 ff. ZPO – z. B. ein faires Verfahren oder gleiche Behandlung der Streitparteien durch das Schiedsgericht. 474  Ähnlich wie in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Vgl. Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration, S.  3 ff.; Bezüglich der Vertraulichkeit wurde durch die UNCITRAL ein deutlicher Schritt in Richtung der Transparenz der Investitionsschiedsverfahren unternommen. Die neuen am 11.07.2013 beschlossenen und am 01.04.2014 in Kraft getretenen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Investor-State Arbitration enthalten Regelungen, die die Transparenz vom Beginn eines Investitionsschiedsverfahrens bis zu dessen Ende absichern sollen, vgl. Johnson/Bernasconi-Osterweiler, New UNCITRAL Arbitration Rules on Transparency: Application, Content and Next Steps, S.  8; Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747 ff. 471  Siehe

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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Regelungstechnisch geschieht die Vereinbarung eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens normalerweise dadurch, dass der Gastgeberstaat und der Heimatstaat des Investors in den völkerrechtlichen Abkommen (z. B. in einem BIT) ihr Einverständnis zur Durchführung eines privaten Schiedsverfahrens geben, beispielsweise nach den Regeln des ICSIDs, des ICCs, des SCCs (unter dem Dach der ICC, der SCC oder vergleichbarer privater alternativer Streitbeilegungsinstitutionen) oder einer anderen zwischen dem Staat und dem Investor vereinbarten Verfahrens- oder Schiedsordnung (z. B. unter der UNCITRAL-Schiedsordnung). Der weitere Gang des Verfahrens und eine mögliche Berufungsinstanz richtet sich nach der jeweiligen Verfahrens- bzw. Schiedsordnung. Die Vergangenheit hat allerdings gezeigt, dass ein Schiedsverfahren für die Durchsetzung der Rechte des Investors nicht ausreichend ist, weil der Gastgeberstaat die Anerkennung eines Schiedsspruchs am Ende einfach verweigern könnte oder sich sogar der Schiedsvereinbarung mit dem Investor entzieht.475 In einer solchen Situation wäre der ausländische Investor wieder darauf verwiesen, die (unwahrscheinliche) Unterstützung seines Heimatstaates in Anspruch nehmen zu müssen.476 Die Lösung für diese Unwägbarkeit des Investor-Staat-Schiedsverfahrens bestand nach Aron Broches darin, den ausländischen Investoren einen direkten Zugang zu einem Schiedsgericht zu garantieren und auf völkerrechtlicher Ebene zu regeln, dass die Vereinbarung zwischen dem Staat und dem Investor, Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht zu schlichten, eine völkerrechtlich anerkannte Verpflichtung darstellt sowie weltweit durch ein multilaterales Abkommen die Durchsetzung der Schiedssprüche garantiert würde.477 Letzteres wird durch die Völkerrechtsabkommen des ICSID-Übereinkommens von 1965 und dem New York Übereinkommen von 1958 gewährleistet, nach denen grundsätzlich weltweit ein Schiedsspruch gegen den Gastgeberstaat durchgesetzt, also anerkannt und vollstreckt werden kann. aa) Die Durchsetzung der Schiedssprüche nach dem New York Übereinkommen von 1958 und dem ICSID-Übereinkommen von 1965 Der Grund für den Erfolg des internationalen Investor-Staat-Schiedsverfahrens liegt in den völkerrechtlichen Abkommen des New York Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958478 475 

ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  1. Dhillon/Thomas, The Foundations of Investment Treaty Arbitration: The ICSID Convention, Investment Treaties and the Review of Arbitration Awards, in: ICSID Review, Bd.  32 (3) (2017), S.  459, 463. 477  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  1. 478  Siehe Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, BGBl. 1961 II, S.  122 ff. 476 

120 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs sowie des ICSID-Übereinkommens von 1965479. Beide Völkerrechtsabkommen sichern eine weltweite Anerkennung und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs durch den Gastgeberstaat oder den Drittstaat, in dem der Schiedsspruch vollstreckt werden soll. Der Investor kann die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs zum einen dadurch sichern, dass das Schiedsverfahren in einem Mitgliedstaat des New York Übereinkommens stattfindet oder aber die Vertragsstaaten die Schiedssprüche zu dem völkerrechtlichen Abkommen in ihrem Territorium durchsetzen müssen.480 In beiden Fällen können die nationalen Gerichte im Rahmen der Vollstreckung die Schiedssprüche in gewissem Maße überprüfen.481 Der Überprüfungsmaßstab richtet sich nach Art. V des New York Übereinkommens, wonach die Anerkennung und die Vollstreckung des Schiedsspruchs wegen der Verletzung einer der dort aufgeführten Regelungen verweigert werden kann. Den Staaten bleibt also durch das New York Übereinkommen eine Einflussmöglichkeit auf die Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren, so dass sie für ausländische Investoren grundsätzlich unattraktiv ist. Der Umfang der Einflussnahmemöglichkeit durch die Staaten hängt dabei davon ab, ob der Schiedsspruch inländisch oder ausländisch ist, wobei die von den Parteien gewählte Verfahrensordnung, nach welcher der Schiedsspruch ergeht, keinen Einfluss auf die Überprüfungsmöglichkeit der Staaten ausübt. Schiedssprüche, die im Inland ergangen sind, können durch nationale Gerichte teilweise im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren überprüft werden.482 Das Gericht prüft dabei, ob nach inländischem Recht ein Aufhebungsgrund vorliegt.483 Ausländische Schiedssprüche können die nationalen Gerichte dagegen nur im Vollstreckungsverfahren und nur nach den in Art. V New York Übereinkommen geregelten Anforderungen überprüfen, wenn keine günstigeren Staatsverträge bestehen, die geringere Anforderungen an die Anerkennung und Vollstreckung stellen.484 Ein solches (für den Investor „günstigeres“) völkerrechtliches Abkommen stellt das ICSID-Übereinkommen von 1965 dar. Das ICSID geht in der Anerken479 

Siehe das ICSID-Übereinkommen vom 25. Februar 1969, BGBl. 1969 II, S.  369 ff. Siehe zur Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen gegen Staaten Happ, Schiedsverfahren zwischen Staaten und Investoren nach Artikel 26 Energiechartervertrag, S.  95; Zur Vollstreckung von Schiedssprüchen in Deutschland, siehe Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1061, Rn.  1 ff. 481  Siehe beispielsweise für Deutschland §  1061 ff. ZPO, Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1061, Rn.  14 ff. 482  Vgl. Art. V New York Übereinkommen. 483  Beispielsweise §  1059 ZPO bei der gerichtlichen Überprüfung eines inländischen deutschen Schiedsspruchs. 484  Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, 78. Auflage 2020, §  1061 ZPO, Rn.  3. 480 

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung

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nung von Schiedssprüchen durch nationale Gerichte noch weiter als das New York Übereinkommen: ICSID-Schiedssprüche dürfen nicht mehr von den nationalen Gerichten überprüft werden.485 Weder im Erkenntnisverfahren noch im Vollstreckungsverfahren. Das liegt daran, dass ICSID-Schiedssprüche weder inländisch noch ausländisch sind, egal ob sie im Inland oder Ausland ergangen sind. Sie sind „denationalisiert“. Es gibt bei ihnen keinen eigentlichen Schiedsort mit den rechtlichen Folgen, die daran anknüpfen, sondern nur einen Ort des Schiedsverfahrens.486 Nach Art.  53 (1) ICSID Übrk. müssen nationale Vollstreckungsgerichte die ICSID-Schiedssprüche wie rechtskräftige Urteile ihrer Staaten behandeln. Die Schiedssprüche unterliegen sogar keinen anderen Rechts­ mitteln als denen, die das ICSID-Übereinkommen unter Art.  53 (1) und 52 (1) ICSID Übrk. selbst vorsieht. Nach Art.  54 (1) ICSID Übrk. werden die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, einen ICSID-Schiedsspruch als bindend anzuerkennen und die darin auferlegten finanziellen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet so zu vollstrecken, als handele es sich um ein rechtskräftiges Urteil eines ihrer innerstaatlichen Gerichte.487 Das Recht auf Durchführung eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens ist ein wesentlicher Bestandteil der heutigen internationalen Investitionsschutzabkommen. Die Ausgestaltung des Klagerechts der Investoren gegen den Gastgeberstaat durch bilaterale und multilaterale Investitionsschutzabkommen mit der Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Schiedssprüche nach dem New York Übereinkommen und dem ICSID-Übereinkommen sind dabei ein wesentlicher Faktor für die Bemessung des Schutzniveaus für ausländische Investoren. Neben der materiell-rechtlichen Rechtsposition der Investoren durch diese Völkerrechtsabkommen, stellt damit die verfahrensrechtliche Stellung der Investoren gegenüber dem Gastgeberstaat einen mächtigen Schutz der ausländischen Investition vor hoheitlichen Maßnahmen des Gastgeberstaates dar.

485 

Vgl. Art.  53 ICSID Übrk. Nach Art.  63 (b) ICSID Übrk. können ICSID-Schiedsverfahren grundsätzlich an jedem Ort stattfinden. Die einzige Voraussetzung dafür besteht in der Billigung des Schiedsgerichts nach Konsultierung des ICSID-Generalsekretärs. 487 Die Anerkennung und Vollstreckung von ICSID-Schiedssprüchen richtet sich in Deutschland gemäß Art.  2 (2) des Gesetzes zum ICSID-Übereinkommen nach den Vorschriften über das Verfahren bei der Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Schiedssprüche, also nach §  1061 ZPO. Die Schiedssprüche dürfen aber dennoch nicht von nationalen Gerichten überprüft werden, Siehe hierzu Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1061, Rn.  3 ff. 486 

122 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs bb) Eine vergleichende Übersicht zur Durchsetzung von Schiedssprüchen nach dem New York Übereinkommen und dem ICSID-Übereinkommen Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach dem New York Übereinkommen von 1958

Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach dem ICSID-Übereinkommen von 1965

Die Kraft des Abkommens liegt in der nahezu weltweiten Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen. Nach Art. III NYÜ haben die nationalen Gerichte der Vertragsstaaten einen Schiedsspruch nach den dort geltenden Verfahrensvorschriften anzuerkennen und zu vollstrecken, sofern die Voraussetzungen der Artikel des Übereinkommens gegeben sind. Schiedssprüche, die im Inland ergangen sind, können die nationalen Gerichte im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren nach nationalen Grundsätzen überprüfen. Ausländische Schiedssprüche können sie dagegen nur im Vollstreckungsverfahren überprüfen (Exequatur). An diese Erklärung können erhebliche Anforderungen geknüpft werden (z. B. Beweisaufnahme und aufwändiges zivilprozessuales Klageverfahren). Zudem liefert das NYÜ nur wenige Einwände, um die Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs zu verhindern.

Das Verfahren zur Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines ICSID-Schiedsspruchs ist ein gegenüber dem Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nach dem New York Übereinkommen stark vereinfachtes Verfahren. Nach Art.  53 (1) ICSID ist ein Schiedsspruch grundsätzlich endgültig und bindend. Jeder Vertragsstaat ist nach Art.  54 (1) ICSID dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Schiedsspruch in seinem Hoheitsgebiet wie ein rechtskräftiges Urteil eines nationalen Gerichts vollstreckt wird. Ein ICSID-Schiedsspruch entfaltet damit die gleichen Wirkungen wie ein innerstaatliches rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil. Es erfolgt damit keine inhaltliche Überprüfung eines ausländischen Schiedsspruchs und es bedarf keiner Anerkennung oder Vollstreckbarkeitserklärung durch innerstaatliche Gerichte (Exequatur).

Zu dem Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung ist nach Art. IV (1) NYÜ die beglaubigte Urschrift des Schiedsspruchs oder eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs und die Urschrift der Schiedsvereinbarung gemäß Art. II (1) NYÜ oder eine beglaubigte Abschrift der Schiedsvereinbarung erforderlich.

Die einzigen Voraussetzungen für eine Anerkennung und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs bestehen darin, dass der Schiedsspruch nicht nach Art.  51 oder 52 ICSID aufgehoben worden ist und nach Art.  54 (2) ICSID eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt wird.

Die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs darf nach dem NYÜ nur versagt werden, wenn eine Partei beweist, dass einer der in Art. V NYÜ dargelegten Gründe vorliegt. Die in Art. V (1) NYÜ dargelegten Aufhebungsgründe des Schiedsspruchs lauten: 1. ungültige Schiedsvereinbarung,

Das nationale Gericht wird einen ICSIDSchiedsspruch nicht anerkennen oder vollstrecken, wenn er nach Art.  52 ICSID aufgehoben wurde. Die Aufhebungsgründe sind auf die in Art.  52 (1) ICSID dargelegten Gründe beschränkt: 1. nicht ordnungsgemäße Bildung des Schiedsgerichts,

B. Der Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung 2. fehlerhafte Kenntnissetzung einer Partei zum Schiedsverfahren oder Verletzung des Grundsatzes des fairen Schiedsverfahrens, 3. fehlende Zuständigkeit oder Kompetenz des Tribunals, 4. die Zusammenstellung des Tribunals oder der Prozessführung steht nicht im Zusammenhang mit der Parteivereinbarung oder des anzuwendenden Rechts, 5. der Schiedsspruch ist nicht bindend, aufgehoben oder in seiner Wirkung gehemmt. Nach Art. V (2) NYÜ gibt es zwei weitere Aufhebungsgründe. Diese beziehen sich auf die öffentliche Ordnung (public policy) des Staates, in dem der Schiedsspruch anerkannt und vollstreckt werden soll und müssen durch nationales Recht weiter bestimmt werden: 6. fehlende Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands (arbitrability), 7. der Schiedsspruch verstößt gegen die öffentliche Ordnung (public policy). Grundsätzlich ist nur das nationale Gericht des Schiedsortes dazu befugt, einen Schiedsspruch aufzuheben. Die nationalen Gerichte sind daher nicht dazu befugt, einen ausländischen Schiedsspruch aufzuheben. Sie können lediglich die Vollstreckungserklärung und Anerkennung versagen. Zudem erlaubt das NYÜ grundsätzlich keine Überprüfung der materiellen Entscheidungsgründe des Schiedsspruchs, sondern nur die Überprüfung rechtlicher Fragestellungen (vgl. Art. V NYÜ).

123

2. offensichtliche Überschreitung der Befugnisse des Schiedsgerichts, 3. Bestechung eines Mitgliedes des Schiedsgerichts, 4. schwerwiegende Abweichung von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift, 5. Fehlen der Begründung des Schiedsspruches. Daneben ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art.  51 ICSID möglich, wenn Tatsachen bekannt werden, die vor dem Erlass des Schiedsspruchs unbekannt waren und diese Tatsachen dazu geeignet sind, die Entscheidung des Tribunals zu beeinflussen. Außerdem stellt Art.  55 ICSID eine Ausnahme von der „automatischen“ Vollstreckung des Schiedsspruchs dar. Danach darf ein Staat die Vollstreckung verweigern, wenn das Recht des Staates, in dem vollstreckt werden soll, durch Immunität geschützt wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der gepfändete Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient.488 Die Aufhebung eines Schiedsspruches aus Gründen der Nichtigkeit erfolgt nicht durch nationale Gerichte, sondern ausschließlich nach Art.  52 (3) ICISD in einem ICSID-internen Verfahren durch einen sogenannten ad hoc-Ausschuss. Staatliche Gerichte haben damit keinen Einfluss auf das Verfahren, so dass dieses nach der ICSID-Konvention in sich geschlossen ist und grundsätzlich frei von staatlicher Überwachung und Intervention. Lediglich im Vollstreckungsverfahren ist eine Mitwirkung staatlicher Gerichte und Behörden vorgesehen (vgl. Art.  54 (2), (3) und 55 ICSID). Damit ist ein ICSIDSchiedsspruch hinsichtlich der Vollstreckung einem nationalen Urteil eines Vertragsstaates gleichgestellt, geht aber auch nicht weiter, wo der Vertragsstaat nach seinem Recht die Vollstreckung ausschließt.

488  Vgl. OLG Köln, Vollstreckung aus einem Schiedsspruch in Vermögen eines ausländischen Staates, in: SchiedsVZ (2004), S.  99–103.

124 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Schließlich ist zu diesem Vergleich noch hinzuzufügen, dass sowohl das New York Übereinkommen als auch das ICSID-Übereinkommen vor allem der Absicherung von zwei Aspekten dienen: Zum einen sichern beide Übereinkommen die Privatautonomie der Parteien als Grundlage des Schiedsverfahrens ab und zum anderen wird die prozessuale Integrität des Schiedsverfahrens abgesichert, also die verfahrensrechtlichen Garantien. Dabei dient die Absicherung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung in Art. V (1) (a) New York Übrk. genauso der Sicherstellung der Privatautonomie in Art.  54 (1) (b) ICSID Übereinkommen.489 Allerdings wird die Absicherung der Verfahrensgarantien in dem ICSID-Übereinkommen ausführlicher angesprochen als in dem New York Übereinkommen. Zwar adressiert das New York Übereinkommen die Frage des rechtlichen Gehörs in Art. V (1) (b) New York Übrk. und es stellt auch die fehlende Rückkopplung an die Verfahrensvereinbarung der Parteien einen Aufhebungsgrund nach Art. V (1) (d) New York Übrk. dar. Im Rahmen des New York Übereinkommens muss aber subsidiär auf den ordre public Vorbehalt zurückgegriffen werden. Das ICSID-Übereinkommen kennt dagegen keinen ordre public Vorbehalt. Vielmehr müssen Verfahrensverstöße von den in Art.  54 (1) (c), (d) und (e) ICSID Übrk. genannten Gründen erfasst werden.490 Über den ordre public Vorbehalt in Art. V (2) (b) New York Übrk. ist eine bestimmte inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs nach dem New York Übereinkommen möglich, das anationale ICSID-Übereinkommen sieht hingegen keine ordre public Kontrolle vor. Es ist gleich, ob die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit unter den Bedingungen des ICSID-Übereinkommens oder des New York Übereinkommens durchgeführt wird, denn im Kern findet eine inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs nicht statt.491 Im Vergleich ist das ICSID-Übereinkommen gegenüber dem New York Übereinkommen wirkungsstärker, was vor allem an der in Art.  54 ICSID Übrk. geregelten Verpflichtung der Vertragsstaaten liegt, dafür zu sorgen, dass der Schiedsspruch in ihrem Hoheitsgebiet wie ein rechtskräftiges Urteil eines nationalen Gerichts vollstreckt werden soll. Aber auch der in sich geschlossene Überprüfungsmechanismus von ICSID-Schiedssprüchen nach Art.  52 ICSID Übrk. bietet 489  Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 282 f. 490  Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 283. 491  Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 283.

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

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im Vergleich zum New York Übereinkommen ein Verfahren ohne den Einfluss von staatlichen Gerichten und ein Verfahren, das grundsätzlich frei von staatlicher Überwachung und Intervention ist.

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips Mithilfe des unter A. dargestellten Rechtsstaatsprinzips mit den Aspekten der Unabhängigkeit neutraler Richter sowie der Rechtssicherheit als Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung soll festgestellt werden, ob das nach dem Investitionsschutzkapitel des CETAs einzurichtende Gericht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten eine Verbesserung des Rechtsstaatsprinzips im Vergleich zum Status Quo der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung bedeutet. Die Bewertung der Ausgestaltung des CETA-Gerichts lässt sich aber nicht unabhängig vom durchzusetzenden, materiellen Recht betrachten, wie es unter dem Begriff der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung unter B. dargestellt wurde. Der Grad der Bestimmtheit des materiellen Rechts legt nämlich den rechtsstaatlichen Maßstab an die Rechtsprechung als Rechtsanwender fest.492 Das Gebot der ausreichenden Bestimmtheit von Rechtsnormen mit einem Regelungsanspruch (egal ob freiheitsbeschränkende oder begünstigende Rechtsnormen) verlangt, dass gesetzliche Tatbestände so detailliert formuliert werden, dass ein Normadressat sein Verhalten vorausschauend kalkulieren kann, damit die Folgen der Regelung für ihn voraussehbar und berechenbar sind.493 Dies wird allgemein als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips und als Konkretisierung des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit angesehen.494 Allen Bestimmtheitsanforderungen an Rechtsnormen ist gemein, dass der Grad der Bestimmtheit an die jeweiligen sachlichen Eigenarten des Regelungsgegenstandes anzupassen ist. Rechtsnormen sind so genau „zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.“495 Dabei lässt sich auch als Grundsatz festhalten, je unbestimmter 492 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  131. Siehe auch Schreiber, Wie unabhängig ist der Richter?, in: Vogler u. a. (Hrsg.), FS Jescheck, 1985, Bd.  1, S.  757, 760; Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  134 f.; Siehe auch Schoch, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Einleitung, Rn.  324. 493  BVerfGE, 31, S.  255, 264; 84, S.  133, 149; 133, S.  348, 375 f., Rn.  116 f. 494  Dazu näher von Arnauld, Rechtssicherheit, S.  242 ff.; Beaucamp, Verständlichkeit und Bestimmtheit – Zwei Welten, in: Rechtstheorie, Bd.  42 (2011), S 21, 34 ff. 495  So etwa BVerfGE 102, S.  254, 337, Rn.  350; 133, S.  241, 271, Rn.  84; 134, S.  141, 184, Rn.  126.

126 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs eine Rechtsnorm ist, desto höher ist das rechtsstaatliche Defizit gegenüber dem Normadressaten. Ein rechtsstaatlich hoher Maßstab in der Rechtsdurchsetzung, wie beispielsweise die demokratische Legitimation der Gerichtsmitglieder und insbesondere die Garantie der Unabhängigkeit neutraler Richter, kann die rechtsstaatlichen Defizite eines unbestimmten materiellen Investitionsschutzrechts in einem gewissen Maße kompensieren.496 Der Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung Im Folgenden soll die These: Je vager die inhaltlichen Vorgaben des materiellen Rechts sind und damit die inhaltliche Steuerung der Rechtsprechung durch den Normgeber, umso höher müssen die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren sein,

als Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung belegt werden. Ausgangspunkt der Herleitung des Bewertungsmaßstabs bildet (wie oben unter Kapitel 1 A. auch) das Rechtsstaatsprinzip, wie es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist, weil Art.  10 (1) des deutschen Muster-BIT497 ebenso wie die meisten jüngeren, von der Bundesrepublik abgeschlossenen BITs auf ein institutionelles Schiedsgerichtsverfahren im Rahmen des ICSID verweisen. Das deutsche Verständnis zum Begriff des Rechtsstaatsprinzips eignet sich daher besonders gut als Maßstab für die Bewertung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen. Da das CETA aber neben den 28 EU-Mitgliedstaaten insbesondere zwischen der EU und Kanada verhandelt und vereinbart wurde, eignet sich das Verständnis zum Begriff des Rechtsstaatsprinzips auf EU-Ebene besonders gut als Maßstab für die Bewertung der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA. Es wird sich dabei zeigen, dass für die Herleitung des Bewertungsmaßstabs auf EU-Ebene auf den hergeleiteten Bewertungsmaßstab aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zurückgegriffen werden kann. 496 Kritisch

dazu Feichtner, Warum ein Internationales Investitionsgericht keinen Fortschritt an Rechtsstaatlichkeit bedeutet, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  97, 97; Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  133. 497  Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland, S.  35; Art.  10 (1) deutscher Muster-BIT 2008: „Disputes concerning investments between a Contracting State and an investor of the other Contracting State should as far as possible be settled amicably between the parties to the dispute. To help them reach an amicable settlement, the parties to the dispute also have the option of agreeing to institute conciliation proceedings under the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States of 18 March 1965 (ICSID).“

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

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Schließlich soll aufgezeigt werden, dass sich der Bewertungsmaßstab auf die Investor-Staat-Streitbeilegungssysteme nach dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA übertragen und anhand dessen bewerten lässt.

I. Die Herleitung des Bewertungsmaßstabs anhand der deutschen Rechtsordnung Der Bewertungsmaßstab lässt sich anhand des Spannungsverhältnisses zwischen dem Allgemeinheitspostulat (Art.  19 (1) GG) und dem Bestimmtheitsgebot zur Schaffung von Rechtssicherheit (durch das Zusammenwirken bzw. durch die Aufgabenverteilung zwischen dem Rechtssetzer und dem Rechtsanwender zur graduell abgestuften Erfüllung des Bestimmtheitsgebotes) herleiten. Eine allgemein formulierte Regelung, die auf eine unbestimmte Anzahl von Einzelfällen anwendbar ist, stellt ein Defizit des Rechtsstaatsprinzips dar, welches durch einen rechtsstaatlich hohen Maßstab in der Rechtsdurchsetzung durch die Rechtsprechung, wie insbesondere die Garantie der Unabhängigkeit neutraler Richter, kompensiert werden kann. Denn ein genügendes Legitimationsniveau und Niveau an Rechtsstaatlichkeit in der Rechtsprechung kann aus der Schlussfolgerung der unstreitigen Erkenntnis, dass Gerichte – in unterschiedlicher Intensität – an der Formulierung von Rechtssätzen beteiligt sind, die dem Rechtsunterworfenen gegenüber mit Anspruch auf Gehorsam auftreten und deren Befolgung nicht zuletzt erzwungen wird, durch einen verstärkten Rekurs anderer Steuerungselemente zur sachlich-inhaltlichen Legitimation der Rechtsprechung gewährleistet werden. Gemeint sind Mechanismen, die die Rechtsordnung zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit und Neutralität der Richter bereithält. Die Anforderungen an solche Mechanismen sind umso höher, sobald der Rechtsprechung durch abstrakte Regelungen ein weiter Spielraum an Entscheidungsbefugnissen eingeräumt wird.498 Die Vorstellung, dass positives staatliches Handeln bestimmten formalen Anforderungen genügen muss, d. h. dass beispielsweise Gesetze (als Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes) nicht-diskriminierend und allgemein in ihrer Funktionsweise sein sollten, hat eine besondere Bedeutung im westlichen politischen und rechtlichen Denken. Ausgehend vom ethischen Ideal der Gleichheit aller Bürger hat die moderne liberale Rechtsform die Rechtsstaatlichkeit, die eine einschränkende Funktion gegen staatliches Handeln ausübt. Beispielsweise verbietet das Rechtsstaatsprinzip die Rückwirkung von Gesetzen sowie staatlichen Maßnahmen und besteht auf der strikten Trennung von Gesetzgebung und Rechtspre498 Vgl.

Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, 2006, S.  140 ff.; Sehr interessant hierzu auch Schoch, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Einleitung, Rn.  319–324, insbesondere Rn.  324.

128 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs chung (im Sinne des Rechtssetzers und Rechtsanwenders, die aber auch in einem Verhältnis zueinanderstehen). Die Rechtsstaatlichkeit sollte in diesem Zusammenhang Sicherheit und Schutz zwischen den rechtlichen Wechselbeziehungen der jeweiligen Rechtssubjekte gewährleisten, beispielsweise zwischen Staat und Bürger oder zwischen Bürgern. Um dies zu gewährleisten, forderte Franz Neumann ganz im Sinne eines Allgemeinheitspostulates, dass der Staat nur dann individuelle Rechte beeinträchtigen dürfe, wenn dieser seinen Geltungsanspruch auf ein allgemeines Gesetz stützen könne, das eine unbestimmte Anzahl von zukünftigen Fällen regeln würde.499 Als für eine Rechtsordnung wesentlicher Vorteil könne dadurch jede Rechtsnorm, so Neumann, auch unter Umständen jahrhundertelang unverändert bleiben, während Inhalt und soziale Bedeutung einer Rechtsinstitution eine entscheidende Transbildung erfahren würden.500 Neumann wollte mit seiner Aussage ein Gebot der Schaffung abstrakter bzw. flexibel anwendbarer Rechtsnormen als einen Aspekt des Rechtsstaatsprinzips in der Gestalt eines Allgemeinheitspostulates (wie wir es in Art.  19 (1) GG kennen) schaffen.501 Die Umsetzung eines solchen Erfordernisses von allgemeingültigen Rechtsnormen unter dem Begriff des Rechtsstaatsprinzips in einem Umfeld großer wirtschaftlicher Disparitäten sollte zudem die Verhinderung von Eingriffen in die bestehende Machtverteilung bewirken. Neumann argumentiert, dass es darum gehe, den Status Quo zu privilegieren „[and to] disguise [the] revival of natural law.“502 Auch Carl Schmitt forderte, dass Regelungen in gewisser Weise zur Erfüllung ihrer Ordnungsleistung unbestimmt und abstrakt geregelt sein sollten sowie die Interpretation von diesen allgemein formulierten Gesetzen durch den Rechtsanwender vorzunehmen sei.503 Aufbauend auf Argumenten von Heinrich Treipel504 beharrte Schmitt darauf, dass der Begriff „Gleichheit vor dem Gesetz“ in der 499  Neumann, The Concept of Political Freedom, in: Scheuerman (Hrsg.), The Rule of Law under Siege, S.  195, 200: „individual rights may be interfered with by the state only if the state can prove its claim by reference to a general law that regulates an indeterminate number of future cases.“ 500  Neumann, The Social Significance of the Basic Laws in the Weimar Constitution, in: Tribe (Hrsg.), Social Democracy and the Rule of Law: Otto Kirchheimer and Franz Neumann, S.  33: Jede Rechtsnorm „can remain under some circumstances unchanged for centuries, while the content and social meaning of a legal institution can experience decisive transformation.“ 501  Siehe Art.  19 (1) GG; Siehe hierzu auch Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  I, Art.  19 I, Rn.  9 ff.; Hofmann, Das Postulat der Allgemeinheit des Gesetzes, in: Starck (Hrsg.), Die Allgemeinheit des Gesetzes, S.  9, 46. 502  Neumann, The Changes in Function of Law in Modern Society, in: Scheuerman (Hrsg.), The Rule of Law under Siege, S.  101, 131. 503 Vgl. Schmitt, Unabhängigkeit der Richter, Gleichheit vor dem Gesetz und Gewährleistung des Privateigentums nach der Weimarer Verfassung, S.  10. 504  Treipels Argumentation ist dargelegt in Caldwell, Popular Sovereignty and the Crisis of

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

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Weimarer Verfassung den Gesetzgeber nur dazu berechtigen würde, allgemeine Gesetze zu schaffen und keine Einzelfallgesetze (oder Maßnahmengesetze), die sich an bestimmte Personen richten würden.505 Einzelfallgesetze würden zu einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Gerichte und dem Recht auf ein faires Verfahren führen506, argumentiert Schmitt, indem sie in gegenwärtige und zukünftige vor den Gerichten anhängige Rechtsstreitigkeiten eingreifen und die Richter überflüssig machen sowie der Regierung unterordnen würden – in claris non fit interpretatio.507 Dazu würden die verfassungsmäßigen Rechte nur für diejenigen gesichert gelten, die eine vorherrschende parlamentarische Mehrheit für sich arbeiten ließen, was ein untragbares Defizit an Rechtsstaatlichkeit darstelle.508 Das Allgemeinheitspostulat an Gesetze, wie es heute auch in Art.  19 (1) GG gefordert wird, steht aber auch immer in einem direkten Spannungsverhältnis zum Bestimmtheitsgebot, welches im Auftrag der Rechtssicherheit als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips gilt. Zur Überwindung dieses Spannungsverhältnisses besteht allerdings die Möglichkeit, das Bestimmtheitsgebot graduell abgestuft und durch ein Zusammenwirken bzw. eine Aufgabenverteilung von Rechtssetzer und Rechtsanwender zu erfüllen.509 Dabei entscheidet der Grad der Bestimmtheit einer Rechtsnorm (womit die Regelungsdichte einer Rechtsnorm gemeint ist) über die Aufgabenverteilung zwischen dem Rechtssetzer und dem Rechtsanwender.510 Bei sehr detaillierten Rechtsnormen liegt der Schwerpunkt in der graduell abgestuften Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebots beim Gesetzgeber. Umgekehrt liegt bei sehr abstrakt formulierten Rechtsnormen der Schwerpunkt der graduellen Aufgabenverteilung zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebotes bei der Rechtsprechung.511 Die Bestimmtheitsanforderungen von Rechtnormen und daGerman Constitutional Law: The Theory and Practice of Weimar Constitutionalism, S.  148– 153. 505 Vgl. Schmitt, Unabhängigkeit der Richter, Gleichheit vor dem Gesetz und Gewährleistung des Privateigentums nach der Weimarer Verfassung, S.  10. 506  Siehe auch Art.  102 und 105 der Weimarer Verfassung. 507 Vgl. Schmitt, Unabhängigkeit der Richter, Gleichheit vor dem Gesetz und Gewährleistung des Privateigentums nach der Weimarer Verfassung, S.  10. 508 Vgl. Schmitt, Unabhängigkeit der Richter, Gleichheit vor dem Gesetz und Gewährleistung des Privateigentums nach der Weimarer Verfassung, S.  10. 509 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  130. 510  BVerfGE 49, S.  89, 138; 87, S.  234, 263 f.; Beaucamp, Verständlichkeit und Bestimmtheit – Zwei Welten, in: Rechtstheorie, Bd.  42 (2011), S 21, 41 f. 511 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  131.

130 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs mit die graduell abgestufte Aufgabenverteilung sind insoweit von den jeweiligen sachlichen Eigenarten des Regelungsgegenstandes abhängig, so dass Rechtsvorschriften stets derart genau „zu fassen [sind], wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.“512 Sehr abstrakt formulierte Rechtsnormen stellen zwar eine Erfüllung des Allgemeinheitspostulats dar, allerdings gleichzeitig auch ein Defizit des Rechtsstaatsprinzips – konkret des Bestimmtheitsgebots bzw. der Rechtssicherheit. Beispiel: Das kann am Beispiel der polizeirechtlichen Generalklausel mit ihren Tatbestandsmerkmalen der öffentlichen Sicherheit und öffentlichen Ordnung als sogenannter Auffangtatbestand für all jene Lebenssachverhalte gelten, die nicht unter die speziellen polizeirechtlichen Rechtsnormen zu fassen sind, veranschaulicht werden. Bereits der polizeirechtliche Eingriffstatbestand der öffentlichen Sicherheit stellt einen sehr abstrakten Begriff dar, um polizeiliche Maßnahmen gegen einen Bürger zu rechtfertigen.513 Dagegen bietet aber der Eingriffstatbestand der öffentlichen Ordnung einen noch weiteren Auslegungsrahmen und eine noch weitere Eingriffsermächtigung gegenüber natürlichen Personen, die auch gerade deswegen und gestützt auf das Bestimmtheitsgebot in fundamentaler Weise kritisiert wird.514 Durch den sehr abstrakt formulierten Tatbestand und den dadurch unbegrenzten Auslegungsspielraum durch den Rechtsanwender stellt die polizeirechtliche Generalklausel ein wesentliches Defizit des Rechtsstaatsprinzips dar. Der Erfüllung des Bestimmtheitsgebots wurde aber letztlich dadurch Genüge getan, dass die abstrakten und unbestimmten Rechtsbegriffe durch eine langjährige Rechtsprechung konkretisiert wurden und deshalb nach dem Bundesverfassungsgericht ausreichend bestimmt sei.515 Bei abstrakten, unbestimmten Rechtsbegriffen kann die Rechtsprechung demnach zur Normklarheit und tatbestandlichen Grenzziehung einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebots leisten. 512  So etwa BVerfGE 49, S.  168, 181; 59, S.  104, 114; 102, S.  254, 337, Rn.  350; 133, S.  241, 271, Rn.  84. 513  Siehe hierzu Depenheuer, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  8, Rn.  139. 514 Vgl. Achterberg, „Öffentliche Ordnung“ im pluralistischen Staat. Analytische Bemerkungen zu einem Grundbegriff des Polizei- und Ordnungsrechts, in: FS Scupin, 1973, S.  9 ff.; Denninger, Polizei in der freiheitlichen Demokratie, S.  31 ff. 515  BVerfGE 54, S.  143, 144 f.; BVerwGE 109, S.  29, 37 f.; 115, S.  189, 195 f.; Siehe hierzu auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  133.

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

131

Dabei können einerseits die gesetzesanwendenden Instanzen aufgrund ihrer demokratischen Legitimation sowie ihrer Art und Struktur das Maß der Gesetzesbestimmtheit mitbestimmen.516 Beispielsweise kann eine hierarchisch aufgebaute Rechtsprechung mit mehreren Instanzen für ein höheres Maß an Gesetzesbestimmtheit sorgen, indem die obere Rechtsprechungsinstanz die untere bei der Rechtsanwendung der abstrakten Rechtsnorm und bei der Rechtsfindung bei Auslegungsfragen korrigiert bzw. weiter konkretisiert. Andererseits kann aber auch die Garantie der verfahrensrechtlichen Sorgfalt, Unabhängigkeit und Neutralität der Rechtsprechung die Unbestimmtheit und das damit einhergehende Defizit des Rechtsstaatsprinzips kompensieren.517 Insbesondere bei unbestimmten, unklaren oder lückenhaften Normen sollen Richter bestimmen, was geltendes Recht ist.518 Sie bilden dementsprechend einen wesentlichen Beitrag zur graduell abgestuften Aufgabenteilung zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebots. Insoweit lassen sich anhand der oben (unter B. I.) dargestellten Ausführungen zur Rechtssicherheit und zur Unabhängigkeit neutraler Richter als Aspekte des Rechtsstaatsprinzips fünf Vorgaben bestimmen, mithilfe derer die Bewertung der Rechtsprechung eines zu untersuchenden Streitbeilegungssystems vorgenommen werden kann: 1. Die Art und Weise des Auswahl- und Ernennungsverfahrens sowie die demokratische Legitimation der Entscheidungsträger für den entsprechenden Spruchkörper oder für das jeweilige Streitverfahren. 2. Die geforderten Qualifikationen und ethischen Anforderungen an den Entscheidungsträger: Es sollten insbesondere nur solche Personen in den Spruchkörper bestellt werden dürfen, die dafür eine anerkannt hohe Befähigung vorweisen können bzw. die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Qualifikation besitzen. Zudem muss sich verbindlich an einen Verhaltenskodex zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehalten werden. 3. Der geforderte Maßstab für die Begründung zur Ablehnung oder zum Ausschluss eines Entscheidungsträgers vom Streitbeilegungsverfahren wegen des 516  Das jeweilige Gerichtsverfahren sollte dazu geeignet sein, aus rechtstechnischen Gründen Präjudizienbindung zu betreiben. Diesbezüglich sei nach Vorwerk auch die Erkenntnis der Wahrheit ein dynamischer Prozess, je mehr Möglichkeiten, sprich Instanzen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, die Wahrheit zu erkennen, vgl. Vorwerk/Wolf, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz: KapMuG Kommentar, §  1 Rn.  4. 517  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  133. 518  BVerfGE 135, 1 = NVwz (2014) S.  577, 579, Rn.  48: „Zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich in aller Regel die rechtsprechende Gewalt berufen“; Vgl. auch Hofmann, Das Recht des Rechts, das Recht der Herrschaft und die Einheit der Verfassung, S.  27 ff.

132 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Mangels an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit: Vorzugswürdig sollten im Rahmen der Beweislast des Antragstellers berechtigte Zweifel zur Begründung der Befangenheit des Entscheidungsträgers genügen. Hohe Anforderungen an die Beweislast, wie offensichtliche Gründe im Sinne von konkreten Tatsachen, die auf eine Voreingenommenheit schließen lassen, sind der Unabhängigkeitsgarantie abträglich. 4. Die Einrichtung konstanter Spruchkörper mit eigenem Rechtsbehelfsverfahren: Eine umfangreiche Überprüfungskompetenz von Entscheidungen durch eine Rechtsbehelfsinstanz auf Fehler bei der Rechtsanwendung und Rechtsfindung sowie der Würdigung des Sachverhalts ermöglicht gegebenenfalls eine Korrektur der Rechtsprechung im Einzelfall. Dies dient im Gegensatz zur ad hoc Streitbeilegung insbesondere der Konservierung der in der Rechtsprechung vorgenommenen Konkretisierung sehr abstrakt formulierter Rechtsnormen und fördert eine einheitliche und konsistente Rechtsprechung. 5. Das von den Entscheidungsträgern zwingend anzuwendende Verfahrensrecht: Dabei ist vor allem der Grad an Transparenz in dem Verfahren und die Anforderungen an den Zugang zum Streitbeilegungssystem zu berücksichtigen. Ein hiernach ausgerichtetes, hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit in der Rechtsdurchsetzung durch die Rechtsprechung kann Rechtsstaatlichkeitsdefizite des durchzusetzenden, unbestimmten Rechts in gewisser Weise ausgleichen.

II. Die Herleitung des Bewertungsmaßstabs anhand des Unionsrechts Auch auf der Ebene der EU lässt sich der Bewertungsmaßstab anhand des Spannungsverhältnisses zwischen einem Allgemeinheitspostulat im Legislativprozess, wo insbesondere bei Richtlinien unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, um einen größeren nationalen Gestaltungsspielraum zu ermöglichen, und dem Bestimmtheitsgebot zur Schaffung von Rechtssicherheit519 herleiten.520 Zum einen bildet die Harmonisierung des Unionsrechts (nach Art. Art.  26 (1) AEUV521) ein wesentliches Ziel des EU-Gesetzgebers, womit die Verwirkli519  Siehe zum Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf EU-Ebene: EuGH, Rs. C-183/14, EU:C:2015:454 (Salomie und Oltean). 520  Genau wie auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland soll in diesem Sinne das Bestimmtheitsgebot durch ein graduell abgestuftes Zusammenwirken bzw. durch die Aufgabenverteilung zwischen dem Rechtssetzer und dem Rechtsanwender erfüllt werden. 521  Art.  26 (1) AEUV: „Die Union erlässt die erforderlichen Maßnahmen, um nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der Verträge den Binnenmarkt zu verwirklichen beziehungsweise dessen Funktionieren zu gewährleisten.“ Und Art.  114 (1) AEUV: „Soweit in den Verträgen nichts Anderes bestimmt ist, gilt für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 26 die nach-

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

133

chung des gemeinsamen EU-Binnenmarktes und die Gewährleistung von dessen Funktionsfähigkeit gemeint ist und als Folge ein einheitlicheres, innereuropäisches Vertragsrecht angestrebt wird. Zur Harmonisierung des Unionsrechts in der Union verwendet der EU-Gesetzgeber die Richtlinie sowie die Verordnung. Letztere entfaltet allgemeine Geltung und Verbindlichkeit gegenüber den Mitgliedstaaten. Die Richtlinie bedarf dagegen zur rechtlichen Entfaltung (grundsätzlich) eines zweistufigen Rechtssetzungsverfahrens, in dem nach dem verbindlichen Erlass der Richtlinie ein innerstaatlicher Rechtsakt die Umsetzung der Regelung der Richtlinie in nationales Recht vollzieht.522 Den EU-Mitgliedstaaten wird dadurch ein gewisser Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung von Richtlinien zugesprochen, womit der EU-Gesetzgeber der Vielfalt nationaler Rechtsformen und -traditionen Rechnung trägt und respektiert.523 In diesem Sinne wird von Clasmeier vertreten, dass „je größer die Regelungsdichte einer Richtlinie ist, desto schwerwiegender der Eingriff in das bestehende nationale Recht“.524 Aus diesem Grund werden durch den EU-Gesetzgeber einem Allgemeinheitspostulat folgend in Richtlinien oft unbestimmte, abstrakte Rechtsbegriffe verwendet, um den Gestaltungsspielraum der EU-Mitgliedstaaten möglichst weit zu belassen.525 Zudem sei dadurch auch der politische Erfolg der Rechtssetzung durch einen Konsens der EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen in höherem Maße gewährleistet.526 Die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe hat allerdings auch in der Union, insbesondere bei der Umsetzung durch die EU-Mitgliedstaaten, zu mangelnder Kohärenz geführt und damit zu einem Defizit an Rechtssicherheit (bzw. des Bestimmtheitsgebotes) respektive des Rechtsstaatsprinzips.527 Auch auf EU-Ebene kann dieses Defizit im Sinne der graduell stehende Regelung. Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben.“ Siehe auch Korte, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  26 AEUV, Rn.  27 ff. 522 Siehe hierzu auch ausführlich Schröder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  114 AEUV, Rn.  1 ff. 523  Schröder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  114 AEUV, Rn.  40 ff. Die Regelungsdichte einer Richtlinie kann von einer Mindest- bis hin zur Vollharmonisierung reichen. 524  Clasmeier, Die Auslegung des Europäischen Vertragsrechts – Der EuGH als Superrevisionsinstanz?, in: StudZR, Bd.  2 (2013), S.  183, 186. 525  Siehe hierzu Staudenmayer, Der Aktionsplan der EG-Kommission zum Europäischen Vertragsrecht, in: EuZW (2003), S.  165, 167; Di Fabio, Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip? Überlegungen zum Einfluss des indirekten Gemeinschaftsrechts auf die nationale Rechtsordnung, in: NJW (1990), S.  947, 949. 526  Clasmeier, Die Auslegung des Europäischen Vertragsrechts – Der EuGH als Superrevisionsinstanz?, in: StudZR, Bd.  2 (2013), S.  183, 186. 527 Vgl. Eckert, Europäisierung des Privatrechts, in: Köbler/Heinze/Hromadka (Hrsg.), Eu-

134 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs abgestuften Aufgabenverteilung zwischen dem Rechtssetzer und dem Rechtsanwender durch die Rechtsprechung kompensiert werden, indem insbesondere der EuGH zur Normklarheit und tatbestandlichen Grenzziehung der unbestimmten Rechtsbegriffe im EU-Recht einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebotes leistet.528 So werden im Rahmen eines Zusammenwirkens zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten die allgemein formulierten Rechtsbegriffe des Unionsrechts durch Auslegung näher konkretisiert. Nach Art.  267 (2) AEUV haben die nationalen Gerichte im Falle der Erforderlichkeit die Möglichkeit, dem EuGH eine konkrete Auslegungsfrage zu stellen, um den Inhalt einer Regelung des Unionsrechts mit Blick auf einen bestimmten Sachverhalt zu ermitteln.529 Eine Auslegung des EuGHs im sogenannten Vorabentscheidungsverfahren erfolgt noch vor der Urteilsfindung des vorlegenden nationalen Gerichts. Es wird aufgrund dessen auch als ein prozessuales Zwischenverfahren zur Klärung unionsrechtlicher Auslegungsfragen bezeichnet und dient der Sicherung einer unionsweiten, einheitlichen Auslegung, der Sicherung des individuellen Rechtsschutzes sowie der Rechtsfortbildung.530 Für die Legitimation der Urteilsfindung durch den EuGH sowie den nationalen Gerichten und der damit einhergehenden Auslegung und Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe ist auf nationaler wie auch auf Ebene der EU ein rechtsstaatlich hoher Maßstab verfahrensrechtlicher Sorgfalt sowie die Garantie der Unabhängigkeit neutraler Richter von grundlegender Bedeutung, um die Unbestimmtheit der Regelungen und das damit einhergehende Defizit des Rechtsstaatsprinzips (in einem gewissen Maß) zu kompensieren.531 Insoweit lässt sich ropas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends: FS Söllner, 2000, S.  243, 250 f. 528  Nach Art.  267 (1) AEUV soll der EuGH ausschließlich über eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts entscheiden. Siehe zur graduell abgestuften Aufgabenverteilung zwischen Rechtssetzer und Rechtsanwender zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebotes, Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 (Rechtsstaat), Rn.  131. 529 Siehe hierzu Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  267, Rn.  5 ff.; In einem schwebenden Verfahren vor einem nationalen Gericht, dessen Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, gilt nach Art.  267 (3) AEUV sogar eine Vorlagepflicht. 530  Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  267, Rn.  5 ff. 531  Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 27.02.2018, Rs. C-64/16 (Associação Sindical dos Juízes Portugueses), Rn.  41 ff., 44: „Der Begriff der Unabhängigkeit setzt u. a. voraus, dass die betreffende Einrichtung ihre richterlichen Funktionen in völliger Autonomie ausübt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, und dass sie auf diese Weise vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder gefährden und deren Entscheidungen beeinflussen könnten“; Vgl. hierzu auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 GG (Rechtsstaat), Rn.  133.

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

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daher auch auf EU-Ebene festhalten, dass ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit in der Rechtsdurchsetzung durch die Rechtsprechung, Rechtsstaatlichkeitsdefizite der anzuwendenden und durchzusetzenden, unbestimmten Regelungen in gewisser Weise ausgleichen kann. Zum anderen liefert der jeweilige Begriff des Rechtsstaatsprinzips auf nationaler Ebene der EU-Mitgliedstaaten wichtige Anhaltspunkte, die auf EU-Ebene zur näheren Konkretisierung, zur Anwendung und zum Verständnis des Begriffs des Rechtsstaatsprinzips übertragen werden können, auch wenn die Union selbst keine Staatsqualität besitzt.532 Insoweit macht schon der Wortlaut „Rechtsstaatlichkeit“ die Herkunft des Begriffs aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten deutlich.533 Der oben anhand des Begriffs des Rechtsstaatsprinzips auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland hergeleitete Bewertungsmaßstab lässt sich demnach auch unter dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit auf Unionsebene verwenden und für die Bewertung der Rechtsprechung in einem Streitbeilegungssystem mit unionsrechtlichem Bezug heranziehen.

III. Die Anwendung des Bewertungsmaßstabs zur Untersuchung der Rechtsprechung nach dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA Der Bewertungsmaßstab für die gerichtliche Rechtsdurchsetzung unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips lässt sich auch auf die internationale Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA übertragen. Das Rechtsstaatsprinzip bzw. die rule of law bilden auch in der internationalen Investitionsstreitbeilegung einen relevanten Kontext für die gerichtliche Klärung der oft unbestimmten Verfahrensregeln und der anzuwendenden materiellen Rechtsnormen, die eine einschränkende Funktion gegen staatliches Handeln ausüben.534 532  Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25; Pechstein, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  2. 533 So Callies, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  2 EUV, Rn.  25. Neben dem deutschen Begriff „Rechtsstaatlichkeit“ findet sich in anderen Sprachfassungen der EU-Mitgliedstaaten diesbezüglich beispielsweise die Bezeichnung „Rule of Law“, „Estado de derecho“, „État de droit“ und „Stato di diritto“. Art.  2 EUV: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ (Kursivierung hinzugefügt) 534  Siehe zu den unbestimmten materiellen Rechtsnormen oben unter 1. Kapitel B. II. 2. c);

136 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Bei der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung handelt es sich grundsätzlich um gewöhnliche Streitentscheidung durch Rechtsprechung im öffentlichen Recht bzw. Verwaltungsrecht, wobei die Anwendung von völkerrechtlichen Regelungen zur Beurteilung von staatlichen Maßnahmen bedeutet, dass die Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Investoren und Staaten ihre eigenen Besonderheiten hat. Die öffentlich-rechtliche Dimension von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten spiegelt sich zudem darin wider, dass sie beispielsweise Rechtsstreitigkeiten vor inländischen Gerichten und den diplomatischen Schutz ersetzt. Schließlich drückt sich diese Besonderheit auch in der Tatsache aus, dass Staaten zum einen das ICSID-Übereinkommen mit seinem Verfahrensrecht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten und die vielen verschiedenen BITs und MITs sowie im Besonderen Kanada und die EU das CETA mit seinen verfahrensund materiell-rechtlichen Regelungen zum Investitionsschutz ausgehandelt haben.535 Im Vergleich zum nationalen, deutschen Recht oder dem Unionsrecht setzt das internationale Investitionsschutzrecht dabei noch intensiver auf unbestimmte Generalklauseln als auf detaillierte Regelungen, die sich in den völkerrechtlichen BITs und MITs sowie dem CETA wiederfinden (wobei das materielle Investitionsschutzrecht im CETA eine gewisse Konkretisierung durch den Rechtssetzer erfahren hat).536 Durch diese völkerrechtlichen Abkommen wird ausländischen Investoren sowohl eine unmittelbare eigene materiell-rechtliche Rechtsposition als auch eine verfahrensrechtliche Stellung zur Durchsetzung der materiellen Investitionsschutzregelungen gegenüber dem Gastgeberstaat eingeräumt, indem diese den Gastgeberstaat vor einem privaten Schiedsgericht bzw. dem CETA-Gericht verklagen können.537 Das System fand seinen Ausgangspunkt in dem vom früheren General Councel der Weltbank Aron Broches entwickelten Grundsatz „procedure before substance“538. Danach sollten private Schiedsgerichte, ohne dass diesen ein detailliert ausgearbeiteter rechtlicher Entscheidungsmaßstab zur Verfügung stand, unabhängig und unparteiisch öffentlich-rechtliche bzw. völkerrechtliche Entscheidungen treffen.539 zu den unbestimmten Verfahrensregeln unter 2. Kapitel B. I. (zum ICSID-Übereinkommen) und 3. Kapitel C. II. 2. (zum CETA). 535 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  237. 536  Siehe oben 1. Kapitel B. II. 2. bb); Vgl. auch Sardinha, The Impetus for the Creation of an Appellate Mechanism, in: ICSID Review, Bd.  32 (3) (2017), S.  503, 512 und 524 f. 537  Franck, The Legitimacy Crisis in Investment Treaty Arbitration: Privatizing Public International Law Through Inconsistent Decisions, in: FLR, Bd.  73 (2005) S.  1521, 1529. 538  Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  9. Ausführlich hierzu unten 2. Kapitel A. II. und III. 539  Ausführlicher hierzu unten 2. Kapitel; Siehe hierzu auch Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

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Viele der unbestimmten Verpflichtungen, die von den Vertragsstaaten des jeweiligen völkerrechtlichen Abkommens durch die darin geregelten Generalklauseln des materiellen Investitionsschutzrechts eingegangen werden, sind um den Gedanken der „non-discrimination“ herum organisiert (beispielhaft hierfür die „Inländergleichbehandlung“).540 Wie oben erläutert gehören zu den materiellen Investitionsschutzregelungen insbesondere Marktzugangsvorschriften, der Anspruch auf Inländergleichbehandlung, Meistbegünstigungsregelungen, der freie Kapitaltransfer und Regelungen zum Bestandsschutz getätigter Investitionen. Zum Bestandsschutz getätigter Investitionen gehören insbesondere Regelungen, wie der Grundsatz gerechter und billiger Behandlung, voller Schutz und Sicherheit sowie der Schutz gegen Enteignungen und enteignungsgleiche Maßnahmen. Wo diese Rechtsbegriffe in herkömmlichen BITs generalklauselartig geregelt sind, lässt sich allerdings im CETA feststellen, dass teilweise eine detailliertere und staatenfreundlichere Modifizierung des Wortlauts der materiellen Investitionsschutzregelungen durch den Rechtssetzer vorgenommen wurde.541 Das trifft insbesondere auf den Grundsatz gerechter und billiger Behandlung in Art.  8.10 CETA und den Schutz vor entschädigungslosen Enteignungen und enteignungsgleicher Maßnahmen in Art.  8.12 und Anhang 8-A CETA zu. Trotzdem bleiben auch bei Art.  8.12 CETA „important ambiguities“ bestehen, so dass die Regelung den Schiedsrichtern noch Raum dafür lässt, einen expansiven Ansatz bei der Anwendung und Auslegung der Regelung beizubehalten.542 Auch die Definitionen der Begriffe „Investition“ und „Investor“ in Art.  8.1 CETA werden beschrieben als „overly broad and far beyond what would be advisable from a regulatory or public interest perspective“543. (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747, 749; Siehe auch Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  9. 540  Siehe hierzu Jackson, The World Trading System: Law and Policy of International Economic Relations. 541 Vgl. Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 45 und 78 f.; Es wurde auch eine „overall limiting tendency underlying the CETA substantive treatment provisions“ festgestellt, siehe Reinisch, Putting the Pieces Together … an EU Model BIT?, in: JWIT, Bd.  15 (3–4) (2014), S.  679, 693. 542  Sinclair/Trew/Mertins-Kirkwood (Hrsg.), Making Sense of the CETA – An Analysis of the Final Text of the Canada-European Union Comprehensive Economic and Trade Agreement, S.  15 (zwar verweist der Text auf eine frühere Version des CETAs, allerdings ist diese in den relevanten Teilen identisch mit dem endgültigen CETA-Vertragstext). Ausführlich hierzu auch oben, 1. Kapitel B. II. 2. bb) und cc). 543  Sinclair/Trew/Mertins-Kirkwood (Hrsg.), Making Sense of the CETA – An Analysis of the Final Text of the Canada-European Union Comprehensive Economic and Trade Agreement, S.  15 (Die Definitionen der in der Fassung von 2014 und der endgültigen Fassung des CETAs enthaltenen Begriffe „Investition“ und „Investor“ sind nahezu identisch, so dass Kommentare zur CETA-Version von 2014 auch für die endgültige CETA-Version berücksichtigt werden

138 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Die sehr abstrakten materiellen Investitionsschutzregelungen sind aber auch gerade wegen der vielen zu erfassenden Einzelfälle und der sehr hohen Anzahl an einzelfallspezifischen Besonderheiten der ausländischen Investitionen als unbestimmte Generalklauseln gefasst. Das liegt daran, dass im Rahmen der internationalen Investitionsstreitbeilegung die Möglichkeit, das Bestimmtheitsgebot auf der Tatbestandsseite von Regelungen und damit bereits auf der Seite des Rechtssetzers zu erfüllen, an gewisse Grenzen stößt, weil die zu erfassenden Einzelfälle eine sehr hohe Streubreite an einzelfallspezifischen Besonderheiten aufweisen. Es muss dann eben, wie bei den materiellen Regelungen in den BITs und MITs sowie dem CETA, auf der Tatbestandsseite einer Norm mit abstrakten (unbestimmten) Rechtsbegriffen gearbeitet werden oder bzw. und es wird auf der Rechtsfolgenseite durch die Einräumung eines Ermessensspielraums dem Rechtsanwender ein (überaus) weiter Spielraum an Entscheidungsbefugnissen delegiert. Beide Möglichkeiten haben die vom Rechtssetzer beabsichtigte gleiche funktionale Wirkung, führen aber im Interesse der Einzelfallorientierung zu rechtfertigungsbedürftigen und wesentlichen Abstrichen an der Rechtssicherheit mit ihrem Bestimmtheitsgebot und damit an dem Rechtsstaatsprinzip. Wie auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland sowie auf der Ebene des Unionsrechts dargestellt, kann eine solche Rechtfertigung durch ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit mit ihren Grundsätzen der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit (beispielsweise durch die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter und einer einheitlichen Auslegung des anwendbaren Rechts durch die Rechtsprechung) in der Rechtsdurchsetzung des Investitionsschutzrechts gesehen werden. Einerseits müssen durch das jeweilige Investitionsschiedsgericht bzw. das CETA-Gericht die materiellen unbestimmten Rechtsbegriffe angewandt und ausgelegt werden. Andererseits wurden durch den überaus weiten Ermessensspielraum Entscheidungsbefugnisse delegiert. Das bedeutet vor allem, dass die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten durch formelle Rechtsnormen geregelt sein muss, die ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter sowie der CETA-Gerichtsmitglieder gewährleisten. Im Vergleich zum CETA-Gericht verfügt die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit allerdings nicht über eine Rechtsbehelfsinstanz im Sinne einer Berufungsinstanz, sondern lediglich über eine interne Überprüfung auf Verfahrensfehler. In Investor-Staat-Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen muss wegen des Fehlens von Präzedenzregeln und einer Berufungsinstanz daher noch mehr Gekönnen.) Siehe zu den Begriffen der Investition und des Investors unter dem CETA ausführlich auch unten: 3. Kapitel C. III. 2. a) und 3. a).

C. Der Bewertungsmaßstab für die Untersuchung

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wicht auf dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips der Unabhängigkeit neutraler Richter liegen.544

IV. Zwischenergebnis: Der angewandte Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung Was in der deutschen Rechtsordnung und im Unionsrecht als graduelle Aufgabenteilung zwischen Rechtssetzer und Rechtsanwender bzw. zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebotes gilt, findet seinen Ausdruck im internationalen Investitionsrecht in dem von Broches entwickelten Grundsatz „procedure before substance“. Beide Begriffe sind so zu verstehen, dass die jeweiligen Spruchkörper dazu berufen sind, allgemein formulierte Rechtsnormen des Rechtssetzers durch Auslegung für den jeweiligen Einzelfall zu konkretisieren und so (neues) Recht zu schaffen. Auf nationaler Ebene trifft dies beispielsweise auf die polizeirechtliche Generalklausel zu, im internationalen Investitionsrecht handelt es sich dabei um die materiellen Investitionsschutzvorschriften der jeweiligen Investitionsschutzverträge zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat sowie der jeweiligen BITs, MITs und dem CETA auf völkerrechtlicher Ebene. Im Interesse der Einzelfallorientierung führen diese sehr abstrakten Rechtsnormen zu rechtfertigungsbedürftigen Abstrichen an der Rechtssicherheit mit ihrem Bestimmtheitsgebot und damit auch an dem Rechtsstaatsprinzip. Eine solche Rechtfertigung kann in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen sowie in der Investor-Staat-Rechtsprechung des CETAs in einer einheitlichen Rechtsauslegung als Element der Rechtssicherheit sowie der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter bzw. der Mitglieder des CETA-Gerichts gesehen werden, die zum einen die materiellen unbestimmten Rechtsbegriffe anwenden und auslegen müssen und auf die man durch den überaus weiten Ermessensspielraum Entscheidungsbefugnisse delegiert hat. 544  Cleis, The Independence and impartiality of ICSID Arbitrators, S.  5. Siehe hierzu auch Van Harten, Investment Treaty Arbitration, Procedural Fairness, and the Rule of Law, in: Schill, (Hrsg.), International Investment Law and Comparative Public Law, S.  627, 638: „[I]f one asserts that investment arbitration offers a fair, rules-based, and thus superior method of decision-making, then the system is appropriately held to a high standard of independence“; Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  147: „Confidence in the ethical standards of arbitrators and arbitral institutions is the Alpha and Omega of the legetimicy of the process“; Alderstein, Zur Unabhängigkeit des Schiedsrichters, in: Böckstiegel, Studien zum Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  9, 19: „Nirgendwo sonst wird die Unabhängigkeit heftiger gefordert und ausführlicher erörtert als in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit“.

140 1. Kapitel: Die Begriffsbestimmungen und die Festlegung des Bewertungsmaßstabs Es bestätigt sich hiermit die These: Je vager die inhaltlichen Vorgaben des materiellen Rechts sind und damit die inhaltliche Steuerung der Rechtsprechung durch den Normgeber, umso höher müssen die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren sein.

2. Kapitel

Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen In diesem Kapitel soll der Status Quo der internationalen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen dargestellt werden. Sie soll zunächst lediglich objektiv erfolgen, ohne eine Bewertung vornehmen zu wollen (A. und B.). In einem zweiten Schritt soll die von vielen Seiten geäußerte Kritik an einigen Merkmalen der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit aufgegriffen und in eine eigene vorgenommene kritische Analyse aufgenommen werden (C.). Diese Aufteilung in einen objektiv darstellenden Teil der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit und einen kritisch analysierenden Teil mag auf den ersten Blick künstlich oder gar störend erscheinen und erfordert in der Tat auch zahlreiche Querverweise. Sie ist in den Augen des Autors aber aus wenigstens zwei Gründen geboten: Schon rein darstellungstechnisch muss die – für das von der Arbeit verfolgte Ziel einer Bewertung des CETA-Gerichts unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips – unabdingbare Präsentation der konkreten Funktionsweise des Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (wie beispielsweise die Bestellung der Schiedsrichter) vorgenommen werden, um die Feststellung zu ermöglichen, ob das CETA-Gericht eine Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in der Investor-Staat-Streitbeilegung darstellt. Gerade die Beantwortung dieser zentralen Frage der Untersuchung ist aber nur möglich, wenn der Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit als Vergleichsmöglichkeit dient, um im nächsten Kapitel etwaige Parallelen sowie auch Unterschiede zum Investor-Staat-Streitbeilegungssystem nach dem CETA herauszuarbeiten. Daher soll im Folgenden die objektive Darstellung der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten „vor die Klammer gezogen werden“. Aber auch die aktuelle Kritik an der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit ist von Bedeutung, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, was Kanada und insbesondere die EU dazu veranlasst haben, ihre Politik zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vor einem Schiedsgericht zu ändern und diese Änderungen im CETA zu manifestieren. Zudem ist eine kritische Auseinandersetzung mit der ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit unabdingbar, um am Ende dieses Kapitels im Rahmen einer Gesamtwürdigung die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem im 1. Kapitel hergeleiteten Bewertungsmaßstab nach den rechtsstaatlichen Aspekten der

142

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit bewerten zu können (C. III.).

A. Das ICSID-Übereinkommen von 1965 „[…] the [ICSID] Convention could, and did, establish a complete, exclusive and closed jurisdictional system, insulated from national law.“ „It is one of the most significant developments of the law in the international Community of the 20th century.“1

Mit dieser Bemerkung hat Aron Broches, der wesentlich an den Vertragsverhandlungen zum ICSID-Übereinkommen und der Etablierung der ICSID-Schieds­ gerichtsbarkeit in der internationalen Gemeinschaft beteiligt war, das InvestorStaat-Streit­beilegungssystem nach dem ICSID-Übereinkommen als eine der bedeutendsten Entwicklungen des Völkerrechts im 20. Jahrhundert bezeichnet. In diesem Sinne soll als Ausgangspunkt der Darstellung des ICSID-Schiedsverfahrens ein Überblick zur Entstehungsgeschichte des ICSID-Übereinkommens und zum Aufbau des ICSID-Zentrums zur administrativen Unterstützung der Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vorgenommen werden. Im Rahmen dessen soll zudem aufgezeigt werden, warum man sich damals nicht für ein dauerhaft eingerichtetes „Investitionsgericht“, sondern für ein ad hoc zu konstituierendes Schiedsgericht zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten entschieden hat und worin der Grund dafür liegt, dass es heute sowie in dieser Arbeit als Standardmodell der Investor-Staat-Streitbeilegung bezeichnet werden kann.

I. Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit als Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit Der Streitbeilegungsmechanismus des ICSID-Übereinkommens bildet das Standardmodell zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vor einem ad hocSchieds­gericht. Das ICSID-Übereinkommen mit dem ICSID-Zentrum als ein bei der Weltbank angehängtes unabhängiges Institut für Investitionsschiedsverfahren nimmt mit 1190 Verfahren (hierzu zählen bereits abgeschlossene und noch laufende Verfahren) weltweit die bedeutendste Rolle innerhalb der InvestorStaat-Streit­beilegung ein.2 Auch die Schiedsordnung des ICSIDs ist mit 644 Ver1  Broches, Awards Rendered Pursuant to the ICSID Convention: Binding Force, Finality, Recognition, Enforcement, Execution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  2 (2) (1987), 287, 288. 2 Vgl. die Statistik zur Verteilung der Investor-Staat-Schiedsverfahren vom 31.12.2021 des Investment Dispute Settlement Navigator der UNCTAD, online abrufbar unter: http://in vestmentpolicyhub.unctad.org/ISDS/FilterByRulesAndInstitution (zuletzt abgerufen am

A. Das ICSID-Übereinkommen von 1965

143

fahren die bedeutendste Schiedsordnung in Investor-Staat-Schiedsverfahren.3 Insgesamt werden weit mehr als die Hälfte aller bekannt gewordenen Investor-Staat Schiedsverfahren vor ICSID-Schiedsgerichten ausgetragen.4 Der Grund dafür kann darin gesehen werden, dass grundsätzlich fast jeder Investitionsvertrag, jedes bilaterale oder multilaterale Investitionsschutzabkommen bei Investitionsstreitigkeiten auf die Regeln der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit verweist5 – so auch das CETA mit Art.  8.23 (2) CETA.6

II. Die Entstehungsgeschichte des ICSID-Übereinkommens und der Aufbau des ICSID-Zentrums in Washington DC Das ICSID-Übereinkommen wurde 1965 unter der Vorarbeit der Weltbank verabschiedet und trat schließlich am 14. Oktober 1966 nach der 20. Ratifikation in Kraft.7 Die Bundesregierung ist dem Abkommen mit Wirkung zum 18.05.1969 beigetreten.8 Gleichzeitig wurde das ICSID-Zentrum errichtet. Heute haben 163 Staaten das ICSID Abkommen unterzeichnet.9 Mit dem ICSID-Übereinkommen 18.09.2022); Als Vergleich wurden 18 Verfahren vom ICC verwaltet, 49 von der SCC, 5 vom LCIA. 3  Vgl. die Statistik zur Nutzung der verschiedenen Schiedsordnungen vom 31.12.2021 des Investment Dispute Settlement Navigator der UNCTAD, online abrufbar unter: http://invest mentpolicyhub.unctad.org/ISDS/FilterByRulesAndInstitution (zuletzt abgerufen am 18.09. 2022); Als Vergleich wurde in 368 Verfahren die UNCITRAL-Schiedsordnung, in 53 Verfahren die SCC-Schiedsordnung und in 22 Verfahren die ICC-Schiedsordnung angewendet. 4  Insgesamt sind 1190 ISDS-Verfahren bekannt, davon sind 368 anhängig, 809 abgeschlossen und bei 13 Verfahren ist der Status unbekannt. Vgl. die Statistik vom 31.12.2021 des In­ vestment Dispute Settlement Navigator der UNCTAD, online abrufbar unter: http://investment policyhub.unctad.org/ISDS/FilterByRulesAndInstitution (zuletzt abgerufen am 18.09.2022). 5 Siehe Bishop/Crawford/Reisman, Foreign Investment Disputes, S.  428 ff.; Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  116; Als Alternative zum ICSID sind beispielsweise das Arbitration Institute der Stockholm Chamber of Commerce (SCC), die International Chamber of Commerce (ICC), der London Court of International Arbitration (LCIA) oder ein ad hoc Verfahren unter der UNCITRAL-Schiedsordnung zu nennen. 6  Siehe hierzu insbesondere Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  116. 7  Das Vertragswerk des ICSID-Übereinkommens basiert auf einem Konventionsentwurf, der von den Executive Directors der Weltbank unter Berücksichtigung staatlicher Eingaben der Mitglieder der Weltbank ausgearbeitet worden ist. Entsprechend existiert auch ein Report of the Executive Directors on the Convention, der als eine erste, wenngleich auch recht grundlegende Kommentierung herangezogen werden kann. Der Report findet sich online im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens unter; http://icsid.worldbank.org/ICSID/ICSID/Rules Main.jsp (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 8  BGBl. 1969 II, S.  1191; zum Ratifikationsgesetz mitsamt dem Text des Übereinkommens siehe BGBl. 1969 II, S.  369. 9  Vgl. die Database des ICSID zur Anzahl der ICSID-Mitgliedstaaten, Stand 2019, online

144

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

und dem ICSID-Zentrum wurde erstmals eine Schiedsinstitution zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und ausländischen Privatinvestoren mit dem Ziel geschaffen, Vergleichs- und Schiedsverfahren zur Verfügung zu stellen, um Investitionsstreitigkeiten zwischen Vertragsstaaten und Angehörigen anderer Vertragsstaaten beizulegen.10 Die Rolle des ICSID-Zentrums liegt dabei nicht in einer Spruchkörpertätigkeit, sondern in der administrativen Begleitung von Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren.11 Dafür wurde ein Sitz des Zentrums in Washington DC eingerichtet (Art.  2 ICSID Übrk.), welches volle Rechtspersönlichkeit besitzt (Art.  18 ICSID Übrk.) und aus einem Verwaltungsrat (Ad­ ministrative Council) sowie einem Generalsekretär (Secretary-General) besteht. Der Verwaltungsrat ist im Wesentlichen verantwortlich für den Haushalt, die Wahl des Generalsekretärs und die Verabschiedung von Verfahrensregeln (insbesondere der Prozessregeln für Vergleichs- und Schiedsverfahren).12 Der Generalsekretär leitet das ICSID-Zentrum in Washington DC und nimmt insbesondere auch ein erstes Prüfungsrecht hinsichtlich der Zulässigkeit der eingeleiteten Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren wahr.13 Der Verwaltungsausschuss und der Generalsekretär führen je ein Vermittler- und ein Schiedsrichterverzeichnis (Art.  30 ICSID Übrk.). Die Weltbank, die als Institution der Entwicklungshilfe gewidmet ist und ein besonderes Interesse an der Förderung von Auslandsinvestitionen in Entwicklungsländern hat, wollte durch die Errichtung des ICSIDs mehr Vertrauen von Investoren in die Rechtssicherheit für Auslandsinvestitionen schaffen und so mehr Investitionsbereitschaft erreichen.14 Das Ziel war, durch eine wirksame abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Pages/about/Database-of-Member-States.aspx (zuletzt aufgerufen am 31.03.2020). 10  Vgl. Art.  1 (2) ICSID Übrk. 11  Siehe hinsichtlich der Aufgaben und Organisationsstruktur des ICSID Collier/Lowe, The settlement of disputes in International Law, S.  60 f.; Janusch/Gearing, International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: Rowley/Binch (Hrsg.), Arbitration World 2004. Jurisdictional Comparison, S.  57, 60 f.; Hirsch, The Arbitration Mechanism of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes, S: 19 ff; Nathan, ICSID Convention: The Law of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes in Breach of the Convention, in: J. of Int’l Arb., Bd.  12 (1) (1995), S.  27, 52 f.; Ott, Die Beilegung von Investitions-streitigkeiten durch Schiedsgerichte. Die Praxis von ICSID, S.  14 ff. 12 Siehe ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  19, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: http://icsid. worldbank.org/ICSID/ICSID/Rules Main.jsp (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 13 Siehe ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  20, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: http://icsid. worldbank.org/ICSID/ICSID/Rules Main.jsp (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 14  Zu den Aufgaben der Weltbank gehört nach Art.  1 (2) des Abkommens über die internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vom 27.12.1945 (abgedruckt in BGBl. 1952,

A. Das ICSID-Übereinkommen von 1965

145

Rechtsdurchsetzung der aus völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen hergeleiteten Rechte, ausländische Investoren trotz bestehenden politischen Risiken zu Auslandsinvestitionen zu bewegen, indem ihnen für aufkommende Streitfälle ein neutrales, entnationalisiertes und entpolitisiertes Forum zur Streitbeilegung zur Verfügung gestellt wird.15 Die Konzentration auf die verfahrensrechtliche Durchsetzung von Rechten erklärt sich aus der Tatsache, dass materiell-rechtliche Fragen des Investitionsschutzes in den 70er Jahren (und auch noch heute) sehr umstritten waren und eine über Streitbeilegungsfragen hinausgehende Regelung dieses Bereichs kaum zu realisieren gewesen wäre.16 Anstatt detaillierte materielle Regelungen zum Investitionsschutz in völkerrechtliche Abkommen zu gießen, entstand durch das ICSID-Übereinkommen die Möglichkeit, den Staat direkt zu verklagen. Damit wurde der Idee des früheren General Councels der Weltbank Aron Broches gefolgt, der die Formel „procedure before substance“ erfolgreich durchgesetzt hatte. „The first step was to establish procedures for dispute settlement, and substantive law would follow in the praxis of applying the law.“17 Teil II, S.  664 ff.), die private ausländische Investitionstätigkeit durch die Übernahme von Garantien oder durch Beteiligung an Darlehen und anderen von privaten Geldgebern durchgeführten Investitionen zu fördern. Siehe auch zu den Aufgaben der Weltbank Nathan, ICSID Convention: The Law of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes in Breach of the Convention, in: J. of Int’l Arb., Bd.  12 (1) (1995), S.  27, 47 ff.; Schlemmer-Schul­ te, The World Bank, its operations, and its Inspection Panel, in: RIW (1999), S.  175, 176 ff.; Sutton, Emilia Augustin Maffezini vs Kingdom of Spain and the ICSID Secretary – General’s Screening Power, in: Arb. Int’l, Bd.  21 (1) (2005), S.  112, 114. 15 Vgl. Augenblick/Ridgway, Dispute Resolution in World Financial Institutions, in: J. Int’l Arb. Bd.  10 (1) (1993), S.  73, 78 f.; Collier/Lowe, The settlement of disputes in International Law, S.  60; Peter, Arbitration and Renegotiation of International Investment Agreements, S.  303; Reisman, International Arbitration and Sovereignty, in: Arb. Int’l, Bd.  18 (3) (2002), S.  231, 236; Ders., System of Control in International Adjudication and Arbitration, S.  46 f.; Shihata/Parra, The Experience of the International Centre for Settlement of Investment Disputes, in: ICSID Review, Bd.  14 (2) (1999), S.  299, 300. 16 Vgl. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  117. 17  Fast alle Fragen des völkerrechtlichen Investitionsschutzes bei Enteignungen waren lange streitig. Es war lange unklar, ob ausländische Investoren den Schutz eines eigenen internationalen Standards genießen oder nur wie Inländer zu behandeln sind, was überhaupt eine Enteignung darstellt und wie eine Entschädigung berechnet werden sollte. In der UN-Generalversammlung versuchten Staatenvertreter in den 1960er Jahren vergebens hierüber zu einem Konsens zu gelangen. Vor diesem Hintergrund propagierte Aron Broches, der damalige General Counsel der Weltbank, die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten nach der Formel „procedure before substance“. Nach dieser Formel besteht der erste Schritt darin, Verfahren zur Streitbeilegung einzuführen, und das materielle Recht würde in der Praxis der Anwendung der Regelungen folgen. Vgl. hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  9.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

III. Ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit anstelle eines ständigen Tribunals zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten Obwohl es sich beim ICSID-Zentrum um eine dauerhaft eingerichtete Institution handelt, gibt es keinen dauerhaft eingerichteten Investor-Staat-Schiedsgerichtshof. Vielmehr werden die ICSID-Schiedsgerichte für jedes Verfahren neu kon­ stituiert, können dann aber eine administrative Unterstützung des ICSID-Zen­ trums in Anspruch nehmen. Diese Art und Weise der Streitbeilegung durch ein ad hoc zusammengesetztes Schiedsgericht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten wurde von Broches vorgeschlagen und hat sich am Ende der Vertragsverhandlungen zum ICSID-Übereinkommen durchgesetzt. Broches hatte bei der Art und Weise, wie sich die Investitionsgerichte konstituieren könnten, eine Art Skala im Kopf: An einem Ende der Skala würde die Schaffung eines ständigen Tribunals stehen, das aus Schiedsrichtern besteht, die für einen bestimmten Zeitraum gewählt oder ernannt werden und nach einer festgelegten Geschäftsordnung arbeiten sollten. Am anderen Ende der Skala würde eine Liste von Namen stehen, die entweder von den ICSID-Vertragsstaaten eingereicht oder von einer anderen Autorität benannt werden und aus der die Schiedsrichter ad hoc auszuwählen sind.18 In der damaligen Zeit wurde die Schaffung eines ständigen Gerichts als undurchführbar befunden, so dass die ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit in den Fokus der Verhandlungsführer (Executive Directors) zum ICSID-Übereinkommen geriet.19 Allerdings wurde bereits bei den Verhandlungen die Sorge über die Möglichkeit einer uneinheitlichen Schiedsrechtsprechung (inconsistent awards) geäußert.20 Ein Executive Director hat beispielsweise Bedenken geäußert hinsichtlich des „[…] problems which might arise as a result of contradictory decisions relating to the same subject-matter rendered by different tribunals.“21 Broches Antwort auf diese Bedenken war der Vorschlag zur Festlegung von Regelungen, die eine widersprüchliche Entscheidungsfindung verschiedener Schiedsgerichte zu einem ähnlichen oder sogar zum gleichen Streitgegenstand unterbinden würden. Er dachte „it would be possible to provide against the possibility that the same dispute would be submitted to more than one tribunal.“22 Aber auch 18  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  3: „On one end of the scale would be the creation of a permanent tribunal staffed by arbitrators, elected or appointed for a fixed period and operating under established rules of procedure. At the other end could be a panel of names, either submitted by the Statesparties to the tribunal or designated by some other authority, from which the arbitrators would be selected.“ 19 Vgl. ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  3. 20 Vgl. ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  3. 21  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  114. 22  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  117.

A. Das ICSID-Übereinkommen von 1965

147

Broches betonte, dass die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen in Streitfällen, die zwischen verschiedenen Parteien entstehen, aber auf ähnlichen Tatsachen bzw. einem ähnlichen Sachverhalt beruhen würden, jedem ad hocSchieds­verfahren innewohnt.23 Die einzige Möglichkeit, eine uneinheitliche Rechtsprechung effektiv zu verhindern, sei die Errichtung eines ständig eingerichteten Tribunals oder eines Gerichtshofs: „[to] void, or at least limit that danger – or to put it in a positive way, to promote uniformity of decisions – would be to have a standing tribunal.“24 Da ein ad hoc-Schiedsgericht keine einheitliche Rechtsprechung gewährleisten würde, haben die Mitarbeiter der Weltbank (darunter auch Broches) versucht, eine Art Überprüfungsmöglichkeit bzw. eine Qualitätssicherung der Schiedsrichter (a measure of quality control) im ICSID-Übereinkommen zu regeln. Das Arbeitspapier (working paper) von 1962 führte die Idee ein, qualifizierte Personen in eine sogenannte Schiedsrichterliste („panel of Arbitrators“) zu berufen, aus der Parteien Schiedsrichter auswählen sollten oder aus der ein Schiedsrichter ernannt werden sollte, wenn eine der Parteien keine Ernennung für den Streitfall vornimmt.25 Allerdings sollte es den Parteien auch freistehen, einen Schiedsrichter für das Verfahren zu benennen, der nicht auf der Schiedsrichterliste stand.26 Es gab aber auch diesbezüglich einige Bedenken hinsichtlich des Umfangs der den Parteien eingeräumten Parteiautonomie und dem möglichen Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des streitentscheidenden Schiedsgerichts. Die Aufzeichnungen der Verhandlungen zum ICSID-Übereinkommen deuten sogar darauf hin, dass grundsätzlich eine vollständige Abschaffung der parteiernannten Schiedsrichter gewollt gewesen war. In dem Arbeitspapier von 1962 (working paper) wurde festgestellt, dass parteiernannte Schiedsrichter, die am wenigsten wünschenswerte Methode der Schiedsrichterbestellung sein könnte, „[party appointed arbitrators may be the] least desirable method [of appointment], because of the danger that each party will look upon the arbitrator to be appointed by it as an advocate.“27 Trotzdem hielten die ICSID-Vertragsstaaten an der Idee der parteiernannten Schiedsrichter fest. Anstatt diese vollständig zu verbieten, sollte (1) die Bestellungsmöglichkeit von Schiedsrichtern durch die Par23  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  117: „inherent in any ad hoc arbitration system“. 24  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  117. Ein ständig eingerichtetes Schiedsgericht war aber nach Broches Ansicht „clearly impractical in the present context“. Allerdings führt Broches nicht aus, warum er dieser Ansicht war und wurde auch nicht von anderen Verhandlungsführern dazu aufgefordert, sich zu erklären. 25  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  30. 26  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  30. 27  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  40.

148

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

teien eingeschränkt werden, und (2) die Streitparteien sollten dazu ermutigt werden, Schiedsrichter aus der Schiedsrichterliste zu ernennen, um „some of the dangers of having ‚party arbitrators‘“, zu vermeiden.28 Dagegen wurde allerdings die Parteiautonomie bei der Einsetzung des ad hoc Aufhebungsausschusses nach Art.  52 ICSID Übrk. zur Überprüfung eines ICSID-Schieds­spruchs vollständig eingeschränkt. Wie weiter unten dargestellt werden wird, kontrolliert der Vorsitzende des Verwaltungsrats des ICSID-Zentrums das Bestellungsverfahren der Schiedsrichter für den jeweiligen ad hoc zu konstituierenden Aufhebungsausschuss – nicht die Streitparteien.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht „For the first time a system was instituted under which non-state entities – corporations or individuals – could sue States directly; under which State immunity was much restricted; under which international law could be applied directly to the relationship between the investor and the host State; under which the operation of the local remedies rules was excluded; under which the tribunal’s award would be directly enforceable within the territories of the State’s parties.“29

Mit der von Sir Elihu Lauterpacht prägnanten Zusammenfassung der ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit als Ausgangspunkt bietet das ICSID-Zentrum zwei Verfahren zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten: Zum einen das schiedsgerichtliche Streitbeilegungsverfahren und eine Streitbeilegung im Rahmen eines Vergleichs- bzw. Vermittlungsverfahrens. Neben einer Verfahrensordnung zur Verfahrenseinleitung (Rules of Procedure for Institution of Conciliation and Arbitration Proceedings, Institution Rules) gibt es auch spezielle Vergleichs(Rules of Procedure for Conciliation Proceedings) bzw. Schiedsverfahrensordnungen (Rules of Procedure for Arbitration Proceedings), Art.  6 ICSID Übrk.30 Mit dem sogenannten additional facility bietet das ICSID-Zentrum eine zusätzliche Besonderheit, mit der auch dann eine Möglichkeit der Streitbeilegung nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens angeboten wird, wenn die noch darzustellenden strengen Zuständigkeitsvorschriften nicht eingehalten wurden.31 Die Verfahren vor dem ICSID können sowohl von Investoren als auch Staaten unter der Beachtung der dafür vorgesehenen Verfahrensregeln eingeleitet wer28 

ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  40. Sir Elihu Lauterpacht, in: Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary (2001), S.  xi f. 30  Die verschiedenen Regelwerke sind online abrufbar unter: http://www.Worldbank.org/ icsid/basicdoc/basicdoc.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 31 Vgl. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  117. 29 

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 149

den, obwohl fast ausschließlich Investoren von dem Streitbeilegungsmechanismus Gebrauch machen.32 Als Schiedsort ist gemäß Art.  63 (1) ICSID-Übereinkommen grundsätzlich Washington DC vorgesehen, weil dort auch der Sitz des ICSID-Zentrums liegt. Es können aber auch andere Schiedsorte gewählt werden.33 Für das anwendbare Recht im ICSID-Schiedsverfahren spielt der Schieds­ ort keine Rolle, weil ICSID-Schiedssprüche weder sogenannte inländische noch ausländische Schiedssprüche sind, egal ob sie im Inland oder Ausland ergangen sind. Sie sind „denationalisiert“. Es gibt bei ihnen keinen eigentlichen Schiedsort mit den rechtlichen Folgen, die daran anknüpfen, sondern nur einen Ort des Schiedsverfahrens.34 Die folgende Darstellung der Rechtsprechung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen soll ausführlich erfolgen, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr wird eine Darstellung derjenigen Vorschriften des ICSID-Übereinkommens vorgenommen, die der Autor für eine spätere Bewertung des CETA-Investitionsgerichts unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips für erforderlich hält.

I. Die Verfahrensregeln im ICSID-Schiedsverfahren Die relevanten Verfahrensregeln für ein ICSID-Schiedsverfahren finden sich im ICSID-Übereinkommen selbst sowie den ICSID Arbitration Rules, den ICSID Conciliation Rules, den ICSID Institution Rules und zusätzlich in den ICSID Administrative and Financial Regulations.35 Diese stellen in der Gesamtheit das lex arbitri dar und regeln alle wesentlichen Fragen für die Durchführung und 32 Die ICSID-Institution Rules sind online abrufbar unter http://www.Worldbank.org/icsid/ basicdoc/basicdoc.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 33  Zu den Kooperationspartnern des ICSIDs zählen u. a. das Australian Dispute Centre in Sydney, das Cairo Regional Center for International Commercial Arbitration, das Frankfurt International Arbitration Centre, der Permanent Court of Arbitration in Den Haag oder auch das Regional Center for Commercial Arbitration in Kuala Lumpur, die entsprechende Räumlichkeiten für das Schiedsverfahren zur Verfügung stellen. 34  Nach Art.  63 (b) ICSID Übrk. können ICSID-Schiedsverfahren grundsätzlich an jedem Ort stattfinden. Die einzige Voraussetzung dafür besteht in der Billigung des Schiedsgerichts nach Konsultierung des ICSID-Generalsekretärs. 35 Vgl. Broches, The Experience of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes, in: Rubin/Nelson (Hrsg.), International Investment Disputes: Avoidance and Settlement, S.  75, 88 f.; Siehe zu den einzelnen Regeln online: https://icsid.worldbank.org/en/ Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Seit Ende 2007 finden sich auf der ICSID-Website spezielle Anleitungen für die Einleitung von Schiedsverfahren, auch für Verfahren nach den Additional Facility Rules, online abrufbar unter: http://icsid.worldbank.org/ICSID/FrontServlet?requestType=CaesRH&actionVal=HowTo FileReq. (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Abläufe von ICSID-Schiedsverfahren. Die offiziellen Verfahrenssprachen des ICSIDs sind nach Art.  38 Administration and Financial Regulation, Art.  22 Arbitration Rule und Art.  22 Conciliation Rule Englisch, Französisch und Spanisch. Insgesamt ist zwischen den Regeln, die sich auf die Verfahrenseinleitung beziehen, und den Regeln, die das Schiedsverfahren regeln, zu unterscheiden. Die ICSID Institution Rules treffen Vorgaben hinsichtlich der ordnungsgemäßen Einleitung eines Verfahrens, welches nach Art.  1 Institution Rules mit dem Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens beim Generalsekretär des ICSIDs durch eine oder beide Parteien beginnt. Hinsichtlich des Schiedsverfahrens sind besonders Art.  36 bis 47 ICSID Übrk. und, sofern die Parteien gemäß Art.  44 ICSID Übrk. nichts anderes vereinbart haben, die Arbitration Rules von Bedeutung, die im Zeitpunkt der Zustimmung der Parteien zum Schiedsverfahren gelten.36 In dem Fall, dass die Schiedsverfahrensregeln eine Lücke aufweisen, hat das Schiedsgericht nach Art.  44 ICSID Übrk. die Lücke unter der Heranziehung allgemeiner Rechtsprinzipien und anhand von Billigkeitserwägungen zu füllen.

II. Das anwendbare materielle Investitionsschutzrecht im ICSID-Schiedsverfahren Das auf das ICSID-Schiedsgerichtsverfahren anwendbare materielle Investitionsschutzrecht ergibt sich aus Art.  42 ICSID Übrk., der regelt: „(1) The Tribunal shall decide a dispute in accordance with such rules of law as may be agreed by the parties. In the absence of such agreement, the Tribunal shall apply the law of the Contracting State party to the dispute (including its rules on the conflict of laws) and such rules of international law as may be applicable. (2) The Tribunal may not bring in a finding of non liquet on the ground of silence or obscurity of the law. (3) The provisions of paragraphs (1) and (2) shall not prejudice the power of the Tribunal to decide a dispute ex aequo et bono if the parties so agree.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Zum anwendbaren materiellen Investitionsschutzrecht ist in Art.  42 ICSID Übrk. eine fast uneingeschränkte Parteiautonomie geregelt, so dass die Parteien selbst entscheiden können, welches Recht das Schiedsgericht auf den zur Entscheidung gestellten Fall anwenden soll.37 Als Recht können die Parteien das Recht des Gastgeberstaates, eines anderen Staates, Völkerrecht oder andere be36  Vgl. zu einem Überblick zum Schiedsverfahren Lörcher, ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, in: SchiedsVZ (2005), S.  11, 14 ff.; 37 Vgl. Broches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States: Applicable Law and Default Procedure (1967), in: ders., Selected Essays: World Bank, ICSID, and other Subjects of Public and Private International Law, S.  179,

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 151

liebige Rechts­sätze wählen (sogenanntes proper law). Das ergibt sich e contra­ rio aus Art.  42 (1) S.  2 ICSID Übrk., wonach das Schiedsgericht erst subsidiär, bei fehlender Rechtswahl der Parteien, die Regeln des Völkerrechts auf den Streit anwenden soll. Der Umfang des vom Schiedsgericht anzuwendenden Völkerrechts soll sich im Fall der mangelnden Einigung nach dem Statut des internationalen Gerichtshofs bestimmen, so dass internationale Übereinkünfte, internationales Gewohnheitsrecht sowie anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze anwendbar sind.38 Diese Vorgehensweise findet ihren Ausdruck auch in dem Schiedsurteil im Fall Antoine Goetz u. a. vs Burundi, wo das Schiedsgericht festhielt, dass „The Bilateral Treaty on Investment Protection is not only the basis for jurisdiction of the Centre and of the Tribunal; it determines the applicable Law.“39 Es ist aber zu betonen, dass die Kompetenz der Parteien zur Rechtswahl aus der Privatautonomie insoweit eingeschränkt ist, als dass zur Rechtswahl nur Vorschriften einer bereits bestehenden Rechtsordnung möglich sein sollen. Damit ist den Parteien die Schaffung eigener Regeln verwehrt, die nur für den jeweiligen Vertrag zwischen dem Investor und dem Gastgeberstaat oder dem Staatsvertrag gelten könnten. Diese Einschränkung der Parteiautonomie beruht auf der Tatsache, dass es einen Vertrag ohne Rechtsordnung nicht geben kann.40 In dem üblichen Fall, dass die staatliche Streitpartei ihre Einwilligung in die Zuständigkeit des ICSID-Zentrums in einem bilateralen Investitionsschutzabkommen oder in ihrer nationalen Investitionsgesetzgebung erklärt hat, wird das Schiedsgericht deshalb in erster Linie die hierin niedergelegten Rechtsnormen zu berücksichtigen haben und nur bei Regelungslücken von seinem Recht aus Art.  42 (1) S.  2 ICSID Übrk. Gebrauch machen.41 Das genaue Zusammenspiel 184; Gaillard/Banifatemi, The Role of International Law in ICSID Choice of Law Process, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  18 (2003), S.  375, 377. 38  Der Vorschrift des Art.  42 (1) S.  2 ICSID Übrk. liegt die Idee zugrunde, dass dem Völkerrecht im Sinne von Art.  38 (1) (c) IGH-Statut ein lückenloses Rechtssystem zugrunde liegt, auf welches das Schiedsgericht bei fehlender Einigung der Parteien zurückgreifen kann, vgl. Bro­ ches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes Between States and Nationals of other States of 1965, Explanary Notes and Survey of its Application, in: YBCA, Bd.  18 (1993), S.  627, 667; Shihata/Parra, Applicable Substantive Law in Disputes Between States and Private Foreign Parties: The Case of Arbitration under the ICSID Convention, in: ICSID Review, Bd.  9 (1994), S.  183, 195; Görs, Internationales Investitionsrecht, S.  78 ff. 39 Aus dem Französischen ins Englische übersetzt und zitiert bei Bernadini, Investment Arbitration under the ICSID Convention and BITs, in: Aksen (Hrsg.), Liber Amicorum in honour of Robert Briner, 2005, S.  89, 106. 40  Dies ist heute die nahezu einhellige Auffassung, siehe zum Beispiel Arnoldt, Praxis des Weltbankübereinkommens (ICSID), S.  38–46. 41  Escher, Weltbank-Schiedszentrum: Zuständigkeit für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, in: RIW (2001), S.  20, 24.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

der heranzuziehenden Rechtssysteme ist umstritten, in der Praxis allerdings auch nur selten von Bedeutung.42 Als wichtiger Ausfluss der Parteiautonomie ist zudem Art.  42 (3) ICSID Übrk. zu berücksichtigen. Danach können die Parteien in besonderen Umständen durch Vereinbarung die Möglichkeit einer ex aequo et bono Entscheidung durch das Schiedsgericht verlangen, also das Fällen einer Billigkeitsentscheidung. Das Schiedsgericht hat dadurch die Möglichkeit, den Streit nach eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen zu entscheiden. Diesbezüglich ist der Fall S.A.R.L. Benvenuti & Bonfant vs Peoples Republic of the Congo soweit der einzige dem Autor bekannte Fall, bei dem einem ICSID-Schiedsgericht eine entsprechende Kompetenz von den Streitparteien zugewiesen wurde.43

III. Die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts Als zentrale Vorschrift des ICSID-Übereinkommens regelt Art.  25 ICSID Übrk. die Investor-Staat-Streitbeilegung und in Absatz 1 die Zuständigkeit des ICSIDSchieds­gerichts: „Die Zuständigkeit des Zentrums erstreckt sich auf alle unmittelbar mit einer Investition zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Vertragsstaat (oder einer von diesem abhängigen Gebietskörperschaft oder Stelle, die er dem Zentrum benennt) einerseits und einem Angehörigen eines anderen Vertragsstaats andererseits, wenn die Parteien schriftlich eingewil­ ligt haben, die Streitigkeiten dem Zentrum zu unterbreiten. Haben die Parteien ihre Zustimmung erteilt, so kann keine von ihnen sie einseitig zurücknehmen.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Damit bestehen vier Zuständigkeitsvoraussetzungen: 1. Die Zuständigkeit ratio voluntas als schriftliche Zustimmung bzw. Unterwerfung der Parteien unter die Gerichtsbarkeit des ICSID-Schiedsgerichts, 2. die Zuständigkeit ratio materiae als sachliches Erfordernis des Vorliegens eines Rechtsstreits in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Auslandsinvestition, 3. die Zuständigkeit ratio personae mit den beiden qualifizierten Streitparteien und 4. die Zuständigkeit ratio temporis mit dem Erfordernis der Gültigkeit der ICSID-Konvention für Gastgeber- und Heimatstaat des Investors (ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung). 42 So Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  139; Siehe zu dem Streit des Zusammenspiels der einzelnen Vorschriften ausführlich Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 103. 43 Siehe S.A.R.L. Benvenuti & Bonfant vs Peoples Republic of the Congo, ICSID Case No. ARB/77/2, Award, 08.08.1980, Rn.  4.4.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 153

Im Vergleich zu anderen internationalen Schiedsinstitutionen oder Streitbeilegungsmechanismen stellt das ICSID damit in Art.  25 ICSID Übrk. relativ hohe Anforderungen an die Begründung der Gerichtsgewalt eines ICSID-Schiedsgerichts.44 Außerdem haben ICSID-Schiedsgerichte, die in Art.  25 ICSID-Übrk. ausdrücklich angesprochenen Zuständigkeitsvoraussetzungen ex officio (von Amts wegen) bzw. motu proprio (aus eigenem Antrieb) zu überprüfen.45 Das ICSID-Übereinkommen legt damit ein vom Willen der Parteien unabhängiges Mandat fest, dessen Grenzen zu beachten sind.46 Aus diesem Grund ist es auch ausgeschlossen, dass die Parteien im Einvernehmen auf die Zuständigkeitsvoraussetzungen des Übereinkommens verzichten, was zwangsläufig durch Art.  25 ICSID Übrk. und den dort aufgeführten Grenzen der Anwendbarkeit des ICSID-Übereinkommens aufgrund der Zuständigkeitsvoraussetzungen heraus resultiert.47 1. Die Zuständigkeit ratio voluntas Mit der Ratifikation des ICSID-Übereinkommens hat der Vertragsstaat keine Einwilligung zur Unterwerfung von zukünftigen ICSID-Schiedsverfahren erteilt, sondern die Option eröffnet, die Einrichtungen von ICSID in Anspruch zu nehmen.48 Möchten sich die streitenden Parteien unmittelbar der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen, bedarf es dafür nach Art.  25 (1) ICSID Übrk. der schriftlichen Einwilligung des Gastgeberstaates und des ausländischen Investors. Dabei kann eine einmal erteilte Einwilligung nach Art.  25 (1) S.  2 ICSID Übrk.

44  Vgl. dazu Bernadini, Investment Arbitration under the ICSID Convention and BITs, in: Aksen (Hrsg.), Liber Amicorum in Honour of Robert Briner, 2005, S.  89, 104; Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  123. Ein sehr gutes Beispiel für eine Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen des Art.  25 ICSID Übrk. bildet die Entscheidung des ICSID-Schiedsgerichts in dem Fall Azurix Corps. vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12, Decision on Jurisdiction, Rn.  51 ff. (losgelöst von den vorgebrachten Rügen der Parteien). 45  Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.S. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/03/29, Decision on Jurisdiction, 14.11.2005, Rn.  78 unter Verweis auf Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary (2001), Art.  41, Rn.  4–45 ff.; Milhaly Int. Corp. vs Democratic Socialist Republic of Sri Lanka, ICSID Case No. ARB/00/2, Award, 15.05.2002, Rn.  56. 46 Vgl. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  123. 47  Siehe hierzu ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  22, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 48 Vgl. Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss, Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 78.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

nicht mehr einseitig zurückgenommen werden.49 Die Einwilligung des Vertragsstaates bzw. das Angebot des Gastgeberstaates auf die Beilegung der Investitionsstreitigkeit vor einem ICSID-Schiedsgericht kann durch vertragliche Vereinbarung zwischen Gastgeberstaat und ausländischem Investor, durch ein völkerrechtliches Abkommen mit dem Heimatstaat des Investors oder durch Investitionsgesetzgebung des Gastgeberstaates erteilt werden.50 Bei den beiden letzteren Möglichkeiten muss ein dadurch begründetes Angebot des Gastgeberstaates gegenüber dem Investor in beiden Fällen vom Investor angenommen werden, wobei davon ausgegangen wird, dass dies durch die Initiierung des Schiedsverfahrens erfolgen kann.51 Nach Art.  25 (4) S.  1 ICSID Übrk. kann die Einwilligung des ICSID-Vertragsstaates dahingehend eingeschränkt sein, dass dieser bei der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung des Übereinkommens oder zu jedem späteren Zeitpunkt dem ICSID-Zentrum mitgeteilt hat, für welche Arten von Streitigkeiten das ICSID-Schiedsgericht zuständig sein soll und für welche nicht. Einen solchen Vorbehalt haben China, Guatemala, Indonesien, Jamaika, Papua-Neuguinea, Saudi-Arabien und die Türkei gegenüber dem ICSID-Zentrum erklärt.52 a) Die Zuweisung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit durch Völkerrechtsverträge Die Einwilligung des Gastgeberstaats, sich der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen, kann in vereinbarten Schiedsklauseln sowohl in bilateralen als auch multilateralen völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen liegen. Als Beispiel sei hier Art.  26 (3) (a) des Vertrags über die Energiecharta53 auf multilatera-

49  Siehe hierzu auch Escher, Weltbank-Schiedszentrum: Zuständigkeit für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, in: RIW (2001), S.  20, 22. 50 Vgl. Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  124. 51  Millicom vs Senegal, ICSID Case No. ARB/08/20, Decision on Jurisdiction, 16.07.2010, Rn.  56, 61–66; Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  258 f.; In diesem Sinne auch interessant: Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  124, wonach es heute fast ausschließlich Zuweisungen aus bilateralen Investitionsschutzabkommen seien, durch welche die ICSID-Schiedsgerichte ihre Zuständigkeit begründen würden. Zudem meint er, dass die Herleitung der Zuständigkeit aus Investitionsverträgen zwischen Gastgeberstaat und Investor früher attraktiv gewesen, heute aber „veraltet“ sei. Ebenso seien ICSID-Schiedsverfahren auf der Grundlage von nationalen Gesetzen eher selten. 52  Siehe hierzu online unter: http://docplayer.net/18552883-Contracting-states-and-measur es-taken-by-them-for-the-purpose-of-the-convention-may-2016-art-54-2-of-the-convention. html (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 53  Siehe zum ECT Wolfgram, Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem Vertrag über die Energiecharta, S.  39 ff.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 155

ler Ebene genannt.54 Auf bilateraler Ebene verweist beispielsweise Art.  24 (3) (a) des US Model BIT 2004 oder Art.  27 (1) (a) des kanadischen Model BIT 2004 auf die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten. Im Falle der Unterwerfung des Gastgeberstaates und des Heimatstaates des Investors unter die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit durch einen völkerrechtlichen Vertrag (zugunsten des ausländischen Investors) kann der ausländische Investor seine Einwilligung zur Streitbeilegung vor einem ICSIDSchieds­gericht konkludent dadurch erklären, dass er ein ICSID-Schiedsverfahren gegen den Gastgeberstaat einleitet.55 Dabei ist aber zu beachten, dass nach manchen Abkommen, wie dem NAFTA oder dem ECT, durch Regelungen keine solche „konkludente Einwilligung“ vorgesehen ist, sondern dass der Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens an die andere Partei übersandt und eine schriftliche Einwilligung beigefügt werden muss.56 Damit soll der Beweisfunktion Genüge getan und verhindert werden, dass der Investor im Fall des Unterliegens die durch den Gastgeberstaat vorangetriebene Vollstreckung des ICSID-Schiedsurteils blockiert oder verzögert, indem er geltend macht, dass er nicht wirklich in die Schiedsgerichtsbarkeit eingewilligt hat.57 Der Beweisfunktion wird jedoch durch die Einleitung des Schiedsverfahrens Genüge getan, weil diese schriftlich erfolgen muss, ihr eine Einwilligung immanent ist und man dies dem Investor im Falle des Bestreitens vorhalten kann.58 Im weiteren Vergleich verlangt das NAFTA bzw. das ECT damit trotzdem immer noch strengere Anforderungen an die Form der Schiedsvereinbarung als das New York Übereinkommen. Dieses hat zwar nach Art.  2 (2) New York Übereinkommen ein eigentlich bestehendes Schriftformerfordernis der Schiedsvereinbarung geregelt. Allerdings wird unter Berufung auf die UNCITRAL-Empfehlung vom 07.07.2006 davon ausgegangen, dass mit den oben genannten drei möglichen Formen, eine Schiedsvereinbarung miteinander zu schließen, dem Formerfordernis des New York Übereinkommens entsprochen werde.59 54 Ausführlich hierzu Paulsson, Arbitration without Privity, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  10 (2) (1995), S.  232, 246 ff. 55 Vgl. Millicom vs Senegal, ICSID Case No. ARB/08/20, Decision on Jurisdiction, 16.07.2010, Rn.  56, 61–66; Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  258 f.;Vgl. auch Escher, Weltbank-Schiedszentrum: Zuständigkeit für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, in: RIW (2001), S.  20, 23. 56  So beispielsweise in Art.  1121 NAFTA und Art.  26 ECT geregelt. 57 Vgl. Paulsson, Arbitration without Privity, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  10 (2) (1995), S.  232, 247. 58 Vgl. Häberlein, Unwilligkeit im Nationalen und Internationalen Schiedsverfahren, S.  20. 59  Zur Klarstellung: Bei den drei möglichen Formen handelte es sich um eine Schiedsvereinbarung durch vertragliche Vereinbarung zwischen Gastgeberstaat und ausländischem Investor, durch ein völkerrechtliches Abkommen mit dem Heimatstaat des Investors oder durch In-

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

b) Die Zuweisung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit über nationale Gesetze Die Zuweisung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit kann auch durch die einseitige Einwilligung des Gastgeberstaats in nationalen Investitionsschutzgesetzen erfolgen. Zum Beispiel regelt Art.  8 (2) Albanian Law on Foreign Investment von 1993: „[…] the foreign investor may submit the dispute for resolution and the Republic of Albania hereby consents to the submission thereof, to the International Center for Settlement Investment Disputes.“60

Der ausländische Investor kann bei solchen nationalen Gesetzen seine Einwilligung durch Einleitung des ICSID-Schiedsverfahrens erklären.61 Es gibt aber auch nationale Investitionsschutzgesetze, wo noch beide Parteien ausdrücklich einer Streitbeilegung durch ein ICSID-Schiedsgericht oder einem anderen Schiedsgericht zustimmen müssen. Das wäre zum Beispiel der Fall bei nationalen Gesetzen mit dem Wortlaut „may agree [to settle investment disputes through arbitration].“62 c) Die Einigung zwischen Investor und Gastgeberstaat, sich der Gerichtsbarkeit eines ICSID-Schiedsgerichts zu unterwerfen Die Einigung zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat zur gemeinsamen Unterwerfung unter die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit kann unmittelbar in einem Investitionsschutzvertrag vereinbart werden oder auf einer gesonderten Vereinbarung zwischen beiden beruhen.63 Der Zeitpunkt der Einigung ist offengehalten, womit eine Einigung vor oder nach dem Eintritt der Investitionsstreitigkeit möglich ist.64 vestitionsgesetzgebung des Gastgeberstaates. Vgl. hierzu auch Häberlein, Unwilligkeit im Nationalen und Internationalen Schiedsverfahren, S.  20. 60  Siehe zur Anwendung dieser Regel Tradex Hellas S.A. vs Republic of Albania, ICSID Case No. ARB/94/2, Decision on Jurisdiction, 24.12.1996. 61  Vgl. hierzu ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  24, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 62 Vgl. Biwater Gauff Ltd. vs Tanzania, ICSID Case No. ARB/05/22, Award, 24.07.2008, Rn.  326. 63  Nathan, The ICSID Convention: The Law of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes, S.  117. 64  ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  23 f., veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid. worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf. (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 157

d) Der Umfang der Einwilligung Der Umfang der Einwilligung der Parteien zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit variiert in den völkerrechtlichen Abkommen, den nationalen Gesetzen und den vertraglichen Vereinbarungen. Viele bilaterale und multilaterale Investitionsabkommen beinhalten Schiedsklauseln, die „all disputes concerning investments“ oder „any legal dispute concerning an investment“ zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgerberstaat an ein ICSID-Schiedsgericht verweisen.65 Solche Schiedsklauseln begrenzen die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts nicht nur auf Streitigkeiten über die Auslegung des materiellen Rechts des Abkommens. Sie gehen vielmehr weiter und umfassen auch Streitigkeiten über die Auslegung bzw. die Verletzung von Verpflichtungen aus Investitionsverträgen zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat. Die Einwilligung regelt also nicht nur die formale Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts, sondern legt als Eingrenzungs- und Interpretationsmittel den Umfang der weiteren sachlichen und persönlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen fest.66 Zwar gibt es auch Investitionsverträge, Investitionsabkommen oder Investitionsgesetze, in denen ausdrücklich festgelegt ist, was unter einer Investition oder einem Investor zu verstehen ist, jedoch ist die Regel eher, dass das Schiedsgericht durch Interpretation die Reichweite der nicht definierten Begriffe des Investors und der Investition für jeden Einzelfall neu bestimmt.67 So hat beispielsweise in dem Fall Salini gegen Marocco, in dem Marocco nicht die ganze vereinbarte Summe für den Bau einer Autobahn an Salini zahlte, das ICSID-Schiedsgericht die Begriffe des Investor und der Investition in der Schiedsklausel des anzuwendenden BITs weit ausgelegt und entschieden, dass aufgrund der sehr abstrakt gehaltenen Begriffe Klagen wegen der Verletzung der Bestimmungen aus dem BIT und jeder vertraglichen Verletzung des Investitionsvertrags möglich seien und deswegen unter die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts fallen würden.68 Insbesondere entschied das Schiedsgericht, dass

65 

Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  260. Lamm, Jurisdiction of the Center for the Settlement of Investment Disputes, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  6 (1991), S.  462, 466; Broches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States, in: ders., Selected Essays, World Bank, ICSID and other Subjects of Public and Private International Law, S.  188, 199. 67  Siehe zu den Begriffen der Investition und des Investors unten, unter 2. Kapitel B III 2, 3; Vgl. auch Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss, Bd.  105 (1) (2006), S.  64, 80. 68  Salini Costrutorri S.P.A and Italstrade S.P.A. vs Morocco, ICSID Case No. ARB/00/4, Decision on Jurisdiction, 23.07.2001 = ILM, Bd.  42 (2003), S.  609, 619, Rn.  43 ff., 44. 66 Vgl.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

„The Parties, therefore, agreed upon a number of non-exhaustive hypotheses that they considered to be investments“.69 „The construction contract creates a right to a ‚contractual benefit having an economic value’ for the Contractor, mentioned in Article 1 (c). The Contractor also benefits from a ‚right of an economic nature conferred […] by contract‘ dealt with by Article l (e).“70

Artikel 1 des BIT definierte insoweit den Begriff „investment“.71 Anders verhält es sich beim NAFTA und beim ECT. Dort wird die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts auf Streitigkeiten über die Verletzung der Regelungen im NAFTA und ECT begrenzt.72 Auch in manchen nationalen Gesetzen ist die Einwilligung zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit nur auf bestimmte Streitgegenstände begrenzt. Beispielsweise ist im Albanian Law on Foreign Investment eine Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts nur gegeben, „if the dispute arises out of or relates to expropriation, compensation for expropriation, or discrimination and also for the transfer in accordance with Article 7 […].“73

Trotz dieser (wenigen) Einschränkungen haben die Zuständigkeitsvoraussetzungen der ICSID-Schiedsgerichte eine erhebliche Ausweitung erfahren.74 Mittlerweile wird sich daher die wichtige Frage gestellt, wo die Interpretation der Einwilligung der Parteien, sich der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen, in den Regelungen des ICSID-Übereinkommens ihre Grenze findet, weil die Auslegung der Rechtsbegriffe der Investition und des Investors unbegrenzt möglich erscheinen.75 Insoweit bemerkt bereits der Report of the Executive Directors on the Convention zu Art.  25 ICSID-Übereinkommen, dass 69  Salini Costrutorri S.P.A and Italstrade S.P.A. vs Morocco, ICSID Case No. ARB/00/4, Decision on Jurisdiction, 23.07.2001 = ILM, Bd.  42 (2003), S.  609, 620, Rn.  45. 70  Salini Costrutorri S.P.A and Italstrade S.P.A. vs Morocco, ICSID Case No. ARB/00/4, Decision on Jurisdiction, 23.07.2001 = ILM, Bd.  42 (2003), S.  609, 620, Rn.  45. 71  Siehe zur Definition nach dem streitgegenständlichen BIT: Salini Costrutorri S.P.A and Italstrade S.P.A. vs Morocco, ICSID Case No. ARB/00/4, Decision on Jurisdiction, 23.07.2001 = ILM, Bd.  42 (2003), S.  609, 620, Rn.  45. 72  Siehe Art.  1116 NAFTA bzw. Art.  26 (1) ECT; Kardassopoulos vs Republic of Georgia, ICSID Case No. ARB/05/18, Decision on Jurisdiction, 06.07.2007, Rn.  249–251. 73 Siehe Tradex vs Albania, ICSID Case No. ARB/94/2, Decision on Jurisdiction, 24.12.1996 = ICSID Review – FILJ (1997), S.  161, 174. 74  Ausführlich hierzu Escher, Weltbank-Schiedszentrum: Zuständigkeit für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, in: RIW (2001), S.  20, 27; Als Beispiel für diese Behauptung, die Auslegung und Reichweite des Investitionsbegriffs: Fedax N.V. vs Venezuela, ICSID Case No. ARB/96/3, Decision on Objections to Jurisdiction, 11.07.1997 = ICSID Reports, Bd.  5 (2002), S.  183, 190, Rn.  20 ff.; Ceskoslovenska Obchodni Banka, A.S. vs The Slovak Republic, Case No. ARB/97/4, Decision on Objection to Jurisdiction, 24.05.1999 = ICSID Reports, Bd.  5 (2002), S.  330, 350, Rn.  60 ff. 75 Dazu Nathan, The ICSID Convention: The Law of the International Centre for the Settle-

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 159 „No attempt was made to define the term ‚investment‘ given the essential requirement of consent by the parties, and the mechanism through which Contracting States can make known in advance, if they so desire, the classes of disputes which they would or would not consider submitting to the Centre.“76

Hierzu merkte das ICSID-Schiedsgericht in dem bereits oben genannten Fall Salini gegen Marocco an, dass „The Tribunal notes that there have been almost no cases where the notion of investment within the meaning of Article 25 of the Convention was raised. The criteria to be used for the definition of an investment pursuant to the Convention would be easier to define if there were awards denying the Centre’s jurisdiction on the basis of the transaction giving rise to the dispute. With the exception of a decision of the Secretary General of ICSID refusing to register a request for arbitration dealing with a dispute arising out of a simple sale (I.F.I. Shihata and A.R. Parra, The Experience of the International Centre for Settlement of Investment Disputes: ­ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, Bd.  14, n° 2, 1999, p.  308.), the awards at hand only very rarely turned on the notion of investment.“77

Auch das Schiedsgericht in dem Fall AES Corp. gegen Argentinien merkte hierzu an, dass „each decision or award delivered by an ICSID Tribunal is only binding on the parties to the dispute settled by this decision or award. There is so far no rule of precedent in general international law; nor is there any within the specific ICSID system […].“78

2. Die Zuständigkeitsvoraussetzungen ratio personae Die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen benötigt für ihre Anwendung auf der einen Seite einen Staat (den Gastgeberstaat) und auf der anderen Seite einen privaten ausländischen Investor. Ein ICSID-Schiedsgericht ist damit weder für Streitigkeiten zwischen zwei Staaten noch für Streitigkeiten zwischen zwei Privatpersonen zuständig.

ment of Investment Disputes, S.  127; Escher, Weltbank-Schiedszentrum: Zuständigkeit für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, in: RIW (2001), S.  20, 27. 76  ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  27, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid. worldbank.org/en/Documents/resources/2006/CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022) 77  Salini Costrutorri S.P.A and Italstrade S.P.A. vs Morocco, ICSID Case No. ARB/00/4, Decision on Jurisdiction, 23.07.2001 = ILM, Bd.  42 (2003), S.  609, 622, Rn.  52. 78  AES Corp. vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/17, Decision on Jurisdiction, 26.04.2005, Rn.  23; Siehe hierzu auch die Entscheidung des Schiedsgerichts in Rn.  17 bis 33.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

a) Der Gastgeberstaat Die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts erstreckt sich grundsätzlich nur auf Streitigkeiten mit einem Staat, der Vertragspartei des ICSID-Übereinkommens ist (sogenannter Unterzeichnerstaat).79 Demnach müssen zwei Voraussetzungen zur Qualifikation als Gastgeberstaat im Sinne des ICSID-Übereinkommens vorliegen. Es muss sich um einen Staat im völkerrechtlichen Sinne handeln80 und dieser muss Vertragspartei zum ICSID-Übereinkommen sein. Ob es sich um einen ICSID-Vertragsstaat handelt, kann auf der Internetseite des ­ICSID-Zentrums eingesehen werden.81 Das ICSID-Übereinkommen muss zum Zeitpunkt der Klageerhebung beim Generalsekretär des ICSID-Zentrums Bindungswirkung im Gastgeberstaat erlangt haben.82 Es kann vorkommen, dass der Gastgeberstaat seine Einwilligung zu einem ICSID-Schiedsverfahren erteilt, bevor das ICSID-Übereinkommen endgültig seine Bindungswirkung entfaltet. Hierbei ist noch anzumerken, dass nach Art.  25 (3) ICSID Übrk. auch die einem Vertragsstaat zugehörigen Gebietskörperschaften oder Stellen die Kompetenz haben, die Zustimmung zu einem ICSID-Verfahren zu erklären, falls der Vertragsstaat diese Kompetenz in spezieller oder allgemeiner Form genehmigt. Diese Gebietskörperschaften oder Stellen können dann auch Partei in einem ICSID-Schiedsverfahren sein. In dem Fall, dass sich der Gastgeberstaat durch Einwilligung der ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit unterwirft, bevor das ICSID-Übereinkommen bei diesem in Kraft tritt und Bindungswirkung entfaltet, sind die Zuständigkeitsvoraussetzungen des Art.  25 ICSID Übrk. nicht erfüllt und das angerufene ICSID-Schiedsgericht für den Rechtsstreit nicht zuständig.83 Auch beim Heimatstaat des Inves79 

Vgl. Art.  67 ICSID Übrk. Im Völkerrecht werden nach Art.  1 des Montevideo Übereinkommens über die Rechte und Pflichten der Staaten von 1933 vier Voraussetzungen an die Existenz eines Staates geknüpft: eine dauerhafte Besiedlung, ein begrenztes Gebiet, eine Regierung und die Fähigkeit, direkte Beziehungen mit anderen Staaten zu unterhalten. Nach der Drei-Elementen-Lehre von Georg Jellinek ist der Staat ein soziales Gebilde, dessen konstituierende Merkmale ein von Grenzen umgebenes Territorium (Staatsgebiet), eine darauf als Kernbevölkerung ansässige Gruppe von Menschen (Staatsvolk) sowie eine auf diesem Gebiet herrschende Staatsgewalt kennzeichnen. Als Beispiel: Die EU als supranationale Organisation kann demnach weder faktisch noch formell als Staat im völkerrechtlichen Sinne qualifiziert werden und daher auch nicht als Partei in einem ICSID-Schiedsverfahren auftreten. Siehe hierzu auch ausführlich Ah­ ner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  241 ff. 81  Online abrufbar unter: http://www.worldbank.org/icsid/constate/c-states-en.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 82  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  249; Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  130. 83  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  249; Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  130. 80 

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 161

tors muss zum Zeitpunkt der Klageerhebung das ICSID-Übereinkommen Bindungswirkung erlangt haben. Obwohl der Heimatstaat nicht unmittelbar am Rechtsstreit beteiligt ist, ist dieser Status für den Heimatstaat erforderlich, da einzelne Bestimmungen des ICSID-Übereinkommens dem Staat zur Gewährung eines fairen Verfahrens bestimmte Pflichten auferlegen.84 Zu diesen gehört insbesondere die in Art.  27 ICSID Übrk. auferlegte Pflicht, parallel zu ICSID-Schiedsverfahren keinen diplomatischen Schutz auszuüben.85 b) Der ausländische private Investor Die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ist zum Schutz privater ausländischer Investoren geschaffen worden. Das bedeutet aber nicht, dass staatlich kontrollierte Unternehmen vom Investitionsschutz ausgeschlossen sind. Das wäre nur dann der Fall, wenn ein staatlich kontrolliertes Unternehmen keinem wirtschaftlichen Zweck dient und keine wirtschaftlichen Leistungen erbringt, sondern stattdessen einem staatlichen Zweck dient und öffentliche Leistungen erbringt.86 Nach Art.  25 (2) (b) ICSID Übrk. ist eine natürliche Person und nach Art.  25 (2) (a) ICSID Übrk. eine juristische Person (zum Beispiel in Form einer GmbH oder Ltd.) in einem ICSID-Schiedsverfahren parteifähig. Beide müssen die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates sowohl zum Zeitpunkt der Zuständigkeitszuweisung zum ICSID-Zentrum als auch im Zeitpunkt der Registrierung des Schiedsverfahrens haben.87 Dadurch, dass es sich um einen ausländischen Investor handeln muss, können nicht natürliche oder juristische Personen mit der Staatsangehörigkeit des an dem Streit beteiligten Staates als Investor im Sinne 84  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  249; Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  130. 85 Vgl. Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss, Bd.  105 (1) (2006), S.  64, 83. 86 Vgl. Gallus/Peterson, International Investment Treaty protection of NGO’s, in: Arb. Int’l, Bd.  22 (2006), S.  527; Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  250. 87  Griebel, Internationales Investitionsrecht. Um die Nationalität einer natürlichen Person zu beweisen, ist ein durch den jeweiligen Staat ausgestelltes Zertifikat über die Nationalität am aussagekräftigsten: Micula vs Romania, Decision on Jurisdiction and Admissibility, ICSID Case No. ARB/05/20, Decision on Jurisdiction, 24.09.2008, Rn.  70–106; Tza Yap Shum vs Peru, ICSID Case No. ARB/07/6, Decision on the Jurisdiction, 19.06.2009, Rn.  42–77. Hinsichtlich der Nationalität von juristischen Personen gilt auch bezüglich der Bestimmung des Investors, dass die Person zunächst Rechtsfähigkeit vorweisen muss. Deswegen sind auch nicht rechtsfähige juristische Personen und Personengruppen grundsätzlich nicht vom Schutzbereich eines Investitionsschutzabkommens umfasst, außer das Abkommen regelt dies ausdrücklich. So regelt das Argentinisch-Deutsche BIT in seiner Begriffsbestimmung, dass mit „national“, „any legal person and any commercial company or associated with or without legal personality“, gemeint ist.

162

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

des Art.  25 ICSID Übrk. qualifiziert werden. Solche natürlichen oder juristischen Personen sind nicht parteifähig. Dieses Ergebnis lässt sich zum einen damit gut begründen, dass es nicht Aufgabe des ICSID-Übereinkommens ist, den Bürgern ihres Staates zusätzliche Rechtsmittel gegen ihren Heimatstaat zu verschaffen.88 Zum anderen ist der Report of the Executive Directors on the Convention in dieser Hinsicht eindeutig: „It should be noted that under clause (1) of Article 25 (2) a natural Person who was a national of the State party to the dispute would not be eligible to be a party in proceedings under the auspices of the Centre, even if at the same time he had the nationality of another State. This ineligibility is absolute and cannot be cured even if the State party to the dispute had given consent.“89

Allerdings tut sich diesbezüglich insbesondere das Problem bei Art.  25 (2) (b) 1. Alt. ICSID Übrk. auf, wie sich bei juristischen Personen die Staatsangehörigkeit definieren lässt. In der Praxis haben ICSID-Schiedsgerichte regelmäßig den Ort der Gründung oder den Verwaltungssitz zur Bestimmung der Staatszugehörigkeit herangezogen und sich dabei auch an den rechtlichen Vorgaben in den anzuwendenden BITs oder MITs orientiert, was auch nach Art.  25 (2) (b) ICSID Übrk. möglich ist.90 Das ECT folgt z. B. der Gründungstheorie und definiert unter Art.  1 (7) (a) (ii) ECT den Investor in der Art und Weise, dass auch darunter „eine Gesellschaft oder eine andere Organisation [zu fassen ist], die in Übereinstimmung mit den in dieser Vertragspartei geltenden Rechtsvorschriften gegründet ist“. Das 88  Semler, Schiedsverfahren im Rahmen von Investitionsschutzabkommen der Bundesrepublik Deutschland, in: SchiedsVZ (2003), S.  97, 100. 89  ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  25, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid. worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 90  Autopista Concesionada de Venezuela, C.A. vs Venezuela, ICSID Case No. ARB/00/5, Decision on Jurisdiction, 27.09.2001, Rn.  107: „According to international law and practice, there are different possible criteria to determine a juridicial person’s nationality. The most widely used is the place of incorporation or registered office. Alternatively, the place of the central administration or effective seat may also be taken into consideration.“; Siehe auch Société Ouest Africaine des Bétons Industriels vs Senegal, ICSID Case No. ARB/82/1, Decision on Jurisdiction, 01.08.1984, Rn.  29; Siehe hierzu auch Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  133; Die Herkunft der Investition, vor allem des Geldes, stellt dagegen kein Kriterium zur Bestimmung der Herkunft des Investors dar. Siehe hierzu Mobil vs Venezuela, ICSID CASE NO. ARB/07/27, Decision on Jurisdiction, 10.06.2010, Rn.  198; Tokio Tokelés vs Ukraine, ­ICSID Case No. ARB/02/18, Decision on Jurisdiction, 19.04.2004, Rn.  74–82; Saipem vs Bangladesh, ICSID Case No. ARB/05/07, Decision on Jurisdiction, 21.03.2007, Rn.  106; Tra­ dex vs Albania, ICSID Case No. ARB/94/2, Award, 29.04.1999, Rn.  108–11; Wena Hotels vs Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Award, 8.12.2000, Rn.  126. Anders aber in Yaung Chi Oo vs Myanmar, ASEAN I.D. Case No. ARB/01/1, Award, 31.03.2003, Rn.  43–45.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 163

BIT zwischen Polen und Großbritannien beschreibt den Investor als „any corporations, firms, organisations and associations incorporated or constituted under the law in force in that Contracting Party […]“. Das US Model BIT von 2012 beschreibt den Investor als „enterprise of a Party as an enterprise constituted or organized under the law of a Party […]“. Andere Abkommen verweisen auf die Sitztheorie und bestimmen die Nationalität des Investors danach, in welchem Hoheitsgebiet das Unternehmen seinen Hauptsitz oder seinen Geschäftssitz hat.91 Zum Beispiel definiert das deutsche Modell BIT den Investor als „juristische Person[en], Handelsgesellschaft[en] und sonstige Gesellschaften oder Vereinigungen mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten haben.“92

Manche Abkommen kombinieren auch die Sitz- und Gründungstheorie. Das ist zum Beispiel der Fall bei den BITs zwischen Belgien und Tschechien, Pakistan und Schweden oder Argentinien und Frankreich.93 Als weiteres Beispiel regelt Art. I (2) der ASEAN Vereinbarung94 zur Bestimmung der Nationalität eines Unternehmens: „The term ‚company‘ of a Contracting Party shall mean a corporation, partnership or business association, incorporated or constituted under the law in force in the territory of any Contracting party wherein the place of effective management is situated.“95

Manche Abkommen gehen für die Qualifikation zum Investor noch weiter und setzen zu den formalen Voraussetzungen der Gründungs- und Sitztheorie zusätzlich eine wirtschaftliche Bindung zwischen dem Unternehmen und dem Staat voraus, dessen Nationalität das Unternehmen angibt.96 Eine solche wirtschaftliche Bindung kann zum Beispiel in der Kontrolle über das Unternehmen (z. B. als Hauptanteilseigner) durch einen Angehörigen des Staates begründet werden oder 91 

Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  49. Wer genau allerdings als Investor zu verstehen ist, wird bei BITs zwischen Deutschland und einem anderen Staat immer individuell geregelt. 93  Siehe zur Kombinierung der Sitz- und Gründungstheorie auch Alpha vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/07/16 Award, 08.11.2010, Rn.  45–55, 333–345; Total vs Argentina, ICSID Case No. ARB/04/1, Decision on Jurisdiction, 25.08.2006, Rn.  57. 94  ASEAN, The ASEAN Agreement for the Promotion and Protection of Investments (15.12.1987), in: ILM, Bd.  27 (1987), S.  612 ff. 95  In dem Investor-Staat-Schiedsverfahren Yaung Chi Oo vs Myanmar, ASEAN I.D. Case No. ARB/01/1, Award, 31.03.2003, Rn.  46–52, bezog sich das Tribunal auf Art. I (2) der ­ASEAN Vereinbarung. Die Klägerin wurde in Singapur gegründet. Zusätzlich untersuchte das Tribunal, ob die Klägerin auch ihren Firmensitz in Singapur hatte. 96 Vgl. Acconi, Determining the Internationally Relevant Link between a State and a Corporate Investor, in: JWIT, Bd.  5 (1) (2004), S.  139. 92 

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

durch echte wirtschaftliche Aktivitäten des Unternehmens in dem Staat, auf dessen Nationalität sich der Investor beruft.97 Diese Vielfalt zur Bestimmung der Staatsangehörigkeit hat im ICSID-Streitbeilegungssystem die Möglichkeit des sogenannten treaty shopping eröffnet.98 Schon durch bloßes Abstellen auf formelle Kriterien können Investoren teilweise über Briefkastenfirmen in Staaten, die mit dem Gastgeberstaat BITs unterhalten, in einem ICSID-Schiedsverfahren gegen den Gastgeberstaat parteifähig sein.99 Dadurch wird auch der oben dargelegte Grundsatz ausgehebelt, dass das ICSIDÜber­einkommen den Bürgern des Heimatstaates keine zusätzlichen Rechtsmittel gegen ihren Heimatstaates verschaffen soll. Als Beweis dafür dient beispielsweise der Fall Tokios Tokelés vs Ukraine, der allerdings auch stark für die Umgehung der Regelung in Art.  25 ICSID Übrk. kritisiert worden ist, da eben keine Investoren aus dem Heimatstaat durch das ICSID-Übereinkommen geschützt werden sollten, welche ihre Investitionen im Heimatland über ausländische Unternehmen steuern.100 In dem Fall ging es um die Frage, ob ein nach dem Recht Litauens gegründetes, aber von Ukrainern fast ausschließlich beherrschtes Unternehmen in einem ICSID-Schiedsgerichtsverfahren gegen die Ukraine wirklich als „national of another contracting State“ betrachtet werden konnte. Das ICSID-Schiedsgericht entschied durch Mehrheitsentschluss, dass dies rechtlich unter Art.  25 ICSID Übrk. möglich sei.101 Immerhin gibt es keinen Zweifel darüber, dass ein Investor-Staat-Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen für mehr als nur einen Kläger und einen Beklagten offensteht. Es gibt auch tatsächlich mehrere ICSID-Schiedsverfahren mit mehr als nur einer Partei auf Seiten des Klägers.102 Das hat aber be97 

Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  49. Happ, The „Foreign Nationality“-Requirement and the „Exhaustion of Local Remedies“ in Recent ICSID Jurisprudence, in: Hofmann/Tams (Hrsg.), The International Convention on the Settlement of Investment Disputes (ICSID) – Taking Stock after 40 Years, S.  103, 112 ff. 99 Vgl. Happ, The „Foreign Nationality“-Requirement and the „Exhaustion of Local Remedies“ in Recent ICSID Jurisprudence, in: Hofmann/Tams (Hrsg.), The International Convention on the Settlement of Investment Disputes (ICSID) – Taking Stock after 40 Years, S.  103, 112 ff. 100  Tokios Tokelés vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/02/18, Decision on Jurisdiction, 29.04.2004, siehe Anhang 2.; Zu der Kritik an der Entscheidung des ICSID-Schiedsgerichts siehe Tokios Tokelés vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/02/18, Dissenting Opinion, 26.07.2007; dazu auch Kröll/Griebel, Protecting Shareholders in Investment Law, in: SIAR (2005), S.  93 ff.; Happ, The „Foreign Nationality“-Requirement and the „Exhaustion of Local Remedies“ in Recent ICSID Jurisprudence, in: Hofmann/Tams (Hrsg.), The International Convention on the Settlement of Investment Disputes (ICSID) – Taking Stock after 40 Years, S.  103, 111 f. 101  Tokios Tokelés vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/02/18, Decision on Jurisdiction, 29.04.2004, Rn.  27 ff. und 71. 102  Siehe zum Beispiel Antoine Goetz and Others S.A., Affinage des Metaux vs Republic of 98 

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 165

reits auch schon dazu geführt, dass sich ein ICSID-Schiedsverfahren aus mehreren BITs legitimierte und dadurch mehr als nur ein prozessuales Regelwerk auf einen Streit Anwendung gefunden hat.103 3. Die Zuständigkeit ratio materiae Ein ICSID-Schiedsgericht ist nur dann zuständig, wenn es sich um einen Rechtsstreit über eine Investition handelt. Der Report on the Executive Directors on the ICSID Convention verdeutlicht erneut den Ansatz des ICSID-Streitbeilegungsmechanismus „procedure before substance“ von Aron Broches und führt zum Investitionsbegriff des Art.  25 (1) ICSID Übrk. aus: „No attempt was made to define the term ‚investment‘ given the essential requirement of consent by the parties, and the mechanism through which contracting States can make known in advance, if they, so desire, the classes of disputes which they would or would not consider submitting the Centre.“104

Damit hilft das ICSID-Übereinkommen bei der Frage nicht weiter, was der Begriff der Investition tatsächlich beinhalten soll. Es handelt sich bei dem Investitionsbegriff des ICSID-Übereinkommens daher vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Reichweite die Vertragsparteien oder die sich streitenden Parteien mit ihrer Einwilligung in die Zuständigkeit des ICSID-Zentrums festlegen müssen und welcher am Ende vom Schiedsgericht ausgelegt werden soll.105 Burundi, ICSID Case Not. ARB/01/2, Award, 02.09.1998, Rn.  84; Champion Trading Compa­ ny, Ameritrade International Inc., James T. Wahba, John B. Wahba, Timothy T. Wahba vs Egypt, ICSID Case No. ARB/02/9, Decision on Jurisdiction, 21.10.2003, Rn.  1. 103  Siehe als Beispiel Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona S.A., and Vivendi Universal, S.A. vs Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/03/19, Decision on Jurisdiction, 03.08.2006, Rn.  1–4, 7. 104  ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  27, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid. worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Siehe zu einer weiten Auslegung des Investitionsbegriffs in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit auch Dolzer, The notion of investment in recent practices, in: Charnovitz/Steger/Van den Bossche (Hrsg.), Law in the Service of Human Dignity: Essays in Honour of Florentino Feliciano, 2005, S.  261 ff.; Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss, Bd.  105 (1) (2006), S.  64, 81. 105  Der Einwilligung der sich streitenden Parteien, also des jeweiligen ausländischen Investors und des jeweiligen Vertragsstaates des ICSID-Übereinkommens, in die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts wird dadurch erhebliche Bedeutung beigemessen. Siehe hierzu auch Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  25, Rn.  113; Yala, The Notion of „Investment“ in ICSID Case Law: A Drifting Jurisdictional Requirement?, in: J. Intl. Arb., Bd.  22 (2005), S.  105, 106.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

In diesem Sinne wird in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit seit jeher diskutiert, was inhaltlich unter einer Investition106 zu verstehen ist und bis heute besteht kein abschließender Konsens darüber, wie die Investition zu charakterisieren ist und wo die Grenzen der Definition bzw. der Zuständigkeit eines ICSIDSchieds­gerichts liegen sollen. Ein Grund dafür liegt in den fehlenden gemeinsamen Zielvorstellungen der beteiligten Akteure einer Investition und ein weiterer darin, dass die Rahmenbedingungen für (ausländische Direkt-) Investitionen wegen der ordnungsrechtlichen Kompetenz der einzelnen Staaten auch durch jeden einzelnen Staat bestimmt werden. So besteht bereits zwischen (zumeist Direktinvestitionen ablehnenden) Entwicklungsländern und den (zumeist investitionsfreundlichen) Industrienationen eine entgegengesetzte Position, wie der Inhalt der Investition gestaltet werden soll. Das Fremdenrecht, das als Vorgänger des Investitionsschutzrechts bezeichnet wird, hat inhaltlich noch nicht die Investition geregelt, sondern den Schutz ausländischer Staatsangehöriger und deren Eigentum.107 Dabei setzt der Regelungsbereich des Fremdenrechts ein, wenn ein Ausländer in den Gastgeberstaat gelangt.108 Das Schutzobjekt des Fremdenrechts wird in Form der Vermögenswerte beschrieben, die das Kapital des Ausländers im Gastgeberstaat annimmt und in der es für Verletzungen des Gastgeberstaats anfällig ist.109 Daneben gewährleisteten z. B. die Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsverträge110, die Abs-Sha­ wcross Draft Convention on Investment Abroad111, die 1961 Harvard Draft Con­

106 Gegenstand

der deutschen BIT’s sind Kapitalanlagen. Die authentische englische Sprachfassung deutscher Verträge übersetzt diesen Begriff mit Investment (z. B. in einem Vertrag mit China oder Indonesien). Daraus ergibt sich, dass auch im Deutschen die Begriffe Kapitalanlage und Investition weitgehend deckungsgleich sein dürften. Vgl. dazu Banz, Völkerrechtlicher Eigentumsschutz durch Investitionsschutzabkommen, insbesondere die Praxis der BRD seit 1959, S.  49; anders dagegen Frick, Bilateraler Investitionsschutz in Entwicklungsländern. Ein Vergleich der Vertragssysteme der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S.  178. 107 Vgl. Verdross, Les règles internationales concernant le traitement des étrangers, in: RdC, Bd.  37 (1931), S.  323, 348 ff.; Sornarajah, International Law on Foreign Investment Disputes, S.  11. 108 Vgl. Dimopoulos, EU Foreign Investment Law, S.  21 f.; Sornarajah, International Law on Foreign Investment Disputes, S.  11 f. 109 Vgl. Dimopoulos, EU Foreign Investment Law, S.  21 f.; Sornarajah, International Law on Foreign Investment Disputes, S.  11 f. 110 Vgl. Verdross, Les règles internationales concernant le traitement des étrangers, in: RdC, Bd.  37 (1931), S.  323, 348 ff. 111  Siehe zu der „Abs-Shawcross Draft Convention on Investment Abroad“, Schwarzenber­ ger, The Abs-Shawcross Draft Convention on Investments Abroad: A Critical Commentary, J. Pub. L., Bd.  9 (1960), S.  147 bis 171.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 167

vention on the International Responsibility of States for Injuries to Aliens112 und die OECD Draft Convention of 1967 on the Protection of Foreign Property113 den Schutz ausländischen Eigentums und des Ausländers. Der Inhalt einer Investition bestimmt sich demnach im Völkerrecht nach dem Kontext, in dem diese verwendet wird.114. Eine erste rechtliche Definition der Investition ist in dem weltweit ersten bilateralen Investitionsschutzvertrag zwischen Deutschland und Pakistan von 1959115 zu finden.116 Danach umfasst nach Art.  8 (1) (a) des Vertrags vom 25. November 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen der Ausdruck Kapitalanlage (Investment) „das für Anlagen jeglicher Form in das Hoheitsgebiet von Vermögenswerten, wie z. B. Devisen, Gütern, Eigentumsrechten, Patenten und technische Kenntnisse. Der Ausdruck ‚Kapitalanlage‘ [Investment] umfasst auch die Erträgnisse, die aus einer solchen Kapitalanlage erzielt und in dieser belassen werden.“

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive setzt eine Investition grundsätzlich voraus: (1) einen Geldtransfer, (2) ein längerfristiges Projekt, in welches das Geld „fließen“ soll, (3) die Absicht und den Zweck, mit dem Geldtransfer auf Dauer einen gewissen Umsatz oder wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen, (4) die Beteiligung der Person, welche die Investition tätigt, zumindest im Management des Projekts und (5) ein gewisses Geschäftsrisiko.117 Diese Elemente unterscheiden eine ausländische Direktinvestition von einer Aktienanlage bzw. Portfolioinvestition (hier fehlt das Element der Beteiligung 112 Siehe

zu der 1961 Harvard Draft Convention on the International Responsbility of States for Injuries to Aliens, Sohn/Baxter, Draft Convention on the International Responsibility of States for Injuries to Aliens, in: A. J. Int’l L., Bd.  55 (3) (1961), S.  548 ff. 113  Online abrufbar unter: www.Oecd.org/dataoecd/35/4/39286571.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 114  Zur Begriffsklarstellung, die „Investition“ wird durch die verschiedenen Staaten unterschiedlich bezeichnet: in französischen Verträgen: „Investissements“; in spanischen Verträgen: „inversiones“; in österreichischen Verträgen: „Investitionen“; in amerikanischen Verträgen: „Investments“; in deutschen Verträgen: „Kapitalanlagen“. 115  Vom 25. November 1959, BGBl. 1961 II, S.  794 ff. 116  Nach Artikel 8 (1) lit.  (a) des Vertrags vom 25. November 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen, umfasst der Ausdruck Kapitalanlage (Investment) „das für Anlagen jeglicher Form in das Hoheitsgebiet von Vermögenswerten, wie z. B. Devisen, Gütern, Eigentumsrechten, Patenten und technische Kenntnisse. Der Ausdruck „Kapitalanlage“ [Investment] umfasst auch die Erträgnisse, die aus einer solchen Kapitalanlage erzielt und in dieser belassen werden.“ 117  Dolzer, The Notion of Investment in Recent Practice, in: Charnovitz/Steger/Van den Bossche (Hrsg.), Law in the Service of Human Dignity: Essays in Honour of Florentino Feliciano, 2005, S.  261, 263; Rubins, The Notion of „Investment“ in International Investment Arbitration, in: Horn/Kröll (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes, S.  283, 283.

168

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

im Management des Projekts) von einer gewöhnlichen Zahlung für Gegenstände oder Dienstleistungen (keine Beteiligung im Management und keine regelmäßige Gewinnerzielung) oder kurzfristigen Finanztransaktionen.118 Im Folgenden soll der Begriff der ausländischen Direktinvestition im Generellen und schließlich konkret auf Art.  25 (1) ICSID Übrk. vorgenommen werden, um einerseits ein weiteres Verständnis dieses Begriffes zu vermitteln und andererseits dafür zu dienen, die unbegrenzte Auslegungsmöglichkeit des Begriffes zu verdeutlichen. In diesem Sinne erhebt die folgende Begriffsbestimmung der Investition auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. a) Der Begriff der ausländischen Direktinvestition Dem Begriff der ausländischen Direktinvestition wohnt ein international vorgeprägtes Verständnis inne. Allgemein versteht man unter der Direktinvestition grenzüberschreitende Investitionen einer (natürlichen oder juristischen) Person aus einem Staat in ein Unternehmen aus einem anderen Staat, mit dem Ziel, maßgeblich und zumindest für eine gewisse Dauer lenkenden Einfluss auf das Investitionsobjekt auszuüben.119 Charakteristisch für eine Direktinvestition ist deshalb, dass neben dem Ertragsmotiv des Investors auch dessen Wille zur Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit des Direktinvestitionsunternehmens zum Tragen kommt, so dass vor allem dem Kontrollmotiv des Investors Genüge getan wird.120 Die Formen der Direktinvestition lassen sich grundsätzlich in vier Kategorien aufspalten: – Niederlassung, Betriebsstätte, Filiale und Repräsentanz, die als rechtlich unselbstständige Organisationseinheiten des im Ausland investierenden Unternehmens zu betrachten sind, – Neugründung einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft (greenfield invest­ ment) durch ein Unternehmen, welches hinsichtlich des Eigentums zu 100 % der Muttergesellschaft gehört, – Unternehmensakquisition (brownfield investment, mergers & akquisition) als eine Alternative zur Gründung von Tochtergesellschaften, sie liegt vor, wenn ein im Inland etabliertes Unternehmen ein anderes im Ausland vollständig oder zumindest mehrheitlich aufkauft, 118  Dolzer, The Notion of Investment in Recent Practice, in: Charnovitz/Steger/Van den Bossche (Hrsg.), Law in the Service of Human Dignity: Essays in Honour of Florentino Feliciano, 2005, S.  261, 263; Rubins, The Notion of „Investment“ in International Investment Arbitration, in: Horn/Kröll (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes, S.  283, 283. 119  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  60. 120 Vgl. Deutsche Bundesbank, Zur Problematik internationaler Vergleiche von Direktinvestitionsströmen (1997), S.  81.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 169

– Joint Ventures als Tochterunternehmen, das von mindestens zwei voneinander unabhängigen Unternehmen gegründet und geführt wird, die gemeinsam das finanzielle Risiko der Investition und Führungsfunktionen des Unternehmens wahrnehmen.121 Der Begriff der Direktinvestition wurde maßgeblich vom internationalen Währungsfond und der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geprägt. Die OECD und der internationale Währungsfond haben in Leitfäden, die dem Vergleich von repräsentativen Statistiken122 zu internationalen Kapitalbewegungen123 von Volkswirtschaften dienen sollen, Vorgaben für das Aufstellen volkswirtschaftlicher Bilanzen entwickelt. Diese Vorgaben enthalten Definitionen der Bilanzierungsposten Direkt-, Portfolio und anderer Investitionen. Die aktuellsten durch die OECD und den Währungsfond aufgestellten Vorgaben stammen von 2008124 und 2009125. Die Formulierungen der Direktinvestitionen wurden seit ihrer Einführung im Präsidiumsentwurf nicht verändert.126 Im Folgenden wird auf die Definitionen der OECD von 1996127 und des Währungsfonds von 1993128 Bezug genommen. Nur diese kann das Konventionspräsidium bei seinem Entwurf verwendet haben. Deren Inhalt entspricht jedoch weitestgehend den aktuellen Leitfäden. Die Definition der OECD für Direktinvestiti121 Vgl.

Kutschker/Schmid, Internationales Management, S.  880; Schneider, Direktinvestitionen und die Politik der Entwicklungsländer, S.  66; Wang, Deutsche Direktinvestitionen in der Volkrepublik China, Gestaltungsfaktoren und Internationales Management, S.  14. 122  IMF, Balance of Payments and International Investment Position Manual (2009), S.  1. 123  In den Wirtschaftswissenschaften werden internationale Kapitalbewegungen als Transaktionen zwischen Staatsgebieten definiert, die eine Änderung der Nettoauslandposition einer Volkswirtschaft als Saldo zwischen Forderung und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland in Höhe und Zusammensetzung bewirkt. Damit sind alle Neubegründungen und Liquidationen sowie alle Änderungen in der Zusammensetzung internationaler Forderungen und Verbindlichkeiten internationaler Kapitalbewegungen gemeint. Siehe hierzu Schröder, Internationale Kapitalbewegungen, in: Albers (Hrsg.), HdWW, Bd.  4 (1984), S.  389 ff. 124  OECD, OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment (2008), online abrufbar unter: https://www.oecd.org/daf/inv/investmentstatisticsandanalysis/40193734.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 125  IMF, Balance of Payments and International Investment Position Manual (2009). 126 Siehe Präsidium des Europäischen Konvent, Entwurf der Artikel des Verfassungsvertrags, die das außenpolitische Handeln betreffen, CONV 685/03 vom 23.04.2003, §  2, B.IX, online abrufbar unter: http://european-convention.europa.eu/pdf/reg/de/03/cv00/cv00685.de 03.pdf (zuletzt abgerufen am 25.01.2019). 127  OECD, OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment (1996), online abrufbar unter: www.oecd.org/daf/inv/investment-policy/2090148.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 128  IMF, Balance of Payments and International Investment Position Manual (1993).

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

onen in ihrer „Benchmark Definition“ lautet (ins Deutsche frei übersetzt) wie folgt: Die ausländische Direktinvestition wird als eine Investition definiert, die von einer in einer Volkswirtschaft ansässigen Unternehmenseinheit mit der Absicht vorgenommen wird, eine dauerhafte Beteiligung an einem in einer anderen Volkswirtschaft ansässigen Unternehmen zu erwerben. Eine „dauerhafte Beteiligung“ impliziert das Bestehen einer langfristigen Geschäftsbeziehung zwischen dem Direktinvestor und dem Unternehmen sowie ein erhebliches Maß an Einflussnahme durch den Direktinvestor auf das Management des Unternehmens.129 Die OECD verlangt also erstens, eine dauerhafte Beziehung zwischen Investor und Unternehmen und zweitens, einen bedeutenden Einfluss des Investors auf das Management des Unternehmens. Der bedeutende Einfluss als das grundlegende Kriterium für die ausländische Direktinvestition wird indiziert, wenn der Investor mindestens zehn Prozent der Anteile oder Stimmrechte an dem Unternehmen hält, durch die der Investor seinen Einfluss ausübt.130 Allerdings wird von der Benchmark Definition eingeräumt, dass ein Investor auch bei einer Beteiligung von weniger als zehn Prozent ein wirksames Mitspracherecht („effective voice“) in dem Management des Unternehmens haben könnte.131 Der internationale Währungsfond definiert im „Balance of Payments Manual“ Direktinvestitionen wie folgt (ins Deutsche frei übersetzt): Eine ausländische Direktinvestition ist eine grenzüberschreitende Investition, bei der ein Investor das Ziel hat, eine dauerhafte Beteiligung an einem Unternehmen im Ausland herzustellen. Eine dauerhafte Beteiligung beinhaltet eine langfristige Beziehung zwischen dem Investor und dem Investitionsobjekt sowie einen merklichen Einfluss des Investors auf die Leitung des Beteiligungsunternehmens.132 Damit verlangt auch der internationale Währungsfond für eine Direktinvestition (1) eine langfristige Beziehung zwischen Investor und Unternehmen und (2) einen bedeutenden Einfluss des Investors auf die Verwaltung des Unternehmens. Auch der Währungsfond geht von einem bedeutenden Einfluss des Investors auf die Verwaltung des Unternehmens aus, wenn der Investor mindestens zehn Prozent der Anteile oder Stimmrechte an dem Unternehmen besitzt.133

129 

OECD, OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment (1996), S.  7 f., Rn.  5. OECD, OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment (1996), S.  8, Rn.  7 ff. 131  OECD, OECD Benchmark Definition of Foreign Direct Investment (1996), S.  8, Rn.  7 ff. 132  IMF, Balance of Payments and International Investment Position Manual (1993), S.  86 Rn.  359. 133  IMF, Balance of Payments and International Investment Position Manual (1993), S.  86 Rn.  359 und IMF, Balance of Payments and International Investment Position Manual (2009), S.  101 Rn.  6.12. 130 

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 171

b) Der Investitionsbegriff nach Art.  25 (1) ICSID Die Endfassung des Art.  25 (1) ICSID Übrk. regelt: „Die Zuständigkeit des Zentrums erstreckt sich auf alle unmittelbar mit einer Investition zu­ sammenhängenden Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Vertragsstaat (oder einer von diesem dem Zentrum benannten Gebietskörperschaft oder staatlichen Stelle) einerseits und einem Angehörigen eines anderen Vertragsstaats andererseits, wenn die Parteien schriftlich eingewilligt haben, die Streitigkeiten dem Zentrum zu unterbreiten. Haben die Parteien ihre Zustimmung erteilt, so kann keine von ihnen sie einseitig zurücknehmen.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Art.  25 (1) ICSID Übrk. regelt demnach die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts mit der Voraussetzung, dass eine Rechtsstreitigkeit vorliegt, die unmittelbar mit einer Investition zusammenhängt (ratio materiae). Daraus ergeben sich vier Voraussetzungen für die Zuständigkeit ratio materiae: das Vorliegen eines Rechtsstreits, die Rechtsnatur des Streitgegenstandes, der direkt aus einer Investition resultiert und das Vorliegen einer Investition. Jede Voraussetzung kann für sich Fragen aufwerfen und bei mangelndem Vorliegen zum Ausschluss der Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts führen. aa) Das Vorliegen eines Rechtsstreits Dem Anschein nach nutzen ICSID-Schiedsgerichte die vom IGH vorgenommene Definition des Rechtsstreits.134 Dieser definiert den Rechtsstreit als „disagreement on a point of law or fact, a conflict of legal views or interests between parties.“135 In einem weiteren Fall verwies der IGH auf eine „situation in which the two sides held clearly opposite views concerning the question of the performance or non-performance of certain treaty obligations.“136 Das Vorliegen eines Rechts134 Vgl.

AGIP S.p.A. vs Congo, ICSID Case No. ARB/77/1, Award, 30.11.1979, Rn.  38–42: ATA Construction vs Jordan, ICSID Case No. ARB/08/2, Award, 18.05.2010, Rn.  98–109, 115; El PasoEnergy Intl. Co. vs Argentina, ICSID Case No. ARB/03/15, Decision on Jurisdiction, 27.04.2006, Rn.  61; Emilio Augustin Maffezienti vs Spain, ICSID Case No. ARB/97/7, Decision on Jurisdiction, 25.01.2000, Rn.  93; Empresas Lucchetti S.A. and Lucchetti Peru, S.A. vs Peru, ICSID Case No. ARB/03/4, Award, 07.02.2005, Rn.  48; Helnan International Hotels vs Egypt, ICSID Case No. ARB/05/19, Decision on Jurisdiction, 17.10.2006, Rn.  52; Impregilo vs Pakis­ tan, ICSID Case No. ARB/03/3, Decision on Jurisdiction, 22.04.2005, Rn.  302, 303; Suez So­ ciedad General de Aguas de Barcelona S.A., and InterAguas Servicios Integrales del Agua S.A: vs Argentina, ICSID Case No. ARB/03/17, Decision on Jurisdiction, 16.05.2006, Rn.  29; Tokios Tokelés vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/02/18, Decision on Jurisdiction, 29.04.2004, Rn.  106, 107; Victor Pey Casado vs Chile, ICSID Case No. ARB/98/2, Award, 08.05.2008, Rn.  440. 135 Siehe diesbezüglich den Fall East Timor, Portugal vs Australia, ICJ Judgment, 30.06.1995, und die dort aufgeführten weiteren Verweise auf frühere Entscheidungen, in: ICJ Reports (1995), S.  89, 99. 136  Vgl. die Auslegung der Friedensabkommen zwischen Bulgarien, Ungarn und Rumänien, in: ICJ Reports, (1950), S.  65, 74.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

streites habe nach Griebel allerdings für die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts noch keine unüberwindbare Hürde dargestellt.137 bb) Die Rechtsnatur des Streitgegenstandes Rechtsstreitigkeiten mit rein wirtschaftlicher oder politischer Grundlage fallen nicht unter die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts.138 Nach dem Report of the Executive Directors liegt ein „legal dispute“ im Sinne des Art.  25 ICSID Übrk. vor, wenn „concer[ns of] the existence or scope of a legal right or obligation, or the nature or extent of the reparation to be made for breach of a legal obligation.“139, vorliegen. cc) Der Streitgegenstand muss sich direkt aus einer Investition herleiten Der Streitgegenstand muss einen direkten bzw. unmittelbaren Aspekt einer ausländischen Investition betreffen.140 Wie oben bereits dargestellt, setzt sich die Durchführung einer Investition typischerweise aus mehreren Geschäften und Verträgen zusammen.141 Zu nennen sind zum Beispiel die Finanzierung der Investition, Mietverträge, der Kauf verschiedener Güter, die Vermarktung bestimmter Sachen oder steuerrechtliche Verpflichtungen. Ökonomisch gesehen sind die eben aufgezählten Beispiele alle mehr oder weniger mit der Investition verknüpft. Zur Bestimmung der Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts wird in der Praxis von Fall zu Fall bzw. im Einzelfall entschieden, ob diese Geschäfte oder Verträge schlussendlich unmittelbar aus der Investition heraus resultieren.142 137 So Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  127; Auch Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss, Bd.  105 (1) (2006), S.  64, 81. 138  L.E.S.I. Dipenta vs Algeria, ICSID Case No. ARB/03/08, Award, 10.01.2005, S.  17, Rn.  8. 139  ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  26, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid. worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 140  Zur Auslegung des „direct“ in Art.  25 (1) ICSID Übrk. siehe Methanex Corp. vs United States of America, Partial Award (Preliminary Award on Jurisdiction and Admissibility), 07.08.2002, Rn.  127. 141  Siehe dazu oben unter B. II. 3. 142  Vgl. dazu Alpha Projektholding GmbH vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/07/16, Award, 08.11.2010, Rn.  250; Joseph Charles Lemire vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/06/18, Deci­ sion on Jurisdiction and Liability, 14.01.2010, Rn.  92; SOABI vs Senegal, ICSID Case No ARB/82/1, Award, 25.02.1988, Rn.  8.01–8.23; Tokios Tokelés vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/02/18, Decision on Jurisdiction, 29.04.2004, Rn.  87–93.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 173

dd) Die Investition Die (unbegrenzte) Auslegung des weit gefassten Begriffs der „Investition“ in Art.  25 (1) ICSID Übrk. soll im Lichte des Art.  31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vorgenommen werden.143 Dementsprechend haben Wissenschaft und Praxis den Begriff in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und nach seinem Ziel und Zweck ausgelegt. Nach Schreuer und Dolzer wurde einerseits eine ökonomische Auslegung vorgenommen, andererseits aber auch eine Auslegung unter Berücksichtigung der zwischen den Staaten abgeschlossenen bilateralen Investitionsabkommen.144 Mit der Zeit wurden international immer mehr Investitionsabkommen mit der gleichen (oder ähnlichen) Definition des Investitionsbegriffs abgeschlossen.145 Das führte nach Schreuer und Dolzer dazu, dass sich in der Praxis und damit vor allem die Schiedsgerichte zur Auslegung des Investitionsbegriffes in Art.  25 ICISD Übrk. an ebendiesen Definitionen orientierten und weniger auf eine sehr weit gefasste ökonomische Interpretation zurückgriffen.146 Eine solche Auslegungsweise wird schließlich auch durch eine sorgfältige Prüfung der travaux préparatoires zum Art.  25 ICSID Übrk. unterstützt. Der Bericht des Executive Directors, der oft von Schiedsgerichten zitiert wird, hat die Verhandlungen zum Vertragstext des ICSID-Übereinkommens so zusammengefasst, dass die an den Verhandlungen zum ICSID-Vertragstext teilgenommenen Parteien bewusst von einer Definition des Investitionsbegriffes abgesehen haben, um die Auslegung des Investitionsbegriffs den jeweiligen Vertragsparteien zu überlassen.147 Dadurch kann von diesen bestimmt werden, welche Streitigkeiten vor ein ICSID-Schiedsgericht gebracht werden sollen.148 Die Unbestimmtheit des Investitionsbegriffs ermöglicht es den Schiedsgerichten, neue Arten von Investi143 Vgl.

Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  65. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  65. 145 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  65. 146 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  65. Als Beispiel für eine Definition des Investitionsbegriffs aus einem BIT vgl. oben unter B. II. 3., das US Model BIT (2012) oder den Deutschen Mustervertrag 2009. 147  Report of the Directors on the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States, Rn.  27: „No Attempt was made to define the term investment given the essential requirement of consent by the parties, and the mechanism through which Contracting States can make known in advance, if they so desire, the classes of disputes which they would ore would not consider submitting to the Centre)“, online abrufbar unter: http://icsidfiles.worldbank.org/ICSID/ICSID/StaticFiles/basicdoc/partB-section05.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 148 Ausführlicher Dugan/Wallace/Rubins/Sabahi, Investor-State Arbitration, S.  258. 144 Vgl.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

tionen zu berücksichtigen.149 Insbesondere kapitalexportierende Länder, wie die USA, Deutschland, Großbritannien und Japan sowie einige Entwicklungsländer, waren gegen eine festgelegte Limitierung des Investitionsbegriffes.150 Aus diesem Grund haben Schiedsgerichte bereits angenommen, dass der Begriff der Investition in Art.  25 ICSID Übrk. objektiv definiert werden solle und nicht durch Parteivereinbarung verändert oder ersetzt werden könne.151 Dabei haben sich die folgenden Kriterien in der Rechtsprechung der Schiedsgerichtsbarkeit gewissermaßen im Sinne eines objektiven Tests etabliert: – eine Investition von signifikanter Dauer, – eine messbare Gewinnerwartung durch die Investition, – die substanzielle Verpflichtung auf Seiten des Investors als Teil der Investition und – die Investition muss einen Beitrag zur Entwicklung des Landes leisten.152 Diese Kriterien stellen aber lediglich generelle Anhaltspunkte dar, um die Reichweite des Investitionsbegriffs einzugrenzen. Sie stellen gerade keine verbindlichen Voraussetzungen dar, die stets vorliegen müssen, um das Tatbestandsmerkmal der Investition im Sinne des Art.  25 ICSID Übrk. zu erfüllen.153 In den Worten des Schiedsgerichts in dem Verfahren AES Corporation gegen Argentinien: 149 Ausführlicher

Mihaly International Corporation vs Democratic Socialist Republic of Sri Lanka, ICSID Case No. ARB/00/2, Award, 15.03.2002, Rn.  33; Rubins, in: Horn/Kröll, Arbi­ tration Foreign Investment Disputes, S.  283 287 f.; Siehe auch Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  25 Rn.  121. 150  Belling, Die Jurisdiction rationae materiae der ICSID-Schiedsgerichte, S.  192. 151  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  248. 152  Die Kriterien wurden beispielsweise in dem ICSID-Schiedsverfahren Fedax gegen Ve­ nezuela zur Bestimmung einer Investition angewendet, die einen großen Einfluss auf das Verständnis des Begriffs der Investition in nachkommenden ISDS-Schiedsverfahren hatte. Siehe hierzu Fedax N.V. vs The Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/96/3, Decision on Jurisdiction, 11.07.1997, Rn.  43: „The basic features of an investment have been described as involving a certain duration, a certain regularity of profit and return, assumption of risk, a substantial commitment and a significance for the host States‘ development. The duration of the investment in this case which they meet the requirement of the Law as to contracts needing to extend beyond the fiscal year in which they are made. The regularity of profit and return is also met by the scheduling of interest payments through a period of several years. The amount of capital committed is also relatively substantial. Risk is also involved as has been explained. And most importantly, there is clearly a significant relationship between the transaction and the development of the host State, as specifically required under the Law for issuing the pertinent financial instrument. It follows that, given the particular facts of the case, the transaction meets the basic features of an investment.“ Siehe hierzu auch Fedax N.V. vs The Republic of Venezue­ la, ICSID Case No. ARB/96/3, Decision on Jurisdiction, 11.07.1997, Rn.  43, Rn.  21–33. 153  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  25, Rn.  121.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 175 „each decision or award delivered by an ICSID Tribunal is only binding on the parties to the dispute settled by this decision or award. There is so far no rule of precedent in general international law; nor is there any within the specific ICSID system […].“154

ee) Der Salini-Test als restriktive Interpretation des in Art.  25 ICSID Übrk. geregelten Investitionsbegriffs Wie bereits dargelegt, bildet die Entscheidungspraxis internationaler Schiedsgerichte einen wichtigen Anhaltspunkt für die (nicht bindende) Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im ICSID-Übereinkommen.155 Insoweit sei hier noch auf den sogenannten Salini-Test einzugehen, der die oben genannten vier Kriterien einer Investition im Sinne des Art.  25 (1) ICSID Übrk. aufgegriffen und weiterentwickelt hat, aber eine restriktivere Interpretation des Investitionsbegriffes darstellt. Der Test wurde in der Entscheidung Salini Costruttori S.p.A. vs Morocco entwickelt und hat sich größtenteils in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit durchgesetzt, indem sich zahlreiche Schiedsgerichte in ihrer Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens einer Investition im Sinne des Art.  25 ICSID-Übrk. auf diesen berufen und angewendet haben.156 Dadurch habe die Auslegung des 154 

AES Corp. vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/17, Decision on Jurisdiction, 26.04.2005, Rn.  23. Siehe hierzu auch die Entscheidung des Schiedsgerichts in Rn.  17 bis 33. 155  Vergangene Schiedsurteile werden von Schiedsgerichten oft zitiert und die Begründung eines jeweiligen Schiedsspruches beruht auf vergangenen Schiedsentscheidungen. Dabei lassen sich Schiedsgerichte grundsätzlich nicht davon beeindrucken, dass den jeweiligen Investor-Staat-Schiedsverfahren verschiedene Investitionsschutzabkommen zugrunde lagen, solange diese in ihren materiellen Bestimmungen übereinstimmen. Siehe hierzu beispielsweise die Begründung des Schiedsspruchs in dem ICSID-Schiedsverfahren Tecmed vs Mexiko, ICSID Case No. ARB (AF)/00/2, 29.05.2003, Rn.  113–116. 156  Siehe hierzu AES Corporation vs Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/07, Decision on Jurisdiction, 26.04.2005, Rn.  88; Bayindir vs Pakistan, ICSID Case No. ARB/03/29, Decision on Jurisdiction, 14.11.2005, Rn.  130–135; Helnan vs Egypt, ICSID Case No. ARB/05/19, Decision of the Tribunal on Objection to Jurisdiction, 17.10.2006, Rn.  66–77; Jan de Nul vs Egypt, ICSID Case No. ARB/04/13, Decision on Jurisdiction, 16.06.2006, Rn.  90– 106; Joy Mining vs Egypt, ICSID Case No. ARB/03/11, Award on Jurisdiction, 06.08.2004, Rn.  41–63; Malaysian Historical Salvors, SDN, BHD vs Malaysia, ICSID Case No. ARB/05/10, Award on Jurisdiction, 17.05.2007, Rn.  43–148; Noble Energy Inc. And Machala Power Cia. Ltd. vs The Republic of Ecuador and Consejo National de Electricidad, ICSID Case No. ARB/05/12, 05.03.2008, Decision on Jurisdiction, Rn.  128–135; Patrick Mitchell vs Congo, ICSID Case No. ARB/99/7, Decision on Application for the Annulment of the Award, 1.11.2006, Rn.  23–41; Saipem S.p.A. vs Bangladesh, ICSID Case No. ARB/05/07, Decision on Jurisdic­ tion and Recommendation on Provisional Measures, 21.03.2007, Rn.  98–114; Die Anwendung vom Salini-Test wird auch grundsätzlich nicht von klagenden Investoren abgelehnt. Anders jedoch in dem Schiedsverfahren Helnan vs Egypt, Decision of the Tribunal on Objection to Jurisdiction, 17.10.2006, Rn.  66 f., wo die Anwendbarkeit des Salini-Tests angezweifelt wurde.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Investitionsbegriffs unter Art.  25 (1) ICSID Übrk. durch den Salini-Test eine erhebliche normative Wirkungsmacht erlangt.157 Mit dem Salini-Test werden (ebenfalls) vier Voraussetzungen („the basic features of an investment“) festgelegt, um das Vorliegen einer Investition zu bestimmen158: – Das Unternehmen muss eine gewisse zeitliche Dauer aufweisen (involving a certain duration of time), – die Übernahme eines gewissen Risikos durch den Investor (assumption of risk), – ein gewisser Umfang, der durch den Investor eingesetzten Vermögenswerte (substantial commitment), – eine gewisse Bedeutung des Unternehmens für die wirtschaftliche Entwicklung des Gastgeberstaates (a significance for the host state’s development).159 Diese vier Voraussetzungen für die Qualifikation zur Investition im Sinne des Art.  25 (1) ICSID Übrk. seien aber für die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts zwingend und müssten kumulativ vorliegen.160 Damit gibt einem der Sali­ ni-Test eine etwas konkretere Fortentwicklung der extensiven Interpretation des Investitionsbegriffs unter Art.  25 ICSID Übrk. an die Hand. Er stellt sogar eine Einschränkung des Investitionsbegriffes dar, indem der Investitionsbegriff objektiv und abschließend umschrieben wird.161 4. Besondere zusätzliche Zuständigkeitsvoraussetzungen zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit Neben dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art.  25 (1) ICSID Übrk. sind unter Umständen auch andere Voraussetzungen für die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts zu berücksichtigen, von denen hier einige Bespiele aufgezeigt werden.162 157 

Das hat dazu geführt, dass der Test in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit auch als „wohl bekannt“ bezeichnet wurde, vgl. nur Saipem S.p.A. vs Bangladesh, ICSID Case No. ARB/05/07, Decision on Jurisdiction and Recommendation on Provisional Measures, 21.03.2007, Rn.  99. 158 Vgl. Salini vs Morocco, ICSID Case No. ARB/00/4, Decision on Jurisdiction, 23.07.2001, Rn.  56; Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  66; Schreuer, The ­ICSID Convenion: A Commentary, Art.  25, Rn.  122; 159 Vgl. Salini vs Morocco, ICSID Case No. ARB/00/4, Decision on Jurisdiction, 23.07.2001, para. 56. 160  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  66. 161  Zur (kritischen) Auseinandersetzung mit dem Salini-Test ist die Entscheidung Malay­ sian Historical Salvors, SND, BHD vs Malaysia, ICSID Case No. ARB/05/10, Award on Jurisdiction, S.  15 ff., besonders interessant. Sie befasst sich besonders umfangreich mit der Frage des Investitionsbegriffs und des hierzu angewandten Salini-Tests. 162  Eine Liste möglicher Einwände gegen die Zulässigkeit eines Investitionsverfahrens so-

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 177

a) Die Erweiterung der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts durch Klauseln in Investitionsschutzverträgen In Investitionsschutzabkommen können die Vertragsparteien auch Besonderheiten über die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts regeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Umfang des dem Investor in Investitionsschutzabkommen gewährten Schutzes von Vertrag zu Vertrag variiert und in einigen auch konkrete Regelungen über den Marktzugang bzw. die Zulassung von ausländischen Investitionen getroffen werden.163 Als Beispiel regelt das US Modell-BIT von 2004 konkrete Voraussetzungen über den Marktzugang von ausländischen Investoren, um frei darüber zu bestimmen, wer eine Investition auf dem eigenen Staatsgebiet vornehmen darf und wer nicht.164 Den Grundstein der BITs bilden allerdings Bestimmungen, welche die Behandlung von Investitionen betreffen, die bereits in das Hoheitsgebiet des Gastgeberstaates gelangt sind. Im Folgenden soll auf die besonderen Zuständigkeitsvoraussetzungen durch Klauseln in Investitionsschutzabkommen in Gestalt von Meistbegünstigungsklauseln (most-favored nation treatment) oder sogenannte Regenschirmklauseln (umbrella clauses) eingegangen werden. aa) Meistbegünstigungsklauseln Durch Meistbegünstigungsklauseln soll die Gleichbehandlung von ausländischen Investoren mit anderen ausländischen Investoren oder inländischen Investoren durch den Gastgeberstaat sichergestellt werden. Sie finden sich in fast jedem Investitionsschutzabkommen.165 Die Meistbegünstigungsklausel gibt dem ausländischen Investor den Anspruch gegen den Gastgeberstaat, im Falle der tatsächlichen Ungleichbehandlung ebenfalls von der Begünstigung zu profitieren, die der Gastgeberstaat einem anderen ausländischen Investor gewährt. Sie kann sowohl materielle Behandlungsstandards erfassen, wie z. B. Steuervergünstigungen oder besondere Kreditprogramme, als auch verfahrensrechtliche Verpflichtungen, wie etwa der durch ein BIT mit einem dritten Staat vereinbarte wie von Art.  25 ICSID Übrk. unabhängig zu berücksichtigender Zuständigkeitsvoraussetzungen gibt Blessing, State Arbitrations: Predictably Unpredictable Solutions?, in: J. of Int’l Arb., Bd.  22 (2005), S.  435, 436 ff. 163 Dazu Salacuse/Sullivan, Do BIT’s Really Work? An Evaluation of Bilateral Investment Treaties and Their Grand Bargain, in: Harv. Int’l L. J., Bd.  46 (1) (2005), S.  75, 90 ff. 164 Dazu Salacuse/Sullivan, Do BIT’s Really Work? An Evaluation of Bilateral Investment Treaties and Their Grand Bargain, in: Harv. Int’l L. J., Bd.  46 (1) (2005), S.  75, 90 ff. 165  Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss, Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 86.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Zugang zum ICSID-Streitbeilegungsmechanismus.166 Dadurch kann sich ein Investor unter einem Investitionsschutzabkommen mit Meistbegünstigungsklausel darauf berufen, dass ein ICSID-Schiedsgericht für ihn unter den leichteren Zuständigkeitsvoraussetzungen eines anderen Investitionsschutzabkommens zuständig ist – sogenanntes „treaty shopping“167. Allerdings haben Schiedsgerichte auch darauf hingewiesen, dass eine Meistbegünstigungsklausel zwar eine beschränkte Streitbeilegungsvorschrift durch eine günstigere/bessere ersetzen kann, nicht aber einen nicht vorhandenen Zugang zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit eröffnen soll.168 bb) Regenschirmklauseln Die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts lässt sich auch durch sogenannte Abschirm- oder Regenschirmklauseln (umbrella clauses) auf Verletzungen durch den Gastgeberstaat von Pflichten aus einem privatrechtlich geschlossenen Investitionsvertrages zwischen dem Gastgeberstaat und dem ausländischen Investor erweitern.169 Solche Klauseln beinhalten Regelungen, die in einem völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen zwischen Gastgeberstaat und dem Heimatstaat des Investors die Pflicht des Gastgeberstaates begründen, dass dieser seinen Verpflichtungen aus dem Investitionsvertrag mit dem ausländischen Investor 166  Als Beispiel für eine Diskussion um faktische Ungleichbehandlung, siehe Bayindir In­ saat Turizm Ticaret Ve Sanayi A.S. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/03/29, Decision on Jurisdiction, 14.11.2005, Rn.  201 ff.; Zu den verfahrensrechtlichen Verpflichtungen siehe Emilio Augustin Maffezini vs Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/97/7, Deci­ sion on Jurisdiction, 25.01.2000 = ILM, Bd.  40 (2001), S.  1129, Rn, 54. 167 Vgl. Salini Costruttori S.p.A. and Italstrade S.p.A. vs Jordan, ICSID Case No. ARB/02/13, Decision on Jurisdiction, 09.11.2004, S.  38 Rn.  113 ff. Die Gefahr des treaty shop­ ping war bereits vom Maffezini-Schiedsgericht erkannt worden und hatte daher zugleich per obiter dictum nicht abschließende Ausnahmen im öffentlichen Interesse der Staaten eines Investitionsschutzabkommens statuiert, unter denen die Meistbegünstigungsklausel keine Anwendung finden soll. Dazu zählen: Erstens, das Erfordernis, dass zuerst der innerstaatliche Rechtsweg beschritten werden soll, zweitens, die Anwendbarkeit von Gabelungsklauseln, drittens, der ausdrückliche Verweis auf irgendein Schiedsforum in einem Investitionsschutzabkommen und viertens, die Einigung auf einen institutionellen Schiedsstreitbeilegungsmechanismus. Siehe Emilio Augustin Maffezini vs Spain, Decision on Jurisdiction, ICSID Case No. ARB/97/7, 25.01.2000 = ICSID Review – FILJ, Bd.  16 (1) (2001), S.  212, 234, Rn.  62 f. 168  Palma Consortium Limited vs Republic of Bulgaria, ICSID Case No. ARB/03/24, Decision on Jurisdiction, 08.02.2005 = ILM, Bd.  44 (2005), S.  721, Rn.  209. 169  Die „umbrella clause“ wird teilweise auch als „observance of understanding clause“, „evelator clause“, „mirror clause“ oder „pacta sunt servanda-Klausel“ bezeichnet. Dazu grundlegend Wälde, The „Umbrella“ Clause in Investment Arbitration – A Comment on Original Intentions and Recent Cases, in: JWIT, Bd.  8 (2005), S. vii, 183 ff. und Sinclair, The Origin of the Umbrella Clause in International Law of Investment Protection, in: Arb. Int’l, Bd.  20 (2004), S.  411 ff.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 179

nachkommt.170 Als typisches Beispiel für eine Regenschirmklausel regelt Art.  2 (2) des Britischen Model BIT 2008: „Each Contracting Party shall observe any obligation it may have entered into with regard to investments of nationals or companies of the other Contracting Party.“

Denselben Wortlaut enthält auch die Regenschirmklausel des Investitionsschutzabkommens zwischen der Schweiz und den Philippinen in Art. X (2) und das Deutsche Model BIT 2008 in Art.  8 (2). Die Reichweite solcher oder ähnlicher Klauseln, die fast standardisiert in Investitionsschutzabkommen anzutreffen sind, ist wegen des unspezifischen Wortlauts und dem dadurch eröffneten Spielraum für unterschiedliche Interpretationen sehr umstritten. Schiedsgerichte legen den Wortlaut mal weiter und mal enger aus und legen damit auch nicht einheitlich fest, um welche Verpflichtungen außerhalb des Abkommens es sich konkret handelt, die eine Internationalisierung erfahren.171 Der Grund für das Einfügen einer Regenschirmklausel liegt darin, dass der Gastgeberstaat durch hoheitliches Handeln von der Bindung des Investitionsvertrages mit dem ausländischen Investor befreit werden kann, wenn der Vertrag seinem innerstaatlichen Recht unterstellt ist.172 Eine Regenschirmklausel soll also eine zusätzliche Sicherung zur Einhaltung eines mit dem Gastgeberstaat geschlossenen Investitionsvertrages bezwecken, indem sie dem ausländischen Investor die Möglichkeit einräumt, neben Ansprüchen aus einem völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen auch Ansprüche aus einem zwischen dem ausländischen Investor und dem Gastgeberstaat geschlossenen Investitionsvertrag vor einem internationalen Schiedsgericht geltend machen zu können. Er muss sich also nicht der nationalen Gerichtsbarkeit bedienen, um einen vertraglichen Anspruch durchzusetzen bzw. eine staatliche Maßnahme abzuwehren, die eine vertragliche Pflichtverletzung darstellt. Die privatrechtlich begründeten 170 

Dolzer/Stevens, Bilateral Investment Treaties, S.  81 f. erste, sich mit der Funktion einer Regenschirmklausel befassende Schiedsgericht verneinte eine sich daraus ergebende Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts mit der Begründung, dass die Unbestimmtheit der Klausel zu einer unbegrenzten Ausdehnung der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts führen könnte, siehe SGS Societe Generale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/01/13, Decision of the Tribunal on Objection to Jurisdiction, 06.08.2003 = ICSID Review – FILJ Bd.  18 (1) (2003), S.  301 ff; Nur wenig später kam ein anderes Schiedsgericht zu einer gegenteiligen Auffassung und stellte fest, dass die Regenschirmklausel den Bruch des Investitionsschutzabkommens durch den Gastgeberstaat regelt, wenn dieser seinen bindenden Verpflichtungen, einschließlich der privatvertraglichen Verpflichtungen, nicht nachkommt, vgl. SGS Societe Generale de Surveillance S.A. vs Philippines, ICSID Case No. ARB/02/6, Decision of the Tribunal on Objection to Jurisdiction, 29.01.2004. Siehe auch Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  166 ff. 172 Vgl. Sinclair, The Origin of the Umbrella Clause in International Law of Investment Protection, in: Arb. Int’l, Bd.  20 (2004), S.  411, 415 ff. 171  Das

180

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Verpflichtungen des Gastgeberstaates werden vielmehr in eine völkerrechtliche Pflicht umgewandelt, weil sich die Regenschirmklausel bildlich wie ein Regenschirm über den privatrechtlich geschlossenen Investitionsvertrag spannt und eine Verletzung des Vertrags durch den Gastgeberstaat auf die Ebene der Verletzung eines völkerrechtlichen Abkommens hebt.173 b) Die Einschränkung der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts durch Klauseln in Investitionsschutzverträgen Investor-Staat-Streitbeilegungsklauseln sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. Die Zuständigkeit der Streitbeilegung durch ein ICSID-Schiedsgericht kann dabei durch vereinbarte Vertragsklauseln nicht nur erweitert, sondern auch eingeschränkt werden. Als Beklagter besteht beim Vorliegen solcher Klauseln die Möglichkeit, die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts aufgrund von formalen und materiellen Regelungen zu verneinen. Es kann allerdings sein, dass solche für einen ausländischen Investor „ungünstigen“ Klauseln eines Abkommens von über eine Meistbegünstigung einbezogenen Klauseln anderer BITs überlagert und damit unwirksam gemacht werden.174 aa) Verhandlungsfristen In Investitionsschutzabkommen finden sich häufig Regelungen über Verhandlungsfristen, die zunächst vorschreiben, dass die Streitparteien vor einer Klageerhebung beim ICSID-Schiedsgericht versuchen sollen, den Streit innerhalb einer bestimmten Frist im Wege von Konsultationen beizulegen – sogenannte waiting clauses.175 Waiting clauses bieten die Chance einer außergerichtlichen Einigung, sollen aber im Falle der Missachtung der Frist keinen Nachteil begründen, wenn eine solche Beilegung von Anfang an aussichtslos ist.176 Beispielswei173 

Alexandro, Breaches of Contract and Breaches of Treaty – The Jurisdiction of Treatybased Arbitration Tribunals to Decide Breach of Contract Claims in SGS v. Pakistan and SGS v. Philippines, in: JWIT, Bd.  5 (5) (2004), S.  555, 567 m. w. N.; Kritisch dazu Wälde, The „Umbrella“ Clause in Investment Arbitration – A Comment on Original Intentions and Recent ­Cases, in: JWIT, Bd.  6 (2005), S. vii, 207; Schreuer, Travelling the BIT Route – of Waiting Periods, Umbrella Clauses and Forks in the Road, in: JWIT, Bd.  5 (2) (2004), S.  231, 249 ff. 174  Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  93. 175  So sehen zum Beispiel Art.  10 (2) des deutsch-algerischen Investitionsschutzabkommens vom 11.03.1996, BGBl. 2002 II S.  286, Art.  11 (2) des deutsch-kambodschanischen Investitionsschutzabkommens vom 15.02.1999, BGBl. 2001, S.  487 und Art.  24 (3) US Model BIT 2004 eine Verhandlungs- bzw. Wartefrist von sechs Monaten vor. Zu weiteren möglichen Gestaltungen siehe Dolzer/Stevens, Bilateral Investment Treaties, S.  128. 176  Schreuer, Travelling the BIT Route – of Waiting Periods, Umbrella Clauses and Forks in the Road, in: JWIT, Bd.  5 (2) (2004), S.  231, 238 f.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 181

se wurde von manchen Schiedsgerichten das Konsultationserfordernis lediglich als „directory and procedural rather than as mandatory and jurisdictional in nature“177 oder als heilbar durch einen späteren Versuch sich einvernehmlich zu einigen bezeichnet.178 Deswegen soll grundsätzlich auch nicht die Zulässigkeit einer Klage an der fehlenden Beachtung einer solchen Frist scheitern, weil es ein kostspieliger Formalismus sei, einen Schiedsantrag abzulehnen und sich unmittelbar danach einem neu eingeleiteten Verfahren gegenüberzusehen.179 Verstöße von waiting clauses werden deswegen lediglich bei der Kostenentscheidung berücksichtigt, wodurch aber die Funktion solcher Klauseln, Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen, quasi ausgehebelt würde.180 bb) Gabelungsklauseln Ein weiterer Ausschluss der Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts kann durch sogenannte Gabelungsklauseln (fork in the road provision) erreicht werden. Greift der Gastgeberstaat durch eine hoheitliche Maßnahme ungerechtfertigt in die Rechte des ausländischen Investors ein, stehen diesem verschiedene Streitbeilegungsoptionen zur Verfügung. Als Wahloption hat der ausländische Investor die Möglichkeit, seine Ansprüche vor der nationalen Gerichtsbarkeit des Gastgeberstaates sowie durch eine Vereinbarung mit dem Gastgeberstaat oder je nach völkerrechtlichem Abkommen die Möglichkeit, Ansprüche vor einem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Dadurch kann allerdings das Problem entstehen, dass ein ausländischer Investor bei derselben Handlung des Gastgeberstaates zunächst vor einem nationalen Gericht Schadensersatzansprüche aus einem Investitionsvertrag geltend macht und diese später vor einem ICSID-Schiedsgericht um die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem BIT ergänzt. Dadurch besteht die Gefahr einer doppelten Kompensation, deren Ver177 

SGS Societe Generale de Surveillance SA vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No ARB/01/13, Decision on Jurisdiction, 06.08.2003, Rn.  184. Siehe auch Ethyl Corporation vs Canada, NAFTA/UNCITRAL Case, Award on Jurisdiction, 24.06.1998, Rn.  84: Das Konsultationserfordernis kann auch aufgehoben werden, „when it is demonstrated that in fact no remedy was available and any attempt would have been futile“. 178  Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal (2015), S.  11, 24. 179  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  268 f.; Schöbener/Mar­ kert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 93; Schreuer, Travelling the BIT Route – of Waiting Periods, Umbrella Clauses and Forks in the Road, in: JWIT, Bd.  5 (2) (2004), S.  231, 234 ff. 180  Vgl. dazu Bayindir Insaat Turizm Ticaret Ve Sanayi A.S. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/03/29, Decision on Jurisdiction, 14.11.2005, Rn.  102; Ethyl Corp. vs Canada, NAFTA/UNCITRAL Case, Decision on Jurisdiction, 24.06.1998, Rn.  88.

182

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

meidung das Ziel der fork in the road-Klausel, also der Gabelungsklausel ist.181 Liegt eine solche Klausel im Investitionsschutzabkommen vor, kann ein Investor alternativ zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und internationaler Schiedsgerichtsbarkeit wählen.182 Die einmal getroffene Entscheidung für eine der beiden Alternativen ist dann ausschließlich und unwiderruflich. Das kann für den Investor bedeuten, dass ein Vorgehen vor den nationalen Gerichten oder den Verwaltungsbehörden des Gastgeberstaates die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts „ein für alle Mal“ ausschließt.183 Die Wirkung der fork in the road-Klausel wird allerdings nur dann freigesetzt, wenn es sich um dieselbe Rechtsstreitigkeit zwischen denselben Parteien handelt. Bei der Bestimmung, vor allem ob dieselbe Rechtsstreitigkeit vorliegt, ist immer der konkrete Einzelfall zu betrachten und genau zu unterscheiden, wer aus welchem Sachverhalt gegen Maßnahmen des Gastgeberstaates vorgeht.184 5. Die Auswirkungen der Zuständigkeitsbegründung des ICSID-Schiedsgerichts Die Zuständigkeit des ICSID begründet für einen Rechtsstreit besondere Auswirkungen. Der Investor verliert nach Art.  27 (1) ICSID Übrk. die Möglichkeit, durch seinen Heimatstaat den diplomatischen Schutz in Anspruch zu nehmen. Im Ausgleich dafür unterwirft sich der Gastgeberstaat aber dem Urteil des ICSIDSchieds­gerichts. Sollte der Gastgeberstaat allerdings einen gegen ihn erlassenen Schiedsspruch nicht befolgen, lebt die Möglichkeit des ausländischen Investors wieder auf, seinen Heimatstaat für diplomatischen Schutz in Anspruch zu nehmen. Außerdem wird nach Art.  26 ICSID Übrk. die Unterwerfung der Parteien unter die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit als Verzicht auf jeden anderen Rechtsbehelf auf nationaler Ebene angesehen. Eine Ausnahme für diesen Grundsatz stellt allerdings der Umstand dar, dass ein Vertragsstaat für seine Zustimmung zum

181 Vgl.

International Thunderbird Gaming Corporation vs The United Mexican States, NAFTA/UNCITRAL Case; Arbitral Award, 23.01.2006, Rn.  118. 182  Siehe als Beispiel für eine „fork in the road“-Klausel Art.  7 (2) des Investitionsschutzabkommens zwischen Argentinien und den USA vom 14.11.1991. 183  Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 95. 184  Zum Beispiel schließt ein Vorgehen wegen des Entzugs einer Lizenz vor den Verwaltungsbehörden die anschließende Geltendmachung der Verletzung eines Investitionsschutzabkommens nicht aus, siehe CMS Gas Transmission Company vs The Republic of Argentina, ICSID Case No. ARB/01/8, Decision of the Tribunal on Objections to Jurisdiction, 17.07.2003 = ILM, Bd.  43 (2003), S.  788, 800, Rn.  80.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 183

Schiedsverfahren die Bedingung verlangt, dass zuerst die innerstaatlichen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bzw. Rechtswege erschöpft werden.185 6. EXKURS: Die Additional Facility Rules Durch die im Jahr 1978 vom Verwaltungsrat des ICSID-Zentrums erlassenen Additional Facility Rules hat die Weltbank den Wirkungskreis des ICSID-Zen­ trums auf verschiedene weitere Formen von Streitigkeiten erweitert, für die nach dem ICSID-Übereinkommen nach Art.  25 ICSID Übrk. keine Zuständigkeit vorläge.186 Die zentrale Erweiterung der Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts durch die Additional Facility Rules liegt darin, dass durch Art.  2 (1) Additional Facility Rules auch solche Investitionsstreitigkeiten zulässig sind, bei denen keine ratio materiae Zuständigkeit nach Art.  25 ICSID Übrk. vorliegt, wenn also der Gastgeberstaat oder auf der anderen Seite der Heimatstaat des ausländischen Investors kein Vertragsstaat des ICSID-Übereinkommens ist. In diesem Fall wird bei der Zustimmung beider Streitparteien (Gastgeberstaat und ausländischer Investor) zur Durchführung eines ICSID-Schiedsverfahrens nach Art.  4 (2) Additional Facility Rules der Generalsekretär des ICSID-Zentrums im Rahmen eines besonderen Prüfungsrechts das Verfahren zulassen. Das Verfahren wird anschließend auch vom ICSID-Zentrum administrativ unterstützt. Die Additional Facility Rules stellen ein eigenes Regelwerk zur Verfügung. Damit muss nicht auf die im ICSID-Übereinkommen geregelten Verfahrensregeln zurückgegriffen werden, was nach Art.  3 Additional Facility Rules auch unzulässig wäre. Die Regeln sind aber in verfahrensrechtlicher Hinsicht den Regelungen für Schieds- und Vergleichsverfahren des ICSID-Übereinkommens (abgesehen vom Tatsachenermittlungsverfahren) angepasst und Bestimmungen aus der ICC- und UNCITRAL-Schiedsordnung wurden ebenfalls eingearbeitet.187 In der Praxis haben die Additional Facility Rules erst mit dem Inkrafttreten des NAFTAs am 01.01.1994188 erheblich an Bedeutung erlangt. Unter den Vertrags185 Siehe auch Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  136; Ein solches Verlangen muss in ausdrücklicher Form geschehen: Happ, The „Foreign Nationality“-Requirement and the „Exhaustion of Local Remedies“, in: Hofmann/Tams (Hrsg.), Recent ICSID Jurisprudence: Taking Stock after 40 Years, S.  103, 116. 186  Zu den rechtspolitischen Umständen der Entstehung der Additional Facility Rules siehe ausführlich Broches, The „Additional Facility“ of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes (1979), in: Selected Essays: World Bank, ICSID and Other Subjects of Public International and Private International Law (1995), S.  249, 249 f. 187 Vgl. Lörcher, Neue Verfahren der internationalen Streitbeilegung in Wirtschaftssachen, S.  165. 188  Vertragsstaaten des NAFTA sind Mexiko, Kanada und die USA, der Vertrag ist abgedruckt in: ILM, Bd.  32 (1993), S.  289–456, 605–799.

184

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

staaten des NAFTAs waren nur die USA, nicht aber Mexiko und Kanada Vertragsstaaten des ICSID-Übereinkommens. Durch die Additional Facility Rules war es dann möglich, Schiedsverfahren unter der Beteiligung der USA durchzuführen, was seit 1997 in mehreren Verfahren geschehen ist.189

IV. Die Entscheidungskompetenzen und Aufgaben des ICSID-Schiedsgerichts Die Aufgabe des Schiedsgerichts ist es, das Schiedsverfahren zu leiten und am Ende ein Schiedsurteil bzw. einen Schiedsspruch zu erwirken. Grundlage für die Maßstabsweite der Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts über den Rechtsstreit ist das anwendbare materielle Recht.190 Neben der Zuerkennung von Schadensersatz in Geld oder der Rückerstattung von Vermögenswerten, die durch Enteignung entzogen wurden, hat das ICSID-Schiedsgericht zusätzlich die Möglichkeit, die jeweilige Streitpartei zu einer Leistung im weiteren Sinne zu verpflichten, beispielsweise zu einem Unterlassen einer Maßnahme oder zur Vornahme einer Handlung.191 Weiter kann das Schiedsgericht eine Entscheidung über den Rechtsstreit nach Art.  42 (2) ICSID Übrk. nicht mit der Begründung ablehnen, dass das anwendbare Recht zu dem umstrittenen Gegenstand unklar ist oder schweigt. Gemäß Art.  41 ICSID Übrk. hat das ICSID-Schiedsgericht die Befugnis, vorweg in einem Prozessurteil oder erst im Endurteil über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Diese Möglichkeit wird im internationalen Schiedsverfahrensrecht als „competence-competence“ oder hiesig als „Kompetenz-Kompetenz“ bezeichnet.192 Das ist insbesondere beim ICSID-Übereinkommen von Bedeutung, weil gegen eine Vollstreckung eines Schiedsspruchs aufgrund der Regelungen in Art.  53 und 54 ICSID Übrk. nicht beanstandet werden kann, dass das ICSID-Schiedsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht habe. Beide Regeln 189  Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 98 f. 190  Siehe hierzu sowohl oben, unter 1. Kapitel B. II. 2. c) aa) als auch unten, unter 2. Kapitel B. V. 191  Die Tatsache, dass Art.  54 (1) ICSID Übrk. ausdrücklich von einer Verpflichtung zur Durchsetzung der durch einen ICSID-Schiedsspruch auferlegten „pecuniary obligations“ (finanziellen Verpflichtungen) spricht, schließt nicht aus, dass andere Verpflichtungen aus einem Schiedsspruch, wie Rückerstattung oder andere Formen spezifischer Leistungen oder Unterlassungsklagen, möglich sind. Siehe hierzu auch Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  54, Rn.  72 ff. 192 Vgl. Münch, in: MüKO ZPO, Bd.  3, §  1040 ZPO, Rn.  6 f.; Siehe auch ausführlich zur Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts: Häberlein, Unwilligkeit im Nationalen und Internationalen Schiedsverfahren, S.  20 ff.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 185

verdrängen das New York Übereinkommen von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, so dass sich eine der sich streitenden Parteien nicht mit dem Argument gegen die Vollstreckung des Schiedsspruchs wehren kann, das Schiedsgericht habe nach Art. V (1) (c) NYK durch die Annahme seiner Zuständigkeit seine Kompetenz überschritten.193 Nach Art.  43 ICSID Übrk. hat das Schiedsgericht die Kompetenz, die Parteien dazu aufzufordern, alle Urkunden oder sonstigen Beweismittel vorzulegen. Für Untersuchungen kann sich das Schiedsgericht zudem an Ort und Stelle begeben, um sich über die tatsächlichen Begebenheiten zu erkundigen und diese in Augenschein zu nehmen. Als weitere Kompetenz kann das Schiedsgericht nach Art.  42 (3) ICSID Übrk. mit Einverständnis der Parteien ex aequo et bono (nach Billigkeit) entscheiden.194 Nach Art.  44 S.  2 ICSID Übrk. kann es auch beim Vorliegen einer Regelungslücke im ICSID-Übereinkommen über Verfahrensfragen entscheiden. Zuletzt sei noch auf die Möglichkeit des Schiedsgerichts hinzuweisen, gemäß Art.  47 ICSID Übrk. vorläufige Maßnahmen zur Sicherung von Rechten beider Parteien (lediglich) zu empfehlen, sofern die Parteien nichts Anderes vereinbart haben. Da wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts Anträge auf einstweilige Anordnungen vor nationalen Gerichten ausgeschlossen sind195, scheint es eine erhebliche Gefahr für die Sicherung von Rechten einer Partei darzustellen, dass ein ICSID-Schiedsgericht insoweit nur unverbindliche Empfehlungen aussprechen kann. Trotzdem stellen solche Empfehlungen eines ICSID-Schiedsgerichts keine wirkungslose Methode dar. Sollte eine Partei eine Empfehlung missachten, muss sie entweder befürchten, dass sie sich durch Nichtbefolgung schadensersatzpflichtig macht oder dass die betroffenen Aspekte des Falles zu ihren Ungunsten entschieden werden.196

193 

Siehe zum New York Übereinkommen von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, Kronke/Nacimiento/Otto, Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards: A Global Commentary on the New York Convention, S.  1 ff.; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, Towards a Uniform Judicial Interpretation, S.  1 ff. 194  Siehe zur Befugnis eines internationalen Gerichts ex aequo et bono entscheiden zu können bereits Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  321: „[…] States may be prepared to entrust a tribunal with the power to decide ex aequ et bono, a power in effect of tantamount to empowering it with a legislative function, not only in regard to a particular dispute, but also, within the purview of a general arbitration treaty, in regard to future disputes. Whatever may be thought of the desirability of this latter development, it shows to what length States may be prepared to go.“ 195  Vgl. Art.  26 ICSID Übrk. 196 Vgl. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  47, Rn.  38 ff.

186

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

V. Die Zusammensetzung des ICSID-Schiedsgerichts „Die Schiedsgerichtsbarkeit ist so gut wie ihre Schiedsrichter.“197

Dieser Spruch ist für Schiedsgerichte mittlerweile ein Klischee und entspricht logisch betrachtet der Wahrheit. Die eigentliche Bedeutung des ICSID-Übereinkommens macht neben der Durchsetzungskraft der ICSID-Schiedsurteile das ICSID-Schiedsgericht und seine Entscheidung aus, die nicht nur für den Einzelfall, sondern darüber hinaus für andere Schiedsverfahren Berücksichtigung finden kann. Aus diesem Grund ist die richtige Zusammensetzung des ICSIDSchieds­gerichts von höchster Bedeutung. Im Rahmen des ICSID-Übereinkommens ist das ICSID-Schiedsgericht keine Institution des ICSID-Zentrums im eigentlichen Sinne. Der Name ICSIDSchieds­gericht findet seine Berechtigung aber darin, dass, soweit keine abweichende parteiliche Vereinbarung vorliegt, das Schiedsgericht auf der Grundlage der Regeln des ICSID-Übereinkommens konstituiert wird und auch nach diesen Regeln das Schiedsverfahren leitet. Für die Konstituierung des ICSID-Schiedsgerichts sind die Regelungen von Art.  37 bis 40 ICSID Übrk. und die Art.  1 bis 12 ICSID Arbitration Rules zu berücksichtigen. Die Regelungen im ICSID-Übereinkommens sehen dabei vor, dass das ICSID-Schiedsgericht für jeden Fall neu – ad hoc – konstituiert wird und entsprechend nach der Wahl der Parteien mit Schiedsrichtern besetzt ist. 1. Die Bestellung der Schiedsrichter nach den Vorgaben im ICSID-Übereinkommen Die Bestellung der Schiedsrichter richtet sich nach Art.  37 ICSID Übrk., wonach das Schiedsgericht im Zeitpunkt der Registrierung der Klage beim ICSID-Zen­ trum „as soon as possible“ zusammengesetzt werden soll. Art.  37 ICSID Übrk. bestimmt, dass „(1) The Arbitral Tribunal (hereinafter called the Tribunal) shall be constituted as soon as possible after registration of a request pursuant to Article 36. (2) (a) The Tribunal shall consist of a sole arbitrator or any uneven number of arbitrators appointed as the parties shall agree. (b) Where the parties do not agree upon the number of arbitrators and the method of their appointment, the Tribunal shall consist of three arbitrators, one arbitrator appointed by each party and the third, who shall be the president of the Tribunal, appointed by agreement of the parties.“

In Bezug auf Art.  37 ICSID Übrk. verdeutlicht der ICSID Report of the Executive Directors on the Convention wiederholt, dass das ICSID-Übereinkommen den 197  Böckstiegel, in: Böckstiegel (Hrsg.)/Adlerstein/Benkö, Studien zum Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  2.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 187

Parteien für die Zusammensetzung des Schiedsgerichts viele Freiheiten lässt, aber gleichzeitig sichergestellt wird, dass möglicherweise auftretende Einigungsmängel zwischen den Parteien in Bezug auf die Wahl der Schiedsrichter das Verfahren nicht dauerhaft behindern sollen.198 Aus diesem Grund sollten die Parteien bereits vor oder direkt nach der Registrierung des Streitverfahrens beim ICSID-Zentrum ihre Schiedsrichter benennen. Nach dem Standardverfahren unter Art.  37 (2) (b) ICSID Übrk. wählt jede Partei einen Schiedsrichter. Der dritte Schiedsrichter, der den Platz als Vorsitzender einnimmt, wird durch Vereinbarung beider Parteien bestimmt. Sollte keine Ernennung durch eine Streitpartei erfolgen, kann auch der Vorsitzende des Administrative Councils199 gemäß Art.  38 ICSID Übrk. nach 90 Tagen auf Antrag einer der Parteien die fehlenden Schiedsrichter benennen, um zu verhindern, dass das Verfahren aufgrund unkooperativen Verhaltens einer der Parteien zum Stillstand kommt.200 In der Praxis dauert es dementsprechend auch ca. 90 Tage bis zu 12 Monate für die Zusammensetzung des Tribunals.201 Die Anzahl der Schiedsrichter muss in jedem Fall ungerade sein. Dabei handelt es sich um eine zwingende Regelung, von der die Parteien nicht durch Ver-

198 

ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention, Rn.  35, veröffentlicht im Anschluss an den Text des ICSID-Übereinkommens und online abrufbar unter: https://icsid. worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „Although the Convention leaves the Parties a large measure of freedom as regards the constitution of Commissions and Tribunals, it assures that a lack of agreement between the parties on these matters or the unwillingness of a party to cooperate will not frustrate proceedings“ (Articles 29–30 and 37–38, respectively). 199  Nach Art.  5 ICSID Übrk. ist der Präsident der International Bank for Reconstruction and Development ex officio der Vorsitzende des ICSID-Administrative Council. 200 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  279. 201  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  37, Rn.  9. Da es meistens eher in Richtung 12 Monate geht, wurden die Regeln und das Verfahren der Zusammensetzung des Schiedsgerichts unter dem ICSID heftig kritisiert: Vgl. Bernadini, ICSID Versus Non-ICSID Investment Treaty Arbitration, in: Fernandez-Ballesteros/Arias (Hrsg.), Liber Amicorum Bernado Cremades, 2010, Rn.  81, online abrufbar unter: https://www.arbitration-icca.org/media/ 4/30213278230103/media012970223709030bernardini_icsid-vs-non-icsid-investent.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „The long time normally needed for a tribunal to be constituted and operational is another critical aspect in the ICSID system. The delay is mostly due to the time required for the selection of the president of the tribunal. The utmost care devoted by ICSID to this process is understandable in view of the importance of this function as the true engine of the proceeding and a factor of equilibrium within the tribunal. However, the users’ perception is that the length of the process, mostly due to the State’s objection to the proposed candidate, is not always justified that the search for consensus should not be unlimited.“

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

einbarung abweichen können.202 In der Praxis bestehen ICSID-Schiedsgerichte nahezu immer aus drei Schiedsrichtern.203 2. Die Qualifikation der Schiedsrichter Die von den Parteien als Schiedsrichter in Frage kommenden Personen müssen bestimmte Qualifikationen vorweisen, um für ein ICSID-Schiedsgericht berufen werden zu können. Die Vorgaben dazu finden sich in Art.  14 (1) ICSID Übrk.: „(1) Persons designated to serve on the Panels shall be persons of high moral character and recognized competence in the fields of law, commerce, industry or finance, who may be relied upon to exercise independent judgment. Competence in the field of law shall be of particular importance in the case of persons on the Panel of Arbitrators.“ (Kursivierung hinzugefügt.)

Nach Art.  14 (1) ICSID Übrk. müssen die Schiedsrichter demnach 1.  ein hohes sittliches Ansehen genießen, 2. eine anerkannte Befähigung auf den Gebieten des Rechts, des Handels, der Industrie oder des Finanzwesens besitzen und 3. jede Gewähr dafür bieten, dass sie ihr Amt unabhängig und unparteiisch ausüben werden. Zwar verweist die englische Version von Art.  14 (1) ICSID Übrk. nur auf die Voraussetzung der unabhängigen Amtsausübung. Die spanische Version hat als Voraussetzung in Art.  14 (1) ICSID Übrk. aber zusätzlich noch wörtlich die „imparcialidad“ des Schiedsrichters als Qualifikation festgelegt, so dass der Schiedsrichter sein Amt auch unparteiisch ausüben soll. Da sowohl die englische als auch die spanische Version des ICSID-Übereinkommens in Kraft getreten sind sowie wirksam und als offizielle Verfahrenssprachen des ICSIDs nach Art.  38 Administration and Financial Regulation, Art.  22 Arbitration Rule und Art.  22 Conciliation Rule auf gleicher Ebene stehen, ist es allgemein anerkannt, dass ICSID-Schiedsrichter ihr Amt sowohl unparteiisch als auch unabhängig ausüben sollen.204 202 

Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  37, Rn.  11. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  279. Ein ICSID-Schiedsgericht mit nur einem Schiedsrichter ist sehr selten. 204 Vgl. Blue Bank International & Trust Ltd vs Bolivarian Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/12/20, Decision on the Parties‘ Proposals to Disqualify a Majority of the Tribunal, 12.11.2013, Rn.  58; Markert, Challenging Arbitrators in Investment Arbitration: The Challenging Search for Relevant Standards and Ethical Guidelines, in: 3 Contemp. Asia Arb. J. (2010), S.  237, 243; Rubins/Lauterburg, Independence, Impartiality and Duty of Disclosure in Investment Arbitration, in: Knahr/Koller/Rechberger/Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  153, 157; Die beiden Qualifikationen als Voraussetzung an die Schiedsrichter eines ICSID-Schiedsgerichts sind allerdings auch nicht 203 

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 189

Zusätzlich zu den in Art.  14 (1) ICSID Übrk. vorgeschriebenen Voraussetzungen können die Parteien weitere besondere Qualifikationsmerkmale in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Ergänzung festlegen.205 Als Beispiel solcher besonderen Qualifikationen sind die Befähigung zum Richteramt, die Kenntnis eines bestimmten (des anwendbaren) Rechts oder gewisse Gesundheitskriterien zu nennen.206 Grundsätzlich kann aber jede natürliche Person als Schiedsrichter von den Parteien benannt werden, soweit sie die Qualifikationen in Art.  14 (1) ICSID Übrk. sowie die zusätzlichen Qualifikationen der Parteivereinbarung vorweisen kann.207 Die Wahl der Schiedsrichter durch die Streitparteien hat insgesamt eine besondere und bedeutende Funktion im ICSID-Schiedsverfahren (in Schiedsverfahren allgemein) und stellt den Gegensatz zum Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts dar. So können die Parteien beispielsweise sogar versierte Persönlichkeiten als Schiedsrichter auswählen. In der Praxis wird den Streitparteien in diesem Sinne bei der Nutzung dieser Möglichkeit aber auch geraten, immer bestimmte Faktoren zu beachten, um so eine höchstmögliche Qualität des Schiedsgerichts im Schiedsverfahren zu erreichen. Gary Born rät zum Beispiel dazu, die Verfügbarkeit des Schiedsrichters, seine Integrität, Intelligenz, Kollegialität, Schiedserfahrung und sein Wissen über die Materie des Streitgegenstands unbedingt bei der Wahl zu berücksichtigen.208 Weitere Faktoren können ein gewisses kulturelles Feingefühl, die Fähigkeit, spezielle technische Beweisgegenstände zu versteausdrücklich in der ICSID-Schiedsordnung geregelt. Stattdessen verlangt aber Reg. 6 (2) ICSID-Schieds-ordnung von prospektiven Schiedsrichtern eine Erklärung darüber, dass diese im Schiedsverfahren „will judge fairly as between the parties, according to the applicable law and shall not accept any instruction or compensation.“ (Kursivierung hinzugefügt) Um die Voraussetzung des „judge fairly“ zu erfüllen, müssen die ICSID-Schiedsrichter ihr Amt unabhängig und unparteiisch ausüben. 205  Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, S.  33. 206  Vgl. dazu Schütze, Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines institutionellen Schiedsgerichts – Probleme der Reaktion der Schiedsklausel, in: ders., Ausgewählte Probleme des deutschen und internationalen Schiedsverfahrensrechts, S.  147 ff.; Weigand, Der nebenberuflich tätige Schiedsrichter – Auswahlkriterien und Erwartungen der Parteien an ihren privaten Richter, in: Bachmann/Breidenbach/Coester-Waltjen/Heß/Nelle/Wolf (Hrsg.), FS Schlosser, 2005, S.  1081, 1083 ff.; Wilske, Der Kränkelnde Schiedsrichter – Eine subtile Guerilla-Taktik mittels eines absichtslos handelnden Werkzeugs, in: Cascante/Spahlinger/Wilske (Hrsg.), FS Wegen, 2015, S.  793 ff.; gegen eine Festlegung von besonderen Qualifikationen in der Schiedsvereinbarung als „unwise“: Redfern/Hunter/Blackaby/Partasides, Law and Practice of International Commercial Arbitration, Rn.  4–40 ff. 207  ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention on the Settlement of Invest­ ment Disputes between States and Nationals of other States (ICSID Report), Rn.  36, abrufbar unter: http://icsidfiles.worldbank.org/ICSID/ICSID/StaticFiles/basicdoc/partB-section06.htm (zuletzt aufgerufen am 31.06.2018). 208 Vgl. Born, International Commercial Arbitration, S.  1679.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

hen, die Eigenschaft, sowohl aktiv als auch passiv am Schiedsverfahren teilzunehmen, diplomatische Fähigkeiten oder ein gewisser Geschäftssinn sein.209 Schließlich hat Born zu der Möglichkeit, dass sich die Parteien ihre eigenen Schiedsrichter aussuchen können, bemerkt: „There is no perfect arbitrator, suited for every international dispute. Some disputes require specific linguistic capabilities (notwithstanding the increasing predominance of English as the language of international dispute resolution), technical expertise (such as construction or engineering or M&A), legal qualifications (for example, in the law governing the parties’ underlying contract), or personal strengths (such as being able to make sense of complex facts or to analyze difficult legal issues).“210

Die wichtigsten Qualifikationen, die bei der Wahl des Schiedsrichters eine allgemeine Berücksichtigung finden, sollen im Folgenden dargestellt werden. a) Sprache Ein Schiedsrichter sollte angemessene Kenntnisse über die Sprache vorweisen, in welcher das Schiedsverfahren geführt werden soll oder am besten die Sprache fließend beherrschen. Nur so könne er Beweise verstehen und ein späterer Schiedsspruch von ihm verfasst werden, den die Streitparteien auch nachvollziehbar verstehen. Die Sprache ist damit eine besondere Qualifikation, welche die Parteien unbedingt für die Wahl der Schiedsrichter berücksichtigen oder direkt in einer Parteivereinbarung festlegen sollten.211 Die offiziellen Verfahrenssprachen des ICSIDs sind nach Art.  38 Administra­ tion and Financial Regulation, Art.  22 Arbitration Rule und Art.  22 Conciliation Rule Englisch, Französisch und Spanisch. Deswegen bietet es sich an, in einer Parteivereinbarung festzulegen, dass die Schiedsrichter zumindest eine dieser Sprachen fließend sprechen können sollten. Da die meisten ICSID-Verfahren in der englischen Sprache verhandelt werden, wäre es ratsam zu gewährleisten, dass die Schiedsrichter des Englischen mächtig sind.212 209  Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration, S.  276; In einer empirischen Untersuchung von Onyema, Empirically Determined Factors in Appointing Arbitrators in International Arbitration, in: Arbitration, Bd.  73 (2) (2007), S.  199, 205–206, wurden fünf Schlüsselfaktoren herausgearbeitet, die unbedingt bei der Wahl des Schiedsrichters beachtet werden sollten: 1. Reputation, 2. Fachwissen in Bezug auf die Materie des Streitgegenstands, 3. Empfehlung von außenstehenden Rechtsanwälten, 4. Sprachkenntnisse und 5. Fachwissen über das anzuwendende Recht. 210  Born, International Commercial Arbitration, S.  1679. 211  Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration, S.  278; Siehe auch Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  248, Rn.  4.58. 212  Vgl. die veröffentlichten ICSID-Schiedssprüche auf: https://www.italaw.com/ (zuletzt abgerufen am 01.07.2018).

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 191

b) Nationalität Bei der Zusammensetzung des ICSID-Schiedsgerichts ist zudem Art.  39 ICSID Übrk. zu beachten. Art.  39 ICSID Übrk. spricht die Nationalität der Schiedsrichter an und schreibt vor, dass die Mehrheit der Schiedsrichter einer anderen Nationalität angehören muss als jeweils der Nationalität der sich streitenden Parteien. Eine Ausnahme zu dieser Regelung bildet die Möglichkeit, dass alle Schiedsrichter im Einvernehmen der Parteien ernannt wurden.213 Art.  39 ICSID Übrk. schränkt also die Schiedsrichterwahl zwar bezüglich der Nationalität des Schiedsrichters ein, nimmt einem jedoch nicht die Möglichkeit, einen Schiedsrichter seiner eigenen Nationalität zu benennen. Insoweit kommen hinsichtlich der Nationalität der Schiedsrichter grob zwei ratsame Möglichkeiten in Betracht. Entweder wird ein Schiedsrichter der eigenen Nationalität der jeweiligen Streitpartei oder ein Schiedsrichter der Nationalität, die dem anwendbaren Recht im Schiedsverfahren entspricht, benannt. Nach Jeffrey Waincymer neigen die meisten Parteien dazu, einen Schiedsrichter zu wählen, welcher derselben Nationalität wie die benennende Partei oder zumindest demselben Rechtssystem angehört.214 Dagegen meint Nigel Blackaby, dass es ratsam sei (und auch usus sei), einen Einzelschiedsrichter oder vorsitzenden Schiedsrichter zu wählen, der einer anderen Nationalität angehört als der Nationalität der streitenden Parteien.215 In der neutralen Nationalität liege zwar keine Garantie für die Unabhängigkeit des Schiedsrichters. Es fördere sie jedoch und würde auch nach außen hin einen bes213  Als

Beispiel: Kommen die Streitparteien aus Kanada und Deutschland, dürfen zwei der drei Schiedsrichter nicht kanadischer oder deutscher Nationalität sein. Ein Kanadier, ein Deutscher und ein Engländer könnten aber das ICSID-Schiedsgericht besetzen. Durch Einvernehmen der Streitparteien kann sich das Schiedsgericht aber auch aus drei Kanadiern oder drei Deutschen zusammensetzen. Der Report of the Executive Directors zum ICSID-Übereinkommen stellt auch noch einmal klar, dass: „[m]ention has already been made to the fact that the parties are free to appoint conciliators and arbitrators from outside the Panels. While the Convention does not restrict the appointment of conciliators with reference to nationality, Article 39 lays down the rule that the majority of the members of an Arbitral Tribunal should not be nationals of the State party to the dispute or of the State whose national is a party to the dispute. This Rule is likely to have the effect of excluding persons having these nationalities form serving on a Tribunal composed of not more than three members. However, the rule will not apply where each and every arbitrator on the Tribunal has been appointed by agreement of the parties“, ICSID, Report of the Executive Directors on the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States, Rn.  36, abrufbar unter: http://icsid files.worldbank.org/ICSID/ICSID/StaticFiles/basicdoc/partB-section06.htm (zuletzt aufgerufen am 31.06.2018); Siehe auch Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  39, SRn.  14 ff. 214  Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration, S.  277. 215 Vgl. Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  250, Rn.  4.61.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

seren Eindruck machen. Das sei der Grund, warum in der Praxis diesem Prinzip in der Regel auch bei der Zusammensetzung eines Schiedsgerichts aus drei Schiedsrichtern gefolgt würde.216 c) Ausbildung und Erfahrung In der Praxis wird auch die Ausbildung und Erfahrung des Schiedsrichters im Bereich der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit und ein fundiertes Wissen zu den vielen Rechtssystemen des internationalen Schiedsrechts, des Investitionsrechts und des Völkerrechts im Allgemeinen als bedeutend bewertet.217 In diesem Sinne führt auch das ICSID gemäß Art.  12 ICSID Übrk. ein Verzeichnis von Personen, die eine umfangreiche Erfahrung im Bereich der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit vorweisen und von den Parteien als Schiedsrichter für ihren Fall benannt werden können bzw. sollen. d) Interview möglicher Schiedsrichter Blackaby empfiehlt als eine weitere Möglichkeit, ein Interview mit den potenziellen Schiedsrichten durchzuführen, um den richtigen Schiedsrichter zu finden.218 Zur Wahrung der Unabhängigkeit des Schiedsrichters sollte aber ein direkter Kontakt vermieden werden, so dass ein Vertreter der streitenden Parteien das Interview durchführen solle.219 Ein Interview sei zwar von führenden europäischen Schiedsrichtern mit der Behauptung abgelehnt, dass es demütigend sei und oft unsachgemäße Fragen gestellt würden.220 Dem könne aber einfach durch vorab vereinbarte Richtlinien und Vorgaben entgegengesteuert werden.221 Der Grund für ein Interview wäre beispielsweise, einen potenziellen Schiedsrichter darüber zu befragen, ob möglicherweise Interessenkonflikte bestehen könnten. Persönliche Antworten des potenziellen Schiedsrichters wären zudem auch überzeugender als niedergeschriebene Antworten auf Papier. Ferner können auch Fragen über die Erfahrung des Schiedsrichters zum betroffenen Streitgegenstand und über die Verfügbarkeit für die Zusammensetzung des Schiedsge216 So

Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  263; Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration S.  250, Rn.  4.61. 217 Vgl. Dimitropoulos, Constructing the Independence of International Investment Arbitrators: Past, Present and Future, in: Nw. J. Int’l L. & Bus. Bd., 36 (2) (2016), S.  371, 371. 218  Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  253, Rn.  4.72. 219  Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  253, Rn.  4.72. 220  Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  253, Rn.  4.72. 221  Für ein Beispiel zur Führung eines Interviews mit einem potenziellen Schiedsrichter und vorab festzulegenden Richtlinien und Vorgaben siehe Bishop/Reed, Practical Guidelines for Interviewing, Selecting and Challenging Party-Appointing Arbitrators in International Commercial Arbitration, in: Arb. Int’l, Bd.  4 (14) (1998), S.  395–430.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 193

richts sehr hilfreich sein. Auch der physische und psychische Eindruck bzw. der Gesundheitszustand sind wichtige Auswahlkriterien, für deren Überprüfung ein persönliches Interview eine gute Möglichkeit bietet. Schließlich ist ein Interview die beste Möglichkeit, um festzustellen, ob die Schiedsrichter den Vorstellungen der benennenden Partei entspricht. Nach Blackaby könne so herausgefunden werden, ob der Schiedsrichter aufgrund seiner kulturellen Einstellung oder seinem Lebenslauf dazu geneigt sei, für die eigene Partei Sympathie zu entwickeln, aber trotzdem nach außen hin unabhängig und unparteiisch wirke, wenn es um die Erfassung und Interpretation des Sachverhalts und zu der Anwendung des relevanten Rechts kommt.222 3. Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der ICSID-Schiedsrichter ICSID-Schiedsrichter müssen ihr Amt gemäß Art.  14 (1) ICSID Übrk. sowohl unabhängig als auch unparteiisch ausüben. Beide Eigenschaften stellen Kardinaltugenden der ICSID-Schiedsrichter dar und tragen zur Erfüllung der Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips in der Schiedsgerichtsbarkeit bei. Nur so kann ein ICSID-Schiedsgericht ausländischen Investoren eine neutrale Plattform zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten mit dem Gastgeberstaat bieten.223 Außerdem trägt die unabhängige und unparteiische Ausübung des Schiedsrichtermandats einen wesentlichen Teil dazu bei, dass die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID ihre Legitimität erlangt. Es verwundert daher, dass in den frühen Entwürfen zum ICSID-Übereinkommen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter mit keinem Wort berücksichtigt wurde.224 Es wurden lediglich die anderen Qualifikationen unter Art.  14 (1) ICSID Übrk., „high moral character and recognized competence in the field of law, commerce, industry or finance“, ausdrücklich erwähnt.225 Erst am Ende der Arbeiten an dem Entwurf für das Übereinkommen wurde die Voraussetzung der „independence“ in Art.  14 (1) ICSID Übrk. eingefügt, um die

222 

Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  253, Rn.  4.72. Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  253, Rn.  4.72; Cleis, Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  24. 224  Siehe das Working Paper in the Form of a Draft Convention, in: ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1 (1968), S.  19–46; Preliminary Draft of a Convention on the Settlement of Disputes Between States and Nationals of other States, in: ICSID, History of the ICSID Convention Bd.  II-1 (1968), S.  184–235; Für einen Überblick zu den Entwürfen zum ICSIDÜber­einkommen siehe Broches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes Between States and Nationals of Other States, in: ders., Selected Essays: World Bank, ICSID and other Subjects of Public and Private International Law, S.  188 ff. 225  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  I, S.  72. 223 Vgl.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Glaubwürdigkeit und Anerkennung der ICSID-Schiedssprüche zu erhöhen.226 Eine Erklärung für die mangelnde Berücksichtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter durch die Experten, die an dem Entwurf des ICSID-Übereinkommens mitgewirkt haben, mag daran liegen, dass die Qualifikationen in Art.  14 (1) ICSID Übrk. gemäß Art.  40 (2) ICSID Übrk. auch „indirekt“ für solche Schiedsrichter gelten, die von den Parteien ernannt werden.227 Art.  14 (1) gilt von seinem Wortlaut her nur unmittelbar für solche Schiedsrichter, die von den Vertragsstaaten für das Schiedsrichterverzeichnis des ICSID gemäß Art.  12 ICSID Übrk. benannt wurden. Die Diskussion scheint sich lediglich auf die letztere Situation konzentriert zu haben, der den Vertragsstaaten nach Art.  13 (1) ICSID Übrk. auferlegt, vier Personen für das ICSID-Schiedsrichterverzeichnis zu benennen, die später subsidiär vom Vorsitzenden des ICSID Administrative Counsil (ex officia dem Präsidenten der Welt Bank) als Schiedsrichter benannt werden würden (z. B. als Vorsitzender des Schiedsgerichts).228 Zwar wurde über die Möglichkeit diskutiert, dass die Partei, die den Schiedsrichter benennt, diesem eventuell auch Instruktionen geben könnte, wie er sich im Schiedsverfahren zu verhalten habe.229 Andere Interessenkonflikte, welche die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters durch das Verhältnis zu den Parteien beeinträchtigen könnten, fehlen aber in den Gesprächsprotokollen, als wäre die Anwendbarkeit des Art.  14 (1) ICSID Übrk. mit den dort vorgeschriebenen Qualifikationen für potenzielle Schiedsrichter außerhalb des ICSID-Schiedsrichterverzeichnis nicht in Betracht gezogen worden. Mögliche Interessenkonflikte und Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind bei der Ernennung von Schiedsrichtern für ad hoc-Schiedsgerichte aber sehr häufig.230 Abgesehen von der späten Berücksichtigung in den Vertragsverhandlungen zum ICSID-Übereinkommen gilt unter Art.  14 (1) ICSID Übrk., dass es sich bei 226  Siehe

die Draft Convention on the Settlement of Investment Disputes Between States and Nationals of other States, in: ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  617– 618; Siehe zur Diskussion über die Qualifikation der Schiedsrichter, ihr Amt unabhängig auszuüben, Consulting Meeting of Legal Experts (17.–22.02.1964), Summary Record of Proceedings, in: ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  387–388, „[a]rbitrators should not only [be] capable of exercising independent judgement but also of acting with complete impartiality without accepting instructions from the parties appointing the“ und „an express provision specifying that arbitrators must act with complete independence would greatly enhance the international prestige and authority of arbitral awards.“ 227  Cleis, Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  14. 228  Vgl. das Working Paper in the Form of a Draft Convention, abgedruckt in: ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  19–46. 229 Vgl. ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  388. 230 Vgl. Cleis, Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  15.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 195

der unabhängigen und unparteilichen Amtsausübung der ICSID-Schiedsrichter um eine zwingende Voraussetzung handelt.231 Beide Kardinaltugenden haben Schnittstellen, sollen aber nach der Ansicht des Autors wegen ihrer Bedeutung für die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips mit seinem Aspekt der Unabhängigkeit neutraler Richter unterschieden werden.232 a) Die Unparteilichkeit Der Begriff der Unparteilichkeit wird von dem ICSID nicht näher definiert oder eingegrenzt. Bei der Unparteilichkeit handelt es sich im Gegensatz zur Unabhängigkeit, die objektiv anhand von Gegebenheiten festgestellt werden kann, um eine subjektive Voreingenommenheit des Schiedsrichters, entweder zugunsten einer der Streitparteien oder in Bezug auf Streitfragen, die im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen.233 Ob ein Schiedsrichter unparteiisch ist, muss dieser bei der Bekanntgabe seiner Ernennung selbst entscheiden, da eine außen231 Vgl. Blue Bank International & Trust Ltd vs Bolivarian Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/12/20, Decision on the Parties‘ Proposals to Disqualify a Majority of the Tribunal, 12.11.2013, Rn.  58. Die Voraussetzung der Unabhängigkeit, aber nicht der Unparteilichkeit des Schiedsrichters ist in Art.  14 (1) ICSID Übrk. geregelt. Zudem sind die beiden Qualifikationen auch nicht ausdrücklich in der ICSID-Schiedsordnung geregelt. Stattdessen verlangt aber Art.  6 (2) ICSID Arbitration Rules von prospektiven Schiedsrichtern eine Erklärung darüber, dass diese im Schiedsverfahren „will judge fairly as between the parties, according to the applicable law and shall not accept any instruction or compensation“, worin eine Erklärung über die unabhängige und unparteiische Amtsausübung gesehen wird, vgl. Wilke, Interessenkonflikte in der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit: Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Offenlegungspflichten, S.  119. Dass es sich um eine zwingende Voraussetzung handelt, wird u. a. vertreten von: Markert, Challenging Arbitrators in Investment Arbitration: The Challenging Search for Relevant Standards and Ethical Guidelines, in: Contemp. Asia Arb. J., Bd.  3 (2010), S.  237, 243; Rubins/ Lauterburg, Independence, Impartiality and Duty of Disclosure in Investment Arbitration, in: Knahr/Koller/Rechberger/Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  153, 157; Siehe auch die Kommentierung zu Art.  14 ICSID Übrk. in: Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  14. 232  Siehe hierzu Petrochilos, Procedural Law in International Arbitration, S.  131, der von „largely – though not entirely – overlapping notions“ spricht; Siehe auch Mustill/Boyd, Commercial Arbitration: 2001 Companion Volume to the Second Edition, S.  96, die von einem „pair of linked concepts“ sprechen. 233  Vgl. hierzu in der Frage der schiedsrichterlichen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit stets als Quelle angegebenen Redfern/Hunter/Blackaby/Parasides, Law and Practice of International Commercial Arbitration, Rn.  4.51: „Impartiality is thus a subjective and more abstract concept than independence, in that it involves primarily a state of mind“ und „By contrast the concept of impartiality is considered to be connected with actual or apparent bias of an arbitrator – either in favor of one of the parties or in relation to the issues in disputes“. Siehe auch Barry, Justice as Impartiality, Bd.  II, S.  13 f.: „Judges are supposed to be unmoved by personal

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

stehende Person schwer Voreingenommenheit des Schiedsrichters beurteilen kann.234 Trotz vieler Versuche existiert kein universaler Begriff der Unparteilichkeit.235 Das Blacks Law Dictionary beschreibt unparteiisch als desinteressiert, neutral und unvoreingenommen („unbiased disinterested“).236 Wird der Begriff der Unparteilichkeit zurück auf seine lateinischen Wurzeln und seine Grundbedeutung geführt, wird deutlich, dass die Bedeutung und Funktion der Unparteilichkeit mit dem Grundsatz der Fairness und der Legitimation des ICSID-Streitbeilegungsmechanismus eng verknüpft ist. Als „aequus“ und „integer“237 wurde im Verlauf der Begründung des römischen Rechtssystems die geistige und moralische Haltung des von den Streitparteien gerufenen Schiedsrichters qualifiziert, der seine Entscheidung bei Streitfragen „leidenschaftslos“ fällen sollte.238 Die Dringlichkeit und Aktualität der moralisch-ethischen Ansprüche, denen ein Schiedsrichter und die ihn bestellende Partei ausgesetzt sind, sind damals wie heute von gleicher Bedeutung239. An der Möglichkeit der persönlichen und beruflichen Verflechtung eines Schiedsrichters mit der ihn bestellenden Partei bzw. mit dem Streitgegenstand hat sich nichts Grundsätzliches geändert.240 b) Die Unabhängigkeit Das ICSID-Übereinkommen definiert weder den Begriff der Unabhängigkeit des Schiedsrichters noch grenzt er sie ein. Die wohl gängigste Definition der Unabinterests or the congeniality or otherwise of those who appear before them. ‚Sine ira et studio‘, without hatred or passion, and hence without affection or enthusiasm.“ 234 Vgl. Derain/Schwartz, A Guide to the New ICC Rules of Arbitration, S.  118. 235  Als Erklärung dafür könnte dienen, dass die Definitionsversuche regelmäßig in der Umschreibung enden, was nicht unter Unparteilichkeit zu verstehen ist, vgl. Eastwood, A Real Danger or Confusion? The English Law Relating to Bias in Arbitrators, in: Arb. Int’l, Bd.  3 (2001), S.  287, 294. 236  Garner/Black, Black’s Law Dictionary, S.  767. 237  „Aequus, a, um – gleich gegen den einen wie den anderen verfahrend, besonders in Rechtssachen unparteiisch“, in: Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd I, S.  194; „integer, gra, grum – in geistiger und moralischer Hinsicht vorurteilsfrei, unbefangen, leidenschaftslos und unverdorben“, in: Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd.  II, S.  342. 238  So auch Barry, Justice as Impartiality, Bd.  II, S.  13 f.: „Judges are supposed to be unmoved by personal interests or the congeniality or otherwise of those who appear before them. […] ‚Sine ira et studio‘, without hatred or passion, and hence without affection or enthusiasm. […] affectless“. 239 Vgl. Wilke, Interessenkonflikte in der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit: Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Offenlegungspflichten, S.  119. 240 Vgl. Wilke, Interessenkonflikte in der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit: Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Offenlegungspflichten, S.  119.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 197

hängigkeit verlangt, dass weder mit den Streitparteien noch ihren Interessenvertretern enge Kontakte finanzieller, beruflicher oder privater Art bestehen dürfen.241 Die Unabhängigkeit stellt die Qualifikation eines Schiedsrichters dar, die anhand von objektiven Tatsachen, wie frühere oder existierende Beziehungen zu anderen Personen, erkannt und bewertet werden kann.242 Eine Bewertung der Unabhängigkeit eines Schiedsrichters sollte anhand der objektiven Tatsachen­ lage auch immer bereits vor der Bestellung des Schiedsrichters vorgenommen werden.243 Auch für den Grundsatz der Unabhängigkeit als Qualifikation des Schiedsrichters ist es hilfreich, sich auf den lateinischen Ursprung zu beziehen. Mit dem lateinischen Wort „liber“ wurde im römischen Rechtssystem die grundsätzlich materielle und ideelle Freiheit („libertas“) des römischen Bürgers gegenüber dem Staat umschrieben.244 Ein Schiedsrichter wird dem Grundsatz des römischen Rechtssystems folgend über die Tugend der Unabhängigkeit dazu verpflichtet, frei von materiellen und ideellen Überlegungen zu entscheiden. c) Die Offenlegungspflicht möglicher Ablehnungsgründe des Schiedsrichters Um den Streitparteien die Bestellung von unabhängigen und unparteiischen Entscheidungsträgern zu ermöglichen, sind Schiedsrichter dazu verpflichtet, alle Informationen über den persönlichen und professionellen Lebenslauf mit den Parteien zu teilen. Nach Art.  6 (2) ICSID Arbitration Rules sind ICSID-Schiedsrichter nicht nur dazu verpflichtet „past and present professional, business and other relationships (if any) with the parties“, sondern „any other circumstance that might cause [their] reliability for independent judgement to be questioned by a party“ 241 Vgl. Redfern/Hunter/Blackaby/Parasides, Law and Practice of International Commercial Arbitration, Rn.  4.51: „It is generally considered that independence is concerned exclusively with questions arising out of the relationship between an arbitrator and one of the parties, whether financial or otherwise. This is considered to be susceptible to an objective test, because it has nothing to do with an arbitrators state of mind“; Siehe auch Kee, Judicial Approaches to Arbitrator Independence and Impartiality in International Commercial Arbitration, in: Knahr/ Koller/Rechberger/Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  181, 183; Markert, Challenging Arbitrators in Investment Arbitration, The Challenging Search for Relevant Standards and Ethical Guidelines, in: Contemp. Asia Arb. J., Bd.  3 (2010), S.  237, 243. 242 Vgl. Derain/Schwartz, A Guide to the New ICC Rules of Arbitration, S.  118. 243 Vgl. Blackaby, in: Redfern/Hunter on International Arbitration, S.  255, Rn.  4.81. 244  „liber, a, um“ – unabhängig (keinem Herrscher unterworfen), frei in Bezug auf Urteil und Willen, Denken und Reden; die „libertas“ war Kerngehalt des römischen Bürgerrechts, das durch die Inanspruchnahme von Rechten gegenüber der Staatsgewalt gekennzeichnet war, in: Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd.  II, S.  634 f.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

offenzulegen. Bei der Offenlegungspflicht ist immer der Maßstab entscheidend, ob ein bestimmter Umstand begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsrichters aufkommen lässt.245 Im Vergleich zu Art.  57 ICSID Übrk., der den Parteien die Möglichkeit an die Hand gibt, einen bestellten Schiedsrichters wegen mangelnder Qualifikation vom Schiedsgericht auszuschließen, verfolgt Art.  6 ICSID Arbitration Rule den Zweck, unabhängige oder unparteiische Schiedsrichter zu bestellen, anstatt sie erst während des Schiedsverfahrens aus Befangenheitsgründen auszuschließen.246 Art.  6 ICSID Arbitra­ tion Rules ist dabei von der Offenlegungspflicht der Schiedsrichter auch umfassender, so dass die potenziellen Schiedsrichter lieber zu viel als zu wenig offenlegen sollten.247 Legt der Schiedsrichter Gründe offen, die eine Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit darstellen können, und beanstanden beide Parteien keinen der offengelegten Gründe, dann ist jede Beanstandung der Parteien aufgrund der zuvor offengelegten Gründe während des Schiedsverfahrens unwirksam.248 Das wird auch durch Rule 27 ICSID Arbitration Rules (waiv­ er) klargestellt, die regelt, dass eine Partei, die nicht unverzüglich Einspruch bei einem angeblichen Verstoß gegen eine einschlägige Regel erhebt, ihr Recht auf Widerspruch aufgegeben hat bzw. Präklusion eingetreten ist: „A party which knows or should have known that a provision of the Administrative and Financial Regulations, of these Rules, of any other rules or agreement applicable to the proceedings, proof an order of the Tribunal has not been complied with and which fails to state promptly its objections thereto, shall be deemed – subject to Article 45 of the Convention – to have waived its right to object.“

245  ICSID, Suggested Changes to the ICSID Rules and Regulations, Working Paper of the ICSID Secretariat (12.05.2005), online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Docu ments/resources/Suggested%20Changes%20to%20the%20ICSID%20Rules%20and%20Re gulations.pdf (zuletzt abgerufen am 04.07.2018); Luttrell, Bias Challenges in International Commercial Arbitration: The Need for a „Real Danger“ Test, S.  222; Rubins/Lauterburg, Independence, Impartiality and Duty of Disclosure in Investment Arbitration, in: Knahr/Koller/ Rechberger/Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  153, 160; Reed/Paulsson/Blackaby, Guide to ICSID Arbitration, S.  133; Sheppard, Arbitrator Independence in ICSID Arbitration, in: Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich (Hrsg.), International Investment Law for the 21st Century: Essays in Honour of Christoph Schreuer, S.  131, 155. 246 Vgl. Rogers, The Ethics of International Arbitrators, in: Newman/Hill (Hrsg.), The Leading Arbitrators Guide to International Arbitration, S.  621, 638; Fatima-Zahra, The Rising Issue of „Repeat Arbitrators“: A Call for Clarification, in: Arb. Int’l, Bd.  25 (2009), S.  103, 118. 247 Vgl. Rogers, The Ethics of International Arbitrators, in: Newman/Hill (Hrsg), The Leading Arbitrators Guide to International Arbitration, S.  621, 638; Fatima-Zahra, The Rising Issue of „Repeat Arbitrators“: A Call for Clarification, in: Arb. Int’l, Bd.  25 (2009), S.  103, 118. 248 Vgl. Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  278 f.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 199

4. Die Bestimmung von Interessenkonflikten oder anderen Umständen, die zur Befangenheit des Schiedsrichters führen können Sobald die Schiedsrichter ihre Benennung durch die Parteien angenommen haben, müssen sie nach Reg. 6 der ICSID-Schiedsordnung eine Erklärung unterschreiben, mit der sie versichern, dass keine Interessenkonflikte oder andere Umstände vorliegen, die ihre unabhängige und unparteiische Urteilsfindung beeinträchtigen könnten. Zusätzlich haben die Schiedsrichter die Pflicht, alle Umstände auch während des Schiedsverfahrens gegenüber den Parteien offenzulegen, die zu einem Interessenkonflikt und einer Beeinträchtigung der unabhängigen und unparteiischen Urteilsfindung führen könnten.249 Schreuer definiert in seinem Kommentar zum ICSID-Übereinkommen den Interessenkonflikt als „objective criterion that is independent of the moral character of the arbitrator in question.“250 Unter der Anwendung der Regeln des ICSIDÜber­einkommens haben sich Grundsätze herausgebildet, bei denen ein Interessenkonflikt beim Schiedsrichter eintreten kann und als Folge eine Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründet wird.251 249 

Reg. 6 ICSID-Schiedsordnung regelt: „(1) The Tribunal shall be deemed to be constituted and the proceeding to have begun on the date the Secretary-General notifies the parties that all the arbitrators have accepted their appointment. (2) Before or at the first session of the Tribunal, each arbitrator shall sign a declaration in the following form: „To the best of my knowledge there is no reason why I should not serve on the Arbitral Tribunal constituted by the International Centre for Settlement of Investment Disputes with respect to a dispute between ______and______. „I shall keep confidential all information coming to my knowledge as a result of my participation in this proceeding, as well as the contents of any award made by the Tribunal. „I shall judge fairly as between the parties, according to the applicable law, and shall not accept any instruction or compensation with regard to the proceeding from any source except as provided in the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States and in the Regulations and Rules made pursuant thereto.“ „Attached is a statement of (a) my past and present professional, business and other relationships (if any) with the parties and (b) any other circumstance that might cause my reliability for independent judgment to be questioned by a party. I acknowledge that by signing this declaration, I assume a continuing obligation promptly to notify the Secretary-General of the Centre of any such relationship or circumstance that subsequently arises during this proceeding.“ Any arbitrator failing to sign a declaration by the end of the first session of the Tribunal shall be deemed to have resigned.“ 250  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  40, Rn.  21; Hinzu kommt, dass Reg. 1 (4) ICSID-Schiedsordnung regelt, dass „[n]o person who had previously acted as a conciliator or arbitrator in any proceeding for the settlement of the dispute may be appointed as a member of the Tribunal.“ 251  Siehe hierzu Sasson, Investment Arbitration: Procedure, in: Bungenberg/Griebel/Hobe/ Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  1288, 1325.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Eine solche Gefahr besteht unter anderem, wenn eine Verbindung zwischen dem Schiedsrichter und einer der Streitparteien besteht (a.) oder wenn der Schiedsrichter in einem anderen Schiedsverfahren als Anwalt einer dritten Partei tätig ist und sich mit ähnlichen rechtlichen Fragen beschäftigt (issue conflict) (b.).252 Die beiden hier dargestellten Gründe haben ihren Ursprung in der Möglichkeit des sogenannten „double hatting“.253 Damit wird die Möglichkeit beschrieben, dass ein Schiedsrichter unter dem ICISD-Übereinkommen sowohl die Funktion des Schiedsrichters als auch die Funktion des Parteivertreters bzw. Rechtsanwalts in verschiedenen Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren einnehmen kann. Diese Doppelfunktion birgt die Gefahr einer wesentlichen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters.254 a) Beziehung zu einer der Parteien Ein Interessenkonflikt kann in der Person des Schiedsrichters entstehen, wenn eine Beziehung freundschaftlicher oder wirtschaftlicher Art zu einer der Streitparteien besteht. Für die Bewertung, ob eine solche Beziehung zur offensichtlichen Beeinträchtigung (manifest lack) der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und damit zu einem Interessenkonflikt bei einem ICSID-Schiedsrichter führt, sei hier als Beispiel ein von Nigel Blackaby beschriebener vier-Punkte-Test dargestellt, der sich aus dem Schiedsurteil in dem Fall Vivendi gegen Argentinien herausgebildet hat und der nach objektiven Kriterien zu prüfen ist:255 1. Unmittelbarkeit: Wie unmittelbar ist die behauptete Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und der Partei? Umso unmittelbarer die Beziehung sei, umso wahrscheinlicher sei die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters. 2. Intensität: Wie intensiv und wie oft ist die Interaktion als Folge der Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und einer der Parteien? Umso öfter und intensiver eine Interaktion sei, umso wahrscheinlicher die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. 3. Abhängigkeit: Bis zu welchem Grad ist der Schiedsrichter von den Vorteilen finanzieller oder ideeller Art abhängig, welche die Beziehung zu einer der Parteien mit sich bringt? Umso abhängiger der Schiedsrichter von Vorteilen aus dieser Beziehung sei, umso wahrscheinlicher sei die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters. 252 Vgl.

Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  274, Rn.  4.132. hierzu Sardinha, The Impetus for the Creation of an Appellate Mechanism, in: ICSID Review (2017), S.  503, 512, 521 und 523. 254 Vgl. Sardinha, The Impetus for the Creation of an Appellate Mechanism, in: ICSID Review (2017), S.  503, 512 und 523. 255 Siehe zu dem Test Blackaby in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  269 f., der aus der Entscheidung Compania de Aguas del Aconquija S.A: and Vivendi Univer­ sal vs Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/97/3, Decision on the Challenge to the President of the Committee, 03.10.2001, entstanden ist. 253  Siehe

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 201 4. Wesentlichkeit: Wie wesentlich sind die Vorteile für den Schiedsrichter, die er aus der Beziehung mit einer der Parteien zieht? Umso wesentlicher die gezogenen Vorteile aus der Beziehung mit einer der Parteien für den Schiedsrichter sein würden, umso wahrscheinlicher die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters.256

b) Gegenläufige Vorbefassung einer ähnlichen Rechtsfrage Zudem kann ein Interessenkonflikt wegen einer gegenläufigen Vorbefassung einer ähnlichen Rechtsfrage bei einem ICSID-Schiedsrichter entstehen (issue con­ flict). Dieser Interessenkonflikt entsteht, wenn sich ein Rechtsanwalt in einem Fall als Schiedsrichter dogmatisch und objektiv mit einer Rechtsfrage auseinandersetzen soll und die gleiche Rechtsfrage als Prozessvertreter einer Partei in einem anderen Schiedsverfahren im Interesse seines Mandanten vertreten muss.257 In einer solchen Situation muss sich der Schiedsrichter die Behauptung entgegenhalten lassen, dass er nicht unparteiisch in der Rechtsfrage entscheiden kann. Diesem Konflikt ist ein Schiedsrichter vor allem in Investor-Staat-Schiedsverfahren ausgesetzt.258 Hier beschränkt sich die materielle Streitfrage grundsätzlich auf das Verbot entschädigungsloser Enteignungen (direkt oder indirekt), den Grundsatz billiger und gerechter Behandlung oder diskriminierender Maßnahmen.259 Zudem ist die Anzahl der gewählten Schiedsrichter auf eine übersichtliche Anzahl an bekannten internationalen Rechtsanwälten beschränkt, was die Wahrscheinlichkeit eines Interessenkonflikts durch Behandlung einer ähnlichen Rechtsfrage erhöht.260 Ein solcher Interessenkonflikt war Bestandteil in dem Investor-Staat-Schiedsverfahren zwischen der Republik Ghana und der Telekom Malaysia.261 Nachdem in dem Schiedsverfahren beide Parteien jeweils den Schiedsrichter der anderen Partei erfolgreich angefochten und vom Schiedsverfahren ausgeschlossen hatten, wollte die Telekom Malaysia einen Ersatzschiedsrichter bestellen. Ghana hatte auch bei diesem einen Ablehnungsantrag gestellt, weil der Schiedsrichter gleichzeitig in einem anderen Investor-Staat-Schiedsverfahren als Vertreter eines Investors tätig war, bei dem ähnliche Rechtsfragen streitentscheidend waren. Aus die256 

Vgl. zu der Darstellung von diesem Test Blackaby in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  269, Rn.  4.121. 257  Blackaby in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  274, Rn.  4.132. 258  Blackaby in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  274, Rn.  4.132. 259  Siehe hierzu auch oben unter B. II. 2. b) cc). 260  Siehe hierzu Vito G. Gallo vs Canada, IIC 404 (2009), Decision on the Challenge of an Arbitrator, 14.10.2009; Blackaby in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  274, Rn.  4.132; Sardinha, The Impetus for the Creation of an Appellate Mechanism, in: ICSID Review (2017), S.  503, 523 261  Telekom Malaysia Berhard vs The Republic of Ghana, Case No. HA/RK 2004, 788, Decision of the District Court of the Hague, 5.11.2004.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

sem Grund behauptete Ghana, dass der potenzielle Ersatzschiedsrichter aufgrund der gegenläufigen Vorbefassung zu derselben Rechtsfrage in seiner Position als Schiedsrichter nicht mehr objektiv entscheiden könne, sondern aufgrund dessen zu Gunsten von Telekom Malaysia Partei beziehen würde. Seine Unparteilichkeit war deswegen beeinträchtigt.262 In seiner Entscheidung verdeutlichte das Gericht die Unvereinbarkeit der Rolle als Schiedsrichter und Anwalt.263 Das Gericht gab dem Schiedsrichter die Möglichkeit, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit auszuräumen, indem er innerhalb von zehn Tagen das Mandat als Vertreter des Investors in dem anderen Verfahren niederlegen sollte.264 5. Die Ablehnung von ICSID-Schiedsrichtern Die prozessuale Durchsetzung der in Art.  14 (1) ICSID Übrk. geregelten Qualifikationen, vor allem mit der dort vorausgesetzten unabhängigen und unparteiischen Amtsausübung durch die Schiedsrichter, ermöglicht Art.  57 ICSID Übrk, der unter bestimmten Voraussetzungen die Ablehnung eines Schiedsrichters regelt: „A party may propose to a Commission or Tribunal the disqualification of any of its members on account of any fact indicating a manifest lack of the qualities required by paragraph (1) of Article 14. A party to arbitration proceedings may, in addition, propose the disqualification of an arbitrator on the ground that he was ineligible for appointment to the Tribunal under Section 2 of Chapter IV.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Die Ablehnung des Schiedsrichters kann damit aufgrund des Fehlens einer genaueren Regelung an zwei Punkten des ICSID-Schiedsverfahrens vorgenommen werden. Zum einen eine Disqualifizierung des Schiedsrichters vom laufenden Schiedsverfahren265 und zudem können die Parteien ein Aufhebungsverfahren 262  Siehe hierzu und zum „issue conflict“ auch Levine, Dealing with Arbitrator „Issue Conflicts“ in International Arbitration, in: Disp. Res. J., Bd.  3 (2006), S.  60, 62; Peterson, Dutch Court finds Arbitrator in Conflict Due to Role of Counsel to Another Investor, in: Investment Law and Policy Weekly News Bulletin (17.12.2004), S.  1–3. 263  Vgl. District Court of Den Haag, Civil Law Section, provisional measures judge, challenge no 13/2004, Petition HA/RK2004/667, Decision of 18.10.2004, S.  6, in der das Gericht der Meinung war: „Even if this arbitrator were able to sufficiently distance himself in chambers from his role as attorney in the reversal proceedings […] account should be taken of the appearance of his not being able to observe the said distance. Since he has to play these two parts, it is in any case impossible for him to avoid the appearance of not being able to keep these two parts strictly separated.“; Siehe zu dieser Entscheidung auch Levine, Dealing with Arbitrator „Issue Conflicts“ in International Arbitration, in: Disp. Res. J., Bd.  3 (2006), S.  60, 63. 264  District Court of Den Haag, Civil Law Section, provisional measures judge, challenge no 13/2004, Petition HA/RK2004/667, Decision of 18.10.2004. 265  Siehe hierzu auch Luttrell, Bias Challenges in International Commercial Arbitration: The Need for a „Real Danger“ Test, S.  220;

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 203

nach Art.  52 ICSID Übrk. auch dann noch einleiten, nachdem das Schiedsgericht sein Urteil gefällt hat. Das ist aber nur möglich, wenn die Streitpartei bereits während des Schiedsverfahrens einen Schiedsrichter wegen mangelnder Qualifikation ausschließen wollte, und dass die Zweifel an der fehlenden Qualifikation des Schiedsrichters begründet sind.266 Der Maßstab an die in Art.  57 ICSID Übrk. geregelte mögliche Ablehnung eines Schiedsrichters liegt in der „Offensichtlichkeit“, dass dieser nicht die in Art.  14 (1) ICSID Übrk. geforderten Qualifikationen besitzt („a manifest lack of the qualities required by Art.  14 (1) ICSID Übrk.“).267 Der Wortlaut spricht für einen besonders hohen Maßstab zur Begründung der Ablehnung eines ICSIDSchieds­richters und eine besonders schwere Beweislast für die ablehnende Partei im Sinne eines konkreten Beweises für einen Interessenkonflikt in der Person des Schiedsrichters. In den Aufzeichnungen zum Entwurf des ICSID-Übereinkommens finden sich leider keine Hinweise darüber, was mit „manifest lack“ in Art.  57 ICSID Übrk. gemeint ist bzw. welcher Maßstab für die Begründung des Ablehnungsgrundes anzuwenden ist und wie die Beweisführung aussehen soll. Allerdings wurde ursprünglich die Tatbestandsvoraussetzung des „manifest lack“ der in Art.  14 (1) ICSID Übrk. dargelegten Qualifikationen, einschließlich der unabhängigen und unparteiischen Amtsausübung, nicht in das ICSID-Übereinkommen aufgenommen. Diese ist erst am Schluss der Verhandlungen eingefügt worden. Der vorläufige Entwurf des ICSID-Übereinkommens ermöglichte den Parteien die Ablehnung eines Schiedsrichters zu beantragen „on the ground that he has an interest in the subject matter of the dispute or that he had, prior to his appointment, dealt with the dispute in any capacity whatever.“268 Diese eingeschränkte Ablehnungs266 

Luttrell, Bias Challenges in International Commercial Arbitration: The Need for a „Real Danger“ Test, S.  219. Ein begründeter Zweifel an der Qualifikation des Schiedsrichters, wie seiner Unabhängigkeit, stellt in der Schiedsgerichtsbarkeit eine fundamentale Abweichung grundlegender Verfahrensregeln dar: Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Cameroon and Société Camerounaise des Engrais, ICSID Case No. ARB/81/2, Decision of the ad hoc Committee, 05.03.1985, S.  119: „[a] serious departure from a fundamental rule of procedure“. 267  Andere Schiedsverfahrensregeln verlangen nach ihrem Wortlaut einen weitaus geringeren Maßstab für die Ablehnung eines Schiedsrichters als die ICSID Arbitration Rules. Art.  12 (1) UNCITRAL Arbitration Rules schreiben „justifiable doubts“ als Maßstab für die Ablehnung eines Schiedsrichters. Auch die SCC Schiedsverfahrensregeln schreiben in Art.  15 (1) SCC Rules „justifiable doubts“ als Maßstab für die Ablehnung eines Schiedsrichters vor. Beide ähneln dem Maßstab, der bereits oben zu §  1036 ZPO diskutiert wurde und wesentlich zur Garantie eines unabhängigen und unparteiischen Schiedsrichters im Sinne des Rechtsstaatsprinzips beiträgt, siehe oben 1. Kapitel A. I. 2. b) cc). 268  ICSID, History of the ICSID Convention (1968), Bd.  II-1, S.  45: Working Paper in the Form of a Draft Convention, Art. VII, §  6 (1)–(2).

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

möglichkeit eines Schiedsrichters wurde aus dem vorläufigen Entwurf des ICSID-Übe­ reinkommens wieder verbannt und auf die Möglichkeit, einen Schiedsrichter abzulehnen „on account of any fact whether antecedent or subsequent to the constitution of the commission or Tribunal“, erweitert.269 Nachdem auch diese weit umfassende Ablehnungsmöglichkeit eines Schiedsrichters kritisiert wurde und eine detailliertere Regelung gewünscht war, wurde in Art.  60 des Entwurfes des ICSID-Übereinkommens der Wortlaut aufgenommen: „A party may propose the disqualification of a conciliator or an arbitrator on account of any fact indicating a manifest lack of the qualities required by Article 14(1).“270

Dieser Art.  60 des Entwurfs zum ICSID-Übereinkommen war dem Wortlaut des Art.  57 ICSID Übrk. schon sehr ähnlich und enthielt bzw. erforderte bereits die Tatbestandsvoraussetzung des „manifest lack“ der in Art.  14 (1) ICSID-Übrk. geregelten Qualifikationen für die Ablehnung eines Schiedsrichters.271 In den folgenden Verhandlungszeiträumen wurde nicht weiter über die Voraussetzungen zur Ablehnung von Schiedsrichtern diskutiert.272 Damit wurde während der Verhandlungen nie festgelegt, welcher Maßstab beim „manifest lack“ anzuwenden ist bzw. die Frage beantwortet, wann offensichtliche Zweifel beim Schiedsrichter vorliegen.273 Cleis argumentiert zur fehlenden Festlegung des anzuwendenden Maßstabs, dass die Entstehungsgeschichte des Art.  57 ICSID Übrk. „abundantly clear“ dafürspricht, dass es wohl nie die Absicht war, eine besonders schwere Beweislast auf die anfechtenden Parteien zu legen, um offensichtliche Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsrichters zu begründen.274 Es sei eher das Gegenteil der Fall. Die zunächst sehr weite Bestimmung zur Ablehnung von Schiedsrichtern wurde durch die spezifischere in Art.  57 ICSID Übrk. geregelte Bestimmung ersetzt, um eine effektivere Ablehnung von voreingenommenen oder von den Parteien abhängigen Schiedsrichtern zu gewährleisten.275 Wäh269 

ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  223: Preliminary Draft of a Convention on the Settlement of Investment Disputes Between States and Nationals of other States, Art. V, §  2 (1). 270  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1. S.  529: Consultative Meeting of Legal Experts (27.04.–01.05.1964), Summary Record of proceedings und S.  638: Draft Convention on the Settlement of Investment Disputes Between States and Nationals of other States. 271  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  638: Draft Convention on the Settlement of Investment Disputes Between States and Nationals of other States. 272  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-2, S.  993: Memorandum of the Meeting of the Committee of the Whole (23.02.1965). 273  Siehe dazu auch ausführlich Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  16 ff. 274  Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  17. 275  Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  17.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 205

rend bei den Vertragsverhandlungen zum Art.  57 ICSID Übrk. betont wurde, dass bloße Behauptungen ohne sachliche Begründung als Grundlage einer erfolgreichen Ablehnung eines Schiedsrichters nicht ausreichen sollten, wurde der Maßstab für eine erfolgreiche und begründete Ablehnung bzw. Anfechtung von Schiedsrichtern nie festgelegt.276 In Ermangelung eines Hinweises auf die tatsächliche Beweislast der anfechtenden oder ablehnenden Partei sei deswegen davon auszugehen, dass die offensichtlichen Zweifel an der Qualifikation des Schiedsrichters in Art.  57 ICSID Übrk. den Maßstab für die Ablehnung bzw. die Anfechtung nicht ungewöhnlich hochlegt.277 Auch Daele argumentiert, dass der Wortlaut des „manifest lack“ in Art.  57 ICSID Übrk. zudem auch losgelöst von anderen Artikeln des ICSID-Übereinkommens ausgelegt werden soll.278 Alle anderen Artikel im ICSID-Übereinkommen, in denen der Wortlaut ebenfalls ein „manifest lack“ ausdrückt, beschreiben außergewöhnliche Umstände, unter denen die grundsätzlichen Verfahrensrechte der Streitparteien eingeschränkt würden.279 Das sei bei der Auslegung von Art.  57 ICSID Übrk. aber gerade nicht der Fall.280 Die Anforderungen an einen Schiedsrichter, dass dieser sein Amt unabhängig und unparteiisch auszuüben hat, können nicht durch die Privatautonomie der Parteien eingeschränkt werden.281 Im Rahmen des ICSID-Streitbeilegungssystems handelt es sich bei dem Recht der Parteien auf einen unabhängigen und unparteiischen Schiedsrichter vielmehr um einen zwingenden Verfahrensgrundsatz, der durch Ablehnungsanträge der Parteien prozessual durchgesetzt und gesichert wird.282 Würde der Wortlaut „manifest“ strikt und wörterbuchgetreu ausgelegt werden, würde durch einen so hohen Maßstab der Beweislast, die Notwendigkeit von besonders hohen Standards der 276 Vgl. ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-2, S.  728, Summary Proceedings of the Legal Committee Meeting (30.11.1964): „[A] very manifest lack of the qualities enumerated in Article 14 would be necessary for challenging a member of a panel.“; und ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-2, S.  970: Memorandum of the Meeting of the Committee of the Whole (16.02.1965): „[I]t was not enough, however, to allege that the arbitrator was not of high moral character, but to establish facts indicating a manifest lack of that quality.“ 277  Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  17. Siehe hierzu auch Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-027. 278  Siehe hierzu die Argumentation von Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-028 bis 5-030. 279 Vgl. Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-031. 280 Vgl. Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-032. 281 Vgl. Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-032. 282 Vgl. Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-032.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

schiedsrichterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in ICSID-Schiedsverfahren untergraben werden.283 Gerade deswegen sollte der Rechtsbehelf in Art.  57 ICSID Übrk. nur insoweit eingeschränkt sein (und eben keinen hohen Maßstab setzen), als es notwendig ist, um seinen Missbrauch zu vermeiden, „offensichtlich“ unbegründete Ablehnungsanträge für ungültig zu erklären und die Effektivität des Schiedsverfahrens zu gewährleisten.284 Aus diesen Gründen ist es durchaus vertretbar, den Begriff „manifest lack“ in Art.  57 ICSID Übrk. so zu verstehen, dass er einen freizügigen Maßstab ansetzt, den die Schiedsgerichte im ICSID-Schiedsverfahren dann für den Einzelfall anwenden und auslegen sollen. In der Praxis der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit wird größtenteils eine strikte, wörterbuchgetreue Auslegung des Wortlauts „manifest lack“ angewendet. Das hat einen sehr hohen Maßstab der Beweislast bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern zur Folge und erfordert einen konkreten Beweis für einen Interessenkonflikt.285 Dementsprechend haben trotz beeinträchtigender Umstände der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nur wenige Ablehnungsverfahren gegen Schiedsrichter in ICSID-Schieds­verfahren Erfolg.286 Dazu kommt eine unterschiedliche bzw. uneinheitliche Anwendung und Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung des „manifest lack“ und damit des Maßstabs für Art.  57 ICSID Übrk. durch die ICSIDSchieds­gerichte.287 Als Grund für die Inkonsistenz in der ICSID-Schiedsge283 Vgl. Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-032. 284 Vgl. Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5-032. 285 Vgl. Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona and Interagua Servicios Intergrales del Agua S.A. vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/03/17, 22.10.2007, Decision on the Proposal for the Disqualification of a Member of the Arbitral Tribunal, Rn.  30: „Manifest de­ notes a relative heavy burden of proof.“; Ähnliche Entscheidungen wurden gefällt in: Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona SA and Vivendi Universal SA vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/03/17 and ICSID Case No ARB/03/19, Decision on a Second Proposal for the Disqualification of a Member of the Arbitral Tribunal, 12.05.2008, Rn.  29; EDF Inter­ national SA, SAUR International SA and Leo’n Participaciones Argentinas SA vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/03/23, 25.06.2008, Challenge Decision Regarding Professor Gabrielle Kaufmann-Kohler, Rn.  68: „Something is ‚manifest‘ if it can be discerned with little effort and without deeper analysis“; Nations Energy, Inc and others vs Republic of Panama, ICSID Case No ARB/06/19, Challenge to Dr. Stanimir A. Alexandrov (on the Annulment Committee), 07.09.2011, Rn.  65: „We have already established that the burden of proof concerning the facts that make evident and probable to the highest degree, and not only possible […]“. 286  Siehe hierzu ausführlich Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  49 ff., 51. 287  Siehe hierzu ausführlich Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators,

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 207

richtsbarkeit wird das Fehlen einer formalen Regelung für die Verbindlichkeit von Präzedenzfällen in der Schiedsgerichtsbarkeit angeführt.288 Schiedsrichter seien es gewohnt, Einzelstreitigkeiten zu entscheiden, ohne ihre Erwägungen in ein System der bestehenden Rechtsprechung einordnen zu müssen.289 Auch bei der Entscheidung über Ablehnungen von Schiedsrichtern würden sie sich deswegen nicht an frühere Ablehnungsentscheidungen anderer Schiedsgerichte und den darin festgelegten Maßstab für die Tatbestandsvoraussetzung des „manifest lack“ gebunden fühlen.290 Der Ablehnungsantrag eines Schiedsrichters nach Art.  57 ICSID Übrk. sollte gemäß Art.  9 ICSID Übrk. unverzüglich geltend gemacht werden, damit der Rechtsbehelf nicht zeitlich präkludiert ist.291 Nach Art.  58 ICSID Übrk. entscheiden die übrigen („unchallenged“) Schiedsrichter über den Ablehnungsantrag ohne Beisein des angefochtenen Schiedsrichters.292 Bei Stimmengleichheit oder bei einem Antrag auf Ablehnung eines Einzelschiedsrichters oder, falls die Mehrheit der Schiedsrichter des Schiedsgerichts von dem Ablehnungsgesuch betroffen ist, entscheidet nach Art.  58 ICSID Übrk. S.  35 ff., die eine Analyse verschiedener Ablehnungsentscheidungen von Schiedsrichtern durch ICSID-Schiedsgerichte darstellt. 288  Caron, Investor State Arbitration: Strategic and Tactical Perspectives on Legitimacy, in: Suffolk Transnat’l. L.J., Bd.  32 (2) (2008), S.  513, 516 f.; Rubins/Lauterburg, Independence, Impartiality and Duty of Disclosure in Investment Arbitration, in: Knahr/Koller/Rechberger/ Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  153, 164. 289  Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  50. 290  Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  50. 291 Vgl. Kinnear/Nitschke, Disqualification of Arbitrators under the ICSID Convention and Rules, in: Giorgetti (Hrsg.), Challenges and Refusal of Judges and Arbitrators in International Courts and Tribunals, S.  34, 44; In dem Fall Suez and other vs Argentina wurde durch das Schiedsgericht entschieden, dass ein Ablehnungsantrag, der erst 52 Tage nach Kenntnis der Ablehnungsgründe geltend gemacht wird, nicht „unverzüglich“ im Sinne des Art.  9 ICSID Übrk geltend gemacht wurde und damit formell ausgeschlossen ist, siehe Suez, Sociedad Ge­ neral de Aguas de Barcelona S.A., and Vivendi Universal S.A. vs Argentina, ICSID Case No ARB/03/17, Disqualification Decision, 22.10.2007, Rn.  18 ff.; Ein Ablehnungsantrag, der nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung der Ablehnungsgründe geltend gemacht wird, kann auch gemäß Reg. 27 ICSID-Schiedsordnung als Verzicht gesehen werden, von seinem Recht nach Art.  57 ICSID Übrk. Gebrauch zu machen. 292  Damit soll dem nemo iudex in causa sua Grundsatz Geltung beigemessen werden, dass niemand Richter in seinem eigenen Fall sein soll („no one should be a judge in his own cause“), siehe O’Brien, Nemo Iudex in Causa Sua: Aspects of the No-Bias Rule of Constitutional Justice in Courts and Administrative Bodies, in: IJLS (2011), S.  26, 46 ff.; Vermeule, Contra Nemo Iudex in Causa Sua: The Limits of Impartiality, in: The Yale Law Journal (2011) S.  384, 384; Baker/Greenwood, Are Challenges Overused in International Arbitration?, in: J. of Int’l Arb. (2013), S.  101, 102.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

der Vorsitzende des Verwaltungsrats des ICSID-Zentrums (der Präsident der Weltbank). Die Entscheidung über die Ablehnung eines Schiedsrichters ist in ICSID-Schiedsverfahren bindend. Eine Anfechtung der Entscheidung ist nicht möglich.

VI. Der Erlass eines ICSID-Schiedsspruchs und seine relative Bindungswirkung zwischen den Streitparteien Sobald alle Beweisaufnahmen durchgeführt, Sachverständige gehört, Anhörungen vorgenommen und Plädoyers der Parteien beendet wurden, berät sich das ICSID-Schiedsgericht, um gemäß Reg. 46 ICSID-Schiedsordnung innerhalb von 120 Tagen nach Abschluss des Verfahrens seine Entscheidung über den Streitgegenstand zu treffen. Die Schiedssprüche sollen nach Reg. 47 ICSID-Schiedsordnung schriftlich festgehalten und von den Mitgliedern des Schiedsgerichts unterschrieben werden. Inhaltlich soll das Tribunal auf alle während des Schiedsverfahrens aufgeworfenen Fragen eingehen und eine Begründung zu dem Ergebnis darlegen. Eine Nichtbeantwortung aller Fragen oder schwerwiegende Mängel in der Begründung des Schiedsgerichts können zu Aufhebungsgründen des Schiedsspruchs wegen offensichtlicher Überschreitung der Kompetenzen des Schiedsgerichts nach Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. oder Fehlen der Begründung des Schiedsspruches nach Art.  52 (1) (e) ICSID Übrk. führen. Ein einmal gefällter Schiedsspruch ist final und bindend und unterliegt nur unter bestimmten, eingeschränkten Voraussetzungen einer Überprüfung nach Art.  52 ICSID Übrk.293 Die Bindungswirkung des Schiedsspruchs ist nur relativ, sie gilt also nur zwischen den Parteien und erstreckt sich nicht auf andere Fälle vor anderen ICSID-Schiedsgerichten. Ein ICSID-Schiedsspruch schafft auch keine verbindlichen Präzedenzfälle, so dass folgende Schiedsverfahren nicht an die Rechtsprechung vergangener Schiedsverfahren gebunden sind.294 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das ICSID-Schiedsgericht den Schiedsspruch nach Art.  48 (5) ICSID Übrk. nur mit der Zustimmung der Parteien veröffentlichen wird. Entscheiden sich die Parteien dagegen, ist die Entscheidung der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

293 

Siehe hierzu auch unter 2. Kapitel B. VIII. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  33 f., Schiedsgerichte haben mehrmals betont, dass sie nicht an bereits ergangene Schiedsentscheidungen gebunden sind, diese aber berücksichtigen werden, wenn es zur Entscheidungsfindung kommt. 294 

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 209

VII. Die Durchsetzung des ICSID-Schiedsspruchs mithilfe nationaler Gerichte Nach Art.  54 (1) ICSID Übrk. wird der Schiedsspruch einem rechtskräftigen Urteil eines nationalen Gerichts des jeweiligen Mitgliedstaates des ICSID-Übereinkommens gleichgestellt. Mit anderen Worten, jeder Mitgliedstaat hat den Schiedsspruch so zu behandeln, als handele es sich um ein rechtskräftiges Urteil seiner eigenen nationalen Gerichtsbarkeit. Vom Wortlaut her regelt Art.  54 ­ICSID Übrk., der nach Schreuer „one of the most important provisions of the conven­ tions“295 sei, dass: „(1) Each Contracting State shall recognize an award rendered pursuant to this Convention as binding and enforce the pecuniary obligations imposed by that award within its territories as if it were a final judgment of a court in that State. A Contracting State with a federal constitution may enforce such an award in or through its federal courts and may provide that such courts shall treat the award as if it were a final judgment of the courts of a constituent state. (2) A party seeking recognition or enforcement in the territories of a Contracting State shall furnish to a competent court or other authority which such State shall have designated for this purpose a copy of the award certified by the Secretary-General. Each Contracting State shall notify the Secretary-General of the designation of the competent court or other authority for this purpose and of any subsequent change in such designation. (3) Execution of the award shall be governed by the laws concerning the execution of judgments in force in the State in whose territories such execution is sought.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Ein ICSID-Schiedsspruch bedarf damit, wie bereits im 1. Kapitel dargestellt, durch Art.  54 (1) S.  1 ICSID Übrk. keiner besonderen staatlichen Anerkennung mehr, was ihn für die Anerkennung und Durchsetzung auf internationaler Ebene von besonderem Wert macht.296 Dadurch vermag sich auf der einen Seite ein Gastgeberstaat nicht mehr einem ungünstigen Urteil dadurch zu entziehen, dass seine Gerichte ein Urteil nicht anerkennen.297 Auf der anderen Seite wird dem Gastgeberstaat die Möglichkeit an die Hand geben, das Urteil ohne Weiteres gegen einen Investor vollstrecken zu können.298 Die Geschichte des ICSID-Übereinkommens zeigt, dass die mit der Anerkennung und Vollstreckung beauftragten Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats keinen Ermessenspielraum bezüglich der Überprüfung des Schiedsspruchs haben 295 

Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  54, Rn.  2. Siehe oben, 1. Kapitel B. II. 3. d). 297  Broches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States (1972), in: ders., Selected Essays: World Bank, ICSID, and Other Subjects of Public and Private International Law, S.  188. 298  Broches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States (1972), in: Broches, Selected Essays: World Bank, ICSID, and Other Subjects of Public and Private International Law (1995), S.  188. 296 

210

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

sollen, sobald die Echtheit des Schiedsspruchs festgestellt wurde.299 Nicht einmal Gründe der öffentlichen Ordnung (ordre public bzw. public policy) dürfen von den Mitgliedstaaten des Übereinkommens als Ablehnungsgrund der Anerkennung und Vollstreckung eines ICSID-Schiedsspruchs herangezogen werden.300 Als einzige Einschränkung der Vollstreckbarkeit kommt für den Gastgeberstaat nur das Prinzip der staatlichen Vollstreckungsimmunität in Betracht, welche in Art.  55 ICSID Übrk. ausdrücklich geregelt ist.301 Der Schiedsspruch des ICSIDSchieds­gerichts wird dadurch bei der Vollstreckung in einem Mitgliedstaat des Übereinkommens einem nationalen Urteil gleichgestellt, geht aber auch nicht weiter, wo der Vertragsstaat nach seinem Recht die Vollstreckung ausschließt.302 Die Sicherung der Durchsetzung des ICSID-Schiedsspruchs wird zunächst durch die völkerrechtliche Bindung des ICSID-Übereinkommens für die Mitgliedstaaten gewährleistet. Zusätzlich sieht das Übereinkommen im Falle der Nichteinhaltung durch einen Vertragsstaat entweder den diplomatischen Schutz über den Heimatstaat des ausländischen Investors vor. Dieser ist zwar nach dem ICSID-Übereinkommen grundsätzlich ausgeschlossen, lebt aber nach Art.  27 (1) ICSID Übrk. wieder auf, wenn der andere Vertragsstaat den in der Streitsache erlassenen Schiedsspruch nicht befolgt.303 Alternativ besteht nach Art.  64 ICSID Übrk. die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens vor dem internationalen Gerichtshof durch einen Vertragsstaat. Eine Durchsetzung des ICSID-Schiedsspruchs wird neben den rechtlichen Möglichkeiten zusätzlich auch durch faktische Gesichtspunkte abgesichert. Ein Gastgeberstaat, der die Anerkennung des Schiedsspruchs verweigert, muss damit rechnen, dass dadurch sein Investitionsklima geschwächt wird.304 Auch die enge personelle Verflechtung des ICSIDs 299  Baldwin/Kantor/Nolan, Limits to Enforcement of ICSID Awards, in: J. of Int’l Arb. (2006), S.  1, 5. 300  Baldwin/Kantor/Nolan, Limits to Enforcement of ICSID Awards, in: J. of Int’l Arb. (2006), S.  1, 5. 301  In den meisten Staaten ist der Grundsatz der beschränkten Vollstreckungsimmunität anerkannt, der die Geltendmachung der Immunität auf Vermögenswerte für hoheitliche Tätigkeiten einschränkt, vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Bd.  III, S.  80; Grundsätzlich kann nur in den Fällen, in denen das staatliche Vermögen nicht hoheitlichen Zwecken dient, nach den Regeln des relativen Immunitätsschutzes eine Vollstreckung in Betracht kommen, soweit die jeweilige Rechtsordnung das zulässt, Lörcher, in: SchiedsVZ (2005), S.  11, 20. Zu einer Diskussion um die Wirkung von Immunitätsverzichtsklauseln siehe Bishop/Crawford/Reisman, Foreign Investment Disputes, S.  308 ff. 302  Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 107. 303 Vgl. Nathan, The ICSID Convention: The Law of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes, S.  55 ff. 304  Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss. Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 108.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 211

mit der Weltbank führt dazu, dass solche Gastgeberstaaten befürchten müssen, dass sie zukünftig Kredite oder andere Entwicklungshilfen von der Weltbankgruppe nur noch mit Schwierigkeiten erhalten werden (der sogenannte „Weltbankfaktor“).305

VIII. Die Überprüfung des ICSID-Schiedsspruchs durch ein internes Aufhebungsverfahren Das ICSID-Übereinkommen stellt den Verfahrensparteien nach Art.  52 ICSID Übrk. ein eigenes internes Aufhebungsverfahren zur Überprüfung von ICSIDSchieds­sprüchen zur Verfügung (annulment proceedings). Dessen Funktion wurde in der Entscheidung des ad hoc-Ausschusses in dem Aufhebungsverfahren CDC gegen Seychelles übersichtlich beschrieben als „[…] protecting against errors that threaten the fundamental fairness of the arbitral process (but not against incorrect decisions) arises from the ICSID Convention’s drafters‘ desire that Awards be final and binding, which is an expression of custumary law based on the concepts of ‚pacta sunt servanda and res judicata‘, and is keeping with the object and purpose of the Convention. Parties use ICSID arbitration (at least in part) because they wish a more efficient way of resolving disputes than is possible in a national court system with its various levels of trial and appeal, or even in non-ICSID Convention arbitration (which may be subject to national courts review under local laws and whose enforcement may also be subject to defenses available under, for example, the New York Convention).“306

Es handelt sich dabei um eine exklusive Überprüfungsmöglichkeit von ICSIDSchieds­sprüchen, weil das ICSID-Übereinkommen mit Art.  54 ICSID Übrk. jede weitere Kontrollmöglichkeit von Schiedssprüchen durch andere Rechtsbehelfssysteme, insbesondere durch nationale Gerichte, ausschließt. In diesem Sinne wird durch Art.  53 (1) ICSID Übrk. zudem sogar ausdrücklich eine echte zweite Instanz im Sinne einer Berufung oder Revision ausgeschlossen: „The award shall be binding on the parties and shall not be subject to any appeal or to any other remedy except those provided for in this Convention“.

Neben dem internen Aufhebungsverfahren bietet das ICSID-Übereinkommen bei Streitigkeiten über den Sinn und die Tragweite des ICSID-Schiedsspruchs auf Antrag einer Partei eine Auslegung der ICSID-Regelungen im Sinne von Art.  50 ICSID Übrk. an. Nach Art.  51 ICSID Übrk. besteht zudem die Möglich305 Vgl.

Reed/Paulsson/Blackaby, Guide to ICSID Arbitration, S.  9; Nathan, The ICSID Convention: The Law of the International Centre for the Settlement of Investment Disputes, S.  53; Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss. Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 108. 306  CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  36.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

keit der Wiederaufnahme des Verfahrens für den Fall, dass nach Erlass des Schiedsspruchs Tatsachen bekannt werden, die dazu geeignet sind, den Schiedsspruch entscheidend zu beeinflussen. Die größte praktische Relevanz im ICSID-Übereinkommen hat allerdings das in Art.  52 ICSID Übrk. geregelte Aufhebungsverfahren, das von einem nach Art.  52 (3) ICSID Übrk. gebildeten ad hoc-Ausschuss durchgeführt wird. In Zahlen wurden bisher 888 ICSID-Schiedsverfahren beim ICSID-Zentrum registriert und es sind insgesamt 393 Schiedssprüche ergangen.307 In 126 ICSIDVer­fahren ist die Aufhebung des Schiedsspruches verfolgt worden, wobei in 87 Aufhebungsverfahren der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs abgelehnt wurde.308 37 Aufhebungsverfahren wurden nicht weiterverfolgt bzw. eingestellt und 20 Schiedssprüche wurden teilweise oder ganz vom ad hoc-Ausschuss nach Art.  52 ICSID Übrk. aufgehoben.309 In rund 32 % aller bisherigen ICSID-Entscheidungen ist demnach ein Aufhebungsverfahren nach Art.  52 ICSID Übrk. beantragt worden. Die Überprüfung des ICSID-Schiedsspruchs im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens wird demnach sehr oft in Anspruch genommen. Die Funktion von Art.  52 ICSID Übrk. besteht darin, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Prinzipien der Richtigkeit und Endgültigkeit von Schiedssprüchen zu schaffen.310 Damit ist aber nur die Wahrung formeller Gerechtigkeit gemeint, und es wird nicht eine inhaltliche Richtigkeit in materiell-rechtlicher Hinsicht ermöglicht.311 Art.  52 ICSID Übrk. soll gewährleisten, dass das Schiedsgericht seine zugewiesenen Kompetenzen nicht überschreitet und die Integrität des Verfahrens gemäß des öffentlichen Interesses an dem Verfahren durch die staatliche Beteiligung gewahrt wird.312 Konzeptionell unterscheidet sich dieses von einer erneuten Rechts- und/oder Tatsacheninstanz zum einen insoweit, als nur auf Basis einer abschließenden Liste von Mängeln eine Aufhebung begehrt werden kann.313 307 

ICSID, The ICSID Caseload-Statistics (Issue 2022-2), S.  7 und 16, Stand 30.06.2022: „ICSID had registered 888 cases under the ICSID Convention and Additional Facility Rules“. 308  ICSID, The ICSID Caseload-Statistics (Issue 2022-2), S.  16, Stand 30.06.2022. 309  ICSID, The ICSID Caseload-Statistics (Issue 2022-2), S.  16, Stand Stand 30.06.2022. 310  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  52, Rn.  15. 311  So bereits oben dargestellt in der Entscheidung CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  36; Siehe auch Tsolakidis, Das Aufhebungsverfahren nach Artikel 52 der ICSID-Konvention, S.  21. 312  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  52, Rn.  14. 313  Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  141. Nach Wolf sollen dadurch vor allem zwei Punkte abgesichert werden. Zum einen sei dies die Privatautonomie der Parteien als Grundlage des Schiedsverfahrens. Zum anderen die prozessuale Integrität des Schiedsverfahrens: Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz,

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 213

Zum anderen wird durch die Entscheidung des ad hoc-Ausschusses die ursprüngliche Entscheidung des ICSID-Schiedsgerichts nicht abgeändert, sondern aufgehoben.314 Eine Prüfung und spätere Entscheidung über den materiellen Teil des Streitgegenstandes ist nicht vorgesehen.315 Deswegen hofft die Partei, die den Antrag auf Aufhebung stellt, dass nach der Aufhebung des ursprünglichen Schiedsspruchs die Entscheidung in einem neuen ICSID-Schiedsverfahren über den Streitgegenstand für sie günstiger ausfällt. Wörtlich regelt Art.  52 ICSID Übrk.: „(1) Either party may request annulment of the award by an application in writing addressed to the Secretary-General on one or more of the following grounds:   (a) that the Tribunal was not properly constituted;   (b) that the Tribunal has manifestly exceeded its powers;   (c) that there was corruption on the part of a member of the Tribunal;   (d) that there has been a serious departure from a fundamental rule of procedure;   (e) that the award has failed to state the reasons on which it is based. (2) The application shall be made within 120 days after the date on which the award was rendered except that when annulment is requested on the ground of corruption such application shall be made within 120 days after discovery of the corruption and in any event within three years after the date on which the award was rendered. (3) On receipt of the request the Chairman shall forthwith appoint from the Panel of Arbitrators an ad hoc Committee of three persons. None of the members of the Committee shall have been a member of the Tribunal which rendered the award, shall be of the same nationality as any such member, shall be a national of the State party to the dispute or of the State whose national is a party to the dispute, shall have been designated to the Panel of Arbitrators by either of those States, or shall have acted as a conciliator in the same dispute. The Committee shall have Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 282 f.; Die Executive Director’s der Weltbank beschreiben das Aufhebungsverfahren als „not a procedure by way of appeal requiring consideration of the merits of the case, but one that merely calls for an affirmative or negative ruling based upon [the annulment grounds]“, ICSID, Preliminary Draft of a Convention on the Settlement of Disputes Between States and Nationals of other States, Working Paper for Consultative Meetings of Legal Experts Designated by Governments, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  184 ff., 219,. 314  Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  141; Der Unterschied zwischen dem Aufhebungsverfahren und einer Berufung wurde bereits durch mehrere ICSID Entscheidungen deutlich gemacht. Siehe nur: CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  35 f.; Compania de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Republic, Case No. ARB/97/3, Award, 20.08.2007, Rn.  62; Fraport AG Frankfurt Airport Services Worldwide vs Republic of the Philippines, ICSID Case No. ARB/03/25, Decision on Annulment, 23.12.2010, Rn.  76; Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Cameroon and Société Camerounaise des Engrais, ICSID Case No. ARB/81/2, Decision on Annulment, 03.05.1985, Rn.  83, 118, 120, 178; Sem­ pra Energy International vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/16, Decision on Annulment, 29.06.2010, Rn.  73 f.; Wena Hotels Ltd. vs Arab Republic of Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on Annulment, 05.02.2002, Rn.  18. 315  Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  141.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

the authority to annul the award or any part thereof on any of the grounds set forth in para­ graph (1). (4) The provisions of Articles 41–45, 48, 49, 53 and 54, and of Chapters VI and VII shall apply mutatis mutandis to proceedings before the Committee. (5) The Committee may, if it considers that the circumstances so require, stay enforcement of the award pending its decision. If the applicant requests a stay of enforcement of the award in his application, enforcement shall be stayed provisionally until the Committee rules on such request. (6) If the award is annulled the dispute shall, at the request of either party, be submitted to a new Tribunal constituted in accordance with Section 2 of this Chapter.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Demnach wird das Aufhebungsverfahren mit dem Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs durch eine der Streitparteien eingeleitet.316 Der ad hoc-Ausschuss besteht aus drei Personen, die vom Vorsitzenden des ICSID-Verwaltungsrats (ICSID Administration Council) bestellt werden (der Präsident der Weltbank ist ex officio der Vorsitzende des ICSID Administration Council). Der Vorsitzende des ICSID-Verwaltungsrats ist bei seiner Entscheidung über die Bestellung der Personen für den ad hoc-Ausschuss an die Regeln aus Art.  52 (3) ICSID Übrk. gebunden. Diese schließen eine Person als Mitglieder des ad hoc-Ausschusses aus, die – Mitglied des ICSID-Schiedsgerichts war, das den Schiedsspruch erlassen hat, – die gleiche Staatsangehörigkeit wie ein anderes Mitglied des Schiedsgerichts besitzt, – die gleiche Staatsangehörigkeit wie der Staat besitzt, die Streitpartei ist, oder des Staates, dessen Angehöriger Streitpartei ist, – von einem dieser Staaten für das Schiedsrichterverzeichnis benannt wurde, – das Amt eines Vermittlers in der gleichen Streitsache ausgeübt hat. Verfahrensgegenstand des Aufhebungsverfahrens sind ausschließlich Schiedssprüche. Damit können andere Entscheidungen des Schiedsgerichts, wie solche über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts oder über den Erlass von einstweiligen Maßnahmen, nicht nach Art.  52 ICSID Übrk. aufgehoben werden. Anders verhält es sich aber, wenn solche Entscheidungen später im Schiedsspruch aufgenommen werden, da Anträge auf teilweise Aufhebung bzw. die Aufhebung von bestimmten Teilen des Schiedsspruchs möglich sind.317 Die Aufhebungsgründe in Art.  52 (1) ICSID Übrk. sind abschließend, mit anderen Worten, ein Aufhebungsantrag ist auf die in Art.  52 (1) ICSID Übrk. aufgelisteten fünf Gründe beschränkt, kann sich aber auf einen oder mehrere der in Art.  52 (1) ICSID Übrk. genannten Gründe beziehen. Neue Tatsachen oder Re316  317 

Es gibt keine Aufhebung von Amts wegen (ex officio annulment). Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  301.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 215

gelungen, die nicht bereits während des Schiedsverfahrens vorgebracht wurden, können nicht erst im Aufhebungsverfahren geltend gemacht werden.318 Nach Art.  52 (3) ICSID Übrk. „The Committee shall have the authority to annul the award or any part thereof on any of the grounds set forth in paragraph (1).“, also die Kompetenz, einen Schiedsspruch ganz oder teilweise aufzuheben. Die Aufhebung eines ICSID-Schiedsspruches liegt zudem im Ermessen des Ausschusses, auch wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass ein Aufhebungsgrund nach Art.  52 (1) ICSID Übrk. vorliegt.319 Im Rahmen der Ausübung seines Ermessens sollte ein ad hoc-Ausschuss deswegen beurteilen, ob der Fehler des ICSIDSchieds­verfahrens so schwerwiegend ist, dass er eine Nichtigkeitserklärung des Schiedsspruchs rechtfertigt.320 Die Gründe, die zu einer Aufhebung des ICSIDSchieds­spruchs führen können, sind nach Art.  52 (1) ICSID Übrk. 1. die fehlerhafte Zusammensetzung des Schiedsgerichts, 2. die offensichtliche Überschreitung der schiedsrichterlichen Befugnisse, 3. die Bestechung eines Mitglieds des Gerichts, 4.  schwerwiegende Abweichungen von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift, und 5. die fehlende Begründung des Schiedsspruchs.

318 

Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  303. MINE vs Guinea, ICSID Case No. ARB/84/4, Decision on Annulment, 22.12.1989, Rn.  4.09–4.10; CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  37, 65. Siehe hierzu auch die andere Auffassung eines ad hoc-Ausschusses in Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Cameroon and Société Camerounaise des Engrais, ICSID Case No. ARB/81/2, Decision on Annulment, 03.05.1985, Rn.  80, 116, 1151, 179. Der ad hoc-Ausschuss in Compania de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Republic, erklärte, dass „it appears to be established that an ad hoc committee has a certain measure of discretion as to whether to annul an award, even if an annullable error is found. Art.  52 (3) [ICSID Übrk.] provides that a committee ‚shall have the authority to annul the award or any part thereof‘, and this has been interpreted as given committees some flexibility in determining whether annulment is appropriate in the circumstances. Among other things, it is necessary for an ad hoc committee to consider the significance of the error relative to the legal rights of the parties“ (die Fußnoten wurden weggelassen), Compania de Aguas del Acon­ quija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Republic, Case No. ARB/97/3, Decision on Annulment, 03.07.2002, Rn.  66, siehe auch Rn.  63, 86. 320 Vgl. MINE vs Guinea, ICSID Case No. ARB/84/4, Decision on Annulment, 22.12.1989, Rn.  4.09–4.10; CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  37, 65. Siehe hierzu auch die andere Auffassung eines ad hoc-Ausschusses in Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Cameroon and Société Camerounaise des Engrais, ICSID Case No. ARB/81/2, Decision on Annulment, 03.05.1985, Rn.  80, 116, 1151, 179. 319 Vgl.

216

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Die Aufhebungsgründe nach Art.  52 (1) ICSID Übrk. sollen im Folgenden dargestellt werden (1–5).321 Sie stellen insbesondere auch für die CETA-Rechtsbehelfsinstanz Gründe dar, um nach Art.  8.27 (2) CETA einen Urteilsspruch des CETAGe­richts erster Instanz zu bestätigen, ihn abzuändern oder aufzuheben. Daran schließt sich eine Darstellung der Rechtsfolgen einer Aufhebungsentscheidung an (6.) sowie eine Übersicht zu den ICSID-Aufhebungsentscheidungen nach Art.  52 ICSID Übrk. in praxi (7.). 1. Die fehlerhafte Zusammensetzung des Schiedsgerichts Ein Aufhebungsgrund nach Art.  52 (1) (a) ICSID Übrk. liegt unter der Voraussetzung vor, „that the Tribunal was not properly constituted.“ (Kursivierung hinzugefügt) In den Regeln des ICSID-Übereinkommens gibt es keine detaillierten Voraussetzungen dazu, wann ein Schiedsgericht gemäß Art.  52 (1) (a) ICSID Übrk. ordnungsgemäß gebildet („properly constituted“) wurde. Damit ist es Aufgabe des ad hoc-Ausschusses, Art.  52 (1) (a) ICSID Übrk. auszulegen. Jedoch bietet hier die ICSID-Schiedsgerichtsrechtsprechung Auslegungsmöglichkeiten für diesen unbestimmten Rechtsbegriff. So hat die Interpretation des Azurix Corp. vs Argentina ad hoc-Ausschusses sehr aufschlussreiche Richtlinien für die praktische Anwendung der Regelung in Art.  52 (1) (a) ICSID Übrk. geschaffen.322 Danach verweist „properly constituted“ auf „proper compliance with the provisions of the ICSID Convention and ICSID Arbitration Rules dealing with the constitution of the tribunal“, worunter die Regelungen in Art.  37–40 und 56–58 ICSID Übrk. zu fassen sind.323 Der Aufhebungsgrund in Art.  52 (1) (a) ICSID Übrk. befasst sich mit der ordnungsgemäßen Einhaltung der Verfahrensvorschriften für die Zusammensetzung und Bildung des ICSID-Schiedsgerichts: „[i]f the procedures established by those other provisions of the ICSID Convention have been properly complied with, the Committee considers that the tribunal will be properly constituted for the purpose of Art.  52 (1) (a).“324 Der Aufhebungsgrund erlaubt es dem ad hoc-Ausschuss demnach nicht zu überprüfen, ob 321  Siehe für eine Darstellung der Aufhebung von ICSID-Schiedssprüchen auch Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 276 ff. 322  Azurix Corp. vs Argentina, ICSID Case No. ARB/01/12, Decision on Annulment, 01.09.2009. 323  Azurix Corp. vs Argentina, ICSID Case No. ARB/01/12, Decision on Annulment, 01.09.2009., Rn.  276. 324  Azurix Corp. vs Argentina, ICSID Case No. ARB/01/12, Decision on Annulment, 01.09.2009, Rn.  279.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 217

die Entscheidung des ICSID-Schiedsgerichts in Bezug auf die Bildung und Zusammensetzung des Schiedsgerichts fehlerfrei war, solange die Verfahrensregeln vom Schiedsgericht ordnungsgemäß eingehalten wurden. Eine andere Auslegung von „properly constituted“ wäre mit einer Berufungsentscheidung des ad hoc-Ausschusses gleichzusetzen.325 Art.  52 (1) (a) ICSID Übrk. bietet den Parteien aber keine „de novo opportunity to challenge members of the tribunal.“326 Interessant ist auch die Auslegung des ad hoc-Ausschusses in Compania de Aguas S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argenina, wonach ein Fehler oder, mit anderen Worten, ein Mangel bei der Bildung des Schiedsgerichts nicht zu einem Aufhebungsgrund führt, wenn dieser Fehler „had no material effect on the final decision of the Tribunal“ und eine Behebung des Fehlers sich nicht im Ergebnis der Entscheidung des Schiedsgerichts niederschlägt.327 Wird der Auslegung der beiden Entscheidungen über die ordnungsgemäße Bildung des ICSID-Schiedsgerichts gefolgt, ist der Maßstab für die Begründung des Aufhebungsgrundes nach Art.  52 (1) (a) ICSID Übrk. sehr hoch gesetzt. 2. Die offensichtliche Überschreitung der zugewiesenen Entscheidungskompetenzen Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. regelt den Aufhebungsgrund dafür, „that the Tribunal has manifestly exceeded its powers“ (Kursivierung hinzugefügt). Eine offensichtliche Überschreitung der zugewiesenen Entscheidungskompetenzen („manifestly exceeded its powers“) liegt vor, wenn das ICSID-Schiedsgericht von der Schiedsvereinbarung der Parteien abweicht.328 Hier können drei Möglichkeiten unterschieden werden, die zu einer offensichtlichen Überschreitung der Entscheidungskompetenzen führen: Erstens liegt ein Aufhebungsgrund nach Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. vor, wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig erklärt, obwohl zum Beispiel eine der in Art.  25 ICSID Übrk. geregelten Voraussetzungen nicht vorliegt. Zudem kommt auch eine offensichtliche Überschreitung der Kompetenzen des Schiedsgerichts in Betracht, wenn das Schiedsgericht Entscheidungen trifft oder Gegenstände beurteilt, die über seine Zuständigkeit hinausgehen. Dazu hat der ad hoc-Ausschuss in Compania de Aguas S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argenina herausgestellt, dass 325 Vgl. Azurix Corp. vs Argentina, ICSID Case No. ARB/01/12, Decision on Annulment, 01.09.2009, Rn.  282: „tantamount to appeal“. 326  Azurix Corp. vs Argentina, ICSID Case No. ARB/01/12, Decision on Annulment, 01.09.2009, Rn.  280. 327  Compania de Aguas S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argenina, ICSID Case No. ARB/97/3, Decision on Annulment, 10.08.2010, Rn.  235 und 238–240. 328  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  304.

218

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

„[i]t is settled, and neither party disputes, that an ICSID tribunal commits an excess of powers not only if it exercises a jurisdiction which it does not have under the relevant agreement or treaty and the ICSID Convention, read together, but also if it fails to exercise a jurisdiction which it possesses under those instruments.“329

Die erste und die zweite Möglichkeit der offensichtlichen Überschreitung der Befugnisse betreffen also Elemente der in Art.  25 ICSID Übrk. beschriebenen Regelungen zur Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts, mithin Zuständigkeitsfragen der ratio personea, ratio materiae, ratio temporis und ratio voluntas. Ein dritter Aufhebungsgrund im Rahmen des Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. kann darin liegen, dass das Schiedsgericht nicht das von den Parteien vereinbarte Recht (proper law) anwendet.330 Dieser ist zwar nicht ausdrücklich in Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. geregelt, die Durchführung des Schiedsverfahrens anhand des parteilich vereinbarten Rechts ist aber von größter Bedeutung.331 Insgesamt gibt aber auch nicht jede Überschreitung der Entscheidungskompetenz durch das ICSID-Schiedsgericht den Streitparteien einen Grund in die Hand, den Schiedsspruch am Ende nach Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. aufheben zu können. Ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsurteils wird nach Art.  52 (1) (b) ­ICSID Übrk. nur dann erfolgreich sein, wenn der Antragsteller beweisen kann, dass durch das Schiedsgericht nicht nur eine Überschreitung der Entscheidungskompetenz stattgefunden hat, sondern diese Überschreitung offensichtlich ist – „manifestly exceeded its powers“332 (Kursivierung hinzugefügt). Der ad hocAus­schuss hat in Sempra vs Argentina einen zweistufigen Ansatz geschaffen, der die Einhaltung der Voraussetzungen für den Aufhebungsgrund nach Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. gewährleisten soll: „[A Committee may follow either a twostep approach], determining first whether there is an excess of power and, if so, whether that excess was manifest, [or a prima facie approach], start329  Compania de Aguas S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argenina, Decision on Annulment, ICSID Case No. ARB/97/3, 10.08.2010, Rn.  86. 330 Vgl. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  305; Honlet/Le­ gum/Crevon, ICSID Annulment, in: Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  1431, 1444, Rn.  45. 331  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  305. 332  Die Schiedsgerichte legen den Wortlaut von „manifestly“ in Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. so aus, dass die Überschreitung der Befugnisse ‚offensichtlich‘ sein muss, vgl. CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  41: „plain on its face“; Sempra Energy International vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/16, Decision on Annulment, 29.06.2010, Rn.  2013: „must be quite evident without the need to engage in an elaborate analysis of the text of the award“; Wena Hotels Ltd. vs Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on Annulment, 04.02.2002, Rn.  25: „self-evident“; Repsol YPF Equador S.A. vs Empresa Estatal Petroleos del Ecuador, ICSID Case No. ARB/01/10, Decision on Annulment, 08.01.2007: „obvious by itself simply by reading the Award“.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 219 ing from a prima facie assessment of the presence of any manifest excess and, if the finding is negative stop the examination.“333

In der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit wird dieser Ansatz auch von den meisten ad hoc-Ausschüssen zur Bestimmung eines Aufhebungsgrundes nach Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. angewendet.334 3. Die Bestechung eines Mitglieds des Schiedsgerichts Mit Art.  52 (1) (c) ICSID Übrk. „that there was corruption on the part of a member of the Tribunal“, liegt ein Aufhebungsgrund bei der Bestechung eines Mitglieds des Schiedsgerichts vor. Bis jetzt hat dieser Aufhebungsgrund in keinem dem Autor bekannten bzw. veröffentlichten ICSID-Aufhebungsverfahren eine Rolle gespielt. Das mag zum einen daran liegen, dass die Qualität der für ICSIDSchieds­verfahren bestellten Schiedsrichter sehr hoch ist. Zum anderen kann es aber auch daran liegen, dass es schwierig sein dürfte, die Bestechung eines Mitglieds des Schiedsgerichts zu beweisen. Vor allem deswegen, da normalerweise alles dafür getan werden würde, um die Korruption vor der Partei zu verbergen, deren Interessen durch die Korruptionshandlung beeinträchtigt werden sollen. Auch die Verfasser des ICSID-Übereinkommens haben einen Vorschlag zur Formulierung des Art.  52 (1) (c) ICSID Übrk. dahingehend abgelehnt, dass bereits „a reasonable proof that corruption might exist“ als Beweis ausreichen würde.335 Ebenso wurde ein Vorschlag abgelehnt, das Wort „corruption“ durch „misconduct“ zu ersetzen.336 Ein bloßer Verdacht der Korruption ist daher nicht ausreichend. Es ist vielmehr ein expliziter Nachweis der Korruption erforderlich. 4. Die schwerwiegende Abweichung von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift Nach Art.  52 (1) (d) ICSID Übrk. liegt ein Aufhebungsgrund vor, wenn „there has been a serious departure from a fundamental rule of procedure“ (Kursivierung hinzugefügt). Die Verletzung oder, mit anderen Worten, die Abweichung einer Verfahrensregel stellt dann einen Aufhebungsgrund dar, wenn diese schwerwiegend war und es sich um eine grundlegende Verfahrensvorschrift handelt. Dabei sind grundlegende Verfahrensvorschriften solche, die ein faires Schieds333 

Sempra Energy International vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/16, Decision on Annulment, 29.06.2010, Rn.  212. 334 So Honlet/Legum/Crevon, ICSID Annulment, in: Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  1431, 1444, Rn.  53. 335  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-2. S.  851. 336  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-2. S.  851.

220

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

verfahren gewährleisten.337 Dementsprechend sollen unter die Voraussetzungen nicht alle Verfahrensregeln fallen. Das Wort „fundamental“ ist danach nicht so zu verstehen, „as necessarily including all of the Arbitration Rules adopted by the Centre.“338 Es besteht damit in der Schiedsgerichtsbarkeit der überwiegende Konsens, dass „only rules of natural justice – rules concerned with the essential fairness of the proceeding – are fundamental.“339 Das Recht, vor dem Schiedsgericht angehört zu werden (the right to be heard), ist zum Beispiel ein grundlegendes Verfahrensrecht der Parteien.340 Auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter sowie die gleiche Behandlung der Parteien (equal treat­ ment) durch das Schiedsgericht sind grundlegende Verfahrensregeln vor einem ICSID-Schiedsgericht.341 Ein geringfügiger und unbedeutender Verstoß gegen eine dieser grundlegenden Verfahrensregeln stellt keinen Aufhebungsgrund dar.342 5. Die fehlende Begründung des Schiedsspruchs Der letzte und damit abschließende Aufhebungsgrund nach Art.  52 (1) (e) ICSID Übrk. liegt in der fehlenden Begründung des Schiedsspruchs, „the award has failed to state the reasons on which it is based.“ Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, dem Leser des Schiedsspruchs und damit vor allem den Parteien eine begründete Entscheidungsfindung des Schiedsgerichts darzulegen. Das ist überdies 337  Klöckner vs Cameron, ICSID Case No. ARB/81/2, Decision on Annulment, 03.05.1985, Rn.  82–113; Maritime International Nominees Establishment vs Guinea, ICSID Case No. Case ARB/84/4, Decision on Annulment, 22.12.1989, Rn.  5.05–5.06; Wena vs Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on Annulment, 05.02.2002, Rn.  56–58; CDC Group PLC vs Seychel­ les, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  48 f. 338 Vgl. Maritime International Nominees Establishment vs Guinea, ICSID Case No. Case ARB/84/4, Decision on (partial) Annulment, 22.12.1989, Rn.  5.06. 339  CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  49. 340  Amco Asia Corporation and others vs Indonesia, ICSID Case No. ARB/81/1, Resubmitted Case: Decision in Annulment, 03.12.1992, Rn.  9.05–9.10; Helnan vs Egypt, ICSID Case No. ARB/05/19, Decision on Annulment, 14.06.2010, Rn.  38; Empresas Lucchetti, S.A. and Lucchetti Peru, S.A. vs The Republic of Peru (auch bekannt als: Industria Nacional de Alimen­ tos, A.S. and Indalsa Perú S.A. vs The Republic of Peru), ICSID Case No. ARB/03/4 Decision on Annulment, 05.09.2007, Rn.  122; Maritime International Nominees Establishment vs Gui­ nea, ICSID Case No. Case ARB/84/4, Decision on Annulment, 01.09.2009, Rn.  5.06; Wena vs Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on Annulment, 05.02.2002 341  Klöckner vs Cameroon, ICSID Case No. ARB/81/2, Decision on Annulment, 03.05.1985, Rn.  93–113; Amco Asia Corporation and others vs Indonesia, ICSID Case No. ARB/81/1, Decision on Annulment, 16.05.1986, Rn.  30, 32, 36, 88, 122 f.; CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  51–55. 342  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  306.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 221

auch explizit in Art.  48 (3) ICSID Übrk. geregelt, wonach der Schiedsspruch alle dem Schiedsgericht vorgelegten Rechtsbegehren zu behandeln hat und vom Schiedsgericht zu begründen ist. Deshalb ist ein völliges Fehlen von Gründen in einem ICSID-Schiedsspruch äußerst unwahrscheinlich.343 Dennoch haben Aufhebungsanträge wiederholt das Fehlen von Gründen zu einzelnen Punkten im Schiedsurteil, Beschwerden wegen unzureichender Darlegung der Entscheidungsgründe, widersprüchliche Begründungen oder die Nichtbeantwortung aller vor dem Schiedsgericht gestellter Fragen geltend gemacht.344 Zumindest ist nach der ICSID-Schiedsgerichtspraxis eine implizierte Begründung ausreichend, sofern sie sich vernünftig aus den Schlussfolgerungen des Schiedsspruchs ableiten lässt.345 Der erste angemessene Prüfungsmaßstab zur Bestimmung, wann ein Schiedsspruch im Sinne des Art.  52 (1) (e) ICSID Übrk. begründet ist oder sich die Begründung aus den Schlussfolgerungen des Schiedsspruchs vernünftig ableiten lässt, wurde durch den ad hoc-Ausschuss in dem Fall Maritime International Nominees Establishment vs Guinea festgelegt: „[…] the requirement to state reasons is satisfied as long as the award enables one to follow how the tribunal proceeded from point A. to point B. and eventually to its conclusion, even if it made an error of act of law. This minimum requirement is in particular not satisfied by either contradictory or frivolous reasons.“346

Dieser Maßstab wurde von ICSID ad hoc-Ausschüssen grundsätzlich zur Bestimmung der Begründetheit eines Aufhebungsantrags nach Art.  52 (1) (e) ICSID Übrk. angewendet. In der Entscheidung des ad hoc-Ausschusses in dem Fall Compania de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Republic wurde noch ein weiterer Prüfungsmaßstab speziell für Aufhebungsanträge nach Art.  52 (1)

343 

Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  307. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  307. 345  Amco Asia Corporation and others vs Indonesia, Decision on Annulment, 16.05.1986, Rn.  58; Maritime International Nominees Establishment vs Guinea, ICSID Case No. Case ARB/84/4 Decision on Annulment, 22.12.1989, Rn.  6.103–6.104; Wena vs Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on Annulment, 05.02.2002, Rn.  81–83, 93, 98, 106; CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  81, 87; Soufraki vs UAE, ICSID Case No. ARB/02/7, Decision on Annulment, 05.06.2007, Rn.  25; CMS Gas Transmission Company vs The Republic of Argentina, ICSID Case No. ARB/01/8, Decision on Annulment, 25.09.2007, Rn.  125; Rumeli Telekom A.S. and Telsim Mobil Teleko­ mikasyon Hizmetleri A. S. vs Kazakhstan, ICSID Case No. ARB/05/16, Decision on Annulment, 25.03.2010, Rn.  83, 138. 346  Maritime International Nominees Establishment vs Guinea, ICSID Case No. ARB/84/4, Decision on (partial) Annulment, 22.12.1989, Rn.  5.09. 344 

222

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

(e) ICSID Übrk. wegen unzureichender Begründung des Schiedsurteils in der Art festgelegt, dass: „[…] annulment under Art.  52 (1) (e) should only occur in a clear case. This entails two conditions: first, the failure to state reasons must leave the decision on a particular point essentially lacking in any expressed rationale; and second, that point must itself be necessary to the tribunal’s decision.“347

6. Die Rechtsfolgen der Entscheidung des ad hoc-Aufhebungsausschusses Wurde ein ICSID-Schiedsspruch erst einmal durch einen ad hoc-Ausschuss aufgehoben, ist er so zu behandeln, als wenn er niemals existiert hätte und verliert damit seine res judicata Wirkung.348 Die vom ersten ICSID-Schiedsgericht entschiedenen Streitgegenstände können danach gemäß Art.  52 (6) ICSID Übrk. durch Antrag einer der Parteien von einem anderen Schiedsgericht neu entschieden werden. Das neu konstituierte Schiedsgericht ist dann nicht an die Feststellungen des ad hoc-Ausschusses gebunden.349 Im Falle der teilweisen Aufhebung des Schiedsspruchs sind die für rechtmäßig erklärten Teile des Schiedsspruchs rechtskräftig, entfalten ihre res judicata Wirkung und können nicht neu verhandelt werden.350 In der ICSID-Schiedspraxis kommt es selten vor, dass ein Schiedsverfahren nach Aufhebung des Schiedsspruchs erneut eingeleitet wird. So wurden in den drei Fällen von Enron Corporation and Ponderosa Assets L.P. vs Argentina, Sempra Energy International vs Argentina und Fraport AG Frankfurt Airport Services Worldwide vs Philippines nach der Aufhebungsentscheidung des ICSIDSchieds­urteils durch einen ad hoc-Ausschuss erneute ICSID-Schiedsverfahren vor einem neu konstituierten Schiedsgericht verhandelt.351 In der Rechtssache von Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Came­ roon, Amco Asia vs Indonesia und Compania de Aguas S.A. and Vivendi Univer­ sal S.A. vs Argenina führten die erneut eingeleiteten ICSID-Schiedsverfahren letztlich zu einer erneuten Reihe von Aufhebungsverfahren nach Art.  52 ICSID 347  Compania de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Repub­ lic, Case No. ARB/97/3, Decision on Annulment, 03.07.2002, Rn.  65. 348  Sempra Energy International vs Argentina, ICSID Case No. ARB/02/16, Decision on Annulment, 29.06.2010, Rn.  78. 349  Honlet/Legum/Crevon, ICSID Annulment, in: Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  1431, 1458, Rn.  94. 350  Honlet/Legum/Crevon, ICSID Annulment, in: Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  1431, 1458, Rn.  95. 351  Siehe den Verfahrensverlauf von: Enron Corporation and Ponderosa Assets L.P. vs Ar­ gentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/3; Sempra Energy International vs Argentine Re­ public, ICSID Case No. ARB/02/16; Fraport AG Frankfurt Airport Services Worldwide vs Philippines, ICSID Case No. ARB/03/25.

B. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor einem ICSID-Schiedsgericht 223

Übrk., die wiederum von ad-hoc-Ausschüssen beurteilt wurden.352 In der Rechtssache von Maritime International Nominees Establishment (MINE) vs Guinea kam es aber tatsächlich nach der erneuten Vorlage der Streitsache vor ein ICSIDSchieds­gericht zur Beilegung der Investor-Staat-Streitigkeit.353 7. Die vier Generationen an Entscheidungen von ICSID-Aufhebungsverfahren in praxi Die Entscheidungen über die Aufhebung von ICSID-Schiedssprüchen durch ad hoc-Ausschüsse wurden im Rahmen ihrer Ermessensausübung in drei Generationen unterteilt, wobei mit der aktuellen Rechtsprechung bereits eine vierte Generation betitelt wurde354: Die erste Generation besteht aus den ersten beiden Aufhebungsentscheidungen Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Came­ roon and Société Camerounaise des Engrais sowie Amco Asia vs Indonesia nach Art.  52 ICSID Übrk. und hat für einiges an Aufsehen gesorgt.355 Beiden Entscheidungen wurde vorgeworfen, eine inhaltliche Richterkontrolle durchgeführt und den Unterschied zwischen Aufhebungsverfahren und Berufung/Revision verkannt zu haben.356 Es wurde befürchtet, dass dies generelle Auswirkungen auf die zukünftige Inanspruchnahme der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit haben könnte.357 Vor allem hinsichtlich der Finalität von ICSID-Schiedssprüchen wurden Bedenken geäußert, weswegen sich der damalige Secretary-General Ibrahim Shihata gezwungen sah, die folgende Erklärung abzugeben:

352 Siehe

den Verfahrensverlauf von: Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Cameroon and Société Camerounaise des Engrais, ICSID Case No. ARB/81/2; Amco Asia Corporation and others vs Indonesia, ICSID Case No. ARB/81/1, Decision on Annulment of Award of 5 June 1990 and of Supplemental Award of 17 October 1990, 03.12.1992; Compania de Aguas S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argenina, Decision on Annulment, ICSID Case No. ARB/97/3. 353  Siehe den Verfahrensverlauf von: Maritime International Nominees Establishment vs Guinea, ICSID Case No. ARB/84/4. 354 Vgl. Schreuer, Three Generations of ICSID Annulment Proceedings, in: Gaillard/Banifatemi (Hrsg.), Annulment of ICSID Awards, S.  17–42. 355  Klöckner Industrie-Anlagen GmbH and others vs United Republic of Cameroon and Société Camerounaise des Engrais, ICSID Case No. ARB/81/2, Decision on Annulment, 03.05.1985; Amco Asia Cooperation and others vs Indonesia, ICSID Case No. ARB/81/1, Decision on The Application of Annulment, 16.05.1986. 356  Schreuer, Three Generations of ICSID Annulment Proceedings, in: Gaillard/Banifatemi (Hrsg.), Annulment of ICSID Awards, S.  17, 18 m. w. N. 357  Redfern, ICSID: Losing its Appeal?, in: Arb. Int’l, Bd.  3 (1987), S.  98, 99.

224

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

„The danger thus exists that if parties, dissatisfied with an award, make it a practice to seek annulment358, the effectiveness of the ICSID machinery might become questionable and both investors and Contracting States might be deterred from making use of ICSID arbitration.“359

Die Bedenken hinsichtlich der Entscheidungen aus der sogenannten ersten Generation der Aufhebungsentscheidungen nach Art.  52 ICSID Übrk. wurden in der zweiten Generation angesprochen. In den Aufhebungsentscheidungen der zweiten Generation wurde die eingeschränkte Kompetenz des ad hoc-Ausschusses nach Art.  52 ICSID Übrk. betont.360 Die dritte Generation der Aufhebungsentscheidungen bestätigt die Auslegungsweise der zweiten Generation und erläutert „that ad hoc committees only intervene in serious and important cases.“361 Die aktuelleren Entscheidungen zeigen allerdings auf, dass keine einheitliche Auslegung zu dem Wortlaut des Art.  52 (1) ICSID Übrk. stattfindet. Diese, bereits betitelt als die vierte Generation der Aufhebungsentscheidungen, stimmen zwar dahingehend mit der zweiten und dritten Generation überein, dass es sich bei den Aufhebungsverfahren um keine „Berufung“ von materiell fehlerhaften Entscheidungen handelt.362 Eine Reihe von ad hoc-Ausschüssen hat aber in

358  Als Beispiel hatte Argentinien systematisch Aufhebungsverfahren gegen alle ungünstigen ICSID-Schiedssprüche angestrebt, um dadurch ausländische Investoren zu demotivieren, ICSID-Schiedsverfahren gegen Argentinien einzuleiten. Siehe Schreuer, From ICSID Annulment to Appeal Half Way Down the Slippery Slope, in: LPICT, Bd.  10 (2011), S.  211, 214. 359  ICSID, Report of the ICSID Secretary-General to the Administrative Council, ICSID Doc No. AC/86/4 Annex A (2.10.1986), S.  2; Siehe auch Reisman, Repairing ICSID’s Control System: Some Comments on Aron Broches’ „Observations on the Finality of ICSID Awards“, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  7 (1) (1992), S.  196, 209; Redfern, ICSID: Loosing its Appeal?, in: Arb. Int’l, Bd.  3 (1987), S.  98, 99. 360  Siehe zum Beispiel Maritime International Nominees Establishment vs Guinea, ICSID Case No. ARB/84/4, Decision on (partial) Annulment, 22.12.1989, Rn.  4.04: „Art.  52 (1) makes it clear that annulment is a limited remedy. […] Annulment is not a remedy against an incorrect decision, Accoringly, an Ad hoc Committee may not in fact reverse an award on the merits under the guise of applying Article 52“. 361  Schreuer, Three Generations of ICSID Annulment Proceedings, in: Gaillard/Banifatemi (Hrsg.), Annulment of ICSID Awards, S.  17, 18 f., mit Verweis auf Wena Hotels Ltd. vs Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on Annulment, 05.02.2002 und Compania de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Republic, Case No. ARB/97/3, Deci­ sion on Annulment, 03.07.2002, Rn.  86. 362  Siehe zum Beispiel CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  35: „generally accepted proposition [that] annulment is not a remedy against an incorrect decision“; Vgl. auch Nair/Ludwig, ICSID annulment awards: the fourth generation?, in: GAR, 28.10.2010, online abrufbar unter: https://globalarbitrationreview.com/article/1029666/icsid-annulment-awards-the-fourth-generation (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Reed/Paulsson/Blackaby, Guide to ICSID Arbitration, S.  174.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

225

jüngster Zeit einen interventionistischen Ansatz verfolgt, der an die erste Generation der Aufhebungsentscheidungen erinnert.363

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-StaatSchiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen „I think the investor-state arbitration system was created with good intentions, but in practice it has gone completely rogue.“364

Im Folgenden soll die Kritik einiger Merkmale an der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit vertieft dargestellt werden, um zum einen ein Verständnis dafür zu vermitteln, was die EU dazu veranlasst hat, ihre Politik zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zu ändern. Zum anderen dient die kritische Auseinandersetzung mit dem Standardmodell der Investor-Staat-Streitbeilegung dazu, die dadurch erlangten Erkenntnisse in die Gesamtbewertung mit einfließen zu lassen, ob das CETA-Investitionsgericht im Vergleich zum Standardmodell der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips eine Verbesserung darstellt. Insoweit sei noch einmal ins Gedächtnis gerufen, dass nach dem in Kapitel 1. hergeleiteten Bewertungsmaßstab die Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit voraussetzt, dass die Streitbeilegungsverfahren den im jeweiligen Abkommen festgelegten Regelungen entsprechen sowie ein faires und ordentliches Verfahren gewährleisten. Das Verfahren soll im Sinne des Rechtsstaatsprinzips insbesondere von unabhängigen und unparteiischen Richtern durchgeführt werden, es soll transparent sein und das Gerichtssystem soll zur Rechtssicherheit und zum Vertrauen der Betroffenen in die Rechtsprechung und Rechtsordnung beitragen.365 Die Kritik an der Legitimität des Status Quo der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit hat kaum einen Bereich davon unberührt gelassen und findet ihre Wurzeln

363  Zur Diskussion über diesen interventionistischen Ansatz, siehe Crivellaro, Annulment of ICSID Awards: Back to the „First Generation“?, in: Levy/Derains (Hrsg.), Liber Amicorum – Melanges en l’honneur de Serge Lazareff, 2011, S.  145–175; Schreuer, From ICSID Annulment to Appeal Half Way Down the Slippery Slope, in: LPICT, Bd.  10 (2011), S.  211, 214; Hamida, Two Nebulous ICSID Features: The Notion of Investment and the Scope of Annulment Control – Ad hoc Committee’s Decision in Patrick Mitchell v. Democratic Republic of Congo, in: J. Int’l Arb., Bd.  24 (2007), S.  287–306. 364  Parada, in: Provost/Matt, The obscure legal system that lets corporations sue countries, in: The Guardian, 10.06.2015, online abrufbar unter: https://www.theguardian.com/business/ 2015/jun/10/obscure-legal-system-lets-corportations-sue-states-ttip-icsid (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 365  Siehe zum Bewertungsmaßstab unter 1. Kapitel C.

226

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

im Grundsatz des ICSID-Streitbeilegungssystems – dem systemimmanenten Prinzip „procedure before substance“.366 Abgesehen von den abstrakt geregelten Investitionsschutzregelungen, die zu einer uneinheitlichen und inkonsistenten Entscheidungsfindung durch ad hoc-Schiedsgerichte geführt haben, lassen sich die Gründe, die zur Infragestellung der Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit geführt haben, insgesamt in zwei Kategorien einteilen: Zum einen sind es die Schiedsrichter, die Gründe dafür geben, dass Zweifel an der Legitimität des Investor-Staat-Schiedsverfahrens aufgekommen sind. Diesen wird insbesondere vorgeworfen, nicht ausreichend unabhängig und unparteiisch zu sein (I.).367 Zum anderen werden das Schiedsverfahren, sein Ergebnis und seine strukturellen Merkmale in Frage gestellt (II.).368 366  Siehe zur Kritik am Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit: Hueckel, Rebalancing Legitimacy and Sovereignty in International Investment Agreements, in: EML, Bd.  61 (3) (2012), S.  601, 605 f.; Kaufmann-Kohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S, 10 ff.; Sardinha, Party-Appointed Arbitrators no More, in: LPICT, Bd.  17 (2018), S.  117, 120 ff.; Spears, The Quest for Policy Space in a New Generation of International Investment Agreements, in: JIEL, Bd.  13 (4) (2010), S.  1037, 1071; Roberts, Power and Persuasion in Investment Treaty Interpretation: The Dual Role of States, in: A. J. Int’l L., Bd.  104 (2) (2010), S.  179, 179 f.; Europäische Kommis­ sion, Public Consultation on Modalities for Investment Protection and ISDS in TTIP (March 2014), online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/march/tradoc_152280. pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), in dem die EU-Kommission drei Hauptprobleme der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit aufzeigte, nämlich mangelnde Transparenz, Verhalten und Qualifikation der Schiedsrichter sowie das Fehlen eines Berufungsmechanismus. Hierbei muss hinsichtlich der Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit allerdings auch berücksichtigt werden, dass die geschaffenen völkerrechtlichen (oder mit dem ausländischen Investor geschlossenen) Verträge und im Besonderen das ICSID-Regime durch die Ausübung der Souveränität (meist) demokratisch gewählter Regierungen entstanden sind. 367  Beispielhaft für den Streit um eine Reform der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit ist der gegenseitige Schlagabtausch von Paulsson, Van Harten, van den Berg, Brower und Rosen­ berg zum Pro und Contra der Parteiernennung in Investor-Staat-Schiedsverfahren. Siehe hierzu Van Harten, Perceived Bias in Investment Treaty Arbitration, in: Waibel (Hrsg.), The Backlash against Investment Arbitration, S.  433–453; Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339 ff.; Brower/Rosenberg, The Death of the Two-Headed Nightingale: Why the Paulsson-van den Berg Presumption that Party-Appointed Arbitrators are Untrustworthy is Wrongheaded, in: Arb. Int’l, Bd.  29 (1) (2013), S.  7 ff.; van den Berg, Charles Brower’s problem with 100 percent-dissenting opinions by party-appointed arbitrators in investment arbitration, in: Arb. Int’l, Bd.  31(3) (2015), S.  1 ff.; ­Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Frd.I.L.J., Bd.  41. (4) (2018), S.  791 ff. 368 Siehe hierzu insbesondere Kaufmann-Kohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  1 ff.; Auch hierzu äußert

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

227

Die Zweifel an der Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit haben schließlich dazu geführt, dass ihre Vertragsstaaten anfangen, wieder aus dem ICSID-Übereinkommen auszutreten. Vorreiter waren Bolivien, das 2007 dem ICSID-Zentrum seinen Austritt mitteilte, und Ecuador, das es 2009 Bolivien gleichtat.369 Aber auch in den USA und insbesondere in der EU haben im Negativen aufsehenerregende Schiedsverfahren die Öffentlichkeit gegen sich aufgebracht sowie generell gegen Investitionsschutzabkommen und es kam zur Herausforderung des Status Quo der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit durch die EU (III.).

I. Die Schiedsrichter können keinen ausreichenden Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten „None of us is likely to accept an unfavorable decision as legitimate if we believe it to be the product of arbitrariness or bias.“370

Die Legitimität des Standardmodells der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit wird in Frage gestellt, weil Zweifel daran bestehen, dass die Schiedsrichter keine ausreichende, tatsächliche oder den Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten können (evtl. mit Ausnahme des vorsitzenden Schiedsrichters). Einer der Gründe, die zu den Zweifeln führen, liegt in dem Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts.371 Ein weiterer Grund liegt darin, dass keine strikte Trennung in der Ausübung eines Schiedsrichteramtes und der Interessenvertretung als Anwalt in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vorgenommen wird. Im Gegenteil, da in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit wie auch in der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit die Doppelrolle der Schiedsrichter erlaubt ist (sogenannte „double hatting“ oder „dual role“372), die es ermöglicht, zur selben Zeit in einem Verfahren als Schiedsrichter und in einem anderen Verfahren als Parteivertreter tätig zu sein. sich Brower kritisch: Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Frd.I.L.J., Bd.  41. (4) (2018), S.  791 ff. 369 Siehe UNCTAD, Denunciation of the ICSID Convention and BITs: Impact on Investor-State Claims, IIA Issues Note, No.  2 (2010), S.  1, online abrufbar unter: unctad.org/en/ Docs/webdiaeia20106_en.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 370  Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339, 440. 371  Siehe hierzu Kaufmann-Kohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  11 ff. 372  Siehe hierzu Dhillon/Thomas, The Foundations of Investment Treaty Arbitration: The ICSID Convention, Investment Treaties and the Review of Arbitration Awards, in: ICSID Review, Bd.  32 (3) (2017), S.  459, 467.

228

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Interessenkonflikte in der Person des Richters können unter solchen Gegebenheiten nicht ausgeschlossen werden, sondern sind vielmehr vorprogrammiert. Deswegen geben bereits diese beiden Faktoren berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von ICSID-Schiedsrichtern bzw. Schiedsrichtern in Investor-Staat-Schiedsverfahren allgemein – bei der Anwendung eines hohen ethischen (rechtsstaatlichen) Maßstabs, wie beispielsweise in Bezug auf staatliche Richter in Deutschland oder auf Schiedsrichter unter den IBA-Guide­ lines on the Conflicts of Interest in International Arbitration.373 Es wird allerdings diskutiert, ob parteiernannte Schiedsrichter einen nur sehr geringen Standard der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in der Investor-Staat-Schieds­ gerichtsbarkeit einhalten müssen.374 Beispielsweise werden parteiernannte Schiedsrichter sogar in Teilen des US-amerikanischen Rechtskreises als „nonneutral arbitrator“375 bezeichnet. Bevor auf die zwei in der Wissenschaft kritisierten Gründe, der Einfluss der Parteien auf die Schiedsrichterbestellung (2.) sowie das „double hatting“ (3.), eingegangen wird, die eine Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der ICSID-Schiedsrichter darstellen, soll zunächst untersucht werden, ob ein geringerer ethischer Standard für parteiernannte Schiedsrichter in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit anzuwenden ist (1.). 1. Parteiische oder unparteiische Schiedsrichter? Der umstrittene Maßstab an die Höhe der zu gewährleistenden Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter Die verfahrenstechnische Integrität des Entscheidungsprozesses ist von größter Bedeutung für die Legitimität der einzelnen Entscheidungen der ad hoc-Schiedsgerichte sowie der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit als Ganzes.376 Das schließt die Möglichkeit geringerer Bewertungsmaßstäbe bei der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit aus.377 Es wird vielmehr eine garantierte Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schieds-

373 

Siehe zu diesem hohen rechtsstaatlichen Maßstab unter 1. Kapitel A. I. 2. b) cc) und 3. Kapitel C. IV. 4. b). 374  Siehe hierzu ausführlich Froitzheim, Die Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  50 ff. 375 Vgl. Froitzheim, Die Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  61, Rn.  140; Oehmke/Brovins, Commercial Arbitration, §  72:1. 376  Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  147. 377  Siehe hierzu Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  25 ff.; Froitzheim, Die Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit in der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  51 ff., S.  61, Rn.  138, S.  72, Rn.  155 und S.  75, Rn.  158.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

229

richter vorgeschrieben, wie sie auch von staatlichen Richtern gefordert wird.378 Aus diesem Grund können die Streitparteien in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren auch nicht auf ihr Recht auf unabhängige und unparteiische Entscheidungsträger verzichten und einer gewissen Abhängigkeit oder Voreingenommenheit zustimmen. Angesichts der Funktion der Schiedsrichter, die Rechtmäßigkeit einer hoheitlichen Maßnahme zu beurteilen und gegebenenfalls beispielsweise auf Schadensersatz zu entscheiden, ist eine analoge Anwendung des Maßstabs zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, wie sie von staatlichen Richtern gefordert wird, auch angemessen, schließlich würden die Parteien ohne eine Schiedsvereinbarung ihren Streit vor einem nationalen Gericht beilegen. Neben einer offensichtlichen funktionalen Ähnlichkeit gibt es aber auch grundlegende Unterschiede zwischen Schiedsrichtern und staatlichen Richtern, die einen differenzierten Umgang mit der Verpflichtung zur unabhängigen und unparteilichen Amtsausübung rechtfertigen könnten. Der wohl wesentlichste Unterschied zwischen Schiedsrichtern und nationalen Richtern besteht darin, dass Richter von den Streitparteien institutionell isoliert sind und mehr oder weniger zufällig mit Fällen betraut werden.379 Die nationale Justiz ist grundsätzlich so konzipiert, dass Kontakte zwischen den Richtern bzw. den Entscheidungsträgern und den Prozessbeteiligten (oder dem Streitgegenstand) vermieden werden.380 In dem seltenen Fall, dass doch eine Verbindung zwischen dem Richter und einer Prozesspartei besteht, handelt es sich um zufällige und ungewöhnliche Anomalien, die im konkreten Fall dazu geeignet sind, eine Ablehnung des Richters zu rechtfertigen.381 Zusätzlich ist das finanzielle Einkommen von staatlichen Richtern unabhängig von der Zahl der von ihnen bearbeiteten Verfahren. Dagegen ist es für Schiedsrichter charakteristisch, dass sie ad hoc von den Parteien für ein bestimmtes Schiedsverfahren bestellt werden und es sich dabei auch nicht um ihre ausschließliche (und überwiegend auch nicht um ihre Haupt-) Tätigkeit handelt.382 Obwohl als Schiedsrichter in einem Investitionsstreitbeilegungsverfahren 378  Siehe hierzu auch Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  27; Froitzheim, Die Ablehnung von Schiedsrichtern wegen Befangenheit in der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S.  51 ff., S.  61, Rn.  138, S.  72, Rn.  155 und S.  75, Rn.  158. 379 Vgl. Rogers, The Ethics of International Arbitrators, in: Newman/Hill (Hrsg.), The Leading Arbitrators Guide to International Arbitration, S.  621, 633–634. 380 Vgl. Rogers, The Ethics of International Arbitrators, in: Newman/Hill (Hrsg.), The Leading Arbitrators Guide to International Arbitration, S.  621, 633–634. 381 Vgl. Rogers, The Ethics of International Arbitrators, in: Newman/Hill (Hrsg.), The Leading Arbitrators Guide to International Arbitration, S.  621, 633–634. 382  Luttrell, Bias Challenges in International Commercial Arbitration: The need for a „Real Danger“ Test, S.  239; Auch interessant Stipanowich/Ulrich, Arbitration in Evolution: Current Practices and Perspectives of Experienced Commercial Arbitrators, S.  19–23, die empirische

230

2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

tätig, ist es möglich, zur selben Zeit als Parteivertreter in einem anderen Investor-Staat-Schiedsverfahren tätig zu sein. Die Spannung zwischen parteigewählten Schiedsrichtern, die in einem anderen Schiedsverfahren Prozessvertreter sind, und der aus dem juristischen Kontext herrührenden Vorstellung von einer unabhängigen und unparteilichen Amtsausübung, ist durch diese Doppelrolle offensichtlich.383 Zudem besteht eine finanzielle Abhängigkeit des Schiedsrichters von weiteren Ernennungen, die für sich bereits Anlass für eine Art Generalverdacht der Befangenheit gibt.384 Es lassen sich daher die Schlussfolgerungen ziehen, dass Streitparteien mit ihrer Vereinbarung, Investitionsstreitigkeiten vor einem ICSID-Schiedsgericht beizulegen, ihr Recht auf einen unabhängigen und unparteiischen Entscheidungsträger zugunsten ihres Rechts, ihren Entscheidungsträger frei wählen zu können, aufgegeben haben (zumindest bis zu einem gewissen Grad). Im Vergleich zu staatlichen Richtern wäre dann bei Schiedsrichtern in Investitionsschiedsverfahren ein anderer ethischer Maßstab zu beachten. Den Schiedsrichtern ist bewusst, dass eine finanzielle Abhängigkeit gegenüber den Streitparteien besteht, dass eine gewisse Parteiergreifung gewünscht ist und das dadurch Interessenkonflikte vom Zeitpunkt der Ernennung bis zum Erlass des Schiedsspruchs begründet werden. Eine solche Schlussfolgerung wird im Grundsatz unter der Berücksichtigung des rechtlichen Kontextes der Bestimmung über die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern gemäß Art.  14 (1) ICSID Übrk. und vergleichbaren Bestimmungen in allen wichtigen Schiedsordnungen widerlegt.385 Zum einen beweist die Entstehungsgeschichte des ICSID-Übereinkommens, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Entscheidungsträger – der Daten über die Arbeitsauslastung von Schiedsrichtern überwiegend in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit bereitstellen. 383  Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  6–191; S.  51; Kee, Judicial Approaches to Arbitrator Independence and Impartiality in International Commercial Arbitration, in: Knahr/Koller/Rechberger/Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  181, 182 und 193; Yuval, Squaring the Circle? Independence and Impartiality of Party-Appointed Adjudicators in International Legal Proceedings, in: Loy. L.A. Int’l. & Comp. L. Rev., Bd.  30 (2008), S.  473, 488; Dagegen anders, Rubins/Lauterburg, Independence, Impartiality and Duty of Disclosure in Investment Arbitration, in: Knahr/Koller/Rechberger/Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  153. 384 So beispielsweise Maier, Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit – Ein Handbuch der deutschen und internationalen Schiedsgerichtspraxis, Rn.  189; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap.  14, Rn.  7. 385  Art.  11 UNCITRAL-Transparenzregeln; Art.  14 (1) SCC-Schiedsordnung; Art.  11 (1) ICC-Schieds­ordnung.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

231

Schiedsrichter – von höchster Priorität war und in jedem Investor-Staat-Schiedsverfahren sichergestellt sein sollte.386 Beispielsweise ist in den Entwurfsunterlagen des ICSID-Übereinkommens nirgendwo geregelt, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter zugunsten des Rechts der Streitparteien eingeschränkt werden soll, ihren Entscheidungsträger frei wählen zu können und sich auch für Personen zu entscheiden, die gleichzeitig als Schiedsrichter und Parteivertreter tätig sind.387 Ganz im Gegenteil. Art.  40 (2) ICSID Übrk. wurde vor dem Hintergrund konzipiert, die Schiedsrichterwahl der Parteien einzuschränken und ist Ausdruck des Rechts der Parteien auf einen unabhängigen und unparteiischen Entscheidungsträger im Schiedsverfahren.388 Die Unbedingtheit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Entscheidungsträgers kommt auch in Art.  39 ICSID Übrk. mit seiner Regel zum Ausdruck, dass „The majority of the arbitrators shall be nationals of States other than the Contracting State party to the dispute and the Contracting State whose national is a party to the dispute“.

Auch hier zeigt die Entstehungsgeschichte von Art.  39 ICSID Übrk., dass die Ernennung nationaler Schiedsrichter eingeschränkt wurde, um zu vermeiden, dass der Vorsitzende der einzige unabhängige und unparteiische Entscheidungsträger des Schiedsgerichts sein würde.389 Es entsprach daher nicht der Intention der Verhandlungsführer des ICSID-Übereinkommens und ebenso nicht dem Kontext des Art.  39 ICSID Übrk., dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsrichters mögliche Abhängigkeiten und Vorurteile der beiden anderen Schiedsrichter ausgleichen könnte. In der Literatur wird dies allerdings oft 386 

Siehe oben unter C. III. 1. a). Siehe hierzu auch Dhillon/Thomas, The Foundations of Investment Treaty Arbitration: The ICSID Convention, Investment Treaties and the Review of Arbitration Awards, in: ICSID Review, Bd.  32 (3) (2017), S.  459, 467: „The Convention’s rather terse treatment of arbitrator qualifications and conduct stands in sharp contrast to recent attempts to deal with such issues as conflicts of interest, the unanticipated phenomenon of ‚double-hatting‘ (a person acting simultaneously as counsel and arbitrator in different investment treaty cases) and so on. These issues have been addressed by the inclusion of provisions in treaties that either contemplate the State parties formulating codes of conduct after the treaty enters into force, or actually setting out in detail in the treaty what additional duties arbitrators must comply with.“ 388  Siehe hierzu Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5–111, der zunächst klarstellt, dass „[t]he right to appoint an arbitrator…is indeed qualified by the requirement that the entire Tribunal is independent und impartial“ und anschließend darauf hinweist, dass das ICSID-Übereinkommen und die ICSID-Schiedsordnung „provide that each of the arbitrators shall be independent and impartial“; Siehe auch Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  39, Rn.  2, wonach das Erfordernis der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gemäß Art.  40 (2) ICSID Übrk. eine Einschränkung der Wahlfreiheit der Parteien bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts darstellt. 389  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  39, Rn.  2. 387 

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

behauptet390 oder auch dass eine begrenzte und tolerierte Befangenheit der parteiernannten Schiedsrichter rechtlich nicht bedenklich sei, weil sich beide mit ihrer jeweiligen Voreingenommenheit gegenüber der sie ernennenden Partei gegenseitig aufwiegen würden.391 Dabei ist das Gegenteil der Fall, die Verhandlungsführer des ICSID-Übereinkommens betonten die Bedeutung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aller Schiedsrichter, auch der einseitig Parteiernannten.392 Ansonsten hätte der vorsitzende Schiedsrichter keine andere Wahl, als sich auf die Seite eines der beiden parteiischen Schiedsrichter zu stellen, um eine Mehrheit zu erreichen.393 Der Sinn und Zweck des Art.  39 ICSID Übrk. bestätigt deswegen die Garantie der geforderten Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der ICSID-Schiedsrichter, obwohl die Regelung die Staatsangehörigkeit der Schiedsrichter betrifft. Und sobald sich ein ausländischer Investor und ein Gastgeberstaat dem Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen unterwerfen, bekennen sie sich zu der Einschränkung, einen Schiedsrichter ernennen zu müssen, der vor allem unabhängig und unparteiisch zu sein hat.394

390  Franck, The Role of International Arbitrators, in: ILSA J. of Int’l & Comp. L. (2006), S.  1, 12; Mourre, Are Unilateral Appointments Defensible? On Jan Paulsson’s Moral Hazard in International Arbitration, in: Kluwer Arbitration Blog (5.10.2010), online abrufbar unter: http:// arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2010/10/05/are-unilateral-appointments-defensible-onjan-paulssons-moral-hazard-in-international-arbitration/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), der erklärt, dass parteiernannte Schiedsrichter manchmal die Interessen ihrer ernennenden Parteien mit solcher Leidenschaft verteidigen würden, dass ein „starker“ Vorsitzender sie ignoriert und am Ende einen Schiedsspruch verfassen würde, ohne dabei auf die „Taktik“ des parteiernannten Schiedsrichters zu achten. 391  Sogenannte „ausgeglichene Befangenheit“, siehe hierzu Rau, On Integrity in Private Judging, in: Arb. Int’l, Bd.  14 (2) (1998), S.  115, 123; Mankowski, Die Ablehnung von Schiedsrichtern, in: SchiedsVZ (2004), S.  304, 311; Lotz, Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des parteiernannten Schiedsrichters, in: AnwBl. (2002), S.  202, 206; Jermini, Die Anfechtung der Schiedssprüche im internationalen Privatrecht: nach dem schweizerischen Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht, mit rechtsvergleichenden Ausblicken, Rn.  308; Bucher, Zur Unabhängigkeit des parteibenannten Schiedsrichters, in: Merz/Schluep (Hrsg.), FG Kummer, 1980, S.  599, 605; Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, 2004, S.  127, bezeichnet diesen Umstand als den „Kompensationseffekt“. 392  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  39, Rn.  7. 393  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  39, Rn.  7. 394  Franck, The Role of International Arbitrators, in: ILSA J. of Int’l & Comp. L. (2006), S.  1, 5 f.; Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  17, der die gewollte Garantie der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit damit begründet, dass die Parteien drei Schiedsrichtern Entscheidungsbefugnisse zuweisen und daher erwarten, dass alle drei Schiedsrichter unparteiisch und unabhängig sind, wobei sie jedoch einräumen, dass dieser Zustand zumindest ex ante der Fall ist, da die Parteien im Laufe des Verfahrens das Ziel der Streitbeilegung aus den Augen verlieren könnten und vor allem die Sorge um den Sieg hätten („most of all care about winning“).

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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Auch die Natur der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit spricht gegen einen niedrigeren Standard der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Es handelt sich um Verwaltungsrecht, um Eingriffe des Staates in die Rechte von Privatpersonen und um die Entscheidung, ob diese Eingriffe rechtmäßig waren oder eben nicht. Dabei spielen vor allem auch öffentliche bzw. bürgerliche Interessen des Gastgeberstaates eine Rolle, die auch einen eventuellen Schadensersatzanspruch des Investors zu tragen haben. Das öffentliche Interesse besteht aber ganz im Sinne des Rechtsstaatsprinzips vor allem in der Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter. Und letztendlich ist es auch gerade das mögliche Ausmaß der Entscheidung, die ein ICSID-Schiedsgericht trifft, das für die Unabhängigkeit neutraler Richter spricht. Ein Schiedsspruch in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren kann international größere Konsequenzen im Sinne von Verpflichtungen oder Geldzahlungen mit sich bringen als eine Entscheidung der neun Richter des US-Supreme Courts, wo jeder einzelne Würdenträger eine Garantie über seine unabhängige und unparteiische Entscheidungsfindung ableisten muss.395 Und wenn die Entscheidungen von Investor-Staat-Schiedsgerichten größere Konsequenzen mit sich bringen als so manche Entscheidung des US-Supreme Court, dann müssen die Schiedsrichter eines ICSID-Schiedsgerichts im Umkehrschluss mindestens den gleichen Standard an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erfüllen, wie ihn nationale Richter einzuhalten haben. 2. Die Unvereinbarkeit der Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter mit dem unmittelbaren Einfluss der Streitparteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts Einer der Gründe, der zu berechtigtem Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter sowie gleichzeitig zu Zweifeln an der Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit führen kann, ist die Möglichkeit, dass die Streitparteien unmittelbar Einfluss auf die Zusammensetzung des Schieds­gerichts haben. Das betrifft im Besonderen das in der Praxis überwiegend vorkommende Dreier-Schiedsgericht, in dem jeweils mindestens ein Schiedsrichter von jeder Streitpartei ernannt wird. Der in dieser Konstellation vorsitzende (dritte) Schiedsrichter wird nicht von den Parteien oder deren Vertretern allein, sondern gemeinsam durch Übereinstimmung ernannt und hat deswegen zu den Streitparteien auch kein solches Verhältnis wie in dem im Folgenden beschriebenen Sinne. 395 Vgl. Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339, 341.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Nach dem ICSID-Übereinkommen benennen die Streitparteien gemäß Art.  37 (2) (b) ICSID Übrk. jeweils einen Schiedsrichter und im gegenseitigen Einverständnis den dritten vorsitzenden Schiedsrichter. Die Einflussnahme der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit wird von Brower und Rosenberg bezeichnet als „[the] important elements of perceived legitimacy are the significant and timeless right of the parties to choose the arbitrators […].“396 Das von Brower und Rosenberg genannte legitime Interesse rührt aus dem System der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit, das auch mit Unsicherheiten und Unvorhersehbarkeiten behaftet ist.397 Eine Unsicherheit, die in der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zumindest durch den übermäßigen Ermessensspielraum der Schiedsrichter bei der Auslegung der materiellen Investitionsschutzvorschriften (vor allem wegen des Fehlens von verbindlichen Präzedenzregelungen und des Fehlens eines Berufungsmechanismus) und den unterschiedlichen ideologischen, politischen sowie nationalen Hintergründen der Schiedsrichter verursacht wird.398 Die selbsternannten Schiedsrichter sollen zur Gewissheit beitragen, dass die Argumente der Streitparteien vom Schiedsgericht gehört wurden, dass die Entscheidung von einem kompetenten und qualifizierten Gremium getroffen wurde und dadurch die Akzeptanz des Schiedsurteils von den Streitparteien verbessert wird.399 Der 396  Brower/Rosenberg, The Death of the Two-Headed Nightingale: Why the Paulsson-van den Berg Presumption that Party-Appointed Arbitrators are Untrustworthy is Wrongheaded, in: Arb. Int’l, Bd.  29 (1) (2013), S.  7, 8; Siehe auch Mulcahy, BCLP International Arbitration Surveys: Party Appointed Arbitrators and the Drive for Diversity, in: Kluwer Arbitration Blog (Oktober 2018), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/10/24/ permanent-contributor-12/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „Large numbers of users of arbitration favor party appointments and it is said that the ability to select one of the arbitrators gives a party a sense of control and proximity to the arbitration proceedings that engenders confidence in its outcome.“ 397  Posner/Yoo, A Theorie of International Adjudication, S.  6; Posner/Yoo, Judicial Independence in International Tribunals, Cali. L. Rev., Bd.  93 (1) (2005), S.  1, 7; Park, Arbitrator’s Discontents: Between the Pernicious and the Precarious, in: Les Relation Privées Internationales. Mélanges en L’Honneur Du Professeur Bernard Audit (2014), S.  581, 593; Rogers, Ethics in International Arbitration, Rn.  2.39. 398  Siehe dazu Franck, The Structure of Impartiality. Examining the Riddle of One Law in a Fragmented World, S.  247 f.; Park, Arbitrator’s Discontents: Between the Pernicious and the Precarious, in: Les Relation Privées Internationales. Mélanges en L’Honneur Du Professeur Bernard Audit (2014), S.  581, 593; Smith, „Judicial Nationalism“ in: International Law: National Identity and Judicial Autonomy at the ICJ, in: Tex. Int’l L. J., Bd.  40 (2005), S.  197, 203. 399  Siehe dazu Brower/Rosenberg, The Death of the Two-Headed Nightingale: Why the Paulsson-van den Berg Presumption that Party-Appointed Arbitrators are Untrustworthy is Wrongheaded, in: Arb. Int’l, Bd.  29 (1) (2013), S.  7, 25; Mourre, Are Unilateral Appointments Defensible? On Jan Paulsson’s Moral Hazard in International Arbitration, in: Kluwer Arbitra­ tion Blog (Oktober 2010), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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Wunsch der Parteien nach einer solchen Kontrolle über das Schiedsgericht manifestiert sich in Art.  37 (2) (b) ICSID Übrk., von dem in der Schiedsgerichtspraxis auch viel Gebrauch gemacht wird und von den Streitparteien große Anstrengungen unternommen werden, um zu vermeiden, dass die Ernennung des Vorsitzenden durch das ICSID-Zentrum und aus dessen Schiedsrichterverzeichnis vorgenommen wird. Diesbezüglich werden etwa 71 % aller Schiedsrichterbestellungen von den Parteien und ohne Hilfe des ICSID-Zentrums durchgeführt.400 Der Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts stellt aber auch tatsächlich eine Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter dar.401 Nach Paulsson sei die durch eine Parteiernennung der Schiedsrichter geschaffene Gefahr von Interessenkonflikten und befangenen Schiedsrichtern („partisan arbitrators“), die zu willkürlichen Entscheidungen führen könne, für eine öffentlich-rechtliche Streitbeilegung zu groß.402 Diese Ansicht wurde auch von den unangefochtenen Schiedsrichtern in der ICSID-Aufhebungsentscheidung in dem Fall OPIC Karimum Corporation vs Venezuela öffentlich anerkannt:

com/2010/10/05/are-unilateral-appointments-defensible-on-jan-paulssons-moral-hazard-in-in ternational-arbitration/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Franck, The Role of International Arbitrators, in: ILSA J. Int’l & Comp. L (2006), S.  1, 12: Franck weist darauf hin, dass ein solches Verständnis der Parteien nicht zwangsläufig zu einer Voreingenommenheit des Schiedsrichters führen muss und den Ausgang des Verfahrens nicht prädisponiert. 400  Caron, Investor State Arbitration: Strategic and Tactical Perspectives on Legitimacy, in: Suffolk Transnat’l. L.J., Bd.  32 (2) (2008), S.  513, 519: „[parties apparently] go to great lengths to avoid ICSID making the appointment of the chair from its roster“; Kinnear/Nitschke, Disqualification of Arbitrators under the ICSID Convention and Rules, in: Giorgetti (Hrsg.), Challenges and Refusal of Judges and Arbitrators in International Courts and Tribunals, S.  34, 39. 401  Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339 ff.; van den Berg, Dissenting Opinions by Party-Appointed Arbitrators in Investment Arbitration, in: Arsanjani/Cogan/Sloane/Wiessner (Hrsg.), Looking to the Future: Essays on International Law in Honor of Michael Reisman, S.  821–843; van den Berg, Charles Brower’s problem with 100 percent-dissenting opinions by party-appointed arbitrators in investment arbitration, in: Arb. Int’l, Bd.  31 (3) (2015), S.  1 ff.; Smit, The Pernicious Institution of the Party-Appointed Arbitrator, in: Col. FDI Pers., No.  33 (14.12.2010); Van Harten, The (Lack of) Women Arbitrators in Investment Treaty Arbitration, in: Col. FDI Pers., No.  59 (06.02.2012). 402  Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339; Siehe auch Mulcahy, BCLP International Arbitration Surveys: Party Appointed Arbitrators and the Drive for Diversity, in: Kluwer Arbitration Blog (Oktober 2018), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/10/24/permanent-con tributor-12/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „criticisms of the system of party appointments, many of which are based on concerns that it can result in the appointment of partisan arbitrators.“

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

„The suggestion […] that multiple appointments are likely to be explicable on the basis of a party’s perception of the independence and competence of the appointed arbitrator is in our view unpersuasive. In a dispute resolution environment, a party’s choice of arbitrator involves a forensic decision that is clearly related to a judgment by the appointing party and its counsel of its prospects of success in the dispute. In our view, multiple appointments of an arbitrator are an objective indication of the view of parties and their counsel that the outcome of the dispute is more likely to be successful with the multiple appointee as a member of the tribunal than would otherwise be the case.“403

Die sich streitenden Parteien und ihre Anwälte überprüfen demnach die Schiedsrichter und suchen sie sich aufgrund ihrer früheren Ernennungen, der Entscheidungen der Schiedsverfahren, unter denen sie als Schiedsrichter gedient haben, ihrer Standpunkte zu bestimmten Rechtsfragen und ihrer allgemeinen politischen und ideologischen Ansichten aus.404 Ein wichtiges Kriterium stellt auch die vorherige Berufserfahrung der Streitpartei (oder deren Parteivertretung) mit dem potenziellen Kandidaten dar.405 Insgesamt sei es „common knowledge that parties select their arbitrator to maximize their chances of prevailing.“406 Das ist auch zulässig, denn obwohl die Parteien dazu verpflichtet sind, unabhängige und unparteiische Schiedsrichter zu benennen, sind sie nicht auf unerfahrende oder unwissende Schiedsrichter beschränkt.407 Isoliert betrachtet ist die strategische Vorgehensweise der ernennenden Parteien und der voreingenommenen Ansichten des potenziellen Schiedsrichters unter dem Gesichtspunkt der Unabhängig403 

Opic Karimum Corporation vs Bolivarian Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/10/14, Decision on the Proposal to Disqualify Professor Philippe Sands, 05.05.2011, Rn.  47: die Ernennung von Phillippe Sands wurde wegen seiner wiederholten Ernennung von Venezuela angefochten. 404  Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  7–002; Siehe auch Bendayan, Interview with a Leading International Arbitrator: L. Yves Fortier, in: IBA Arb. News, Bd.  18 (2013), S.  16, 17 f.; Brower/Rosenberg, The Death of the Two-Headed Nightingale: Why the Paulsson-van den Berg Presumption that Party-Appointed Arbitrators are Untrustworthy is Wrongheaded, in: Arb. Int’l, Bd.  29 (1) (2013), S.  7, 17; Pauls­ son, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339, 352. 405 Siehe Brekoulakis/Hodis, Information about Arbitrators – An Empirical Assessment, in: Kluwer Arbitration Blog (24.07.2018), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerar bitration.com/2018/07/25/mr/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): Auf der Grundlage von empirischen Studien sei die Empfehlung durch Kollegen aufgrund gemeinsamer Berufserfahrung eines der wichtigsten Kriterien für die Auswahl eines Schiedsrichters. 406  Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  7–002; Siehe hierzu auch Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  155; Smit, The Pernicious Institution of the Party-Appointed Arbitrator, in: Col. FDI Pers., No.  33 (14.12.2010). 407 Siehe Thomson, „An open mind, not a blank mind“: Hanotiau survives challenge by Kazakhstan, in: Global Arbitration Review (26.11.2015), online abrufbar unter: https://global arbitrationreview.com/article/1034959/%E2%80%9Can-open-mind-not-a-blank-mind%E2% 80%9D-hanotiau-survives-challenge-by-kazakhstan (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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keit und Unparteilichkeit nicht problematisch, solange der Schiedsrichter in der Lage zu sein scheint, den Streitfall objektiv und rational zu analysieren und das relevante Recht auf den Streitgegenstand anzuwenden.408 In der Praxis haben die Schiedsrichter aber einen persönlichen Anreiz, die an sie gestellten Erwartungen der ernennenden Parteien zu erfüllen. Schiedsrichter bekommen kein geregeltes Einkommen und sind deswegen finanziell betrachtet von weiteren Ernennungen abhängig. In dem Fall, dass ein Schiedsrichter zum Beispiel von einer Partei immer wieder ernannt wird und auch darauf hofft, weiterhin ernannt zu werden, ist die jeweils nächste Ernennung eine Art Belohnung für den Ausgang des jeweils vorherigen Schiedsverfahrens.409 Zu dieser Problematik gibt es mittlerweile auch empirische Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass die aus der wiederholten Bestellung resultierende unmittelbare Folge darin besteht, dass die Schiedsrichter dazu neigen, die sie bestellende Partei zu bevorzugen. Nach Susan Franck geschehe dies manchmal sogar bis zu einem Grad, an dem die Schiedsrichter die Rolle von Interessenvertretern der sie benennenden Partei übernehmen würden und der vorsitzende Schiedsrichter dadurch der einzige Entscheidungsträger im Schiedsgericht bleibe, in dessen Person eine unabhängige und unparteiische Entscheidungsfindung garantiert werden könne.410 408  Bishop/Reed, Practical Guidelines for Interviewing, Selecting and Challenging PartyAppointed Arbitrators in International Commercial Arbitration, in: Arb. Int’l, Bd.  14 (1998), S.  395, 396; Brower/Rosenberg, The Death of the Two-Headed Nightingale: Why the Paulsson-van den Berg Presumption that Party-Appointed Arbitrators are Untrustworthy is Wrongheaded, in: Arb. Int’l, Bd.  29 (1) (2013), S.  7, 17: „[T]here is a critical difference between, on the one hand, Paulsson’s feared ‚advocate-arbitrator‘ who ‚will help me win the case‘, and, on the other hand, an arbitrator who is appointed by a party because that party perceives, based on the arbitrator’s judicial and/or professional track record, that the arbitrator might be more likely than not to share the party’s view of the case. While the former is clearly improper, the latter is benign and in fact commonly practiced.“. 409  Ähnlich Korsnäs Aktiebolag vs AB Fortum Värme, Schwedischer Supreme Court, Case No. T 156-09, Rn.  5; Siehe auch Hascher, ICC Practice in Relation to the Appointment, Confirmation, Challenge and Replacement of Arbitrators, in: ICC Bulletin, Bd.  6 (2) (1995), S.  4, 10; Reiner, Handbuch der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit, S.  60. 410  Die tatsächliche Befangenheit wurde empirisch durch Franck untersucht, The ICSID Effect? Considering Potential Variations in Arbitration Awards, in: Virginia J., Bd.  51 (2011), S.  825, 844, 859 ff.; Franck, International Investment Arbitration: Winning, Losing and Why, in: Col. FDI Pers., No.  7 (2009); Franck, Development and Outcomes of Investment Treaty Arbitration, in: Harv. Int’l L. J., Bd.  50 (2) (2009), S.  435 ff.; Kapeluik, Collegial Games: Analyzing the Effect of Panel Composition on Outcome in Investment Arbitration, in: The Rev. of Litig., Bd.  31 (2012), S.  267 ff.; Kapeluik, The Repeat Appointment Factor: Exploring Decision Patterns of Elite Investment Arbitrators, in: Cornell L. Rev., Bd.  96 (2010), S.  47 ff.; van den Berg, Dissenting Opinions by Party-Appointed Arbitrators in Investment Arbitration, in: Arsanjani/Cogan/Sloane/Wiessner (Hrsg.), Looking to the Future: Essays on International Law in

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

In einer optimalen Situation heben sich dann zwar die vorgebrachten Ansichten der parteiischen Schiedsrichter bei der Entscheidungsfindung gegenseitig auf oder sie verteidigen die Interessen ihrer ernennenden Parteien mit solcher Vehemenz, dass ein kompetenter Vorsitzender sie ignoriert und bei der Verfassung des Schiedsurteils nicht auf die Taktik der parteiischen Schiedsrichter achtet.411 Allerdings ist Art.  37 (2) (b) ICSID Übrk. nicht so auszulegen, als dass sich die Streitparteien nur auf einen unabhängigen und unparteiischen Schiedsrichter in der Person des Vorsitzenden einigen müssen, wenn sie sich für ein Schiedsgericht bestehend aus drei Schiedsrichtern entscheiden bzw. nicht von der Standardregelung im ICSID-Übereinkommen mit drei Schiedsrichtern abweichen.412 Und noch wichtiger, selbst wenn sich die Parteien auf zwei parteiische und einen unparteiischen Schiedsrichter geeinigt hätten, würde das keine Rolle spielen. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind entscheidend für die Legitimität der einzelnen Entscheidungen der Schiedsrichter der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsmechanismus und unterliegen deswegen als solche nicht der Parteiautonomie.413 Außerdem ist die gegenseitige Neutralisierung der beiden parteiernannten Schiedsrichter ein theoretisches Konstrukt, das in der Praxis wohl eher unwahrscheinlich ist. Es ist eher wahrscheinlich, dass bei einer tolerierten Parteilichkeit und der dadurch klar positionierten parteiernannten Schiedsrichter, der Vorsitzende als einziger unparteiischer und unabhängiger Schiedsrichter keine andere Wahl hätte, als sich für eine Seite zu entscheiden, um

Honor of Michael Reisman, S.  821 ff.; Van Harten, Arbitrator Behavior in Asymmetrical Adjudication: An Empirical Study of Investment Treaty Arbitration, in: OHLJ, Bd.  50 (2012), S.  211 ff. Allerdings machen die inhärenten, methodischen Grenzen der empirischen Forschung einen verlässlichen Nachweis von Voreingenommenheit (reliable proof of bias) schwierig. Siehe dazu Rogers, The Politics of International Investment Arbitrators, in: Santa Clara J. Int’l L., Bd.  12 (2013), S.  223, 228 und 233; Franck, The Structure of Impartiality. Examining the Riddle of One Law in a Fragmented World, S.  254. 411  Franck, The Role of International Arbitrators, in: ILSA J. Int’l & Comp. L. (2006), S.  1, 12; Mourre, Are Unilateral Appointments Defensible? On Jan Paulsson’s Moral Hazard in International Arbitration, in: Kluwer Arbitration Blog (Oktober 2010), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2010/10/05/are-unilateral-appointments-defen sible-on-jan-paulssons-moral-hazard-in-international-arbitration/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 412  Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  17: Hierbei sei aber zu berücksichtigen, dass eine solche Vereinbarung zumindest ex ante nicht existieren würde, denn im Laufe des Verfahrens könnten die Parteien das Ziel der Streitbeilegung aus den Augen verlieren und sich vor allem um den Sieg bemühen. 413  Art.  40 (2) in Verbindung mit Art.  14 (1) ICSID Übrk.; Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  147; Daele, Challenge and Disqualification of Arbitrators in International Arbitration, Rn.  5–111.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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so eine Mehrheit für eine Entscheidung zu erreichen.414 Dadurch würde aber die Gerechtigkeit im Schiedsverfahren, das Vertrauen in die Entscheidungsträger und damit die Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit untergraben werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass mehrere Wissenschaftler und selbst Schiedsrichter, allen voran Jan Paulsson, dafür plädieren, den Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts wegen seiner negativen Auswirkungen auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit abzuschaffen.415 Paulsson kritisiert, dass die Ernennung der Schiedsrichter durch die Parteien den Beratungsprozess im Schiedsverfahren gefährdet und verzerrt, indem sie ein kontradiktorisches Element in den Prozess einbringen.416 Er kommt zu dem Schluss, dass dies „incompatible with the very concept of impartial [and independent] dispute resolution“ sei.417 Andere weisen vorsichtiger auf die inhärente Spannung zwischen der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsrichters einerseits und dem Wunsch nach einem Verbündeten in der Person des Schiedsrichters andererseits hin.418 Schließlich zeigen auch die Aufzeichnungen der Verhandlungen zum ICSIDÜber­einkommen auf, dass grundsätzlich eine vollständige Abschaffung der parteiernannten Schiedsrichter gewollt gewesen war. In dem Arbeitspapier vom Juni 1962 (working paper) wurde festgestellt, dass parteiernannte Schiedsrichter die am wenigsten wünschenswerte Methode der Schiedsrichterernennung sei: „[party appointed arbitrators may be the] least desirable method [of appointment], because of the danger that each party will look upon the arbitrator to be appointed by it as an advocate.“419

Was während der Vertragsverhandlungen zum ICSID-Übereinkommen befürchtet wurde, ist von Martin Hunter bestätigt worden, der einen Schiedsrichter mit einer „maximum pre-disposition towards [his] client, but with minimum appearance of bias“ bezeichnet.420

414 

Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  39, Rn.  2 und 7. Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339, 348 und 352; Siehe auch Smit, The Pernicious Institution of the ­Party-Appointed Arbitrator, in: Col. FDI Pers., No.  33 (14.12.2010). 416  Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  156 f. 417  Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  162. 418  Park, Arbitrator’s Discontents: Between the Pernicious and the Precarious, in: Les Relation Privées Internationales. Mélanges en L’Honneur Du Professeur Bernard Audit, 2014, S.  581, 594; Yuval, Squaring the Circle? Independence and Impartiality of Party-Appointed Adjudicators in International Legal Proceedings, in: Loy. L.A. Int’l. & Comp. L. Rev., Bd.  30 (2008), S.  473, 473 und 488. 419  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  40. 420  Hunter, Ethics of the International Arbitrator, in: Arb. Int’l, Bd.  53 (1987), S.  219, 223. 415 

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

3. Die Beeinträchtigung der Unabhängigkeit neutraler Schiedsrichter durch die Praxis, Schiedsrichter als Anwälte und Anwälte als Schiedsrichter zuzulassen Die mögliche Doppelrolle des Schiedsrichters, also sowohl als Schiedsrichter als auch als Parteivertreter tätig zu sein, stellt ebenfalls eine Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters dar. Sie führt zu Interessenkonflikten in der Person des Schiedsrichters, weil die zusätzliche anwaltliche Tätigkeit ein hohes Risiko der Befangenheit zur Folge hat und deswegen auch häufig im Mittelpunkt von Ablehnungsanträgen von Schiedsrichtern in Investor-Staat-Schiedsverfahren steht. Hier seien exemplarisch drei Beispiele angeführt: 1. Wenn eine der Parteien des Schiedsgerichtsverfahrens ein Mandatsverhältnis mit dem Schiedsrichter hat, können Sympathien oder die Identifikation mit der allgemeinen Position dieser Partei die Entscheidung des Schiedsrichters beeinflussen, 2. wenn der Schiedsrichter mit einer Rechtsfrage konfrontiert wird, die er zuvor als Anwalt argumentiert hat, könnte er nicht so unbefangen darüber entscheiden, als wenn die Rechtsfrage neu für ihn wäre und 3. wenn der Schiedsrichter als Parteivertreter in ein paralleles Verfahren zu ähnlichen Rechtsfragen involviert ist, kann das Bewusstsein, dass sein Schiedsspruch seine Argumente als Anwalt unterstützen oder behindern könnte, seine Entscheidung beeinflussen.421 Dass es sich bei den Beispielen nicht nur um hypothetische Konstellationen in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit handelt, zeigen die folgenden Schiedsverfahren: 1.  Ein Schiedsrichter hat in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren einen Schiedsspruch erlassen und danach versucht, sich in einem anderen InvestorStaat-Schiedsverfahren auf diesen Schiedsspruch zu berufen,422 2. ein beklagter Gastgeberstaat versuchte seine Argumentation in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren auf eine Entscheidung zu stützen, die einer der

421 Siehe

Mouawad, Issue Conflicts in Investment Treaty Arbitration, in: TDM., Bd.  5 (2009), S.  1, 1–2 und 12: die sich mit der Unterscheidung von „klassischen“ Interessenkonflikten beschäftigt, wie z. B. das Verhältnis eines Schiedsrichters zu einer der Parteien oder seinem Anwalt, und von Konflikten, die sich aus der Doppelrolle des Anwalts als Parteivertreter und Schiedsrichter, aus Wiederholungsbestellungen und aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu Fragen ergeben, die in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren aufgeworfen werden. 422  Compañia de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Repub­ lic, ICSID Case No. ARB/07/3, Award, 20.08.2007.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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Schiedsrichter in einem anderen Investor-Staat-Schiedsverfahren als Anwalt aufheben wollte,423 3. in mehreren Fällen war ein Schiedsrichter oder seine Kanzlei zur selben Zeit in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren als solcher und in einem anderen Investor-Staat-Schiedsverfahren als Anwalt tätig und vertrat dort den klagenden, ausländischen Investor gegen den beklagten Gastgeberstaat aus dem ersten Schiedsverfahren.424 In drei weiteren Investor-Staat-Schiedsverfahren beruhten die Anträge auf der Ablehnung eines Schiedsrichters ebenfalls auf dem Rollentausch zwischen denselben Schiedsrichtern und Parteivertretern in mehreren Verfahren. Auch hier lagen begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Personen in ihrer Rolle als Schiedsrichter vor. Einige dieser Investor-Staat-Schiedsverfahren sollen im Folgenden noch einmal etwas genauer dargestellt werden, um die reelle Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter durch die Doppelrolle genauer zu verstehen: Eines dieser Aufhebungsverfahren war SGS Societe Generale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan.425 Die beruflichen Wege des von Mexiko (Beklagter in dem Schiedsverfahren) ernannten Schiedsrichters, J. Christopher Thomas, und dem Parteivertreter von Mexiko in dem Schiedsverfahren, Jan Paulsson, hatten sich in der Vergangenheit mehrfach in vertauschten Rollen als Schiedsrichter und Parteivertreter in Investor-Staat-Schiedsverfahren gekreuzt. Thomas hatte einen Beklagtenstaat in zwei anderen Verfahren als Parteivertreter vertreten, in denen Paulsson den Vorsitz des Schiedsgerichts führte.426 In einem dieser Verfahren wies das Schiedsgericht alle Klagen gegen den beklagten Gastgeberstaat (Mexiko) ab. Wie sich später herausstellte, war Mexiko zudem ein wichtiger Mandant von Thomas‘ Rechtsanwaltskanzlei. Aufgrund dieser Situation argumentierte der Kläger in SGS Societe Generale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, dass er Zweifel an der Unabhängigkeit und Unpar423  Republic of Ghana vs Telekom Malaysia Berhad, District Court of The Hague, 18.10.2004, Challenge No.  13/2004; Petition No. HA/RK 2004.667; und Challenge 17/2004, Petition No. HA/RK/2004/778, 05.11.2004. 424  ICS Inspection and Control Services Limited vs Argentine Republic (UNCITRAL), Decision on Challenge to Mr. Stanimir A. Alexandrov, 17.12.2009; CEMEX Caracas Investments B.V. and CEMEX Caracas II Investments B.V. vs Bolivarian Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/08/15, Decision on Proposal for Disqualification of an Arbitrator, 06.11.2009. 425  SGS Société Générale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/01/13, Decision on Claimant’s Proposal to Disqualify Arbitrator, 19.12.2002. 426  GAMI Investments, Inc. vs The Government of the United Mexican States; Robert Azi­ nian and others vs United Mexican States, ICSID Case No. ARB(AF)/97/2; SGS Société Géné­ rale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/01/13, Deci­ sion on Claimant’s Proposal to Disqualify Arbitrator, 19.12.2002, Rn.  9 und 12.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

teilichkeit von Thomas habe, weil Thomas sich bewusst oder unbewusst gegenüber Paulsson in der Pflicht fühle, in dem laufenden Schiedsverfahren für ihn und seinen Mandanten zu entscheiden und daher nicht mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit an den Fall herangehen könne.427 Die unangefochtenen Schiedsrichter lehnten allerdings den Aufhebungsantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass es sich dabei lediglich um Vermutungen und Spekulationen handeln würde. Der Kläger müsse schon beweisen, dass sich Thomas und Pauls­ son in den gemeinsamen Schiedsverfahren gegenseitig bevorzugen würden („reciprocal partisanship“) und deswegen als Schiedsrichter willkürlich und voreingenommen entscheiden würden.428 Bemerkenswert an diesem Fall ist nicht nur die Verflechtung zwischen Paulsson und Thomas in den verschiedenen Investor-Staat-Schiedsverfahren, die schließlich zu den Zweifeln an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des von Paulsson ernannten Schiedsrichters Thomas geführt haben. Sondern auch die vom Schiedsgericht gestellten hohen Anforderungen an die Beweislast für den Kläger, die praktisch unmöglich zu erfüllen sind und deswegen auch, wie oben bereits diskutiert wurde, auf keinen Fall als Maßstab für Ablehnungsanträge nach Art.  57 ICSID Übrk. angewendet werden sollten. In zwei weiteren Fällen führte Dr. Andres Rigo Sureda als Schiedsrichter den Vorsitz über zwei Investor-Staat-Schiedsverfahren, Azurix Corp. gegen Argenti­ nien und Siemens A.G. gegen Argentinien.429 Guido Santiago Tawil war in beiden Schiedsverfahren der Parteivertreter des klagenden ausländischen Investors, fungierte aber gleichzeitig auch als Schiedsrichter in einem dritten Schiedsverfahren, Duke Energy International Peru Investments No.  1 Ltd. gegen Peru430. In diesem dritten Schiedsverfahren vertrat die Anwaltskanzlei von Sureda (Fulbright & Jaworski LLP) den klagenden ausländischen Investor.431 Tawil verhandelte somit zwei Fälle vor Sureda, während Suredas Anwaltskanzlei einen Fall vor Tawil verhandelte. Aufgrund dieser Situation beantragte Argentinien die Ab427  SGS Société Générale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/01/13, Decision on Claimant’s Proposal to Disqualify Arbitrator, 19.12.2002, Rn.  13. 428  SGS Société Générale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/01/13, Decision on Claimant’s Proposal to Disqualify Arbitrator, 19.12.2002, Rn.  25 f. 429  Azurix Corp. vs Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12; Siemens A.G. vs Ar­ gentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/8. 430  Duke Energy International Peru Investments No.  1 Ltd. vs Republic of Peru, ICSID Case No. ARB/02/8. 431 Siehe IISD, ICSID Tribunals diverge over independence of arbitrator to hear Argentine claims, in: INVEST-SD: Investment Law and Policy News Bulletin (24.03.2005), online abrufbar unter: https://www.iisd.org/itn/wp-content/uploads/2010/10/investment_investsd_mar24_ 2005.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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lehnung von Sureda als Schiedsrichter in den beiden Schiedsverfahren Azurix Corp. gegen Argentinien und Siemens A.G. gegen Argentinien wegen Zweifeln an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit durch einen Interessenkonflikt aufgrund finanzieller Interessen. Während des Aufhebungsverfahrens kündigte Su­ reda sein Arbeitsverhältnis mit Fulbright & Jaworski LLP.432 In dem Schiedsverfahren Azurix Corp gegen Argentinien wurde der Ablehnungsantrag von den übrigen Schiedsrichtern abgewiesen. Die Gründe für die Entscheidung sind nicht veröffentlicht worden und bleiben daher leider unbekannt.433 In dem Schiedsverfahren Siemens A.G. gegen Argentinien lehnte der Vorsitzende des ICSIDSchieds­gerichts das Ablehnungsgesuch ebenfalls ab, nachdem sich die anderen Schiedsrichter nicht auf eine einheitliche Entscheidung einigen konnten.434 Während Schiedsrichter Professor Domingo Bello Janeiro die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Fulbright & Jaworski LLP als impliziten Mangel an der Unabhängigkeit in der Person von Sureda ansah, erklärte Schiedsrichter Charles Brower, dass Sureda durch die Kündigung alle denkbaren Zweifel an seiner Unabhängigkeit ausgeräumt habe.435 Dabei zeigt die fehlende Einigkeit zwischen Brower und Janeiro über den Ablehnungsantrag von Sureda ebenfalls auf, dass die ICSID-Schiedsrichtergemeinschaft die Doppelrolle als Parteivertreter und Schiedsrichter ebenfalls nicht per se als unproblematisch und harmlos für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsrichters sieht. Im Gegenteil, eine wachsende Zahl von Kritikern spricht sich gegen die Doppelrolle von Schiedsrichter und Parteivertreter aus, weil diese zu einer Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Entscheidungsträger führen kann.436 Thomas Bürgenthal, Richter am internationalen Gerichtshof in Den Haag und einer der prominenteren Kritiker dieser Praxis in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit, hat das Problem in einer Rede bemerkenswert dargestellt: 432 

Bernasconi-Osterwalder/Johnson/Marshall, Arbitrator Independence and Impartiality: Examining the dual role of arbitrator and counsel, in: IV Annual Forum for Developing Country Investment Negotiators, Background Papers (2010), S.  26. 433  Sheppard, Arbitrator Independence in ICSID Arbitration, in: Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich (Hrsg.), Essays in Honour of Christoph Schreuer, 2009, S.  131, 145 f. 434  Sheppard, Arbitrator Independence in ICSID Arbitration, in: Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich (Hrsg.), Essays in Honour of Christoph Schreuer, 2009, S.  131, 145 f. 435  Sheppard, Arbitrator Independence in ICSID Arbitration, in: Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich (Hrsg.), Essays in Honour of Christoph Schreuer, 2009, S.  131, 145 f. 436  Siehe zum Beispiel Van Harten, Investment treaty arbitration and public law, der kon­ trovers diskutiert, ob anstelle von parteiernannten Schiedsrichtern nicht lieber auf unbestimmte Zeit angestellte Richter in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren, im Sinne von öffentlichrecht­lichen Angelegenheiten, entscheiden sollten; Siehe auch Mouawad, Issue Conflicts in Investment Treaty Arbitration, in: TDM, Bd.  5 (4) (2008), S.  1 ff.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

„I have long believed that the practice of allowing arbitrators to serve as counsel, and counsel to serve as arbitrators, raises due process of law issues. In my view, arbitrators and counsel should be required to decide to be one or the other, and be held to the choice they have made, at least for a specific period of time. That is necessary, in my opinion, in order to ensure that an arbitrator will not be tempted, consciously or unconsciously, to seek to obtain a result in an arbitral decision that might advance the interests of a client in a case he or she is handling as counsel. ICSID is particularly vulnerable to this problem because the interpretation and application of the same or similar legal instruments – the Bilateral Investment Treaties, for example – are regularly at issue in different cases before it. […] These revolving-door problems – counsel selecting an arbitrator who, the next time around when the arbitrator is counsel, selects the previous counsel as arbitrator – should be avoided. Manus manum lavat, in other words – you scratch my back and I’ll scratch yours, does not advance the rule of law.“437

Demnach sieht auch Bürgenthal zwei zentrale Probleme in der derzeitigen Praxis der Schiedsrichter, auch als Parteivertreter tätig zu sein. Zum einen besteht die Möglichkeit und damit die Versuchung, eine Entscheidung als Schiedsrichter bewusst oder unbewusst so zu fällen, dass es den Interessen eines Mandanten in einem anderen Schiedsverfahren entspricht, in dem der Schiedsrichter als Parteivertreter ebenfalls tätig ist. Zum anderen schafft die Doppelrolle als Schiedsrichter und Parteivertreter innerhalb der kleinen internationalen Investor-StaatSchieds­richtergemeinschaft die Möglichkeit und Versuchung für gegenseitige Ernennungen. X stimmt in einem Schiedsverfahren zu, Y als Schiedsrichterin zu ernennen und im Gegenzug wird Y, wenn sie als Parteivertreterin in einem anderen Schiedsverfahren tätig ist, X als Schiedsrichter ernennen. Wie Bürgenthal feststellt, stellt die Doppelrolle der Schiedsrichter keine Praktik dar, die einem legitimen und den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips entsprechenden Streitbeilegungsverfahren förderlich wäre, weil sie eine bedeutende Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter darstellt. 4. Gesamtwürdigung Die Darstellung hat bewiesen, dass die Schiedsrichter ihre rechtsprechende Tätigkeit nach Art.  14 (1) ICSID Übrk. unabhängig und unparteiisch ausüben müssen. Von dieser Vorgabe kann auch nicht im Rahmen der Parteiautonomie abgewichen werden. Sie ist vielmehr zwingend und wesentlich für die Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit sowie um dem Rechtsstaatsprinzip mit seinem Anspruch auf die Unabhängigkeit neutraler Richter gerecht zu werden. Um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten, können die Parteien einen Schiedsrichter gemäß Art.  57 ICSID Übrk. ablehnen, wenn dieser offensichtlich nicht die Qualifikationen in Art.  14 (1) ICSID Übrk. erfüllt: 437  Bürgenthal, The proliferation of disputes, dispute settlement procedures and respect for the rule of law, in: Arb. Int’l, Bd.  22 (4) (2006), S.  495, 497.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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„A party may propose to a Commission or Tribunal the disqualification of any of its members on account of any fact indicating a manifest lack of the qualities required by paragraph (1) of Article 14“.

Zur Unterstützung der Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet zudem Reg. 6 (2) ICSID-Schiedsordnung jeden Schiedsrichter zur ständigen Offenlegungspflicht von Umständen, die zur Befangenheit und zu seiner Ablehnung führen können. Aber auch am Beispiel von Reg. 6 (2) ICSIDSchieds­ordnung wird wieder das Problem des Standardmodells der InvestorStaat-Schieds­gerichtsbarkeit mit seinen abstrakt und generell gefassten Regelungen deutlich, mit denen ein weiter Interpretationsspielraum geschaffen wurde, der wiederum in der Praxis zu berechtigten Zweifeln an der Legitimität der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen geführt hat. Art.  6 (2) ICSID Arbitration Rules „is notably ambiguous and potentially very broad“, da nicht geregelt ist, welche Umstände vom Schiedsrichter offenzulegen sind.438 Und auch der durch die Schiedsgerichtspraxis angewandte Maßstab und die Beweislast zur Begründung der Befangenheit eines Schiedsrichters nach Art.  57 und 14 ICSID Übrk. wird entgegen dem Willen der Verhandlungsführer zum ICSID-Übereinkommen in der Praxis übermäßig hoch ausgelegt. Schiedsgerichte haben höhere Anforderungen an „manifest lack of the qualities required by paragraph (1) of Article 14“ in Art.  57 ICSID Übrk. im Zusammenhang mit dem Nachweis einer früheren Beziehung zwischen Parteivertreter und Schiedsrichter geschaffen, so dass diese wesentlich höher liegen als in üblichen Regeln zu Interessenkonflikten in nationalen Streitbeilegungssystemen und in der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit.439 Auch dieses Merkmal führt zu Zweifeln an der Legitimität der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen. Zu diesem systemimmanenten Merkmal kommt der Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts nach Art.  37 (2) (b) ICSID Übrk. und die Möglichkeit, sowohl als Parteivertreter als auch als Schiedsrichter tätig zu sein, hinzu, die im Besonderen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern diametral entgegensteht. Diese Meinung wird in den vergangenen Jahren durch die steigende Anzahl der Ablehnungsgesuche und -entscheidungen von Schiedsrichtern bestätigt.440 Übt eine der Streitparteien bei der An438  Sardinha, The Impetus for the Creation of an Appellate Mechanism, in: ICSID Review, Bd.  32 (3) (2017), S.  503, 521. 439  Siehe hierzu Kahale, Is Investor-State Arbitration Broken? In: TDM, Bd.  7 (2012) S.  1, 8. 440  Fry/Stampalija, Forged Independence and Impartiality: Conflicts of International Arbi­ trators in Investment Disputes, in: Arb. Int’l., Bd.  30 (2) (2014), S.  189, 190; Reinisch/Knahr, Conflicts of Interest in International Investment Arbitration, in: Peters/Handschin (Hrsg.), Con-

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

wendung von Art.  37 (2) (b) ICSID Übrk. mehr Kontrolle über den von ihr ernannten Schiedsrichter aus als die Gegenpartei, besteht die Gefahr eines Schiedsverfahrens mit einem befangenen Schiedsrichter, welches als Folge das Vertrauen der Parteien in die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit in Misstrauen verwandelt, das Parteilichkeit duldet.441 Das Merkmal der Einflussnahme der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts mag mit gutem Gewissen in der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit ein vertretbares Merkmal darstellen. In der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit als öffentlich-rechtliche Streitentscheidung stellt es dagegen ein Merkmal dar, das berechtigte Zweifel an der Legitimation des Streitbeilegungssystems hervorruft. Der Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen sollte daher eine Veränderung erfahren, weg von dem Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts hin zu einer neutralen oder zufälligen Schiedsrichterernennung, z. B. durch die Einführung einer neutralen „Ernennungs“-In­ stitution. Nur so kann in hohem Maße gewährleistet werden, dass ein Entscheidungsträger in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit den Einzelfall offen, rational und objektiv beurteilt, was den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips mit seinem Aspekt der Unabhängigkeit neutraler Richter förderlich wäre. flict of Interest in Global, Public and Corporate Governance, S.  103, 103 f.; Slaoui, The Rising issue of „Repeat Arbitrators“: A Call for Clarification, in: Arb. Int’l, Bd.  25 (1) (2009), S.  103. Siehe dagegen als Rechtfertigung für den Anstieg der Ablehnungsentscheidungen von Schiedsrichtern in Investor-Staat-Schiedsverfahren Kinnear/Nitschke, Disqualification of Arbitrators under the ICSID Convention and Rules, in: Chiara (Hrsg.), Challenges and Refusals of Judges and Arbitrators in International Courts and Tribunals, S.  34, 35: die als Grund anführen, der Anstieg der Ablehnungsentscheidungen sei „broadly consistent with the general trend of increasing cases, although it does not correlate exactly with the number of cases filed in any given year.“; Schreuer, The Dynamic Evolution of the ICSID System, in: Hoffmann/Tams (Hrsg.), The International Convention on the Settlement of Investment Disputes (ICSID), S.  15, 19: Schreuer gibt als Grund an, dass die Nutzung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit in den letzten zehn Jahren stark gestiegen sei und damit einhergehend auch die Anzahl der Ablehnungsentscheidungen von Schiedsrichtern. 441 Vgl. Paulsson, The Idea of Arbitration, S.  162; Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339: „Moreover, if [the fundamental right to name one’s arbitrator] existed, it would certainly not be fundamental. The original concept that legitimates arbitration is that of an arbitrator in whom both parties have confidence. Why would any party have confidence in an arbitrator selected by its unloved opponent?“ und Paulsson, Must we live with the unilaterals?, in: ABA, Section of International Law, International Arbitration Committee, Bd.  1 (1) (2013), S.  5: „At the heart of the problem are disturbing doubts that will not go away: is it not rather obvious that the insistence on a ‚right‘ to name ‚one’s own‘ arbitrator has more to do with the hope that the nominee will share one’s own prejudices rather than both sides’ values? How can that possibly be squared with the legitimacy of arbitration, unless we throw up our hands and state once and for all that the only arbitrator is the one in the middle?“

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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Auch die Möglichkeit in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit sowohl als Parteivertreter als auch als Schiedsrichter in verschiedenen Schiedsverfahren tätig zu sein, kann bewusst oder unbewusst zu einer Vielzahl von Interessenkonflikten in der Person des Schiedsrichters führen. Es treten Situationen auf, in denen ein Schiedsrichter über Streitigkeiten zu entscheiden hat, die gleichzeitig auch die Interessen (wie rechtliche Fragestellungen) seiner eigenen Mandanten betreffen. Schiedsrichter arbeiten zudem oft mit Parteivertretern in vertauschten Rollen zusammen. Das hat zu einer sogenannten „arbitration mafia“ geführt, wo Schiedsrichter wiederholt ihre Rolle als Parteivertreter, Schiedsrichter und Sachverständige in Investitionsschiedsverfahren wechseln, was ihren Einfluss verstärkt und das Potenzial für Interessenkonflikte erhöht.442 Mit den Worten von Bürgenthal: „Manus manum lavat, in other words – you scratch my back and I’ll scratch yours, does not advance the rule of law.“443 Um den Grundsatz des Rechtsstaatsprinzips in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zu fördern, sollten Schiedsrichter daher vor die Wahl gestellt werden, entweder eine Schiedsrichteroder eine Beratungsfunktion als Anwalt auszuüben und nicht zwischen den beiden Rollen wechseln zu dürfen.444

II. Die Zweifel an der Legitimität des Schiedsverfahrens, des Ergebnisses und seiner strukturellen Merkmale Die Zweifel an der Legitimität des Standardmodells der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen beziehen sich nicht nur auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, sondern auch auf das Schiedsverfahren, das Ergebnis und die strukturellen Merkmale. Es wurde besonders kritisiert: 1. Die mangelnde Rechtssicherheit in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit wegen einer uneinheitlichen Rechtsprechung der ad hoc-Schiedsgerichte, 2. ein zunehmender Exzess der Kosten und Dauer von Schiedsverfahren,

442 

Giorgetti, Who Decides in International Investment Arbitration, in: U. Penn. J. Int’l L., Bd.  5 (2) (2013), S.  431, 460; Barker, London: Taking on the Inner Mafia, in: Global Arbitra­tion Review, Bd.  7 (2012), S.  6, online abrufbar unter: http://globalarbitrationreview.com/news/ article/30863/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 443  Bürgenthal, The proliferation of disputes, dispute settlement procedures and respect for the rule of law, in: Arb. Int’l, Bd.  22, No.  4 (2006), S.  495, 497. 444 Siehe Bernasconi-Osterwalder/Johnson/Marshall, Arbitrator Independence and Impartiality: Examining the dual role of arbitrator and counsel, in: IV Annual Forum for Developing Country Investment Negotiators, Background Papers (2010), S.  51; Horvath/Berzero, Arbitrator and Counsel: the Double-Hat Dilemma, in: TDM, Bd.  10 (4) (2013), S.  1, 18; Mouawad, Issue Conflicts in Investment Treaty Arbitration, in: TDM, Bd.  5 (4) (2008), S.  1, 12.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

3. dass das ICSID-Zentrum eigene und keine öffentlichen Interessen verfolgen würde, 4. die fehlende Transparenz im Schiedsverfahren sowie der Entscheidungsfindung und 5. das Aufhebungsverfahren nach Art.  52 ICSID Übrk. sei zu begrenzt und ebenfalls von einer uneinheitlichen Rechtsprechung der ad hoc gebildeten Aufhebungsausschüsse geprägt.445 1. Die fehlende Rechtssicherheit bei der Entscheidungsfindung der ICSID-Schiedsgerichte Teilweise sind die Schiedsurteile der ad hoc gebildeten ICSID-Schiedsgerichte inkonsistent oder sogar in ihrer Entscheidungsfindung widersprüchlich und es gibt in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit keinen geeigneten Mechanismus, um solche Widersprüchlichkeiten zu beheben oder zu begrenzen.446 Dieses Problem ist der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit systemimmanent. Bereits bei den Vertragsverhandlungen zum ICSID-Übereinkommen wurde die Sorge über die Möglichkeit einer uneinheitlichen Schiedsrechtsprechung (inconsistent awards) geäußert.447 Ein Executive Director hat beispielsweise Bedenken hinsichtlich des „[…] problems which might arise as a result of contradictory decisions relating to the same subject-matter rendered by different tribunals“448 geäußert. Der Grund dafür: Ein ad hoc-Schiedsgericht wird für den jeweiligen Streitfall zusammengesetzt und ist deswegen auch nicht in eine organisierte Gerichtshierarchie eingebunden.449 Ein Schiedsgericht, welches ein für andere Schiedsgerichte bindendes Präjudiz entwickeln könnte, ist diesen anderen Schiedsgerichten aber

445  Siehe hierzu Kaufmann-Kohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  10 ff. 446  Cheng, Power, Authority and International Investment Law, in: AUILR, Bd.  20 (3) (2005), S.  465, 516 f.; Franck, The Legitimacy Crisis in Investment Treaty Arbitration: Privatizing Public International Law Through Inconsistent Decisions, in: FLR, Bd.  73 (4) (2005), S.  1521, 1558 and 1582 f.; Garcia, All the other Dirty Little Secrets: Investment Treaties, Latin America, and the Necessary Evil of Investor-State Arbitration, in: Florida J. of Int’l L., Bd.  16 (2) (2004), S.  301, 347 f.; Spoorenberg/Viñuales, Conflicting Decisions in International Arbi­ tration, in: LPICT, Bd.  8(1) (2009), S.  91, 91 f.; Siehe auch UNCTAD, Reform of the InvestorState Dispute Settlement: In Search of a Roadmap, in: International Investment Agreement Issues Notes, No.  2 (2013), S.  3 f. 447 Vgl. ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  3. 448  ICSID, History of the ICSID Convention, Bd.  II-1, S.  114. 449  König, Präzedenzwirkung internationaler Schiedsgerichte, S.  30.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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nicht hierarchisch übergeordnet, sondern hat die fragliche Rechtslage nur zeitlich früher entschieden.450 Dadurch entsteht eine mangelnde Rechtssicherheit in der Schiedsgerichtsbarkeit, die in den fehlenden Regelungen über eine Bindungswirkung von ICSID-Schiedsgerichtsentscheidungen zu sehen ist – es gibt keine Doktrin des rechtsverbindlichen Präzedenzfalles oder der stare decisis.451 Zum Beispiel sind Schiedsgerichte zu inkonsistenten oder widersprüchlichen Schlussfolgerungen in Kernfragen, wie der Wirkung von sogenannten „umbrella-clauses“ oder von „Meistbegünstigungsklauseln“, gelangt.452 Weitere Gründe für die uneinheitliche Rechtsprechung liegen in den unbestimmten Formulierungen der materiellen Investitionsschutzregeln der BITs und MITs und in dem Fehlen eines umfangreicheren Überprüfungsmechanismus, als ihn Art.  52 ICSID Übrk. zur Verfügung stellt.453 Schließlich sorgt auch die fehlende bzw. schwer durchzusetzende Möglichkeit, mehrere eingeleitete Schiedsverfahren zu einem ähnlichen Streitgegenstand durch Verfahrenstechniken (wie z. B. durch Konsolidierung oder Joinder) zu verbinden, für eine uneinheitliche Rechtsanwendung der Schiedsgerichte.454 Die fehlende Rechtssicherheit hat bereits die Zuverlässigkeit, Wirksamkeit und Vorhersehbarkeit des Standardmodells der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit unter dem ICSID-Übereinkommen negativ beeinträchtigt und wird auf lange Sicht zu dem Verlust der Glaubwürdigkeit und dem Vertrauen in das Streitbeilegungssystem führen.455 450  Wolf, Welche Rolle spielen (gerichtliche und schiedsgerichtliche) Präjudizen in Verfahren, in: Wilhelmi/Stürner (Hrsg.), Post M & A Schiedsverfahren, S.  88, 102. 451  Bungenberg/Titi, Precedents in Investment Law, in: Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch (Hrsg.), International Investment Law, S.  1505, 1506, Rn.  2; Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 114. 452  Schreuer, Preliminary Rulings in Investment Arbitration, in: Sauvant (Hrsg.), Appeals Mechanism in International Investment Disputes, S.  207, 208. 453  Kaufmann-Kohler, Annulment of ICSID Awards in Contract and Treaty Arbitrations: Are there differences?, in: Gaillard/Banifatemi (Hrsg.), Annulment of ICSID Awards: The Foundation of a New Investment Protection Regime in Treaty Arbitration, IAI Series, No.  1 (2004), S.  189, 220; Spoorenberg/Viñuales, Conflicting Decisions in International Arbitration, in: LPICT, Bd.  8(1) (2009), S.  91, 95. 454  Spoorenberg/Viñuales, Conflicting Decisions in International Arbitration, in: LPICT, Bd.  8(1) (2009), S.  91, 100 und 110. 455  Siehe hierzu Bucher, Is There a Need to Establish a Permanent Reviewing Body, in: Gaillard/Banifatemi (Hrsg.), Annulment of ICSID Awards: The Foundation of a New Investment Protection Regime in Treaty Arbitration, IAI Series, No.  1 (2004), S.  285, 287; Commis­ sion, Precedent in Investment Treaty Arbitration, A Citation Analysis of a Developing Jurisprudence, in: J. of Int’l Arb., Bd.  24 (2) (2007), S.  129, 157; Kaufmann-Kohler, Arbitral Precedent: Dream, Necessity or Excuse?, The 2006 Freshfields Lecture, in: Arb. Int’l, Bd.  23 (3) (2007), S.  357, 374 f. and 378; Kaufmann-Kohler, Annulment of ICSID Awards in Contract and Treaty

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

2. Der zunehmende Exzess bei den Kosten und der Dauer von Schiedsverfahren Die Kosten für ein Investor-Staat-Schiedsverfahren, insbesondere die damit verbundenen Anwaltskosten, die den Parteien entstehen, stehen oft außer Verhältnis.456 Regierungen sind gezwungen, erhebliche Geldbeträge für die Verteidigung legitimer öffentlicher Interessen auszugeben.457 Eine hohe Belastung würde insbesondere einkommensschwachen Ländern auferlegt, die nicht in der Lage sind, sich gegen finanzträchtige, internationale Unternehmen angemessen zu verteidigen.458 Auch die durchschnittliche Dauer für ein ICSID-Schiedsverfahren beträgt bereits drei Jahre und acht Monate – dabei kann durchaus schon von einer unangemessenen Verfahrensdauer gesprochen werden, wobei auch immer die Umstände des Einzelfalles zu betrachten sind.459

Arbitrations: Are there differences?, in: Gaillard/Banifatemi (Hrsg.), Annulment of ICSID Awards: The Foundation of a New Investment Protection Regime in Treaty Arbitration, IAI Series, No.  1 (2004), S.  189, 219; Spoorenberg/Viñuales, Conflicting Decisions in International Arbitration, in: LPICT, Bd.  8(1) (2009), S.  91, 92. 456  Cheng, Power, Authority and International Investment Law, in: AUILR, Bd.  20 (3) (2005), S.  465, 507 f.; Chung, The Lopsided International Investment Law Regime and Its Effect on the Future of Investor-State Arbitration, in: Virginia J. of Int’l L., Bd.  47 (4) (2007), S.  953, 965; Garcia, All the other Dirty Little Secrets: Investment Treaties, Latin America, and the Necessary Evil of Investor-State Arbitration, in: Florida J. of Int’l L., Bd.  16 (2) (2004), S.  301, 352 und 355 f.; Siehe auch UNCTAD, Reform of the Investor-State Dispute Settlement: In Search of a Roadmap, in: International Investment Agreement Issues Notes, No.  2 (2013), S.  4; Für eine Übersicht der Kosten für Investor-Staat-Schiedsverfahren siehe auch Flannery, Arbitration Costs Compared, in: GAR, Bd.  13 (2) (2018), S.  15 ff. 457  Public Citizen’s Global Trade Watch, Setting the Record Straight: Debunking Ten Common Defenses of Controversial Investor-State Corporate Privileges, S.  7 ff. 458  Riesenberg, Fee Shifting In Investor-State Arbitration: Doctrine And Policy Justifying Application Of The English Rule, in: Duke L. J., Bd.  60 (4) (2011), S.  977, 1007 ff.; Siehe auch UNCTAD, Reform of the Investor-State Dispute Settlement: In Search of a Roadmap, in: International Investment Agreement Issues Notes, No.  2 (2013), S.  4. 459 Vgl. Garcia, All the other Dirty Little Secrets: Investment Treaties, Latin America, and the Necessary Evil of Investor-State Arbitration, in: Florida J. of Int’l L., Bd.  16 (2) (2004), S.  301, 355 f.; Hinsichtlich der durchschnittlichen Dauer eines Schiedsverfahrens von drei Jahren und acht Monaten siehe online: http://www.allenovery.com/publications/en-gb/Pages/In vestment-Treaty-Arbitration-cost-duration-and-size-of-claims-all-show-steady-increase.aspx (Zuletzt aufgerufen am 01.08.2018); Siehe auch Delaume, ICSID Arbitration Proceedings, in: Berkeley J. of Int’l L. (1986), S.  218, 222, der zu seiner Zeit bereits von einem Durchschnitt von zweieinhalb Jahren ausging. Demnach ist die Tendenz der Dauer von ICSID-Schiedsverfahren steigend.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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3. Das Verfolgen eigener und keiner öffentlichen Interessen des ICSID-Zentrums Die Kritik an dem Standardmodell der Investor-Staat-Streitbeilegung betrifft auch das ICSID-Zentrum selbst. Dieses würde überwiegend eigene Interesse verfolgen, wie die Nutzung des Investor-Staat-Streitbeilegungssystems nach dem ICSID-Übereinkommen, was per se nicht verwerflich ist. Dieses Ziel würde aber vor allem dadurch gefördert, dass überwiegend Schiedsrichter in den Schiedsverfahren beteiligt seien, die ein investorenfreundliches Klima schaffen möchten, also stärker den Schutz der ausländischen Investoren vertreten als den Schutz von Staaten mit ihren öffentlichen Interessen.460 Dabei ist zu berücksichtigen, dass das ICSID-Übereinkommen, wie oben bereits dargestellt, erlaubt, dass die Parteien Einfluss auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts ausüben können und damit eine gravierende Gefahr besteht, dass die Parteien Schiedsrichter bestellen, die ihre Interessen im Schiedsgericht vertreten sollen, anstatt beiden Parteien gegenüber unabhängig und unparteiisch zu sein.461 Es ist daher fraglich, warum das ICSID-Zentrum an seinen Standards und Praktiken festhält, wie der Tatsache, dass 71 % der Streitparteien ihre Schiedsrichter selber benennen.462 Das ICSID-Zentrum kann durch die Regelungen und die Praxis der Schiedsrichterbestellung nicht gewährleisten, dass ihr Auswahlverfahren für die Schiedsrichter nicht durch unzulässige Einflussnahme beeinträchtigt wird. Wenn daher der einzige Grund, die einseitige Ernennung von Schiedsrichtern zu tolerieren, darin zu bestehen scheint, dass es keine bessere Alternative gibt, dann muss sich das ICSID-Zen­trum selbst hinterfragen, warum es dem Verdacht einer schlechten bzw. einseitigen Auswahl von Schiedsrichtern ausgesetzt ist und vielleicht noch schlimmer: Dass Paulsson behauptet, dass Vetternwirtschaft und andere Formen der Korruption in der Auswahlpraxis der Schiedsrichter toleriert würden.463 Die Bestellung von Schiedsrichtern nach dem ICSID-Übereinkommen bietet deswegen Potenzial dafür, dass die Institution ihre Standards und Praktiken aufgrund eigener Interessen beibehält bzw. nicht selbstkritisch hinterfragt.464 Auch 460 Vgl. Cianco, The Implications of Recent ICSID Arbitrator Disqualifications for Latin America, in: Arb. L. Rev., Bd.  6 (2014), S.  440, 446. 461  Siehe oben unter 2. Kapitel B. V. 1. und C. I. 2. 462  Caron, Investor State Arbitration: Strategic and Tactical Perspectives on Legitimacy, in: Suffolk Transnat’l. L.J., Bd.  32 (2) (2008), S.  513, 519, „[parties apparently] go to great lengths to avoid ICSID making the appointment of the chair from its roster“; Kinnear/Nitschke, Disqualification of Arbitrators under the ICSID Convention and Rules, in: Giorgetti (Hrsg.), Challenges and Refusal of Judges and Arbitrators in International Courts and Tribunals, S.  34, 39. 463  Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339. 464  Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

die Ergebnisse von ICSID-Streitigkeiten legen nahe, dass Schiedsrichter die klagenden, ausländischen Investoren bevorzugen, um ihre eigene Wiederbestellung als Schiedsrichter in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren zu fördern.465 Die Schaffung eines investorenfreundlichen Forums ist für Schiedsrichter und das ICSID-Zentrum lukrativer, da so die Gesamtzahl der anhängigen Investor-StaatSchieds­verfahren ansteigt.466 Eine Tendenz der Entscheidungen von Schiedsrichtern zum Nachteil der klagenden, ausländischen Investoren würde umgekehrt die Attraktivität der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit in den Augen der Investoren vermindern und die Nutzung sowie die Bedeutung des ICSID-Zentrums als Schieds­ institution verringern. Gus Van Harten bemerkt dazu, dass das ICSID-Zentrum als Schiedsinstitution „as merchants of adjudicative services, arbitrators have a financial stake in furthering [arbitration’s] appeal to claimant’s“ was zu einer „apprehension of bias in favor of allowing claims awarding damages against governments“

führen kann, so dass das ICSID-Zentrum seine eigene Praxis zur Bestellung von Schiedsrichtern unterstützt, weil es davon ausgeht, dass die ernannten Schiedsrichter pro ausländische Investoren sind und dadurch ihr Streitbeilegungsmodell häufiger von ausländischen Investoren gegen Staaten genutzt wird.467 4. Die fehlende Transparenz im Schiedsverfahren und der Entscheidungsfindung Die mangelhafte Transparenz in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit und nicht ausreichende Möglichkeit für Dritte, sich an Verfahren zu beteiligen, wird ebenfalls besonders kritisiert und fördert nicht den Grundsatz des Rechtsstaats­ prinzips.468 Die Sorge um die übermäßige Vertraulichkeit der Investor-Staat465 Siehe

Park, Arbitrator Integrity: The Transient and the Permanent, in: SDLR., Bd.  46 (3) (2009), S.  629, 658; Dagegen Franck, The ICSID Effect? Considering Potential Variations in Arbitration Awards, in: Virginia J. of Int’l L., Bd.  51 (4) (2011), S.  825, 914, die bei einer Untersuchung der ICSID-Schiedssprüche keine eindeutige Tendenz der Schiedsrichter entdeckt hat, dass ausländische Investoren gegenüber Gastgeberstaaten bevorzugt werden würden und der Meinung ist, dass das ICSID-Zentrum ausländischen Investoren gegenüber nicht voreingenommen sei. 466  Park, Arbitrator Integrity: The Transient and the Permanent, in: SDLR, Bd.  46 (3) (2009), S.  629, 653, der Van Harten, Investment Treaty Arbitration and Public Law, S.  152 f., zitiert. 467 Siehe Park, Arbitrator Integrity: The Transient and the Permanent, in: SDLR., Bd.  46 (3) (2009), S.  629, 651, der Van Harten, Investment Treaty Arbitration and Public Law, S.  152 f., zitiert. 468  UNCTAD, Reform of the Investor-State Dispute Settlement: In Search of a Roadmap, in: International Investment Agreement Issues Notes, No.  2 (2013), S.  3; Anderson/Gursky, Challenging the Corporate Investor Rule: How the World Bank’s Investment Court, Free Trade Agreements, and Bilateral Investment Treaties have unleashed a new era of corporate power

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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Schieds­gerichtsbarkeit, die hinter verschlossenen Türen zu Angelegenheiten von öffentlichem Interesse ausgeübt wird, war in der Tat einer der ersten Hauptkritikpunkte gegen das Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen. Zwar ist bereits jede Einleitung eines ICSID-Schiedsverfahrens nach Reg. 23 Administrative and Financial Regulations vom Generalsekretär des ICSIDZentrums in einem Register zu protokollieren sowie der Verfahrensverlauf und die Personen des Schiedsgerichts zu dokumentieren und zu veröffentlichen.469 Dadurch werden der Öffentlichkeit Informationen über die Existenz des Rechtsstreits, die Identität der Verfahrensparteien, den Streitgegenstand und den aktuellen Verfahrensstatus zugänglich gemacht. Der Inhalt von Zwischenschiedssprüchen oder prozessleitenden Verfügungen wird aber regelmäßig nicht veröffentlicht.470 Auch die mündlichen Verhandlungen von ICSID-Schiedsverfahren sind nach Reg. 32 (2) ICSID-Schiedsordnung grundsätzlich nicht öffentlich. Ohne Einverständnis der Parteien darf zudem der Schiedsspruch gemäß Reg. 48 (4) S.  1 ICSID-Schiedsordnung nicht veröffentlicht werden. Die Streitparteien können daher viele interessante und für die Öffentlichkeit wichtige Informationen vertraulich behandeln und einer Veröffentlichung vorenthalten. Ein richtiger Schritt in Richtung transparentere Schiedsverfahren wurde allerdings in jüngster Vergangenheit durch die UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Investor-State Arbitration (UNCITRAL-Transparenzregeln) geschaffen.471 Diese tragen sowohl dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Entscheidungen als auch der Rechtsschöpfungsaufgabe der Schiedsgerichte Rechand what to do about it, in: IPS (2007), S.  8, online abrufbar unter: http://www.ipsdc.org/re ports/challenging_corporate_investor_rule (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Bastin, The Amicus Curiae in Investor-State Arbitration, in: Cambr. J. of Int’l and Com. L., Bd.  1 (3) (2012), S.  208, 224 und 227; Choudhury, Recapturing Public Power: Is Investment Arbitra­ tion’s Engagement of the Public Interest Contributing to the Democratic Deficit?, in: VJTL, Bd.  41 (3) (2008), S.  775, 818 f.; Eberhardt/Olivet, Profiting from injustice, S.  16, 49.; Garcia, All the other Dirty Little Secrets: Investment Treaties, Latin America, and the Necessary Evil of Investor-State Arbitration, in: Florida J. of Int’l L., Bd.  16 (2) (2004), S.  301, 354 f.; Peter­ son, Challenges Under Bilateral Investment Treaties Give Weight to Calls for Multilateral Rules, in: WTA (2001), S.  12, 13; Schill, Enhancing the Legitimacy of International Investment Law: Conceptual and Methodological Foundations of a New Public Law Approach, in: Virginia J. of Int’l L., Bd.  52 (1) (2011), S.  57, 66. 469 Die entsprechenden Informationen werden auch regelmäßig im Jahresbericht des ­ICSIDs veröffentlicht und sind auf der Website des ICSIDs abrufbar. Siehe online: https://icsid. worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?CaseNo=ARB/19/3 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe auch Lörcher, ICSID Schiedsgerichtsbarkeit, in: SchiedsVZ (2005), S.  11, 16. 470  Eslami, Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens, S.  300. 471  Siehe ausführlich zu den neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty based

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

nung. In den Art.  2, 3 und 6 der UNCITRAL-Transparenzregeln sind Regelungen zur Publikation von Verfahrensinformationen und der Verfahrensöffentlichkeit sowie in Art.  4 und 5 UNCITRAL-Transparenzregeln spezielle Regelungen zur Beteiligung Dritter im Verfahren enthalten. Diesbezüglich sieht aber Art.  7 UNCITRAL-Transparenzregeln gleich wieder einen Ausnahmekatalog vor, nach dem in bestimmten Konstellationen das Attribut der Transparenz zugunsten vertraulicher oder zu schützender Informationen zurücktreten muss.472 Zusätzlich ist die Anwendbarkeit der UNCITRAL-Transparenzregeln durch Vereinbarung der sich streitenden Parteien bedingt, welche in erster Linie auf staatlicher Ebene getroffen werden muss.473 Art.  1 (1) S.  1 UNCITRAL-Transparenzregeln sieht dementsprechend vor, dass diese auf Investitionsverfahren Anwendung finden sollen, die auf Grund eines Investitionsabkommens mittels der UNCITRAL-Schiedsordnung eingeleitet und die am/oder nach dem 01.04.2014 geschlossen wurden. Für ICSID-Schiedsverfahren finden die UNCITRAL-Transparenzregeln nur Anwendung, wenn sich die Parteien auf deren Anwendbarkeit geeinigt haben. Wie eine solche Einigung aussehen soll, wird in den UNCITRAL-Transparenzregeln nicht näher konkretisiert. Die mangelnde Regelung basiert auf der Überlegung, dass eine größtmögliche Flexibilität gewährleistet werden solle.474 Unabhängig von der Unverbindlichkeit der UNCITRAL-Transparenzregeln für ICSID-Schiedsverfahren stellen die Regeln die erste richtige Reform in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit dar und bieten darüber hinaus eine Möglichkeit, der Öffentlichkeit die verschlossenen Türen der Schiedsgerichte zu öffnen. Allerdings lässt sich durch eben jene Möglichkeit nicht der Zweifel an der Legitimation des ICSID-Schiedsverfahrens wegen mangelnder Transparenz im Verfahren und der Entscheidungsfindung überwinden. 5. Die beschränkte Überprüfungskompetenz der Aufhebungsausschüsse nach Art.  52 ICSID Übrk. und deren widersprüchliche sowie uneinheitliche Rechtsprechung Es bestehen auch gravierende Zweifel an der Funktionsfähigkeit und der Legitimität des in Art.  52 ICSID Übrk. geregelten, internen ÜberprüfungsmechanisArbitration, Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbi­ tration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747 ff. 472  Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747, 749. 473  Salasky/Montineri, UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty Based Investor-State Arbitration, in: ASA Bulletin, Bd.  31 (4) (2013), S.  774, 777. 474  Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747, 750.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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mus475. Die Aufhebungsgründe in Art.  52 ICSID Übrk. sind zu eng gefasst. Es kann lediglich eine Überprüfung des Schiedsspruchs auf etwaige Fehler im Schiedsverfahren vorgenommen werden. Die Überprüfung von Fehlern bei der Anwendung oder Auslegung des anwendbaren Rechts oder von Fehlern bei der Würdigung des Sachverhalts durch das Schiedsgericht ist nicht gestattet. Zudem werden die ad hoc-Ausschüsse für jeden Einzelfall neu gebildet und sind nicht an die Entscheidungen von anderen Aufhebungsausschüssen gebunden. Das hat zu einer widersprüchlichen und uneinheitlichen Rechtsprechung der ICSID-Aufhebungsausschüsse geführt, wodurch keine Rechtssicherheit gewährleistet werden kann.476 Die Zweifel an der Funktionsfähigkeit und der Legitimität des in Art.  52 ­ICSID Übrk. geregelten Überprüfungsmechanismus lassen sich exemplarisch anhand des Aufhebungsverfahrens CMS Gas Transmission Co. gegen Argentini­ en darstellen.477 Nachdem Argentinien ein ICSID-Schiedsverfahren gegen den ausländischen Investor CMS Gas Transmission Co. verloren hatte, leitete der Gastgeberstaat 2007 ein Aufhebungsverfahren beim ICSID-Zentrum ein, um den ursprünglichen Schiedsspruch aufzuheben. Der auf Antrag Argentiniens einberufenen ad hoc-Ausschuss bestätigte den Schiedsspruch, verurteilte aber gleichzeitig die mangelhafte, rechtliche („defective“) Begründung des ursprünglichen Schiedsurteils: „The Committee recalls, once more, that it has only a limited jurisdiction under Article 52 of the ICSID Convention. In the circumstances, the Committee cannot simply substitute its own view of the law and its own appreciation of the facts for those of the Tribunal. Notwithstanding the identified errors and lacunas in the Award, it is the case in the end that the Tribunal applied Article XI of the Treaty. Although applying it cryptically and defectively, it applied it. There is accordingly no manifest excess of powers.“478 (Kursivierung hinzugefügt)

475  Siehe hierzu auch die Kritik von Tsolakidis an ausführlich dargestellten Aufhebungsentscheidungen von ICSID-Aufhebungsausschüssen, der mithilfe jener Entscheidungen seine Ansicht unterstützt, dass diese die Funktionsfähigkeit und Legitimität des ICSID-Überprüfungsmechanismus in Frage stellen würden: Tsolakidis, Das Aufhebungsverfahren nach Art.  52 der ICSID-Konvention, S.  60 ff. 476  In einem vom ICSID-Generalsekretär verfassten „Background Paper“ wurde insbesondere auch darauf hingewiesen, dass ICSID-Aufhebungsausschüsse beispielsweise divergierende Auffassungen in Bezug auf die Frage vertreten haben, ob gravierende Rechtsfehler in einer Nichtanwendung des anwendbaren Rechts resultieren können, ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012) in: ICSID Review – FILJ, Bd.  27 (2) (2012), S.  443, 487. 477  CMS Gas Transmission Co. vs Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/8, Decision on Annulment, 25.09.2007. 478  CMS Gas Transmission Co. vs Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/8, Decision on Annulment, 25.09.2007, Rn.  136.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Tatsächlich sieht das ICSID-Übereinkommen in Art.  52 ICSID Übrk. nur fünf Fälle vor, in denen die Entscheidung eines ICSID-Schiedsgerichts aufgehoben werden kann – die mangelnde rechtliche Begründung gehört gerade nicht dazu. Mit der Weigerung des ICSID-Aufhebungsausschusses, das ursprüngliche Schiedsurteil des ICSID-Schiedsgerichts aufzuheben, war die endgültige Entscheidung gemessen an Art.  52 ICSID Übrk. richtig. Offensichtlich nahm der ad hoc-Ausschuss allerdings eine nach Art.  52 ICSID Übrk. nicht zulässige, inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs vor und kritisierte den ursprünglichen Schiedsspruch sogar als ein Produkt, in dem das relevante Recht „cryptically and defectively“, also fehlerhaft angewandt wurde. Mit dieser Schlussfolgerung wurde die Legitimität des ursprünglichen ICSID-Schiedsgerichtsurteils erheblich in den Augen von Argentinien und anderer ICSID-Vertragsstaaten geschwächt. Es überrascht daher auch nicht, dass Argentinien es ablehnte, dem siegreichen ausländischen Investor CMS Gas Transmission Co. den vom ICSID-Schiedsgericht zugesprochenen Geldbetrag in Höhe von 133,2 Millionen Dollar zu zahlen.479 Zum anderen manifestiert sich im Brief des philippinischen Generalanwalts an das ICSID-Zentrum die Intensität der Kritik an der Aufhebungspraxis des ICSIDÜber­prüfungsmechanismus in Art.  52 ICSID Übrk., der im Anschluss an die Entscheidung in dem ICSID-Schiedsverfahren Fraport AG Frankfurt Airport Ser­ vice Worldwide gegen Republic of Philippines verfasst wurde:480 Indem der philippinische Generalanwalt seine Enttäuschung über die Aufhebung des ursprünglichen Schiedsspruchs gegenüber dem ICSID-Zentrum vermittelte, erklärte er, dass der ad hoc-Ausschuss seine Kompetenzen nach Art.  52 ICSID Übrk. überschritten habe. Der ursprüngliche Schiedsspruch sei das Ergebnis mehrerer kostspieliger Arbeitsjahre für eine disruptive Streitigkeit vor einem renommierten Schiedsgericht gewesen.481 Die Entscheidung des ad hoc-Ausschusses stelle daher eine Bedrohung für die Funktionsfähigkeit und Akzeptanz der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit dar.482 Der philippinische Generalsekretär führte 479 Siehe Robalino, Enforcement in South America, the Cases of Argentina and Ecuador, in: Bishop (Hrsg.), Enforcement of Arbitral Awards Against Sovereigns, S.  425, 441. 480  ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012) Annex 2, S.  1, online abrufbar unter: http://documents.worldbank.org/curated/ en/2012/08/16755063/background-paper-annulment-administrative-council-icsid (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Fraport AG Frankfurt Airport Service Worldwide vs Republic of Phil­ ippines, ICSID Case No. ARB/03/25, Decision on Annulment, 23.12.2010. 481  ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012) Annex 2, S.  1, online abrufbar unter: http://documents.worldbank.org/curated/ en/2012/08/16755063/background-paper-annulment-administrative-council-icsid (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 482  ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012) Annex 2, S.  1, online abrufbar unter: http://documents.worldbank.org/curated/

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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weiter aus, dass die Philippinen ernsthaft darüber besorgt wären, dass es sich bei der unerwarteten Entscheidung des ICSID-Aufhebungsausschusses nicht um ­einen Einzelfall, sondern um ein systematisches Problem des Aufhebungsverfahrens nach Art.  52 ICSID Übrk. handele.483 Im Rahmen dessen forderten die Philippinen den Verwaltungsrat des ICSID-Zentrums dazu auf, den Erlass von sogenannten Anwendungsrichtlinien für ICSID-Aufhebungsausschüsse zu erwägen.484 Diese würden einer Gewährleistung von fairen und effektiven Aufhebungsverfahren dienlich sein.485 Schließlich verdeutlichen auch die sogenannten vier Generationen der ICSIDAuf­hebungsentscheidungen die widersprüchlichen und uneinheitlichen Entscheidungen der ICSID-Aufhebungsausschüsse mit der Folge von fehlender Rechtssicherheit in der Rechtsprechung nach Art.  52 ICSID Übrk. So wurde der ersten Generation von Aufhebungsentscheidungen vorgeworfen, eine inhaltliche Richterkontrolle durchgeführt und den Unterschied zwischen Aufhebungsverfahren und Berufung/Revision verkannt zu haben.486 In den Aufhebungsentscheidungen der zweiten Generation wurde die limitierte Befugnis des ad hoc-Ausschusses nach Art.  52 ICSID Übrk. durchgesetzt und von der dritten Generation der Aufhebungsentscheidungen bestätigt.487 Die aktuelleren Entscheidungen, zu der auch die Entscheidung des Aufhebungskomitees in CMS Gas Transmission Co. gegen Argentinien gehört, zeigen allerdings auf, dass keine einheitliche Auslegung zu dem Wortlaut des Art.  52 (1) ICSID Übrk. stattfindet. Diese, bereits betitelt als die vierte Generation der ICSID-Aufhebungsentscheidungen, stimmen zwar dahingehend mit der zweiten und dritten Generation überein, dass es sich bei den Aufhebungsverfahren um keine Berufung von materiell fehlerhaften en/2012/08/16755063/background-paper-annulment-administrative-council-icsid (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 483  ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012) Annex 2, S.  1, online abrufbar unter: http://documents.worldbank.org/curated/ en/2012/08/16755063/background-paper-annulment-administrative-council-icsid (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 484  ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012) in: ICSID Review – FILJ, Bd.  27 (2) (2012), S.  443, 446 f. 485  ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012) in: ICSID Review – FILJ, Bd.  27 (2) (2012), S.  443, 446 f. 486  Schreuer, Three Generations of ICSID Annulment Proceedings, in: Gaillard/Banifatemi (Hrsg.), Annulment of ICSID Awards, S.  17, 18. 487  Siehe hierzu Maritime International Nominees Establishment vs Guinea, ICSID Case No. ARB/84/4, Decision on (partial) Annulment, 22.12.1989, Rn.  4.04: „Art.  52 (1) makes it clear that annulment is a limited remedy. […] Annulment is not a remedy against an incorrect decision, Accordingly, an Ad hoc Committee may not in fact reverse an award on the merits under the guise of applying Article 52“.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

Entscheidungen handelt.488 Eine Reihe von ad hoc-Ausschüssen hat aber in jüngster Zeit einen interventionistischen Ansatz verfolgt, der an die erste Generation der Aufhebungsentscheidungen erinnert.489 In den beiden dargestellten Beispielen und der unterschiedlichen Auslegung und Überprüfung durch die ICSID-Aufhebungsausschüsse in den sogenannten vier Generationen von Aufhebungsentscheidungen spiegeln sich die am Anfang dargelegten Zweifel an der Legitimation und der Funktionsfähigkeit des Aufhebungsverfahrens nach Art.  52 ICSID Übrk. wider. Die in Art.  52 ICSID Übrk. geregelten Aufhebungsgründe sind offensichtlich für eine öffentlich-rechtliche Streitbeilegung in der Gestalt der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit zu eng gefasst.490 Eine materielle Überprüfung ist nicht erlaubt und damit auch keine Korrektur oder Rückgängigmachung einer fehlerhaften Entscheidungsfindung der Schiedsrichter oder eine Sanktionierung von inkompetenten Schiedsrichtern.491 Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass unter den Rechtsakteuren im Rahmen des Art.  52 ICSID Übrk. immer noch wesentliche Unklarheiten 488 

Siehe hierzu CDC Group PLC vs Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  35: „generally accepted proposition [that] annulment is not a remedy against an incorrect decision“; Vgl. auch Nair/Ludwig, ICSID annulment awards: the fourth generation?, in: GAR (28.10.2010), online abrufbar unter: https://globalarbitrationreview.com/article/1029666/icsid-annulment-awards-the-fourth-generation (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Reed/Paulsson/Blackaby, Guide to ICSID Arbitration, S.  174. 489  Zur Diskussion über diesen interventionistischen Ansatz, siehe Crivellaro, Annulment of ICSID Awards: Back to the „First Generation“?, in: Levy/Derains (Hrsg.), Liber Amicorum – Melanges en l’honneur de Serge Lazareff, 2011, S.  145 ff.; Schreuer, From ICSID Annulment to Appeal Half Way Down the Slippery Slope, in: LPICT, Bd.  10 (2011), S.  211, 214; Hamida, Two Nebulous ICSID Features: The Notion of Investment and the Scope of Annulment Control – Ad hoc Committee’s Decision in Patrick Mitchell v. Democratic Republic of Congo, in: J. Int’l Arb., Bd.  24 (2007), S.  287, 306. 490 Siehe Anderson/Gursky, Challenging the Corporate Investor Rule: How the World Bank’s Investment Court, Free Trade Agreements, and Bilateral Investment Treaties Have Unleashed a New Era Of Corporate Power and What to Do About It, in: IPS (2007), S.  27, online abrufbar unter: http://www.ipsdc.org/reports/challenging_corporate_investor_rule (zuletzt aufgerufen am 02.08.2018); Cheng, Power, Authority and International Investment Law, in: AUILR, Bd.  20 (3) (2005), S.  465, 514 f.; Garcia, All the other Dirty Little Secrets: Investment Treaties, Latin America, and the Necessary Evil of Investor-State Arbitration, in: Florida J. of Int’l L., Bd.  16 (2) (2004), S.  301, 342 ff.; UNCTAD, Reform of the Investor-State Dispute Settlement: In Search of a Roadmap, in: International Investment Agreement Issues Notes, No.  2 (2013), S.  4. 491  Hueckel, Rebalancing Legitimacy and Sovereignty in International Investment Agreements, in: EML, Bd.  61 (3) (2012), S.  601, 611 und 621; Cheng, Power, Authority and International Investment Law, in: AUILR, Bd.  20 (3) (2005), S.  465, 515; Werner, Limits of Commercial Investor-State Arbitration: The Need for Appellate Review, in: Dupuy/Petersmann/Fran­ cioni (Hrsg.), Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S.  115 ff.

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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bestehen und das Überprüfungssystem des ICSID-Übereinkommens damals wie heute für uneinheitliche Entscheidungen verantwortlich ist.492 Das gesamte Überprüfungssystem von ICSID-Schiedssprüchen kann daher in seiner jetzigen Form nicht als Kontrolle von widersprüchlichen Schiedssprüchen auf Schiedsgerichtsebene dienen – eine Kontrolle, die notwendig wäre, um das Vertrauen in und die Legitimität von Investor-Staat-Schiedsgerichtsentscheidungen zu erhalten.

III. Gesamtwürdigung: Der Status Quo der ICSIDSchiedsgerichtsbarkeit unter dem Bewertungsmaßstab und die Herausforderung durch die EU 1. Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter dem Bewertungsmaßstab William Scheuerman beschreibt die aktuelle Situation der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit als eine, in der wirtschaftlich mächtige, transnationale Kräfte „[rely] overwhelmingly on ad hoc, discretionary, closed, and non-transparent legal forms fundamentally inconsistent with a minimally defensible conception of the rule of law.“493

Insbesondere diese von Scheuerman aufgezeigten grundsätzlichen Rechtsstaatlichkeitsbedenken führen zu berechtigten Zweifeln an der gesamten Funktionsfähigkeit und Legitimität der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Über­einkommen. Diese Zweifel finden einen weiteren Ausdruck in einer Bemerkung von Juan Fernandez-Armesto in einem Interview gegenüber der Global Arbitration Review: „When I wake up at night and think about arbitration, it never ceases to amaze me that sovereign states have agreed to investment arbitration at all […]. Three private individuals are entrusted with the power to review, without any restriction or appeal procedure, all actions of the government, all decisions of the courts, and all laws and regulations emanating from parliament.“494

Den Schiedsrichtern wurde im Zusammenspiel mit den materiellen Investitionsschutzregelungen der BITs und MITs eine „Blankoermächtigung“495 ausgespro492 

Siehe bezüglich einer Darstellung und Analyse der uneinheitlichen Aufhebungsentscheidungen unter Art.  52 ICSID Übrk.: Dohyun, The Annulment Committee’s Role in Multiplying Inconsistency in ICSID Arbitration: The Need to Move Away from an Annulment-Based System, in: NYLR, Bd.  86 (1) (2011), S.  242 ff. 493  Scheuerman, Economic Globalization and the Rule of Law, in: Constellations: An Int’l J. of Cr. and Dem. Theo., Bd.  6 (1) (1999), S.  3. 494  Fernandez-Armesto, Stockholm: Arbitrator and Counsel: the double-hat syndrome, in: GAR, Bd.  7 (2) (15.03.2012), online abrufbar unter: https://globalarbitrationreview.com/artic le/1031198/stockholm-arbitrator-and-counsel-the-double-hat-syndrome (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 495  Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

chen, womit der überaus weite Ermessenspielraum auf Tatbestands- und Rechtsfolgenebene gemeint ist. Die zusätzlichen rechtsstaatlichen Defizite bei der Rechtsprechung durch die Investitionsschiedsgerichte stellen nach dem Bewertungsmaßstab ein Streitbeilegungssystem dar, das nur ein geringes Maß an Rechtsstaatlichkeit gewährleistet. Es herrscht eine mangelnde Transparenz in den Schiedsverfahren vor, die Verfahren werden immer kostspieliger und dauern länger und es ist zu einer inkonsistenten und uneinheitlichen Rechtsprechung der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit gekommen, weil diese an keine vorherigen Entscheidungen gebunden ist. Dazu wird im Besonderen zum einen die Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter durch den Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, durch die Möglichkeit sowohl als Schiedsrichter als auch als Parteivertreter in einem Schiedsverfahren tätig („double-hatting“) zu sein, durch zu geringe vorgeschriebene Qualifikationen und Anforderungen an die Schiedsrichter (etwa durch das Fehlen eines verbindlichen Verhaltenskodexes) und die Anwendung eines viel zu hohen Maßstabs zur Begründung der Befangenheit und Ablehnung eines Schiedsrichters nach Art.  57 ICSID Übrk. kritisiert. Zum anderen sind die ausschließlichen Aufhebungsgründe von ICSID-Schiedssprüchen in Art.  52 ICSID Übrk. für eine privat organisierte, öffentlich-rechtliche Streitbeilegung zu eng gefasst, und unter den Rechtsakteuren bestehen aktuell im Rahmen des Art.  52 ICSID Übrk. immer noch wesentliche Unklarheiten, die für inkonsistente und uneinheitliche Entscheidungen der ICSID-Aufhebungsausschüsse verantwortlich sind. Als Folge ist unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips das Streitbeilegungssystem nach dem ICSID-Übereinkommen zu fehler- und missbrauchsanfällig und Verhaltens- und Rechtsfehler unterliegen keiner ausreichenden Kontrolle – intern durch Art.  52 ICSID Übrk., wie extern durch staatliche Gerichte. Die von den Schiedsrichtern auszulegenden, unbestimmten bzw. generalklauselartigen, materiellen Investitionsschutzregelungen der BITs und MITs legen insoweit einen hohen Maßstab an die Anforderungen der Aspekte des Rechtsstaatsprinzips der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit an die Rechtsprechung der Investitionsschiedsgerichte, deren Einhaltung durch das ICSID-Streitbeilegungssystem nicht genügend gewährleistet wird.496 Zusätzlich sind die Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 287. 496  Neben der in dieser Arbeit überwiegend dargestellten Kritik am ICSID-Schiedsverfahren und seiner Struktur wird in der Wissenschaft vor allem argumentiert, dass die mangelnde Kohärenz der von den ICSID-Schiedsgerichten geschaffenen Rechtsprechung ein Schlüsselfaktor dafür ist, der zu dem wahrgenommmenen Legitimationsdefizit im ICSID-System beigetragen hat. Dieses findet seinen Ursprung in den unbestimmten Rechtsbegriffen der Investiti-

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

261

ICSID-Schieds­gerichte auf der Ebene der BITs und MITs nicht weiter demokratisch konstituiert und eine den Belangen des Gemeinwohls verpflichtete Rechtssetzungsinstanz ist ihnen völlig fremd.497 In diesem Sinne findet auch eine Deregulierung nationalstaatlicher Regelungskonzepte durch die Schiedsrichter statt, weil ICSID-Schiedsgerichte im Laufe der Zeit die Justiziabilität von politischen Regulierungsentscheidungen deutlich erweitert haben, was ebenfalls zu viel Kritik an der Legitimität des ICSID-Streitbeilegungssystems führt498 – „in practice it has gone completely rogue“.499 Als Paradebeispiel dafür dient das Investor-Staat-Schiedsverfahren Phillip Morris Asia Ltd. gegen Australien, in dem nicht über ein Diskriminierungsverbot sowie die Entschädigung für eine klassische Enteignung, sondern über den Tabacco Plain Packaging Act 2011, einem allgemeinen Gesetzgebungsprojekt von Australien, entschieden wurde, das inländische wie ausländische Tabakverkäufer gleichermaßen betraf.500 Es stellt sich daher die Frage, ob die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit einer radikalen Veränderung bedarf, um den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips gerecht zu werden.501 Es gibt viele Verbesserungsvorschläge, sowohl in der Wissenonsabkommen, die dann jedes Schiedsgericht aufs Neue auszulegen hat. Siehe hierzu nur Bur­ ke-White/von Staden, Private Litigation in a Public Law Sphere: The Standard of Review in Investor-State Arbitrations, in: Yale J. Int’l L., Vol 35 (2010), S.  283, 299, die argumentieren, dass uneinheitliche Entscheidungen verschiedener Investor-Staat-Schiedsgerichte über ähnliche Sachverhalte eine delegitimierende Wirkung auf das Investor-Staat-Schiedsverfahren haben; Dasselbe argumentiert Franck, The Legitimacy Crisis in Investment Treaty Arbitration: Privatizing Public International Law Through Inconsistent Decisions, in: FLR, Bd.  73 (2005) S.  1521, 1583; Kingsbury/Schill, Investor-State Arbitration as Governance: Fair and Equitable Treatment, Proportionality and the Emerging Global Administrative Law, in: van den Berg (Hrsg.), 50 Years of the New York Convention: ICCA International Arbitration Conference, S.  5, 8: die darauf hinweisen, dass sich das Risiko inkonsistenter Schiedsgerichtsentscheidungen zu einer „Legitimitätskrise“ in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit entwickeln wird. 497  Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 288. 498  Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 286. 499  Parada, in: Provost/Matt, The obscure legal system that lets corporations sue countries, in: The Guardian, 10.06.2015, online abrufbar unter: https://www.theguardian.com/business/ 2015/jun/10/obscure-legal-system-lets-corportations-sue-states-ttip-icsid (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 500  Philip Morris Asia Limited vs The Commonwealth of Australia, UNCITRAL, PCA Case No.  2012-12; Siehe zum australischen „Tabacco Plain Packaging – investor-state arbitration“ online http://www.ag.gov.au/internationalrelations/internationallaw/pages/tobaccoplainpackag ing.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 501  Zurzeit arbeitet die UNCITRAL Working Group III an Vorschlägen für eine Reform des Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit. Siehe hierzu Paulsson, UNCITRAL

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

schaft als auch durch die Schiedsgerichtspraxis. Allerdings wären wohl Änderungen am ICSID-Übereinkommen zur Verbesserung des Streitbeilegungssystems mit erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten verbunden. Das liegt daran, dass eine Änderung des ICSID-Übereinkommens die Zustimmung aller Vertragsstaaten erfordern würde. Der einfachere Weg wäre daher, ein neues Investor-StaatStreit­beilegungssystem zu schaffen, um nach und nach das Standardmodell nach dem ICSID-Übereinkommen abzulösen. 2. Die Herausforderung durch die EU Der Status Quo der Investor-Staat-Streitbeilegung wurde in jüngster Zeit von der Europäischen Union an zwei Fronten herausgefordert.502 Zum einen untergräbt die Europäische Kommission das auf der Grundlage von Intra-EU-BITs mögliche System der Streitbeilegung durch Investor-Staat-Schiedsverfahren, indem es diese aus Gründen der öffentlichen Ordnung (public policy bzw. ordre public) strikt ablehnt. Grund dafür waren Investitionsschiedsverfahren zwischen An­ gehörigen der EU-Mitgliedstaaten. Hierbei sei nur auf das Investor-StaatSchiedsverfahren der Achmea B.V. (früher Eureko) einer niederländischen Versicherungsholding und der Slowakischen Republik verwiesen. In dem Schiedsverfahren ging es um die Frage, ob die Slowakei gegen ein zwischen der Tschecho­ slowakei und den Niederlanden 1992 geschlossenes InvestitionsschutzabkomWorking Group III: Reforms in the Realm of Investor-State Disputes – UNCITRAL’s Proposals for an Appellate Mechanism and its Impact on Duration and Cost, in: Kluwer Arbitration Blog (26.03.2020), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/ 03/26/uncitral-working-group-iii-reforms-in-the-realm-of-investor-state-disputes-uncitralsproposals-for-an-appellate-mechanism-and-its-impact-on-duration-and-cost/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), m. w. N.; Siehe hierzu auch von Bogdandy/Venzke, Zur Herrschaft internationaler Gerichte: Eine Untersuchung internationaler öffentlicher Gewalt und ihrer demokratischen Rechtfertigung, in: ZaöRV, Bd.  70 (2010), S.  1 ff. und Van Harten, Five Justifications for Investment Treaties: A Critical Discussion, in: TLD, Bd.  19 (2010), S.  19 ff. 502  Geschichtlicher Hintergrund ist der Abschluss einer Reihe von BITs mit den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, wie z. B. das deutsch-rumänische Investitionsschutzabkommen von 1998. Gestützt auf solche Abkommen kam es nach dem Beitritt einer Reihe der ehemaligen Warschauer Paktstaaten im Rahmen der Osterweiterung der EU zu Investitionsschiedsverfahren zwischen nunmehrigen EU-Staaten. Drei Fälle markieren den Anspruch der Europäischen Union, die innergemeinschaftliche Regulierungshoheit nicht von BITs beschränken zu lassen, siehe EuGH, Urt. v. 06.03.2018, Rs. C-284/16 (Slowakische Republik vs Achmea BV und Viorel Micula, Ioan Micula, European Food S.A., S.C. Starmill S.R.L.); Multipack S.R.L. vs Government of Romania, hierzu nur Wehland, The Enforcement of Intra-EU BIT Awards: Micula v Romania and Beyond, in: JWIT, Bd.  17 (6) (2016) S.  942 ff.; Eiser Infrastructure Ltd and another vs Spain, ICSID Case No. ARB/13/36; und Charanne B.V, & Construction Investments S.A.R.L vs The Kingdom of Spain, SCC Case No. V 062/2012, hierzu Europäische Kommission, Decision Brussels, C (2017) 7384, final (10.11.2017).

C. Die Kritik am Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit

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men verstoßen hat, als die Slowakei nach einem Regierungswechsel die 2004 eingeführte Liberalisierung des Krankenversicherungsmarkts wieder rückgängig gemacht hat.503 Im Verlauf des Schiedsverfahrens hat die Europäische Kommission in einer Reihe von amicus curiae Briefen deutlich gemacht, dass sie innereuropäische Investor-Staat-Schiedsverfahren ablehnt. Eine solche Streitbeilegungsmöglichkeit würde zum einen der Auslegungskompetenz des EuGHs nach Art.  344 AEUV widersprechen und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art.  18 AEUV darstellen.504 Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, deren Heimatländer kein BIT mit dem Gastgeberstaat geschlossen haben, würde der Weg in die Schiedsgerichtsbarkeit nicht offenstehen.505 Die strikte Ablehnung der Europäischen Kommission begrenzt sich dabei nicht mehr nur auf eine Stellungnahme in einem amicus curiae Brief. Sie hat eine Grundposition eingenommen: Ein Schiedsspruch eines Investor-Staat-Schiedsgerichts, das aus einem Intra-EU-Streitbeilegungsverfahren herrührt, ist nicht durch staatliche Hilfe durchzusetzen, weil er die Souveränität der EU verletzt, weil beispielsweise europäisches Beihilferecht verletzt würde. Beispielhaft dafür ist das Investor-Staat-Schiedsverfahren Micula gegen Rumänien.506 Ausgangspunkt des Verfahrens war die Emergency Government Ordinance Rumäniens von 1998, womit bestimmte Steuererleichterungen für Investoren beschlossen wurden, um Investitionen in strukturschwachen Regionen zu fördern. Die Brüder Micula, schwedische Staatsangehörige, investierten in die Nahrungsmittelindustrie in Rumänien. Im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen drängte die EU auf eine Abschaffung der gewährten Vergünstigungen, weil man darin eine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts sah. Daraufhin hob Rumänien im Jahr 2004 die Vergünstigungen auf. Die Micula Brüder und ihre Firmen erhoben in Folge ein ICSID-Schieds­verfahren gegen Rumänien, welches 2013 Rumänien zu Schadensersatzzahlungen verurteilte. Das ICSID-Schiedsgericht erkannte an, dass Rumänien nicht unangemessen oder böswillig gehandelt hatte, gleichwohl aber die Erwartungen der Micula Brüder in eine unveränderte Rechtslage enttäuscht habe. Ein Aufhebungsverfahren nach Art.  52 ICSID Übrk., welches Rumänien erhoben hatte, war nicht erfolgreich und wurde im Februar 2016 vom Aufhebungskomitee abgewiesen.507 Mit Beschluss vom 30.03.2015 untersagte die Kommission Rumänien die Zahlung der Entschädigung entsprechend des ur503  BGH, Beschluss vom 03.03.2016 – I ZB 2/15, EuGH-Vorlage zur Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Unionsinternem BIT = SchiedsVZ (2016), S.  328 ff. 504  Rösch, Intraeuropäisches Investitionsrecht, S.  108 ff. 505  Rösch, Intraeuropäisches Investitionsrecht, S.  108 ff. 506  Ioan Micula, Viorel Micula, S.C. European Food S.A., S.C. Starmill S.R.L. and S.C. Multipack S.R.L. vs Romania, ICSID Case No. ARB/05/20. 507  Ioan Micula, Viorel Micula, S.C. European Food S.A., S.C. Starmill S.R.L. and S.C.

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2. Kapitel: Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID

sprünglichen Schiedsspruchs aus 2013.508 Dieser Beschluss wurde Grundlage des weiteren Vorgehens der EU-Kommission gegen Intra-EU-Investor-StaatSchieds­verfahren. Überall dort, wo die Micula Brüder die Vollstreckung des Schiedsspruchs mit Art.  54 ICSID Übrk. betreiben wollten, ging Rumänien mit der Unterstützung der Kommission dagegen vor.509 Es kann als eine List der Geschichte bezeichnet werden, dass sich bei der Schaffung von Art.  54 ICSID Übrk. an Art.  192 der römischen Verträge bzw. 187 der römischen Verträge ein Beispiel genommen wurde und es nun die EU ist, welche die Investor-StaatSchieds­gerichtsbarkeit in die Schranken zu weisen beginnt.510 Zusätzlich zu der Einmischung der Europäischen Kommission in Intra-EU-Investorschiedsverfahren, hat sie angefangen, den Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit dadurch herauszufordern, dass sie ein neues InvestorStaat-Streit­beilegungssystem mit einem ständig eingerichteten Gericht für Investitionsstreitigkeiten in Freihandelsabkommen mit Drittstaaten zu etablieren beginnt.511 Eine bedeutende Etablierung hat dieses neue Investor-Staat-Streitbeilegungsmodell durch das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU erfahren – das CETA.

Multipack S.R.L. vs Romania, ICSID Case No. ARB/05/20, Decision on Annulment, 26.02.2016. 508  Der Beschluss der Europäischen Kommission ist online abrufbar unter: https://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32015D1470 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 509  Hierzu seien nur zwei aktuelle Entscheidungen in England und den USA zu nennen: Ioan Micula, European Food S.A., S.C. Starmill S.R.L., Multipack S.R.L. vs Government of Romania, Brief for Amicus Curiae, The Commission of the European Union in Support of the Defendant-Appellant, United States Court of Appeal, 2nd Circ., 15-3109-cv (2017) und Viorel Micula, Ioan Micula, European Food S.A., S.C. Starmill S.R.L., Multipack S.R.L. vs Govern­ ment of Romania, Queens Bench Division Commercial Court, Case No: CL 2014-000251, 20.01.2017. 510  Siehe hierzu Broches, Awards Rendered Pursuant to the ICSID Convention: Binding Force, Finality, Recognition, Enforcement, Execution, in: ICSID Review – FILJ (1987), S.  287, 305 ff. 511  Das neue Streitbeilegungssystem der Europäischen Kommission wurde bereits in die Investitionsschutzkapitel der Freihandelsabkommen mit Singapore, Mexiko, Vietnam und Kanada aufgenommen, siehe zu den einzelnen Vertragstexten die Internetseite der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/negotiations-and-agree ments/ (zuletzt aufgerufen am 08.08.2018). Auch in den Verhandlungen mit China über ein mögliches Freihandelsabkommen soll das neue Streitbeilegungssystem mit dem dauerhaft eingerichteten Investitionsgericht integriert werden, siehe dazu: European Kommission, Position paper on the SIA in support of negotiations on an investment agreement between the EU and China, S.  6 und 10, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/may/tra doc_156863.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

3. Kapitel

Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA „Is it the Gold Standard or a missed opportunity?“1

Das in diesem Kapitel dargestellte Modell der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union gilt nach seinen Befürwortern als neuer „Gold“-Standard der Investor-Staat-Streitbeilegung in Handelsabkommen.2 Das CETA ist am 21.09.2017 vorläufig in Kraft getreten.3 Seitdem sind un­ gefähr 98 % der Regelungen des CETA-Vertragstextes als geltendes Recht anzusehen. Die übrigen 2 % des CETAs betreffen u. a. die Regelungen zum Investitionsschutz im 8. Kapitel des CETAs, denen die Parlamente der 28 EU-Mitgliedstaaten noch aufgrund des „gemischten“ Charakters des CETA-Abkommens zustimmen müssen.4 Mit Kapitel 8 Abschnitt F des CETAs, insbesondere Art.  8.18 bis 8.45 CETA, wird ein Mechanismus zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten für ausländische Investoren und die CETA-Vertragsparteien eingerichtet werden. Insgesamt haben die EU und Kanada acht Jahre lang verhandelt. Der im September 2014 abgeschlossene Vorentwurf zum CETA wurde ursprünglich von der kanadischen Regierung unter Premierminister Stephen Harper ausgehandelt.5 Dieser enthielt die traditionelle Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem Stan1 

Cross, Investor Protection in CETA: Goldstandard or missed opportunity?, S.  3. Eine deutsche Version des CETA-Vertragstextes ist online abrufbar unter: https://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016PC0444&from=EN (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Eine englische Version des CETA-Vertragstextes ist online abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-10973-2016-INIT/en/pdf (englische Version, zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 3  Siehe die Website der EU zum CETA, online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/trade/ policy/in-focus/ceta/index_de.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 4  In dem EU-Parlament und dem kanadischen Parlament haben nahezu 60 % der Stimmberechtigten für das CETA gestimmt. Darüber hinaus haben bereits alle kanadischen Provinzen dem Abkommen zugestimmt. Siehe hierzu online: http://www.globalpublicaffairs.ca/work/acommentary-on-ceta/ (zuletzt aufgerufen am 17.08.2022). 5  Europäische Kommission, Generaldirektion Handel, Note for the Attention of the Trade Policy Committee, 05.08.2015, „consolidated version of all chapters, annexes, declarations, 2 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

dardmodell der ad hoc-Schiedsgerichtbarkeit. Als in Kanada im November 2015 eine neue Regierung unter der Leitung von Premierminister Justin Trudeau an die Macht kam, forderte die Europäische Kommission Kanada auf, den Investitionsschutz und die ISDS-Bestimmungen des CETAs aufgrund des großen politischen Drucks in der EU überprüfen zu lassen.6 Dieser Überprüfungsprozess gelangte schnell zu einer umfassenden Überarbeitung des CETA-Investitionsschutzkapitels und führte zu einem ISDS-System, wie es die EU im November 2015 erstmals in ihrem Vorschlag für das TTIP den USA vorgelegt hatte.7 Das CETA sah nun ein zweistufiges und ständig eingerichtetes Gericht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vor, was nach dem Rat der Europäischen Union eine „radikale“ Änderung des Standardmodells der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit darstellen würde.8 In diesem Sinne und Bezug nehmend auf die in der Einleitung dieser Untersuchung zitierte Erklärung der EU-Kommissarin Cecilia Malmström: „I want the rule of law, not the rule of lawyers“9, möchte die Union mit dem Investor-StaatStreit­beilegungssystem im CETA die „rule of law“ in der internationalen Investitionsstreitbeilegung zurückgewinnen und eine von ihr bezeichnete „rule of ­lawyers“, mit anderen Worten, die Rechtsprechung durch die Investor-StaatSchieds­gerichtsbarkeit, abschaffen. Aus der obigen Untersuchung zur ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit lässt sich zwar die Schlussfolgerung ziehen, dass Bedenken hinsichtlich der genügenden Gewährleistung rechtsstaatlicher Prinzipien im understandigs and side letters“ vom CETA, online abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/ wirtschaft/ceta-dokument-101.pdf (zuletzt aufgerufen am 17.08.2022). 6  McGregor, EU Quietly Asks Canada to Rework Trade Deal’s Thorny Investment Clause, in: CBC News (21.01.2016), abrufbar unter: http://www.cbc.ca/news/politics/canada-europetrade-isds-ceta-1.3412943 (zuletzt aufgerufen am 17.08.2022). 7  Europäische Kommission, Transatlantic Trade and Investment Partnership: Trade in Services, Investment and E-commerce, Chapter II, EU’s Proposal for Investment Protection and Resolution of Investment Disputes (15.12.2015), online abrufbar unter: http://trade.ec.europa. eu/doclib/docs/2015/november/tradoc_153955.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 8  Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  6, online abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Siehe zur Kritik an dem Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit oben, unter 2. Kapitel C. 9  „I want the rule of law, not the rule of lawyers“, schrieb die EU-Kommissarin Cecilia Malmström im Mai 2015 in ihrem Blog, nachdem sie das Konzeptpapier „Investment in TTIP and beyond – the path for reform“ veröffentlicht hatte: Malmström, blog post: „Investments in TTIP and beyond – towards and Internationals Investment Court“ (2015), online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/commission/2014-2019/malmstrom/blog/investments-ttip-and-beyondtowards-international-investment-court_en (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

267

Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit durchaus begründet sind. Jedoch kann dies nicht auf jedes ICSID-Schiedsverfahren bezogen werden, da auch die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit viel zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit im Bereich des internationalen Investitionsrechts beigetragen hat und dies höchstwahrscheinlich auch weiterhin tun wird. Insoweit ist noch einmal zu verdeutlichen, dass das Rechtsstaatsprinzip kein Alles-oder-Nichts-Konzept ist. Die Existenz von Rechtsstaatlichkeit in einem Streitbeilegungssystem ist vielmehr eine Frage des gewährleisteten Grades, in dem das entsprechende Rechtssystem auf einer Skala von keiner Rechtsstaatlichkeit auf der einen Seite bis hin zu einer vollständigen Verwirklichung von Rechtsstaatlichkeit auf der anderen Seite platziert werden kann.10 Die Aussage von Malmström ist daher in sinnvoller Weise so zu verstehen, dass die EU die Rechtsstaatlichkeit in der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung stärken will, das heißt das Streitbeilegungssystem im Bereich der Investitionen auf die obere Ebene des fiktiven Rechtsstaatlichkeitsspektrums verlagern möchte. Tatsächlich wird die folgende Untersuchung mithilfe des in Kapitel 1 entwickelten Bewertungsmaßstabs11 und der in Kapitel 2 gewonnenen Erkenntnisse zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zu dem Ergebnis führen, dass das Streitbeilegungssystem in Kapitel 8, Abschnitt F des CETAs eine Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in der Investor-Staat-Streitbeilegung, insbesondere der Unabhängigkeit neutraler Richter sowie der Rechtssicherheit darstellt (C.). Damit wird auch anhand des Bewertungsmaßstabs gleichzeitig die eingangs gestellte Frage verneint, ob das CETA nur der Kritik an der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit Rechnung getragen hat und nur einen Scheinrechtsschutz in Aussicht stellt, weil das Verfahren zu viele Einfluss- und Korrekturmöglichkeiten der CETAVertrags­parteien eröffnet, die selber die Beklagtenpartei im Verfahren stellen und dadurch das CETA-Gericht dem Gedanken des Rechtsstaatsprinzips nicht mehr gerecht würde, nämlich dem Schutz vor staatlicher Willkür (D.). Zunächst soll aber die Zuordnung des CETA-Gerichts als eine hybride Form der Gerichtsbarkeit festgestellt werden, in der sich Aspekte eines Gerichts im unionsrechtlichen Sinne und Aspekte des Schiedsgerichts zur Beilegung von In10 Siehe McCorquodale, Defining the International Rule of Law: Defying Gravity?, in: ICLQ Bd.  65 (2) (2016), S.  290 f. 11  Zum hergeleiteten Bewertungsmaßstab für die Untersuchung sei an dieser Stelle ins Gedächtnis zu rufen, dass das Rechtsstaatsprinzip in der Investor-Staat-Streitbeilegung vor dem CETA-Gericht aufgrund der Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffe im anwendbaren Recht ein hohes Maß an Rechtssicherheit in der Rechtsdurchsetzung erfordert, d. h. die Rechtsprechung des CETA-Gerichts muss öffentlich, zugänglich, klar und vorausschauend sein und das Recht konsequent und vorhersehbar angewendet werden, und schließlich muss auf eine unabhängige und unparteiische Rechtsinstanz zurückgegriffen werden können. Siehe ausführlich zum Bewertungsmaßstab oben, 1. Kapitel C.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

vestitionsstreitigkeiten vermischen (A.) sowie die Vereinbarkeit des Investitionsschutzkapitels des CETAs mit der Unionsrechtsordnung anhand der Entscheidung des EuGHs zum Gutachten 1/17 erläutert werden (B.), die insbesondere aufgrund des Achmea-Urteils des EuGHs in der Wissenschaft umstritten war.12

A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts am Maßstab des unionsrechtlichen Gerichtsbegriffs Zu Beginn stellt sich die Frage, wie das CETA-Gericht einzuordnen ist, also ob es sich bei der gemäß Art.  8.27 CETA bezeichneten „Einsetzung des Gerichts“ für Investitionsstreitigkeiten um ein Gericht als solches oder eine Schiedsgerichtsbarkeit im herkömmlichen Muster handelt. Die Unterscheidung ist im Besonderen für die Vollstreckung der Urteilssprüche des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz nach dem ICSID-Übereinkommen und dem New YorkÜbereinkommen13 sowie für die unterschiedlichen Anforderungen der europäischen Verfassung von Interesse, die für Schiedsgerichte einerseits und staatliche Gerichte andererseits gelten.14 Das Verhältnis des CETA-Gerichts zur europäischen Verfassung, insbesondere die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, wird unter Kapitel 3. B. diskutiert werden. Im Folgenden soll nur die Zuordnung des sogenannten CETA-Gerichts vorgenommen werden. Im CETA-Vertragstext haben sich relevante Veränderungen im Vergleich zum Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit ergeben, die im Grunde nicht mehr für ein Schiedsgericht charakteristisch sind. Zu nennen sind das Fehlen der parteiernannten Schiedsrichter, die bezeichnete, ständige Einrichtung 12  EuGH, Rs. C-284/16, 06.03.2018 (Achmea-Entscheidung); EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, 30.04.2019, ECLI:EU:C:2019:341. 13  Reinisch, The European Union and Investor-State Dispute Settlement: From InvestorState Arbitration to Permanent Investment Court, in: CIGI, Investor-State Arbitration Series Paper No.  10 (2016), S.  25, online abrufbar unter: https://www.cigionline.org/sites/default/ files/isa_paper_series_no.2.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), „These tribunals are, in fact, hybrids between courts and arbitral tribunals. They consist of appointed ‚judges‘ serving for renewable six-year terms, but they render ‚awards‘ in order to make them enforceable under the rules of the ICSID Convention or, more likely, under the New York Convention“. Siehe auch Bot, Schlussantrag vom 29.01.2019 zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:72, Rn.  18: „Das gewählte Modell ist in mehrfacher Hinsicht durch gewisse originelle Merkmale gekennzeichnet, die ihm einen hybriden Charakter – eine Art Kompromiss zwischen einem Schiedsgericht und einem internationalen Gerichtshof – verleihen.“ 14  Die Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach dem ICSID-Übereinkommen sowie dem New York Übereinkommen sollen grundsätzlich nur auf Schiedsverfahren Anwendung finden.

A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts

269

des CETA-Investitionsgerichts anstatt der ad hoc-Konstituierung von Schiedsgerichten sowie die zwingende Transparenz der Streitbeilegungsverfahren. Für die Unterscheidung zwischen einem Gericht und einem Schiedsgericht wird im Folgenden der unionsrechtliche Begriff des „Gerichts“ verwendet. Nach dem unionsrechtlichen Gerichtsbegriff muss das Gericht ein auf gesetzlicher Grundlage eingerichteter, ständiger Spruchkörper sein, dessen Zuständigkeit obligatorisch ist und der dazu berufen ist, auf der Grundlage eines rechtsstaatlich geordneten Verfahrens in richterlicher (sachlicher) Unabhängigkeit Rechtsstreitigkeiten verbindlich zu entscheiden.15 Diese Vorgaben wurden auch in einer jüngeren Entscheidung des EuGHs bestätigt, in der im Hinblick für den unionsrechtlichen Gerichtsbegriff „auf eine Reihe von Gesichtspunkten [abzustellen ist], wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit.“16

I. Die Begrifflichkeit des CETA-Gerichts im CETA-Vertragstext Für die Einordnung des CETA-Spruchkörpers als Gericht spricht als allgemeines Kriterium bereits die Begrifflichkeit des CETA-Vertragstextes in der deutschen Version. Dort wird konsequent von dem „Gericht“17 gesprochen. Auch die Entscheidung des Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz wird als „Urteilsspruch“18 bezeichnet. Allerdings beschreibt der Wortlaut der englischen Version des Vertragstextes des CETA den Spruchkörper als „Tribunal“ und die Entscheidung des Tribunals als „Award“19. Das sind die charakteristischen Bezeichnungen der internationalen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit. Im Vergleich zum englischen Vertragstext handelt es sich beim deutschen Vertragstext um eine Übersetzung. Der Englische ist also konstitutiv, der Deutsche nicht. Entstehen z. B. beim deutschen Vertragstext Unklarheiten zum Wortlaut, sollte der englische Vertragstext des CETAs herangezogen werden, um zu bestimmen, wie der Wortlaut des CETAs zu verstehen ist. Deswegen überwiegt bei einer gegensätzlichen Bedeu15 

EuGH, Rs. 61/65, Slg. 1966, 583 (Vassen-Göbbels), Rn.  2 ff. EuGH, Rs. C-17/00, Slg. 2001, I-9447 (de Coster). 17  Siehe nur als Beispiel Art.  8.27 und 8.28 CETA in der deutschen Vertragsversion des CETAs. 18  Siehe nur als Beispiel Art.  8.27 (5) und 8.28 (2) CETA in der deutschen Vertragsversion des CETAs. 19  Siehe nur als Beispiel Art.  8.27 (1), (5) und 8.28 (1), (2) CETA in der englischen Vertragsversion des CETAs. Auch die französische Version des CETAs spricht in den entsprechenden Artikeln von „Tribunal“ und nicht von „cour“ für „Gericht“ sowie von „sentence rendue par le Tribunal“ und nicht von „l‘arrêt du cour“, was ebenfalls die Aussage des englischen Vertragstextes und nicht die des deutschen Vertragstextes unterstreicht. 16 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

tung beider Vertragsversionen die Englische gegenüber der Deutschen. Folglich spricht der Wortlaut des CETA-Vertragstextes für ein Schiedsgerichtssystem und nicht für Gerichtssystem im unionsrechtlichen Sinne. Es ist nicht von „Court“ oder „court decision“ die Rede, sondern von „Tribunal“ oder „Award“, wie beispielsweise auch im ICSID-Übereinkommen.20 Insoweit hat Kanada es auch vermieden, auf seinen jeweiligen Internetseiten der Regierung und Pressemitteilungen das CETA-Investitionsgerichtssystem als „court“ zu bezeichnen.21

II. Der Aufbau des CETA-Gerichts Charakteristisch für den Aufbau eines Gerichts nach unionsrechtlichem Begriff ist die Dauerhaftigkeit und dass es durch Gesetz errichtet wurde, es soll unparteiisch und unabhängig sein, zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dienen, die Verfahren sollen der Öffentlichkeit zugänglich sein und es soll Rechtsnormen bei seiner Entscheidungsfindung anwenden.22 Das Gesetz muss nicht nur die Errichtung der Gerichte, sondern auch den organisatorischen Aufbau sowie die fachlichen und örtlichen Zuständigkeiten zumindest als Rahmenvorgaben regeln.23

20  Siehe zum Beispiel Art.  37 ICSID Übrk. zum „Tribunal“ und Art.  48 ICSID Ürbk. zum „Award“. 21  Siehe hierzu beispielsweise die „Chapter Summary“ zum 8. Investitionsschutzkapitel im CETA auf der Internetseite des „Government of Canada“, online abrufbar unter: http:// www.international.gc.ca/trade-commerce/trade-agreements-accords-commerciaux/agr-acc/ ceta-aecg/chapter_summary-resume_chapitre.aspx?lang=eng#a8 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 22  EuGH, Rs. 61/65, Slg. 1966, 583 (Vassen-Göbbel), Rn.  2 ff.; EuGH, Rs. C-17/00, Slg. 2001, I-9447 (de Coster). 23  Eser/Kubiciel, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art.  47 Rn.  33.; Das nach dem Standardmodell des ICSIDs eingerichtete Schiedsgericht zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, dass die streitenden Parteien über die personelle Besetzung ihres nur für den jeweiligen Fall eingerichteten Schiedsgerichts selbst entscheiden. Die Schiedsrichter werden von den Parteien freihändig benannt oder die Parteien haben die Möglichkeit, wie z. B. nach den ICSID-Regeln, aus einer Liste von Schiedsrichtern diejenigen zu wählen, denen sie für ihren Fall vertrauen. Siehe hierzu Eslami, Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S.  16 ff. Es lassen sich mindestens drei Gründe finden, warum ein ICSIDSchieds­gericht nicht unter den unionsrechtlichen Gerichtsbegriff fällt. Zum einen ist dies die Eigenschaft des Schiedsgerichts ad hoc und für jeden Einzelfall konstituiert zu werden. Weiter bestehen berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Entscheidungsträger und damit des Schiedsgerichts. Außerdem wird ein Schiedsverfahren grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten – hinter verschlossenen Türen.

A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts

271

1. Ein dauerhaft eingerichtetes Gericht Das CETA-Gericht soll nach dem Vertragstext eine „unabhängige Investitionsgerichtsbarkeit [schaffen], bestehend aus einem ständigen Gericht und einer Rechtsbehelfsinstanz, vor denen die Streitbeilegungsverfahren transparent und unparteiisch ablaufen sollen.“24

Anders als beim Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen ist daher die Möglichkeit der Streitbeilegung nicht mehr von einer vertraglichen Einigung im Einzelfall abhängig. In diesem Sinne ist die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA auch obligatorisch. Es ist nach Art.  8.27 (1) CETA ein Investitionsgericht erster Instanz und nach Art.  8.28 (1) CETA eine deutlich erweiterte Rechtsbehelfsinstanz vorgesehen, die nach Art.  8.28 (2) CETA eine umfassende, nicht nur auf bestimmte Rechtsmittelgründe beschränkte Überprüfung fehlerhafter Rechtsanwendung ermöglicht. Das CETA-Gericht soll nach Art.  8.27 (2) CETA in erster Instanz mit fünfzehn Richtern (je fünf aus der EU, aus Kanada und aus Drittstaaten) besetzt sein, die in einer „Richterliste“ festgehalten werden. Die Rechtsbehelfsinstanz soll nach Art.  28 (7) (f) CETA durch eine durch den intergouvernementalen (und paritätisch besetzten) Gemischten CETA-Ausschuss festgelegte Anzahl an Richtern besetzt werden. Die Ernennung der Richter für die Richterliste erfolgt durch den Gemischten CETA-Ausschuss. Die reguläre Amtszeit beträgt nach Art.  8.27 (5) CETA fünf Jahre. Als Besonderheit des CETA ergibt sich an dieser Stelle, dass die „Richterliste“ vom Gemischten CETA-Ausschuss beschickt wird. Dieser setzt sich aus Vertretern der Europäischen Union und Kanada zusammen. Die EU und Kanada wählen also im Vorfeld gemeinsam die Gerichtsmitglieder aus, so dass die Auswahl der Gerichtsmitglieder in staatlicher Hand liegt. Weiter entscheiden nach Art.  8.27 (6) bzw. 8.28 (5) CETA sowohl das CETA-Gericht erster Instanz als auch die Rechtsbehelfsinstanz die zuvor anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten jeweils in Kammern mit drei Richtern. Die Streitparteien können nach Art.  27 (9) CETA auch vereinbaren, dass nur ein Mitglied des Gerichts über den Rechtsstreit entscheidet, das dann nach dem Zufallsprinzip ernannt wird. In dieser Hinsicht ist die bedeutendste Neuerung im direkten Vergleich zur ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit, dass die Besetzung der Kammern dabei nicht mehr durch die Streitparteien beeinflusst wird, sondern der Präsident des CETA-Gerichts ernennt gemäß Art.  8.27 (7) bzw. 8.28 (5) CETA die Mitglieder der mit dem Fall zu befassenden Kammer, wobei ein Rotationsverfahren zu Grunde gelegt und si24 

Europäische Kommission, CETA-Vertragstext, COM (2016) 444 final, 2016/0206 (NLE), 05.07.2017, Begründung, 5. Weitere Angaben, Investitionsschutz und Beilegung von Investitionsstreitigkeiten.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

chergestellt wird, dass die Zusammensetzung der Kammern nach dem Zufallsprinzip erfolgt. Solange das Gericht nicht ausgelastet ist, bekommen die Gerichtsmitglieder nach Art.  8.27 (12) CETA eine monatliche Grundvergütung für ihre ständige Verfügbarkeit, dürfen aber auch zusätzlich noch anderen Tätigkeiten nachgehen. Sollte das CETA-Gericht allerdings stark in Anspruch genommen werden, sieht Art.  8.27 (15) CETA vor, dass die Grundvergütung in ein reguläres Gehalt umgewandelt wird und die jeweiligen Modalitäten und Bedingungen dazu vom Gemischten CETA-Ausschuss festgelegt werden. Dazu könnte z. B. auch ein Verbot gehören, anderen Tätigkeiten nachzugehen. Insgesamt entspricht das CETA-Gericht funktional einer geschlossenen Kandidatenliste und keinem dauerhaft eingerichteten Gericht im Sinne des unionsrechtlichen Gerichtsbegriffs, solange die Mitglieder nicht Vollzeit beschäftigt sind und die Ausübung anderer Berufe verboten ist. 2. Durch Gesetz errichtet Das CETA-Gericht findet seine gesetzliche Grundlage im Investitionskapitel des CETAs und den entsprechenden mitgliedstaatlichen Zustimmungsgesetzen. 3. Zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dienend Weiter dient das CETA-Gericht mit seiner Rechtsbehelfsinstanz der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen einem Staat und einem ausländischen Investor. 4. Die Anwendung von Rechtsnormen bei der Entscheidungsfindung Die Mitglieder des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz haben bei ihrer Entscheidung nach Art.  8.31 CETA die in dem CETA dargelegten materiellen Regelungen zum Investitionsschutz nach den Auslegungsregeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge und anderen zwischen Kanada, der EU und den Mitgliedstaaten der EU geltenden völkerrechtlichen Regeln und Grundsätze anzuwenden. Hinsichtlich des Streitbeilegungsverfahrens sind nach Art.  8.23 CETA ebenfalls die im CETA enthaltenen relevanten Verfahrensregelungen und das je nach Vereinbarung der Streitparteien anzuwendende Verfahrensrecht, entweder die Regelungen des ICSID-Übereinkommens und der ICSID-Schiedsordnung, die Regelungen der UNCITRAL-Schiedsordnung oder sonstige durch Parteivereinbarung festgelegte Verfahrensregelungen, zu berücksichtigen.

A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts

273

5. Die öffentliche Zugänglichkeit des Verfahrens Die Anforderungen an die gerichtliche Öffentlichkeit wird durch die Verankerung der UNICTRAL-Transparenzregeln einschließlich der in Art.  8.36 CETA vorgenommenen Modifikationen und Ergänzungen für zukünftige InvestorStaat-Streit­beilegungsverfahren nach dem CETA gewährleistet.25 6. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des CETA-Gerichts Problematisch erscheint die Anforderung, dass das CETA-Gericht den Vorgaben des unionsrechtlichen Begriffs des unabhängigen und unparteilichen Gerichts entspricht. Dieser ist im europäischen Verfassungsrecht in Art.  47 (2) S.  1 EUGrCh verankert, der auch eine Parallele zu dem im deutschen Verfassungsrecht verankerten Grundsatz des gesetzlichen Richters sowie der richterlichen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zieht. Nach Art.  47 (2) S.  1 EUGrCh hat jede Person „ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“

Nach Art.  47 (2) S.  1 EUGrCh muss daher der Entscheidungsträger des Spruchkörpers bzw. der Richter des Gerichts sachlich, persönlich und organisatorisch unabhängig und unvoreingenommen sein.26 Vom EuGH zusammengefasst, fordert das Rechtsstaatsprinzip für die Gewährleistung der Unabhängigkeit neutraler Richter bzw. Schiedsrichter, dass es parlamentsgesetzliche „Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit der Einrichtung für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen.“27

Anders als beispielsweise im deutschen Recht erfordert Art.  47 (2) S.  1 EUGrCh demnach keine genauere vorherige Festlegung der Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Richters.28 Vielmehr muss das jeweilige Gericht lediglich entsprechend der gesetzlichen Vorgaben eingerichtet und insbesondere ord25  Siehe hierzu Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747 ff. 26  EuGH, Rs. C-174/98 P, Slg. 2000, I-1 (Van der Wal), Rn.  17; EuGH, Rs. C-308/07, Slg. 2009, I-1059 (Atxalandbabaso), Rn.  43. 27  EuGH, Rs. C-216/18, ECLI:EU:C:2018:586 (Mängel des Justizsystems), Rn.  66. 28  Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  108 f.; Eser/Kubiciel, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art.  47, Rn.  34.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

nungsgemäß zusammengesetzt sein.29 So wird z. B. auch beim EuGH erst nach Rechtshängigkeit festgelegt, welcher Entscheidungsträger für einen bestimmten Rechtsstreit zuständig ist.30 Die Aufgabe der Zuweisung des Rechtsstreites an den jeweiligen Spruchkörpertypus (Kammern mit fünf oder drei Richtern) bzw. die einzelnen Richter hat der Präsident des EuGHs, der gemäß Art.  9 (2) EuGH VfO die rechtsprechende Tätigkeit des Gerichtshofs leitet, vorzunehmen.31 Dabei hat eine Zuweisung nach der Schwierigkeit bzw. Bedeutung des Rechtsstreits zu erfolgen, die der Gerichtshof oder am Verfahren beteiligte Mitgliedstaaten oder Gemeinschaftsorgane der Rechtssache beimessen.32 Bis auf Letzteres ist daher eine deutliche Äquivalenz zum CETA-Gerichtssystem zu erkennen. Die Benennung der zuständigen Kammer und deren Besetzung erfolgt ebenfalls nach Klageerhebung und, wie oben erwähnt, allein durch den Gerichtspräsidenten, der die Entscheidungspersonen aus dem Kreise der zuvor genannten Mitglieder des Gerichts und nach einem Rotationsprinzip mit gleichen Beteiligungschancen für jedes Gerichtsmitglied ernennt, Art.  8.27 (7) CETA. Für verbleibende Unklarheiten sorgt allerdings, dass laut CETA der Gerichtspräsident dafür Sorge zu tragen hat, dass die Spruchkörperbesetzung im konkreten Fall „zufällig und unvorhersehbar“ sein soll, Art.  8.27 (7) CETA. Einerseits wird damit die Möglichkeit der Einflussnahme der Streitparteien auf die Person des Richters weiter erschwert. Andererseits gilt es, Manipulationen vorzubeugen, gleichgültig, von welcher Seite sie ausgehen.33 Das Vertrauen des Rechtsuchenden in die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Entscheidungspersonen soll geschützt werden, was bei einer fallbezogenen Besetzung, losgelöst von Art und Weise, in Zweifel gezogen werden könnte.34 Ob und inwiefern die geschilderte Besetzung durch das CETA-Gerichtspräsidium diesen Anforderungen gerecht wird, dürfte allerdings nicht zuletzt von der endgültigen Ausgestaltung und Festlegung des Arbeitsverfahrens des CETA-Gerichts abhängen, wie sie noch nach Art.  8.27 (10) CETA vorzunehmen ist. Zur Sicherung der in Art.  47 (2) S.  1 EUGrCh geregelten Anforderungen der sachlichen, persönlichen und organisatorischen Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Gerichtsmitglieder35, bedarf es nicht nur grundsätzlicher 29  Alber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh-Kommentar, Art.  47, Rn.  108 f.; Eser/Kubiciel, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art.  47, Rn.  34. 30 Vgl. Kalbheim, Über Reden und Überdenken, S.  10 ff. 31  Siehe ausführlich zu den Steuerungsmöglichkeiten des Präsidenten des EuGHs: Kalb­ heim, Über Reden und Überdenken, S.  10 ff. 32  Art.  16 (3) EuGH Satzung und Art.  60 (1) EuGH VfO. 33  BVerfGE 95, S.  322, 327. 34  BVerfGE 95, S.  322, 327. 35  EuGH, Rs. C-174/98 P, Slg. 2000, I-1 (Van der Wal), Rn.  17; EuGH, Rs. C-308/07, Slg. 2009, I-1059 (Atxalandbabaso), Rn.  43. Vgl. dazu auch die ähnlichen Ausführungen des Bun-

A. Die Zuordnung des CETA-Gerichts

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struktureller Maßnahmen, wie etwa solche zur Vermeidung von einer Einflussnahme auf die Entscheidungsträger, sondern insbesondere auch eines Mechanismus zur Ablehnung und zum Ausschluss von Richtern in den jeweiligen einzelnen Verfahren selbst.36 Im CETA bestehen nach Art.  8.30 CETA besondere Verfahren zur Disqualifikation oder Ersetzung von Entscheidungsträgern bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung, unabhängig und unparteiisch gegenüber den Streitparteien zu sein. Die vorgesehenen Mitglieder des Gerichts müssen nach Art.  8.30 (1) CETA mit ihrer Ernennung jegliche Beteiligung als Parteivertreter, Zeuge oder Sachverständiger in Investitionsstreitigkeiten beenden. Zudem gelten nach Art.  8.30 (1) CETA die International Bar Association Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration und der gemeinsame CETA-Ausschuss soll gemäß Art.  8.44 (2) CETA, im Wege einer best efforts-Verpflichtung, spätestens mit dem vorläufigen Inkrafttreten einen eigenen, ergänzenden und verpflichtenden code of conduct für die Gerichtsmitglieder beschließen. Als weitere Vorkehrungen zum Schutz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichtsmitglieder werden diese nach Art.  8.27 (12) – (15) und 8.28 (7) (d) CETA eine dauerhafte Vergütung aus einem gemeinsamen Fond der Vertragsparteien beziehen. Das CETA-Gericht scheint insoweit auch autonom. Das ICSID-Sekretariat soll nach Art.  8.27 (13) und (16) CETA dem CETA-Gericht die infrastrukturelle bzw. administrative Hilfe leisten. Zusammenfassend erscheint im Hinblick auf die zahlreichen Vorkehrungen im CETA eine Garantie der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Entscheidungsträger in hohem Maße gewährleistet.

III. Zwischenergebnis Die Begrifflichkeit der englischen Version zum CETA-Vertragstext, das Gericht für die Investor-Staat-Streitbeilegung als „Tribunal“ und seine Entscheidungen als „Awards“ zu bezeichnen, stellt eine zutreffende Wortwahl dar. Die vom CETA gesetzten Eigenschaften des CETA-Gerichts scheinen zwar den vom EuGH entwickelten Kriterien zum Gerichtsbegriff auf europäischer Ebene überwiegend zu entsprechen. Es gibt aber noch einige Eigenschaften des CETA-Gerichts, die gegen die Qualifikation zum Gericht und für ein Schiedsgericht sprechen, so dass es sich um eine hybride Form der Gerichtsbarkeit handelt, in der sich Aspekte desverfassungsgerichts in seinen Entscheidungen: BVerfGE, 10, S.  200, 213 ff.; 14, S.  156, 163; 27, S.  312, 322. 36  BVerfGE 21, S.  139, 146.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

eines Gerichts im unionsrechtlichen Sinne mit Aspekten des Schiedsgerichts vermischen. Von einem ständig eingerichteten Gericht kann zumindest solange nicht die Rede sein, bis die CETA-Gerichtsmitglieder in Vollzeit beschäftigt werden und die Ausübung von Nebenbeschäftigungen bzw. weiterer Tätigkeiten (weitgehend) untersagt wird. Zum jetzigen Zeitpunkt bekommen die Gerichtsmitglieder eine Aufwandsentschädigung dafür, dass sie jeder Zeit zur Verfügung stehen müssen. Dazu kommt, dass sie neben ihrer Tätigkeit als Gerichtsmitglied noch anderen Berufen nachgehen dürfen und wegen der zu erwartenden geringen monatlichen Vergütung auch nachgehen müssen.37 Hinzukommen die in Art.  8.27 (4) CETA geregelten unbestimmten Anforderungen an die Mitglieder des CETAGe­richts. Das CETA-Gericht ist nicht zwangsläufig mit staatlichen Berufsrichtern zu besetzen, und die Anforderungen an die Gerichtsmitglieder kommen nicht an die Erfordernisse heran, die für Richter des EuGHs gelten.38 Ausweislich ihrer nach Art.  8.27 (4) CETA geforderten Qualifikationen sind die Mitglieder des CETA-Gerichts – anders als z. B. staatliche Richter – auch nicht dem Gemeinwohl verpflichtet.39 Auch der rechtliche Rahmen spricht eher für ein Schiedsgerichtssystem als für ein Gericht im unionsrechtlichen Sinne. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren wird nach Regelungen durchgeführt, die ihrem Sinn und Zweck nach für internationale Schiedsverfahren geschaffen wurden. Als Prozessregeln sollen die Regelungen des ICSID-Übereinkommens oder die UNCITRAL-Schiedsordnung Anwendung finden Dies dient nicht zuletzt dem Ziel, dass die endgültigen Urteilssprüche des CETA-Gerichts und der CETA-Rechtsbehelfsinstanz mithilfe der etablierten internationalen Völkerrechtsabkommen des New York Übereinkommens und des ICSID-Übereinkommens durchgesetzt werden sollen und international durchgesetzt werden können.40 37 

Nach Art.  8.30 (1) CETA ist es ihnen lediglich verboten „[…] ab dem Zeitpunkt ihrer Ernennung weder als Rechtsberater noch als von einer Partei benannter Sachverständiger oder Zeuge bei anhängigen oder neuen Investitionsstreitigkeiten im Rahmen dieses Abkommens oder anderer internationaler Übereinkünfte tätig [zu] werden“. 38  Die Anforderungen an die Richter des EuGHs sind in Art.  252–255 AEUV geregelt. 39  Siehe zur Qualifikation von Mitgliedern in öffentlichen Ämtern, sich dem Gemeinwohl verpflichten zu müssen, Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S.  100 ff. 40 Siehe Reinisch, The European Union and Investor-State Dispute Settlement: From Investor-State Arbitration to Permanent Investment Court, in: CIGI, Investor-State Arbitration Series Paper No.  10 (2016), S.  25, online abrufbar unter: https://www.cigionline.org/sites/default/ files/isa_paper_series_no.2.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „These tribunals are, in fact, hybrids between courts and arbitral tribunals. They consist of appointed ‚judges‘ serving for renewable six-year terms, but they render ‚awards‘ in order to make them enforceable under the rules of the ICSID Convention or, more likely, under the New York Convention“; Lévesque,

B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs

277

Das CETA institutionalisiert insgesamt keine internationale Gerichtsbarkeit, sondern enthält Regelungen für eine Infrastrukturverwaltung für das CETA-Gericht, das mit seinen sogenannten Kammern aus jeweils drei Gerichtsmitgliedern eingerichtet wird und konkret einen Rechtsrahmen für die nach Einreichung einer Klage zu bildenden Kammern schafft. Es findet daher keine grundlegende Neuregelung des Investitionsschutzes durch das CETA statt und auch scheint eine gänzliche Abkehr vom Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nicht beabsichtigt zu sein. Das Standardmodell der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit scheint eher eine teilweise, wenn auch in mancher Hinsicht radikale systematische und strukturelle Veränderung durch das CETA zu erfahren.

B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs zur Vereinbarkeit der Regelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels mit der Unionsrechtsordnung Der EuGH hat in seinem Gutachten 1/17 vom 30.04.2019 entschieden, dass „Kapitel acht Abschnitt F des am 30. Oktober 2016 in Brüssel unterzeichneten umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits […] mit dem Primärrecht der Europäischen Union vereinbar [ist].“41

Hintergrund der Entscheidung war der Antrag Belgiens vom 6. September 2017 aufgrund von Bedenken über die Vereinbarkeit des CETA-Gerichtssystems mit dem Unionsrecht.42 Insbesondere wurde der EuGH in dem Antrag darum gebeThe European Commission proposal for an Investment Court System: Out with the Old, In with the New?, in: CIGI, Investor-State Arbitration Series, Paper No.  10 (2016), S.  3 f., online abrufbar unter: https://www.cigionline.org/sites/default/files/isa_paper_series_no.10_0.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), „The use of existing arbitration institutions and rules as well as the reliance on international conventions for the enforcement of arbitral awards would seem to indicate that the mechanism is still fundamentally an arbitration one“. Die Vollstreckungsregelungen im CETA entsprechen durch die in Art.  8.41 CETA geregelte Anwendung des New York Übereinkommens und des ICSID-Übereinkommens zur Vollstreckung von Urteilssprüchen ebenfalls weitestgehend – mit geringfügigen Einschränkungen – den Vollstreckungsregeln der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit. 41  Siehe EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  245, online abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&do cid=213502&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=4976548 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 42  Siehe hierzu die deutsche Übersetzung des belgischen Antrags auf das Gutachten (1/17) nach Art.  218 (11) AEUV, online abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/docu ment.jsf?text=&docid=196185&pageIndex=0&d-clang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part =1&cid= 871718 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

ten, zur Vereinbarkeit des CETA-Gerichts mit der ausschließlichen Zuständigkeit des EuGHs für die endgültige Auslegung des EU-Rechts, des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes und der Anforderung des Rechts auf Zugang zu einer unabhängigen und unparteiischen Gerichtsbarkeit Stellung zu nehmen.43 Die Entscheidung des EuGHs in dem Gutachten 1/17 ist aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung: Einerseits stellt es die erste Entscheidung des EuGHs nach dem Achmea-Urteil44 dar, in welchem der EuGH feststellte, dass ein Streitbeilegungsmechanismus, wie er in einem Intra-EU-BIT zwischen den Niederlanden und der ehemaligen Tschechoslowakei enthalten ist, mit EU-Recht unvereinbar ist. Der EuGH hat sich dabei im Besonderen auf eine Verletzung der Autonomie der Unionsrechtsordnung berufen.45 Das Achmea-Urteil dürfte für die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit weitreichende Folgen haben, weil es zumindest in Bezug auf Intra-EU Investor-Staat-Streitigkeiten den Sonderweg der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit als Rechtsschutz versperrt.46 Im Gutachten 1/17 wurde nun vom EuGH die Frage beantwortet, dass ein dem CETA vergleichbarer Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus, der in einem EU-Drittstaaten-Frei­ handelsabkommen enthalten ist, unter bestimmten Voraussetzungen mit EURecht vereinbar sei. Des Weiteren wird die Entscheidung in dem Gutachten 1/17 auch Konsequenzen für zukünftige EU-Freihandelsabkommen, insbesondere mit Großbritannien oder Japan, haben. Bislang hat der EuGH eine Beeinträchtigung der Vereinbarkeit eines schiedsgerichtlichen Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus mit der Autonomie der Unionsrechtsordnung dann angenommen, wenn ein Streitbeilegungsorgan Vorgaben für die Auslegung des Unionsrechts macht, wie aktuell auch bei dem Achmea-Urteil, und wenn es eine Verfälschung der Zuständigkeit der Europäischen Union sowie ihrer Organe bewirken kann.47 43  Siehe ausführlich zur Vereinbarkeit der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit mit EU-Recht und dem Prinzip der Autonomie der Unionsrechtsordnung als Begründung der ausschließlichen Zuständigkeit des EuGHs, Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  204 ff. 44  EuGH, Rs. C-284/16, Achmea, 06.03.2018, online abrufbar unter: http://curia.europa.eu/ juris/document/document.jsf?text=&docid=199968&pageIndex=0&doclang=EN&mode= lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1806188 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 45  Vgl. EuGH, Urt. v. 06.03.2018, Rs. C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158 (Achmea), Rn.  57. 46  Siehe hierzu Stopler, „Das Achmea-Urteil“: Anfang vom Ende der Investitionsschutz-Paralleljustiz?, in: Netzwerk Gerechter Welthandel, 16.03.2018, online abrufbar unter: https:// www.euractiv.de/section/eu-innenpolitik/opinion/das-achmea-urteil-anfang-vom-ende-der-in vestitionsschutz-paralleljustiz/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Miller, Zur Bedeutung des EuGH-Urteils in der Rechtssache Achmea für die Entwicklung der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft, in: EuZW (2018), S.  357, 357. 47 Siehe hierzu ausführlich Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  215; Vgl. auch Govaere, Beware of the Trojan Horse: Dispute Settlement in

B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs

279

In der Entscheidung zum Gutachten 1/17 hat der EuGH diesmal, anders als beim Achmea-Urteil, die Schlussanträge seines Generalanwalts berücksichtigt. Yves Bot hat in seinen Schlussanträgen zum Gutachten 1/17 vom 29.01.2019 dem EuGH vorgeschlagen, das CETA-Gerichtssystem mit dem Unionsrecht für vereinbar zu erklären, insbesondere mit (I.) der ausschließlichen Zuständigkeit des EuGHs für die endgültige Auslegung des EU-Rechts, (II.) dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, (III.) der Verpflichtung zur Wirksamkeit des EU-Rechts und (IV.) dem Recht auf eine unabhängige und unparteiische Justiz.48

I. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts Wie erwartet, stellt dieser Aspekt des belgischen Antrags den Kern des Urteils des EuGHs dar.49 In seinem zukunftsträchtigen Achmea-Urteil stellte der EuGH fest, dass ein internationales Abkommen, das die Einsetzung eines für die Auslegung seiner Bestimmungen zuständigen Gerichts vorsieht und dessen Entscheidungen für die Organe, einschließlich des Gerichtshofs, bindend ist, grundsätzlich nicht mit dem EU-Recht unvereinbar sei, sofern die Autonomie der EU und ihrer Rechtsordnung gewahrt wird.50 Die Autonomie der Unionsrechtsordnung versteht der EuGH dabei als Begriff, zu dem „[…] die in Art.  2 EUV genannten ‚Werte, auf die sich die Union gründe, nämlich‚ die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, die Vorschriften der Charta und die Vorschriften des EU- und des AEU-Vertrags, zu denen insbesondere die Vorschriften über die Übertragung und Aufteilung von Zuständigkeiten, die Vorschriften über die Arbeits(Mixed) Agreements and the Autonomy of the EU Legal Order, in: Hillion/Koutrakos (Hrsg.), Mixed Agreements Revisited: The EU and its Member States in the World, S.  187, 192; Hinde­ lang, Der Primärrechtliche Rahmen einer EU-Investitionsschutzpolitik: Zulässigkeit und Grenzen von Investor-Staat-Schiedsverfahren aufgrund künftiger EU-Abkommen, in: Bungenberg/ Herrmann (Hrsg.), Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union nach Lissabon, S.  157, 169 ff. 48 Vgl. Bot, Schlussanträge vom 29.01.2019 zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:72. Siehe zu einer Besprechung der EuGH-Entscheidung zum Gutachten 1/17 auch Holterhus, Das CETA-Gutachten des EuGH – Neue Maßstäbe allerorten…, in: VerfBlog (03.05.2019), online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/das-ceta-gutachten-des-eugh-neue-massstaebe-aller orten/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Krajewski, Ist CETA der „Golden Standard“? EuGH hält CETA-Gericht für unionsrechtskonform, in: VerfBlog (30.04.2019), online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/ist-ceta-der-golden-standard-eugh-haelt-ceta-gericht-fuer-unions rechtskonform/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 49  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  106– 161. 50  EuGH, Urt. v. 06.03.2018, Rs. C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158 (Achmea), Rn.  57.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

weise der Unionsorgane und des Gerichtssystems der Union und die Grundregeln in speziellen Bereichen gehören, die so gestaltet sind, dass sie zur Verwirklichung des Integrationsprozesses im Sinne von Art.  1 Abs.  2 EUV beitragen.“51

Nachdem der EuGH an diesen Grundsatz erinnert hatte, betonte er, dass die bloße Tatsache, dass das Gerichtssystem des CETA außerhalb des Justizsystems der EU steht, an sich nicht gegen die Autonomie der EU-Rechtsordnung verstößt. Aus der Gegenseitigkeit internationaler Abkommen und der Notwendigkeit, die Befugnisse der EU in den internationalen Beziehungen aufrechtzuerhalten, ergibt sich, dass ein internationales Gericht für die Auslegung dieser Abkommen zuständig sein kann, ohne dass sie von den nationalen Gerichten der Vertragsparteien ausgelegt werden müssen. Der Grundsatz der Autonomie des EU-Rechts würde nur dann verletzt, wenn das CETA-Gericht (1) andere EU-Vorschriften als die Bestimmungen des CETAs auslegen und anwenden könnte oder (2) Urteile mit bindender Wirkung für EU-Organe erteilen könnte, die einen Einfluss auf das Verhalten der EU-Organe gemäß dem verfassungsrechtlichen Rahmen der Union haben. Das Gericht stellte fest, dass dies nicht der Fall sei.52 Was den ersten Punkt anbelangt, so ist der EuGH auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des CETAs in den Artikeln 8.21 ff. CETA der Ansicht, dass die dem CETA-Gericht übertragene Auslegungs- und Anwendungsbefugnis auf die Bestimmungen des CETAs beschränkt sei, auch weil diese im Einklang mit den zwischen der EU und Kanada geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts zu erfolgen habe. Zusätzlich sei das CETA-Gericht dazu verpflichtet, sich an die geltende Auslegung des jeweiligen nationalen Rechts durch die inländischen Gerichte zu halten (während die inländischen Gerichte nicht an die Bedeutung gebunden sind, die das CETA-Gericht ihrem jeweiligen nationalen Recht beimisst). Es kann das innerstaatliche Recht einer Vertragspartei (damit sei auch das EU-Recht umfasst) als Tatsache heranziehen. Dies sei auch der Grund dafür, dass das CETA-Gericht nicht die Möglichkeit habe, den EuGH um ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art.  267 AEUV zu ersuchen. Der EuGH unterscheidet das CETA ferner von Intra-EU-BITs, indem er betont, dass der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der im Mittelpunkt seiner Entscheidung in Achmea stand, auf die Beziehungen zwischen der EU und Drittländern nicht anwendbar sei.53 51  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  110; Vgl. in diesem Sinne auch EuGH, Entscheidung zum Gutachten 2/13, EU:C:2014:2454 (Beitritt der Union zur EMRK), Rn.  158. 52  Vgl. zu diesem Absatz: EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  120 ff. und 137 ff. 53  Siehe EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  128 ff.

B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs

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Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Tätigkeit der EU-Organe hielt der EuGH es für unzulässig, dem CETA-Gericht die Kompetenz zu übertragen, einem ausländischen Investor Schadensersatz zu gewähren, wenn EU-Maßnahmen gegen den von CETA angebotenen materiellen Schutz verstoßen würden (z. B. faire und gerechte Behandlung, indirekte Enteignung, ungerechtfertigte Beschränkung der Zahlung und des Transfers von Kapital usw.) „Wären das CETA-Gericht und die CETA-Rechtsbehelfsinstanz [dazu] befugt, Urteilssprüche zu erlassen, nach denen die Behandlung eines kanadischen Investors wegen des Niveaus des Schutzes eines öffentlichen Interesses, das von den Unionsorganen festgelegt worden ist, mit dem CETA unvereinbar ist, wäre die Union gezwungen, darauf zu verzichten, dieses Schutzniveau zu erreichen, wenn sie nicht immer wieder vom CETA-Gericht gezwungen werden will, Schadensersatz an den klagenden Investor zu leisten.“54

Das CETA bietet in dieser Hinsicht jedoch ausreichende Garantien, da es verschiedene Bestimmungen enthält, die die Wahrung des öffentlichen Interesses und das Recht der Parteien auf Regulierung (sogenanntes „right to regulate“) gewährleisten.55 Diese sind teilweise allgemeiner Natur, teilweise beziehen sie sich auch auf bestimmte Bereiche hoheitlicher Tätigkeit, insbesondere zum Steuerwesen oder auf Finanzdienstleistungen, die ausdrücklich den Handlungsspielraum des Gesetzgebers anerkennen und vor Beschränkungen durch die CETAInvestitions­schutzvorschriften schützen sollen. Beispielsweise ist das „right to regulate“ gleich mehrfach genannt. Es findet sich bereits in der Präambel zum CETA56, an verschiedenen Stellen zum Gemeinsamen Auslegungsinstrument57 sowie insbesondere auch in Art.  8.9 CETA (Investitionen und Regulierungsmaßnahmen), der speziell im Zusammenhang mit den Investitionsschutzvorschriften des CETAs regelt: „1. Für die Zwecke dieses Kapitels bekräftigen die Vertragsparteien ihr Recht, zur Erreichung legitimer politischer Ziele wie des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, des Schutzes der Umwelt oder der öffentlichen Sittlichkeit, des Sozial- oder Verbraucherschutzes oder der Förderung und des Schutzes der kulturellen Vielfalt in ihrem jeweiligen Gebiet regelnd tätig zu werden. 2. Zur Klarstellung: Die bloße Tatsache, dass eine Vertragspartei – auch durch Änderung ihrer Gesetze – Regelungen in einer Art und Weise trifft, die sich auf eine Investition negativ aus54 

EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  149. Vgl. EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  160. Siehe zur Wahrung des öffentlichen Interesses und dem Recht der CETA-Vertragsparteien auf Regulierung: Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33 ff. 56  Vgl. Beweggründe Nr.  6 und 8 der Präambel zum CETA. 57  Siehe Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, ABl. L 11 vom 14.01.2017, Ziff.  1 lit.  (c), und (e), 2 und 6 (a). 55 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

wirkt oder die Erwartungen eines Investors, einschließlich seiner Gewinnerwartungen, beeinträchtigt, stellt keinen Verstoß gegen eine Verpflichtung aus diesem Abschnitt dar.“

Zusätzlich enthält das CETA zum Schutz des gesetzgeberischen Handlungsspielraums als Beispiel insbesondere noch die folgenden allgemeinen Ausnahmevorschriften: – Art.  8.16 CETA, der wirtschaftliche Sanktionen zur Durchsetzung von Maßnahmen der kollektiven Sicherheit (wie EU oder UN-Sanktionen) zulässt, – Art.  28.3 (1) CETA, der eine allgemeine Ausnahme enthält und Einschränkung von Nicht-Diskriminierung zum Schutz bestimmter öffentlicher Güter oder Rechte Dritter erlaubt,58 – Art.  28.3 (2) CETA, der eine weitere allgemeine Ausnahme enthält, die das Nicht-Diskriminierungsgebot für notwendige Maßnahmen zum Schutz bestimmter Interessen einschränkt, wie den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, öffentliche Moral, Schutz von Gesundheit, Tieren oder Pflanzen etc.59 und – Art.  28.6 CETA, der eine Ausnahme für bestimmte Maßnahmen enthält, die zum Schutze der nationalen Sicherheit als erforderlich angesehen werden.60

II. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung Zum Grundsatz der Gleichbehandlung stellt der EuGH fest61, dass „Unternehmen und natürliche Personen der Mitgliedstaaten, die in der Union investierten und dem Unionsrecht unterlägen, könnten Maßnahmen der Union nicht vor den im CETA vorgesehenen Gerichten anfechten, wohl aber Unternehmen und natürliche Personen Kanadas, die in denselben Handels- oder Industriesektor des Binnenmarkts der Union investierten.“62

Da nach dem EuGH aber die Situation der kanadischen Investoren, die innerhalb der EU investieren, nur mit denjenigen der EU vergleichbar sei, die in Kanada investieren (im Gegensatz zu denjenigen der EU, die in der Union investieren), stellte der EuGH fest, dass es keine unterschiedliche Behandlung von Personen 58 

Diese Ausnahme lehnt sich an Art. XX GATT an. Ähnlich wie Art. XX GATT, allerdings ohne den für Art. XX GATT charakteristischen Chapeau, der eine differenziertere Abwägung erfordert. 60  Diese Ausnahme entspricht in Teilen der Vorschrift in Art.  346 AEUV. Siehe zum Schutz des Handlungsspielraums des Gesetzgebers durch Vorschriften im CETA: Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 70 ff. 61  Siehe zum Grundsatz der Gleichbehandlung in dem Gutachten insgesamt: EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  162–186. 62  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  179. 59 

B. Das Gutachten 1/17 des EuGHs

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in einer relevanten ähnlichen Situation gibt.63 Der Grund dafür, dass kanadische Investoren die Möglichkeit haben, sich vor dem CETA-Gericht auf die Bestimmungen des CETAs zu stützen, ist, dass sie in ihrer Eigenschaft als ausländische Investoren handeln.64

III. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Gebot der Wirksamkeit des EU-Wettbewerbsrechts Das Gericht kam auch zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit des EU-Wettbewerbsrechts durch die Entscheidungen des CETA-Gerichts nicht gefährdet werden kann, z. B. durch die Gewährung von Schadensersatz für einen ausländischen Investor in Höhe der von der Europäischen Kommission oder einer nationalen Wettbewerbsbehörde gegen diesen verhängten Geldbuße.65 Wie gerade unter 1. dargestellt, erkennt das CETA an, dass die CETA-Vertragsparteien geeignete Maßnahmen ergreifen können, um wettbewerbswidriges Verhalten zu verbieten, und garantiert ihr Recht auf Regulierung, um legitime Ziele im öffentlichen Interesse zu erreichen.66 Wenn ein Urteilsspruch des CETA-Gerichts in Ausnahmefällen die Aufhebung der Wirkungen einer Geldbuße zur Folge haben könnte, ist dies akzeptabel, da das EU-Recht selbst die Aufhebung einer Geldbuße zulässt, wenn diese mit einem Fehler behaftet ist, der demjenigen entspricht, den das CETA-Gericht feststellen konnte.67

IV. Die Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels mit dem Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht Schließlich kam der EuGH nicht zu dem Schluss, dass das Gerichtssystem des CETA das Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht verletzen würde.68 Was die Zugänglichkeit des CETA-Gerichts anbelangt, so hob der EuGH zunächst hervor, dass 63 

Vgl. EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  180. 64  Vgl. EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  181. 65  Siehe hierzu EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  187 f. 66  Vgl. nur Art.  8.9 CETA. Siehe auch Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 70 ff. 67  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  187 f. 68  Siehe hierzu EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  189–244.

284

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

„Ohne eine Regelung zur Gewährleistung der finanziellen Zugänglichkeit des CETA-Gerichts und der CETA-Rechtsbehelfsinstanz für natürliche Personen und kleine und mittlere Unternehmen […] also die Gefahr [besteht], dass der ISDS-Mechanismus praktisch nur für Investoren zugänglich ist, die über erhebliche finanzielle Mittel verfügen.“69

Der Rat und die Kommission haben sich jedoch dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass „[d]er Zugang zu dieser neuen Gerichtsbarkeit für die schwächsten Parteien, das heißt für [kleine und mittlere Unternehmen] und Privatpersonen, […]verbessert und erleichtert [wird]“, und dass zu diesem Zweck „[d]ie Annahme ergänzender Vorschriften durch den gemischten Ausschuss gemäß Artikel 8.39.6 CETA […] vorangetrieben [wird], sodass diese ergänzenden Vorschriften so rasch wie möglich angenommen werden können“, und „[die Kommission] [u]nabhängig vom Ausgang der Gespräche im gemischten Ausschuss […] angemessene Maßnahmen zur öffentlichen (Ko)finanzierung von Klagen kleiner und mittlerer Unternehmen vor dieser Gerichtsbarkeit […] vorschlagen [wird].“70

Der EuGH ist davon überzeugt, dass die Genehmigung des CETAs durch die EU von dieser Verpflichtung abhängt.71 Der EuGH stellte ferner fest, dass das CETA hinreichende Verfahrensgarantien hinsichtlich der Unabhängigkeit des CETAGe­richts bietet (insbesondere in Bezug auf die Vergütungssysteme der Gerichtsmitglieder, ihre Ernennung und Abberufung sowie die von ihnen einzuhaltenden Ethikregeln), die dem CETA zugrunde liegen und die insbesondere auch ausdrücklich vorsehen, dass die Gerichtsmitglieder „keiner Regierung nahestehen dürfen.“72

V. Zwischenergebnis Die Entscheidung des EuGHs zum Gutachten 1/17 nimmt eine wichtige Hürde für die endgültige Ratifizierung des CETAs. Vor allem hatten einige EU-Mitgliedstaaten auf das Ergebnis des Gutachtens gewartet und werden nun wohl endgültig die Frage diskutieren, ob das CETA in ihrem Staat ratifiziert werden soll. 69 

EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  213. EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  217. Siehe hierzu auch die Erklärung Nr.  36 für das Protokoll des Rates über die Unterzeichnung des CETAs im Anhang des Beschlusses 2017/37, ABl. 2017, L 11. 71  Siehe hierzu EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  219 ff. 72  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  240. Siehe hierzu auch Art.  8.30 (1) S.  3 CETA, wonach die Mitglieder des CETA-Gerichts „keine Weisungen einer Organisation oder Regierung entgegennehmen [dürfen], die Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Streitigkeit betreffen.“ Siehe zur Entscheidung hinsichtlich der Unabhängigkeit des CETA-Gerichts insgesamt: EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  223–244. 70 

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

285

Die Bedeutung dieses Urteils geht aber offensichtlich auch über das Gerichtssystem des CETAs hinaus. Wie der Generalanwalt Yves Bot in seiner Stellungnahme betonte, geht es „um die Definition eines Modells […], das den die Unionsrechtsordnung gestaltenden Grundsätzen entspricht und zugleich in allen Handelsabkommen zwischen der Union und Drittstaaten angewandt werden kann.“73 Die EU beabsichtigt auch auf längere Sicht die Einrichtung eines „multilateralen Invesitionsgerichtshofs mit Rechtsbehelfsinstanz“.74 Die Entscheidung des EuGHs zum Gutachten 1/17 wird daher mit Sicherheit bei der EU-Generaldirektion für Handel (DG Trade) und der Gemeinschaft der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, wo die Entscheidung des EuGHs im Achmea-Fall für Unverständnis gesorgt hatte, mit Erleichterung aufgenommen. Die Entscheidung bedeutet für zukünftige EU-Handels- und Investitionsabkommen, dass die Union beim Investitionsschutz, insbesondere beim Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren, den „Standard“ des CETAs einhalten muss – entweder ein Investor-StaatStreit­beilegungsverfahren zu den aufgestellten Anforderungen des EuGHs, oder gar keins. Das führt aber auch zu einer Einschränkung der Handlungsspielräume für den Abschluss neuer Handels- bzw. Freihandelsabkommen mit Investitionsschutzkapitel. Die von der Union bereits neu ausgehandelten Freihandelsabkommen mit Singapur und Vietnam dürften den gesetzten Anforderungen des EuGHs in seiner Entscheidung zum Gutachten 1/17 aber entsprechen.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht Mit dem CETA haben die EU und Kanada das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren unter dem CETA in einen institutionellen Rahmen gefasst, der die Deutungsmacht des CETA-Gerichts über die Auslegung der prozessualen und materiellen Investitionsschutzvorschriften im Verhältnis zu den CETA-Vertragsparteien formell beschränkt. Durch die Schaffung des Gemischten CETA-Ausschusses als Instrument zur staatlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETAGe­richts, soll die Fortentwicklung des Investitionsschutzrechts einer Rückbindung der Auslegung an die CETA-Vertragsparteien unterzogen werden, „um eine etwaige Fehlinterpretation des CETA durch die Gerichte zu verhindern oder zu korrigieren“75. 73 

Bot, Schlussanträge vom 29.01.2019 zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:72, Rn.  86. Vgl. EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  108; Vgl. auch Art.  8.29 CETA (Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs mit Rechtsbehelfsinstanz). 75  Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden 74 

286

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Zusätzlich soll den Verfahrensparteien im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit ein beträchtlicher Teil ihrer Autonomie entzogen werden, indem diesen insbesondere kein unmittelbarer Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des CETA-Gerichts mehr zuteil wird. Ähnlich dem Streitbeilegungsmodell der Welthandelsorganisation (WTO), soll der CETA-Gerichtspräsident die Mitglieder der Streitbeilegungsgremien aus einer „Richterliste“ nach einem Zufallsund Rotationsprinzip ernennen, die ex ante durch den Gemischten CETA-Aus­ schuss auf Empfehlung der CETA-Vertragsparteien zusammengestellt wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich vor allem die Frage, ob das CETA-Gerichtssystem unter dem von den CETA-Vertragsparteien geschaffenen institutionellen Rahmen mehr Rechtssicherheit gewährleisten kann sowie als unabhängiger und unparteiischer wahrgenommen wird als ein ICSID-Schiedsgericht und dadurch unter dem Bewertungsmaßstab im Vergleich ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit bedeutet. Dafür soll mithilfe der im 2. Kapitel gewonnenen Erkenntnisse zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit in der folgenden Untersuchung zur Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA zusätzlich aufgezeigt werden, wo die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Streitbeilegungssysteme liegen. In jedem Fall hat durch die CETA-Investitionsschutzregelungen eine Einhegung der im 2. Kapitel dargestellten internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung stattgefunden. Denn durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit institutionellen Mechanismen ist es zu einer Rückgewinnung der Deutungshoheit über die prozessualen und materiellen Investitionsschutzregelungen durch die CETA-Vertragsparteien gekommen (I.). Zusätzlich wurde die Einhegung der Investitionsstreitbeilegung durch vergleichsweise detailliertere prozessuale und materielle Investitionsschutzvorschriften im CETA76 vorgenommen, wodurch das anwendbare Recht in der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA-InWirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, online abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 76 Zur Übersicht: Das CETA besteht in seinem Investitionsschutzkapitel insgesamt aus sechs Abschnitten und 45 Artikeln, die sowohl materiell-rechtliche Investitionsschutzregelungen als auch prozessuale Vorschriften festlegen. Die Abschnitte bestehen aus Abschnitt A: Begriffsbestimmungen und Geltungsbereich; Abschnitt B, Niederlassung von Investitionen; Abschnitt C, Diskriminierungsfreie Behandlung; Abschnitt D, Investitionsschutz; Abschnitt E, Vorbehalte und Ausnahmen; Abschnitt F, Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten. Insbesondere wurden Investitionsschutzstandards, wie die gerechte und billige Behandlung und ein Enteignungsschutz, zur Orientierung bei der Auslegung des CETA-Vertragstextes durch das CETA-Gericht präziser formuliert als in den herkömmlichen BITs. Zudem wurde auch ein ausdrücklicher Schutz der gesetzgeberischen Handlungsfreiheit (ein „right to regulate“) der Vertragsparteien vor Beschränkungen durch die Investitionsschutzvorschriften des Abkommens in einer Reihe von Vorschriften festgelegt. Siehe hierzu nur die

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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vestitionsschutzkapitel und das sich daraus ergebende Entscheidungsprogramm des CETA-Gerichts (II.) im Vergleich zum ICSID-Schiedsgericht beschränkt wurde. Anschließend wird die Zuständigkeit des CETA-Gerichts erläutert (III.), bevor die durch das CETA geregelten Vorgaben an die Rechtsprechung des CETA-Ge­richts dargestellt werden, die im Kern eine unabhängige Rechtsprechung des CETA-Gerichts gewährleisten und der Rechtssicherheit im rechtsstaatlichen Sinne dienen soll (IV.).

I. Die Einhegung der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit institutionellen Mechanismen zur Staatskontrolle Das CETA nimmt die Einhegung der Rechtsprechung des CETA-Gerichts vor, indem es eine Verkoppelung des CETA-Gerichts mit dem Gemischten CETAAus­schuss vorsieht und die CETA-Vertragsparteien dadurch die Rechtsprechung des CETA-Gerichts kontrollieren und steuern können, wodurch es im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zu einer Rückgewinnung größerer „Deutungsmacht“77 durch die CETA-Vertragsparteien gekommen ist. Dieser aus Repräsentanten der CETA-Vertragsparteien bestehenden Institution wurde unter dem CETA eine ganze Reihe an Kompetenzen zugewiesen, die sich dadurch definieren, dass die CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETA-Ausschuss für Fragen zur Interpretation und Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen sowie für Fragen der Deutung von Ordnungsvorstellungen und Leitideen des CETA-Gerichts Vorgaben annehmen kann.78 Präambel des CETA sowie Art.  8.2.2 (b), Art.  8.36, Art.  8.6, Art.  8.9, Anhang 8-A, Art.  8.22.1 (f, g) und Art.  28.3 CETA. 77  Siehe zum Begriff der Deutungsmacht Schulz, Theorien der Deutungsmacht, in: Vorländer, Hans (Hrsg.) Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, S.  67: „Die Geltung institutioneller Ordnungen hängt davon ab, ob es gelingt, einen Gründungsakt oder eine Leitidee gegenüber konkurrierenden Ordnungsvorstellungen zu verstetigen und im Wechselspiel der Interpreten zu behaupten. Dieser Prozess spielt sich nun gerade nicht zwischen abstrakten, vom platonischen Himmel gefallenen Leitideen ab, sondern impliziert die Mobilisierung von unterschiedlichen politischen und sozialen Legitimitätsressourcen, die in ihrer Gesamtheit zur konstruktiven Erzeugung einer als legitim akzeptierten Deutung beitragen. Nun ließe sich in diesem Spektrum institutioneller Macht eine solche Modalität als „Deutungsmacht“ bezeichnen, die sich dadurch definiert, dass sie nicht unmittelbar über zwingende Machtressourcen verfügen kann, also demnach keine „Verfügungsmacht“ darstellt. Es sind hier also die Fragen der Interpretation und der Deutung von Ordnungsvorstellungen und Leitideen, die im Mittelpunkt stehen müssten.“ 78  Siehe nur Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, on-

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Eine solche Rückgewinnung der Staatskontrolle in der Investor-Staat-Streitbeilegung ist völkerrechtlich möglich (1.) und ist nach dem CETA durch die Einsetzung des Gemischten CETA-Ausschusses sowie des Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen als Unterausschuss vorgesehen (2.). 1. Die völkerrechtliche Erlaubnis der staatlichen Kontrolle der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung Das Völkerrecht erlaubt eine gewisse staatliche Kontrolle in der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung, da die Staaten im Völkerrecht die zentralen Akteure darstellen.79 Völkerrechtliche Abkommen vermitteln dem jeweiligen internationalen Gericht oder Schiedsgericht einen Rechtsrahmen, der die Kompetenzen und die Deutungsmacht im Verhältnis zu den Vertragsstaaten formell beschränkt.80 Insoweit bietet die Auslegung des Investitionsschutzabkommens durch die Vertragsstaaten oder deren Repräsentanten eine Möglichkeit zur Rückgewinnung der staatlichen Deutungshoheit in der internationalen Investitionsstreitbeilegung über die von ihnen geschaffenen völkerrechtlichen Verträge. José Alvarez, der eine Parallele vom völkerrechtlichen Vertragsschluss zu John Ra­ wls, „original position“81 zieht, sieht in der Auslegung der völkerrechtlichen Verträge durch die Vertragsstaaten ein wichtiges, bedeutendes Instrument zur Rückgewinnung der Deutungshoheit der Vertragsstaaten.82 So würden sich die Staaten bei Vertragsschluss unter einem „veil of ignorance“ (einem Schleier des Nichtwissens) befinden, weil ein neues Rechtsregime grundsätzlich und vor allem in Bezug auf Investitionsschutzabkommen mit enormen Unsicherheiten behaftet ist. Zwar können sie durch völkerrechtliche Abkommen über das anzuwendende Recht entscheiden und so gewisse Prognosen bei der Festlegung der prozessualen und materiellen Investitionsschutzregelungen berücksichtigen. Den Vertragsstaaten ist aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Investitionsschutzabkomline abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/ pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „Die Europäische Union und Kanada sind gehalten, den Inhalt der Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung [gemäß Art.  8.10 (3) CETA] regelmäßig zu überprüfen, um sich zu vergewissern, dass sie ihren Absichten (auch denen, die in dieser Erklärung dargelegt sind) entspricht und nicht weiter ausgelegt werden kann, als von ihnen beabsichtigt.“ 79  Herdegen, Völkerrecht, §  7 Rn.  3; Orrego Vicuña, Law Making in a Global Society: Does Consent Still Matter?“, in: Bröhmer u. a. (Hrsg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, FS Ress, 2005, S.  191, 194. 80 Vgl. Ginsburg, Political Constraints on International Courts, in: Romano/Alter/Shany (Hrsg.), The Oxford Handbook of International Adjudication, S.  484, 487. 81 Vgl. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit. 82  Alvarez, Why are We ‚Re-Calibrating‘ Our Investment Treaties?, in: World Arb. & Mediat. Rev., Bd.  4 (2010), S.  143, 155.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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mens die Rolle, die sie in dem Rechtsverhältnis einnehmen werden, nicht immer eindeutig bewusst.83 Es entspricht der Tatsache, dass im internationalen Investitionsschutzrecht, insbesondere in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, die Fortentwicklung des Rechts in Teilen ohne Mitwirkung der Vertragsstaaten zum Investitionsschutzabkommen vorgenommen wird.84 Die Schiedsgerichte bilden das Investitionsschutzrecht fort, wobei es sich insoweit aber keinesfalls um einen zwingenden völkerrechtlichen Grundsatz handelt. Im Gegenteil. Es finden sich in großen multilateralen Vertragswerken wie im Marrakesch-Übereinkommen der Welthandelsorganisation85 oder im Articles of Agreement des Internationalen Währungsfonds86 Bestimmungen, die eine bindende abstrakte Vertragsauslegung ermöglichen. Und auch in bilateralen Investitionsschutzabkommen sowie Freihandelsabkommen, die ein Investitionsschutzkapitel enthalten, finden sich in mindestens 53 Investitionsschutzabkommen Regelungen zur abstrakten, rechtsverbindlichen Vertragsauslegung.87 Ihren Ursprung finden die Auslegungsklauseln in Investitionsschutzabkommen und Freihandelsabkommen im NAFTA, in dem in Art.  1131 (2) NAFTA geregelt ist, dass „An interpretation by the Commission of a provision of this Agreement shall be binding on a Tribunal established under this Section.“88

83 Vgl.

Alvarez, The Once and Future Foreign Investment Regime, in: Arsanjani/Cogan/ Sloane/Wiessner (Hrsg.), Looking to the Future, S.  607, 634. 84 Siehe Wolf, Vollstreckbarkeit nach ICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 258. 85  Siehe Art. IX (2) WTO Abkommen (Decision-Making), online abrufbar unter: https:// www.wto.org/english/docs_e/legal_e/04-wto_e.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 86  Vgl. Art. XXIX IWF-Abkommen (Interpretation), online abrufbar unter: https://www. imf.org/external/pubs/ft/aa/index.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 87  Siehe zum Beispiel das Dominican Republic – Central America – United States Freihandelsabkommen (unterschrieben am 05.08.2004), online abrufbar unter: https://ustr.gov/tradeagreements/free-trade-agreements/cafta-dr-dominican-republic-central-america-fta/final-text (zuletzt abgerufen am 17.08.2022) (CAFTA-DR); EU – Republic of Korea Freihandelsabkommen (unterschrieben am 15.10.3009, in Kraft getreten am 01.07.2011) online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=OJ:L:2011:127:TOC)\ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022; Siehe hierzu auch Kaufmann-Kohler, Interpretative Powers of the Free Trade Commission and the Rule of Law, in: Gaillard/Bachand (Hrsg.), Fifteen Years of Nafta Chapter 11 Arbitration, S.  175, 176 ff.; Eine detaillierte Darstellung einer diesbezüglich vorgenommenen Untersuchung findet sich bei Pehl, Repräsentative Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S.  135 ff. 88  Ähnlich nun Art.  30.1 USMCA: „The Parties hereby establish a Free Trade Commission (Commission), composed of government representatives of each Party at the level of Ministers or their designees“. Und weiter in Annex 14-D Art.  10 (2) USMCA: „A decision issued by the

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

2. Die Einsetzung des Gemischten CETA-Ausschusses sowie des Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen als Hüter des Investitionsschutzes unter dem CETA Das CETA sieht die Einsetzung eines Gemischten CETA-Ausschusses und eines für das Investitionskapitel vorgesehenen Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen als Unterausschuss vor.89 Der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen soll nach Art.  8.44 (3) CETA alle Fragen des Handels und der Investitionen zwischen den Vertragsparteien sowie die Umsetzung und Anwendung des CETAs überwachen, einschließlich der Zusammensetzung und Arbeitsweise des CETA-Gerichts mitsamt seiner Rechtsbehelfsinstanz.90 Der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen steht bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach Art.  26.1 (4) (b) CETA unter der Aufsicht des Gemischten CETA-Ausschusses. Dieser soll auch als Forum für die CETA-Vertragsparteien dienen, um über Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung und möglichen Verbesserungen des Streitbeilegungsmodells nach dem CETA zu beraten. Nach Art.  26.1 (1) CETA hat der Gemischte CETA-Ausschuss zu gleichen Teilen aus Vertretern der Vertragsparteien zu bestehen und soll gemeinsam vom kanadischen Minister for International Trade und von dem EU-Handelskommis­ sar oder ihren jeweiligen Vertretern geleitet werden. Allerdings wird nicht festCommission under paragraph 1 shall be binding on the tribunal, and any decision or award issued by the tribunal must be consistent with that decision“. 89  Unter dem CETA sollen Sonderausschüsse eingesetzt werden, die unter der Aufsicht des Gemischten CETA-Ausschusses stehen. Einer dieser Sonderausschüsse ist nach Art.  26.2 (1) (b) CETA der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen, der sich mit Fragen befasst, die den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel, Investitionen, die vorübergehende Einreise, den elektronischen Geschäftsverkehr und Rechte des geistigen Eigentums im Zusammenhang mit Dienstleistungen betreffen. 90  Art.  8.44 (3) CETA: Der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen kann im Einvernehmen mit den Vertragsparteien, nachdem diese ihre jeweiligen internen Vorschriften erfüllt und die internen Verfahren abgeschlossen haben, a) dem Gemischten CETA-Ausschuss nach Artikel 8.31 Absatz 3 die Annahme von Auslegungen dieses Abkommens empfehlen, b) Regeln zur Ergänzung der geltenden Streitbeilegungsregeln annehmen und ändern und die geltenden Transparenzregeln ändern. Diese Regeln und Änderungen sind für das nach diesem Abschnitt errichtete Gericht bindend, c) Mediationsregeln festlegen, die von den Streitparteien gemäß Artikel 8.20 anzuwenden sind, d) dem Gemischten CETA-Ausschuss nach Artikel 8.10 Absatz 3 die Festlegung etwaiger weiterer Bestandteile der Verpflichtung zur Gewährung einer gerechten und billigen Behandlung empfehlen und e) nach Artikel 8.28 Absatz 8 Empfehlungen zur Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz an den Gemischten CETA-Ausschuss richten.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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gelegt, wie viele Vertreter der Vertragsparteien in dem Gemischten CETA-Ausschuss sitzen werden bzw. aus wie vielen Sitzen der Ausschuss insgesamt bestehen soll. Insoweit bestehen noch keine klaren Regeln für seine Zusammensetzung.91 Darüber hinaus fällt auch auf, dass es im CETA-Vertragstext keine Regeln zur Entscheidungsfindung oder zur Transparenz der Arbeit des Gemischten CETAAus­schusses gibt sowie ob der Ausschuss öffentlich für seine Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Diesbezüglich ist aber in Rule 11 der Rules of Procedure des Gemischten CETA-Ausschusses geregelt, dass „Unless otherwise specified by the Agreement or decided by the co-chairs, the meetings of the CETA Joint Committee will not be open to the public.“92 Das erteilt dem Gemischten CETA-Ausschuss erhebliche Kompetenzen, um die staatliche Kontrolle über die Arbeitsweise des CETA-Gerichts und die Regelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels zu behalten. Sollten beispielsweise Bedenken in Bezug auf eine Auslegungsfrage zum CETA auftreten, die sich auf das CETA-Investitionskapitel auswirken könnten (auch in Bezug auf das anwendbare Recht) sieht das CETA in Art.  8. 31 (3) CETA vor, dass der Gemischte CETA-Ausschuss auf Empfehlung des Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen eine Auslegung des Vertragstextes annehmen kann, die dann für das CETA-Gericht und die Rechtsbehelfsinstanz verbindlich ist. Das CETA ermöglicht demnach eine sogenannte „Auslegung des Autors durch sich selbst“93 und schränkt dadurch eine unabhängige Rechtsanwendung und Rechtsfindung durch die Mitglieder des CETA-Gerichts ein (worauf später – unter Kapitel 3. C. IV. 5. b. – vertieft eingegangen werden soll). Des Weiteren entscheidet der Gemischte CETA-Ausschuss gemäß Art.  26.3 CETA durch Beschluss: – nach Art.  8.27 (2) CETA über die Ernennung von Mitgliedern des Gerichts und nach Art.  8.28.(3) CETA der Rechtsbehelfsinstanz, – nach Art.  8.27 (3) und Art.  8.28 (7) (f) CETA über die Erhöhung oder Verringerung der Anzahl an Gerichtsmitgliedern des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz, 91  Siehe hierzu Rule 1 der „Rules of Procedure“ des Gemischten CETA-Ausschusses, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32018D1062 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 92  Siehe zu den „Rules of Procedure“ online unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/ EN/TXT/?uri=CELEX:32018D1062 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Dagegen sollen aber „immerhin“ die Entscheidungen des Gemischten CETA-Ausschusses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 93 Siehe zur sogenannten authentischen Interpretation, also der Auslegung eines Autors durch sich selbst: Meder, Missverstehen und Verstehen, S.  20, 108 ff. und 121 ff.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

– nach Art.  8.30 (4) CETA über den Ausschluss von Mitgliedern des CETA-Gerichts und seiner Rechtsbehelfsinstanz, – nach Art.  8.27 (12) CETA über die monatlichen Vergütungen und nach Art.  8.27 (15) CETA über die sonstigen Auslagen und Vergütungen der Mitglieder des Gerichts, – und hat nach Art.  8.28 (7) CETA einen Beschluss über die administrative und organisatorische Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz zu fassen. Zusätzlich muss der CETA-Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen nach Art.  8.44 (2) CETA einen Verhaltenskodex für die Mitglieder des CETAGe­richts samt Rechtsbehelfsinstanz beschließen, der sich mit den Offenlegungspflichten, der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Gerichts sowie der Vertraulichkeit befasst.94 Demnach behalten sich die CETA-Vertragsparteien durch die Einsetzung des Gemischten CETA-Ausschusses als Instrument zur Kontrolle des CETA-Gerichts ein beträchtliches Spektrum an Kompetenzen und Mitteln vor, mit denen sie die Entwicklung und den Betrieb des CETA-Gerichts in einer Weise gestalten können, die weit über die eines beklagten Gastgeberstaates in einem regulären Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen hinausgeht. Insbesondere stellt sich unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten die Frage, ob die Befugnis des Gemischten CETA-Ausschusses, nach Art.  8.27 (2) CETA die Gerichtsmitglieder zu ernennen, sie nach Art.  8.30 (4) CETA unter bestimmten Voraussetzungen wieder vom CETA-Gericht ausschließen zu können und nach Art.  8.31 (3) CETA eine für das CETA-Gericht verbindliche Auslegung des CETA-Vertragstextes annehmen zu können, so miteinander vereinbar ist. Dadurch haben sich die Vertragsstaaten die Möglichkeit geschaffen, durch personelle Maßnahmen sowie durch Eingriffe in die Rechtsanwendung und Rechtsfindung massiv in die Rechtsprechung des CETAs eingreifen zu können, was gegen die Idee der internationalen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen spricht, nämlich ein Forum der entpolitisierten Streitbeilegung zu schaffen. Die Einrichtung eines solchen mit staatlichen Vertretern und mit umfangreichen Befugnissen ausgestatteten Ausschusses ist dem ICSID-Übereinkommen und der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit aus genau diesem Grund fremd, da es zum Nachteil des ausländischen Investors zu einem ungleichen Machtverhältnis in der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung führen kann. 94 

Siehe hierzu den Joint Report zum Meeting des CETA-Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen vom 18.09.2018, S.  1, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/ docs/2018/september/tradoc_157385.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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II. Das nach dem CETA-Investitionsschutzkapitel anzuwendende Recht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten Ausgangspunkt des Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens des CETA ist das vom CETA-Gericht zu berücksichtigende, anzuwendende und auszulegende Recht nach dem CETA-Investitionsschutzkapitel. Das CETA weist im Vergleich zur herkömmlichen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit insofern eine Besonderheit auf, als dass im CETA-Investitionsschutzkapitel sowohl die materiellen Vorschriften zum Bestandsschutz getätigter Investitionen95, als auch die Verfahrensvorschriften geregelt sind, wohingegen ein BIT oder MIT in der Regel die materiellen Investitionsschutzvorschriften festlegt und zur Durchsetzung dieser Vorschriften auf die Streitbeilegung durch ein Schiedsgericht oder konkreter, ein anderes Investitionsschutzabkommen verweist, beispielsweise auf das ICSIDÜber­ einkommen, welches ausschließlich prozessuale Investitionsschutzvorschriften festlegt.96 Aufgrund dieser Besonderheit soll das CETA hier als hybri­ des Investitionsschutzabkommen bezeichnet werden. Der Vorteil dieses hybriden Investitionsschutzabkommens liegt zum einen darin, dass sich die CETA-Vertragsparteien mit der Implementierung des Gemischten CETA-Ausschusses in der Funktion eines repräsentativen Auslegungsinstruments die Deutungshoheit über sämtliche materiellen und prozessualen Investitionsschutzregelungen vorbehalten haben. Zugleich fördert die Verknüpfung von prozessualen Regelungen mit den durchzusetzenden materiellen Bestandsschutzregelungen die einheitliche Rechtsprechung in der Investor-Staat-Streitbeilegung, da die Mitglieder des CETA-Gerichts nicht das materielle Recht einzelner BITs und verschiedener MITs auszulegen haben, sondern ausschließlich die Bestimmungen des CETAInvestitions­schutzkapitels. In diesem Sinne kann eine Klage beim CETA-Gericht nach Art.  8.23 (2) CETA auf der Grundlage folgender Regeln eingereicht werden: „a) des ICSID-Übereinkommens und der ICSID-Schiedsordnung,

95  Nach

denen dem Investor insbesondere eine gerechte und billige Behandlung (fair and equitable treatment), ein Anspruch auf vollen Schutz und Sicherheit (full protection and secu­ rity), ein Anspruch auf Entschädigung bei Verlusten aufgrund kriegerischer Handlungen, Notstand etc. (compensation for losses) und der Schutz gegen Enteignungen und der Enteignung gleichkommender Eingriffe (direct and indirect expropriation) zu gewähren ist. 96  Siehe als Beispiel Art.  10 (1) deutsches Muster-BIT 2008: „Disputes concerning investments between a Contracting State and an investor of the other Contracting State should as far as possible be settled amicably between the parties to the dispute. To help them reach an amicable settlement, the parties to the dispute also have the option of agreeing to institute conciliation proceedings under the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States of 18 March 1965 (ICSID)“; Vgl. auch Art.  26 (4) ECT.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

b) der ICSID-Regeln über die Zusatzeinrichtung, sofern die Voraussetzungen für Verfahren nach Buchstabe a nicht erfüllt sind, c) der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung oder d) etwaiger sonstiger von den Streitparteien einvernehmlich festgelegter Regeln.“

Art.  8.23 (2) CETA ist dabei im Zusammenhang mit Art.  8.23 (6) CETA zu lesen, wonach die Vorschriften der von den Streitparteien gemäß Art.  8.23 (2) CETA gewählten Schiedsordnung (oder anderer Verfahrensregeln) vom CETA-Gericht anzuwenden sind, „vorbehaltlich der in diesem Abschnitt [dem CETA-Investitionsschutzkapitel] festgelegten spezifischen Regeln und ergänzt durch nach Artikel 8.44 Absatz 3 Buchstabe b festgelegte Regeln.“97

Insofern ist das neue Streitbeilegungssystem des CETAs im Wesentlichen eine Mischung aus neuen institutionellen Elementen, welche die verschiedenen bestehenden Schiedsregeln überlagern soll, indem seit Langem etablierte Schiedsordnungen, wie die des ICSID-Übereinkommens oder die UNCITRAL-Schieds-ordnung, von den Parteien angewandt werden sollen und diese gleichzeitig durch die Vorschriften im CETA-Investitionsschutzkapitel, bestehend aus sechs Abschnitten98 und 45 Artikeln, gemäß Art.  8.23 (6) CETA radikal modifiziert und ergänzt werden. Diese nicht unerhebliche Einschränkung der Privatautonomie in der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA stellt eine weitere Besonderheit im Vergleich zum Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit dar, was für eine von der EU und Kanada gewollte und bereits vom Autor bezeichnete „Einhegung“ der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit spricht. So werden im CETA-Investitionsschutzkapitel nicht mehr lediglich die Kerninhalte für ein Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren geregelt99, sondern es wird den am Verfahren beteiligten Parteien eine ganze Reihe zwingend zu beachtender Regelungen vorgeschrieben.100 Dabei wird die Parteiautonomie hinsichtlich der Änderung der Schiedsregeln oder Schaffung anderer Verfahrensregeln soweit eingeschränkt, als dass sie mit dem anwendbaren Streitbeilegungsregime des CETAs kollidieren würden.101 97  Art.  8.23

(6) CETA. A: Begriffsbestimmungen und Geltungsbereich; Abschnitt B, Niederlassung von Investitionen; Abschnitt C, Diskriminierungsfreie Behandlung; Abschnitt D, Investitionsschutz; Abschnitt E, Vorbehalte und Ausnahmen; Abschnitt F, Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten. 99  Für ein Beispiel der Regelung von den Kerninhalten für ein Investor-Staat-Schiedsverfahren, siehe Art.  10 deutsches Muster-BIT 2008. 100  Siehe zu diesen zwingend anzuwendenden Regelungen insbesondere 3. Kapitel C II. 2. b). 101  Art.  8.23 (6) CETA. 98  Abschnitt

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Bevor ausführlicher eine Darstellung der Verfahrensregeln des CETA-Investitionsschutzkapitels (2.) sowie der materiellen Investitionsschutzregelungen (3.) erfolgt, wird zunächst die von den CETA-Vertragsparteien gewollte Überlagerung der bestehenden Investitionsschutzabkommen durch das CETA-Investitionsschutzkapitel als lex posterior erläutert (1.). 1. Die Überlagerung bestehender Investitionsschutzabkommen durch das CETA-Investitionsschutzkapitel als lex posterior Die von den CETA-Vertragsparteien gewollte Überlagerung bestehender Investitionsschutzabkommen durch die CETA-Investitionsschutzvorschriften im Sinne der Derogationsregel102 „lex posterior derogat legi priori“103, wirft bei der Anwendung der CETA-Investitionsschutzvorschriften insbesondere in dem Fall, dass eine Vorschrift des CETA-Investitionsschutzkapitels mit Vorschriften bestehender Verträge kollidiert, zwei vertragsrechtliche Fragen auf. Zum einen ist die vertragsrechtliche Beziehung des CETA-Investitionsschutzkapitels zu den ebenfalls anzuwendenden bestehenden Investitionsschutzabkommen bzw. Schiedsordnungen klarzustellen (a.). Während zum Beispiel das ICSID-Über­einkommen in Art.  37 (2) ICSID Übrk. spezifische Regeln für die Bildung des Schiedsgerichts vorsieht, wie die Einflussnahmemöglichkeit der Streitparteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, sollen nach Art.  8.23 (6) CETA die Regeln des CETA-Investitionsschutzkapitels vorrangig angewendet werden. Und nach Art.  8.27 (7) CETA ernennen nicht die Streitparteien, sondern der CETA-Gerichtspräsident die für den jeweiligen Streit zuständigen Kammermitglieder aus einer von den CETA-Vertragsparteien ex ante zusammengesetzten Gerichtsmitglieder-Liste nach einem Rotations- und Zufalls­ prinzip.104 Zum anderen wirft die Schaffung einer Rechtsbehelfsinstanz zur Überprüfung der Entscheidungen des CETA-Gerichts der ersten Instanz Fragen zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens und auch nach den Regelungen des New York Übereinkommens von 1958 auf (b.). Beispielsweise soll nämlich nach den 102  Vorweg sei klargestellt, dass Derogation hier, wenn nicht anders kenntlich gemacht, in einem weiteren Sinn zu verstehen ist, der sowohl einer (Teil-)Nichtigkeit der früheren, niederrangigen oder allgemeineren Norm wie auch den „bloßen“ Anwendungsvorrang einer Norm erfasst; 103  Die Maxime vom lex posterior ist in der WVK in Artikel 30 festgeschrieben und stellt zudem Völkergewohnheitsrecht dar. Siehe hierzu Vranes, Lex Superior, Lex Specialis, Lex Posterior – Zur Rechtsnatur der „Konfliktlösungsregeln“, in: ZaöRV, Bd.  65 (2005), S.  391, 392. 104  Siehe hierzu auch Art.  8.27 (5) und (6) CETA.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

CETA-Investitionsschutzvorschriften auch jedes ausdrückliche oder implizite Verbot eines Rechtsmittels gegen den Schiedsspruch bzw. gegen den Urteilsspruch des CETA-Gerichts innerhalb der anderen anzuwendenden Schiedsordnung (z. B. Art.  53 (1) ICSID Übrk., der eine Berufung bzw. Rechtsbehelfsinstanz im Sinne des Art.  8.28 CETA ausdrücklich verbietet) außer Kraft gesetzt werden, um eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteilsspruchs des CETAGe­richts durch die Rechtsbehelfsinstanz auf Rechtsfehler und offensichtliche Tatsachenfehler hin zu gewährleisten. Beide Fragestellungen sollen im Folgenden näher untersucht werden. a) Die vertragsrechtliche Beziehung des CETA-Investitionsschutzkapitels zu bestehenden internationalen Investitionsschutzabkommen Es sei vorab noch einmal daran erinnert, dass die CETA-Vertragsparteien mit den CETA-Investitionsschutzvorschriften die Einrichtung eines Streitbeilegungssystems bezwecken, dass kein neues, in sich geschlossenes Regelungssystem schaffen soll, sondern neue, zusätzlich zu berücksichtigende Regelungen zu den bereits bestehenden internationalen Investitionsschutzabkommen festlegt. Dass dies völkerrechtlich möglich ist, beweisen Vorläufer für die Modifizierung oder Änderung bilateraler Verträge mit einem multilateralen Abkommen, die es in einer ganzen Reihe von Bereichen im Völkerrecht gibt. Als Beispiel soll hier nur die Analyse einer von der OECD erstellten Studie mit dem Titel „Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties“105 dargestellt werden. Wie die OECD in dieser Studie feststellte, gab es „a number of situations in which States have adopted multilateral conventions in order to introduce common international rules and standards and thereby harmonise a network of bilateral treaties, for example, in the area of extradition“106.

In dieser OECD-Studie wurde zudem die Möglichkeit diskutiert, ein multilaterales Abkommen zur Änderung der unzähligen bestehenden bilateralen Steuerabkommen zu verabschieden, womit eine ähnliche Vorgehensweise gemeint ist, wie sie im CETA-Investitionsschutzabkommen vorgenommen werden soll. Die Studie wird von einem Anhang A begleitet, der die Arbeit einer aus Vertragsrechtsexperten zusammengesetzten Arbeitsgruppe widerspiegelt und wertvolle 105  OECD, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing 2015, online abrufbar unter: https://read.oecd-ilibrary.org/taxation/developing-a-multilate ral-instrument-to-modify-bilateral-tax-treaties-action-15-2015-final-report_978926424 1688-en#page1 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 106  OECD, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report, S.  31, Rn.  14.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Einblicke in vertragsrechtliche Fragen bietet, die für das Verständnis der vertragsrechtlichen Beziehung des CETA- Investitionsschutzkapitels zu bestehenden internationalen Investitionsschutzabkommen hilfreich sind.107 Aufgrund der Regelung in Art.  8.23 (6) CETA108, ist das CETA mit seinem Investitionsschutzkapitel als ein aufeinander folgendes Abkommen über denselben Gegenstand („successive treaty“) im Verhältnis zu den bestehenden und insbesondere nach Art.  8.23 (2) CETA anzuwendenden Völkerrechtsabkommen zu qualifizieren, das zu den Regelungen der dort aufgelisteten Verträge zusätzliche, neue Vorschriften und Verpflichtungen schafft. Es ist nicht als Änderung bestehender Verträge zu verstehen, zum Beispiel als eine Änderung von Regelungen des ICSID-Übereinkommens.109 Hinsichtlich der vertragsrechtlichen Beziehung des CETA-Investitionsschutzkapitels zu bestehenden internationalen Investitionsschutzabkommen ist daher Art.  30 WVK mit seinen kodifizierten völkerge107 

OECD, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report, S.  29 ff. 108  Im Vergleich: Art.  8.23 (6) CETA regelt: „The rules applicable under paragraph 2 are those that are in effect on the date that the claim or claims are submitted to the Tribunal under this Section, subject to the specific rules set out in this Section and supplemented by rules adopted pursuant to Article 8.44.3(b)“ (Kursivierung hinzugefügt). Auch andere multilaterale Abkommen modifizieren die Bestimmungen bereits bestehender (bilateraler oder anderer) Verträge nur so weit, wie diese von den Bestimmungen der multilateralen Übereinkunft abweichen oder mit ihnen nicht vereinbar sind. Es gibt verschiedene Schwellenwerte für die Anwendung dieser Vereinbarkeitsklauseln: In einigen Fällen reicht jede Abweichung aus („at variance“), während andere die Inkohärenz oder Unvereinbarkeit der Bestimmungen fordern. So regelt Art.  103 North American Free Trade Agreement (1994) – Relation to other agreements: „1. The Parties affirm their existing rights and obligations with respect to each other under the General Agreement on Tariffs and Trade and other agreements to which such Parties are party. 2. In the event of any inconsistency between this Agreement and such other agreements, this Agreement shall prevail to the extent of the inconsistency, except as otherwise provided in this Agreement“ (Kursivierung hinzugefügt). Und Art.  8 (3) European Convention on the Suppression of Terrorism (1977): „The provisions of all treaties and arrangements concerning mutual assistance in criminal matters applicable between Contracting States, including the European Convention on Mutual Assistance in Criminal Matters, are modified as between Contracting States to the ex­ tent that they are incompatible with this Convention“ (Kursivierung hinzugefügt). Wie die OECD in ihrer Studie aber auch feststellt, „[t]he practice is diverse and there is no standard compatibility clause. […] The level of precision and the extent of changes made to the bilateral treaties vary“, in: OECD, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report, S.  32, Rn.  23; Zudem würden Kompatibilitäts- oder Konfliktklauseln im Vertrag festgelegt „in several other cases in which the provisions of a multilateral instrument have superseded the provisions of an existing network of bilateral treaties, particularly when the subject matter is complex“, in: OECD, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report, S.  32, Rn.  20. 109  Für eine Änderung des ICSID-Übereinkommens wäre vielmehr das in Art.  65 und 66 ICSID Übrk. geregelte Verfahren einzuhalten.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

wohnheitsrechtlichen Regelungen heranzuziehen.110 Insoweit sind bei der Anwendung der Regelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels und unter Berücksichtigung von Art.  30 WVK zwei Situationen zu berücksichtigen. Soweit alle CETA-Vertragsparteien auch Vertragsparteien des früher geschlossenen Vertrags sind und die entsprechenden Vorschriften beider Verträge denselben Gegenstand111 regeln, ist nach Art.  30 (3) WVK und der dort geregelten Maxime des lex posterior derogat legi priori die Vorschrift des später geschlossenen Vertrags anzuwenden, also die entsprechende Vorschrift des CETAs. Frühere geschlossene Investitionsschutzabkommen zwischen den Vertragsparteien gelten daher nur noch insoweit, als dass ihre Bestimmungen mit denen des CETA-Investitionsschutzkapitels vereinbar sind.112 Dagegen regelt Art.  30 (4) (b) WVK: dass, wenn nicht alle Vertragsparteien des früheren Vertrags zu den Vertragsparteien des späteren Vertrags gehören, „so regelt zwischen einem Staat, der Vertragspartei beider Verträge ist, und einem Staat, der Vertragspartei nur eines der beiden Verträge ist, der Vertrag, dem beide Staaten als Vertragsparteien angehören, ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten.“

Diese Regelung spiegelt den Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt wider, wonach eine Vertragspartei nicht von einer Vereinbarung bzw. einem Abkommen betroffen sein kann, die andere Vertragsparteien mit Drittstaaten schließen.113 Das bedeutet, dass das CETA in der Regel für Nichtvertragsparteien res inter alios acta ist, wenn einige der Vertragsstaaten des früheren Investitionsschutzabkommens nicht Vertragspartei des CETAs sind. Das frühere abgeschlossene Investitionsschutzabkommen, das zwischen einem Staat, welcher Vertragspartei des CETAs ist, und einem anderen Staat, der nicht Vertragspartei des ­CETAs ist, gilt somit weiterhin mit seinem ursprünglichen Streitbeilegungsrahmen zwischen diesen Staaten und ihren Staatsangehörigen. Als Beispiel: Wenn ein bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und den USA besteht und nur Deutschland Vertragspartei des CETA ist, wird das entsprechende Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und 110 

Da das CETA nicht als Änderung bestehender Verträge zu betrachten ist, sind auch nicht die Änderungsbestimmungen jedes einzelnen bestehenden Vertrags und Teil IV der WVK anzuwenden bzw. zu berücksichtigen. 111  Siehe zu der Tatbestandsvoraussetzung „desselben Gegenstands“ in Art.  30 WVK ausführlich die Erläuterungen von Rösch, Intraeuropäisches Investitionsrecht, S.  79 ff. 112  Vgl. Art.  30 (3) WVK (Anwendung aufeinander folgender Verträge über denselben Gegenstand): „Sind alle Vertragsparteien eines früheren Vertrags zugleich Vertragsparteien eines späteren, ohne dass der frühere Vertrag beendet oder nach Artikel 59 suspendiert wird, so findet der frühere Vertrag nur insoweit Anwendung, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist.“ 113  Siehe auch Art.  34 WVK (Allgemeine Regel betreffend Drittstaaten): „Ein Vertrag begründet für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Deutschland von dem CETA-Übereinkommen nicht berührt. In ähnlicher Weise wird für das zwischen Kanada, Mexiko und den USA abgeschlossene NAFTA bzw. USMCA trotz des CETAs zwischen Kanada, Deutschland, Frankreich und Italien, der ursprüngliche multilaterale Rahmen des NAFTA bzw. USMCA in den gegenseitigen Beziehungen zwischen Kanada und den USA weiterhin gelten. Abgesehen von dem in Art.  30 WVK geregelten Völkergewohnheitsrecht ist zu beachten, dass es sich dabei um grundsätzliche Regelungen handelt.114 Mögliche Konflikte zwischen dem später vereinbarten CETA und den früher abgeschlossenen Investitionsschutzabkommen oder der früheren Schiedsordnung, werden durch die in Art.  8.23 (6) CETA geregelte, sogenannte Kompatibilitätsoder Konfliktklausel gelöst. Das erscheint im gegenwärtigen Kontext wesentlich, da das Hauptziel des CETA-Investitionsschutzkapitels auch darin besteht, das Verhältnis zwischen dem CETA und anderen Verträgen zu regeln, insbesondere die Regelungen der nach Art.  8.23 (2) CETA anzuwendenden Schiedsordnung dahingehend zu modifizieren, dass die CETA-Vertragsparteien mehr Kontrolle über das Streitbeilegungsverfahren innehaben. b) Die Durchsetzung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens sowie des New York Übereinkommens von 1958 Die zweite Frage, die bei der Anwendung der Vorschriften des CETA-Investitionsschutzkapitels geklärt werden muss, ergibt sich aus der Vollstreckung und Anerkennung endgültiger Urteilssprüche des CETA-Gerichts mithilfe der Regelungen des ICSID-Übereinkommens und des New York Übereinkommens. Denn gemäß des Art.  8.41 (4) CETA soll wie im Fall des Art.  54 (1) ICSID Übrk. die Vollstreckung eines Urteilsspruchs durch die am Ort der Vollstreckung geltenden Rechtsvorschriften für die Vollstreckung von Urteilen oder Schiedssprüchen vorgenommen werden, die zum Zeitpunkt des Vollstreckungsantrags in Kraft sind. Ferner sieht Art.  8.41 (5) CETA vor, dass Urteilssprüche als Schiedssprüche zur Regelung von aus einer Handelssache oder Transaktion im Sinne des Art. I New York Übereinkommens entstandenen Ansprüche gelten, so dass sie wie ein typischer Schiedsspruch nach dem New York Übereinkommen behandelt werden sollen. Das Bemerkenswerteste an den Regelungen im CETA zur Durchsetzung von Urteilssprüchen ist, dass die EU und Kanada die Regelungen des ICSID-Übereinkommens modifizieren wollen, indem sie in Art.  8.41 (6) CETA vorsehen, dass: 114 

Siehe hierzu Aust, Modern Treaty Law and Practice, S.  234 f.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

„[…] Wurde eine Klage nach Artikel 8.23 Absatz 2 Buchstabe a eingereicht, gilt ein nach diesem Abschnitt ergangener endgültiger Urteilsspruch als Schiedsspruch im Sinne des Abschnitts 6 des ICSID-Übereinkommens.“115

In diesem Sinne ist nach dem CETA ein Urteilsspruch endgültig, wenn entweder keine der Streitparteien einen Rechtsbehelf eingelegt hat oder ein Rechtsbehelf eingelegt wurde und das Verfahren vor der Rechtsbehelfsinstanz abgeschlossen wurde.116 Demnach besteht unter dem CETA die Möglichkeit, den endgültigen Urteilsspruch des CETA-Gerichts oder der Rechtsbehelfsinstanz vollstrecken zu lassen.117 Letzteres wäre aber grundsätzlich nicht mit Art.  53 ICSID Übrk. (Sec­ tion 6, Recognition and Enforcement of the Award) vereinbar, weil danach geregelt ist, dass der „[…] award shall be binding on the parties and shall not be subject to any appeal or to any other remedy except those provided for in this Convention.“ (Kursivierung hinzugefügt).

Demnach schließt Art.  53 ICSID Übrk. ausdrücklich jeden Rechtsbehelf mit Ausnahme des in Art.  52 ICSID Übrk. geregelten Aufhebungsverfahrens aus. Und darüber hinaus wird ebenfalls ausdrücklich die Überprüfung einer Entscheidung durch eine Rechtsbehelfsinstanz ausgeschlossen, wie sie in Art.  8.28 CETA geregelt ist. Die Regelung in Art.  8.28 CETA, dass gegen einen Urteilsspruch des CETA-Gerichts unter gleichzeitiger Anwendung der Regelungen des ICSIDÜber­einkommens ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann, steht somit in direktem Widerspruch zu Art.  53 ICSID Übrk, der im Gegensatz zu anderen Regeln des ICSID-Übereinkommens keiner abweichenden Vereinbarung durch die CETA-Vertrags­parteien bzw. die Streitparteien im konkreten Streitbeilegungsverfahren offen steht.118 Wie mit dem Problem der sich überschneidenden und konfligierenden Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Urteilssprüchen des CETA115  Zur Erinnerung: Die EU ist auch kein Vertragsstaat zum ICSID-Übereinkommen; Es ist daher unklar, ob diese Regelung nur auf die Situation abzielt, in der ein EU-Mitgliedstaat oder Kanada der Beklagte im Verfahren ist oder ob die EU beabsichtigt, Vertragspartei des ICSIDÜber­einkommens zu werden, was eine Änderung des ICSID-Übereinkommens selbst erfordern würde. 116  Vgl. Art.  8.41 (3) CETA. 117  Vgl. Art.  8.41 (3) CETA. 118 Siehe Schreuer, The ICSID-Convention, A Commentary, Art.  53, Rn.  29: „An appeals mechanism would be incompatible with Art.  53 in its present form. The wording, excluding any appeal or other remedy except those provided for in the Convention, is unequivocal. Other provisions of the Convention are open to variation by the parties by including the formula „except as the parties otherwise agree“ or similar wording. Examples are Arts. 26, 33, 35, 43, 44, 46, 47, 60, 61 and 63. Significantly, the general exclusive remedy rule of Art.  26 applies only „unless otherwise stated“ (see Art.  26, paras. 17–109). By contrast, Art.  53 does not contain such a formula. Therefore, the parties to the arbitration may not derogate from it.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Ge­richts nach dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA-Investitionsschutzkapitel umzugehen ist und inwieweit das New York Übereinkommen von 1958 zur Lösung dieses Problems beiträgt, soll im Folgenden dargestellt werden.119 aa) Die Vollstreckung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts erster Instanz (1) Nach dem ICSID-Übereinkommen Die Vollstreckung nach dem ICSID-Übereinkommen soll dadurch gesichert werden, dass nach Art.  8.25 (2) (a) CETA das Einverständnis des beklagten Gastgeberstaates zur Durchführung des Verfahrens gemäß Art.  8.25 (1) CETA sowie die Einreichung der Klage nach Art.  8.23 CETA durch den Investor die Voraussetzungen des Art.  25 (1) ICSID Übrk. erfüllen sollen.120 Sollten sich die Streitparteien auf die Anwendung der Regelungen des ICSIDÜber­einkommens geeinigt haben, würde auch eine Vollstreckung des endgül­ tigen Urteilsspruchs des CETA-Gerichts gemäß Art.  8.41 (6) CETA nach dem 6. Abschnitt des ICSID Übereinkommens erfolgen. Der Urteilsspruch ist dann gemäß Art.  54 ICSID Übrk. von den Vertragsstaaten des ICSID als bindend anzuerkennen und auf die Art und Weise zu vollstrecken, als handele es sich um ein rechtskräftiges Urteil ihrer innerstaatlichen Gerichte. Für die Anwendung des ICSID-Übereinkommens im Rahmen der Vollstreckung müssen daher alle Vertragsparteien des CETAs bzw. der Staat, in dem vollstreckt werden soll, auch Vertragsstaaten des ICSID-Übereinkommens sein. Sowohl Kanada als auch sämtliche Mitgliedstaaten der EU (bis auf Polen) sind Vertragsstaaten zum ICSID-Übereinkommen, so dass eine Vollstreckung eines endgültigen Urteilsspruchs des CETA-Gerichts erster Instanz zwischen diesen nach dem ICSID-Übereinkommen kein Problem darstellen sollte.121 Da Polen 119  Siehe auch bereits oben im 1. Kapitel zur Vollstreckung von Schiedssprüchen nach dem ICSID-Übereinkommen und dem New York Übereinkommen, unter 1. Kapitel B. II. 3. d) aa) und bb). 120  Art.  8.25 CETA: „(1) Der Beklagte stimmt einer Beilegung der Streitigkeit durch das Gericht nach dem in diesem Abschnitt beschriebenen Verfahren zu. (2) Die Zustimmung nach Absatz 1 und die Einreichung einer Klage beim Gericht nach diesem Abschnitt erfüllen die Anforderungen a) des Artikels 25 des ICSID-Übereinkommens und von Anhang C Kapitel II der ICSID-Regeln über die Zusatzeinrichtung hinsichtlich der schriftlichen Zustimmung der Streitparteien und b) des Artikels II des New Yorker Übereinkommens hinsichtlich einer schriftlichen Vereinbarung.“ 121  Siehe die Datenbank des ICSIDs zu den Vertragsstaaten des ICSID-Übereinkommens, online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Pages/about/Member-States.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

nicht Vertragspartei des ICSIDs ist, können die Regelungen des ICSID-Übereinkommens nicht in einem Verfahren mit Polen verwendet werden. Deshalb könnte der jeweilige kanadische oder polnische Investor in einem Streitfall mit Polen als Beklagte bzw. Kanada als Beklagte aber andere Verfahrensregeln verwenden und eine Vollstreckung in dem jeweiligen Staat nach dem New York Übereinkommen anstreben.122 Bei der EU sieht es dabei ähnlich aus, da sie als supranationale Organisation keine Vertragspartei zum ICSID-Übereinkommen darstellt und derzeit weder faktisch noch formell dazu in der Lage ist, nach Art.  67 ICSID Übrk. eine solche zu werden.123 Auch eine Änderung des ICSID-Übereinkommens dahingehend, dass die EU dem Abkommen beitreten kann, ist eher unwahrscheinlich. Alle 162 ICSID-Vertragsstaaten müssten einer Änderung zustimmen. Es wundert daher nicht, dass das Übereinkommen seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1966 noch nie geändert wurde.124 Ein kanadischer Investor hat daher auch nicht die Möglichkeit, einen endgültigen Urteilsspruch des CETA-Gerichts erster Instanz gegen die EU nach dem ICSID-Übereinkommen zu vollstrecken. Allerdings besteht für ihn die Möglichkeit, in einem Verfahren gegen einen EU-Mitgliedstaat (ausgenommen Polen) die Regelungen des ICSID-Übereinkommens zu verwenden und dementsprechend auch eine Vollstreckung eines endgültigen Urteilsspruchs des CETA-Gerichts erster Instanz nach den Regeln des ICSID-Übereinkommens anzustrengen. (2) Nach dem New York Übereinkommen von 1958 Die Vollstreckung nach dem New York Übereinkommen von 1958 soll dadurch gesichert werden, dass nach Art.  8.25 (2) (b) CETA das Einverständnis des beklagten Gastgeberstaates zur Durchführung des Verfahrens gemäß Art.  8.25 (1) CETA und die Einreichung der Klage nach Art.  8.23 CETA durch den Investor als „schriftliche Vereinbarung“ im Sinne des Art. II (1) New York Übereinkommens gelten soll. Zudem sieht Art.  8.41 (5) CETA vor, dass endgültige Urteilssprüche des CETA-Gerichts als Schiedssprüche zur Regelung von aus einer Handelssache oder Transaktion im Sinne des Art. I New York Übereinkommens entstandenen Ansprüchen gelten sollen. Demnach sollen sie wie ein typischer Schiedsspruch nach dem New York Übereinkommen behandelt werden und das 122  Auch

die Verwendung der ICSID Additional Facility Rules wäre möglich. ICSID Übrk: „Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten der Bank zur Unterzeichnung auf.“ Siehe hierzu auch ausführlich Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  241 ff. 124  ICSID-Secretariat, Discussion Paper on Possible Improvements of the Framework for ICSID Arbitration, (22.10.2004), Rn.  3. 123  Art.  67

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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New York Übereinkommen findet dementsprechend für die Vollstreckung bestimmter Urteilssprüche des CETA-Gerichts Anwendung. Die Vertragsparteien des CETA haben nach Art.  8.23 (2) (c) CETA auch die Möglichkeit der Anwendung der UNCITRAL-Schiedsordnung vereinbart. Für die Anwendung der UNCITRAL-Schiedsordnung ist es auch nicht notwendig, dass die EU (oder Kanada oder ein Mitgliedstaat der EU) Mitglied der Organisation UNCITRAL ist.125 Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass die UNCITRAL keine (internationale) Organisation ist, sondern ein Unterorgan der UN-Generalversammlung darstellt.126 Es ist auch nicht notwendig, Mitglied der UNCITRAL zu sein, um die UNCITRAL-Schiedsordnung verwenden zu können.127 Es ist ausreichend, dass die Verfahrensparteien die Anwendung der UNCITRALSchieds­ordnung vereinbaren.128 Die Vollstreckung eines endgültigen Urteilsspruchs des CETA-Gerichts mit der Anwendung der UNCITRAL-Schiedsordnung (oder anderen vereinbarten Verfahrensregeln) richtet sich dann nach dem New York Übereinkommen. Hier sind Kanada und sämtliche Mitgliedstaaten der EU Vertragsstaaten zum New York Übereinkommen.129 Die EU ist aber auch insoweit keine Vertragspartei zum New York Übereinkommen und kann zur Zeit auch formell oder faktisch dem New York Übereinkommen nicht beitreten (außer man würde das Übereinkommen ändern).130 Allerdings ist ein Beitritt der EU zum New York Übereinkommen nicht erforderlich, solange alle Mitgliedstaaten Vertragsstaaten des Abkommens sind und endgültige Urteilssprüche gegen die EU nach Art. III New York Übereinkommen anerkennen und in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet vollstrecken. Auch durch die Aufnahme des Art.  8.41 (5) CETA, wonach der endgültige Urteilsspruch als Schiedsspruch zur Regelung von Handelssachen im Sinne des Art. I New York Übereinkommen gilt, ist die Vollstreckung auch in Staaten sichergestellt, die einen Vorbehalt erklärt haben, dass eine Anwendung des New York Übereinkommens nur auf solche Fälle „which are considered as commer-

125 

Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  247. Zumbansen/Panezi, United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL), in: Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Bd.  10: Treaties, Provisional application to Zones of Peace, S.  288, Rn.  1. 127  Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  247. 128 Vgl. Bischoff, Just a little bit of „Mixity“? The EU’s Role in the Field of International Investment Protection Law, in: CMLR, Bd.  48 (5) (2011), S.  1527, 1567. 129  Siehe die Datenbank über die Mitgliedstaaten zum New York Übereinkommen, online abrufbar unter: http://www.newyorkconvention.org/countries (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 130 Siehe hierzu ausführlich Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  248 f. 126 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

cial under the national law of the State making such declaration“ eingeschränkt wird.131 Allerdings wirft das CETA eine andere Reihe von Fragen auf. Wie oben bereits erläutert, weicht das CETA in vielerlei Hinsicht von der üblichen Schiedspraxis ab. Gemeint ist damit unter anderem die Einrichtung des CETA-Gerichts als „ständige[s] Gericht“132, das Fehlen der unmittelbaren Einflussnahme der Parteien auf die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums (mittelbar jedoch durch die CETA-Vertragsparteien) und der Bezeichnung dieser Spruchkörper als „Gerichte“ – zumindest in der deutschen Version des CETA-Vertragstextes.133 Es ist daher fraglich, ob die im neuen Streitbeilegungsmodell des CETAs in Art.  8.41 CETA geregelten „endgültigen Urteilssprüche“ tatsächlich auch als „Schiedssprüche“ im Sinne des New York Übereinkommens zu begreifen sind.134 Obwohl das New York Übereinkommen keine Definition zum „Schiedsspruch“ enthält, definiert Art. I (2) New York Übereinkommen den Begriff „Schiedssprüche“ so:

131  Art.  8.41 (5) New York Übereinkommen: „Ein nach diesem Abschnitt ergangener endgültiger Urteilsspruch gilt als Schiedsspruch zur Regelung von aus einer Handelssache oder Transaktion im Sinne des Artikels 1 des New Yorker Übereinkommens entstandenen Ansprüchen.“ Art. I (3) New York Übereinkommen: „When signing, ratifying or acceding to this Convention, or notifying extension under article X hereof, any State may on the basis of reciprocity declare that it will apply the Convention to the recognition and enforcement of awards made only in the territory of another Contracting State. It may also declare that it will apply the Convention only to differences arising out of legal relationships, whether contractual or not, which are considered as commercial under the national law of the State making such declaration.“ 132  Europäische Kommission, CETA-Vertragstext, COM (2016) 444 final, 2016/0206 (NLE), 05.07.2017, unter: Begründung, 5. Weitere Angaben, Investitionsschutz und Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. 133  Nach der englischen Version des CETA-Vertragstextes werden nicht die Begriffe des „Gerichts“ und „Urteilsspruch“ verwendet, sondern „Tribunal“ und „Award“. Vgl. Art.  8.27 CETA und Art.  8.41 CETA. 134  Siehe zu dieser Fragestellung auch Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), online abrufbar unter: file:///Users/robert/Downloads/SSRN-id2945881%20 (2).pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Kaufmann-Kohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  54–59; Pauls­ son, Revisiting the Idea of ISDS Within the EU and an Arbitration Court: The Effect on Party Autonomy as the Main Pillar of Arbitration and the Enforceability of Arbitral Awards, in: Kluwer Arbitration Blog, (21.05.2018), online abrufbar: http://arbitrationblog.kluwerarbitration. com/2018/05/21/revisiting-idea-isds-within-eu-arbitration-court-effect-party-autonomymain-pillar-arbitration-enforceability-arbitral-awards/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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„Unter ‚Schiedssprüchen‘ sind nicht nur Schiedssprüche von Schiedsrichtern, die für eine bestimmte Sache bestellt worden sind, sondern auch solche eines ständigen Schiedsgerichts, dem sich die Parteien unterworfen haben, zu verstehen.“135

Solche ständigen Schiedsgerichte können Gerichte umfassen, in denen alle Mitglieder des Gerichts von den Gastgeberstaaten der ausländischen Investoren ernannt werden.136 So wirft beispielsweise die Tatsache, dass alle Mitglieder („Richter“) des Iran-U.S. Claims Tribunal – ein durch internationales Abkommen eingesetztes ständiges Tribunal – vom Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika ernannt wurden, keine Probleme in Bezug auf die Vollstreckung seiner Urteile nach dem New York Übereinkommen auf.137 Ebenso wurde festgestellt, dass das New York Übereinkommen auf Schiedssprüche der Schiedsgerichte der Handelskammern in den Comecon-Staaten138 Anwendung findet, in denen die Schiedsrichter ausschließlich aus einer von den (staatlich kontrollierten) Handelskammern im Voraus erstellten Liste ausgewählt werden konnten, die sich ausschließlich aus Angehörigen des jeweiligen Staates zusammensetzte. Unabhängig von der im CETA verwendeten Nomenklatur und trotz der Methode über die Auswahl der Mitglieder des CETA-Gerichts bzw. der Rechtsbehelfsinstanz, scheint es daher für die Vollstreckung von endgültigen Urteilssprüchen nach dem 135  „The term ‚arbitral awards‘ shall include not only awards made by arbitrators appointed for each case but also those made by permanent arbitral bodies to which the parties have submitted.“ 136  Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  34. 137  Siehe hierzu Ministry of Defense of Islamic Republic of Iran vs Gould Inc., 887 F.2d 1357 (9th Cir. 1989), cert. denied, 110 S. Ct. 1319 (1990); Vgl. Auch Iran Aircraft Industries vs Avco Corp., 980 F.2d 141 (2d Cir. 1992):Verweigerung der Vollstreckung nach Art. V(1)(b) New York Übereinkommen. Die Kernfrage, die sich im Zusammenhang mit der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen des Iran-U.S. Claims Tribunal stellte, betraf die Frage, ob es eine gültige Schiedsvereinbarung nach der damals geltenden niederländischen Zivilprozessordnung gab. Siehe hierzu Stewart, The Iran-United State Claims Tribunal: A Review of Developments 1983–1984, in: LPIB, Bd.  16 (1984) S.  677, 750 f. (der die niederländische Zivilprozessordnung zitiert (Dutch Code of Civil Procedure, Book III, Title 1, Sec. 1–5, Arts. 620–57 [1838]); Siehe auch Dallal vs Bank Mellat, 1 Q.B. S.  441, 455 (1985), hier wurde die Anwendung des New York Übereinkommens mit der Begründung verweigert, dass es keine gültige Schiedsvereinbarung nach niederländischem Recht gab. Der Schiedsspruch wurde aber dennoch aus anderen Gründen anerkannt; Am Ende wurden die niederländischen Gerichte leider nie aufgefordert, das Problem endgültig zu lösen, siehe dazu Caron, The Nature of the Iran-United States Claims Tribunal and the Evolving Structure of International Dispute Resolution, in: AJIL, Bd.  84 (1990) S.  104, 143 ff. 138  Comecon (Das Council for Mutual Economic Assistance) war eine wirtschaftlich ausgerichtete Organisation unter der Führung der Sowjetunion, die von 1949 bis 1991 bestand und welche die Länder des Ostblocks sowie eine Reihe sozialistischer Staaten anderswo auf der Welt umfasste. Siehe hierzu van Meerhaeghe, International Economic Institutions, S.  206–223.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

New York Übereinkommen darauf anzukommen, dass sich die Streitparteien darauf geeinigt haben, ihre Streitigkeiten vor dem jeweiligen (Schieds-)Gericht („Tribunal“) beizulegen.139 Daher sollte das Streitbeilegungsmodell nach dem CETA mit der Heranziehung des New York Übereinkommens zur Vollstreckung der endgültigen Urteilssprüche keine Anwendbarkeitsprobleme in Bezug auf das New York Übereinkommen nach sich ziehen.140 Schließlich ist noch zu erwähnen, dass im CETA keine Regelung aufgenommen wurde, die wie im EU-Vietnam TIA oder dem vorgeschlagenen Vertragstext zum TTIP einen Ausschluss von jeder nationalen gerichtlichen Überprüfung isoliert und eine Überprüfung nach Art. V New York Übereinkommen ausschließen würde.141 Damit wird ein endgültiger Urteilsspruch im Sinne des CETAs immer noch von den nationalen Gerichten nach Art. V New York Übereinkommen und den dort aufgeführten Gründen zur Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen überprüfbar sein. Zusammenfassend sind daher endgültige Urteilssprüche des CETA-Gerichts erster Instanz nach dem New York Übereinkommen gegen Kanada, die EU oder Mitgliedstaaten der EU vollstreckbar, solange sich die Streitparteien auf die Anwendung (zumindest) der UNCITRAL-Schiedsordnung gemäß Art.  8.23 (2) (c) CETA geeinigt haben.142 139  Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  35; Siehe hierzu auch Born, International Commercial Arbitration, Bd.  I, S.  250–252. 140 So Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  35; KaufmannKohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  54–59; Reinisch, Will the EU’s Proposal Concerning an Investment Court System for CETA and TTIP Lead to Enforceable Awards? – The Limits of Modifying the ICSID Convention and the Nature of Investment Arbitration, in: JIEL, Bd.  19 (2016), S.  761, 782 f. 141  Siehe Art.  3.57 (1) und (2) EU-Vietnam TIA: „(1) Final awards issued pursuant to this Section: (a) shall be binding between the disputing parties and in respect of that particular case; and (b) shall not be subject to appeal, review, set aside, annulment or any other remedy. (2) Each Party shall recognize an award rendered pursuant to this Agreement as binding and enforce the pecuniary obligation within its territory as if it were a final judgement of a court in that Party.“ Auch Art.  30 (1) TTIP Proposal enthält eine ähnliche Regelung. Siehe zu der damit einhergehenden Problematik zur Anwendung des New York Übereinkommens Calamita, The (In) Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  35 ff. 142  Auch bei anderen anwendbaren Verfahrensregelungen gemäß Art.  8.23 (2) (d) CETA sollten grundsätzlich keine Hindernisse bei der Vollstreckung von endgültigen Urteilssprüchen

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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bb) Die Vollstreckung von Urteilssprüchen der Rechtsbehelfsinstanz des CETA-Gerichts (1) Nach dem ICSID-Übereinkommen Die Hindernisse, die mit der Vollstreckung eines durch die CETA-Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilsspruchs nach den Regelungen des ICSIDÜber­einkommens bestehen, liegen in dem Wortlaut und dem Zweck des ICSIDÜber­einkommens. Mit dem ICSID-Übereinkommen sollte ein in sich geschlossenes System in Bezug auf die Überprüfung von Schiedssprüchen geschaffen werden, die im Rahmen des ICSID-Übereinkommens erlassen wurden.143 Das bedeutet, dass keine Überprüfung der ICSID-Schiedssprüche außerhalb des Streitbeilegungsmodells zulässig sein soll, was nicht selbst nach dem ICSIDÜber­einkommen zulässig wäre. Dieser Telos ist in Art.  54 ICSID Übrk. geregelt, der die Vollstreckung von Schiedssprüchen unter der Anwendung des ICSIDÜber­einkommens erleichtert und Verpflichtungen gegenüber dem am Streitverfahren beteiligten Gastgeberstaat und allen anderen Vertragsparteien des ICSIDÜber­einkommens regelt: „[Art.  54 ICSID Übrk.] (1) Each Contracting State shall recognize an award rendered pursuant to this Convention as binding and enforce the pecuniary obligations imposed by that award within its territories as if it were a final judgment of a court in that State. A Contracting State with a federal constitution may enforce such an award in or through its federal courts and may provide that such courts shall treat the award as if it were a final judgment of the courts of a constituent state.“

Auch Art.  53 (1) ICSID Übrk. unterstreicht das in sich geschlossene Streitbeilegungssystem: „The award shall be binding on the parties and shall not be subject to any appeal or to any other remedy except those provided for in this Convention.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Die Regelung in Art.  53 (1) ICSID Übrk. wirft daher die Fragen auf, – ob und wie die Parteien im Rahmen des CETAs ein Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren unter der nach Art.  8.23 (2) (a) CETA vereinbarten Anwendung der Regeln des ICSID-Übereinkommens führen können, – dabei die Anwendung des Art.  53 ICSID Übrk. ausschließen, – eine Entscheidung der CETA-Rechtsbehelfsinstanz erwirken und nach dem New York Übereinkommen in dem jeweiligen Vertragsstaat zum New York Übereinkommen entstehen. 143  Siehe hierzu Broches, Awards Rendered Pursuant to the ICSID Convention: Binding Force, Finality, Recognition, Enforcement, Execution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  2 (2) (1987), 287, 288; Siehe auch 1. Kapitel B. II. 3. d).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

– gleichzeitig sicherstellen wollen, dass der endgültige Urteilsspruch der Rechtsbehelfsinstanz international für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung durch einen Vertragsstaat zum ICSID-Übereinkommen nach Art.  54 ICSID Übrk. als „Schiedsspruch“ des ICSID-Übereinkommens behandelt wird.144 Denn alleine Art.  8.41 (6) CETA impliziert vom Wortlaut her, dass die Vertragsparteien die Absicht verfolgen, dass die vom CETA-Gericht und der Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Schiedssprüche so zu behandeln sind, als wären sie von einem ICSID-Schiedsgericht erlassen worden.145 Allerdings sieht sich jeder Versuch, ein Rechtsbehelfsverfahren mit der Anwendung der Regelungen des ICSID-Übereinkommens zu vereinbaren, wie es die CETA-Vertragsparteien mit Art.  8.23 und 8.28 CETA versuchen, dem eindeutigen Wortlaut des Art.  53 (1) ICSID Übrk. gegenüber. Art.  53 (1) ICSID Übrk. regelt: „The award shall be binding on the parties and shall not be subject to any appeal or to any other remedy except those provided for in this Convention“

– ein Berufungsverfahren für die Streitparteien wird demnach ausdrücklich ausge-schlossen. Im ICSID-Kommentar von Schreuer steht zu Art.  53 ICSID Übrk., „[t]he Convention provides for its own self-contained system of review of awards. The idea that this review system should be exclusive was expressed repeatedly in the course of the Convention’s drafting.“146

Schreuer sieht den Wortlaut von Art.  53 ICSID Übrk. demnach sehr eng und ist der Ansicht, dass ein Rechtsbehelfsverfahren, wie in Art.  8.28 CETA, unter gleichzeitiger Anwendung der Regelungen des ICSID-Übereinkommens nicht zulässig ist, selbst wenn die Streitparteien für ihr jeweiliges Verfahren ein besonderes Rechtsbehelfsverfahren vereinbaren wollen: „Art.  53 is not open to modification by the parties. Therefore, the parties may not agree on appeals procedures beyond those provided by the Convention.“147

Natürlich kann das ICSID-Übereinkommen geändert werden. Eine solche Änderung ist aber, wie bereits oben bei der Vollstreckung eines durch das CETA-Ge144  Siehe hierzu Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  19 ff. 145  Art.  8.41 (6) CETA: „Zur Klarstellung: Wurde eine Klage nach Artikel 8.23 Absatz 2 Buchstabe a eingereicht, gilt ein nach diesem Abschnitt ergangener endgültiger Urteilsspruch als Schiedsspruch im Sinne des Kapitels IVAbschnitt 6 des ICSID-Übereinkommens.“ 146  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  53, Rn.  18. 147  Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  53, Rn.  19.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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richt erster Instanz erlassenen endgültigen Urteilsspruchs nach dem ICSID-Übereinkommen, sehr unwahrscheinlich.148 Als Alternative kommt eine Änderung des ICSID-Übereinkommens durch die Vertragsparteien des CETAs inter se in Betracht. Die Änderungen zum ICSIDÜber­einkommen würden nur zwischen den Vertragsparteien des CETAs gelten. Mit den Mitgliedstaaten der EU und Kanada würden auch direkt eine große Anzahl an Staaten für eine Änderung des ICSID-Übereinkommens inter se vorliegen. Dadurch könnten die Vertragsparteien des CETAs als zwischenstaatliche Änderung sowohl die Vermeidung der Anwendung des Verbots des Art.  53 ­ICSID Übrk. hinsichtlich des Rechtsbehelfsverfahrens nach Art.  8.28 CETA als auch die erleichterte Vollstreckung der von der Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilssprüche nach Art.  54 ICSID Übrk. erwirken.149 Für diese Alternative einer wesentlichen Änderung der Regelungen im ICSID-Übereinkommen, die nicht direkt eine Änderung des Übereinkommens an sich erforderlich macht, kann auf den Vorschlag des ICSID-Sekretariats zur Einführung der ICSID Ap­ peals Facility Rules verwiesen werden. In diesem Vorschlag sollte eine zweite Instanz in Investor-Staat-Schiedsverfahren unter dem Streitbeilegungsmodell des ICSID-Übereinkommens errichtet werden.150 Und obwohl eine solche Änderung eigentlich dem Wortlaut des Art.  53 ICSID Übrk. widerspricht, wäre eine solche Verfahrensregelung ausreichend, da die Anrufung der Rechtsbehelfsinstanz immer über eine Regelung im völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen erfolgen würde.151 Das ICSID-Übereinkommen würde dadurch nach Art.  41 (1) (b) WVK im Verhältnis zwischen den Parteien (inter se) des Investitionsschutzabkommens modifiziert werden.152 Eine Bestimmung in ergänzenden völkerrechtlichen Übereinkommen, die eine Änderung der Regelungen des ICSIDÜber­einkommens nur gegenüber einigen Vertragsparteien (oder den Beitritt in148 

Siehe oben, unter D. III. 8. a). Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  20. 150  ICSID, Annex to the Discussion Paper of the ICSID Secretariat, Possible Improvements of the Framework for the ICSID Arbitration, (22.10.2004), Rn.  1 f., online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Documents/resources/Possible%20Improvements%20of%20 the%20Framework%20of%20ICSID%20Arbitration.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 151  ICSID, Annex to the Discussion Paper of the ICSID Secretariat, Possible Improvements of the Framework for the ICSID Arbitration, (22.10.2004), Rn.  2; Kritisch zu einer solchen Argumentation Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  20 ff.; 152  ICSID, Annex to the Discussion Paper of the ICSID Secretariat, Possible Improvements of the Framework for the ICSID Arbitration, (22.10.2004), Rn.  2; Kritisch zu einer solchen Argumentation Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  20 ff.; 149 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

ternationaler Organisationen wie der EU) nach Art.  41 (1) (b) WVK erlauben würde, widerspricht aber dem eindeutigen Wortlaut des ICSID-Übereinkommens und würde auch die Regelungen über das Vertragsänderungsverfahren des ICSID-Übereinkommens in unzulässiger Weise umgehen.153 Aus diesem Grund hat sich der damalige Vorschlag des ICSID-Sekretariats zur Einführung der ­ICSID Appeals Facility Rules auch nicht durchgesetzt.154 Insoweit kann das CETA grundsätzlich die Regelungen des ICSID-Übereinkommens auf die von der Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilssprüche nur verwenden, wenn eine allgemeingültige Änderung des ICSID-Übereinkommens erwirkt wird.155 Bis dahin sind endgültige Urteilssprüche der CETA-Rechts­behelfsinstanz nicht unter der Anwendung der Regelungen des Abschnitts 6 des ICSID-Übereinkommens vollstreckbar. (2) Nach dem New York Übereinkommen In Anbetracht des Umstandes, dass die endgültigen Urteilssprüche nach dem CETA-Ge­ richt erster Instanz und ebenso nach der Rechtsbehelfsinstanz als „Schiedssprüche“ im Sinne des New York Übereinkommens zu qualifizieren sind, gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass diese unter der Anwendung des New York Übereinkommens vollstreckt werden können.156 Einigen sich die 153 Vgl.

Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  6, Rn.  11; Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  20 ff. 154 Vgl. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  6, Rn.  11; Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  20 ff.; Dagegen wird im Rahmen einer Reform des Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit über die Etablierung einer Rechtsbehelfsinstanz diskutiert. Siehe hierzu Paulsson, UNCITRAL Working Group III: Reforms in the Realm of Investor-State Disputes – UNCITRAL’s Proposals for an Appellate Mechanism and its Impact on Duration and Cost in: Kluwer Arbitration Blog (26.03.2020), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/03/26/uncitral-workinggroup-iii-reforms-in-the-realm-of-investor-state-disputes-uncitrals-proposals-for-an-appellatemechanism-and-its-impact-on-duration-and-cost/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 155 So auch Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  245. Siehe für den Fall, dass man annehmen würde, dass eine inter se Modifikation des ICSID-Über­einkommens möglich wäre, eine weiterführende Auseinandersetzung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit der von der CETA-Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilssprüche nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  23 ff. 156 Vgl. Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  250 f.; Siehe auch Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  33.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Streitparteien darauf, einen (auf Völkerrechtsebene) vertraglich geregelten Rechtsbehelfsmechanismus im Sinne eines Berufungsmechanismus in ihr Streitbeilegungsverfahren aufzunehmen, scheint es kein Problem in Bezug auf die Anwendung des New York Übereinkommens auf entstehende Schiedssprüche bzw. Urteilssprüche im Sinne des CETAs zu geben.157 Interne institutionelle Rechtsbehelfe wurden bei der Ausarbeitung des New York Übereinkommens ausdrücklich angesprochen und das Übereinkommen wurde zur Vollstreckung von Schiedssprüchen angewandt, die im Rahmen solcher zweistufigen Schiedsverfahren erlassen wurden.158 cc) Zwischenergebnis Um die Anerkennung und Vollstreckung eines endgültigen Urteilsspruchs des CETA-Gerichts in der internationalen Gemeinschaft zu gewährleisten, stützt sich das CETA auf die Regelungen des ICSID-Übereinkommens sowie die Regelungen des New York Übereinkommens von 1958. In diesem Sinne finden bei der Anerkennung und Vollstreckung sogenannter endgültiger Urteilssprüche des CETA-Ge­richts aufgrund der vertragsrechtlichen Beziehung der CETA-Investitionsschutzvorschriften und der Regelungen des ICSID-Übereinkommens sowie des New York Übereinkommens von 1958 die Regelungen der jeweiligen Verträge nach Auffassung des Autors wie folgt Anwendung: Sollte eine Streitpartei in einem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren unter dem CETA den Urteilsspruch des CETA-Gerichts gemäß Art.  8.42 (2) CETA nicht anerkennen und diesem nicht unverzüglich nachkommen, können bei einer Vollstreckung des endgültigen Urteilsspruchs die Regelungen des ICSID-Übereinkommens zur Vollstreckung von durch das CETA-Gericht oder der Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilssprüchen grundsätzlich nicht bei Streitbeilegungsverfahren mit der EU als Beklagte angewendet werden, weil diese nicht Vertragspartei des ICSID-Übereinkommens ist. Dennoch können kanadische Investoren gegen die Mitgliedstaaten der EU (ausgenommen Polen) endgültige Urteilssprüche des CETA-Gerichts erster Instanz unter Anwendung der entsprechenden Regelungen des ICSID-Übereinkommens vollstrecken. Auch andersherum können Investoren aus EU-Mitgliedstaaten endgültige Ur157 Siehe

Born, International Commercial Arbitrations, Bd.  II, S.  2823, der die Zusammenfassung der Aufzeichnungen der siebzehnten Sitzung der Konferenz der Vereinten Nationen, United Nations Conference on International Commercial Arbitration, U.N. Doc. E/CONF.26/ SR.17, 3 (1958), zitiert. 158 Siehe Born, International Commercial Arbitrations, Bd.  II, S.  2823, der die Zusammenfassung der Aufzeichnungen der 17. Sitzung der Konferenz der Vereinten Nationen, United Nations Conference on International Commercial Arbitration, U.N. Doc. E/CONF.26/SR.17, 3 (1958), zitiert.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

teilssprüche gegen Kanada nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens vollstrecken. Endgültige Urteilssprüche, die von der CETA-Rechtsbehelfsinstanz erlassen wurden, sind dagegen nicht nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens vollstreckbar, weil dies gegen den ausdrücklichen Wortlaut des Art.  53 ICSID Übrk. verstößt und auch keine inter se Modifikation des ICSID-Übereinkommens durch das CETA nach Art.  41 (1) (b) WVK möglich ist, da dadurch die Regelungen über das Vertragsänderungsverfahren des ICSID-Übereinkommens in unzulässiger Weise umgangen würden.159 Bei der Vollstreckung der vom CETA-Gericht erster Instanz und von der Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilssprüche unter der Anwendung der Regelungen des New York Übereinkommens sowie unter der Anwendung der UNCITRAL-Schiedsordnung bestehen keine Bedenken. Dafür muss die EU auch nicht selbst Mitglied des New York Übereinkommens werden. Es ist ausreichend, dass die Mitgliedstaaten der EU Vertragsstaaten zum New York Übereinkommen sind. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die nationalen Gerichte des Staates, in dem der endgültige Urteilsspruch vollstreckt werden soll, eine Überprüfung des Urteilsspruchs nach Art. V New York Übereinkommen vornehmen können. Eine Regelung, um die Vollstreckung der endgültigen Urteilssprüche des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz wie nach Art.  54 ICSID Übrk. zu vollstrecken, ist nach dem CETA nicht möglich. Hierfür wäre eine zusätzliche Regelung mit einem ähnlichen Wortlaut im CETA nötig gewesen, wie: „Endgültige Urteilssprüche des Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz sind von den nationalen Vollstreckungsgerichten wie rechtskräftige inländische Urteile zu behandeln.“160

Stattdessen ist nach Art.  8.41 (4) CETA geregelt: 159 Vgl.

Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  6, Rn.  11; Calamita, The (In)Compatibility of Appellate Mechanisms with Existing Instruments of the Investment Treaty Regime, in: JWIT, Bd.  18 (Forthcoming) (2017), S.  20 ff. Siehe hierzu auch Kaufmann-Koh­ ler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  58: „Finally, consistent with the principle that an inter se modification remains res inter alios acta for the other parties, it appears that those other parties would not be bound to apply the special enforcement regime under Article 54 of the ICSID Convention to awards subject to appeal or decisions of the AM [= Appeal Mechanism = CETA-Rechtsbe­helfs­ instanz]. They would however be in a situation similar to that of non-ICSID contracting parties in respect of an ICSID award. Consequently, they would have to enforce the ICSID decision in accordance with the NYC.“ 160 Vgl. hierzu Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht, S.  251.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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„Die Vollstreckung des Urteilsspruchs unterliegt den am Vollstreckungsort geltenden Rechtsvorschriften für die Vollstreckung von Urteilen oder Schiedssprüchen.“

dd) Exkurs: Die Durchsetzung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts in praxi Genau wie in Art.  53 (1) ICSID Übrk. erklärt das CETA in Art.  8.41 (1) CETA, dass die Urteilssprüche für die streitenden Parteien verbindlich sind.161 Zusätzlich müssen die Streitparteien nach Art.  8.42 (2) CETA den Urteilsspruch anerkennen und ihm unverzüglich nachkommen.162 Sollte eine Streitpartei dem Urteilsspruch nicht nachkommen, unterliegt die Vollstreckung des Urteilsspruchs den am Vollstreckungsort geltenden Rechtsvorschriften für die Vollstreckung von Urteilen oder Schiedssprüchen.163 Bei Verfahren unter den ICSID-Regeln über die Zusatzregelungen, UNCITRAL-Schiedsordnung oder anderen Regeln ist dem Antrag auf Anerkennung eines Urteilsspruchs beim nationalen Gericht nach Art.  8.41 (5) CETA i. V. m. Art. IV (1) New York Übereinkommen eine beglaubigte Urschrift des Urteilsspruchs oder eine beglaubigte Abschrift des Urteilsspruchs und ein Beweis im Sinne des Art. II (1) New York Übereinkommens dafür vorzulegen, dass sich beide Parteien dem CETA-Gericht unterworfen haben. Für einen solchen Beweis sollte die Klageschrift und der Bezug auf Art.  8.25 CETA genügen. Zusätzlich dürfen nach Art.  8.41 (3) (a) CETA keine Anträge auf Wiederaufnahmeverfahren oder die Aufhebung des Urteilsspruchs vorliegen. Bei Verfahren unter dem ICSID-Übereinkommen ist dem Antrag auf Anerkennung eines Urteilsspruchs beim nationalen Gericht nach Art.  8.41 (6) CETA i. V. m. Art.  54 (2) ICSID eine beglaubigte Abschrift des Urteilsspruchs vorzulegen. Dazu dürfen nach Art.  8.41 (3) (b) CETA keine Anträge auf ein Wiederaufnahme-, Nichtigerklärungs- oder Aufhebungsverfahren vorliegen. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Vertragsparteien einen Urteilsspruch des CETAs anerkennen werden, dennoch besteht immer die Möglichkeit einer Verweigerung der Anerkennung durch eine der Streitparteien.164 Diesbezüglich 161  Art.  8.41 (1) CETA: „Ein nach diesem Abschnitt verkündeter Urteilsspruch ist für die Streitparteien und für den betreffenden Fall bindend.“ Art.  53 (1) ICSID: „Der Schiedsspruch ist für die Partei bindend und unterliegt keiner Berufung und auch keinen anderen Rechtsmitteln als denen, die in diesem Übereinkommen vorgesehen sind.“ 162  Art.  8.41 (2) CETA: „Vorbehaltlich des Absatzes 3 erkennen die Streitparteien den Urteilsspruch an und kommen ihm unverzüglich nach.“ 163  Vgl.  Art. 8.41 (4) CETA. 164  Für die EU-Mitgliedstaaten siehe Happ/Bischoff, Role and Responsibility of the European Union under the Energy Charter Treaty, in: Coop (Hrsg.), Energy Dispute Resolution, Investment Protection, Transit and the Energy Charter Treaty, S.  155. 182; Für die EU vgl. Euro­ päische Kommission, KOM (2012), 335 endgültig, S.  8;

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

sieht das CETA vor, dass eine streitige Partei die Vollstreckung eines endgültigen Urteilsspruchs nach Ablauf der in Art.  8.41 (3) CETA geregelten Fristen beantragen kann. Die Regelungen in Art.  8.41 (3) CETA sind allerdings nur als Übergangsregelungen gedacht. Sobald die administrativen und organisatorischen Angelegenheiten hinsichtlich der Rechtsbehelfsinstanz nach Art.  8.28 (7) CETA geregelt sind, finden die Regelungen in Art.  8.41 (3) CETA gemäß Art.  8.28 (9) (e) CETA keine Anwendung mehr. Danach bleiben in Artikel 8.41 CETA nur noch die Regelungen über die Verbindlichkeit der Urteilssprüche, die Einhaltung des Urteilsspruchs und die Regelungen für die Anwendung des ICSID-Übereinkommens und des New York Übereinkommens. 2. Die Verfahrensregeln des CETA-Investitionsschutzkapitels Im Anschluss an die Darstellung der vertraglichen Beziehung der CETA-Investitionsschutzvorschriften zu den Regelungen der Verträge, auf welche das CETAInvestitions­schutzkapitel verweist, werden im Folgenden die sich daraus ergebenden und vom CETA-Gericht anzuwendenden Verfahrensregelungen erörtert, die im Vergleich zum Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit im Ergebnis tatsächlich zu mehr Rechtsstaatlichkeit im Streitbeilegungsverfahren führen werden. Die Verfahrensregeln des CETA-Gerichts bestimmen sich nach Art.  8.23 CETA. Dort ist zunächst geregelt, dass ein Investor eines Vertragsstaates gemäß Art.  8.23 (1) CETA eine Klage bei dem CETA-Gericht einreichen kann, wenn eine Streitigkeit nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Ersuchen auf Konsultationen beigelegt wurde. Die anwendbaren Verfahrensregeln für das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren unter dem CETA sind nach Art.  8.23 (6) CETA die gemäß Art.  8.23 (2) CETA von den Streitparteien gewählten und anzuwendenden Regeln, „die jeweils zu dem Zeitpunkt in Kraft waren, als die Klage beziehungsweise die Klagen nach diesem Abschnitt [F, Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten] beim Gericht eingereicht wurden, vorbehaltlich der in diesem Abschnitt [F, Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten] festgelegten spezifischen Regeln und ergänzt durch nach Artikel 8.44 Absatz 3 Buchstabe b festgelegte Regeln.“

Demnach setzen sich die Verfahrensregeln im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht zum einen aus den nach Art.  8.23 (2) CETA vereinbarten und anzuwendenden Regeln, also je nach Wahl des ausländischen Investors aus den Regeln „a) des ICSID-Übereinkommens und der ICSID-Schiedsordnung, b) der ICSID-Regeln über die Zusatzeinrichtung, sofern die Voraussetzungen für Verfahren nach Buchstabe a nicht erfüllt sind,

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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c) der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung oder d) etwaiger sonstiger von den Streitparteien einvernehmlich festgelegter Regeln“,

und zum anderen aus den spezifischen Regeln des CETAs (Kapitel 8, Abschnitt F, Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) zusammen. Insofern ist das neue Streitbeilegungsmodell des CETAs im Wesentlichen eine Mischung aus neuen institutionellen Elementen, die auf die verschiedenen bestehenden Schiedsregeln aufgebaut werden, indem seit langem etablierte Schiedsordnungen, wie die des ICSID-Übereinkommens oder die UNCITRALSchieds­ordnung, von den Parteien im Rahmen ihrer Parteiautonomie angewandt werden sollen (a.), die aber gleichzeitig durch das CETA-Investitionsschutzkapitel gemäß Art.  8.23 (6) CETA radikal modifiziert und ergänzt werden und dadurch die Parteiautonomie im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit nicht unerheblich einschränken (b.). a) Die von den Parteien im Rahmen ihrer Parteiautonomie gewählten und anzuwendenden Verfahrensregeln Der ausländische Investor hat als Kläger nach Art.  8.23 (2) CETA im Rahmen der Parteiautonomie die Wahl, seine Klage auf der Grundlage der Verfahrensregelungen des ICSID-Übereinkommens und der ICSID-Schiedsordnung, der ICSIDRegeln über die Zusatzeinrichtung, der UNCITRAL-Schiedsordnung oder etwaiger sonstiger von den Streitparteien einvernehmlich festgelegter Regeln einzureichen. Das CETA gewährt dem ausländischen Investor damit die Möglichkeit, eine bestimmte Rechtsordnung für das Streitbeilegungsverfahren zu fixieren, was zur Befreiung von zwingenden Bestimmungen führt, die ohne diese Wahl für den Investor gelten würden. Er kann demnach unter dem CETA durch die Wahl der Schiedsordnung einen gewissen Rechtsrahmen wählen und insbesondere auch Einfluss auf die im Verfahren von den Parteien und dem CETA-Gericht anzuwendenden Regelungen ausüben. Nicht abwählbar sind hingegen die zwingend zu berücksichtigenden und anzuwendenden Vorschriften des CETA-Investitionsschutzkapitels, so dass die Parteiautonomie durch das CETA nicht unerheblich eingeschränkt wird. Unabhängig davon sollte bei der Wahl der Verfahrensregeln nach Art.  8.23 (2) CETA beachtet werden, dass die EU als supranationale Organisation keine Vertragspartei zum ICSID-Übereinkommen ist und derzeit auch nicht in der Lage ist, nach Art.  67 ICSID Übrk. eine solche zu werden.165 Folglich steht die Einrei165  Art.  67 ICSID Übrk: „This Convention shall be open for signature on behalf of States members of the Bank. It shall also be open for signature on behalf of any other State which is a party to the Statute of the International Court of Justice and which the Administrative Council, by a vote of two-thirds of its members, shall have invited to sign the Convention“. Die EU

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

chung einer Klage nach Art.  8.23 (2) CETA auf der Grundlage des ICSID-Übereinkommens für einen Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates gegen Kanada ohne vertragsrechtliche Probleme zur Verfügung, ebenso wie jede Klage eines kanadischen Staatsangehörigen gegen einen EU-Mitgliedstaat.166 Es ist aber fraglich, ob die Verfasser des CETAs auch die Intention hatten, die Klage eines kanadischen Investors gegen die EU auf der Grundlage der ICSID-Regeln zu ermöglichen. Dies wäre derzeit rechtlich gesehen nach Art.  25 ICSID Übrk. nicht möglich.167 Dennoch gibt es mögliche Gründe, nicht auf diese vertragsrechtliche Kollision im CETA bzw. in Art.  8.23 (2) CETA bei der möglichen Wahl des ICSID-Übereinkommens sowie der ICSID-Schiedsordnung hinzuweisen. Es besteht dahingehend die Möglichkeit einer künftigen Änderung des ICSID-Übereinkommens, dass die EU als supranationale Organisation Vertragspartei werden kann. Außerdem wurde durch die Aufnahme des ICSID-Übereinkommens und der im CETA vorgenommenen Änderungen mancher Regelungen des ICSID-Übereinkommens eine Debatte darüber angestoßen, wie die EU als Vertragspartei des ICSIDÜber­einkommens behandelt werden könnte und wie das ICSID als Institution in ein zukünftiges System der Investor-Staat-Streitbeilegung im Rahmen einer Multilateralisierung des Gerichtskonzepts nach dem CETA integriert werden kann.168

ist kein Staat als solcher und kann deswegen auch nicht Vertragspartei zum ICSID-Übereinkommen werden. 166  Siehe für eine Liste der ICSID-Vertragsstaaten online unter: https://icsid.worldbank.org/ en/Documents/icsiddocs/List%20of%20Contracting%20States%20and%20Other%20Signato ries%20of%20the%20Convention%20-%20Latest.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 167  Art.  25 (1) ICSID Übrk.: „Die Zuständigkeit des Zentrums erstreckt sich auf alle unmittelbar mit einer Investition zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Ver­ tragsstaat (oder einer von diesem abhängigen Gebietskörperschaft oder Stelle, die er dem Zentrum benennt) einerseits und einem Angehörigen eines anderen Vertragsstaats andererseits, wenn die Parteien schriftlich eingewilligt haben, die Streitigkeiten dem Zentrum zu unterbreiten. Haben die Parteien ihre Zustimmung erteilt, so kann keine von ihnen sie einseitig zurücknehmen.“ (Kursivierung hinzugefügt). Die EU ist kein Vertragsstaat des ICSID-Übereinkommens. 168  Siehe hierzu die Homepage des ICSID zur Verfolgung der aktuellen Reformvorschläge und -bemühungen des ICSID, online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Siehe auch Kaufmann-Kohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent Investment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  1 ff.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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b) Die zwingend anzuwendenden Verfahrensregelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels als Rahmenregelungen für die parteigewählten Regelungen In dem Zusammenspiel der von den Parteien gewählten anwendbaren Verfahrensregeln nach Art.  8.23 (2) CETA bilden die nicht abwählbaren und zwingenden Verfahrensregeln des CETA-Investitionsschutzkapitels eine sogenannte Rahmenregelung. Sie überlagern die parteigewählten Verfahrensregeln im Falle von Überschneidungen und teilweise konfligierenden Regelungen gemäß Art.  8.23 (6) CETA und sind daher vorrangig vom CETA-Gericht anzuwenden. Im Vergleich zur herkömmlichen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit verfügt das CETA-Investitionsschutzabkommen über verschiedene verfahrenstechnische Neuerungen, die den Eindruck erwecken, als wollten die CETA-Vertragsparteien eine ganze Reihe an kritisierten Aspekten des Standardmodells der Kritik entsprechend umsetzen. Neben der Regelung einer Verfahrensfrist von 24 Monaten zur zeitnahen Verfahrensdurchführung ab Klageeinreichung (aa.), die Möglichkeit zur Berücksichtigung von amicus curiae, um unbeteiligten Personen zu gestatten, zu wichtigen Fragen eines Rechtsstreits Stellung zu nehmen (bb.), das die unterlegene Partei die Kosten zahlt (cc.) und die Möglichkeit einer Mediation für eine kostengünstige und einvernehmliche Streitbeilegung (dd.), sind insbesondere die Öffentlichkeit des Verfahrens durch ein zwingendes Transparenzsystem (ee.), die zügige Abweisungsmöglichkeit des CETA-Gerichts von zweifelhaften oder sogar missbräuchlichen Klagen (ff.), die Offenlegungspflicht von Prozessfinanzierung durch Dritte zur Vermeidung widerstreitender Interessen in der Person der Streitparteien oder CETA-Gerichtsmitglieder (gg.) und die Verbindung mehrerer Verfahren zur Vermeidung von widersprüchlichen Entscheidungen in Parallelverfahren zu nennen (hh.), die (überwiegend) im Ergebnis unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips und der Berücksichtigung der berechtigten Kritik an den strukturellen Merkmalen des Status Quo eine Errungenschaft in der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung darstellen. Schließlich aber nicht unerheblich ist noch zu berücksichtigen, dass den CETAVertrags­parteien vorbehalten bleibt, die Verfahrensregeln des CETA-Investitionsschutzkapitels zu ergänzen oder zu ändern, wodurch sie sich die Kontrolle über die anwendbaren Verfahrensregeln sichern (ii.). aa) Eine Verfahrensfrist von 24 Monaten zur zeitnahen Verfahrensdurchführung Ein Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETA-Gerichts soll insgesamt nur zwei Jahre dauern. Diese nach Art.  8.39 (7) CETA von der jeweiligen CETAGe­richtskammer einzuhaltende Frist gilt ab dem Tag der Einreichung der Klage im Sinne des Art.  8.23 (1) CETA bis zur Erteilung eines endgültigen Urteils-

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

spruchs im Sinne des Art.  8.39 (1) CETA.169 Die 24-Monatsfrist kann allerdings auch nach Art.  8.39 (7) CETA von der zuständigen CETA-Gerichtskammer nach entsprechender Information gegenüber den Streitparteien und einer Begründung für die Verzögerung verlängert werden. Allerdings schweigt der Vertragstext des CETAs darüber, welche rechtlichen Folgen eintreten, wenn einerseits keine Gründe für die Verzögerung des Verfahrens vom Gericht angegeben werden oder andererseits eine Verlängerung des Verfahrens von der entsprechenden CETAGe­richtskammer nicht innerhalb der 24-Monatsfrist vorgenommen wird. Eine solche Lücke in einem ansonsten detaillierten Wortlaut des CETA-Vertragstextes in Kapitel 8, Abschnitt F, wirft die Frage auf, ob ein Versäumnis der CETA-Gerichtskammer, den Urteilsspruch im Sinne des Art.  8.39 (7) CETA innerhalb von 24 Monaten zu erlassen, den Urteilsspruch beispielsweise nach Art.  8.28 (2) (c) CETA i. V. m. Art.  52 (1) (e) ICSID Übrk. wegen Missachtung von Verfahrensfehlern anfechtbar machen könnte. Unter praktischen Gesichtspunkten stellt die 24-Monatsfrist tatsächlich auch eine sehr kurze Zeit dar, um einen endgültigen Urteilsspruch auf der gesamten Fakten- und Rechtslage der jeweiligen Investor-Staat-Streitigkeit zu erlassen. Die Einhaltung der 24-Monatsfrist erscheint besonders unrealistisch, wenn man die Erfahrungen der letzten 30 Jahre in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit berücksichtigt.170 Selbst die Europäische Kommission räumte ein, dass die durchschnittliche Dauer eines Schiedsverfahrens aufgrund bestehender Investitionsschutzverträge drei bis vier Jahre beträgt.171 Auch das ICSID-Zentrum berichtet, dass die durchschnittliche Dauer eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens vom Tag der Konstituierung des Schiedsgerichts bis zum Schiedsspruch durchschnittlich drei Jahre und drei Monate betrage.172 Schließlich werden die strikten 169  Art.  8.39

(7) CETA: „Das Gericht und die Streitparteien unternehmen alle Anstrengungen, um eine zeitnahe Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens zu gewährleisten. Das Gericht verkündet seinen endgültigen Urteilsspruch innerhalb von 24 Monaten nach dem Tag der Klageeinreichung nach Artikel 8.23. Benötigt das Gericht mehr Zeit, um seinen endgültigen Urteilsspruch zu verkünden, teilt es den Streitparteien die Gründe für die Verzögerung mit.“ 170  Hinsichtlich der durchschnittlichen Dauer eines Schiedsverfahrens siehe online: http:// www.allenovery.com/publications/en-gb/Pages/Investment-Treaty-Arbitration-cost-durationand-size-of-claims-all-show-steady-increase.aspx (Zuletzt aufgerufen am 30.08.2018), die von einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von drei Jahren und acht Monaten ausgehen; Siehe auch Delaume, ICSID Arbitration Proceedings, in: Berkeley J. of Int’l L. (1986), S.  218, 222, der zu seiner Zeit bereits von einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von zweieinhalb Jahren ausging. Demnach ist die Tendenz steigend. 171  Europäische Kommission, Fact Sheet: Why the New EU Proposal for an Investment Court System in TTIP is Beneficial to Both States and Investors (12.11.2015), online abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-6060_en.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 172  Durchschnittlich 39 Monate: ICSID, Annual Report 2015, S.  31, online abrufbar unter:

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Verfahrensfristen zur Entscheidungsfindung auch bei der WTO und unter Kapitel 19 NAFTA routinemäßig überzogen.173 Hinzu kommt die zunehmende Detailgenauigkeit, mit der die materiellen Investitionsschutzvorschriften und die Verfahrensordnung im 8. Kapitel des ­CETAs ausgearbeitet wurden sowie die neu geschaffene Möglichkeit, den Urteilsspruch der ersten Instanz durch die Rechtsbehelfsinstanz überprüfen zu lassen. Wird während des Verfahrens von einer der streitenden Parteien eine Verlängerung von einzuhaltenden Fristen beantragt oder von sich aus angeordnet, so wird das Verfahren noch weiter verzögert. Die Vorbereitung von zwei Schriftsätzen, Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten sowie die Beantragung von Dokumenten, ganz zu schweigen von der Zeit, in der die zuständige CETAGe­richtskammer die Beweismittel und die Schriftsätze der Parteien für die Formulierung des Urteilsspruchs benötigt, wird den Fall mit ziemlicher Sicherheit über die in Art.  8.39 (7) CETA vorgesehene Verfahrensfrist von 24 Monaten hinauszögern. Abgesehen davon hat das CETA-Gericht aber auch das Potenzial, aufgrund der ständigen Verfügbarkeit der Mitglieder des Gerichts Anhörungen und Beratungen während des Verfahrens schneller und einfacher durchzuführen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber ICSID-Schiedsverfahren, in denen die geschäftigen Schiedsrichter oft Schwierigkeiten haben, gegenseitig günstige Zeiten für Anhörungen und Beratungen zu finden, wodurch Schiedsverfahren oft unnötig in die Länge gezogen werden.174 Auch das neue Verfahren für die Zusammensetzung der zuständigen CETA-Gerichtskammer durch den Präsidenten des CETA-Gerichts nach Art.  8.27 (7) CETA sollte im Vergleich zum Verfahren für die Zusammensetzung des ICSID-Schiedsgerichts durch Parteiernennung nach Art.  37 ­ICSID Übrk. Zeit sparen. https://icsid.worldbank.org/en/Pages/resources/ICSID-Annual-Report.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Der ICSID Annual Report von 2016, 2017 und 2018 stellt keine aktualisierte Zahl zur Verfügung. 173  Siehe hierzu Steger, Establishment of a Dispute Settlement Tribunal in the WTO, in: Trade and Development Symposion, ICTSD (2012), online abrufbar unter: http://ssrn.com/ab stract=2065448 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Macrory, Chapters 19 and 20 NAFTA: An Overview and Analysis of NAFTA Dispute Settlement, in: Kennedy (Hrsg.), The First Decade of NAFTA: The Future of Free Trade in North America, S.  473. 174  Siehe hierzu Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration, S.  87; Das Problem hinsichtlich der unnötig langen Zeit, die es oft in Schiedsverfahren bis zum Schiedsspruch benötigt, war auch bereits für die ICC Commision on Arbitration so wichtig, dass diese darüber einen Bericht veröffentlicht hat. Siehe Wolrich/Newmark/Mazza, ICC Report on Techniques for Controlling Time and Costs in Arbitration, online abrufbar unter: https://cdn. iccwbo.org/content/uploads/sites/3/2018/03/icc-arbitration-commission-report-on-techniquesfor-controlling-time-and-costs-in-arbitration-english-version.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Insgesamt bleibt aber abzuwarten, ob die neuen Ansätze des CETAs in der Lage sein werden, die Dauer von Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren um die Hälfte oder mehr zu verkürzen. bb) Die Möglichkeit des CETA-Gerichts durch amicus curiae unbeteiligten Personen zu gestatten, zu wichtigen Fragen im Rechtsstreit Stellung zu nehmen Das CETA hat keine explizite Regelung zur Behandlung von amicus curiae im Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht. Allerdings sind nach Art.  8.36 (1) CETA die UNCITRAL-Transparenzregeln auf das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren anzuwenden. Insoweit besteht nach Art.  4 UNCITRAL-Transparenzregeln unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, dass sich Dritte durch das Einbringen von Schriftstücken an einem Verfahren beteiligen dürfen, indem diesen durch sogenannte amicus curiae vom CETA-Gericht gestattet wird, zu wichtigen Fragen eines anhängigen Streitverfahrens Stellung zu nehmen. Art.  4 (1) UNCITRAL-Transparenzregeln besagt: „After consultation with the disputing parties, the arbitral tribunal may allow a person that is not a disputing party, and not a non-disputing Party to the treaty („third person[s]“), to file a written submission with the arbitral tribunal regarding a matter within the scope of the dispute.“

Die weiteren Anforderungen an die Einreichung eines amicus curiae Schriftstückes finden sich in Art.  4 (2) bis (6) UNCITRAL-Transparenzregeln. Die amicus curiae Vertretung scheint nach dem CETA demnach nur nach Ermessen der CETA-Gerichtskammermitglieder und nur in dem von den Kammermitgliedern genehmigten Umfang und auf die von ihnen genehmigte Weise möglich zu sein.175 Es besteht damit kein Recht einer interessierten dritten Partei auf die Teilnahme am Verfahren, obwohl sie direkt vom Ausgang des Falles betroffen sein könnte. Damit kann auch das CETA-Gericht Entscheidungen treffen, die Dritte betreffen, ohne diese vorher anzuhören.176

175 

Van Harten, The European Commission and UNCTAD Reform Agendas – Do They Ensure Independence, Openness, and Fairness in Investor-State Arbitration, in: Hindelang/Krajewski (Hrsg.), Shifting Paradigms in International Investment Law – More Balanced, Less Isolated, Increasingly Diversified, S.  128, 139. 176 Vgl. Van Harten, The European Commission and UNCTAD Reform Agendas – Do They Ensure Independence, Openness, and Fairness in Investor-State Arbitration, in: Hindelang/Krajewski (Hrsg.), Shifting Paradigms in International Investment Law – More Balanced, Less Isolated, Increasingly Diversified, S.  128, 140.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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cc) Die unterlegene Partei trägt gemäß dem cost follow the event-Grundsatz die Kosten des Verfahrens Art.  8.39 (5) CETA regelt, wie das Gericht die Kosten des Verfahrens aufzuteilen hat, und wendet das Prinzip „die Kostenentscheidung folgt dem Ereignis“ („cost follow the event“) an, so dass alle angemessenen Kosten (einschließlich Anwaltskosten) von der unterlegenen Partei getragen werden sollen.177 Nur in sogenannten Ausnahmefällen kann das CETA-Gericht nach Art.  8.39 (5) CETA die Kosten des Verfahrens zwischen den streitenden Parteien aufteilen („cost sharing“), wenn es feststellt, dass die Kostenaufteilung unter den Umständen der Klage bzw. der Sachlage des Falles angemessen ist.178 Wurde den Klagen nur in Teilen stattgegeben, so werden nach Art.  8.39 (5) CETA die Kosten proportional nach Zahl oder Umfang der erfolgreichen Teile der Klagen festgesetzt. Dies stellt im Vergleich zum ICSID-Übereinkommen ebenfalls eine wesentliche Änderung dar. Dort ist nicht eindeutig geregelt, wer die Kosten des Verfahrens trägt.179 Durch seine Regelung in Art.  8.39 (5) CETA scheint das CETA insgesamt seine Investor-Staat-Streitbeilegung vor allem für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv machen zu wollen, da diesen ermöglicht wird, quasi „umsonst“ Zugang zum Recht zu bekommen, wenn es sich bei den Maßnahmen des beklagten Gastgeberstaates um offenkundig unrechtmäßige Maßnahmen handelt.180 Auf der anderen Seite muss ein Staat bei einer erfolgreichen Verteidigung keine Verfahrenskosten tragen. Für Staaten bietet Art.  8.39 (5) CETA deswegen ebenfalls einen Vorteil, da ein beklagter Gastgeberstaat zum Beispiel bei der Investor-Staat-Streit177  Art.  8.39

(5) CETA: „Das Gericht ordnet an, dass die Kosten des Verfahrens von der unterliegenden Streitpartei zu tragen sind. In Ausnahmefällen kann das Gericht die Kosten zwischen den Streitparteien aufteilen, wenn es dies nach der Sachlage des Falls für angemessen erachtet. Andere vertretbare Kosten, einschließlich der Kosten für Rechtsvertretung und Rechtsbeistand, sind von der unterliegenden Streitpartei zu tragen, es sei denn, das Gericht erachtet eine solche Kostenaufteilung nach der Sachlage des Falls für nicht angemessen. Wurde den Klagen nur in Teilen stattgegeben, so werden die Kosten proportional nach Zahl oder Umfang der erfolgreichen Teile der Klagen festgesetzt.“ 178  Siehe hierzu auch Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal, Bd.  24 (2015), S.  11, 24. 179  Art.  61 (2) ICSID Übrk.: „In the case of arbitration proceedings the Tribunal shall, except as the parties otherwise agree, assess the expenses incurred by the parties in connection with the proceedings, and shall decide how and by whom those expenses, the fees and expenses of the members of the Tribunal and the charges for the use of the facilities of the Centre shall be paid. Such decision shall form part of the award.“ 180  Diesbezüglich ist auch der Gemischte CETA-Ausschuss nach Art.  8.39 (6) CETA dazu befugt, ergänzende Regelungen zur Verringerung der finanziellen Belastung von solchen Klägern, die natürliche Personen oder kleine und mittlere Unternehmen sind, unter Berücksichtigung der finanziellen Ressourcen dieser Kläger sowie der Höhe des geforderten Schadensersatzes in das CETA einzuführen.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

beilegung nach dem ICSID-Übereinkommen, in dem es keine eindeutigen Regeln zur Kostenverteilung gibt, oft auch dann seine Verfahrenskosten tragen muss, wenn er sich erfolgreich verteidigt hat.181 dd) Die Möglichkeit einer Mediation zur Förderung einer kostengünstigen und einvernehmlichen Streitbeilegung Das CETA enthält in Art.  8.20 CETA spezifische Bestimmungen zur Mediation, womit kostengünstige, einvernehmliche Lösungen gefördert werden können. Dabei berührt die Inanspruchnahme der Mediation gemäß Art.  8.20 (2) CETA nicht die rechtliche Stellung der Streitparteien nach dem Investitionskapitel des CETA. Die Mediation soll nach den von den Streitparteien vereinbarten Regeln erfolgen, einschließlich der vom Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen festgelegten Mediationsregeln nach Art.  8.44 (3) (c) CETA, sofern diese zum Zeitpunkt der Mediation vorhanden sind. Nach Art.  8.20 (4) CETA sollen sich die Parteien innerhalb von 60 Tagen nach der Bestellung des Mediators darum „bemühen“, zu einer Lösung bei ihrem Streit zu gelangen. Es ist nicht geregelt, was nach dem Ablauf der 60 Tage passieren soll und keine Lösung gefunden wurde. Allerdings kann wohl implizit davon ausgegangen werden, dass die Mediation dann als gescheitert gilt. Es ist auch nicht ersichtlich, ob die Parteien die Frist verlängern können, was bei komplexen Streitigkeiten vielleicht sehr hilfreich wäre.182 Allerdings können die Parteien nach Art.  8.20 (1) CETA „jederzeit vereinbaren, eine Mediation in Anspruch zu nehmen.“ Demnach könnten die Streitparteien nach Ablauf der 60 Tagesfrist eine neue Mediation vereinbaren und nach der formalen Bestellung des Mediators quasi die Frist um weitere 60 Tage verlängern. ee) Die Öffentlichkeit des Verfahrens durch ein zwingendes Transparenzsystem Art.  8.36 (1) CETA regelt: „Im Zusammenhang mit Verfahren nach diesem Abschnitt gelten die UNCITRAL-Transparenzregeln mit den in diesem Kapitel vorgesehenen Änderungen.“

Dadurch ist das CETA das erste völkerrechtliche Abkommen, das in seine Regelungen zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten ausdrücklich eine verbindliche modifizierte Fassung der UNCITRAL-Transparenzregeln aufgenom181  Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), S.  7. 182  So wird die 60-Tagesfrist zur Lösung von komplexen Investitionsstreitigkeiten als zu kurz eingestuft: Siehe Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal, Bd.  24 (2015), S. S.  11, 18.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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men hat. Die Öffentlichkeit des Verfahrens kann nach Art.  8.36 (1) CETA weder vom CETA-Gericht noch von den streitenden Parteien aufgehoben werden.183 Demnach hat die EU die Idee der UNCITRAL umgesetzt und erweitert. Die UNCITRAL wollte mit ihren Transparenzregeln einen Standard für die Öffentlichkeit und Transparenz von Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren durch ein Regelwerk prozessualer Vorschriften schaffen184, die im Falle ihrer Anwendbarkeit für ein klares und zwingendes Transparenzsystem sorgen würden.185 Die strikten Transparenzbestimmungen in Art.  8.36 CETA können durchaus als eines der Markenzeichen des neuen EU-geführten Konzepts für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten bezeichnet werden. Sie sind ein Beispiel für Regelungen, welche die verfahrensrechtlichen und in einigen Fällen materiellen Aspekte von Klagen harmonisieren sollen, unabhängig von der Wahl des Klägers hinsichtlich der anzuwendenden Schiedsregeln. Das zeigt sich insbesondere in den Bestimmungen zur Öffentlichkeit des Verfahrens und den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des jeweiligen Verfahrens gemäß Art.  8.36 (3) und (5) CETA. Außerdem verlangt Art.  8.36 (2) CETA, dass die folgenden Dokumente (teilweise bereits vor Klageerhebung) veröffentlicht werden, so dass das CETA sogar bei der Offenlegungspflicht noch weitergeht als die UNCITRAL-Transparenzregeln: – Das Ersuchen auf Konsultationen, – das Ersuchen um Feststellung des Beklagten und die Mitteilung über die Feststellung des Beklagten (für Klagen, welche die EU oder einen Mitgliedstaat betreffen), – die Mediationsvereinbarung, – die Bekanntmachung der Absicht, ein Mitglied des CETA-Gerichts abzulehnen und die Entscheidung über die Ablehnung eines Mittglieds des CETA-Gerichts, – der Antrag auf die Verbindung mehrerer Verfahren und

183  Art.  8.36 (1) CETA: „Im Zusammenhang mit Verfahren nach diesem Abschnitt gelten die UNCITRAL-Transparenzregeln mit den in diesem Kapitel vorgesehenen Änderungen.“ 184  UNCITRAL, Working Group II, 53rd Session, 04.–08.10.2010, A/CN9.712, Rn.  25. 185  UNCITRAL, Working Group II, 54rd Session, 07.–11.02.2011, A/CN.9/717, Rn.  26 und 58. Siehe ausführlich zu den UNCITRAL-Transparenzregeln: Johnson/Bernasconi-Osterwal­ der, New UNCITRAL Arbitration Rules on Transparency: Application, Content and Next Steps, online abrufbar unter: http://ccsi.columbia.edu/files/2014/04/UNCITRAL_Rules_on_ Transparency_commentary_FINAL.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Wolf/Eslami, Die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Arbitration, in: Geimer/Kaissis/ Thümmel (Hrsg.), FS Schütze, 2015, S.  747 ff.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

– nach Art.  8.36 (3) CETA, alle Anlagen als Schriftstücke (wie z. B. Zeugenaussagen oder Sachverständigengutachten).186 Das CETA sieht weiter in Art.  8.36 (4) CETA vor, dass die Dokumente, die öffentlich zugänglich gemacht werden sollen, durch Mitteilung an das in Art.  2 UNCITRAL-Transparenzregeln genannte „Repository“ (z. B. auch im Internet) öffentlich verfügbar sein sollen.187 Damit wird sogar ein höheres Maß an Transparenz geschaffen als in Gerichtsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Deutschland.188 Allerdings regelt Art.  8.36 (4) CETA eine Ausnahme zu der Veröffentlichungspflicht von bestimmten Dokumenten. Danach sind sensible Informationen (z. B. unternehmenseigene Informationen und Informationen, die nach den nationalen Gesetzen des Beklagten als vertraulich gelten) vor der Offenlegung zu schützen. Nach Art.  8.36 (5) CETA kann eine der Streitparteien keine Einwände gegen eine offene Verhandlung erheben – „Mündliche Verhandlungen sind öffentlich“189. Auch hier gibt es aber wieder eine Ausnahme. Art.  8.36 (5) CETA sieht nämlich zusätzlich vor, dass das CETA-Gericht nach eigenem Ermessen zu entscheiden hat, ob vertrauliche Informationen geschützt werden müssen, und dafür 186 

Siehe hierzu auch Art.  3 (1) und (2) UNCITRAL-Transparenzregeln: „(1) Subject to article 7, the following documents shall be made available to the public: the notice of arbitration, the response to the notice of arbitration, the statement of claim, the statement of defense and any further written statements or written submissions by any disputing party; a table listing all exhibits to the aforesaid documents and to expert reports and witness statements, if such table has been prepared for the proceedings, but not the exhibits themselves; any written submissions by the non-disputing Party (or Parties) to the treaty and by third persons, transcripts of hearings, where available; and orders, decisions and awards of the arbitral tribunal. (2) Subject to article 7, expert reports and witness statements, exclusive of the exhibits thereto, shall be made available to the public, upon request by any person to the arbitral tribunal.“ 187  Art.  8.36 (4) CETA: „Ungeachtet des Artikels 2 der UNCITRAL-Transparenzregeln machen Kanada beziehungsweise die Europäische Union vor der Einsetzung des Gerichts relevante Schriftstücke, wie sie in Absatz 2 aufgeführt sind, zeitnah der Öffentlichkeit zugänglich, wobei vertrauliche oder geschützte Informationen zu schwärzen sind. Entsprechende Schriftstücke können durch Übermittlung an den Verwahrer öffentlich zugänglich gemacht werden.“ 188  Siehe hierzu Rath, Transparenz ist kein Selbstzweck, in: LTO (28.09.2015), online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ferdinand-kirchhof-bundesverfassungs gericht-transparenz/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 189  Art.  8.36 (5) CETA: „Mündliche Verhandlungen sind öffentlich. Das Gericht trifft im Benehmen mit den Streitparteien geeignete logistische Vorkehrungen, um den öffentlichen Zugang zu diesen Verhandlungen zu erleichtern. Stellt das Gericht fest, dass es vertrauliche oder geschützte Informationen zu schützen gilt, so trifft es geeignete Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass die Teile der Verhandlungen, bei denen ein entsprechender Schutz erforderlich ist, nichtöffentlich geführt werden.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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bei Bedarf geeignete Vorkehrungen zu treffen hat, um den Teil der Anhörung, der einen solchen Schutz erfordert, privat bzw. unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Schließlich legt Art.  8.36 (6) CETA fest, dass der Beklagte der Öffentlichkeit Informationen mitteilen darf, die er nach seinen nationalen Gesetzen öffentlich bekannt geben muss. Das soll dieser aber in einer Art und Weise tun, dass solche Informationen, die als vertrauliche oder geschützte Informationen eingestuft wurden, nicht veröffentlicht werden. Schließlich enthält das CETA mit Art.  8.37 CETA sogar einen eigenen Artikel über den Informationsaustausch zwischen den Streitparteien und dritten, nicht unbedingt an dem Investitionsstreitbeilegungsverfahren beteiligten Personen. Die Regelung in Art.  8.37 CETA führt eine neue (bisher nicht in einem bekannten völkerrechtlichen Abkommen formulierte) Verpflichtung zum Schutz von geschwärzten Dokumenten ein, wenn die Parteien diese im Zusammenhang mit dem Verfahren mit anderen Personen teilen wollen: Die Streitparteien dürfen gegenüber anderen Personen im Zusammenhang mit dem Verfahren (insbesondere Zeugen und Sachverständige) und/oder Beamten der EU, der Mitgliedstaaten der EU bzw. von Regierungen auf subnationaler Ebene (einer der Vertragsparteien) nur Dokumente in ungeschwärzter Form offenlegen, wenn sie dies im Zuge eines Verfahrens nach dem CETA für erforderlich erachten. Dabei muss die jeweilige Streitpartei aber sicherstellen, dass diese Personen, die in diesen Dokumenten enthaltenen vertraulichen oder geschützten Informationen vor der Öffentlichkeit schützen und vertraulich behandeln werden. Das ICSID-Übereinkommen hat im Vergleich nur sehr eingeschränkte Regelungen für den Zugang der Öffentlichkeit zu abgeschlossenen oder anhängigen Schiedsverfahren. Beispielsweise ist eine Veröffentlichung von Verfahrensdokumenten oder Schiedsurteilen an die Einwilligung der Parteien gebunden.190 Diesbezüglich sind daher auch die UNCITRAL-Transparenzregeln für ICSIDSchieds­verfahren nicht verbindlich und können nur aufgrund einer Vereinbarung der Streitparteien anwendbar sein. Allerdings sieht Reg. 23 Administrative and Financial Regulations vor, dass vom Generalsekretär des ICSID-Zentrums in einem Register jede Einleitung eines ICSID-Schiedsverfahrens zu protokollieren ist sowie der Verfahrensverlauf und die Personen des Schiedsgerichts zu dokumentieren und zu veröffentlichen sind. Dagegen sind im Vergleich zu Art.  8.36 CETA mündliche Verhandlungen nach Reg. 32 (2) ICSID-Schiedsordnung grundsätzlich nicht öffentlich, und ohne das Einverständnis der Parteien darf ein Schiedsspruch nach Reg. 48 (4) S.  1 ICSID-Schiedsordnung nicht veröffentlicht werden. Das CETA gewährleistet im Vergleich zum ICSID-Schiedsverfahren in190 

Siehe oben unter 2. Kapitel C. II. 4.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

soweit nach Art.  8.36 CETA ein wesentlich höheres Maß an Transparenz, was die Legitimation von internationalen Investor-Staat-Streitigkeiten erheblich stärken kann und den Grundsatz des Rechtsstaatsprinzips fördert. ff) Die zügige Abweisungsmöglichkeit des CETA-Gerichts von zweifelhaften oder sogar missbräuchlichen Klagen Das CETA enthält mit Art.  8.32 und 8.33 CETA eine Regelung, nach der zweifelhafte Klagen zügig abgewiesen werden können und die die Investoren davor abschrecken soll, missbräuchliche Klagen beim CETA-Gericht einzureichen, indem das CETA-Gericht die Möglichkeit hat, im beschleunigten Verfahren offenkundig ohne Rechtsgrund angestrengte oder aus Rechtsgründen unbegründete Klagen abzuweisen. Nach Art.  8.32 CETA hat der Beklagte maximal 30 Tage die Möglichkeit, nach der Bildung der CETA-Gerichtskammer gegen eine Klage einzuwenden, dass diese „offenkundig ohne Rechtsgrund angestrengt worden [ist].“ Ferner muss das Gericht nach Art.  8.33 (1) CETA als Vorfrage über jegliche Einwendungen des Beklagten entscheiden, wonach „aus Rechtsgründen eine nach Art.  8.23 CETA angestrengte Klage in ihrer Gesamtheit oder in Teilen so geartet sei, dass sie nicht zu einem Urteilsspruch zugunsten des Klägers nach diesem Abschnitt führen könne, selbst wenn der behauptete Sachverhalt zutreffen sollte.“191

Dieser Einwand muss nach Art.  8.33 (2) CETA spätestens bis zur Vorlage der Klageerwiderung beim Gericht eingereicht werden. Diese Frist überschreitet demnach bei weitem die 30-tägige Frist nach Art.  8.32 (1) CETA. Dazu schließt eine Einwendung des Beklagten, dass die Klage aus Rechtsgründen unbegründet ist, nach Art.  8.32 (2) CETA eine Einwendung wegen einer offenkundig ohne Rechtsgrund angestrengten Klage aus. Damit schafft das CETA ein weiteres Potenzial für die schnelle Abwicklung von Investor-Staat-Streitigkeiten, indem eine Klage unmittelbar nach der Bildung der zuständigen CETA-Gerichtskammer zügig abgewiesen werden kann. Vor allem für Staaten handelt es sich wortwörtlich um eine günstige Regelung, da diese so Kosten für die Verteidigung von Investorklagen sparen können.192 Zudem beinhalten solche Regelungen auch eine Abschreckungsfunktion gegenüber Investoren, zweifelhafte oder sogar missbräuchliche Klagen gegen Staaten anzustrengen.193 191  Art.  8.33

(1) CETA. hierzu Crook, ICSID’s Rule 41(5): Breakthrough or Backwater?, in: Calamita/ Earnest/Burgstaller (Hrsg.), The future of ICSID and the place of investment treaties in international law, S.  211 ff. 193  Siehe hierzu Crook, ICSID’s Rule 41(5): Breakthrough or Backwater?, in: Calamita/ Earnest/Burgstaller (Hrsg.), The future of ICSID and the place of investment treaties in inter192  Siehe

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Zweifellos ist in diesen Vorschriften der Versuch zu erkennen, solche Szena­ rien zu vermeiden, wie es beispielhaft das Verfahren in Methanex Corporation gegen die Vereinigten Staaten von Amerika darstellt.194 In diesem Fall hatte das Schiedsgericht die Klage von Methanex Corporation mangels Zuständigkeit abgewiesen. Das geschah allerdings erst, nachdem Methanex Corporation durch das Schiedsgericht erlaubt worden war, seinen Fall erneut in Bezug auf die Zuständigkeit und die Begründetheit der Klage darzustellen und das unter dem Aufwand erheblicher Kosten.195 Dabei wurde das Gericht bereits drei Jahre zuvor mit dem Einwand des „lack of legal merits“ der USA konfrontiert, kam aber zu dem Schluss, dass das betreffende völkerrechtliche Abkommen dem Gericht (selbst wenn es alle Tatsachenbehauptungen des Klägers berücksichtigt) nicht die Befugnis erteilt, über den Einwand der USA zu entscheiden, dass die Klage von Methanex Corporation wegen „lack of legal merits“ abgewiesen werden sollte.196 Die entsprechenden Bestimmungen in Art.  8.32 und 8.33 CETA sind in Bezug auf ihren Anwendungsbereich und ihre Funktionsweise breiter aufgestellt als vergleichbare Streitbeilegungssysteme, die keine solche Regelungen aufweisen.197 Dazu gehört auch das ICSID-Übereinkommen, das keine vergleichbare Regelung enthält. Ein ICSID-Schiedsgericht ist lediglich dazu befugt, Fragen zur Zuständigkeit gemäß Art.  41 (1) ICSID Übrk. als Vorfrage zu behandeln oder mit der Hauptsache zu verbinden.198 Dadurch besteht die Möglichkeit eines ähnlichen Szenarios, wie das Negativ-Beispiel Methanex Corporation gegen die Ver­ national law, S.  211 ff.; Ähnlich wie bereits durch manche ICSID-Schiedsgerichte vorgenommen, hat das CETA-Gericht die ausdrückliche Möglichkeit, ganze Fälle oder bestimmte Klageanträge abzuweisen, wenn Beweise dafür vorliegen, dass die Investition in betrügerischer Absicht oder auf andere unrechtmäßige Weise erlangt wurde. Siehe hierzu z. B. in Fraport AG Frankfurt Airport Services Worldwide vs Philippines, ICSID Case No ARB/03/25, Award, 16.08.2007; Philip Morris Asia Ltd. vs Australia, UNCITRAL, PCA Case No 2012-12, Award on Jurisdiction and Admissibility, 17.12.2005; Phoenix Action Ltd. vs Czech Republic, ICSID Case No ARB/06/5, Award, 15.04. 2009; Inceysa Vallisoletana SL vs Republic of El Salvador, ICSID Case No ARB/03/26, Award, 02.04.2006. 194  Methanex Corp vs United States of America, NAFTA/UNCITRAL. 195  Methanex Corp vs United States of America, NAFTA/UNCITRAL, Final Award of the Tribunal on Jurisdiction and Merits, 03.08.2005, Part VI. 196  Methanex Corp vs United States of America, NAFTA/UNCITRAL, Partial Award, 07.08.2002, Rn.  109, 126. 197  Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), S.  7. 198  Art.  41 (2) ICSID Übrk.: „Any objection by a party to the dispute that that dispute is not within the jurisdiction of the Centre, or for other reasons is not within the competence of the Tribunal, shall be considered by the Tribunal which shall determine whether to deal with it as a preliminary question or to join it to the merits of the dispute.“

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

einigten Staaten von Amerika darstellt. Allerdings weist die ICSID-Schiedsordnung mit Reg. 41 (5) ICSID-Schiedsordnung eine ähnliche Regelung auf, die dem Schiedsgericht die Befugnis erteilt, offensichtlich unbegründete Klagen durch ein beschleunigtes Verfahren abweisen zu können (ebenfalls innerhalb von 30 Tagen nach der Zusammensetzung des Schiedsgerichts).199 In der Praxis haben Schiedsgerichte den unbestimmten Rechtsbegriff „manifestly without legal merit“ (offenkundig ohne Rechtsgrund) von Fall zu Fall unterschiedlich ausgelegt.200 Beispielsweise stellte im ICSID-Schiedsverfahren Trans-Global Petroleum gegen Jordanien das Schiedsgericht fest, dass eine Klage ohne Rechtsgrund eingereicht wurde, wenn es sich um „infringements of non-existent legal rights of the Claimant or non-existent legal obligations of the Respondent“201 handelt. In Bezug auf die Anforderung „manifestly“ (offenkundig) kam das gleiche Schiedsgericht zu dem Ergebnis, dass das Wort „manifestly“, „requires the respondent to establish its objection clearly and obviously, with relative ease and dispatch. The standard is thus set high.“202 Da es sich bei den beiden Regelungen in Art.  8.32 und 8.33 CETA mit „manifestly without legal merit“ und „unfounded as a matter of law“ auch nicht um völlig neue Begriffe handelt, könnten die bereits von anderen Schiedsgerichten getroffenen Entscheidungen wegen der ähnlichen Regelungen in anderen internationalen Investitionsschutzabkommen vom CETA-Gericht bei der Entwicklung seines Ansatzes für die Auslegung und Konkretisierung der beiden Regelungen mit ihren abstrakten Rechtsbegriffen unterstützen.

199  Reg. 41 (5) ICSID-Schiedsordnung: „Unless the parties have agreed to another expedited procedure for making preliminary objections, a party may, no later than 30 days after the constitution of the Tribunal, and in any event before the first session of the Tribunal, file an objection that a claim is manifestly without legal merit. The party shall specify as precisely as possible the basis for the objection. The Tribunal, after giving the parties the opportunity to present their observations on the objection, shall, at its first session or promptly thereafter, notify the parties of its decision on the objection. The decision of the Tribunal shall be without prejudice to the right of a party to file an objection pursuant to paragraph (1) or to object, in the course of the proceeding, that a claim lacks legal merit.“ (Kursivierungen hinzugefügt). Siehe auch Crook, ICSID’s Rule 41(5): Breakthrough or Backwater?, in: Calamita/Earnest/Burgstaller (Hrsg.), The future of ICSID and the place of investment treaties in international law, S.  211 ff.; Die erste Klageabweisung unter Reg. 41 ICSID-Schiedsordnung wurde entschieden in Global Trading Resource Corp vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/09/11, Award, 01.12.2010. 200  Diop, Objection under Rule 41(5) of the ICSID Arbitration Rules, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  312, 328. 201  Trans-Global Petroleum Inc. vs Jordan, ICSID Case no ARB/7/25, Decision on the Respondent’s Objection under Rule 41(5) of the ICSID Arbitration Rules, 12.05.2008, Rn.  95. 202  Trans-Global Petroleum Inc. vs Jordan, ICSID Case no ARB/7/25, Decision on the Respondent’s Objection under Rule 41(5) of the ICSID Arbitration Rules, 12.05.2008, Rn.  88.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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gg) Die Offenlegungspflicht der Prozessfinanzierung durch Dritte zur Vermeidung widerstreitender Interessen Das CETA ist das erste Investitionsschutzabkommen, welches ausdrücklich eine Offenlegungspflicht der Prozessfinanzierung durch Dritte regelt. Die Prozessfinanzierung von Investor-Staat-Streitigkeiten durch Dritte hat in jüngster Zeit Bedenken auf sich gezogen.203 Zu diesen Bedenken gehören zum Beispiel, dass sich Prozessfinanzierer aufgrund ihres finanziellen Interesses an einem Schiedsspruch auf Schadensersatz dazu veranlasst fühlen könnten, auf die prozessfinanzierte Partei einzuwirken, bis sich diese anderen in Betracht kommenden Möglichkeiten zur Streitbeilegung widersetzt, wie etwa außergerichtliche Verhandlungen, Mediation oder einen Vergleich zu schließen.204 Bei solchen Alternativen der Streitbeilegung könnte nämlich die Entschädigung für den ausländischen Investor entgegen des Interesses des Prozessfinanzierers reduziert oder sogar aufgehoben werden, weil sich der Gastgeberstaat zu eventuellen Einverständnissen bereit erklärt.205 Zudem wird die Prozessfinanzierung durch Dritte in der Regel nicht in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren offengelegt. Infolgedessen können Interessenkonflikte zwischen dem Schiedsrichter und einem Prozessfinanzierer auftreten, die so gravierend sind, dass der Schiedsrichter vom Verfahren ausgeschlossen werden sollte.206 Nach Art.  8.26 (1) und (2) CETA sind die Streitparteien dazu verpflichtet, unverzüglich offenzulegen, ob sie durch Drittmittel oder Spenden zur Finanzierung ihrer Forderungen unterstützt werden, sowohl zum Zeitpunkt der Klage als auch während der gesamten Dauer des Streits.207 Sie müssen dem CETA-Ge203  Siehe hierzu Brekoulakis/Park/Rogers (u. a.), ICCA-Queen Mary Task Force Report on Third-Party Funding in International Arbitration, The ICCA Reports No.  4. 204  Brekoulakis/Park/Rogers (u. a.), ICCA-Queen Mary Task Force Report on Third-Party Funding in International Arbitration, The ICCA Reports No.  4, S.  203 ff. 205  Brekoulakis/Park/Rogers (u. a.), ICCA-Queen Mary Task Force Report on Third-Party Funding in International Arbitration, The ICCA Reports No.  4, S.  203 ff. 206  Siehe hierzu ausführlich Brekoulakis/Park/Rogers (u. a.), ICCA-Queen Mary Task Force Report on Third-Party Funding in International Arbitration, The ICCA Reports No.  4, S.  81 ff. 207  Art.  8.26 (1) CETA: „Im Falle einer Finanzierung durch Dritte legt die Streitpartei, die in den Genuss dieser Finanzierung kommt, der anderen Streitpartei und dem Gericht den Namen und die Anschrift des die Finanzierung übernehmenden Dritten offen.“ Art.  8.26 (2) CETA: „Die Offenlegung muss zum Zeitpunkt der Einreichung einer Klage stattfinden oder, wenn die Unterzeichnung der Finanzierungsvereinbarung, die Zuwendung oder die Gewährung einer finanziellen Unterstützung nach der Klageeinreichung erfolgt, unverzüglich nach Abschluss der Vereinbarung beziehungsweise nach der Zuwendung oder der Gewährung der finanziellen Unterstützung.“ Siehe auch das aktuelle Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren, in dem die Offenlegung des Drittmittelfinanzierers durch das Schiedsgericht angeordnet wurde: Muhammet Cap &

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

richt nach Art.  8.26 (2) CETA das Bestehen und die Art der Finanzierungsvereinbarung sowie den Namen und die Anschrift eines finanziellen Unterstützers mitteilen (was es den Mitgliedern des Gerichts vermutlich erlaubt, selbst zu untersuchen, ob solche Drittmittelfinanzierer einen Interessenkonflikt darstellen könnten).208 Die Bestimmung verlangt aber nicht ausdrücklich, dass die streitenden Parteien die genauen Bedingungen der Finanzierungsvereinbarung offenlegen. Aus diesem Grund ist zu erwarten, dass die obligatorische Offenlegung dieser Informationen bei späteren Mitteilungen über mögliche Kostenerstattungen des Verfahrens eine Rolle spielen wird. Insbesondere könnte der beklagte Gastgeberstaat den Wunsch äußern, dass bei jedem Urteilsspruch über die Kosten des Verfahrens, die gegen einen erfolglosen Kläger erhoben werden, die Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Prozessfinanzierer vollständig berücksichtigt wird. Schließlich müsste wohl der Prozessfinanzierer in solch einem Fall die Kosten des Verfahrens tragen und damit ein Dritter, demgegenüber das CETA-Gericht wahrscheinlich auch besonders gewillt sein wird, die gesamten Kosten zu übertragen. Eine vergleichbare Regelung ist im ICSID-Übereinkommen nicht enthalten. Mögliche Interessenkonflikte mit einem dritten Prozessfinanzierer können aber über das Ablehnungsrecht einer Streitpartei nach Art.  57 ICSID Übrk. gelöst werden. Reg. 6 (2) ICSID-Schiedsordnung sieht diesbezüglich zusätzlich vor, dass Schiedsrichter sämtliche Beziehungen zu den Streitparteien offenlegen müssen.209 Insoweit existiert auch in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit eine Möglichkeit, gegen Interessenkonflikte in der Person der Schiedsrichter aufgrund des Third-Party-Funder (Prozessfinanzierer) vorzugehen. Die detaillierte Regelung in Art.  8.26 CETA bietet dazu im Vergleich allerdings eine wesentlich bessere Möglichkeit und Lösung dieses in der internationalen Investor-StaatStreit­beilegung immer häufiger auftretenden Problems.210

Sehil Insaat Endustri ve Ticaret Ltd. Sti. vs Turkmenistan, ICSID Case No ARB/12/6, Procedural Order No 3, 12.07.2015. 208  Siehe zu den möglichen Interessenkonflikten von Entscheidungsträgern bzw. Schiedsrichtern in Schiedsverfahren Brekoulakis/Park/Rogers (u. a.), ICCA-Queen Mary Task Force Report on Third-Party Funding in International Arbitration, The ICCA Reports No.  4. 209  Nach Reg. 6 (2) ICSID-Schiedsordnung sind die Schiedsrichter nicht nur dazu verpflichtet, „past and present professional, business and other relationships (if any) with the parties“, sondern „any other circumstance that might cause [their] reliability for independent judgement to be questioned by a party“ offenzulegen. 210  Siehe hierzu ausführlich Brekoulakis/Park/Rogers (u. a.), ICCA-Queen Mary Task Force Report on Third-Party Funding in International Arbitration, The ICCA Reports No.  4.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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hh) Die Verbindung mehrerer Verfahren zur Vermeidung von widersprüchlichen Entscheidungen in Parallelverfahren Die Regelungen in Art.  8.43 CETA über die Verbindung von zwei oder mehr Verfahren sind ein weiteres Beispiel für einen Bereich, in dem das CETA die in Art.  8.23 (2) CETA aufgelisteten und als Grundlage dienenden Schiedsregeln ändert und ergänzt.211 Insoweit enthalten die UNCITRAL-Schiedsordnung, das ICSID-Übereinkommen und die Additional Facility Rules keine Regelungen, die eine Verbindung von mehreren Verfahren regeln bzw. erlauben. Bisher erfolgte die Verbindung von mehreren Verfahren nach dem ICSID-Übereinkommen und den ICSID Additional Facility Rules auf der Grundlage einer einvernehmlichen Erklärung der Parteien.212 Eine solche Erklärung der Parteien bildet aber wohl eher die Ausnahme. Die Regel besteht darin, dass Investoren manchmal dazu in der Lage sind, Verstöße gegen verschiedene internationale Investitionsschutzabkommen geltend zu machen und sich dann im Rahmen verschiedener Investor-Staat-Schiedsverfahren nach jedem der angeführten Investitionsschutzverträge in Bezug auf dieselbe Investition und damit hinsichtlich desselben Sachverhalts und Streitgegenstandes Recht verschaffen.213 Als Folge ist in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit das Risiko von widersprüchlichen Schiedssprüchen in Parallelverfahren gestiegen.214 Dies ist vor allem auf die enorme Vielzahl an internationalen Investitionsschutzabkommen mit ihren jeweiligen Bestimmungen für Investor-Staat-Schiedsverfahren zurückzuführen. Um dem zu begegnen, sieht Art.  8.43 (1) CETA vor, dass eine Streitpartei (oder die Streitparteien gemeinsam) einen Antrag auf die Verbindung mehrerer Verfahren stellen kann bzw. können, wenn zwei oder mehr Verfahren, die getrennt beim CETA-Gericht eingereicht werden, eine Rechts- oder Sachfrage gemeinsam haben und sich aus denselben Ereignissen oder Umständen ergeben. Der nach Art.  8.43 (1) CETA genannte „request for consolidation“ (Verbindungs211  Art.  8.43 (1) CETA: „Haben zwei oder mehrere getrennt eingereichte Klagen nach Artikel 8.23 eine Rechts- oder Sachfrage gemein und ergeben sie sich aus denselben Ereignissen oder Umständen, so können die Streitparteien – allein oder gemeinsam – nach diesem Artikel um Bildung einer separaten Kammer beim Gericht ersuchen und beantragen, dass diese Kammer die Verbindung der Verfahren anordnet (im Folgenden: Verbindungsantrag)“. 212 Siehe Corn Products International, Inc. vs United Mexican States, ICSID Case No. ARB (AF)/04/1, Order of the Consolidation Tribunal, 20.05.2005; ICSID, Proposals for Amendment of the ICSID Rules – Working Paper (2018), Rn.  413, online abrufbar unter: https://icsid. worldbank.org/en/Documents/Amendments_Vol_Three.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 213  OECD/ICSID/UNCTAD, Is Consolidation of Claims a Step to Improvement? The HFCS case, S.  1. 214  OECD/ICSID/UNCTAD, Is Consolidation of Claims a Step to Improvement? The HFCS case, S.  1.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

antrag) ist gemäß Art.  8.43 (4) CETA schriftlich an den Präsidenten des CETAGe­richts und an alle Streitparteien zu richten, die von der Anordnung erfasst werden sollen, und muss die Namen sowie Anschriften der Streitparteien, die Klagen und die Gründe für den Verbindungsantrag enthalten. Ist mehr als ein Beklagter Gegenstand eines Verbindungsantrags, so müssen nach Art.  8.43 (6) CETA alle betroffenen Beklagten dem Antrag zustimmen. Das CETA legt ferner ein Verfahren zur Festlegung der Regeln fest, die für die zusammengelegten Klagen gelten, wenn sie verbunden werden. Sind nach Art.  8.43 (6) CETA alle Verfahren, für die ein Verbindungsbeschluss beantragt wird, nach denselben in Art.  8.23 (2) CETA genannten Schiedsregeln eingereicht worden, so gelten diese. Wurden die Klagen, für die ein Verbindungsbeschluss beantragt wurde, nicht nach denselben in Art.  8.23 (2) CETA genannten Regeln eingereicht, können die Investoren (die Kläger) nach Art.  8.43 (6) (b) CETA gemeinsam vereinbaren, welche Regeln dem Verfahren zugrunde gelegt werden sollen. Alternativ gilt nach Art.  8.43 (6) (b) CETA, dass, wenn sich die Kläger nicht innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Verbindungsantrags auf bestimmte Regeln geeinigt haben, die UNCITRAL-Schiedsordnung anzuwenden ist. Über den Verbindungsantrag muss nach Art.  8.43 (7) CETA durch eine neue, vom Präsidenten des Gerichts gebildete Kammer entschieden werden (die sogenannte „consolidating division“ bzw. Verbindungskammer). Nach Art.  8.43 (8) CETA „Befindet die Verbindungskammer nach Anhörung der Streitparteien, dass die nach Artikel 8.23 eingereichten Klagen eine Rechts- oder Sachfrage gemein haben und sich aus denselben Ereignissen oder Umständen ergeben und dass eine Verbindung der Klagen im Interesse einer gerechten und effizienten Beilegung der Streitsachen wäre, insbesondere im Interesse der Konsistenz der Urteilssprüche, kann sich die Verbindungskammer des Gerichts im Wege eines Beschlusses für einige oder alle Klagen in Teilen oder in Gänze für zuständig erklären.“

Im Falle einer Zusammenlegung der Verfahren treten gemäß Art.  8.43 (1) CETA die ursprünglichen CETA-Gerichtskammern die Zuständigkeit für die Klagen oder Teile davon an die zuständige Verbindungskammer ab und die Verfahren dieser Kammern werden gegebenenfalls ausgesetzt oder vertagt. Ist die Verbindungskammer nur für Teile der Klagen zuständig, ist ihr Urteilsspruch, sofern er rechtskräftig wird, in Bezug auf diese Teile nach Art.  8.43 (10) CETA für den Rest der zuständigen Kammern verbindlich. Art.  8.43 CETA regelt jedoch nicht, ob die CETA-Gerichtskammern Leitlinien für die Auslegung des Urteilsspruchs der Verbindungskammer einholen können, wenn dies für die eigene Entscheidung der Kammern in Bezug auf die übrigen, nicht verbundenen Teile der Klagen erforderlich ist. Die nach Art.  8.43 CETA mögliche Zusammenführung mehrerer Streitverfahren zu einem einzigen stellt für die Effizienz von Streitbeilegungsverfahren eine

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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entscheidende Möglichkeit dar und kann zu mehr Gerechtigkeit durch die Vermeidung von inkonsistenten oder widersprüchlichen Urteilen über dieselben rechtlichen Fragen führen.215 Insoweit haben die Vertragsparteien mit Art.  8.43 CETA eine Regelung in das CETA aufgenommen, die wesentlich zur Kohärenz von Entscheidungen in der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit beitragen kann und dem Rechtsstaatsprinzip förderlich ist. ii) Die Kontrolle der CETA-Vertragsparteien über die anwendbaren Verfahrensregeln durch die Möglichkeit, diese zu ergänzen oder zu ändern Das CETA sieht in Art.  8.44 CETA (welcher der Arbeit des CETA-Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen gewidmet ist) unter anderem vor, dass der CETA-Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen dem Gemischten CETA-Aus­schuss die Annahme von Auslegungen und weiterer Regelungen zum CETA-Investitionsschutzkapitel empfehlen kann. So hat der CETA-Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen nach Art.  8.44 (3) (b) CETA die Möglichkeit, im Einvernehmen mit den CETA-Vertragsparteien (durch den Gemischten CETA-Ausschuss) die „Regeln zur Ergänzung der geltenden Streitbeilegungsregeln an[zu]nehmen und [zu] ändern und die geltenden Transparenzregeln [zu] ändern. Diese Regeln und Änderungen sind für das nach diesem Abschnitt eingesetzte Gericht bindend.“216

In diesem Sinne dürfte eine Vertragsänderung vorliegen, wenn durch die Annahme neuer oder Änderungen alter Regelungen neue Pflichten und/oder Rechte geschaffen werden.217 Allerdings ist dafür zunächst nach Art.  8.44 (3) CETA erforderlich, dass die jeweiligen internen Vorschriften des CETAs von den CETAVertrags­parteien erfüllt wurden und die internen Verfahren zum CETA abgeschlossen sind. Die Regelung des Art.  8.44 (3) (b) CETA soll die Kontrolle der CETA-Vertragsparteien über die Verfahrensregeln und damit über das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren nach dem CETA stärken.218 In diesem Sinne hat die EU215  Allerdings

ist diesbezüglich die Zulässigkeit von Sammelklagen nach dem CETA fraglich, aber zumindest nicht ausgeschlossen. Anders als im vergleichbaren EU-Vietnam TIA, wo in Art.  3.33 (6) EU-Vietnam TIA Sammelklagen ausdrücklich unzulässig sind, schweigt das CETA über die Zulässigkeit von Sammelklagen. 216  Eine ähnliche Regelung ist auch in Chapter II, Section 3, Art.  34 EU-Vietnam FTA und Art.  9.30.2 EU-Singapore FTA enthalten. 217  Costelloe/Fitzmaurice, Lawmaking by Treaty: Conclusion of Treaties and Evolution of Treaty Regimes in Practice, in: Brölmann/Radi (Hrsg.), Research Handbook on the Theory and Practice of International Lawmaking, Edward Elgar 2016, S.  111, 119. 218 Vgl. Europäische Kommission, Investment in TTIP and beyond – The Path to Reform, Concept Paper (2015), S.  2, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Kom­mission erwähnt, dass es sich bei der Möglichkeit der Annahme neuer sowie der Änderung der bestehenden Verfahrensregeln um eine Notwendigkeit handele, um für den Fall von Fehlern bei der Anwendung der Verfahrensregeln durch das CETA-Gericht eine Korrekturmöglichkeit zu haben.219 Bei der Änderung des CETA-Vertragstextes stellt sich aber aus verfahrenstechnischer Sicht das Problem, dass Vertragsänderungen grundsätzlich „on the same legal level as the original treaty or as foreseen in the treaty“220, erfolgen müssen. Auch nach Villinger können die Vertragsparteien, unter Berücksichtigung des WVK, durch spätere Vereinbarungen oder Praktiken den entsprechenden Teil im Vertrag, den es zu ändern bzw. zu regeln gilt, de facto ändern, erweitern oder bestimmte Wörter und Passagen streichen.221 Die Nichteinhaltung der erstgenannten Anforderung „on the same legal level as the original treaty“ (und damit das Verfahren hinter Art.  8.44 (3) (b) CETA) würde aber die demokratische Legitimität der „informal“ Änderungen des Abkommens gefährden,222 da diese Änderungen keiner innerstaatlichen öffentlichen Debatte und keinem Dialog sowie keiner gesetzgeberischen Kontrolle unterliegen würden. Die Möglichkeit der zweitgenannten verfahrenstechnischen Vorgehensweise zur Änderung des (CETA-)Vertragstextes „as foreseen in the treaty“ scheint daher im Widerspruch zur Erstgenannten zu stehen, da so die Vertragsänderung umgangen würde, die „on the same legal level as the original treaty“ erfolgen müsste. Das CETA weist aber durch den Bezug zur Europäischen Union sowie zum Europarecht eine Besonderheit auf. Gemäß Art.  218 AEUV werden internationamay/tradoc_153408.PDF (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „We have given governments, not arbitrators, ultimate control over the interpretation of the rules. Under CETA, the EU and Canada can issue binding interpretations on how the provisions should be interpreted, and the ISDS Tribunal is obliged to respect those interpretations.“ 219 Vgl. Europäische Kommission, Investment in TTIP and beyond – The Path to Reform, Concept Paper (2015), S.  2, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/ may/tradoc_153408.PDF (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Siehe auch Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, online abrufbar unter: http://data.consilium. europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „[…], um eine etwaige Fehlinterpretation des CETA durch die Gerichte zu verhindern oder zu korrigieren“ 220  Hafner, Subsequent Agreements and Practice: Between Interpretation, Informal Modification, and Formal Amendment, in: Nolte (Hrsg.), Treaties and Subsequent Practice, Oxford 2013, S.  105, 116 221  Villinger, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, S.  429 222  Hafner, Subsequent Agreements and Practice: Between Interpretation, Informal Modification, and Formal Amendment, in: Nolte (Hrsg.), Treaties and Subsequent Practice, S.  105, 116.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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le Abkommen der EU von der EU-Kommission ausgehandelt und vom Rat mit Zustimmung des Europäischen Parlaments abgeschlossen. Dennoch kann der Rat nach Art.  218 (7) AEUV „den Verhandlungsführer bei Abschluss einer Übereinkunft ermächtigen, im Namen der Union Änderungen der Übereinkunft zu billigen, wenn die Übereinkunft vorsieht, dass diese Änderungen im Wege eines vereinfachten Verfahrens oder durch ein durch die Übereinkunft eingesetztes Gremium anzunehmen sind.“

Mit anderen Worten erlaubt Artikel 218 (7) AEUV dem Rat der EU, die demokratischen innerstaatlichen Verfahren eines jeden EU-Mitgliedstaates zur Änderung internationaler Abkommen zu umgehen, indem dieser die EU-Kommission ermächtigt, vereinfachte Vertragsänderungsmechanismen mit dem jeweiligen Drittstaat auszuhandeln, was z. B. hinsichtlich der Vertragsverhandlungen zum CETA mit Kanada geschehen ist, indem die CETA-Vertragsparteien institutionell den Gemischten CETA-Ausschuss als einen legislativen Mechanismus geschaffen haben. Vor diesem Hintergrund sind die im CETA enthaltenen Regeln zur Vertragsänderung des CETA lex specialis im Vergleich zu den Regeln der WVK und Art.  8.44 (3) (b) CETA sieht die Änderung und Ergänzung der Verfahrensregelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels durch entsprechenden Vorschlag des CETA-Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen und nach Beschluss bzw. Vereinbarung der CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETA-Ausschuss vor.223 Die Vertragsänderung kann gemäß Art.  30.2 (1) CETA schriftlich vereinbart werden und die Änderung tritt in Kraft, „sobald die Vertragsparteien Notifikationen ausgetauscht haben, in denen sie bestätigen, dass ihren jeweiligen, für das Inkrafttreten der Änderung erforderlichen internen Anforderungen und Verfahren Genüge getan ist, oder aber an dem von den Vertragsparteien hierfür vereinbarten Tag.“

Eine Vertragsänderung unterliegt demnach einem einfachen verfahrenstechnischen Prozess, indem die CETA-Vertragsparteien lediglich die nach Art.  8.30 (1) CETA erforderlichen Notifikationen austauschen, welche eine interne Ratifikation (z. B. durch entsprechende parlamentarische Beteiligung am Entscheidungsprozess224) der Änderungen bestätigen. Als Ausnahme von diesem einfachen 223 

Darüber hinaus sieht beispielsweise Art.  26.1 (5) (c) CETA vor, dass der Gemischte CETA-Aus­schuss Änderungen nach Maßgabe des CETAs prüfen oder beschließen kann, wenn dies nach dem CETA vorgesehen ist. 224  Schill schlägt diesbezüglich vor, dass insoweit das Europaparlament oder auch der EuGH an dem Prozess beteiligt werden sollten. Er begründet dies damit, dass „durch den Vertrag von Lissabon […] die Rolle des Europäischen Parlaments als Ort demokratischer Legitimation und Kontrolle gerade im Bereich der EU-Außen- und Außenwirtschaftspolitik gestärkt werden [sollte]. Subsidiär bleibt daneben die kontinuierliche Identitätskontrolle durch das

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Änderungsverfahren sieht Art.  30.2 (2) CETA ein noch einfachereres Änderungsverfahren vor, wonach der in Art.  30.2 (1) und (2) CETA geregelte verfahrenstechnische Prozess „nicht für Änderungen der Anhänge I, II und III und für Änderungen der Anhänge der Kapitel acht (Investitionen), neun (Grenzüberschreitender Dienstleistungshandel), zehn (Vorübergehende Einreise und vorübergehender Aufenthalt von Geschäftszwecke verfolgenden natürlichen Personen) und dreizehn (Finanzdienstleistungen), ausgenommen Anhang 10-A (Liste der Kontaktstellen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union)“, gilt.

Diese Anhänge umfassen beispielsweise auch Anhang 8-A CETA über Enteignungen. Mit anderen Worten, die Änderung bestimmter Teile des CETAs in seinen Anhängen, die gemäß Art.  30.1 CETA einen integralen Bestandteil des Abkommens darstellen, bedürfen lediglich der Entscheidung bzw. eines Beschlusses des Gemischten CETA-Ausschusses. Somit wird ein Unterschied zwischen einem Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusses über die Auslegung des CETAs225 und einem Beschluss über die Änderung bestimmter Investitionsschutzbestimmungen faktisch nicht vorhanden sein. Insoweit ist zudem bedenklich, dass es im CETA-Vertragstext keine Regeln zur Entscheidungsfindung oder zur Transparenz der Arbeit des Gemischten CETA-Aus­schusses oder des CETA-Ausschusses für Dienstleistungen und InBVerfG. Nur so kann letztlich sichergestellt werden, dass der politische Gestaltungsspielraum, auch für den demokratischen Gesetzgeber, der durch die Stärkung der EU als außen- und außenwirtschaftspolitischer Akteur durch den Vertrag von Lissabon, gerade im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, geschaffen werden soll, erhalten bleibt“: Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 92; Was die Teilnahme der EU-Vertreter an den Sitzungen und Beschlüssen hinsichtlich einer Vertragsänderung des Gemischten CETA-Ausschusses betrifft, so müssten die EU-Vertreter nach den Kommentaren zum im Jahr 2012 durchgesickerten Kommissionsvorschlag von 2012 zunächst die Zustimmung der EU einholen, bevor eine Zustimmung der CETA-Vertrags­parteien im Sinne der EU und der EU-Mitgliedstaaten, zu dem entsprechenden Beschluss im Gemischten CETA-Ausschuss erreicht würde. Nach Art.  218 (9) AEUV würde dies einen Vorschlag der EU-Kommission und eine qualifizierte Mehrheit im Rat der EU erfordern. Das Dokument ist unter World Trade online verfügbar und erfordert eine Registrierung: https://goo.gl/qGrI37 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Das entsprechende PDF-Dokument besteht aus drei Teilen in der folgenden Reihenfolge: der überarbeitete Entwurf der EU-Kommission von Juni 2012, die zusammenfassenden Erklärungen der EU-Kommission zu dem Entwurf und das ursprünglich im Mai 2012 durchgesickerte Dokument. Die entsprechende hier zitierte Passage befindet sich auf S.  31, Comments on Article 9 (2). 225  Nach Art.  8.31 (3) CETA haben die CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETA-Aus­schuss die Möglichkeit „bei ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen, die sich auf Investitionen auswirken können“, eine für das CETA-Gericht bindende Auslegung der CETA-Investitionsschutzvorschriften nach Art.  8.31 (3) CETA vorzunehmen, worauf aber zur Vermeidung von wiederholenden Ausführungen an anderer Stelle weiter unten 3. Kapitel C. IV. 5. b) eingegangen wird.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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vestitionen gibt sowie, ob der Ausschuss öffentlich für seine Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Es findet sich lediglich auf der Internetseite der EU ein sogenanntes „News archive“, welches neben diversen Dokumenten auch über die Zusammenkünfte und Beratungen der verschiedenen CETA-Aus­schüsse berichtet und insbesondere zu jedem beratenden Treffen eine „Agenda“ und einen „Report“ zur Verfügung stellt, um über die Arbeit der CETA-Aus­schüsse zu informieren.226 Die Maßnahmen zur Kontrolle der CETAAus­schüsse könnten aber noch weiter gehen, was die Legitimität der Arbeit der Ausschüsse stärken würde. Beispielsweise sollten Mitglieder des Europäischen Parlaments und des Parliament of Canada als Beobachter in den CETA-Ausschüssen tätig sein dürfen. Darüber hinaus könnte auch eine größere Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden, indem zivile Interessengruppen dem CETA-Ausschuss Vorschläge oder Einwendungen gegen beabsichtigte Beschlüsse unterbreiten könnten.227 Zumindest scheint das CETA eine solche Möglichkeit nicht auszuschließen, da die internen Arbeitsverfahren von den verschiedenen CETAAus­schüssen (teilweise) noch festgelegt werden müssen oder dahingehend noch geändert werden könnten. Schließlich wurden die Befürchtungen geäußert, dass die Einfluss- und Kon­ trollmöglichkeit der CETA-Vertragsparteien durch die Möglichkeit der Änderung und Ergänzung der Verfahrensregeln gemäß Art.  8.44 (3) (b) CETA zu einer übermäßigen Einmischung der CETA-Vertragsparteien in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren führen könne und die Gefahr einer Politisierung laufender Streitbeilegungsverfahren in sich tragen würde.228 jj) Zwischenergebnis Die Verfahrensregeln des CETA-Gerichts bestimmen sich zum einen im Sinne der Privatautonomie danach, auf welcher Grundlage von Regeln die Klage gemäß Art.  8.23 (2) CETA eingereicht wurde. Zum anderen regelt Art.  8.23 (6) CETA, dass die von den Streitparteien gewählten Verfahrensregeln unter Vorbehalt der spezifischen Regelungen des CETAs in Kapitel 8, Abschnitt F, vom CETA-Ge­richt anzuwenden sind, welche die Regelungen der jeweiligen Schieds­ ordnung im Kollisionsfall überlagern. Insofern ist das neue Streitbeilegungsmo226 

Siehe online: https://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1811 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 227 Siehe Tignino, Quasi-judicial bodies, in: Brölmann/Radi (Hrsg.), Research Handbook on the Theory and Practice of International Lawmaking, S.  242, 249–252. 228 Siehe Bernasconi-Osterwalder, Reply to the European Commission’s Public Consultation on Investment Protection and Investor-to-State Dispute Settlement (ISDS) in the Transatlantic Trade and Investment Partnership Agreement (TTIP), International Institute for Sustainable Development 2014, S.  23.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

dell des CETAs im Wesentlichen eine Mischung aus neuen institutionellen Elementen, die auf die verschiedenen bestehenden Schiedsregeln aufgebaut werden, indem seit langem etablierte Schiedsordnungen, wie die des ICSID-Übereinkommens oder die UNCITRAL-Schiedsordnung, von den Parteien angewandt werden sollen, die aber gleichzeitig durch das CETA-Investitionsschutzkapitel radikal modifiziert und ergänzt werden. Diese Modifizierung und Ergänzung durch die Regelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels stellen im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit im Ergebnis eine Verbesserung des Rechtsstaatsprinzips in der Investor-Staat-Streitbeilegung dar und tragen zu dessen Legitimität bei. Dies trifft insbesondere auf das zwingend anzuwendende Transparenzsystem auf der Grundlage der UNICITRAL-Transparenzregeln (Art.  8.36 (1) CETA), die Offenlegungspflicht von Prozessfinanzierern zur Vermeidung von Interessenkonflikten im Streitbeilegungsverfahren (Art.  8.26 CETA), die Möglichkeit, direkt zum Beginn des Verfahrens offenkundig ohne Rechtsgrund angestrengte und aus Rechtsgründen unbegründeten Klagen abweisen zu können (Art.  8.32 und 8.33 CETA) und mehrere Verfahren mit denselben Rechts- und Sachfragen, die sich aus denselben Ergebnissen oder Umständen ergeben, verbinden zu können (Art.  8.43 CETA), um Parallelverfahren zu unterbinden sowie eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Insoweit haben die CETA-Vertragsparteien dem Anschein nach auch auf einen Großteil der gegenüber dem Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit geäußerten Kritik reagiert und umgesetzt.229 Anders können dagegen der Einfluss und die Kontrollmöglichkeit der CETAVertrags­parteien durch die Möglichkeit der Änderung und Ergänzung der Verfahrensregeln bewertet werden. Während es durchaus eine kluge Maßnahme darstellt, den CETA-Vertragsparteien zu ermöglichen, im Bedarfsfall die Verfahrensregelungen aufgrund von festgestellten Fehlern oder Schwierigkeiten bei der Anwendung durch das CETA-Gericht justieren zu können, ist die Änderung der Regelungen gemäß Art.  8.44 (3) (b) CETA aus verfahrenstechnischer Sicht durchaus kritisch zu betrachten. So bedarf es für die Änderung der Anhänge zu den Investitionsschutzvorschriften lediglich einer Beschlussfassung des Gemischten CETA-Ausschusses, dem zuvor ein Änderungsvorschlag des CETAAus­schusses für Dienstleistungen und Investitionen vorangestellt wird. Die Arbeit beider Ausschüsse ist soweit weder wirklich transparent noch unterliegt sie einer Kontrollmöglichkeit, was allerdings noch durch eine entsprechende Änderung der verfahrenstechnischen Regelungen geregelt werden könnte.

C.

229 

Siehe zur Kritik am Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit oben, 2. Kapitel

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

339

c) Die begrenzte Entscheidungskompetenz des CETA-Gerichts zur Entkopplung von Rechtsprechung und Politik Dem CETA-Gericht wurde gemäß Art.  8.23 CETA die Kompetenz zugewiesen, als Gericht Rechtsstreite zu entscheiden, indem es die Aufgabe hat, das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren zu leiten und am Ende des Verfahrens einen sogenannten Urteilsspruch gemäß Art.  8.39 CETA zu erlassen.230 Die CETA-Vertragsparteien haben dem CETA-Gericht im Vergleich zum ICSID-Schiedsgericht eine begrenzte Entscheidungskompetenz zugewiesen, indem es nur Schadensersatz in Geld und/oder die Rückerstattung von Vermögenswerten zusprechen kann (einzeln oder in Kombination), was zu einer Entkopplung von Rechtsprechung und der gleichzeitigen Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch die Investor-Staat-Streitbeilegung führen sollte, wie es in jüngster Zeit teilweise in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit stattgefunden hat.231 230  Art.  8.39

(1) CETA regelt: „Er lässt das Gericht einen endgültigen Urteilsspruch gegen den Beklagten, so kann es nur Folgendes – einzeln oder in Kombination – zusprechen: a) Schadensersatz in Geld, gegebenenfalls zuzüglich aufgelaufener Zinsen, b) Rückerstattung von Vermögenswerten, wobei der Urteilsspruch vorsehen muss, dass der Beklagte anstelle der Rückgabe Schadensersatz in Geld leisten kann, und zwar in einer Höhe, die dem im Einklang mit Artikel 8.12 bestimmten fairen Marktwert der Vermögenswerte unmittelbar vor Bekanntwerden der Enteignung oder bevorstehenden Enteignung – je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist – entspricht, gegebenenfalls zuzüglich aufgelaufener Zinsen.“; Die Regelung ähnelt Art.  1135 (1) NAFTA, „Where a Tribunal makes a final award against a Party, the Tribunal may award, separately or in combination, only: (a) monetary damages and any applicable interest; (b) restitution of property, in which case the award shall provide that the disputing Party may pay monetary damages and any applicable interest in lieu of restitution. A tribunal may also award costs in accordance with the applicable arbitration rules.“ Das CETA-Gericht ist aber im Rahmen seiner Urteilsfindung ausdrücklich nicht dazu befugt, die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme des beklagten Gastgeberstaates nach dem internen Recht einer CETA-Vertragspartei zu beurteilen und auszulegen. Es kann das Recht einer Vertragspartei bei der Prüfung über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme des Beklagten lediglich als Tatsache heranziehen. Das CETA-Gericht darf nach Art.  8.31 (2) CETA nur „der herrschenden Auslegung des internen Rechts durch die Gerichte und Behörden der betreffenden Vertragspartei [folgen], wobei eine etwaige vom Gericht vorgenommene Deutung internen Rechts für die Gerichte und Behörden dieser Vertragspartei nicht bindend ist.“ 231  ICSID-Schiedsgerichte haben im Laufe der Zeit die Justiziabilität von politischen Regulierungsentscheidungen deutlich erweitert. Als Paradebeispiel dafür dient das Investor-StaatSchieds­verfahren Phillip Morris Asia Ltd. gegen Australien, in dem nicht über ein Diskriminierungsverbot sowie die Entschädigung für eine klassische Enteignung, sondern über den Tabac­ co Plain Packaging Act 2011, einem allgemeinen Gesetzgebungsprojekt von Australien, entschieden wurde, das inländische wie ausländische Tabakverkäufer gleichermaßen betraf. Siehe Philip Morris Asia Limited vs The Commonwealth of Australia, UNCITRAL, PCA Case No.  2012-12; Siehe zum australischen „Tabacco Plain Packaging – investor-state arbitration“ online http://www.ag.gov.au/internationalrelations/internationallaw/pages/tobaccoplainpacka ging.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe hierzu auch Wolf, Vollstreckbarkeit nach

340

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Die Regelung in Art.  8.39 (1) CETA stellt damit auch eine Reaktion auf die Kritik der Öffentlichkeit an den weitreichenden Entscheidungskompetenzen von ICSID-Schiedsgerichten dar. Dabei ging es um die Frage, welche Verpflichtungen ein Schiedsgericht in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren den Parteien durch einen Schiedsspruch auferlegen kann. Insbesondere hat sich die öffentliche Diskussion über das Standardmodell der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen darauf konzentriert, inwieweit Investitionsschiedsgerichte einen Staat dazu zwingen können, seine politischen Interessen zu ändern bzw. es zu unterlassen, nationale Gesetze oder Vorschriften im öffentlichen Interesse zu ändern. Eine solche Situation kann tatsächlich eintreten, wenn Schiedsgerichte eine bestimmte Leistung anordnen oder Staaten auf andere Weise anweisen können, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen.232 Tatsächlich sind Schiedsgerichte nach dem ICSID-Übereinkommen sowie nach anderen Investitionsschutzabkommen im Allgemeinen nicht darauf beschränkt, nur finanzielle Entschädigungen zuzusprechen, sondern können den Gastgeberstaat auch zu anderen spezifischen Leistungen oder zu einem Unterlassen verpflichten.233 Art.  8.39 (1) CETA stellt daher eine bemerkenswerte ÄndeICSID-Konvention und Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung nach New Yorker Übereinkommen, in: Ludwigs/Remien (Hrsg.), Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S.  255, 286. 232 Siehe Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal, Bd.  24 (2015), S.  11, 21.; Als Beispielsfall: Im Jahr 2009 hat der schwedische Energiekonzern Vattenfall die deutsche Regierung verklagt und 1,4 Milliarden Euro sowie Zinsen auf Ausgleichszahlungen für Umweltschutzbeschränkungen für eines seiner Kohlekraftwerke gefordert. Der Fall wurde außergerichtlich beigelegt, nachdem Deutschland zugestimmt hatte, die Umweltstandards zu lockern. Siehe hierzu Vattenfall AB, Vattenfall Europe AG, Vattenfall Eu­ rope Generation AG vs Germany, ICSID Case No. ARB/09/6; Siehe hierzu auch Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, IISD (2009), online abrufbar unter: https://www.iisd.org/pdf/2009/background_vattenfall_vs_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Im Jahr 2012 leitete Vattenfall eine zweite Klage ein, in der 3,7 Milliarden Euro für entgangene Gewinne im Zusammenhang mit zwei seiner Kernkraftwerke gefordert wurden. Der Fall folgte dem Beschluss der Bundesregierung, die Kernenergie nach der Atomkatastrophe von Fukushima abzuschaffen. Beide Maßnahmen wurden im Rahmen des Energiechartavertrags getroffen, der BIT-ähnliche Investitionsschutzbestimmungen enthält. Siehe hierzu Bernasconi-Osterwalder/Hoffmann, The German Nuclear Phase-Out Put to the Test in International Investment Arbitration? Background to the new dispute Vattenfall vs Germany, IISD (2012), online abrufbar unter: https://www.iisd.org/pdf/2012/german_nuclear_phase_out.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 233  Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal, Bd.  24 (2015), S.  11, 21; Die Tatsache, dass Art.  54 (1) ICSID Übrk. ausdrücklich von einer Verpflichtung zur Durchsetzung der durch einen ICSID-Schiedsspruch auferlegten „precuniary obligations“ (finanziellen Verpflichtungen) spricht, schließt nicht aus, dass andere Verpflichtungen aus einem Schiedsspruch, wie Rückerstattung oder andere Formen spezifischer Leistungen

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

341

rung dar, indem klar festgelegt wird, dass eine Kammer des CETA-Gerichts oder der Rechtsbehelfsinstanz in einem endgültigen Schiedsspruch dem Beklagten nur Schadensersatz in Geld und etwaige Zinsen auferlegen kann.234 Auch die Regelung in Art.  8.39 (1) (b) CETA (zu Ansprüchen eines Investors aufgrund von Enteignung durch den Gastgeberstaat) grenzt sich von der ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit und der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit im Allgemeinen ab. Dort ist es grundsätzlich anerkannt, dass ein Schiedsgericht die Rückgabe von Vermögen anordnen kann, wenn es feststellt, dass eine Enteignung rechtswidrig war.235 Art.  8.39 (1) (b) CETA regelt dagegen ausdrücklich, dass der beklagte Gastgeberstaat bei einer rechtswidrigen Enteignung das Recht hat, zwischen der tatsächlichen Rückgabe des Gegenstandes oder der Zahlung von Schadensersatz in Geld wählen zu können. Das stellt insoweit eine Änderung zur herkömmlichen Praxis dar, als dass der Schadensersatz in Geld in der Regel als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung nach allgemeinem Völkerrecht behandelt wurde.236 Eine rechtmäßige Enteignung erfordert im Allgemeinen die Zahlung einer Schadenskompensation, die in der Regel auf dem Marktwert des enteigneten Gegenstandes basiert, während eine unrechtmäßige (nicht kompensierte) Enteignung die Verpflichtung zum Schadensersatz auslöst.237 Im letzteren Fall gilt das Chorzów-Prinzip: Ein enteignender, aber nicht entschädigender Gastgeberstaat müsste alle Folgen der rechtswidrigen Handlung beseitigen und die Situation, die ohne diese Handlung bestanden hätte, wiederherstellen.238 Nach dem CETA werden gemäß Art.  8.39 (1) (b) CETA eine rechtmäßige Enteignung und eine rechtswidrige Enteignung wohl die gleichen rechtoder Unterlassungsklagen, möglich sind. Siehe hierzu Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  54, Rn.  72 ff. 234  Art.  8.39 (1) CETA: „(1) Erlässt das Gericht einen endgültigen Urteilsspruch gegen den Beklagten, so kann es nur Folgendes – einzeln oder in Kombination – zusprechen: a) Schadensersatz in Geld, gegebenenfalls zuzüglich aufgelaufener Zinsen, b) Rückerstattung von Vermögenswerten, wobei der Urteilsspruch vorsehen muss, dass der Beklagte anstelle der Rückgabe Schadensersatz in Geld leisten kann, und zwar in einer Höhe, die dem im Einklang mit Artikel 8.12 bestimmten fairen Marktwert der Vermögenswerte unmittelbar vor Bekanntwerden der Enteignung oder bevorstehenden Enteignung – je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist – entspricht, gegebenenfalls zuzüglich aufgelaufener Zinsen.“ 235  Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal, Bd.  24 (2015), S.  11, 21. 236  Siehe hierzu ausführlich Reinisch, Legality of Expropriations, in: ders. (Hrsg.), Standards of Investment Protection, S.  171, 171 ff. 237  Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal, Bd.  24 (2015), S.  11, 21. 238  Germany vs Poland (Chorzow Factory Case), 1928 PCIJ (Ser. A) No.  17, Judgement, 13.09.1928.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

lichen Konsequenzen nach sich ziehen: Letztendlich erfordern beide Verhaltensweisen die Schadensersatzzahlung des Marktwertes in Geld, wenn keine Naturalrestitution gewählt wird. Zudem darf das CETA-Gericht nach Art.  8.39 (3) CETA dem Investor keinen höheren Schadensersatz zusprechen, als der Investor bzw. das ortsansässige Unternehmen tatsächlich als Verlust erlitten hat.239 Dieser Betrag muss zusätzlich um eine bereits geleistete Vorabentschädigung, eine bereits geleistete Entschädigung, eine Rückgabe von Eigentum oder eine Aufhebung/Änderung einer Maßnahme reduziert werden. Auch die Zuerkennung von Strafschadensersatz ist nach Art.  8.39 (4) CETA ausdrücklich unzulässig.240 Diese Regelung bestätigt die allgemeine Praxis in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren, wonach nur Entschädigungszahlung zu leisten sind.241 Eine weitere wesentliche Einschränkung seiner Entscheidungskompetenz erfährt das CETA-Gericht im Vergleich zum ICSID-Schiedsgericht dadurch, dass die für den jeweiligen Fall zuständigen CETA-Gerichtskammern nicht (mit Einverständnis der Parteien) ex aequo et bono (nach Billigkeit) entscheiden können.242 Andererseits wurde (fast) keinem dem Autor bekannten ICSID-Schiedsgericht eine entsprechende Kompetenz von den Streitparteien nach Art.  42 (3) ICSID Übrk. zugewiesen.243 Schließlich liegt aber in der nach Art.  8.34 CETA dem CETA-Gericht erteilten Kompetenz, vorläufige Schutzmaßnahmen durch Beschluss (oder Empfehlung) 239  Art.  8.39

(3) CETA: „Der in Geld bemessene Schadensersatz darf den vom Investor oder gegebenenfalls vom gebietsansässigen Unternehmen erlittenen Verlust, abzüglich bereits geleisteter Schadensersatz- oder Entschädigungszahlungen, nicht übersteigen. Bei der Berechnung des in Geld bemessenen Schadensersatzes nimmt das Gericht ferner Kürzungen vor, um einer etwaigen Rückerstattung von Vermögenswerten oder einer Aufhebung oder Änderung der Maßnahme Rechnung zu tragen.“ 240  Art.  8.39 (4) CETA: „Das Gericht erkennt nicht auf Strafschadensersatz.“ 241  Siehe hierzu ausführlich Sabahi, Compensation and Restitution in Investor-State Arbi­ tration: Principles and Practice, S.  91 ff, 134 ff. 242  Siehe zu der Macht eines Schiedsgerichts, dazu befugt zu sein, ex aequo et bono entscheiden zu können, bereits Lauterpacht, The Function of Law in the International Community, S.  321: „[…] States may be prepared to entrust a tribunal with the power to decide ex aequ et bono, a power in effect of tantamount to embowering it with a legislative function, not only in regard to a particular dispute, but also, within the purview of a general arbitration treaty, in regard to future disputes. Whatever may be thought of the desirability of this latter development, it shows to what length States may be prepared to go.“ 243  Der Fall S.A.R.L. Benvenuti & Bonfant vs Peoples Republic of the Congo scheint insoweit der einzige Fall zu sein, bei dem einem ICSID-Schiedsgericht eine entsprechende Kompetenz von den Streitparteien zugewiesen wurde, siehe S.A.R.L. Benvenuti & Bonfant vs Peoples Republic of the Congo, ICSID Case No. ARB/77/2, Award, 08.08.1980, Rn.  4.4.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

343

zu erlassen (wie zum Beispiel einen Beschluss zur Sicherung von Beweisen oder einen Beschluss zur Sicherung der Rechte einer Streitpartei),244 ein verfahrensrechtlicher Vorteil gegenüber der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, wo nach Art.  47 ICSID Übrk. dieses lediglich dazu befugt ist, eine Empfehlung für vorläufige Maßnahmen zur Sicherung von Rechten beider Streitparteien auszusprechen. 3. Die Maßstabsweite durch die materiellen Investitionsschutzregelungen des CETA-Investitionsschutzkapitels als Kompetenzgrenze des CETA-Gerichts Für das CETA-Gericht gilt wie für jedes Gericht, dass die Reichweite seiner Kontrollbefugnisse nicht über die Reichweite des von ihm auszulegenden Maßstabsrechts hinausgeht. Angesichts der Institutionalisierung eines exklusiv auf Investitionsschutzfragen für ausländische Investoren spezialisierten Gerichtes bedeutet dies, dass dieser Spruchkörper nur in jenen Fällen sachentscheidungsbefugt ist, die sich als investitionsschutzrechtliche Streitigkeiten unter dem CETA erweisen. Recht sprechen kann das CETA-Gericht demnach nur dann, wenn und soweit der Verfahrensgegenstand – die Maßnahme einer CETA-Vertragspartei bzw. eines Gastgeberstaates – an den Vorgaben der materiellen CETAInvestitions­schutzvorschriften zu messen ist. Wo derartige investitionsschutzrechtliche Vorgaben des CETAs fehlen, kann der Rechtsstreit von einem nationalen Gericht der CETA-Vertragsparteien entschieden werden. Das CETA-Gericht darf dazu aber keine Sachentscheidung treffen. Die Kontrollbefugnis des CETAGe­richts bestimmt sich nach Art.  8.31 (1) CETA, wonach „Das nach diesem Abschnitt eingesetzte Gericht wendet bei seinen Entscheidungen dieses Ab­ kommen so an, wie es nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge und anderen zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Regeln und Grundsätzen auszulegen ist.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Die Vorgaben, die das CETA-Investitionsschutzkapitel setzt, und nach denen das CETA-Gericht den Verfahrensgegenstand nach Art.  31 (1) CETA im Rahmen seiner Rechtsprechung zu messen hat (a.), setzt sich insgesamt aus den Bestandsschutzregelungen getätigter Investitionen vor rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen (b.), den Ausnahmevorschriften zum Bestandsschutz getätigter Investitionen zum Schutz des gesetzgeberischen Handlungsspielraums (c.) und den durch den Gemischten CETA-Ausschuss zur Haftungserweiterung oder -beschränkung neu angenommenen oder geänderten Investitionsschutzvorschriften (d.) zusammen. 244  Das CETA-Gericht ist nach Art.  8.34 CETA allerdings auch ausdrücklich weder dazu befugt, eine Sicherungsbeschlagnahme anzuordnen noch die Anwendung der Maßnahme des beklagten Gastgeberstaates zu untersagen, die angeblich einen Verstoß im Sinne des Art.  8.23 CETA darstellt und der Grund für das Streitbeilegungsverfahren ist.

344

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

a) Die gesetzten Vorgaben des CETA-Investitionsschutzkapitels als Maßstab für den Verfahrensgegenstand Mit Art.  8.31 (1) CETA wird insgesamt die Frage des anwendbaren Rechts geregelt sowie die Vorgaben gesetzt, nach denen das CETA-Gericht den Verfahrensgegenstand zu messen hat. Eine Frage, deren Beantwortung in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit und der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit allgemein oft einen der schwierigsten Bereiche darstellt, was zum Teil auf die oberflächliche Gestaltung vieler älterer internationaler Investitionsschutzabkommen zurückzuführen ist.245 Auch die Tatsache, dass die Schiedsrichter oft sehr unterschiedliche Auffassungen über das Zusammenspiel zwischen dem Recht des Gastgeberstaates und den anwendbaren Regeln des Völkerrechts vertreten, trägt zur umfangreichen Diskussion des im jeweiligen Einzelfall anzuwendenden Rechts bei.246 Nach Art.  8.31 (1) CETA ist der Verfahrensgegenstand ausschließlich an den Vorschriften des CETAs zu messen. Zusätzlich sind bei der Anwendung und Auslegung der CETA-Investitionsschutzbestimmungen die Auslegungsregeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) sowie andere zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Regelungen und Grundsätze zu berücksichtigen. Die Anwendung von zwischen den Vertragsparteien geltenden allgemeinen völkerrechtlichen Regelungen und Grundsätzen wird insbesondere bei der Füllung von Lücken im CETA-Vertragstext und bei der Auslegung einzelner Begriffe Bedeutung gewinnen. Als Beispiele allgemeiner Grundsätze seien estoppel247, der Grundsatz von Treu und Glauben248, nemo auditur propriam turpitudinem allegans249 und onus probandi250 zu nennen.251 Auch das Recht der Europäischen Union fällt unter den Begriff der völkerrechtlichen Regelungen nach Art.  8.31 (1) CETA, was zum Problem der Vereinbarkeit des CETA-Gerichtssystems mit dem Unionsrecht führt. Die Klarstellung in Art.  8.31 (2) CETA soll aber insoweit für eine Vereinbarkeit mit dem Unions245 Vgl.

Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  288 ff. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  288 ff. 247  Chevron Corporation vs The Republic of Ecuador, UNCITRAL, PCA Case No.  200923, Partial Award, 30.03.2010, Rn.  334 ff.; Grynberg vs Grenada, ICSID Case No. ARB/10/6, Award, 10.12.2010, Rn.  7.1.1. ff. 248  Sempra Energy International vs The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/16, Award, 28.09.2007, Rn.  290 ff.; Phoenix Action, Ltd. vs The Czech Republic, ICSID Case No. ARB/06/5, Award, 15.04.2009, Rn.  142. 249  Rumeli Telekom A.S. and Telsim Mobil Telekomikasyon Hizmetleri A. S. vs Kazakhstan, ICSID Case No. ARB/05/16, Award, 29.07.2008, Rn.  310, 323. 250  Generation Ukraine, Inc. vs Ukraine, ICSID Case No. ARB/00/9, Award, 08.11.2010, Rn.  236 f. 251  Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  18. 246 Vgl.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

345

recht sorgen, was der EuGH in seiner Entscheidung zum Gutachten 1/17 vom 30.04.2019 auch bestätigt hat.252 Das CETA regelt in Art.  8.31 (2) CETA, dass es „nicht in die Zuständigkeit des Gerichts [fällt], die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme, die angeblich einen Verstoß gegen dieses Abkommen darstellt, nach dem internen Recht einer Vertragspartei zu beurteilen. Zur Klarstellung: Bei seiner Beurteilung, ob eine Maßnahme im Einklang mit diesem Abkommen steht, kann das Gericht das interne Recht einer Vertragspartei, soweit angezeigt, als Tatsache heranziehen. Dabei folgt das Gericht der herrschenden Auslegung des internen Rechts durch die Gerichte und Behörden der betreffenden Vertragspartei, wobei eine etwaige vom Gericht vorgenommene Deutung internen Rechts für die Gerichte und Behörden dieser Vertragspartei nicht bindend ist.“

Demnach werden zum Beispiel Rechtsvorschriften der EU oder der Mitgliedstaaten vom Gericht oder der Rechtsbehelfsinstanz nur als Teil des Sachverhalts geprüft. Beispielsweise, um festzustellen, ob die angeblich verletzten Eigentumsrechte nach den Gesetzen des betreffenden Landes überhaupt existieren.253 Das CETA-Gericht kann das Unionsrecht, das nationale Recht der EU-Mitgliedstaaten und das kanadische Recht „als Tatsache heranziehen“254 und wird auf das nationale Recht achten, um festzustellen, ob bestimmte Rechtsansprüche begründet wurden. Das CETA-Gericht wird nicht für Streitigkeiten zuständig sein, die Fragen der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Maßnahme nach dem innerstaatlichen Recht der streitenden Partei betreffen. Die Entscheidung, ob eine Maßnahme nach nationalem Recht rechtlich zulässig ist bzw. war, bleibt vielmehr der EU und der zuständigen Gerichte ihrer Mitgliedstaaten oder Kanadas überlassen.255 Während bereits mehrere Staaten Bedenken hinsichtlich der Auslegung ihres nationalen Rechts durch Investor-Staat-Schiedsgerichte geäußert haben, dürfte die Regelung in Art.  8.31 (2) CETA eher mit den Bedenken der EU zu tun haben, dass dem CETA-Gericht die Auslegung des Unionsrecht nicht gestattet werden soll, weil dem EuGH durch das CETA keine Möglichkeit geboten wird, beispielsweise im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV. Nach dem Unionsrecht ist dies, wie bereits in einer Reihe von

252  Siehe hierzu EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  106–161. 253  Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), S.  7, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/ december/tradoc_151959.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 254  Art.  8.31 (2) CETA. 255  Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), S.  7, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/ december/tradoc_151959.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Entscheidungen des EuGHs entschieden wurde, ausschließlich dem EuGH vorbehalten.256 b) Der Bestandsschutz getätigter Investitionen vor rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen Die Regelungen zum Bestandsschutz getätigter Investitionen sind in den Art.  8.4 bis 8.13 CETA enthalten. Danach wird dem ausländischen Investor durch das CETA-Investitionsschutzkapitel insbesondere –  Schutz durch den Grundsatz gerechter und billiger Behandlung gemäß Art.  8.10 CETA (fair and equitable treatment), – der Anspruch auf vollen Schutz und Sicherheit nach Art.  8.10 CETA (full pro­ tection and security), – das Recht auf Entschädigung für Verluste durch besondere Umstände nach Art.  8.11 CETA (compensation for losses) und – Schutz vor entschädigungsloser Enteignung und enteignungsgleichen Maßnahmen nach Art.  8.11 CETA (direct and indirect expropriation) gewährt.257 Die Investitionsschutzregelungen des CETA sind insgesamt detaillierter geregelt, als die Investitionsschutzvorschriften in herkömmlichen BITs und MITs.258 Diese begrenzen gleichzeitig unter Berücksichtigung der Vorbehalte und Ausnahmen in Art.  8.2 (2) CETA, Art.  8.15 CETA und die Verweigerung von Handelsvorteilen in Art.  8.16 CETA für die CETA-Vertragsparteien den Umfang der Verpflichtungen zur Behandlung von Investitionen. Nach Art.  8.7 CETA (Meistbegünstigung) ist es den Investoren zudem nicht gestattet, materiell-rechtliche Bestimmungen aus anderen Übereinkünften (z. B. aus Verträgen der EU-Mitgliedstaaten), die ihren Interessen eher dienen würden, zu „importieren“ und in CETA-Streitbeilegungsverfahren geltend zu machen. Eine weitere Besonderheit weist das CETA zudem durch eine Vielzahl an Detailregelungen auf, die nicht mehr als Investitionsbehinderung gegenüber dem 256  Siehe

nur das aktuelle Achmea-Urteil des EuGHs, Urt. v. 06.03.2018, Rs. C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158 (Achmea); Europäische Kommission, Commission Staff Working Document: Report on Online public consultation on investment protection and investor-to-state dispute settlement (ISDS) in the Transatlantic Trade and Investment Partnership Agreement, SWD (2015), 3 final, 13.01.2015, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/ january/tradoc_153044.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe auch oben die Ausführungen zur Vereinbarkeit des CETA-Investitionsschutzkapitels unter 3. Kapitel B. 257  Siehe ausführlich zu den CETA-Bestandsschutzregelungen getätigter Investitionen bereits in 1. Kapitel B II 2 c) bb). 258  Siehe ausführlich zu den materiellen Schutzstandards herkömmlicher BITs und MITs oben in 1. Kapitel B II 2 c) aa).

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Gastgeberstaat geltend gemacht werden können. Beispielsweise regelt Art.  2.11 (4 d) CETA, dass Kanada die Einfuhr von Gebrauchtwagen aus der EU gegenüber Investoren verbieten darf, wenn diese nicht den kanadischen Sicherheitsund Umweltanforderungen genügen. Andererseits werden die CETA-Vertragsparteien durch Art.  20 CETA ausdrücklich zum Schutz bestimmter Waren und Gegenstände oder Erzeugnisse verpflichtet. Im Falle der Verletzung dieser Pflichten durch eine CETA-Vertragspartei besteht für den Investor ein Entschädigungsanspruch. c) Die Ausnahmevorschriften zum Schutz des gesetzgeberischen Handlungsspielraums Das CETA enthält eine ganze Reihe von Vorschriften, mit denen die Handlungsfreiheit des Gesetzgebers ausdrücklich vor Beschränkungen durch die CETA-Investitionsschutzvorschriften geschützt wird. Diese bestehen aus allgemeinen Ausnahmevorschriften sowie solchen, die sich auf spezielle Bereiche hoheitlicher Tätigkeit, wie das Steuerwesen, oder auf Finanzdienstleistungen beziehen, so dass dahingehend vorgenommene staatliche Schutzmaßnahmen nicht vor dem CETA-Gericht angefochten werden können, wenn sie einen Nachteil für einen ausländischen Investor darstellen. In diesem Sinne findet der Schutz des gesetzgeberischen Handlungsspielraums seinen Ausdruck vor allem durch Art.  8.9 CETA, der regelt, dass „(1) Für die Zwecke dieses Kapitels bekräftigen die Vertragsparteien ihr Recht, zur Erreichung legitimer politischer Ziele wie des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit, des Schutzes der Umwelt oder der öffentlichen Sittlichkeit, des Sozial- oder Verbraucherschutzes oder der Förderung und des Schutzes der kulturellen Vielfalt in ihrem jeweiligen Gebiet Regelungen zu erlassen. (2) Zur Klarstellung: Die bloße Tatsache, dass eine Vertragspartei – auch durch Änderung ihrer Gesetze – Regelungen in einer Art und Weise trifft, die sich auf eine Investition negativ auswirkt oder die Erwartungen eines Investors, einschließlich seiner Gewinnerwartungen, beeinträchtigt, stellt keinen Verstoß gegen eine Verpflichtung aus diesem Abschnitt dar.“

Die in Art.  8.9 (1) CETA genannten Regelungsziele und Schutzgüter sind demnach nicht abschließend geregelt.259 Zudem ist das Recht auf Regulierung der CETA-Vertragsparteien in Art.  8. 9 (1) und (2) CETA nicht ausdrücklich vorgesehen. Allerdings wird dem CETA-Gericht mit Art.  8.9 (1) und (2) CETA ein 259 

Siehe hierzu auch Europäische Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, ABl. L 11/1 vom 14.01.2017, S.  3, 5, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2017:011:FULL&from=DE (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), wo zusätzlich der Schutz von Privatsphäre und Datenschutz, Sozialdienstleistungen und öffentliches Bildungswesen genannt werden.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

klarer Maßstab vorgegeben, indem das Regulierungsrecht der CETA-Vertragsparteien bei der Anwendung und Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen ein besonderes Gewicht zukommen soll.260 Insbesondere hat der Investor im Sinne des Art.  8.9 CETA immer mit nicht-diskriminierenden, verhältnismäßigen Gesetzesänderungen zu rechnen.261 Zusätzlich wird der gesetzgeberische Handlungsspielraum durch weitere Ausnahmevorschriften geschützt,262 insbesondere durch – Art.  8.16 CETA (Verweigerung von Vorteilen), der wirtschaftliche Sanktionen zur Durchsetzung von Maßnahmen der kollektiven Sicherheit (wie EU oder UN-Sanktionen) zulässt, – Art.  28.3 (1) CETA (Allgemeine Ausnahmen), der die Einschränkung des Nicht-Dis­kriminierungsgebotes zum Schutz bestimmter öffentlicher Güter oder Rechte Dritter erlaubt, – Art.  28.3 (2) CETA (Allgemeine Ausnahmen), der das Nicht-Diskriminierungsgebot für notwendige Maßnahmen zum Schutz bestimmter Interessen einschränkt, wie den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, öffentliche Moral, Schutz von Gesundheit, Tieren oder Pflanzen, etc., – Art.  28.6 CETA (Nationale Sicherheit)263, der eine Ausnahme für solche Maßnahmen enthält, die zum Schutze der nationalen Sicherheit als erforderlich angesehen werden, – Art.  28.7 CETA (Besteuerung), wonach bestimmte Maßnahmen zur Besteuerung nicht als Verstoß gegen den Grundsatz gerechter und billiger Behandlung oder Nicht-Diskriminierungsvorschriften zu werten sind,264 und 260  Dieses sogenannte „right to regulate“ ist im CETA neben Art.  8.9 (1) und (2) CETA gleich mehrfach genannt. Es findet sich zusätzlich in zwei Beweggründen, Nr.  6 und Nr.  8 der Abkommenspräambel, und an verschiedenen Stellen in dem gemeinsamen Auslegungsinstrument der CETA-Vertragsparteien. Siehe Europäische Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, ABl. L 11/1 vom 14.01.2017, S.  3, 6 f., online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2017: 011:FULL&from =DE (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Siehe hierzu auch Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 71. 261  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 71. 262  Siehe hierzu ausführlich Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 70 ff. 263  Der in Teilen der Vorschrift in Art.  346 AEUV entspricht. 264  Siehe hierzu Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 72: „So ist insbesondere, in Anlehnung an Art.  65 Abs.  1 AEUV, gesichert, dass eine unterschiedliche Anknüpfung der Besteuerung an bestimmte personenrelevante Merkmale, wie den gewöhnlichen Aufenthalt oder den Investiti-

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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– Art.  13.16 (Aufsichtsrechtliche Ausnahmeregelungen), der Sonderregelungen für den Bereich der Finanzdienstleistung vorsieht und insbesondere den gesetzlichen Handlungsspielraum zum sogenannten „Prudential Carve-Out“ schützt, womit „umfangreiche Eingriffe in den Finanzdienstleistungssektor zum Schutz von Anlegern, zur Regulierung des Zahlungsverkehrs und grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen, zur Regulierung und Haftung von Finanzinstitutionen und zur Sicherstellung der Integrität und Stabilität des Finanzsystems als Ganzes“265 erlaubt sind.

d) Die mögliche Haftungseinschränkung und -erweiterung der CETAVertragsparteien durch den Gemischten CETA-Ausschuss Die Maßstabsweite durch die Vorgaben der materiellen Investitionsschutzregelungen des CETAs als Kompetenzgrenze des CETA-Gerichts sind nicht auf den derzeitigen Wortlaut zu beschränken. Sie legen die Maßstabsweite als Kompetenzgrenze nur grundsätzlich, aber nicht endgültig fest, weil der Gemischte CETA-Aus­schuss durch eine Reinterpretation der Investitionsschutzbestimmungen nach Art.  8.31 (3) CETA eine Haftungserweiterung oder -einschränkung der CETA-Vertragsparteien für Maßnahmen, die einen ausländischen Investor betreffen, vornehmen kann. Die Regelung in Art.  8.31 (3) CETA dient zwar grundsätzlich der Kontrolle und im Bedarfsfall der Korrektur der Rechtsprechung des CETA-Gerichts, falls durch dieses eine zu weite Auslegung vorgenommen wird, ohne ausreichende Berücksichtigung von Allgemeininteressen. Jedoch ist ebenso gut die Vornahme einer erweiternden Reinterpretation zugunsten des Investitionsschutzes möglich. Beispielsweise kann der Gemischte CETA-Ausschuss gemäß Art.  8.10 (3) CETA266 eine nachträgliche Erweiterung des Verständnisses des Grundsatzes der gerechten und billigen Behandlung vornehmen und dadurch eine Haftungserweiterung ausdrücklich bestimmen.267 onsort, zulässig ist (Abs.  1), ebenso wie Maßnahmen gegen Steuerumgehung und Steuerhinterziehung (Abs.  2) oder Steuervergünstigungen aufgrund der Gesellschafterstruktur (Abs.  4). Abs.  3 und 6 bestätigen zudem den Vorrang von Doppelbesteuerungsabkommen.“ 265  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 73. 266  Art.  8.10 (3) CETA (Behandlung von Investoren und erfassten Investitionen): „Die Vertragsparteien überprüfen regelmäßig oder auf Ersuchen einer Vertragspartei den Inhalt der Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung. Der nach Artikel 26.2 (Sonderausschüsse) Absatz 1 Buchstabe b eingesetzte Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen kann diesbezügliche Empfehlungen erarbeiten und sie dem Gemischten CETA- Ausschuss zur Beschlussfassung vorlegen.“ 267  Insoweit kann selbstverständlich auch eine Haftungserweiterung durch rechtsfortbildende Auslegung der investitionsschutzrechtlichen Standards durch das CETA-Gericht selbst erfolgen.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Das gleiche muss auch für die Rechtsprechung des CETA-Gerichts gelten, welche eine Haftungserweiterung durch die Vornahme einer rechtsfortbildenden Auslegung der Investitionsschutzregelungen regeln kann. Diese Möglichkeit ist mit Blick auf die ICSID-Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, in der eine maßgebliche Ausformung und Fortentwicklung der Investitionsschutzregelungen betrieben wurde, nicht abwegig.268 e) Gesamtwürdigung Dadurch, dass das CETA-Gericht den Verfahrensgegenstand ausschließlich an den Investitionsschutzregelungen des CETAs messen darf, und die darin präziser formulierten Investitionsschutzregelungen zum Bestandsschutz getätigter Investitionen, die umfangreichen Ausnahmevorschriften zum Schutz des gesetzgeberischen Handlungsspielraums sowie die Möglichkeit, die Investitionsschutzregelungen mittels des Gemischten CETA-Ausschusses weiter zu konkretisieren und dadurch beispielsweise den Haftungstatbestand der CETA-Vertragsparteien weiter einzugrenzen, hat eine Umkehr des von Aron Broches entwickelten Grundsatzes für die internationale Investor-Saat-Streitbeilegung von „procedure before substance“269 zu „substance before procedure“ stattgefunden. Das CETA-Gericht soll zwar noch rechtsschöpfend tätig werden und so das Investitionsschutzrecht entwickeln, ihm steht aber ein präziser ausgearbeiteter, rechtlicher Entscheidungsmaßstab zur Verfügung und das letzte Wort über das Verständnis einer Investitionsschutzregelung liegt bei den CETA-Vertragsparteien. Die Vorgaben, die das CETA-Investitionsschutzkapitel setzt und nach denen das CETA-Gericht den Verfahrensgegenstand im Rahmen seiner Rechtsprechung zu messen hat, sind nach Art.  31 (1) CETA ausdrücklich auf die Investitionsschutzregelungen des CETAs begrenzt. Zusätzlich darf das nationale bzw. innerstaatliche Recht der CETA-Vertragsparteien gemäß Art.  8.31 (2) CETA klarstellend nur als Tatsache herangezogen werden, was auch eine Vereinbarkeit der CETA-Investitionsstreitbeilegung mit der Unionsrechtsordnung gewährleisten soll. 268  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 77. 269  „The first step was to establish procedures for dispute settlement, and substantive law would follow in the praxis of applying the law.“ Mit diesem Grundsatz propagierte Aron Bro­ ches, der damalige General Counsel der Weltbank, in den 1960er Jahren die Investor-StaatSchieds­gerichtsbarkeit zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten nach der Formel „procedure before substance“. Nach dieser Formel besteht der erste Schritt darin, Verfahren zur Streitbeilegung einzuführen, und das materielle Recht würde in der Praxis der Anwendung der Regelungen im Sinne einer Rechtsfortbildung durch die Schiedsgerichte folgen. Vgl. hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  9.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Zwar sind die Rechtsbegriffe der CETA-Investitionsschutzvorschriften, die insbesondere in den Art.  8.4 bis 8.13 CETA geregelt sind, überwiegend unbestimmt und generell formuliert, so dass dem CETA-Gericht bei der Anwendung und Auslegung der Regelungen sowohl auf Tatbestandsseite, als auch auf Rechtsfolgenseite ein überaus großer Ermessensspielraum zugewiesen wurde.270 Im Vergleich zu herkömmlichen BITs und MITs hat allerdings gleichwohl eine detailliertere Regelung der investitionsschutzrechtlichen Standards durch das CETA stattgefunden. Zudem sind auch eine Reihe an generellen und besonderen Ausnahmevorschriften festgelegt worden271, die die Handlungsfreiheit des Gesetzgebers ausdrücklich vor Beschränkungen durch die CETA-Investitionsschutzvorschriften schützen. Dahingehend vorgenommene staatliche Schutzmaßnahmen der CETA-Vertragsparteien, die einen Nachteil für einen ausländischen Investor darstellen, können nicht vor dem CETA-Gericht angefochten werden. Schließlich ist die durch die CETA-Investitionsschutzvorschriften vorgegebene Maßstabsweite als Kompetenzgrenze nur grundsätzlich, aber nicht endgültig festgelegt, weil sowohl der Gemischte CETA-Ausschuss durch eine Reinterpretation der Investitionsschutzbestimmungen nach Art.  8.31 (3) CETA als auch das CETA-Gericht durch seine Rechtsprechung eine Haftungserweiterung oder -einschränkung der CETA-Vertragsparteien für Maßnahmen, die einen ausländischen Investor betreffen, vornehmen können. Insoweit liegt diesbezüglich aber die Deutungshoheit über die Investitionsschutzregelungen bei den CETA-Vertragsparteien und nicht, wie in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, bei dem CETA-Ge­richt.

III. Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts Die Entscheidungskompetenz des CETA-Gerichts liegt in Fällen, die einen Bezug zu ausländischen Investitionen aufweisen müssen. Aus diesem Grund kann auch nur ein ausländischer Investor eine Klage bei dem CETA-Gericht einreichen. Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts wird daher erst durch einen Rechtsstreit eröffnet, der zugleich eine besondere Qualifikation aufweisen muss: Er muss im Investitionsschutzrecht des CETAs wurzeln, weil Normen des CETAInvestitions­schutzes einschlägig sind. Wie auch sonst gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Für das CETA-Gericht gilt aber zusätzlich: Wo kein Streit über das CETA-Investitionsschutzrecht, da keine Zuständigkeit. 270  In diesem Sinne sind nach Art.  8.31 (1) CETA bei der Anwendung und Auslegung der CETA-Investitionsschutzbestimmungen die Auslegungsregeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) sowie andere zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Regelungen und Grundsätze zu berücksichtigen. 271  Siehe insbesondere Art.  8.9, 8.16, 13.16, 28.3, 28.6, 28.7 CETA.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

In diesem Sinne ist die Zuständigkeit des CETA-Gerichts, abgesehen davon, dass es sich bei dem Antragsteller um einen „Investor“ handeln und der Streitgegenstand eine „Investition“ betreffen muss (die in Übereinstimmung mit dem anwendbaren Recht ist und nicht unrechtmäßig getätigt wurde), durch Art.  8.18 (1) CETA (Geltungsbereich) eng begrenzt. Das CETA-Gericht darf nur über Maßnahmen der CETA-Vertragsparteien entscheiden, durch welche die Verletzung einer Pflicht der CETA-Vertragsparteien aus Kapitel 8 Abschnitt C (Diskriminierungsfreie Behandlung) oder nach Abschnitt D (Investitionsschutz) CETA gerügt wurde.272 Art.  8.18 (5) CETA gibt dies noch einmal ausdrücklich vor, wonach das CETA-Gericht „nicht über Klagen [entscheiden darf], die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Artikels [(Art.  8.15 CETA)] liegen“. Zudem darf ein ausländischer Investor Maßnahmen des Gastgeberstaates nicht generell anfechten, weil der Wortlaut des Art.  8.18 (1) CETA ergibt, dass eine Klage wegen einer Maßnahme Kanadas, der EU oder eines EU-Mitgliedstaates nur dann gemäß Art.  8.23 CETA erhoben werden darf, wenn der Investor nachweisen kann, dass ihm diese Maßnahme einen Schaden verursacht hat. Diesbezüglich definiert Art.  1.1 CETA den Begriff der „Maßnahme“ als „ein Gesetz, eine sonstige Vorschrift, eine Regel, ein Verfahren, einen Beschluss, Verwaltungshandeln, eine Auflage, eine Praxis oder jede andere Form von Maßnahme einer Vertragspartei“.

Das CETA-Gericht hat folglich über Klagen gegen einen Gastgeberstaat zu entscheiden, deren Streitgegenstand jegliche Handlung oder Verhaltensweise des Gastgeberstaates sein kann, die nach Art.  8.2 CETA in Verbindung mit Kapitel 8. Abschnitte C, D und F des CETAs eine Maßnahme „in Bezug auf eine erfasste Investition“ im Sinne von Art.  8.1 CETA oder „in Bezug auf einen Investor der anderen Vertragspartei“, was die erfasste Investition angeht, darstellt.273 Dabei muss der Gegenstand der Klage zwar eine Maßnahme in Bezug auf den Kläger oder seine Investition sein. Es ist nach dem CETA aber nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine allgemein geltende Maßnahme handelt oder durch diese ein 272  Die Investitionsschutzbestimmungen des CETAs verankern diesbezüglich Grundprinzipien, wie Nicht-Diskriminierung oder Enteignung, nur wegen öffentlicher legitimer Zwecke und gegen eine angemessene Entschädigung sowie gerechter und billiger Behandlung. Auch bei Verstößen gegen die Vorgaben nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung (Art.  8.18 (1) i. V. m. Art.  8.7 (4) CETA, „most-favored-nation treatment“) wird keine Investor-Staat-Streitbeilegung vor dem CETA-Gericht möglich sein. Dieser Ausschluss könnte wichtige und positive praktische Auswirkungen mit sich bringen. Siehe hierzu auch Reinisch, Putting the Pieces Together … an EU Model BIT?, in: JWIT, Bd.  15 (3–4) (2014), S.  679, 695 (zwar verweist Reinisch auf einen früheren Entwurf des CETAs aus dem Jahr 2014, da allerdings die relevanten Regelungen des CETAs mit dem Entwurf von 2014 identisch sind, kann die Auslegung von Reinisch hier berücksichtigt werden). 273  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  142.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Rechtsakt mit allgemeiner Geltung umgesetzt wird (soweit dadurch der Eintritt eines Schadens für den Investor eingetreten ist, den dieser nachzuweisen hat).274 Im Umkehrschluss sind damit solche Ansprüche von der Zuständigkeit des CETA-Gerichts ausgeschlossen, die außerhalb des Anwendungsbereichs des ­CETAs liegen.275 Diesbezüglich sind in Art.  8.15 CETA zusätzliche Vorbehalte und Ausnahmen geregelt, die nicht von den Investitionsschutzvorschriften des CETAs umfasst sind.276 Unter die Zuständigkeit des CETA-Gerichts fällt insbesondere auch nicht die Überprüfung nationaler Gerichtsentscheidungen, da das CETA-Gericht nach Art.  8.31 CETA nur die Regelungen des CETA-Abkommens für seine Entscheidungsfindung anwenden und auslegen darf.277 Nationale Regelungen oder deren Auslegung durch nationale Gerichte sind nur als „Tatsache“ heranzuziehen.278 Im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit mit ihrem Art.  25 ICSID Übrk. („Jurisdiction of the [ICSID-]Center“) lassen sich daher deutlich höhere Anforderungen an die Begründung der Gerichtsgewalt des CETA-Gerichts feststellen. Das CETA hat allerdings mit dem ICSID-Übereinkommen gemeinsam, dass sich die Zuständigkeitsvoraussetzungen unter dem CETA wie nach Art.  25 ICSID Übrk. ebenfalls grob in die Zuständigkeit ratio voluntas (1.), ratio perso­ nae (2.) sowie ratio materiae (3.) untergliedern lassen. Anders als beim ICSIDÜber­einkommen verlangt das CETA aber noch weitere, besondere Zuständigkeitsvoraussetzungen (4.). Liegen schließlich alle Voraussetzungen zur Begründung der Zuständigkeit des CETA-Gerichts vor, sind besondere Rechtsfolgen für das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren zu beachten (5.). 274 

EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  143. Wie beispielsweise das Begehren eines Investors auf die Vornahme, die Anpassung oder das Unterlassen einer Maßnahme des Gastgeberstaates. 276  Z. B. die in Art.  8.15 (5) CETA vorgenommenen Ausnahmen: „Die Artikel 8.4, 8.6, 8.7 und 8.8 gelten nicht für a) Beschaffungen von Waren oder Dienstleistungen durch eine Vertragspartei, sofern die Waren und Dienstleistungen für öffentliche Zwecke beschafft werden und nicht zur gewerblichen Weiterveräußerung oder zur Nutzung bei der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen zur gewerblichen Veräußerung bestimmt sind, unabhängig davon, ob es sich um „erfasste Beschaffungen“ im Sinne des Artikels 19.2 (Geltungsbereich) handelt oder nicht, oder b) von einer Vertragspartei gewährte Subventionen oder öffentliche Unterstützung im Zusammenhang mit dem Dienstleistungshandel.“ Siehe auch ausführlicher zu den Ausnahmen oben, unter 3. Kapitel C II 3 c). 277  Siehe insoweit auch Art.  8.18 (5) CETA. 278  Art.  8.31 (2) CETA. Zur Klarstellung wurde auch im Anhang 8-D CETA, Gemeinsame Erklärung zu Artikel 8.12 (6), erklärt: „Da das Gericht für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten […] keine Rechtsbehelfsinstanz gegen Urteile innerstaatlicher Gerichte der Vertragsparteien ist, […].“ 275 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

1. Die Zuständigkeit ratio voluntas Um eine Streitigkeit nach dem CETA beizulegen, bedarf es der Zustimmung der Streitparteien, sich der Jurisdiktion des CETA-Gerichts zu unterwerfen. In Bezug auf die Zustimmung der Streitparteien regelt Art.  8.25 CETA: „(1) Der Beklagte stimmt einer Beilegung der Streitigkeit durch das Gericht nach dem in diesem Abschnitt beschriebenen Verfahren zu. (2) Die Zustimmung nach Absatz 1 und die Einreichung einer Klage beim Gericht nach diesem Abschnitt erfüllen die Anforderungen a) des Artikels 25 des ICSID-Übereinkommens und von Schedule C Kapitel II der ICSID-Regeln über die Zusatzeinrichtung hinsichtlich der schriftlichen Zustimmung der Streitparteien und b) des Artikels II des New Yorker Übereinkommens hinsichtlich einer schriftlichen Vereinbarung.“

In Art.  8.25 (1) CETA ist damit im Rahmen des Investitionsschutzkapitels die ausdrückliche Zustimmung des beklagten Staates zur Streitbeilegung durch das CETA-Gericht gegeben. Beklagter ist nach Art.  8.1 CETA „Kanada oder im Falle der Europäischen Union in Anwendung des Art.  8.21 CETA entweder der betreffende Mitgliedstaat der Europäischen Union oder die Europäische Union“, also eine Vertragspartei zum CETA. Es handelt sich damit um ein Angebot der jeweiligen Vertragspartei zur Streitbeilegung unter dem CETA-Gericht.279 Das stellt wiederum einen Unterschied zum Standardmodell der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem ICSID-Übereinkommen dar. Das ICSID-Übereinkommen bietet in dieser Hinsicht umfassendere Verfahrensregelungen an: Sowohl der Investor als auch der Staat müssen nach Art.  25 (1) ICSID Übrk. der Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts zugestimmt haben.280 Der letzte Paragraph der Präambel des ICSID-Übereinkommens stellt dies ausdrücklich durch die Aussage klar, dass „no Contracting State shall by the mere fact of its ratification, acceptance or approval of this Convention and without its consent be deemed to be under any obligation to submit the particular dispute to conciliation or arbitra­ tion.“281 Allein die Tatsache, eine Vertragspartei zum ICSID-Übereinkommen zu sein, stellt demnach aber im Vergleich zum CETA noch kein Angebot zur Streitbeilegung nach den Regeln des Abkommens dar. Eine Zustimmung muss vielmehr noch ad hoc erteilt werden oder ist beispielsweise in einem Investor-Staat-Vertrag vereinbart worden (der dann eine entsprechende Schiedsklau279 

Es handelt sich damit um dieselbe Bestimmung wie in Art.  1122 NAFTA (Consent to Arbitration). Wörtlich auch fast identisch zu Art.  1122 NAFTA, der auch ähnlich in Art.  14.D.4. USMCA (Consent to Arbitration) übernommen wurde. 280  Siehe dazu ausführlich oben, unter 2. Kapitel B. III. 1. 281 Online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Documents/resources/2006%20 CRR_English-final.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), S.  11.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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sel enthalten würde).282 Anders dagegen und dem CETA ähnlich, unterwerfen sich Vertragsstaaten eines bilateralen Investitionsschutzabkommens generell der Zuständigkeit des ICSID, so dass der Investor, wie beim CETA, direkt die Möglichkeit erlangt, das ICSID anzurufen.283 In Art.  8.25 (2) CETA wird allerdings klargestellt, dass die Zustimmung der Streitparteien unter der Bedingung erfolgt, dass die Einreichung der Klage durch den Investor den Voraussetzungen des Investitionsschutzkapitels des CETAs entsprechen muss. Damit müssen durch die Einreichung der Klage des Investors beispielsweise zum einen die in Art.  8.18 CETA (Geltungsbereich) vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sein. Außerdem ist es erforderlich, dass eine Klage durch den Investor gemäß Art.  8.23 (1) (a) oder (b) CETA eingereicht wurde sowie alle Voraussetzungen und Formalitäten gemäß Art.  8.19 CETA (Konsultationen), 8.21 CETA (Feststellung des Beklagten), 8.22 CETA (Verfahrens- und sonstige Vorschriften) für die Einreichung einer Klage beim CETA-Gericht, erfüllt sind. Werden diese Voraussetzungen vom Kläger erfüllt, sind die in Art.  8.25 CETA geregelten Voraussetzungen gegeben und die Zustimmung der CETA-Vertragsparteien zum Streitbeilegungsverfahren unter dem CETA-Gericht ist erteilt.284 Gleichzeitig wird in Art.  8.25 (2) CETA klargestellt, dass die Zustimmung durch den Gastgeberstaat und die Klage des Investors die Anforderungen des Art.  25 ICSID Übrk., der relevanten ICSID Additional Facility Rules in Schedule C Kapitel II und den Voraussetzungen des Art. II New York Übereinkommen hinsichtlich der schriftlichen Vereinbarung erfüllt.285 282 Vgl.

Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, S.  207, Rn.  664. So regelt beispielsweise der deutsche Mustervertrag in Art.  10 (2): „Kann die Meinungsverschiedenheit innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch eine der beiden Streitparteien nicht beigelegt werden, so wird sie auf Verlangen des Investors des anderen Vertragsstaats einem Schiedsverfahren unterworfen. Beide Vertragsstaaten erklären hiermit ihre uneingeschränkte und bindende Zustimmung., dass die Streitigkeit nach Wahl des Investors vorgelegt bzw. unterworfen wird: 1. einem Schiedsverfahren im Rahmen des Übereinkommens vom 18.März 1965 zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten unterworfen […].“ 284  Vgl. dazu den Fall unter dem NAFTA: Resolute Forest Products Inc. vs the Government of Canada, PCA Case No.  2016-13, Canada Reply Memorial on Jurisdiction, 27.03.2017, Rn.  11, wo das Schiedsgericht anerkannte, dass die Einwilligung zu einem Schiedsverfahren nach Art.  1122 NAFTA nur dann vorliegt, wenn der Kläger nachweist, dass „(1) that Chapter Eleven applies in the first place, i.e. that the requirements of Article 1101 [NAFTA] are met, and (2) that a claim has been brought by a claimant investor in accordance with Articles 1116 or 1117 (and that all pre-conditions and formalities required under Articles 1118–1121 [NAFTA] are satisfied). Where these requirements are met by the claimant, Article 1122 [NAFTA] is satisfied, and the NAFTA Party’s consent to arbitration is established.“ 285  Siehe hierzu Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S.  254 ff.; Van 283 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

2. Die Zuständigkeit ratio personae Die Parteien in einem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren sind auf der einen Seite der ausländische Investor einer Vertragspartei als Kläger nach Art.  8.23 (1) CETA und zum anderen nach Art.  8.1 CETA eine der Vertragsparteien, also Kanada, die EU oder ein Mitgliedstaat der EU, als Beklagter. Ein Gastgeberstaat kann daher nicht beim CETA-Gericht Klage gegen einen ausländischen Investor einreichen, beispielsweise wegen der Verletzung eventueller vermeintlicher Verpflichtungen gegenüber dem Gastgeberstaat. a) Der ausländische private Investor als Kläger Der Anwendungsbereich des Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens des ­CETAs ist nur dann eröffnet, wenn es sich bei dem Kläger um einen Investor handelt, der nach Art.  8.1 CETA folgende Qualifikationen verkörpern muss: „Investor eine Vertragspartei, eine natürliche Person oder ein Unternehmen einer Vertragspartei – ausgenommen Zweigniederlassungen oder Repräsentanzen –, die oder das eine Investition im Gebiet der anderen Vertragspartei tätigen möchte, tätigt oder getätigt hat.“

Des Weiteren wird für die Zwecke der Begriffsbestimmung des Investors im CETA der Ausdruck Unternehmen bezeichnet als: „a) ein nach dem Recht dieser Vertragspartei gegründetes oder organisiertes Unternehmen, das im Gebiet dieser Vertragspartei wesentliche Geschäftstätigkeiten unterhält, oder b) ein nach dem Recht dieser Vertragspartei gegründetes oder organisiertes Unternehmen, das direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle einer natürlichen Person dieser Vertragspartei oder eines Unternehmens nach Buchstabe a steht, gebietsansässiges Unternehmen eine nach dem Recht des Beklagten gegründete oder organisierte juristische Person, die direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle eines Investors der anderen Vertragspartei steht.“ (Kursivierung hinzugefügt)

und der Ausdruck der natürlichen Person als eine: „a) im Falle Kanadas eine natürliche Person, bei der es sich um einen Bürger oder einen dauerhaft Gebietsansässigen (Permanent resident) Kanadas handelt, und b) im Falle der EU-Vertragspartei eine natürliche Person, welche die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union nach dessen jeweiligen Gesetzen besitzt und im Falle Lettlands auch eine dauerhaft in der Republik Lettland gebietsansässige natürliche Person, die kein Bürger der Republik Lettland oder eines anderen Staates ist, aber nach den Gesetzen und sonstigen Vorschriften der Republik Lettland Anspruch auf einen Nichtbürgerpass hat.“

Damit gilt auch für den Investitionsschutz des CETAs, dass sich der Investor nur dann auf das CETA berufen kann, wenn er nachweist, dass er die Nationalität von den Berg, The New York Convention of 1958, Towards a Uniform Judicial Interpretation, S.  170 ff.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Kanada oder einem Mitgliedstaat der EU hat. Abgesehen von dieser Anforderung ist die Definition des Investors im CETA insgesamt weit gefasst und setzt keine weitere besondere Qualifikation des Investors voraus, um Zugang zum Streitbeilegungssystem unter dem CETA zu erlangen.286 In seinem Anwendungsbereich ist der Begriff des Investors dennoch (etwas) enger geregelt als der persönliche Anwendungsbereich des Art.  25 (1) und (2) ICSID Übrk.287. Mit der Vertragspartei ist gemäß Art.  1.1 CETA Kanada, die Europäische Union oder ein Mitgliedstaat der EU gemeint. Eine natürliche Person hat gemäß Art.  8.1 CETA Zugang zum Investor-Staat-Streitbeilegungssystem unter dem CETA, wenn diese im Falle Kanadas ein Bürger oder ein dauerhafter Gebietsansässiger Kanadas (permanent resident) ist und im Falle der EU-Vertragspartei die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU nach dessen jeweiligen Gesetzen besitzt. Ein Unternehmen ist als Investor nach Art.  8.1 CETA zu verstehen, wenn es nach dem Recht und in dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei (z. B. Kanada) gegründet oder organisiert wird, das im Gebiet dieser Vertragspartei „wesentli­ che Geschäftsbeziehungen“ (Kursivierung hinzugefügt) innehält. Demnach muss ein Unternehmen formal die Voraussetzungen der Sitz- oder Gründungstheorie erfüllen sowie zusätzlich die wesentlichen Geschäftstätigkeiten im Gebiet der Vertragsparteien unterhalten. Dadurch werden sogenannte Briefkastenfirmen („mailbox companies“) von der Möglichkeit ausgeschlossen, von dem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETAs Gebrauch zu machen.288 Dies wird dadurch gewährleistet, dass solche Briefkastenfirmen bzw. Unternehmen an ihrem offiziellen Firmensitz keine Büros, Fabriken oder echten Angestellten vorweisen, sondern lediglich einen Briefkasten mit der dazugehörigen Adresse.289 Eine Briefkastenfirma erfüllt zwar die formellen Voraussetzungen der Gründungs- bzw. Sitztheorie, sollte aber nicht die Voraussetzung der „wesentlichen Geschäftstätigkeit“ in dem Gebiet der Vertragspartei (z. B. Mitgliedstaat der EU) erfüllen. Was genau allerdings unter „wesentlichen Geschäftstätigkeiten“ zu verstehen ist, wird im CETA nicht näher erklärt. In einer Erklärung der 286 

Bernasconi-Osterwalder/Mann, A Response to the European Commission’s December 2013 Document „Investment Provisions in the EU-Canada Free Trade Agreement (CETA), S.  12 (Die Definition der Investition in Art.  8.1 CETA in der endgültigen CETA-Version von 2016 ist nahezu identisch mit der CETA-Version von 2014, so dass dieser Text auch für die endgültige CETA-Version relevante Argumente beinhaltet). 287  Siehe zum persönlichen Anwendungsbereich des Art.  25 ICSID Übrk. oben, unter 2. Kapitel B. III. 2. 288  Ratz, International and European Law Problems of Investment Arbitration involving the EU, S.  239. 289 So Mühlauer/Obermaier/Wormer, In die Grauzone fällt jetzt Licht, in: SZ vom 04.07.2017.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Europäischen Kommission zu den Investitionsschutzbestimmungen des CETAs wird dagegen angemerkt, dass ein „Unternehmen tatsächliche Geschäftstätigkeiten auf dem Gebiet einer der Vertragsparteien ausüben“290 müsse, was keine großen Anforderungen an eine Qualifikation zum Investor stellt und dementsprechend äußerst umfassend ist. Alternativ zu der Voraussetzung der wesentlichen Geschäftstätigkeit im Gebiet der Vertragspartei besteht die Qualifikation zum Investor, wenn das Unternehmen direkt oder indirekt im Eigentum oder der Kontrolle einer natürlichen Person einer Vertragspartei oder eines Unternehmens nach Art.  8.1 CETA steht. b) Kanada, die EU oder ein EU-Mitgliedstaat als Beklagter Nach der Begriffsbestimmung in Art.  8.1 CETA ist Beklagter in dem InvestorStaat-Streit­beilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht „Kanada oder im Falle der Europäischen Union in Anwendung des Art.  8.21 CETA entweder der betreffende Mitgliedstaat der Europäischen Union oder die Europäische Union.“

In diesem Sinne stellt Art.  8.21 CETA eine einzigartige Bestimmung dar und regelt für einen (kanadischen) Investor als Kläger ein sogenanntes Verfahren zur Feststellung des Beklagten bei Streitigkeiten mit der Europäischen Union oder ihren Mitgliedstaaten, da hier bei der entsprechenden Maßnahme des Hoheitsträgers gegenüber dem (kanadischen) Investor nicht eindeutig sein muss, ob die Europäische Union oder der entsprechende EU-Mitgliedstaat, in welchem der (kanadische) Investor seine Investition getätigt hat, für die Maßnahme verantwortlich ist. Das in Art.  8.21 CETA festgelegte Verfahren zur Bestimmung des „richtigen“ Beklagten dient also dem Zweck, mögliche Fragen der Zuständigkeit des Gerichts in Bezug auf den „richtigen“ Beklagten zu klären. Die Feststellung des Beklagten ist nach Art.  8.22 CETA zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage beim CETA-Gericht. Eine dem Art.  8.21 CETA ähnliche Regelung ist im ICSID-Übereinkommen nicht enthalten und abgesehen vom EU-Vietnam TIA auch in anderen internationalen Investitionsschutzabkommen und -verträgen dem Autor nicht bekannt.291 Allerdings wurde bereits zuvor bei Investitionsstreitigkeiten mit der EU ein ähnliches Verfahren zur Bestimmung des Beklagten in einer schriftlichen Erklärung der (damaligen) Europäischen Gemeinschaften an das Sekretariat des Vertrags über den Ener290  Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), S.  3, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/ december/tradoc_151959.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 291  Lediglich im „neuen“ EU-Vietnam TIA existiert mit Art.  3.32 (2) EU-Vietnam TIA (Notice of intent to submit a claim), eine ähnliche Vorschrift.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

359

giecharta-Vertrag nach Art.  26 (3) (b) (ii) ECT festgelegt.292 In Electrabel SA gegen Ungarn handelte die Europäische Gemeinschaft als amicus curiae und argumentierte, dass der Kläger auf ein Verfahren zur Feststellung des Beklagten hätte zurückgreifen müssen und dass sein Versäumnis bedeuten würde, wissentlich das Risiko eingegangen zu sein, die Klage gegen den falschen Beklagten oder vor dem falschen Streitbeilegungsforum zu erheben.293 Die Feststellung des „richtigen“ Beklagten zu Beginn eines Investor-StaatStreit­beilegungsverfahrens ist demnach ein entscheidender Aspekt. Sollte sich der Kläger über den Beklagten irren, könnte das CETA-Gericht entscheiden, dass ihm die Zuständigkeit für den „richtigen“ Beklagten fehlt oder der endgültige Urteilsspruch nicht vollstreckbar ist. aa) Ein Verfahren zur Feststellung des Beklagten bei Streitigkeiten mit der Europäischen Union oder ihren Mitgliedstaaten Nach Art.  8.21 (1) und (2) CETA muss der Investor, wenn nach Ablauf von 90 Tagen nach Einreichung des Konsultationsantrags (Art.  8.19 CETA) die Streitigkeit nicht beigelegt worden ist, der EU ein Ersuchen übermitteln, in dem er um eine Feststellung des Beklagten bittet sowie zusätzlich die Maßnahmen aufführt, wegen denen der Investor beabsichtigt, eine Klage vor dem CETA-Gericht anzustrengen.294 Die EU wird anschließend gemäß Art.  8.21 (3) CETA entscheiden, ob es sich bei den vom Kläger angegriffenen Maßnahmen um solche der EU oder eines EU-Mitgliedstaats handelt.

292 

Siehe zum „written statement submitted by the european communities to the secretariat of the energy charter, pursuant to Art.  26 (3) (b) (ii) ECT“, Electrabel SA vs Republic of Hun­ gary, ICSID Case No ARB/07/19, Award, 25.11.2015, Rn.  3.18: „The Communities and the Member States will, if necessary, determine among them who is the respondent party to arbi­ tration proceedings initiated by an Investor of another Contracting Party. In such case, upon the request of the Investor, the Communities and the Member States concerned will make such determination within a period of 30 days“. 293  Electrabel SA vs Republic of Hungary, ICSID Case No ARB/07/19, Award, 25.11.2015, Rn.  3.19 ff. 294  Art.  8.21 (1) CETA: „Wenn die Streitigkeit nicht innerhalb von 90 Tagen nach Übermittlung des Ersuchens um Konsultationen beigelegt werden kann, das Ersuchen einen angeblichen Verstoß gegen dieses Abkommen seitens der Europäischen Union oder eines Mitgliedstaats der Europäischen Union betrifft und der Investor beabsichtigt, eine Klage nach Artikel 8.23 einzureichen, so übermittelt der Investor der Europäischen Union ein Ersuchen um Feststellung des Beklagten.“ Art.  8.21 (2) CETA: „In dem Ersuchen nach Absatz 1 sind die Maßnahmen anzugeben, in Bezug auf die der Investor eine Klage anzustrengen beabsichtigt.“

360

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Auch ist nach Art.  8.21 CETA die Rechtsfolge bei der Bestimmung des Beklagten bedeutend und sieht unter anderem in Art.  8.21 (6) CETA vor, dass die EU sowie der EU-Mitgliedstaat – nicht die Unzulässigkeit der Klage geltend machen können, – nicht die Unzuständigkeit des Gerichts geltend machen können oder – anderweitig geltend machen können, dass die Klage oder der Urteilsspruch des CETA-Gerichts unbegründet oder ungültig ist, weil der richtige Beklagte die EU und nicht der EU-Mitgliedstaat sein sollte, oder umgekehrt.295 Entscheidet später das CETA-Gericht, dass sich die Feststellung der EU über den Beklagten als falsch herausstellt oder sollte der Investor keine Mitteilung über die Feststellung des Beklagten erhalten haben, dient Art.  8.21 (6) CETA als eine Art „Salvatorische Klausel“ die EU wird einer Verpflichtung gegenüber dem Investor nämlich soweit nachkommen, als ob sie die richtige Beklagte wäre, wenn durch das CETA-Gericht ein Urteilsspruch gegen sie ergeht.296 Erst in einem zweiten Schritt wird die EU dann wegen der getätigten Leistung auf die Verpflichtung gegenüber dem Investor von ihrem Mitgliedstaat bzw. dem „richtigen“ Beklagten Schadensersatz in Höhe der geleisteten Entschädigung geltend machen. Diese Vorgehensweise ergibt sich aus der EU-Verordnung 912/2014 über die Zuweisung der finanziellen Verantwortung für die Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Investoren und Staaten im Rahmen von EU-Investitionsabkommen.297 295  Art.  8.21

(6) CETA: „Handelt es sich bei dem nach Absatz 3 festgestellten beziehungsweise nach Artikel 4 bestimmten Beklagten um die Europäische Union oder einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, so kann weder die Europäische Union noch der betreffende Mitgliedstaat der Europäischen Union – unter Berufung darauf, dass der Beklagte nicht ordnungsgemäß nach Absatz 3 festgestellt oder in Anwendung des Absatzes 4 bestimmt worden sei – die Unzulässigkeit einer Klage oder die Unzuständigkeit des Gerichts geltend machen oder eine sonstige Einwendung gegen die Klage oder den Urteilsspruch erheben.“ 296  Art.  8.21 (4) CETA: „Wird dem Investor nicht innerhalb von 50 Tagen nach seinem Ersuchen um Feststellung des Beklagten mitgeteilt, wer als Beklagter ermittelt wurde, gilt Folgendes: a) Handelt es sich bei den im Ersuchen genannten Maßnahmen ausschließlich um Maßnahmen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, so ist dieser Mitgliedstaat der Beklagte, b) umfassen die in dem Ersuchen genannten Maßnahmen auch Maßnahmen der Europäischen Union, so ist die Europäische Union die Beklagte.“ Art.  8.21 (5) CETA: „Der Investor kann auf der Grundlage der Feststellung des Beklagten nach Absatz 3 oder, falls er keine Mitteilung über die Feststellung des Beklagten erhalten hat, in Anwendung des Absatzes 4 eine Klage nach Artikel 8.23 einreichen.“ 297  Verordnung (EU) Nr.  912/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014 zur Schaffung der Rahmenbedingungen für die Regelung der finanziellen Verantwortung bei Investor-Staat-Streitigkeiten vor Schiedsgerichten, welche durch internationale

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

361

Wenn sowohl gegen Maßnahmen der EU als auch der Mitgliedstaaten vorgegangen wird, ist nach Art.  8.21 (4) CETA die EU die Beklagte. Bei ihrer Entscheidung darüber, wer Beklagter ist, stimmt sich die EU intern mit ihren Mitgliedstaaten ab. In dieser Hinsicht ist Art.  8.21 CETA am besten im Lichte der EU-Verordnung 912/2014 zu lesen, die es einem Mitgliedstaat auch erlaubt, die EU aufzufordern, an seiner Stelle als Beklagte aufzutreten.298 Die Verordnung sieht ferner vor, dass die EU unter bestimmten Umständen einseitig anordnen kann, dass sie und nicht der Mitgliedstaat die Beklagte ist.299 Sollte die EU jedoch nicht den Antragsteller innerhalb der Frist von 50 Tagen über eine Feststellung des Beklagten informieren, liegt es an dem Investor, die vom CETA bestimmte Vorgehensweise in Art.  8.21 (4) (a) und (b) CETA korrekt auszulegen. Handelt es sich ausschließlich um Maßnahmen eines bestimmten EU-Mitgliedstaates, ist nach Art.  8.21 (4) (a) CETA dieser der Beklagte. Umfassen die in dem Ersuchen des Investors genannten Maßnahmen dagegen auch solche der EU, dann ist nach Art.  8.21 (4) (b) CETA die EU die Beklagte. Allerdings schweigt das CETA darüber, was unter einer „Maßnahme“ im Sinne des Art.  8.21 CETA zu verstehen ist. Der Vertragstext des CETAs gibt zudem auch darüber keine näheren Angaben, was passiert, wenn die EU ihre Entscheidung nach 50 Tagen trifft, aber vor Ablauf der 90 Tage nach Art.  8.22 (1) (b) CETA, bevor eine Klage beim Gericht eingereicht werden kann. Diesbezüglich wäre eine eindeutige Positionierung hilfreich, weil sich beispielsweise die Frage stellt, ob der Kläger gemäß Art.  8.21 (4) CETA dazu verpflichtet ist, die Entscheidung Übereinkünfte eingesetzt wurden, bei denen die Europäische Union Vertragspartei ist, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32014R0912 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 298  Vgl. Verordnung (EU) Nr.  912/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014, Rn. (10) f. 299  Für eine Erörterung der Umstände, in denen „die EU in die Schuhe des Mitgliedstaates schlüpft“, siehe Brozolo/Iorio, Arbitration Under Investment Protection Agreements Between The EU and Non-Member States (2015), S.  19–22, online abrufbar unter: https://papers.ssrn. com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2593339 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): Die Europäische Kommission kann sich dazu entscheiden, als Beklagte im ISDS-Verfahren aufzutreten, entweder weil die EU zumindest wegen einer Maßnahme eine finanzielle Verantwortung für den vorgeworfenen Verstoß gegen das Investitionsschutzabkommen tragen würde oder weil der Streit auch die Handlungen von Institutionen der EU betrifft. Wenn die EU an die Stelle des Mitgliedstaates tritt, sieht die Verordnung vor, dass die EU den Mitgliedstaat konsultieren und seine Interessen im Auge behalten muss, Art.  6 (1) der Verordnung (EU) Nr.  912/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014. Die Verordnung sieht ferner vor, dass die EU die finanzielle Verantwortung für die Durchführung des Falles trägt, sich dann aber an den Mitgliedstaat wenden kann, um eine Ausgleichszahlung zugunsten des EU-Haushalts zu fordern. Art.  19 der Verordnung (EU) Nr.  912/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

der EU gegenüber seiner eigenen Entscheidung zu akzeptieren, obwohl er nicht mit der Entscheidung der EU einverstanden ist. Wobei es wahrscheinlich klug wäre, die Entscheidung der EU zu beachten und zu befolgen. Trotzdem könnte der Investor zur Absicherung seines Begehrens (bzw. Wunschbeklagten) theoretisch einer solchen Situation auch auf eine andere Art entgegentreten, indem der Investor sowohl die EU als auch den in Betracht kommenden EU-Mitgliedstaat als Beklagte im Sinne des Art.  8.21 CETA feststellt. Die hier in Betracht gezogene zweite Option könnte jedoch dazu führen, dass sie mit mehr Kosten für die unnötige Feststellung eines Beklagten verbunden ist. Diesbezüglich ist es verwunderlich, dass das CETA die Zeitspanne von 40 Tagen zwischen der Feststellungfrist nach Art.  8.21 (4) CETA und dem ersten möglichen Zeitpunkt, an dem der Investor nach Art.  8.22 (1) (b) CETA eine Klage beim CETA-Gericht einreichen kann, nicht berücksichtigt. bb) Problemstellungen, die beim Feststellungsverfahren des Beklagten bei Streitigkeiten mit der EU oder ihren Mitgliedstaaten entstehen können Insoweit könnten sich für den ausländischen Investor folgende schwierige Situationen aus dem dargestellten Verfahren zur Feststellung des Beklagten bei Streitigkeiten mit der EU oder einem EU-Mitgliedstaat nach Art.  8.21 CETA und den Anforderungen für die Einreichung einer Klage beim CETA-Gericht gemäß Art.  8.22 CETA ergeben: – Obwohl es für den Investor als Kläger ratsam sein könnte, gleichzeitig Klagen gegen die EU und einen Mitgliedstaat beim Gericht einzureichen, sieht das CETA ausdrücklich nicht die Möglichkeit mehrerer Beklagter im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor.300 Es ist insoweit bemerkenswert, dass Artikel 8.21 CETA nicht die Möglichkeit eines Mitbeklagtenstatus behandelt, sondern sich wiederholt auf den Beklagten als EU oder Mitgliedstaat bezieht.301 Angesichts der sich überschneidenden Zuständigkeiten der EU mit ihren Mitgliedstaaten ist die Antwort auf die Frage noch offen und    „whether practice will find solutions to address the need to establish a co-respondent mechanism in the absence of clear language to that effect in the [CETA-] agreement.“302 300  Vgl. Art.  8.22 CETA, wo ausdrücklich nur von dem „Beklagten“ die Rede ist. Siehe als Beispiel Art.  8.22 (1) (b) „[…] Feststellung des Beklagten […].“ 301  Art.  8.21 (3) CETA: „Die Europäische Union stellt den Beklagten fest und teilt dem Investor mit, ob es sich bei dem Beklagten um die Europäische Union oder um einen Mitglied­ staat der Europäischen Union handelt“ (Kursivierung hinzugefügt); Siehe auch Lenk, Issues of Attribution: Responsibility of the EU in Investment Disputes under CETA, in: TDM, Bd.  13 (2016), S.  1, 22. 302 auch Lenk, Issues of Attribution: Responsibility of the EU in Investment Disputes under CETA, in: TDM, Bd.  13 (2016), S.  1, 22.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

363

  Solange es darüber keine Sicherheit gibt, sollte der Investor bei Zweifeln darüber, wer der „richtige“ Beklagte ist, nicht die EU im Sinne des Art.  8.21 CETA als Beklagte bei Streitigkeiten mit der EU und ihren Mitgliedstaaten feststellen.303 Dadurch würde dem Investor nämlich ein Nachteil bei der Vollstreckung eines endgültigen Urteilsspruchs durch das CETA-Gericht (oder der Rechtsbehelfsinstanz) entstehen, da die weitreichenden Vollstreckungsregelungen des ICSID-Übereinkommens nicht bei Streitbeilegungsverfahren mit der EU als Beklagte verwendet werden können.304 – Entscheidet sich die EU dazu, in die Rolle des Mitgliedstaates zu treten und sich gegen die Klage eines Investors zu verteidigen, könnte die EU nicht dazu in der Lage sein, die für das Streitbeilegungsverfahren relevanten Informationen und Dokumente von dem EU-Mitgliedstaat zu erhalten. Obwohl dies grundsätzlich ein EU-internes Problem wäre und den Investor grundsätzlich nicht beeinträchtigen dürfte, könnte von Zeit zu Zeit mit einer Nichtzusammenarbeit zwischen der EU und dem betroffenen EU-Mitgliedstaat zu rechnen sein (zum Beispiel aus politischen Gründen, was angesichts der oft auftretenden rechtlichen Spannungen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten nicht unwahrscheinlich ist). Die Antwort auf eine solche Zwickmühle scheint in der rechtlichen Durchsetzbarkeit der Verordnung 912/2014 zu liegen. Danach sind die Mitgliedstaaten nach Art.  6 und 11 (1) (d) der Verordnung (EU) 912/2014 und dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art.  4 (3) EUV dazu verpflichtet, in enger Zusammenarbeit die Verteidigung der Klage des ausländischen Investors vorzubereiten und durchzuführen. – Schließlich hat die EU nach Art.  8.21 (6) CETA darauf verzichtet, bei einer falschen Feststellung des Beklagten nach Art.  8.21 (3) oder (4) CETA zu einem späteren Zeitpunkt die Unzulässigkeit einer Klage oder die Unzuständigkeit des Gerichts geltend machen zu können oder eine sonstige Einwendung gegen die Klage oder den Urteilsspruch erheben zu können. Auch hier kann sich die Frage gestellt werden, ob Art.  8.21 (6) CETA einen Kläger, der einen Mitgliedstaat und nicht die EU verklagt, vollständig schützt. Wenn der Investor einen EU-Mitgliedstaat als Beklagten feststellt, obwohl die EU eigentlich die „richtige“ Beklagte gewesen wäre, sieht das CETA für den Investor keinen möglichen Rückgriff auf die EU vor. Eine solche Situation wäre aber nur unter den Umständen wahrscheinlich, dass die EU nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von 50 Tagen einen Beklagten festgelegt hat und die EU keine Konsultationen mit dem EU-Mitgliedstaat verfolgt hätte, um dadurch beispielsweise herauszufinden, dass es sich tatsächlich um eine EU-Maßnahme 303  Siehe

hierzu auch Lenk, Issues of Attribution: Responsibility of the EU in Investment Disputes under CETA, in: TDM, Bd.  13 (2016), S.  1, 22. 304  Siehe hierzu ausführlich unten, unter 3. Kapitel C. II. 1. b).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

handeln würde. Aufgrund dessen ist es für einen Investor im Zweifelsfall sicherer, im Sinne des Art.  8.21 (4) (b) CETA die EU und nicht den in Betracht kommenden EU-Mitgliedstaat vor dem CETA-Gericht zu verklagen, wenn die EU nach Art.  8.21 (3) und (4) CETA den Beklagten nicht bis zum Ablauf der 50-Tages-Frist festgelegt hat. 3. Die Zuständigkeit ratio materiae Das Vorliegen einer Investition ist, ebenso wie bei der Zuständigkeit des ICSIDSchieds­gerichts, für die Zuständigkeit ratio materiae des CETA-Gerichts eine wesentliche Voraussetzung. Anders aber als Art.  25 (1) ICSID Übrk. definiert Art.  8.1 CETA die Investition ausführlicher, als: „Investition Vermögenswerte jeder Art, die direkt oder indirekt im Eigentum oder unter der Kontrolle eines Investors stehen und die Merkmale einer Investition; hierzu gehören eine ge­ wisse Dauer und andere Merkmale wie die Bindung von Kapital oder anderen Ressourcen, die Erwartung von Wertzuwachs oder Gewinn oder die Übernahme von Risiken. Zu den Formen, die eine Investition annehmen kann, zählen: a) ein Unternehmen, b) Anteile, Aktien und sonstige Formen der Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen, c) besicherte und ungesicherte Schuldverschreibungen sowie sonstige Schuldtitel eines Unternehmens, d) ein Darlehen an ein Unternehmen, e) jede andere Art der Beteiligung an einem Unternehmen, f) ein Interesse, das sich ergibt aus  i) einer nach dem Recht einer Vertragspartei oder im Rahmen eines Vertrags erteilten Konzession, beispielsweise für die Aufsuchung, Bewirtschaftung, Gewinnung oder Nutzung natürlicher Ressourcen,  ii) Verträgen über schlüsselfertige Erstellungen, Bau-, Produktions- oderEinnahmeaufteilungsverträgen oder  iii) sonstigen ähnlichen Verträgen, g) Rechte des geistigen Eigentums, h) sonstige bewegliche Vermögensgegenstände materieller oder immaterieller Art oder unbewegliche Vermögensgegenstände und damit verbundene Rechte, i) Ansprüche auf Geld oder auf Leistungen aus einem Vertrag aufweisen.“ (Kursivierungen hinzugefügt)

a) Der CETA-Investitionsbegriff als Vermögenswerte jeder Art Bei dem CETA-Investitionsbegriff ist besonders der Wortlaut „Vermögenswerte jeder Art, […]“, zu berücksichtigen. Daran schließt sich eine Auflistung an, mit der versucht werden soll, die betroffenen Rechtspositionen nach ihrem Inhalt zu charakterisieren.305 Aus der Verbindung mit „Zu den Formen, die eine Investition 305 Vgl.

UNCTAD, International Investment Agreements: Scope and Definition (1999),

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

365

annehmen kann, […]“ (Kursivierung hinzugefügt) ergibt sich, dass diese Auflistung nicht abschließend ist. Dadurch haben sich Kanada und die EU mit Art.  8.1 CETA für eine „traditional open-ended asset-based definition of investment, as opposed to an enter­prisebased definition […]“306 entschieden. Also für einen kapitalbasierten (asset based) Investitionsbegriff und nicht für einen unternehmensbasierten (enterprise based) Investitionsbegriff.307 Der im CETA verwendete Begriff der Investition soll damit vermutlich alle möglichen wirtschaftlichen Werte umfassen. Mit dem Investitionsbegriff sind nicht nur klassische Direktinvestitionen, sondern auch Portfolioinvestitionen, also reine „Finanzinvestitionen“, wie etwa Aktienkäufe ohne Unternehmenskontrolle vom CETA geschützt.308 Gegen einen Gastgeberstaat im Sinne einer CETA-Vertragspartei eingereichte Klagen können deswegen Maßnahmen in allen Bereichen betreffen, „die den Betrieb von Unternehmen und die Verwendung von beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen, Vermögensgegenständen materieller oder immaterieller Art, Wertpapieren, Rechten des geistigen Eigentums, Forderungen oder jeglichen anderen Arten von Investitionen in der Union betreffen.“309

Ausgenommen davon sind die im CETA aufgeführten speziellen Ausnahmen.310 Beispielsweise legt Art.  8.18 (4) CETA fest, dass Klagen im Zusammenhang mit S.  18, online abrufbar unter: https://unctad.org/en/docs/psiteiitd11v2.en.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 306  Bernasconi-Osterwalder/Mann, A Response to the European Commission’s December 2013 Document „Investment Provisions in the EU-Canada Free Trade Agreement (CETA)“, S.  11 (Die Definition der Investition in Art.  8.1 CETA in der endgültigen CETA-Version von 2016 ist nahezu identisch mit der CETA-Version von 2014, so dass dieser Text auch für die endgültige CETA-Version relevante Argumente beinhaltet). 307  Bernasconi-Osterwalder/Mann, A Response to the European Commission’s December 2013 Document „Investment Provisions in the EU-Canada Free Trade Agreement (CETA)“, S.  11. 308 Vgl. Fischer-Lescano/Horst, Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA), S.  7; Mildner/von Unger, TTIP und CETA als „gemischte Abkommen?“ Zur Debatte über Zuständigkeiten für internationale Handelsverträge der EU, S.  3. 309  EuGH, Entscheidung zum Gutachten 1/17, ECLI:EU:C:2019:341 (30.04.2019), Rn.  139; Der Begriff der Maßnahme ist in Art.  1.1 CETA definiert als „ein Gesetz, eine sonstige Vorschrift, eine Regel, ein Verfahren, einen Beschluss, Verwaltungshandeln, eine Auflage, eine Praxis oder jede andere Form von Maßnahmen einer Vertragspartei“. Urteile der nationalen Gerichtsbarkeit der Vertragsparteien fallen dagegen nicht unter den Begriff der Maßnahme, wie klarstellend in Anhang 8-D CETA, Gemeinsame Erklärung zu Artikel 8.12 (6), erklärt wird: „Da das Gericht für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten […] keine Rechtsbehelfsinstanz gegen Urteile innerstaatlicher Gerichte der Vertragsparteien ist, […].“ 310  Siehe hierzu Art.  8.1 CETA.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

der Restrukturierung von Schuldtiteln, die von einer Vertragspartei ausgegeben wurden, nur unter bestimmten Bedingungen für ein Investor-Staat-Schiedsverfahren beim CETA-Gericht eingereicht werden können, die in Anhang 8-B CETA aufgeführt sind.311 Das hat auch zu Kritik geführt. Der Anwendungsbereich des CETAs sei dadurch „overly broad and far beyond what would be advisable from a regulatory or public interest perspective“.312

Der Investitionsbegriff im CETA „allows for the most expansive interpretation by tribunals of what that definition encompasses […]. This definition is therefore the least predictable for host states“.313

Die Vermögenswerte, die sich einer der Kategorien a) bis i) zuordnen lassen, sind allerdings erst dann unter den Begriff der Investition nach Art.  8.1 CETA zu fassen, wenn diese gewisse Merkmale aufweisen:314 – eine gewisse Dauer, – die Bindung von Kapital oder anderen Ressourcen, – die Erwartung von Wertzuwachs oder Gewinn und – die Übernahme von Risiken. Diese Kriterien schließen demnach völlig geringwertige, kurzfristige, spekulative und untergeordnete Vermögenswerte aus dem Anwendungsbereich des CETAs aus.

311  Siehe Art.  8.18 (4) CETA: „Eine Klage, welche die Restrukturierung der von einer Vertragspartei begebenen Schuldtitel betrifft, kann nach diesem Abschnitt nur im Einklang mit Anhang 8-B eingereicht werden.“ 312  Sinclair/Trew/Mertins-Kirkwood (Hrsg.), Making Sense of the CETA – An Analysis of the Final Text of the Canada-European Union Comprehensive Economic and Trade Agreement, S.  16 (Die Definition der Investition in Art.  8.1 CETA in der endgültigen CETA-Version von 2016 ist nahezu identisch mit der CETA-Version von 2014, so dass dieser Text auch für die endgültige CETA-Version relevante Argumente beinhaltet). 313  Bernasconi-Osterwalder/Mann, A Response to the European Commission’s December 2013 Document „Investment Provisions in the EU-Canada Free Trade Agreement (CETA)“, S.  12 (Die Definition der Investition in Art.  8.1 CETA in der endgültigen CETA-Version von 2016 ist nahezu identisch mit der CETA-Version von 2014, so dass dieser Text auch für die endgültige CETA-Version relevante Argumente beinhaltet). 314  Diese Eigenschaften weisen allerdings die meisten Investitionen auf, vgl. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, Art.  25, Rn.  139 ff.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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b) Die Begrenzung des CETA-Investitionsbegriffs durch Negativbestimmungen aa) Die Erforderlichkeit der niedergelassenen Geschäftstätigkeit Das CETA schließt eine Klage auf Marktzugang aus, da Art.  8.2 (4) CETA ausdrücklich Abschnitt B, Niederlassung von Investitionen (Marktzugang und Leistungsanforderungen) sowie Abschnitt C, Diskriminierungsfreie Behandlung (Inländerbehandlung und Meistbegünstigung) des Investitionskapitels aus der Zuständigkeit des CETA Gerichts herausnimmt, soweit diese Ansprüche die Errichtung oder den Erwerb einer erfassten Investition betreffen. Art.  8.2 (4) CETA stellt ferner klar, dass Abschnitt D, Investitionsschutz (gerechte und billige Behandlung, Entschädigung für Verluste wegen bewaffneter Konflikte, Unruhen, einem Notstandsfall oder einer Naturkatastrophe und Enteignung) nur für eine erfasste Investition und für Investoren in Bezug auf ihre erfassten Investitionen gilt. bb) Die Abgrenzung von anderweitigen Wirtschaftsbeziehungen Eine weitere Besonderheit der in Art.  8.1 CETA geregelten Begriffsbestimmungen stellt die Aufzählung von Tatbeständen dar, die nicht unter die materiellen Investitionsschutzregeln des CETAs fallen sollen.315 Diese Aufzählung in Art.  8.1 CETA lautet: „Es wird klargestellt, dass Folgendes nicht zu Ansprüchen auf Geld zählt: i) Ansprüche auf Geld, die sich lediglich aus kommerziellen Verträgen über den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen durch eine natürliche Person oder ein Unternehmen im Gebiet der einen Vertragspartei an eine natürliche Person oder ein Unternehmen im Gebiet der anderen Vertragspartei ergeben, ii) die heimische Finanzierung solcher Verträge oder iii) Beschlüsse, Urteile oder Schiedssprüche in Bezug auf die Ziffern i oder ii.“

Diese Negativbestimmung in Art.  8.1 CETA beinhaltet also einen Ausschluss von Ansprüchen auf Geld, die sich lediglich aus kommerziellen Verträgen von Handels- und Dienstleistungsverträgen zwischen natürlichen Personen und Unternehmen aus Gebieten der beiden Vertragsparteien (Europäische Union und Kanada) ergeben und nicht mit einer unternehmerischen Tätigkeit im Gastland in Zusammenhang stehen. Auch darauf bezogene Ansprüche aus Beschlüssen, Urteilen oder Schiedssprüchen sind ausgeschlossen. Damit soll der Begriff der Investition unter dem CETA eindeutig von anderweitigen internationalen Wirtschaftsbeziehungen, wie etwa dem Handel mit Waren, abgegrenzt werden. Die Negativbestimmung des Art.  8.1 CETA engt zusammen mit den vier zu erfüllenden Anforderungen an die Investition den im Grundsatz weiten Investiti315 

Eine ähnliche Negativklausel findet sich in Art.  1139 NAFTA.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

onsbegriff des CETAs ein und macht ihn somit exklusiver als die typischerweise sehr weiten Definitionen der BITs, wie sie von ICSID-Schiedsgerichten anzuwenden und auszulegen sind. cc) Der Ausschluss von Investitionen die unter die Vorgaben des Investment Canada Act fallen Unter den Investitionsbegriff des Art.  8.1 CETA sollen schließlich nach Art.  8.45 CETA (Ausschluss) auch nicht die in Anhang 8-C genannten Angelegenheiten fallen. Dadurch sind insbesondere auch Entscheidungen Kanadas im Rahmen des Investment Canada Act (ein kanadisches Bundesgesetz über große ausländische Direktinvestitionen in Kanada), welcher die kanadische Regierung ermächtigt, ausländische Investitionen von erheblicher Größe zu verbieten, wenn sie keinen Vorteil für Kanada darstellen, von der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA ausgenommen.316 Insoweit allerdings nach Anhang 8-C des CETAs 316  Siehe Anhang 8-C CETA. Genauer regelt der Investment Canada Act, dass, wenn ein Nicht-Kanadier die Kontrolle über ein kanadisches Unternehmen erwirbt und dessen Vermögenswerte in Kanada über einem im Investment Canada Act vorgeschriebenen Schwellenwert liegen, die Transaktion der Überprüfung nach dem Investment Canada Act unterliegt. Die Transaktion kann erst dann durchgeführt werden, wenn der „minister of industry“ (oder in bestimmten Fällen der „minister of Canadian heritage“) zu dem Schluss gekommen ist, dass die Angelegenheit für Kanada wahrscheinlich von Vorteil („net benefit“) sein wird, wobei die Kriterien dafür im Investment Canada Act festgelegt sind. Bei seiner Entscheidung lässt sich der Minister in der Regel von Verpflichtungen, sogenannten „undertakings“, leiten, die der nicht-kanadische Investor für die Kontrolle des kanadischen Unternehmens eingegangen ist. Ein prominentes Beispiel bildet dabei der Fall Canada gegen U.S. Steel: Die kanadische Regierung hatte U.S. Steel beschuldigt, einige der Verpflichtungen, die sie im Zusammenhang mit der Übernahme des kanadischen Stahlherstellers Stelco im Jahr 2007 gegenüber dem Industrieminister eingegangen waren, nicht erfüllt zu haben, weil U.S. Steel die Stelco-Werke im Frühjahr 2009 inmitten eines starken Rückgangs der Stahlnachfrage aufgrund wirtschaftlicher Turbulenzen in der Weltwirtschaft schloss. Zu diesen „undertakings“ bzw. 31 Zusagen von U.S. Steel gehörten Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Beschäftigungsniveaus und der Produktion in den Stelco-Werken in Hamilton und Lake Erie/Nanticoke. Der „minister of industrie“ leitete darauf ein Verfahren gegen U.S. Steel auf der Grundlage des In­ vestment Canada Act ein und fordert U.S. Steel auf, seine Verpflichtungen, insbesondere den Weiterbetrieb der Stelco-Werke, einzuhalten und drohte mit einer Strafe von 10.000 Dollar für jeden Tag der Nichteinhaltung, falls U.S. Steel dem nicht nachkommen würde. Nachdem der Rechtsstreit zunächst durch sämtliche Instanzen der kanadischen Gerichtsbarkeit gezogen wurde, einigten sich U.S. Steel und Kanada 2011. Gemäß den Bedingungen des Vergleichs hat sich U.S. Steel verpflichtet, bis 2015 in Kanada Stahl zu produzieren und verschiedene Investitionen und wohltätige Beiträge in den lokalen Gemeinden seiner kanadischen Werke zu leisten. Siehe hierzu Ackhurst, Canadian Government Settles Important Investmen Canada Act Case, in: Mondaq (21.12.2011), online abrufbar unter: http://www.mondaq.com/canada/x/158358/ Trade+Regulation+Practices/Canadian+Government+Settles+Important+Investment+Ca nada+Act+Case (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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grundsätzlich nicht von der Staat-Staat-Streitbeilegung zwischen den Vertragsstaaten. 4. Die besonderen Zuständigkeitsvoraussetzungen des CETA-Gerichts Als besondere Zuständigkeitsvoraussetzungen des CETA-Gerichts hat der ausländische Investor insbesondere das in Art.  8.19 CETA geregelte Konsultationsverfahren und die in Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA geregelte „fork-in-the-road“Klausel zu beachten. Finden die Streitparteien keine einvernehmliche Lösung, weil sich das als unmöglich erweist, hat der betroffene Investor nach Art.  8.19 CETA „Konsultationen“ zu beantragen.317 Dabei handelt es sich gemäß Art.  8.22 (1) (d) CETA um eine zwingende, vorgelagerte Voraussetzung zur Einreichung einer Klage beim CETA-Gericht. Wird die Streitigkeit nicht innerhalb von 180 Tagen nach dem Konsultationsersuchen beigelegt und sind im Sinne von Art.  8.22 CETA alle anderen verfahrensrechtlichen Anforderungen erfüllt, kann der klagende Investor nach Art.  8.23 CETA beim CETA-Gericht Klage einreichen. Bezüglich der anderen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nach Art.  8.22 CETA sind im Besonderen Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA als sogenannte „forkin-the-road“-Klauseln zu berücksichtigen. Danach hat der Investor eine nach innerstaatlichem oder internationalem Recht angestrengte Klage oder Gerichtsverfahren in Bezug auf die geltend gemachte Maßnahme des Gastgeberstaates (oder der EU) zurückzunehmen bzw. einzustellen. Der Investor hat auch auf sein Recht zu verzichten, in Bezug auf eben jene Maßnahme eine Klage oder ein Gerichtsverfahren nach innerstaatlichem oder internationalem Recht anzustrengen. Das CETA-Gericht ist demnach nicht für die jeweilige Investitionsstreitigkeit zuständig, wenn der Investor bei einer anderen Gerichtsbarkeit Klage erhebt. Diese beiden besonderen Zuständigkeitsvoraussetzungen des CETA-Gerichts, das in Art.  8.19 CETA geregelte Konsultationsverfahren (a.) sowie die in Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA geregelte fork-in-the-road-Klausel (b.), sollen im Folgenden noch einmal ausführlicher dargestellt werden. a) Die Pflicht zu Konsultationen zwischen den Streitparteien vor der Einreichung einer Klage Nach Art.  8.19 CETA sollen Streitigkeiten zwischen einem Investor und dem Gastgeberstaat so weit wie möglich gütlich beigelegt werden. Es handelt sich dabei gemäß Art.  8.22 (1) (d) CETA um eine zwingende, vorgelagerte Pflicht zu 317  Und die Streitparteien möchten nicht die Möglichkeit der Mediation nach Art.  8.20 CETA in Anspruch nehmen.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Konsultationen zwischen den Streitparteien und um eine Voraussetzung zur Einreichung einer Klage beim CETA-Gericht. Gemäß Art.  8.19 (1) CETA sollen die Konsultationen innerhalb von 60 Tagen nach Einreichung des Antrags auf Konsultationen stattfinden. Außerdem sieht Art.  8.19 (1) CETA vor, dass ein Streitfall jederzeit durch gütliche Verhandlungen beigelegt werden kann, also auch nach der Einreichung einer Klage während des Streitbeilegungsverfahrens. Auch im ICSID-Übereinkommen wird den Streitparteien in den Art.  28–35 ­ICSID Übrk. ein Vergleichsverfahren unter der administrativen Betreuung des ICSID-Zentrums zur einvernehmlichen Streitbeilegung angeboten. Das Verfahren ist vergleichsweise detaillierter geregelt als in Art.  8.19 CETA. Erfüllt allerdings dagegen keine zwingende, vorverlagerte Pflicht zur Einleitung eines Schiedsverfahrens, sondern ist eher als eine zusätzliche Möglichkeit zur InvestorStaat-Streit­beilegung gedacht. Das Einfügen einer sogenannten „Konsultationsklausel“ oder auch „waiting clause“ kommt zudem auch recht häufig in internationalen Investitionsschutzabkommen vor.318 Aber auch in diesen ist überwiegend nicht die Zulässigkeit einer Klage an vorgelagerte Konsultationen geknüpft.319 Die Praxis in Investor-Staat-Schiedsverfahren geht unterschiedlich mit dem Konsultationserfordernis um – je nach Auslegung der relevanten Rechtsnormen. So haben einige Schiedsgerichte entschieden, dass die Einhaltung eines Konsultationsverfahrens bzw. der Versuch einer einvernehmlichen Einigung vor der Einleitung eines Schiedsverfahrens zwingend erforderlich ist.320 Ein Verzicht auf Konsultationen könnte sogar zum Ausschluss der Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die Beilegung des Streitverfahrens führen.321 Andere Schiedsgerichte haben das Konsultationserfordernis lediglich als „directory and procedural rather 318 

Tams, Procedural Aspects of Investor-State Dispute Settlement: The Emergence of a European Approach?, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  585, 603. Siehe auch Art.  1118 NAFTA: „The disputing parties should first attempt to settle a claim through consultation or negotiation“; Ähnlich auch Art.  14.D.2. (1) USMCA: „In the event of a qualifying investment dispute, the claimant and the respondent should initially seek to resolve the dispute through consultation and negotiation“; Art.  26 ECT: „1. Disputes […] shall, if possible, be settled amicably. 2. If such disputes cannot be settled according to the provisions of paragraph (1) within a period of three months from the date on which either party to the dispute requested amicable settlement, the Investor party to the dispute may choose to submit it for [dispute] resolution.“ 319  Siehe hierzu Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Yol. 105 (1) (2006), S.  65, 93; Schreuer, Travelling the BIT Route – of Waiting Periods, Umbrella Clauses and Forks in the Road, in: JWIT, Bd.  5 (2) (2004), S.  231, 234 ff. 320  Siehe hierzu Ethyl Corporation vs Canada, NAFTA/UNCITRAL Case, Award on Jurisdiction, 24.06.1998, Rn.  84. 321  Ethyl Corporation vs Canada, NAFTA/UNCITRAL Case, Award on Jurisdiction, 24.06.1998, Rn.  84.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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than as mandatory and jurisdictional in nature“322 bezeichnet, oder als heilbar durch einen späteren Versuch, sich einvernehmlich zu einigen.323 Aufgrund dessen haben sich bei solchen Fällen später oft Streitigkeiten darüber ergeben, ob eine oder beide Streitparteien in gutem Glauben am Konsultationsprozess beteiligt waren.324 Vor diesem Hintergrund zielt die Konsultationspflicht im CETA darauf ab, dass die Verhandlungen zwischen den streitenden Parteien konstruktiver (und damit für eine Beilegung förderlicher) sind, als dies bisher bei bestehenden Verträgen der Fall war, bei denen vorherige Konsultationen wohl eher eine Frage der Form als von Bedeutung waren. Allerdings scheint der Umfang des Konsultationserfordernisses im Rahmen des CETAs nur auf Streitfragen beschränkt zu bleiben, die nach Art.  8.19 (1) CETA „soweit wie möglich“ gütlich beigelegt werden können.325 War es insoweit nicht möglich, eine Streitigkeit außerhalb des CETA-Gerichts beizulegen (beispielsweise vor einem nationalen Gericht des Gastgeberstaates), soll der betroffene Investor sein Ersuchen um Konsultationen innerhalb der vorgeschriebenen Frist nach Art.  8.19 (6) (a) und (b) CETA (entweder zwei oder drei Jahre, je nachdem, ob nationale Rechtsbehelfe verfolgt werden) dem Gastgeberstaat übermitteln. Diese Fristen für die Übermittlung eines Ersuchens auf Konsultationen sind möglicherweise auf das NAFTA326, zurückzuführen. Das CETA hat allerdings nach Art.  8.19 (6) (b) CETA eine neuartige 322 

SGS Société Générale de Surveillance SA vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No ARB/01/13, Decision on Jurisdiction, 06.08.2003, Rn.  184. Siehe auch Ethyl Corporation vs Canada, NAFTA/UNCITRAL Case, Award on Jurisdiction, 24.06.1998, Rn.  84: Das Konsultationserfordernis kann auch aufgehoben werden, „when it is demonstrated that in fact no remedy was available and any attempt would have been futile.“ 323  Reinisch/Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal (2015), S.  11, 24 324  Siehe hierzu SGS Société Générale de Surveillance SA vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No ARB/01/13, Decision on Jurisdiction, 06.08.2003, Rn.  183 f. 325  Ferner enthält das EU-Vietnam Trade and Investment Agreement eine zusätzliche Bestimmung, die in CETA nicht enthalten ist, nämlich dass nach Art.  3.30 (6) EU-Vietnam TIA (Consultations) die vorgeschriebenen Fristen für die Einreichung eines Konsultationsersuchens „[…] in paragraphs 2 and 5 shall not render claims inadmissible where the claimant can demonstrate that the failure to request consultations or submit a claim is due to the claimant’s inability to act as a result of actions deliberately taken by the Party concerned, provided that the claimant acts as soon as reasonably possible after it is able to act.“ 326  Siehe hierzu Art.  1116(2) NAFTA: „An investor may not make a claim if more than three years have elapsed from the date on which the investor first acquired, or should have first acquired, knowledge of the alleged breach and knowledge that the investor has incurred loss or damage.“ Ähnlich aber abstrakter formuliert Annex 14-E (4) (b) USMCA, so dass auch die Regelung in Art.  1117 (2) NAFTA darunter gefasst werden kann. Art.  1117(2) NAFTA: „An investor may not make a claim on behalf of an enterprise described in paragraph 1 if more than three years have elapsed from the date on which the enter-

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Verjährungsfrist von 10 Jahren geregelt, unabhängig davon, ob nationale Rechtsbehelfe verfolgt werden. Nach Art.  8.19 (1) CETA müssen die Konsultationen innerhalb von 60 Tagen nach Übermittlung eines Konsultationsersuchens stattfinden, es sei denn, die streitenden Parteien stimmen einer Fristverlängerung zu. Bei der Übermittlung des Konsultationsersuchens besteht zum einen die Besonderheit darin, dass ein solches von einem kanadischen Investor nach Art.  8.19 (7) CETA stets an die EU zu richten ist, unabhängig davon, ob die zugrunde liegenden Begehren einen angeblichen Verstoß der EU oder eines EU-Mitgliedstaats betreffen. Zum anderen ist es erforderlich, dass ein Konsultationsersuchen nach Art.  8.19 (4) CETA bestimmte Angaben über die Parteien und die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen der Klage(n) beinhaltet. Diesbezüglich sieht Art.  8.19 (5) CETA weiter vor, dass diese Angaben „mit hinreichender Genauigkeit zu erfüllen [sind], damit es dem Beklagten möglich ist, tatsächlich Konsultationen aufzunehmen und seine Verteidigung vorzubereiten.“

Sofern die Streitparteien nichts Anderes vereinbart haben, ist nach Art.  8.19 (2) CETA der Ort der Konsultationen: Ottawa, wenn es sich bei der vom Investor angefochtenen Maßnahmen um eine solche von Kanada handelt, Brüssel, wenn es sich bei der angefochtenen Maßnahme um eine EU-Maßnahme handelt oder die Hauptstadt des EU-Mitgliedstaates, wenn es sich bei der angefochtene Maßnahme ausschließlich um eine Maßnahme dieses EU-Mitgliedstaates handelt. Nach Art.  8.22 (1) (b) CETA kann der Investor schließlich nur dann eine Klage nach Art.  8.23 CETA einreichen, wenn er „mindestens 180 Tage ab Übermittlung des Ersuchens um Konsultationen und mindestens 90 Tage ab der etwaigen Übermittlung eines Ersuchens um Feststellung des Beklagten […]“, gewartet hat. Sollte der Investor aber nicht innerhalb von 18 Monaten nach Übermittlung des Konsultationsersuchens eine Klage gemäß Art.  8.23 CETA beim Gericht eingereicht haben, sieht Art.  8.18 (3) CETA vor, dass der Investor sein Konsultationsersuchen prise first acquired, or should have first acquired, knowledge of the alleged breach and knowledge that the enterprise has incurred loss or damage.“ Art.  1121(1)(b) NAFTA: „A disputing investor may submit a claim under Article 1116 to arbitration only if: […] the investor and, where the claim is for loss or damage to an interest in an enterprise of another Party that is a juridical person that the investor owns or controls directly or indirectly, the enterprise, waive their right to initiate or continue before any administrative tribunal or court under the law of any Party, or other dispute settlement procedures, any proceedings with respect to the measure of the disputing Party that is alleged to be a breach referred to in Article 1116, except for proceedings for injunctive, declaratory or other extraordinary relief, not involving the payment of damages, before an administrative tribunal or court under the law of the disputing Party.“ Ähnlich aber umfassender geregelt in Art.  14.D.5 ­USMCA.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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zurückgezogen hat. Das CETA bestimmt außerdem, dass gegebenenfalls zusätzlich auch das Ersuchen des Investors um Feststellung des Beklagten nach Art.  8.21 CETA als zurückgezogen gilt. Die Rechtsfolge wäre nach Art.  8.19 (8) CETA, dass der Investor „in Bezug auf dieselben Maßnahmen keine Klage nach diesem Abschnitt [mehr] einreichen kann“, mit anderen Worten, dass das CETA-Gericht für dieselbe Maßnahme des Gastgeberstaates nicht zuständig wäre. Insoweit ist unbedingt für die Zuständigkeit des CETA-Gerichts zu berücksichtigen, dass nach Art.  8.22 (1) (e) CETA der ausländische Investor in seiner Klage keine Maßnahme anführen darf, die nicht bereits im Konsultationsersuchen aufgeführt wurde. Das stellt eine Übertragung der WTO-Praxis auf das CETA-Ver­fahren dar, wobei der Antrag auf Konsultationen in der WTO die Gesamtheit des Streitgegenstands definiert und es schwierig ist, diesen nach dem Antrag auf Konsultationen auf weitere Ansprüche auszuweiten. Es ist daher unklar, ob ein Kläger seine ursprünglichen Klageanträge ergänzen darf, wenn der Beklagte im Laufe des Verfahrens unter denselben Umständen neue Maßnahmen ergreift. Das ICSID-Übereinkommen und die ICSID-Schiedsordnung sind in dieser Hinsicht nicht so streng und ermöglichen es dem Schiedsgericht, einerseits nach Art.  46 ICSID Übrk. unter bestimmten Voraussetzungen eine Erweiterung der Klageanträge während des Verfahrens zuzulassen, „if requested by a party, [the arbitral tribunal can] determine any incidental or additional claims or counterclaims arising directly out of the subject-matter of the dispute provided that they are within the scope of the consent of the parties and are otherwise within the jurisdiction of the Centre.“327

Insoweit haben auch bereits Investor-Staat-Schiedsgerichte unter solchen Umständen eine Änderung bzw. Erweiterung des Streitgegenstandes für neue Klageanträge zugelassen.328 Auch Reg. 40 ICSID-Schiedsordnung erlaubt es den Streitparteien, während des Schiedsverfahrens weitere Nebenansprüche innerhalb derselben Sachlage geltend zu machen (eine nahezu identische Regelung findet sich in Art.  47 ICSID Additional Facility Rules).329 Darüber hinaus erlau327 

Siehe hierzu Lörcher, ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, in: SchiedsVZ (2005), S.  11, 16. hierzu beispielsweise Metalclad Corporation vs United Mexican States, ICSID Case No ARB(AF)/97/1, Award, 30.08.2000, Rn.  66–69. 329  Art.  46 ICSID Übrk. und Reg. 40 ICSID-Schiedsordnung sind dabei im Zusammenhang zu lesen und anzuwenden. Reg. 40 ICSID-Schiedsordnung: „(1) Except as the parties otherwise agree, a party may present an incidental or additional claim or counter-claim arising directly out of the subject-matter of the dispute, provided that such ancillary claim is within the scope of the consent of the parties and is otherwise within the jurisdiction of the Centre. (2) An incidental or additional claim shall be presented not later than in the reply and a counter-claim no later than in the counter memorial, unless the Tribunal, upon justification by 328  Siehe

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

ben auch die UNCTRAL-Schiedsregeln, grundsätzlich Ansprüche während des Schiedsverfahrens zu ändern.330 Das Erfordernis, dass das Konsultationsersuchen die gesamten Ansprüche des Klägers umfassen muss, wirft daher die Frage auf, ob das CETA implizit die anwendbaren Schiedsregeln für die Änderung von Klageanträgen durch die Kläger geändert hat. Auch wenn die jeweilige anwendbare Schiedsgerichtsordnung (wie Art.  46 ICSID Übrk. i. V. m. Reg. 40 ICSID-Schiedsordnung) dem CETAGe­richt das Ermessen einräumt, neue Ansprüche durch Änderung der Klage zuzulassen, müsste Art.  8.22 (1) (e) CETA gegenüber der Vorschrift der anwendbaren Schiedsregeln wegen Art.  8.23 (6) CETA vorrangig sein, so dass ein klagender Investor wohl daran gehindert ist, in seiner Klage neue Maßnahmen zu ergreifen. Dieser wäre dann vielmehr auf die Einleitung eines neuen Streitbeilegungsverfahrens vor dem CETA-Gericht mit vorherigen Konsultationen und gegebenenfalls eines Verfahrens zur Feststellung des Beklagten gemäß Art.  8.21 CETA verwiesen. Zwar könnte der klagende Investor später eine Verbindung der Verfahren beantragen, insgesamt dürfte das im Vergleich zu einer Möglichkeit der Erweiterung der Klageanträge mit erheblich höherem Kostenaufwand verbunden sein. Das CETA stellt diesbezüglich einen Nachteil für den Kläger dar, der ihn auch unvorbereitet treffen kann. Andererseits dürfte die Regelung des Art.  8.22 (1) (e) CETA auch wesentlich zu einer insgesamt kürzeren Verfahrensdauer vor dem CETA-Gericht beitragen. b) Das Verbot von Parallelverfahren – a fork in the road Das in Art.  8.22 CETA enthaltene Verbot von Parallelverfahren entspricht einer kanadischen Modellregelung für völkerrechtliche Investitionsschutzverträge und soll das Risiko eines Gastgeberstaates begrenzen, von dem ausländischen Investor gleichzeitig auf nationaler und völkerrechtlicher Ebene mit der gleichen Schadensersatzforderung konfrontiert zu werden.331 Sollte der ausländische Investor deswegen eine Klage nach Art.  8.23 CETA beim CETA-Gericht einreithe party presenting the ancillary claim and upon considering any objection of the other party, authorizes the presentation of the claim at a later stage in the proceeding.“ 330  Art.  22 UNCITRAL-Schiedsordnung: „During the course of the arbitral proceedings, a party may amend or supplement its claim or defense, including a counterclaim or a claim for the purpose of a set-off, unless the arbitral tribunal considers it inappropriate to allow such amendment or supplement having regard to the delay in making it or prejudice to other parties or any other circumstances. However, a claim or defense, including a counterclaim or a claim for the purpose of a set-off, may not be amended or supplemented in such a manner that the amended or supplemented claim or defense falls outside the jurisdiction of the arbitral tribunal.“ 331  VanDuzer, Investor-State Dispute Settlement in CETA: Is it the Gold Standard?, S.  6.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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chen, verlangt Art.  8.22 (1) (f) CETA, dass der Investor andere Klagen oder Gerichtsverfahren nach nationalem oder internationalem Recht in Bezug auf die Maßnahme, die angeblich einen Verstoß gegen das CETA darstellt, zurücknimmt bzw. einstellt. Dazu verlangt Art.  8.22 (1) (g) CETA, dass der Investor auf sein Recht verzichtet, eine Klage oder ein Gerichtsverfahren nach nationalem oder internationalem Recht aufgrund einer solchen Maßnahme anzustreben. Sollte der Investor aber zusätzlich eine Klage nach einer anderen internationalen Übereinkunft erheben, soll das CETA-Gericht nach Art.  8.24 CETA das eigene Verfahren aussetzen, bis zum Urteil des anderen Gerichts abwarten und diesem bei seiner anschließenden Entscheidung über die Fortführung oder Beendigung des eigenen Verfahrens Rechnung tragen. Die Regelungen in Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA, die dem Investor ein Wahlrecht geben, werden anschaulich als fork in the road-Klauseln (Gabelungsklauseln) bezeichnet, da eine einmal ausgeübte Wahl die nicht berücksichtigten Wahloptionen zum Erlöschen bringt.332 Schill bemerkt hierzu, dass Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA faktisch ein Erfordernis der nationalen Rechtswegerschöpfung einführen.333 Das ist nachvollziehbar, denn vor dem CETA-Gericht können mit der Ausnahme von Nicht-Diskriminierungen beim Marktzugang ausschließlich Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Verletzungen von materiellen Investitionsschutzvorschriften aus den Abschnitten C und D des CETA-Investitionskapitels anhängig gemacht werden, hingegen nicht Ansprüche wegen der Verletzung einfachen, nationalen Rechts. Mit der Einreichung der Klage beim CETA-Gericht wird aber gleichzeitig auf die Geltendmachung von vergleichbaren Ansprüchen auf Entschädigung oder Schadensersatz vor nationalen Gerichten verzichtet (wenn nicht nationale Gerichte mit dem Streitgegenstand betraut waren oder bereits eingeleitete Verfahren abgebrochen werden). Schill legt den Verzicht in Art.  8.22 (1) (g) CETA noch weiter aus und bemerkt, dass neben Ansprüchen auf Schadensersatz wegen der Verletzung von materiellen Investitionsschutzvorschriften des CETAs,

332 

Griebel, Internationales Investitionsrecht, S.  96, 106; Schöbener/Markert, Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), in: ZVglRWiss., Bd.  105 (1) (2006), S.  65, 94 f.; Schreuer, Traveling the BIT Route: of Waiting Periods, Umbrella Clauses and Forks in the Road, in: JWIT, Bd.  5 (2) (2004), S.  231, 239 ff. 333  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 75. Ausdrücklich verlangt das CETA jedoch nicht die Erschöpfung nationaler Rechtsbehelfe bzw. Rechtswege oder den Nachweis, dass Rechtsbehelfe vom Gastgeberstaat nicht angemessen zur Verfügung stehen. Vgl. hierzu Art.  8.22 CETA; Siehe auch Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Legal Studies Research Paper No.  59 (2014), S.  22, 28, 34, 35 f.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

„die Wahl des Rechtweges vor dem CETA-Gericht faktisch einen Verzicht auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen nationales Recht bedeutet“334,

obwohl ein Rechtsverzicht des Investors gemäß Art.  8.22 (5) (a) CETA nicht mehr gilt, wenn das CETA-Gericht die Klage aufgrund der Nichterfüllung der gerichtlichen oder sonstigen verfahrensrechtlichen Vorschriften oder von Gründen der Zuständigkeit zurückweist. Nach Schill ist deswegen davon auszugehen, dass ausländische Investoren „sequenziell vorgehen werden, d. h. zunächst durch Geltendmachung von Primär- und Sekundärrechtsschutz auf nationaler Ebene und anschließend durch Geltendmachung von Sekundärrechten auf internationaler Ebene wegen Verletzung der investitionsschutzrechtlichen Bestimmungen vom CETA“335,

um sich Ansprüche nach nationalem Recht offenzuhalten. Sollte dem so sein, würde mit Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA faktisch eine Rechtswegerschöpfung eingeführt werden. Die Regelungen in Art.  8.22 (1) (g) und (f) CETA entsprechen dem Grundsatz nach Art.  26 ICSID Übrk., wonach „Consent of the parties to arbitration under this Convention shall, unless otherwise stated, be deemed consent to such arbitration to the exclusion of any other remedy.“

Das unterstreicht noch einmal die durch das CETA geschaffene entweder/ oder-Situation. Die ausländischen Investoren sollen entweder ein Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht anstreben oder sich an die nationale Gerichtsbarkeit wenden. Insgesamt stellt die Regelung in Art.  8.22 (1) (g) und (f) CETA im Vergleich zur bisherigen Praxis in Investitionsschutzabkommen der EU-Mitgliedstaaten eine erhebliche Beschränkung der Klagemöglichkeiten ausländischer Investoren auf internationaler Ebene dar und reduziert erheblich die Effektivität der Investor-Staat-Streitbeilegung als Rechtsschutzinstrument.336 Unabhängig davon kann der ausländische Investor allerdings immer noch eine Unterlassungsklage oder andere Form der Verhaltensbeschränkung auf nationaler Ebene (oder, falls völkerrechtlich möglich, auf internationaler Ebene vor einem anderen Investor-Staat-Schiedsgericht) verfolgen.337 Für solche Klagen ist

334  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 75. 335  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 76. 336  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 76. 337  VanDuzer, Investor-State Dispute Settlement in CETA: Is it the Gold Standard?, S.  6.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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das CETA-Gericht nicht zuständig bzw. verfügt über keine Entscheidungskompetenz.338 5. Die verfahrensrechtlichen Auswirkungen der Zuständigkeitsbegründung des CETA-Gerichts Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts begründet für den Investor-Staat-Rechtsstreit besondere Auswirkungen. Zum einen unterwerfen sich der Gastgeberstaat und der Investor dem Urteil des CETA-Gerichts bzw. bei Einlegung eines Rechtsmittels nach Art.  8.28 CETA der Rechtsbehelfsinstanz. Außerdem können die Streitparteien nach Art.  8.22 (1) (g) und (f) CETA nicht mehr gleichzeitig vor anderen nationalen oder internationalen (Schieds-)Gerichten Rechtsmittel gegen die beanstandete Maßnahme des Gastgeberstaates einlegen. Es wird vom Investor verlangt, dass er Klagen oder Gerichtsverfahren nach nationalem oder internationalem Recht in Bezug auf die Maßnahme des Gastgeberstaates, die er rügt, zurücknimmt bzw. einstellt und auf sein Recht verzichtet, eine Klage oder ein Gerichtsverfahren nach nationalem oder internationalem Recht aufgrund jener Maßnahme anzustreben. Nach Art.  8.22 (2) CETA gelten die in Art.  8.22 (1) (g) und (f) CETA geregelten Anforderungen sowohl für den Investor als auch für das mit diesem in Verbindung stehende gebietsansässige Unternehmen, außer der Beklagte bzw. Gastgeberstaat des Investors hat dem Investor die Kontrolle über das gebietsansässige Unternehmen entzogen oder auf andere Weise daran gehindert, die in Art.  8.22 (1) (a) und (g) CETA betreffenden Anforderungen zu erfüllen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im CETA keine vergleichbare Regelung, wie in Art.  27 (1) ICSID Übrk. existiert, wonach der Investor die Möglichkeit verliert, durch seinen Heimatstaat den diplomatischen Schutz in Anspruch zu nehmen oder einen anderen völkerrechtlichen Anspruch zugunsten des Investors geltend zu machen. Vielmehr lässt die Inanspruchnahme des CETA-Gerichts nach Art.  8.18 (1) i. V. m. Art.  29.3 (1) CETA den CETA-Vertragsparteien grundsätzlich ein Vorgehen nach anderen Übereinkünften, denen diese beigetreten sind, insbesondere eines Staat-Staat-Streitbeilegungsverfahrens nach Art.  29.1 ff. CETA unberührt. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes ist aber in Art.  29.3 (2) CETA geregelt, wonach bei einer inhaltlich gleichwertigen Verpflichtung aus dem CETA und einem anderen zwischen den CETA-Vertragsparteien bestehenden Übereinkommen nicht in beiden Foren gegen die Verletzung der betreffenden Verpflichtung vorgegangen werden darf.339 Demnach dürfte ein Investor die 338 

Siehe zu den Befugnissen des CETA-Gerichts oben, unten D. III. 1. CETA (Wahl des Schlichtungsforums): „(1) Die Inanspruchnahme der Streitbeilegungsbestimmungen dieses Kapitels [29 CETA] lässt ein Vorgehen nach dem WTO-Übe339  Art.  29.3

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Möglichkeit, von seinem Heimatstaat den diplomatischen Schutz in Anspruch zu nehmen, solange nicht verlieren, wie er nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, Unterstützung durch seinen Heimatstaat nach Art.  29 CETA im Rahmen eines Staat-Staat-Streitbeilegungsverfahrens zu seinen Gunsten in Anspruch zu nehmen. 6. Zwischenergebnis Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts ist im Vergleich zum sonstigen in Investitionsschutzabkommen geregelten Zugang zur Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit, vor allem zum ICSID-Schiedsgericht, wesentlich enger ausgestaltet. Insbesondere im Vergleich zum ICSID-Übereinkommen lassen sich die Zuständigkeitsvoraussetzungen für das CETA-Gericht ebenfalls grob in die Zuständigkeit ratio voluntas, ratio personae sowie ratio materiae untergliedern. Wo aber nach Art.  25 (1) ICSID Übrk. noch die vorherige Zustimmung durch den Gastgeberstaat und den ausländischen Investor benötigt wird, um sich der ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit zu unterwerfen, sind die Voraussetzungen der Zuständigkeit ratio voluntas im CETA wesentlich einfacher zu erfüllen. Dem ausländischen Investor wird mit Art.  8.25 (1) CETA die ausdrückliche Zustimmung der jeweiligen CETA-Vertragspartei zur direkten Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vor dem CETA-Gericht gegeben. Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts wird durch die Einreichung der Klage begründet, die gleichzeitig als Annahme des Investors auf das Angebot der CETA-Vertragspartei (den Streit vor dem CETA-Ge­richt beizulegen) zu sehen ist. Auch hinsichtlich der ratio personae wird nach dem CETA speziell dem kanadischen Investor vorgegeben, gegenüber der EU ein Ersuchen zur Feststellung des Beklagten bei Streitigkeiten mit der Europäischen Union oder einem EU-Mitgliedstaat nach Art.  8.21 CETA zu übermitteln, um den „richtigen“ Beklagten feststellen zu lassen. Dagegen sind die Anforderungen an die Zuständigkeit ratio materiae durch eine detailliertere Begriffsbestimmung der Investition in Art.  8.1 CETA sowie Negativbestimmungen, reinkommen oder nach anderen Übereinkünften, denen die Vertragsparteien beigetreten sind, unberührt. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 gilt Folgendes: Sind Verpflichtungen aus diesem Abkommen und aus dem WTO-Übereinkommen oder aus einer anderen Übereinkunft, der die Vertragspartei beigetreten ist, inhaltlich gleichwertig, so darf eine Vertragspartei nicht in beiden Foren gegen die Verletzung der betreffenden Verpflichtung vorgehen. In einem solchen Fall darf die Vertragspartei nach Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens nach der einen Übereinkunft nur dann gegen die Verletzung einer inhaltlich gleichwertigen Verpflichtung nach der anderen Übereinkunft vorgehen, wenn das zunächst befasste Forum aus Verfahrens- oder Rechtsgründen, ausgenommen bei der Einstellung des Verfahrens nach Anhang 29-A Absatz 20, nicht über das ursprüngliche Klagebegehren befinden kann.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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die vorgeben, was nicht unter den Begriff der Investition nach Art.  8.1 CETA zu fassen ist, höher als in Art.  25 (1) ICSID Übrk. Unabhängig von der ratio trias weichen die Zuständigkeitsvoraussetzungen des CETA-Gerichts auch durch weitere Vorgaben von denen der Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts ab. Im Besonderen ist für den ausländischen Investor die Anzahl an möglichen geltend zu machenden Ansprüchen vor dem CETA-Gericht gemäß Art.  8.18 (1) CETA beschränkt auf die Verletzungen der Inländergleichbehandlung und Meistbegünstigung (mit Ausnahme von Marktzugangsbeschränkungen [Abschnitt C]) sowie den Kapitaltransfer und Bestandsschutz getätigter Investitionen (beispielsweise das Verbot der entschädigungslosen Enteignung [Abschnitt D]).340 Dazu können Ansprüche nach nationalem Recht des jeweiligen CETA-Vertragsstaates sowie aus Verträgen zwischen dem Investor und dem Gastgeberstaat nicht vom ausländischen Investor vor dem CETAGe­richt geltend gemacht werden. Es ist aufgrund von Art.  8.18 (1) CETA auch nicht möglich, eine Maßnahme des Gastgeberstaates generell anzufechten, weil der Wortlaut des Art.  8.18 (1) CETA ergibt, dass eine Klage wegen einer Maßnahme Kanadas, der EU oder eines EU-Mitgliedstaates nur dann erhoben werden kann, wenn der Investor nachweisen kann, dass ihm diese Maßnahme einen Schaden verursacht hat. Zudem sind der eigentlichen Klage vor dem CETA-Gericht und der Begründung von dessen Zuständigkeit nach Art.  8.22 CETA zwingend Konsultationen vorgelagert. Neben diesen formalen Zugangsbeschränkungen zum CETA-Gericht besteht durch die Regelungen in Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA noch eine weitreichende Beschränkung des Zugangs zum CETA-Gericht, indem durch beide Regelungen faktisch ein Erfordernis der nationalen Rechtswegerschöpfung eingeführt wird.341 Entsprechend dieser Regelungen ist der Zugang zum CETA-Gericht nur möglich, wenn der Kläger etwaige bereits nach internem oder internationalem Recht angestrengte Klagen oder Gerichtsverfahren in Bezug auf die streitgegenständliche Maßnahme gemäß Art.  8.22 (1) (f) CETA zurücknimmt oder einstellt und nach Art.  8.22 (1) (g) CETA auf sein Recht verzichtet, solche Klagen wegen der gerügten Maßnahme des Gastgeberstaates künftig einzuleiten.342

340 

Nach Anhang 8-B CETA sind auch Klagemöglichkeiten von betroffenen Investoren in Bezug auf Staatsschulden durch geltend zu machende Anspruchsgrundlagen und Wartefristen beschränkt. Siehe zudem zu den materiellen Investitionsschutzvorschriften des CETAs ausführlich oben, unter 1. Kapitel B. II. 2. c) bb). 341  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 75. 342  Siehe hierzu Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 75 f.

380

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

IV. Die Vorgaben des CETAs an die Verwaltung und Rechtsprechung seines Gerichts Zusätzlich zu der nach dem CETA bereits dargestellten, begrenzt zugewiesenen Entscheidungskompetenz des CETA-Gerichts durch die anzuwendenden Investitionsschutzregelungen hat mit den Vorgaben im CETA neben dem verstärkten Einfluss der CETA-Vertragsparteien auf die Gerichtsverwaltung343, insbesondere eine weitere Einhegung der traditionellen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit stattgefunden, indem sowohl die Rechtsanwendung als auch die Rechtsfindung des CETA-Gerichts einer Kontrolle der CETA-Vertragsparteien unterworfen wird. Gleichzeitig wird aber auch die Möglichkeit der Verfahrensparteien, unmittelbar Einfluss auf ihr Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren auszuüben (wie es in der traditionellen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit üblich ist), erheblich eingeschränkt. Ausgangspunkt der Darstellung der Vorgaben des CETA-Investitionsschutzkapitels für die Ausgestaltung der CETA-Gerichtsverwaltung und Rechtsprechung sind die Begriffe, die das CETA für seinen Spruchkörper zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten verwendet. Denn trotz des schiedsgerichtlichen Charakters des CETA-Gerichtssystems wurden im Vergleich zur traditionellen Schiedsgerichtsbarkeit die Begrifflichkeiten für die Entscheidungsträger sowie den Spruchkörper geändert. Die beispielsweise im ICSID-Übereinkommen und in der UNCITRAL-Schiedsordnung bezeichneten „Schiedsrichter“ bzw. „arbitrator“ werden im CETA beispielhaft in Art.  8.27 (4) CETA als „Members of the Tribunal“ bzw. „Mitglieder des Gerichts“ bezeichnet. Die aus dem Englischen ins Deutsche übersetzte CETA-Vertragsversion geht diesbezüglich noch weiter, indem nicht mehr wie im ICSID-Übereinkommen von „Tribunal“ sondern beispielhaft in Art.  8.27 CETA vom „Gericht“ gesprochen wird. Dadurch wird eine symbolische Wirkung des CETA-Vertragstextes erreicht, die nicht zu unterschätzen ist. Den Begriff des „arbitrators“ vollständig aus dem CETA zu streichen und ihn durch den neutralen Titel „Members of the Tribunal“ zu ersetzen, schafft für sich bereits eine Abgrenzung zu den geäußerten Legitimationsbedenken der (traditionellen) ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, die vor allem gegenüber den parteiernannten Schiedsrichtern und deren möglicher Doppelrolle als Schiedsrichter und Parteivertreter tätig zu werden, stattfindet. Neben der symbolischen Wirkung 343 

Mit dem Begriff der Gerichtsverwaltung soll in der vorliegenden Arbeit die Gesamtheit aller Aufgaben begriffen werden, die bei der Bereitstellung der persönlichen und sachlichen Mittel für die Tätigkeit des CETA-Gerichts in Rechtsprechung und Verwaltung zu erfüllen sind. Siehe Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  16 f. So kann dazu insbesondere die Bestellung des richterlichen und nichtrichterlichen Personals als Personalverwaltung, die Infrastrukturverwaltung, Ablaufverwaltung sowie die Finanz- bzw. Haushaltsverwaltung, zählen.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

381

verdeutlichen die anders gewählten Begriffe im CETA auch die unterschiedlichen Vorgaben an die Verwaltung des CETA-Gerichts im Vergleich zum ICSIDSchieds­gericht. In diesem Sinne weicht das System der Bestellung und Zusammensetzung des CETA-Gerichts entschieden von der Praxis des Standardmodells der InvestorStaat-Schieds­gerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen ab. Charakteristisch für die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit und dem Grundsatz der Parteiautonomie entsprechend erlaubt Art.  37 ICSID Übrk. den Parteien, Einfluss auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts auszuüben, indem diese jeweils einen Schiedsrichter benennen und auch generell ein Mitspracherecht bei der Ernennung des vorsitzenden Richters ausüben können. Dagegen ist der Einfluss der klagenden Investoren auf die Zusammensetzung des CETA-Gerichts verfahrensrechtlich ausgeschlossen. Die CETA-Vertragsparteien, also die Beklagten vor dem CETA-Gericht, haben die Kontrolle über die Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder, indem der Gemischte CETA-Ausschuss in der Funktion eines Richterwahlausschusses in einem ersten Schritt die 15 CETA-Gerichtsmitglieder für einen längeren Zeitraum ernennt (1.) und in einem zweiten Schritt die Zusammensetzung der streitentscheidenden zuständigen CETA-Gerichtskammer gemäß Art.  8.27 (7) CETA nach einem Rotationsverfahren und dem Zufallsprinzip durch den CETA-Gerichtspräsidenten aus der „Richterliste“ bestellt werden. Insoweit soll auch der Einfluss der Verfahrensparteien im weiteren Lauf des Verfahrens unterbunden werden, indem das CETA-Gericht sich grundsätzlich selbst verwalten soll (2.), insbesondere durch die eigene Festlegung seines Arbeitsverfahrens sowie einer eigenen Haushalts- und Satzungsautonomie. Zusätzlich sind die durch das CETA geforderten Qualifikationen der Gerichtsmitglieder (3.) und die nach Art.  8.30 CETA an sie gestellten ethischen Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (4.) im Vergleich zu den Schiedsrichtern des ICSID-Schiedsgerichts wesentlich höher und umfangreicher. Zu nennen sei nur die verbindliche Einhaltung eines Verhaltenskodex und die Inkompatibilitätsregelung in Art.  8.30 (1) CETA als Verbot, gleichzeitig sowohl als Richter als auch rechtsberatend in Investitionsstreitbeilegungsverfahren tätig sein zu dürfen. Schließlich findet nach dem CETA eine weitaus umfassendere sachlich-inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts statt (5.), als dies in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit möglich ist. Insbesondere wurde eine Rechtsbehelfsinstanz zur Implementierung der Bindung an die CETA-Investitionsschutzvorschriften im Einzelfall eingerichtet und die CETA-Vertragsparteien haben sich mit dem Gemischten CETA-Ausschuss die Einflussnahme auf die Rechtsanwendung und Rechtsfindung des CETA-Gerichts im Bedarfsfall (beispielsweise

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

zur „Korrektur“344 der Rechtsprechung) vorbehalten. Diesbezüglich stellt die Schaffung eines Instanzenzugs tatsächlich eine Verbesserung der Rechtssicherheit in der Investor-Staat-Streitbeilegung dar, wohingegen beispielsweise die Korrekturmöglichkeit einer „unerwünschten“ Wendung der Auslegung der CETA-Investitions­schutzregelungen durch das CETA-Gericht, die Möglichkeit und dadurch die Gefahr der gelenkten Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder durch die CETA-Vertragsparteien in sich birgt. 1. Das System der Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder Die Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder durch den Gemischten CETA-Ausschuss bietet die Möglichkeit für eine uneingeschränkt personelle demokratische Legitimation (a.). Zudem unterliegt die Zusammensetzung des CETA-Gerichts detaillierten Vorgaben (b.). Für jedes Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren ist eine sogenannte „Kammer“, bestehend aus drei der insgesamt 15 Mitgliedern des CETA-Gerichts, durch den CETA-Gerichtspräsidenten nach dem Zufallsprinzip und einem Losverfahren zu bestellen. Dadurch ist ein unmittelbarer Einfluss der Streitparteien auf die Zusammensetzung der streitentscheidenden Gerichtskammer ausgeschlossen, was insbesondere zu einer Stärkung der Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder führt. Die Achillesferse des Systems der Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder ist jedoch die Möglichkeit der einmaligen Verlängerung der Amtszeit in Kombination mit der Regelung, dass die Entscheidung der CETA-Gerichtsmitglieder nicht anonym erfolgt (c.). In diesem Sinne stellt die Einflussmöglichkeit der CETA-Vertrags­parteien auf die Auswahl bzw. Verlängerung der Amtszeit der CETA-Gerichtsmitglieder eine Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder dar. a) Die demokratische Legitimation der CETA-Gerichtsmitglieder durch die Ernennung des Gemischten CETA-Ausschusses Nach Art.  8.27 (2) und (5) CETA345 werden 15 Mitglieder jeweils für eine Amtszeit von fünf Jahren durch den Gemischten CETA-Ausschuss für das CETA-Ge344 Vgl.

Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, online abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „[…], um eine etwaige Fehlinterpretation des CETA durch die Gerichte zu verhindern oder zu korrigieren.“ 345  Art.  8.27 (5) CETA: „Die nach diesem Abschnitt ernannten Mitglieder des Gerichts werden für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt, die einmal verlängert werden kann. Die Amts-

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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richt ernannt, welche einmal verlängert werden kann. Spezielle Vorgaben, auf welche Art und Weise die Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder vorgenommen werden soll, sind im CETA nicht geregelt, so dass die Regelung des Art.  26.1 und 26.3 CETA Anwendung findet. Danach sind die CETA-Gerichtsmitglieder durch einen einfachen Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusseses zu bestellen. Schenkt man einem nach außen unbeabsichtigt bekannt gewordenen Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2012 Glauben, dann müssten die Teilnehmer der EU-Vertreter im paritätisch besetzten Gemischten CETA-Ausschuss zunächst die Zustimmung der EU einholen, bevor eine Zustimmung der Vertreter im Sinne der EU und den EU-Mitgliedstaaten zu dem entsprechenden Beschluss bzw. der jeweiligen Bestellung eines CETA-Gerichtsmitglieds erreicht würde. Nach Art.  218 (9) AEUV würde dies einen Vorschlag der EU-Kommission hinsichtlich des jeweiligen zu bestellenden CETA-Gerichtsmitglieds und eine anschließende qualifizierte Mehrheit im Rat der EU (der die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten repräsentiert) erfordern.346 Ein solches System der Exekutivbestellung der CETA-Gerichtsmitglieder: Der Vorschlag möglicher Gerichtsmitglieder durch die EU-Kommission, der Wahl des jeweiligen CETA-Gerichtsmitglieds durch eine qualifizierte Mehrheit im Rat der EU und der anschließenden (weisungsgebundenen) Beschlussfassung zeit von sieben der unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Abkommens ernannten 15 Personen wird jedoch auf sechs Jahre festgesetzt; die betreffenden Personen werden im Losverfahren bestimmt. Vakanzen werden unverzüglich neu besetzt. Eine Person, die ernannt wird, um ein Mitglied des Gerichts zu ersetzen, dessen Amtszeit noch nicht abgelaufen ist, nimmt die Aufgabe für den Rest der Amtszeit ihres Vorgängers wahr. Grundsätzlich kann ein Mitglied des Gerichts, das einer Gerichtskammer angehört, bei Ablauf seiner Amtszeit seine Funktion innerhalb der Kammer so lange weiter ausüben, bis ein endgültiger Urteilsspruch ergangen ist.“ 346  Das Dokument ist unter World Trade online verfügbar und erfordert eine Registrierung: https://goo.gl/qGrI37 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Das entsprechende PDF-Dokument besteht aus drei Teilen in der folgenden Reihenfolge: der überarbeitete Entwurf der EU-Kommission von Juni 2012, die zusammenfassenden Erklärungen der EU-Kommission zu dem Entwurf und das ursprünglich im Mai 2012 durchgesickerte Dokument. Die entsprechende hier zitierte Passage befindet sich auf S.  31, Comments on Article 9 (2); Auch Schill schlägt diesbezüglich vor, dass das Europaparlament, oder auch der EuGH an der Beschlussbildung des Gemischten CETA-Ausschusses beteiligt werden sollten und damit auch an der Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder. Er begründet dies damit, dass „durch den Vertrag von Lissabon […] die Rolle des Europäischen Parlaments als Ort demokratischer Legitimation und Kontrolle gerade im Bereich der EU-Außen- und Außenwirtschaftspolitik gestärkt werden [sollte]. Subsidiär bleibt daneben die kontinuierliche Identitätskontrolle durch das BVerfG. Nur so kann letztlich sichergestellt werden, dass der politische Gestaltungsspielraum, auch für den demokratischen Gesetzgeber, der durch die Stärkung der EU als außen- und außenwirtschaftspolitischer Akteur durch den Vertrag von Lissabon, gerade im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, geschaffen werden soll, erhalten bleibt“: Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 92.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

im Gemischten CETA-Ausschuss, entsprechend der Wahl des Rats der EU, ist unter dem Aspekt der demokratischen Legitimation der ernannten CETA-Gerichtsmitglieder rechtspolitisch vorzugwürdig.347 Das System der Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder „spannt eine lupenreine Legitimationskette und schirmt das Verfahren zudem gegen den Einfluß [sic!] von Partikularinteressen ab“348. Das jeweilige Volk des EU-Mitgliedstaates wählt das Parlament, welches die Regierung wählt und diese bestimmt schließlich im Rat der EU, welche Person zum CETA-Gerichtsmitglied ernannt werden soll.349 Die Beschlussfassung im Gemischten CETA-Ausschuss ist dabei nur noch Formsache. Ein entsprechendes System der Exekutivbestellung der CETA-Gerichtsmitglieder, wie im Vorschlag der EU-Kommission vorgesehen, wäre folglich unter dem Aspekt der demokratischen Legitimation der CETA-Gerichtsmitglieder zu begrüßen. Die Mitglieder des CETA-Gerichts wären deutlich stärker demokratisch legitimiert als die nach Art.  37 ICSID Übrk. parteiernannten Schiedsrichter in ICSID-Schiedsverfahren. Wie die Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder tatsächlich stattfinden wird, ist zum Zeitpunkt der Bearbeitung dieser Untersuchung aber noch nicht durch die CETA-Vertragsparteien festgelegt worden.350 b) Die Zusammensetzung des CETA-Gerichts und die Bildung seiner Kammern Das CETA-Gericht erster Instanz soll sich aus insgesamt 15 Gerichtsmitgliedern zusammensetzen. Fünf der Gerichtsmitglieder sollen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU sein, fünf Staatsgehörige Kanadas und fünf Staatsangehörige von Drittländern.351 Bei sieben der 15 Mitglieder des Gerichts ist die Amtszeit nach Art.  8.27 (5) CETA nicht auf fünf, sondern auf sechs Jahre festgesetzt. Dadurch soll vermutlich die Weitergabe und Beibehaltung der institutionell ge347 

Siehe hierzu Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  127 f. Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  128. 349  Ein entsprechendes System sollte auch auf die kanadischen Vertreter im Gemischten CETA-Ausschuss zutreffen, da zumindest der „Minister for International Trade of Canada“ einen Teil des Vorsitzes im Gemischten CETA-Ausschuss führt. Siehe Rule 1 (2) Rules of Procedure (composition and chair) des Gemischten CETA-Ausschusses, online abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32018D1062 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Die genaue Zusammensetzung des Gemischten CETA-Ausschusses soll aber noch bekannt gegeben werden. 350 Insoweit wurden zunächst „lediglich“ die „rules of procedure“ für den Gemischten CETA-Aus­schuss festgelegt, siehe online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/? uri=CELEX:32018D1062 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 351  Die CETA-Vertragsparteien können aber auch bis zu fünf Mitglieder beliebiger Staatsangehörigkeit ernennen, die dann aber als Staatsangehörige der jeweiligen Vertragspartei zu betrachten sind. Siehe hierzu die Fußnote zu Art.  8.27 (2) CETA. 348 

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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wonnenen Kenntnisse und Erfahrungen mit der Arbeitsweise des CETA-Gerichts an die folgende Generation an Gerichtsmitgliedern erleichtert werden. Diese Besonderheit gilt allerdings nur für die erste Generation von Gerichtsmitgliedern. Nach Art.  8.27 (5) CETA wird durch ein Losverfahren bestimmt, wer die sieben Mitglieder mit einer ersten sechsjährigen Amtszeit sein sollen. Indem die Ernennung der Gerichtsmitglieder durch den Gemischten CETAAus­schuss stattfindet, liegt die Auswahl der Entscheidungsträger in der Investor-Staat-Streitbeilegung in staatlicher Hand. Die begrenzte Amtszeit verhindert, dass die Legitimation der Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder durch Zeitablauf zu sehr verblasst und das Gericht versteinert.352 Für den Fall, dass der Gemischte CETA-Ausschuss nicht innerhalb von 90 Tagen nach Einreichung einer Klage beim CETA-Gericht 15 Gerichtsmitglieder ernannt hat, sieht Art.  8.27 (17) CETA vor, dass jede der beiden Streitparteien die Möglichkeit hat zu beantragen, dass der ICSID-Generalsekretär die drei Gerichtsmitglieder für die streitentscheidende Kammer ernennt, es sei denn, die streitenden Parteien haben sich auf einen einzigen Schiedsrichter geeinigt.353 Unter diesen Umständen muss der ICSID-Generalsekretär nach Art.  8.27 (17) CETA 352  Im

Vergleich zum Standardmodell der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit mit der Möglichkeit der Parteiernennung der Schiedsrichter wurde demnach eine grundlegende Änderung des Auswahlprozesses vorgenommen, die auch als wesentliche Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter im Status quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit angesehen wird. Siehe hierzu auch den Schlagabtausch von Paulsson, Van Harten, van den Berg, Brower und Rosenberg zum Pro und Contra der Parteiernennung in Investor-Staat-Schiedsverfahren. Siehe hierzu Van Harten, Perceived Bias in Investment Treaty Arbitration, in: Waibel (Hrsg.), The Backlash against Investment Arbitration, S.  433–453; Paulsson, Moral Hazard in International Dispute Resolution, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  25 (2) (2010), S.  339 ff.; Brower/Rosenberg, The Death of the Two-Headed Nightingale: Why the Paulsson-van den Berg Presumption that Party-Appointed Arbitrators are Untrustworthy is Wrongheaded, in: Arb. Int’l, Bd.  29 (1) (2013), S.  7 ff.; van den Berg, Charles Brower’s problem with 100 percent-dissenting opinions by party-appointed arbitrators in investment arbitration, in: Arb. Int’l, Bd.  31(3) (2015), S.  1 ff.; Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Frd.I.L.J., Bd.  41. (4) (2018), S.  791 ff. 353  Art.  8.27 (17) CETA: „Sind innerhalb von 90 Tagen nach Einreichung einer Klage zum Zwecke der Streitbeilegung keine Ernennungen nach Absatz 2 durch den Gemischten CETAAus­schuss erfolgt, beruft der ICSID-Generalsekretär auf Ersuchen einer der Streitparteien eine aus drei Mitgliedern des Gerichts bestehende Kammer, es sei denn, die Streitparteien haben vereinbart, dass nur ein einziges Mitglied des Gerichts mit dem Fall befasst werden soll. Der ICSID-Generalsekretär nimmt die Ernennungen aufgrund einer Zufallsauswahl aus den vorliegenden Nominierungen vor. Als Vorsitzenden darf der ICSID-Generalsekretär keinen Staatsangehörigen Kanadas oder eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ernennen, es sei denn, die Streitparteien vereinbaren etwas Anderes.“ Mit „einer der Streitparteien“ in Art.  8.27 (17) CETA sind nach Art.  8.1 CETA sowohl der Investor als auch der Beklagte (Gastgeberstaat) gemeint.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

die Ernennung nach dem Zufallsprinzip aus den bestehenden Nominierungen vornehmen und kann keinen Staatsangehörigen Kanadas oder eines EU-Mitgliedstaates zum Vorsitzenden ernennen, es sei denn, die streitenden Parteien vereinbaren etwas anderes. Sind wie von den CETA-Vertragsparteien beabsichtigt, alle 15 Gerichtsmitglieder des Gemischten CETA-Ausschusses ernannt, bestimmt der Präsident des CETA-Gerichts gemäß Art.  8.27 (7) CETA innerhalb von 90 Tagen nach Einreichung einer Klage für die streitentscheidende Kammer drei Mitglieder aus dem Kreis jener 15 Gerichtsmitglieder.354 Dabei soll nach Art.  8.27 (6) CETA je ein Kammermitglied Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats und Kanadas sowie der Kammervorsitzende ein Staatsangehöriger eines Drittlandes sein.355 Die Bestellung des Präsidenten der Kammermitglieder hat im Wege eines Rotationsverfahrens sowie unter der Einhaltung eines Zufallsprinzips zu erfolgen. Bei der Bildung einer Kammer durch den Präsidenten muss unbedingt für alle Mitglieder des CETA-Gerichts die gleiche Möglichkeit bestehen, in eine Kammer berufen zu werden.356 Durch dieses System wird deutlich, dass weder der beklagte Gastgeberstaat noch der klagende ausländische Investor einen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung der Mitglieder der Kammer haben soll und haben wird. Nach Art.  8.27 (9) CETA können die streitenden Parteien auch vereinbaren, dass ein Streitfall von einem einzigen Gerichtsmitglied angehört wird, das nach dem Zufallsprinzip aus dem Kreis der fünf Gerichtsmitglieder mit der Staatsangehörigkeit von Drittländern ernannt wird.357 Dadurch soll es möglich sein, Ver354  Art.  8.27 (7) CETA: „Innerhalb von 90 Tagen nach Einreichung einer Klage nach Artikel 8.23 ernennt der Präsident des Gerichts die Mitglieder des Gerichts, die der mit dem Fall zu befassenden Kammer angehören werden; dabei wird ein Rotationsverfahren zugrunde gelegt und sichergestellt, dass die Zusammensetzung der Kammern nach dem Zufallsprinzip erfolgt und nicht vorhersehbar ist und dass für alle Mitglieder des Gerichts dieselbe Wahrscheinlichkeit besteht, in eine Kammer berufen zu werden.“ 355  Dadurch sollte die streitentscheidende CETA-Gerichtskammer optimal besetzt sein, da die CETA-Gerichtsmitglieder insbesondere spezialisierte Rechtskenntnisse besitzen werden, die nützlich sind, um die Unterschiede zwischen den jeweiligen Rechtssystemen von Kanada, der EU und den Mitgliedstaaten der EU zu berücksichtigen und diesen im Einzelfall gerecht zu werden. Siehe hierzu Lord Phillimore, Advisory Committee of Jurists, Process-Verbaux of the Proceedings of the Advisory Committee of Jurists, S.  528 f., online abrufbar unter: http://www. archive.org/stream/procsverbauxof00leaguoft/procsverbauxof00leaguoft_djvu.txt (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „it would be preferable to give a national representative to both parties, not only to protect their interests, but to enable the Court to understand certain questions which require highly specialized knowledge and relate to the differences between the various legal systems.“ 356  Vgl. Art.  8.27 (7) CETA. 357  Art.  8.27 (9) CETA: „Ungeachtet des Absatzes 6 können die Streitparteien vereinbaren,

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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fahrenskosten zu senken, um so insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen oder in Fällen, in denen der geltend gemachte Schaden relativ gering ist, den Zugang zum CETA-Gericht zu ermöglichen.358 Ob dadurch am Ende des Verfahrens wirklich Kosten gespart werden, bleibt abzuwarten. Bei der Entscheidung über unkomplizierte Streitfälle bzw. bei einfachen Schadensersatzansprüchen stellt ein Einzelschiedsrichter mit Sicherheit eine effiziente Möglichkeit dar, die Verfahrenskosten zu senken.359 Für den Fall, dass ein Mitglied des Gerichts ersetzt werden muss, sieht Art.  8.27 (5) CETA vor, dass ein neues Mitglied das Amt für den Rest der Amtszeit des ausgeschiedenen Mitglieds übernimmt. Dabei lässt sich allerdings nicht klar aus dem CETA-Vertragstext erkennen, ob der Nachfolger eine zweite Amtszeit als Mitglied des Gerichts anstreben kann. Diese Unsicherheit sowie die Unsicherheit über eine wiederholte Ernennung als Mitglied des Gerichts bzw. der Verlängerung der Amtsperiode durch den Gemischten CETA-Ausschuss könnte ein Hindernis für die Anwerbung kompetenter und qualifizierter Personen als CETA-Gerichtsmitglieder darstellen.360 Das ausscheidende Mitglied des Gerichts (bzw. ein Mitglied, dessen Amtszeit abgelaufen ist), das noch immer als Richter in einem Investitionsstreitbeilegungsverfahren unter dem CETA-Streitbeilegungsverfahren tätig ist, kann nach Art.  8.27 (5) CETA sein Amt in dem konkreten Investitionsstreitbeilegungsverfahren noch solange ausüben, bis ein endgültiger Schiedsspruch erlassen wird. Diese Fristverlängerung der Amtszeit sollte nach Möglichkeit unbedingt vom betroffenen Gerichtsmitglied wahrgenommen werden. Nur so kann die Kontinuität der Mitglieder einer streitentscheidenden Kammer gewahrt werden, was einem effektiven Streitbeilegungsverfahren sehr förderlich wäre. Schließlich sind nach Art.  8.27 (8) CETA der Präsident und der Vizepräsident des CETA-Gerichts für organisatorische Fragen zuständig und werden jeweils dass mit einem Fall nur ein einziges Mitglied des Gerichts befasst wird, das nach dem Zufallsprinzip aus dem Kreis der Staatsangehörigen eines Drittlands ernannt wird. Das Ersuchen eines Klägers um Befassung eines einzigen Mitglieds des Gerichts wird vom Beklagten wohlwollend geprüft, insbesondere dann, wenn es sich beim Kläger um ein kleines oder mittleres Unternehmen handelt oder wenn die geltend gemachten Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche vergleichsweise gering sind. Ein solches Ersuchen muss vor der Bildung der Gerichtskammer eingereicht werden.“ 358 Vgl. Lörcher/Lörcher, Organisation eines Ad-hoc Schiedsverfahrens, in: SchiedsVZ (2005), S.  179, 181. 359 Vgl. Hantke, Die Bildung des Schiedsgerichts, in: SchiedsVZ (2003), S.  269; Ähnlich auch Tams, Procedural Aspects of Investor-State Dispute Settlement: The Emergence of a European Approach?, in: JWIT, Bd.  15 (2014), S.  585, 602. 360 So Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 795.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

eine zweijährige Amtszeit in ihrer jeweiligen Funktion innehaben.361 Sie müssen per Losverfahren aus dem Kreis der Mitglieder des Gerichts ausgewählt werden, die Staatsangehörige von Drittländern sind und werden vom Vorsitz des Gemischten CETA-Ausschuss ernannt, der sich nach Art.  26.1 (1) CETA aus dem kanadischen Minister for International Trade und dem EU-Handelskommissar oder deren jeweiligen Vertretern zusammensetzt. Daher werden alle nicht-nationalen Gerichtsmitglieder bis zum Ende ihrer Amtszeit entweder als Präsident oder Vizepräsident tätig gewesen sein. Auch die Regelung des Art.  8.27 (8) CETA, dass der Vizepräsident den Präsidenten vertritt, wenn dieser nicht erreichbar ist, entspricht dem allgemeinen Usus. Allerdings ist es nur den fünf Mitgliedern des Gerichts, welche die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates innehaben, erlaubt, die Funktion des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Gerichts und die Funktion des vorsitzenden Richters in einer Kammer einzunehmen. Demnach handelt es sich bei diesen fünf Mitgliedern um die wichtigsten der insgesamt 15 ernannten Mitglieder. c) Der Einfluss des Gemischten CETA-Ausschusses auf die Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder als Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Der Einfluss der CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETA-Ausschuss stellt unter den gegebenen Vorgaben des CETA-Investitionsschutzkapitels das Risiko einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitgliedern dar. Dabei ist jedoch zwischen der Bestellung und der Amtsverlängerung zu unterscheiden. Wo die Bestellung für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ungefährlich ist, birgt die mögliche Amtsverlängerung durchaus die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder in sich. Durch die Verlängerungsmöglichkeit der Amtszeit wird ein vermeintlicher Anreiz für die Gerichtsmitglieder geschaffen, pro-staatliche Urteilssprüche bzw. Urteilssprüche zugunsten der ernennenden CETA-Vertragspartei auf der Ebene der ersten Instanz zu entscheiden oder diese Entscheidung im Rahmen einer Überprüfung durch die Kammern der Rechtsbehelfsinstanz anzupassen. Dabei kann es sich hinsichtlich eines Urteilsspruchs zugunsten der ernennenden CETA361  Art.  8.27

(8): „Der Präsident und der Vizepräsident des Gerichts sind für organisatorische Fragen zuständig; sie werden für einen Zweijahreszeitraum ernannt und im Losverfahren aus dem Kreis der Mitglieder des Gerichts ausgewählt, die Staatsangehörige von Drittländern sind. Sie üben ihr Amt unter Zugrundelegung eines Rotationsverfahrens aus und werden per Losentscheid durch den Vorsitz des Gemischten CETA-Ausschusses bestimmt. Der Vizepräsident vertritt den Präsidenten, wenn dieser verhindert ist.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Vertrags­partei sowohl um einen Urteilsspruch zugunsten eines klagenden Investors dieser Nationalität als auch des beklagten Staates handeln. Ein solches Risiko der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder wäre auch kein Novum. In der nationalen Gerichtsbarkeit existieren ähnliche Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter. Beispielsweise ist in der Bundesrepublik Deutschland das Beförderungssystem für Unabhängigkeitsgefährdungen potenziell „störanfällig“362. Dabei kann insbesondere „nicht ausgeschlossen werden, daß [sic!] die Justizverwaltung in den Fällen der Besetzung einer höheren Richterstelle, also bei Beförderungen Einflüssen Raum gibt, die eine Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit bedeuten können.“363

Insoweit könnten sich auch nationale Richter dazu verleiten lassen, zur Förderung ihrer von der Verleihung eines Beförderungsamtes abhängigen Karrierechancen, in ihrer Entscheidungspraxis demjenigen Amtsträger gefallen zu wollen, der schließlich über ihre Beförderung entscheiden wird.364 Diesbezüglich ist auch interessant, dass der CETA-Vertragstext im Gegensatz zum EU-Vietnam TIA keine Regel über die Anonymität der Entscheidung der jeweiligen CETA-Gerichtsmitglieder beinhaltet.365 Dadurch besteht die Möglichkeit, dass die Beratungen des CETA-Gerichts und die analytischen und interpretativen Neigungen der einzelnen Gerichtsmitglieder für einen bestimmten Fall eingesehen werden können und so herausgefunden werden kann, ob sich das jeweilige Gerichtsmitglied eher staatlichen Interessen verpflichtet fühlt oder eher dazu geneigt ist, den Interessen von ausländischen Investoren zu entsprechen. Der Gemischte CETA-Ausschuss hätte dann die Möglichkeit, die Amtszeit solcher „pro-staatlichen“ Gerichtsmitglieder zu verlängern und hingegen die Amtszeit von „pro-Investor“-Gerichtsmitgliedern nicht zu verlängern. Dieser Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder könnte allerdings durch zwei Regelungen begegnet werden. Zum einen sollten nicht die konkreten Namen mit der jeweiligen Entscheidung des CETA-Gerichtsmitglieds in den Urteilssprüchen verkündet werden, sondern wie im EU-Vietnam TIA anonym bleiben. Zum anderen könnte in Anlehnung an das Bundesverfassungsgericht eine einmalige Amtszeit von 12 Jahren vorgesehen werden. Die fehlende Möglichkeit zur Wiederwahl würde die Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder sichern. 362  Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 97. EL Januar 2022, Art.  97 Rn.  75. 363  BVerfGE 12, S.  81, 97 f. 364  Zweigert, Zur inneren Unabhängigkeit des Richters, in: Esser/Thieme (Hrsg.), FS von Hippel, 1967, S.  711, 713 f. 365  Nach Art.  3.38 (12) EU-Vietnam TIA bleiben die Entscheidungen der Gerichtsmitglieder anonym.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Dagegen dürfte aber die Ernennung der Gerichtsmitglieder durch den Gemischten CETA-Ausschuss keinen Einfluss auf deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit haben. In diesem Punkt ist es realistisch anzunehmen, dass sich der Gemischte CETA-Ausschuss bei der Ernennung der Gerichtsmitglieder von rechtlichen, politischen und ideologischen Ansichten der ernannten Gerichtsmitgliedern leiten lässt oder dass er sich auf wichtige Akteure in den derzeitigen Investor-Staat-Streitbeilegungssystemen stützen wird, die in der Lage sind, die in Art.  8.27 (4) CETA geforderten notwendigen Fachkenntnisse und Erfahrungen mitzubringen. Und obwohl die Übertragung der Ernennung der Gerichtsmitglieder an den Gemischten CETA-Ausschuss mit Sicherheit ein wirksames Mittel ist, um einerseits die Benennung von Parteipräferenzen zu vermeiden, könnte sie andererseits bestenfalls eine akratische Wirkung haben und im schlimmsten Fall die Nationalitätsverzerrung in der Investor-Staat-Streitbeilegung wiederherstellen und das System neu politisieren. Dagegen wird aber beispielsweise auf nationaler deutscher Ebene anerkannt, dass es demokratisch unvermeidbar ist, dass prinzipiell ein legitimer politischer Einfluss auf die Ernennung von Richtern durch einen (Justiz-) Minister und einen Richterwahlausschuss stattfindet. Dieser Einfluss tangiere aber nicht die Entscheidungsfreiheit der einmal ernannten Richter in der Sache.366 Dadurch besteht weder rechtlich noch faktisch eine Weisungsmacht in Einzelentscheidungen, so dass in der Ernennung von Richtern keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeitsgarantie zu sehen ist.367 2. Eine überwiegende Selbstverwaltung des CETA-Gerichts Die Streitparteien in einem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren üben keinen Einfluss im weiteren Sinne auf die Verwaltung des CETA-Gerichts aus, weil dieses sich den Vorgaben des CETAs entsprechend weitestgehend selbst verwal366  Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 97. EL Januar 2022, GG Art.  97 Rn.  77. 367  Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 97. EL Januar 2022, GG Art.  97 Rn.  77. So auch Jestaedt, Phänomen Bundesverfassungsgericht, Was das Gericht zu dem macht, was es ist, in: Jestaedt/Lepsius/Möllers/Schöneberger, Das entgrenzte Gericht, S.  77–157, 108, der in Bezug auf das Bundesverfassungsgericht, welches ebenfalls durch politische Organe gewählt wird, dem Bundestag und Bundesrat, in der Bestellung keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Bundesverfassungsrichter sieht: „Nur äußerst selten sind Richter des Verfassungsgerichts einmal aus ihrer Rolle gefallen, haben gar offen Partei ergriffen. Von kaum nennenswerten Ausnahmen abgesehen, haben sich die Richterinnen und Richter, einmal als solche bestellt, mehr ihrem Senat als ihren Entsendern in Bundestag oder Bundesrat verpflichtet gefühlt. Dieser Karlsruher „Corpsgeist“, der dadurch unterstützt wird, dass das Bundesverfassungsgericht keine zeitlich begrenzten Sessionen kennt, sondern ganzjährig berät und entscheidet, sollte in seiner Bedeutung für die Qualität und die Autorität der verfassungsgerichtlichen Judikatur nicht unterschätzt werden.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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ten soll. Eine gänzlich geregelte Autonomie ist für das CETA-Gericht aber nicht vorgesehen. Insbesondere haben sich die CETA-Vertragsparteien durch Art.  8.23 (5) CETA einen Teil der Personalverwaltung vorbehalten, indem sie die Amtszeit der CETA-Gerichtsmitglieder nach fünf Jahren verlängern können oder eben nicht. Dagegen scheint aber der Einfluss der CETA-Vertragsparteien auf die CETAGerichts­mitglieder nach deren Ernennung bzw. Verlängerung der Amtszeit durch den Gemischten CETA-Ausschuss ausgeschlossen. Insbesondere soll das CETAGe­richt nach Art.  8.27 (10) CETA seine Arbeitsverfahren selbst festlegen und verfügt über eine Haushalts- und Satzungsautonomie. Hinsichtlich Ersterem, nach Art.  8.27 (10) CETA „[…] seine Arbeitsverfahren selbst fest[zu]legen“, ist interessant, dass diesbezüglich keine weiteren Vorgaben vom CETA dahingehend gemacht werden, was dabei vom CETA-Gericht erster Instanz zu berücksichtigen ist.368 Im Vergleich dazu hat das CETA in Art.  8.28 (7) (a) bis (g) CETA einen Katalog an Vorgaben, die der Gemischte CETA-Ausschuss bei seinem Beschluss zur Regelung administrativer und organisatorischer Aspekte zur Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz beachten muss. Daran könnte sich zumindest orientiert werden. Das CETA-Gericht scheint auch in seiner Finanz- und Haushaltsverwaltung autonom. In diesem Sinne soll das ICSID-Sekretariat nach Art.  8.27 (13) und (16) CETA dem CETA-Gericht die infrastrukturelle bzw. administrative Unterstützung leisten, die im Sinne einer Selbstverwaltung benötigt wird.369 So soll nach Art.  8.27 (13) CETA das ICSID-Sekretariat ein Konto für die Vertragsparteien verwalten, von dem die Grundvergütung der Mitglieder des Gerichts be368  Im Vergleich zum CETA enthält das EU-Vietnam TIA mit einem ähnlichen Streitbeilegungsmodell wie das im CETA weitaus detailliertere Angaben darüber, wie die Arbeitsverfahren des Tribunals zu gestalten und anzunehmen sind und orientiert sich an den Erfahrungen der WTO. Siehe hierzu Delegation of the European Union to Vietnam, Guide to the EU-Vietnam Free Trade Agreement, S.  67. Art.  3.37 (10) EU-Vietnam TIA regelt: „The Tribunal may draw up its own working procedures. The working procedures shall be compatible with the applicable dispute settlement rules and this Section. If the Tribunal decides to do so, the President of the Tribunal shall draw up draft working procedures in consultation with the other Members of the Tribunal and present the draft working procedures to the Committee. The draft working procedures shall be adopted by the Committee. If the draft working procedures are not adopted by the Committee within three months of their presentation, the President of the Tribunal shall make the necessary revision to the draft working procedures, taking into consideration the views expressed by the Parties. The President of the Tribunal shall subsequently present the revised draft working procedures to the Committee. The revised draft working procedures shall be considered adopted unless the Committee decides to reject the revised draft working procedures within three months of their presentation.“ 369  Siehe zur Gerichtsverwaltung nur Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  17.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

zahlt werden sollen. Für den Fall, dass eine Vertragspartei die Grundvergütung aus irgendeinem Grund nicht zahlt, kann die andere Vertragspartei eine Ersatzzahlung leisten (wobei ein solcher Rückstand von einer Vertragspartei mit Zinsen zurück zu zahlen ist).370 Nach Art.  8.27 (16) CETA nimmt das ICSID-Sekretariat zusätzlich zur Verwaltung des Kontos „die Aufgaben des Sekretariats für das Gericht wahr und leistet die erforderliche Unterstützung.“ Allerdings schweigt das CETA zum einen darüber, ob die Vertragsparteien die Kosten für die Unterstützung des ICSIDSekre­tariats tragen werden oder ob die Kosten diesbezüglich von den streitenden Parteien gemäß der Verteilung der Kosten im Rahmen des endgültigen Urteilsspruchs getragen werden sollen. Zusätzlich schweigt das CETA über den Umfang der Amts- und Rechtshilfe, die das ICSID-Sekretariat dem CETA-Gericht (und der Rechtsbehelfsinstanz) gewähren soll. Der Mangel an Details zu diesem Punkt ist angesichts der kurzen Frist von 24 Monaten, die Art.  8.39 (7) CETA für eine CETA-Gerichtskammer festlegt, um einen Fall anzuhören und die endgültige Entscheidung zu treffen, ineffizient. Besonders beunruhigend ist der Umstand, dass das CETA keine Regelungen darüber beinhaltet, was geschehen soll, wenn sich das ICSID-Sekretariat weigert, die vom CETA vorgeschriebene Unterstützung zu gewährleisten.371 Abgesehen von den Einschnitten in der Personalverwaltung durch die Ernennung und Amtsverlängerung der CETA-Gerichtsmitglieder durch den Gemischten CETA-Ausschuss, dürfte das CETA-Gericht über eine selbstverwaltende Infrastrukturverwaltung, Ablaufverwaltung sowie Finanz- bzw. Haushaltsverwaltung verfügen, wobei zur Ermöglichung der entsprechenden Selbstverwaltung insoweit auch die Unterstützung des ICSID-Zentrums und des ICSID-Sekretariats vorgesehen ist. 3. Die Qualifikation der CETA-Gerichtsmitglieder Die Qualifikationsvoraussetzungen der Mitglieder des CETA-Gerichts sind in Art.  8.27 (2), (4) und (11) CETA sowie in Art.  8.30 CETA festgelegt. Im Vergleich zu den Anforderungen an die Schiedsrichter eines ICSID-Schiedsgerichts stellen die an die CETA-Gerichtsmitglieder geforderten Qualifikation, abgese370  Art.  8.

27 (13) CETA: „Die Grundvergütung nach Absatz 12 wird von beiden Vertragsparteien zu gleichen Teilen über Einzahlungen auf ein vom ICSID-Sekretariat verwaltetes Konto finanziert. Für den Fall, dass eine Vertragspartei es versäumt, die Zahlung zur Finanzierung der Grundvergütung zu leisten, kann die andere Vertragspartei die Zahlung übernehmen. Entsprechende Zahlungsrückstände einer Vertragspartei bleiben zu begleichen, zuzüglich Verzugszinsen in angemessener Höhe.“ 371  Hier könnte eventuell der Gemischte CETA-Ausschuss neue Regelungen zur Unterstützung des Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz festlegen.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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hen von speziellen Vorgaben zur Nationalität (a.), die sinngemäß auch in Art.  39 ICSID Übrk. geregelt sind, wesentlich höhere Anforderungen dar. Insbesondere müssen die CETA-Gerichtsmitglieder die in ihren jeweiligen Ländern zur Ausübung des Richteramtes erforderlichen Qualifikationen besitzen oder Juristen von anerkannt hervorragender Befähigung sein (b.). Daneben sollen die potenziellen Kandidaten für das CETA-Gericht über nachweisliches Fachwissen auf dem Gebiet des Völkerrechts verfügen, wobei es insbesondere wünschenswert sei, dass die Mitglieder des Gerichts über Fachwissen auf den Gebieten des internationalen Investitionsrechts, internationalen Handelsrechts und der Streitbeilegung im Rahmen internationaler Investitions- oder Handelsabkommen verfügen. Dazu wird von ihnen verlangt, eine ständige Verfügbarkeit vorzuweisen (c.) und insbesondere müssen sie die in Art.  8.30 CETA geregelten ethischen Vorgaben zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erfüllen (4.). a) Eine vorgegebene unterschiedliche Nationalität der CETA-Gerichtsmitglieder Nach Art.  8.27 (2) CETA müssen fünf der Mitglieder des Gerichts Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten sein, fünf Staatsangehörige Kanadas und fünf Staatsangehörige von Drittländern.372 Auch für den Fall der Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Gerichts hat diese nach Art.  8.27 (3) CETA auf der Grundlage einer gleichberechtigten nationalen Vertretung der EU, Kanadas und einem neutralen Drittstaat zu erfolgen.373 Das CETA sieht außerdem vor, dass Kanada und die EU jeweils bis zu fünf Mitglieder des Gerichts beliebiger Staatsangehörigkeit (also mit der Staatsangehörigkeit von Drittstaaten) benennen können, die allerdings als Staatsangehörige der benennenden Vertragspartei betrachtet werden und daher nicht die Funktion als Vorsitzender einer Kammer oder Präsident bzw. Vizepräsident des Gerichts einnehmen können.374 Mit der nach Art.  8.27 (6) CETA zusätzlich vorgegebenen Besetzung der streitentscheidenden CETA-Gerichtskammer mit einem Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates, einem Staatsangehörigen aus Kanada und einem Staatsangehörigen eines Drittlandes besteht demnach hinsichtlich der geforderten Nationalitäten kein wesentlicher Unterschied zum ICSID-Übereinkommen. Art.  39 372  Art.  8.27

(2) CETA: „Bei Inkrafttreten dieses Abkommens ernennt der Gemischte CETA-Aus­schuss fünfzehn Mitglieder des Gerichts. Fünf Mitglieder des Gerichts müssen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sein, fünf Mitglieder Staatsangehörige Kanadas und fünf Mitglieder Staatsangehörige von Drittländern.“ 373  Art.  8.27 (3) CETA: „Der Gemischte CETA-Ausschuss kann beschließen, die Anzahl der Mitglieder des Gerichts um eine durch drei teilbare Zahl zu erhöhen oder zu verringern. Zusätzliche Ernennungen erfolgen auf derselben Grundlage wie die Ernennungen nach Absatz 2.“ 374  Art.  8.27 (2) CETA, Fußnote 11; Art.  8.27 (6) CETA.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

ICSID Übrk. schränkt die Wahl der Schiedsrichter vergleichsweise in der Art und Weise ein, dass die Mehrheit der Schiedsrichter eine andere Staatsangehörigkeit besitzt als die sich streitenden Parteien. Allerdings besteht auch wieder im Rahmen des Art.  39 ICSID Übrk. die Möglichkeit, durch Parteivereinbarung von dieser Vorschrift abzuweichen. Diese Möglichkeit bietet das CETA nicht. Grundsätzlich sollte durch die dadurch geschaffene kulturelle und nationale Diversität in der streitentscheidenden CETA-Gerichtskammer die Neutralität und Unabhängigkeit der Kammermitglieder gefördert werden. Zumindest würde es in der Praxis den Anschein eines unabhängigen und unparteiischen Gerichts fördern.375 b) Die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Qualifikation oder ein Jurist von anerkannt hervorragender Befähigung sowie Fachwissen auf dem Gebiet des Völkerrechts Die Qualifikation der Gerichtsmitglieder oder von Schiedsrichtern allgemein wirft die grundlegende Frage auf, „what are the characteristics of the perfect arbitrator?“376 Handelt es sich bei dieser Frage um eine „false premise that there is an ideal arbitrator for all situations – a sort of ‚perfect‘ arbitral being?“377 Die Antwort auf diese Frage für die Mitglieder des CETA-Gerichts ist in Art.  8.27 (4) CETA geregelt, wonach die Gerichtsmitglieder „[…] die in ihren jeweiligen Ländern zur Ausübung des Richteramts erforderlichen Qualifikationen besitzen oder Juristen von anerkannt hervorragender Befähigung sein [müssen]. Sie müssen über nachweisliches Fachwissen auf dem Gebiet des Völkerrechts verfügen. Es ist wünschenswert, dass sie über Fachwissen insbesondere auf den Gebieten internationales Investitionsrecht, internationales Handelsrecht und Streitbeilegung im Rahmen internationaler Investitions- oder Handelsabkommen verfügen.“378 (Kursivierungen hinzugefügt)

Demnach bleiben die Anforderungen an die Gerichtsmitglieder eher unbestimmt. Mit dem Wortlaut im ersten Satz, „die in ihren jeweiligen Ländern zur Ausübung 375 So Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, S.  263; Waincymer, Procedure and Evidence in International Arbitration S.  250, Rn.  4.61. 376  McCrae, Introduction to Symposium on Joost Pauwelyn, „The Rule of Law Without the Rule of Lawyers? Why Investment Arbitrators Are from Mars, Trade Adjudicators Are from Venus“, in: AJIL Unbound, Bd.  109 (2016), S.  277, 279. 377  Crawford, The Ideal Arbitrator: Does One Size Fit All?, in: Am. U. Int’l L. Rev., Bd.  32 (5) (2018), S.  1003, 1004. 378  Als direkter Vergleich: Um dem Schiedsrichterverzeichnis des ICSID anzugehören oder von den Streitparteien in ein ICSID-Schiedsgericht berufen zu werden, müssen die Kandidaten nach Art.  14 (1) ICSID Übrk. eine anerkannte Befähigung in den Bereichen Recht, Handel, Industrie oder des Finanzwesens besitzen sowie, aber nicht ausdrücklich, ein Fachwissen im Völkerrecht vorweisen.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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des Richteramts erforderlichen Qualifikationen“, kann jegliches Niveau in der Person des CETA-Gerichtsmitglieds verstanden werden. Die Alternative spricht von „Juristen von anerkannt hervorragender Befähigung“. Auch in dieser Hinsicht kann jegliche Anerkennung als Jurist in der Person des Gerichtsmitglieds zu fassen sein, so dass durch diese unbestimmten Anforderungen die Möglichkeit für interessens- statt qualifikationsmotivierte Besetzung des CETA-Gerichts besteht.379 Das Fachwissen der Mitglieder des Spruchkörpers muss sich auf das Gebiet des Völkerrechts beziehen. Daneben ist insbesondere ein Fachwissen auf den Gebieten des internationalen Investitionsrechts oder internationalen Handelsrechts erwünscht. Nach der Struktur der Regelung besteht eine Tendenz dahingehend, Allgemeinwohlfragen gegenüber Handelsliberalisierungen zu vernachlässigen. Zwar existiert eine Vielzahl an Rechtsgebieten, die potenziell mit dem Investitionsschutz konfligieren, wie zum Beispiel das Bau- und Planungsrecht, das Umwelt-, Naturschutz- und Wasserrecht, das Wirtschaftsverwaltungsrecht, das Gesundheitsrecht, das Handels- und Gesellschaftsrecht und das Finanzmarktrecht, um nur einige zu nennen. Der Schwerpunkt des Fachwissens der Mitglieder scheint aber gewollt im internationalen Handels- und Investitionsrecht zu liegen, obwohl sie rechtsverbindlich und mit Sanktionsbefugnissen versehen möglicherweise auch über legitime Politikziele der CETA-Vertragsparteien entscheiden werden. Darüber hinaus sind die CETA-Gerichtsmitglieder mangels öffentlichen Amts und ausweislich ihrer geforderten Qualifikationen – anders als zum Beispiel staatliche Richter – auch nicht dem Gemeinwohl verpflichtet.380 Die in Art.  8.27 (4) CETA geregelte fachliche Ausrichtung hinsichtlich der Gerichtsmitglieder auf völkerrechtliches Fachwissen könnte eine politische Entscheidung der Vertragsparteien gewesen sein. Sie dürfte auch einige erfahrenere Handelsschiedsrichter und/oder pensionierte nationale Richter von der Ernennung als Mitglieder des CETA-Gerichts ausschließen, die über keine völkerrechtliche Fachkompetenz verfügen. Allerdings muss das auch keinen Nachteil für das CETA-Gericht darstellen. Hinzu kommt, dass unter anderen vor allem Charles Brower behauptet, dass die Gerichtsmitglieder nicht die erforderliche Fachkompetenz für Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vorweisen werden, da die Tätigkeit als CETA-Ge­richtsmitglied nicht attraktiv genug sei (was im Vergleich zum Standardmodell der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit vor allem der geringen Aus379  Jaeger, Zum Vorschlag einer permanenten Investitionsgerichtsbarkeit, in: EUR (2016), S.  203, 212. 380  Siehe zur Qualifikation von Mitgliedern in öffentlichen Ämtern, sich dem Gemeinwohl verpflichten zu müssen: Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S.  100 ff.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

sicht an Vergütung geschuldet wird).381 Ferner ist zu berücksichtigen, dass durch die Zusammensetzung der für den Einzelfall zuständigen Kammern des CETAGe­richts gemäß Art.  8.27 (7) CETA nach dem Zufallsprinzip und auf Rotationsbasis erfolgt. Dadurch kann zwar sichergestellt werden, dass die Zusammensetzung der Kammer für jeden Fall unvorhersehbar ist, nicht aber, dass die Kammer mit Gerichtsmitgliedern zusammengesetzt wird, die keine Fachkenntnis in Bezug auf den Streitgegenstand vorweisen können. Gegen beide Punkte kann allerdings vorgebracht werden, dass die CETA-Gerichtsmitglieder die Möglichkeit haben, die fehlende Fach- und Sachkenntnis durch Sachgutachten oder Sachverständige auszugleichen, so dass eine fehlende Fachkenntnis der Kammermitglieder keinen wesentlichen Nachteil darstellen sollte. Im Vergleich zu Art.  14 (1) ICSID Übrk. bestehen insoweit keine wesentlichen Unterschiede. Die Schiedsrichter sollen „[…] of high moral character […]“ sein und eine „[…] recognized competence in the fields of law, commerce, industry or finance“ besitzen, also ein hohes sittliches Ansehen genießen und eine anerkannte Befähigung auf den Gebieten des Rechts, des Handels, der Industrie oder des Finanzwesens besitzen. Beide Streitbeilegungssysteme benutzen also sehr unbestimmte Rechtsbegriffe für die Qualifikation ihrer Entscheidungsträger. Das CETA nimmt lediglich in den Anforderungen eine Einschränkung vor, dass es sich um einen Juristen handeln muss, der über nachweisliches Fachwissen auf dem Gebiet des Völkerrechts verfügen muss. Im Vergleich zu Art.  14 (1) ICSID Übrk. kommt nach dem CETA also nicht jede natürliche Person als Gerichtsmitglied in Betracht. Was das CETA den Streitparteien im Vergleich zum ICSIDÜber­einkommen zusätzlich und im Besonderen nicht ermöglicht, ist die Vereinbarung der Streitparteien auf weitere besondere Qualifikationsmerkmale in der Schiedsvereinbarung oder solche später festlegen zu können.382 Eine Möglichkeit, die mit der Parteiernennung der Schiedsrichter einhergeht und deren Wegfall im CETA wieder im Besonderen von Charles Brower als großer Nachteil für die Streitbeilegung unter dem CETA kritisiert wird.383 c) Die ständige Verfügbarkeit der CETA-Gerichtsmitglieder Nach der Ernennung in die „Richterliste“ des Gerichts verlangt das CETA nach Art.  8.27 (11) CETA, dass die Mitglieder sicherzustellen haben, dass sie verfüg381 

Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 795. 382 Beispielsweise die Kenntnis eines bestimmten Rechts oder eine gewisse technische Kenntnis. 383  Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 795.

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bar und in der Lage sind, die ihnen zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen.384 Um ihre Verfügbarkeit zu gewährleisten, erhält jedes Mitglied nach Art.  8.27 (12) CETA eine monatliche Grundvergütung, die vom Gemischten CETA-Ausschuss festgelegt wird und später nach Art.  8.27 (15) CETA bei entsprechendem Arbeitsaufwand in ein reguläres Gehalt umgewandelt werden kann.385 Dabei hat der Gemischte CETA-Ausschuss die Aufgabe, die anwendbaren Modalitäten und Bedingungen für den Übergang von einer Grundvergütung hin zu einem regulären Gehalt festzulegen. Der Grund für das „Grundvergütungssystem“ sind die relativ niedrige jährliche Fallzahl, die im Zusammenhang mit Investitionsschutzabkommen vorkommt sowie die Eindämmung der Kosten für die Einrichtung des CETA-Gerichts.386 Als Beispiel: Das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) und der Vertrag über die Energiecharta (zwei der Abkommen mit der höchsten Anzahl an Investor-Staat-Streitigkeiten) kommen auf durchschnittlich 2,7 bzw. 6,6 Fälle pro Jahr.387 Die Grundvergütung der CETA-Gerichtsmitglieder scheint nach der Vorstellung der Europäischen Kommission weit unter den Gehältern von Mitgliedern 384  Art.  8.27

(11) CETA: „Die Mitglieder des Gerichts tragen dafür Sorge, dass sie verfügbar und in der Lage sind, die in diesem Abschnitt genannten Aufgaben wahrzunehmen.“ Ein ähnlicher Wortlaut ist auch in Art.  17 (3) DSU der WTO enthalten, wonach alle dem Berufungsgremium der WTO angehörigen Personen jederzeit und kurzfristig verfügbar sein müssen. Dazu machte die UNCTAD folgende Angaben: „Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz erhalten eine Vergütung auf Teilzeitbasis. Sie sind üblicherweise nicht wohnhaft in Genf, wo sich der Hauptsitz der WTO befindet und die Verfahren des Berufungsgremiums stattfinden. Die Mitglieder reisen von ihren jeweiligen Heimatländern zu den Terminen an, an denen sie an einer Anhörung teilnehmen und über eine Berufung entscheiden müssen. In der Teilzeitstellenregelung beim Berufungsgremium schlägt sich die Erwartung der WTO-Mitglieder aus dem Jahr 1995 nieder, dass das Berufungsgremium nicht voll ausgefüllt wird und eine Vollzeitregelung für seine Mitglieder daher ungerechtfertigt wäre. In den letzten Jahren lag die Arbeitsauslastung für die Mitglieder des Berufungsgremiums jedoch auf einem Niveau, das de facto einer Vollzeitstelle entsprach. Die Anforderungen der Position sind so geartet, dass es schwierig, wenn nicht unmöglich ist, dass ein Mitglied der Rechtsbehelfsinstanz andere berufliche Tätigkeiten verfolg.“, UNCTAD, Streitbeilegung: Welthandelsorganisation, 2003, S.  4 f., online abrufbar unter: http://unctad.org/en/docs/edmmisc232add17_en.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 385  Art.  8.27 (12) CETA: „Zur Gewährleistung ihrer Verfügbarkeit wird den Mitgliedern des Gerichts eine monatliche Grundvergütung gezahlt, deren Höhe vom Gemischten CETA-Ausschuss festgesetzt wird.“ Art.  8.27 (15) CETA: „Der Gemischte CETA-Ausschuss kann im Wege eines Beschlusses die Grundvergütung und sonstige Vergütungen und Auslagen in ein reguläres Gehalt umwandeln und die jeweiligen Modalitäten und Bedingungen festlegen.“ 386  Puccio/Harte, Von der Schiedsgerichtsbarkeit zur Investitionsgerichtsbarkeit, Die Entwicklungen der CETA-Regeln, (EPRS, Juni 2017 – PE 607.251), S.  1. 387  Puccio/Harte, Von der Schiedsgerichtsbarkeit zur Investitionsgerichtsbarkeit, Die Entwicklungen der CETA-Regeln, (EPRS, Juni 2017 – PE 607.251), S.  1.

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anderer ständig eingerichteter internationaler Gerichte zu liegen.388 Obwohl von den Mitgliedern des CETA-Gerichts erwartet wird, jederzeit und kurzfristig zur Verfügung zu stehen, wird ihnen wohl eine Grundvergütung in geschätzter Höhe von 2.000 € (plus sonstige Vergütungen und Ausgaben) zugewiesen, wobei der Präsident und der Vizepräsident des CETA-Gerichts möglicherweise 7.000 € monatlich erhalten sollen.389 Die Vergütung wirft daher die Frage auf, ob sich mit einer solchen Bezahlung qualifizierte und kompetente Mitglieder für das Gericht finden lassen.390 Andere Investor-Staat-Streitbeilegungssysteme (wie etwa die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit), die den gleichen Personen offenstehen, um ihr Fachwissen und ihre Investor-Staat-Streitbeilegungskompetenz einzubringen (nahezu ohne Einschränkung ihrer Anwaltstätigkeit und unter viel lukrativeren Bedingungen), werden sehr wahrscheinlich von vielen der am besten qualifizierten Personen bevorzugt. Diesbezüglich kann sich auch die Frage stellen, ob durch die Vergütung die Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder gewahrt werden kann, da eine der ausgeübten Funktion entsprechende Vergütung eine wesentliche Garantie für die Unabhängigkeit der Entscheidungsträger darstellt.391 Sollte der Gemischte CETA-Ausschuss keinen Beschluss über die Grundvergütung und sonstigen Vergütungen und Auslagen fassen, wird nach Art.  8.27 (14) CETA die Höhe der Gebühren und Ausgaben der Mitglieder des Gerichts nach Reg. 14 (1) Administrative and Financial Regulations des ICSID festgelegt.392 388  Als Beispiel: 2016 hat jedes Mitglied des internationalen Gerichtshofs in Den Haag ein Jahresgehalt von 172.978 US$ mit einem Zuschlag von 15.000 US$ für den Präsidenten des Gerichtshofs erhalten. Beim Ausscheiden aus dem Gerichtshof erhalten die Richter eine jährliche Rente, die nach einer neunjährigen Amtszeit 50 % des jährlichen Grundgehalts beträgt. Siehe hierzu die Internetseite des internationalen Gerichtshofs in Den Haag, online abrufbar unter: http://www.icj-cij.org/en/members (https://perma.cc/4B5T-GULW) (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 389  Europäische Kommission, Press Release IP/15/5651 (19.09. 2015), Kap. II, Art.  9 (12) und Art.  10 (12). 390 So Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 795. Siehe zu den Gehältern von Schiedsrichtern in Investor-Staat-Schiedsverfahren Flannery, Arbitration Costs Compared, in. GAR, Bd.  13 (2) (2018), S.  15 ff. 391  Vgl. EuGH, Rs. 216/18 PPU, Minister for Justice and Equality [Mängel des Justizsystems] (25.07.2018), Rn.  63 und 64. 392  Reg. 14 (1) Administrative and Financial Regulations of the ICSID Convention (Direkte Kosten einzelner Verfahren), online abrufbar unter: http://icsidfiles.worldbank.org/icsid/icsid/ staticfiles/basicdoc/partc-chap03.htm#r14 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe auch das Memorandum on the Fees and Expenses (06.07.2005), online abrufbar unter: https://icsid.wor ldbank. org/en/Pages/icsiddocs/Memorandum-on-the-Fees-and-Expenses-FullText1.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Dementsprechend sieht das CETA vor, dass die Gebührenordnung des ICSIDs die Festlegung der Gebühren und Auslagen der Mitglieder des Gerichts, un-

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Danach sollen die Gerichtsmitglieder eine Tagespauschale von 3.000 US$ (ca. 2.600 €)393 für die Arbeit an einem Investitionsstreitbeilegungsverfahren erhalten.394 Aufgrund einer solchen Bezahlung ist VanDuzer der Ansicht, dass die Gerichtsmitglieder grundsätzlich ein finanzielles Interesse daran haben werden, dass Klagen vor dem CETA-Gericht erhoben werden und die Verfahren lange dauern.395 Da die Benennung allerdings nach dem Zufallsprinzip erfolgt, besteht nicht die Möglichkeit, dass die Gerichtsmitglieder damit rechnen können, für ein oder mehrere bestimmte Investitionsstreitbeilegungsverfahren als Kammermitglied ernannt zu werden.396 Vielmehr würde wohl ein finanzielles Interesse der CETA-Gerichtsmitglieder dazu führen, die Gesamtzahl der Klagen vor dem CETA-Ge­richt erhöhen zu wollen und dadurch mehr Arbeit für alle Gerichtsmitglieder schaffen zu wollen.397 Gegen ein solches Interesse der CETA-Gerichtsmitglieder spricht aber, dass wohl davon auszugehen ist, dass die CETA-Gerichtsmitglieder vor und nach dem Erhalt eines regulären Gehalts in ihrer Möglichkeit frei sein dürften, neben der Tätigkeit als sogenanntes Mitglied des CETA-Gerichts eine andere Beschäftigung auszuüben und sich so eine weitere Einnahmequelle sichern könnten.398 Die Tätigkeit als CETA-Gerichtsmitglied wäre dann zunächst nur als Nebentätigkeit anzusehen und dementsprechend gut vergütet. Diese These lässt sich aus einem direkten Vergleich zum EU-Vietnam TIA aufstellen, wo geregelt ist, dass die Mitglieder des EU-Vietnam TIA-Gerichts bei der Zahlung eines regulären Gehalts auf Vollzeitbasis tätig sein würden und deswegen keine weitere externe Tätigkeit ausüben dürfen und diese Regel unabhängig davon gilt, ob die EUViet­nam TIA-Gerichtsmitglieder erwerbstätig sind oder nicht, es sei denn, der abhängig von der Wahl der Schiedsregeln durch die Streitparteien nach Art.  8.23 (2) CETA, regeln soll. Die Gebühren nach den ICSID-Regeln sind niedriger als bei der UNCITRALSchieds­ordnung und anderen ad hoc Schiedsregeln üblich. Die Anwendung der ICSID-Gebührenordnung auf UNCITRAL-Schiedsverfahren im Rahmen von CETA wird daher zu einer Senkung (bzw. Einsparung) der Schiedsrichtergebühren führen. Siehe hierzu auch Reinisch/ Stifter, European Investment Policy and ISDS, in: ELTE Law Journal, Bd.  24 (2015), S.  11, 24. 393  Siehe online: https://www.finanzen.net/waehrungsrechner/euro_us-dollar (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 394  VanDuzer, Investor-State Dispute Settlement in CETA: Is it the Gold Standard?, S.  11: „[The members of the CETA-Tribunal] will be paid on a per diem basis at the same rate as ICSID arbitrators, currently US$ 3000 per day.“ 395  VanDuzer, Investor-State Dispute Settlement in CETA: Is it the Gold Standard?, S.  11. 396  VanDuzer, Investor-State Dispute Settlement in CETA: Is it the Gold Standard?, S.  11. 397  VanDuzer, Investor-State Dispute Settlement in CETA: Is it the Gold Standard?, S.  11. 398  Art.  8.27 (15) CETA: „Der Gemischte CETA-Ausschuss kann im Wege eines Beschlusses die Grundvergütung und sonstige Vergütungen und Auslagen in ein reguläres Gehalt umwandeln und die jeweiligen Modalitäten und Bedingungen festlegen.“

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Präsident des EU-Vietnam TIA-Gerichts gewährt eine Ausnahme.399 Eine entsprechende Regelung ist in Art.  8.27 (15) CETA nicht enthalten.400 Aufgrund der nach Art.  8.30 CETA den CETA-Gerichtsmitgliedern auferlegten ethischen Standards könnte jedoch möglicherweise noch eine solche weitere Beschäftigung vom Gemischten CETA-Ausschuss eingeschränkt werden, da die Mitglieder ihre tatsächliche und den Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit beibehalten sollen. Insgesamt wird der Maßstab für die Vertrauenswürdigkeit in das Investitionsstreitbeilegungssystem des CETAs bis zu einem gewissen (wenn nicht sogar wesentlichen) Grad die Integrität und die Reputation der Mitglieder des CETA-Gerichts sein. Angesichts des in Art.  8.30 CETA geregelten Verbots, neben der Tätigkeit als Richter in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren gleichzeitig als Berater und parteiernannte Sachverständige zu fungieren (sogenannte „double hatting“) sowie der Verpflichtung, ihre Verfügbarkeit zu gewährleisten, kann es sein, dass zumindest einige, wenn nicht sogar der Großteil der Mitglieder des CETA-Gerichts nationale Richter, Akademiker oder weniger erfahrene Schiedsrichter im Pensionsalter sein werden und nicht solche, die im Bereich der Investor-Staat-Streitbeilegung sehr gefragt sind. Ein vorhersehbarer Grund dafür könnte sein, dass die Ernennungsbedingungen für das CETA-Gericht für diejenigen mit aktiver Schiedsgerichtspraxis nicht attraktiv genug sind.401 In Anbetracht des hohen Maßes an Fachwissen, das von den Mitgliedern verlangt wird, bleibt auch abzuwarten, ob die später gezahlten Gehälter ausreichen werden, um hochqualifizierte Kandidaten anzuwerben, da sie aufgrund der Verpflichtungen, die sie als CETA-Gerichtsmitglieder übernehmen, ihre anderen Tätigkeiten erheblich reduzieren müssten.402 Es ist auch nicht undenkbar, dass das Interesse potenzieller Kandidaten für die Stelle als Mitglied des CETA-Gerichts nachlässt, wenn das Gericht bei entsprechender Auslastung eine Vollzeitbeschäftigung verlangt.

399  Siehe Art.  3.38 (17) EU-Vietnam TIA: „Upon a decision by the Committee, the retainer fee, the daily fee and the other fees and expenses may be permanently transformed into a regular salary. In such a case, the Members of the Tribunal shall serve on a full-time basis and they shall not be permitted to engage in any occupation, whether gainful or not, unless exemption is exceptionally granted by the President of the Tribunal. The Committee shall fix their remuneration and related organisational matters.“ 400  Art.  8.27 (15) CETA: „Der Gemischte CETA-Ausschuss kann im Wege eines Beschlusses die Grundvergütung und sonstige Vergütungen und Auslagen in ein reguläres Gehalt umwandeln und die jeweiligen Modalitäten und Bedingungen festlegen.“ 401 So Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 795. 402  Siehe hierzu auch Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 795.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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4. Die Ethikregeln zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal des CETA-Gerichts sind die in Art.  8.30 CETA aufgenommenen, strikt formulierten Ethikbestimmungen für die Mitglieder des Gerichts (und nach Art.  8.28 (4) CETA auch für die Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz), die sich mit mehreren der erhobenen reformbedürftigen Aspekten des Standardmodells der Investor-Staat-Streitbeilegung und seiner Legitimitätskrise, vor allem nach dem ICSID-Übereinkommen, befassen.403 Art.  8.30 CETA ist dabei so aufgebaut, dass die Bestimmungen in den Absätzen zwei bis vier die Bedingungen festlegen, unter denen ein Kammermitglied aus einem bestimmten Verfahren ausgeschlossen oder grundsätzlich aus dem CETAGe­richt oder der Rechtsbehelfsinstanz entfernt werden kann, wenn es die in Art.  8.30 (1) CETA geregelten ethischen Vorgaben nicht erfüllt. Art.  8.30 (1) CETA regelt, dass „Die Mitglieder des Gerichts müssen unabhängig sein. Sie dürfen keiner Regierung nahestehen.404 Sie dürfen keine Weisungen einer Organisation oder Regierung entgegennehmen, die Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Streitigkeit betreffen. Sie dürfen sich nicht an der Prüfung von Streitigkeiten beteiligen, wenn dies einen direkten oder indirekten Interessenkonflikt zur Folge hätte. Sie müssen sich nach den Leitlinien des internationalen Anwaltsverbands International Bar Association‘ zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichts­ barkeit oder etwaigen nach Artikel 8.44 Absatz 2 angenommenen ergänzenden Vorschriften richten. Außerdem dürfen sie ab dem Zeitpunkt ihrer Ernennung weder als Rechtsberater noch als von einer Partei benannter Sachverständiger oder Zeuge bei anhängigen oder neuen Inves­ titionsstreitigkeiten im Rahmen dieses Abkommens oder anderer internationaler Übereinkünfte tätig werden.“ (Kursivierungen hinzugefügt)

Neben der Standardklausel und Kardinaltugend für die Entscheidungsträger in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu wahren (a.), hat mit der verbindlichen Anwendung der IBA-Richtlinien für das CETA-Gericht eine wesentliche Änderung für das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren im Vergleich zum Standardmodell nach dem ICSID-Übereinkommen stattgefunden (b.). In der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit werden die IBA-Richtlinien zwar als relevant behandelt, aber als weitaus weniger wichtige Orientierungshilfe zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter als Art.  14 ICSID Übrk. Die übliche Praxis sieht eher so aus,

403  Siehe zu den Kritikpunkten des ISDSs nach dem ICSID-Übereinkommen oben, unter 2. Kapitel C. 404  Hierzu wird in Art.  8.30 CETA, Fußnote 12, klargestellt, dass die Tatsache, dass eine Person eine Vergütung von einer staatlichen Stelle erhält, allein nicht ausreicht, um nicht als Mitglied des Gerichts in Betracht zu kommen.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

dass die IBA-Richtlinien nur dann für die Schiedsrichter verbindlich zu beachten sind, wenn die streitenden Parteien dem im Einvernehmen zugestimmt haben. Neben der verbindlichen Anwendung beziehungsweise Einhaltung der IBARicht­linien haben die CETA-Vertragsparteien gemäß Art.  8.44 (2) CETA durch den Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen mit Beschluss Nr.  001/2021 vom 29. Jannuar 2021 einen Verhaltenskodex für die CETA-Gerichtsmitglieder festgelegt (CETA-Verhaltenskodex), der die Regelungen des Art.  8.30 CETA ergänzt, insebsondere die Regelungen der IBA-Richtlinien (c.).405 Schließlich ist auch das Verbot des sogenannten „double hatting“ bzw. der Doppelrolle zu begrüßen, womit ein CETA-Gerichtsmitglied nicht auch gleichzeitig als Parteivertreter (bzw. Sachverständiger oder Zeuge) in Investor-StaatStreit­beilegungsverfahren tätig sein darf (d.). Dadurch wird eine wesentliche Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder gebannt, indem mögliche Interessenkonflikte aufgrund der Doppelrolle ausgeschlossen sind.406 Unter Heranziehung des Bewertungsmaßstabs der IBA-Richtlinien ist es schließlich möglich, ein CETA-Gerichtsmitglied bei „justifiable doubts“407, also bei berechtigten Zweifeln an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, vom Verfahren auszuschließen. Zudem verpflichtet Art.  3 (1) und (3) des Beschlusses Nr.  001/2021, dass die Gerichtsmitglieder auch für die gesamte Dauer eines Verfahrens alle Interessen, Beziehungen und Angelgenheiten offenzulegen haben, die geeignet sind, ihre Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit zu beeinträchtigen oder bei denen begründetermaßen dieser Eindruck entstehen könnte. Dies stellt tatsächlich eine Verbesserung des Rechtsstaatsprinzips mit seinem Aspekt der Unabhängigkeit neutraler Richter in der Investor-Staat-Streitbeilegung dar, weil anders als nach der überwiegenden Rechtsprechung der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit kein konkreter Beweis für einen Interessenkonflikt des betroffenen CETA-Ge­richtsmitglieds erforderlich wäre, um dieses vom Verfahren auszuschließen (e.).408 a) Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder Nach Art.  8.30 (1) CETA müssen die Mitglieder des Gerichts unabhängig sein. Der Begriff „Unabhängigkeit“ befasst sich unter dem CETA mit Fragen des Ver405  Beschluss Nr.  001/2021 des CETA Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen vom 29.01.2021. 406  Siehe zu den möglichen Interessenkonflikten ausführlich oben, unter 2. Kapitel C. I. 3. 407  Siehe den allgemeinen Grundsatz 2 IBA-Richtlinien (Conflict of Interest). 408  Siehe hierzu OLG Dresden, Beschluss vom 27. Januar 2005 – 11 SchH 02/04 = SchiedsVZ (2005), S.  159, 161; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  23.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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hältnisses zwischen den Gerichtsmitgliedern und den Parteien oder nahestehenden Personen aufgrund äußerer Einflüsse.409 Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz wird noch einmal detaillierter in dem CETA-Verhaltenskodex sowie den nach Art.  8.30 (1) CETA und Art.  8 (1) des CETA-Verhaltenskodex anzuwendenden IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit konkretisiert. Dort ist u. a. in dem allgemeinen Grundsatz 1 IBA-Richtlinien geregelt: „Jeder Schiedsrichter hat im Zeitpunkt der Annahme eines Schiedsrichtermandats, unparteiisch und von den Parteien unabhängig zu sein, und dies während der gesamten Dauer des Schiedsverfahrens zu bleiben bis das endgültige Schiedsurteil erlassen oder das Verfahren in anderer Weise endgültig beendet wurde.“

Und in Art.  4 (2) und (3) des CETA-Verhaltenskodex: „(2) Die Mitgieder lassen sich weder von eigenen Interessen noch durch Druck von außen, aus politischen Erwägungen, durch Forderungen der Öffentlichkeit, aus Loyalität gegenüber einer der Vertragsparteien, einer Streitpartei oder einer anderen von dem Verfahren betroffenen oder am Verfahren beteilgten Person, aus Angst vor Kritik oder aufgrund von finanziellen, geschäftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Beziehungen oder Verpflichtungen beeinflussen. (3) Weder direkt noch indirekt gehen die Mitglieder Verpflichtungen ein, nehmen Vergünstigungen an, nehmen Beziehungen auf oder erwerben finanzielle Beteiligungen, die geeignet sind, ihre Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit zu beeinträchtigen, oder die diesen Anschein erwecken.“

Für die Ausführungen zu den Rechtsbegriffen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit wurde sich an den fundamentalen Grundsätzen der Schiedsgerichtsbarkeit orientiert.410 Darunter fallen insbesondere dem Beweis zugängliche Fak­ toren, wie die finanziellen oder geschäftlichen Verknüpfungen zwischen den Gerichtsmitgliedern und den Parteien.411 Insoweit gilt als Grundregel: Je unbedeutender das Verhältnis zwischen einer Partei und dem Gerichtsmitglied ist, desto größer ist die Unabhängigkeit zwischen ihnen.412Vermutlich aufgrund der besonderen Verknüpfung des CETA-Gerichts mit dem gemischten CETAAus­schuss und der dadurch bedingten Einflussmöglichkeit der CETA-Vertragsparteien auf die Rechtsanwendung und -findung der CETA-Gerichtsmitlgieder, 409  Vgl. Section 3 IBA Rules on Ethics for International Arbitrators 1987 und Art.  1 lit.  d) und Art.  4 CETA-Verhaltenskodex. 410  Erläuterungen des allgemeinen Grundsatzes 1 IBA-Richtlinien. 411  Donahey, The Independence and Neutrality of Arbitrators, in: J. of Int’l Arb. (1992), S.  31, 32. 412  Donahey, The Independence and Neutrality of Arbitrators, in: J. of Int’l Arb. (1992), S.  31, 32.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

ist in Art.  4 (2) CETA-Verhaltenskodex (zusätzlich) ausdrücklich geregelt, dass sich ein Gerichtsmitglied nicht von politischen Erwägungen und von Durck von außen oder aus Loyalität gegenüber einer der Vertragsparteien beeinflussen lassen soll. In dieser Hinsicht leisten die Regelungen in Art.  8.27 (2), (5) und (7) CETA zur Ernennung der Gerichtsmitglieder für die einzelnen streitentscheidenden CETA-Gerichtskammern durch den Präsidenten des CETA-Gerichts auf Rotationsbasis und nach dem Zufallsprinzip einen deutlichen Beitrag zum Schutz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichtsmitglieder. Es handelt sich insoweit um ein Ernennungssystem, das dem unmittelbaren Einfluss der Streitparteien auf die Zusammensetzung der für den jeweiligen Fall zu bildenden Kammer des CETA-Gerichts entzogen ist. Die Verfahrensparteien können im Gegensatz zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit kein Gerichtsmitglied für die Kammer benennen, das bestimmte, für den eigenen Fall vorteilhafte Ansichten zum materiellen Streitgegenstand vertritt. Dadurch kann eine Beeinträchtigung der Unparteilichkeit eines Gerichtsmitglieds aufgrund eines sogenannten „issue conflict“ effektiv verhindert werden bzw. die Streitparteien können darauf vertrauen, dass die jeweilige Kammer unbefangen ist, wenn diese ihren Fall behandelt.413 Auch das Verbot des sogenannten „double hatting“ wird einen wesentlichen Beitrag zum besseren Schutz der Unabhängigkeit der Entscheidungsträger im Vergleich zum ICSID-Schiedsverfahren leisten. b) Die Einhaltung der Vorgaben der IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Die IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit414 (IBA-Richtlinien) sind das wichtigste und das am häufigsten verwendete Instrument zur Bestimmung von Interessenkonflikten in der Person eines Schiedsrichters in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.415 413  Siehe hierzu Schacherer, TPP, CETA and TTIP Between Innovation and Consolidation – Resolving Investor-State Disputes under Mega-regionals, in: JIDS, Bd.  7 (1) (2017), S.  628 ff. 414  Im Folgenden wird jeweils auf eine deutsche Version der IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit hingewiesen, diese ist online abrufbar unter: https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:KH3co_mEDLMJ:https:// www.ibanet.org/Document/Default.aspx%3FDocumentUid%3D6fc427db-1952-4499-9f4084a43a89230b+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 415  Rogers, Ethics in International Arbitration, Rn.  2.80 and 2.83. Die IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration sollten nicht mit den IBA Rules of Ethics for International Arbitrators verwechselt werden. Diese enthalten „nur“ eine umfassende Verpflichtung der Schiedsrichter, kompetent, gewissenhaft, effizient und unbefangen zu sein. Siehe die Rules 1 und 2 IBA Rules on Ethics for International Arbitrators (1987); Siehe auch Park,

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Die Einhaltung der Regelungen des CETA-Verhaltenskodex gemeinsam mit den Regelungen in den IBA-Richtlinien ergibt sich aus Art.  8.30 (1) Satz 5 CETA: „Sie müssen die Leitlinien des internationalen Anwaltsverbands International Bar Association zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit oder etwaige nach Artikel 8.44 Absatz 2 angenommene ergänzende Vorschriften einhalten.“

Mit der Kursivierung ist der Verhaltenskodex gemäß dem Beschluss Nr.  001/2021 des CETA Ausschusses für Dienstleistungen und Investitionen vom 29.01.2021 gemeint. Der Beschluss regelt in Art.  8 (1): „Zur Klarstellung sei angemerkt, dass die Bestimmungen dieses Verhaltenskodexes gemeinsam mit den Pflichten gemäß Artikel 8.30 Absatz 1 des Abkommens anzuwenden sind und dass die Verfahren nach Artikel 8.30 Absatz 2, 3 und 4 des Abkommens auch für Verstöße gegen diesen Verhaltenskodex gelten.“

Da die Einhaltung der IBA-Richtlinien für die Gerichtsmitglieder eine Pflicht darstellt, sind die IBA-Richtlinien nicht gemäß Art.  8.30 (1) CETA als Alternative zum Verhaltsnkodex einzuhalten („oder“), sondern durch den Verweis in Art.  8 (1) des Beschlusses Nr.  001/2021 nebeneinander („gemeinsam“). Auch eine systematische Auslegung des Verhaltenskodexes spricht dafür, denn Art.  10 (1) des Beschlusses Nr.  001/2021 regelt: „Zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung dieses Verhaltenskodexes und des Artikels 8.30 (Ethikregeln) des Abkommens […]“.

Weder in Art.  8 noch in Art.  10 wird die Einhaltung der IBA-Richtlinien aus klarstellungsgründen durch die Anwendung des Verhaltenskodexes ausgeschlossen. Auch die Englische Version des CETA lässt die Anwendung des Verhaltenskodex gemeinsam mit der Anwendung der IBA-Richtlinien zu. Denn Art.  8.30 (1) Satz 5 CETA lautet: „They shall comply with the International Bar Association Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration or any supplemental rules adopted pursuant to Article 8.44.2.“

Und Art.  8 (1) des Beschlusses Nr.  001/2021 regelt: „For greater certainty, the provisions of this code of conduct shall be applied together with the obligations set out in Article 8.30.1 of the Agreement and the procedures provided for in Articles 8.30.2, 8.30.3 and 8.40.4 of the Agreement shall apply to violations of this code of conduct.“

Und Art.  10 (1) des Beschlusses Nr.  001/2021: Arbitration’s Discontents: Between the Pernicious and the Precarious, in: Avout/Bureau/Horatia, Mélanges en L’Honneur du Professeur Bernard Audit, 2014, S.  581, 600 f.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

„The President of the Tribunal and the President of the Appelate Tribunal shall each be assisted by a Consultative Committee for ensuring the proper application of this code of conduct, of Article 8.30 (Ethics) of the Agreement […]“.

Das übergeordnete Ziel der IBA-Richtlinien stellt die Sicherung der Integrität der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit dar.416 Ursprünglich wurden die IBA-Richtlinien von 2004 durch eine Arbeitsgruppe von 19 erfahrenen Praktikern aus verschiedenen Rechtssystemen erstellt, im Jahr 2004 vom Rat der International Bar Association erlassen und 2014 überarbeitet.417 Bei den Änderungen zu den IBA-Richtlinien von 2014 haben weitere Praktiker aus aller Welt mitgewirkt.418 Sie sollen sowohl für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit als auch für die internationale Investitionsschiedsgerichtsbarkeit Anwendung finden.419 Die Verfassung der IBA-Richtlinien wurde von der Erkenntnis getragen, dass die bestehenden Verhaltensstandards zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Entscheidungsträgern in internationalen Schiedsverfahren nicht klar genug und uneinheitlich waren und immer noch sind. In den Richtlinien werden generelle Prinzipien dargestellt und konkrete Situationen angesprochen, um zu verhindern, dass Schiedsrichter mit verschiedenen kulturellen Hintergründen verschiedene Standards bei der Beurteilung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern und deren Offenlegungspflicht von potenziellen Interessenkonflikten heranziehen.420 Nach ihrer Veröffentlichung wurden die IBA-Richtlinien vielfach dahingehend kritisiert, dass sie in ihren Regelungen, insbesondere zur Offenlegungspflicht der Schiedsrichter, zu belastend und zu streng seien und es opportunistischen Parteien im Streitverfahren ermöglicht würde, das Verfahren zu verzögern und zu behindern, indem beispielsweise durch einen Parteivertreter unbegründete Ablehnungen eines Schiedsrichters vorgenommen werden würden (sogenannte „Guerilla Taktik“421). 416 

Lawson, Impartiality and Independence of International Arbitrators – Commentary on the 2004 IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, in: ASA Bulletin, Bd.  23 (2005), S.  22, 36; Trakman, The Impartiality and Independence of Arbitrators Reconsidered, in: University of New South Wales Faculty of Law Research Series, No.  25 (2007), S.  10. 417  Einleitung der IBA-Richtlinien, Rn.  3. 418  Einleitung der IBA-Richtlinien, Rn.  3. 419  Einleitung der IBA-Richtlinien, Rn.  5. 420 Vgl. Blackaby, in: Redfern and Hunter on International Arbitration, Rn.  4.85. 421  Trakman, The Impartiality and Independence of Arbitrators Reconsidered, in: University of New South Wales Faculty of Law Research Series, No.  25 (2007), S.  3 ff.; Sussman, All’s Fair in Love and War – Or is it? The Call for Ethical Standards für Counsel in International Arbitration, in: ARIA, Bd.  22 (4) (2011), S.  611, 612: „Fifty five survey responders out of the 81, or 66%, checked off the yes box and reported that they had experienced what they felt were guerrilla tactics and provided an example“, online abrufbar unter: https://sussmanadr.com/

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Von dieser Kritik wurde mittlerweile weitestgehend Abstand genommen und die IBA-Richtlinien haben in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit eine breite Akzeptanz und damit einhergehende Verwendung gefunden. Obwohl die IBA-Richtlinien in technischer Hinsicht nicht verbindlich sind, werden sie zunehmend als bewährte Standards angesehen und sind daher in der Handels- und Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit weit verbreitet.422 Vor allem in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit werden sie von den jeweiligen Schiedsrichtern routinemäßig angewendet, wenn es um die Prüfung einer Bestellung eines Schiedsrichters, um die Entscheidung über eine Offenlegungspflicht von Sachverhalten oder um die Entscheidung über einen Antrag auf Ablehnung eines Schiedsrichters geht.423 Dagegen betonen ICSID-Schiedsgerichte allerdings nach wie vor mit Nachdruck, dass sie nicht an die IBA-Richtlinien gebunden sind und berufen sich eher auf Art.  14 (1) ICSID Übrk., obwohl sich die Streitparteien regelmäßig auf die Anwendung der IBA-Richtlinien verständigen.424 Die IBA-Richtlinien sind in zwei Teile gegliedert: Der erste Teil enthält die allgemeinen Grundsätze zur Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Offenlegung, welche die jeweiligen Schiedsrichter, Parteien und Institutionen bei der Beurteilung der (angeblichen) Befangenheit eines Schiedsrichters beachten sollten. Jedem, der im ersten Teil aufgeführten allgemeinen Grundsätze, liegt eine Erläutedocs/ethics%20for%20counsel%20TDM%20version%2011-2011.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe auch Rogers, Guerrilla Tactics in International Arbitration: Ethics, Practice, Remedies, in: Wilske/Horvarth, Guerrilla Tactics in International Arbitration, S.  313: „guerilla tactics like those described above appear to be an increasingly common phenomenon in international arbitration. In a recent survey, 68 % of respondents reported that they had experienced what they believed were guerilla tactics in international arbitration“; Wolf, Das internationale Berufsrecht der anwaltlichen Parteivertreter im Schiedsverfahren, in: Hess (Hrsg.) Der europäische Gerichtsverbund, S.  101, 103 f.; Dautaj, The Ethical Paradox Put to Play by Guerilla Tacticians, in: Kluwer Arbitration Blog (2018), online abrufbar unter: http://arbitrationblog. kluwerarbitration.com/2018/11/04/the-ethical-paradox-put-to-play-by-guerilla-tacticians/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 422  Bernasconi-Osterwalder/Johnson/Marshall, Arbitrator Independence and Impartiality: Examining the dual role of arbitrator and counsel, in: IV Annual Forum for Developing Country Investment Negotiators, Background Papers (2010), S.  29; Rogers, Ethics in International Arbitration, Rn.  2.87 und 6.75; Trakman, The Impartiality and Independence of Arbitrators Reconsidered, in: University of New South Wales Faculty of Law Research Series, No.  25 (2007), S.  3. 423  Rogers, Ethics in International Arbitration, Rn.  2.86. 424 Siehe Conoco Phillips Petrozuata B.V., Conoco Phillips Hamaca B.V. and Conoco Phil­ lips Gulf of Paria B.V. vs Bolivarian Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/07/30, Decision on the Proposal for the Disqualification of L. Yves Fortier, Q.C., 27.02.2012, Rn.  59.; IBA Conflict of Interests Subcommittee, The IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration: The First Five Years 2004–2009, in: Disp. Res. Int’l, Bd.  4 (1) (2010), S.  5, 33, 37.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

rung bei, die die Anmerkungen und die rechtliche Intention der Arbeitsgruppe beschreibt. Auf die allgemeinen Normen folgen dann im zweiten Teil (nicht abschließend) Listen spezifischer Konfliktsituationen zur praktischen Orientierung (die sogenannten praktischen Anwendungslisten der allgemeinen Grundsätze). Diese Anwendungslisten sind in ein Ampelsystem untergliedert, in die Farben Rot, Orange und Grün. Die Farbe der jeweiligen Anwendungsliste gibt dabei an, ob eine Offenlegung oder eine Ablehnung aufgrund der spezifischen Situation gerechtfertigt ist oder nicht: In den auf der roten Liste aufgeführten Situationen bestehen erhebliche und berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, so dass dieser seine Ernennung ablehnen oder vom Mandat zurücktreten sollte. Die rote Liste ist dabei noch einmal in die „unverzichtbare rote Liste“ und die „verzichtbare rote Liste“ untergliedert, wobei nach Letzterer noch mit dem Einverständnis beider Parteien und der vollumfänglichen Kenntnis des Interessenkonflikts der Schiedsrichter die Ernennung annehmen darf oder sein Mandat weiterführen kann. Die orange Liste enthält Situationen, die begründete Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters begründen können und die daher den Parteien offengelegt werden müssen. Wenn die Parteien nach dieser Offenbarung nicht innerhalb von 30 Tagen gegen das Mandat des Schiedsrichters Einspruch erheben, wird davon ausgegangen, dass sie auf ihr Recht auf Ablehnung verzichtet haben. In der bewerteten Situation wird dann keine Gefahr für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters gesehen. Schließlich beschreibt die grüne Liste Situationen, in denen weder eine Offenlegung von Interessenkonflikten noch eine Ablehnung empfohlen wird, da keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters vorliegen sollte. Der Kerninhalt der allgemeinen Grundsätze und Anwendungslisten wird im Folgenden kurz erläutert. aa) Die allgemeinen Grundsätze zur Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Offenlegungspflicht von Befangenheitsgründen Der allgemeine Grundsatz 1 IBA-Richtlinien legt allgemein die Verpflichtung zur unabhängigen und unparteiischen Mandatsausübung fest, die für die gesamte Dauer des Verfahrens und, in Bezug auf das CETA, bis zum Erlass des endgültigen Urteilsspruchs einzuhalten ist. Der allgemeine Grundsatz 2 IBA-Richtlinien legt den Ansatz und den Maßstab für die Untersuchung eines potenziellen Interessenkonflikts fest. Nach dem allgemeinen Grundsatz 2 (a) und (b) IBA-Richtlinien sollte ein Schiedsrichter

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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auf seine Ernennung verzichten oder von seinem Mandat zurücktreten, wenn er persönliche Zweifel daran hat oder wenn ein informierter, vernünftiger Dritter seine Fähigkeit berechtigter Weise bezweifeln würde, unabhängig und unparteiisch zu handeln. Der Ansatz für die Beurteilung von Ablehnungen ist somit objektiv.425 Die Schwelle für die Begründung berechtigter Zweifel ist bemerkenswert niedrig. Nach dem allgemeinen Grundsatz 2 (c) IBA-Richtlinien ist die bloße Wahrscheinlichkeit ausreichend, dass externe Faktoren die Entscheidungsfindung des Schiedsrichters beeinflussen.426 Der allgemeine Grundsatz 3 IBA-Richtlinien regelt die Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte. Da die Offenlegungspflicht für den Schiedsrichter weniger belastend ist, als seine Ablehnung oder die Pflicht vom Mandat zurückzutreten, ist es sinnvoll, dass der im allgemeinen Grundsatz 3 (a) IBA-Richtlinien festgelegte Maßstab niedriger ist: Die Schiedsrichter sind dazu verpflichtet, alle Umstände offenzulegen, die – „in den Augen der Parteien“ – Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Im Gegensatz zur objektiven Regelung des allgemeinen Grundsatzes 2 IBA-Richtlinien ist dieser Test subjektiv. Die Regelung fördert, ebenso wie die im allgemeinen Grundsatz 3 (d) IBA-Richtlinien vorgesehene Verpflichtung der Offenlegung, die Transparenz im Schiedsverfahren. Der allgemeine Grundsatz 6 IBA-Richtlinien erwähnt verschiedene Situationen, in denen eine indirekte Verbindung zwischen einem Schiedsrichter und einer Partei des Schiedsverfahrens und daher die Beurteilung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters schwieriger ist: Eine der Parteien (oder ein Unternehmen desselben Konzerns/Gruppe) kann an der Tätigkeit der Anwaltskanzlei des Schiedsrichters beteiligt sein oder ein Schiedsrichter oder seine Firma kann eine Verbindung zu einer natürlichen Person haben, die einen beherrschenden Einfluss auf eine der Parteien oder ein direktes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens hat. Die IBA-Richtlinien enthalten leider keine konkreten Hinweise für die Bewertung solcher Konstellationen. Es wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass die Verbindungen von nahestehenden Dritten berücksichtigt werden können und dass der Sachverhalt im Einzelfall zu berück425  Horvath/Berzero, Arbitrator and Counsel: the Double-Hat Dilemma, in: TDM, Bd.  10 (4) (2013), S.  1, 5; Park, Arbitration’s Discontents: Between the Pernicious and the Precarious, in: Avout/Bureau/Horatia, Mélanges en L’Honneur du Professeur Bernard Audit, 2014, S.  581, 601. 426  Allgemeiner Grundsatz 2 (c) IBA-Richtlinien: „Doubts are justifiable if a reasonable third person, having knowledge of the relevant facts and circumstances, would reach the conclusion that there is a likelihood that the arbitrator may be influenced by factors other than the merits of the case as presented by the parties in reaching his or her decision.“ (Kursivierung hinzugefügt).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

sichtigen ist. Die IBA-Richtlinien sind in diesem Punkt eher nachsichtig und stellen ausdrücklich im allgemeinen Grundsatz 6 (a) IBA-Richtlinien fest, dass „die Tatsache, dass die Aktivitäten der Anwaltskanzlei des Schiedsrichters eine der Parteien betreffen (‚involve‘), nicht automatisch eine Quelle für einen Interessenkonflikt oder einen Grund für eine Offenlegung dar[stellen].“427

Der allgemeine Grundsatz 7 IBA-Richtlinien erweitert die Offenlegungspflicht auf die Parteien im Schiedsverfahren. Auch die Parteien haben nach dem allgemeinen Grundsatz (7) (a) IBA-Richtlinien freiwillig vor dem Beginn des Verfahrens „über jede direkte oder indirekte Beziehung zwischen ihr (oder einer anderen Gesellschaft desselben Konzerns) und dem Schiedsrichter zu informieren.“ Um solche Beziehungen in Erfahrungen zu bringen, werden die Parteien dazu verpflichtet, einen „verhältnismäßigen Aufwand zu betreiben“428, um öffentlich zugängliche Informationen zu erkunden und offenzulegen. Jedoch beschreiben die IBA-Richtlinien nicht, wie weit die Verpflichtung im Rahmen des „verhältnismäßigen Aufwands“ reicht. Es scheint daher diesbezüglich wieder eine auf den Einzelfall bedingte Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs gewollt. bb) Die praktische Anwendung der allgemeinen Grundsätze Die Anwendungslisten stellen für die Praxis den nützlichsten Teil der IBA-Richtlinien dar. Sie veranschaulichen die Gewichtung der gegensätzlichen Interessen im Streitbeilegungsverfahren, indem sie potenzielle Konfliktsituationen nach ihrer Sensibilität kategorisieren und entsprechende Rechtsfolgen von der Offenlegung bis zur Ablehnung des Schiedsrichters oder bis zu seinem Rücktritt vom Mandat berücksichtigen.429 Bei den gegensätzlichen Interessen im Streitbeilegungsverfahren handelt es sich einerseits um die Verfahrensökonomie und das Recht der Parteien, einen Schiedsrichter frei zu wählen, andererseits um die Gewährleistung der größtmöglichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Entscheidungsträgers.430 Als Ausdruck internationaler Prinzipien, „best practices“ und eines internationalen Selbstregulierungskompromisses gilt aber eine gewisse Unklarheit der An427  Siehe hierzu auch Bernasconi-Osterwalder/Johnson/Marshall, Arbitrator Independence and Impartiality: Examining the dual role of arbitrator and counsel, in: IV Annual Forum for Developing Country Investment Negotiators, Background Papers (2010), S.  31: Der allgemeine Grundsatz 6 IBA-Richtlinien „tacitly recogniz[es] and approv[es] the dual arbitrator/counsel role“. 428  Siehe die Erläuterungen des allgemeinen Grundsatzes 7 IBA-Richtlinien. 429  Park, Arbitration’s Discontents: Between the Pernicious and the Precarious, in: Avout/ Bureau/Horatia, Mélanges en L’Honneur du Professeur Bernard Audit, 2014, S.  581, 601. 430  Park, Arbitration’s Discontents: Between the Pernicious and the Precarious, in: Avout/ Bureau/Horatia, Mélanges en L’Honneur du Professeur Bernard Audit, 2014, S.  581, 601.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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wendungslisten als unvermeidlich.431 Diese Unklarheit schränkt wiederum den Nutzen der Anwendungslisten ein, da sie ihre kohärente Interpretation und Anwendung gefährdet. Sie ermöglicht es Anwälten, auf prozessualer Ebene taktische Ablehnungsanträge einzureichen und damit das Verfahren zu behindern (sogenannte „Guerilla Taktik“).432 Zudem behindert die vage und umständliche Formulierung der Anwendungslisten die Verfahrenseffizienz und gefährdet den Ruf von Schiedsrichtern und Schiedsgerichten. Andererseits stellen die IBA-Richtlinien aber auch eine Hilfestellung für die Entscheidung über eine Ablehnung, einen Rücktritt oder eine Streichung eines Schiedsrichters dar, wenn Parteien, Schiedsrichter oder Schiedsinstitutionen mit einer in der Liste ausdrücklich vorgesehenen Situation konfrontiert sind. Zudem regeln die Anwendungslisten auch nicht nur die Rechtsfolge von bestimmten Situationen, sondern liefern zusätzlich nützliche Anhaltspunkte für die Beurteilung von Situationen, die nicht in den Anwendungslisten genannt sind. Dabei kann auch die Kategorisierung in das sogenannte Ampelsystem eine genauere Hilfestellung für bestimmte Situationen und den Umgang damit darstellen. Im Folgenden sollen die vier Anwendungslisten kurz thematisiert werden. (1) Die unverzichtbare rote Liste Die sogenannte unverzichtbare rote Liste („non-waivable red list“)433 führt vier Fälle auf, in denen von einem offensichtlichen Eigeninteresse des Schiedsrichters am Ausgang des Verfahrens ausgegangen werden kann. Sie beruhen auf der Beziehung des Schiedsrichters zu einer der am Verfahren beteiligten Parteien.434 431  Einleitung zu den Anwendungslisten der IBA-Richtlinien, Rn.  8; Mullerat, Arbitrators’ Conflicts of Interest Revisited: A Contribution to the Revision of the Excellent IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, in: Disp. Res. Int’l, Bd.  4 (1) (2010), S.  55, 57. 432 Siehe hierzu Rogers, Guerrilla Tactics in International Arbitration: Ethics, Practice, Remedies, in: Wilske/Horvarth, Guerrilla Tactics in International Arbitration, S.  313: „guerilla tactics like those described above appear to be an increasingly common phenomenon in international arbitration. In a recent survey, 68 % of respondents reported that they had experienced what they believed were guerilla tactics in international arbitration“; Dautaj, The Ethical Paradox Put to Play by Guerilla Tacticians, in: Kluwer Arbitration Blog (2018), online abrufbar unter: http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/11/04/the-ethical-paradox-put-toplay-by-guerilla-tacticians/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Mullerat, Arbitrators’ Conflicts of Interest Revisited: A Contribution to the Revision of the Excellent IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, in: Disp. Res. Int’l, Bd.  4 (1) (2010), S.  55, 59. 433  Siehe hierzu die IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, online abrufbar unter: https://www.ibanet.org/Publications/publications_IBA_guides_and_ free_materials.aspx (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 434  Anwendungslisten der IBA-Richtlinien: „1.1 Bei Identität zwischen einer Partei und dem Schiedsrichter oder wenn der Schiedsrich-

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Die dort aufgeführten Situationen gelten als so konträr zum Grundsatz des nemo iudex in causa sua (niemand kann sein eigener Richter sein), dass auch eine formalisierte und informierte Einwilligung der Parteien den Interessenkonflikt nicht heilt, so dass der jeweilige Schiedsrichter von seinem Mandat zurücktreten muss oder abzulehnen ist.435 Wegen der Eindringlichkeit dieser Rechtsfolge werden nur die markantesten Szenarien in die unverzichtbare rote Liste aufgenommen. Einige werden durch Deskriptoren wie „erheblich“436 oder „regelmäßig“437 weiter qualifiziert. Während diese Begriffe den Anwendungsbereich der unverzichtbaren roten Liste einschränken sollen, birgt der damit geschaffene große Interpretationsspielraum auch das Risiko der Unvorhersehbarkeit.438 (2) Die verzichtbare rote Liste Die in der roten Liste aufgeführten Konstellationen sind nach wie vor schwerwiegend, beeinträchtigen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter aber nicht so wesentlich wie die Konstellationen der unverzichtbaren roten Liste.439 Es wird bei dem Vorliegen einer der Konstellationen von einem Interessenkonflikt in der Person des Schiedsrichters ausgegangen, so dass er von den Parteien abzulehnen ist bzw. der Schiedsrichter zurücktreten muss. Es sei denn, alle Parteien vereinbaren gemäß des allgemeinen Grundsatzes 4 (c) IBARicht­linien nach umfassender Information über den Interessenkonflikt einen ausdrücklichen Verzicht auf ihr Recht, den jeweiligen Schiedsrichter abzulehnen. Der Grad der Nähe zwischen dem Schiedsrichter und dem anderen Verfahrensbeteiligten ist in den aufgeführten Konstellationen generell sehr hoch. Beispiele ter gleichzeitig der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist, die Partei des Schiedsverfahrens ist. 1.2 Wenn der Schiedsrichter zugleich Manager, Direktor oder ein Mitglied des Aufsichtsgremiums einer der Parteien ist oder ähnliche Einflussmöglichkeiten hat. 1.3 Wenn der Schiedsrichter ein erhebliches finanzielles Interesse an einer der Parteien oder am Ausgang des Verfahrens hat. 1.4 Wenn der Schiedsrichter die ihn ernennende Partei oder eine mit ihr verbundene Gesellschaft regelmäßig berät und der Schiedsrichter oder seine Kanzlei erhebliche Einnahmen daraus generieren.“ 435  Einleitung zu den Anwendungslisten der IBA-Richtlinien, Rn.  2. 436  Siehe beispielsweise 1.3 und 1.4 der Anwendungslisten der IBA-Richtlinien. 437  Siehe beispielsweise 1.4 der Anwendungslisten der IBA-Richtlinien. 438 Siehe Bernasconi-Osterwalder/Johnson/Marshall, Arbitrator Independence and Impartiality: Examining the dual role of arbitrator and counsel, in: IV Annual Forum for Developing Country Investment Negotiators, Background Papers (2010), S.  32; Mullerat, Arbitrators’ Conflicts of Interest Revisited: A Contribution to the Revision of the Excellent IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, in: Disp. Res. Int’l, Bd.  4 (1) (2010), S.  55, 61 und 67. 439  Einleitung zu den Anwendungslisten der IBA-Richtlinien, Rn.  2.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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für erfasste Situationen sind die vorherige Beteiligung eines Schiedsrichters an dem spezifischen Streitgegenstand (u. a. durch Rechtsberatung) und bestimmte Formen von (direkten oder indirekten, finanziellen oder persönlichen) Interessen am Ausgang der Streitigkeit, wie die Beteiligungen (z. B. durch Eigentumsrechte) an einer der Parteien, oder das erhebliche finanzielle Interesse des Schiedsrichters (oder eines engen Familienmitglieds) an dem Ausgang der Streitigkeit.440 Bestimmte, nicht abschließend aufgezählte Beziehungen zu einer Partei oder ihrem Anwalt als Interessenvertreter stehen nach der Anwendungsliste 2.3 IBARicht­linien ebenfalls auf der verzichtbaren roten Liste. (3) Die orange Liste Die orange Liste ist die umfangreichste aller Anwendungslisten. Sie zählt Situationen auf, die nach Ansicht der Parteien Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters aufkommen lassen können und verlangt von den Schiedsrichtern, dass sie entsprechende Situationen offenlegen. Die Offenlegung führt zu einer 30-tägigen Verzögerung der Ablehnung des Schiedsrichters. Nach dem Ablauf der 30-Tagesfrist wird im Sinne einer Präklusion davon ausgegangen, dass auf das Recht auf Ablehnung des Schiedsrichters verzichtet wurde. Die Aufnahme einer bestimmten Konstellation in die orange Liste stellt keinen Vorwand für den Erfolg eines Ablehnungsantrags auf der Grundlage der jeweiligen Konstellation dar. Das gilt auch in dem Fall, dass ein Schiedsrichter den potenziellen Interessenkonflikt nicht offengelegt hatte. Im Gegensatz zu den in den roten Listen enthaltenen Konstellationen wird ein Antrag auf Ablehnung aufgrund einer (offengelegten oder nicht offengelegten) Situation auf der orangen Liste im Lichte des allgemeinen Grundsatzes 3 (a) IBA-Richtlinien bewertet. Damit wird eine objektive Ermittlung begründeter Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters gefordert. Schaut man sich als Beispiel die Konstellationen in den Anwendungslisten 3.1.1. bis 3.1.5. IBA-Richtlinien an, zählt die orange Liste Situationen auf, in denen eine aktuelle (oder gleichzeitige) und relativ enge Verbindung zwischen einem Schiedsrichter und einer Partei besteht.441 Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Verbindungen, 440 

Siehe die Anwendungslisten der IBA-Richtlinien: „2.1.1 Der Schiedsrichter hat eine der Parteien oder eine mit ihr verbundene Gesellschaft (affiliate) in der Streitsache rechtlich beraten oder für sie dazu ein Rechtsgutachten abgefasst. 2.1.2 Der Schiedsrichter war zuvor in die Streitsache involviert. 2.2.1 Der Schiedsrichter hält direkt oder indirekt Anteile («shares») an einer der Parteien oder an einer mit ihr verbundenen Gesellschaft («affiliate»), die privat gehalten werden. 2.2.2 Ein nahes Familienmitglied des Schiedsrichters hat ein maßgebliches finanzielles Interesse am Ausgang des Streites.“ 441  Anwendungslisten 3.1.1 bis 3.1.5. IBA-Richtlinien:

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

die weiter entfernt sind, oder Kontakte, die außerhalb des angegebenen Dreijahreszeitraums liegen, automatisch unschädlich für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters im Sinne der IBA-Richtlinien sind. Die genauen Beschreibungen in der orangen Liste hinsichtlich der Nähe und des Zeitrahmens der Beziehungen zwischen dem Schiedsrichter und der Partei in dem jeweiligen Verfahren sollten nicht einen anderen Eindruck hinterlassen, als dass diese Anwendungsliste nicht abschließend ist. Situationen, die scheinbar nicht unter die orange Liste fallen, weil sie nicht ausdrücklich vorgesehen sind, unterliegen dem allgemeinen Grundsatz 2 IBA-Richtlinien und obwohl eine entsprechende Situation im Allgemeinen nicht problematisch zu sein scheint, sollte sie von Fall zu Fall bewertet werden.442 (4) Die grüne Liste Schließlich ist auch die grüne Liste eine nicht abschließende Liste von Gegebenheiten, bei denen davon auszugehen ist, dass sie unter objektiven Gesichtspunkten keinen tatsächlichen oder offensichtlichen Mangel hinsichtlich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründen. Daher ist keine Offenlegung erforderlich und in der Regel scheitert ein Ablehnungsantrag. cc) Gesamtwürdigung Die Darstellung der IBA-Richtlinien hat gezeigt, dass die durch Art.  8.30 (1) CETA und Art.  8 (1) CETA-Verhaltenskodex verbindliche Aufnahme der allge„3.1.1. Der Schiedsrichter hat innerhalb der letzten drei Jahre für eine der Parteien oder eine mit ihr verbundene Gesellschaft («affiliate») als Rechtsvertreter gehandelt oder hat die Partei, die ihn benannt hat, oder eine mit dieser verbundene Gesellschaft («affiliate») früher in einer Angelegenheit ohne Bezug zum Streitgegenstand beraten oder ist um Rat gefragt worden; es besteht jedoch keine fortdauernde Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und dieser Partei oder einer mit ihr verbundenen Gesellschaft («affiliate»). 3.1.2. Der Schiedsrichter war innerhalb der letzten drei Jahre als Rechtsvertreter in einer Angelegenheit ohne Bezug zum Streitgegenstand gegen eine der Parteien oder eine mit ihr verbundene Gesellschaft tätig («affiliate»). 3.1.3. Der Schiedsrichter ist innerhalb der letzten drei Jahre von einer der Parteien oder einer mit ihr verbundenen Gesellschaft («affiliate») in zwei oder mehr Angelegenheiten als Schiedsrichter benannt worden. 3.1.4. Die Kanzlei des Schiedsrichters hat innerhalb der letzten drei Jahre – jedoch ohne Beteiligung des Schiedsrichters – für eine der Parteien oder eine mit ihr verbundenen Gesellschaft («affiliate») in einer Angelegenheit ohne Bezug zum Streitgegenstand gehandelt. 3.1.5. Der Schiedsrichter dient gegenwärtig oder hat innerhalb der letzten drei Jahre als Schiedsrichter in einer verbundenen Sache gedient, in die eine der Parteien oder eine mit ihr verbundene Gesellschaft («affiliate») involviert ist.“ 442  Vgl. die Einleitung zu den Anwendungslisten der IBA-Richtlinien, Rn.  6.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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meinen Grundsätze in Teil I der IBA-Richtlinien einen hohen ethischen Maßstab zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit für die Mitglieder des CETA-Gerichts sowie der Rechtsbehelfsinstanz etablieren. Die detailliert geregelte Pflicht zur unabhängigen und unparteilichen Amtsausübung sowie die umfangreichen Offenlegungspflichten können wirkungsvoll Interessenkonflikte in der jeweiligen Person des Mitglieds des CETA-Gerichts unterbinden. Sie dürften deswegen dabei helfen, Missverständnissen vorzubeugen und ein Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz zu schaffen. Allerdings wird in den allgemeinen Grundsätzen der IBA-Richtlinien nicht mit einem Wort ausdrücklich auf die Verpflichtung der Vertraulichkeit bzw. Verschwiegenheit von CETA-Gerichtsmitgliedern in Bezug auf andere ältere oder parallellaufende Verfahren im Streitbeilegungsverfahren eingegangen. Lediglich in der Erläuterung des allgemeinen Grundsatzes 3 (c) IBA-Richtlinien (Offenlegung durch den Schiedsrichter) wird erklärt: „Übermässige Offenlegungen untergraben unnötigerweise das Vertrauen der Parteien in das Verfahren. Nach einigen Diskussionen kam die Arbeitsgruppe jedoch zur Überzeugung, dass es wichtig sei, in den allgemeinen Grundsätzen ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Schiedsrichter im Zweifelsfall offenlegen sollte.“

Die IBA-Richtlinien verlangen deswegen ausdrücklich nicht, dass die CETA-Gerichtsmitglieder auf ihre zusätzlichen Aktivitäten hinweisen bzw. offenlegen müssen. Auch eine vorgeschriebene Genehmigung von zusätzlichen Tätigkeiten vor dem Beginn des Verfahrens ist nicht vorgesehen. Die einzige Erwähnung zur Vertraulichkeit findet sich unter denselben Erläuterungen zum allgemeinen Grundsatz 3 (c) IBA-Richtlinien: „Falls der Schiedsrichter der Meinung sein sollte, dass er offenlegen müsste, ihn oder sie aber berufliche Vertraulichkeitsverpflichtungen oder andere Berufsregeln in der Praxis an einer solchen Offenlegung hinderten, sollte er oder sie die Ernennung nicht annehmen oder zurücktreten.“

Dass dies keine ausreichende Regelung für den Aspekt der Vertraulichkeit im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren darstellt, ist selbsterklärend. Auch der CETA-Verhaltenskodex vermag diese Lücke (noch) nicht explizit zu schließen. Allerdings existiert mit Art.  6 (1) CETA-Verhaltenskodex eine allgemeine Regelung zur Vertraulichkeit: „(1) Zu keinem Zeitpunkt legen Mitglieder und ehemalige Mitglieder nichtöffentliche Informationen, die ein Verfahren betreffen oder ihnen während eines Verfharens bekannt wurden, offen oder nutzen diese, es sei denn für die Zwecke des betreffenden Verfahrens; ferner legen sie unter keinen Umständen derartige Iformationen offen oder nutzen diese, um sich selbst oder anderen einen Vorteil zu verschaffen oder die Interessen anderer zu beeinträchtigen.“

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Die Regelung ist aufgrund des Kontextes so zu verstehen, dass mit den Verfahren nur solche gemeint sein drüften, die vor dem CETA-Gericht geführt werden. Allerdings unterscheidet der Wortlaut auch nicht ausdrücklich zwischen CETAVer­fahren und beispielsweise ICSID-Schiedsverfahren. Demnach wären CETAGerichts­mitglieder nicht zur Offenlegung solcher Informationen in Bezug auf ein anderes, auch außerhalb des CETA teilgenommenen Verfahrens verpflichtet, soweit dadurch die Pflicht zur Verschwiegenheit durch das CETA-Gerichtsmitglied verletzt würde. Die Anwendungslisten stellen wohl den weniger bedeutenden Teil der IBARicht­linien für die ethischen Anforderungen an die Mitglieder des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz dar. Zwar stellen die Anwendungslisten mit ihrem praktischen Ansatz im Sinne von spezifischen Konstellationen, die zu Interessenkonflikten führen können, sowie mit der besonderen Gliederung (die Listen ihrer Sensibilität nach farblich zu kennzeichnen) ohne Zweifel eine Innovation dar. Allerdings behandeln die Anwendungslisten überwiegend Situationen, denen das Prinzip zugrunde liegt, dass die Streitparteien durch die Wahl der Entscheidungsträger einen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums ausüben. Durch die Anwendungslisten der IBA-Richtlinien können Interessenkonflikte reduziert werden, die beispielsweise durch wiederholte Ernennung durch die Streitparteien entstehen.443 Diesbezüglich wird aber zumindest der unmittelbare Einfluss der Streitparteien auf die Zusammensetzung des Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz durch Art.  8.27 und 8.28 CETA ausgeschlossen, was die Anwendung vieler Beispiele der Anwendungslisten der IBA-Richtlinien überflüssig macht. Zudem scheinen auch die Besonderheiten der internationalen Investor-StaatStreit­beilegung (unabhängig davon, ob diese vor einem Schiedsgericht oder dem CETA-Gericht stattfinden) bei der Erstellung der IBA-Richtlinien bis zu einem gewissen Grad außer Acht gelassen worden zu sein.444 Obwohl die IBA-Richtlinien für die Anwendung in der Handels- und der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit konzipiert sein sollen, bleiben einige Situationen unberücksichtigt, die in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit häufig als Grundlage für die Ablehnung von Schiedsrichtern herangezogen werden.445 So werden beispielsweise die frühere Beschäftigung des Schiedsrichters als Beamter (und seine daraus resultie443  Siehe hierzu die Diagramme von Cleis, welche die (hypothetische) Anwendung der Anwendungslisten der IBA-Richtlinien bei Ablehnungsentscheidungen von Schiedsrichtern in ICSID-Schiedsverfahren veranschaulichen: Cleis, Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  170 ff. 444  Rogers, Ethics in International Arbitration, Rn.  6.80. 445  Mouawad, Issue Conflicts in Investment Treaty Arbitration, in: TDM, Bd.  5 (4) (2008), S.  1.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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rende Vertrautheit mit dem Gastgeberstaat oder dem Streitgegenstand des Falles) und die Doppelfunktion bzw. der Rollentausch, als Schiedsrichter und Anwalt tätig zu sein, nicht durch die Anwendungslisten geregelt.446 Wobei es aber nach Art.  8.30 (1) CETA ausdrücklich verboten ist, sowohl als Parteivertreter und Entscheidungsträger in Investor-Staat-Streitigkeiten tätig zu sein, stellen Interessenkonflikte wegen der früheren Beschäftigung der Mitglieder des CETA-Gerichts als Beamte durchaus eine realistische Situation dar.447 Während es möglich ist, solche Ablehnungsanträge durch die Anwendung der allgemeinen Grundsätze in Teil I der IBA-Richtlinien zu lösen, geht der Vorteil der Berechenbarkeit und Einheitlichkeit der Anwendungslisten der IBA-Richtlinien verloren. Darüber hinaus sind die in den Anwendungslisten zugrundeliegenden Bewertungen von Interessenkonflikten nicht immer für die Anwendung auf Ablehnungsentscheidungen von Entscheidungsträgern in Investor-Staat-Schiedsverfahren geeignet. So enthält beispielsweise die grüne Liste in 4.1.1. IBA-Richtlinien: „Der Schiedsrichter hat früher eine rechtliche Auffassung geäußert (wie z. B. in einer Fachzeitschrift oder einer öffentlichen Vorlesung [oder als Sachverständiger bzw. Gutachter]), die unter anderem auch im Schiedsverfahren auftretende Fragen betrifft […].“

Im Vergleich zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit könnten solche Aussagen für Investitionsstreitbeilegungsverfahren problematischer sein (sogenannter issue con­ flict), da es sich hier um eine engere, sich wiederholende Reihe von Rechtsfragen handelt (wie z. B. der Umgang mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der fair and equitable treatment-Bestimmung).448

446  Siehe

hierzu die Ablehnungsentscheidungen von Schiedsrichtern in Saint-Gobain Per­ formance Plastics Europe vs Bolivarian Republic of Venezuela, ICSID Case No. ARB/12/13, Decision on Claimant’s Proposal to Disqualify Mr. Bottini form the Tribunal under Article 57 of the ICSID Convention, 27.02.2013 und Société Générale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/01/13, Decision on Claimant’s Proposal to Disqualify Arbitrator, 19.12.2002. 447  Insbesondere aufgrund der Fußnote 12 zu Art.  8.30 (1) CETA, wonach klargestellt wird, dass die CETA-Gerichtsmitglieder zwar keiner Regierung nahestehen dürfen, aber „die Tatsache, dass eine Person eine Vergütung von einer staatlichen Stelle erhält, reicht allein nicht aus, um nicht als Mitglied des Gerichts in Betracht zu kommen.“ Dadurch sollte die zusätzliche Tätigkeit als Richter oder als Regierungsbeamter grundsätzlich zulässig sein. 448  Siehe hierzu Rubins/Lauterburg, Independence, Impartiality and Duty of Disclosure in Investment Arbtitration, in: Knahr/Koller/Rechberger/Reinisch (Hrsg.), Investment and Commercial Arbitration – Similarities and Divergences, S.  153, 164.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

c) Der CETA-Verhaltenskodex für Gerichtsmitglieder und Mediatoren Der von den CETA-Vertragsparteien gemäß Art.  8.44 (2) CETA449 mit Beschluss Nr.  001/2021 vom 29. Jannuar 2021 verbindlich einzuhaltende Verhaltenskodex für die Mitglieder des CETA-Gerichts stellt ein Novum in der Investor-StaatStreit­beilegung in internationalen Investitionsschutzabkommen dar. Das Ziel des Verhaltenskodex ist die Einhaltung hoher ethischer und beruflicher Grundprinzipien, insbesondere die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Entscheidungsträger.450 Ganz im Sinne der in Art.  8.44 (2) CETA geregelten Bestimmung hat der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen in seiner ersten Sitzung am 18. September 2018 zum Beschluss über einen Verhaltenskodex für die Mitglieder des CETA-Gerichts, der Rechtsbehelfsinstanz und der Mediatoren festgelegt, dass dieser Regeln über Offenlegungspflichten, detailliertere Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, Verpflichtungen ehemaliger Gerichtsmitglieder sowie Regeln über Vertraulichkeit, Kosten und Sanktionen enthalten solle.451 Der CETA-Verhaltenskodex enthälft nun in seinen insgesamt 12 Artikeln Regelungen zu diesen Aspekten: Art.  1 des CETA-Verhaltenskodex nimmt die Begriffsbestimmungen vorweg. Nach dem sehr weit gefassten Art.  2 CETA-Verhaltenskodex haben Kandidaten, Mitglieder und ehemalige Mitglieder im Sinne von Art.  1 lit.  e) und g) CETAVerhaltens­kodex unangemessenes Verhaltens sowie den Anschein unangemessenen Verhaltens zu vermeiden. Sie haben damit zumindest die Verhaltensstan449  Art.  8.44

(2) CETA: „Der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen legt im Einvernehmen mit den Vertragsparteien, nachdem diese ihre jeweiligen internen Vorschriften erfüllt und ihre jeweiligen internen Verfahren abgeschlossen haben, einen Verhaltenskodex für die Mitglieder des Gerichts fest, der bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Kapitel Anwendung findet, die geltenden Vorschriften ersetzen oder ergänzen kann und unter anderem folgende Aspekte betreffen kann: a) Offenlegungspflichten, b) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Gerichts und c) Vertraulichkeit. Die Vertragsparteien bemühen sich nach besten Kräften um eine Festlegung des Verhaltenskodexes bis spätestens zum ersten Tag der vorläufigen Anwendung beziehungsweise des Inkrafttretens dieses Abkommens, in jedem Fall aber bis spätestens zwei Jahre nach diesem Zeitpunkt.“ 450  Europäische Kommission, Investment in TTIP and beyond – the path for reform. Enhancing the right to regulate and moving from current ad hoc arbitration towards an Investment Court (5.5.2015), S.  2, online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/ tradoc153408.PDF (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 451  CETA, Meeting of the Committee on Services and Investment, 18.09.2018. online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/september/tradoc_157385.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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dards des CETA-Verhaltenskodex und die in Art.  8.30 CETA geregelten Pflichten einzuhalten. Lobenswert ist die Regelung des Bewertugnsmaßstabs zur Begründung der Befangenheit eines CETA-Gerichtsmitglieds bereits in Bezug auf die offenzulegenden Gründe, die zu einem Interessenkonflikt führen können. Denn Art.  3 des CETA-Verhaltenskodex regelt zunächst in Absatz 1, dass von den Kandidaten Interessen, Beziehungen und Angelegenheiten, die geeignet sind, ihre Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit zu beeinträchtigen, oder bei denen begründetermaßen dieser Eindruck entstehen könnte, den Vertragsparteien offenzulegen sind. Die Offenlegungspflicht erstreckt sich ferner auf die letzten fünf Jahre vor dem Zeitpunkt der Bewerbung als CETA-Gerichtsmitglied. Insbesondere der Wortlaut „bei denen begründetermaßen dieser Eindruck entstehen könnte“ greift den Bewertungsmaßstab der IBA-Richtlinien mit seinen „justifiable doubts“ bzw. den berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters gemäß dem allgemeinen Grundsatz 2 (b) IBA-Richtlinien (Inter­ essenkonflikte) auf. Der CETA-Verhaltenskodex verzichtet damit zur Ablehnung eines Kandidaten und gemäß Art.  3 (3) CETA-Verhaltenskodex zur Ablehnung eines Mitglieds auf das Vorliegen von konkreten Tatsachen, die eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Ge­richts­mit­glie­der begründen und lässt begründete Zweifel ausreichen. Zudem regelt Art.  3 (3) CETA-Verhaltens­kodex eine ständige Offenlegungspflicht der Mitglieder. Zwar verpflichtet Art.  3 (2) CETA-Verhaltenskodex die Mitglieder nur dazu Verstöße gegen den CETA-Verhaltenskodex offen zu legen. Allerdings dürften aufgrund der Regelung in Art.  8 (1) CETA-Verhaltenskodex auch die Pflichten in Art.  8.30 CETA und damit auch die in der IBA-Richtlinie geregelten Pflichten darunter fallen. Weitere von den CETA-Gerichtsmitgliedern einzuhaltende Pflichten sind insbesondere die in Art.  4 (1) bis (4) CETA-Verhaltenskodex452 geregelten Sorgfaltspflichten zur Wahrung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und die 452  Art.  4

CETA-Verhaltenskodex: „(1) Zusätzlich zu den in Art.  2 dieses Beschlusses festgelegten Pflichten müssen die Mitglieder unabhängig und unparteiisch sein und auch so auftreten; außerdem vermeiden sie direkte und indirekte Interessen Konflikte. (2) Die Mitglieder lassen sich weder von eigenen Interessen noch durch Druck von außen, aus politischen Erwägungen, durch Forderungen der Öffentlichkeit, aus Loyalität gegenüber einer der Vertragsparteien, einer Streitpartei oder einer anderen von dem Verfahren Betroffenen oder am Verfahren beteiligten Personen, aus Angst vor Kritik oder aufgrund von finanziellen, geschäftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Beziehungen oder Verpflichtungen beeinflussen. (3) Weder direkt noch indirekt gehen die Mitglieder Verpflichtungen ein, nehmen Vergünstigungen an, nehmen Beziehungen auf oder erwerben finanzielle Beteiligung, die geeignet sind,

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Pflicht zur Integrität, Fairness und Gründlichkeit der Verfahrensführung gemäß Art.  4 (4) und (5) CETA-Verhaltenskodex. Die Regelung ergänzt die im allgemeinen Grundsatz 1 der IBA-Richtlinie (Allgemeiner Grundsatz) geregelte Pflicht zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Art.  5 CETA-Verhaltenskodex regelt Pflichten für ehemalige Gerichtsmitglieder. Insbesondere wird durch Art.  5 (2) das Verbot des „double-hatting“ auf drei Jahre nach Ablauf der Amtszeit aber beschränkt auf Investitionsstreitigkeiten unter dem CETA verlängert. Verstöße der ehemaligen Mitglieder gegen die Pflichten in Art.  5 (1) bis (3) CETA-Verhaltenskodex sind nach Art.  5 (4) CETA-Verhaltenskodex dem nationalen Berufsverband zu melden, dem das Gerichtsmitglied angehört, den Vertragsparteien und den Streitparteien eines betroffenen Streitfalles sowie sämtlichen internationalen Gerichten, um geeignete Sanktionen gegen das Mitglied einzuleiten. Zudem ist die Sanktionsmaßnahme öffentlich zu machen. Demnach soll eine Sanktion gegenüber einem Gerichtsmitglied wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem CETA-Verhaltenskodex oder aus Art.  8.30 (1) CETA grundsätzlich auf nationaler Ebene erfolgen. Auf nationaler Eben der Bundesrepublik Deutschland ist daher insbesondere eine Disziplinarmaßnahme nach dem DRiG oder der BRAO vorstellbar. Bei besonders krassen Verstößen kommt eine strafrechtliche Verfolgung gegen das CETA-Gerichtsmitglied in Betracht, beispielsweise nach §  332 StGB (Bestechlichkeit). In Art.  6 (1) CETA-Verhaltenskodex453 ist als Grundsatz ein allgemein gehaltenes Offenlegungsverbot von vertraulichen Informationen geregelt. Durch die Anwendung als allgemeinen Grundsatz dürfte die Regelung auch auf nichtöffentliche Informationen aus anderen, CETA fremden Investor-Staat-Streibeilegungsverfahren Anwendung finden, an denen ein CETA-Gerichtsmitglied als Schiedsrichter, Interessenvertreter, Zeuge oder Sachverständiger beteiligt war. Lediglich als Ausnahmetatbestand soll eine Offenlegung erfolgen, soweit diese dem Zweck des betreffenden Verfahrens dient. Was genau unter dem Begriff des Zwecks des Verfahren zu verstehen ist, dürfte durch eine Einzelfallentscheidung im Rahmen einer Interessenabwägung erfolgen zwischen dem Interesse an der Nichtoffenlegung der Information und dem Interesse daran zu Erfahren, inwieihre Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit zu beeinträchtigen, oder die diesen Anschein erwecken. (4) Die Mitglieder nehmen im Zusammenhang mit dem Verfahren keine ex-parte-Kontakte auf.“ 453  Art.  6 (1) CETA: „Zu keinem Zeitpunkt legen Mitglieder und ehemalige Mitglieder nicht öffentliche Informationen, die ein Verfahren betreffen oder Ihnen während eines Verfahrens bekannt wurden, offen oder nutzen diese, es sei denn für die Zwecke des betreffenden Verfahrens; ferner legen sie unter keinen Umständen derartige Informationen offen oder nutzen diese, um sich selbst oder anderen einen Vorteil zu verschaffen oder die Interessen anderer zu beeinträchtigen.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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weit die offenzulegende Beziehung zu einer Beeinträchtigung der Unbefangenheit des Gerichtsmitglieds führt. Damit wird die Regelung zur Offenlegungspflicht nach den IBA-Richtlinien gemäß des allgemeinen Grundsatzes 3 (d) IBA-Richtlinien (Offenlegung durch den Schiedsrichter) dahingehend ergänzt, dass bei Zweifeln zur Offenlegung von Tatsachen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, eine Offenlegung grundsätzlich nicht erfolgen soll. Möglichwerweise wird der angekündigte Kommentar zu dem Verhaltenskodex einen konkreten Maßstab definieren oder zumindest eine Hilfestellung zur Anwendung des Art.  6 (1) CETA-Verhaltenskodex formulieren. Die Regelung in Art.  6 (3) CETAVerhaltens­kodex454 ist durchaus kritisch zu bewerten, da sie den CETA-Vertragsparteien dabei hilft für sich unliebsame Gerichtsmitglieder vom Gericht auszuschließen. Denn die CETA-Vertragsparteien haben die Amtszeit der Gerichtsmitglieder auf 5 Jahre mit der Möglichkeit der Wiederwahl begrenzt. Folglich ist dadurch sichergestellt, dass unliebsame Gerichtsmitglieder spätestens nach 5 Jahren ausscheiden. Dazu erhalten die CETA-Vertragsparteien die Möglichkeit nach Art.  6 (3) CETA-Verhaltenskodex im Rahmen von Beschlüssen, Entscheidungen oder Urteilssprüchen des CETA-Gerichts zu erfahren, wie die Standpunkte der einzelnen Mitglieder bei den Beratungen lagen – pro Investor oder pro Vertragspartei? Diese Möglichkeit sollte den CETA-Vertragsparteien durch eine anonyme Veröffentlichung der Entscheidung im Urteil und damit durch eine Änderung des CETA-Verhaltenskodex oder durch die Einführung lediglich einer Amtszeit auf 10 Jahre unter dem Ausschluss der Möglichkeit der Wiederernennung, wieder genommen werden. In den Artikeln 7 bis 12 CETA-Verhaltenskodex werden die Kosten, die Sanktionen durch einen Verweis auf Art.  8.30 CETA, insbesondere seiner Absätze 2 bis 4, die Anwendbarkeit der Regelungen des CETA-Verhaltenskodex auf Me­ diatoren, dem sogenannten beratenden Ausschuss zur Unterstützung der Präsidenten des CETA-Gerichts und seiner Rechtsbehelfsinstanz zur Durchsetzung der Einhaltung des CETA-Verhaltenskodex, dem verbindlichen Wortlaut des Beschlusses in sämtlichen Sprachen der EU-Mitgliedstaaten sowie dem Inkrafttreten des Verhaltenskodex geregelt.

454  Art.  6 (3) CETA: „Information über die Beratungen des Gerichts oder der Rechtsbehelfsinstanz und die Standpunkte einzelner Mitglieder bei den Beratungen legen die Mitglieder und ehemaligen Mitglieder nur im Rahmen von Beschlüssen, Entscheidungen oder Urteilssprüche offen.“

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

d) Das Verbot des double hatting als Inkompatibilitätsregel für die Gerichtsmitglieder Nach der in Art.  8.30 (1) CETA geregelten Inkompatibilitätsregelung dürfen die Gerichtsmitglieder außerdem „[…] ab dem Zeitpunkt ihrer Ernennung weder als Rechtsberater noch als von einer Partei benannter Sachverständiger oder Zeuge bei anhängigen oder neuen Investitionsstreitigkeiten im Rahmen dieses Abkommens oder anderer internationaler Übereinkünfte tätig werden.“

Das CETA verbietet Gerichtsmitgliedern damit während ihrer fünfjährigen Amtszeit die zusätzliche Ausübung von anwaltlichen Tätigkeiten in anderen Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren und damit das in erheblicher Weise kritisierte „double hatting“, bei dem die Schiedsrichter als Parteivertreter oder Sachverständige in anderen Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren fungieren und gleichzeitig als Schiedsrichter in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren tätig sind.455. Hierdurch sind im Kern vor allem in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zwei Aspekte kritisiert worden, die eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter in Investor-Staat-Schiedsverfahren darstellen. Zum einen der Fall, dass man als Parteivertreter in einem Schiedsverfahren dieselben rechtlichen Fragen behandelt, die einem als Schiedsrichter in einem anderen Schiedsverfahren vorgelegt werden (issue conflict).456 Zum anderen, dass es üblich ist, als Schiedsrichter und in anderen Fällen als Parteivertreter tätig zu sein, was wegen der damit zusammenhängenden finanziellen Interessen eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit darstellt.457 Es war daher konsequent von der EU und Kanada, die Lösung für die berechtigte Kritik an dieser Praxis umzusetzen, indem das Verbot des „double hattings“ in Art.  8.30 (1) CETA kodifiziert wurde, um eine dadurch entstehende Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder auszuschließen. Allerdings kann dieses spezielle Verbot auch als unverhältnismäßig beurteilt werden, weil die Gerichtsmitglieder von der Tätigkeit als Parteivertreter oder Sachverständiger absehen müssen, dagegen aber die Doppelfunktionen als CETA-Ge­richtsmitglied einerseits und nebenbei als Richter oder als Regierungsbeamter andererseits grundsätzlich zulässig ist. Zwar dürfen CETA-Gerichtsmitglieder keiner Regierung angehören. Es wurde aber festgelegt, dass die Tatsache, dass eine Person eine Vergütung von einer Regierung erhält, an sich nicht dazu führt, dass diese Person für das Amt als Gerichtsmitglied untauglich ist.458 455 

Siehe hierzu oben, 2. Kapitel D. I. 3. Siehe hierzu oben, 2. Kapitel D. I. 3. 457  Siehe hierzu oben, 2. Kapitel D. I. 3. 458  Art.  8.30 (1) CETA, Fußnote 12: „the fact that a person receives remuneration from a government does not in itself make that person ineligible.“ 456 

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Zusätzlich sollte nach Art.  8.30 (1) CETA auch noch die Ausübung der Tätigkeit als Schiedsrichter in Investor-Staat-Schiedsverfahren unter anderen Abkommen als dem CETA zulässig sein, beispielsweise in ICSID-Schiedsverfahren. Auch der CETA-Verhaltenskodex regelt insoweit kein Verbot zur Tätigkeit als Schiedsrichter oder Sachverständiger in anderen Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren. Allerdings dürften weitere Tätigkeiten aber nur soweit gestattet werden, wie die Gerichtsmitglieder sicherstellen können, dass sie weiterhin für Investor-Staat-Streitigkeiten unter dem CETA ständig zur Verfügung stehen. Diese Regelung zum Verbot und im Umkehrschluss zur Gewährung verschiedener Doppelfunktionen der Gerichtsmitglieder bedarf einer Erklärung darüber, warum Tätigkeiten in öffentlichen Ämtern ein geringeres Risiko für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichtsmitglieder darstellen, als private Tätigkeiten als Sachverständiger, Zeuge oder sogar als Rechtsberater in anderen Investor-Staat-Schiedsverfahren tätig zu sein. Eine solche Erklärung wäre auch hinsichtlich etwaiger Diskriminierungsvorwürfe wegen der Ungleichbehandlung der verschiedenen Doppelfunktionen und wegen Bedenken einer Repolitisierung der Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren nötig.459 Schließlich sieht der CETA-Vertragstext auch keine Regelung zu dem Problem vor, dass die meisten Investor-Staat-Schiedsverfahren vertraulich sind und deswegen die Rolle eines CETA-Gerichtsmitglieds als Parteivertreter in einem anderen Investitionsstreitbeilegungsverfahren grundsätzlich nicht zur Entfernung des betreffenden Gerichtsmitglieds führen dürfte, weil er dazu gezwungen wäre, die Tätigkeit nicht offenzulegen.460 Dies wäre in einer solchen Situation grundsätzlich nur möglich, wenn das Gerichtsmitglied eine solche Tätigkeit aus eigenen Beweggründen offenlegt oder die Verfahrensparteien bzw. der CETAGe­richtspräsident zufällig davon erfahren.461 Gestützt wird diese These von dem Umstand, dass auch der CETA-Verhaltenskodex eine Offenlegung nichtöffentli-

459 Siehe

Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  220. Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Legal Studies Research Paper No.  59 (2014), S.  42; Van Harten, The European Commission and UNCTAD Reform Agendas – Do They Ensure Independence, Openness, and Fairness in Investor-State Arbitration, in: Hindelang/Krajewski (Hrsg.), Shifting Paradigms in International Investment Law – More Balanced, Less Isolated, Increasingly Diversified, S.  128, 134. 461  Van Harten, Comments on the European Commission’s Approach to Investor-State Arbitration in TTIP and CETA, in: Osgoode Legal Studies Research Paper No.  59 (2014), S.  42; Van Harten The European Commission and UNCTAD Reform Agendas – Do They Ensure Independence, Openness, and Fairness in Investor-State Arbitration, in: Hindelang/Krajewski (Hrsg.), Shifting Paradigms in International Investment Law – More Balanced, Less Isolated, Increasingly Diversified, S.  128, 134. 460 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

cher Informationen gemäß Art.  6 (1) 2. Halbsatz CETA-Verhaltenskodex nur dann vorschreibt, wenn es dem konkreten Streitverfahren dienlich ist. e) Die Ablehnung und der Ausschluss von CETA-Gerichtsmitgliedern bei Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Der Ausschluss von Mitgliedern aus einer Kammer oder ganz vom Gericht bzw. von der Rechtsbehelfsinstanz ist in Art.  8.30 (2) bis (4) CETA geregelt: „2. Ist eine Streitpartei der Auffassung, dass sich ein Mitglied des Gerichts in einem Interessen­ konflikt befindet, so kann sie den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs ersuchen, eine Entscheidung über die Ablehnung der Ernennung des betreffenden Mitglieds zu treffen. Etwaige Mitteilungen über die Ablehnung einer Ernennung sind dem Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs schriftlich innerhalb von 15 Tagen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Streitpartei über die Zusammensetzung der Gerichtskammer unterrichtet wurde, zu übermitteln oder innerhalb von 15 Tagen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Streitpartei Kenntnis von den relevanten Tatsachen erlangt hat, sofern ihr diese nach vernünftigem Ermessen zum Zeitpunkt der Zusammensetzung der Kammer noch nicht bekannt sein konnten. In der Ablehnungsmitteilung sind die Gründe für die Ablehnung anzugeben. 3. Hat sich das abgelehnte Mitglied des Gerichts innerhalb von 15 Tagen nach der Ablehnungsmitteilung entschieden, sich nicht aus der Kammer zurückzuziehen, so kann der Präsident des Internationalen Gerichtshofs, nachdem ihm entsprechende Mitteilungen der Streitparteien zugegangen sind und nachdem das betreffende Gerichtsmitglied die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten hat, eine Entscheidung über die Ablehnung treffen. Der Präsident des Internationalen Gerichtshofs bemüht sich, die Entscheidung innerhalb von 45 Tagen nach Eingang der Ablehnungsmitteilung zu treffen und den Streitparteien sowie den übrigen Mitgliedern der Kammer mitzuteilen. Eine infolge des Ausschlusses oder des Rücktritts eines Mitglieds des Gerichts frei gewordene Stelle wird umgehend neu besetzt. 4. Auf begründete Empfehlung des Präsidenten des Gerichts oder auf ihre gemeinsame Initiative hin können die Vertragsparteien im Wege eines Beschlusses des Gemischten CETA-Ausschusses ein Mitglied vom Gericht ausschließen, wenn dessen Verhalten nicht den in Absatz 1 genannten Anforderungen entspricht und mit einer weiteren Zugehörigkeit zum Gericht unver­ einbar ist.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Die in Art.  8.30 (2) bis (4) CETA enthaltenen Bestimmungen stellen damit eine wesentliche Unterscheidung des CETAs von den in der Investor-Staat-Streibeilegung vorherrschenden Mechanismen für den Ausschluss von Schiedsrichtern aus dem Schiedsverfahren dar. Nach dem Standardmodell des ICSID-Übereinkommens müssen nach Art.  58 ICSID Übrk. die Schiedsrichter desselben Schiedsgerichts, die nicht von einem Ablehnungsantrag betroffen sind, darüber entscheiden, ob ein Mitschiedsrichter vom Schiedsgericht ausgeschlossen werden soll. Der Präsident des ICSID-Verwaltungsrats wird nur dann tätig, wenn sich die beiden Mitschiedsrichter über die Ablehnung nicht einig sind oder wenn gleichzeitig ein Einzelschiedsrichter oder mehr als ein Schiedsrichter eines dreiköpfi-

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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gen Schiedsgerichts angefochten wird bzw. werden.462 Der Mechanismus des Art.  8.30 (2) bis (4) CETA ähnelt eher dem Mechanismus der UNCITRALSchieds­ordnung, wonach Art.  14 (4) UNCITRAL-Schiedsordnung eine „Appointing Authority“ über den Ausschluss des angefochtenen Schiedsrichters entscheiden soll. Nach Art.  6 UNCITRAL-Schiedsordnung ist das der „Secretary General“ des Permanent Court of Arbitration in Den Haag, es sei denn die Parteien haben etwas Anderes vereinbart. Schließlich könnte seine Entscheidung grundsätzlich in einem zweiten Schritt nach dem jeweiligen Recht des Schieds­ ortes von einem nationalen Gericht überprüft werden.463 Unter Berücksichtigung von Art.  8.30 (2) CETA ist es wenig hilfreich, dass es soweit keine klare Definition dafür gibt, was unter einem Interessenkonflikt in der Person eines CETA-Gerichtsmitglieds zu verstehen ist bzw. wann ein solcher vorliegt, wobei diesbezüglich jedoch die IBA-Richtlinien Anhaltspunkte bieten. Dagegen stellen die Vorgaben des ICSID-Übereinkommens nach Art.  57 ICSID Übrk. mit der Voraussetzung mehr Klarheit, indem „a manifest lack of the qualities required by paragraph (1) of Article 14“ zur Ablehnung eines Schiedsrichters erforderlich ist. Allerdings wird von den ICSID-Schiedsgerichten unterschiedlich ausgelegt, was unter „manifest lack“ nach Art.  57 ICSID Übrk. zu verstehen ist, so dass in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit auch keine eindeutige Klarheit darüber herrscht, wie hoch der Maßstab für die Begründung der Ablehnung eines Schiedsrichters zu bewerten ist.464 462  Art.  58 ICSID Übrk.; Siehe hierzu auch Conoco Phillips Petrozuata B.V., ConocoPhil­ lips Hamaca B.V. and Conoco Phillips Gulf of Paria B.V. vs Bolivarian Republic of Venezuela, ICSID Case No ARB/07/30, Decision on the Proposal to Disqualify a Majority of the Tribunal, 05.05.2014. 463  Vgl. Art.  13 (3) UNCITRAL Model Law. 464  Siehe bezüglich der uneinheitlichen Auslegung des Art.  57 ICSID Übrk. Cleis, The Independence and Impartiality of ICSID Arbitrators, S.  32 ff.; In der Praxis der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit wird größtenteils eine strikte, wörterbuchgetreue Auslegung des Wortlauts „manifest lack“ angewandt, was eine sehr hohe Anforderung an die Beweislast bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern zur Folge hat und einen konkreten Beweis für einen Interessenkonflikt erfordert. Vgl. Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona and Interagua Servicios Intergrales del Agua S.A. vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/03/17, Decision on the Proposal for the Disqualification of a Member of the Arbitral Tribunal, 22.10.2007, Rn.  30: „Manifest denotes a relative heavy burden of proof.“; Ähnliche Entscheidungen wurden gefällt in: Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona SA and Vivendi Universal SA vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/03/17 and ICSID Case No ARB/03/19, Decision on a Second Proposal for the Disqualification of a Member of the Arbitral Tribunal, 12.05.2008, Rn.  29; EDF International SA, SAUR Interna­ tional SA and Leo’n Participaciones Argentinas SA vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/03/23, Challenge Decision Regarding Professor Gabrielle Kaufmann-Kohler, 25.06.2008, Rn.  68: „Something is ‚manifest‘ if it can be discerned with little effort and without deeper analysis“; Nations Energy, Inc and others vs Republic of Panama, ICSID Case No ARB/06/19,

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

In Art.  8.30 CETA gibt es ferner auch kein explizites Verbot für die Gerichtsmitglieder, neben einem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren gleichzeitig eine andere Tätigkeit in einem dem konkreten Fall verwandten Bereich auszuüben, um z. B. einen sogenannten „issue conflict“ zu vermeiden. Es wird lediglich verboten, gleichzeitig als Rechtsberater, Zeuge oder Sachverständiger in anderen Investor-Staat-Streitigkeiten tätig zu sein. Allerdings sind auch dies wiederum Aspekte, die zunächst unter Heranziehung der IBA-Richtlinien, insbesondere dem allgemeinen Grundsatz 2 IBA-Richtlinien (conflict of interest), gelöst werden können. Nach dem allgemeinen Grundsatz 2 (b) IBA-Richtlinien genügen „justifiable doubts“ (ähnlich „reasonable doubts“), also berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zur Ablehnung bzw. zum Ausschluss des CETA-Gerichtsmitglieds vom Verfahren. Den seleben Maßstab legt auch der CETA-Verhaltenskodex un Ar. 3 (1) CETA-Verhaltenskodex an: „[…] die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu beeinträchtigen, oder bei denen begründetermaßen dieser Eindruck entstehen könnte, […]“.

Diese berechtigten Zweifel sind nach dem allgemeinen Grundsatz 2 (c) IBARicht­linien gerechtfertigt, wenn ein vernünftiger und informierter Dritter zum Schluss käme, dass der Schiedsrichter bei seiner Entscheidungsfindung wahrscheinlich – „that there is a likelihood“ – von anderen Faktoren als dem entscheidungserheblichen Sachverhalt, wie er von den Parteien präsentiert wurde, beeinflusst wurde.465 Ein konkreter Beweis für einen Interessenkonflikt in der Person Challenge to Dr Stanimir A. Alexandrov (on the Annulment Committee), 07.09.2011, Rn.  65: „We have already established that the burden of proof concerning the facts that make evident and probable to the highest degree, and not only possible …“. Andererseits wurden aber auch „reasonable doubts“ unter der Regelung des Art.  57 ICSID Übrk. als ausreichend befunden, um einen Schiedsrichter abzulehnen. Siehe hierzu Compañiá de Aguas del Aconquija S.A. and Vi­ vendi Universal S.A. vs Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/97/3, Decision on Challenge to the President of the Committee, 24.09.2001, Rn.  25; SGS Société Générale de Surveillance S.A. vs Islamic Republic of Pakistan, ICSID Case No. ARB/01/13, Decision on Claimant’s Proposal to Disqualify Arbitrator, 19.12.2002, Rn.  21: „There must […] be a clear and reasonable relationship between the constituent facts and the constituent inference they generate“, „clearly, the person challenged is not to be relied upon for independent judgment, or that a readily apparent and reasonable doubt as to that person’s reliability for independent judgment has arisen“; Siehe auch Fry/Stampalija, Forged Independence and Impartiality: Conflicts of International Arbitrators in Investment Disputes, in: Arb. Int’l., Bd.  30 (2) (2014), S.  189, 211. 465  Allgemeiner Grundsatz 2 (b) und (c) IBA-Richtlinien: „(b)The same principle applies if facts or circumstances exist, or have arisen since the appointment, which, from the point of view of a reasonable third person having knowledge of the relevant facts and circumstances, would give rise to justifiable doubts as to the arbitrator’s impartiality or independence, unless the parties have accepted the arbitrator in accordance with the requirements set out in General Standard 4.“ „(c) Doubts are justifiable if a reasonable third person, having knowledge of the relevant

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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des CETA-Gerichtsmitglieds ist demnach nicht erforderlich.466 Insoweit handelt es sich bei dem Maßstab zur Begründung der Ablehnung eines CETA-Gerichtsmitglieds unter der Anwendung der IBA-Richtlinien und dem CETA-Verhaltenskodex um einen geringeren angelegten Maßstab als zur Ablehnung eines Schiedsrichters nach Art.  57 ICSID Übrk. Er entspricht eher dem in Kapitel 1 dargestellten Maßstab zur Ablehnung oder zum Ausschluss eines Schiedsrichters nach §  1036 (2) ZPO, wonach ebenfalls berechtigte Zweifel („justifiable doubts“) an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ausreichen.467 Wird im Rahmen eines Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens unter dem CETA festgestellt, dass ein Mitglied des Gerichts nicht den Anforderungen unter Art.  8.30 (1) CETA entspricht, wird es nach Art.  8.30 (3) CETA ersetzt. Im Falle des Ausschlusses oder Rücktritts eines Mitglieds des Gerichts sieht Art.  8.30 (3) CETA vor, dass die frei gewordene Stelle „umgehend“ aus der Liste der Gerichtsmitglieder neu zu besetzen ist. Weiter werden die Ablehnungsanträge der Streitparteien nach Art.  8.30 (2) CETA gegen CETA-Gerichtsmitglieder vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) entschieden. Während für die Einreichung von Ablehnungsanträgen kein formelles Verfahren vorgeschrieben ist, muss der Präsident des IGH nach Art.  8.30 (3) CETA beide streitenden Parteien anhören und dem angegriffenen Mitglied des CETA-Gerichts Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Dies entspricht der üblichen Praxis in InvestorStaat-Streit­beilegungsverfahren. Des Weiteren sind in Art.  8.30 (2) und (3) CETA die einschlägigen Bestimmungen für die Fristen des Ablehnungsverfahrens von Gerichtsmitgliedern festgelegt. Der Präsident des IGHs hat nach Art.  8.30 (3) CETA 45 Tage Zeit, um die Ablehnungsentscheidung zu erlassen. Diesbezüglich schweigt das CETA darüber, ob der Präsident eine Verlängerung der Frist für die Entscheidung beantragen kann und ob die Entscheidung eine Begründung enthalten muss. Da es üblich ist, dass Entscheidungen über Ablehnungsanträge von Schiedsrichtern begründet werden, ist es wahrscheinlich, dass auch im Rahmen des CETAs eine Begründung zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag erforderlich sein wird. Bezüglich der 45-Tages Frist regelt Art.  8.30 (3) CETA, dass sich der Präsident des IGHs „bemüht“, die Frist einzuhalten. Es handelt sich insoweit wohl lediglich um eine Richtlinie und keine rechtserhebliche Frist, die bei einem Überschreiten rechtliche Konsequenzen auslösen würde. facts and circumstances, would reach the conclusion that there is a likelihood that the arbitrator may be influenced by factors other than the merits of the case as presented by the parties in reaching his or her decision.“ 466  Siehe hierzu OLG Dresden, Beschluss vom 27. Januar 2005 – 11 SchH 02/04 = SchiedsVZ (2005), S.  159, 161; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  23. 467  Siehe oben, unter 1. Kapitel A. I. 2. b) cc).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Art.  8.30 (4) CETA enthält zwei weitere Möglichkeiten, ein Mitglied des Gerichts aufgrund von Interessenkonflikten und/oder mangelnder Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit und wegen der Unvereinbarkeit seines Verhaltens mit den in Art.  8.30 (1) CETA festgelegten ethischen Verpflichtungen auszuschließen: – Durch eine begründete Empfehlung des Präsidenten des Gerichts oder – durch eine gemeinsame Initiative der Streitparteien zum Ausschluss eines Mitglieds des Gerichts durch Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusses. Letzteres dürfte wohl insbesondere eine Ablehnungsmöglichkeit des Präsidenten des Gerichts darstellen. Der Wortlaut des Art.  8.30 (4) CETA setzt mit dem „und“ das kumulative Vorliegen beispielsweise eines Interessenkonfliktes und der Unvereinbarkeit seines Verhaltens mit den in Art.  8.30 (1) CETA geregelten Vorgaben an die CETA-Gerichtsmitglieder voraus. Dadurch ist der Maßstab an den Ausschluss eines Gerichtsmitglieds sehr hoch gesetzt, was auch gleichzeitig einen Schutz vor der Absetzung während seiner fünfjährigen Amtszeit darstellt. Schließlich wird in Art.  8 (2) CETA-Verhaltenskodex klargestellt, dass der Gemischte CETA-Ausschuss einem Mitglied vor dem Erlass eines Beschlusses nach Art.  8.30 (4) Gelegenheit zur Anhörung zu geben hat. f) Zwischenergebnis Der Übergang von der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Über­ einkommen zum ständig eingerichteten CETA-Gerichtssystem hat das Kräfteverhältnis zwischen den Beteiligten in Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren erheblich verändert. Im Rahmen des CETAs sind es nun vor allem die CETAVertrags­parteien und damit die Beklagten, die einen Einfluss auf das Streitbeilegungssystem ausüben können. Dies ist den CETA-Vertragsparteien im Besonderen durch den Gemischten CETA-Ausschuss möglich, der die Mitglieder des CETA-Gerichts und der Rechtsbehelfsinstanz benennen wird. Dabei wird es sich um solche Personen handeln, die entsprechend nach Art.  8.27 (4) CETA qualifiziert sind, gemäß Art.  8.27 (11) CETA ständig verfügbar sein sollen, nach Art.  8.27 (2) CETA Vielfältigkeit besitzen sollen sowie die ethischen Anforderungen nach Art.  8.30 CETA erfüllen müssen. Bei der Ernennung der Gerichtsmitglieder durch den Gemischten CETA-Ausschuss kann eine Politisierung des Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens nicht ausgeschlossen werden. Das lässt sich insbesondere daran veranschaulichen, indem man sich die Frage stellt, wie sich die CETA-Vertragsparteien im Sinne des Art.  8.27 (2) und (3) CETA bei der Auswahl der fünf Gerichtsmitglieder aus Drittländern einigen werden. Diese CETA-Gerichtsmitglieder sind die wichtigsten, denn nur sie dürfen nach Art.  8.27 (8) CETA Präsident oder Vizepräsident

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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des CETA-Gerichts sein und nur sie können nach Art.  8.27 (6) CETA den Vorsitz des dreiköpfigen Gremiums der jeweiligen CETA-Gerichtskammer führen. Bei der Entscheidung darüber, wer diese fünf Gerichtsmitglieder sein sollen, gibt es grundsätzlich keine Möglichkeit, den Prozess von der Politik zu isolieren. Es ist deswegen realistisch anzunehmen, dass sich der Gemischte CETA-Ausschuss bei der Ernennung der Gerichtsmitglieder von rechtlichen, politischen und ideologischen Ansichten leiten lässt (die zusätzlich auch in der Person der zu ernennenden Gerichtsmitglieder für die CETA-Vertragsparteien von Bedeutung sein werden). Allerdings wird beispielsweise aber auch auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland anerkannt, dass es demokratisch unvermeidbar ist, dass sich prinzipiell ein legitimer politischer Einfluss auf die Ernennung von Richtern durch einen (Justiz-) Minister und einen Richterwahlausschuss nicht vermeiden lässt.468 Die schlussendlich zu schützende und zu gewährleistende Entscheidungsfreiheit der einmal ernannten Richter wird dadurch in der Sache aber nicht tangiert.469 So gesehen sind die nach dem Gemischten CETA-Ausschuss ernannten Mitglieder für das ständig einzurichtende CETA-Gericht sogar in höherem Maß demokratisch legitimiert als die parteiernannten ICSID-Schiedsrichter. Und obwohl die CETA-Vertragsparteien einen Einfluss auf die Ernennung der Gerichtsmitglieder haben, werden die für das jeweilige Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren zu bildenden CETA-Gerichtskammern vom CETA-Gerichts­ präsidenten auf der Grundlage eines Zufallsprinzips und auf der Basis eines Rotationsverfahrens zusammengesetzt. Anders als beim ICSID-Schiedsverfahren werden deswegen weder der beklagte Gastgeberstaat noch der klagende Investor einen unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums haben. Dadurch werden die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder in einem beachtlichen Maße besser geschützt und gewährleistet sein, als dies in ICSID-Schiedsverfahren der Fall ist. 468 

Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 97. EL Januar 2022, GG Art.  97 Rn.  77; Siehe auch Hirsch, Der Richter im Spannungsverhältnis von Erster und Dritter Gewalt, (3.12.2003), in seiner Ansprache beim Festakt aus Anlass des 10.gründungstags des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, der auch Rüthers zitiert: „Wir müssen diese Kritik aber noch aus einem anderen Grund ernst nehmen. Denn je mehr Territorium Richter dem Gesetzgeber abnehmen, desto stärker das Interesse der Politik an der Besetzung hoher Richterposten. Lassen Sie mich nochmals Rüthers zitieren: ‚Der verbissen geführte Machtkampf der Parteiobleute um das Machtmonopol der Parteien bei der Richterwahl ist ein weiterer, untrüglicher Beweis dafür, wie sehr die Bundesrepublik bereits von einem Gesetzesstaat zu einem Richterstaat mutiert ist.‘“, online abrufbar unter: https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Das Gericht/Praesidenten/Hirsch/HirschReden/rede03122003.html?nn=1-1287202 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 469  Hillgruber, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 97. EL Januar 2022, GG Art.  97 Rn.  77.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Auch die in Art.  8.30 CETA festgelegten ethischen Anforderungen an die CETA-Ge­richtsmitglieder werden ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten. Dafür wird zum einen das Verbot sorgen, ab dem Zeitpunkt der Ernennung zum CETA-Gerichtsmitglied weder als Rechtsberater noch als Sachverständiger bei anhängigen oder neuen Investitionsstreitigkeiten im Rahmen des CETAs oder anderer internationaler Übereinkünfte tätig sein zu dürfen. Zum anderen dürfte die Einhaltung der im CETA-Verhaltenskodex und in den IBA-Richtlinien geregelten Pflichten und Anwendung der Regelungen für die CETA-Gerichtsmitglieder ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten. Insoweit ergänzt der CETA-Verhaltenskodex die Regelungen der IBA-Richtlinie und soll die IBA-Richtlinien gemäß Art.  8 (1) CETA-Verhaltenskodex nicht ersetzen. Wünschenswert wäre eine genauere bzw. klarstellende Regelung zum Aspekt der Vertraulichkeit bzw. der Verschwiegenheit als Verpflichtung der CETA-Ge­richtsmitglieder. Zwar stellt Art.  6 (1) CETA-Verhaltenskodex eine Regelung zur Vertraulichkeit nichtöffentlicher Informationen auf und regelt ein Verbot zur Nutzung sensibler Informationen zum eigenen Vorteil oder zur Beeinträchtigung der Interessen anderer. Jedoch wäre eine Klarstellung dahingehen hilfreich, ob dieses Verbot nur für nichtöffentliche Informationen aus CETA-Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren gilt oder auch für frühere oder parallellaufende Investor-Staat-Schiedsverfahren unter anderen Abkommen als dem CETA. Möglicherweise wird hierzu aber auch der angekündigte Kommentar zu den Regelungen des CETA-Verhaltenskodex aufschluss geben. Besonders lobenswert ist allerdings, dass der CETA-Verhaltenskodex den Maßstab zur Begründung der Ablehnung von CETA-Gerichtsmitgliedern beibehält, wie er im allgemeinen Grundsatz 2 IBA-Richtlinien (conflict of interest) geregelt ist. Es sind damit „justifiable doubts“, also berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zur Begründung der Ablehnung bzw. zum Ausschluss des CETA-Gerichtsmitglieds vom Verfahren ausreichend. Anders als nach der überwiegenden Rechtsprechung der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit ist somit kein konkreter Beweis für einen Interessenkonflikt in der Person des CETA-Gerichtsmitglieds erforderlich.470 Schließlich sollte vom Gemischten CETA-Ausschuss noch die Regelung in Art.  6 (3) CETA-Verhaltenskodex dahingehend geändert werden, dass die Informationen zu den Beratungen des Gerichts oder der Rechtsbehelfsinstanz und die Standpunkte einzelner Mitglieder bei den Beratungen im Rahmen von Beschlüs470 

Siehe hierzu OLG Dresden, Beschluss vom 27. Januar 2005 – 11 SchH 02/04 = SchiedsVZ (2005), S.  159, 161; Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  1036, Rn.  23.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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sen, Entschiedungen oder Urteilssprüchen anonym veröffentlicht werden. Denn durch die Regelung in Art.  6 (3) CETA-Verhaltenskodex behalten sich die CETAVertrags­parteien die Mögkichkeit vor unliebsame, weil überwiegend pro-Investor entscheidende Gerichtsmitglieder auszuschließen. Durch die Anonymisierung der Entscheidungen und Beratungen könnten die Vertragsparteien mittelbar durch den Gemischten CETA-Ausschuss und im Rahmen der Amtsverlängerung nach Art.  8.27 (5) CETA nicht solche Gerichtsmitglieder bevorzugen, die in ihren Entscheidungen deutlich pro-Gastgeberstaat sind. Andersherum würden die CETA-Vertragsparteien nicht aufgrund der gesammelten Informationen hinsichtlich der gefällten Entscheidungen durch die Gerichtsmitglieder dazu in der Lage sein, solche, die beispielsweise überwiegend pro-Investor entscheiden, von einer Amtsverlängerung auszuschließen. Eine solche Regelung existiert auch bereits in Art.  3.38 (12) EU-Vietnam TIA, der regelt: „A division of the Tribunal shall make every effort to take any decision by consensus. In case that a decision cannot be reached by consensus, the division of the Tribunal shall render its decision by a majority of votes of all its Members. Opinions expressed by individual Members of a division of the Tribunal shall be anonymous.“ (Kursivierung hinzugefügt)

Alternativ besteht die Möglichkeit die in Art.  8.27 (5) CETA geregelte Amtsverlängerung auszuschließen und den Vertragsparteien beispielsweise das Recht zuzuschreiben, die CETA-Gerichtsmitglieder für einen Zeitraum von 10 Jahren zu ernennen, ohne die Möglichkeit der Amtsverlängerung. Insgesamt lässt sich festhalten, dass, unter Berücksichtigung des Bewertungsmaßstabs dieser Untersuchung, soweit mit den Vorgaben des CETAs an die Rechtsprechung des CETA-Gerichts eine Verbesserung des Rechtsstaatsprinzips mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit neutraler Richter in der Investor-StaatStreit­beilegung im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit erreicht wird. 5. Die sachlich-inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts Ausgangspunkt der sachlich-inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung ist das anzuwendende und auszulegende Recht bzw. die sogenannte Gesetzesbindung der CETA-Gerichtsmitglieder an die prozessualen und materiellen Investitionsschutzregelungen des CETAs. Aufgrund der Einräumung eines überaus weiten Entscheidungsspielraumes auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite durch die prozessualen und materiellen Investitionsschutzvorschriften und die damit einhergehende Auslegungs- wie Konkretisierungsbedürftigkeit dieser Regelungen findet aber keine wirkliche, sogenannte sachlich-inhaltliche Vorab-Steuerung des CETA-Gerichts statt. Diesem rechtsstaatlichen Defizit, welches insbesondere in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit unter anderem auch zu einer Verselbstständigung der Rechtsprechung geführt hat, soll nach den CETA-Vertragsparteien ne-

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

ben den bereits vorab erörterten personellen Vorgaben an das CETA-Gericht, die insbesondere einer Garantie der Unabhängigkeit neutraler Richter dienen, durch eine sachlich-inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts ausgeglichen werden, die insbesondere der Rechtssicherheit bei der Rechtsanwendung und Rechtsfindung des CETA-Gerichts förderlich sein wird.471 Insoweit hat das CETA zunächst zur Implementierung der Bindung an die CETA-Investitions­schutzvorschriften im Einzelfall, die rechtsprechungsinterne Kontrolle des CETA-Gerichts durch die Einrichtung einer Rechtsbehelfsinstanz vorgegeben (a.). Diese ist mit einer Überprüfungskompetenz der Entscheidungen des CETA-Gerichts auf Fehler bei der Rechtsanwendung sowie bei der Würdigung des Sachverhalts ausgestattet. Dadurch kann der Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen durch die CETA-Gerichtsmitglieder im Wege einer Nachsteuerung der Rechtsprechung des CETA-Gerichts begegnet werden, was im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit tatsächlich zu mehr Rechtssicherheit bei der Rechtsdurchsetzung führen wird. Zusätzlich und ähnlich der im NAFTA geregelten „Free Trade Commission“472, haben sich die CETA-Vertragsparteien eine weitere Möglichkeit zur Kontrolle der Rechtsanwendung und Rechtsfindung des CETA-Gerichts vorbehalten. Mittels des Gemischten CETA-Ausschusses besteht die Möglichkeit, bei ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen oder in dem Fall einer unerwünschten Wendung der Auslegung durch das CETA-Gericht, gemäß Art.  8.31 (3) CETA eine für das CETA-Gericht bindende Auslegung anzunehmen (b.). Allerdings birgt insbesondere eine „Korrekturauslegung“ durch den Gemischten CETA-Ausschuss, also die Korrekturmöglichkeit einer unerwünschten Wendung der Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen durch das CETA-Gericht, die Gefahr einer gelenkten Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder durch die CETA-Vertragsparteien in sich. Im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, welche ein entpolitisiertes Forum zur Streitbeilegung darstellt und einer Gefahr der grundlegenden Manipulation durch den Gastgeberstaat entzo471 Vgl. Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA), (2016), S.  4 ff., online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/ docs/2013/december/tradoc_151959.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022) 472  Art.  2001 (1) NAFTA: „The Parties hereby establish the Free Trade Commission, compromising cabinet-level representatives of the Parties or their designees“. Art.  1131 (2) NAFTA regelt weiter, dass „An interpretation by the Commission of a provision of this Agreement shall be binding on a Tribunal established under this Section“. Ähnlich nun Art.  30.1 USMCA: „The Parties hereby establish a Free Trade Commission (Commission), composed of government representatives of each Party at the level of Ministers or their designees“. Und weiter in Annex 14-D Art.  10 (2) USMCA: „A decision issued by the Commission under paragraph 1 shall be binding on the tribunal, and any decision or award issued by the tribunal must be consistent with that decision.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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gen ist, stellt diese Möglichkeit eine Verschlechterung der Investitionsstreitbeilegung unter dem Rechtsstaatsprinzip dar. Schließlich leisten durch die Vorgaben im CETA sogenannte informale Mechanismen, insbesondere die durch das zwingend vorgegebene Transparenzsystem geschaffene Möglichkeit der Kontrolle durch die Allgemeinheit (beispielsweise durch die sogenannte Saalöffentlichkeit der CETA-Streitbeilegungsverfahren sowie durch die Medienöffentlichkeit), mittelbar einen Beitrag zur Kontrolle der Bindung an Recht und Gesetz der Rechtsprechung des CETA-Gerichts (c.). a) Die Implementierung der Bindung an das anzuwendende Recht im Einzelfall durch die Einrichtung der CETA-Rechtsbehelfsinstanz Mit der Einsetzung der Rechtsbehelfsinstanz gemäß Art.  8.28 CETA473, richtet das CETA ein klassisches Instrument zur Bindung der CETA-Gerichtsmitglieder an das Recht und Gesetz ein, indem dieser als übergeordnetes Gericht im Rechtsmittelzug eine umfassende Überprüfungskompetenz der Entscheidungen des 473 

Interessanter Weise wurde in das CETA zur Beschreibung der Rechtsbehelfsinstanz nach Art.  8.28 CETA nicht der Wortlaut „ständig eingerichtete Rechtsbehelfsinstanz“ aufgenommen, sondern nach Art.  8.28 (1) CETA heißt es: „Es wird eine Rechtsbehelfsinstanz eingesetzt, der die Überprüfung von nach diesem Abschnitt ergangenen Urteilssprüchen obliegt.“ Im direkten Vergleich lautet allerdings der Wortlaut des EU-Vietnam TIA, der wie das CETA Investor-Staat-Streitbeilegungsmodell ein Gericht mit Rechtsbehelfsinstanz einrichtet, nach Art.  3.39 (1) EU-Vietnam TIA: „A permanent Appeal Tribunal is to be established to hear appeals of awards issued by the Tribunal.“ (Kursivierung hinzugefügt). Diese geringfüge Unterscheidung könnte vielleicht die Ambition der EU und Kanada mit dem Abschluss des CETAs widerspiegeln, auf die Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichts mit Rechtsbehelfsmechanismus mit anderen Handelspartnern hinzuarbeiten. Zumindest liefen während dieser Untersuchung bereits die Gespräche mit weiteren Handelspartnern beider Vertragsparteien in diese Richtung. Das neue Streitbeilegungssystem der EU-Kommission wurde bereits in weitere Investitionsschutzkapitel der Freihandelsabkommen mit Singapur, Mexiko und Vietnam aufgenommen, siehe zu den einzelnen Vertragstexten die Internetseite der Europäischen Kommis­ sion: http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/negotiations-and-agreements/ (zuletzt aufgerufen am 08.08.2018). Auch in den Verhandlungen mit China über ein mögliches Freihandelsabkommen soll das neue Streitbeilegungssystem mit dem dauerhaft eingerichteten Investitionsgericht integriert werden, siehe dazu: Europäische Kommission, Position paper on the SIA in support of negotiations on an investment agreement between the EU and China (2018), online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/may/tradoc_156863. pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022), S.  6 und 10. Auf der anderen Seite wurde in dem zwischen Kanada, der USA und Mexiko geschlossenen USMCA (2018) (dem Nachfolger des NAFTAs) keine Art.  8.28 CETA entsprechende Regelung über eine Rechtsbehelfsinstanz für das im USMCA geregelte Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vereinbart, online abrufbar unter: https://usmca.com/investment-usmca/ (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

CETA-Gerichts eingeräumt wird.474 Sie kann insbesondere die Legitimationsfrage hinsichtlich der Rechtssicherheit innerhalb des Investor-Staat-Streitbeilegungssystems lösen und wirft gleichzeitig als Maßnahme der richterlichen Kontrolle durch Richter nach übereinstimmender Auffassung keine Probleme mit Blick auf die Unabhängigkeit neutraler Richter auf.475 Die Wahrnehmung einer „Rechtsunsicherheit“ in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (bzw. im Besonderen in der Rechtsprechung der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit) wird vor allem durch Inkonsistenzen bei der Auslegung und Anwendung ähnlicher oder sogar identischer Rechtsfragen hervorgerufen. Mit einer Rechtsbehelfsinstanz soll und kann in der Investor-Staat-Rechtsprechung unter dem CETA mehr Rechtssicherheit durch mehr Konsistenz, Kohärenz und Vorhersehbarkeit erreicht werden.476 474  Siehe auch Sardinha, The New EU-Led Approach to Investor-State Arbitration: The Investment Tribunal System in the Comprehensive Economic Trade Agreement (CETA) and the EU–Vietnam Free Trade Agreement, in: ICSID Review, Bd.  32 (3) (2017), S.  625, 670: „The new first instance and appeal tribunals under CETA […] represent a significant departure from the long-standing ISDS model of […] ad hoc tribunals. Recalling that, under existing international and national review regimes, there is generally no review of investment treaty arbitral awards for error of law, CETA is the first signed investment treaty to create such a mechanism […].“ 475  Siehe zur legitimatorischen Wirkung des Instanzenzugs und zur allgemeinen Auffassung Voßkuhle, Rechtsschutz gegen Richter, S.  242 ff. und 298 ff. 476  BVerfGE 18, S.  224, 237 f.: „Es liegt in der Natur der Tätigkeit höherer Gerichte, daß [sic!] sie bei der Entscheidung der ihnen unterbreiteten Einzelfälle das Prinzipielle hervorheben und zur Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze zu gelangen suchen. […] Damit dienen sie der Einheit des Rechts und so der Rechtssicherheit.“ Siehe hierzu auch Joubin-Bret, Why We Need a Global Appellate Mechanism for Interna­ tional Investment Law, in: Columbia FDI Perspectives (2015), online abrufbar unter: http:// ccsi.columbia.edu/files/2013/10/No-146-Joubin-Bret-FINAL.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): ein Berufungsmechanismus „that could work for all treaties and parties […] offers the best hope for enhancing consistency and coherence“; Siehe auch Gantz, An Appellate Mechanism for Review of Arbitral Decisions in Investor-State Disputes: Prospects and Challenges, in: VJTL, Bd.  39 (1) (2006), S.  37, 44: „Supporters of an investment appellate mechanism desire greater consistency among the increasing volume of ICSID, UNCITRAL, and other investment tribunal decisions that are increasingly adopting conflicting interpretations of similar treaty provisions“; Park, Appellate Review in Investor State Arbitration: in: Kalicki/Joubin-Bret (Hrsg.), Reshaping the Investor-State Dispute Settlement System, S.  443, 444, die sich auseinandersetzt mit „inconsistent interpretation among ICSID cases“; Lee, Introduction of an Appellate Review Mechanism for International Investment Disputes – Expected Benefits and Remaining Tasks, in: Kalicki/Joubin-Bret (Hrsg.), Reshaping the Investor-State Dispute Settlement System, S.  474, 477, „an appellate mechanism will be able to facilitate and foster ‚rule of law‘ in international investment arbitration by accumulating and spreading consistent jurisprudence in the international community“; Franck, The Legitimacy Crisis in Investment Treaty Arbitration: Privatizing Public International Law through Inconsistent Decisions, in: FLR, Bd.  73 (4) (2005), S.  1521, 1607, „an appellate body could restore faith in the system, promote

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Insoweit ergibt sich aber auch aus der Natur des Instanzenzugs heraus ein beschränkter Beitrag zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts, der insbesondere von der Einlegung eines Rechtsbehelfs durch eine der Verfahrensparteien bedingt ist (aa.). Für den Fall der Überprüfung eines Urteils des CETA-Gerichts wurde der Rechtsbehelfsinstanz allerdings eine umfangreiche Aufhebungs-, Bestätigungs- und Änderungskompetenz für die Kontrolle des Urteilsspruchs zugewiesen (bb.). In Bezug auf die Organisation der Rechtsbehelfsinstanz, insbesondere der personellen und verwaltungstechnischen Vorgaben des CETAs gemäß Art.  8.28 CETA (cc.), weichen diese nicht wesentlich von den bereits oben dargestellten Anforderungen an das CETA-Gericht der ersten Instanz ab. aa) Der Instanzenzug als beschränkte rechtsprechungsinterne Überprüfungsmöglichkeit Den Beitrag, den die CETA-Rechtsbehelfsinstanz zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts leisten wird, ist durch die folgenden Faktoren eingeschränkt, die sich aus der Natur eines Instanzenzuges heraus ergeben: Einerseits findet eine Ingangsetzung des Überprüfungsverfahrens durch die Rechtsbehelfsinstanz selbst nach einer evidenten Verletzung der Rechtsbindung nur dann statt, wenn die verletzte Verfahrenspartei die entsprechende Entscheidung des CETA-Gerichts anfechtet bzw. einen Rechtbehelf einlegt. Die sachlich-inhaltliche Kontrolle wird daher nur durch die Indienstnahme der Rechtsbehelfsinstanz durch den Rechtmittelführer sichergestellt bzw. angestrebt.477 Zudem liegt aus Gründen der Rechtssicherheit eine zeitliche Begrenzung der Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels vor. In diesem Sinne regelt Art.  8.28 (9) (a) CETA, dass jede Streitpartei gegen den verletzenden Urteilsspruch innerhalb von 90 Tagen einen Rechtsbehelf bei der Rechtsbehelfsinstanz einlegen muss.478 Beim Ablauf der 90-Tagesfrist gilt ein Urteilsspruch nach Art.  8.28 (9) (c) CETA als endgültiger Urteilsspruch und kann vollstreckt werden.479 consistency, provide predictability, and reduce the risk of inconsistent decisions to make the system sustainable and legitimate in the long term.“ 477 Vgl. Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  141. 478  Art.  8.28 (9) (a) CETA: „Eine Streitpartei kann gegen einen nach diesem Abschnitt ergangenen Urteilsspruch innerhalb von 90 Tagen nach dessen Verkündung einen Rechtsbehelf beim Berufungsgericht einlegen.“ 479  Vgl. Art.  8.28 (9) (c) CETA: „ein nach Artikel 8.39 ergangener Urteilsspruch ist nicht als endgültig zu betrachten und die Vollstreckung eines Urteilsspruchs darf nicht betrieben werden, bevor

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Schließlich wird im CETA, ähnlich wie in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit nach Art.  53 (1) ICSID Übrk., noch eine sachlich zuständige Einschränkung für die Überprüfung eines Urteilsspruchs des CETA-Gerichts auf eine ausschließlich systeminterne Rechtsbehelfsmöglichkeit vorgenommen. In diesem Sinne wird auch zur Gewährleistung der alleinigen Zuständigkeit für die Überprüfung von Urteilssprüchen unter dem CETA in Art.  8.28 (9) (b) CETA geregelt, dass eine Streitpartei den Urteilsspruch des CETA-Gerichts nicht in einem ähnlichen Verfahren überprüfen und damit abändern, für nichtig erklären oder aufheben lassen kann als in einem Verfahren vor der CETA-Rechtsbehelfsinstanz.480 bb) Die Aufhebungs-, Änderungs- und Bestätigungsgründe eines Urteilsspruchs des CETA-Gerichts nach Art.  8.28 (2) CETA Die Kompetenzen, die den jeweiligen gebildeten Kammern der CETA-Rechtsbehelfsinstanz nach Art.  8.28 CETA eingeräumt werden, reichen weiter als die Kompetenzen, die einem ICSID-Aufhebungskomitee nach Art.  52 ICSID Übrk. oder der gerichtlichen Überprüfung von Schiedssprüchen durch ein nationales Gericht nach Art. V New York Übereinkommen von 1958 zugwiesen sind.481 Nach Art.  8.28 (2) CETA: „[…] kann [die Rechtsbehelfsinstanz] einen Urteilsspruch des Gerichts bestätigen oder ihn abändern oder aufheben a) aufgrund von Fehlern bei der Anwendung oder Auslegung des anwendbaren Rechts, b) aufgrund von offensichtlichen Fehlern bei der Würdigung des Sachverhalts, unter anderem bei der Beurteilung relevanter Vorschriften des internen Rechts, c) aus den in Artikel 52 Absatz 1 Buchstaben a bis e des ICSID-Übereinkommens genannten Gründen, soweit diese nicht von den Buchstaben a und b erfasst sind.“ (Kursivierungen hinzugefügt)

Die in Art.  52 (1) ICSID Übrk. geregelten Aufhebungsgründe lauten: „a. Nicht ordnungsgemäße Bildung des Gerichts, b. Offensichtliche Überschreitung der Befugnisse des Gerichts, i) 90 Tage nach der Verkündung des Urteilsspruchs durch das Gericht verstrichen sind, ohne dass ein Rechtsbehelf bei der Rechtsbehelfsinstanz eingelegt wurde, ii) ein bei der Rechtsbehelfsinstanz eingelegter Rechtsbehelf zurückgewiesen oder zurückgenommen wurde oder iii) 90 Tage nach einem Urteilsspruch der Rechtsbehelfsinstanz verstrichen sind, ohne dass die Rechtsbehelfsinstanz die Angelegenheit an das Gericht zurückverwiesen hat, […]“ 480  Art, 8.28 (9) (b) CETA: „eine Streitpartei darf im Zusammenhang mit einem Urteilsspruch nach diesem Abschnitt nicht die Überprüfung, Aufhebung, Nichtigerklärung, Änderung oder Einleitung eines ähnlichen Verfahrens anstreben.“ 481  Siehe zu den Aufhebungsgründen Art. V New York Übereinkommen von 1958, online abrufbar unter: http://www.newyorkconvention.org/11165/web/files/original/1/5/15457.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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c. Bestechung eines Mitglieds des Gerichts, d. Schwerwiegende Abweichung von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift, e. Fehlen der Begründung des Schiedsspruches.“482

Demnach wurde der CETA-Rechtsbehelfsinstanz die Kompetenz übertragen, Urteilssprüche der ersten Instanz des CETA-Gerichts zu ändern oder aufzuheben, das ICSID-Aufhebungskomitee hat lediglich nach Art.  52 (3) ICSID Übrk. die Kompetenz zur Aufhebung oder teilweisen Aufhebung des ursprünglichen ICSID-Schiedsspruches inne. Auch der Umfang der der CETA-Rechtsbehelfsinstanz eingeräumten Kompetenz wird durch die Möglichkeit, in die materielle Entscheidungsfindung bzw. die Überprüfung von Fehlern bei der Anwendung und Auslegung des anwendbaren Rechts (1) sowie Fehlern bei der Würdigung des Sachverhalts (2) einzugreifen, im Vergleich zum Aufhebungskomitee nach Art.  52 ICSID Übrk. erheblich erweitert. Die Aufhebungsgründe nach Art.  8.28 (2) (c) CETA ermöglichen daneben zusätzlich auch die Einlegung eines Rechtsbehelfs aufgrund eines in Art.  52 (1) ICSID-Übrk. genannten Verfahrensverstoßes (3). Schließlich muss sich ein Rechtsbehelf nicht auf einen einzigen in Art.  8.28 (2) CETA genannten Anfechtungsgrund beziehen, sondern kann auch in Kombination mit mehreren Anfechtungsgründen eingelegt werden (4). Dadurch kann der teilweise sehr hoch angesetzte Maßstab zur Begründung der Aufhebung eines Urteilsspruchs nach den in Art.  52 (1) ICSID Übrk. geregelten Voraussetzungen teilweise durch die in Art.  8.28 (2) (a) und (b) CETA geregelten Voraussetzungen herabgesetzt werden. Gleichzeitig wird dadurch aber auch die Frage aufgeworfen, ob die Möglichkeit besteht, einen Rechtsbehelf gegen Teiloder Zwischenurteile des CETA-Gerichts einlegen zu können (5). (1) Fehler bei der Anwendung oder Auslegung des Investitionsschutzrechts Mit der Möglichkeit der Überprüfung von Fehlern bei der Anwendung oder Auslegung des anwendbaren Rechts nach Art.  8.28 (2) (a) CETA übernimmt die Rechtsbehelfsinstanz die Funktion des Hüters der Rechtseinheit sowie die Funktion der Rechtsfortbildung und der Klärung von Grundsatzfragen. Vor dem CETA oder ähnlichen neuen Abkommen der EU, wie z. B. das EU-Singapur FTA, war die Überprüfung auf Rechtsfehler in der Regel tabu (außer in einigen Ländern, wo deren Schiedsgerichtsbarkeit eine begrenzte Überprüfung auf Rechtsfehler vorsieht). Ein solcher Überprüfungsgrund wurde daher bis jetzt

482  Siehe zu den einzelnen Aufhebungsgründen nach Art.  52 ICSID Übrk. oben, unter 2. Kapitel B VIII. Für eine deutsche Version des ICSID-Übereinkommens von 1968 siehe die Internetseite: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19650042/index.html (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

noch nie im Kontext von internationalen Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren angewandt. Hinsichtlich der Überprüfung eines Urteilsspruchs „aufgrund von Fehlern bei der Anwendung oder Auslegung des anwendbaren Rechts“ nach Art.  8.28 (2) (a) CETA schweigt der Vertragstext des CETAs bezüglich des anzuwendenden Überprüfungsmaßstabs. Als Überprüfungsmaßstab könnte man eine allgemeine Rechtsmittelprüfung auf Rechtsfehler bei der Anwendung des zu berücksichtigenden Rechts heranziehen. Dafür spricht auch der Vergleich zu Art.  8.28 (2) (b) CETA, wo ausdrücklich geregelt ist „[…] aufgrund von offensichtlichen Fehlern bei der Würdigung des Sachverhalts“ (Kursivierung hinzugefügt). Dieses Adjektiv in attributiver Verwendung zum „Fehler“ fehlt in Art.  8.28 (2) (a) CETA gänzlich, wo nur von „[…] aufgrund von Fehlern bei der Anwendung oder Auslegung […]“ (Kursivierung hinzugefügt) die Rede ist. Eine allgemeine Rechtsmittelprüfung auf Rechtsfehler bei der richtigen Anwendung des zu berücksichtigenden Rechts würde zumindest auch dem Überprüfungsmaßstab auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland nach §  546 ZPO entsprechen, wonach eine fehlerhafte Anwendung oder Auslegung des anwendbaren Rechts vorliegt, „wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet wurde.“ Danach wird durch die Rechtsbehelfsinstanz überprüft, ob Rechtsnormen übersehen oder richtig angewandt worden sind. Insoweit liegt ein Anwendungsfehler bei einem Interpretations- oder Subsumtionsfehler vor.483 Die Rechtsbehelfsinstanz wird demnach prüfen, ob das CETA-Gericht erster Instanz die Klage zu Recht als (un)schlüssig angesehen hat oder ob es die materiellen Investitionsschutzregelungen des CETAs mit ihren unbestimmten Rechtsbegriffen, wie beispielsweise das Verbot der entschädigungslosen direkten oder indirekten Enteignung nach Art.  8.12 CETA oder der Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung sowie voller Schutz und volle Sicherheit nach Art.  8.10 CETA, zutreffend ausgelegt hat. Ein anderer Maßstab wäre bei der Überprüfung eines Urteilsspruchs auf einen Rechtsfehler durch die Rechtsbehelfsinstanz wenig sinnvoll. In Betracht käme beispielsweise die Anwendung des in Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. geregelten Maßstabs bezüglich der „offensichtlichen Überschreitung der Befugnisse des Gerichts“ (Kursivierung hinzugefügt), der mehr als einen De-minimis-Fehler erfordert, nämlich dass die Überschreitung der Befugnisse des CETA-Gerichts leicht erkennbar bzw. leicht zu identifizieren sei.484 483  Krüger, in: MüKo ZPO, Bd.  2, §  546, Rn.  4.; Siehe auch Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Ed. 01.07.2022, §  546, Rn.  9. 484  CDC Group PLC vs Republic of the Seychelles, ICSID Case No. ARB/02/14, Decision on Annulment, 29.06.2005, Rn.  41; Wena Hotels Ltd. vs Arab Republic of Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on Annulment, 05.02.2002, Rn.  25; Siehe bezüglich des Maßstabs für

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Es wäre aber unangemessen zu verlangen, dass der Fehler des CETA-Gerichts erster Instanz „offensichtlich“ (bzw. „manifest“) sein muss. Vielmehr würde eine Überschreitung der Befugnisse durch das Gericht in logischer Weise ausreichen, um den fehlerhaften Teil des Urteilsspruchs rückgängig zu machen, wenn man bedenkt, dass die Rechtsbehelfsinstanz dazu befugt ist, Rechtsfehler zu korrigieren, um für eine einheitliche Auslegung der Investitionsschutzregelungen des CETAs zu sorgen und die Rechtseinheit zu wahren. (2) Offensichtliche Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts Die Überprüfung von „offensichtlichen Fehlern bei der Würdigung des Sachverhalts“ (Kursivierung hinzugefügt) nach Art.  8.28 (2) (b) CETA folgt der WTO-Praxis, die im Wesentlichen ein Rechtsmittel auf der Grundlage zulässt, dass das Gericht keine objektiv angemessene Beurteilung des Sachverhalts vorgenommen hat.485 Diesbezüglich und dem entsprechend stellte auch das Berufungsgremium der WTO in dem Fall European Commission – Hormones fest, dass die „duty to make an objective assessment of facts is, among other things, an obligation to consider the evidence presented to a panel and to make factual findings on the basis of that evidence. The deliberate disregard of, or refusal to consider, the evidence submitted to a panel is incompatible with a panel’s duty to make an objective assessment of the facts.“486

Das Berufungsgremium der WTO entschied zudem in dem Fall European Com­ mission – Asbestos und US – Wheat Gluten, dass „[i]n assessing the panel’s appreciation of the evidence, we cannot base a finding of inconsistency under Article 11 simply on the conclusion that we might have reached a different factual finding from the one the panel reached. Rather, we must be satisfied that the panel has exceeded the bounds of its discretion, as the trier of facts, in its appreciation of the evidence.“487

Für die Aufnahme des Adjektivs „offensichtlich[en]“ hat man sich wahrscheinlich an dem Wortlaut von Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. orientiert. In dem Fall, dass der Ansatz des ICSID-Aufhebungskomitees angewandt werden sollte, würde eine „offensichtliche Überschreitung der Befugnisse des Gerichts“ (Kursivierung hinzugefügt) auch die obigen Ausführungen zu Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. auf Seite C. III. 8. b). 485  Siehe dazu Art.  11 WTO DSU; Siehe hierzu auch den WTO Analytical Index, DSU – Understanding on Rules and Procedure, online abrufbar unter: https://www.wto.org/english/ res_e/booksp_e/analytic_index_e/analytic_index_e.htm (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 486  European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WTO Appellate Body, WT/DS26/AB/R, 16.01.1998, Rn.  133 487  European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, WTO Appellate Body, WT/DS135/AB/R, 18.09.2000, Rn.  159; United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Wheat Gluten from the European Communities, WTO Appellate Body, WT/DS166/R, 19.01.2001, Rn.  151.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

nicht jeder Fehler bei der Würdigung des Sachverhaltes ausreichen, um einen Eingriff in den ursprünglichen Urteilsspruch zu rechtfertigen. Vielmehr muss die fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts „[…] be self-evident [obvious or clear] rather than the product of elaborate interpretations one way or the other“488 und „discernable without the need for an elaborate analysis of the award“489,

also in der Art und Weise erkennbar sein, dass für die Entdeckung des Fehlers keine ausführliche Analyse des Sachverhalts erforderlich ist.490 Die Feststellung, ob im Einzelfall ein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts durch das CETA-Gericht stattfand, könnte sich als schwierig erweisen. Ist z. B. das Versäumnis, einem Aspekt bzw. einer Tatsache des Sachverhalts besonderes Gewicht zu verleihen, als offensichtlicher Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts zu bewerten? Einige ICSID-Aufhebungskomitees sind der Ansicht, dass der Fehler eindeutig sein müsse bzw. ‚obvious‘ rather than ‚grave‘, and the relevant test is thus whether the excess of power can be discerned with little effort and without deeper analysis“491, um den Tatbestand der „offensichtlichen“ Überschreitung der Befugnisse des Schiedsgerichts zu verwirklichen.492 Daher ist auch der Maßstab für das „offensichtlich“ in Art.  8.28 (2) (b) CETA höher zu legen als bei einem bloßen Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts durch das CETA-Gericht erster Instanz. 488 

Total S.A. vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/04/01, Decision on Annulment, 01.02.2016, Rn.  173; Wena Hotels Limited vs Arab Republic of Egypt, ICSID Case No. ARB/98/4, Decision on the Application by the Arab Republic of Egypt for Annulment of the Arbitral Award dated December 8, 2000, 05.02.2002, Rn.  25: „The excess of power must be self-evident rather than the product of elaborate interpretations one way or the other“. 489 Siehe Patrick Mitchell vs Democratic Republic of the Congo, ICSID Case No. ARB/99/7, Decision on the Application for Annulment of the Award, 01.11.2006, Rn.  20: Offensichtlich­ keit liegt vor „with certainty and immediacy, without it being necessary to engage in elaborate analyses of the award“. 490  Sie hierzu auch ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (10.08.2012), Rn.  83, online abrufbar unter: https://icsid.worldbank.org/en/Docu ments/resources/Background%20Report%20on%20Annulment_English.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe auch das aktualisierte ICSID, Background Paper on Annulment for the Administrative Council of ICSID (2016), online abrufbar unter: https://icsid.worldbank. org/en/Documents/resources/Background%20Paper%20on%20Annulment%20April%20 2016%20ENG.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022) 491  Azurix Corp vs the Argentine Republic, ICSID Case No ARB/01/12, Decision on the Application for Annulment of the Argentine Republic, 01.09. 2009, Rn.  68: „manifestly in art. 52(1)(b) means ‚obvious‘ rather than ‚grave‘, and the relevant test is thus whether the excess of power can be discerned with little effort and without deeper analysis.“ 492 Siehe hierzu Hussein Nuaman Soufraki vs United Arab Emirates, ICSID Case No ARB/02/7, Decision on the Application for Annulment, 05.06.2007, Rn.  38–40: „The excess of power should at once be textually obvious and substantively serious.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

441

(3) Ein Verfahrensverstoß nach den in Art.  52 (1) ICSID Übrk. genannten Gründen Schließlich kann die Rechtsbehelfsinstanz eine Überprüfung des Urteilsspruchs aus den in Art.  52 (1) (a) bis (e) ICSID Übrk. genannten Gründen vornehmen, soweit diese nicht von Art.  8.28 (2) (a) und (b) CETA erfasst sind. Zu den einzelnen Aufhebungsgründen nach Art.  52 (1) (a) bis (e) ICSID Übrk. wird auf die obigen Ausführungen in Kapitel 2 zur Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen verwiesen.493 (4) Die Möglichkeit der Kombination von Aufhebungsgründen Auch die Kombination von Aufhebungsgründen könnte dazu beitragen, dass die Rechtsbehelfsinstanz von potenziell überflüssigen Argumenten im Verfahren befreit wird. So könnten bestimmte Aufhebungsgründe, wie z. B. die offensichtliche Überschreitung der Befugnisse des Gerichts im Sinne des Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk., in der Überprüfung auf Rechts- oder Verfahrensfehler zusammengefasst werden. Dadurch könnten Verfahrenskosten und Zeit eingespart werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der in Art.  52 (1) (b) ICSID Übrk. enthaltene Aufhebungsgrund „that the Tribunal has manifestly exceeded its powers“ auch einen Rechtsfehler im Sinne des Art.  8.28 (2) (a) CETA darstellt.494 Dem Wortlaut nach müsste das CETA daher den Umfang der Überprüfung auch auf „angebliche“ Rechtsfehler umfassen, da in Art.  8.28 (2) (b) CETA kein Offensichtlichkeitserfordernis verlangt wird und die in Art.  52 (1) ICSID Übrk. genannten Aufhebungsgründe nach 8.28 (2) (c) CETA keine Anwendung finden, wenn der Aufhebungsgrund von Art.  8.28 (2) (a) und (b) CETA erfasst ist. (5) Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen Teil- oder Zwischenurteile des CETA-Gerichts Es wird auch die Frage aufgeworfen, ob die Rechtsbehelfsinstanz nur für einen endgültigen Urteilsspruch im Sinne des Art.  8.39 CETA zuständig ist oder ob auch die Möglichkeit besteht, einen Rechtsbehelf gegen einen positiven Urteilsspruch (oder nach Art.  52 (1) ICSID Übrk. „Schiedsspruch“) z. B. über die Zu493 

Siehe oben, unter 2. Kapitel B. VIII. Hussein Nuaman Soufraki vs United Arab Emirates, ICSID Case No ARB/02/7, Deci­ sion on the Application for Annulment, 05.06.2007, Rn.  118: „the requirement that an excess of power must be ‚manifest‘ applies equally if the question is one of jurisdiction. A jurisdictional error is not a separate category of excess of power“; Compania de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. vs Argentine Republic, ICSID Case No ARB/97/3, Decision on Annulment, 03.07.2002, Rn.  86; Industria Nacional de Alimentos, S.A. and Indalsa Perú, S.A. vs Republic of Peru, ICSID Case No ARB/03/4, Decision on Annulment, 05.09.2007, Rn.  101. 494 

442

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

ständigkeit des CETA-Gerichts einlegen zu können. Ausdrückliche Hinweise lassen sich dazu im CETA nicht finden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es im Rahmen des ICSID-Übereinkommens nur einen Schiedsspruch gibt und frühere Entscheidungen des Schiedsgerichts (z. B. über die Zuständigkeit) nicht nach Art.  52 (1) ICSID Übrk durch das Aufhebungskomitee aufgehoben bzw. für nichtig erklärt werden können. Anders ist das nach der UNCITRAL-Schiedsordnung, wo es gemäß Art.  34 (1) UNCITRAL-Schiedsordnung mehrere oder getrennte Schiedssprüche über verschiedene Punkte durch das Schiedsgericht geben kann und jeder Schiedsspruch für sich nach Art.  34 (2) UNCITRAL-Schiedsordnung für die Parteien endgültig und bindend ist. Jeder Schiedsspruch kann dann für sich unter der Anwendung von Art. V New York Übereinkommen von 1958 in einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren angefochten werden.495 Das ist auch bereits vor dem Erlass eines finalen Schiedsspruches möglich.496 Sollte das CETA diese Möglichkeit nach der UNCITRAL-Schiedsordnung für solche Fälle ändern, in denen die UNCITRAL-Schiedsordnung aufgrund parteilicher Vereinbarung Anwendung findet, müssten die Verfahrensparteien einen finalen bzw. endgültigen Urteilsspruch durch das CETA-Gericht abwarten, um gegen einen positiven oder gemischten Urteilsspruch (einen, der einige Ansprüche annimmt, andere aber ablehnt) bei der Rechtsbehelfsinstanz einen Rechtsbehelf einzulegen. Sollte der ursprüngliche Urteilsspruch letztendlich durch die Rechtsbehelfsinstanz aufgehoben werden, würde das zu erheblichen Mehrkosten für die Parteien führen. In diesem Sinne kommt als Alternative zusätzlich in Betracht, dass die Parteien erwarten, dass in Verfahren, in denen die Regelungen des ICSID-Übereinkommens keine Anwendung finden, die Möglichkeit besteht, dass sie mehr als einmal auf die Rechtsbehelfsinstanz zurückgreifen können. cc) Die personellen und verwaltungstechnischen Vorgaben an die Rechtsbehelfsinstanz Bei den personellen und verwaltungstechnischen Vorgaben des CETAs an seine Rechtsbehelfsinstanz kann im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen zur Rechtsprechung und Verwaltung des CETA-Gerichts verwiesen werden.497 Im Folgenden sollen lediglich die in Art.  8.28 CETA vorgegebenen Besonderheiten bezüglich der noch durch den Gemischten CETA-Ausschuss festzulegenden ad495 

Binder, Analytical Commentary to the UNCITRAL Arbitration Rules, S.  326, Rn.  34-

496 

Binder, Analytical Commentary to the UNCITRAL Arbitration Rules, S.  326, Rn.  34-

497 

Siehe oben, 3. Kapitel, C. IV 1., 3. und 4.

023. 023.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

443

ministrativen und organisatorischen Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz (1), der Bestellung ihrer Mitglieder (2), ihrer Zusammensetzung (3) und den Anforderungen an die Qualifikation sowie an die Ethik der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz (4) dargestellt werden. (1) Die Festlegung der administrativen und organisatorischen Verwaltung der Rechtsbehelfsinstanz durch den Gemischten CETA-Ausschuss Der Gemischte CETA-Ausschuss ist unverzüglich für die Annahme von Vorgaben zur Verwaltung der Rechtsbehelfsinstanz zuständig, indem er durch einen Beschluss die administrativen und organisatorischen Aspekte im Zusammenhang mit der Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz festzulegen hat. Insbesondere sollen nach Art.  8.28 (7) (a) bis (g) CETA Vorgaben beschlossen und angenommen werden über die „a) administrative Unterstützung, b) Verfahren für die Einleitung und Durchführung von Rechtsbehelfen sowie Verfahren für etwaige Zurückverweisungen an das Gericht zwecks Anpassung des Urteilsspruchs, c) Verfahren zur Besetzung von Vakanzen in der Rechtsbehelfsinstanz und in einer für einen Fall gebildeten Kammer der Rechtsbehelfsinstanz, d) Vergütung der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz, e) Bestimmungen zu den Kosten von Rechtsbehelfen, f) Anzahl der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz und g) sonstige Aspekte, die er für das wirksame Funktionieren der Rechtsbehelfsinstanz für erforderlich erachtet.“498

Nach Art.  8.28 (8) CETA kann der Gemischte CETA-Ausschuss seine Entscheidungen in administrativen und organisatorischen Angelegenheiten (falls erforderlich) jeder Zeit abändern.499 Diesbezüglich wird der CETA-Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen nach Art.  8.28 (8) CETA dazu ermächtigt, die Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz regelmäßig zu überprüfen und Empfehlungen oder etwaige Änderungsvorschläge an den Gemischten CETA-Ausschuss 498 Als Beispiel einer möglichen Annahme von Vorgaben für die Rechtsbehelfsinstanz durch den Gemischten CETA-Ausschuss kann die Bestimmung zu Kosten von Rechtsbehelfen nach dem EU-Vietnam TIA dienen. Dort muss eine Streitpartei, die einen Rechtsbehelf gegen den ursprünglichen Urteilsspruch einlegt, nach Art.  3.54 (6) EU-Vietnam TIA Sicherheit leisten, einschließlich der Kosten des Rechtsbehelfs sowie einen angemessenen Betrag, der von der Rechtsbehelfsinstanz unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festgelegt wird. In diesem Sinne regelt Art.  3.54 (6) EU-Vietnam TIA: „A disputing party lodging an appeal shall provide security, including the costs of appeal, as well as a reasonable amount to be determined by the Appeal Tribunal in light of the circumstances of the case.“ 499  Art.  8.28 (8) CETA: „Der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen überprüft in regelmäßigen Abständen die Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz und kann einschlägige Empfehlungen an den Gemischten CETA-Ausschuss richten. Der Gemischte CETA-Ausschuss kann den nach Absatz 7 gefassten Beschluss erforderlichenfalls abändern.“

444

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

zu richten. Es wird ferner klargestellt, dass die Bestimmungen über die Transparenz des Streitbeilegungsverfahrens nach Art.  8.36 CETA und die Bestimmungen für die nicht an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei nach Art.  8.38 CETA auch für das Verfahren vor der Rechtsbehelfsinstanz gelten.500 (2) Die Bestellung der Mitglieder der CETA-Rechtsbehelfsinstanz durch den Gemischten CETA-Ausschuss Ähnlich wie beim CETA-Gericht erster Instanz kontrolliert der Gemischte CETA-Aus­ schuss auch die Bestellung der Mitglieder der Rechtsbehelfsin­ stanz.501 Nach Art.  8.28 (3), (7) CETA obliegt es diesem, die Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz gleichzeitig mit dem Erlass eines Beschlusses über die administrativen und organisatorischen Aspekte der Arbeitsweise der Rechtsbehelfs­ instanz zu bestellen.502 (3) Die Zusammensetzung der CETA-Rechtsbehelfsinstanz und die Bildung ihrer Kammern Auch die Anzahl an Mitgliedern für die Rechtsbehelfsinstanz wird nach Art.  8.28 (7) (f) CETA vom Gemischten CETA-Ausschuss festgelegt. Interessanterweise enthält der CETA-Vertragstext keine entsprechende Bestimmung hinsichtlich einer möglichen Erhöhung oder Verringerung der Anzahl der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz, um diese an den Arbeitsaufwand der Rechtsbehelfsinstanz anpassen zu können. Vermutlich werden diese Modalitäten aber noch vom Gemischten CETA-Ausschuss gemäß Art.  8.28 (7) (f) CETA festgelegt. Für die Überprüfung von Urteilssprüchen des CETA-Gerichts erster Instanz sollen nach Art.  8.28 (5) CETA Kammern mit jeweils drei Richtern gebildet werden. Den Streitparteien ist auch bei der Rechtsbehelfsinstanz kein unmittelbarer Einfluss auf die Zusammensetzung der jeweiligen zur Überprüfung eines Urteilsspruchs gebildeten Kammer der Rechtsbehelfsinstanz möglich. Dies ähnelt dem in Art.  52 (3) ICSID Übrk. vorgeschriebenen Aufhebungsverfahren, welches die Beteiligung der Parteien an der Zusammensetzung eines ad hoc-Aufhebungskomitees zur Überprüfung eines Schiedsspruchs vollständig ausschließt. Vielmehr ernennt der Vorsitzende des ICSID-Verwaltungsrates (ex officio der Präsident der Weltbank) die Mitglieder des ICSID-Aufhebungskomitees, die er von dem 500  Art.  8.28

(6) CETA: „Die Artikel 8.36 und 8.38 finden auf das Verfahren vor der Rechtsbehelfsinstanz Anwendung.“ 501  Siehe oben, unter 3. Kapitel C. IV 1. 502  Art.  8.28 (3) CETA: „Die Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz werden im Wege eines Beschlusses des Gemischten CETA-Ausschusses ernannt, der gleichzeitig mit dem Beschluss nach Absatz 7 ergeht.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

445

Schiedsrichterverzeichnis des ICSID-Zentrums auswählen muss. Das CETA weicht aber insoweit bedeutend von Art.  52 (3) ICSID Übrk. ab, indem die nach Art.  8.28 (5) CETA für Rechtsbehelfe gebildete Kammer aus drei nach dem Zufallsprinzip ernannten Mitgliedern der Rechtsbehelfsinstanz bestehen soll. Dadurch wird sichergestellt, dass die konkrete Zusammensetzung der jeweiligen Kammer der Rechtsbehelfsinstanz unvorhersehbar ist. Diese Vorgehensweise scheint ebenfalls dem WTO-Berufungsgremium zu entstammen, wo die Streitparteien ebenfalls nicht im Vorhinein wissen, wer über ihren jeweiligen Streitfall entscheiden wird.503 Die Regelung dient damit dem Schutz vor Eingriffen Dritter in das Rechtsbehelfsverfahren und insbesondere auch dem Schutz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsbehelfsinstanzmitglieder. (4) Die Anforderungen an Qualifikation und Ethik der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz Nach Art.  8.28 (4) CETA sind die Anforderungen an die Qualifikation und die ethischen Anforderungen an die Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz abgesehen von den folgenden Erläuterungen identisch mit den oben dargestellten Anforderungen an die Mitglieder des CETA-Gerichts erster Instanz.504 Das CETA schweigt darüber, ob für die Rechtsbehelfsinstanz, wie für das erstinstanzliche Gericht, Staatsangehörigkeitsbeschränkungen gelten. So steht in Art.  8.27 (6) CETA, dass jeder Kammer des Gerichts erster Instanz jeweils „ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, ein Staatsangehöriger Kanadas und ein Staatsangehöriger eines Drittlandes“ angehören soll. Den Vorsitz der Kammer soll ein Mitglied des Gerichts führen, der Staatsangehöriger eines Drittlandes ist. Für die Rechtsbehelfsinstanz gibt es keine entsprechende Regel. Art.  8.28 (5) CETA sieht lediglich vor, dass „Die für Rechtsbehelfe gebildete Kammer der Rechtsbehelfsinstanz […] aus drei nach dem Zufallsprinzip ernannten Mitgliedern der Rechtsbehelfsinstanz [besteht].“ Weiter sieht Art.  8.28 (7) CETA (lediglich) vor, dass „Der Gemischte CETA-Ausschuss […] umgehend einen Beschluss [fasst], in dem folgende administrative und organisatorische Aspekte der Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz geregelt werden: […] f) [Die] Anzahl der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz und g) sonstige Aspekte, die er für das wirksame Funktionieren der Rechtsbehelfsinstanz für erforderlich erachtet.“ 503  Vgl. hierzu WTO, Establishment of the Appellate Body, Recommendations by the Preparatory Committee for the WTO approved by the Dispute Settlement Body on 10 February 1995, WT/DSB/1, 19.06.1995. 504  Art.  8.28 (4) CETA: „Die Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz müssen die Anforderungen des Artikels 8.27 Absatz 4 und des Artikels 8.30 erfüllen.“ Siehe zu den ethischen Anforderungen an die Mitglieder des CETA-Gerichts zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit oben, unter 3. Kapitel C. IV. 4.

446

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Das wirft die Frage auf, warum die Staatsangehörigkeit der Mitglieder zwar auf der Ebene des erstinstanzlichen Gerichts, nicht aber auf der Ebene der Rechtsbehelfsinstanz reguliert wurde. Im Vergleich dazu sind auch die Bestimmungen über das Gericht erster Instanz im CETA viel detaillierter und ausführlicher als die Bestimmungen über die Rechtsbehelfsinstanz. Alles deutet im Endeffekt darauf hin, dass dies durch die Rechtsbehelfsinstanz sowie den Gemischten CETAAus­schuss ergänzt werden muss bzw. ergänzt wird. Wie die Mitglieder des CETA-Gerichts erster Instanz sollen auch die Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz ständig zur Verfügung stehen. Es ist davon auszugehen, dass die Mitglieder daher ähnlich wie bei den CETA-Gerichtsmitgliedern eine Vergütung für ihre Bereitschaft erhalten werden. Jedoch schweigt das CETA soweit zur Frage der Vergütung der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz, mit der Ausnahme, dass dies nach Art.  8.28 (7) CETA unverzüglich vom Gemischten CETA-Ausschuss zusammen mit anderen administrativen und organisatorischen Angelegenheiten zu entscheiden ist. Es gibt jedoch keine Bestimmung darüber, die im Vergleich zu Art.  8.27 (14) CETA regelt, was geschieht, wenn der Gemischte CETA-Ausschuss keinen Beschluss über die Vergütung der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz trifft. Das vorgeschlagene System ähnelt aber, wie oben bereits dargelegt, dem System des WTO-Berufungsgremiums. Dort werden die Mitglieder des Berufungsgremiums auch auf der Basis einer Grundvergütung bezahlt, was in der Entschließung zur Einrichtung eines Berufungsgremiums festgelegt wurde.505 Diese Grundvergütung des WTO Berufungsgremiums beläuft sich auf mindestens 7.000 CHF monatlich, zuzüglich eines vollwertigen Tageshonorars, Reiseaufwendungen und einer Tagespauschale.506 Im CETA-Vertragstext wird keine feste Amtszeit für die Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz erwähnt, dies soll aber ebenfalls nach Art.  8.28 (3), (7) CETA noch zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden. Es ist aber zu empfehlen, dass die Mitglieder, ähnlich denen des Bundesverfassungsgerichts, einmalig für beispielsweise zwölf Jahre gewählt werden. So würde die Unabhängigkeit der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz am effektivsten geschützt, da die Möglichkeit einer zweiten Amtszeit durch entsprechenden Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusses, wie bei dem CETA-Gericht erster Instanz, nach Art.  8.27

505 

WTO, Establishment of the Appellate Body, Recommendations by the Preparatory Committee for the WTO approved by the Dispute Settlement Body on 10 February 1995, WT/ DSB/1, 19.06.1995, S.  2. 506  WTO, Establishment of the Appellate Body, Recommendations by the Preparatory Committee for the WTO approved by the Dispute Settlement Body on 10 February 1995, WT/ DSB/1, 19.06.1995, S.  2.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

447

(5) CETA eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder darstellt.507 dd) Gesamtwürdigung Die Darstellung der Rechtsbehelfsinstanz des CETA-Gerichts hat gezeigt, dass diese einen Beitrag zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts leisten wird, wobei der Beitrag aber insoweit eingeschränkt ist, als dass er von einer Indienstnahme der Rechtsbehelfsinstanz durch den Rechtsmittelführer abhängig ist bzw. sichergestellt wird. Die CETA-Rechtsbehelfsinstanz verfügt über die Kompetenz, die Entscheidung des CETA-Gerichts nach Art.  8.28 (2) CETA zusätzlich zu den in Art.  52 ICSID Übrk. genannten Aufhebungsgründen auf Rechts- und Sachfehler hin zu überprüfen, um im Rahmen dessen die Urteilssprüche des CETA-Gerichts zu bestätigen, abzuändern oder aufzuheben. Die Überprüfungskompetenz der Rechtsbehelfsinstanz reicht demnach weit über die Prüfungskompetenz des ICSID-Aufhebungskomitees nach Art.  52 ICSID Übrk. und der nationalen Gerichte im Vollstreckungsverfahren nach Art. V New York Übereinkommen hinaus, beinhaltet aber keine ordre-pub­ lic-Prüfung. Insbesondere wird nach Art.  8.28 CETA auch keine Überprüfung eines Urteilsspruchs des CETA-Gerichts erster Instanz anhand von fundamentalen Grundsätzen der Rechts- und Werteordnung der CETA-Vertragsparteien, wie beispielsweise der EU oder der deutschen Rechts- und Werteordnung, stattfinden, wenn diese nicht Gegenstand der ersten Instanz waren. Unabhängig davon kann die CETA-Rechtsbehelfsinstanz hinsichtlich Streitigkeiten, in denen der CETA-Vertragstext angewandt werden soll, eine Konsistenz und Kohärenz bei der Anwendung sowie der Auslegung erreichen.508 Die Folge wäre mehr Rechtssicherheit durch eine einheitliche Rechtsprechung in den Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren nach dem CETA. Denn: „Es liegt in der Natur der Tätigkeit höherer Gerichte, daß[sic!] sie bei der Entscheidung der ihnen unterbreiteten Einzelfälle das Prinzipielle hervorheben und zur Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze zu gelangen suchen. […] Damit dienen sie der Einheit des Rechts und so der Rechtssicherheit.“509

Eine klare Verbesserung des Rechtsstaatsprinzips im Vergleich zur ad hocSchieds­gerichtsbarkeit nach dem Standardmodell der Investor-Staat-Streitbeile507 

Siehe hierzu bereits die obigen Ausführungen zum CETA-Gericht erster Instanz, unter 3. Kapitel C. IV. 1. 508 Vgl. Kaufmann-Kohler/Potestà, Can the Mauritius Convention Serve as a Model for the Reform of Investor-State Arbitration in Connection with the Introduction of a Permanent In­ vest­ment Tribunal or an Appeal Mechanism?, S.  69. 509  BVerfGE 18, S.  224, 237 f.

448

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

gung des ICSID-Übereinkommens, wonach die Schaffung einer einheitlichen Rechtsprechung gar als unmöglich erklärt wird.510 Allerdings ist die Rechtsbehelfsinstanz des CETAs streng genommen auch nur dazu in der Lage, für Investor-Staat-Streitigkeiten unter dem CETA eine einheitliche Rechtsauslegung zu schaffen. Damit unterscheidet sich diese Rechtsbehelfsinstanz in ihren Befugnissen von einem Organ, wie dem WTO-Appellate Body, welches dazu befugt ist, entweder das gleiche völkerrechtliche Abkommen oder Abkommen, die unter dem Dach des WTO-Abkommens in einem umfassenden Vertragssystem verknüpft sind, auszulegen.511 Infolgedessen kann die CETA-Rechtsbehelfsinstanz kein gleichwertiges Maß an Kohärenz und damit an Rechtssicherheit bei der Auslegung der wesentlichen Verpflichtungen der Gastgeberstaaten gegenüber den ausländischen Investoren erreichen. Trotzdem ist zu erwarten, dass selbst ohne ein multilaterales Streitbeilegungssystem die CETA-Rechtsbehelfsinstanz einige rechtlich (zumindest in Bezug auf das CETA) verbindliche Grundsätze entwickeln wird, die auch über den Text des CETAs hinaus (faktisch) Wirkung entfalten könnten.512 Hinsichtlich der oft vorgebrachten Kritik an der Einbuße an einem effizienten und finalen Streitbeilegungsverfahren durch die Etablierung eines Berufungsverfahrens513, wie es die Rechtsbehelfsinstanz darstellt, sind die Auswirkungen der Rechtsbehelfsinstanz auf die Effizienz des Streitbeilegungsverfahrens nach dem CETA nicht zuverlässig vorhersehbar. Auf der einen Seite kann im Vergleich 510  Feldmann, Investment Arbitration Appellate Mechanism Options: Consistency, Accuracy and Balance of Power, in: ICSID Review – FILJ (2017), S.  528, 534; Posner/Yoo, Judicial Independence in International Tribunals, in: Cali. L. Rev., Bd.  93 (1) (2005), S.  1, 24. 511  Siehe hierzu McRae, The WTO Appellate Body: A Model for an ICSID Appeals Facility?, in JIDS, Bd.  1 (2) (2016), S.  371, 382–387. 512  Zum Beispiel zu Fragen wie: „Was sind die Grenzen der Klausel zur fairen und gerechten Behandlung (fair and equitable Treatment)? Oder, ist eine Enteignung durch einen Gastgeberstaat, durch bloße Nichtzahlung von Entschädigungen als rechtswidrig zu betrachten?“ 513  Siehe zum Beispiel Lee, Introduction of an Appellate Review Mechanism for Interna­ tional Investment Disputes – Expected Benefits and Remaining Tasks, in: Kalicki/Joubin-Bret (Hrsg.), Reshaping the Investor-State Dispute Settlement System, S.  474, 483; Bottini, Reform of the Investor-State Arbitration Regime: The Appeal Proposal, in: Kalicki/Joubin-Bret (Hrsg.), Reshaping the Investor-State Dispute Settlement System, S.  455, 471, die eine Antwort auf das Argument zu den steigenden Kosten und der längeren Verfahrensdauer darstellt, die sich aus der Etablierung eines Berufungsverfahrens ergeben könne; Ten Cate, International Arbitration and the ends of Appellate Review, in: NYU JILP, Bd.  44 (2012), S.  1109, 1110, „[I]n interna­ tional commercial and investment arbitration […] the dogma of finality has come under attack, as practitioners and academics have advocated for the introduction of appeals mechanisms“; Laird/Askew, Finality versus Consistency: Does Investor-State Arbitration Need an Appellate System?, in: JAPP, Vol 7 (2) (2005), S.  285, 298, „[I]f you add another entire full appeals step to the overall arbitration process, the finality benefit of arbitration is severely undermined.“

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

449

zum WTO-Berufungsverfahren nicht ignoriert werden, dass fast 60 % der WTOPanel­berichte angefochten werden, was zu einem Engpass beim WTO-Berufungsgremium führt.514 Gelingt es dagegen der CETA-Rechtsbehelfsinstanz, die grundlegenden Rechtsgrundsätze zu harmonisieren, sollte die daraus resultierende Kohärenz Verfahren beschleunigen oder sogar die Zahl der geltend gemachten Ansprüche durch Investoren verringern. Der Anreiz wäre geringer, gegen die klare Rechtslage hinsichtlich einer Maßnahme des Gastgeberstaates zu prozessieren, und ein größerer Anreiz dahingehend, Streitigkeiten bei einer klaren Rechtslage durch Verhandlungen und Schlichtung beizulegen. Auch im Vergleich zum Standardmodell nach dem ICSID-Übereinkommen könnte das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETAs mit seiner Rechts­behelfsinstanz die schnellere Streitbeilegungsalternative darstellen. Im Rahmen des ICSID-Übereinkommens droht bereits eine Verfahrensverzögerung durch das Aufhebungsverfahren nach Art.  52 ICSID Übrk. Insofern kann eine Rechtsbehelfsinstanz nach dem CETA dahingehend eine Beschleunigung bedeuten, indem es Urteilssprüche des CETA-Gerichts bei Fehlern bindend modifi­ zieren kann, während die Parteien nach der Aufhebung des ICSID-Schiedsspruchs mit leeren Händen dastehen und das ganze Verfahren von vorne beginnen müssen. b) Der Gemischte CETA-Ausschuss als Mechanismus repräsentativer Vertragsauslegung zur inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts Neben der internen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts durch die Rechtsbehelfsinstanz, haben sich die CETA-Vertragsparteien durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit dem Gemischten CETA-Ausschuss die Deutungshoheit für Fragen zur Interpretation und Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen vorbehalten, indem sie für das CETA-Gericht gemäß Art.  8.31 (3) CETA verbindliche Auslegungen des CETA-Investitionsschutzrechts annehmen können:515 „Bei ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen, die sich auf Investitionen auswirken können, kann der Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen dem Gemischten CETA-Aus­schuss nach Artikel 8.44 Absatz 3 Buchstabe a die Annahme von Auslegungen dieses Abkommens empfehlen. Eine vom Gemischten CETA-Ausschuss angenommene Auslegung ist für das nach diesem Abschnitt eingesetzte Gericht bindend. Der Gemischte CETA-Aus514  Huber/Tereposky, The WTO Appellate Body: Viability as a Model for an Investor-State Dispute Settlement Appellate Mechanism, in: ICSID Review – FILJ, Bd.  32 (3) (2017), S.  545. 515  Siehe zur Zusammensetzung des Gemischten CETA-Ausschusses mit Repräsentanten der CETA-Vertragsparteien oben, in 3. Kapitel C. I.

450

3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

schuss kann beschließen, dass eine Auslegung ab einem bestimmten Zeitpunkt bindende Wir­ kung hat.“ (Kursivierung hinzugefügt)

In diesem Sinne haben sich die CETA-Vertragsparteien mit Art.  29.1 CETA das Ziel gesetzt, alles daran zu setzen, eine gemeinsame Auslegung der prozessualen und materiellen Investitionsschutzvorschriften des CETAs zu erreichen: „Die Vertragsparteien bemühen sich stets um eine einvernehmliche Auslegung und Anwendung dieses Abkommens und unternehmen alle Anstrengungen im Wege der Zusammenarbeit und Konsultation, um eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung aller Fragen zu erreichen, die seine Durchführung beeinträchtigen könnten.“516

Die institutionelle Verkoppelung des CETA-Gerichts mit dem Gemischten CETA-Aus­schuss in der Funktion eines legislativen Mechanismus stellt kein Novum der Vertragsauslegung dar. Einen Mechanismus zur „Auslegung des Autors durch sich selbst“ war schon öfters in anderen Rechtssystemen vorgesehen gewesen (aa.). Die Annahme einer verbindlichen Vertragsauslegung des Gemischten CETA-Ausschusses (bb.), ist tatsächlich dazu geeignet, die Rechtssicherheit im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren zu stärken (cc.), stellt jedoch gleichzeitig auch einen Einfluss auf und damit einhergehende Beeinträchtigung der unabhängigen Rechtsanwendung und Rechtfindung der CETA-Gerichtsmitglieder517 dar (dd.). aa) Die institutionelle Verkoppelung der Rechtsprechung mit einem legislativen Mechanismus in anderen Rechtssystemen In der Vergangenheit gab es bereits ähnliche Regelungen, durch welche die Rechtsprechung wie durch Art.  8.31 (3) CETA mit einem legislativen Mechanismus institutionell verkoppelt wurde. Zwei Beispiele: Bereits im 18. Jahrhundert war im preußischen Recht eine Vorlagepflicht des Richters für den Fall angeordnet, dass sich bei der Anwendung einer Rechtsnorm Zweifel oder Unklarheiten ergeben würden.518 Aus dieser Regelung entstand 516  Siehe hierzu auch Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, online abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/ pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „Die Europäische Union und Kanada sind gehalten, den Inhalt der Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung [gemäß Art.  8.10 (3) CETA] regelmäßig zu überprüfen, um sich zu vergewissern, dass sie ihren Absichten (auch denen, die in dieser Erklärung dargelegt sind) entspricht und nicht weiter ausgelegt werden kann, als von ihnen beabsichtigt.“ 517  BVerfGE 135, 1 = NVwz (2014) S.  577, 579, Rn.  48: „Zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich in aller Regel die rechtsprechende Gewalt berufen“. 518  Meder, Missverstehen und Verstehen, S.  21.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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später eine sogenannte „Gesetzcommission“ des preußischen allgemeinen Landrechts, die autorativ bei Zweifelsfragen bei der Auslegung von Gesetzen entschied.519 Die Gesetzcommission sollte aber nur in Ausnahmefällen tätig werden, primär sollte eine Auslegung des Gesetzes durch den Richter erfolgen.520 Jedoch war das Gegenteil der Fall: Die Gesetzcommission wurde permanent durch Anfragen aus der Justiz tätig, wodurch es zu Verzögerungen bei der Erledigung von Rechtsfällen kam und die Rechtspflege damals sogar drohte zum Erliegen zu kommen.521 Diese Situation führte schließlich dazu, dass die Regelungen über die Befugnis der Gesetzcommission bereits vier Jahre nach Inkrafttreten des preußischen allgemeinen Landrechts (1798) aufgehoben wurden und das Gesetz wieder ausschließlich durch Richter ausgelegt werden sollte.522 Ein weiteres, dem Gemischten CETA-Ausschuss ähnliches, aber aktuelleres Beispiel bietet die in Art.  2001 (1) NAFTA geregelte „Free Trade Commission“ des NAFTAs.523 Diese Free Trade Commission – ein Gremium, das sich aus Vertretern der drei NAFTA-Vertragsstaaten zusammensetzt – kann den NAFTAVertrags­text für die nach dem NAFTA konstituierten Schiedsgerichte verbindlich auslegen. Eine solche Auslegung wurde von der Free Trade Commission auch bereits zu den Begriffen der „fair and equitable treatment“ und „full protection and security“ gemäß Art.  1105 NAFTA angenommen.524 Beide Annahmen wurden anschließend von NAFTA-Schiedsgerichten als verbindlich anerkannt und angewandt.525 Anders als bei der Gesetzcommission des preußischen allgemei519  Vgl. §  47 der Einleitung zum preußischen allgemeinen Landrecht von 1794; Siehe hierzu auch Miersch, Der sogenannte référé législatif, S.  56–59, 199–129. 520  Meder, Missverstehen und Verstehen, S.  21. 521  Meder, Missverstehen und Verstehen, S.  21. 522  Meder, Missverstehen und Verstehen, S.  21. 523  Art.  2001 (1) NAFTA: „The Parties hereby establish the Free Trade Commission, compromising cabinet-level representatives of the Parties or their designees“. Art.  1131 (2) NAFTA regelt weiter: „An interpretation by the Commission of a provision of this Agreement shall be binding on a Tribunal established under this Section“. Ähnlich nun Art.  30.1 USMCA: „The Parties hereby establish a Free Trade Commission (Commission), composed of government representatives of each Party at the level of Ministers or their designees“. Und weiter in Annex 14-D Art.  10 (2) USMCA: „A decision issued by the Commission under paragraph 1 shall be binding on the tribunal, and any decision or award issued by the tribunal must be consistent with that decision.“ 524  NAFTA Free Trade Commission, Note of Interpretation of 31 July 2001, online abrufbar unter: http://www.sice.oas.org/TPD/NAFTA/Commission/CH11understanding_e.asp (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 525  Beispielsweise haben folgende Tribunale die Interpretation der Free Trade Commission übernommen: Mondev vs United States, Award, 11.10.2002, Rn.  100 ff.; United Parcel Service vs Canada, Award, 22.11.2002. Rn.  97; ADF vs United States, Award, 09.01.2003, Rn.  178 f.; Loewen vs United States, Award, 26.06.2003, Rn.  124–128; Waste Management vs Mexico,

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

nen Landrechts funktioniert die Free Trade Commission in der Praxis als Auslegungsinstrument des NAFTAs, auf die sich im Folgenden auch weiterhin bezogen wird. Eine Überlastung hat eindeutig nicht stattgefunden. Ein ähnlicher Mechanismus wurde auch wieder in das neue USMCA aufgenommen.526 bb) Die Annahme einer verbindlichen Auslegung des CETAInvestitionsschutzrechts durch den Gemischten CETA-Ausschuss Nach Art.  8. 31 (3) CETA wurde dem Gemischten CETA-Ausschuss die Kompetenz zugewiesen, bei „ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen“ (Kursivierung hinzugefügt) eine für das CETA-Gericht und die Rechtsbehelfsinstanz verbindliche Auslegung zu den Investitionsschutzvorschriften des CETAs anzunehmen (1). Zudem kann dieser bestimmen, ab welchem Zeitpunkt die Auslegung bindende Wirkung entfalten soll (2). (1) Bei „ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen“ Die Ausübung der Kompetenz zur verbindlichen Auslegung erfordert nach Art.  8.31 (3) CETA einen serious concern-Test bzw. „ernsthafte[…] Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen“ der entsprechenden Investitionsschutzregelung. Was genau darunter zu verstehen ist, wird im CETA nicht weiter definiert. Der serious concern-Test sollte allerdings erfüllt sein, wenn bei der Auslegung einer Investitionsschutzvorschrift des CETAs zwei entgegengesetzte Rechtsauffassungen vertreten werden, beispielsweise von zwei CETA-Gerichts- bzw. Kammermitgliedern.527 Ein solcher Test findet sich in vergleichbaren Vertragsklauseln anderer Investitionsschutzabkommen nach bestem Wissen des Autors nicht.528 Durch diesen Test scheint daher die Hürde für eine verbindliche Auslegung des CETAs hoch gesetzt. Demnach könnten dieser Zusatz bzw. diese Voraussetzung Award, 30.04.2003, Rn.  90 f.; Methanex vs United States, Award, 03.08.2005, Part II, Chapter H, Rn.  23; Grand River Enterprise vs United States, Award, 12.01.2001. 526  Vgl. Art.  30.1 USMCA. 527  So auch Pehl, Repräsentative Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S.  171. 528  Weder Art.  1131 (2) NAFTA macht die Auslegung des NAFTA durch die „Free Treade Commission“ von der Existenz zusätzlicher Bedingungen abhängig noch andere, neuere Investitionsschutzabkommen. Als Beispiele seien hier Investitionsschutzabkommen von Singapur, Kanada, Vietnam oder den USA mit Nicht-EU-Vertragsparteien angeführt. Weder das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und Panama (Art.  9.32 Canada-Panama FTA [2013]), das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und Korea (Art.  8.37 Kanada-Korea FTA [2015]), das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Singapur (Art.  15.21 US-Singapore FTA [2004]) noch das Trans-Pacific-Partnership (Art.  9.25 TPP [Unterzeichnet im Februar 2016]) enthalten in ihren Auslegungsklauseln eine zusätzliche Bedingung wie den „serious concern“-Test in Art.  8.31 (3) CETA.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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insbesondere dazu dienen, einen Machtmissbrauch der CETA-Vertragsparteien bzw. des Gemischten CETA-Ausschusses zu verhindern. Dagegen spricht jedoch, dass die Vertragsstaaten durch den Gemischten CETA-Ausschuss im Zweifel selbst darüber entscheiden, was unter ernsthaften Bedenken bei der Auslegung des CETAs zu verstehen ist und wann diese vorliegen, so dass eine Funktion im Sinne der Verhinderung von Machtmissbrauch ausgehebelt wird.529 (2) „Ab einem bestimmten Zeitpunkt“ Der Gemischte CETA-Ausschuss ist nach Art.  8.31 (3) CETA zudem dazu befugt, den Zeitpunkt festzulegen, ab dem eine Auslegung zum CETA verbindlich sein soll: „Der Gemischte CETA-Ausschuss kann beschließen, dass eine Auslegung ab einem bestimmten Zeitpunkt bindende Wirkung hat.“530 Ein ausdrücklicher Zusatz eines Rückwirkungsverbotes hinsichtlich der Festlegung des Zeitpunkts der bindenden Auslegung wurde nicht geregelt. Das wirft die Frage auf, ob auch eine rückwirkende Bindung möglich ist und wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt diese rückwirkende Bindung geregelt werden darf, mit Rücksicht auf das Rückwirkungsverbot als Aspekt der rule of law bzw. des Rechtsstaatsprinzips zwischen der Interpretation des Vertragstextes und der Vertragsänderung zu unterscheiden. Bei der Änderung einer CETA-Investitionsschutzregelung würde das Prinzip des Rückwirkungsverbotes gelten, weil die Änderung eine neue Regelung schafft. Dagegen gilt das Rückwirkungsverbot nicht bei einer Vertragsinterpretation, da die Auslegung einer CETA-Investitionsschutzregelung lediglich den Inhalt einer bestehenden Norm verdeutlicht.531 So einfach sich diese Unterscheidung anhört, umso schwieriger kann es aber in der Praxis sein, bei einer Auslegung des Gemischten CETA-Ausschusses zu bestimmen, ob es sich lediglich um eine Interpretation oder bereits um eine Änderung des Übereinkommens handelt. Exemplarisch für diese Schwierigkeit ist der Fall Pope & Talbot Inc. gegen Canada unter dem NAFTA, in dem das Schiedsgericht der Meinung war, dass die vorgenommene Auslegung der NAFTA-Free Trade Commission zu Art.  1105 NAFTA (Minimum Standard of Treatment) und im speziellen zur Investitionsschutzregelung des „fair and equitable treatment and full protection and security“ keine Interpretation, sondern in Wirklichkeit eine Änderung des NAFTA-Vertragstextes darstellte, weil sie den Verweis auf 529 

Vgl. hierzu Pehl, Repräsentative Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S.  171. (3) CETA. Im Vergleich zum NAFTA führt das CETA damit einen weiteren neuartigen Zusatz ein, der so im NAFTA nicht ausdrücklich geregelt wird, vgl. Art.  1131 (2) NAFTA. 531 Vgl. Kaufmann-Kohler, Interpretive Powers of the Free Trade Commission and the Rule of Law, in: Gaillard/Bachand (Hrsg.), Fifteen Years of NAFTA Chapter 11 Arbitration, S.  175, 189. 530  Art.  8.31

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

das Völkerrecht in Art.  1105 NAFTA auf das Völkergewohnheitsrecht beschränkte.532 Tatsächlich wird nach der Definition von Art.  38 der Satzung des Internationalen Gerichtshofs533 das Völkerrecht im Allgemeinen als Vertrag und allgemeine Rechtsgrundsätze zusätzlich zum Völkergewohnheitsrecht verstanden.534 Diesbezüglich haben Staaten aber auch nach Art.  39 und 11 WVK die Möglichkeit und das Recht, einen völkerrechtlichen Vertrag „durch Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien [zu ändern]“.535 Da der Gemischte CETA-Ausschuss eine Emanation der CETA-Vertragsparteien ist,536 ist davon ausgehen, dass eine Änderung im Wege einer Auslegung durch den Gemischten CETA-Ausschuss einer Änderung durch die Vertragsparteien selbst entspricht.537 532 Siehe Pope & Talbot Inc. vs Canada, NAFTA-Case, Awards on the Merits of Phase 2, 10.04.2001, S.  47 f., online abrufbar unter: https://www.italaw.com/sites/default/files/case-do cuments/ita0678.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe zu der Schwierigkeit, eine Vertragsinterpretation von einer Änderung zu unterscheiden auch: Brower, Charles H. II, InvestorState Disputes Under NAFTA: The Empire Strikes Back, in: Col. J. Trans’l L., Bd.  40 (1) (2001), S.  43, 43; Weiler, NAFTA Investment Arbitration and the Growth of International Economic Law, in: Canada Bus. L. J., Bd.  36 (3) (2002), S.  405, 428. 533  Siehe Art.  38 (1) Statute of the International Court of Justice (beschlossen am 26.06.1945, in Kraft getreten am 24.10.1945): „The Court, whose function is to decide in accordance with international law such disputes as are submitted to it, shall apply: a. international conventions, whether general or particular, establishing rules expressly recognized by the contesting states; b. international custom, as evidence of a general practice accepted as law; c. the general principles of law recognized by civilized nations; d. subject to the provisions of Article 59, judicial decisions and the teachings of the most highly qualified publicists of the various nations, as subsidiary means for the determination of rules of law.“, online abrufbar unter: https://cil.nus.edu.sg/wp-content/uploads/2019/02/1945Statute-of-the-International-Court-of-Justice-1.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 534  Brownlie, Brownlies Principles of Public International Law, S.  20: „Article 38 is often put forward as a complete statement of the sources of international law“; Degen, Sources of International Law, S.  3 ff.; Hiller, Sourcebook on Public International Law, S.  63 ff. 535  Siehe zur Vertragsänderung des CETAs, insbesondere zu den Regelungen im CETA, die insoweit auch lex specialis zum WVK sind, oben unter 3. Kapitel C II 2 b) jj). 536  So in Bezug auf die sehr ähnlich geregelte NAFTA-FTC: Kaufmann-Kohler, Interpretive Powers of the Free Trade Commission and the Rule of Law, in: Gaillard/Bachand (Hrsg.), Fifteen Years of NAFTA Chapter 11 Arbitration, S.  175, 191. Anders dagegen zur NAFTA-FTC, die als eine von den NAFTA-Vertragsparteien getrennte und eigenständige Einrichtung zu betrachten sei: Matiation, Arbitration with Two Twists: Loewen v. United States and Free Trade Commission Intervention in NAFTA Chapter 11 Disputes, in: U. of Penn. J. of Int’l E. L., Bd.  24 (2) (2003), S.  451, 477. 537  Hierzu erklärt Schill, dass eine „dadurch begründeten Gefahr einer Haftungserweiterung kann aber durch eine entsprechende Beteiligung der Mitgliedstaaten bei der Entscheidungsvorbereitung und -findung im Gemischten CETA-Ausschuss und eine damit einhergehende demokratische Rückbindung Rechnung getragen werden“, Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 76.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Eine CETA-Gerichtskammer darf sich daher auch nicht im Einzelfall überlegen, ob es sich um eine Interpretation oder um die Änderung des CETA-Vertragstextes handelt und ob es der angenommenen Auslegung des Gemischten CETA-Ausschusses folgt. Eine Auslegung durch den Gemischten CETA-Ausschuss ist für das Gericht bindend, egal ob es sich um eine Interpretation oder Vertragsänderung handelt. Dieser Schlussfolgerung kann allerdings die Rechtssicherheit als wesentlicher Grundsatz der rule of law bzw. des Rechtsstaatsprinzips entgegenstehen. Aufgrund der Rechtssicherheit muss die gegenüber dem Investor vorgenommene Maßnahme des Gastgeberstaates anhand der zum Zeitpunkt der Maßnahme geltenden Regelungen gemessen werden und nicht anhand der neu geschaffenen Regelungen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die angebliche Auslegung durch den Gemischten CETA-Ausschuss nach der Maßnahme des Gastgeberstaates erfolgt, in Wirklichkeit eine Änderung des CETA-Vertragstextes darstellt und rückwirkend auf einen Zeitpunkt vor der hoheitlichen Maßnahme festgelegt wird. Mit anderen Worten, die relevanten Regelungen können keine rückwirkende Kraft entfalten.538 Die geschilderte Problematik stellt sich dagegen nicht, wenn es sich bei der Auslegung durch den Gemischten CETA-Ausschuss um eine wahre Interpreta­ 538 

Der Grundsatz des Rückwirkungsverbotes ist insbesondere auch in Art.  28 WVK (Nichtrückwirkung von Verträgen) geregelt: „Sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, binden seine Bestimmungen eine Vertragspartei nicht in Bezug auf eine Handlung oder Tatsache, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags hinsichtlich der betreffenden Vertragspartei vorgenommen wurde oder eingetreten ist, sowie in Bezug auf eine Lage, die vor dem genannten Zeitpunkt zu bestehen aufgehört hat.“ In diesem Sinne sollte daher die folgende, hypothetische Situation für den Investitionsschutz unter dem CETA nicht in Betracht kommen: Sollte der Gemischte CETA-Ausschuss sich dafür entscheiden, eine verbindliche Auslegung rückwirkend auf eine Maßnahme anzuwenden, die vor der Annahme der verbindlichen Auslegung stattgefunden hat, würde die Gefahr bestehen, dass die CETA-Vertragsparteien versuchen würden, die Möglichkeit der betroffenen Investoren zu beeinflussen, eine Klage beim CETA-Gericht einzureichen. Wenn in einem solchen Fall die verbindliche Auslegung der Investitionsschutzvorschrift des CETAs nach der hoheitlichen Maßnahme den durch das CETA gebotenen Investitionsschutz einschränken würde, könnte die Auslegung als mögliche Abschreckung für einen Investor wirken, einen Anspruch vor dem CETA-Gericht geltend zu machen. Der Gastgeberstaat könnte dann beispielsweise eine Finanzkrise ähnlich der, die Argentinien in den Jahren 1998–2002 erlebte, durchmachen und bestimmte Maßnahmen bezüglich des Kapitaltransfers und der Verwendung von Devisen ergreifen. Der Gemischte CETA-Ausschuss könnte dann eine verbindliche Auslegung im Sinne einer Interpretation (bzw. Vertragsänderung) annehmen, dass die Notfallmaßnahmen des Gastgeberstaates keine rechtswidrige Verletzung des fair and equitable treatment-Standards darstellen würden. Die Auslegung würde dann mögliche Ansprüche von Investoren aufgrund einer rechtswidrigen Verletzung des fair and equitable treatment-Standards abschrecken.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

tion handelt, d. h. um eine Interpretation, die klärt, was die Norm schon immer gewesen sein soll. cc) Die Verbesserung der Rechtssicherheit durch die Vorhersehbarkeit der Durchsetzung der Investitionsschutzregelungen des CETAs Unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips bzw. der rule of law muss es eine Kongruenz zwischen der Formulierung und der Umsetzung des Gesetzes geben. Dies setzt eine konsistente und kohärente Anwendung und Auslegung des Rechts voraus und ist mit der Unabhängigkeit neutraler Richter hinsichtlich der gerichtlichen Durchsetzung des Rechts verbunden.539 Die Rechtsstaatlichkeit erfordert demnach im Wesentlichen Rechtssicherheit durch Regelungen, die allgemein aber klar formuliert und deswegen in der Durchsetzung vorhersehbar sind.540 Was die Rechtssicherheit als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips und der rule of law anbelangt, ist der Gemischte CETA-Ausschuss als verbindliches Auslegungsinstrument der Vorhersehbarkeit der Entscheidungen des CETA-Gerichts förderlich. Dabei sollte bei der Aufstellung einer solchen These, speziell in Bezug auf das CETA und unter Berücksichtigung der ähnlich eingerichteten Free Trade Com­ mission nach dem NAFTA sowie der Gesetzcommission des preußischen allgemeinen Landrechts, nicht außer Acht gelassen werden, dass man zwischen dem Vorhandensein und der Ausübung von Auslegungskompetenzen unterscheiden sollte. Bereits durch die Existenz der Auslegungskompetenz als Institution und die Tatsache, dass dem Gemischten CETA-Ausschuss eine solche Kompetenz in abstrakter Form zugewiesen wurde, und nicht die Art und Weise, wie diese Kompetenz konkret ausgeübt wird, erhöht bereits die Vorhersehbarkeit der Anwendung und Durchsetzung des Investitionsschutzrechts im Vergleich zur üblichen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen. Die Auslegung einer Regelung des CETAs durch den Gemischten CETA-Ausschuss wird alle Adressaten dieser Regelung und alle zukünftigen CETA-Streit­ entscheidungskammern binden, während eine Auslegung durch ein ICSIDSchieds­gericht eine auf die Streitparteien begrenzte Wirkung entfaltet. Sie wird nur die Parteien des Schiedsgerichtsverfahrens binden und kann lediglich de facto eine gewisse Wirkung auf andere ICSID-Schiedsverfahren haben.541 Unter dem Aspekt der Rechtssicherheit ist die institutionelle Verkoppelung der Recht539  Siehe hierzu Kramer, Objectivity and the Rule of Law, S.  73 f.; Siehe auch Tamanaha, On the Rule of Law: History, Politics, Theory, S.  91–101. 540  Siehe hierzu auch oben, 1. Kapitel B. I. 1. a) und III. 541  Siehe hierzu Commission, Precedent in Investment Treaty Arbitration: A Citation Analysis of a Developing Jurisprudence, in: J. of Int’l Arb., Bd.  24 (2) (2007), S.  129, 129; Kauf­ mann-Kohler, Arbitral Precedent: Dream, Necessity or Excuse?, The 2006 Freshfields Lecture, in: Arb. Int’l, Bd.  23 (3) (2007), S.  357, 357.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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sprechung mit einem legislativen (nicht judikativen) Mechanismus zur Interpretation der Regelungen für die Rechtsstaatlichkeit daher von Vorteil. dd) Der Einfluss der CETA-Vertragsparteien auf die unabhängige Rechtsanwendung und Rechtsfindung der CETA-Gerichtsmitglieder Die in Art.  8.31 (3) CETA geregelte Kompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses, eine für das CETA-Gericht und die Rechtsbehelfsinstanz verbindliche Auslegung anzunehmen, stellt zugleich die Möglichkeit dar, auf die unabhängige Rechtsanwendungs- und Rechtsfindungstätigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder Einfluss zu nehmen. Eine Legislativentscheidung kann demnach unmittelbaren Einfluss auf eine Judikativentscheidung nehmen, was unter dem Aspekt der Unabhängigkeit neutraler Richter als wesentliches Element der rule of law bzw. des Rechtsstaatsprinzips äußerst bedenklich erscheint. Zumindest ist es umstritten, ob die Auslegungskompetenz eines legislativen Mechanismus das Rechtsstaatsprinzip in der Investor-Staat-Streitbeilegung stärkt oder beeinträchtigt, jedoch nicht, dass dadurch die unabhängige Rechtsanwendung und Rechtsfindung von Investor-Staat-Streitbeilegungssystemen, wie das CETA-Gericht, beeinflusst und beeinträchtigt wird, was die folgenden verschiedenen Ansichten verdeutlichen: Die EU hat die Befugnis zur Übernahme verbindlicher Auslegungsvorschriften als, „[d]ie Fähigkeit, verbindliche Auslegungen zu beschließen, ist ein Sicherheitsventil für den Fall, dass den Gerichten Fehler unterlaufen“542 bezeichnet. Sie diene als Mittel zur „staatlichen Kontrolle der Auslegung“543, durch welche die CETA-Vertragsparteien sicherstellen können, dass die korrekte Bedeutung ihrer Vertragsbestimmungen in ISDS-Verfahren Anwendung findet,544 insbesondere wenn das CETA-Gericht die CETA-Investitionsschutzvorschriften zu weit und ohne ausreichende Berücksichtigung von Allgemeinwohlinteressen auslegt.545 542 

Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/tradoc_151959.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022); Siehe auch Braun, Investment Chapters in Future European Preferential Trade and Investment Agreements: Two Universes or an Integrated Model?, in: Hofmann/Schill/Tams (Hrsg.), Preferential Trade and Investment Agreements, S.  129, 154. 543  Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/decem ber/tradoc_151959.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 544 Vgl. Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) (2016), online abrufbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/ december/tradoc_151959.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 545  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 76.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Schill schließt sich dieser Ansicht an und bezeichnet Art.  8.31 (3) CETA als sinnvollen Schritt, das CETA-Gericht mit einem legislativen Mechanismus institutionell zu verbinden und so die Auslegung der abstrakt formulierten Regelungen des CETAs durch das CETA-Gericht (samt der Rechtsbehelfsinstanz) durch die CETA-Vertragsparteien kontrollieren und steuern zu können.546 Eine eventuelle gerichtliche Rechtsfortbildung würde der Kontrolle der Vertragsparteien nicht entgleiten.547 Anders dagegen Brower, der eine Auslegungsbefugnis durch einen Ausschuss, wie den Gemischten CETA-Ausschuss, vehement kritisiert. Mit der Möglichkeit der verbindlichen Auslegung des materiellen Investitionsschutzrechts durch ein Gremium, das mit staatlichen Vertretern besetzt wird, würde dem Investor-StaatStreit­beilegungsmodell eine wesentliche und gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit vorteilhafte Eigenschaft genommen – ein neutrales Forum mit einer entpolitisierten Entscheidungsfindung.548 Eine unabhängige Rechtsanwendung und Rechtsfindung durch die Mitglieder des CETA-Gerichts sei durch eine Auslegung des Gemischten CETA-Ausschusses nicht mehr gewährleistet.549 Zu den dargelegten Ansichten zur institutionellen Verkoppelung der Rechtsprechung mit einem legislativen Mechanismus soll im Folgenden kritisch erörtert werden, ob die Auslegungskompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses gemäß Art.  8.31 (3) CETA die Gefahr einer gelenkten Unabhängigkeit der CETA-Ge­richtsmitglieder in sich birgt (1.) und dadurch ein Problem für die Waffengleichheit im Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht durch die Sonderrolle des beklagten Gaststaates als CETA-Vertrags- und Prozesspartei darstellt (2.). Beides steht im Widerspruch zu der nach dem Rechtsstaatsprinzip zu gewährleistenden Unabhängigkeit neutraler Rechtsprechung.

546 

Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 74. Auch auf nationaler Ebene der Bundesrepublik Deutschland ist es beispielsweise möglich, dass ein Gesetzgeber durch Änderungen der ab­ strakt-generellen Gesetzeslage alle Fallkonstellationen eines bestimmten Typs einer anderen, eine fragwürdige Rechtsprechung konterkarierenden Lösung zuführt (gegebenenfalls auch rückwirkend soweit das mit dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot vereinbar ist), vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd.  II, Art.  20 (Rechtsstaatsprinzip), Rn.  151 ff. und Bd.  III, Art.  97, Rn.  23. 547  Schill, Investitionsschutz in EU-Freihandelsabkommen: Erosion gesetzgeberischer Gestaltungsmacht?, in: ZaörV (2018), S.  33, 75. 548  Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 809. 549 Vgl. Brower, From the Two-Headed Nightingale to the Fifteen-Headed Hydra, in: Fordham ILJ, Bd.  41 (4) (2018), S.  791, 809.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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(1) Die Gefahr der gelenkten Unabhängigkeit durch die Möglichkeit der verbindlichen Auslegung des Vertrags durch den Gemischten CETA-Ausschuss Insbesondere eine sogenannte „Korrekturauslegung“550 durch den Gemischten CETA-Ausschuss, also die Korrekturmöglichkeit einer unerwünschten Wendung der Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen durch das CETA-Gericht, birgt die Gefahr einer gelenkten Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder durch die CETA-Vertragsparteien in sich. Gemeint ist damit die sachliche Unabhängigkeit. Dabei ist mit dem Begriff der gelenkten Unabhängigkeit aber durchaus vorsichtig umzugehen, da es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der sowohl weit ausgelegt werden kann als auch eng verstanden wird. Das Bundesverfassungsgericht setzt beispielsweise ein engeres Verständnis an das Vorliegen der gelenkten Unabhängigkeit der Rechtsprechung. Diese liege vor, wenn die Betroffenen nicht mehr darauf vertrauen können, dass der für sie zuständige Richter allein dem Recht verpflichtet sei, sondern staatlich oder von anderen Kräften gelenkt wird und damit nicht im Sinne der Unabhängigkeit eines neutralen Richters, als unbeteiligter Dritter die Freiheit von Vorurteil und Parteinahme und damit die Sachlichkeit und Objektivität der Entscheidung gewährleistet.551 Anders dagegen Brüggemann, der im Vergleich ein weites Verständnis an das Vorliegen einer gelenkten Unabhängigkeit von Richtern setzt: „Wer nicht unabhängig ist, wer gelenkte Sprüche, keine Wahrsprüche fällt, ist nicht Richter. Er ist bestenfalls Justizfunktionär, mag er auch in irgendeiner Form die Bezeichnung ‚Richter‘ in einer wie immer aufgezogenen Gerichtsbarkeit führen. […].“ „[…] die sachliche Unabhängigkeit: die Freiheit von dienstlichen Weisungen mit Bezug auf die Untersuchung und Entscheidung in Rechtssachen, das Recht und die Pflicht, jeglichen Versuch einer Einflußnahme [sic!], möge er aus dem staatlichen Machtbereich oder von außerstaatlicher Seite an den Richter herangetragen werden, auf das strikteste unbeachtet zu lassen. […] Der sachlichen Unabhängigkeit des Richters entspricht die Pflicht aller Stellen außerhalb des Gerichts, sie zu achten. Es ist zunächst eine Pflicht der staatlichen Exekutive, und hier in erster Linie der Ministerien; diesen Sinn, als den eines Weisungsverbotes, hat die Formel von der Unabhängigkeit des Richters in ihren historischen Ursprüngen vornehmlich gehabt. Er scheint 550 Vgl. Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, online abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022): „um eine etwaige Fehlinterpretation des CETA durch die Gerichte zu verhindern oder zu korrigieren“. 551 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2018 – 2 BvR 780/16, Rn.  48 = BVerfG, Grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes von Verwaltungsrichtern auf Zeit, in: NJW (2018), S.  1935.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

heute kaum noch problematisch. ‚Weisungen‘ werden in der Tat nicht mehr erteilt. Nicht einmal Diktaturen haben das nötig. An die Stelle der Weisung sind unauffälligere Formen der Lenkung getreten. Das Ministerium erfordert Bericht, zitiert den Gerichtsvorsitzenden und spricht ‚Erwartungen‘ aus, gibt ‚Anregungen‘ und ‚Empfehlungen‘, stellt die Beachtung tatsächlicher oder rechtlicher Geschichtspunkte ‚anheim‘, schult die Richterschaft durch ‚Richterbriefe‘ (wie im Dritten Reich) – wobei der formale Vorbehalt, alles dies geschehe ‚unbeschadet der richterlichen Unabhängigkeit hinsichtlich der im Einzelfall zu treffenden Entscheidung‘, nie zu fehlen pflegt.“552

Die gelenkte Unabhängigkeit braucht demnach nicht weisungsgebunden im Sinne des Bundesverfassungsgerichts zu sein, also durch ausdrückliche Erklärung eine bestimmte Entscheidung treffen oder eine bestimmte Rechtsauffassung vertreten zu müssen. Bereits unauffälligere Formen der Lenkung der Rechtsprechung genügen, um die Unabhängigkeit des Richters zu beeinträchtigen und von einer gelenkten Unabhängigkeit zu sprechen. In diesem Sinne stellt die Kompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses zur Annahme von einer für das CETA-Gericht verbindlichen Auslegung des Vertragstextes durchaus zumindest die Lenkung hinsichtlich der Annahme einer bestimmten Rechtsauffassung dar. Genannt sei hier nur als Beispiel die Pflicht zur Überprüfung der Auslegung des CETA-Gerichts hinsichtlich der FET-Klausel gemäß Art.  8.10 (3) CETA, wozu der Rat der Europäischen Union anmerkte: „Die Europäische Union und Kanada sind gehalten, den Inhalt der Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung regelmäßig zu überprüfen, um sich zu vergewissern, dass sie ihren Absichten (auch denen, die in dieser Erklärung dargelegt sind) entspricht und nicht weiter ausgelegt werden kann, als von ihnen beabsichtigt.“553

Und auch generell zur Auslegung der Investitionsschutzvorschriften des CETAs: „Um zu gewährleisten, dass die Gerichte die Absicht der Vertragsparteien, wie sie im Abkommen festgelegt ist, unter allen Umständen achten, enthält das CETA Bestimmungen, wonach die Vertragsparteien bindende Auslegungen festlegen können. Kanada und die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verpflichten sich, von diesen Bestimmungen Gebrauch zu machen, um eine etwaige Fehlinterpretation des CETA durch die Gerichte zu verhindern oder zu korrigieren.“554

552  Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, Wegmarken des Rechtsstaats in Deutschland, S.  85. 553 Siehe Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, online abrufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 554 Siehe Rat der Europäischen Union, Gemeinsames Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Dokument 13541/16 (Brüssel, 27.10.2016), S.  5, online ab-

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Auch wenn die Auslegungskompetenz der CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETA-Ausschuss gemäß der Europäischen Kommission und nach Schill grundsätzlich guten Vorsätzen entspricht, kann der damit begründete Einfluss auf die Rechtsprechung des CETA-Gerichts nicht verneint und durchaus kritisch betrachtet werden. Im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit stellt sie durchaus auch eine Verschlechterung des Rechtsstaatsprinzips mit der Garantie der Unabhängigkeit neutraler Richter dar. In welchem Maß das CETA-Gericht die Auslegungskompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses beeinträchtigen wird und ob dadurch tatsächlich eine gelenkte Unabhängigkeit der CETA-Ge­ richtsmitglieder, insbesondere unter dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts, begründet wird, kann zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht festgestellt werden. Zumal Art.  8.30 (1) CETA regelt, dass die Mitglieder des Gerichts aufgrund ihrer Unabhängigkeit „[…] keine Weisungen einer Organisation oder Regierung entgegennehmen [dürfen], die Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Streitigkeit betreffen“, und der Gemischte CETA-Ausschuss quasi mit Vertretern der Regierungen der CETA-Vertragsparteien beschickt ist. Demnach ist bei einem weiten Verständnis des Begriffs der Weisung im Sinne des Art.  8.30 (1) CETA den CETA-Gerichtsmitgliedern geboten, in bestimmten Situationen einer Auslegung des Gemischten CETA-Ausschusses nicht Folge zu leisten, soweit sich diese auf das Ergebnis der Entscheidung des CETA-Gerichts auswirkt und die Auslegung dazu bestimmt war, das Ergebnis des Verfahrens zugunsten des beklagten Gastgeberstaates zu beeinflussen und dadurch gerade keine allgemeine Auslegung angenommen wurde. Mit der Einflussnahmemöglichkeit des Gemischten CETA-Ausschusses auf die Rechtsprechung des CETA-Gerichts und aufgrund der beinahe unbegrenzten Reichweite seiner Auslegungskompetenz nach Art.  8.31 (3) CETA, die nur durch die „ernsthaften Bedenken in Bezug auf Auslegungsfragen“ begrenzt wird, sowie unter Berücksichtigung eines weiten Verständnisses der gelenkten Unabhängigkeit im Sinne von Brüggemann kann der Gemischte CETA-Ausschuss durchaus als ein Instrument dafür bezeichnet werden, die Rechtsprechung des CETAGe­richts lenken zu können. (2) Die Gefahr der Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren durch die Sonderrolle des beklagten Gastgeberstaates als Vertrags- und Prozesspartei Zudem birgt die dargestellte Verkoppelung des CETA-Gerichts mit dem Gemischten CETA-Ausschuss auch die Gefahr der Verletzung des Grundsatzes bzw. rufbar unter: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13541-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022).

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

der Prozessmaxime der Waffengleichheit im Verfahren vor dem CETA-Gericht in sich, die durch die Sonderrolle des beklagten Gastgeberstaates als Vertrags- und Prozesspartei begründet wird. Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit, die sich zum einen aus Art.  8.28 (2) (c) CETA i. V. m. Art.  52 (1) (d) ICSID Übrk. und insbesondere auch aus der nach Art.  8.23 (2) CETA gewählten Verfahrensordnung555 ergibt, sollen den Verfahrensparteien vor dem CETA-Gericht dieselben prozessualen Möglichkeiten offenstehen (sie sollen sich auf Augenhöhe begegnen). Wie von Sir Franklin Berman in seinem Sondervotum zum Aufhebungsverfahren im Fall Industria Nacional de Alimentos gegen Peru dazu bemerkt, besteht in einem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren aber die Besonderheit, dass nur eine der Prozessparteien zugleich Vertragspartei zum anzuwendenden Investitionsschutzabkommen sei und diese Besonderheit im Verfahren unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten Berücksichtigung finden müsse: „[T]he Tribunal […] must […] treat [assertions put forward by the Respondent] with all due caution, in the interests of its overriding duty to treat the parties to the arbitration on a basis of complete equality […].“556

Die Störung des Gleichgewichts bzw. der Waffengleichheit im Verfahren vor dem CETA-Gericht besteht in der Doppelrolle des CETA-Vertragsstaates bzw. Gastgeberstaates und ist intensiver als im Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit. Zum einen hat der Gastgeberstaat die Möglichkeit, durch seinen Vertreter in dem Gemischten CETA-Ausschuss zum Inhalt einer verbindlichen Auslegung des CETA-Vertragstextes beizutragen und dadurch auf das dem Verfahren zugrundeliegende materielle Investitionsschutzrecht einzuwirken. Und zum anderen kann der Gastgeberstaat als prozessführende Partei von der Auslegung profitieren, wenn diese das Ergebnis des Verfahrens zu seinen Gunsten be555  Siehe beispielsweise Art.  17 (1) UNCITRAL-Schiedsordnung: „Subject to these Rules, the arbitral tribunal may conduct the arbitration in such manner as it considers appropriate, provided that the parties are treated with equality […]“. Zwar ist die Gleichstellung der Parteien in der ICSID-Schiedsordnung nur implizit festgelegt, beispielsweise sieht die Erklärung, die gemäß Reg. 6 ICSID-Schiedsordnung von allen Schiedsrichtern unterzeichnet werden muss, vor, dass die Schiedsrichter „shall judge fairly as between the parties“. Jedoch wurde der Grundsatz der Waffengleichheit auch bereits als solcher für ICSID-Schiedsverfahren unter Berücksichtigung der ICSID-Schiedsordnung anerkannt: So hat das ad hoc-Komitee, das über die Aufhebung des Schiedsspruchs im Fall MINE vs Guinea zu entscheiden hatte, die Waffengleichheit der Prozessparteien als „fundamental rule of procedure“ bezeichnet, siehe Mari­ time International Nominees Establishment (MINE) vs Government of Guinea, ICSID Case No. ARB/84/4, Decision on the Application by Guinea for Partial Annulment of the Arbitral Award (14.12.1989), in: ICSID Review, Bd.  5 (1990), S.  95, Rn.  5.06. 556 Siehe Industrial Nacional de Alimentos, S.A. and Indalsa Perú, S.A. vs Republic of Peru, ICSID Case No. ARB/03/4, Decision on Annulment, Dissenting Opinion of Sir Franklin Berman, (05.09.2007), Rn.  9.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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einflusst. Dem beklagten Gastgeberstaat wird dadurch unter dem CETA die Möglichkeit gegeben, seine Sicht auf die Auslegung mit einer Autorität zu belegen, die für den ausländischen Investor als Kläger unerreichbar ist.557 Insbesondere die Kompetenz des Gemischten CETA-Ausschuss, eine verbindliche Auslegung einer bestimmten Investitionsschutzregelung für anhängige Streitigkeiten anzunehmen, stellt abstrakt eine Gefahr der Beeinträchtigung der Waffengleichheit dar und im Falle der Vornahme einen Verstoß gegen den nemo iudex in c­ ausa sua-Grundsatz.558 Als Beispiel dazu wurde in Bezug auf die Free Trade Commission des NAFTA kritisiert, dass diese eine Interpretation „out of the blue“, „without any prior public consultation“ und ohne „any warning to investors party to ongoing [NAFTA-]Chapter Eleven arbitrations“ vorgenommen habe, was gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien verstoßen habe.559 Diesbezüglich äußerte Sir Robert Jennings als Gutachter im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren Methanex gegen die USA die Kritik an der Einflussnahme der NAFTAVer­tragsstaaten auf Schiedsverfahren: „It would be wrong to discuss these three-Party ‚interpretations‘ of what have become key words in this arbitration, without protesting the impropriety of the three governments making such an intervention well into the process of the arbitration, not only after the benefit of seeing the written pleadings of the parties but also virtually prompted by them. […] This is surely against the most elementary rules of the due process of justice.“560

Eine Kritik, die durchaus auch auf die Auslegungsbefugnis des Gemischten CETA-Aus­schusses übertragen werden kann, da sie der Auslegungsbefugnis der NAFTA-Free Trade Commission sehr ähnlich ist.561 557 

Siehe hierzu auch Pehl, Repräsentative Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S.  272. Weiler, NAFTA Investment Arbitration and the Growth of International Economic Law, in: Canada Bus. L. J., Bd.  36 (3) (2002), S.  405, 405. Siehe zu dem Grundsatz nemo iudex in causa sua, oder „no one should be a judge in his own cause“, als weithin bekannten Grundsatz im internationalen Recht: O’Brien, Nemo Iudex in Causa Sua: Aspects of the No-Bias Rule of Constitutional Justice in Courts and Administrative Bodies, in: IJLS (2011), S.  26, 46 ff.; Ver­ meule, Contra Nemo Iudex in Causa Sua: The Limits of Impartiality, in: The Yale Law Journal (2011) S.  384, 384; Baker/Greenwood, Are Challenges Overused in International Arbitration?, in: J. of Int’l Arb. (2013), S.  101, 102. 559  Siehe hierzu Brower, Charles H. II, Structure, Legitimacy, and NAFTA’s Investment Chapter, in: Vanderbilt J. of Trans’l Law, Bd.  36 (1) (2003), S.  37, 81, der den Fall ADF Group, Inc. vs United States of America, ICSID Case No. ARB (AF)/00/1, Investor’s Reply to the Counter-Memorial of the United States on Competence and Liability, 28.01.2002, zitiert. 560  Jennings, Fourth Opinion, Methanex Corporation v. United States of America (2001), S.  3, 6, online abrufbar unter: https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/ ita0983.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 561  Der Gemischte CETA-Ausschuss ist von seiner Idee her der „Free Trade Commission“ des NAFTA sehr ähnlich. Siehe Art.  2001 (1) NAFTA: „The Parties hereby establish the Free 558 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Andererseits wird vertreten, dass keine Verfahrensrechte durch die Doppelrolle des beklagten Gastgeberstaates verletzt würden, da eine Trennung der Sonderrolle auf prozessualer und materieller Ebene vorzunehmen sei.562 Denn die Vertragspartei muss beide Rollen ausüben dürfen und können. Für einen fairen Prozess muss zwar die Rolle des Investors als Verfahrenspartei mit der Rolle des beklagten Gastgeberstaates als Verfahrenspartei ins Gleichgewicht gebracht werden. Der Gastgeberstaat hat aber auch in seiner Rolle als Vertragspartei zu dem Investitionsschutzabkommen die Fortentwicklung der Investitionsschutzvorschriften durch gemeinsame Auslegungserklärungen zu betreiben.563 Indem festgestellt werden kann, ob der beklagte Gastgeberstaat eher in seiner Rolle als Vertrags- oder Verfahrenspartei agiert, können beide Rollen voneinander bis zu einem gewissen Maß abstrahiert werden und es obliegt dann der Rolle des CETA-Ge­richts gebührend darauf zu reagieren, m.a.W. gegebenenfalls eine Auslegung des Gemischten CETA-Ausschusses zu ignorieren. Auch hier bietet ein Beispiel aus der NAFTA-Schiedsgerichtsbarkeit eine Hilfestellung. In dem Fall Methanex gegen die USA erkannte das Schiedsgericht eine durch die NAFTA-Vertragsstaaten angenommene verbindliche Auslegung auch für den Fall an, dass das Verfahren zum Zeitpunkt der ausgehenden Bindungswirkung bereits anhängig war:564 „[A]s far as Methanex’s textual claim under Art.  1105(1) was concerned, the interpretation changed nothing. Moreover, […] the Tribunal cannot now assume that the three NAFTA Parties had Methanex’s claim specifically in mind; the USA has observed that every NAFTA claimant in cases pending in 2001 has argued that the FTC interpretation was specifically targeted against it.“ Trade Commission, compromising cabinet-level representatives of the Parties or their designees“. Art.  1131 (2) NAFTA: „An interpretation by the Commission of a provision of this Agreement shall be binding on a Tribunal established under this Section“. Ähnlich nun Art.  30.1 USMCA: „The Parties hereby establish a Free Trade Commission (Commission), composed of government representatives of each Party at the level of Ministers or their designees“. Und weiter in Annex 14-D Art.  10 (2) USMCA: „A decision issued by the Commission under paragraph 1 shall be binding on the tribunal, and any decision or award issued by the tribunal must be consistent with that decision“. 562  Eine solche Trennung findet sich insbesondere bei Pehl, Repräsentative Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S.  273 ff.; Siehe aber im Ergebnis auch Methymaki/Tzanakopoulos, Masters of Puppets? Reassertion of Control through Joint Investment Treaty Interpretation, in: Kulick (Hrsg.), Reassertion of Control over the Investment Treaty Regime, S.  155, 180; Ro­ berts, Triangular Treaties: The Extent and Limits of Investment Treaty Rights, in: Harvard Int’l L. J., Bd.  56 (2015), S.  353, 411 ff. 563  Pehl, Repräsentative Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S.  274 564  Methanex Corporation vs USA, UNCITRAL Arbitration, Final Award of the Tribunal on Jurisdiction and Merits (03.08. 2005), Part IV, Chapter C, Rn.  20. Das Schiedsgericht reagierte damit auf die von Sir Robert Jennings geäußerte Kritik, Siehe Fußnote 1748.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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Demnach kann von einer Maßnahme in der Rolle der Verfahrenspartei gesprochen werden, wenn das Bewirken einer verbindlichen Auslegung des Vertragstextes durch den Gemischten CETA-Ausschuss, also auch unter Mitwirkung von Vertretern des beklagten Gastgeberstaates, offensichtlich das Ziel verfolgt, auf die Entscheidung des Gerichts im laufenden Verfahren einzuwirken.565 In einem solchen Fall wäre das CETA-Gericht daran gehalten, den Grundsatz der Waffengleichheit zu wahren und die verbindliche Auslegung für seine Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Allerdings schweigt das CETA zu den praktischen Konsequenzen, wenn das CETA-Gericht eine vom Gemischten CETA-Ausschuss angenommene, verbindliche Auslegung nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt oder sogar davon abweicht. Zumindest würde dies einen Grund für einen Rechtsbehelf nach Art.  8.28 (2) (a) CETA darstellen und der Urteilsspruch des CETA-Gerichts dürfte gemäß Art.  8.41 (3) CETA nicht vollstreckbar sein. Zusätzlich scheint eine Auslegung durch den Gemischten CETA-Ausschuss, die den Gastgeberstaat absichtlich gegenüber dem Investor in einem Verfahren vor dem CETA-Gericht begünstigen würde, unter den folgenden zwei Überlegungen äußert unwahrscheinlich: Das CETA-Gericht muss nach Art.  8.31 (1) CETA die Regelungen des CETAVer­tragstextes so anwenden (mit inbegriffen die verbindliche Auslegung zu einer bestimmten Regelung durch den Gemischten CETA-Ausschuss) wie es „nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge und anderen zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Regeln und Grund-sätzen auszulegen ist.“

Die grundlegenden Rechte der Parteien, einschließlich der Rechte aus einem ordentlichen Verfahren (inklusive der Prozessmaxime der Waffengleichheit), sind Teil des Völkerrechts.566 Darüber hinaus zielt das Kapitel 8, Abschnitt F des ­CETAs darauf ab, nichtstaatliche Akteure zu schützen, indem ihnen materielle und prozessuale Rechte eingeräumt werden, einschließlich des Rechts auf Zugang zum CETA-Gericht. Bei der Auslegung von Art.  8.31 (3) CETA gemäß Art.  31 (1) WVK, d. h. „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes […]“, wäre es dem Zweck des CETA-Investitionsschutzkapitels entsprechend unangebracht, wenn der Gemischte CETA-Ausschuss eine Bedeutung annehmen würde, die gegen grundlegende Rechte des ausländischen Investors verstößt.567 565 Vgl.

Pehl, Repräsentative Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S.  275. Paulsson, Denial of Justice in International Law, S.  199–206. 567 Vgl. Kaufmann-Kohler, Interpretive Powers of the Free Trade Commission and the Rule of Law, in: Gaillard/Bachand (Hrsg.), Fifteen Years of NAFTA Chapter 11 Arbitration, S.  175, 188. 566 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Ein entsprechender Machtmissbrauch durch den Gemischten CETA-Ausschuss bedarf schließlich auch eines Konsenses der CETA-Vertragsparteien bzw. der Mitglieder des Gemischten CETA-Ausschusses. Durch die Besetzung des Ausschusses durch Vertreter sämtlicher CETA-Vertragsparteien ist auch eine interne Kontrolle untereinander gewährleistet. Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass ein Vertreter des Heimatstaates des Investors eine Auslegung durch den Gemischten CETA-Ausschusses zulassen würde, die „seinen“ Investor in einem laufenden Verfahren vorsätzlich benachteiligen würde. Eher dürfte der Vertreter eines CETA-Vertragsstaates kaum eine vorsätzliche Benachteiligung seines natio­nalen Investors zum Vorteil eines einzelnen anderen CETA-Vertragsstaates tolerieren.568 568 

Dieser Ansicht ist im Grundsatz auch der EuGH, der sich zwar nicht auf einen Machtmissbrauch bzw. einen Verstoß des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren durch eine verbindliche Auslegung des Vertragstextes durch den Gemischten CETA-Ausschuss bezogen hat. Allerdings hat der EuGH die Möglichkeit klargestellt, eine Auslegung des Gemischten CETA-Ausschusses verhindern zu können, die mit dem Unionsrecht nicht vereinbar wäre: In dem Gutachten 1/92 (EWR II) und 1/00 (ECAA) befand der EuGH, dass die Einrichtung und die Funktionen der in dem jeweiligen Gutachten betreffenden gemeinsamen Auslegungsausschüsse aufgrund bestimmter Schutzmaßnahmen, die im zweiten Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und im Abkommen über einen gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraum (ECAA) enthalten sind, mit dem EU-Recht vereinbar sind. Die erste Schutzklausel bestand in einer Erklärung, dass eine verbindliche Auslegung der gemeinsamen Auslegungsausschüsse die Rechtsprechung des EuGHs nicht beeinflussen würde. Eine solche ausdrückliche Erklärung fehlt im CETA. Die zweite Schutzklausel ergab sich aus dem Entscheidungsprozess der gemeinsamen Auslegungsinstrumente, der jeweils auf der Grundlage des gegenseitigen Einvernehmens basierte. Nach Ansicht des EuGHs könnte die EU-Kommission die Rechtsprechung des EuGHs während der Beratungen der gemeinsamen Auslegungsausschüsse schützen, da sie gegen jeden Vorschlag, der gegen die Rechtsprechung des EuGHs verstößt, ein Veto einlegen könnte. Somit könnten die Vertreter der Vertragsparteien in dem jeweiligen Auslegungsausschuss einfach nicht ihre Zustimmung zu einer Auslegung des Vertragstextes ausdrücken, die gegen die Rechtsprechung des EuGHs verstoßen könnte. Vgl. EuGH, Opinion 1/92 (EEA II) [1992] ECR I-02821, Rn.  21–25 und EuGH, Opinion 1/00, (ECAA) [2002] ECR I-3493, Rn.  37–41. Was die Teilnahme der EU-Vertreter an den Sitzungen und Beschlüssen hinsichtlich einer verbindlichen Vertragsauslegung des Gemischten CETAAus­schusses betrifft, so müssten die EU-Vertreter nach den Kommentaren zum im Jahr 2012 durchgesickerten Kommissionsvorschlag von 2012 zunächst die Zustimmung der EU einholen, bevor eine Zustimmung der CETA-Vertragsparteien im Sinne der EU und der EU-Mitgliedstaaten zu dem entsprechenden Beschluss im Gemischten CETA-Ausschuss erreicht würde. Nach Art.  218 (9) AEUV würde dies einen Vorschlag der EU-Kommission und eine qualifizierte Mehrheit im Rat der EU erfordern. Demnach wäre nach diesem Verfahren vor dem technischen Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusses eine missbräuchliche Vertragsauslegung noch unwahrscheinlicher bzw. quasi ausgeschlossen. Das Dokument ist unter World Trade online verfügbar und erfordert eine Registrierung: https://goo.gl/qGrI37 (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Das entsprechende PDF-Dokument besteht aus drei Teilen in der folgenden Reihenfolge: der überarbeitete Entwurf der EU-Kommission von Juni 2012, die zusammenfassen-

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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ee) Gesamtwürdigung Die Darstellung zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle des CETA-Gerichts durch den Gemischten CETA-Ausschuss hat gezeigt, dass sich die CETA-Vertragsparteien durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit dem Gemischten CETAAus­schuss gemäß Art.  8.31 (3) CETA die Deutungshoheit für Fragen zur Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen vorbehalten haben. Die in Art.  8.31 (3) CETA geregelte Kompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses, eine verbindliche, allgemeine und abstrakte Konkretisierung der Bedeutung der CETAIn­ vestitionsschutzregelungen annehmen zu können, ermöglicht eine weitreichende inhaltliche Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts, aber nicht einen bestimmten Streitfall verbindlich beizulegen. Dadurch hat der Gemischte CETA-Ausschuss auch die Möglichkeit, bei Bedarf die CETA-Bestimmungen zur Streitbeilegung an sich ändernde Umstände anzupassen („as foreseen in the treaty“569), ohne dass das CETA zwischen den Vertragsparteien formell („on the same legal level as the original treaty“570) neu verhandelt werden müsste. Auf diese Weise kann beispielsweise effektiv einer möglichen Deregulierungsmission der CETA-Gerichtsmitglieder entgegengewirkt werden, wie sie teilweise in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit stattgefunden hat.571 Auch die Umdeutung der den Erklärungen der EU-Kommission zu dem Entwurf und das ursprünglich im Mai 2012 durchgesickerte Dokument. Die entsprechende hier zitierte Passage befindet sich auf S.  31, Comments on Article 9 (2). 569  Hafner, Subsequent Agreements and Practice: Between Interpretation, Informal Modification, and Formal Amendment, in: Nolte (Hrsg.), Treaties and Subsequent Practice, Oxford 2013, S.  105, 116 570  Hafner, Subsequent Agreements and Practice: Between Interpretation, Informal Modification, and Formal Amendment, in: Nolte (Hrsg.), Treaties and Subsequent Practice, Oxford 2013, S.  105, 116 571  Ein schönes Beispiel bildet insoweit der Fall Vattenfall gegen die BRD aus dem Jahr 2009: Im Jahr 2009 hat der schwedische Energiekonzern Vattenfall die deutsche Regierung verklagt und 1,4 Milliarden Euro sowie Zinsen auf Ausgleichszahlungen für Umweltschutzbeschränkungen für eines seiner Kohlekraftwerke gefordert, die aber von sämtlichen Energiekraftwerken entlang der Elbe einzuhalten waren. Der Fall wurde außergerichtlich beigelegt, nachdem Deutschland zugestimmt hatte, die Umweltstandards zu lockern. Siehe hierzu Vatten­ fall AB, Vattenfall Europe AG, Vattenfall Europe Generation AG vs Germany, ICSID Case No. ARB/09/6; Siehe hierzu auch Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, IISD (2009), online abrufbar unter: https://www.iisd.org/pdf/2009/background_vatten fall_vs_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). Ein weiteres Beispiel kann der ICSID-Fall CMS Gas Transmission Company gegen Argen­ tinien bringen: 1989 privatisierte Argentinien die öffentliche Gasversorgung und erteilte u. a. der argentinischen Gesellschaft TGN eine Lizenz zur Gasversorgung. CMS, ein US-amerikanisches Unternehmen, hielt knapp 30 % der Anteile an TGN. Die von Argentinien ausgestellte Lizenz sah u. a. vor, dass das Unternehmen das Recht hatte, die Gaspreise halbjährlich an die Entwicklung des Preisindexes in den USA anzupassen. Im Jahr 2002 geriet Argentinien in eine

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Diskriminierungsverbote in allgemeine Liberalisierungsgebote, wie der EuGH es bei den Grundfreiheiten vorgenommen hat, sollte dabei nicht auf die Investor-Staat-Streitbeilegung des CETA-Gerichts übertragen werden.572 Das Instrument ist demnach für die Rechtsstaatlichkeit insoweit von Vorteil, als dass der Gemischte CETA-Ausschuss die Vorhersehbarkeit der Anwendung der Investitionsschutzregeln durch das CETA-Gericht erhöht und damit für mehr Rechtssicherheit sorgt. Dafür muss die angenommene Auslegung aber klar und verständlich sein. Andernfalls wird sie keinen Beitrag zur Vorhersehbarkeit leisten. Dazu sollte die Auslegungsbefugnis so ausgeübt werden, dass diese nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.573 Ein solcher Verstoß kann auftreten, wenn die Grenzen einer echten Auslegung einer Regelung überschritten werden und in Wirklichkeit eine verschleierte Vertragsänderung vorgenommen sowie die Annahme der Vertragsänderung durch den Beschluss des Gemischten CETA-Ausschusses gemäß Art.  8.31 (3) S.  3 CETA für einen Zeitpunkt in der Vergangenheit bestimmt wird. Auch wenn der Gemischte CETA-Ausschuss durch seine Auslegung die Rechtssicherheit fördert, stellt sie gleichzeitig auch einen Eingriff in die Rechtsprechung dar, indem die CETA-Gerichtsmitglieder bei ihrer Rechtsanwendung und Rechtsfindung an die angenommene Auslegung gebunden sind. Diese PraWirtschafts- und Finanzkrise, worauf die Regierung den Staatsnotstand ausrief. In einem entsprechenden Gesetz wurden die Gaspreise eingefroren und das Recht zur Berechnung der Gaspreise auf der Grundlage der Preisentwicklung in den USA widerrufen. CMS leitete darauf ein Schiedsverfahren ein und berief sich auf die Verletzung des Grundsatzes der gerechten und billigen Behandlung gemäß Art. II (2) (a) des US-argentinischen Investitionsschutzabkommens, weil die argentinische Regierung die Stabilität und Vorhersehbarkeit des Investitionsklimas erheblich verändert habe. Das Schiedsgericht stellte in seiner Entscheidung zunächst auf die Präambel des Abkommens ab. Darin ist als Ziel des Investitionsschutzabkommens ein sicherer Rahmen für Investitionen genannt. Durch die argentinischen Maßnahmen seien aber das Rechts- und Wirtschaftssystem grundlegend geändert worden. Zwar müsse ein Rechtssystem nicht für immer unverändert bleiben, jedoch müsse jede neue Maßnahme im Rahmen eines geordneten Prozesses eingeführt werden. Wie dies angesichts einer umfassenden Finanz- und Währungskrise möglich sein soll, ließ das Schiedsgericht offen, vgl. CSM Gas Transmission Company vs Argentine Republic, ICSID. Case No. ARB/01/8, Award oft he Tribunal, 12.05.2005, online abrufbar unter: http://icsidfiles.worldbank.org/icsid/ICSIDBLOBS/OnlineAwards/C4/DC504_en.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 572  Vgl. zur Entwicklung der EU-Grundfreiheiten von einem Diskriminierungsverbot für grenzüberschreitende Sachverhalte zu einem allgemeinen Liberalisierungsgebot, Kingree, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art.  36 AEUV, Rn.  36. 573  Dass der Gemischte CETA-Ausschuss unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten insbesondere an das Verbot von Einzelfallauslegungen (im Sinne des Art.  19 (1) S.  1 GG) sowie an das Rückwirkungsverbot gebunden sein soll, ist nicht ausdrücklich geregelt. Im Gegenteil, nach Art.  8.31 (3) S.  3 CETA ist auch die Annahme einer rückwirkenden Auslegung möglich.

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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xis, insbesondere eine „Korrekturauslegung“ durch den Gemischten CETA-Ausschuss, also die Korrektur einer unerwünschten Wendung der Auslegung der CETA-Investitionsschutzregelungen durch das CETA-Gericht, stellt eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder bei der Rechtsfindung und Rechtsanwendung dar. Unter einem weiten Verständnis der Lenkung der Rechtsprechung birgt die verbindliche Auslegung sogar die Gefahr einer sogenannten gelenkten Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder. Gleichzeitig wird dem beklagten Gastgeberstaat in einem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit dem Gemischten CETA-Ausschuss auch die Möglichkeit gegeben, seine Sicht auf die Auslegung der materiellen anzuwendenden Investitionsschutzvorschriften mit einer Autorität zu belegen, die für den ausländischen Investor als Kläger unerreichbar ist. Die Möglichkeit, mittels des Gemischten CETA-Ausschusses eine verbindliche Auslegung einer bestimmten Investitionsschutzregelung für anhängige Streitigkeiten annehmen zu können, stellt deswegen eine abstrakte Gefahr und im gegebenen Fall eine konkrete Beeinträchtigung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren dar. Allerdings sollte Letzterem das Erfordernis eines Konsenses der CETA-Vertragsparteien hinsichtlich einer verbindlichen Vertragsauslegung entgegenstehen sowie dass keine CETA-Vertragspartei gegenüber ihrem nationalen Investor eine solche Benachteiligung im Verfahren vor dem CETA-Gericht tolerieren würde. c) Die Allgemeinheit als informaler Mechanismus zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts Einen mittelbaren Beitrag zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle des CETA-Gerichts leisten schließlich noch Kräfte der Allgemeinheit, die im Vergleich zu den beiden anderen dargestellten Instrumenten überwiegend nicht-rechtlicher Natur sind. In ihrer Wirksamkeit stehen sie diesen aber nicht notwendigerweise nach.574 Dabei ist an erster Stelle das durch das nach Art.  8.36 CETA zwingend einzuhaltende Transparenzsystem und die damit ermöglichte Indienstnahme der Öffentlichkeit bzw. der Allgemeinheit in ihren verschiedenen Ausdrucksformen (zuvorderst die Kontrolle aller Staatsgewalt durch das Volk), insbesondere durch die Beobachtung und gegebenenfalls notwendige Kritik an der Rechtsprechung des CETA-Gerichts, zu nennen.575 Durch die nach dem CETA gewährte Garantie der Öffentlichkeit der Verhandlungen (sogenannte Saalöffentlichkeit) ist eine Geheimhaltung der Entscheidungsfindung des CETA-Gerichts anders als im ICSID574 So

Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  163. Siehe ausführlich zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit im Rahmen der Verwaltung des CETA-Gerichts Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  163 ff. 575 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Schieds­verfahren nicht möglich. Dadurch wird insbesondere einer richterlichen Abhängigkeit und willkürlichen Entscheidungsfindung entgegengetreten, insbesondere weil die Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder vor geheimen Ingerenzen der CETA-Vertragsparteien oder der klagenden Investoren abgeschirmt werden kann.576 Zudem ist die nicht weniger wirksame Kontrolle des CETA-Gerichts durch Medien zu nennen, die dabei in einer Doppelfunktion tätig werden. Sie erstatten einer breiteren Öffentlichkeit Bericht über Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht und wirken gleichzeitig durch Kritik an den Verfahren und Entscheidungen auf die Rechtsprechung des CETA-Gerichts ein, wodurch die sachlich-inhaltliche Rechtsbindung des CETA-Gerichts an die Investitionsschutzvorschriften des CETAs gestärkt wird.577 Schließlich ist noch die sogenannte Kontrolle durch die Fachöffentlichkeit zu nennen. Das CETA-Gericht wird mit seinen Entscheidungen nicht allein Objekt der Besprechung und Kritik in Fachzeitschriften und anderen Publikationsorganen sein, sondern auch aktiv am wissenschaftlichen Diskurs teilnehmen.578

V. Gesamtwürdigung: Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETAs unter dem Bewertungsmaßstab Unter Heranziehung des im 1. Kapitel hergeleiteten Bewertungsmaßstabs wird in dem Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren nach dem CETA ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit gewährleistet werden. Im Vergleich zur „grenzenlosen“ ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit, die an einem erheblichen Demokratie- und Kon­ trolldefizit leidet579, hat eine Einhegung der traditionellen Investor-Staat-Streitbeilegung stattgefunden, indem diese einer staatlichen Kontrolle unterworfen und gleichzeitig der Einfluss der Verfahrensparteien auf das Investor-Staat-Streitbeilegungssystem erheblich beschränkt wird. Eine Einhegung findet zusätzlich durch die im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit begrenzte Entscheidungskompetenz des CETA-Gerichts durch das anwendbare prozessuale und materielle Investitionsschutzrecht des CETAs statt. Prozessual wurde dem CETA-Ge­richt die ausschließliche Kompetenz vorgegeben, auf Schadensersatz in Geld und/oder auf die Rückerstattung von Vermögenswerten entscheiden zu dürfen (einzeln oder in Kombination), was zu einer Entkopplung von Rechtspre576 

Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  164. So etwa Stürner, Gerichtsöffentlichkeit und Medienöffentlichkeit in der Informationsgesellschaft, in: JZ (2001), S.  699, 700 f. 578  Siehe hierzu Wank, Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in: Hoppe/Krawietz/Schulte (Hrsg.), Rechtsprechungslehre, S.  359, 359 ff., 376 ff., 384 ff. 579  Siehe hierzu oben, 2. Kapitel C. 577 

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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chung und Politik in der Investor-Staat-Streitbeilegung führen dürfte und insbesondere auch das sogenannte „right to regulate“ der CETA-Vertragsparteien schützen sollte. Dazu wird die Reichweite der Kontrollbefugnis des CETA-Gerichts durch das materiell anzuwendende Investitionsschutzrecht deutlicher umschrieben. Während die Regelungen älterer BITs und MITs bzw. Investitionsabkommen eher vage oder unpräzise formuliert sind, wurden im CETA komplexere und präziser definierte Regelungen zum Investitionsschutz aufgenommen. Die Begriffe von Investor und Investition wurden gründlicher definiert und es gibt umfangreiche Leitlinien für die unbestimmt formulierten Investitionsschutzregelungen zum Bestandsschutz von Investitionen, insbesondere zum gerechten und billigen Behandlungsgrundsatz oder zur Entschädigung für eine entschädigungslose, rechtswidrige Enteignung oder enteignungsgleiche hoheitliche Maßnahme. Auch die zahlreichen Ausnahmen, die nicht unter den Schutz des CETAs fallen sollen, sowie die Möglichkeit des Gemischten CETA-Ausschusses, die Haftung der CETA-Vertragsparteien durch die nachträgliche Änderung oder Ergänzung der Investitionsschutzregelungen weiter zu beschränken, sind beachtlich und fördern die Rechtssicherheit im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETAs. Dazu werden die Vorgaben des CETAs an die Rechtsprechung und die Verwaltung des CETA-Gerichts einen bedeutenden Beitrag zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder sowie zur Rechtssicherheit leisten und damit erheblich zur Rechtsstaatlichkeit im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren des CETAs beitragen. Evident ist dieser Beitrag bereits durch die unbedingte Beachtung eines Verhaltenskodex zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder sowie das Verbot im Sinne einer Kompatibilitätsregelung, sowohl zur selben Zeit als CETA-Gerichtsmitglied als auch Rechtsberater in der Investor-Staat-Streitbeilegung tätig sein zu dürfen. Besonders erwähnenswert ist aber auch die Kompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses zur Bestellung der CETA-Gerichtsmitglieder, wodurch im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit die Ernennung der Entscheidungsträger nicht mehr in der Hand der Verfahrensparteien, sondern in staatlicher Hand liegt. Wo in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit grundsätzlich und überwiegend das aus drei Schiedsrichtern bestehende, ad hoc gebildete Schiedsgericht gemäß Art.  37 (2) ICSID Übrk. durch entsprechende Auswahl der Verfahrensparteien zusammengesetzt wird, wird die sogenannte Kammer des CETAGe­richts für den jeweiligen, konkreten Fall gemäß Art.  8.27 (7) CETA durch den Präsidenten des CETA-Gerichts nach einem Rotations- und Zufallsprinzip aus den zuvor durch den Gemischten CETA-Ausschuss ernannten 15 Gerichtsmitgliedern zusammengesetzt. Der unmittelbare Einfluss der Verfahrensparteien auf die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums ist demnach ausgeschlossen.

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Dadurch wird die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder durch den in Art.  8.27 CETA geregelten Mechanismus in einem höheren Maße gewährleistet, als dies durch den in Art.  37 ICSID Übrk. geregelten Mechanismus geschieht.580 Auch die Rechtssicherheit im Verfahren wird in einem hohen Maße gewährleistet werden. Die Einrichtung einer Rechtsbehelfsinstanz zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle von Fehlern bei der Sachverhaltswürdigung, Rechtsanwendung und Rechtsfindung des CETA-Gerichts im Einzelfall wird wesentlich zu einer durch die Rechtsprechung vorzunehmenden Konkretisierung der überwiegend sehr abstrakt formulierten prozessualen und materiellen Regelungen des CETAs zum Bestandsschutz von Investitionen beitragen und diese konservieren. Dazu haben sich die CETA-Vertragsparteien die Deutungshoheit der prozessualen und materiellen Investitionsschutzvorschriften des CETAs vorbehalten. Im Rahmen einer inhaltlichen Kontrollkompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses in der Funktion eines Hüters des CETA-Investitionsschutzes können sie eine für das CETA-Gericht verbindliche Auslegung der Investitionsschutzregelungen vornehmen. Diese Kompetenz dürfte vornehmlich zur Kontrolle der Rechtsprechung des CETA-Gerichts dienen, wenn dieses eine zu weite Auslegung der CETA-Investitionsschutzvorschriften vornimmt, ohne dabei ausreichend die Allgemeinwohlinteressen zu berücksichtigen. Aufgrund der umfangreichen Kontrollkompetenzen der CETA-Vertragsparteien über die Rechtsprechung des CETA-Gerichts stellt sich aber auch die berechtigte Frage, ob unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten die Kompetenzen des Gemischten CETA-Ausschusses, die Gerichtsmitglieder zu ernennen,581 sie unter bestimmten Voraussetzungen wieder vom CETA-Gericht ausschließen zu können582 sowie eine für das CETA-Gericht verbindliche Auslegung des CETAVer­tragstextes vornehmen zu können,583 miteinander vereinbar sind. Der Eindruck entsteht, dass das CETA-Gericht nicht als unabhängiges und neutrales Forum rechtswidrige hoheitliche Maßnahmen der CETA-Vertragsparteien kontrolliert und sanktioniert, sondern die CETA-Vertragsparteien sich die Möglichkeit der Lenkung der Rechtsprechung des CETA-Gerichts vorbehalten haben. Dies hätte zur Folge, dass unter dem CETA keine Möglichkeit der Sanktionierung von rechtswidrigen Maßnahmen des Gastgeberstaates gegenüber Rechtsschutz suchenden ausländischen Investoren mehr gewährleistet werden kann. Die Frage kann wie folgt beantwortet werden: Die mit den Kompetenzen des Gemischten CETA-Ausschusses einhergehende Kontrolle des CETA-Gerichts 580 

Hierzu ausführlicher unter D. III. 5. a. Siehe Art.  8.27 (2) CETA. 582  Siehe Art.  8.30 (4) CETA. 583  Siehe Art.  8.31 (3) CETA. 581 

C. Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor dem CETA-Gericht

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dürfte nach Auffassung des Autors aufgrund der organisatorischen Struktur und des verfahrensrechtlichen Systems des Gemischten CETA-Ausschusses sowie der Verwaltung des CETA-Gerichts zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips führen. Eine unmittelbare Einflussnahmemöglichkeit der CETA-Vertragsparteien auf ein Verfahren vor dem CETA-Gericht dürfte festgestellter Maßen ausgeschlossen sein, so dass die Kontrollmöglichkeit des Gemischten CETA-Ausschusses keine berechtigten Zweifel an der Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder begründet. Diesbezüglich wird auch das zwingend einzuhaltende Transparenzsystem im Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren und die damit gewährleistete und nicht zu unterschätzende Kontrolle der Allgemeinheit ihren Teil dazu beitragen, die Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder vor Ingerenzen der staatlichen Einflussnahme durch einen Missbrauch des Gemischten CETA-Ausschusses in einem gewissen Maße abzuschirmen.584 Dazu ist der Gemischte CETA-Ausschuss paritätisch mit Vertretern der EU und Kanada besetzt und gewährleistet eine interne Selbstkontrolle bei der Beschlussfassung. Dadurch dürfte auch nicht die Absicht von (einzelnen) CETAVer­tragsparteien, aus der Kontrollmöglichkeit des CETA-Gerichts einen eigenen Vorteil gewinnen zu wollen, wie wir es unabhängig vom CETA in jüngerer Vergangenheit in der politischen Lage durchaus in Amerika („America First“) und Polen erfahren haben (Justizreform zur Kontrolle der Gerichte und Etablierung der eigenen politischen Ideologie der Regierungspartei PiS in der Justiz), der Unabhängigkeit und Neutralität des CETA-Gerichts abträglich sein. Wie sich aber das Zusammenspiel der Kompetenzen des Gemischten CETA-Ausschusses praktisch auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder auswirkt, muss sich erst noch in der Praxis zeigen. Allerdings zeigt die Erfahrung der NAFTA-Free Trade Commission, dass nicht mit einer Schwemme an verbindlichen Vertragsauslegungen durch den Gemischten CETA-Ausschuss zu rechnen sein dürfte, was zuletzt auch an dem zeitlich aufwendigen Beschlussverfahren liegen dürfte.585 584 Vgl.

Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  163 ff. Was die Häufigkeit der Ausschusssitzungen betrifft, so ist die Standardregel, dass die Zentralausschüsse und die Unterausschüsse des CETA, zu dem auch der Ausschuss für Investitionen und Dienstleistungen zählt, einmal pro Jahr zusammenkommen. Auf Antrag einer der CETA-Vertragsparteien können die Sitzungen auch zu anderen Terminen einberufen werden, wodurch eine Ausschusssitzung beispielsweise auch nur alle zwei Jahre stattfinden könnte, sich die Vertragsparteien nach Art.  26.6 CETA aber auch darum „bemühen“ sollen, „innerhalb von 30 Tagen nach Eingang eines von der anderen Vertragspartei übermittelten Ersuchens eine Sitzung abzuhalten“. Unabhängig davon müssen die Ausschüsse und Unterausschüsse lange im Voraus einberufen werden, dadurch ist die Möglichkeit der Vertragsparteien, schnell und flexibel bzw. rechtzeitig auf bestimmte ungünstige Auslegungen des CETA-Gerichts zu reagieren, 585 

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3. Kapitel: Die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA

Trotzdem sollte immer wachsam beobachtet werden, ob sich die Maßnahmen des Gemischten CETA-Ausschusses im Rahmen der durch das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip gesteckten Grundordnung bewegen. Dafür sollten noch weitere Regelungen zum Verfahren der Beschlussfassung des Gemischten CETAAus­schusses festgelegt werden. Insbesondere sollte die optionale Öffentlichkeit der Treffen nach Reg. 11 (1) Rules of Procedure of the CETA Joint Committee586 durch ein zwingendes Transparenzsystem der Öffentlichkeit zugänglich sein, damit ein entsprechender Beschluss nachvollziehbar akzeptiert werden kann. Zum anderen sollte eine Kontrolle der Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses durch das Europaparlament erfolgen. Dadurch würden diese demokratisch legitimiert und kontrolliert werden. Insgesamt dürfte das CETA eine Umkehrung von dem damals von Aron Bro­ ches für die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit entwickelten Grundsatz „procedure before substance“ zur „substance before procedure“ im internationalen Investitionsschutz einleiten. Das CETA-Gerichtssystem orientiert sich mehr an dem unionsrechtlichen Gerichtsbegriff als an dem System der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Zudem wird dem CETA-Gericht im Gegensatz zur ICSID-Schieds­ gerichtsbarkeit ein weitaus detaillierter geregelterer Entscheidungsmaßstab zur Verfügung gestellt, der zwar immer noch aufgrund unbestimmter Rechtsbegriffe der Auslegung des CETA-Gerichts bedarf, jedoch auch durch die Vertragsänderungs- und Vertragsergänzungskompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses einer weiteren Präzisierungsmöglichkeit unterliegt. Insbesondere durch die Verkoppelung des Gemischten CETA-Ausschusses mit dem CETA-Gericht hat eine Durchbrechung der Rollenverteilung, wie sie in der ICSID-Schieds­ gerichtsbarkeit herrscht, durch die Rückgewinnung größerer Deutungsmacht durch die CETA-Vertragsparteien stattgefunden. Anstatt des CETA-Gerichts haben die CETA-Vertragsparteien die Deutungshoheit über die materiellen und prozessualen Investitionsschutzvorschriften.

grundsätzlich faktisch stark eingeschränkt. Siehe hierzu Rule 4 (Meetings) und Rule 8 (Agenda for the Meetings) der Rules of Procedure of the CETA Joint Committee, online abrufbar unter: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2019/february/tradoc_157677.pdf (zuletzt abgerufen am 17.08.2022). 586  Rule 11 (1) Rules of Procedure of the CETA Joint Committee (Publicity and Confidentiality): „Unless otherwise specified by the Agreement or decided by the co-chairs, the meetings of the CETA Joint Committee will not be open to the public.“

Ergebnis der Untersuchung A. Zusammenfassung und Thesen 1. Bei der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung handelt es sich um materielle Rechtsprechung und Streitentscheidung im öffentlichen Recht. Die Besonderheit besteht in der Anwendung völkerrechtlicher Regeln zur Beurteilung von staatlichen Maßnahmen. Sie dient vorzugsweise der Abwehr hoheitlicher Maßnahmen oder der Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen. Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit oder die Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA stellen aus der Sicht des ausländischen Investors die bessere Alternative zur nationalen Gerichtsbarkeit des Gastgeberstaates sowie zum zwischenstaatlichen Schiedsverfahren oder dem diplomatischen Schutz dar. Letztere begründen ein Abhängigkeitsverhältnis des Investors zu seinem Heimatstaat und dieser müsste im Falle des diplomatischen Schutzes oder des zwischenstaatlichen Schiedsverfahrens das Risiko auf sich nehmen, dass die jeweilige Schutzmaßnahme seine politische Beziehung zum anderen Gastgeberstaat belastet. Nationale Rechtssysteme stellen dem ausländischen Investor im Vergleich zum inländischen Investor grundsätzlich keinen gleichwertigen Schutz seiner Investition zur Verfügung (Stichwort Jones-Day-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der materielle Grundrechtsschutz ausländischen juristischen Personen verwehrt bleibt). 2. Das Rechtsstaatsprinzip – auf internationaler Ebene die rule of law – eignet sich besonders gut als Untersuchungsmaßstab materieller Rechtsprechung. Wird die Bewertung einer gerichtlichen Rechtsdurchsetzung unter dem Rechtsstaatsprinzip vorgenommen, sollte dies im Zusammenhang mit dem durchzusetzenden materiellen Recht geschehen. Der Grad der Bestimmtheit des durchzusetzenden materiellen Rechts, und damit die Regelungsdichte einer Rechtsnorm, dient dabei als Parameter der rechtsstaatlichen Anforderungen an den Rechtsanwender in der Gestalt der Rechtsprechung (und der Verwaltung). Allen Bestimmtheitsanforderungen an Rechtsnormen ist gemein, dass der Grad der Bestimmtheit an die jeweiligen sachlichen Eigenarten des Regelungsgegenstandes anzupassen ist. Insoweit sind Rechtsnormen so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck mög-

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Ergebnis der Untersuchung

lich ist. Als Grundsatz lässt sich festhalten, dass je unbestimmter eine Rechtsnorm ist, desto höher gestaltet sich das rechtsstaatliche Defizit gegenüber dem Normadressaten. Allerdings kann ein rechtsstaatlich hoher Maßstab in der Rechtsdurchsetzung die rechtsstaatlichen Defizite unbestimmter und durchzusetzender materieller Normen in gewissem Maße kompensieren. Dadurch kann mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Allgemeinheitspostulat nach Art.  19 (1) GG und dem Bestimmtheitsgebot, welches im Auftrag der Rechtssicherheit steht, einerseits und der Herbeiführung eines genügenden Legitimationsniveaus der Rechtsprechung durch einen verstärkten Rekurs von Steuerungselementen zur sachlich-inhaltlichen Kontrolle bei einem weiten Spielraum an Entscheidungsbefugnissen wegen der Anwendung abstrakter Regelungen andererseits, die These als Bewertungsmaßstab dieser Untersuchung belegt werden, dass je vager die inhaltlichen Vorgaben des materiellen Rechts sind und damit die inhaltliche Steuerung der Rechtsprechung durch den Normgeber, umso höher müssen die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren sein.

3. Die Bewertung der Rechtsprechung eines Streitbeilegungssystems unter dem Rechtsstaatsprinzip, und im Besonderen anhand der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit neutraler Richter, kann dabei insbesondere mithilfe von fünf Faktoren vorgenommen werden: (1) Die Art und Weise des Auswahl- und Ernennungsverfahrens sowie die demokratische Legitimation der Entscheidungsträger für den entsprechenden Spruchkörper oder für das jeweilige Streitverfahren. (2) Die geforderten Qualifikationen und ethischen Anforderungen an den Entscheidungsträger: Es sollten insbesondere nur solche Personen in den Spruchkörper bestellt werden dürfen, die dafür eine anerkannt hohe Befähigung vorweisen können bzw. die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Qualifikation besitzen. Zudem muss sich verbindlich an einen Verhaltenskodex zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehalten werden. (3) Der geforderte Maßstab für die Begründung zur Ablehnung oder zum Ausschluss eines Entscheidungsträgers vom Streitbeilegungsverfahren wegen des Mangels an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit: Vorzugswürdig sollten im Rahmen der Beweislast des Antragstellers berechtigte Zweifel zur Begründung der Befangenheit des Entscheidungsträgers genügen. Hohe Anforderungen an die Beweislast, wie offensichtliche Gründe im Sinne von konkreten Tatsachen, die auf eine Voreingenommenheit schließen lassen, sind der Unabhängigkeitsgarantie abträglich. (4) Die Einrichtung konstanter Spruchkörper mit eigenem Rechtsbehelfsverfahren: Eine umfangreiche Überprüfungskompetenz von Entscheidungen durch

A. Zusammenfassung und Thesen

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eine Rechtsbehelfsinstanz auf Fehler bei der Rechtsanwendung und Rechtsfindung sowie der Würdigung des Sachverhalts ermöglicht gegebenenfalls eine Korrektur der Rechtsprechung im Einzelfall. Dies dient im Gegensatz zur ad hoc-Streitbeilegung insbesondere der Konservierung, der in der Rechtsprechung vorgenommenen Konkretisierung, sehr abstrakt formulierter Rechtsnormen und fördert eine einheitliche und konsistente Rechtsprechung. (5) Das von den Entscheidungsträgern zwingend anzuwendende Verfahrensrecht: Dabei sind vor allem der Grad an Transparenz in dem Verfahren und die Anforderungen an den Zugang zum Streitbeilegungssystem zu berücksichtigen. 4. Der für diese Arbeit gewählte Bewertungsmaßstab kann auf die InvestorStaat-Streit­beilegung nach dem ICSID-Übereinkommen und dem CETA, geregelt in Kapitel 8, Abschnitt F des CETA, angewandt werden. 5. Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen geht auf den vom früheren Generalsekretär der Weltbank, Aron Broches, entwickelten Grundsatz: „procedure before substance“ zurück, wobei durch das CETA eine gewisse Abkehr von dem Grundsatz stattgefunden hat. Der Grundsatz bedeutet, dass den ausländischen Investoren keine detaillierten Regelungen im internationalen Investitionsschutzrecht zur Verfügung gestellt werden, sondern die Möglichkeit besteht, den Gastgeberstaat direkt vor einem Schiedsgericht, bzw. nun auch direkt vor dem CETA-Gericht, verklagen zu können. Das Rechtsstaatsprinzip, bzw. die „rule of law“, bildet dabei in der internationalen Investitionsstreitbeilegung einen relevanten Kontext für die gerichtliche Klärung der oft unbestimmten Verfahrensregeln sowie der anzuwendenden und auszulegenden, unpräzisen materiellen Investitionsschutzregelungen, die eine einschränkende Funktion gegen staatliches Handeln ausüben. Im Vergleich zu Regelungen der deutschen Rechtsordnung, setzt das internationale Investitionsschutzrecht dabei noch intensiver auf unbestimmte Generalklauseln als auf detaillierte Regelungen, die sich in den völkerrechtlichen BITs und MITs sowie dem CETA wiederfinden, wobei das CETA-Investitionsschutzkapitel vergleichsweise komplexere und präziser definierte Investitionsschutzregelungen und umfangreiche Ausnahmen vom Investitionsschutz aufweist. 6. Die abstrakten, materiellen Investitionsschutzregelungen führen im Interesse der Einzelfallorientierung zu rechtfertigungsbedürftigen und wesentlichen Abstrichen an der Rechtssicherheit mit ihrem Bestimmtheitsgebot und damit am Rechtsstaatsprinzip. Eine solche Rechtfertigung kann durch ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit mit ihren Grundsätzen der Unabhängigkeit neutraler Richter und der Rechtssicherheit in der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung des Investitionsschutzrechts gelingen.

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Ergebnis der Untersuchung

7. Der Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSIDÜber­ einkommen gewährleistet keinen ausreichenden rechtsstaatlichen Ausgleich zu den anzuwendenden, sehr abstrakten materiellen Investitionsschutzregelungen der verschiedenen BITs und MITs. Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit ist zu missbrauchs- und fehleranfällig sowie ihre Entscheidungsfindung uneinheitlich und teilweise widersprüchlich. Die im Kapitel 2. dargestellte intensive und quantitative Kritik ist sogar dazu geeignet, die gesamte Funktionsfähigkeit und Legitimation der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit in Frage zu stellen. 8. Hier ist vorwiegend die besondere Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der ICSID-Schiedsrichter zu nennen. Diese Gefahr besteht vor allem aufgrund möglicher Interessenkonflikte in der Person des Schiedsrichters, indem die Streitparteien nach Art.  37 (2) (b) ICSID Übrk. auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts unmittelbar Einfluss nehmen können. Auch die Möglichkeit, sowohl als Schiedsrichter und Parteivertreter (zur selben Zeit) in verschiedenen Investor-Staat-Schiedsverfahren tätig sein zu können, ist der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der ICSID-Schiedsrichter abträglich. Insbesondere diese beiden Möglichkeiten haben dazu eingeladen, dass sich eine kleine epistemische Gruppe von internationalen Schiedsrichtern bildet, die eine gemeinsame Vorstellung von einer deregulierten und globalen Welthandelsordnung vereint. Zusätzlich wird in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit der Maßstab für die Begründung der Ablehnung oder den Ausschluss eines Schiedsrichters vom Verfahren zu hoch gesetzt. Wo in den meisten Schiedsordnungen bereits „berechtigte Zweifel“ („reasonable doubts“) zur Begründung der Befangenheit eines Schiedsrichters ausreichen, fordert Art.  57 ICSID Übrk. dem Wortlaut nach offensichtliche Mängel („a manifest lack“) hinsichtlich der in Art.  14 ICSID Übrk. geregelten Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Dadurch wurde von vielen ICSID-Schiedsgerichten ein konkreter Beweis zur Ablehnung oder für den Ausschluss eines Schiedsrichters vom Verfahren gefordert, der in der Praxis grundsätzlich schwer zu erbringen ist. Bestimmte Beziehungen zwischen Schiedsrichtern und Parteien, die in den meisten nationalen Gerichtsbarkeiten oder sogar in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit nicht akzeptabel wären, wurden deswegen in ICSID-Schiedsverfahren als zulässig erachtet. Dadurch kann unter dem Rechtsstaatsprinzip keine ausreichende tatsächliche sowie der Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter in ICSIDSchieds­verfahren gewährleistet werden. 9. Zusätzlich bestehen berechtigte Zweifel an der Legitimität und Funktionsfähigkeit des ICSID-Schiedsverfahrens, seiner Ergebnisse und seiner strukturellen Merkmale. ICSID-Schiedsgerichte werden für jeden Einzelfall ad hoc kon­ stituiert, was eine einheitliche Rechtsprechung unmöglich macht. Dasselbe gilt für das Aufhebungsverfahren nach Art.  52 ICSID Übrk., in dem ebenfalls eine

A. Zusammenfassung und Thesen

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uneinheitliche und teilweise widersprüchliche Rechtsprechung durch die ad hoc konstituierten Aufhebungsausschüsse erfolgt. Auch bei der eigenen Entscheidungskompetenz haben ICSID-Schiedsgerichte bereits einen sehr expansiven Ansatz bei der Auslegung der Regelungen des ICSID-Übereinkommens angenommen. Beispielsweise schließt die Regelung in Art.  54 (1) ICSID Übrk. nicht mehr aus, dass andere Verpflichtungen aus einem Schiedsspruch, wie Rückerstattung oder andere Formen spezifischer Leistungs- oder Unterlassungsklagen möglich sind, da ausdrücklich von einer Verpflichtung zur Durchsetzung der durch einen ICSID-Schiedsspruch auferlegten „pecuniary obligations“, also finanziellen Verpflichtungen, gesprochen wird. Tatsächlich sind Schiedsgerichte in der Praxis nach dem ICSID-Übereinkommen nicht mehr nur darauf beschränkt, finanzielle Entschädigungen zu gewähren, sondern können den Gastgeberstaat auch zu anderen spezifischen Leistungen oder zu einem Unterlassen verpflichten. Zusätzlich ist die auf formale Verfahrensfehler begrenzte Überprüfungsmöglichkeit von Schiedssprüchen nach Art.  52 ICSID Übrk. für eine öffentlich-rechtliche Streitbeilegung ungenügend. Dazu kommen ein zunehmender Exzess bei den Kosten und der Dauer der ICSID-Schiedsverfahren sowie das Fehlen von verbindlichen Transparenzregelungen, wie sie beispielsweise in den UNICTRAL-Transparenzregeln formuliert sind. 10. Die CETA-Vertragsparteien haben einen Großteil der Kritik am Status Quo der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit umgesetzt. Die Regelungen des ­CETAs zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten bedeuten eine radikale Änderung des Standardmodells der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen und sind dazu geeignet, dessen Legitimations- und Akzeptanzprobleme zu beheben. Verfahrensrechtlich bleibt es jedoch bei einer exklusiven Gerichtsbarkeit für ausländische Investoren und damit auch bei einer verfahrensrechtlichen Inländerdiskriminierung am Ort der getätigten Investition. Mit Rücksicht auf das CETA und dem in Art.  30.6 CETA geregelten Ausschluss der unmittelbaren Wirkung des CETAÜber­einkommens wird allerdings die Nützlichkeit eines Investitionsgerichtsmechanismus bekräftigt, der außerhalb des innerstaatlichen Gerichtssystems der Vertragsparteien angesiedelt ist. 11. Das CETA stellt ein hybrides Investitionsschutzabkommen dar. Im Vergleich zu herkömmlichen Investitionsschutzabkommen wie BITs und MITs, die im Schwerpunkt das materielle Investitionsschutzrecht zur Verfügung stellen und zur gerichtlichen Durchsetzung der Regelungen auf ein anderes Abkommen, insbesondere auf das ICSID-Übereinkommen verweisen, welches ausschließlich prozessuale Investitionsschutzregelungen zur schiedsgerichtlichen Streitbeilegung zur Verfügung stellt, setzt sich das CETA-Investitionsschutzkapitel aus vergleichsweise umfangreichen prozessualen und materiellen Investitionsschutzre-

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Ergebnis der Untersuchung

gelungen zusammen. Der Vorteil des hybriden Investitionsschutzabkommens liegt zum einen darin, dass sich die CETA-Vertragsparteien mit der Implementierung des Gemischten CETA-Ausschusses in der Funktion eines repräsentativen Auslegungsinstruments die Deutungshoheit über sämtliche materiellen und prozessualen Investitionsschutzregelungen vorbehalten haben. Die Rechtsprechung des CETA-Gerichts unterliegt dadurch einer staatlichen Kontrolle, indem die Fortentwicklung der materiellen und prozessualen Investitionsschutzregelungen einer Rückbindung der Auslegung an die CETA-Vertragsparteien unterzogen wird. Zugleich fördert die Verknüpfung von prozessualen Regelungen mit den durchzusetzenden materiellen Bestandsschutzregelungen die einheitliche Rechtsprechung in der Investor-Staat-Streitbeilegung, da die Mitglieder des CETA-Gerichts nicht das materielle Recht einzelner BITs und verschiedener MITs auszulegen haben, sondern ausschließlich die Bestimmungen des CETA-Investitionsschutzkapitels. 12. Das CETA-Gerichtssystem entspricht im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit nicht mehr den Eigenschaften der Handelsschiedsgerichtsbarkeit, sondern ist aufgrund der vom CETA gesetzten Eigenschaften des CETA-Gerichts im Wesentlichen dem vom EuGH entwickelten sogenannten unionsrechtlichen Gerichtsbegriff zuzuordnen. Bei der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA handelt es sich um eine Mischung aus neuen, institutionellen Elementen, die auf die verschiedenen, bestehenden Schiedsregeln aufgebaut werden. Die Streitparteien können sich im Sinne der Privatautonomie auf etablierte Schiedsordnungen, wie die des ICSID-Übereinkommens mit der ICSID-Schieds­ ordnung oder die UNCITRAL-Schiedsordnung einigen, die dann aber gemäß Art.  8.23 (6) CETA radikal durch die Verfahrensregelungen des CETAs modifiziert und ergänzt werden und so wiederum die Privatautonomie der Streitparteien einschränken. 13. Aufgrund der modifizierenden und ergänzenden Investitionsschutzregelungen des CETAs im Zusammenspiel mit der Anwendung von herkömmlichen prozessualen Investitionsschutzabkommen, wie dem ICSID-Übereinkommen, kann der Investitionsschutz unter dem CETA als Einhegung der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung bezeichnet werden. Diese Einhegung findet durch die Verkoppelung des CETA-Gerichts mit institutionellen Mechanismen, wie dem Gemischten CETA-Ausschuss, und der damit gewährleisteten Deutungshoheit der CETA-Vertragsparteien gegenüber dem CETA-Gericht bei der inhaltlichen Auslegung der Investitionsschutzregelungen des CETAs statt, zusätzlich durch die im Vergleich zu herkömmlichen Investitionsschutzabkommen detaillierteren, prozessualen und materiellen Investitionsschutzvorschriften, die als Maßstab für das CETA-Gericht zur Streitentscheidung des entsprechenden Verfahrensgegenstands eine engere Kompetenzgrenze ziehen. Zudem weist das

A. Zusammenfassung und Thesen

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CETA insgesamt eine Vielzahl an Detailregelungen auf, die nicht mehr als Investitionsbehinderung gegenüber dem Gastgeberstaat geltend gemacht werden können. Beispielsweise ist in Art.  2.11 (4 d) CETA geregelt, dass Kanada die Einfuhr von Gebrauchtwagen aus der EU gegenüber Investoren verbieten darf, wenn diese nicht den kanadischen Sicherheits- und Umweltanforderungen genügen. 14. Die Verfahrensregeln zur Investitionsstreitbeilegung nach dem CETA bewirken im Vergleich zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit eine wesentliche Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in der gerichtlichen Durchsetzung des materiellen Investitionsschutzrechts. Besonders hervorzuheben ist dabei das im Verfahren anzuwendende, unabdingbare und umfangreiche Transparenzsystem auf der Grundlage der UNCITRAL-Transparenzregeln mit den in Art.  8.36 CETA vorgenommenen Änderungen. 15. Die Investitionsstreitbeilegung unter dem CETA unterliegt aufgrund der Verkoppelung des CETA-Gerichts mit dem Gemischten CETA-Ausschuss der staatlichen Kontrolle. Mittels des Gemischten CETA-Ausschusses haben die CETA-Vertragsparteien die Möglichkeit, die Auslegung des Übereinkommens durch das CETA-Gericht, einschließlich der Rechtsbehelfsinstanz, mit einer verbindlichen Auslegung des CETA-Vertragstextes nach Art.  8.31 (3) CETA zu kontrollieren und zu steuern, das heißt, eine abstrakte und allgemeine Konkretisierung der Bedeutung auf die darin festgelegten Begriffe anzunehmen, ohne diese Interpretation aber selbst anzuwenden. Dadurch kann eine eventuelle Rechtsfortbildung durch das CETA-Gericht nicht der Kontrolle der CETA-Vertragsparteien entgleiten. Auf diese Weise kann beispielsweise effektiv einer möglichen Deregulierungsmission der CETA-Gerichtsmitglieder entgegengewirkt werden, wie sie teilweise in der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit stattgefunden hat. Auch die Umdeutung der Diskriminierungsverbote in allgemeine Liberalisierungsgebote, wie der EuGH es bei den Grundfreiheiten vorgenommen hat, könnte insoweit nicht bei der Investor-Staat-Streitbeilegung des CETA-Gerichts von den CETAVer­tragsparteien zugelassen werden. Durch die staatliche Kontrolle wird jedoch auch eine Politisierung der CETA-Investitionsstreitbeilegung geschaffen. Das Instrument ist insgesamt für die Rechtsstaatlichkeit insoweit von Vorteil, als dass der Gemischte CETA-Ausschuss die Vorhersehbarkeit der Anwendung der Investitionsschutzregeln durch das CETA-Gericht und damit die Rechtssicherheit im Verfahren erhöht. Dafür muss die angenommene Auslegung aber klar und verständlich sein. Andernfalls wird sie keinen Beitrag zur Vorhersehbarkeit leisten. Das Instrument weist aber auch die Möglichkeit der nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips in der Streitbeilegung durch das CETA-Ge­richt auf. Zum einen liegt diese Gefahr in der zeitlich nicht begrenzten Auslegungskompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses gemäß Art.  8.31 (3) CETA. Aus die-

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Ergebnis der Untersuchung

sem Grund sollte die Auslegungskompetenz so ausgeübt werden, dass diese nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstößt. Ein solcher Verstoß kann auftreten, wenn die Grenzen einer echten Auslegung einer Regelung überschrittten werden und in Wirklichkeit eine verschleierte Vertragsänderung vorgenommen wird und die Annahme der Vertragsänderung durch den Beschluss des Gemischten CETAAus­schusses gemäß Art.  8.31 (3) S.  3 CETA für einen Zeitpunkt in der Vergangenheit bestimmt wird und sich dadurch beispielsweis auf bereits abgeschlossene Rechtssachen auswirken würde. Zum anderen stellt die Deutungshoheit der CETA-Vertragsparteien durch den Gemischten CETA-Ausschuss gleichzeitig auch einen Eingriff in den Bereich der Rechtsprechung dar, indem die CETA-Gerichtsmitglieder bei ihrer Rechtsanwendung und Rechtsfindung an die angenommene Auslegung gebunden sind und diese dadurch eine Beeinträchtigung erfährt. Im Vergleich zur Rechtsanwendung und Rechtsfindung der ICSID-Schiedsrichter wird die Rechtsstaatlichkeit daher in geringerem Maße gewährleistet, da einem ICSID-Schiedsgericht keine verbindliche Auslegung zum Investitionsschutzrecht durch ein mit staatlichen Vertretern besetztes, politisches Gremium gemacht werden kann. Die CETA-Vertragsparteien sollten mit einer verbindlichen Auslegung des Vertragstextes auch nicht die Absicht verfolgen, in einem laufenden Verfahren auf die Entscheidung des CETA-Gerichts einzuwirken, weil dies die erhebliche Gefahr einer gelenkten Unabhängigkeit der CETA-Gerichtsmitglieder durch die CETA-Vertragsparteien in sich birgt sowie auch zu einer Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Verfahren führt. Allerdings sollte Letzterem das Erfordernis eines Konsenses der CETA-Vertragsparteien hinsichtlich einer verbindlichen Vertragsauslegung entgegenstehen, wenn davon ausgegangen wird, dass keine CETA-Vertragspartei gegenüber ihrem nationalen Investor eine solche Benachteiligung im Verfahren tolerieren würde. 16. Auch die Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder hat durch den Gemischten CETA-Ausschuss zu erfolgen und unterliegt damit der staatlichen Kontrolle. Dieser ernennt nach Art.  8.27 (2) CETA 15 Gerichtsmitglieder für die erste Instanz und nach 8.28 (3) CETA eine noch unbestimmte Anzahl an Mitgliedern der Rechtsbehelfsinstanz für eine Amtszeit von mindestens fünf Jahren, die jeweils einmalig verlängert werden kann. Obwohl die CETA-Vertragsparteien die Gerichtsmitglieder ernennen, ist die Zusammensetzung der streitentscheidenden CETA-Gerichtskammern, einschließlich der streitentscheidenden Kammern der Rechtsbehelfsinstanz, dem unmittelbaren Einfluss der Streitparteien wegen Art.  8.27 (7) CETA und Art.  8.28 (5) CETA entzogen. Nach Einreichung der Klage gemäß Art.  8.23 CETA setzt der CETA-Gerichtspräsident auf der Basis eines Rotationsverfahrens und nach dem Zufallsprinzip die jeweils zuständige CETA-Ge­richtskammer zusammen. Durch dieses Ernennungsverfahren wird

A. Zusammenfassung und Thesen

483

die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der CETA-Gerichtsmitglieder wesentlich besser geschützt und gewährleistet, als dies bei den parteiernannten ICSID-Schiedsrichtern der Fall ist, die schließlich doch immer einen Schiedsrichter benennen werden, der ihrer eigenen Sache gegenüber wohlgesonnen ist. Zudem ist die Vergütung der CETA-Gerichtsmitglieder nicht an ihre Ernennung als Schiedsrichter bzw. Parteivertreter geknüpft und sie werden nicht ausschließlich für ein Verfahren, sondern für eine gewisse Amtszeit benannt. Diese Sicherheit der CETA-Gerichtsmitglieder beseitigt die Versuchung, bestimmte Regierungsund Wirtschaftsakteure innerhalb eines Streitbeilegungsverfahren unangemessen zu begünstigen. In diesem Sinne hat eine wesentliche Abkehr von der ICSIDSchieds­gerichtsbarkeit stattgefunden. Die durch Vertreter der Vertragsstaaten bestellten CETA-Gerichtsmitglieder sind in einem höheren Maß demokratisch legitimiert und werden im Gegensatz zu den privat ernannten ICSID-Schieds­ richtern eher vor Einflüssen geschützt, die dazu geeignet sind, ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit soweit zu beeinträchtigen, dass diese tatsächlich oder dem Anschein nach nicht mehr gewährleistet werden kann. 17. Allerdings sollte vom Gemischten CETA-Ausschuss zusätzlich eine Regelung ins CETA aufgenommen werden, nach der die einzelnen Entscheidungen der CETA-Gerichtsmitglieder beim Urteilsspruch anonym erfolgen. Dadurch wäre ausgeschlossen, dass sich die CETA-Vertragsparteien die Achillesverse der Ernennung der CETA-Gerichtsmitglieder in der Möglichkeit der Amtsverlängerung nach Art.  8.27 (5) CETA dahingehend zu eigen machen, nur solche Gerichtsmitglieder zu bevorzugen, die in ihren Entscheidungen deutlich pro-Gastgeberstaat sind. Andersherum würden die CETA-Vertragsparteien nicht aufgrund der gesammelten Informationen der gefällten Entscheidungen durch die Gerichtsmitglieder dazu in der Lage sein, solche, die beispielsweise überwiegend pro-Investor entscheiden, von einer Amtsverlängerung auszuschließen. Als Beispiel einer solchen Regelung kann Art.  3.38 (12) EU-Vietnam TIA dienen: „Opinions expressed by individual Members of a division of the Tribunal shall be anonymous.“ 18. Auch die in Art.  8.30 CETA festgelegten ethischen Anforderungen an die CETA-Gerichtsmitglieder tragen wesentlich dazu bei, dass ein hohes Maß an der rechtsstaatlich geforderten Unabhängigkeit neutraler Richter gewährleistet wird. Dabei wird diese tatsächlich und dem Anschein nach umfassend geschützt, indem die CETA-Gerichtsmitglieder ab dem Zeitpunkt der Ernennung weder als Rechtsberater noch als Sachverständiger bei weiteren anhängigen oder neuen Investitionsstreitigkeiten tätig sein dürfen sowie durch den obligatorisch zu berücksichtigenden und einzuhaltenden CETA-Verhaltenskodex und der IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration (IBA-Richt­ linien).

484

Ergebnis der Untersuchung

19. Es ist den CETA-Vertragsparteien zu empfehlen, mittels des Gemischten CETA-Ausschusses die Regelung in Art.  6 (1) CETA-Verhaltenskodex zur Vertraulichkeit und dem Umgang mit nichtöffentlichen Informationen näher zu konkretisieren. Denn die Regelung in Art.  6 (1) CETA-Verhaltenskodex stellt eine unegnügende Regelung aufgrund des ungenauen Umgangs mit der Vertraulichkeit bzw. Verschwiegenheit von CETA-Gerichtsmitgliedern zu vergangenen, gegenwärtigen oder eventuellen zukünftigen Investitionsstreitbeilegungsverfahren dar, in denen sie mitgewirkt haben bzw. mitwirken werden. 20. Durch die Regelung in Art.  6 (3) CETA haben sich die CETA-Vertragsstaaten die Möglichkeit vorbehalten, unliebsame Gerichtsmitglieder, die überwiegend pro Investor entscheiden, nach spätestens 5 Jahren wieder abwählen zu können, indem einer zweiten Amtsperiode nicht zugestimmt werden würde. Gleichzeitig ist darin auch die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung der Richter begründet. Diese Möglichkeit könnte durch eine anonyme Veröffentlichung der Entscheidung des Richters im Urteil und damit durch eine Änderung des Art.  6(3) CETA-Verhaltenskodex oder durch die Einführung lediglich einer Amtszeit auf 10 Jahre unter dem Ausschluss der Möglichkeit der Wiederernennung, wieder genommen werden. 21. Mit Rücksicht auf das Rechtsstaatsprinzip ist besonderes hervorzuheben, dass der CETA-Verhaltenskodex einen ähnlichen Maßstab zur Begründung der Befangenheit und damit Ablehnung bzw. des Ausschlusses von CETA-Gerichtsmitgliedern beinhaltet, wie er im allgemeinen Grundsatz 2 IBA-Richtlinien (Conflict of Interest) geregelt ist. Dementsprechend lässt Art.  8.30 (1) CETA mit Verweis auf den CETA-Verhltenskodex und die IBA-Richtlinien „justifiable doubts“, also berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, genügen. Ein ähnlicher Maßstab ist auch in §  1036 ZPO geregelt. Dadurch das der CETA-Verhaltenskodex die IBA-Richtlinien nicht ersetzt, sondern ergänzt, liegen zudem gemäß des allgemeinen Grundsatzes 2 (c) IBA-Richtlinien berechtigte Zweifel dann vor, wenn ein vernünftiger und informierter Dritter zum Schluss käme, dass der Schiedsrichter bei seiner Entscheidungsfindung wahrscheinlich („a likelihood“) von anderen Einflussfaktoren als dem entscheidungserheblichen Sachverhalt, wie von den Parteien vorgetragen, beeinflusst wurde. Ein konkreter Beweis für einen Interessenkonflikt in der Person des CETA-Gerichtsmitglieds somit nicht erforderlich. 22. Die CETA-Rechtsbehelfsinstanz wurde durch Art.  8.28 (2) CETA mit einer umfassenden Überprüfungskompetenz von Urteilssprüchen der ersten Instanz des CETA-Gerichts ausgestattet. Sie kann aufgrund von Rechts- und Sachfehlern sowie den in Art.  52 ICSID Übrk. genannten Aufhebungsgründen die sogenannten Urteilssprüche der ersten Instanz bestätigen, abändern oder aufheben. Die Überprüfungskompetenz reicht damit weit über die des ICSID-Aufhe-

A. Zusammenfassung und Thesen

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bungskomitees nach Art.  52 ICSID Übrk. und der nationalen Gerichte im Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsverfahren nach Art. V New York Übereinkommen hinaus. Zu einer Überprüfung anhand des ordre public ist die Rechtsbehelfsinstanz allerdings nicht befugt. Es ist auch keine rechtliche Überprüfung anhand von fundamentalen Grundsätzen der Rechts- und Werteordnungen der CETAVer­tragsparteien, wie beispielsweise von der EU oder der deutschen Rechts- und Werteordnung, gewollt, wenn diese nicht Gegenstand der ersten Instanz waren. 23. Die CETA-Rechtsbehelfsinstanz wird eine Konsistenz und Kohärenz bei der Anwendung sowie der Auslegung der Investitionsschutzregelungen des ­CETAs erreichen. Als Folge findet im Vergleich zur ad hoc ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit eine Verbesserung der Rechtssicherheit durch eine einheitliche Rechtsprechung statt. Dennoch kann durch das CETA-Gericht kein formales System einer stare decisis im gesamten internationalen Investitionsrecht geschaffen werden, da die Entscheidungen keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren unter anderen BITs und MITs haben. Das CETA-Gericht kann ausschließlich in Bezug auf Investitionsstreitigkeiten unter dem CETA eine einheitliche Rechtsprechung erreichen. Andererseits dürfte zu erwarten sein, dass das CETA-Gericht einige rechtlich verbindliche Grundsätze im internationalen Investitionsrecht entwickeln wird, die auch über die Anwendung des CETAs hinaus Beachtung entfalten könnten. 24. Das CETA geht bei der Investor-Staat-Streitbeilegung neue Wege. Es ist weltweit das innovativste Investitionsschutzabkommen seiner Art und behebt wichtige Legitimationsdefizite des Status Quo der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen. Das CETA dürfte insgesamt auch eine Umkehrung des damals von Aron Broches für die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit entwickelten Grundsatzes „procedure before substance“ zur „substance before procedure“ im internationalen Investitionsschutz darstellen. 25. Optimismus zur Verbesserung des Rechtsstaatsprinzips in der materiellen Rechtsdurchsetzung des Investitionsschutzrechts durch das CETA-Gericht ist jedoch nicht gleichbedeutend mit blinder Akzeptanz. Es muss sich weiter darum bemüht werden, die internationale Investor-Staat-Streitbeilegung, ihre Legitimität und Integrität zu verbessern. Das CETA-Gericht ist vorzugsweise als ein fortschrittlicher, wenn auch unvollkommener Schritt in die richtige Richtung zu mehr Rechtsstaatlichkeit in der Investor-Staat-Streitbeilegung zu sehen. Obwohl es im Vergleich zu den BITs und MITs detailliertere Investitionsschutzbestimmungen zur Verfügung stellt und über eine weitere Präzisierungsmöglichkeit durch die Vertragsergänzungs- und Vertragsänderungskompetenz des Gemischten CETA-Ausschusses verfügt, bleibt die Frage bestehen, ob das materielle Investitionsschutzrecht des CETAs als Ausdruck des Willens der internationalen Gemeinschaft zu verstehen ist. Die internationale Investor-Staat-Streitbeilegung

486

Ergebnis der Untersuchung

sollte schließlich nach der in Hersch Lauterpachts Buch „The function of Law in the International Community“ entwickelten These, dem sich im Völkerrecht manifestierenden Willen der internationalen Gemeinschaft zur Geltung verhelfen, der voluntas civitas maximae. Es bleibt jedoch schwierig, das materielle Investitionsschutzrecht als Ausdruck des kollektiven Willens der internationalen Gemeinschaft zu begreifen, wenn sich insbesondere die Schiedsrichter in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit einer Deregulierungsmission verpflichtet zu fühlen scheinen und eine Umdeutung von Diskriminierungsverboten in allgemeine Liberalisierungsgebote stattfindet. Das CETA-Gericht sorgt zwar in der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung wesentlich für mehr Rechtsstaatlichkeit, so dass ein Defizit der Rechtsstaatlichkeit wegen der immer noch abstrakt formulierten Rechtsnormen und Generalklauseln in umfassender Weise durch die gerichtliche Rechtsdurchsetzung substituiert wird. Eine weitere Verbesserung des Rechtsstaatsprinzips in der Investor-Staat-Streitbeilegung kann aber durch noch präzisere, materielle Investitionsschutzvorschriften erreicht werden. Damit ist eine weitere Verfolgung des Ziels im Sinne eines grundsätzlichen Umtausches der Sentenz von Aron Broches gemeint: „substance before procedure“.

B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem CETA und dem ICSID-Übereinkommen Die vergleichende und tabellarische Übersicht zur Investor-Staat-Streitbeilegung nach dem ICSID-Übereinkommen und nach dem CETA wurde unter den folgenden Überschriften und der folgenden Reihenfolge vorgenommen: – Zuordnung; –  Das anwendbare Recht; –  Die Auslegung des anwendbaren Rechts; – Zuständigkeit; –  Die Befugnisse des Spruchkörpers; – Transparenz; –  Die Ernennung der Entscheidungsträger; –  Die Qualifikation der Entscheidungsträger; –  Die Ablehnung von Entscheidungsträgern; – Rechtsbehelfsinstanz; –  Die Anerkennung der Entscheidung; –  Die Durchsetzbarkeit der Entscheidung.

B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung

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Das Standardmodell der Investor-Staat-Schieds­ gerichtsbarkeit nach dem ICSID-Übereinkommen

Das Investor-StaatStreit­beilegungssystem nach Kapitel 8. CETA

Zuordnung

Ad hoc-Schiedsgericht, das für jeden Fall neu konstituiert wird. Ein ICSID-Schiedsgericht ist keine Institution des ICSIDs im eigentlichen Sinne. Institutionell ist das ICSID der Weltbankgruppe (WTO) zugeordnet. Völkerrechtlich handelt es sich aber um eine eigenständige internationale Institution, welche nur der Unterstützung der Schiedsgerichte dient. Der Sitz des Schiedsgerichts richtet sich nach der Parteivereinbarung. Allerdings gibt es bei der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit keinen eigentlichen Schiedsort mit den rechtlichen Folgen, die daran anknüpfen, sondern nur einen Ort des Schiedsverfahrens.

Internationaler ständig eingerichteter Gerichtshof mit Rechtsbehelfsinstanz für investitionsrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Wirtschaftsblock der EU und Kanada (bilateraler Gerichtshof mit Potenzial zum multilateralen Gerichtshof). Es handelt sich um eine hybride Form der Gerichtsbarkeit. Im Wesentlichen vermischen sich neue institutionelle Elemente, die auf verschiedenen bestehenden Schiedsregeln aufgebaut werden und diese modifizieren oder ergänzen (beispielsweise Regelungen des ICSID-Übereinkommens und der ICSID-Schiedsordnung sowie der UNCITRAL-Schiedsordnung oder der UNCITRAL-Transparenzregeln). Sitz des Gerichts ist je nach Begehren der Streitparteien Ottawa, Brüssel oder die Hauptstadt eines Mitgliedstaates der EU (Art.  8.19 CETA), ohne rechtliche Folgen. Völkerrechtlich handelt es sich um eine eigenständige internationale Institution.

Das anwendbare Recht

Das anwendbare Verfahrensrecht findet sich im ICSID-Übereinkommen, in den ICSID Arbitration Rules, den ICSID Consolidation Rules, den ICSID Institution Rules und in den ICSID Administrative and Financial Regulations. Diese regeln alle wesentlichen Fragen für die Durchführung und die Abläufe von ICSID-Schiedsverfahren. Die Regelungen können im Sinne der Parteiautonomie auch überwiegend modifiziert werden (abgesehen von zwingenden Vorschriften, wie beispielsweise Art.  53 (1) ICSID Übrk.), so dass das Schieds-

Das anwendbare Verfahrensrecht setzt sich aus den nach Art.  8.23 (2) CETA vereinbarten Regelungen und aus den spezifischen Regelungen des CETAs (Kapitel 8, Abschnitt F, Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) zusammen. Im Sinne der Parteiautonomie können sich die Streitparteien auf die Anwendung der Regelungen des ICSID-Übereinkommens und der ICSID-Schiedsordnung, die ICISD-Regelungen über die Zusatzeinrichtung, die UNCITRALSchiedsordnung sowie etwaige sonstige von den Streitparteien einvernehmlich festgelegte Regeln einigen. Die Grenzen erfährt die Parteiautonomie bei der Wahl derVerfahrensregeln durch

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Ergebnis der Untersuchung gericht im Sinne der Parteiautonomie grundsätzlich jegliches (tatsächlich existierendes) von den Parteien vereinbarte Recht anwenden kann. Das materielle Recht richtet sich gemäß Art.  42 ICSID Übrk. fast uneingeschränkt nach der Parteiautonomie, so dass die Parteien selbst festlegen müssen, welches Recht das Schiedsgericht auf den konkreten Fall anwenden soll. Dabei können die Parteien beispielsweise das Recht des Gastgeberstaates, eines anderen Staates, Völkerrecht (beispielsweise aus BITs und MITs) oder andere beliebige Rechtssätze vereinbaren (sogenanntes „proper law“). Im Fall einer mangelnden Einigung soll das Schiedsgericht das Recht des im Streitfall verwickelten Gastgeberstaates anwenden sowie Völkerrecht, wobei sich der Umfang des vom Schiedsgerichts anzuwendenden Völkerrechts nach dem Status des Internationalen Gerichtshofs bestimmt, so dass internationale Übereinkünfte, internationales Gewohnheitsrecht sowie anerkannte allgemeine Rechtsgrundsätze anwendbar sind (vgl. Art.  42 (1) S.  2 ICSID Übrk.).

Art.  8.23 (6) CETA, durch welche die spezifischen Regeln des CETAs nach Abschnitt F gegenüber den parteigewählten Verfahrensregeln vorrangig sind. Das CETA modifiziert dadurch die gewählte Schiedsordnung durch: – Die Möglichkeit der Streitbeilegung durch eine Mediation nach Art.  8.20 CETA; – Die vereinfachte Möglichkeit der Abweisung von offenkundig ohne Rechtsgrund angestrengten und aus Rechtsgründen unbegründeten Klagen innerhalb von 30 Tagen nach der Bildung der streitentscheidenden CETA-Gerichtskammer nach Art.  8.32 und 8.33 CETA; – Eine in Art.  8.39 (7) CETA geregelte 24-Monatsfrist ab dem Tag der Einreichung der Klage gemäß Art.  8.23 (1) CETA und bis zur Erteilung des endgültigen Urteilsspruchs gemäß Art.  8.39 (1) CETA; – Umfangreiche Regelungen zur Transparenz des Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens nach Art.  8.36 (1) CETA durch die unabdingbare Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln mit den im CETA vorgesehenen Änderungen; – Eine ausdrückliche Offenlegungspflicht der Prozessfinanzierung durch Dritte nach Art.  8.26 CETA; – Die Möglichkeit nach Art.  8.43 CETA, mehrere nach Art.  8.23 CETA eingereichte Klagen bei gemeinsamen Rechts- oder Sachfragen und die sich aus denselben Ergebnissen oder Umständen ergeben zu verbinden; – Das Einbringen von amicus curiaeSchriftstücken in Verfahren nach Ermessen der streitentscheidenden CETA-Gerichtskammer gemäß Art.  8.36 (1) CETA i. V. m. Art.  4 (1) UNCITRAL-Transparenzregeln; – Die grundsätzliche Verpflichtung der Zahlung der Verfahrenskosten durch die unterlegene Partei (sogenannter „cost

B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung

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follow the event“-Grundsatz) nach Art.  8.39 (5) CETA; – Und nach Art.  8.44 (3) (b) CETA die Möglichkeit der Änderung und Ergänzung der Verfahrensregeln durch den CETA-Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen im Zusammenspiel mit dem Gemischten CETAAusschuss nach der Ratifikation des CETAs. Das CETA-Gericht wendet nach Art.  8.31 (1) CETA bei seinen Entscheidungen ausschließlich die materiellen Investitionsschutzregelungen des CETAs an und soll dabei zusätzlich die Auslegungsregeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge sowie andere zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Regelungen und Grundsätze berücksichtigen. Nach Art.  8.31 (2) CETA darf das CETA-Gericht ausdrücklich nicht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme des Beklagten nach dem internen Recht der CETA-Vertragspartei beurteilen, geschweige denn auslegen. Es kann das Recht einer Vertragspartei lediglich als Tatsache heranziehen. Grundsätzlich sind die materiellen Regelungen zum Investitionsschutz in den Art.  8.4 bis 8.13 CETA enthalten, wobei auch die Vorbehalte und Ausnahmen zu diesen Regelungen in Art.  8.2 (2) CETA, Art.  8.15 CETA und die Verweigerung von Handelsvorteilen in Art.  8.16 CETA zu beachten sind. Schließlich ist es nach Art.  8.7 CETA (Meistbegünstigung) Investoren nicht gestattet, materiell-rechtliche Bestimmungen aus anderen Übereinkünften (z. B. ausVerträgen der EUMitgliedstaaten), die ihren Interessen eher dienen würden, zu „importieren“ und in CETA-Streitbeilegungsverfahren zu verwenden.

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Ergebnis der Untersuchung

Die Aus­ legung des anwendba­ ren Rechts

Die Auslegung der Verfahrensregelungen und des anwendbaren materiellen Rechts findet durch das Schiedsgericht statt. Es muss beispielsweise das unbestimmt verfasste Verbot unfairer Behandlung und indirekter Enteignung auf den Einzelfall anwenden. So kommt dem Schiedsgericht eine Schlüsselrolle bei der Auslegung des ICSID-Übereinkommens und des jeweiligen anwendbaren materiellen Rechts zu. Die durch das ICSIDSchiedsgericht vorgenommene Auslegung entfaltet nur inter partes Wirkung.

Die Auslegung der Verfahrensregelungen und des materiellen Rechts findet durch das CETA-Gericht erster Instanz und durch die Rechtsbehelfsinstanz statt. Bei zweifelhaften Fragen kann ein Investitionsausschuss (sogenannter Gemischter CETA-Ausschuss) um eine rechtliche Bewertung konsultiert werden (Art.  8.31 CETA). Dieser soll Fragen im Zusammenhang mit dem CETA erörtern und seine Bewertung ist für das CETA-Gericht und die Rechtsbehelfsinstanz bindend (Art.  8.44 CETA). Im Vergleich zu bisherigen Investitionsschutzregeln wird beim CETA das Recht des Staates auf Regulierung betont, wie etwa bei Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz, öffentlicher Sicherheit sowie kultureller Diversität.

Zuständig­ keit

Das ICSID-Schiedsgericht ist zuständig, wenn es sich um eine Investitions-zusammenhängende Rechtsstreitigkeit (die unmittelbar mit einer Auslandsinvestition zusammenhängt) zwischen einem Investor eines Vertragsstaates und einem anderen Vertragsstaat handelt und sich beide Parteien darüber einig sind, die Streitigkeit ICSID zu unterbreiten (Art.  25 ICSID Übrk. Zuständigkeit). Art.  32 und 41 ICSID Übrk. statuieren, dass das Schiedsgericht selbst entscheiden kann, ob eine Zuständigkeit vorliegt – sogenannte „competence-competence“. Eine zusätzliche Klage vor nationalen Gerichten ist möglich („Zweigleisigkeit“). Dazu können besondere Zuständigkeitsvoraussetzungen durch Klauseln in Investitionsschutzabkommen vorliegen. In Betracht kommen beispielsweise Meistbegünstigungsklauseln („most-favored-nation-clause“),

Mit Art.  8.25 (1) CETA haben die CETA-Vertragsparteien ihre ausdrückliche Zustimmung zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vor dem CETA-Gericht gegeben (eine offerta ad incertas alienum investors). Die Zuständigkeit des CETA-Gerichts wird durch die Einreichung der Klage durch den ausländischen Investor begründet. Zusätzlich braucht es zur Begründung der Zuständigkeit des CETA-Gerichts, dass es sich um eine Investitions-zusammenhängende Rechtsstreitigkeit (die unmittelbar mit einer Auslandsinvestition zusammenhängt) zwischen einem Angehörigen der EU oder Kanada und gegen einen Mitgliedstaat der EU, die EU oder Kanada handelt (Art.  8.18 und 8.22 CETA). Die Zuständigkeit des Gerichts ist eng begrenzt. Nach Art.  8.18 (1) CETA kann es nur über die Verletzung einer Pflicht nach Kapitel 8 CETA Abschnitt C (diskriminierungsfreie Behandlung) oder nach Abschnitt D (Investitionsschutz) entscheiden. Dazu darf ein Investor nur Klage erheben, wenn er nachweisen kann, dass die beanstandete

B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung

Die Befugnisse des Spruch­ körpers

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Regenschirmklauseln („umbrella-clauses“), Verhandlungsfristen bzw. Konsultationsfristen („Waiting-Clauses“), Gabelungsklauseln („fork-in-theroad-clause“).

Maßnahme des Gastgeberstaates einen Schaden verursacht hat. Der Investor darf keine Maßnahme abstrakt anfechten. Außerdem sind einer Klage vor dem CETA-Gericht nach Art.  8.22 CETA zwingend Konsultationen vorgelagert, so dass erst nach einem Scheitern der Konsultationen eine Klage vor dem CETA-Gericht zulässig ist. Als weitere spezielle und zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung muss ein kanadischer Investor nach Art.  8.21 CETA der EU ein Ersuchen zur Feststellung des richtigen Beklagten bei Streitigkeiten mit der EU oder einem EU-Mitgliedstaat vor Klageerhebung übermitteln. Schließlich ist es nach Art.  8.22 CETA nicht möglich, gleichzeitig vor einem staatlichen und einem Investitionsgericht auf Entschädigung zu klagen (Gabelungsklausel, „fork-in-the-road“). Bei „Zweigleisigkeit“ ist das CETAGericht unzuständig. Neben dieser formalen Zugangsbeschränkung zum CETA-Gericht wurde durch die Regelungen in Art.  8.22 (1) (f) und (g) CETA noch ein faktisches Erfordernis der nationalen Rechtswegerschöpfung geschaffen.

– Das ICSID-Schiedsgericht ist dazu befugt, über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme des beklagten Gastgeberstaates oder Investors durch einen endgültigen Schiedsspruch zu entscheiden. Das Schiedsgericht ist dazu befugt, Schadensersatz in Geld oder die Rückerstattung von Vermögenswerten, die dem Investor durch Enteignung entzogen wurden, zuzusprechen. Zusätzlich hat das ICSIDSchiedsgericht die Möglichkeit, den Beklagten zu einer Leistung im weiteren Sinne zu verpflichten, beispielsweise zu einem Unterlassen einer Maßnahme

– Das CETA-Gericht entscheidet gemäß Art.  8.23 CETA über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme des beklagten Gastgeberstaates durch einen sogenannten endgültigen Urteilsspruch im Sinne des Art.  8.39 CETA. Das CETA-Gericht ist nur dazu befugt, über Schadensersatz in Geld oder, mit Zustimmung des Beklagten, die Rückerstattung von Vermögenswerten, die dem Investor durch eine Enteignung entzogen wurden, zuzusprechen. Das heißt, es ist nicht dazu befugt, eine Maßnahme des Beklagten aufzuheben oder eine Anpassung der Maßnahme anzuordnen (Vgl. Art.  8.39 (1) CETA). – Nach Art.  8.33 CETA ist das CETA-Gericht dazu befugt, aus

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Transparenz

Ergebnis der Untersuchung oder zur Vornahme einer Handlung (vgl. Art.  54 (1) ICSID Übrk.). – Nach Art.  41 ICSID Übrk. hat das ICSID-Schiedsgericht die Befugnis, vorweg durch ein Prozessurteil oder erst im Endurteil über seine Zuständigkeit zu entscheiden („competence-competence“). – Art.  43 ICSID Übrk. befugt das ICSID-Schiedsgericht dazu, die Parteien aufzufordern, alle Urkunden oder sonstigen Beweismittel vorzulegen. – Dazu kann das Schiedsgericht nach Art.  47 ICSID Übrk. vorläufige Maßnahmen zur Sicherung von Rechten der Streitparteien (unverbindlich) empfehlen, sofern die Parteien nichts Anderes vereinbart haben. – Nach Art.  42 (3) ICSID Übrk. kann das Schiedsgericht nach Einverständnis der Streitparteien den Fall ex aequo et bono entscheiden.

Rechtsgründen unbegründete Klagen in ihrer Gesamtheit oder in Teilen abzuweisen (Eine Entscheidung nach Art.  8.33 CETA schließt eine Entscheidung nach Art.  8.32 CETA aus). – Nach Art.  8.32 CETA ist das CETA-Gericht dazu befugt, über offenkundig ohne Rechtsgrund angestrengte Klagen bereits nach seiner ersten Sitzung zu entscheiden. – Das CETA-Gericht ist gemäß Art.  8.43 CETA dazu befugt, mehrere Verfahren zu verbinden, wenn die Verfahren Rechts- oder Sachfragen gemein haben. – Art.  8.34 CETA erteilt dem Gericht die Befugnis, vorläufige Schutzmaßnahmen durch Beschluss zu erlassen, beispielsweise einen Beschluss zur Sicherung von Beweisen oder Rechten einer Vertragspartei. Die Anordnung einer Sicherungsbeschlagnahme oder die Anordnung an einen Gastgeberstaat, die Anwendung einer Maßnahme zu unterlassen oder vorzunehmen, sind nach Art.  8.34 CETA nicht möglich. – Schließlich gibt es keine Befugnis einen Streitfall ex aequo et bono zu entscheiden.

Das Schiedsverfahren findet grundsätzlich privat und im Geheimen statt (Art.  15 ICSID Übrk.), außer die Parteien erlauben bzw. vereinbaren etwas anderes, wie z. B. die Veröffentlichung des Schiedsspruchs (Art.  48 ICSID Übrk.). Nach Art.  22 ICSID Übrk. werden auf der Homepage des ICSIDs die Registrierung des Schiedsverfahrens, die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, die Namen der Verfahrensbevollmächtigten, wichtige Verfahrensfortschritte und der Abschluss des Schiedsverfahrens veröffentlicht.

Die mündlichen Verhandlungen sind öffentlich und das Gericht muss logistisch den öffentlichen Zugang dazu ermöglichen. Die UNCITRAL-Transparenzregeln finden in einer modifizierten Version Anwendung. Damit werden u. a. die Namen der streitenden Parteien, die Verfahrensdokumente, die Schriftsätze, Protokolle der Verhandlungen, Verfügungen des Gerichts und Urteilssprüche veröffentlicht (Art.  2, 3 UNCITRAL-Transparenzregeln). Dadurch wird ein höheres Maß an Transparenz geschaffen als beim Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland.

B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung

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Die Ernen­ nung der Entschei­ dungsträger

Die Parteien bestimmen die Schiedsrichter (Art.  40 ICSID Übrk.). Das ICSID-Schiedsgericht setzt sich typischerweise aus einem oder drei Schiedsrichtern zusammen (Art.  37 ICSID Übrk.). Die Mehrheit der Schiedsrichter muss einer anderen Nationalität als jeweils der Streitparteien angehören, es sei denn, alle Schiedsrichter wurden im Einvernehmen der Parteien ernannt (Art.  38 ICSID Übrk.).

Es gibt insgesamt 15 Gerichtsmitglieder des CETA-Gerichts erster Instanz. Fünf aus der EU, fünf aus Kanada und fünf aus Drittstaaten (Art.  8.27 CETA). Sie werden vom Gemischten CETA-Ausschuss, also von Vertretern der CETA-Vertragsparteien (Art.  26.1 CETA), für mindestens fünf Jahre ernannt. Die Amtszeit kann einmalig verlängert werden. Die streitentscheidenden Gerichtskammern, die aus einem (Nationalität: Drittstaat) oder typischerweise aus drei Richtern bestehen, werden paritätisch gebildet. Dabei soll die Kammer mit jeweils einem von der EU und Kanada gewählten Gerichtsmitglied sowie einem Gerichtsmitglied drittstaatlicher Nationalität besetzt werden. Die Streitparteien haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Wahl der Richter der zuständigen Gerichtskammer (Art.  8.27 CETA). Bei der Rechtsbehelfsinstanz werden die Mitglieder ähnlich vom Gemischten CETA-Ausschuss ernannt (vgl. Art.  8.28 (3) und (7) CETA). Die Anzahl der Mitglieder der Rechtsbehelfsinstanz muss noch festgelegt werden. Eine Kammer besteht allerdings zwingend aus drei Mitgliedern.

Die Qualifi­ kation der Entschei­ dungsträger

Die ICSID-Schiedsrichter müssen nach Art.  14 (1) ICSID Übrk. – ein hohes sittliches Ansehen genießen, – eine anerkannte Befähigung auf den Gebieten des Rechts, des Handels, der Industrie oder des Finanzwesens besitzen und – gewährleisten, dass sie ihr Amt unabhängig und unparteiisch ausüben werden. Damit kann grundsätzlich fast jede natürliche Person als Schiedsrichter in einem ICSID-Schiedsverfahren bestellt werden. Es muss sich gerade

Die CETA-Gerichtsmitglieder müssen nach Art.  8.27 (2), (4), (11) und Art.  8.30 CETA, – die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Qualifikation aufweisen, oder, – alternativ, ein Jurist von anerkannt hervorragender Befähigung sein, – nachweisliches Fachwissen auf dem Gebiet des Völkerrechts besitzen, – in wünschenswerter Weise über Fachwissen insbesondere auf den Gebieten des internationalen Investitionsrechts, internationalen Handelsrechts und der Streitbeilegung im Rahmen internationaler Investitionsoder Handelsabkommen verfügen,

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Die Ablehnung von Entscheidungs­ trägern

Ergebnis der Untersuchung nicht um eine Person handeln, welche die erforderliche Qualifikation zur Ausübung des anwaltlichen Berufs oder des Richteramtes besitzt. Die Streitparteien können aber im Sinne der Parteiautonomie zusätzliche Anforderungen an die zu bestellenden Schiedsrichter vereinbaren

– eine ständige Verfügbarkeit vorweisen, – nach Art.  8.27 (2) CETA eine bestimmte Nationalität aufweisen, – in der Lage sein, die in Art.  8.27 CETA genannten Aufgaben wahrzunehmen (wie z. B. die Funktion des Präsidenten oder Vizepräsidenten einzunehmen oder Vollzeit für das Gericht tätig sein zu können) und – die ethischen Anforderungen in Art.  8.30 CETA erfüllen. Insbesondere müssen die Gerichtsmitglieder unabhängig und unparteiisch sein, die Einhaltung der Bestimmungen der IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gewährleisten (zusätzlich zum oder bis ein Verhaltenskodex für die Gerichtsmitglieder von den CETA-Vertragsparteien beschlossen wurde), die Einhaltung eines Verhaltenskodex für die Mietglieder des Gerichts gewährleisten und sie dürfen nicht gleichzeitig neben ihrem Amt als CETA-Gerichtsmitglied in Investor-Staat-Schiedsverfahren die Tätigkeit als Rechtsberater ausüben, noch als von einer der Streitparteien benannter Sachverständiger oder Zeuge vor Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren auftreten.

Der Maßstab an die in Art.  57 ICSID Übrk. geregelte mögliche Ablehnung eines ICSIDSchiedsrichters besteht in der „Offensichtlichkeit“, dass dieser nicht die in Art.  14 (1) ICSID Übrk. geforderten Qualifikationen besitzt („a manifest lack of the qualities required by Art.  14 (1) ICSID Übrk.“). Der Wortlaut spricht für einen besonders hohen Maßstab zur Begründung der Ablehnung eines ICSIDSchiedsrichters und eine besonders schwere Beweislast für die ablehnende Partei im Sinne eines konkreten Beweises

Nach dem für das CETA-Gericht verbindlichen allgemeinen Grundsatz 2 IBA-Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit genügen „justifiable doubts“, also berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zur Begründung der Ablehnung bzw. zum Ausschluss eines CETA-Gerichtsmitglieds vom Verfahren. Diese berechtigten Zweifel sind nach dem allgemeinen Grundsatz 2 (c) der IBA-Richtlinien gerechtfertigt, wenn ein vernünftiger und informierter Dritter zum Schluss käme, dass der Schiedsrichter bei seiner Entscheidungsfindung wahrscheinlich („that

B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung

Rechts­ behelfs­ instanz

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für einen Interessenkonflikt in der Person des Schiedsrichters. Allerdings wird von den ICSIDSchiedsgerichten unterschiedlich ausgelegt, was unter „manifest lack“ nach Art.  57 ICSID Übrk. zu verstehen ist, so dass keine eindeutige Klarheit darüber herrscht, wie hoch der Maßstab für die Begründung der Ablehnung eines Schiedsrichters zu bewerten ist. Die Mehrheit wendet einen wortlautgetreuen Maßstab an, so dass von der ablehnenden Partei ein konkreter („offensichtlicher“) Beweis für die Begründung der Befangenheit gefordert wird.

there is a likelihood“) von anderen Faktoren als dem entscheidungserheblichen Sachverhalt, wie er von den Parteien präsentiert wurde, beeinflusst wurde. Ein konkreter Beweis für einen Interessenkonflikt in der Person des CETA-Gerichtsmitglieds ist demnach nicht erforderlich. Der Maßstab zur Ablehnung eines CETA-Gerichtsmitglieds kann sich allerdings noch durch den vom Gemischten CETA-Ausschuss zu beschließenden Verhaltenskodex für die Mitglieder des CETA-Gerichts ändern.

Nach Art.  52 ICSID Übrk. kann die Aufhebung des Schiedsspruchs (sogenanntes Aufhebungsverfahren) beantragt werden, wenn Verfahrensregeln vom Schiedsgericht missachtet wurden. Abgesehen von dem in Art. Art.  53 (1) und 52 (1) ICSID Übrk. geregelten Aufhebungsverfahren unterliegt ein ICSID-Schiedsspruch keinen anderen Rechtsmitteln bzw. keiner anderen Überprüfungsmöglichkeit (Gegen die Schiedssprüche eines ICSIDSchiedsgerichts ist keine Berufung möglich). Die Entscheidung des Aufhebungskomitees, welches vom ICSID-Zentrum zusammengesetzt wird, hat lediglich inter partes Wirkung. Die Aufhebungsgründe sind auf die in Art.  52 (1) ICSID Übrk. dargelegten Gründe beschränkt: 1. nicht ordnungsgemäße Bildung des Schiedsgerichts, 2. offensichtliche Überschreitung der Befugnisse des Schiedsgerichts,

Die Rechtsbehelfsinstanz des CETAGerichts, die von ihrer rechtlichen Struktur und der Organisation einer Berufungsinstanz ähnlich ist, kann einen Urteilsspruch des CETA-Gerichts erster Instanz nach Art.  8.28 (2) CETA auf Rechts- und Sachverhaltsfehler hin überprüfen und den Urteilsspruch bestätigen, abändern oder aufheben. Die Entscheidung hat für das CETAGe­richt bindende Wirkung. Gemäß Art.  8.28 (2) CETA erstreckt sich die Überprüfungsbefugnis der Rechtsbehelfsinstanz neben den in Art.  52 ICSID Übrk. geregelten Aufhebungsgründen auf die Überprüfung des Urteilsspruchs aufgrund von Fehlern bei der Anwendung oder Auslegung des anwendbaren Rechts sowie aufgrund von offensichtlichen Fehlern bei der Würdigung des Sachverhalts.

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Ergebnis der Untersuchung 3. Bestechung eines Mitgliedes des Schiedsgerichts, 4. schwerwiegende Abweichung von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift, 5. Fehlen der Begründung des Schiedsspruches. Daneben ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art.  51 ICSID Übrk. möglich, wenn Tatsachen bekannt werden, die vor dem Erlass des Schiedsspruchs unbekannt waren und diese Tatsachen dazu geeignet sind, die Entscheidung des Tribunals zu beeinflussen. Außerdem stellt Art.  55 ICSID Übrk. eine Ausnahme von der „automatischen“ Vollstreckung des Schiedsspruchs dar. Danach darf ein Staat die Vollstreckung verweigern, wenn das Recht des Staates, in das vollstreckt werden soll, durch Immunität geschützt wird. Das ist z. B. der Fall, wenn der gepfändete Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient.

Die Aner­ kennung der Entschei­ dung

Die einzigen Voraussetzungen für eine Anerkennung des Schiedsspruchs bestehen darin, dass der Schiedsspruch nicht nach Art.  51 oder 52 ICSID Übrk. aufgehoben worden ist und nach Art.  54 (2) ICSID Übrk. eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt wird.

Das CETA regelt in Art.  8.41 (1) CETA, dass die Urteilssprüche für die streitenden Parteien verbindlich sind. Zusätzlich müssen die Streitparteien nach Art.  8.42 (2) CETA den Urteilsspruch anerkennen und ihm unverzüglich nachkommen. – Bei Verfahren unter den ICSID-Regeln über die Zusatzregelungen, UNCITRAL-Schiedsordnung oder anderen Regeln ist dem Antrag auf Anerkennung eines Urteilsspruchs beim nationalen Gericht nach Art.  8.41 (5) CETA i. V. m. Art. IV (1) New York Übereinkommen eine beglaubigte Urschrift des Urteilsspruchs oder eine beglaubigte Abschrift des Urteilsspruchs und ein Beweis im Sinne des Art. II (1) New York Übereinkommens

B. Tabellarische Übersicht zum Vergleich der Investor-Staat-Streitbeilegung

497

dafür vorzulegen, dass sich beide Parteien dem CETA-Gericht unterworfen haben. Für einen solchen Beweis sollte die Klageschrift mit Bezug auf Art.  8.25 CETA genügen. Zusätzlich dürfen nach Art.  8.41 (3) (a) CETA keine Anträge auf Wiederaufnahmeverfahren oder die Aufhebung des Urteilsspruchs vorliegen. – Bei Verfahren unter dem ICSID-Übereinkommen ist dem Antrag auf Anerkennung eines Urteilsspruchs beim nationalen Gericht nach Art.  8.41 (6) CETA i. V. m. Art.  54 (2) ICSID Übrk. eine beglaubigte Abschrift des Urteilsspruchs vorzulegen. Dazu dürfen nach Art.  8.41 (3) (b) CETA keine Anträge auf ein Wiederaufnahme-, Nichtig-erklärungs- oder Aufhebungsverfahren vorliegen. Die Durch­ setzbarkeit der Entschei­ dung

Nach Art.  53 (1) ICSID Übrk. müssen nationale Vollstreckungsgerichte die ICSID-Schiedssprüche wie rechtskräftige Urteile ihrer Staaten behandeln. Nach Art.  54 (1) ICSID Übrk. werden die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, einen ICSID-Schiedsspruch als bindend anzuerkennen und die darin auferlegten finanziellen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet so zu vollstrecken, als handele es sich um ein rechtskräftiges Urteil eines ihrer innerstaatlichen Gerichte.

– Haben sich die Streitparteien gemäß Art.  8.23 (2) CETA auf die Anwendung der Regelungen des ICSID-Übereinkommens geeinigt, dann können diese zur Vollstreckung von durch das CETAGericht oder der Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilssprüchen grundsätzlich nicht bei Streitbeilegungsverfahren mit der EU als Beklagte verwendet werden. Dennoch können kanadische Investoren gegen die Mitgliedstaaten der EU (ausgenommen Polen) gemäß den Regelungen des ICSID-Übereinkommens endgültige Urteilssprüche des CETA-Gerichts erster Instanz vollstrecken. Auch andersherum können Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten endgültige Urteilssprüche gegen Kanada nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens vollstrecken. Endgültige Urteilssprüche, die von der CETA-Rechtsbehelfsinstanz erlassen wurden, sind dagegen nicht nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens vollstreckbar, weil das gegen den ausdrücklichen Wortlaut des Art.  53 ICSID Übrk. verstößt und auch keine inter se

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Ergebnis der Untersuchung Modifikation des ICSID-Übereinkommens durch das CETA nach Art.  41 (1) (b) WVK möglich ist. Die Vollstreckung eines Urteilsspruchs bei einem Verfahren mit dem ICSIDÜbereinkommen ist gemäß Art.  8.41 (3) (a) CETA erst möglich, wenn 120 Tage ab dem Datum des Urteilsspruchs verstrichen sind. Zusätzlich dürfen keine Anträge auf Wiederaufnahmeverfahren oder die Aufhebung des Urteilsspruchs gegeben sein; oder die Vollstreckung des Urteilsspruchs wurde ausgesetzt und ein Wiederaufnahmeoder Aufhebungsverfahren abgeschlossen. – Haben sich die Streitparteien auf die Anwendung der UNCITRAL-Schiedsordnung geeinigt, bestehen bei der Vollstreckung der vom CETA-Gericht erster Instanz und von der Rechtsbehelfsinstanz erlassenen endgültigen Urteilssprüche nach dem New York Übereinkommen keine Bedenken. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die nationalen Gerichte des Staates, in dem der endgültige Urteilsspruch vollstreckt werden soll, eine Überprüfung des Urteilsspruchs nach Art. V New York Übereinkommen vornehmen können. Die Vollstreckung eines Urteilsspruchs bei einem Verfahren mit den ICSID-Regeln über die Zusatzregelungen, UNCITRAL-Schiedsordnung oder anderen Regeln ist nach Art.  8.41 (3) (b) CETA erst möglich, wenn 90 Tage ab dem Datum des Urteilsspruchs verstrichen sind. Zusätzlich dürfen keine Anträge auf ein Wiederaufnahme-, Nichtigerklärungs- oder Aufhebungsverfahren vorliegen; oder die Vollstreckung des Urteilsspruchs wurde ausgesetzt und der Wiederaufnahme-, Nichtigkeits- oder Aufhebungsantrag wurde abgewiesen oder zugelassen und keine weitere Einlegung von Rechtsbehelfen ist möglich.

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Gemäß des Art.  8.41 (4) CETA soll die Vollstreckung eines Urteilsspruchs durch die am Ort der Vollstreckung geltenden Rechtsvorschriften für die Vollstreckung von Urteilen oder Schiedssprüchen vorgenommen werden, die zum Zeitpunkt des Vollstreckungsantrags in Kraft sind.

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Stichwortverzeichnis Abkommen über denselben Gegenstand  297 Ablehnungsgründe eines Richters  40 Ablehnungsmöglichkeit eines Schieds­ richters 204 Abweisungsmöglichkeit von Klagen  326 Alabama Claims Arbitration  71 Allgemeinheitspostulat  128 Amicus Curiae Brief  263, 320 Anonymität der Entscheidung  389 ASEAN 163 Aufhebungsverfahren 211 Aufwandsentschädigung der CETAGerichtsmitglieder 276 Ausländische Direktinvestition  168 Auslegung des Autors durch sich selbst  291 Auslegungskompetenz 461 Auslegung von völkerrechtlichen Abkommen 13 Ausschließungsgründe des Richters  40 Bestimmtheitsgebot 127 Bewertungsmaßstab 126 Billigkeitsentscheidung  152, 185

Einsetzung des CETA-Gerichts  268 Einzelfallgesetz  129 Entscheidung nach Billigkeit  342 Entscheidungskompetenz des CETAGerichts 351 Entscheidungskompetenz des Schieds­ gerichts  184 EU-Freihandelsabkommen  278 Exekutivbestellung der CETA-Gerichts­ mitglieder  383 Exportkreditagentur 74 Finanz- und Haushaltsverwaltung des CETA-Gerichts  391 Fortentwicklung des Investitionsschutzrechts  285 Free Trade Commission  432 Fremdenrecht 166 Friendship, Commerce and NavigationVerträge 71

Derogationsregel  295 Deutungsmacht  287 diplomatischen Schutz  114 Doktrin des rechtsverbindlichen Präzedenzfalles  249 Doppelrolle des CETA-Vertragsstaates  462 Doppelrolle des Schiedsrichters  243

Gabelungsklausel  369 Gabelungsklauseln  181 Garantie des gesetzlichen Richters  39 Gastgeberstaat 160 Gastgeberstaates 72 Gelenkte Unabhängigkeit  459 Gemischter CETA-Ausschuss  291, 449 – Staatlichen Kontrolle der Auslegung  457 – Vereinfachter Vertragsänderungs­ mechanismus 335 Gerichtsverwaltung  380 gesetzlicher Richter  45 Gleichheitsgrundsatz 127 Gründlichkeit der Verfahrensführung  420 Guerilla Taktik  406, 411

Einhegung der Investor-Staat-Schieds­ gerichtsbarkeit  294

Heimatstaat 74 Hermes-Bürgschaft 74

CETA-Gerichtskammer  429 CETA-Gerichtsmitglieder  428 CETA-Rechtsbehelfsinstanz  437, 448 CETA-Verhaltenskodex  402, 471

534

Stichwortverzeichnis

Hull-Formel  83 Hybride Form der Gerichtsbarkeit  275

Jay Treaty  70 Jurisdiktionsimmunität 112

ICSID 72 ICSID Additional Facility Rules  183 ICSID Administration Council  214 ICSID-Aufhebungskomitee 444 ICSID-Übereinkommen von 1965  72, 120 ICSID-Zentrum 142 Inamovibilität 36 Inkompatibilitätsregeln 43 Inländergleichbehandlung  87 Interessenkonflikte  199, 409 Interessen- und Pflichtenkollisionen des Richters  38 Internationale Investor-Staat-Streit­ beilegung 70 Internationaler Währungsfonds  289 International Law Commission (ILC)  80 Interpretation eines unbestimmten Rechts­ begriffs  456 Inter se Änderung des Völkervertrags  309 Investition  166, 173, 176, 364 Investitionsschutz 76 – angemessener Entschädigungs­ anspruch  83 – faire und angemessene Behandlung  84 – Kapitalfluss  83 – materiellen Regelungsinstrumente 76 – materiellen Schutzbestimmungen des CETAs  85 – materielle Regelungen  82 – Umbrella Klauseln  85 – voller Schutz und Sicherheit  84 Investitionsschutzabkommen  80 – bilaterale  80 – Energy Charter Treaty  81 – Hybrides  293 – multilaterale  80 – NAFTA  81 – United States-Mexico-Canada Agreement von 2018  82 Investitionsschutzversicherung 74 Investment Canada Act  368 Investor 161 Investor-Staat-Schiedsverfahren 116 Investor-Staat Streitbeilegung  111 issue conflict  201

Kompatibilitätsklausel  299 Kompetenz-Kompetenz  184 Konfliktklausel  299 Konsultationsantrags  359 Konsultationsverfahren 370 Kontrolle der Rechtsanwendung und Rechtsfindung  432 Kontrollmöglichkeiten des CETAGerichts 472 Korrekturauslegung  459, 469 Korruption  219 Legitimationskette 41 Marktzugangsbeschränkungen  86 Mediation 322 Meistbegünstigungsgebot  83 Meistbegünstigungsklausel 177 MIGA 75 Nationale Rechtswegerschöpfung  375 Neutralitätsgebot 37 New York Übereinkommen von 1958  119 Normenpyramide 106 Öffentlichkeit des Verfahrens  323 Parallelverfahren  338 Parteiautonomie  118, 315 Partisan Schiedsrichter  235 Primat des Völkerrechts  106 Proper law  151 Prozessfinanzierung  329 – Offenlegungspflicht  329 Recht auf Regulierung  281 Rechtsrahmen im Schiedsverfahren  288 Rechtssicherheit  29, 127 Bestimmtheit des Gesetzes  30 Rechtsstaatlichkeit 27 Rechtsstaatsprinzip 53 rule of law  53, 55 Regenschirmklausel  178 Regulierungsmaßnahmen  281 Richterliste 271

Stichwortverzeichnis Rückwirkungsverbotes 453 sachlich-inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung 435 Sachlich-inhaltlichen Kontrolle der Rechtsprechung 431 Salvatorische Klausel  360 Schiedsgericht 44 Schiedsklausel 157 Schiedsspruch  208 Schiedssprüche 310 Schiedsverfahren 44 Schiedsverfahrens  118 Selbstverwaltung des CETA-Gerichts  391 Staatenimmunität 111 Staatliche Kontrolle in der internationalen Investor-Staat-Streitbeilegung  288 Stare decisis  249 Statut des internationalen Gerichtshofs  151 Supranationale Organisation  316 Unabhängige und unparteiische Mandatsausübung  408 Unabhängigkeit  34, 196, 403 – institutionelle 41 – persönliche 35 – sachliche 36 Unabhängigkeit der Rechtsprechung  32 UNICITRAL-Transparenzregeln  338 Unparteilichkeit  195, 403 Veil of ignorance  288 Verfahrensdauer 317 Verfahrenskosten 321 Verfahrensökonomie 410 Verhaltenskodex für Schiedsrichter  405

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Verhaltensstandards zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 406 Verhältnisses zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht  106 – Dualismus 106 – monistischer Ansatz 106 Verhandlungsfristen  180 Verschleierte Vertragsänderung  468 Vertraulichkeit der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit 253 Vier Generationen der ICSID-Aufhebungsentscheidungen 257 Völkergewohnheitsrecht  78 Völkerrechtliches Fremdenrecht  77 Völkerrechtssubjekt 101 Völkerrechtssubjektivität  82, 117 Völkerrechtsvertrag 102 – CETA 105 – innerstaatliche Zustimmungsverfahren  103 – zusammengesetztes Verfahren 103 Völkgerrechtsvertrag – einfaches Verfahren 103 Vorläufige Schutzmaßnahmen  342 Waffengleichheit im Verfahren  462 Wesentlichen Geschäftstätigkeit  358 Wiener Vertragsrechtskonvention  102 WTO-Berufungsgremium 445 Zusammensetzung des CETA-Gerichts  382 Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit  409 Zwischenstaatliches Streitbeilegungs­ verfahren 115